211 61 18MB
German Pages 547 [548] Year 1985
STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR
Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil
Band 14
Wolfram Siemann
»Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung« Die Anfänge der politischen Polizei 1806-1866
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1985
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Geschichtswissenschaft liehen Fakultät der Universität Tübingen gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Redaktion des Bandes: Dieter Langewiesche
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Siemann, Wolfram: »Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung« : d. Anfänge d. polit. Polizei 1806-1866 / Wolfram Siemann. - Tübingen : Niemeyer, 1985. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur ; Bd. 14) NE: GT ISBN 3-484-35014-8
ISSN 0174-4410
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1985 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Satz und Druck: Maisch & Queck, Gerlingen. Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Inhalt
EINLEITUNG
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Das Thema Politische Polizei im 19. Jahrhundert als historisch erhebliches Problem . . . Populäre Polizeigeschichte Polizeigeschichtliche Jubiläums- und Erinnerungsschriften Allgemeine Polizeigeschichte in wissenschaftlicher Forschung Verschiedene Ansätze - Zum Begriff der politischen Polizei Enthüllungspublizistik zur politischen Polizei im 19. Jahrhundert Politische Polizei als Gegenstand der Geschichtswissenschaft Der Zeitraum der Untersuchung von 1806 bis 1866 Das geographische Untersuchungsfeld Die Quellen Zur Methode - Probleme der Institutionalisierung und Bürokratisierung . . .
1
1 2 5 7 8 15 26 31 32 33 35
ERSTES KAPITEL: ANFÄNGE DER POLITISCHEN P O L I Z E I IN >DEUTSCHLAND< VOR 1 8 1 5
I.
41
Österreich. D i e Grundlegung der m o d e r n e n politischen Polizei u n t e r J o s e p h II
41
II.
Bayerns politische Polizei u n t e r Montgelas
48
III.
Politische Polizei im Königreich Westfalen
57
IV.
Die B e g r ü n d u n g einer politischen Polizei in P r e u ß e n 1806-1812
61
1. Die Begründung und Organisation des Berliner Polizeipräsidiums 1809. . . . 2. Die Organisation einer selbständigen politischen Polizei durch Justus Gruner 3. Gruner als Chef der gesamten preußischen Staatspolizei 4. Gruners Konspiration der Befreiung 1812 5. Die Umlenkung der preußischen Geheimpolizei 6. Die Zerschlagung der Grunerschen Geheimorganisation
61 63 65 67 68 70 V
ZWEITES KAPITEL: STAATSPOLIZEILICHE K O O R D I N I E R U N G E N ZWISCHEN DEN DEUTSCHEN BUNDESSTAATEN 1 8 1 5 - 1 8 4 8
I.
72
Das >politische Verbrechern und der >Staatsschutz< als Bestandteil des Bundesrechts
72
II.
Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission 1819-1828
76
III.
Die Anbahnung des ersten südwestdeutschen Polizeivereins Juni/Juli 1832
87
Die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde 1833-1842
93
IV.
1. Das Frankfurter Attentat und die Einsetzung der Zentraluntersuchungsbehörde 93 2. Der Zwittercharakter der Frankfurter Untersuchungsbehörde 95 3. Die Frankfurter Behörde als Zentralstelle der politischen Polizei 96 4. Metternichs Projekt eines »Zentralinformationsbüros« des Bundes 1835-1837 99 5. Badens Initiative zu einer zentralen politischen Bundespolizei 1836 102 6. Der entscheidende Widerstand Bayerns gegen eine Zentralbundespolizei . . 104 7. Der Zwiespalt in der politisch-polizeilichen Kooperation Preußens und Österreichs seit 1840 106 V.
Der südwestdeutsche Polizeiverein des Jahres 1847
108
DRITTES KAPITEL: POLITISCHE POLIZEI IN DEUTSCHEN BUNDESSTAATEN ZWISCHEN
1815
UND
1848
I.
Österreich 1. Staatspolizei unter Sedlnitzky und Metternich 2. Agent unter Metternich - das Beispiel des Professors Dr. Wilhelm Binder . . 3. Die Begründung des Mainzer Informationsbüros: Anfangskonzeption, Fragestellungen 4. Das Mainzer Informationsbüro: Grundprinzipien seiner Organisation . . . . 5. Die Stellung des Informationsbüros zur Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde 6. Die endgültige Konzeption des Informationsbüros seit dem Jahre 1834 . . . . 7. Die Ausweitung des Büros seit dem Jahre 1836 8. Das Mainzer Informationsbüro und Nassau 9. Das Mainzer Informationsbüro und Preußen. Die Rolle der Mainzer Bundesfestung 10. Innerösterreichische Konzentration der politischen Polizei seit 1833 11. Organisation und Personalstand des Mainzer Informationsbüros vor seiner Auflösung im April 1848 12. Die Auflösung des Mainzer Informationsbüros im April 1848 VI
123
123 130 135 139 143 145 148 150 154 161 163 170
II.
Preußen 1. Die Diskussion über eine preußische Geheimpolizei nach 1815
174
2. Die Steigerung der Demagogenverfolgung im Jahre 1819
180
3. Die Ministerial-Untersuchungs-Kommission vom Juli bis September 1819 . .
182
4. Die Immediat-Untersuchungs-Kommission seit September 1819 (spätere Justizkommission 1 8 1 9 - 1 8 2 8 )
III.
184
5. Die erste staatspolizeiliche Ministerialkommission (6. 12. 1819)
186
6. Das beigeordnete Inquisitionsbüro. Tzschoppe
187
7. Zur Arbeit der Ministerialkommission 1819-1828
188
8. D e r Vorrang der Staatspolizei vor der Justiz
189
9. Die zweite staatspolizeiliche Ministerialkommission (23. 7. 1833)
190
10. Die Arbeit der zweiten Ministerialkommission 1833-1840
192
11. Die Bestandsaufnahme von 1836
193
12. Die Aufhebung der Ministerialkommission (6. 10. 1840)
195
Hannover 1. Die Sicherheits-Kommission von 1815
196
2. Die Auswirkungen der Bundesuntersuchungskommissionen von 1819 und 1833 auf das Landesinnere
197
3. D e r Verfassungskonflikt seit 1837 und die Anwendung des Bundesmaßregelngesetzes von 1832 im Landesinnern 4. Die Lage im Jahre 1847 unmittelbar vor der Revolution
199 202
5. Die Spannung zwischen städtischer und staatlicher Polizei in der Residenzstadt Hannover
204
6. Kompetenzhäufungen bei der Polizeidirektion Hannover: Entwicklungsstufen zu einer Landesbehörde bis 1848
IV.
206
Bayern 1. Voraussetzungen für die Wiederbelebung der politischen Polizei seit 1830 . . 2 1 1 2. Die politische Polizei in der Hand des Ministerialreferenten Anton von Braunmühl
V.
213
3. D i e bayerische staatspolizeiliche Ministerialkommission 1833
216
4. Das Kommissorium des Polizeikommissärs Sippel 1833
217
5. Korrespondenzkontrolle seit 1833
218
Sachsen Das Zentralbüro für die Sicherheitspolizei 1832
221
VIERTES KAPITEL: POLITISCHE POLIZEI DER REICHSREGIERUNG VON 1 8 4 8 / 4 9
223
1. Die Reichsbehörde für die höhere (politische) Sicherheitspolizei
223
2. Die Maßnahmen der Reichsgewalt gegen das politische Vereinswesen . . . .
226
3. Protestbewegungen gegen den >PolizeistaatRayons< 6. Die Wochenberichte 7. Die Gegenstände der Polizeikonferenzen 8. Ein geheimer Nachrichtendienst unter der Maske eines Bundespresseorgans 9. Indiskretionen über den Polizeiverein 10. Polizeivereins-Umfeld: Der »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands« 1855-1861 11. Krise und bekräftigter Zusammenhalt im Polizeiverein 1856-1858 12. Auflösungserscheinungen. Funktionswandel und Ende des Polizeivereins 1859-1866
242
242 244 247 254 258 259 261 265 270 279 294 297
SECHSTES KAPITEL: D E R A U S B A U DER POLITISCHEN POLIZEI IN DEN DEUTSCHEN EINZELSTAATEN SEIT DER REVOLUTION 1 8 4 8 / 4 9
I.
305
Österreich 1. Österreichs politische Polizei in der Revolution 1848/49 305 2. Reorganisation und erste Zentralisierung der politischen Polizei unter dem Innenministerium Bachs 1849-1852 308 3. Österreich und der Polizeiverein zur Zeit des Ministeriums Bach 1851/52. . . 312 4. Die Bildung der Obersten Polizeibehörde 1852 315 5. Der Rang Kempens als »Chef« der Obersten Polizeibehörde 318 6. Die Organisation der Obersten Polizeibehörde unter Kempen 320 7. Der Mailänder Aufstand (6. 2. 1853) - das Attentat auf Franz Joseph (18. 2.1853): Steigerung staatspolizeilicher Konzentration 326 8. Die Wirkung des Bach-Kempenschen Polizeisystems im Landesinnern . . . . 331 9. Kempens Stellung zum Polizeiverein 333
II.
Preußen 1. Aspekte zur Berliner Polizei im Revolutionsjahr 1848 2. Die Stellung Hinckeldeys: Vom Berliner Polizeipräsidenten zum heimlichen Polizeiminister 3. Das Präsidialbüro unter Hinckeldey 4. Das Vereinsbüro 5. Das Druckschriftenbüro 6. Die Berliner Polizei unter Stieber als Werkzeug der politischen Polizei . . . . 7. Präventivmaßnahmen für den innenpolitischen Staatsnotstand 8. Innerpreußische Konzentration der politischen Polizei seit 1851: die »Wochenberichte Inland«
VIII
340 345 355 357 363 371 385 389
III.
Hannover 1. Entwicklungsstufen der Polizeidirektion Hannover zu einer Landesbehörde seit 1848 2. Die Errichtung von königlichen Polizeidirektionen 3. Das innerstaatliche Polizeikonferenzsystem 4. Wermuths Stellung zum König 5. Praxis politischer Polizei unter Wermuth 1846-1862 6. Möglichkeiten und Grenzen Wermuths im Polizeiverein und in seinem >Rayon
politische Polizeimodernen< politischen Polizei war da. Die Ausführung brachte mehr Bürden mit sich, als es sich anfangs absehen ließ. Da die gesuchte >politische< in der Regel auch >geheime< Polizei war, versprachen amtliche gedruckte Quellen wenig Klärung. Der Weg mußte in die Archive führen, zu den unpublizierten Überresten sekreter staatspolizeilicher Tätigkeit. Solche Überlieferung fand sich unerwartet reichhaltig, allerdings lag sie weit zerstreut und oft vergraben unter sonderbarsten »Betreffen«. Ohne vielfältige menschliche Hilfe wäre die Idee im Plan Steckengeblieben. Deshalb schulde ich Dank allen, die mit Rat, Ermunterung, Gutachten, Kritik und triftigen Zweifeln den langwierigen Gang der Arbeit begleitet und vorangetrieben haben, besonders den Herren Professoren Dietrich Geyer, Bernhard Mann, Volker Press, Joachim Rückert, Dietmar Willoweit und namentlich meinem akademischen Lehrer Ernst Walter Zeeden, ohne dessen Geduld, Zuversicht und Zuspruch es dieses Buch nicht gäbe. Auch historische Forschung kostet Geld, und wenn sie Ausmaße wie in meinem Fall annimmt, übersteigt es die Mittel eines einzelnen. Deshalb schulde ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft großen Dank für ein Habilitationsstipendium in den Jahren 1978/79, verbunden mit großzügigen Reisebeihilfen zu den notwendigen Archivforschungen. An das gespannte Suchen, an die Freude über Finderglück, kurz: an die Arbeit in den Archiven denke ich gern zurück und sehe mich hier in der Schuld zahlreicher Beamter, die mir wichtige Wege wiesen und mir bereitwilligst die gewünschten Quellen aushändigten. Mein Dank gilt dem Geheimen Staatsarchiv XI
in Berlin-Dahlem, dem Zentralen Staatsarchiv in Merseburg, dem Haus-, Hofund Staatsarchiv und dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien, den Hauptstaatsarchiven in Hannover (mit Pattensen), München, Stuttgart und Wiesbaden, den Staatsarchiven in Darmstadt, Dresden und Potsdam, dem Generallandesarchiv in Karlsruhe, der Außenstelle des Bundesarchivs und dem Stadtarchiv in Frankfurt am Main. Ich freue mich, daß die Arbeit in der vorliegenden Reihe erscheinen kann. Dafür bin ich Herrn Harsch-Niemeyer, den Herausgebern und nochmals der Deutschen Forschungsgemeinschaft, diesmal für eine sehr beträchtliche Druckbeihilfe, verbunden. Viele Menschen haben diese Arbeit ein Stück des Weges begleitet, nur einer tat es von Anfang an und ganz - Anita Siemann-Wahl. Allein der kann das vollkommen würdigen, der weiß, was es heißt, neun Jahre wissenschaftlichen Arbeitens auf ein Ziel hin mitzuleben. Ihr widme ich dieses Buch. Tübingen, den 2. November 1984
XII
Wolfram Siemann
Abkürzungen
ADB
Allgemeine Deutsche Biographie
AVA
Allgemeines Verwaltungsarchiv (Wien)
BA
Bundesarchiv (Außenstelle Frankfurt)
BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München) Bl.
Blatt
BT
Bundestag Frankfurt/M.
FNV
Frankfurter Nationalversammlung 1848/49
Frhr.
Freiherr
FZUB
Frankfurter Zentral-Untersuchungs-Behörde
Gf.
Graf
Ghg.
Großherzog
GLA
Generallandesarchiv (Karlsruhe)
GStA
Geheimes Staatsarchiv (Berlin-Dahlem)
Hg.
Herzog
HHStA
Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien)
HStA
Hauptstaatsarchiv
Jb.
Jahrbuch
Kg.
König
Krt.
Karton
Ks.
Kaiser
MIB
Mainzer Informations-Büro
MZUK
Mainzer Zentral-Untersuchungs-Kommission
NDB
Neue Deutsche Biographie
OPB
Oberste Polizei-Behörde (Wien)
PHSt
Polizei-Hofstelle (Wien)
Pol.
Polizei
StA
Staatsarchiv
Zs.
Zeitschrift
ZStA
Zentrales Staatsarchiv (Merseburg)
XIII
»Als im Jahre 1851 dieser Verein [der deutschen Polizeichefs] gegründet wurde, geschah dies in der Absicht, um durch ein gemeinsames, in einander greifendes Wirken der Polizei in Deutschland die Bestrebungen der unter sich eng verbundenen Umsturzpartei erfolgreich zu bekämpfen, und es ist unleugbar, daß zeither durch das thätige Zusammenwirken der Commissarien der dem Verein angehörigen 7 größeren deutschen Staaten in dieser Hinsicht sehr viel geleistet worden, daß im Wesentlichen Dasjenige, was die im Jahre 1850 projectirte, aber nicht zu Stande gekommene Bundescentralpolizeibehörde für Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung wirken sollte, erreicht worden ist.« (Ernst Adolph Koerner, Geheimer Regierungsrat und Abteilungsleiter der politischen Polizei im sächsischen Innenministerium am 14. 4.1856 an den Chef der Obersten Polizeibehörde in Wien Freiherrn Kempen von Fichtenstamm)
»Ich brauche nur in unserm lieben Weimar zum Fenster hinaus zu sehen, um gewahr zu werden, wie es bei uns steht. - Als neulich der Schnee lag und meine Nachbarskinder ihre kleinen Schlitten auf der Straße probieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener nahe, und ich sah die armen Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie aus den Häusern lockt und sie mit ihresgleichen vor ihren Türen gerne ein Spielchen machten, sehe ich sie immer geniert, als wären sie nicht sicher und als fürchteten sie das Herannahen irgendeines polizeilichen Machthabers. Es darf kein Bube mit der Peitsche knallen, oder singen, oder rufen, sogleich ist die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität und alle Wildheit auszutreiben, so daß am Ende nichts übrig bleibt als der Philister.« (Johann Wolfgang von Goethe im Gespräch am 12. 3. 1828 mit Johann Peter Eckermann)
XIV
Einleitung
1. Das Thema »Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung« herzustellen war ein Ziel, das zu erreichen die deutschen Regierungen nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 vor allem bestrebt waren. Die Worte der als Motto vorangestellten Erklärung des sächsischen Geheimen Regierungsrats Ernst Adolph Koerner galten allerdings nicht plündernden Landsknechten, raubenden Gaunerbanden, Vaganten, Landstreichern, gewöhnlichen Räubern, Mördern oder Dieben, denen sich das Alte Reich vor 1806 durch die >Policey< seiner Reichskreise und Einzelterritorien entgegenzusetzen versuchte: Er meinte die politische Ordnung, >den StaatDemokratenRevolutionärsUmsturzpartei< der >Staatsfeinde< zu verteidigen sei, und er dachte nicht an Sachsen, sondern an >Deutschland< als Ganzes, das zu sichern sei.1 Er als Leiter der Abteilung für politische Polizei im sächsischen Innenministerium billigte ebenso wie der sächsische Staatsminister Freiherr von Beust die Publikation eines Werks, das 1855 unter dem Titel »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands« erschien; 2 diese keineswegs beispiellose Proskriptionsliste politisch belasteter Personen versetzte die publizistische Öffentlichkeit in Furcht und Empörung und ließ sie laut über das Phänomen einer so bezeichneten >politischen Polizei< nachdenken. Hier wurde ein spezifisches Werkzeug des bekämpften und verachteten >Polizeistaats< angegriffen, über den Goethe bereits 1828 beredt zu klagen verstand, und er war gewiß in dieser Hinsicht kein voreingenommener Augenzeuge.
1
2
StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 143f. Vgl. zum Polizeibegriff im Alten Reich Georg Christoph v. Unruh in: Kurt G. A. Jeserich, Hans Pohl, G. Chr. v. Unruh (Hrsgg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte. Bisher ersch. 3 Bde. Stuttgart 1983/84. Bd. 1, S. 388-427. - Zur politischen und mentalitätsgeschichtlichen Dimension von >Ordnung< vgl. Wolfgang Frühwald: »Ruhe und Ordnung«. Literatursprache - Sprache der politischen Werbung. Texte, Materialien, Kommentar. München, Wien 1976 = Hanser Literatur-Kommentare Bd. 3. - Paul Münch (Hrsg.): Ordnung, Reiß und Sparsamkeit. Texte und Dokumente zur Entstehung der »bürgerlichen Tugenden«. München 1984 = dtv dokumente 2940. Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands auf die Zeit vom 1. Januar 1848 bis zur Gegenwart. Ein Handbuch für jeden Polizeibeamten. Hrsg. v. *-r [= Hermann Müller]. Dresden [1855], Ndr. Hildesheim 1970. - Die Affäre um den »Anzeiger« ist so bedeutungsvoll für das Verhältnis von politischer Polizei und Öffentlichkeit im Jahrzehnt nach 1848/49, daß ihr ein eigener Abschnitt (Kap. 5,10) gewidmet werden wird.
1
Diese >politische Polizei< soll im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen; ihre historischen Anfänge und besonderen Entstehungsbedingungen, ihre Ausformung und ihr bald wachsendes, dann wieder abgebautes Eigengewicht innerhalb einer Staatsbürokratie, die das fürstlich-monarchische Herrschaftsmonopol so lange wie möglich gegenüber einer politisch aufgerüttelten >Gesellschaft< verteidigen wollte: das sind nur einige Gesichtspunkte, die den Darlegungen Richtung geben sollen. Was sich jedoch nicht von selbst versteht, ist zunächst noch vorab zu klären. 2. Politische Polizei im 19. Jahrhundert als historisch erhebliches Problem Was macht die politische Polizei< im 19. Jahrhundert als Gegenstand einer historischen Untersuchung erheblich? Zur Antwort ist es notwendig, einige allgemeine historische Vorbemerkungen über die Wandlungen vorauszuschicken, die den Übergang vom Heiligen Römischen Reich Ende des 18. Jahrhunderts zum Deutschen Bund des Jahres 1815 charakterisieren. Die zwischen 1803 und 1806 durchgeführten Mediatisierungen und Säkularisierungen selbständiger und halbautonomer kleinerer Herrschaften bedeuteten eine reichsrechtliche Revolution und wälzten die deutsche Staatenwelt territorial von Grund auf um. Die Vielheit verschiedener Regierungsgewalten (Kaiser, geistlicher oder weltlicher Landesherr, reichsstädtisches Patriziat, Reichsritter, mit Herrschaftsrechten ausgestatteter Grund- oder Gutsherr) machte - idealtypisch gesprochen - einem Dualismus von Fürst und Untertan Platz. Der Fürst lenkte den Staat und dieser bildete ein arrondiertes, kompaktes Territorium, das alle >Untertanen< durch Staatsangehörigkeit zu einem Staatsvolk verband. Beim Staat - kraft monarchischem Prinzip verkörpert in der Person des Herrschers - lag das Monopol der Politik; ihm stand nunmehr >die Gesellschaft, verstanden als die »societas civilis extra imperio« 3 , entgegen. Jedoch begann seit 1806, pointiert gesprochen seit dem Zusammenbruch Preußens bei Jena und Auerstedt unter den napoleonischen Heeren und seit der Publikation der Schrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung« 4 mit ihren bekannten Folgen im gleichen Jahre, mit Macht eine nationalgefärbte Politisie-
3
4
2
Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.): Staat und Gesellschaft. Darmstadt 1976, S. XI. Vgl. eine ähnliche Charakterisierung der Zeittendenzen nun jüngst bei Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, ζ. B. S. 69-71, 77, sowie besonders im Hinblick auf die Rolle der staatlichen Bürokratie, passim. Es versteht sich, daß unterhalb des durchgängigen Trends ältere Traditionen fortbestanden, namentlich Verbindungen der altständischen Versammlungen zu modernen Repräsentativkörperschaften; vgl. bes. Volker Press: Landtage im Alten Reich und im Deutschen Bund. Voraussetzungen ständischer und konstitutioneller Entwicklungen 1750-1830. In: Zs. f. Württ. Landesgesch. 39 (1980) S. 100-140; Günther Bradler, Franz Quarthai (Red.): Von der Ständeversammlung zum demokratischen Parlament. Die Geschichte der Volksvertretungen in Baden-Württemberg. Stuttgart 1982. Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. Nürnberg 1806.
rung der deutschen Bevölkerung in den Territorialstaaten. Wie schwer damals im einzelnen auch konkret vorstellbar: >Deutschland< wurde zum politischen Zielbegriff und Halt gegenüber der täglich mehr erfahrenen napoleonischen Okkupation. In einer bisher unbekannten Dichte nahmen sich Zeitungen und Flugschriften öffentlicher Angelegenheiten an; gelehrte, eher behäbige bürgerliche Lesegesellschaften wandelten sich zu Kristallisationspunkten politischer Vereinsbildungen, 5 unter denen der 1808 in Preußen gebildete »Tugendbund« führend hervortrat. Andere, teils mit revolutionären Aufstandsplänen operierende neue >BündeGesellschaften und >Vereine< kamen hinzu. Einen ersten Höhepunkt erreichte diese fortschreitende Politisierung in den mißglückten Aufstandsversuchen des Jahres 1809 in Norddeutschland und Österreich; ihren Gipfel fand sie jedoch in den 1813 beginnenden gesamtdeutschen erfolgreichen Befreiungskriegen, denen sich auch die fürstlichen Regierungen nicht mehr entziehen konnten, so daß sie sich - ein bisher unerhörter Vorgang - in >Aufrufen an das Volk< wandten. 6 Die Freiheitskämpfer waren sich in ihrer Opposition einig, in ihren konkreten Zielen jedoch nicht. Davon zeugten frühzeitig ihre Klagen über verbreiteten >ParteigeistGesellschaft< das fürstliche Herrschaftsmonopol in Frage stellte, begann sie zugleich, sich ihrerseits in konkurrierende Interessengruppierungen aufzuspalten. Die unterschiedliche soziale Herkunft offenbarte statt der ständischen nun neue Schranken. In der Wahl der Mittel und an politischen Zielen schieden sich die Meinungen. Zwischen 1806 und 1819 formierte sich dergestalt eine Öffentlichkeit, deren Bereitschaft und Willen zu politischer Betätigung selbständig fortwirkten und die Fürsten in der Rolle des Zauberlehrlings erscheinen ließen, der die gerufenen Geister nicht mehr zu bändigen vermochte. Tieferliegende, von den Betroffenen kaum durchschaute ökonomische Verwerfungen trieben diesen Vorgang zusätzlich voran: Der Zusammenbruch der Kontinentalsperre, der Einstrom von Gütern des englischen Markts, die einsetzende Wirtschaftskrise mit ihrem Höhepunkt im Jahre 18177 nährten unterschwellig Hoffnungen, eine politische Neugestaltung >Deutschlands< könne eine bessere Zukunft verheißen. Dies alles zusammengenommen charakterisiert eine Umbruchzeit in der deutschen Geschichte, für die gern das Etikett der beginnenden >Modernisierung< gebraucht wird. Diese bezeichnet
5
6
7
Vgl. Otto Dann: Die Anfänge politischer Vereinsbildung in Deutschland. In: Ulrich Engelhardt (Hrsg., u.a.): Soziale Bewegung und politische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt. Stuttgart (1976). S. 197-232. Vgl. zahlreiche derartige Aufrufe abgedr. bei Hans-Bernd Spies (Hrsg.): Die Erhebung gegen Napoleon 1806-1814/15. Darmstadt 1981 = Quellen zum polit. Denken der Deutschen im 19. u. 20. Jh. Bd. 2. Vgl. Wilhelm Abel: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis. Hamburg, Berlin 1974. 3
den großen historischen Transformationsprozeß, der mit der Industriellen Revolution in England zwischen 1760 und 1830 und mit der politischen Französischen Revolution von 1789-1794 einsetzte und der heute die gesamte Welt erfaßt hat.8
Die Problematik dieses Begriffs und seine Schwächen sind scharfsinnig durchleuchtet, vor allem, wenn er in eine globale Theorie zur Erklärung der Industriegesellschaften der Gegenwart eingebaut wird.9 Dennoch scheint er bei gehöriger Präzisierung nicht gänzlich untauglich als übergreifendes Deutungselement. 10 Allerdings handelt es sich unverkennbar um einen Relationsbegriff, der auf die jeweilige Gegenwart des Betrachters bezogen bleibt in dem Sinne, daß Beobachtungen hervorgehoben werden, die als noch gegenwärtig prägend wahrgenommen werden. >NationParteiStaats-BürgerÖffentlichkeit scheinen für deutsche Verhältnisse solche Zielgrößen zu sein, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestimmend wurden 11 und eine politische Anteilnahme von immer mehr Menschen anzeigten, so daß dem Jahrhundert das Signum des »Rebellious Century« verliehen wurde, um damit neue und wachsende Formen kollektiver Gewalt zu bezeichnen. 12 Was sich hier in der Bevölkerung tat, deuteten die Regierungen bald als Werk einer >RevolutionsUmsturzparteiGesellschaftden Staat< als solchen angreifen, seine Institutionen >umstürzenpolitische Polizei Modernisierung^, das ist ein Thema, das historischer Erörterung bedarf. Warum dies seither für ihre Ausbildungsphase im 19. Jahrhundert nicht geschehen ist, läßt sich teilweise wiederum nur historisch erklären und lenkt den Blick auf die Forschungslage. 3. Populäre Polizeigeschichte Wissenschaftlich betriebene Polizeigeschichte Deutschlands, zumal für das 19. Jahrhundert, ist ein wenig bearbeitetes Feld. Es hat den Anschein, als sei dies Thema bisher ernstzunehmender historischer Forschung nicht für würdig erachtet worden. 13 Um so mehr wird Polizeigeschichte in popularhistorischen Publikationen betrieben. Diese Feststellung entspringt keinem akademischen, vielleicht gar typisch >deutschen< Gelehrtendünkel, sondern der Sorge, unter welchen Voraussetzungen und unterschwellig vermittelten Werthaltungen derlei betrieben wird, ohne daß es kritischer Prüfung zugänglich wäre. Bei diesem Genre gilt Polizeigeschichte als packende Unterhaltung, als ein Teil der Kulturgeschichte überdies, die mit reichen Bebilderungen, Freude an Beispielen und reizvoll-kuriosen Details glänzt. Oft geben sich die Darstellungen universalgeschichtlich. Sie beabsichtigen, das Ansehen >der Polizei< zu heben, und sind in der Regel nicht allein für den interessierten Laien, sondern hauptsächlich für den aktiven Polizeimann bestimmt; die Publikationen sind zumeist abhängig von staatlichen Behörden: Minister genehmigen, fördern, billigen solche Unternehmen und verleihen ihnen gewissermaßen amtlichen oder offiziösen Charakter. Als Verfasser treten aktive Polizeibeamte hervor. Sie tragen Details zusammen, verzichten aber auf wissenschaftliche Erörterung, Begründung und Nachweisung.14 Eine zwölfbändige Reihe mit dem Titel »Die Polizei in Einzeldarstellungen« 15 erschien zwischen 1926 und 1928 mit Genehmigung des preußischen Innenministeriums und bezweckte, die noch junge Republik mit der Polizei als dem ehemaligen Organ der traditionellen herrschenden Gewalten des Kaiserreiches auszusöhnen; sie sollte ebenso das Ansehen der Polizei heben wie die Große Polizeiausstellung des Jahres 1926 in Berlin. 16 Der Herausgeber der Reihe Dr. Wilhelm Abegg war Ministerialdirektor und 13
14
15
16
Vgl. Heinz-Gerhard Haupt, Wolf-Dieter Narr: Vom Polizey-Staat zum Polizeistaat? Ein Forschungsbericht anhand neuerer Literatur. In: Neue Politische Literatur 23 (1978) S. 185-218. - Wolfgang Kopitzsch: Neue Beiträge zur Polizeigeschichte. In: Jb. des Instituts für Deutsche Geschichte 10 (1981) S. 445-450. Diese Gattung ist beispielhaft charakterisiert bei Hans Erpf(Hrsg.): Das große Buch der Polizei. Bern, Stuttgart (1976), S. 9-11. W[ilhelm] Abegg (Hrsg.): Die Polizei in Einzeldarstellungen. Mit Genehmigung des Preuß. Ministeriums des Innern hrsg. Bd. 1-12. Berlin 1926-28. Vgl. damit im Zusammenhang stehend: Sitzungsberichte der Allgemeinen Polizei-Konferenz [vom 1. u. 2.10. 1926] Berlin 1926.
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Leiter der Polizeiabteilung im preußischen Innenministerium und stand den Grundsätzen der freien Gewerkschaftsbewegung und damit der Sozialdemokratie ebenso nahe wie der Vizepräsident der Berliner Polizei, der von Goebbels heftig angegriffene Dr. Bernhard Weiss.17 Der Leiter der Kriminalpolizei-Abteilung im Polizeipräsidium Weiss verfaßte den Band über »Polizei und Politik«; er nennt für das 19. Jahrhundert zwar Fouche, Metternich, die Bundesuntersuchungskommissionen von Mainz und Frankfurt und den preußischen Oberkammerherrn Wittgenstein, überspringt indessen vollständig die Jahre zwischen 1848 und 1878 und damit die für Preußen charakteristische Reaktionswelle nach der Revolution von 1848/49. Er schaute auf seine jüngst zurückliegende Vergangenheit. 18 Der Essener Polizeipräsident Dr. jur. Kurt Melcher verfaßte innerhalb dieser Reihe die »Geschichte der Polizei« in universalhistorischer Weite von den Persern bis zum Jahre 1920; er beanspruchte nicht, selbständige Forschung zu betreiben, und richtete sich vor allem an die »in die tägliche Kleinarbeit eingespannten Polizeibeamten«. 19 Anders als dieses der Weimarer Republik verpflichtete Unternehmen unterwarf sich die aufwendig gemachte Ausgabe »Vom Werden der deutschen Polizei« vom Jahre 1937 uneingeschränkt der nationalsozialistischen Ideologie; ihr Verfasser Roland Schoenfelder, der Hauptschriftleiter der Zeitschrift »Der Deutsche Polizeibeamte«, nannte sie »Ein Volksbuch«; er legte darin den Schwerpunkt auf die Exekutivpolizei; wo er die politische berührt, gehört sie - wie etwa im Königreich Westfalen - zur »französischen Knechtspolizei«, die er gegen »deutsche Sicherheits- und Polizeieinrichtungen« hält, 20 oder er bewertet sie als Produkt Metternichs, den er als antideutschen Intriganten darstellt. Dagegen unterschlägt er die preußische Reaktion nach 1848/49 vollständig; an deren polizeilichem Repräsentanten, dem Berliner Generalpolizeidirektor Hinckeldey, lobt er »Umsicht und Tatkraft«. 21 Nach solchen Verirrungen war unter rechtsstaatlichen Bedingungen nach 1945 das Bedürfnis unabweisbar, die geschichtliche Deutung der Polizei auf eine neue Grundlage zu stellen. So ist die Absicht des ehemaligen Polizeioberrats Eugen Raible zu verstehen, die Geschichte der Polizei in den alten Ländern Baden und Württemberg zu behandeln. 22 Der von regierungsamtlicher Seite unterstützte 17
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Vgl. Hsi-Huey Liang: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik. Berlin, New York 1977, S. 80 = Veröffentlichungen der Histor. Kommission zu Berlin Bd. 47. (Amerik. Originalausg. Berkely [u.a.] 1970). Bernhard Weiss: Polizei und Politik. Berlin (1928)=Die Polizei in Einzeldarstellungen Bd. 3. Kurt Melcher: Die Geschichte der Polizei. Berlin (1926) = Die Polizei in Einzeldarstellungen Bd. 2. Roland Schoenfelder: Vom Werden der deutschen Polizei. Ein Volksbuch. Leipzig (1937), S. 244-246. Ebd., S. 269. Die Reaktionsära nach 1848/49 trägt den irreführenden Titel »Einbau der Polizei in den Verfassungsstaat«. Eugen Raible: Geschichte der Polizei, ihre Entwicklung in den alten Ländern Baden und Württemberg und in dem neuen Bundesland Baden-Württemberg unter bes. Berücksichtigung der kasernierten Polizei (Bereitschaftspolizei). Stuttgart (1963).
Verfasser konzentriert sich auf die Exekutivpolizei und umgeht Probleme der politischen Polizei ebenso wie die des Dritten Reichs. Ein vergleichbares Werk bietet 800 Jahre bayerischer Polizeigeschichte.23 Trotz anspruchsvollerer Materialbearbeitung mit Benutzung archivalischer Quellen vermag auch die Geschichte der Polizei in Schleswig-Holstein den hier vorgezeichneten Rahmen nicht zu sprengen. Die starke Anlehnung an die amtlichen Behörden mindert in der Regel ebenso den unbefangenen und wissenschaftlichen Charakter wie der Verzicht des Verfassers, die Darstellung mit Nachweisen seiner Materialien im einzelnen zu belegen. Ohne weitere Begründung klammert er die politische Polizei von vornherein aus. 24 Neben solchen zuletzt genannten ernstzunehmenden Versuchen, die zugleich den Abstand der Polizeigeschichtsschreibung zur universitären Historie bekunden, 25 gedeihen weiterhin die weitgefaßten Populärdarstellungen und -Sammlungen, für die offensichtlich dauernd Bedürfnis besteht; 26 das gilt besonders für das Thema der politischen Polizei, das sich unter Schlagworten wie »Verrat und Spionage in Deutschland« im zeitlichen Horizont von der Bibel bis 1980 reißerisch verkaufen läßt. 27 Gleiches trifft zu für die Portionierung von Vergangenheit in Einzelepisoden, mit denen sich spektakuläre politische Attentate verbinden lassen.28 4. Polizeigeschichtliche Jubiläums- und Erinnerungsschriften Jubiläums- und Erinnerungsschriften repräsentieren einen weiteren Typ nichtwissenschaftlicher Beschäftigung mit der Polizeigeschichte. Sie beruhen in der Regel auf amtlichem Material, sind Institutionen- und lokalbezogen, fußen auf Amtskenntnis und stammen zumeist gleichfalls aus der Hand von Praktikern. Das verleiht diesen Schriften einen anzuerkennenden Quellenwert, obwohl die immanenten Grenzen der Mitteilungen nicht verkannt werden dürfen; sie entspringen der Verpflichtung zu Loyalität und Dienstverschwiegenheit, so daß jeweils nur das - nach polizeilichen Maßstäben - für die Öffentlichkeit Zuträgliche bekanntgegeben wird. 23
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Otto Ernst Breibeck: Bayerns Polizei im Wandel der Zeit. Achthundert Jahre bayerische Polizeigeschichte. München (1971). Gerd Stolz: Geschichte der Polizei in Schleswig-Holstein. Heide in Holstein (1978), S. 14. Vgl. hierzu auch die Polizeigeschichtliche Sammlung des Polizei-Instituts Hiltrup. Bd.[l]2. 1969/74. So etwa Erpf: Buch der Polizei, Ernst-Ullrich Pinkert (Hrsg.): Büttel, Schutzmann, Prügelknabe. Die Polizei als (Leid)Motiv deutscher Lyrik von 1816-1976. Gedichte, Epigramme, Lieder, Balladen. München 1976. Diese Sammlung fußt auf der Arbeit desselben Verf.: Schriftsteller und Staatsgewalt in Deutschland. Zur Geschichte der Polizei und deren Sicht in der deutschen Literatur - unter besonderer Berücksichtigung des westdeutschen Romans von 1968-1972. Gesellschaftswiss. Diss. Marburg 1977. Heiner Emde: Verrat und Spionage in Deutschland. Texte - Bilder - Dokumente. München, Zürich 1980. Wolfgang Plat: Attentate. Eine Sozialgeschichte des politischen Mordes. Düsseldorf, Wien 1982.
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Bereits 1871 verfaßte der Vorsteher der Generalregistratur im Berliner Polizeipräsidium dessen Geschichte seit der Neubegründung im Jahre 1820. Als bester Kenner der Aktenlage verarbeitete er amtliches Material. 29 Die hundertjährige Wiederkehr des Gründungstages des Berliner Polizeipräsidiums im Jahre 1909 bot einen erneuten Anlaß zu solchem Unternehmen. 30 Gleiches geschah zum fünfzigjährigen Jubiläum der Berliner Schutzmannschaft. 31 In ähnlicher Weise feierte man die Gründung der Dresdener staatlichen Polizeidirektion im Jahre 1853,32 die hundertfünfzigjährige Geschichte der staatlichen Polizeiverwaltung im Regierungsbezirk Aachen 33 oder in jüngster Zeit die Gründung der großherzoglich badischen Gendarmerie im Jahre 1829.34 Stets liegt der Akzent auf der exekutiven Polizeitätigkeit, während die politische umgangen, wenn nicht bewußt gemieden wird. 35
5. Allgemeine Polizeigeschichte in wissenschaftlicher Forschung. Verschiedene Ansätze - Zum Begriff der politischen Polizei Als Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitung rangierte die Polizei traditionell in der älteren sogenannten »Policey-Wissenschaft«, wir würden heute übersetzen: Staats- und Verwaltungslehre. Ihre Bemühungen um einen Begriff und eine Lehre von der >Policey< sind im Standardwerk Hans Maiers bis zur Zeit Robert von Mohls zusammenhängend dargestellt. 36 Dabei gehört die inhaltliche Einengung des Polizeibegriffs von allumfassender >innerer Verwaltung< auf die bloße Sicherheitsfunktion im Laufe des 18. Jahrhunderts und die Eliminierung des Wohlfahrtszweckes zu den altbekannten und hier nicht zu wiederholenden Tatsachen. 37 29
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Druckschrift des Bürovorstehers Stendel anläßlich des 50jährigen Bestehens des Polizeipräsidiums [Berlin] 1871. Handschriftl. Manuskript in: StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 28 Nr. 734. [Willy] Feigell: Die Entwicklung des Königlichen Polizei-Präsidiums zu Berlin in der Zeit von 1809 bis 1909. [Berlin 1909]. Paul Schmidt: Die ersten 50 Jahre der Königlichen Schutzmannschaft zu Berlin. Eine Geschichte des Korps für dessen Angehörige und Freunde. Im amtlichen Auftrage und unter Benutzung amtlichen Materials zs.gest. u. bearb. Berlin 1898. Richard Kötzschke, Walter Thiele: Die Geschichte der Dresdner Staatspolizei zu ihrem 75jährigen Bestehen. Dresden 1928. Gerhard Veltman: Bilder aus der Geschichte des staatlichen Polizeiwesens. In: 150 Jahre Regierung und Regierungsbezirk Aachen. Beiträge zu ihrer Geschichte. Aachen 1967, S. 199-215. Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Baden-Württemberg (Hrsg.): Vor 150 Jahren. Gründung der Großherzoglich Badischen Gendarmerie. o.O. 1979. Eine Ausnahme hiervon macht der Vereinsvortrag des Polizeirats [Leopold] Henning: Das Wesen und die Entwicklung der politischen Polizei in Berlin. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 42 (1925) S. 88-92. - Die österreichische Polizeigeschichte ist in diesem Genre repräsentiert durch Kurt Frischler, Peter Zehrer: Kriminalwalzer. 120 Jahre Wiener Sicherheitsbüro. Wien, München (1979). Hans Maier: Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft). Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaft in Deutschland. 2. Aufl. München 1980.
Als Markstein wird stets die Definition des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 bezeichnet, das in klassisch gewordener Form die sogenannte Generalklausel der Polizei definierte: Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei.38 _ Bereits mit dieser Definition setzt eine auf Preußen hin verengte Perspektive ein, die dann die von der Rechtswissenschaft bearbeitete Polizeigeschichte beherrscht. Demgegenüber bleibt zu bedenken: Noch vor dem Allgemeinen Landrecht definierte man in dem anderen deutschen Großstaat des Heiligen Römischen Reiches im Jahre 1791 in einem »Circulare über die Einführung der neuen Polizeyverfassung in Wien«: Der Hauptgegenstand der Polizey und wovon alle einzelnen nur Zweige sind, ist: >Die beständige Aufmerksamkeit, damit in den Bezirken [Wiens] Gesetze und Anordnungen auf das Genaueste beobachtet, Ruhe, Ordnung, Sicherheit und öffentliche Anständigkeit gehandhabt, und so sehr es möglich ist, alles verhindert werde, was sowohl dem allgemeinen als Privatwohl nachtheiliü --ein könnte.Polizei< und staatlicher Zwangsgewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Der Staat 20 (1981) S. 201-228. Ders.« »Gemeinwohl«, Polizei und »Festungspraxis«. Staatliche Gewaltsamkeit und innere Verwaltung in Preußen, 1815-1850. Göttingen 1982, S. 67-82 = Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte Bd. 73. Vgl. auch oben, S. 1, Anm. 1. 38 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Ndr. Göttingen 1970. II. Teil. Titel 17, § 10. 39 Circulare vom 1. 11. 1791 in: BayHStA München MA 26091. 40 Vgl. dazu Kurt Wolzendorff: Der Polizeigedanke des modernen Staats. Ein Versuch zur allgemeinen Verwaltungslehre unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Preußen. Breslau 1918 = Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht Heft 35. - Hans-Harald Scupin: Die Entwicklung des Polizeibegriffs und seine Verwendung in den neuen deutschen Polizeigesetzen. Rechts- u. staatswiss. Diss. Marburg 1970. - Wolfgang Martens: Wandlungen des Polizeibegriffs, Generalklausel, Spezialermächtigungen, Die Generalermächtigung zur Gefahrenabwehr, Polizeipflichtige Personen = Gefahrenabwehr Bd. 2. 8. Aufl. Köln (u. a.) 1977. - Erich Angermann: Die Verbindung des »polizeistaatlichen« Wohlfahrtsideals mit dem Rechtsgedanken im deutschen Frühliberalismus. Eine Studie über die Verwaltungslehre Robert v. Mohls. In: Histor. Jb. 74 (1954) S. 462472. - Magdalena Klein: Robert von Mohl's Beitrag zur Entwicklung des modernen Polizeibegriffs. Jur. Diss. Masch. Erlangen 1949. 9
Die Entwicklung und Ausgrenzung eines Begriffs von >politischer Polizei< ist in diesem R a h m e n hingegen bis auf eine nicht sehr tiefgehende und überdies ideologisch durch ihren aktualisierenden Rückbezug auf die Gestapo und SS des Dritten Reiches verzerrte Untersuchung 4 1 unberücksichtigt geblieben. Deshalb seien dazu einige Klärungen erlaubt. Hier wie beim zuvor Gesagten gilt: so viele Köpfe - so viele Definitionen. E n d e des 18. Jahrhunderts zählte >Hohe Polizei< oder >Staatspolizei< zu den bevorzugten Ausdrücken f ü r einen zunächst nur vage gefaßten Sachverhalt. Der letzte große Theoretiker des Polizeirechts im Alten Reich, der hannoversche Hof- und Kanzleirat G ü n t h e r Heinrich von Berg, nimmt im Jahre 1802 die Begriffe >Oberpoliceyhohe PoliceyLandes-< und >Staatspolicey< für das Gleiche: Sie wirken »im G r o ß e n und für das Ganze«, liegen in der Hand des Landesherrn und haben die >niedere< oder >Localpolicey< zum Gegensatz. Als Unterschied zählt f ü r ihn lediglich die »Allgemeinheit oder Eingeschränktheit des Gegenstandes«. 4 2 O h n e hier nun eine weitere möglichst vollständig und dadurch ermüdende Begriffsgeschichte von Vorformen >politischer Polizei< leisten zu wollen, seien Prägungen zu charakteristischen Epochenmomenten angeführt. Mit der Begründung des Rheinbundes im Jahre 1806 nach der Auflösung des Alten Reiches trat zunächst noch kein Wandel im Verständnis ein. 43 Nach den napoleonischen Kriegen und Okkupationen deutscher Territorien sowie der Politisierung der Bevölkerung mit Inhalten der Französischen Revolution oder antifranzösischer Propaganda hatte sich das grundlegend geändert. D e r Volkswirtschaftler, Anhänger A d a m Smiths und Schriftsteller Julius Graf von Soden resümierte 1817 die in der Staatswissenschaft herrschenden Vorstellungen von >StaatspolizeiGeheimpolizei< an; er begreift sie als »Mißbrauch der Regierungsgewalt«, der nach dem Vorbild Frankreichs in mehreren europäischen Staaten nachgeahmt worden sei und »noch jetzt hie und da« umherschleiche: Jene Grundsätze sind es, welche das Ungeheuer der geheimen Polizei erzeugt haben; die mit immer rollendem Auge sich unter mannichfaltigen Larven, in die geheimsten Familienzirkel drängt, alle Handlungen des bürgerlichen Lebens belauert, heitern Lebensgenuß verkümmert, und den Thron der Willkühr auf die Zerreissung aller Bande des Vertrauens, der Liebe, der Freundschaft zu gründen strebt.45 Aus Sodens Ansatz spricht bereits die Erfahrung, ein Staat als solcher könne angegriffen, »vernichtet« werden. Napoleon hatte zahlreiche Beispiele dafür gegeben. Bemerkenswerterweise erkannte der Autor nun die staatsbedrohende Gefahr nicht mehr in der Person eines Heere befehligenden Feldherrn, sondern in den mittelbar von ihm ausgelösten Folgen innerhalb Deutschlands: Das waren die zu öffentlicher Betätigung drängenden politischen Vereinigungen der Jahre seit den Befreiungskriegen; so jedenfalls referiert Soden die herrschende Lehre, wenn sich auch seine eigenen »liberalen Grundsätze« - wie er es nannte - nicht damit vertrugen. 46 Im Jahre 1820 trennte dann der Jurist und spätere Paulskirchenabgeordnete Carl Friedrich Wilhelm Grävell in einer grundsätzlichen Abhandlung zum Thema das >Geheime< vom Begriff der Staatspolizei; er wollte es lediglich als Mittel und Methode der Polizei akzeptieren, die Spur derer zu verfolgen, die alle List aufbieten, sich ihren Blicken zu entziehen, und die Vorbereitungen und Anschläge der Verbrechen zu entdecken, bevor sie zum schädlichen Ausbruch kommen.47 Das sollte aber allein erprobten, zuverlässigen Beamten gestattet sein; »unbekannte Agenten«, »Zuträger, Denuncianten und Aufpasser« Schloß er aus. Auch 44
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Julius Graf von Soden: Die Staats-Polizei nach den Grundsätzen der National-Oekonomie. Ein Versuch. Aarau 1817, S. 67-79 = Ders.: Die National-Oekonomie. Ein philosophischer Versuch über die Quellen des National-Reichthums und über die Mittel zu dessen Beförderung Bd. 7. Ebd., S. 75. Soden distanziert sich freilich von der bei ihm dargestellten herrschenden Anschauung und versucht, eine >philosophisch< begründete, durch Denkformen Kants beeinflußte Definition von >StaatspolizeiStaatspolizei< galt ihm: Die höhere Polizei also tritt in Wirksamkeit, wo die Existenz des Staats, die Erhaltung seiner Verfassung, das Ansehn der Gesetze und die Sicherheit des Oberhauptes und der Behörden des Staats gefährdet ist.48
Das hier zu untersuchende Phänomen ist dann in der Reaktionsphase nach der Revolution von 1848/49 auf den uns noch heute geläufigen Begriff gebracht worden, der sich - wie vielfach aktenkundig wird - nun als festumrissen durchgesetzt hat. Der königlich hannoversche Archivsekretär Gustav Zimmermann definierte im Jahre 1852: Unter >politischer Polizei< (la police politique) versteht man: denjenigen Arbeitstheil der Polizeibehörden, welcher sich mit Beobachtung, Vorbeugung, Repression und Entdekkung der politischen Verbrechen und Bewegungen beschäftigt. [...] Es liegt in der Natur der Dinge, daß die politische Polizei hauptsächlich mit der polizeilichen Beobachtung für ihren Zweck arbeitet: sie beschränkt sich fast ganz auf eine police d'observation. 49
Die politische Polizei war nach Auffassung des Autors nicht gleichbedeutend mit >geheimer Polizeipolitisch< verstand. Dazu grenzt er ein: Zur politischen Materie gehören: die Absichten und Handlungen Einzelner und Volksclassen, welche darauf hinzielen, die bestehende Regierungsform, Constitutionsurkunde und regierenden Personen zu gefährden; die Complotte und Verbindungen der politischen Factionen und Aufrührer.50
Es wird nach der Durchführung der Einzeluntersuchungen zu prüfen sein, wie weit sich diese Festlegungen am konkreten empirischen Material bewähren. Übrigens wertete Zimmermann >politische Polizei< als einen >Zweig< der >Staatspolizeipolitische Polizei< darin zu erfahren, soll diese Gattung kurz berücksichtigt werden. Mit dem weiteren Ausbau der territorialen Polizeigesetzgebung und -organisation entstanden im 19. Jahrhundert Kompilationen, die als Handreichungen für den Polizei- und Verwaltungsbeamten verstanden sein wollten. Es waren alphabetisch nach Sachstichworten geordnete Sammlungen normativer Texte (Gesetze, Verordnungen, Ministerialerlasse, Instruktionen) für den praktischen polizeilichen Dienstgebrauch. Sie konnten Formularmuster oder auch Briefsteller enthalten, die zeigten, wie einzelne protokollarische Akte auszuführen seien; solche Werke entsprangen in der Regel dem persönlichen Ehrgeiz juristisch geschulter Polizeipraktiker, die sich über den engeren Kreis ihrer Amtsgeschäfte hinaus einen Namen machen, beruflich avancieren oder schlicht einen finanziellen Nebenerwerb haben wollten. Der ehemalige »Administrateur et commissaire de la Police« von Paris, Alletz, gab ein Vorbild für die Gattung ab. 52 Wie kaum anders zu erwarten, teilte er nichts über die »police secrete« mit. Das entsprechende österreichische Werk stammte von dem Dirigierenden Oberkommissär der Wiener Polizeidirektion; auch bei ihm wird man vergeblich nach den Stichworten >Staats-hohegeheime< oder >politische Polizei< suchen. 53 Das preußische Gegenstück, das »Preussische Polizei-Lexikon«, hätte am ehesten etwas zu diesem Thema bieten können, durften sich doch seine beiden Verfasser als Polizeileutnants beim Berliner Polizeipräsidium auf die Anregung ihres Chefs, des Generalpolizeidirektors Hinckeldey, berufen, der in Preußen in großem Umfang eine politische Polizei organisiert hatte. 54 Aber etwas über diese 52
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M. Alletz: Dictionnaire de police moderne pour tout la France. Bd. 1-4, 2. Aufl. Paris 1823. Adalbert Zaleisky: Handbuch der Gesetze und Verordnungen, welche für die PolizeiVerwaltung im österreichischen Kaiserstaate von 1740-1852 erschienen sind. Bd. 1-3. Wien 1854. Hermann Dennstedt, Willibald von Wolffsburg (Bearb.): Preussisches Polizei-Lexikon. Eine alphabetisch geordnete Zusammenstellung aller in das Gebiet der polizeilichen Thätigkeit einschlagenden Gesetze, Verordnungen, Instruktionen u.s.w. Bd. 1-7. Berlin 1855-58.
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seit 1848/49 geheim ausgebaute, im Berliner Polizeipräsidium zentralisierte Institution mitzuteilen hätte deren Wesen widersprochen. Deshalb stellen die Verfasser in dem knappen Artikel >Geheime Polizei< tatsachenwidrig lediglich fest, eine solche bestehe in Preußen nicht.55 Auch die Anspruchsvolleren, wohl hauptsächlich für den akademischen und verwaltungsinternen Gebrauch bestimmten Sammlungen führen zur Thematik der politischen Polizei nicht weiter. 56 Die nachfolgenden rechtswissenschaftlichen Untersuchungen zu Geschichte und Organisation der Polizei in einzelnen deutschen Staaten bewegen sich in diesem Rahmen, reichern die Art des Quellenmaterials noch an, bieten jedoch vorwiegend - wie wohl auch zumeist nicht anders beabsichtigt - Rechtsnorm und nicht Polizeipraxis.57 Erst in der Durchbrechung der Schranken, die die normativen, regulativen Quellen setzen, eröffnet sich der Blick für eine wissenschaftlich betriebene Geschichte der Polizeipraxis. Das geschah in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Erforschung der Weimarer Republik. 58 Für das 19. Jahrhundert, und hier speziell für Preußen, setzen die soeben fertiggestellten Untersuchungen Alf Lüdtkes und Albrecht Funks neue Maßstäbe. 59 Lüdtke legt den Schwerpunkt auf die Epoche von 1815 bis 1850 und arbeitet das Zusammenspiel zwischen exekutiver Polizeiverwaltung und intervenierendem Militär heraus, während Funk das Schwergewicht auf die Zeit seit 1850 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs legt und dabei das gesamte Wirkungsfeld der Exekutivpolizei erfaßt. Beide Arbeiten ergänzen einander vorzüglich; wie sie vorführen und wie es auch im hier behandelten Rahmen geschieht, führt der Weg zur Polizeipraxis nicht über amtlich publizierte, sondern vorwiegend über archivalische Überlieferungen.
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Ebd., Bd. 2, S. 385f. - Vgl. zu dieser Art Polizeiliteratur nun auch Alf Lüdtke: Polizeiverständnis preußischer Polizeihandbücher im 19. Jahrhundert. Zur Folgenlosigkeit akademischer Diskurse. In: Erk Volkmar Heyen (Hrsg.): Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem Ancien Regime. Europäische Ansichten. Frankfurt a. M. 1984, S. 307-347 = Ius Commune Sd.heft 21. Vgl. etwa die Standardwerke Ludwig von Rönne, Heinrich Simon: Das Polizeiwesen des Preußischen Staates. Bd. 1-2. Breslau 1840/41 = Die Verfassung und Verwaltung des Preußischen Staates Theil 6. - Gottlob Leberecht Funke: Die Polizei-Gesetze und Verordnungen des Königreichs Sachsen. Bd. 1-4. Leipzig 1846/47. Vgl. Manfred Biernath: Die bayerische Polizei. Geschichte, Sozialstruktur und Organisation. Phil. Diss. München 1977. - Gerhard Bauschinger: Das Verhältnis von städtischer Selbstverwaltung und königlicher Polizei in München im 19. Jahrhundert. Jur. Diss. München 1968. - Hans Mayer: Die Polizeigewalt in Hessen. Geschichtliche Entwicklung und geltendes Recht. Jur. Diss. Gießen 1931. - Edgar Schäfer: Die Polizei im Herzogtum Nassau. Rechts- u. wirtsch.wiss. Diss. Mainz 1972. Vgl. Liang: Berliner Polizei. - Siegfried Zaika: Die Exekutive im Lichte der historischen Konfliktsforschung. Untersuchungen über die Theorie und Praxis der preußischen Schutzpolizei in der Weimarer Republik. Lübeck 1978 = Polizei-Praxis Bd. 1. Lüdtke: »Gemeinwohl«, Polizei und »Festungspraxis«. - Albrecht Funk: Die staatliche Gewalt nach innen. Zur Entwicklung der preußisch-deutschen Polizei seit den Tagen der preußischen Reform bis zum Vorabend des I. Weltkrieges. Habil.schr. FU Berlin 1982.
Das gilt nun in besonders starkem Maße für den Zweig der politischen Polizei, die, soweit sie auf Schriftlichkeit angewiesen war, ihre Bekundungen bevorzugt »ad secretendum« den amtlichen Registraturen anvertraute. Der riesige politischpolizeiliche Aktenbestand etwa, den das Berliner Polizeipräsidium im 19. Jahrhundert produzierte, lief unter der Sonderrubrik »Geheime Präsidialregistratur«. 60 Deshalb konnte politische Polizei zu einem wissenschaftlichen Thema erst dann werden, als sich die Archive vorbehaltlos öffneten, nicht aber bereits im 19. Jahrhundert, d. h. zu einer Zeit, als der Gegenstand sehr wohl schon zu einem brisanten Thema der Publizistik geworden war.
6. Enthüllungspublizistik zur politischen Polizei im 19. Jahrhundert Die Öffentlichkeit erfuhr im 19. Jahrhundert über die Existenz und Wirksamkeit einer (geheimen) politischen Polizei stets auf dem Wege amtlicher Indiskretionen, aus Berichten über bekanntgewordene spektakuläre politische Prozesse oder aus persönlichen Berichten und Erinnerungen Betroffener. Ohne eine vollständige Dokumentation anstreben zu wollen, sollen hier in einem Streifzug charakteristische Publikationen angeführt werden, durch die es gelang, - bildlich gesprochen einige Zipfel von dem Schleier des Geheimnisses zu lüften. Diese Übersicht veranschaulicht zugleich Vielschichtigkeit und Problematik des Themas. Die Enthüllungen konzentrierten sich schwerpunktmäßig erstens auf den Vormärz, zweitens auf die 1858 einsetzende >Neue Ära< und schließlich drittens auf die dem Sozialistengesetz von 1878 nachfolgende Epoche. Eine amtliche Indiskretion eigener Art vor dem erstgenannten Zeitraum des Vormärz beruht auf dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft in Deutschland. Ein anonymer Autor veranstaltete 1814 eine Generalabrechnung über »Die entlarvte hohe und geheime Polizei des zerstörten Königreichs Westphalen«. Teils war er Augenzeuge gewesen, teils dankte er »einem glücklichen Zufall« 61 Aktenstücke, aus denen er Personalia, Techniken und Wirkungsradius der französisch-westfälischen Geheimpolizei rückhaltlos aufdecken konnte. Diese galt als abschreckende Form französischer Polizeistaatlichkeit, die seit 1814/15 in der Publizistik die Frage provozierte, ob eine solche Polizei auch in Deutschland fortbestehe; das war alsbald durch die 1819 einsetzenden Demagogenverfolgungen (in Preußen bereits 1817) zu bejahen. Die zentrale Koordination der Untersuchung revolutionärer Verschwörungen lag bei der 1819 eingesetzten Mainzer Zentraluntersuchungskommission, die ebenso wie ihre 1833 eingerichtete Nachfolgebehörde in Frankfurt auf strikte 60 61
Das ist der berühmte Titel 94 im StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium. [Anonym:] Die entlarvte hohe und geheime Polizei des zerstörten Königreichs Westphalen. 1814, S. 34 (ein Exemplar befindet sich in der Niedersächs. Landesbibliothek Hannover).
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Geheimhaltung aller ihrer Verhandlungen und Aktionen bedacht war. 62 Wenn auch die Presse lebhaft teils mit Entrüstung, teils mit Spott die Arbeit der Mainzer Kommission begleitete, 63 auch hin und wieder Einzelheiten durchdrangen, setzte die Behörde dennoch erfolgreich durch, daß ihr 1827 abgefaßter Schlußbericht der Ermittlungen der Öffentlichkeit vorenthalten blieb. 64 Doch bereits in den Jahren 1831 bis 1834 gelang es dem preußischen Landrichter Johann Daniel Ferdinand Neigebaur, unter Pseudonym einen beträchtlichen Teil an Akten der Mainzer Behörde zu veröffentlichen und überdies mit erstaunlichen Details über die in Preußen zur Verfolgung eingesetzten Kommissionen anzureichern. 65 Die Wirksamkeit der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde von 1833 erschloß sich der Öffentlichkeit, als die 1838 abgefaßte »Darlegung der Hauptresultate aus den wegen der revolutionären Komplotte der neueren Zeit in Deutschland geführten Untersuchungen« bekannt wurden. 66 Sie wurden - allerdings nur aus dem sicheren politischen Exil in der Schweiz - im Jahre 1843 einer scharfen Kritik unterzogen. 67 Herrschten bisher noch Zweifel über den Charakter der Mainzer und dann der Frankfurter Zentralbehörde, erschien nun nach dem Bekanntwerden der »Darlegung der Hauptresultate« nicht nur den Kritikern, sondern selbst den amtlich in den politischen Prozessen tätigen Strafverfolgern 62
Das läßt sich verdeutlichen am Beispiel der Protokolle der Mainzer Kommission; sie blieben allein deshalb erhalten, weil das preußische Mitglied entgegen der gemeinsamen Geschäftsordnung eigenmächtig Abschriften hatte anfertigen lassen. Man wollte ursprünglich die Originalprotokolle ohne Abschrift lassen; diese wurden später verbrannt; vgl. zu dem gesamten Vorgang Wolfram Siemann: Die Protokolle der Mainzer Zentraluntersuchungskommission von 1819 bis 1828. Überlieferung und neue Quellen. In: Franz Quarthai, Wilfried Setzier (Hrsgg.): Stadtverfassung - Verfassungsstaat - Pressepolitik. Festschr. f. Eberhard Naujoks z. 65. Geb.tag. Sigmaringen 1980, S. 301-317. 63 Zusammenhängend dokumentiert in der Akte BayHStA München MA 7610 »Zeitungsartikel die Centrai-Untersuchungskommission in Mainz 1821-27 betr.«. 64 Es handelt sich um den geheim gedruckten, nur in numerierten Exemplaren ausgegebenen, selbst nicht allen Exemplaren der gedruckten Protokolle der Bundesversammlung beigegebenen »Hauptbericht der Central-Untersuchungs-Commission, d.d. Mainz den 14. December 1827«; ein Orig. in der Univ.bibl. Konstanz, eine Xerokopie in der Univ.bibl. Tübingen. 65 [Johann Daniel Ferdinand Neigebaur:] Geschichte der geheimen Verbindungen der neuesten Zeit. Heft. 1-8. Leipzig 1831-34. Ndr. in 2 Bdn. Leipzig 1972. Neigebaur benutzte die Pseudonyme Mannsdorf, Rocholz, Hug und - sinnigerweise - Carl Folienberg. 66 Wieder hrsg. v. Werner Kowalski (Bearb.): Vom kleinbürgerlichen Demokratismus zum Kommunismus. [Bd. 2:] Die Hauptberichte der Bundeszentralbehörde in Frankfurt am Main . . . Berlin (Ost) 1978, S. 3-77 = Archival. Forschungen zur Gesch. der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 5/II. 67 Das geschah durch [Wilhelm Schulz:] Der Tod des Pfarrers Dr. Friedrich Ludwig Weidig. Ein actenmäßiger und urkundlich belegter Beitrag zur Beurtheilung des geheimen Strafprocesses und der politischen Zustände Deutschlands. Zürich, Winterthur 1843, bes. S. 3-43. - Wichtig zu Schulz ist Walter Grab: Ein Mann, der Marx Ideen gab. Wilhelm Schulz - Weggefährte Georg Büchners, Demokrat der Paulskirche. Eine politische Biographie. Düsseldorf 1979 = Schriftenreihe des Instituts f. Deutsche Geschichte Tel Aviv 4. 16
zweifelsfrei, daß die Frankfurter Kommission »nicht sowohl vom juristischen, als vom höheren politischen oder staatspolizeilichen Gesichtspunkte ausgegangen« sei. 68 D e r promovierte Jurist und sozialkritische Schriftsteller Ernst D r o n k e ging wenig später im Jahre 1846 in seinen novellistischen »Polizei-Geschichten« gegen die Praxis bezahlter Polizeispitzel an und machte in der Gestalt des Polizeidirektors »W.« Preußens f ü h r e n d e n Demagogenverfolger Tzschoppe - literarisch f ü r den Kenner k a u m verschlüsselt - zum T h e m a einer Novelle, nachdem bekannt geworden war, daß dieser gegen E n d e seines Lebens nach dem Ausscheiden aus d e m A m t sich wahnhaft von seinen früheren O p f e r n verfolgt fühlte und darüber den Verstand verloren hatte. 6 9 D e r 1847 deshalb und wegen anderer Veröffentlichungen folgende Prozeß gegen D r o n k e vor dem Zuchtpolizeigericht zu Koblenz 7 0 endete mit einer Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnishaft und gab ein Beispiel für die politischen Strafverfahren, wie sie schon im Vormärz nicht selten, nach der Revolution 1848/49 aber charakteristisch wurden. A m besten dokumentiert ist für diese postrevolutionäre Phase der Kölner Kommunistenprozeß vom Oktober/November 1852, 71 wenngleich ähnlich spektakuläre Verfahren wie gegen den einstigen Führer der demokratischen Fraktion der preußischen Nationalversammlung Benedikt Franz Waldeck, den Bonner Professor Gottfried Kinkel oder gegen den demokratischen Journalisten August Ladendorf stattfanden und die Öffentlichkeit nicht weniger über die Polizeimaßnahmen der heftig einsetzenden Reaktion aufhorchen ließen. 7 2 Beim Kommunistenprozeß wurden indessen wie nirgends sonst die N a m e n und Methoden der f ü r die preußische politische Polizei tätigen Personen bekannt, weil die Vorphase ihrer hier offenbarten Ermittlungen bis an den Beginn der L o n d o n e r Industrieausstellung im Mai 1851 zurückreichten, als die preußische Polizei die dortigen deutschen Emigranten zu überwachen begann; aber auch deshalb, weil die »Kölnische Zeitung« im Oktober/November 1852 minutiös und teilweise in mitstenographierten Wortprotokollen über die Verhandlungen vor dem Assisenhof in Köln berichtete. Im Kreuzfeuer stand vor allem der Polizeirat und spätere Leiter der preußi68
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Wilhelm Schulz, Carl Welcker: Geheime Inquisition, Censur und Kabinettsjustiz im verderblichen Bunde. SchlußVerhandlung mit vielen neuen Aktenstücken über den Prozeß Weidig. Carlsruhe 1845, S. 114; Hervorhebung im Text. Ernst Dronke: Polizei-Geschichten. Leipzig 1846. - Neu hrsg. v. Detlev Wagner u. d. T.: Ernst Dronke: Polizei-Geschichten sowie der Prozeß gegen denselben vor dem Zuchtpolizeibericht zu Koblenz (1847). Berlin (West) o. J. = Bücherei Oberbaum Nr. 1011; es handelt sich um »Das Unvermeidliche«, ebd., S. 84-108, vgl. bes. S. 106f. Vgl. die gedruckten Auszüge aus den Prozeßverhandlungen, ebd., S. 118-128. Karl Bittel (Hrsg.): Der Kommunistenprozeß zu Köln 1852 im Spiegel der zeitgenössischen Presse. Berlin (Ost) 1955. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. 1-7. Stuttgart 195782. Vgl. Bd. 3, S. 174-176.
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sehen Kriminalpolizei Wilhelm Stieber. Die Verurteilung der Hauptangeklagten schien seinen Ermittlungen recht zu geben. Um diesen Eindruck nicht zu stören, unterließen die Polizeibehörden im Deutschen Bund nichts, um zu verhindern, daß die anonym in dem revolutionären Baseler Verlag Schabelitz 1853 erschienenen, vom Mit- oder Hauptbetroffenen Karl Marx stammenden »Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln« im Gebiet des Deutschen Bundes verbreitet wurden. 73 Denn damit wären die polizeistaatlichen rechtsbrecherischen Machenschaften vor allem Stiebers, seine Meineide, Tatsachenverdrehungen und Dokumentenfälschungen, die bereits in Gerichtsverhandlungen zutage getreten waren, und hierdurch zugleich das sie deckende Regiment Hinckeldeys in Berlin unwiderbringlich preisgegeben worden. 74 Inzwischen hatte Stieber gemeinsam mit dem hannoverschen Generalpolizeidirektor Wermuth das Werk über »Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts« zusammengestellt. Sie behaupteten, es »im amtlichen Auftrage zur Benutzung der Polizei-Behörden der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten auf Grund der betreffenden gerichtlichen und polizeilichen Acten dargestellt« zu haben. 75 Das zweibändige Werk enthält eine bis in den Vormärz zurückreichende historische Darstellung, aus den Polizeirecherchen hervorgegangene und noch heute wichtige dokumentarische Anlagen sowie schließlich eine Namensliste mit den Personalien der in den Gerichtsuntersuchungen vorkommenden Personen. Dieses ausschließlich für den amtlichen Gebrauch bestimmte Unternehmen signalisierte, wie sich die politische Polizei bei zwischenstaatlicher Koordinierung als eigener >Dienstzweig< verselbständigte und in der Art der Datenaufnahme und -Verarbeitung professionellen Charakter anzunehmen bestrebt war. Das Werk gelangte späterhin ebenso in die Öffentlichkeit wie der bereits erwähnte, 1855 erschienene »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands«. Der Beginn der Regentschaft in Preußen am 7./9.10.1858 unter Prinz Wilhelm76 wurde als Markstein für eine >Neue Ära< empfunden; entsprechend wuchs auch in der Publizistik der Mut und Spielraum, mit der vorausgegangenen Reaktionsperiode - und in Preußen speziell mit dem »System Manteuffel-Westphalen-Hinckeldey« - grundsätzlich abzurechnen. Der spektakuläre Prozeß gegen Stieber im Jahre 1860, seine Amtsenthebung, seine Enthüllungen, 77 die dadurch 73
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[Karl Marx:} Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln. Basel 1853; wieder abgedr. in: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Bd. 8. Berlin (Ost) 1960, S. 405-470. Dieser Vorgang wird in einem eigenen Abschnitt behandelt. [Karl Georg] Wermuth, [Wilhelm] Stieber: Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts. Theil 1-2. Berlin 1853/54. Ndr. Berlin (West) 1976; die Herausgeber teilen ihre Legitimation in dem unfangreichen Untertitel des Werks mit. - Vgl. zu diesem auch Toni Offermann: Arbeiterbewegung und liberales Bürgertum in Deutschland 1850-1863. Bonn (1979), S. 77f. = Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung. Reihe Politik u. Gesellschaftsgesch. Bd. 5. Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 270-272. Vgl. Leopold Auerbach (Bearb.): Denkwürdigkeiten des Geheimen Regierungsrathes Dr. Stieber. Aus seinen hinterlassenen Papieren. Berlin 1884, S. 109-212.
von Stieber provozierten Rücktritte des preußischen Justizministers Simons und des Generalstaatsanwalts Schwarck »versetzten das Land in die größte Aufregung«. 78 Bei diesen Vorgängen kam vielerlei über die Tätigkeit der politischen Polizei an das Licht der Öffentlichkeit. Der Berliner Journalist Wilhelm Eichhoff hatte in seinen serienweise veröffentlichten »Polizei-Silhouetten« wesentlichen Anteil daran; 79 diese wirkten wegen ihrer intimen Detailkenntnisse über das Verhältnis von Polizei, Justiz und Staatsanwaltschaft so brisant, daß er nur die ersten beiden Serien 1860 in Berlin im Selbstverlag erscheinen lassen konnte und dann Zuflucht nach London nehmen mußte, um der über ihn verhängten Haftstrafe von zehn Jahren Gefängnis zu entgehen. Im Berliner Polizeipräsidium verkannte man nicht die Absichten des Journalisten und hatte dort alsbald eine Akte angelegt. 80 Denn Eichhoffs Angriffe waren, wie er selbst formulierte, »mit der schneidendsten Schärfe gegen das Manteuffel-Hinckeldey'sche Polizeisystem und gegen dessen Träger gerichtet«, 81 zu dessen prominentesten er Stieber rechnete. Ein ihm bevorstehender Preßprozeß hatte ihn zu dieser Flucht in die Öffentlichkeit veranlaßt: Practische Studien, die ich über das Verfahren der Preußischen Gerichtsbehörden in politischen Processen gemacht habe, zwingen mich, einen möglichst großen Eclat zu suchen. Auch kann ich in manchen Stücken eine öffentliche Rechtfertigung m e i n e s Verhaltens nicht umgehen. 82
Er rollte dabei »das Polizeigetriebe« auf, das bei der Kommunistenuntersuchung und beim Ladendorfschen Hochverratsprozeß mitgewirkt hatte. Sein Thema war die »politische Polizei«, deren Trägern er Rechtsbruch und speziell Meineid vorwarf, und insgesamt das alte, nur momentan aufgerüttelte Polizeisystem, mit Ausmahme des Hrn. S t i e b e r noch von denselben Personen geleitet, die Jahre hindurch die Träger des unverantwortlichen Polizeiregiments waren. 83
Er wollte »den Schleier von der bureaukratischen Willkür wegziehen« und bezog schließlich auch die Praktiken der exekutiven Berliner Schutzmannschaft ein, denn - wie er mehrfach wiederholte »Es ist ein System, gegen das ich in die Schranken getreten bin«.84 78
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So der Zeitgenosse R[udolf] Haym: Das Leben Max Dunckers. Berlin 1891, S. 222; hier auch noch nähere Ausführungen, welche ungeheure Wirkung der Prozeß gegen den Polizeidirektor hatte. W[ilhelm] Eichhoff: Berliner Polizei-Silhouetten. Serie 1-4 u. Nachtrag. Berlin (Serie 1-2) 1860. London (Serie 3-4 u. Nachtrag, hrsg. v. J. F. Matthias) 1861. (Ein vollständiges Exemplar befindet sich in der Staatsbibliothek Preuß. Kulturbesitz). StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Tit. 94 Nr. 9674 u.d.T.: »Korrespondenzen mit dem kgl. Ministerium des Innern in Folge der durch die Eichhoffschen Polizei-Silhouetten angeregten Anschuldigungen wider Beamte des Polizei-Präsidii«. Eichhoff: Polizei-Silhouetten Serie 1, S. 7. Ebd., S. IV. Eichhoff: Polizei-Silhouetten Serie I, S. 53. Ebd., Serie 2, S. II u. IV. - Leider bleibt dieser gesamte Komplex (Hinckeldey, Eichhoff, Stieber etc.) unberührt bei Michael Alexander Vossieg: Parlamentarische Justizkritik in Preußen 1847-1870. Jur. Diss. Kiel 1974.
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Das Bemerkenswerte an Eichhoffs Stoßrichtung ist seine Aufmerksamkeit für die Institutionalisierung von politischer Polizei, wobei er einerseits personalisierend nach Verantwortlichkeiten oder anders formuliert: nach mißbrauchten Kompetenzen von Machtträgern fragte, andererseits das eine einzige Person übersteigende Systematische in der Art organisierter bürokratischer Verwaltung erkannte. Diese Gesichtspunkte werden bei noch folgenden Überlegungen methodischer Art zu bedenken sein. Was Eichhoff an Interna über Personen, das Berliner Polizeipräsidium, die Staatsanwaltschaft, die anderen Gerichtsbehörden und den Innenminister preiszugeben vermochte, um >das System< bloßzustellen, wurde durch einen Betroffenen aus der Sicht >von unten< auf erschütternde Weise aus konkreter Erfahrung veranschaulicht, als der verurteilte Journalist Ladendorf 1862 nach Art autobiographischer Erinnerungen aus den sechs Jahren seiner Haft und den Konfrontationen mit der Berliner Polizei berichtete. 85 Konzentrierten sich derartige Veröffentlichungen auf Preußen, wodurch sie die Akzente bis in die Forschungen der Gegenwart präformierten, offenbarte der Journalist und Volksschriftsteller Arthur Müller Bruchstücke von der geheimpolizeilichen Kooperation der größeren deutschen Staaten während der Reaktion, nachdem er in den Besitz staatlicher Akten geraten war. Er breitete dies aus in seinen »Enthüllungen aus der höheren Region der politischen Spionage«, die er unter dem Pseudonym A. Vandermeulen 1862 herausgab. Darin machte er das Publikum mit amtlich verwendeten, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten politisch-polizeilichen Fahndungsinstrumenten bekannt: mit dem »Wermuth/Stieber«, dem »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands«, den verschiedenen polizeilichen Fahndungsblättern der einzelnen deutschen Residenzpolizeibehörden, vorrangig mit dem Eberhardtschen »Allgemeinen Polizei-Anzeiger« aus Dresden; dazu gab er Textproben aus seinem Material. 86 Auch A. Müller sah sich noch genötigt, sich hinter einem Pseudonym zu verbergen. Fortschritts- und gemäßigt liberale Politiker, die ebenfalls Opfer der politischen Polizei geworden waren, wagten eine kritische Auseinandersetzung in persönlichen Erinnerungen erst, als sich mit Erlaß des Sozialistengesetzes im Jahre 1878 die Fronten politischer Verdächtigung und Verfolgung so deutlich verlagert hatten, daß die Liberalen und Demokraten von 1848 wegen ihrer nun eine Generation zurückliegenden politischen Ansichten nichts mehr zu befürchten hatten, soweit sie sich nicht ohnehin unter dem Eindruck der >Bismarckschen Reichseinigung< zu regierungstreuen Nationalliberalen gewandelt hatten. 85
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August Ladendorf: Sechs Jahre Gefangenschaft unter den Folgen des Staatsstreichs und der Kampf um's Recht in der »neuen Aera«. Ein Beitrag zur geschichtlichen Charakteristik der Reaction und deren Handlanger. Leipzig 1862. A . Vandermeulen (Hrsg., d.i. Arthur Müller): Enthüllungen aus der höheren Region der politischen Spionage, in Berichten eines ungarischen Judas Ischarioth. Nebst sonstigen Aufdeckungen in Bezug auf das Treiben der geheimen Polizei. Berlin 1862. (Ein Exemplar befindet sich in der Stadtbibliothek Köln).
D e r sächsische Fortschrittsliberale Karl Biedermann, der wegen seiner politischen Tätigkeit, unter anderem in der Frankfurter Nationalversammlung, seiner Professur enthoben worden war, hatte zwar eine solche Wandlung zum Nationalliberalen mitgemacht, resümierte aber 1886 noch bitter, daß durch ganz Deutschland eine Reaction ging, so planmäßig, so schonungslos, so alle edelsten Gefühle in der Nation mit Füßen tretend, wie es weder in den 20er, noch in den 30er oder 40er Jahren etwas Ähnliches gegeben hatte, eine Reaction, deren Ausflüsse der sonst so milde Dahlmann mit den vernichtenden Worten brandmarkte: >Das Unrecht hat jede Scham verlorene 87
Bemerkenswert ist, daß Biedermann einen - wenn auch graduell und qualitativ abgestuften - Zusammenhang, eine gleichgerichtete Folgerichtigkeit der Unterdrückungspolitik seit dem Beginn der Demagogenverfolgungen voraussetzte und fernerhin, daß sich die >Reaction< nach 1848/49 in ganz Deutschland koordiniert, nicht lediglich auf Preußen konzentriert, vollzog. Das war ihm erfahrbar, jedoch nicht institutionell durchschaubar gewesen. Eine Andeutung von der Nachdrücklichkeit erhielt er, als ihm der Kriminalist Wächter nach dem Einblick in die A k t e n des Biedermannschen Prozesses bekannte, »es sei das Scandalöseste, was er kenne.« 8 8 Was andere zuvor in ihrer Polizeikritik über Preußen enthüllt hatten, deutete Biedermann - auch noch aussagekräftig - über »das Beust'sche System polizeilicher Allmacht« in Sachsen an. 8 9 Solche Ängste, wie sie 1814 der erwähnte westfälische Gewährsmann durch die Geheime Polizei unter Jeröme als angeblich französische Erfindung erlebt, wie sie Graf Soden 1817 wiedergegeben hatte, trieben nach 1850 nun auch Biedermann um: Die harmlose Geselligkeit, das Vertrauen von Freund zu Freund, ja selbst die Heiligkeit des Familienlebens wurde von diesem im Dunkel schleichenden Feinde bedroht.90
Es herrschte nach seiner Erinnerung »schamloses Denunciantenwesen«, die politischen Prozesse »brachten schauerliche Enthüllungen über das maßlose Unwesen geheimer Spionage«. 9 1 Offensichtlich in Kenntnis von Vandermeulens alias Müllers »Enthüllungen« wies Biedermann darauf hin: Geheime Zusammenkünfte von Organen der politischen Polizei aus ganz Deutschland wurden veranstaltet, um ein gemeinsames systematisches Vorgehen in der Verfolgung aller freieren Ideen und ihrer Träger zu verabreden.92
Dahinter verbarg sich der sogenannte >Polizeiverein< mit seinen differenzierten
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Karl Biedermann: Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte. Bd. 1-2. Breslau 1886, Bd. 1, S. 344. Biedermann: Mein Leben Bd. 2, S. 64. Ebd., S. 208. Karl Biedermann: Dreissig Jahre deutscher Geschichte. 1840-1870. Bd. 1-2. Breslau [1881]. Bd. 2, S. 96. Ebd. Ebd., S. 97.
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landesbezogenen Untergliederungen, die in den folgenden Untersuchungen erstmals zusammenhängend aufgedeckt werden können. 93 Biedermann hatte nicht mehr als eine Ahnung von der konkreten behördlichen Praxis. Genauere Erkenntnisse gewährte mitunter nur der Zufall, wie er um 1880 dem Journalisten und Bankkaufmann Ludwig Bamberger zuteil wurde, als er beim Umbau des Mainzer Stadthauses Einblick in Polizeiakten erhielt und sich ihm für 1851 ein Bruchteil der politisch-polizeilichen, bis nach Mainz reichenden Korrespondenzverbindungen des Dresdner Regierungsrats im sächsischen Innenministerium Friedrich Eberhardt offenbarte. Bereits zuvor während seines Exils in Paris hatte Bamberger Einsicht in die ihn betreffenden Akten erhalten und erfahren, daß der Arm der deutschen politischen Polizei bis in die französische Metropole gereicht hatte. 94 Die Auseinandersetzungen mit der politischen Polizei in der Öffentlichkeit erhielten durch die Anwendung des Sozialistengesetzes eine neue Dimension. Die posthum erschienenen »Denkwürdigkeiten« des 1882 verstorbenen größten preußischen Verfolgers von Kommunisten, Sozialisten und schlechthin aller politischen Oppositionellen wirkten - bildlich gesprochen - in dieser Atmosphäre erneuter politischer Verfolgung wie ein Sprengsatz: Schon 1882 erschienen im »Berliner Tageblatt« die reißerisch angekündigten angeblichen »Memoiren« des im gleichen Jahr verstorbenen Stieber; ihr Herausgeber Leopold Auerbach hatte sie dann 1884 erweitert nochmals in Buchform als sogenannte »Denkwürdigkeiten« publiziert. 95 Sogleich nach der Veröffentlichung erhoben sich Zweifel an der Echtheit wie stets bei einer auf Sensation berechneten Bekanntgabe von Erinnerungen, die Themen der politischen Polizei angeblich aus erster Hand darboten. Das widerfuhr den Memoiren des berühmt-berüchtigten Polizeiministers unter Napoleon, Joseph Fouche, 96 ebenso, wie dem »Chef de la Police de sürete«, Eugene Frarw^ois Vidocq, unter dem Bourbonenkönigtum nach 1815;97 bei ihnen wie später auch bei Stieber schoben sich Bearbeiter dazwischen, die die Öffentlichkeit im Unkla93
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Vgl. dazu auch die - diese Untersuchung ergänzende und begleitende - Aktenedition Wolfram Siemann: Der >Polizeiverein< deutscher Staaten. Eine Dokumentation zur Überwachung der Öffentlichkeit nach der Revolution von 1848/49. Tübingen 1983 = Studien und Texte zur Sozialgesch, der Literatur Bd. 9. Biedermann erscheint hier in Dok. Nr. 63, S. 195, als Objekt der sächsischen Polizei. Ludwig Bamberger: Erinnerungen. Hrsg. v. Paul Nathan. Berlin 1899, S. 267-270. Vgl. oben, S. 18 Anm. 77. Jean de Bonnot: M6moires complets et authentiques de Joseph Fouchö, Due d'Otrante, Ministre de la Police Ginerale. Texte collation^ d'apres l'edition original de 1824. Paris 1967. (Dt. Übersetzung v. Paul Aretz. Stuttgart o. J.). - Einer der besten Kenner des Zeitalters Napoleons, Jean Tulard, begründet die Zweifel an der Authentizität in: Bibliographie Critique des mdmoires sur le Consulat et l'Empire. Geneve 1971, S. 64f., Nr. 278 = Hautes itudes medievales et modernes V, 13. Vgl. Histoire de [Eugfcne Francois] Vidocq, Chef de la Police de süretö, ecrite d'aprfcs luimeme, par Μ. Froment. Τ. 1-2. Paris 1829. Repr. Paris 1967.
ren ließen, ob sie nun tatsächlich originales Material in Händen hatten, so daß das Publikum die erwünschten tatsächlichen Einblicke in das von Geheimnis und Legenden umwobene Wirken der politischen Polizei zu erhalten imstande wäre. Bei Stiebers »Denkwürdigkeiten« läßt sich diese Frage klären: Das aus seinem Nachlaß dem Herausgeber überlassene Material bestand aus einigen seiner Briefe an seine Gattin, aus Kopien von Zuschriften aus der Kabinettskanzlei Friedrich Wilhelms IV. und der »Wiedergabe von Stieber's persönlichen Aufzeichnungen aus den bewegtesten Epochen seines Lebens«. 98 Auerbach verdankte die Unterlagen zum Teil dem damals in Weißenfels ansässigen Gerichtsreferendar und Sohne Stiebers, Paul Stieber, der in einer Erklärung vom 22. 9. 1882 im »Berliner Tageblatt« auch die Authentizität der von Auerbach veröffentlichten Materialien nicht bezweifelte, die unter dem Titel »Denkwürdigkeiten« erschienen waren, d.h. in der traditionell üblichen Form der Aufarbeitung persönlicher Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert, zu der ihr Urheber zu Lebzeiten nicht mehr in der Lage gewesen w a r . " In seiner Erklärung fügte Paul Stieber jedoch noch die bedeutungsvolle Bemerkung hinzu, daß »mein Vater Memoiren nicht hinterlassen hat«. 100 Welche Sensation die »Denkwürdigkeiten« 1882-.84 hervorriefen, zeigt der Erfolg des schweizerischen Schriftstellers und Vielschreibers Victor Tissot, der binnen kürzester Zeit aus diesem Material, ihm chronologisch und inhaltlich treu folgend, einen historischen Roman unter dem Titel »La police secrete prussienne« fabrizierte und dabei beteuerte, sein Buch sei ein historisches Werk und kein erfundener Unterhaltungsroman: »Nous n'ajouterons qu'un mot«. 101 Tissot konnte hauptsächlich wegen der >Enthüllungen< über den preußischen Feldzug 1870/71 in Frankreich auf breite Resonanz beim französischen Publikum rechnen; zehn Auflagen allein im Jahre 1884 beweisen das. 98
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Zuschrift des Verlegers des »Berliner Tageblatts«, Rudolf Mosse, vom 24. 9. 1882. In: StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 93 Nr. 8366 Bl. 60a. Vgl. viele Beispiele für solchen Umgang mit Hinterlassenschaften im 19. Jahrhundert bei Wolfram Siemann: Restauration, Liberalismus und nationale Bewegung: (1815-1870). Akten, Urkunden und persönl. Quellen. Darmstadt 1982 = Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit Bd. 4. Das eigens zu betonen und die spezielle Quellenfrage zu erörtern ist im Falle Stiebers besonders geboten, denn 1978 erschien: Wilhelm J. C. E. Stieber: Spion des Kanzlers. Die Enthüllungen von Bismarcks Geheimdienstchef. Stuttgart 1978. (Taschenbuchausg. München 1981 = dtv Nr. 1671), insgesamt eine höchst dubiose Publikation. Der anonyme (!) Herausgeber erklärt, die nur maschinenschriftl. überlieferten »Memoiren« stammten aus dem Nachlaß des 1944 verstorbenen Sohnes Paul Stieber (Taschenb.ausg. S. 270)! Abgesehen von sprachlichen und inhaltlichen Unmöglichkeiten ist das Machwerk allein wegen dieser durch nichts weiter belegten Behauptung als Fälschung anzusehen, zu deren Bekanntgabe der Hrsg. offensichtlich seinen Namen nicht herzugeben wagte - auch dies ein Stück Geschichte politischer Polizei, an dem die besonderen quellenkritischen Probleme schlaglichtartig deutlich werden. Victor Tissot: La police secrfete prussienne. 10. Aufl. Paris 1884, S. III. Abgesehen von den inhaltlichen Entsprechungen liefert Tissot S. 59 selbst den Beweis, Stiebers »Denkwürdigkeiten« verarbeitet zu haben.
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Die Entlassung Bismarcks im Jahre 1890 und die damit zusammenhängende ausbleibende Verlängerung des Sozialistengesetzes weckten erneut Hoffnungen auf eine >Neue Ära< politischer Liberalisierung - nach 1840 und 1858 die dritte in der preußischen Geschichte; sie lief nun unter dem Schlagwort »Neuer Kurs«.102 Die Intensivierung der Arbeiterschutzpolitik und der Verzicht auf eine gegen einen einzelnen Teil der Bevölkerung gerichtete >Polizei- und AusnahmegesetzgebungPolizeistaat< sprich: absolutistischer Prägung - bestand vor den Anfängen der (modernen) politischen Polizei. Diese und Zensur sind nicht identisch. Die Anfänge der politischen Polizei liegen im frühen 19. Jahrhundert; ihre Voraussetzung war die Politisierung der Gesellschaft oder anders ausgedrückt: die Herausbildung einer politischen Öffentlichkeit, die sich der Publizistik und des (organisierten) Vereinswesens bediente, um ihre Ansprüche gegenüber dem Staat zu formulieren. Diese teilweise noch aus der eigenen Zeiterfahrung hervorgegangene und auf einem politisch-polizeilichen Kontinuum im 19. Jahrhundert aufbauende Deutung 102 103 104
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Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 4, S. 247-249. Ebd., S. 268. Paul Kampffmeyer: Geschichte der modernen Polizei im Zusammenhange mit der allgemeinen Kulturbewegung. Heft 1-6 von 25 (mehr nicht erschienen). Berlin 1897, S. 7. Ebd., S . 5 .
wird an dem empirisch vorhandenen Quellenmaterial zu messen sein. Leider ließ Kampffmeyer sein Pionierunternehmen als Fragment zurück. Nicht zuletzt innere, aus der Quellenlage folgende Hindernisse werden ihn dazu bewogen haben, denn ihm standen wie allen vorausgegangenen Polizeikritikern originale amtliche Zeugnisse nur irregulär, nicht prinzipiell zu Gebote. Dennoch ließ das Thema den Hauptbetroffenen der Generation Kampffmeyers keine Ruhe. August Bebel widmete in seinen zwischen 1910 und 1914 erschienenen Lebenserinnerungen ein eigenes Kapitel dem Gegenstand »Kämpfe mit der deutschen Polizei«. Durch einen Parteifreund, der in Mainz Stadtverordneter war und dadurch Einblick in die Polizei hatte, die hier unter städtischer Verwaltung stand, erfuhr Bebel von der Arbeitsweise des auf ihn angesetzten Überwachungssystems, das bis nach Österreich Verbindungen hatte. 106 Was Kampffmeyer nicht gelungen war, versuchte der Vorsitzende der GroßBerliner und der Preußischen Landesorganisation der Sozialdemokratischen Partei Eugen Ernst: Er beschrieb 1911 die Tätigkeit der politischen Polizei unter dem Sozialistengesetz und ging in leidenschaftlicher Polemik mit vielen Einzelheiten und eingestreuten Aktenstücken an gegen »die Verräter und bezahlten Polizeischufte in Preußen-Deutschland«. 107 Nach der Novemberrevolution leitete Ernst bis Juni 1919 das preußische Innenministerium, vom April 1919 bis zum April 1920 war er Berliner Polizeipräsident und bekämpfte nun seinerseits die Betrebungen der Spartakisten. Was Ernst begann, setzte der ehemalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete für Altona Karl Frohme im Jahre 1926 fort, der sich in Form persönlicher Erinnerungen die »Politische Polizei und Justiz im monarchischen Deutschland« zum Thema machte. Anders als allen seinen Vorgängern der Polizeikritik erlaubten ihm die gewandelten Bedingungen unter der Weimarer Republik, »Kritische Einblicke in die Geheimakten der politischen Polizei« zu gewinnen, wie ein Kapitel bei ihm lautet. 108 Er hatte sich aus den Akten des Berliner Polizeipräsidiums hunderte vorlegen lassen und sah sich als persönlich Betroffener konfrontiert mit dem Niederschlag der Ergebnisse des Ueberwachungssystems, das die Polizeibehörden im ganzen Reiche engstens miteinander für gegenseitige Benachrichtigung über das Verhalten, den Charakter, die Tätigkeit, die Bestrafung usw. der einzelnen gemeingefährlichen Subjekte< verband.109 106
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August Bebel: Aus meinem Leben. Bd. 1-2. Bd. 3 hrsg. v. Karl Kautsky. Stuttgart 191014. Bd. 3, S. 700 u. 708. Eugen Ernst: Polizeispitzeleien und Ausnahmegesetze. 1878-1910. Ein Beitrag zur Geschichte der Bekämpfung der Sozialdemokratie. Berlin 1911. - Kampffmeyer holte das Versäumte später nach; vgl. Paul Kampffmeyer: Unter dem Sozialistengesetz. Berlin 1928. Karl Frohme: Politische Polizei und Justiz im monarchischen Deutschland. Erinnerungen. Hamburg 1926. - Diese Einblicke wurden später auch Kampffmeyer gewährt; vgl. Paul Kampffmeyer, Bruno Altmann: Vor dem Sozialistengesetz. Krisenjahre des Obrigkeitsstaates. Berlin 1928. Frohme: Politische Polizei, S. 69.
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Seine eigene Personalakte in Händen, sah er sich in der Vergangenheit dem »wüstesten Polizeiterrorismus« ausgesetzt.110 Mit seinem Buch brachte er polizeiliche Maßstäbe für politische Gesinnungen, Techniken, ministerielle Erlasse, Spitzelwesen, Organisationsformen der politischen Polizei während der Kaiserzeit erstmals auf aktenmäßiger Grundlage an die Öffentlichkeit. Jedoch auch Frohme gelangte - wie persönlich zweifellos begreiflich - nicht über eine Abrechnung mit der jüngst zurückliegenden Vergangenheit hinaus zu einer umfassenden historischen Darstellung des Problems. Jedenfalls waren nunmehr die Voraussetzungen zu einem solchen Unternehmen gegeben. Indessen existiert bis heute keine Geschichte der Anfänge der politischen Polizei in Deutschland. Da die vorliegende Untersuchung mit dem Jahre 1866 endet - wie noch zu begründen sein wird-, liegen die auf das Kaiserreich bezogenen inzwischen erfolgten Forschungen zur politischen Polizei außerhalb des engeren Bearbeitungsfeldes, wenn auch nicht jenseits des berücksichtigten Gesichtskreises.111 7. Politische Polizei als Gegenstand der Geschichtswissenschaft Die historische Forschung berührte das Problemfeld politische Polizei< vorwiegend durch die Beschäftigung mit den jeweils Betroffenen, das heißt im Zusammenhang mit der aktenmäßigen Erforschung der deutschen politischen Strömungen im 19. Jahrhundert, wobei polizeigeschichtlich erhebliche Detailerkenntnisse unter Umständen und dann gewissermaßen als Nebenprodukt abfallen konnten. Solche Informationen finden sich weit verstreut und bisweilen an entlegensten Orten; sie lassen sich thematisch auf einen ständig wachsenden Personenkreis zurückbeziehen. Es gehören vor allem hierher: 1. die als >Demagogen< Verfolgten der 1820er Jahre: vorwiegend Burschenschafter und politische Professoren; 2. die Handwerksgesellen und oppositionellen Literaten der 1830er Jahre, die Emigranten der Julirevolution von 1830, des Hambacher Festes von 1832 und des Frankfurter Attentats von 1833, nunmehr in deutschen Auslandsvereinen in Paris und in der Schweiz organisiert, darunter besonders das >Junge-Deutschland< Wilhelm Weitlings einerseits, das davon zu unterscheidende >Junge Deutschland< der Literaten zum andern; 1837/38 kam noch im Zusammenhang 110 111
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Ebd., S. 70. Vgl. Dieter Fricke: Bismarcks Prätorianer. Die Berliner politische Polizei im Kampf gegen die deutsche Arbeiterbewegung. (1871-1898). Berlin (Ost) 1962. - Reinhard Höhn (Hrsg.): Die vaterlandslosen Gesellen. Der Sozialismus im Licht der Geheimberichte der preußischen Polizei 1878-1914. Bd. 1: 1878-1890. Köln, Opladen 1964 (mehr nicht erschienen). - Vgl. ebenso die S. 14 Anm. 59 genannte Untersuchung Funks; ferner: Dieter Fricke, Rudolf Knaack (Bearbb.): Dokumente aus geheimen Archiven. Übersichten der Berliner politischen Polizei über die allgemeine Lage der sozialdemokratischen und anarchistischen Bewegung 1878-1913. Bd. 1: 1878-1889. Weimar 1983 = Veröffentlichungen des Staatsarchivs Potsdam 17.
mit dem ersten preußischen Kulturkampf der mobilisierte politische Katholizismus hinzu; 3. die beginnende Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den 1840er Jahren, die in der Revolution von 1848/49 erstmals durch ihr Selbstverständnis als >Klasse< zu eigener Identifikation fand. Die Geschichte dieser >Strömungen< läßt sich auf weite Strecken nicht ohne Rückgriff auf Polizeiakten erforschen, denn die politisch-polizeiliche Überwachungs- und Verfolgungstätigkeit hat in Form polizeilicher Berichte, Dossiers, Denkschriften, Korrespondenzen usw. sowie in Gestalt konfiszierter, den Akten beigefügter Originalmaterialien der verfolgten politischen Vereinigungen oft die einzig erhaltenen Zeugnisse ihrer Geschichte sichergestellt.112 Deshalb verbergen sich manche polizeigeschichtlich erheblichen Beobachtungen in Spezialuntersuchungen, deren Titel Derartiges eigentlich kaum vermuten lassen. Unter der Überschrift »Görres in Straßburg 1819/20« beispielsweise wird man eher eine kleine biographische Skizze erwarten, und auch der bei bibliographischen Nachweisen oft unterschlagene Untertitel »Eine Episode aus dem Beginn der Demagogenverfolgungen« deutet auf eines kaum hin: Der Leser erfährt hier an einem augenfälligen Einzelfall exemplarisch einen Teil konkreter Praxis der österreichischen politischen Polizei unter Metternich, deren Methoden, Reichweite und Absichten, angereichert um zahlreiche instruktive, zuvor unbekannte Aktenstücke. 113 Es müßte den Rahmen dieser Einleitung bei weitem übersteigen und die Lektüre ermüdend machen, sollten diese Forschungen, die von der polizeigeschichtlichen Fragestellung her lediglich subsidiäre, wenn auch oft unentbehrliche Bedeutung haben, hier umfassend referiert werden. Wo solche Untersuchungen in den einzelnen nachfolgenden Kapiteln heranzuziehen sein werden, sollen sie an Ort und Stelle genannt und gegebenenfalls erörtert werden. Das gilt auch für die im Zusammenhang mit der Erforschung der Demagogenverfolgungen angefertigten Spezialuntersuchungen zu den zentralen Bundesbehörden von 1819 und 1833. Wurde bisher in den zurückliegenden Ausführungen das weite Feld der Polizeigeschichte samt ihren populären, außerwissenschaftlichen, publizistischen, polizeikritischen und wissenschaftlichen Zugängen einschließlich der Randzonen abgeschritten, verbleibt nun lediglich noch der Weg in das eigentliche Zentrum der wissenschaftlichen Erforschung der politischen Polizei des 19. Jahrhunderts, das heißt in jene Region, wo sie Gegenstand eigener Untersuchungen geworden ist, und dieser Weg ist recht kurz. Als Pionierarbeit ist hier die vorzügliche, aus den Akten des ehemaligen Preußischen Geheimen Staatsarchivs gearbeitete Monographie über »Die Ent-
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Vgl. zum Quellenwert von Polizeiakten auch die Einleitung in Siemann: >PolizeivereinPolizeivereinsPolizeivereinStaatspolizei< behandeln nach dem Typ: »Ein Polizeiagent Metternichs bei Goethe«; 124 solche regional bezogenen, zeitlich eingegrenzten Abhandlungen verbergen bisweilen überraschende Nachrichten von allgemeiner Tragweite wie das angeführte Beispiel, aus dem Metternichs erste geheimpolizeiliche Reaktionen auf das Wartburgfest von 1817 hervorgehen. Trotz dieser Forschungslage für Österreich bleibt vieles Neue aufzudecken, vor 118
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Karl Glossy: Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz. [Teil 1-3] = Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 21-23 (1912). Ndr. Hildesheim 1975. Friedrich Walter: Die Österreichische Zentralverwaltung. Abt. 2. Bd. 1-5. Abt. 3. Bd. 1—4. Wien 1938-71 = Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs Bd. 18, 29, 32, 35, 36, 42, 43, 49, 50, 54, 55. Anna Hedwig Benna: Die Polizeihofstelle. Ein Beitrag zur Geschichte der Oesterreichischen Zentralverwaltung. Phil. Diss, masch. Wien 1942. - Dies.: Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle (1793-1848). In: Mitteilungen des Österr. Staatsarchivs 6 (1953) S. 197-239. Vgl. ferner Viktor Bibl: Die Wiener Polizei. Eine kulturhistorische Studie. Leipzig, Wien, New York 1927. - Hermann Oberhummer: Die Wiener Polizei. Neue Beiträge zur Geschichte des Sicherheitswesens in den Ländern der ehemaligen Österreichisch-ungarischen Monarchie. Bd. 1-2. Wien 1937. Nachtrag 1939. August Fournier: Kaiser Joseph II. und der »geheime Dienst«. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Polizei. In: Ders.: Historische Studien und Skizzen. Reihe 3. Wien, Leipzig 1912, S. 1-16. - Ders.: Die Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß. Eine Auswahl aus ihren Papieren. Wien, Leipzig 1913. - Ernst Wangermann: From Joseph II to the Jacobin Trials. Government Policy and Public Opinion in the Habsburg Dominions in the Period of the French Revolution. London 1959; dt. Übersetzung: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen. Wien, Frankfurt, Zürich 1966. - Vgl. auch: Friedrich Walter: Die Organisierung der staatlichen Polizei unter Kaiser Joseph II. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Wien Bd. 7 (1927) S. 22-53. Donald E. Emerson: Metternich and the political police. Security and subversion in the Hapsburg Monarchy (1815-1830). The Hague 1968. Josef Karl Mayr: Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse. Wien 1935 = Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs Bd. V,3. Willy Flach: Ein Polizeiagent Metternichs bei Goethe. Eine unbekannte Quelle zum Wartburgfest 1817. In: Festschr. f. Wolfgang Vulpius zu s. 60. Geb.tag. Weimar 1957, S. 7-35. 29
allem zu den Verbindungen der österreichischen Staatspolizei in die deutschen Bundesstaaten hinein, wobei neue Aktenfunde zum Mainzer Informationsbüro Erhebliches beitragen werden. Die Zeit nach 1848 ist demgegenüber für die österreichische Geschichte in der polizeigeschichtlichen Erforschung zurückgeblieben. Abgesehen von dem Werk Walters verbleiben in der Hauptsache nur eine Untersuchung zur Geschichte und Organisation der Obersten Polizeibehörde125 sowie das authentische hochbedeutsame Tagebuch ihres ersten Chefs, des Feldmarschalleutnants Freiherr Kempen von Fichtenstamm, zu verzeichnen. 126 Eine Biographie dieses wichtigen Repräsentanten des österreichischen Neoabsolutismus fehlt noch immer. Insgesamt hat bisher in der österreichischen Geschichtsforschung eine größere Aufgeschlossenheit für Probleme und Geschichte der Staatspolizei und speziell der politischen im 19. Jahrhundert bestanden. Die Situation gleicht hierin der in den europäischen Nachbarstaaten, auf die ein knapper Seitenblick geworfen werden soll. Am längsten und gründlichsten wurde die Geschichte der Polizei mit Akzent auf der politischen für Frankreich von der Revolution von 1789127 über die napoleonische Ära, 12ii die Julimonarchie, 129 die Revolution von 1848/49130 bis zum Kaisertum Napoleons III. 131 bearbeitet. Die berüchtigte III. Abteilung unter Zar Nikolaus I. hat gleichfalls ihre Autoren gefunden. 132 Die meisten Probleme scheinen noch für die englische Polizeigeschichte zu bestehen, wo in einer vor nicht langer Zeit erschienenen Gesamtdarstellung zur politischen Polizei - besonders hinsichtlich des »Special Branch« - beklagt wird, das Material sei nur aus 125
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Karel Kazbunda: Organisace a archiv nejvyääiho policejniho lifadu a ministerstva policie. (1852-1867). In: Casopis archivni äkoly Bd. 1 (1923) S. 13-50. Josef Karl Mayr (Hrsg.): Das Tagebuch des Polizeiministers Kempen von 1848 bis 1859. Wien, Leipzig 1931. Pierre Caron (ßd.): Paris pendant la terreur. Rapports des agents secrets du ministre de l'interieur publies pour la societe d'histoire contemporaine. Τ. 1. Paris 1910. - Arne Ording: Le bureau de police du Comite de salut public. Etude sur la terreur = Skrifter utgitt av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo. II. Hist.-Filos. Klasse 2 (1930) No. 6. R. C. Cobb: The Police and the People. French Popular Protest 1789-1820. Oxford 1970. Ernest d'Hauterive: La Police Secrete du Premier Empire. Bulletins quotidiens adresses par Fouche a l'Empereur. T. 1-5. Paris 1909-64. Jean Tulard: La Prefecture de police sous la Monarchie de Juillet, suivi d'un inventaire sommaire et d'extraits des rapports de la Prefecture de police conserves aux Archives Nationales. Paris 1964, zur Forschungslage S. 29-33. Roger Price (Ed.): Revolution and Reaction. 1848 and the Second French Republic. London 1975, darin besonders Howard Machin: The Prefects and Political Repression: February 1848 to December 1851, ebd., S. 280-302. Howard C. Payne: The Police State of Napoleon Bonarparte 1851-1860. Seattle 1966. Vgl. nun insgesamt Jacques Aubert (u.a.): L'Etat et sa police en France (1789-1914). Geneve 1979 = Hautes etudes medievales et modernes V,33. Sidney Monas: The Third Section. Police and Society in Russia under Nicholas I. Cambridge/Mass. 1961 = Russian Research Center Studies 42. - P. S. Squire: The Third Department. The establishment and practices of the political police in the Russia of Nicholas I. Cambridge 1968.
zerstreuter Provenienz zusammenzutragen möglich gewesen.133 Das Archiv des Public Record Office scheint sich in der Freigabe von Akten des Secret Service im 19. Jahrhundert größere Reserven aufzuerlegen als die Zentralarchive anderer Staaten. 134 An der Existenz geheim operierender Polizeikräfte ist gleichwohl nicht zu zweifeln, wie einzelne nun doch veröffentlichte Geheimdokumente aus dem Public Record Office zur napoleonischen Zeit beweisen, aus denen hervorgeht, daß Helgoland zwischen 1807 und 1813 Zentrale des britischen »Secret Service« gewesen war.135
8. Der Zeitraum der Untersuchung von 1806 bis 1866 Wie bereits eingangs angedeutet, liegen die Anfänge der politischen Polizei Deutschlands im Umfeld der Französischen Revolution von 1789, des aufgeklärten Absolutismus und der Revolutionskriege bis hin zur napoleonischen Okkupation weiter Teile Europas. Die Gegenaktionen darauf brachten in Deutschland zaghafte Ansätze eines sich organisierenden Parteilebens und eine publizistisch rege öffentliche Meinung< hervor. Hier erscheint das Jahr 1806 des preußischen Zusammenbruchs als tiefgehender Epocheneinschnitt, wiewohl im Falle Österreichs bis auf Joseph II. zurückzugehen ist. Nachdem die Regierungen sich der neuen Erfahrung einer politisierten Öffentlichkeit zunächst abwehrend, dann abwartend und schließlich auch bisweilen vorsichtig befördernd stellten, gingen sie seit der Begründung des Deutschen Bundes zunehmend zu präventiver und repressiver Revolutionsabwehr über; das geschah vollends seit den spektakulären Ereignissen von 1817, 1819, verstärkt seit der Julirevolution von 1830, dem Frankfurter Wachensturm von 1833 und in erneuten Anläufen nach der Revolution von 1848/49. Wie in einem eigenen Kapitel zu zeigen sein wird, entwickelte sich im Deutschen Bund ein eigenes, von der gewöhnlichen Kriminalität abgehobenes Tätigkeitsfeld einer politischen Polizei, die auf Bundesebene und in den Einzelstaaten den Schutz der Staatsverfassung wahrzunehmen hatte. Oppositionelle Publizistik, politisches Vereins- und Versammlungswesen sowie öffentliche Wirksamkeit der Beratungen in den frühkonstitutionellen Ständeversammlungen wurden zielstrebig, verhältnismäßig kontinuierlich, wenn auch mit wechselndem Erfolg, unterdrückt. Huber formulierte als die epocheprägende Tragweite dieser Politik: »Die 133
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Tony Bunyan: The History and Practice of The Political Police in Britain. London 1976, S. 102. Vgl. dazu John Wilkes: The London Police in the Nineteenth Century. Cambridge (u.a.) 1977, S. 38. Frank Lynder: Spione in Hamburg und auf Helgoland. Neuentdeckte Geheimdokumente aus der napoleonischen Zeit. Hamburg 1964. - Abrißartig, aus zweiter Hand, global und mit Akzent auf englischsprachiger Literatur findet sich die Repressionsthematik bei Robert J. Goldstein: Political Repression in the 19th Century Europe. London, Canberra 1983. 31
Abwehr gegen solche die >innere Sicherheit des Bundes bedrohende Bewegungen hielt während des halben Jahrhunderts ohne Unterbrechung an.«136 Mit dem Ende des Bundes, der Aufhebung seiner Verfassung und der Beseitigung der Bestandsgarantie für die deutschen Einzelstaaten ist deshalb - zunächst rein äußerlich - die zeitliche Grenze dieser Untersuchung markiert. Denn ohne den Gegenstand des Staats- und Verfassungsschutzes verloren auch die darauf bezogenen Polizeiorgane an Bedeutung. Überdies wurde auch aus inneren Gründen politisch-polizeilichen Operationen zunächst zunehmend der Boden entzogen; das setzte ein mit der Tolerierung des 1859 gegründeten Deutschen Nationalvereins durch Preußen. Es widersprach dem Bundesvereinsrecht von 1854 ebenso wie der daraus abgeleiteten politisch-polizeilichen Praxis, eine politische Vereinigung zu dulden, die sich - wie der Nationalverein - über ganz Deutschland verzweigte. Indem Preußen dies jedoch nun geschehen ließ, kündigte sich darin ein grundsätzlicher Wandel der Regierungen in ihrem Verhalten gegenüber der politischen Öffentlichkeit an. Von nun an wollte man Teile der ehemaligen Opposition zu sich herüberziehen und als Bündnispartner gewinnen, das heißt, die Regierungen nahmen in der öffentlichen Auseinandersetzung selbst >Partei< und tolerierten von da an den Parteibildungsprozeß überhaupt, Österreich - mit Preußen konkurrierend - in der Förderung des 1862 gebildeten Deutschen Reformvereins. Die Gründung der Fortschrittspartei im Jahre 1861 - der ersten deutschen >Partei< im modernen Sinne - machte den prinzipiellen Wandel vollends deutlich, der die Regierungen nun entschieden von der seit 1815 betriebenen Verfassungssschutzpolitik des Bundes trennte. Parallel dazu nahm die Angst ab, von einem >inneren Feind< bedroht zu sein. Im Gegenteil war die politische und publizistische Öffentlichkeit im Jahre 1859 vorwiegend von der Furcht vor einer militärischen Intervention Napoleons III. in deutsche Verhältnisse beherrscht. 137 Die schwindenden Besorgnisse der Regierungen vor einer inneren staatsgefährlichen Umsturzpartei kamen auch institutionell zur Geltung: Es wurden die politisch-polizeilichen Behörden abgebaut, vor allem deren Dispositionsfonds gekürzt. Alle diese Vorgänge und Indizien zusammengenommen rechtfertigen deshalb, die Untersuchung mit dem Jahre 1866 enden zu lassen, freilich nicht ohne einen abschließenden Ausblick auf die Rekonstituierung der politischen Polizei auf der neuen Ebene des Deutschen Reiches unter den Auspizien des Sozialistengesetzes von 1878. 9. Das geographische Untersuchungsfeld Die Untersuchung kann sich nicht auf einen deutschen Staat, auch nicht traditionellerweise auf Preußen, beschränken. Den Rahmen gibt vielmehr der Deutsche Bund ab. Hier ist zu erläutern, daß die vorliegenden Forschungen ursprünglich von der 1851 begründeten Kooperation zwischen den größeren Bundesstaaten in 136 137
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Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 569. Vgl. Siemann: >PolizeivereinPolizeivereins< ausgegangen waren, an dem sich Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg und Baden beteiligt hatten. Die Arbeit an den originalen Archivmaterialien lenkte dann den Blick immer weiter zurück auf die ersten Organisierungen politisch-polizeilichen Charakters, und hier sowohl innerhalb der genannten Staaten als auch hinsichtlich ihrer Beziehungen untereinander. Erst dadurch erschlossen sich viele Zentralisierungstendenzen, institutionelle und personelle Kontinuitäten. Schließlich erwies es sich als notwendig, verschiedentlich auch Kleinstaaten wie Hessen-Darmstadt, Nassau oder die Freie Stadt Frankfurt zu berücksichtigen. Durch die Überwachungstätigkeit und Kooperationen der beiden deutschen Großmächte, der fünf Mittelstaaten und der Bundesbehörden gerät von Fall zu Fall die Welt der deutschen Kleinstaaten ins Gesichtsfeld, ebenso aber auch das benachbarte Ausland, um die dortigen deutschen Emigranten und politischen Flüchtlinge beobachten zu können. 10. Die Quellen Polizeiakten stiften besondere Probleme, zumal wenn es sich um geheimpolizeiliche Aktivitäten handelt. 138 Ein Teil davon beruht auf der Art der Polizeiarbeit selbst; ihre Schwierigkeiten hatte der hannoversche Generalpolizeidirektor Wermuth 1862 im Rückblick auf 16 Jahre praktischer Erfahrung in lehrreicher Form zusammengefaßt: Bei keiner Verwaltung ist es schwieriger, in den vielen vorkommenden Einzelnheiten sich zu orientiren und dabei doch höhere Gesichtspuncte im Auge zu behalten, als bei der Polizei-Verwaltung; denn bei letzterer sind manche sehr einflußreiche Nachrichten, Klugheitsregeln und Grundsätze theils in den verschiedensten Acten so sehr zerstreut, daß nur derjenige, welcher darin jahrelang bewandert ist, und meist nur der, unter welchem sie erwachsen sind, das Behufige erschöpfend finden kann, theils ist das in Betracht Kommende häufig nicht aus den Acten zu ersehen, sondern nur im Gedächtnisse des Chefs oder einzelner Beamten vorhanden. Wenn dies schon hinsichtlich des Bestehenden der Fall ist, so gilt es noch vielmehr in Betreff derjenigen Vervollständigungen und Verbesserungen, auf welche man nach und nach hinarbeitet, welche aber auszuführen oder doch in ihrem ganzen Umfange zu erreichen noch nicht gelang. 139
Es liegt in der Natur der geheimpolizeilichen Aktivitäten, diese möglichst zu verschleiern und nicht aktenkundig werden zu lassen. Im Idealfall kannte nur der betreffende polizeiliche Führungsbeamte seinen Konfidenten. Andererseits ließ sich bei büromäßiger Organisation der politischen Polizei mit speziellen Kompetenzzuweisungen und selbständigen Korrespondenzen eine Schriftlichkeit der Geschäfte in der Regel nicht umgehen, da ein wesentlicher Teil der Arbeit darin bestand, Informationen zu sammeln und für praktische Aktionen zu verarbeiten. Auch Abrechnungen waren aktenkundig zu machen, wenngleich oft der eigentliche Zweck hinter einer Wendung wie »Auslagen für besondere Zwecke« verbor138 139
Vgl. oben, S. 27 Anm. 112. Vorbemerkung Wermuths zu einem vertraulichen Bericht an König Georg V. aus dem Jahre 1862, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 1. 33
gen wurde. Es ist immer ein Glücksfall, in der Aktenüberlieferung über genaue Aufrechnungen geheimer Fonds Einblicke in die konkreten geheimpolizeilichen Einsätze zu bekommen oder eine Übersicht über das gesamte politisch-polizeiliche Konfidentenpersonal zu erhalten. Ebensolche Glücksfunde sind geheime Regulative konstitutiver Art, etwa zur Organisation eines geheimen Dienstes, zu Qualifikationsanforderungen für Agenten, zur Einrichtung einer systematischen Korrespondenzkontrolle aufgrund persönlicher Weisung des Monarchen. Immer wieder war bei den Archivforschungen auf charakteristische Lücken zu stoßen, die durch gezielte Vernichtung von Akten entstanden sind, um mögliche Bloßstellungen einzelner Regierungen vor der Öffentlichkeit zu verhindern. So widerfuhr es Teilen der Überlieferung zur Mainzer Zentraluntersuchungskommission, zu Metternichs Mainzer Informationsbüro oder zum >Polizeivereinpolitischer Polizei< als richtungsweisend für die Auswahl zugrundegelegt wurde. Hier erwies es sich als zweckmäßig, keine deduktiv gewonnene enge Definition auf das historische Material anzulegen, sondern das Phänomen mit Rücksicht auf seine verschiedenen Ausprägungen zunächst möglichst flexibel zu fassen, das hieß, bestimmbaren Hauptgesichtspunkten zu folgen. Formell boten die hauptamtlich mit Polizeifunktionen betrauten Behörden den wichtigsten Anhaltspunkt, und hier wiederum die Zentralbehörden, denen >höhere Polizei< anders als den Provinzämtern oblag. Formell zählte ferner die Einrichtung spezifischer Büros, Kommissionen, Abteilungen mit eigenen Ressortbestimmungen und Geschäftsgängen hierher; ebenso die Bildung spezieller polizeilicher Konferenzen, Korrespondenzen zum Austausch über politische, nicht allgemein sicherheitspolizeiliche Belange. Materiell galt es, aus dem weiten Feld allgemeiner sicherheitspolizeilicher Funktionen - entsprechend der historischen Entwicklung - die typisch politischpolizeilichen auszusondern; der Geschäftskreis war von seinen Gegenständen her 34
einzugrenzen. Als Sonde dienten infolgedessen Angaben über »Akten-Betreffe« wie: Die Verfahren bei politischen Umtrieben, Beaufsichtigung der öffentlichen Stimmung, von Vereinen, wo nach politischen Tendenzen gesucht wurde (Bildungs-, Lese-, Gesang-, Schützen-, Turnvereinen etc.), Polizeiakten über »politische Zustände«, Überwachung des »Treibens der politischen Flüchtlinge«, der »revolutionären Propaganda«, Post- und Briefkontrolle bei politisch verdächtigen Persönlichkeiten, Maßregeln zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Agentenberichte, politisch kompromittierte Täterkreise (Teilnehmer an Aufstandsversuchen, Attentaten, Revolutionen, Volksversammlungen, verbotenen parlamentarischen Körperschaften). Es konnte nun nicht angehen, sämtliche seit den Freiheitskriegen an Zahl ständig anwachsenden politisch Verfolgten und polizeilich deshalb behandelten Betroffenen für sich und nacheinander abzuhandeln; das hieße durch bereits offene Türen zu schreiten, denn Aspekte der Geschichte des politischen Vereinswesens seit den >Demagogenverfolgungen< und für den Vormärz sind vielfältig untersucht und beschrieben, dürftiger allerdings - abgesehen von der Arbeiterbewegung - für das Reaktionsjahrzehnt nach 1848. Zur Untersuchung der Geschichte der politischen Polizei war anders zu verfahren. Das betrifft die hauptsächlich befolgte Methode. 11. Zur Methode - Probleme der Institutionalisierung und Bürokratisierung Ohne den unterschiedlichen gesellschaftlichen Standort der Betroffenen zu ignorieren, waren die Gesichtspunkte auf Ansätze der Institutionalisierung politischpolizeilicher Geschäftstätigkeit zu konzentrieren, mit anderen Worten: auf den Prozeß der Bürokratisierung, der sich in der Ausbildung selbständig agierender Verwaltungseinheiten kundtat. 140 Der Vorzug, die Anfänge der politischen Polizei, ihre beginnende Ausgrenzung aus der vorhandenen allgemeinen Sicherheitspolizei, zu untersuchen, liegt in der Tat in dem höchst elementar und konkret zu verstehenden Vorgang, nach der Kernzelle der Bürokratisierung: nach dem Büro zu forschen. Denn dieses einzurichten war unvermeidlich, sobald sich nur politisch-polizeiliche Geschäfte scharf und zahlreich genug ausgebildet hatten. Was das bedeutete, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Merkmalen das geschah, läßt sich durch die inzwischen klassischen begrifflichen Klärungen Max Webers über »Wesen, Vor140
Vgl. den grundlegenden Forschungsbericht von Joachim Rückert: Zur Entstehung des modernen Berufsbeamtentums. In: Quaderni Fiorentini. Per la storia del pensiero giuridico moderno Bd. 10 (1981) S. 383-401; sodann Fritz Morstein Marx: Einführung in die Bürokratie. Eine vergleichende Untersuchung über das Beamtentum. Neuwied 1959. - Karl Acham: Bürokratisierung und Demokratisierung - zur wechselseitigen Kontrolle von Verselbständigungstendenzen. In: Geschichte und Gegenwart Bd. 1 (1982) S. 7-41. Joachim Jens Hesse (Hrsg.): Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft. Opladen 1982 = Polit. Vierteljahresschrift. Sd.heft 13. - Albrecht Funk (u.a.): Verrechtlichung und Verdrängung. Die Bürokratie und ihre Klientel. Opladen 1984.
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aussetzungen und Entfaltung der bürokratischen Herrschaft« ins Bewußtsein heben. Weber definiert als Büro die »Gesamtheit der bei einer Behörde tätigen Beamten mit dem entsprechenden Sachgüter- und Aktenapparat«. 141 Als Behörde gilt ihm ein kontinuierlicher, regelgebundener Betrieb von Amtsgeschäften, die innerhalb bestimmter Kompetenzen (Zuständigkeiten) erledigt werden; die Zuständigkeiten werden geregelt nach sachlichen Tätigkeiten, erforderlichen Befehlsgewalten und zugewiesenen Zwangsmitteln. 142 Die »spezifische Funktionsweise des modernen Beamtentums« drückt sich neben diesen Organisationsprinzipien fernerhin aus in - Amtshierarchie und Instanzenzug, - schriftlicher, aktenmäßiger Amtsführung, - Fachschulung der Beamten, - haupt-, nicht neben- oder ehrenamtlicher Tätigkeit des Beamten, - Amtsführung nach erlernbaren Regeln. Zur Stellung des Beamten gehören: - das Amt als >Beruf< aufzufassen, verbunden mit Amtstreuepflicht gegen Gewährung gesicherter Existenz, - besondere soziale Schätzung, - Ernennung durch die übergeordnete Instanz, - Lebenslänglichkeit der Stellung, - Geldentlohnung in Gestalt festen Gehalts bei künftiger Alterssicherung durch Pension, - Einbindung in eine Laufbahn. Zu den sozialen und ökonomischen Voraussetzungen zählen: - eine entwickelte Geldwirtschaft, - quantitative Entfaltung auf der Grundlage eines »Großstaats«, - »die intensive und qualitative Erweiterung und innere Entfaltung des Aufgabenkreises der Verwaltung«, 143 das heißt auch Übernahme möglichst vieler Aufgaben zu kontinuierlicher Bearbeitung und Erledigung im eigenen Betrieb des Staates, - technische Überlegenheit (größere Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung) gegenüber anderen, etwa kollegialen oder nebenamtlichen Organisationsformen, - Konzentration der sachlichen Betriebsmittel in einer Hand, - Nivellierung der ökonomischen und sozialen Unterschiede für die Wahrnehmung von Verwaltungsfunktionen oder anders ausgedrückt: die »Nivellierung der Beherrschten gegenüber der herrschenden, bürokratisch gegliederten Gruppe«. 144 141
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Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 5. Aufl. Studienausgabe. Tübingen 1976, S. 552. 143 Ebd., S. 125 u. 551. Ebd., S. 560. Ebd., S. 144, 568, vgl. insges. S. 124-130 u. 551-579.
Was scheinbar als nominalistische Anhäufung von Merkmalen und Definitionen anmuten mag, bewährt sich als zweckmäßiges heuristisches Instrumentarium in der konkreten historischen Analyse, denn nichts liegt dieser Untersuchung ferner als eine dürre formalistische Institutionengeschichte. Solche ist vermeidbar, wenn gegenwärtig bleibt, daß die dergestalt typisierte Bürokratie zur zielgerichteten Durchsetzung staatlicher Herrschaftsabsichten diente, im Bereich der politischen Polizei namentlich zur Prävention und Repression politisch unerwünschter Bestrebungen. In Übereinstimmung mit dem Soziologen Weber betrachtete der Historiker Otto Hintze 145 den Staat im Kern als »ein organisiertes System von Einrichtungen zur Beherrschung der Menschen, aus denen er besteht«, als »eine herrschaftliche Zwangsanstalt«, die »in ihrem Kern auf Waffengewalt beruht«. Der moderne Staat sei nicht gewachsen wie ein Palmbaum, sondern »vielmehr durch den Geist und Willen von starken, klugen und gewalttätigen Menschen gemacht worden, oft unter heftigen Kämpfen der Meinungen und Interessen«. 146 Verständlicherweise haben in diesem Zusammenhang die politisch besonders wichtigen Beamten, zu denen aus preußischer Sicht Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Regierungspräsidenten, Polizeidirektoren, Landräte, auch Militärintendanten zu rechnen sind, ein besonderes Gewicht; sie bilden die »Kerngruppe des obrigkeitlichen« Beamtentums, einen »Annex der herrschenden Gewalten«; sie sind »ihr verlängerter Arm, ihr Werkzeug«, 147 wenn sie mitunter auch gegenüber dem Regiment - wie sich in Preußen während der Reformzeit seit 1807 zeigte - eine beträchtliche Eigendynamik entwickeln konnten. 148 Einer der schärfsten Kritiker moderner Tendenzen der Bürokratisierung, der ehemalige Reichsfreiherr und preußische Minister Karl vom Stein, erkannte frühzeitig und hellsichtig den Zusammenhang zwischen Herrschaft und dem potentiellen technischen, rein instrumentellen Charakter von Bürokratie. Stein verabscheute die 1817/18 in Preußen einsetzende Demagogenverfolgung und Abkehr vom 1815 gegebenen Verfassungsversprechen; er sah König Friedrich Wilhelm III. unter dem Einfluß schlechter Berater (Wittgenstein) und Metternichscher Maximen, durch Furcht vor ständischer Verfassung begründet und durch ein »schlechtes Regierungssystem«, das »alles freie Streben des menschlichen Geistes 145
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Vgl. Jürgen Kocka: Otto Hintze, Max Weber und das Problem der Bürokratie. In: Histor. Zeitschr. Bd. 233 (1981) S. 65-105. - Zur Rezeption des Weberschen Bürokratiebegriffs Arnold Zingerle: Max Webers historische Soziologie. Aspekte und Materialien zur Wirkungsgeschichte. Darmstadt 1981, S. 112-129. Otto Hintze: Der Staat als Betrieb und die Verfassungsform, S. 207. In: Oers.: Gesammelte Abhandlungen Bd. 2. Hrsg. v. Gerhard Oestreich. 2. Aufl. Göttingen 1964, S. 205-209. Oers.: Der Beamtenstand, S. 69f. u. 92f. In: Ebd., S. 66-125. - Vgl. auch Hans Hattenhauer: Geschichte des Beamtentums, Köln 1980, bes. S. 210-225 = Handbuch des Öffentlichen Dienstes Bd. 1. Vgl. Reinhart Koselleck: Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848. Stuttgart 1967 = Industrielle Welt Bd. 7.
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durch Piaristen-Erziehung, geheime Polizei, schwerfällige Dienstformen zu unterdrücken bemüht ist«.149 Die Bürokratenherrschaft, der »reine Buralism«,150 vernichtete für Stein das, was seine oberste Maxime war: »Gemeingeist bildet sich nur durch unmittelbare Teilnahme am Öffentlichen«. 151 Bemerkenswert ist, wie Stein den inneren Zusammenhang zwischen Ablehnung politischer Beteiligung des >Volkesgeheimen Polizei< gegen die eigene Bevölkerung erkannte. 1821 auf dem Höhepunkt der Demagogenverfolgungen sah er die versprochene Verfassung in weiter Ferne, die nächste Umgebung des Königs unter dem Einfluß des österreichischen Hofes und knüpfte daran die Prognose: daß wir fernerhin von b e s o l d e t e n , buchgelehrten, interesselosen, ohne Eigentum seiende Buralisten regiert werden. Das geht, solange es geht. Diese vier Worte enthalten den Geist unserer und ähnlicher geistlosen Regierungsmaschinen [...], eine Kaste für sich, die Schreiberkaste; e i g e n t u m s l o s , also alle Bewegungen des Eigentums treffen sie nicht, es regne oder scheine die Sonne, die Abgaben steigen oder fallen, man zerstöre alte, hergebrachte Rechte oder lasse sie bestehen, man theoretisiere alle Bauern zu Taglöhnern und substituiere an die Stelle der Hörigkeit an die Gutsherrn die Hörigkeit an die Juden und an die Wucherer, alles das kümmert sie nicht, sie erheben ihr Gehalt aus der Staatskasse und schreiben, schreiben, schreiben im stillen, mit wohlverschlossenen Türen versehenen Büro, unbekannt, unbemerkt, ungerühmt, und ziehen ihre Kinder wieder zu gleich brauchbaren Schreibmaschinen an.152
Stein maß mit dem Ideal des ihm vorbildlichen englischen >self-gouvernment< deshalb seine zugespitzte Kritik an einer Herrschaftsweise, die den staatlichen Willen absolutistisch - weil ohne >Gemeingeist< und politische Mitwirkung - durch das Büro vermittelt ungebrochen zur Geltung brachte. Der ehemalige Reformminister kämpfte nicht an gegen Institutionalisierung, sondern »gegen den Büralism« und für seine »Überzeugung, daß Staaten, so nur auf einer Beamtenwelt und Bajonetten beruhen, auf Sand gebaut sind«.153 Stein erkannte die Gefahren bürokratisch vermittelter Herrschaft eben deshalb so deutlich, weil er den dahinterstehenden politischen Willen wahrnahm, aber nicht billigte. Diesen in der vorliegenden Untersuchung jeweils mit zu berücksichtigen hindert, in eine bloße Aufzählung von Institutionalisierungen und Formen bürokratischer Herrschaft speziell zur Verwirklichung einer politischen Polizei zu verfallen. Im Mittelpunkt stehen soll »die eingehende Beschäftigung mit der bisher wenig untersuchten Polizeiarbeit«,154 die Polizeipraxis also, die für den speziellen Untersuchungsgegenstand bedeutet: Wie arbeitete, funktionierte politische Polizei in 149
150 151 152 153 154
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Stein 2./3. 1. 1818 an Eichhorn. In: Freiherr vom Stein: Briefe und amtliche Schriften. Bearb. v. Erich Bolzenhart. Neu hrsg. v. Walther Hubatsch. Bd. 1-10. Stuttgart (u.a.). 1957-74, Bd. 5, S. 694. Ebd., S. 692. Ebd. Stein 24. 8. 1821 an Gagern, ebd., Bd. 6, S. 381. Stein an Wangenheim 26. 7. 1823, ebd., Bd. 6, S. 632. Rupieper: Die Polizei und die Fahndungen, S. 355.
Preußen, Österreich, Bayern usw.; welchen Anteil daran hatten selbständige Büros; welches war das Personal, was waren seine Befugnisse; in welcher Stellung standen politisch-polizeiliche Funktionsträger zum Monarchen, zu den Ministern; welches waren die Arbeitsmittel, Verfahren, Methoden, Aktionsradien, spezifischen Anforderungen; gab es auch auf diesem Feld Spezialistentum, beginnende Professionalisierungen; war Bürobildung tatsächlich gleichbedeutend mit Effizienzsteigerung, mit zunehmender staatlicher Unterdrückungspotenz? Welches waren die Zielvorstellungen der Beamten, welches ihre spezielle Psychologie, vielleicht auch Pathologie? Entsprechend der heterogenen Dokumentationslage wird sich nicht jede Frage stets und gleichbleibend in jedem Kapitel behandeln lassen. Immer wieder neu ist auch zu fragen nach den Schranken einer sich verselbständigenden politisch-polizeilichen Bürokratie, die ja ihren Platz innerhalb übergeordneter, konkurrierender und nachgeordneter Verwaltungsbehörden zu behaupten und auszubauen bestrebt war. Denn Bürokratisierung wird einsichtigerweise keineswegs als gleichbedeutend mit Entstehung von politischer Polizei gesehen, jedoch ist diese am schärfsten in solcher, der modernen Staatsbildung entsprechenden Organisationsform zu fassen. Daß beides nicht gleichbedeutend ist, zeigen die vielen institutionstypischen Konflikte beim Aufbau einer politischen Polizei, namentlich in den Großstaaten, wo die finanziellen Voraussetzungen für geheime Dispositionsfonds am meisten gegeben waren. Ein Vorbehalt zur Methode sei schließlich noch gemacht, um ein gerade beim vorliegenden Gegenstand leicht unterlaufendes Mißverständnis möglichst von vornherein auszuräumen. Es kann nicht angehen, die Darstellung historischer Abläufe und Entwicklungen nach altem rationalistischen antagonistischen Muster als Wechselspiel von Despoten und Unterdrückten in dem Sinne zu deuten, es müsse »die gesammte Geschichte umgeschrieben werden, und fortan handeln von den Tyrannen, welche geherrscht haben und etwa von den wenigen freien Völkern daneben«. 155 Allerdings geht die Untersuchung von der methodischen und seit Droysen und Weber hinreichend geklärten Voraussetzung aus, historische Realität lasse sich nicht erschöpfend rekonstruieren; sie folgt deshalb einer bestimmten Fragestellung, die sie auf das historisch gegebene, empirisch zugängliche und nachprüfbare Quellenmaterial anlegt. Bestimmte Merkmale dieser historisch gegebenen Realität - eben die politische Polizei als Bestandteil des sich entwickelnden, zentralisierenden >modernen Staats< - sollen hervorgehoben, akzentuiert und dadurch in einem gewissen Sinne >gesteigert156 werden. Erst durch solch systematisches 155
156
Friedrich Christoph Dahlmann in seiner Kritik an den Rationalisten in seiner Rede in der Frankfurter Nationalversammlung. In: Franz Wigard (Hrsg.): Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. Bd. 1-9 u. Reg.bd. Frankfurt 1848-50, Bd. 1, S. 523. Vgl. Max Weber: Die »Objektivität« sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, S. 190f. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. 2. Aufl. Tübingen 1951, S. 146-214.
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Vorgehen eröffnen sich neue, bisher unerkannte historische Entwicklungstrends und Zusammenhänge. Es ist deshalb müßig anzunehmen, es würden Tendenzen während des behandelten Zeitraums verkannt, die dem Ausbau dieses Zweiges staatsbürokratischer Macht entgegenwirkten: so etwa die an rechtliche Normen gebundenen Kompetenzen einer instanzenmäßig gegliederten Verwaltung, die auch nicht ohne weiteres durch einen Machtspruch des Monarchen überspielt werden konnte, so die Widerstände landständischer Kammern, des Konstitutionalismus überhaupt, der durch den Einfluß auf die Staatshaushaltsgesetze Kontrollmöglichkeiten zu entwickeln ansetzte und polizeilichen Ansprüchen nach möglichst hohen Dispositionsfonds hemmend entgegenwirken konnte. Alles das und gewiß noch mehr soll nicht bestritten werden, aber im Hinblick auf den methodischen Zugriff nicht in gleichmäßiger Breite im Sinne einer fiktiven realitätskonstruierenden Ausgewogenheit zusätzlich erörtert werden, zumal sich dadurch langatmige Wiederholungen bereits bekannter Tatsachen ergeben müßten.
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ERSTES KAPITEL:
Anfänge der politischen Polizei in >Deutschland< vor 1815
I. Österreich. Die Grundlegung der modernen politischen Polizei unter Joseph II. Briefe fremder Diplomaten zu erbrechen und daraus amtliche Abschriften zu fertigen (»Interzepte«) oder mit geheimen Agenten umzugehen macht für sich allein nicht das Wesen der modernen politischen Polizei aus, die im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen soll. Das Fahnden nach fremden Staatsdokumenten, um die politischen Absichten einer auswärtigen Macht kennenzulernen und sich nötigenfalls ihrer erwehren zu können, reicht zurück bis in die frühe Neuzeit. Schon Maximilian soll sich der Briefinquisition bedient haben, und Karl V. wußte auf solche Weise oft von Verabredungen protestantischer Stände. 1 Dabei bedurfte es besonderer technischer Fertigkeiten und oft auch der Kunst des Dechiffrierens verschlüsselter Schreiben. Schon der französische König Ludwig XIV. hatte »diese Art Spionage in ein System gebracht«, sein Nachfolger hat es eifrig ausgestaltet, Napoleon I. schließlich »virtuos« gehandhabt. 2 In der Zeit während der Türkenkriege bildete Holland und hier vor allem Amsterdam »ein Zentrum der Agenten und Geheimdienste«. 3 Amsterdam versorgte als Stadt der Verleger und Zeitungsherausgeber fast alle europäischen Länder mit Nachrichten. Den Franzosen gelang es, ehemalige diplomatische Vertreter anderer Mächte in ihre Dienste zu nehmen. Im Zusammenhang mit Attentatswarnungen an Kaiser Leopold I., die von einem Amsterdamer Agenten ausgingen, ist gar ein Fall von Doppelspionage bekannt geworden. 4 Diese Entwicklungsgänge zurückzuverfolgen müßte den Rahmen der Untersuchung sprengen, führte indessen auch ab vom eigentlichen Ziel, nach den Anfängen der spezifisch >modernen< politischen Polizei zu fragen, die mehr ist als Spionage. Diese Anfänge sind - was Österreich angeht - ziemlich fest mit der Regierungstätigkeit Kaiser Josephs II. umrissen. Unter seiner Herrschaft wurden 1
2
3
4
Vgl. Franz Stix: Zur Geschichte und Organisation der Wiener Geheimen Ziffernkanzlei. (Von ihren Anfängen bis zum Jahre 1848.). In: Mitteilungen des Instituts f. Österr. Geschichtsforschung Bd. 51 (1937) S. 131-160, speziell hier S. 131 mit weiteren Beispielen. Vgl. August Fournier: Gentz und das Geheime Kabinett, S. 222f. In: Ders.: Historische Studien und Skizzen. 3. Reihe. Wien, Leipzig 1912, S. 222-230. Anna Hedwig Benna: Doppelspionage im Türkenjahr 1683, S. 1. In: Mitteilungen des Österr. Staatsarchivs Bd. 17/18 (1964/65), S. 1-23. Benna: Doppelspionage.
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Begriff und Institutionen von Staatspolizei bereits so explizit ausgebildet, daß aus ihrer Darstellung prinzipielle Orientierungen für den Gang der weiteren Untersuchung zu gewinnen sein werden. Bereits drei Jahre nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1780 befiel Joseph II. die Sorge, ob seine Beamten die Fülle der neuen, die Staatsverwaltung verbessernden, tief in ständische und kirchliche Rechte eingreifenden Vorschriften tatsächlich mit der nötigen Energie ins Werk setzten. Die Befürchtung, in der Beamtenschaft kein zuverlässiges Werkzeug zu besitzen, wurde noch bestärkt durch seine »eingeborene Neigung zu Mißtrauen und Menschenverachtung« 5 und schuf eine wesentliche Voraussetzung, »ein eigenes gegen Untertanen und Beamte in gleicher Weise einsetzbares Organ zu schaffen«, 6 mit anderen Worten: eine zentrale polizeiliche Überwachungsbehörde zu begründen. Aufgeklärt-absolutistischer Reform- und Veränderungsehrgeiz und Notwendigkeit allseitiger staatsbürokratischer Kontrolle boten einander die Hand. Ihm stand in Johann Anton Graf von Pergen dabei ein kongenialer, unentbehrlicher Beamter zur Seite. Der Kaiser ernannte Pergen, der seit 1775 als Landmarschall von Niederösterreich das einzige Kronland verwaltete, in dem - in Gestalt der Wiener Polizeidirektion - bereits eine staatlich organisierte Polizei bestand, im Jahre 1782 zum »Staatsminister in inneren Geschäften«. Als solcher wurde er seitdem maßgeblich für die Organisation der Polizei in der ganzen Monarchie. Auf seinen Grundlagen bauten die späteren Präsidenten der 1793 errichteten Polizeihofstelle (Sumeraw, Hager, Sedlnitzky) »jenes berüchtigte System polizeilicher Überwachung und Bevormundung auf, das dem Staate Franz' II. seine Signatur gegeben hat«. 7 Er dehnte die staatlichen Polizeiverwaltungen auf die Kronländer aus, indem er in den Hauptstädten der Provinzen zwischen 1785 und 1787 staatliche Polizeidirektionen einrichtete und diese mit einem geschulten Polizeikommissar besetzte, der jeweils direkt dem Landeschef (Statthalter) untergeben war, in Sachen der »geheimen Polizei« aber unmittelbar mit Pergen selbst zu korrespondieren hatte. 1789 erreichte Pergen, daß sämtliche Polizeikompetenzen in seiner Person zusammengeführt wurden, indem er ein zentrales Büro schaffen konnte. Dadurch wurden ihm erstmals die Ländergouverneure in allen Polizeiangelegenheiten nicht nur in den geheimen - untergeordnet. Dieser Vorläufer der Polizeihofstelle bildete de facto ein Polizeiministerium.8 Innerhalb weniger Jahre war es ihm gelungen, das ganze Reich mit »einem dichten Netz polizeilicher Einrichtungen« zu überziehen, an der Spitze befand sich das Ministerialbüro, unterstützt von der Wiener Polizeioberdirektion, der die Polizeidirektionen in den Provinzialhauptstädten unterstellt waren; über diese reichte der Wirkungskreis der Zentrale bis in die Kleinstädte, auf Märkte und auf das flache Land. 9 Bereits im Jahre 1786 hatte Joseph II. eine umfangreiche von Pergen entwor5 7
42
Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,1, S. 53. Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,1, S. 54.
6 8
Ebd. Ebd., S. 59f.
9
Ebd., S. 62.
fene »Geheime Instrukzion« an die Landesgouverneure erlassen, in der sie mit den Zwecken und Mitteln einer geheimen Polizei vertraut gemacht wurden und die ihr Verhältnis zu den Polizeidirektionen regelte. 10 Mit ihr wurde für Österreich ein »geheimer Dienst« eingerichtet. Insgesamt kann diese Instruktion als Fundamentalstatut einer politischen Polizei im >modernen< Sinne gelten; wie weit das zutrifft, soll aus ihr näher erläutert werden. Als allgemeine Richtschnur der Polizeiorganisation schickt sie voraus: Nur durch gut eingeleitete Polizey-Anstalten kann die innere Ruhe, Sicherheit und Wohlfahrt des Staates gegründet werden. Je weitschichtiger eine Monarchie ist, desto mehr liegt daran, solche Polizey-Anstalten einzuführen, die einförmig, zusammenhängend und dadurch tauglich seyen, die Übersehung im Ganzen und allen Theilen beständig zu erhalten.
Die Instruktion unterscheidet »Die Gegenstände« und »Die Mittel und Wege«. Als Objekte des »Geheimen Dienstes« gelten 1. die Beamten, deren Tun und Lassen zu überwachen ist, wie man mit diesem oder jenem im Publikum zufrieden sey, ob derselbe Bestechungen annehme, ob er Anverwandte in Auslanden habe und mit solchen besondern Briefwechsel unterhalte, ob er mit bedenklichen Fremden vertraut umgehe, oder ob er gar denenselben Amtsschriften mittheile;
2. die öffentliche Stimmung, Urteile über den Monarchen, Mißvergnügte, Aufwiegler; 3. beim Militär beschäftigte Personen, besonders junge Leute und Ausländer, die beim Ingenieurs- und Artilleriewesen angestellt waren, ob sie »mit ausländischen Mächten in geheimer Verbindung« stehen; 4. der Klerus, der einen besonderen Einfluß beim Volke habe und diesen besonders leicht mißbrauchen könne; 5. Einhaltung landesfürstlicher Gesetze, deren Übertretungen, Verbringung von Geld ins Ausland; 6. verdächtige Ausländer im Landesinnern (u.a. falsche Werber, Spione, Kreditpapierfälscher) ; 7. »eine besonders bedenkliche Person« auf dem Wege zur Residenz; 8. Unterhaltung guter eigener vertraulicher Korrespondenzen, um »interessanten Neuigkeiten« oder »fremden Kundschaftern« auf die Spur zu kommen; 9. Leute, die sich hervortun, »die unter der Hand Sekten und Irrthümer unter dem leichtgläubigen Pöbel zu verbreiten suchen, die nachher schädliche Folgen für den Staat nach sich ziehen«, mit anderen Worten: politische Agitatoren; 10. weiterer Stoff, den die Landeschefs den Polizeidirektoren an die Hand geben. Sodann nennt die Instruktion zehn »Mittel und Wege«: 1. Auswertung einer von der Zentrale den Polizeikommissären mitgeteilten Liste von »gefährlichen Personen und wirklichen Spionen«;
10
Die Instruktion ist im vollen Wortlaut abgedruckt bei Fournier: Kaiser Joseph II., S. 7 16; vgl. hierzu auch Wangermann: Joseph II., S. 48-56.
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2. Einführung und genaue Handhabung des Meldewesens durch Meldezettel; 3. Fremdenkontrolle, d. h. die täglich eingehenden Meldezettel zu kombinieren »mit den bey Händen habenden Beschreibungen flüchtiger, abgeschaffter, oder sonst als landesgefährlich bekannter Personen«; 4. Einrichtung eines sogenannten »Dienstanweisungs-Bureau«, um die Dienstboten für polizeiliche Nachrichten aus ihren Diensthäusern zu benutzen; 5. sehr behutsame Postkontrolle in solchen Hauptstädten, wo »eine so genannte kleine Post bereits bestehet«; 6. Vertrauensverhältnisse zu Personen aus allen Ständen (auch Lohnbedienten, Mietkutschern, »ja selbst, unter gewissen nöthigen Vorsichten, die Juden«); 7. Anstellung eines eigenen Vertrauten (Agenten), »den Niemand dafür kennet, den er auf jeden Fall zu geheimen Ausforschungen abrichte und nach seiner Absicht leite«; es dürfe nicht geschehen, daß dieser »das Ganze übersehe«; 8. Haussuchungen bei bedenklichen Korrespondenten und bei Winkelschreibern; 9. gelindes Verfahren bei Argwohn, hartes bei vorliegenden Beweisen, »weil die Pflichten gegen den Staat kein Mitleid, keine Rücksicht zulassen«; 10. mündliche Einprägung der geheimen >Vorteile< und vielfach geübten und erprobten Kunstgriffe, wie Verdächtigen auf die Spur zu kommen sei. In organisatorischer Hinsicht wichtig erscheint, daß die geheimpolizeiliche Tätigkeit als »Dienst« beschrieben wird und sich an die vorhandenen öffentlichen Polizeiinstitutionen anzulagern hat: Eine gute Einrichtung der öffentlichen Polizeyanstalten ist aus dem zweyfachen Gesichtspunkte sehr wesentlich: Erstens weil dadurch das Publikum diejenigen Vortheile genießt, worauf es unter dem Schutze der Regierung Anspruch zu machen das Recht hat. Zweytens weil eine wohlgeordnete Polizeyverfassung im Öffentlichen unbemerkt mehrere Mittel an die Hand reichet, die i n g e h e i m zu den wichtigsten Maßnehmungen [!] benutzet werden können, von welch letzteren der öffentliche Polizeydienst der Deckmantel seyn muß.
Die besonderen Vorteile geheimen Vorgehens liegen darin, »die gefährlichen Anlagen aller Gattung, ehe solche zur Reife kommen, zu enthüllen«, die »wahren Gesinnungen« der Untertanen zu erfahren, die Hindernisse für Regierungsmaßregeln kennenzulernen und schließlich »die gefährlichen Feinde der inneren Sicherheit, die solche im Verborgenen untergraben, entdecken und ausrotten« zu können. Der »geheime Dienst« hat mit »den heimlichen Feinden des Staates und der inneren Sicherheit« zu tun. Die Instruktion durfte jeweils nur dem Landesgouverneur und dem untergebenen Polizeikommissär bekannt sein; sie war »wahres Staatsgeheimnis«, jede Unvorsichtigkeit mit ihr kam »einem wirklichen Staatsverrathe schon darum ähnlich«, weil dadurch die für den Staat aus dem geheimen Dienst erwachsenen Vorteile »unwiederbringlich verloren« gingen. Im Hinblick auf die Untersuchungen zu anderen deutschen Staaten des späteren Deutschen Bundes seien hier zunächst - gewissermaßen als quellennah entwickeltes heuristisches Instrumentarium - die Merkmale festgehalten, die 44
>politische Polizei< als spezifisch >modernesVolksstimmunginneren FeindesStaatsfeindesDienst< mit eigenem Stab (Konfidenten), eigenen Techniken (ζ. B. Verdächtigtenkarteien) und Methoden (ζ. B. präventivem, ausforschendem statt exekutivem Vorgehen), die Schulung und besondere Fähigkeiten voraussetzen. Obwohl die Ausbildung späterer Formen der politischen Polizei in den deutschen Bundesstaaten im wesentlichen als Reaktion auf die von der Französischen Revolution ausgelösten Wandlungsvorgänge in der Gesellschaft zu begreifen sein wird, ist hier jedoch nochmals nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Instruktion Josephs II. aus dem Jahre 1786 stammt. Allerdings erhielt die Ausprägung staatspolizeilicher Formen in Österreich durch die Französische Revolution eine neue Qualität, insbesondere nach dem blutigen Schicksal des verwandten französischen Königspaares und dem Ausbruch des Krieges mit dem revolutionierten Nachbarstaat, der alle europäischen Throne zu bedrohen schien: Im Januar 1793 ernannte der kurz vorher zur Herrschaft gelangte Kaiser Franz II. Pergen zum »Polizeiminister in allen Erblanden« und machte ihn zugleich zum Präsidenten der neubegründeten Polizeihofstelle; in seiner Hand lag nun die Leitung über »die öffentliche und geheime polizey« insgesamt.11 Bereits am 19. 2. 1793 erhielt der Kaiser »drei Stücke geheimer Nachrichten über die Absichten der französischen Jakobiner«. 12 Am 5. 4. 1793 forderte Pergen die Länderchefs unter anderem zu besonderer Aufmerksamkeit gegenüber »Klubbs« und »anderen verdächtigen Zusammenkünften« auf. 13 In dem Erlaß machte er die Angesprochenen auch neben den repressiven auf offensive Maßre-
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Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,2, S. 282; zur Begründung der Polizeihofstelle vgl. insgesamt Benna: Polizeihofstelle, und Dies.: Organisierung und Personalstand. HHStA Wien, Baldacci, Vorträge der Polizeihofstelle 1792-1822, Krt. 1, Bl. 3-12. - Vgl. auch Wangermann: Joseph II., S. 136-152; aus der umfangreichen Jakobinerforschung sei hier neben Wangermann orientierend mit Akzent auf Österreich verwiesen auf: Helmut Reinalter (Hrsg.): Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa. Frankfurt a.M. 1983 = suhrkamp taschenb. wissensch. 403; ders. (Hrsg.): Jakobiner in Mitteleuropa. Innsbruck 1977; ders.: Der Jakobinismus in Mitteleuropa. Eine Einführung. Stuttgart (u. a.) 1981 = Urban-Taschenbücher 326. Pergens Erlaß 5. 4. 1793 zit. nach Benna: Organisierung und Personalstand, S. 217.
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geln aufmerksam, indem durch Anwendung »gut gesinnter Staatsbürger« unvermerkt »patriotische Schriften und werke« verbreitet, aber zugleich auch heimlich auf »verführerische piecen« gewacht werden könne. In regelmäßigen >Vorträgen< berichteten die Präsidenten der Polizeihofstelle fortan zunehmend über spezifisch staatspolizeiliche Inhalte, denn unter die »auswärtigen Nachrichten« über Kriegsvorbereitungen und -verlauf mischten sich zunehmend Rapporte über die Volksstimmung; sie wurden als geheim behandelt und über die geheimen Polizeiauslagen verrechnet. Wie sehr das von Pergen begründete landesweite Polizeinetz funktionierte, erwies sich daran, daß sich die Berichte an den Kaiser auf geheime Eingaben von Stadt-, Kreishauptmännern, Kreiskommissaren und Polizeidirektoren aus allen Teilen der Monarchie stützen konnten. 14 Damit kam die neubegründete Behörde ihren Aufgaben nach, denn in ihren Geschäftsbereich fielen u. a. Anzeigenwesen, Fremdenkontrolle, Inhaftierung und Untersuchung der »geheimen Staatsverbrecher«, Aufsicht über »Volksstimmung«, »Entdeckung aller geheimen Gesellschaften und Verbindungen«. 15 Im Jahre 1802 versuchte Franz, die Polizeihofstelle ausschließlich auf die Angelegenheiten der Staatspolizei zu beschränken, stieß dabei aber auf starken Widerstand Pergens, denn eine geheime Polizei, Staatspolizei, oder wie man eine zentrale Uebersicht immer heißen möge, sey ohne die öffentliche ein bloßes Unding, eine bloße Spionier- und eine schlappe Anstalt, die für sich keinen Schritt vorwärts tun könne. 16
Ausschließlich geheim zu operieren schien ihm untauglich, denn »zur Entdeckung manchen gefährlichen Plans« bedürfe es der Hilfe vieler Ressorts und des öffentlichen Ansehens der Polizeibeamten, »um zum Zweck zu kommen, den man bloß durch Vertraute nicht erreichen würde«. Die »Gassenpolizei« (also die allgemeine Sicherheitspolizei) und die »Staatspolizei« sollten für ihn institutionell ineinander verwoben sein, wobei sich aber beider Wirkungskreise und -weisen klar voneinander trennen ließen. Zugleich wird an der Darlegung Pergens deutlich, daß für ihn >Staatspolizei keinerlei exekutive Befugnisse implizierte. 1807 unternahm Franz es noch ein letztes Mal mit dem Versuch, die Polizeihofstelle ganz auf die Staatspolizei zu beschränken. Der Nachfolger Pergens, Sumeraw (seit 1803), hielt diesem Vorstoß des Kaisers Prinzipien entgegen, die ein weiteres Merkmal der Staatspolizei herausstellten, und das in einer höchst bedeutsamen Zeitsituation, als Preußen nach der Niederlage von Jena und Auerstedt gegen Napoleon gleichfalls die Voraussetzungen für eine organisatorisch selbständige politische Polizei zu schaffen begann. In seinem Vortrag vom 20. 4. 1807 umriß Sumeraw als Wesen der Staatspolizei: 14
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Dokumentiert in Baldacci, Vortrage der Polizeihofstelle 1792-1822, Krt. 1 u. 2, HHStA Wien. Vgl. die Agenden der Polizeihofstelle, dargest. bei Benna: Polizeihofstelle, S. 180-182. Vortrag Pergens 1802, zit. nach Benna: Ebd., S. 184; vgl. auch Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,2. S. 289.
Ihr Wirkungskreis erstreckt sich auf das ganze Staatsgebiet; da der obersten Gewalt unendlich daran liegt, alles in Erfahrung zu bringen, was der inneren und äußeren Sicherheit Gefahr drohen könnte, so ist es die Staatspolizey, der die Anwendung zweckmäßiger Mittel obliegt, diese Gefahr bei Zeiten zu entdecken, derselben gehörig vorzubeugen, mithin auf jeden Teil des Staatsgebiethes, auf jeden Gegenstand, der das Staatsinteresse berührt, auf jede Einrichtung und Anstalt, die darauf abzwecket, auf jedes Unternehmen oder Ereigniß, welches davon [sich] ableiten kann, ihre Aufmerksamkeit zu richten. Das Beiwort geheim ist also nicht mit der Existenz des Verwaltungszweiges, der öffentlich authorisiert und organisiert ist, verbunden; es erstreckt sich bloß auf die häufig eintretenden Fälle der Nothwendigkeit, wo die Staatspolizey, um Hindernissen und Gefahren der allgemeinen Sicherheit vorzubeugen nur dann zweckmäßig würcken kann, wenn ihre hiebei angewandten Mittel geheim sind.' 7
Sumeraw erkannte als das Eigentümliche und Unterscheidende der >öffentlichen< und der >Lokalpolizei< im Vergleich zur >Staatspolizei< darin, daß jene nur auf einen einzelnen Ort des Staatsgebietes beschränkt sei: Die Lokal- oder öffentliche Polizey verhält sich so zur Staatspolizey wie ein Teil zum Ganzen. Die geheime Staats- oder hohe Polizey umfaßt das Ganze der Sicherheit der Monarchie, sie erstreckt sich auf das ganze Staatsgebiet. 18
Sumeraw entwickelte ganz in den von Joseph II. und Pergen gelegten Bahnen die österreichische > Staatspolizei fort, und das bereits in so differenzierter, zukunftsweisender Weise, wie sie um diese Zeit in keinem anderen deutschen Staat nachweisbar ist, in Bayern unter dem aufgeklärt-absolutistischen Regiment von Montgelas gerade erst versucht werden sollte. Aus Sumeraws Darlegungen tritt als weiteres konstitutives Merkmal der politischen Polizei, wie sie sich in Österreich bereits ausgebildet hatte, deren Ubiquität und ressortüberschreitende Allzuständigkeit hervor. Die Notwendigkeit dafür lag in ihrer - jeder Zuordnung zu einzelnen Ministerien oder Ressorts widerstreitenden - Aufgabe, »den Staat« zu schützen. In diesen Eigenschaften der politischen Polizei lagen, wenn sie sich in einer Zentralbehörde institutionalisiert fanden, drei Folgerungen: Ihre Angelegenheiten ließen erstens wegen des zumeist gebotenen >Geheimnisses< keine Beratung kollegialer Art innerhalb eines Gremiums zu, etwa innerhalb eines Ministerrats der um diese Zeit allerdings in Österreich noch nicht bestand - ; das begründete zweitens eine »Sonderstellung unter den Hofstellen« 19 und erzeugte wegen des ressortübergreifenden Anspruchs vielfältige Kompetenzkonflikte. Diese wurden gewissermaßen durch das generale Aufgabenfeld der >Staatspolizei< institutionalisiert; daraus folgte drittens, daß die staatspolizeiliche Zentralbehörde so stark war, wie der Monarch willens war, ihr eine Sonderstellung zuzumessen. Je mehr sich ein Herrscher der Staatspolizei als eines Werkzeugs durch unmittelbaren Einfluß - zumeist in persönlichem Verkehr mit deren Chef - bemächtigte, um so größer war ihr Einfluß. Namen wie Joseph II., Franz II. (I.), Franz Joseph, 17 18 19
Zit. nach Benna: Polizeihofstelle, S. 190f. Ebd.; vgl. auch Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,2. S. 291. Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,2. S. 293. 47
Friedrich Wilhelm III. und IV. von Preußen, Georg V. von Hannover, Maximilian II. von Bayern, Ludwig und Adolph von Nassau stehen hier für eine Beobachtung, daß der Herrscher das ausschlaggebende Gewicht bei der Ausbildung der Staatspolizei erhielt, nicht weil >Männer Geschichte machendes Staats< bekämpfte. Das galt auch unter konstitutionellen Verhältnissen.20 Nach 1807 war die Polizeihofstelle im Hinblick auf ihre umfassende Zuständigkeit für die Polizei nicht mehr gefährdet. Überdies war es bereits 1801 noch unter Pergen gelungen, auch die Zensurangelegenheiten an die Behörde heranzuziehen. Der damalige Vizepräsident Sumeraw argumentierte für den Kaiser überzeugend, »die Zensur sei nach ihrer ersten Bestimmung keine Wissenschaft, sondern eine bloße Polizeianstalt«. In einer politisch so aufgewühlten Zeit sei die Zensur von wesentlicher Bedeutung für den Staat; nur die Polizei, die über die Stimmung des >Publikums< informiert sei, könne eine entsprechende Aufgabe zureichend wahrnehmen. 21 In der Folgezeit baute die Polizeihofstelle ihr System polizeilicher Durchdringung des Landesinnern zielstrebig aus und bediente sich dabei der charakteristischen staatspolizeilichen Werkzeuge des geheimen Ziffernkabinetts, der Postlogen und des Agentenwesens.
II. Bayerns politische Polizei unter Montgelas Die Regierungszeit des dirigierenden Staatsministers< Maximilian Joseph Graf von Montgelas (1799-1817) deckt sich mit der »Entstehung des modernen Staates in Bayern«. 22 Da diese >Modernisierung< zu einem guten Teil einherging mit der Ausbildung einer geheimen politischen Polizei, lassen sich aus der Politik von Montgelas zugleich auch spezifische Voraussetzungen und Merkmale für die Entwicklung einer solchen Polizei herleiten. Die zentralistischen, bürokratischen und egalisierenden Maßnahmen des Staatsministers in der territorialen Politik, in Verwaltung und Gesellschaft riefen vergleichbar der Lage Josephs II. - so viele innere Widerstände hervor, daß sie 20
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Das hatte der preuß. Verfassungskonflikt seit 1861 scharf zutage gebracht; er zeigte: Es war für den Konstitutionalismus charakteristisch (im Gegensatz zur parlamentarischen Verfassungsform), daß Verwaltung (mit Polizei), Diplomatie und Heer (Huber: »institutionell das Machtgefüge des alten absoluten Staats schlechthin«) zu den monarchischen Prärogativen gehörten, die von der unmittelbaren Mitwirkung der Kammern ausgenommen waren; vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 14. Vortrag Sumeraws 9 . 9 . 1801, zit. nach Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1,2,2. S. 288. M. Doeberl in: G. Laubmann, M. Doeberl (Hrsgg.): Denkwürdigkeiten des Grafen Maximilian Joseph v. Montgelas über die innere Staatsverwaltung Bayerns (1799-1817). München 1908, S. IX-LXXVII.
Montgelas anders als mit den Mitteln einer geheimen Polizei nicht mehr unter Kontrolle halten konnte. Durch die beständigen Annexionen neuer Territorien mit fremden Bevölkerungen seit 1803, besonders mit dem Erwerb Tirols und Vorarlbergs (im Frieden von Preßburg 1805 nach dem 3. Koalitionskrieg) sowie Salzburgs und des Innviertels (im Frieden von Schönbrunn 1809 nach dem österreichischen Freiheitskrieg) stellte sich zunehmend das Problem der >inneren Ruheinneren Feind< zu werden. Die bayerische Regierung stand in ihren von Österreich erworbenen Territorien einer ähnlichen Situation gegenüber wie die Franzosen etwa im Königreich Westfalen, in den annektierten norddeutschen und den besetzten preußischen Gebieten. Bayerische geheime Polizei in Schwaben 1807. - Deshalb organisierte der Generalkommissär von Schwaben in Ulm, Freiherr von Gravenreuth, bereits im Jahre 1807 die »geheime Polizei« im Auftrag und mit voller Zufriedenheit von Montgelas innerhalb des ihm zugewiesenen Verwaltungsbezirks. Zur »Erhaltung der inneren Ruhe« wünschte der Staatsminister die rege »Aufmerksamkeit auf alle Unruhestifter, auch auf die Verbreiter nachtheiliger Gerüchte« und befahl insbesondere bei Korrespondenzen nach Österreich strenge »surveillance«.23 Zu den Maßnahmen des Generalkommissärs, die die Anfänge der bayerischen geheimen Polizei kennzeichneten, zählten: - genaueste Aufsicht über alle verdächtigen Personen, - Benennung des Ulmer Polizeidirektors Kraft zum Oberaufseher der Post, - Erzwingung von Botmäßigkeit des dagegen protestierenden, das Briefgeheimnis verteidigenden Oberpostmeisters von Pidoll (im Februar 1808 übernahm Bayern die Verwaltung der Post vom Haus Thum und Taxis in eigene Regie), - Einschärfung besonderer Aufmerksamkeit der Landrichter und übrigen Beamten in den Gebirgsgegenden »über alle Volksaufwiegler« (bei den Landrichtern als untersten Organen der Staatsverwaltung waren polizeiliche und richterliche Kompetenz noch nicht getrennt), - Öffnung verdächtiger Korrespondenzen. 24 Das Gutachten des Freiherrn von Brück. - Diese gegen »Volksaufwiegler« im Innern gerichteten Sicherheitsmaßnahmen zeigen den Wandel an von der traditionellen, gegen den äußeren, auszukundschaftenden Feind gerichteten >hohen geheimen Polizei< hin zur >modernenTirolGeheime Polizei< zum Inbegriff französischer Herrschaft, wie die bereits erwähnte Kritik Graf Sodens veranschaulichte. 57 Diese Publizistik zog ihren Stoff aus den zahlreichen Erfahrungen mit der französischen Polizei, vor allem aus deren Betätigung in den restpreußischen Gebieten nach 1806 und in dem napoleonischen >Modellstaat< Westfalen. Dabei sind selten so erbitterte Angriffe gegen ein Polizeisystem gerichtet worden wie gegen das des Königreichs Westfalen. 58 Dabei existierte die >Hohe Polizei< ursprünglich hier nicht, denn zunächst unterstand die Polizei der Aufsicht des Justizministers, der unter sich in Kassel (Dekret vom 27.1. 1808) eine Generalpolizeidirektion hatte; dieser unterstanden in den Departements die Präfekten, in den Distrikten die Unterpräfekten; in Gemeinden über 5000 Einwohnern waren besondere Polizeikommissare angestellt.59 Wozu Rheinbundstaaten wie Bayern oder Baden angehalten waren, hatte Westfalen zügig realisiert: bürokratisch organisierte Ministerialverfassung nach dem Ressortprinzip, zentralistische Verwaltungsorganisation, Verwaltungseintei55
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Hansgeorg Molitor: Vom Untertan zum Administre. Studien zur französischen Herrschaft und zum Verhalten der Bevölkerung im Rhein-Mosel-Raum von den Revolutionskriegen bis zum Ende der napoleonischen Zeit. Wiesbaden 1980, S. 55 = Veröffentlichungen des Instituts f. Europ. Geschichte Mainz Bd. 99. - Vgl. auch Ders.: Zensur, Propaganda und Überwachung zwischen 1780 und 1815 im mittleren Rheinland. In: Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit. Alzeyer Kolloquium 1979, S. 28-44 = Geschichtl. Landeskunde Bd. 22. Molitor: Vom Untertan, S. 130; vgl. insges. S. 121-130. Vgl. oben, S. 11; vgl. ferner in der von dem Jenenser Naturphilosophen Lorenz Oken hrsg. Zeitschrift >Isis< von 1817 die Beiträge: Lord Kinnaird und die hohe Polizei in Frankreich, No. 78-80, Sp. 617-636; Des Grafen Joseph Sierakowski Beytrag zur Geschichte der geheimen Polizei in Frankreich. Im Jahr 1816, No. 97-98, Sp. 769-782; Notice sur le Due D'Otrante, No. 112-115, Sp. 889-918 [= Fouche], Vgl. Die entlarvte hohe und geheime Polizei, oben S. 15. Willy Kohl: Die Verwaltung des östlichen Departements des Königreichs Westphalen 1807-1814. Berlin 1937. S. 56 = Histor. Studien Heft 323.
lung nach geographischen Grenzen, französisches Rechtswesen und französische Konstitution. Damit war ein Prozeß der >Modernisierung< eingeleitet, der offensichtlich die traditionellen Strukturen überforderte, soweit er damit einherging, die Herrschaftsintensität über eine inhomogene Bevölkerung zu steigern. Was die Tiroler und Vorarlberger im Königreich Bayern, das waren die Preußen, Braunschweiger, Hannoveraner und Hessen im Königreich Westfalen. Eben diese Art der Staatsbildung schuf Voraussetzungen und Bedürfnis, in Gestalt einer >hohen Polizei< ein Werkzeug gegen oppositionellen Widerstand aus der Bevölkerung zu besitzen. Wie berechtigt solche Befürchtungen waren, zeigte sich im April/Mai 1809, als das Königreich Westfalen im Zentrum der norddeutschen Aufstandsbewegung gegen die napoleonische Herrschaft lag.60 Offensichtlich in Erwartung solcher Vorgänge 61 waren bereits am 18. 9. 1808 zwei königliche Dekrete ergangen: Das erste verfügte die Einrichtung einer Hohen Polizei, das zweite ernannte Legras de Bercagny zu deren Generaldirektor. Seine Instruktion ließ keinen Zweifel über den Zweck seiner Behörde: Die Worte: Hohe Polizei, allgemeine Polizei, begreifen insbesondere diejenige Polizei, deren Zweck ist, Verbrechen gegen den Staat oder die heilige Person des Königs zu verhüten; treulose Eingebungen der Feinde der westfälischen Nation zu erforschen und zu entdecken, die die Absicht haben möchten, das leichtgläubige Volk in nicht zu berechnendes Unglück zu stürzen, wovon die Last immer auf dasselbe zurückfällt. 62
Durch die Einsetzung Bercagnys wurde die Polizeigewalt der Präfekten praktisch aufgehoben; diese sträubten sich vergeblich gegen die Einschränkung ihrer durch die Verfassung verliehenen Macht. Im Dezember 1808 wurden in den Departements Generalkommissare der hohen Polizei eingesetzt. Mit besonderem Eifer machte sich auf unmittelbaren Befehl Napoleons hin Bercagny an die Überwachung aller erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften. 63 Die nun einsetzenden Praktiken geheimer Polizei64 lassen es nicht verwunderlich erscheinen, daß sie - darf man den Erfahrungen der Zeitgenossen Glauben 60
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Konkret handelte es sich um die Aufstandsversuche des preuß. Leutnants Friedrich Karl von Katte, des kurhess. Offiziers Wilhelm Frhr. von Dörnberg, des preuß. Offiziers Ferdinand von Schill, des kurhess. Oberst Andreas Emmerich, des Medizinprofessors Johann Heinrich Sternberg und des Herzogs von Braunschweig-Oels; vgl. Heinz Heitzer: Insurrectionen zwischen Weser und Elbe. Volksbewegungen gegen die französische Fremdherrschaft im Königreich Westfalen (1806-1813). Berlin (Ost) 1959, S. 157-179. Auch der abgefangene Brief Steins vom 15. 8. 1808 an den Fürsten Sayn-Wittgenstein trug wesentlich dazu bei: Er wurde aus dem Pariser in den Kasseler »Moniteur« und ins politische Journal von 1808 übernommen; jetzt, hieß es, müsse gegen die geheimen Gesellschaften eine geheime Polizei wirken; vgl. Arthur Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westfalen. Gotha 1893, S. 135. StA Magdeburg Β 26. 28. 3., zit. nach Kohl: Verwaltung, S. 63 Anm. 14; hier auch Näheres zu der Einrichtung. Rüdiger Busch: Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt. Karlsruhe 1970, S. 56-58 = Studien u. Quellen zur Gesch. d. deutschen Verfassungsrechts Reihe Α Bd. 7. Vgl. Kleinschmidt: Westfalen, S. 135-141, 258-260.
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schenken - mit dem Regiment Jeromes insgesamt indentifiziert wurden. Denunziationen, Haussuchungen, Durchsicht von Privatpapieren griffen Platz. Es existierte ein höherer, ausgebreiteter Polizeiverein mit Staatsbeamten aller Stände, mit öffentlichen und Privat-Gesellschaften und mit den Büreaus der verschiedenen Departements. 65
In Kassel in der Schloßgasse wurde ein Gesinde-Vermietungs-Comptoir eingerichtet: Von dort angeworbene Dienstboten sollten aus Privathäusern berichten. 66 Die Polizei bediente sich der eigenen Beamten, bezahlter Agenten, »Mouchards«, außerordentlicher Kundschafter und öffentlicher Mädchen als Spione. Es charakterisiert das System allseitiger Bespitzelung, daß Napoleon am Kasseler Hof über einen Generalkommissar, der zugleich der Pariser geheimen Polizei angehörte, unmittelbar aus der Umgebung Jeromes unterrichtet wurde. 67 Als der westfälische Justizminister Simeon durch Dekret vom 14. 8. 1809 die hohe Polizei wieder aufhob, trug er damit ihrer Unfähigkeit Rechnung, die anhaltenden Aufstände des Jahres 1809 wirkungsvoll zu bekämpfen. 68 Gleichzeitig setzte er die Präfekten wieder als Aufsichtsbehörden ein, so daß die hohe Polizei nun als geheime Zusatzfunktion - wie im Rhein-Mosel-Raum - wieder dem Präfektursystem angegliedert war. Wie intensiv trotz der Entlassung Bercagnys geheime politische Polizei gegen >Staatsverbrecher< fortbestand, offenbarte sich in den erfolgreichen Gegenaktionen der westfälischen Polizei, mit denen diese das konspirative, im politischen Untergrund geknüpfte Informationsnetz - freilich mit äußerer Hilfe - zerstören konnte, das der ehemalige Leiter der preußischen geheimen Polizei Justus von Gruner über Westfalen gespannt hatte; das wird noch zu zeigen sein. Ein Blick ist indessen noch auf die derzeitige Forschungsdiskussion angebracht, in der vor allem durch Helmut Berding und Elisabeth Fehrenbach das kurzlebige Königreich Westfalen zum Angelpunkt der Modernisierungsdebatte geworden ist,69 genauer: zum Zentrum der Frage, in welchem Umfang »der napoleonische Revolutionsexport« die deutsche Staatenwelt »unter politisch-administrativem wie gesellschaftlichem Aspekt modernisiert« habe. 70 Auffälligerweise widmen beide Autoren der politischen Polizei keine Aufmerk65 68 69
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66 Die entlarvte hohe und geheime Polizei, S. 14. Ebd. 67 Ebd, S. 44f. Vgl. Kleinschmidt: Westfalen, S. 323f.; Busch: Bücher- und Pressewesen, S. 57. Vgl. Helmut Berding: Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen 1807-1813. Göttingen 1973 = Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 7; Ders. (Hrsg.): Napoleonische Herrschaft und Modernisierung, S. 462-573 = Geschichte u. Gesellschaft Bd. 6 (1980) Heft 4; Elisabeth Fehrenbach: Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht. Die Einführung des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten. Göttingen 2. Aufl. 1978 = Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 13; Dies.: Verfassungs- und sozialpolitische Reformen und Reformprojekte in Deutschland unter dem Einfluß des napoleonischen Frankreich. In: Histor. Zeitschr. Bd. 228 (1979) S. 288-316; vgl. ebenso Roger Dufraisse: Das napoleonische Deutschland. Stand und Probleme der Forschung unter besonderer Berücksichtigung der linksrheinischen Gebiete. In: Geschichte u. Gesellschaft Bd. 6 (1980) S. 467-483.
Fehrenbach: Verfassungs- und sozialpolitische Reformen, S. 289.
samkeit, obwohl diese im Falle Westfalens doch gleichermaßen zur »Expansion des französischen Verwaltungs- und Rechtssystems« zu rechnen ist.71 Das läßt erneut fragen, in welche Tradition die entstehende moderne politische Polizei einzuordnen ist. Zweifellos weisen die »(im engeren Sinne) verfassungspolitischen Reformprojekte« über den aufgeklärten Absolutismus hinaus und werden zu Recht der Entwicklung zur modernen Repräsentativverfassung zugerechnet. 72 Jedoch schon den »Reformerfolg in erster Linie im administrativen Bereich« zu lokalisieren läßt die Frage unbeantwortet, wo die hohe Polizei anzusiedeln sei, die gleichfalls zur Administration gehörte. Hier stand Westfalen vor der gleichen Notwendigkeit, inhomogene Territorien »zu einem einheitlichen Staatskörper zu verschmelzen«73 wie die süddeutschen Staaten seit 1806, insbesondere Bayern. Huber wertet dies als »posthumen Sieg des absolutistischen Prinzips« und erkennt gerade in Bayern unter Montgelas trotz napoleonisch inspiriertem Scheinkonstitutionalismus den »Prototyp eines Staates des aufgeklärten Absolutismus«.74 Es bleibt zu fragen, ob - unter dem Horizont vergleichbarer politischer Polizei gegen den >inneren Staatsfeind< - in Westfalen, in Bayern wie in Österreich Zentralisierung, bürokratische Verwaltungsgliederung, rationale Planbarkeit und gesellschaftliche Vereinheitlichung nicht als diejenigen Elemente anzusprechen sind, die den aufgeklärten Absolutismus am Prozeß der >Modernisierung< teilhaben lassen. Diesen kennzeichnet unter anderem die Staatskonzentration, die die Voraussetzung schuf, »um die ökonomischen, finanziellen und militärischen Ressourcen rascher zu mobilisieren als das Ancien Regime mit seiner chaotischen und langsamen Verwaltung«.75 Die Umbruchsphase um 1800 legt die Annahme nahe, Ancien Regime und Revolution machten im Tocquevilleschen Sinne beim Prozeß der >Modernisierung< auf dem Feld der Staatsbildung gleiche Sache. Das Problem >politische Polizei< als Bestandteil dieser Staatskonzentration führt dabei zu einer merkwürdigen Einfärbung des Modernisierungsverständnisses.76
IV. Die Begründung einer politischen Polizei in Preußen 1806-1812 1. Die Begründung und Organisation des Berliner Polizeipräsidiums 1809 Die Anfänge einer planmäßig organisierten und selbständig institutionalisierten politischen Polizei in Preußen fallen in die Situation größter staatlicher Paralysie71 75 76
73 Ebd. 72 Ebd., S. 295. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 90. 74 Ebd., S. 91. Fehrenbach: Verfassungs- und sozialpolitische Reformen, S. 291. Fehrenbach selbst lenkt den Blick auf diese Konvergenz: »Das napoleonische Frankreich beschleunigte nicht nur die »absolutistische« Staatskonzentration, sondern auch und vor allem den säkularen Wandlungs- und Modernisierungsprozeß im Umbruch von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft«; vgl. Dies.: Der Einfluß des napoleonischen Frankreich auf das Rechts- und Verwaltungssystem Deutschlands, S. 29. In: Armgard von Reden-Dohna (Hrsg.): Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons. Wiesbaden 1979, S. 23-39 = Veröffentlichungen des Instituts f. Europ. Geschichte Mainz Beiheft 5.
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rung nach der Niederlage von Jena und Auerstedt im Jahre 1806 und gehen zurück auf den vormaligen Leiter der pommerschen Landesverwaltung in Treptow an der Rega Justus (von) Gruner (1815 geadelt). Er ist mit Recht als der »Schöpfer des Berliner Polizeipräsidiums und der Geheimen Preußischen Staatspolizei« bezeichnet worden. 77 Seine zielstrebigen Konzeptionen und die ihn begünstigenden Umstände schufen den Raum, ausgehend von einer lokalbezogenen Geheimpolizei, konkurrierend mit gleichartigen Aktivitäten anderer Ressorts, eine Zentralbehörde zu errichten, die den >Staatsschutz< der gesamten Restmonarchie dirigierte. Bürokratisierung und Institutionalisierung der politischen Polizei sind hier an der Wurzel zu greifen. Die Anfänge liegen bei der Gründung des Berliner Polizeipräsidiums im Jahre 1809. Zuvor war die Berliner Polizei ein Teil der Stadtverwaltung; sie bildete seit 1795 das sogenannte Polizeidirektorium und wurde kollegialisch verwaltet. 78 Die Franzosen hatten während der Zeit der Besatzung dem Magistrat die Oberaufsicht über die Polizei entzogen und diese selbst verwaltet, und das in Verbindung mit einem »bureau de revision des lettres«, das rücksichtslos die gesamte Korrespondenz kontrollierte. 79 Als sie im Dezember 1808 die Residenz räumten, blieb ein Machtvakuum zurück, in das hinein Gruner zum ersten Polizeipräsidenten von Berlin berufen wurde. Der Hof weilte noch in Königsberg, während Gruner begann, dem Polizeipräsidium eine solche Organisation zu geben, wie sie in den Grundzügen fortan beibehalten worden ist.80 Ohne auf Einzelheiten einzugehen, bleibt grundsätzlich hervorzuheben: 81 1. Das Polizeipräsidium hatte von nun an neben seinen Aufgaben als Lokalbehörde zugleich auch gewisse landespolizeiliche Funktionen wahrzunehmen. 2. Dadurch war es keiner Mittelinstanz unterworfen, sondern unterstand direkt dem Innenministerium. (Die Einrichtung der dem Regierungspräsidenten unterstellten Intendantur 1816-22 blieb Episode.) 3. Es war bürokratisch und nicht mehr kollegialisch organisiert, wodurch Einheitlichkeit und Schnelligkeit des Handelns erreicht werden sollten. Alle eingehenden Sachen wurden beim Polizeichef zentralisiert und gingen dann an die jeweiligen Geschäftsabteilungen.
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So lautete der ursprüngliche Titel der nur im Teildruck erschienenen Dissertation von Ursula Veit: Justus Gruner als Schöpfer der Geheimen Preußischen Staatspolizei. Phil. Diss. Rostock. Coburg 1937. Reglement vom 21. 1. 1795, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 28 Nr. 733, Bl. 3-6. Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 65. Sanktioniert im Reglement vom 5.1. 1810, StA Potsdam Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 28 Nr. 733, Bl. 7-17. Hier zugrundegelegt das Votum des Geh. Oberregierungsrats im Berliner Polizeipräsidium Lüdemann zu dessen Reorganisation vom 6.12. 1861, das einen geschichtlichen Überblick einschließt, ebd., Tit. 94 Nr. 12568, Bl. 2-16.
4. Es wurden Geschäftsabteilungen (Büros) gebildet (anfangs vier, die Zahl schwankte immer wieder), a) das allgemeine Geschäftsbüro, b) das Polizeiamt, c) das Fremdenbüro (Einwohnermeldeamt), d) das Sicherheitsbüro (die spätere IV. Abteilung), dem 1811 auch die Kriminalpolizei untergeordnet wurde. 82 Das Sicherheitsbüro war unter anderem zuständig für die Anfertigung von Listen der Verbrecher, Festungs- und Zuchthausgefangenen, Steckbriefen, Anzeigen von Diebstählen, für die Polizeiaufsicht. Durch die Verquickung politisch-poljzeilicher und allgemein sicherheitspolizeilicher Aufgaben erhielt dieses Büro - im Rahmen der vorliegenden Thematik - bald nach 1815 besondere Bedeutung. Das wird noch zu berücksichtigen sein. Gruner übertrug die Leitung dieses wichtigen Büros dem zum Polizeiassessor ernannten Kammergerichtsreferendar Carl Falkenberg, der schließlich bis November 1849 (mit geringfügigen Unterbrechungen) als Hofrat in der IV. Abteilung alle Zeitstürme überdauernd den Posten wahrnahm, von dem er erst wegen Altersschwäche lassen mußte. Er wurde in diesem Amt in die diskretesten politisch-polizeilichen Recherchen eingeweiht. 83
2. Die Organisation einer selbständigen politischen Polizei durch Justus Gruner Napoleon verdankte seiner geheimen Polizei einen abgefangenen Brief des Freiherrn vom Stein; wegen der darin angedeuteten Aufstandspläne mußte der Minister demissionieren. Mit seinem berühmten, in Madrid gegebenen Armeebefehl vom 16. 12. 1808 ging der französische Kaiser noch einen Schritt weiter, indem er Stein ächtete: »Le nomme Stein, cherchant ä exciter des troubles en Allemagne, est declare ennemi de la France et de la confederation du Rhin. t···]« 84 Kein Vorgang konnte drastischer vor Augen führen, wie sehr man aus preußischer Sicht einer wirkungsvollen Gegenspionage bedurfte, um die Arbeit der französischen Geheimpolizei zu lähmen. Diese Notlage gab Gruner den Impuls, zielstrebig eine preußische Geheimpolizei aufzubauen. Geheimpolizeiliche Aktivitäten verteilten sich 1809 auf drei Instanzen; sie erfolgten 1. beim Polizeipräsidium; Gruner war mit seiner Bestimmung zum Polizeipräsidenten gleichzeitig unter der Leitung des Geheimen Staatsrats Nagler zum Chef der geheimen Polizei ernannt worden und beauftragt, diese auszubauen. Er sandte 82 83
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Vgl. auch Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 69f. ZStA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14947, Bl. 116f.; danach hatte Falkenberg 1811-14 »bei der im Büro des Staatskanzlers für höhere Polizei gebildeten Abtheilung gearbeitet«; dies war das 1811 begründete, von Gruner geleitete Spezialbüro. Stein: Briefwechsel Bd. 3, S. 1; hier auch nähere Hinweise.
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seine geheimen Rapporte je nach Sachlage direkt an das Innen- oder Außenministerium nach Königsberg; 2. beim Innenministerium; diese Geheimpolizei war durch die Reformgesetzgebung vom Dezember 1808 an den Innenminister Graf Dohna, den Nachfolger Steins, gegangen und beschränkte sich vorwiegend auf die Beobachtung fremder Kundschafter und öffentlicher Unruhestiftungen. Dohna hatte nach den üblen Erfahrungen mit der französischen Geheimpolizei größte Bedenken gegen diese Einrichtung und wies am 28. 9. 1809 Gruner an: Die fast ausschließliche Hauptrichtung unserer geheimen Polizei kann nur gegen fremde Anzettelungen und Spionerien gerichtet sein; bleibt die geheime Polizei dieser Bestimmung durchaus getreu, so wird der bessere Teil des Publikums sich bald mit derselben aussöhnen und sich überzeugen, daß das höchste bürgerliche Gut, gesetzmäßige Freiheit, der Friede treuer Untertanen, nicht gestört, und am wenigsten Leidenschaften und Intrigen ein furchtbares Werkzeug zu ihrer Befriedigung durch eine solche geheime Polizei in die Hände gegeben wird.85
3. beim Außenministerium; hier bearbeitete der Chef der 2. Sektion, Nagler, die geheime Polizei (der 1. Sektion oblagen die allgemeinen politischen Angelegenheiten). Nagler war zugleich zum Vizegeneralpostmeister befördert worden und unterstand als solcher dem Innenministerium. 86 Der spätere berüchtigte preußische Generalpostmeister und Gesandte am Frankfurter Bundestag während der Restaurationszeit betreute also bereits in der Frühphase seines Wirkens Geheimpolizei und Postverwaltung als kombinierten Geschäftskreis. 87 Nagler sandte die geheimen Rapporte entweder an Dohna oder direkt an den König in Königsberg. Am Anfang einer selbständig operierenden politischen Polizei stand - wie immer wieder in diesen Untersuchungen nachweisbar - die Einrichtung eines Büros; auch Gruner begründete ein solches.88 Er hielt es streng getrennt vom Generalbüro im Polizeipräsidium und verwaltete es persönlich. In Krankheitsfällen ließ er sich von den Bürovorstehern im Polizeipräsidium Bein oder Falkenberg vertreten. In diesem geheimen Polizeibüro arbeiteten drei Offizianten; das übrige Personal wurde nur so weit in den geheimen Dienst eingeschaltet, daß es nicht über den wahren Zusammenhang der Tätigkeit unterrichtet war. Eine Ausnahme machte der vollständig unterrichtete Polizeirevierkommissarius Eberhardt; einem späteren Bericht von ihm verdanken wir einen Einblick in die Geschäftspraxis: 89 Er 85 86 87
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Zit. nach Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 93; vgl. auch Veit: Gruner, S. 6. Veit, S. 6f. Vgl. auch Dohnas Kritik an Nagler, dieser habe »ein ausgebreitetes Spionierungssystem« ohne sein Vorwissen aufgebaut; zit. bei Obenaus, S. 93. Vgl. Veit, S. 8. Gesuch Eberhardts 24. 5. 1824 an König Friedrich Wilhelm III., sein Gehalt zu erhöhen; dabei verwies er auf seine Verdienste im Zusammenhang mit der Tätigkeit Gruners; dieser hatte Eberhardt beim Verlassen Preußens im Jahre 1812 auch beauftragt, die Berichte über geheime Angelegenheiten unmittelbar dem Staatskanzler Hardenberg auszuhändigen, das heißt er befand sich in einer besonderen Vertrauensstellung; ZStA Merseburg, Kabinettsakten 2.2.1 Nr. 14939, Bd. 38-41.
erklärte, er habe »neben meinen gewöhnlichen Berufsgeschäften als PolizeiRevier-Commissarius fast täglich Aufträge in höheren Polizei-Angelegenheiten« erhalten, so - genaue Beobachtung des österreichischen und französischen Gesandtschaftshauses im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch zwischen beiden Staaten im Jahre 1809; - Observation aller übrigen diplomatisch bedeutenden Personen; - den Auftrag, sich in Besitz der Chiffren der akkreditierten Gesandten zu setzen; dadurch verfügte Gruner bereits im August 1811 über Abschriften von den Chiffren des österreichischen, westfälischen, dänischen, schwedischen und württembergischen Gesandten; - nach der im Jahr 1811 erfolgten Anstellung des Generals der Infanterie, Graf Gneisenau, als Staatsrat im Innenministerium hatte Eberhardt die vom französischen Gesandten St. Marsan veranlaßte Beobachtung der Wohnung Gneisenaus »durch eine gegenseitige Observation zu verhindern oder doch unschädlich zu machen«; Eberhardt besaß einen Konfidenten im Hause St. Marsans; - hatte Eberhardt am 16. 9. 1811 von Gruner die Leitung des »LohnbedientenBureaus« übertragen bekommen. Insgesamt versah der Polizeirevierkommissar nebeneinanderher exekutiven Polizeidienst und Arbeit zu »Zwecken der hohen Staatspolizei«, wie er sich ausdrückte. Anfangs verfügte Gruner nur über drei auswärtige Agenten, einen in Frankfurt am Main, einen in Erfurt und einen mobilen, teilweise in Wien ansässigen.90 Er wußte jedoch seinen Wirkungskreis durch Verbindungen mit Polizeibehörden in der Provinz zu erweitern, hatte geheime Offizianten in Kaffeehäusern und bediente sich auch der Wirte in Gasthäusern, um Einblick in den Fremdenverkehr zu bekommen. 3. Gruner als Chef der gesamten preußischen Staatspolizei Als im Juni 1810 nach der Rückkehr des Hofes und Königs Hardenberg zum Staatskanzler ernannt worden war, lief die Entwicklung zielstrebig auf eine Konzentration sämtlicher geheimpolizeilicher Aktivitäten beim Fürsten zu. Gru90
Das war erstens der Chef des Postbüros in Erfurt, Dieppe, ursprünglich von den Franzosen beauftragt, die durch Erfurt gehenden (bes. sächsischen) Gesandtschaftsdepeschen aus Paris zu kopieren, hielt er auf Wunsch Gruners die für Preußen schädlichen zurück und schickte stattdessen fingierte, von Gruner fabrizierte; zweitens der Agent Geisler, der dem Leiter des französischen Geheimdienstes zur Okkupationszeit in Berlin, de Vigneron, gedient hatte; Gruner gelang es, mit Nachhilfe zeitweiliger Haft Geisler für sich zu gewinnen und so de Vigneron in Frankfurt auszuhorchen; drittens der Baron von Moser, ehemals Sekretär des Marechal Soult, bei den Franzosen voll im Vertrauen stehend; vgl. Veit: Gruner, S. 9, 23f., Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 100. - 1815 verdächtigte die preuß. Regierung Moser, für die französische geheime Polizei zu spionieren, Note des preuß. Gesandten von Haenlein 22. 5. 1815 in Nassau, HStA Wiesbaden Abt. 210/7436.
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ner betrieb das seinerseits. Um seine ehrenhaften Motive dabei glaubhaft zu machen, rechtfertigte er sich am 13. 6. 1810 gegenüber Hardenberg. Denn den größten Raum seiner Tätigkeit nahm bisher die Spionageabwehr ein, das hieß mit eigenen Leuten die Pläne der Franzosen auszukundschaften und gleichzeitig fremde Spione unschädlich zu machen; er schrieb: Eine geheime Polizei wie die Französische habe ich nicht für nützlich, sondern für schädlich gehalten. Die Meinige hat sich in keiner Art um Staatsangelegenheiten im Innern kümmern dürfen. Wohl habe ich Klubs, Kaffee- und Spielhäuser, nie aber Büros observieren lassen, wohl sind verdächtige Fremde, unruhige Volksredner, zweideutige Schriftsteller, Spieler und ähnliche Menschen, nie aber ruhige Bürger oder Staatsbeamte kontrolliert worden."
Noch im gleichen Jahre wurde Nagler seines Amts enthoben, trat Dohna die Geheimpolizei von sich aus an Hardenberg ab; nach der kurz darauf folgenden Entlassung des Innenministers übernahm Hardenberg auch noch dessen Ressort. 92 Gruner sekundierte, indem er am 26.10. 1810 die »Grundzüge zur Organisation der Verwaltung der höheren Polizei« unterbreitete. 93 Hierin schlug er vor, die Leitung der gesamten Geheimpolizei beim Staatskanzler zu konzentrieren, die Verwaltung einem Staatsrat in einem speziellen, mit Personal ausgestatteten, ressortmäßig gegliederten Büro zu übertragen. (Er hatte diese projektierte Stelle ganz auf seine Person zugeschnitten). Als Aufgaben empfahl er unter anderem Aussendung von Kundschaftern, Benutzung diplomatischer und öffentlicher Nachrichten, Paß-, Fremden- und Korrespondenzkontrolle, als Mittel einen eigenen Fonds, ein Brieferöffnungsbüro und Rapportpflicht sämtlicher zuständigen Polizeibehörden des Landes (Polizeipräsidenten und -direktoren der größeren Städte, Provinzialregierungen). Anders als noch Dohna vorgeschrieben hatte, gab Gruner der Geheimpolizei bereits eine - allerdings nicht planmäßige - Wendung gegen das Innere, denn die Maßnahmen in »Rücksicht der inneren Ruhe und Sicherheit des Staates« sahen Kontrolle der Behörden vor und insbesondere: Beobachtung aller für die innere öffentliche Sicherheit und Ruhe gefährlichen und verdächtigen Personen. Stete Beobachtung der öffentlichen Meinung, Gerüchte und Stimmung in Beziehung auf die innere Ruhe und Sicherheit des Staates.94
Im Februar 1811 wurde Gruner ganz entsprechend seinen Vorschlägen zum Chef der Staatspolizei ernannt. 95 Sein altes Geheimpolizeibüro wurde vom Polizeipräsidium abgetrennt, in ein separates Haus verlegt und unterstand fortan direkt dem Staatskanzler und verfügte über zwei Sekretäre und einen Referendar. 96 Eine große Bedeutung für den Dienst bekam die landesweite, mit Österreich und 91 92 93 94 95
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Zit. nach Obenaus, S. 92f. Vgl. Veit: Gruner, S. 29; Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 93f. Abgedr. bei Obenaus, S. 95-97. Ebd., S. 95. Die Instruktion vom 28.1. 1811 regelte in 50 Paragraphen den Geschäftskreis und die Kompetenzen, referiert bei Veit, S. 33-36 mit Ergänzungen S. 38-41. Ebd., S. 31-33.
Bayern vergleichbare Postkontrolle, indem Gruner autorisiert war, dem Generalpostmeister Seegebarth unter Einschaltung der Provinzialpostämter Anweisungen zu geben. 97 Mit dieser institutionell völlig von der übrigen allgemeinen Sicherheitspolizei abgelösten politischen Polizei stand dem in diesen Geschäften genial begabten Gruner 98 ein Instrumentarium zu Gebote, dessen außerordentliche Erfolge bald Wirkungen bei den Franzosen zeigten. Bereits am 27. 10. 1811 stellte der französische Gesandte bei seinem Außenministerium den Antrag, auf Gruners Entfernung zu dringen. A m 17. 3. 1812 - Napoleon befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und nunmehr in Allianz mit Preußen - nahm Gruner seine Entlassung. 99 Er erhielt von Hardenberg die Zusicherung, in den Dienst zurückkehren zu können, »sobald veränderte Verhältnisse es gestatten würden«; auch hatte ihn der König autorisiert, vorerst das Gehalt »in der Stille« noch weiterzuzahlen. 100
4. Gruners Konspiration der Befreiung 1812 Angesichts der Allianz Preußens mit Frankreich unternahm Gruner noch im März 1812 in Berlin Schritte, die seine langfristige Strategie offenbaren: Er unterbreitete dem russischen Gesandten Fürst Lieven einen bis ins einzelne durchdachten Plan, 101 mit dem die ihm bekannten und im Geheimen geförderten oppositionellen Verbindungen schlagkräftig koordiniert werden sollten: Allein im Geheimen haben sich Verbindungen gebildet, diese Gesinnungen zu erhalten, zu verbreiten und in einem günstigen Augenblick Alles zu ihrer Bethätigung vorzubereiten. Solcher Verbindungen, welche bis in die Schweiz reichen, giebt es viele; sie sind theils von militärischen Köpfen, theils von ehrlichen Staatsmännern geleitet, ja es sind sogar einige deutsche Fürsten an der Spitze derselben. Bis jetzt besteht jede isolirt, und kaum hat manche Kenntniß oder Ahndung von der anderen.102 Zwei der wichtigsten Maßnahmen lauteten für Gruner: Auffangung von Depeschen und Ordres der französischen Armee, Verwirrung ihrer Maßregeln, Abschneidung ihrer Zufuhr, durch Aussendung von Emissären und Partisanen. Beförderung der Desertion und des Abganges deutscher Militärs und Individuen zur Bildung einer deutschen Legion unter dem Schutze Rußlands.103 97
Veit: Gruner, S. 35. Vgl. »Gruners praktische Tätigkeit als Bürochef der Geheimen Polizei« ebd., S. 44-67; ferner Obenaus: Preuß. Sicherheitspolizei, S. 99-102. 99 Vgl. Obenaus, S. 102f., zu den näheren Umständen, bes. zur Rücksicht Preußens auf die Allianz mit Frankreich Branig: Wittgenstein, S. 69-72. 100 Hardenberg 16. 3. 1812 an Gruner, faksimiliert bei Obenaus, S. 159, abgedr. bei Veit, S. 88f. 101 Gedruckt bei August Fournier: Stein und Gruner in Österreich. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Befreiungskriege, S. 154-161. In: Ders.: Historische Studien und Skizzen. 3. Reihe, Wien, Leipzig 1912, S. 99-212. - Das Original lag einem Bericht Lievens vom 12. 3. 1812 bei, vgl. Percy Stulz: Fremdherrschaft und Befreiungskampf. Die preußische Kabinettspolitik und die Rolle der Volksmassen in den Jahren 1811 bis 1813. Berlin (Ost) 1960, S. 119. - Fournier publizierte das von der österr. Polizei beschlagnahmte Konzept. 102 Fournier: Stein und Gruner, S. 155. 103 Ebd., S. 156. 98
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Gruner nahm sich zum Vorbild »das Beispiel Schills und mehrerer Partisanen, in den neueren Kriegen aber Spanien«. Er plante, alle Aktionen von einem Punkt aus zu steuern: von Prag im neutralen Österreich. In der Tat organisierte der ehemalige Chef der preußischen Geheimpolizei mit Hilfe russischer und englischer Gelder ein hochwirksames Kundschaftersystem. Nach seiner Ankunft in Prag berichtete er am 5. 5. 1812: Ich bin seit drei Wochen hier und habe eine geheime Korrespondenzkette durch ganz Deutschland gezogen, mittels welcher ich von allen wichtigen Vorgängen in demselben benachrichtigt und in beständiger Kenntniß von der öffentlichen Stimmung erhalten werde. Bekannt mit den einzelnen, für die gute Sache bestehenden Verbindungen, suche ich mich mit diesen en rapport zu setzen, alle Debris der früheren Insurrekzionen zu benüzen und jeden Keim zu neuem thätigen Selbstbefreien Deutschlands zu wecken. 104
Gruner richtete mit Hilfe eines Organisationsplans »Deutsche Agenten in Deutschland« 105 einen regelrechten Agentendienst ein, teilte das Land bis nach Münster, Hamburg, Mainz, Straßburg und München entsprechend den Hauptverkehrswegen und Durchmarschstraßen in Bezirke mit konspirierenden Hauptverantwortlichen ein; an der österreichisch-preußischen Grenze in Flinsberg und Kudowa bestanden zwei »Korrespondenzsammelpunkte«, in Altona und Kolberg »Korrespondenzbeförderungspunkte«. Das alles blieb keineswegs Gedankenspielerei, sondern wurde erfolgreich in die Wirklichkeit umgesetzt. 106 Die Wirkungen bei den Franzosen bezeugen das am deutlichsten. So teilte der französische Gouverneur von Berlin, General Durutte, unter Drohungen, die Schuldigen erschießen zu lassen, dem Berliner Polizeipräsidenten am 8. 8. 1812 mit, daß er »bereits seit einiger Zeit eine auffallende Verzögerung [...] der Transporte von Munition und sonstigen Bedürfnissen der französischen Armee bemerkt« habe; er erklärte sich das aus einer »absichtlich behindernden Mitwirkung von Seiten der preußischen Schiffahrtsoffizianten«. 107 Es mußte der Zeitpunkt kommen, an dem sich Gruner auch in Prag nicht mehr halten konnte. 5. Die Umlenkung der preußischen Geheimpolizei König Friedrich Wilhelm III. bestimmte zum Nachfolger Gruners in der Leitung der Geheimpolizei seinen Oberkammerherrn, den Fürsten Wilhelm Ludwig zu Sayn-Wittgenstein. 108 Diese Entscheidung deutete Gruner als das Signal eines Kurswechsels. Er schrieb dazu am 6. 6. 1812 an Hardenberg:
104 105 106
107 108
68
Ebd., S. 167. Abgedr. ebd., S. 168. Das zeigen mit vielen neuen, seither unbekannten, aus den Akten des ZStA Merseburg geschöpften Einzelheiten die Untersuchungen von Stulz: Fremdherrschaft, und Heitzer: Insurrectionen. Zit. nach Stulz, S. 116. Kabinettsordre vom 24. 4. 1812, Gesetz-Sammlung 1812, S. 44.
Sie haben diese von mir geschaffene Partie, die so herrlich wirken kann, in die Hand eines Mannes gelegt, der einst wegen Verräterei auf der Festung saß. Und wie wird er der Sache der Menschheit schaden. 109
Gruners Urteil bestätigte sich in der Folgezeit. Der von ihm aufgebaute, schlagkräftige, institutionell etablierte Apparat bewies nun seine Eignung zu gegenteiligen Zwecken, nicht mehr vordringlich zur Spionageabwehr, sondern zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung und des >inneren Feindesinneren Staatsfeind< machte aus der ursprünglichen traditionellen >höheren< die im eigentlichen Sinne >politische< Polizei. Will man diesen Wandel von 1812 resümieren, bleibt die Schlußfolgerung: Die Demagogenverfolgungen mit zwischenstaatlicher Koordination begannen in Preußen in diesem Jahre. Der Apparat, zu anderen Zwecken geschaffen, erwies sich als wirksam. Maßgebliche Personen der späteren Verfolgungen (Wittgenstein, Bülow, Falkenberg) waren bereits im Amt und für die Geheimpolizei tätig. Der Staatskanzler hatte den Kurswechsel diktiert; es galt lediglich, in den Jahren der Befreiungskriege 1813 bis 1815 stillezuhalten, um bei nachfolgender Gelegenheit die volle Wirksamkeit der geheimen politischen Poliz e i entfalten zu können.
116 119 120
117 118 Fournier, S. 198. Vgl. Heitzer: Insurrectionen, S. 221. Ebd., S. 217-219. Depesche Baron von Lindens 20.10. 1812, zit. nach Stulz: Fremdherrschaft, S. 134. Ebd., S. 141. - Ein Abdruck dieses Verzeichnisses findet sich auch in: Die entlarvte hohe und geheime Polizei, S. 183f.
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ZWEITES KAPITEL:
Staatspolizeiliche Koordinierungen zwischen den deutschen Bundesstaaten 1815-1848
I. Das politische Verbrechen< und der >Staatsschutz< als Bestandteil des Bundesrechts Wenn auch im Jahre 1815 das revolutionäre Frankreich in seine staatlichen Grenzen zurückgedrängt, sein Exponent Napoleon deportiert war, wog doch fortan die Furcht vor einer erneuten Revolution als Größe in der Politik des neubegründeten Deutschen Bundes schwer. Die ursächlichen Gefahren erblickten die deutschen Regierungen ebenso in organisierten Gruppen innerhalb der politisierten Bevölkerung wie in Handlungen einzelner. Die monarchischen Repräsentanten der Staaten, die Fürsten, galten als besonders gefährdet. Dem trug der Registrator der Bundeskanzlei auch aktenmäßig Rechnung: Seit 1820 führte er eine Liste über »Attentate gegen gekrönte Häupter« unter Einschluß Frankreichs.1 Nach den Attentaten auf den Lustspielautor und Staatsrat in russischen Diensten Kotzebue (23. 3.1819) und auf den nassauischen Regierungspräsidenten Ibell (1. 7.1819) erhielt die Vorstellung von politischem Verbrechen< eine neue, durch die Tat unwiderlegliche Dimension: »Der politische Mord war Deutschland bis dahin fremd geblieben«.2 Hier bot sich ein weites Betätigungsfeld für die Ausbildung einer politischen Polizei, sofern man davon ausging, die Anschläge seien nicht das Werk einzelner, sondern einer geheim operierenden ausgedehnten >VerschwörungStaatsschutz< und politisches Verbrechern hervorzuheben. Der verfassungsrechtliche Angelpunkt für die Entstehung einer politischen Polizei lag in dem Artikel 2 der Bundesakte von 1815, der als Zweck des Deutschen Bundes die »Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutsch1 2
72
BA Abt. Frankfurt DB 1 Nr. 11. Huber: Verfuvsungsgeschichte Bd. 1, S. 729.
lands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten« bestimmte. 3 Damit waren Staats- und Verfassungs-Schutz des Bundes und der einzelnen Länder im weitesten Sinne als Aufgabe fixiert. Auf dieser Grundlage schuf sich die Bundesversammlung ein rechtliches Instrumentarium, das erlaubte, alle nationalen, liberalen, demokratischen Erscheinungen der Zeit als bundesfeindliche Angriffe einzustufen und zu unterdrücken. Davon waren vor allem politische Vereine, Versammlungen, Presse und landständische Kammern betroffen. Ein kurzer Überblick der maßgeblichen Bestimmungen wird zeigen, wie sich der inkriminierte Tatbestand und Täterkreis zunehmend auf >das Politische< eingrenzten und somit zugleich den Bereich eines spezifischen polizeilichen Handelns schufen. Die Karlsbader Beschlüsse vom 20. 9. 18194 reagierten - verkürzt gesagt - auf das Wartburgfest - die erste große politische Demonstration in Deutschland (1817), auf die Gründung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft in Jena (1818) und auf die Ermordung Kotzebues. Diese Beschlüsse institutionalisierten den »außerordentlichen landesherrlichen Bevollmächtigten« zur Überwachung der Universitäten und die bekannte Mainzer Zentraluntersuchungskommission. Sie verboten »geheime oder nicht autorisirte Verbindungen auf den Universitäten« 5 und ordneten an, die »revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen« aufzudecken. 6 Wie zu beobachten, war das Untersuchungsfeld anfangs noch denkbar vage umrissen; politische Vereine lagen - wenigstens dem Namen nach - noch nicht im Gesichtsfeld. Die Wiener Schlußakte des Jahres 1820 erweiterte mit ihrem Artikel 26 die Eingriffsrechte des Bundes gegenüber den Einzelstaaten noch beträchtlich und bestimmte dabei als Voraussetzung »Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Obrigkeit«, die »Verbreitung aufrührerischer Bewegungen« oder den Ausbruch eines >wirklichen Aufruhrsinnere Ruhe< unmittelbar gefährdeten. 7 1824 verlängerte die Bundesversammlung die zunächst nur provisorischen Karlsbader Beschlüsse unbefristet (sie galten bis 1848).8 Als Folge der Julirevolution verpflichtete das Maßregelngesetz von 1830 die Länderregierungen unter Hinweis auf den genannten Artikel 26, von allen »aufrührischen Auftritten, welche einen politischen Charakter andeuten«, Anzeige am Bundestage zu erstatten. 9 Das Hambacher Fest Ende Mai 1832 bot den nächsten Anstoß, das Bundesrecht zur Unterdrückung politischer Bestrebungen auszuformulieren. In »Sechs Artikeln« (28. 6. 1832) wurden die Rechte der landständischen Kammern, deren Mitglieder zum Teil an dem Feste teilgenommen hatten, empfindlich eingeschränkt. 10 3
4 6 8 9
Ernst Rudolf Huber (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 1-3. Stuttgart 1961-66; im folg. wird zu Bd. 1 zitiert aus der erweiterten 3. Aufl. 1978, Bd. 1, S. 85. 5 Ebd., S. 100-105. Universitätsgesetz §3, Huber: Dokumente Bd. 1, S. 101. 7 Untersuchungsgesetz Art. 2, ebd., S. 104. Wiener Schlußakte Art. 26, ebd., S. 94. Maßregeln-Gesetz 16. 8. 1824, ebd., S. 130. 10 Maßregeln-Gesetz 21.10. 1830, ebd., S. 131. Ebd., S. 132f.
73
Die »Zehn Artikel« (5. 7. 1832) entwickelten dann geradezu konstitutiven Charakter im Hinblick auf politisch-polizeiliche Tätigkeit; denn neben der Verschärfung der Zensur bestimmten sie: »Alle Vereine, welche politische Zwecke haben, oder unter anderm Namen zu politischen Zwecken benutzt werden«, seien zu verbieten. 11 Damit war rechtlich der letzte Schlupfwinkel politischer Bestrebungen in organisierter Form verstopft. Mit dieser Bestimmung bezeugte die Bundesversammlung nämlich, daß sie in der Zwischenzeit gelernt hatte: Politische Bestrebungen gab es nicht lediglich auf den Universitäten und zudem ließen sie sich unter unverfänglichem Deckmantel tarnen. Dieses generelle Verbot aller politischen Vereinigungen drängte deren Aktivitäten in den illegalen Untergrund oder zur Tarnung in Lesegesellschaften, wissenschaftliche, Gesang-, Turnvereine etc. Dadurch war ein eigenes, von der gewöhnlichen Kriminalität abgehobenes Tätigkeitsfeld begründet, das fortan verstärkt geheimpolizeilicher Methoden bedurfte. Der Bundesbeschluß gebrauchte nun auch zur Kennzeichnung erstmals den Ausdruck >politisches Verbrechen oder VergehenHauptstadt< des Deutschen Bundes konfrontiert sah. Sie begründete eine 11 12
13
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Huber: Dokumente Bd. 1, S. 134. Soweit übersehbar, erscheint einer der frühesten Belege für den Ausdruck »politisches Verbrechen« im österr. Strafgesetz von 1787 (»Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung«), hier allerdings noch nicht in der >modernen< Verwendung wie bei der Bundesversammlung, sondern zur Bezeichnung der späteren schweren Polizeiübertretungen; >politisch< heißt das Verbrechen deshalb, weil es »nur von der politischen Behörde« (S. 83), durch die »politische Obrigkeit« zu ahnden war, während das schwerere »Kriminalverbrechen« allein durch den Richter zu verhandeln war; zu letzteren zählten auch »Verbrechen, die auf den Landesfürsten, und den Staat unmittelbare Beziehung haben« (S. 19); vgl. auch Arthur Müller: Der Begriff des politischen Verbrechens nach dem positiven Auslieferungsrechte des Deutschen Reichs. Jur. Diss. Leipzig, Borna-Leipzig 1907. 14 Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 162. Ders.: Dokumente Bd. 1, S. 134f.
neue Bundeskommission, die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde, die die Teilnehmer an dem »aufrührerischen Complotte« ermitteln sollte, wie der Bundesbeschluß vom 30. 6. 1833 den Tatbestand beschrieb. 1 5 Mit den Beschlüssen von 1832/33 war das System allgemeiner politischer Repression von seiner rechtlichen Seite her weitgehend perfekt; die später nachfolgenden M a ß n a h m e n bedeuteten jeweils hauptsächlich quantitative Ergänzungen, sei es durch weitere Disziplinierung der Ständeversammlungen, Präzisierung der Pressezensur in Verbindung mit einer »oberpolizeilichen Aufsicht« der Regierungen, 1 6 durch zusätzliche M a ß n a h m e n gegenüber den Universitäten, sei es durch weitere Eingrenzung auf Täterkreise, etwa Petenten an die Bundesversammlung, w a n d e r n d e Handwerksgesellen oder das »Junge Deutschland« der Literaten. 1 7 Was indessen noch fehlte, war eine bundesrechtliche Definition des >politischen Verbrechersbezichtigen< durfte, so daß diese H a n d l u n g nicht lediglich Gerichten, sondern auch den Administrativ- oder Polizeibehörden zukommen konnte. Während der Revolution von 1848/49 war das gesamte seit 1819 eingeführte politisch-polizeiliche Bundesrecht zeitweilig außer Kraft gesetzt; es wurde jedoch seit 1851 mit der Reaktivierung des Bundestages wiederhergestellt, im Hinblick auf die jüngst zurückliegenden Erfahrungen mit einer freien Presse und einem uneingeschränkten politischen Vereinswesen jedoch noch erheblich differenziert. Seit 1854 leisteten ein spezielles Bundespreß- und Bundesvereinsgesetz (6. 7. und 13. 7. 1854) 19 ihren Anteil an der Unterdrückung der letzten >Märzerrungenschaf15 16
17 19
Huber: Dokumente Bd. 1, S. 104. So in den geheimen 60 Artikeln der Wiener Konferenzen von 1834, speziell Art. 30, ebd., S. 142. Vgl. die entsprechenden Bundesbeschlüsse ebd., S. 150f. 18 Abgedr. ebd., S. 152. Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 134-138, zu den genannten beiden Gesetzen speziell S. 137f. - Zur Pressezensur des Bundes vgl. Heinz-Dietrich Fischer (Hrsg.): Deutsche Kommunikationskontrolle des 15. bis 20. Jahrhunderts. München (u.a.) 1982 = Publizistik-Historische Beiträge Bd. 5, namentlich die Beiträge von Matthias Meyn, Walter Homberg und Eberhard Naujoks, ferner: Edda Ziegler: Literarische Zensur in Deutschland 1819-1848. Materialien, Kommentare. München, Wien 1983 = Hanser Literatur-Kommentare Bd. 18; Dieter Breuer: Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland. Heidelberg 1982 = UTB Nr. 1208; als Forschungsbericht grundlegend: Klaus Kanzog: Zensur, literarische. - In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Aufl. hrsg. von Werner Kohlschmidt u. Wolfgang Mohr. Bd. 4. Berlin, New York 1984, S. 998-1049.
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tenKarlsbader Beschlüsse< als angeblicher Teil des >Metternichschen Systems< immer noch eng mit dem Namen des österreichischen Staatskanzlers verbunden werden, ist nicht zu bestreiten, daß ein wesentlicher - vielleicht entscheidender - Impuls zur Zentralisierung der polizeilichen Untersuchungen von der preußischen Regierung ausgegangen war. Das geschah am 25. 6. 1819, als 20
21
76
Veit Valentin: Geschichte der deutschen Revolution von 1848-1849. Bd. 1-2. Berlin 1930/ 31. Ndr. Köln, Berlin 1970, Bd. 1, S. 306, vgl. zur Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde S. 311. Vgl. hierzu L[eopold] Friedrich] Ilse: Geschichte der politischen Untersuchungen, welche [ . . . ] in den Jahren 1819 bis 1827 und 1833 bis 1842 geführt sind. Frankfurt a.M. 1860. Ndr. Hildesheim 1974; eine nicht unproblematische Darstellung, da Ilse die Akten als erster, jedoch nur unter Vorbehalt benutzen konnte und die Herkunft seiner Quellen oft nicht in wünschenswerter Weise deutlich macht, jedoch als Materialfundus nützlich; vgl. zusätzlich die gründliche Auseinandersetzung von A. Petzold: Die Zentral-Untersuchungs-Kommission in Mainz. In: Quellen u. Darstellungen zur Gesch. d. Burschenschaft Bd. 5 (1920) S. 171-258; ferner: Eberhard Weber: Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission. Karlsruhe 1970 = Studien u. Quellen zur Gesch. d. deutschen Verfassungsrechts Reihe Α Bd. 8. - Bisher unzureichend aufgeklärt ist die Zusammenarbeit mit den Einzelstaaten in konkreten Fällen.
der preußische Außenminister Bernstorff gemeinsam mit dem Polizeiminister Wittgenstein auf Drängen König Friedrich Wilhelms III. die Demagogenuntersuchungen über Preußens Grenzen hinaus auf Baden auszudehnen bestrebt war. In ihrem Vorstoß legten sie zugleich Rechenschaft ab über die inzwischen erfolgten Ermittlungsmaßnahmen an verschiedenen deutschen Universitäten; 22 in Preußen habe man »den demagogischen Umtrieben und Verbindungen [...] seit deren Ursprung« fortwährend Aufmerksamkeit geschenkt, sei aber damit erst jetzt an die (regierungsamtliche) Öffentlichkeit getreten, weil man über ausreichende »Beweismittel« verfügen wollte. Nunmehr hielt Friedrich Wilhelm III. die Mitwirkung der übrigen Bundesstaaten für erforderlich. Er wies deshalb Bernstorff und Wittgenstein an, denjenigen Regierungen Mitteilungen über das in Preußen vorliegende Material zu machen, wo gleiche »Spuren« vorhanden waren. Dazu übersandten die beiden Minister konfiszierte Briefe in Abschriften und dazu die entdeckten einschlägigen Grundsatzpapiere der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft: 23 1. das Protokoll der Allgemeinen Abgeordnetenversammlung zu Jena vom 29. 3.-31. 4. 1818; 2. die vorgeschlagenen 19 Punkte; 3. den dort erlassenen Aufruf an die übrigen Burschenschaften; 4. das Protokoll vom 10.-16.10. 1818; 5. die Urkunde der Verfassung der Allgemeinen deutschen Burschenschaft vom 18. 10. 1818.
Mit deutlichem Hinweis auf die zurückliegende Epoche erklärten die preußischen Minister als ihr Ziel, »die deutschen Staaten und Völker aber vor den Gräueln einer, wenn auch nur der künftigen Generation drohenden, Revolution« zu sichern; die deutschen Fürsten und Untertanen hätten einen Anspruch darauf, daß diese Revolution nunmehr in allen ihren Verzweigungen gänzlich erstickt sei, und daß noch weniger auf unserm eigenen deutschen Boden der Grund zu einer deutschen Revolution von Demagogen, Volksthümlern und andern revolutionairen oder fanatischen Menschen gelegt werde.
Diese bezeichneten sie als die »inneren Feinde des Vaterlandes«, gegen die die deutschen Bundesfürsten gemeinsam zu wirken hätten. Das sei ihre Pflicht gegen »das ganze deutsche Volk, ja selbst gegen das gesammte Europa«. Bernstorff und Wittgenstein empfahlen im Auftrag des Königs auch für Baden polizeiliche Maßnahmen wie Verhaftungen, Verhöre, Beschlagnahmen von Papieren, die wegen heiligender Briefe besonders geeignet waren, >Verzweigungen< aufzudecken. Zugleich beauftragten sie den preußischen Gesandten, den österreichischen Geschäftsträger in Karlsruhe zu unterrichten, so daß die preußische Initiative auch in Metternichs Hände gelangen konnte. 22
23
Schreiben des Grafen Bernstorff und Fürsten Wittgenstein 25. 6.1819 an den preußischen Gesandten für Baden und Württemberg, Geh. Staatsrat von Küster, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Krt. 103 (Fasz. 40) Bl. 1-4. Vgl. zu den hier angeführten Dokumenten Georg Heer: Die ältesten Urkunden zur Geschichte der allgemeinen deutschen Burschenschaft. In: Quellen u. Darstellungen zur Gesch. d. Burschenschaft Bd. 13 (1932) S. 61-132; außerdem Wentzcke: Burschenschaft, S. 260-265 u. 280-289.
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Die nachfolgende nähere Vorgeschichte der Karlsbader Beschlüsse ist bekannt, das handstreichartige Vorgehen der beiden Großmächte gegen die überrumpelten, eher widerstrebenden Bundesfürsten, die Konzipierung der Beschlüsse im einzelnen bis hin zum Bundesbeschluß vom 20.9. 1819; als spezieller Aspekt kommt die geheime Überwachung der in Karlsbad versammelten Diplomaten hinzu, bei der sich die noch später zu behandelnden Polizeibeamten der Polizeihofstelle Sicard und Rother besonders hervortaten. 24 An der frühen preußischen Initiative bleibt hervorzuheben, daß sie das Belastungsmaterial beibrachte und als dessen Urheber einen inneren Feind< voraussetzte, der sich innerhalb des Volkes betätigte, doch als diesem nicht zugehörig begriffen und polizeilicher Verfolgung unterworfen werden sollte. Wie schon im Zusammenhang mit dem österreichischen Kaiser Joseph II., dann wieder mit der preußischen Instruktion für eine geheime Polizei von 1812 ermittelt, erscheint der >innere Feind< auch hier als die Grundkategorie der entstehenden >modernen< politischen Polizei. Die im Bundesuntersuchungsgesetz formulierte Aufgabe der Mainzer Zentraluntersuchungskommission kam dem Bestreben nach, den >inneren Feind< dingfest zu machen. Der Artikel 2 erhob die gegen die bestehende Verfassung und innere Ruhe des Bundes und der Länder gerichteten »revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen« zum Untersuchungsgegenstand, allerdings ohne näher zu bestimmen, was denn unter >revolutionär< oder >demagogisch< zu verstehen sei. Da die Untersuchung möglichst umfassend und gründlich vor sich gehen sollte, waren der Kommission in ihrem Ermessensspielraum, Verdächtigungen auszusprechen, keinerlei rechtliche Schranken gesetzt. Ihre Aufgabe war nicht die einer Gerichtsbehörde - über das gerichtliche Verfahren zu entscheiden, hatte sich die Bundesversammlung ausdrücklich selbst nach Abschluß der Untersuchungen vorbehalten (Artikel 10) - , sondern spezifisch politisch-polizeilicher Art, denn sie sollte den Tatbestand, Ursprung und die Verzweigungen der Umtriebe und Verbindungen feststellen und untersuchen, das hieß datenermittelnd, observierend, inquirierend und resümierend tätig werden. Sie hatte das Recht, selbständig zu vernehmen (Artikel 7), erhielt die Oberleitung der in den verschiedenen Bundesstaaten bereits angelaufenen oder noch zu eröffnenden Lokaluntersuchungen, indem sie belastendes Material zentral sam24
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Vgl. insges. hierzu die vorzügliche Untersuchung von Eberhard Büssem: Die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß 1814/15. Hildesheim 1974, speziell zur Überwachung in Karlsbad S. 260f.; Büssem neigt zu der Deutung, im Hinblick auf die Karlsbader Beschlüsse in Metternich den alles dirigierenden Politiker zu sehen; in Hinsicht auf die staatspolitischen diplomatischen Aktivitäten, die Büssem detailliert untersucht, trat in der Tat Metternichs Initiative deutlich hervor; aber auch hier - das arbeitet Büssem für 1817— 1819 gut heraus - war ein tragendes Fundament der gesamten Politik der Unterdrückung (übrigens bis Ende der 1830er Jahre!) die Achse Metternich - Wittgenstein. Den in polizeilicher Hinsicht fundamentalen Vorstoß Wittgensteins und Bernstorffs vom 25. 6. 1819, der einen maßgeblichen Anteil Preußens dokumentiert, wertet Büssem indessen nicht aus; vgl. ebd., S. 235.
melte, koordinierte und den jeweils betroffenen Landesbehörden, in der Regel den Obergerichten, seltener Spezialuntersuchungskommissionen zustellte (Artikel 5). Die Einzelstaaten zogen aus der Einrichtung der Zentraluntersuchungskommission die entsprechenden Konsequenzen, indem sie die zuständigen Landesbehörden instruierten, so etwa in Bayern durch einen Erlaß an sämtliche bayerischen Appellationsgerichte, den Requisitionen der Kommission »nach den im Königreich bestehenden Gesetzen« unverzüglich nachzukommen. 25 In Preußen war die bereits im Sommer 1819 eingerichtete staatspolizeiliche Ministerialkommission der Adressat. Wie die Rückwirkung auf das Landesinnere aussah, soll anläßlich der Behandlung Hannovers einmal beispielhaft veranschaulicht werden. 26 In Nassau, das durch den Mordanschlag auf den Regierungspräsidenten Ibell besonders betroffen war, ordnete die Landesregierung am 6. 10. 1819 in einer Rundverfügung an, die Amtmänner sollten, »wo sie Spuren von revolutionären Umtrieben in ihrem Amtsbezirke entdecken«, hiervon Anzeige bei der Regierung machen und auch unmittelbar den Anfragen der Zentraluntersuchungskommission nachkommen. 27 Der Wortlaut des Bundesbeschlusses vom 20. 9. 1819 sollte den Kommissionsmitgliedern »anstatt besonderer Instruction« zur Richtlinie dienen (Artikel 9). Das entsprach jedoch im Hinblick auf die Aufgaben des österreichischen Kommissars Anton von Schwarz bei der Untersuchungskommission nicht den tieferen Absichten, die Metternich mit dieser Einrichtung verband. Wie sehr der Staatskanzler in seiner Außenpolitik einschließlich ihrer restaurativ-stabilisierenden Elemente europäisch dachte, hat sein Biograph Srbik grundlegend ausgeführt; daß diese Orientierung sich auch auf die Einrichtung einer zentralen Untersuchungskommission auswirkte, ist nun deutlicher geworden, nachdem Metternichs Pläne einer Zentraluntersuchungskommission für Italien auf dem Kongreß von Verona bekanntgeworden sind.28 Wie sehr sein stabilitätswahrender Grundgedanke der Prävention 29 auch anläßlich der Zentraluntersuchungskommission in Mainz europäisch eingebettet war, enthüllt seine »Geheime Instruktion« vom 7.11. 1819 an den Präsidenten der Behörde Hofrat Schwarz.30 In weit ausholender Form setzte die Zeitdiagnose des Staatskanzlers ein mit den Erschütterungen des öffentlichen Geistes< durch die 25 26
27 28
29
30
Erlaß vom 20. 9. 1819, BayHStA München MA 7600. Vgl. unten, S. 197-199. - Weitere Verfolgungsinstitutionen in den Bundesstaaten, die mit der Mainzer Kommission zusammenarbeiteten, verzeichnet Petzold: Zentral-Untersuchungs-Kommission, S. 212. HStA Wiesbaden Abt. 211/13679. Vgl. Silvio Furlani: Metternichs Plan einer italienischen Zentraluntersuchungskommission auf dem Kongreß von Verona. In: Mitteilungen d. Österr. Staatsarchivs Bd. 31 (1978) S. 181-195. - In diesem Zusammenhang dürften auch die - trotz Brand von 1927 recht gut erhaltenen Akten über »Nachrichten der in Italien etablierten Kundschaftsanstalt« für 1816 Interesse verdienen in: AVW Wien, Polizeihofstelle Zahl 1521/1816. Vgl. hierzu Heinrich Ritter von Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. Bd. 1-3. München 1925/54, Bd. 1, S. 394-396. HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Krt. 103 (Fasz. 40) Bl. 112-120.
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Französische Revolution und die folgende napoleonische Herrschaft. Er sah die >mittleren Classen< von den revolutionären Bestrebungen erfaßt, konzentriert in Vereinsbildungen mit ihren >Umtrieben innerhalb und außerhalb Deutschlandsmodernen< öffentlichen Geistes charakterisiert durch öffentlichen Meinungsaustausch, galten Metternich deren oppositionelle Äußerungen als einzelne >Verzweigungen< einer zusammenhängenden >VerschwörungSystematische< daran, der planmäßige Wille zur Organisation, der in der Tat den Statuten des Tugendbundes innewohnte, war das von Metternich zu Recht als neuartig begriffene Phänomen). 31 Justus Gruner habe darin die größte Rolle gespielt, habe dann später 1812 in Prag bei der Organisierung eines Kundschaftersystems, um französische Spione aus dem Herzogtum Warschau abzufangen, Verbindung bis in den Odenwald, Spessart und Thüringer Wald geknüpft. Das hatte die österreichische Polizei - wie nun auch Metternich mitteilte - anläßlich der Verhaftung Gruners aus seinen reichhaltigen mitgeführten Materialien entnehmen können. 32 Metternich begriff als unmittelbare Auswirkungen des Tugendbundes den Schillschen Aufstand 1809, die eigenmächtige Handlungsweise des preußischen Feldmarschalls Yorck, alle Verhältnisse, die dem - mit Schill kooperierenden aufständischen Korps des Herzogs von Braunschweig zur Grundlage dienten, 33 sowie das Lützowsche Freikorps im Kriege von 1813; als spätere Ausformungen erschienen ihm die sich daran anknüpfenden >deutschen VereineSchwarzenLa Minerve 31
32
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Vgl. die Statuten des Tugendbundes (»Verfassung der Gesellschaft zur Uebung öffentlicher Tugenden, oder des sittlich-wissenschaftlichen Vereins. 1808«), abgedr. bei August Lehmann: Der Tugendbund. Aus den hinterlassenen Papieren des Ministers Prof. Dr. Hans Friedrich Gottlieb Lehmann. Berlin 1867, S. 147-192. 33 Vgl. oben, S. 71. Vgl. oben, S. 59, Anm. 60.
fran$aiseLa RenommeeLe Constitutione^). Die Bedeutung Straßburgs, die Vereinigungen deutscher >Demagogen< im Elsaß, in der Schweiz und den Niederlanden erschienen dem über die politischen Bewegungen ungewöhnlich gut informierten Staatskanzler besonders beachtenswert. Wie in dieser Instruktion erschienen auch in den Anweisungen Metternichs für die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde 1833 und das Mainzer Informationsbüro als Orientierungsgrößen die später auch so genannten >Rädelsführer< und deren Verbindungen: das politische und kryptopolitische Vereinswesen und die oppositionelle Presse; das waren für ihn die Essentials politisch-polizeilicher Überwachungstätigkeit. Nicht ergreifen, inhaftieren, verurteilen, sondern ermitteln, ausforschen, überwachen alles dessen, was Züge politischer Organisiertheit in der Gesellschaft aufwies, waren Hauptaufgaben dieser erstmals bundesweit operierenden, büromäßig-behördlich organisierten Institution. Entscheidend für die Arbeit war dabei, über Informationsquellen zu verfügen, und das weit über den Rahmen der sonst üblichen gerichtlichen Ermittlungen hinaus. Bereits in ihrer vierten Sitzung trug die Zentraluntersuchungskommission diesem Sachverhalt Rechnung. Sie beschloß, aus zwei Rücksichten heraus Zeitungen und Zeitschriften zu abonnieren: erstens zur Information darüber, »was in der politischen Welt vorgeht«, zweitens, um solche Organe zu besitzen, »in welchen sich Spuren revolutionairer Umtriebe und demagogischer Verbindungen aller Wahrscheinlichkeit zeigen dürften«. Man abonnierte insgesamt 19 Zeitungen und Zeitschriften. 34 Obwohl sich die Kommission auf solche Weise geschäftsmäßig einrichtete, auch ihren Verhandlungs- und Arbeitsmodus klärte, gelangte sie in ihren ersten Monaten aus der Sicht der österreichischen und preußischen Regierung zu keinen effektiven Ergebnissen. Im Gegenteil verstrickten sich ihre Mitglieder, voran der österreichische Vertreter Schwarz und der preußische Grano, in zeitraubende Kompetenzstreitigkeiten, die vor allem an der Frage hingen, in welchem Verhältnis die Kommission als eine zentrale Behörde des Bundes zu den Behörden der Einzelstaaten stehe. 35 34
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Protokoll der 4. Sitzung 23.11. 1819, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 9 Nr. 1 Vol. 1, Bl. 81. - Das waren im einzelnen: 1. Allgemeine Zeitung Augsburg, 2. Hamburger Correspondent, 3. Speyerer Zeitung, 4. Rheinische Blätter, 5. Bremer Zeitung, 6. (Weimarer) Oppositionsblatt, 7. Aarauer Zeitung, 8. Der Schmetterling, 9. Mainzer Zeitung, 10. Le Constitutionnel, 11. La Renomee, 12. Le vrai Liberal, 13. La Minerve, 14. Le Journal de Francfort, 15. Jenaer-, 16. Hallische Literatur-Zeitung, 17. Göttinger Anzeiger, 18. Die Überlieferungen von Zschokke, 19. Isis. Der Streit entzündete sich konkret an der Absicht der preußischen Regierung, den verdächtigten Studenten Sichel zur Vernehmung nach Mainz überstellen zu wollen; die Kommission hingegen weigerte sich, den Studenten anzunehmen, da ihr die Kompetenz zur Ladung von Verdächtigten zustehe, sie überdies noch nicht über genügend Aktenmaterial verfüge, die Vernehmung Sicheis vorzunehmen; auch fehle es an Räumlichkeiten und Personal, den Betroffenen in Haft zu halten; vgl. zusammengefaßt bei Petzold: Zentral-Untersuchungs-Kommission, S. 178f.
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Die Auseinandersetzungen stießen schließlich vor bis auf die höchste Ebene, indem sich Hardenberg und Metternich darüber zu verständigen hatten. Am Rande der in Wien 1820 stattfindenden Ministerialkonferenzen trafen schließlich am 24. 2. 1820 die Vertreter der sieben in der Kommission repräsentierten Staaten zu einer außerordentlichen Konferenz zusammen, um die Lage der Zentraluntersuchungskommission zu klären. Die Teilnehmer Metternich, Graf Bernstorff (Preußen), Freiherr von Zentner (Bayern), Graf Münster (Hannover), Freiherr von Berstett (Baden), Freiherr du Thil (Hessen-Darmstadt) und Freiherr von Marschaü (Nassau) einigten sich schließlich einmütig auf einen »Vortrag«, den Zentner ausgearbeitet hatte und der die eigentliche Aufgabe und Kompetenz der Kommission konkreter als der Bundesbeschluß beschrieb.36 Der »Vortrag« sparte nicht mit schonungsloser Kritik an der Kommission, denn in der Zeit bis Februar 1820 hatten sich die Vorwürfe über sie in der Öffentlichkeit derart verdichtet, 37 daß in der Presse Vorwürfe zu hören waren, es habe wahre Umtriebe, wirkliche gefährliche Verbindungen zum Umsturz der bestehenden Verfassungen und Staatseinrichtungen niemals gegeben. Die Kommission hätte nur einige Aufsätze jugendlich exaltierter Köpfe zutage gefördert, die man nun zu andern, politischen Zwecken, zur Vertilgung liberaler Institutionen und zur Unterdrückung der politischen und bürgerlichen Freiheit des deutschen Volkes mißbrauche.
Nach dieser Einschätzung Zentners sollte die Kommission nun die Beweise liefern »zur Rettung der Ehre der Regierungen und zur Erhaltung ihres Vertrauens beim Volke«; es war nötig, daß dem Publicum bald überzeugende Beweise von dem wirklichen Daseyn höchst gefährlicher revolutionärer Umtriebe in mehreren deutschen Staaten gegeben werden; die beschleunigte Erhebung der einzelnen Daten, wie deren baldige Zusammenstellung zur Übersicht des Ganzen und zur Bewirkung jener gewünschten Überzeugung
bezeichnete Zentner als die erste dringende Pflicht der Kommission. Damit rückte er sie exakt in die Rolle, die eines ihrer kritischen Mitglieder treffend so beschrieb, daß man nicht für das Verbrechen den Täter, sondern umgekehrt für den Täter das Verbrechen suche. 38 So problematisch diese Rolle unter dem Gesichtspunkt eines gerichtlichen Verfahrens war, so deutlich kam andererseits ihr spezifisch staatspolizeilicher Charakter darin zur Geltung, der sich herausschälte, als Zentner deutlich machte, was die Kommission nicht sei und dürfe:
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»Vortrag über die zweckmässigere Behandlung und Beschleunigung des der CentralUntersuchungs-Commißion in Mainz aufgetragenen Geschäftes«, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 9 No. 1 Vol. 2, Bd. 8—11; zs. mit Konferenzprotokoll auch in BayHStA München MA 7614. Vgl. oben, S. 16 Anm. 63. So der Nachfolger von Schwarz, das ehemalige Mitglied der österr. Polizeihofstelle, Appellationsrat Matthias Edler von Rath, vgl. Petzold: Zentral-Untersuchungs-Kommission, S. 187.
- Sie sei keine gänzlich unabhängige oberste Gerichtsbehörde, - kein Revisionstribunal für die in den einzelnen Bundesstaaten eingeleiteten Untersuchungen über revolutionäre Umtriebe, - nicht befugt, in Lokaluntersuchungen unmittelbar einzugreifen und Akten nach Belieben vor oder nach der Aburteilung einzufordern, - es sei irrig anzunehmen, es müßten alle in den Ländern laufenden Untersuchungen ausgesetzt bleiben, es könnten vor dem definitiven Schlußbericht der Kommission keine Aburteilungen stattfinden oder bevor nicht der Bundestag die Frage entschieden habe, ob ein zentrales Spruchkollegium zur Aburteilung einzusetzen sei; - die Kommission habe keine Kompetenz, Beschlüsse in Form von dekretierenden >Reskripten< an die Landesbehörden zu leiten. Dann beschrieb Zentner ihre eigentliche Aufgabe in einer Form, die in hohem Maße mit dem politisch-polizeilichen Auftrag übereinstimmt, den sich knapp 40 Jahre später der noch zu behandelnde >Polizeiverein< nach dem Attentat auf Napoleon III. im Jahre 1858 stellte.39 Zentner definierte als ihren Zweck: die wirkliche Existenz der in mehreren deutschen Staaten wahrgenommenen revolutionairen Umtriebe durch die erhobenen Beweise darzuthun, ihrem Ursprünge in den verschiedenen Zeitperioden, ihren Verbindungen und Verzweigungen unter mancherley Form und Namen, dann den dabei angewendeten Mitteln möglichst nachzuforschen, und durch Zusammenstellung und Vereinigung der Resultate der einzelnen Untersuchungen [ . . . ] den wahren Stand der Sache darzustellen.
Damit war angegeben, daß die Kommission in ihrer Methode historisch vorzugehen hatte, mit wechselnden - weil tarnenden, im Verborgenen ausgebreiteten Formen, Namen und Mitteln rechnen mußte; dadurch standen zweifellos die Ansätze des modernen politischen Vereinslebens mit den Bestrebungen zu gesamtdeutscher Koordinierung im Mittelpunkt der Untersuchung. Es war ebenso zweifelsfrei geklärt, daß sich die Kommission »auf die Grenzen einer blos polizeilichen Untersuchung beschränkte«, 40 daß sie »lediglich mit einer durch den Bundeszweck (durch innere Sicherheit) gebotenen oberpolizeilichen Leitung der einzelnen Untersuchungen sich zu beschäftigen habe«, wie es der bayerische Kommissar von Anbeginn vorausgesetzt hatte. 41 Wie vollkommen die Kommission ihrem oben angegebenen Zweck nachzukommen bestrebt war, zeigen ihr am 14.12. 1827 vorgelegter voluminöser handschriftlicher »Finalbericht«, auch »Totalübersicht« genannt, 42 sowie der daraus gefertigte komprimierte, in streng kontrollierter numerierter Zahl gedruckte »Hauptbericht«. 43 Zwar konnten beide Werke nicht die Existenz einer alles übergreifenden, zentral gesteuerten Verschwörung nachweisen, wohl aber boten 39 40
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Vgl. Siemann: >PolizeivereinModernisierung< abstrahieren läßt, war für die Kommissionsmitglieder, in ihrem »Hauptbericht« ausgebreitet, unter europäischem Horizont als zeitgeschichtliches Substrat erfahrbar, wenn auch gefärbt durch ihre regierungsbezogenen Wertungen, die umrissen, daß in Deutschland anfangs der »Schwindel einzelne Köpfe ergriffen« habe, jedoch »von da an die Massen in ihren Interessen und Gefühlen durch jene Weltbegebenheit [der Französischen Revolution und Aufklärung] sich zu politischer Partheiung hingeneigt haben«. Von diesem Ansatz her waren die Berichterstatter genötigt, historisch untersuchend und mit beschlagnahmten Dokumenten (in der Hauptsache Briefen und Satzungen) reichhaltig untermauernd den Vorgang der Politisierung und autonomen Organisierung in der Gesellschaft darzustellen. Bezeichnenderweise setzte deshalb ihr Bericht mit dem Jahre 1806 ein und gliederte sich in die drei »Perioden«: 1806-1815 als Phase der Formierung, 1815-1819 als Etappe der »formellen Auflösung«, 1820-1825 schließlich als Epoche, in der die politische Bewegung in Deutschland ihren Impuls vom Ausland, besonders durch die revolutionären Aufstände in Spanien, Griechenland und Italien, empfangen hatte. Der letzte österreichische Vertreter in der Mainzer Kommission, Friedrich Moritz Freiherr von Wagemann, erörterte in einem resümierenden Berichte den Umfang der Totalübersicht und begründete dies mit der Eigenart der Aufgabe, die die »Darstellung eines beinahe zwanzigjährigen Treibens« zu bewältigen erforderte; 46 denn die Arbeit hatte sich zunehmend von der polizeilichen Erhebung einzelner Daten und ihres Zusammenhanges zu einer historischen Darstellung der die Regierungen konfrontierenden politischen Vereins- und Aktionsbildung geführt, also zu einer spezifisch politisch-polizeilichen Gattung von Überblicksberichten, die späterhin von Polizeibeamten angefertigt wurden, deren Tätigkeit auf diesem Feld professionellen Charakter annahm und solcher Deutungsmuster bedurfte, so etwa die Schriften der noch zu erwähnenden Polizeibeamten Lorenz Nover, Karl Georg Wermuth und Wilhelm Stieber. 47 Schon die Art des zugrundegelegten Materials legte für Wagemann ein solches Ergebnis nahe, »da hierzu nicht das Convolut eines gewöhnlichen Criminalprozesses, sondern ganz weitläuftige Registraturen von Polizei- und gerichtlichen Akten benutzt werden mußten«. Entsprechend weitmaschig, unscharf und keineswegs 44
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Übersichten zu den Aufsätzen bei Petzold: Zentral-Untersuchungs-Kommission, S. 219-222, Wentzcke: Burschenschaft, S. 372-375; BA Frankfurt DB 7 Nr. 2. »Hauptbericht...«, S. 6. Bericht Wagemanns Nr. 595 vom 6. 1. 1828, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Krt. 271 (Fasz. 188). Vgl. auch oben, S. 18 Anm. 75.
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gerichtsverwertbar waren die angelegten Maßstäbe von Schuld und Verdächtigung: Manche Stelle dieses Werkes dürfte vielleicht der Vorwurf treffen, daß sie ebenso gut eine schuldlose [!] Deutung zulasse. In dem Munde anderer Personen allerdings - allein hier muß das Ganze zusammengehalten werden, und dann werden in diesem Gewebe auch jene Stellen sich als demagogisch herausstellen.
Maßgeblich blieb vor diesem Horizont letztlich nicht der gesetzlich begründete, sondern der politisch hergeleitete Schuldspruch, und dieser lag allein im Ermessen der untersuchenden Behörde. So stellte die »Totalübersicht« in den Augen Wagemanns »ein Repertorium für alle deutsche Polizeibehörden und ein vollständiges diplomatisches [das heißt auf Urkunden gegründetes] Archiv« dar. Sie galt ihm zugleich als ein systematischer und historischer Überblick für den Fall, daß die Untersuchung »wider besseres Hoffen« später einmal fortgesetzt werden sollte. Der gleiche präventivpolizeiliche Gedanke sprach aus dem Auftrage König Friedrich Wilhelms III. an seinen Innenminister, dieser möge den speziellen Inhalt des Berichtes zur Kenntnis nehmen, um eintretendenfalls von den daraus zu ersehenden Nachrichten über die Persönlichkeit der betreffenden Individuen den im öffentlichen Interesse etwa nöthigen Gebrauch zu machen. 48
Der charakteristische Wandel von einer Institution, die zurückliegende >Umtriebe< nachträglich ermitteln sollte, zu einer Behörde, die präventivpolizeilich und in neuauftretenden Fällen tätig wurde, vollzog sich zu einem Zeitpunkt, als die Bundesversammlung beabsichtigte, die Kommission überhaupt aufzulösen. Ende 1823 erhielt sie Kunde von einem »Geheimen Bund auf den Universitäten«, der sich in einen »Jünglingsbund« der noch Studierenden und einen »Männerbund« der anschließend ins bürgerliche Berufsleben Getretenen aufteilte. 483 Durch mehrere Geständnisse von Bundesmitgliedern gelang der Zentraluntersuchungskommission der Nachweis, man plane den »Umsturz der bestehenden Verfassungen« mit genauen Absprachen über eine revolutionäre Strategie. 49 Diese Entwicklung bewog die Bundesversammlung, die Kommission weiterarbeiten zu lassen;50 die Kommissionsmitglieder wurden sich zugleich ihrer neuen Rolle 48
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Schreiben Friedrich Wilhelms III. 19. 9. 1831 an Ancillon und Brenn, ZStA Merseburg Zivilkabinett 2.2.1. Nr. 15019. Diese Fahndung nach dem »Jünglingsbund« im Großherzogtum Oldenburg ist detailliert dargestellt bei Martin Seilmann: Demagogenverfolgung in Oldenburg zur Zeit Peter Friedrich Ludwigs. In: Heinrich Schmidt (Hrsg.): Peter Friedrich Ludwig und das Herzogtum Oldenburg. Oldenburg 1979, S. 111-135. Vgl. zu diesem Bund im einzelnen Georg Heer: Geschichte der Deutschen Burschenschaft. Bd. 2-3. Heidelberg 1927/29, Bd. 2, S. 109-131, das Programm S. llOf. u. 121 = Quellen u. Darstellungen zur Gesch. der Burschenschaft Bd. 10, 11; außerdem Petzold: Zentral-Untersuchungs-Kommission, S. 232-235. Die Argumente sind weitläufig zusammengestellt in dem geheimen Bericht des für die Untersuchungskommission zuständigen Bundestagsausschusses, verlesen in der 23. Sitzung am 12. 8. 1824, BA Frankfurt DB 7 Nr. 1, Bl. 553-564.
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bewußt: Hatten sie anfangs mit Untersuchungen zu tun, »für die es nur vage Anhaltspunkte einzelner Regierungen gab«, 51 waren sie zu Beginn ihrer Arbeit mit Sache und Personen unbekannt und hatten sie Probleme mit ihren eigenen Kompetenzen, so waren sie nunmehr in der Lage, die Untersuchung selbständig zu leiten, indem sie über eine »Masse von Materialien« verfügten, die dank früherer Ermittlungen nun Kombinationen zuließen. Die neue Situation des aufgedeckten Bundes in Verbindung mit der mehrjährigen Erfahrung führte die Mitglieder zu dem Beschluß, daß sich die Commission bis auf weiteres in sofern in Permanenz erkläre, als die hier anwesenden Mitglieder täglich wenigstens einmal zusammenkommen;
man beschleunigte den Geschäftsgang, denn als Hauptaufgabe erschien angesichts der fortbestehenden revolutionären Bestrebungen, den Untersuchungsbehörden aus den vorliegenden Akten »Notizen über einzelne Facta und Personen zu geben«. Dabei bemerkte man Schwächen in der Aufbereitung der Personaldaten, die nur als rohes Material vorlagen in Gestalt ungefüger »Personalregister«, wo sechs bis zehn verschiedene Personen unter gleichem Namen eingetragen waren und überdies noch an zehn bis zwanzig verschiedenen Stellen nachzuschlagen war, um alles Einschlägige über ein betreffendes Individuum zu finden. Dadurch ging kostbare Zeit verloren, so daß die Kommission die Herstellung eines »eigentlichen Personal-Registers«, also einer Verfolgtenkartei, beschloß. Die Arbeit daran wurde tatsächlich begonnen und kontinuierlich fortgesetzt bis zu einem Register, das aus den 82 Einzelvorträgen insgesamt mehr als 10000 Personennamen Verdächtigter ausgezogen hatte. 52 Damit bewegte sich die Zentraluntersuchungskommission schließlich institutionell in ähnlichen Bahnen eines politisch-polizeilichen Informationsbüros der Art, wie es Metternich 1833 in Mainz einrichtete. In der Mainzer Kommission allerdings bildete sich erstmals auf Bundesebene für politisch-polizeiliche Tätigkeit und Zentralisation ein anfangs nur diffus, im konkreten Vollzug jedoch zunehmend ausgrenzbarer eigener Geschäftskreis mit Tendenz zur »Permanenz«, das heißt zu einer Behörde von Dauer. 1833 konnte man bereits mit einer gewissen Professionalität auf die früher hier erworbene Geschäfts- und Verfahrenskenntnis zurückgreifen, nicht zuletzt deshalb, weil das letzte Mitglied Österreichs in der Mainzer Kommission, Freiherr von Wagemann, zugleich Präsident der nach dem Frankfurter Wachensturm eingesetzten Zentraluntersuchungsbehörde wurde.
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Das Folgende nach dem Bericht des bayer. Kommissars Hoermann, Protokoll der 180. Sitzung der Kommission, 28. 1. 1824, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 9 No. 1 Vol. 4, Bl. 136-153. Diese partei- und sozialgeschichtlich hochbedeutsame Kartei scheint nur noch in einem Exemplar erhalten zu sein; es hat schließlich aufgespürt werden können in: GLA Karlsruhe Abt. 233/1702-23 »Alphabetisches Verzeichnis der der Teilnahme an demagogischen Umtrieben Verdächtigten, Personalangaben, Vergehen, Auszüge aus den Briefen und Akten (22 Hefte A-Z)«.
III. Die Anbahnung des ersten südwestdeutschen Polizeivereins Juni/Juli 1832 Vom 27. bis 30. Mai 1832 fand auf dem Hambacher Schloß bei Neustadt an der Haardt eine bisher in der deutschen Geschichte nicht vorgekommene politische Massenveranstaltung mit rund 30000 Teilnehmern statt. In dieser Versammlung kulminierten die seit der französischen Julirevolution 1830 in Deutschland angestoßenen politischen Bestrebungen, die sich parteiähnlich in Gestalt der Preß- und Vaterlandsvereine zu organisieren und artikulieren begannen. 53 Der hessen-darmstädtische Staatsminister Freiherr du Thil beschrieb den vorherrschenden Eindruck bei allen deutschen Regierungen: »Man kann alles Gesagte in dem Satz zusammenfassen, daß wir dem Ausbruche einer Revolution nahe stehen«. 54 Der badische Innenminister Ludwig Georg von Winter stellte lapidar fest: »Das Hambacher Fest bildet eine Katastrophe«. 55 Thil deutete die politische Erregung zugleich im Zusammenhang mit der sozialökonomischen Lage: Was mir, neben der Organisation, die mich zu täglichen Sitzungen nöthiget, jezt viel Sorge und Geschäft macht, ist der Brodmangel und die Theurung der Lebensmittel Immer eine schwierige Erscheinung für eine Regierung, aber jezt!!!K Die Großmächte betrachteten das Fest indessen zugleich als günstigen Anlaß, gezielt gegen die gesamte politische Bewegung in Presse, Vereinen, Volksversammlungen und Ständekammern vorzugehen. Metternichs kühl kalkulierendes Urteil lautete, daß ich mir aus dem Ergebnisse nichts mache, oder vielmehr, daß mir dasselbe manche gute Seite darbietet. Mir sind die Dinge, welche offen vorliegen, stets lieber als die verkappten. [...] Wir werden in Deutschland zum Zuschlagen kommen.57 Der Staatskanzler stimmte in dieser politischen Berechnung bruchlos mit seinem Berliner Korrespondenzpartner überein, genauer: Wittgenstein überbot ihn noch, indem er unter dem Gesichtspunkt polizeilicher Verfolgung zu den Hambacher Ereignissen bemerkte: 53
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Die neueste, umfassendste und gründlichste Gesamtdarstellung zum Hambacher Fest bietet Cornelia Foerster: Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes. Trier 1982 = Trierer Histor. Forschungen Bd. 3. - Die speziellen Auswirkungen des Festes auf die inneren politisch-polizeilichen Verhältnisse Bayerns werden weiter unten gesondert behandelt (das Schloß lag in der zu Bayern gehörenden Pfalz). - Vgl. auch Wolfgang Schieder (Hrsg.): Liberalismus in der Gesellschaft des deutschen Vormärz. Göttingen 1983 = Geschichte u. Gesellschaft Sd.heft 9. Thil 2. 6. 1832 an den bad. Innenminister Winter, StA Darmstadt Abt. G 2 A Konv. 51 Fasz. 3, Bl. 27. Winter 31. 5. 1832 an Thil, ebd., Bl. 25f. Thil3.6.1832 an den hess.-darmst. Bundestagsgesandten Frhr.von Gruben, ebd., Bl. 29. Metternich 10. 6. 1832 an Wittgenstein, abgedr. bei Veit Valentin: Das Hambacher Nationalfest. Berlin 1932, S. 144f.; vgl. auch die bei Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 147f. angeführten weiteren Bemerkungen Metternichs, darunter: »Das Hambacher Fest kann, wenn es gut benutzt wird, das Fest der Guten werden«. 87
[ . . . ] mir sind die Sachen noch nicht toll genug, und ich hätte gewünscht, daß von p. Wirth und Consorten die Absetzung des Königs von Bayern förmlich decretirt, ein Protocoll darüber aufgenommen und von allen Anwesenden unterzeichnet worden wäre.58
Zugleich ließ der Oberkammerherr durchblicken, wie genau er über die Vorgänge im einzelnen unterrichtet war. Das ist erklärlich, denn der preußische Bundestagsgesandte und Generalpostmeister Nagler hatte vorsorglich einen Konfidenten mit der Beobachtung des Festes beauftragt und von diesem Ende Mai einen umfangreichen Bericht erhalten. 59 Auch der Bundestag hatte mit einer für ihn ungewöhnlichen Schnelligkeit reagiert, als er schon am 30.5. 1832 in mehreren Beschlüssen die Gesandten beauftragte, bei ihren Regierungen ein Verbot der Volksversammlungen, Nationalkokarden und anderer aufrührerischer äußerer Zeichen zu erwirken, die »als Attentat gegen die Sicherheit und die Verfassung des Bundes« gewertet wurden. 60 Dem äußeren Eindruck nach lag die Initiative zur Gegenaktion der Regierungen beim österreichischen Staatskanzler, der koordiniert mit Preußen, im Sinne des sogenannten >Metternichschen Systems< die Unterdrückungspolitik zu dirigieren schien, um die Bundesgesetzgebung zur >inneren Sicherheit< noch zu verschärfen. 61 Das traf zu für die langfristig seit Januar 1832 vorbereiteten Beschlüsse gegen die Ständeversammlungen (die »Sechs Artikel«), 62 nicht jedoch für die Maßnahmen gegen politische Vereine, Presse und Volksversammlungen. Auf diesem Feld lag die - soweit ersichtlich bisher unbekannte - Initiative bei den südwestdeutschen Staaten, die im Kraftfeld der politischen Erregung lagen, denn hier bemerkte man, »daß die Bewegung gerade gegen Regierungen gerichtet ist, die innerhalb der Grenzen freisinniger Verfassungen regierend, die größte bürgerliche Freiheit gestatten.« 63 Der erste Anstoß ging vom badischen Großherzog Leopold aus, der noch Ende Mai - unmittelbar nach Abschluß des Hambacher Fests - darauf drang, es sollten sich die »dem Herd der Aufregung zunächst angrenzenden Staaten über gemeinschaftliche Maasregeln und über deren gleichförmige Ausführung verständigen«.64 58 59 60
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Wittgenstein 20. 6. 1832 an Metternich, Valentin, S. 145f. Auszugsweise abgedr. ebd., S. 110-122. Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 19. Sitzung. 30. 5. 1832. III. SeparatProtokoll u. I. Registratur, S. 779-780d, speziell S. 780c; ebenso verlangte man hier Aufsicht über »Schriftsteller und Libellisten«. Auch Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 162f. legt die Deutung von der ausschließlichen Initiative Metternichs nahe. Vgl. oben, S. 73; das zugehörige Memorandum Metternichs, das in der Hauptsache in die Motivation des Präsidialantrags zu den »Sechs Artikeln« gegen die Ständeversammlungen einging, reagierte keineswegs auf die Hambacher Ereignisse, sondern stammte bereits vom 2. 1. 1832, wie eine erhaltene datierte Fassung dokumentiert in HStA Wiesbaden Abt. 130II/2122d. Thil 2. 6. 1832 an Winter, StA Darmstadt Abt. G 2 A Konv. 51 Fasz. 3, Bl. 27. Winter im Auftrag des Großherzogs 31. 5. 1832, dessen Ansichten referierend, an Thil, ebd., Bl. 25f. - Die Kopie dieses nach München, Stuttgart und Darmstadt gerichteten Schreibens befindet sich im Großherzogl. Haus- und Staatsarchiv GLA Karlsruhe Abt. 48/5188 Fasz. 16.
Die Beratungen am Bundestag schienen ihm zu langsam. Die »Zeitverhältnisse« erforderten jedoch eine Beschleunigung in den Maßregeln; die Verständigung sollte »zur Vermeidung alles Aufsehens« vertraulich erfolgen. D e r badische Innenminister beteuerte namens des Großherzogs, daß dadurch nicht, »was man gewöhnlich ein Reactions-System zu nennen pflegt, eintreten möge«. Winter schlug im Auftrag des Großherzogs das Verbot aller politischen Vereine und Versammlungen, gegenseitige Auslieferung politischer Verbrecher und Bestrafung der Untertanen für ihre im Ausland begangenen politischen Verbrechen vor. Winter richtete sich an die Innenminister Bayerns, Württembergs und Hessen-Darmstadts. Schon dieses Verfahren war im Gegensatz zum traditionellen diplomatischen Weg über Außenministerium und Gesandtschaft ungewöhnlich und deutete auf eine Koordinierung der Polizeien. Was nun folgte, mündete tendenziell in die erste zwischenstaatliche, förmliche politisch-polizeiliche Kooperation zwischen deutschen Bundesstaaten außerhalb des Bundestags und unter Umgehung des diplomatischen Wegs. Die Vorschläge für das Procedere machte der hessische Staatsminister Thil: - es sei »die Form eines Staatsvertrags, wenigstens eines gemeinschaftlichen Protocolls« anzustreben; 65 - er riet, um Aufsehen und gehässige Auslegungen zu vermeiden, von einer Ministerkontercnz ab, weil, »während die liberalen Blätter beständig über geheime Polizei und Spionirsystem klagen, Wir Andere es gerade sind, die sich mit Spionen jener Parthei umgeben finden«; - es sollten allerdings förmliche Konferenzen zu gemeinsamer Vereinbarung stattfinden; - die Bundestagsgesandten der beteiligten Regierungen sollten, da die Umstände auf Bundesbeschlüsse zu warten nicht gestatteten, stattdessen »als Commissärien ihrer Regierungen« auftreten. In der Folgezeit trafen sich für Baden Freiherr von Blittersdorff (sein Protokollführer war der Legationssekretär Freiherr Rüdt von Collenberg), für HessenDarmstadt Freiherr von Gruben und für Württemberg Freiherr von Trott in mehreren Konferenzen, wobei Blittersdorff federführend einen Entwurf vorlegte und dieser unter tatkräftiger Unterstützung Grubens erweitert und differenziert wurde. 66 Die Mitglieder wurden als »Vereinsstaaten«, die Kooperation als »Verein« begriffen. 67 Als Resultat der Verhandlungen beschloß man am 15. 6. 1832 eine »Punkta65 66
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Thil 2. 6. 1832 an Winter (wie Anm. 63), danach auch das Folgende. Blittersdorffs 7 Punkte in StA Darmstadt Abt. G 2 A Konv. 51 Fasz. 3, Bl. 32, Grubens darauf aufbauende 13 Punkte ebd., Bl. 21-23; die einzelnen Verhandlungsstufen referiert Gruben in seinem Bericht vom 15. 6. 1832, ebd., Bl. 38, 44. Ebd., Bl. 22. - Vgl. allg. zur Politik Blittersdorffs Wolfgang v. Hippel: Friedrich Landolin Karl von Blittersdorff. 1792-1861. Ein Beitrag zur badischen Landtags- und Bundespolitik im Vormärz. Stuttgart 1967 = Veröffentlichungen der Kommission f. geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe Β Bd. 38.
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tion«,68 die in 18 Paragraphen »zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung« unter den »Vereinsstaaten« dienen sollte. Sie gliederte sich in Punkte, a) die zur amtlichen Bekanntmachung und solche, b) die nur zur internen Instruktion der Behörden bestimmt waren; mit dem zweiten Komplex wurde ein geheimes politisch-polizeiliches Feld konstituiert. Zur Publikation waren vorgesehen: 1. Verbot politischer Vereine, auch solcher, »die unter anderen Namen dazu benützt werden«; 2. Verbot politischer Volksversammlungen und Volksfeste (als unpolitisch galten etwa Jahrmarkt und Kirchweih), öffentlicher Reden und Adressen; 3. Verbot des öffentlichen Tragens von Abzeichen, Bändern, Cocarden, Fahnen, Flaggen etc.; 4. gegenseitige Auslieferung von politischen Verbrechern; 5. Bestrafung von im Ausland begangenen politischen Verbrechen durch die Landesbehörden nach Rückkehr des Beschuldigten; 6. Erinnerung an bestehende Verbote geheimer Verbindungen, auch der an den Universitäten; 13. Verbot einer in einem Staat unterdrückten Zeit- oder Flugschrift auch in jedem andern »zum Vereine gehörigen Staate«; 14. gegenseitiges Recht der Staatsregierungen, flüchtige politische Verbrecher »über die Grenze bis zur nächsten Polizeibehörde zu verfolgen«. Nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren folgende Absprachen: 7. Wechselseitiger politisch-polizeilicher Nachrichtenaustausch (»alle auf geheime Verbindungen und die darin verflochtenen Individuen Bezug habende Notizen«); Kommunikation durch »fortgesetzte Correspondenz«; wechselseitige Unterstützung in den Nachforschungen »nach Anleitung der mitgetheilten Notizen«; 8. die »genaueste polizeiliche Wachsamkeit auf alle Einheimische, die durch öffentliche Reden, Schriften oder Handlungen ihre Theilnahme an aufwieglerischen Planen kund-, oder zu desfallsigem Verdacht gegründeten Anlaß gegeben haben«; 9. Anlegung einer »gemeinschaftliche(n) von Zeit zu Zeit zu ergänzende(n) Liste« politisch verdächtiger Individuen; 10. scharfe Fremdenkontrolle, besonders auf Handwerksburschen und solche, die aus unruhigen Landesteilen kommen; genaue Prüfung der Motive des Aufenthalts; 11. Ausweisung der polnischen Flüchtlinge; 12. scharfe Handhabung der Paßvorschriften und deren Verschärfung; 15. Zusicherung gegenseitiger promptester militärischer Assistenz auf Verlangen im Bedarfsfall; 16. Bestimmungen, welche Punkte nur bekanntzumachen seien; 17. Einladung an andere Staaten der Bundesversammlung, dem »Verein« beizutreten; Erklärung, nicht der Bundesversammlung in ihren Beschlüssen vorgreifen zu wollen; 18. »Die gegenwärtig verabredeten Bestimmungen erlöschen mit den außerordentlichen Verhältnissen«; die Aufhebung erfolgt erst nach gemeinsamer Rücksprache der Regierungen. Die drei beteiligten Regierungen waren Ende Juni bereit, diesen »Verein zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung« auf der Basis jener Punktation zu begründen. Das Bemerkenswerte daran war die wechselseitige Bereitschaft zu einer - über den bloßen Nachrichtenaustausch hinausgehenden - inneren Angleichung auf dem Feld der politischen Polizei; Thil nannte das »Verabredungen über 68
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StA Darmstadt Abt. G 2 A Konv. 51 Fasz. 3, Protokollkonzept Bl. 39-43, Reinschrift Bl. 51-54.
gleichartige Behandlungen des Gegenstandes im Innern«. 69 Dieser Konzentrationsvorgang ging einher mit politisch-polizeilicher Institutionalisierung (vor allem durch kontinuierliche direkte Korrespondenz zwischen Polizeibehörden, gemeinsame Verfolgtenlisten und abgestimmte Einzelmaßnahmen) und mit einem begrenzten Souveränitätsverzicht (durch grenzüberschreitende polizeiliche Verfolgungen). Es wurden bereits auch erste Schritte unternommen, um weitere Staaten für den »Verein« zu gewinnen. 70 Wenn es schließlich doch lediglich bei der Anbahnung blieb, ist darin kein Scheitern zu erkennen, sondern eine Verlagerung der Ursprungsaktivität, die forciert von Baden und Hessen-Darmstadt ausgegangen war, auf die noch wirkungsvollere Bundesebene. Denn am 7. 6. 1832 hatte die Bundesversammlung in geheimer Sitzung eine spezielle sogenannte »Maßregelnkommission« eingesetzt; diese sollte nach Maaßgabe des Artikels 28 der Wiener Schlußacte, über die gegenwärtige Lage Deutschlands, über die in mehreren Deutschen Bundesstaaten statt findenden Ursachen und Mittel versuchter Revolutionirung und über die Maaßregeln zur Erhaltung und Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und gesetzlichen Ordnung im Deutschen Bunde, deßgleichen über Mittel, welche geeignet sind, dem Ausbruche einer Revolution mit Kraft entgegen zu wirken, baldmöglichst, unter Berücksichtigung der in dem obigen Präsidialantrage und in den vorhergehenden Bundestags-Protocollen erwähnten revolutionären Entwicklungen, Gutachten erstatten, [...]. 71 Unter den fünf gewählten ordentlichen Mitgliedern der Kommission befand sich der hessische Bundestagsgesandte Gruben, als die beiden Stellvertreter waren Württembergs Gesandter Trott und Badens Beauftragter Blittersdorff bestimmt worden! 72 Das bedeutete nichts anderes, als daß die von Gruben, Blittersdorff und Trott erarbeitete Punktation, nun noch ergänzt um die inzwischen publizierten einzelstaatlichen Verordnungen zum politischen Vereinswesen, 73 sich zu einem Bundesbeschluß verwandelte. 69 70
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Wie Anm. 54. Es findet sich ebenfalls ein Exemplar dieser Punktation im StA Dresden, Sächsische Bundestagsgesandtschaft Nr. 9. Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 20. Sitzung vom 7. 6. 1832, III. Separatprotokoll, § 1: »Maaßregeln zur Herstellung und Erhaltung der Ruhe in Deutschland«, S. 798. Die anderen Mitglieder: für Österreich Graf Münch-Bellinghausen, für Preußen Generalpostmeister Nagler, für Sachsen (vgl. Anm. 70!) Freiherr von Manteuffel, für Holstein und Lauenburg Freiherr von Pechlin, ebd. Königl. Württ. Verordnung gegen nicht autorisierte Versammlungen zur Besprechung öffentlicher Angelegenheiten, Beratung politischer Handlungen oder Feier politischer Ereignisse (12. 6. 1832); Großherzogl. Bad. Verbot aller öffentlichen Reden an das Volk bei Volksversammlungen (5. 6. 1832); Bad. Verordnung Verbot von Vereinen, öffentlichem Tragen von Abzeichen, farbiger Bänder, Cocarden etc. (5. 6. 1832); Großherzogl. Hess. Verordnung gegen Preß- und sonstige Gesellschaften, Verbindungen, Assoziationen, welche politische Zwecke haben (12. 3. 1832); Hess. Verordnung wegen Veranstaltung von Volksfesten, Volksversammlungen sowie Tragen von Abzeichen (23. 6. 1832); Herzogl. Nass. Verordnung gegen nicht genehmigte Volksversammlungen, Vereine, Abzeichen, Haltung öffentlicher Reden an das Volk bei Volksversammlungen (16. 6. 1832); Gesetz der Freien Stadt Frankfurt über Vereine und Verbindungen (2. 7. 1832); Erlasse des Feldmarschalls Fürst von Wrede im Rheinkreis/Say. (28. 6. 1832). 91
Als Ergebnis legte die Kommission am 5. 7. 1832 der Bundesversammlung das Maßregelngesetz als Antrag zur Beschlußfassung vor; als Berichterstatter plädierte Gruben! 74 Der am gleichen Tag gefaßte Bundesbeschluß mit seinen zentralen Bestimmungen gegen politische Vereine und Presse sowie über politischpolizeiliche Überwachung und Koordination beruhte also nachweislich auf der Initiative des angebahnten ersten südwestdeutschen >PolizeivereinsRädelsführertheorie< aufbaute und die wegen ihrer Bedeutung für politisch-polizeiliches Vorgehen besonders hervorgehoben sei. Die Idee dazu ging unmittelbar auf den hessen-darmstädtischen Staatsminister Thil zurück. 76 In dem ersten Rohentwurf Blittersdorffs hatte er den Vorschlag entdeckt, »öffentliche Versammlungen, die die Ruhe stören«, zu verbieten. Dagegen hatte er nichts einzuwenden. Indessen fragte er nach den Mitteln, diese zu verhindern. Er stand noch unter dem ersten elementaren Eindruck der Handlungsunfähigkeit, den er wie die andern betroffenen deutschen Staatsmänner aus der Konfrontation mit großen, politisierten, unüberschaubaren Menschenansammlungen gewonnen hatte; hier schien aus Mangel an staatlichen Exekutivkräften die traditionelle Methode der Inhaftierung und anschließenden Bestrafung nicht mehr zu verfangen. Dies erkennend zweifelte Thil: »Wer straft 3-4000 Menschen?« Da ihm das aussichtslos erschien, verfiel er auf den Gedanken, sich auf die politischen Agitatoren zu konzentrieren, und zwar »nach abgestufter Vorgehensweise« a., b., c., d.,
Abmahnung, Bestrafung mit Arrest für die, welche Aufforderungen dazu erlassen, Verdoppelung der Strafe für die, welche gedruckte Aufforderungen erlassen, Untersagung politischer Reden an das Volk, mit Befehl an die Policeybehörden, die Reden nicht vollenden zu lassen, sondern zur unmittelbaren Verhaftung dessen zu schreiten, der sie versucht. Militair zur Unterstützung der Policeybehörden. 77
Der staatliche Zugriff sollte denen gelten, die man heute bisweilen auch als >Multiplikatoren< politischer Bestrebungen bezeichnet. Denn deren Bedeutung erkannten die Regierungen in der engen Verbindung mit Gefahren, die von der Verbreitung politischer Ideen ausgingen: 74 75
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Wie Anm. 71, 24. Sitzung 5. 7. 1832 § 231, S. 942-950. Vgl. oben, S. 74 zu Artikel 6 des Bundesbeschlusses vom 5. 7. 1832; oben, S. 90 zu den §§ 7 u. 8 der Punktation. Formuliert in dem Schreiben Thils 9. 6. 1832 an Gruben, StA Darmstadt Abt. G 2 A Konv. 51 Fasz. 3, Bl. 33. Ebd.
Es bedarf aller Erfahrung zufolge, um den Ideen, wie sie bei diesem Fest aus gestreut worden sind, nach und nach allgemeinen Eingang zu verschaffen, mehr nicht, als solche zehn und hundertmal zu wiederholen, besonders da diese Ansichten nicht erst in neuerer Zeit entstanden, sondern seit dem Ende des letzten Kriegs in Umlauf gekommen und von der bekannten Parthei der Deutschbündler festgehalten worden sind.78
Künftigen Volksversammlungen durch Bestrafung der >Rädelsführer< die Antriebskraft zu nehmen: diese Grundidee Thils ging in den Artikel 3 des Bundesbeschlusses ein; denn dieser bedrohte mit Strafen diejenigen, die zu solchen Versammlungen oder Festen »durch Verabredungen oder Ausschreiben Anlaß« gaben, die als politische Redner dort auftraten oder die bestrebt waren, »Adressen oder Beschlüsse in Vorschlag zu bringen und durch Unterschrift oder mündliche Bestimmung genehmigen zu lassen«.79 Einiges war freilich nicht aus der Punktation in den Bundesbeschluß übernommen worden: Mit dem Verzicht auf die gemeinsame Verfolgten- und Verdächtigtenliste (§ 9) und auf die grenzüberschreitende Verfolgung politischer Verbrecher (§ 14) entfielen zwei Bestimmungen, die besonders geeignet gewesen wären, eine noch stärkere, schließlich in einer Spezialbehörde konzentrierbare Integration der politischen Polizei nach sich zu ziehen. Das leistete schließlich die Bundesversammlung selbst im folgenden Jahre mit der Einsetzung der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde. Jedenfalls waren unter dem Druck außergewöhnlicher politischer Umstände bisher unbekannte politisch-polizeiliche Kooperationsformen auf zwischenstaatlicher Ebene durchgespielt und vereinbarungsreif gemacht worden, wie sie wiederum 1847 und dann erneut 1851 mit stets wachsendem Erfolg jeweils in Gestalt eines >Polizeivereins< unter Umgehung der Bundesversammlung angestrebt worden waren. Zwei Beteiligte von 1832 waren auch späterhin dabei (Blittersdorff 1847, Rüdt 1852). IV. Die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde 1833-1842 1. Das Frankfurter Attentat und die Einsetzung der Zentraluntersuchungsbehörde Der Frankfurter Wachensturm in der Nacht vom 3. zum 4. April 1833 ist »polizeitechnisch nicht mehr als ein lokaler Tumult« gewertet worden. 80 In der Einschätzung der deutschen Regierungen erschien er jedoch als das lang befürchtete Ereignis einer sich anbahnenden gesamtdeutschen Revolution, wenn sie sich auch81 78 80 81
79 Wie Anm. 64. Vgl. Huber: Dokumente Bd. 1, S. 134 (zu Art. 3). Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 166. Vgl. die Rolle des Würzburger Professors Seuffert und des Butzbachers Johann Konrad Kühl bei Franz Leininger, Herman Haupt: Zur Geschichte des Frankfurter Attentats. In: Quellen u. Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft Bd. 5 (1920) S. 133-148. Ferner Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 164-169; daß keineswegs die Studenten dabei dominierten, zeigt Miroslav Hroch: Der soziale Charakter des Frankfurter Wachensturms 1833. In: Karl Obermann, Josef Poliiensky (Hrsgg.): Aus 500 Jahren deutsch-tschechoslowakischer Geschichte. Berlin (Ost) 1958, S. 149-169 = Schriftenreihe der Kommission der Historiker der D D R und der CSR Bd. 1.
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- nicht zuletzt durch vorzeitiges Bekanntwerden - sehr kurzfristig hat niederschlagen lassen. Dieser Deutung folgte nicht knapp zwei Wochen später Metternich in einer Note an den österreichischen Präsidialgesandten Graf Münch-Bellinghausen. 82 Er erkannte, daß der Aufstand nicht speziell Frankfurt gegolten hatte und von dessen Einwohnern verursacht worden war, sondern durch »eine auswärts organisirte Bande von Fremden«; er meinte, »daß seine wesentliche Tendenz dahin ging, den deutschen Bund in den Organen seiner Wirksamkeit anzugreifen«. Das bestätigte wenig später am 18. 4. 1833 der Bundestagsgesandte der Freien Städte in seinem auf Zeugenaussagen gestützen Bericht über den Hergang. Er trug »Actenmäßige Indicien über den Sinn und Zweck der am 3. April 1833 Abends um halb zehn Uhr zu Frankfurt vorgefallenen Meuterei« zusammen 83 und konnte im Hinblick auf die weitreichenden Ziele des Unternehmens darauf verweisen, daß Teilnehmer Stadtpläne von Frankfurt, Spezialkarten von Rheinbayern, Rheinhessen, dem Großherzogtum Hessen, dem Kurfürstentum Hessen und auch vom Elsaß bei sich trugen; der Berichterstatter glaubte gleichfalls, daß die Absicht »eine weitreichende, längst vorbereitete, und keine geringere war, als der Umsturz der bestehenden Dinge in Deutschland«; er erklärte das mit den Preß- und Polenvereinen, Versammlungen wie der von Hambach und insgesamt mit »geheimen Verbindungen« als den tieferen Triebkräften. Metternich - stets übergreifende Konspirationen voraussetzend - erkannte in der erwähnten Note an Münch »das weithin über Deutschland verzweigte Complott«. In vorausschauender Erwägung sah er sogleich die große Zahl nachfolgender politischer Strafverfahren gegen die Hauptbeteiligten in den einzelnen Bundesstaaten 84 und analog zu 1819 das Problem, die Ermittlungen zentral zu koordinieren. Er befürwortete als erster eine »Centraibehörde zur Untersuchung des Attentats vom 3. April«, besetzt mit fünf Beamten des höheren Richterstandes, die von fünf aus der Bundesversammlung zu wählenden Regierungen zu bestimmen seien. Als Rechtsgrundlage diente ihm der Artikel 28 der Wiener Schlußakte; gegen Mainz als Sitz der Behörde sprach ihm,
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Metternich 13. 4. 1833 an Münch, BA Frankfurt DB 1/126; vgl. auch Adolf Low: Die Frankfurter Bundeszentralbehörde von 1833-1842. Phil. Diss. Frankfurt/M. 1932, S. lf. Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 18. Sitzung, § 157, S. 431-33, zugleich B A Frankfurt DB 1/126. Vgl. etwa »Aktenmäßige Darstellung der im Königreiche Württemberg in den Jahren 1831. 1832. und 1833. Statt gehabten hochverrätherischen und sonstigen revolutionären Umtriebe«. 1. u. 2. Aufl. Stuttgart 1839; Martin Schäffer: Actenmäßige Darstellung der im Großherzogthume Hessen in den Jahren 1832 bis 1835 stattgehabten hochverrätherischen ( . . . ) Unternehmungen. Darmstadt 1839; Oers.: Nachträgliche actenmäßige Mittheilungen ( . . . ) Gießen 1844; [Wilhelm Schulz:] Der Tod des Pfarrers Dr. Friedrich Ludwig Weidig, vgl. oben S. 16; Wilhelm Schulz, Carl Welcker: Geheime Inquisiton, vgl. oben, S. 17; jetzt insgesamt grundlegend: Reinhard Görisch, Thomas Michael Mayer: Untersuchungsberichte zur republikanischen Bewegung in Hessen 1831-1834. Frankfurt/ M. 1982.
daß es vielleicht nicht wünschenswerth wäre, gerade in diesem Augenblick zu einer Verwechslung zwischen der neu zu bildenden und der früher in Mainz bestandenen Commission Anlaß zu geben. 85
Diese Note ging am 18. 4. 1833 an die Regierungen in München, Stuttgart, Karlsruhe, D a r m s t a d t , Kassel, Hannover, Dresden, Kopenhagen, H a m b u r g , Oldenburg und an den Senat von Frankfurt zur Begutachtung. Preußen wurde gesondert vertraulich informiert. Die anschließende Vorgeschichte zur Errichtung der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde ist bekannt; 8 6 in der folgenden Darstellung sollen - wie bei der Behandlung der Mainzer Kommission - die spezifisch politisch-polizeilichen A s p e k t e herausgearbeitet werden. 2. D e r Zwittercharakter der F r a n k f u r t e r Untersuchungsbehörde Nach dem konstitutiven Bundesbeschluß vom 30. 6. 1833 87 hatte die B e h ö r d e den Anschein einer koordinierenden obersten Justizbehörde. Sie ging in ihrer Praxis jedoch über die rein untersuchende Tätigkeit, die f ü r sich allein schon als »Aufgabe des Bundesverfassungsschutzes« bezeichnet worden ist, 88 in vieler Hinsicht hinaus. Schon Metternich erkannte und wollte den Zwittercharakter der Behörde; er sah in ihr auch einen »Zentralpunkt« für den Austausch von Notizen über revolutionäre U m t r i e b e ; dazu bemerkte er: In staatspolizeilicher Hinsicht schien uns dieser Zweck der Bundescentralbehörde gewiß nicht minder wichtig und beachtenswerth, als im Interesse der höhern Justiz im Bunde, die der Behörde gegebene Bestimmung einer Controllirung und Unterstützung der einzelnen Hochverrathsuntersuchungen.89
Diese Ambivalenz rief bei ihrem bayerischen Mitglied Überlegungen hervor, welche Kriterien f ü r die politische Schuldsprechung im Gegensatz zur gewöhnlichen Kriminalität maßgeblich sein sollten; er drückte darin in einer sonst selten so scharf dokumentierbaren Klarheit den Widerstreit politisch-polizeilichen und richterlichen Handelns aus. E r meinte, daß für den staatspolizeilichen Zweck, den die Bundes-Centralbehörde zu erreichen hat, nämlich für die Ausmittlung des Ursprungs und der Verzweigung der bisherigen revolutionären Umtriebe in den deutschen Bundesstaaten, es nach meinem Ermessen nicht darauf ankommen kann, ob ein Gericht einen oder den andern Inquisiten nach der bestehenden strengen gesetzlichen Beweistheorie [...] losspricht, oder ob ein Assisengericht, welche als Haupträdelsführer [!] bezeichnet sind, [...] für nicht schuldig erklärt;
es komme vielmehr darauf an, ob die Kommission »nach ihrer moralischen Ueberzeugung« solche schwer belasteten Personen f ü r schuldig halte und diese nach ihrem Geständnisse, Treiben, Handeln, aber »besonders nach ihren aufrührerischen Schriften und R e d e n an öffentlichen Orten als U r h e b e r oder wenigstens Beförderer der revolutionären Umtriebe und Verzweigungen ansieht«. 9 0 Hier 85 87 89
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86 Wie Anm. 82. Vgl. Low: Bundeszentralbehörde, S. 1-13. Huber: Dokumente Bd. 1, S. 135f. 88 Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 173. Metternich 31. 5. 1835 an Trauttmannsdorff, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, neue Serie, Krt. 34 (Fasz. 35). Bericht Heinrichens 18. 10. 1833, BayHStA München MA 1702, Konzept MA 24585/2a.
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wiederholte sich in extremerer Form die früher von Wagemann in der Mainzer Kommission praktizierte Anschauung, Schuldsprechungen im Zusammenhang mit politischen Handlungen seitens der Behörde möglichst dehnbar zu machen. 91 3. Die Frankfurter Behörde als Zentralstelle der politischen Polizei Zwar war die Frankfurter Behörde nicht berufen, strafgerichtlich abzuurteilen, wohl aber, politisch Verdächtige auszumachen. Hier bewies der dehnbare Schuldbegriff alsbald seine Wirkung in der konkreten Arbeit und wurde überall dort erheblich, wo die Kommission entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung sich als politisch-polizeiliche Einrichtung betätigte. Auf welchen Feldern und in welcher Weise das geschah ist zu zeigen. Die Zentraluntersuchungsbehörde koordinierte die Unterdrückung aufrührerischer Schriften, ohne daß es deshalb jeweils eines vorausgehenden Bundesbeschlusses bedurft hätte. Wie ein solcher Vorgang konkret ablief, veranschaulichen die Maßnahmen gegen den bei Heinrich Hoff in Mannheim 1836 erschienenen Roman von August Schaefer unter dem Titel »Die Revolution«. 92 Die Polizeibehörde in Heidelberg ließ das Werk beschlagnahmen; das Polizeiamt in Frankfurt am Main hatte am 21.3. 1836 den dortigen Buchhändlern und Inhabern von Leihbibliotheken Verkauf und Ausleihe des Buches untersagt; in Preußen war es gleichfalls verboten worden. Nachdem der preußische Kommissar in der Behörde die Sachlage referiert hatte, schickte die Kommission an die zuständigen Ministerien vieler deutscher Einzelstaaten, bevorzugt - soweit vorhanden - an die Innenminister, die entsprechende Nachricht. Die Unterdrückung eines mißliebigen Werkes, die ohne die Untersuchungsbehörde möglicherweise Lokalereignis geblieben wäre, wurde nunmehr übertragen nach Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Württemberg, Sachsen, Hannover, Bayern, Nassau, Sachsen-Altenburg, -Coburg-Gotha, -Meiningen, -Weimar, Schwarzburg-Rudolstadt, -Sondershausen, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, -Strelitz, Oldenburg, Hamburg, Lübeck und Bremen; man sieht: Die Behörde arbeitete gründlich. Das Verfahren formalisierte sich zu der festen Einrichtung sogenannter »vertraulicher Notizen«, die das Präsidium der Behörde an die als zuständig angesehenen Landesstellen weitergab. Im Staatsarchiv Dresden hat sich unter der Rubrik »Politische Polizeiangelegenheiten« eine ganze Anzahl solcher vertraulicher Hinweise erhalten. 93 Wie die Mainzer Kommission erweiterte auch die Frankfurter ihren Geschäftsbereich auf die Ermittlung neuer Umtriebe, die bis in ihre unmittelbare Gegenwart hin wahrgenommen wurden, und machte die Regierungen so mit den in der Schweiz und in Paris begründeten, in den Deutschen Bund hinein verzweigten Auslandsvereinen deutscher Handwerker erstmals bekannt: mit dem »Bund der 91 92
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Vgl. oben, S. 85. Der Vorgang ist dokumentiert im Protokoll vom 24. 3. 1836, § 3334, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 2 Vol. 8, Bl. 302f. StA Dresden Mdl No. 10954-10959.
Geächteten«, dem »Bund der Gerechten«, dem »Bund der Deutschen«; sie konnte auch deren Statuten vorweisen, selbst wenn diese nur geheim im Untergrund kursierten. 94 Die Behörde behauptete tatsachenwidrig in ihrer »Darlegung der Hauptresultate«, sie schöpfe ihre Kenntnisse über die revolutionäre Tätigkeit Deutscher im Ausland »nur aus den ihr vorliegenden Prozeduren und öffentlichen Quellen«. 95 Tatsächlich verdankte ihr Präsident Wagemann viele derartige Informationen den geheimen, in England, Frankreich, Belgien und der Schweiz operierenden Agenten Metternichs, die vom Mainzer Informationsbüro aus gesteuert wurden. 96 Auch diese Zusammenarbeit demonstriert den politisch-polizeilichen Aspekt der Behörde. Ein besonderes Feld politisch-polizeilicher Arbeit bot die Sammlung von Personaldaten; hierbei entwickelte die Untersuchungsbehörde im Vergleich zu ihrer Mainzer Vorgängerin eine ansehnliche Professionalität. Ihr kam zugute, daß sie auf die Geschäftserfahrung und den schon vorhandenen Aktenniederschlag der Mainzer Zentraluntersuchungskommission unmittelbar zurückgreifen konnte. Der österreichische Präsident Freiherr von Wagemann und der hessen-darmstädtische Vertreter Freiherr von Preuschen waren bereits in der früheren Behörde tätig gewesen.97 Wer ohne diese Erfahrung war, griff auch, wie der bayerische Kommissar Heinrichen, auf die frühere Instruktion und den Hauptbericht vom 14. 12. 1827 zurück. 98 Bereits in der ersten Sitzung am 17. 8. 1833 regte Wagemann an, die Akten der Mainzer Kommission von 1819 bis 1828 zu einem Archivbestand zusammenzustellen und als zusätzliche Arbeitsgrundlage zu übernehmen. Die Kommission beschloß daraufhin: »Diese Vorarbeit ist zur Kenntniß zu nehmen«. 99 In der dritten Sitzung beantragte Wagemann gleichfalls nach seinen Mainzer Erfahrungen, sich die notwendigen Informationsgrundlagen zur Politik zu verschaffen und die einschlägigen Zeitungen zu abonnieren; man einigte sich auf 17 Presseorgane. 100 94 95 96 97 98 99 100
Vgl. die bei Kowalski, Hauptberichte, publizierten Berichte. Darlegung der Hauptresultate in Kowalski: Untersuchungsberichte, S. 77 Anm. g zu S. 65. Dargelegt unten, S. 143-145. Vgl. »Die Männer der Behörde« bei Low: Bundeszentralbehörde, S. 50-59. BayHStA München MA 7625. Protokoll der 1. Sitzung, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10, No. 2 Vol. 1, Bl. 17-19. Es handelte sich um 1. Preußische Staatszeitung, 2. Allgemeine Zeitung Augsburg, 3. Hamburger Correspondent, 4. Frankfurter Jahrbücher, 5. Fremdenliste der Stadt Frankfurt, 6. Oberpostamtszeitung Frankfurt, 7. Deutsches Frankfurter Journal, 8. Stuttgarter Beobachter, 9. Württembergische Zeitung, 10. Rhein- und Main-Zeitung, 11. Speyrer Zeitung, 12. Hanauer Zeitung, 13. Zürcher Zeitung, 14. Dorfzeitung, 15. Le Temps, 16. Le National, 17. La Tribune; Protokoll der 3. Sitzung vom 3. 9. 1833, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 2 Vol. 1, Bl. 46; die ursprünglich beantragte Liste wurde durch den zuständigen Bundestagsausschuß leicht modifiziert - so wie hier wiedergegeben und verbindlich; dabei unterlief dem Ausschuß auch der peinliche Fehler, daß er den Niederrheinischen Courier vorschlug, sich dann aber von der Untersuchungsbehörde belehren lassen mußte, das Blatt sei wegen Verbot durch Bundesbeschluß in keiner deutschen Buchhandlung aufzutreiben, ebd., Bl. 102.
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Nachdem solcherart das Feld vorbereitet war, Personaldaten zu sammeln, nachdem zudem laufend neue Einzelheiten von den einzelstaatlichen Behörden eingingen, bestand unter politisch-polizeilichem Aspekt eine der Hauptleistungen, die die Behörde schließlich im Jahre 1838 vorweisen konnte, in dem Alphabetischen Verzeichniß derjenigen Personen, gegen welche nach den Akten der Centraibehörde bezüglich revolutionairer Umtriebe, im Untersuchungswege eingeschritten worden ist. Abgeschlossen den 8ten August 1838.
Es umfaßte 1867 Personen und wurde noch um einen Nachtrag von 273 Namen ergänzt. Dieses Gesamtinkulpatenverzeichnis aller jener, die in politischer Hinsicht zwischen 1830 und 1842 in Deutschland mit Gerichten zu tun bekommen hatten, ist unter dem Namen »Schwarzes Buch« in die Geschichte eingegangen. 101 Wie sich in der Geschichte der politischen Polizei immer mehr herausschälte, wurden solche leicht verwertbaren Gesamtbestandsaufnahmen als unentbehrliche Arbeits- und Hilfsmittel dieses speziellen Geschäfts begriffen. 102 Sie dokumentieren zugleich die fortschreitende, differenziertere Systematik in der Datenerfassung. Im »Schwarzen Buch« wurden tabellarisch in zehn vertikalen Spalten zu einer Person folgende Aspekte festgehalten: 1. Laufende Nummer, 2. Name, Vorname, 3. Stand, 4. Alter, 5. Geburtsort, 6. Aufenthaltsort, 7. ob verhaftet, 8. zuständige Untersuchungsbehörde, 9. Gegenstand der Untersuchung, 10. Lage der Untersuchung. 1 0 3 Als Hauptvorwürfe politischer Vergehen tauchten auf: Teilnahme an politischen Umtrieben, an einzelnen politischen Vereinigungen (Burschenschaft, Männerbund, Junges Deutschland der Handwerker in Zürich und Bern, Haller Kränzchen· Verein, Preßverein, Volksfreunde/Greifswald), Verbreitung revolutionärer Schriften, Teilnahme an revolutionären Aktionen (Göttinger Aufruhr Januar 1831, Protestation gegen die Bundesbeschlüsse vom 28. 6. 1832, Hambacher Fest, Frankfurter Wachensturm, revolutionäre Versammlungen Gießen 1833, Kom101
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Vgl. zur Entstehung Edgar Süss: Die Pfälzer im »Schwarzen Buch«. Ein personengeschichtlicher Beitrag zur Geschichte des Hambacher Festes, des frühen pfälzischen und deutschen Liberalismus. Heidelberg 1956, S. 19-31 = Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgesch. u. Landeskunde Bd. 3. Anders als Süss S. 30 u. 31 Anm. 73 annimmt, ist das in Frankfurt befindliche (BA Frankfurt D B 8/7) nicht »tatsächlich das einzige noch existierende«; denn eine Abschrift befindet sich noch unter obigem Titel im ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 27 No. 32. Vgl. dazu die beispielhafte partei- und sozialgeschichtlich erhebliche Auswertung bei Süss, S. 138-156. Als Beispiel diene August Ludwig Rochau, Verfasser der berühmten Schrift über die »Grundsätze der Realpolitik. Angewendet auf die staatlichen Zustände Deutschlands«, 2 Teile 1853/69, und Schöpfer dieses postrevolutionären Schlagworts: 1: Nr. 1348, 2: Rochau, August Ludwig, 3: stud, juris zu Göttingen, 4: 25, 5. Wolfenbüttel, 6: Frankfurt/ M., 7: verhaftet, jetzt flüchtig, 8: Peinliches Verhöramt zu Frankfurt/M., 9: Teilnahme an der Jenaer Burschenschaft und der Frankfurter Meuterei vom 3. 4. 1833. Der Angeschuldigte war Deputierter der Jenaer Burschenschaft auf dem Frankfurter Burschentage, 10: durch Urteil des Appellationsgerichtshofs zu Frankfurt vom 19.10. 1836 wegen Teilnahme an dem hochverräterischen Aufstand vom 3. 4. 1833 zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe, entwich 20.10. 1836 aus dem Reutenturm zu Frankfurt.
plott unter dem württembergischen Militär, Gefangenenbefreiungen, Begünstigung politischer Flüchtlinge) sowie aufrührerische Reden (Volksaufwiegelung gegen deutsche Verfassungen und Regierungen, Majestätsbeleidigung, Beschimpfung des preußischen Militärs, öffentlicher Beamten und der Bundesversammlung). Die Bundeszentralbehörde hatte bereits in ihrer ersten konstituierenden Sitzung am 17. 8. 1833 den Grundstein zu dieser systematischen Erfassung gelegt, indem sie die betreffenden Landesbehörden aufforderte, alle dort erwachsenen Akten, insbesondere mit genauer Bezeichnung der Zeit und des Ortes in den verschiedenen Thatbeständen, nebst einem Verzeichnisse aller Theilnehmer an den revolutionären Umtrieben, oder solcher Theilnahme verdächtig gewordener Personen, mit genauer Angabe ihres Vornamens und Geburtsortes, dann mit der Bemerkung, ob sie in Haft, außer Haft oder flüchtig sind, wie nicht minder, über welche etwa mittlerweile Erkenntnisse [Gerichtsurteile] erfolgt sind - in beglaubten Abschriften und auf sicherem Wege sobald wie möglich zukommen zu machen. 104
Wagemann zweifelte nicht daran, daß die Bundesversammlung den Druck der Gesamtinkulpatentabelle anordnen würde. Die politisch-polizeiliche Zentralinstitution in Preußen - die Ministerialkommission - hielt die Tabelle indessen für so bedeutsam, daß sie darüber »baldmöglichst« verfügen wollte, »damit man sofort den Nutzen der Tabelle habe«, und beauftragte den preußischen Kommissar, eine Abschrift davon anfertigen zu lassen. 105 Diese ging am 27.12. 1838 nach Berlin. Der bayerische Kommissar in der Untersuchungsbehörde war gleicher Meinung, als er nach München schrieb, die Tabelle sei für die Polizeibehörden, etwa in Paßangelegenheiten, »von großem Nutzen«. 106 Wie schnell dann doch die Zeitverhältnisse über das amtlich hochgelobte »Schwarze Buch« hinweggingen, zeigt die Tatsache, daß es schließlich - anders als die »Darlegung der Hauptresultate« - doch ungedruckt blieb und nicht in den praktischen Gebrauch der Polizeibehörden überging.
4. Metternichs Projekt eines »Zentralinformationsbüros« des Bundes 1835-1837 Die Zentraluntersuchungsbehörde war besonders unter den kleineren Bundesstaaten nicht unumstritten. Bald meldeten sie Wünsche an, deren Arbeit zum Abschluß zu bringen und sie aufzulösen. 107 Der erste derartige Vorstoß ging im 104 105
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Wie Anm. 99, Bl. 11. Die Ministerialkommission 21. 9. 1839 an den preuß. Kommissar Strampff, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 5, Bl. 4; deshalb ist noch das zweite Exemplar überliefert, vgl. Anm. 101. Becke 9. 4. 1839 an König Ludwig I., BayHStA München MA 1709; vgl. auch Süss: Die Pfälzer im »Schwarzen Buch«, S. 30 Anm. 73. Low: Zentraluntersuchungsbehörde, S. 59-79, geht auch auf die Auflösungsproblematik ein, berührt indessen den politisch-polizeilichen Aspekt nur beiläufig; ihn interessiert das diplomatische Spiel »hinter den Kulissen«; darüber hinaus ist Metternichs Projekt eines zentralen Bundesinformationsbüros, soweit ersichtlich, unbekannt geblieben.
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März 1835 von der badischen Regierung aus, die erklärte, »wiederholt und von verschiedenen Seiten« sei der Wunsch geäußert worden, die Behörde aufzulösen; dabei sparte Baden nicht mit Kritik an deren bisheriger Arbeit: Es seien keine weiteren Resultate zu erwarten; die Behörde bereite »bedeutende nutzlose Kosten«, habe sich in eine Masse von Einzelheiten und unerheblichen Tatsachen verirrt, die ohne allgemeines Interesse seien; ihr Fortbestand errege »allgemeines Miß vergnügen«. 108 Die Initiative richtete sich an die preußische Regierung. Deren in dieser Frage allein zuständige staatspolizeiliche Ministerialkommission lehnte den Vorschlag brüsk ab, verwies darauf, daß die Untersuchungen in Preußen noch längst nicht abgeschlossen seien; sie erkannte den besonderen Wert der Behörde darin, daß diese für die erhobenen Ermittelungen einen Centraipunkt abgiebt, gründliche und umfassende Zusammenstellungen möglich macht, die Mittheilungen, Requisitionen erleichtert und dadurch einwirken kann, daß die Untersuchungen selbst mit dem nöthigen Ernste und Nachdrucke geführt werden. 109
Der österreichische Gesandte in Berlin erhielt durch Wittgenstein, der auch Mitglied der Ministerialkommission war, vertraulich Kenntnis von der badischen Absicht und somit alsbald auch Metternich. 110 Diese Nachricht löste bei dem österreichischen Staatskanzler die gegenteilige Wirkung aus: Er betrieb fortan das Projekt eines zentralen politisch-polizeilichen Bundes-Informationsbüros. Es hier genauer zu untersuchen eröffnet den Einblick, welcher Handlungsspielraum innerhalb des Bundes bestand, über aktualitätsabhängige, durch ihren konkreten Auftrag befristete Untersuchungsbehörden hinaus die politische Polizei durch eine permanente Behörde beim Bund fest zu institutionalisieren. In Erinnerung an die Anfechtungen und Schwierigkeiten, denen die Mainzer Zentraluntersuchungskommission während ihres Bestehens auch seitens vieler Regierungen unterworfen war, ließ Metternich auf einen Schlußbericht der Frankfurter Behörde drängen. Als diese indessen am 21. 4. 1835 ihr erstes umfassendes Resümee vorlegte, rief es bei dem Staatskanzler den Eindruck hervor, zu viele Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen, so daß eine Auflösung verfrüht erschien. Er dachte jedoch bis zu dem Zeitpunkt voraus, an dem zu entscheiden sein würde, ob eine andere Institution an die Stelle der Untersuchungsbehörde treten solle, wenn nicht, so entfalle ein »Zentralpunkt« für den Austausch von Notizen über revolutionäre Umtriebe. Charakteristisch für Metternichs Arbeitsweise und Politik war sein Bedürfnis, über einen kontinuierlichen Nachrichtenfluß zu den Vorgängen der politischen Opposition zu verfügen, und diese Kontinuität konnte er sich nicht anders als 108
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Verbalnote des bad. Geschäftsträgers in Berlin 25. 3. 1835 an die preuß. Regierung, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 1 Vol. 1, Bl. 160. Votum der preuß. Ministerialkommission 6. 4. 1835 für den preuß. Außenminister Ancillon, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, neue Serie, Krt. 34 (Fasz. 35). Trauttmannsdorff 17. 4. 1835 an Metternich, ebd.
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institutionalisiert und zentralistisch organisiert denken. Ihm war noch lebhaft in Erinnerung, wie schwer es der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde fiel, nach der Auflösung ihrer Mainzer Vorgängerin »durch die seitdem stattgefundenen Unterbrechungen in Centralisirung der HochverrathsUntersuchungen [...] den verlorenen Faden wieder aufzufinden, und in den Zusammenhang und das Wesen der revolutionären Verbindungen einzudringen«.111 Er schlug deshalb vor, Seitens des Bundes am Sitze des Bundestags ein Central-Informations-Bureau zu errichten, analog demjenigen, welches seit einem Jahr in Wien zur Concentrirung der bei den verschiedenen Ministerien eingehenden Notizen nach den in der Anlage entwickelten Grundzügen besteht. 112
Dieses Zentralinformationskomitee in Wien hatte Metternich - vergleichbar der preußischen Ministerialkommission - 1834 einrichten lassen, um durch einen »Zentralpunkt« rasch, systematisch, möglichst vollständig und regelmäßig unterrichtet zu sein, was in Sachen politischer Umtriebe bei der Polizeihofstelle, der staatsrätlichen Justizabteilung und der Staatskanzlei neu einlief.113 In Analogie zur Konzentration politisch-polizeilicher Notizen zwischen verschiedenen Behörden eines Staats sollte nun beim Bund ein Komitee aus allenfalls drei Mitgliedern eingerichtet werden, das der Maßregelnkommission bei der Bundesversammlung unterzuordnen sei. Das Komitee hätte Notizen der Einzelstaaten über »Umtriebe revolutionärer oder propagandistischer Art«, das hieß vor allem Vereinswesen und Presse, zu sammeln, zusammenzustellen und darüber regelmäßig dem Bundestagsausschuß zu berichten. Metternich wollte sein Konzept »in den confidentiellsten Formen« behandelt und in Berlin geprüft wissen. Die preußische Regierung, das bedeutete genau: die Ministerialkommission, betrachtete den Vorschlag mit Skepsis. Ihr Referent Tzschoppe formulierte die Einwände: Eine Auflösung der Zentraluntersuchungsbehörde müßte »eine Calamität, ein Sieg für die Revolutionärs« sein. Zwar sei das geplante Büro nützlich und wünschenswert, aber im Hinblick auf die Verschiedenheiten unter den deutschen Bundesstaaten schwerlich zu verwirklichen. Dessenungeachtet halte man gleichfalls für die größeren deutschen Bundesstaaten jeweils eine Institution wie die in Wien bestehende für erforderlich, wo sich »alle polizeilichen Nachrichten, welche auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit Einfluß haben können, in einem Centro sich vereinigten« und die den Austausch zwischen den verschiedenen Regierungen bewerkstelligte. Über Wittgenstein erhielt der österreichische Gesandte in Berlin dieses vertrauliche Gutachten Tzschoppes. 114 Da im Bund an gemeinsamer Polizeipolitik ohne das Einverständnis der beiden Großmächte 111
112 113
1,4
Metternich 17. 2. 1838 an den Österr. Gesandten in München, Graf Colloredo, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, neue Serie, Krt. 34 (Fasz. 35); desgl. BayHStA München MA 1708. Metternich 31. 5. 1835 an Trauttmannsdorff, HHStA Wien, ebd. Diese Institution wird eigens unter dem Gesichtspunkt innerösterreichischer Konzentration behandelt unten, S. 161-163. Tzschoppe 7. 6. 1835 an Wittgenstein, HHStA Wien, Deutsche Akten, neue Serie, Krt. 34 (Fasz. 35).
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nichts auszurichten war, blieb der Vorschlag Metternichs damit zunächst auf sich beruhen. Inzwischen hatten sich Hessen-Darmstadt und Bayern der Anregung Badens zur Auflösung der Frankfurter Behörde angeschlossen,115 als die Nachricht vom zweiten Attentat auf den französischen König Louis Philippe am 28. 7. 1835 in Paris die deutschen Regierungen alarmierte 116 und Metternich zu dem Urteil veranlaßte, die Zentraluntersuchungsbehörde sei noch sehr weit zurück, die »Fäden« aufzudecken, die von Deutschland aus bis zu dem jüngst verübten Attentat nach Paris reichten. Der zuständige Bundestagsausschuß möge die Behörde in ihrer Tätigkeit »anspornen und sollte an einzelnen Orten des Bundes derselben etwa hemmend oder feindselig entgegengetreten werden wollen«, es veranlassen, daß solche Hindernisse durch die Mittel, die die Bundesgesetzgebung an die Hand gebe, aus dem Weg geräumt werden. 117 5. Badens Initiative zu einer zentralen politischen Bundespolizei 1836 Metternichs Projekt eines Zentralinformationsbüros wurde neubelebt, als in Baden ein bemerkenswerter Kurswechsel eintrat, nachdem Blittersdorff 1835 das Außenministerium übernommen hatte. Nun registrierte man dort wieder kritischer die unverändert fortdauernde Regsamkeit der politischen Flüchtlinge in der Schweiz. Innenminister Winter schärfte auf dem Weg über die Kreisregierungen den unteren Polizeibehörden besondere Wachsamkeit vor allem an der Grenze zur Schweiz ein. 118 Mit Blittersdorff, der bereits als Gesandter am Bundestag einer der entschiedensten Verfechter repressiver Polizeimaßnahmen gewesen war, änderte sich auch die badische Einschätzung der Zentraluntersuchungsbehörde. Der Außenminister lobte ihre Ergebnisse: Die Zusammenfassung der Einzeluntersuchungen habe die »Solidarität der Revolutionärs« zutage gefördert. Ende März 1836 meinte er, die Untersuchungen seien im wesentlichen zwar abgeschlossen, die >Umtriebe< dauerten aber noch fort. Da er die Frankfurter Behörde in der Rolle einer »obersten beaufsichtigenden Justizbehörde« erblickte, hielt er sie zum Zweck politisch-polizeilicher Überwachung für ungeeignet; sie sei an Formen und Voraussetzungen gebunden, »mit denen eine freiere, mehr polizeiliche Wirksamkeit kaum verträglich ist«.119 Jedoch hielt er es für ratsam, »die polizeilichen Fäden zur Beaufsichtigung der politischen Umtriebe in Deutsch115 116
1,7
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Trauttmannsdorff 12. 6. 1835 an Metternich, ebd. Vgl. F. W. Ghillany: Europäische Chronik von 1492 bis Ende April 1865. Mit besonderer Berücksichtigung der Friedensverträge. Bd. 2: 1831 bis Ende April 1865, Leipzig 1865, S. 34. Metternich 17. 8. 1835 an Trauttmannsdorff, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 1 Vol. 1, Bl. 186. Erlaß Winters 6. 2. 1836, ebd., Bl. 206f. Blittersdorff 4. 3. 1836 an den bad. Ministerresidenten Oberstleutnant von Franckenberg in Berlin, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 No. 1 Vol. 1, Bl. 215f.
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land im gemeinsamen Interesse des Bundes irgendwo zusammenzufassen«; er empfahl deshalb, die Untersuchungsbehörde aufzulösen und stattdessen der Bundesversammlung »einige der höhern Polizei genau bekannte Geschäfts-Männer« beizugeben; diese Spezialisten sollten von allen Bundesregierungen die »politisch polizeilichen Notizen« erhalten. 120 Dies ist - beiläufig gesprochen - ein wichtiger früher Nachweis für den Ausdruck >politisch-polizeilichLandesregierung< in Wiesbaden lagen vertrauliche Agentennachrichten über ein Treffen von Turnern Anfang August in einem Frankfurter Gasthof vor. Hier habe vor allem Germain Metternich - ehemals großherzoglichhessischer Leutnant und Mitglied im >Bund der Geächtetem - eine Vereinigung sämtlicher Turner zu einem »Schutz- und Trutzbündniß gegen Tyrannenherrschaft« gefordert und zu einer gemeinsamen Kundgebung am 8. August auf dem Feldberg im Taunus aufgerufen. 153 Unverzüglich hielt die nassauische Regierung eine »besondere polizeiliche Aufsicht« für geboten und beauftragte - unabhängig voneinander - den Amtmann Kissel aus Königstein sowie den Justizrat Spieß aus Usingen, mit zuverlässigen Leuten das Fest zu überwachen. Beide Beamte konnten den erwarteten politischen Charakter des Fests nicht bestätigen. Ein weiterer Beobachter vermochte allerdings ein gedrucktes, unter den Teilnehmern umlaufendes Gedicht beizubringen, das zum »Volks-Fest der Taunus-Freunde auf dem Feldberg« ganz in der Jahnschen Manier den einigen »Freundschafts-Bund« der deutschen Turner und das »grün[en]de Hermanns-Band« beschwor. Damit bekundete die Bewegung einen kryptopolitischen Charakter. Ein aus Mannheim herrührender »Vorschlag zur Konstituierung einer allgemeinen deutschen Turnerschaft« vom September 1847 ließ die gesamtnationalen Organisationsbestrebungen manifest werden. Der »Rheinische Beobachter« vom 14. 11. 1847 druckte ihn zuerst;154 von hier übernahm ihn die »Weser-Zeitung« in Bremen. 155 Die Regierungen waren über die dort formulierten Forderungen empört: Der »Vorschlag« entwickelte nach Art von Statuten in 22 Paragraphen ein Programm mit dem Ziel: »Die verschiedenen deutschen Turngemeinden und Singvereine vereinigen sich zu einer allgemeinen Turnerschaft« (§ 1); er war unterzeichnet vom »Ausschuß der deutschen Turner zur Bildung einer deutschen Turnerschaft« und proklamierte »die Erringung von freien Regierungs-Prinzipien, Oeffentlich153
154
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HStA Wiesbaden Abt. 211/7985. - Im »Intelligenzblatt für den Kreis Bingen« vom 23. 5. 1847 brachten die dortigen Turner den anreisenden »deutschen Turnern« ein in Verse gefaßtes »Gutheil!« entgegen, BA Frankfurt, Gagern/Nachlaß Dalwigk, Kasten 51 Η 4 Nr. 13. - Während der Drucklegung erschien die für die Entwicklung des vormärzlichen Turnwesens wichtige Untersuchung von Dieter Düding: Organisierter gesellschaftlicher Nationalismus in Deutschland (1808-1847). Bedeutung und Funktion der Turner- und Sängervereine für die deutsche Nationalbewegung. München 1984 = Studien zur Geschichte des 19. Jhs. Bd. 13; sie konnte hier leider nicht mehr berücksichtigt werden. »Rheinischer Beobachter« Nr. 318 vom 14.11. 1847, abschriftl. überliefert in B A Frankfurt, ebd. »Weser-Zeitung« Nr. 1204 vom 19. 11. 1847, ein Exemplar dieser Ausgabe in GLA Karlsruhe Abt. 48/1802.
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keit, Mündlichkeit [d. i. im Gerichtsverfahren], Preßfreiheit, kurz eines freien Deutschlands auf dem Wege der Volkserziehung oder andern einzuschlagenden nöthigen Wegen« (§2). Man erstrebte den Zusammenschluß der Turn-, Gesangund Lesevereine mit Gliederung nach Sektionen, jährlichen Turnfesten, einem »Turn-General« und demokratischen Mehrheitsentscheidungen, Mitgliederwerbung, Kontakten zu deutschkatholischen sowie zu den Freien Gemeinden und >Lichtfreunden< (§10), Mitgliedsbeiträgen, Waffendepots (!) bei jeder Turngemeinde, schwarz-rot-goldner Turnerfahne und als höchstes Ziel die »Befreiung unseres Vaterlandes von Tyrannei und Knechtschaft« (§ 21). Die Statuten empfahlen »größte Vorsicht« gegenüber Fremden, vor allem gegenüber Spionen und Polizisten, und wollten ihre Anhänger nach Art eines geheimen politischen Klubs einer permanenten Gesinnungskontrolle unterziehen. Die politisierte Turnerbewegung erhielt für die Regierungen eine neue Dimension, als damit im Zusammenhang Nachrichten über Waffensammlungen und Bildung von Freischaren zur Unterstützung der Schweizer Sonderbündler vorlagen und ein als Flugblatt verteilter »Aufruf an alle deutschen Männer« diese Bestrebungen zusätzlich propagierte. 156 Im Herbst 1847 verbreiterte sich zusehends die Basis für politische Kommunikation und Betätigung wie seit der Julirevolution und den Tagen von Hambach nicht mehr. Das bekundeten auch die Demokraten auf der Offenburger Versammlung vom 12. 9. 1847 in ihrer Proklamation, die - gedruckt als Flugblatt: »Die Forderungen des Volkes« bei Heinrich Hoff in Mannheim - weit verbreitet wurde und auch in die Hände des preußischen Gesandten in Darmstadt fiel und über ihn nach Berlin ging. 157 Die »Forderungen« verstanden sich als Kampfansage an das vormärzliche, durch den Bundestag begründete innenpolitische Unterdrückungssystem überhaupt und verlangten expressis verbis von der badischen Regierung, sich loszusagen von den Karlsbader Beschlüssen 1819, von den Frankfurter Beschlüssen der Jahre 1831 und 1832 und denen von Wien 1834, denn diese verletzten die »unveräußerlichen Menschenrechte«. Der fünfte Artikel postulierte speziell: »Die Polizei höre auf, den Bürger zu bevormunden und zu quälen«. Mit der gesamtnationalen Forderung einer »Vertretung des Volkes beim deutschen Bunde« schien das bestehende System des Bundes in Frage gestellt. Der preußische Gesandte Bockelberg in Darmstadt fühlte sich an die französische Revolutionspresse von 1792 und 1793 erinnert und hielt als das Neuartige der Situation fest, daß das Flugblatt trotz Verbots der hessischen Regierung »in Tausenden von Exemplaren kostenfrei im Lande verbreitet sich befindet«; das liefere einen neuen Beleg, »daß bei der geographischen Einteilung und der Leichtigkeit und Vervielfältigung der Verkehrsmittel namentlich in den kleineren 156
157
Blittersdorff, nun wieder bad. Bundestagsgesandter, 13.11. 1847 an den bad. Außenminister Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Bericht Bockelbergs 2. 10. 1847 mit dem Flugblatt als Anlage, GStA Berlin-Dahlem, III. H.A. Nr. 600, Bl. 155; die Offenburger »Forderungen« sind gedr. in Huber: Dokumente Bd. 1, S. 323.
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Staaten des südwestlichen Deutschlands« sich ähnliche Verbote praktisch als unausführbar erwiesen. Alle genannten Vorgänge und Begebenheiten verdichteten sich für den preußischen Bundestagsgesandten Graf Dönhoff zu dem Urteil, daß die Bundesversammlung der aufkommenden Protestbewegung nicht mehr gewachsen war. Wie er wies auch der hessische Bundestagsgesandte Freiherr von Gruben auf den »schleppenden Gang« von Verhandlungen hin, die bei der Bundesversammlung koordinierte Maßnahmen und Institutionen zur Herstellung der inneren Sicherheit bewerkstelligen sollten; dazu trugen vor allem die Rücksichten bei, »welche sich einer leidigen Erfahrung gemäß von manchen Seiten einer einstimmigen Beschlußnahme über alles, was in die innern Landesverwaltungen einschlägt, entgegenstellen«.158 Bereits zweimal hatte die Vergangenheit gelehrt, welche Schwierigkeiten es bereitete, zur Erhaltung der »inneren Sicherheit« des Bundes gemäß Artikel 2 der Bundesakte zentrale Bundesinstitutionen einzurichten, denn als »organische Bundes-Einrichtungen« bedurften sie der Einstimmigkeit (Bundesakte Art. 7). Nur der Überrumpelungsstrategie Metternichs im Verein mit Preußen war es gelungen, die Mainzer und dann die Frankfurter Untersuchungsbehörde ins Leben zu rufen. In der Situation des Jahres 1847 war Österreich, das sich im Präsidum durch Dönhoff vertreten ließ, nach dessen Urteil in seinen Aktionen für Süddeutschland ganz paralysiert und vorzugsweise mit Italien, Ungarn und der Schweiz beschäftigt.159 In dieser Lage versuchte Dönhoff, was Metternich 1833 bei der Begründung des Mainzer Informationsbüros mißlungen war: die dichte Kooperation mehrerer deutscher Bundesstaaten ausschließlich auf politisch-polizeilichem Gebiet unter Umgehung der Bundesversammlung in die Wege zu leiten. Dazu entwarf er ein »Pro Memoria«, das am 18.11. 1847 fertiggestellt war.160 Er wies als Ausgangspunkt seiner Argumentation auf die zunehmenden »Umtriebe der radicalen Parthei im Südwesten Deutschlands«, begünstigt durch das Übergewicht des >Radikalismus< in der Schweiz. Die größere Regsamkeit sei in Turn-, Gesangvereinen, Lieder- und Lesekränzchen sowie in vielen »Demonstrationen« der Deutschkatholiken und Lichtfreunde zu beobachten. Besonders alarmierend erschienen ihm die Pläne zur Bildung einer politischen deutschen Turnerschaft und die Aufstellung von Freischaren sowie überhaupt das Wirken »in einem Sinn und nach einem Plan« mit der Tendenz, »formell in ein organisches einheitliches Ganze« unter dem Namen der »deutschen Turnerschaft« zu verschmelzen. Die sich häufenden spontanen Zusammenkünfte, Besprechungen, publizistischen Mitteilungen, begünstigt durch leichtere Beweglichkeit mittels 158
159
160
Gruben 29. 11. 1847 an Thil, StA Darmstadt G 2 A Konv. 52, Fasz. 13, Bl. 5; vgl. zu Grubens polizeilichen Zentralisierungsbemühungen im Jahre 1832 oben, S. 89, 91. Bericht Dönhoffs 5.12. 1847 No. 94, GStA Berlin-Dahlem, III. H.A. Nr. 39, Bl. 333-336. Dönhoff reichte das »Pro Memoria« mit seinem Bericht vom 18.11. 1847 No. 86 Außenminister Canitz ein, ebd., der Bericht Bl. 308-310, das Memorandum Bl. 311-313; von diesem findet sich ein weiteres Exemplar im BayHStA München MA 1815.
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Eisenbahn und Dampfschiff, legte das Deutungsmuster einer grenzüberschreitenden planmäßigen Aktionseinheit nahe. Dönhoff erblickte Schwerpunkte der politischen Erregung in Baden (besonders Mannheim und Heidelberg), im Großherzogtum Hessen, im südlichen Nassau und südlichen Kurhessen, in Homburg und vor allem in Frankfurt, das durch seine verkehrsgünstige Zentrallage und vielen nahen Grenzen mit Fluchtmöglichkeiten in einen benachbarten Staat zum Vereinigungspunkt der > Radikalen* geworden war. Hier wie immer wieder im behandelten Zeitraum drängte die größere politische Mobilität der Bevölkerung zur Verdichtung der polizeilichen Bürokratien: Dagegen ist die polizeiliche Aufsicht dieser verschiedenen Territorien eine durchaus zersplitterte und aller Einheit entbehrende, welche sich in dem alten schwerfälligen, schriftlichen, langsamen, bisherigen Geschäftsgang bewegt und daher überall von der Parthei der Bewegung überflügelt wird. Die Action der Aufsichtsbehörden der genannten sechs deutschen Staaten kann daher nur dann der radikalen Parthei gegenüber gewachsen und wirksam seyn, wenn sie eine concentrirte und gemeinschaftliche wird.161
Der preußische Bundestagsgesandte umriß den spezifisch politisch-polizeilichen Geschäftszweig, indem er von den betroffenen Regierungen »eine Concentration und eine recht beschleunigte Action ihrer beaufsichtigenden und ihrer präventiven Organe« forderte. Dazu entwarf er in seinem »Pro Memoria« einen bisher in der Forschungsliteratur unbekannten Organisationsplan, 162 der vorsah: - jede der sechs Regierungen designierte einen geeigneten Polizeibeamten; - dieser sollte für den ganzen Bereich seines Territoriums speziell nur die politischen >Umtriebe< überwachen, was bedeutete, einen amtlichen Spezialisten mit zentralistischen Sondervollmachten auszustatten; - sämtliche Beamten der verschiedenen Territorien sollten in Korrespondenzen »fortlaufend und regelmäßig direct mit einander in Verbindung« stehen; - zusätzlich sollten »häufige und persönliche Zusammenkünfte« zum Zweck mündlicher Besprechungen, Verabredungen und des beschleunigten Austausches aller Nachrichten und Notizen die engere Zusammenarbeit befördern; - schließlich galt es, die »Feststellung eines permanenten gemeinschaftlichen homogenen Operationsplans« zu erreichen; - als Konferenzort war Frankfurt am Main vorgesehen, nicht zuletzt, um die dortige Polizei zu beeinflussen, die bisher am wenigsten tätig geworden sei. Dieser Plan bedeutete einen Vorgriff auf die seit 1851 praktizierte Form politischpolizeilicher Kooperation in Gestalt von >Wochenberichten*, >Polizeikonferenzen< und unmittelbarerer Korrespondenz der leitenden Polizeibehörden verschiedener deutscher Staaten. Das Neuartige im Vergleich zu allen politisch-polizeilichen Konzentrationsbemühungen der vorausgegangenen Jahrzehnte lag 1847 in dem 161 162
Dönhoff-Bericht 18.11. 1847, wie Anm. 160. Zwar berührt Valentin: Geschichte der deutschen Revolution Bd. 1, S. 164f., bes. S. 165, Dönhoffs Aktivitäten am Bundestag, läßt indessen den polizeilichen Organisationsplan des Gesandten außer acht; ebenso: Oers.: Frankfurt am Main und die Revolution von 1848/49. Stuttgart, Berlin 1908, S. 281f. 113
länderübergreifenden, grenzüberschreitenden direkten Kontakt von Polizeibehörden unter Ausschaltung des traditionellen, durch die Gesandtschaften vermittelten diplomatischen Geschäftswegs. Abgesehen von dem Zweck, schnellere und dichtere Kommunikation herzustellen, ist als tieferer Beweggrund dieses Vorschlags zu erkennen, daß sich die politisch-polizeilich erheblichen Vorfälle und Nachrichten 1847 derart häuften: Die Gesandtschaften, die traditionell nebenher auch dieses hauptsächlich observierende Geschäft wahrnahmen, waren in ihren Wirkungsmöglichkeiten, die auch zeitraubende Recherchen über die Triftigkeit der Informationen hätten einschließen müssen, schließlich überfordert, so daß Dönhoff wünschte, es möchten die Bundestagsgesandten »mit polizeilichen Aufträgen untergeordneter Natur verschont bleiben«; überdies würde bei einer Verlagerung auf »eigentliche Polizeibeamte« die Bundesversammlung nicht in den Ruch einer Einmischung in innere Landesangelegenheiten geraten. 163 Der hessen-darmstädtische dirigierende Staatsminister Thil erkannte den besonderen Charakter des Plans, indem er feststellte, daß es nicht klar ist, in welcher Eigenschaft Herr Graf Dönhoff sein Pro Memoria ausgehen ließ? In der eines dermaligen Präsidenten der Bundes Versammlung kann es nicht seyn, da nicht von Bundes Maaßregeln gesprochen wird.164
In der Tat bezeichnete Dönhoff seinen Plan auch als eine »Privat-Ansicht«;165 er handelte allerdings mit Vorwissen und Billigung seiner Regierung, nicht zuletzt, weil sein Polizeikonzept die Angelegenheiten anderer preußischer Gesandtschaften tangierte, die in den projektierten Mitgliedsstaaten akkreditiert waren. Als nähere Umstände der Aktivitäten Dönhoffs waren die traditionellen Neigungen der Bundestagsgesandten beider deutscher Großmächte zu erkennen, »ihre hiesigen Gesandtschaftsposten zugleich als Observationsposten für die näherliegenden Bundesstaaten« zu betrachten. Auch von den Vorgängern Nagler (Preußen) und Münch (Österreich) war das bekannt. 166 Das wird die noch zu behandelnde enge Zusammenarbeit zwischen dem geheimpolizeilichen Mainzer Informationsbüro und der österreichischen Präsidialgesandtschaft noch konkret erweisen. Gerade die Recherchen des Mainzer Büros trugen wesentlich zum Kenntnisstand über die Vorgänge im Rhein-Main-Gebiet bei, die Dönhoff als Argumente in sein »Pro Memoria« aufgenommen und die der badische Bundestagsgesandte Blittersdorff regelmäßig nach Karlsruhe meldete. Blittersdorff, vom badischen Außenminister Dusch zur Preisgabe seiner Informationsquelle über die politischen >Umtriebe< genötigt, gab die österreichische Bundestagsgesandtschaft an, »welche ihre geheimen Agenten überall besitzt, nicht selten aber ungenau berichtet wird«.167 163
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Dönhoff in einem Gespräch mit Blittersdorff, festgehalten in dessen Bericht No. 80, 25. 11. 1847, an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Thil 28. 11. 1847 an Gruben, StA Darmstadt G 2 A Konv. 52 Fasz. 13, Bl. 6f. Blittersdorff 17. 11. 1847 No. 77 an Dusch, GLA Karlsruhe, Abt. 48/1802. Gruben 29.11. 1847 an Thil, StA Darmstadt, wie Anm. 164, Bl. 8. Blittersdorff 24. 11. 1847 No. 78 an Dusch, GLA Karlsruhe, wie Anm. 165.
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Blittersdorff war nachdrücklich bestrebt, die von seiner Regierung mit großer Skepsis aufgenommenen, Baden belastenden politischen Nachrichten zu erhärten und konnte dazu auch mit zwei Agentenberichten - einem davon aus Zürich aufwarten, die aus der Tätigkeit des Informationsbüros stammten. 168 Insgesamt blieb der geheimpolizeiliche Datenstrom zum Dönhoff-Projekt jedoch weitgehend verborgen. Wie weit der Plan allerdings über eine bloße »Privat-Ansicht« hinausging, zeigte der Nachdruck, den der mittelbar durch eine großangelegte diplomatische Aktion des preußischen Außenministers in Sachen des südwestdeutschen und Schweizer Radikalismus erhielt. Ohne sich direkt auf Dönhoffs Plan zu beziehen, unterrichtete Canitz detailliert in einer Zirkularnote vom 27. 11. 1847 über das »Treiben der revolutionären Propaganda« und brachte dazu die im »Pro Memoria« erwähnten, um weitere Einzeltatsachen vermehrten Informationen bei. Die Note ging an die Regierungen in Stuttgart, Kassel, Karlsruhe, Dresden, Hannover, München, Darmstadt, an den Senat von Frankfurt und an die königlichen Bundestagsgesandten. 169 Auf die Reaktionen wird noch näher einzugehen sein. Zunächst stellt sich jedoch die Frage nach den Realisierungschancen des Dönhoffschen Polizeivereinsprojekts. Der preußische Gesandte hatte zunächst die Minister Dusch (Baden), Thil (Hessen-Darmstadt) und Dungern (Nassau) von seinen Vorschlägen unterrichtet. In einem zweiten Schritt benachrichtigte er anschließend über die Bundestagsgesandten die Regierungen von Bayern, Württemberg und Kurhessen. 170 Mit Blittersdorff stand Dönhoff in besonders engem Kontakt; ihn hatte er bereits am 16.11. 1847, als er sein »Pro Memoria« nach Berlin abgehen ließ, in seine Vorstellungen über die »Handhabung der höheren Sicherheitspolizei« eingeweiht und ihm auch tags darauf das Memorandum ausgehändigt. 171 Danach überließ der preußische Gesandte die Sache zunächst sich selbst, indem er erklärte, die Handhabung der Polizei sei Sache der einzelnen Staaten. Er wollte den Anschein einer Bevormundung der Mittelstaaten durch die Großmächte vermeiden. 172 Andererseits ergriff Blittersdorff von sich aus die Initiative, indem er die Bundestagsgesandten von Hessen (Gruben!) und Nassau unterrichtete, bei seiner Regierung anregte, auch Württemberg einzuschalten173 und überdies auch dem bayerischen Bundestagsgesandten eine Abschrift des Plans aushändigte, als ihm ein die Rheinpfalz betreffender Agentenbericht zugegangen war.174 Schließ168
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Blittersdorff 27.11. 1847 No. 86 an Dusch, mit den zwei Agentenberichten als Anlagen, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. In Baden vom preuß. Geschäftsträger Graf Arnim in Karlsruhe am 5.12. 1847 übergeben, ebd. Bericht Dönhoffs 5. 12.1847 Nr. 94, GStA Berlin-Dahlem, III. H.A. Nr. 39, Bl. 333-336. Blittersdorff 16. 11. 1847 No. 75 u. 17.11. No. 77 an Dusch, wie Anm. 168. Blittersdorff 25.11. 1847 No. 80 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Blittersdorff 25.11. 1847 No. 83 (!) an Dusch, ebd. Blittersdorff 1.12. 1847 No. 89 an Dusch, ebd.
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lieh erfuhr Blittersdorff von dem Regierenden Bürgermeister Freiherr von Günderode, auch Frankfurt werde sich an dem Projekt beteiligen.175 Ende Januar 1848 hatten alle sechs ursprünglich in Betracht gezogenen Staaten (also ausgenommen Bayerns) einen Polizeibeamten als Kommissar für den geplanten Zusammenschluß ernannt: 1. das Großherzogtum Hessen den Provinzialkommissar Freiherrn von S t a r c k , 2. das Großherzogtum Baden den Polizeiamtmann von Karlsruhe B u r g e r , 3. das Kurfürstentum Hessen den Hanauer Polizeidirektor von H e p p e , 4. das Herzogtum Nassau den Regierungsrat F a b e r aus Wiesbaden, 5. die Freie Stadt Frankfurt den dortigen Polizeiassessor im Polizeiamt Dr. B e e r , 6. das Königreich Württemberg den Stuttgarter Stadtdirektor von G a e r t t n e r . 1 7 6 An dieser Zusammenstellung ist bemerkenswert, daß die Hälfte der Genannten (Starck, Beer, Burger) in der späteren Reaktionszeit nach 1848 für ihre Länder als politisch-polizeiliche Spitzenbeamte im 1851 institutionalisierten Polizeivereinssystem tätig wurden, Starck und Beer im - vom sächsischen Regierungsrat Eberhardt begründeten - Korrespondenzverbund des >Rayons< Sachsen, Burger seit Februar 1859 als badischer Vertreter im >Polizeiverein< und als Leiter der politischen Polizei im Landesinnern, nachdem er als solcher bereits während der Revolution 1848 tätig geworden war. Diese Tatsache dokumentiert einmal mehr wie in den später näher erläuterten Fällen Lüdemann, Goldheim, Hofrichter (Preußen), Clannern von Engelshofen (Österreich), Wermuth (Hannover), daß die Regierungen der größeren deutschen Staaten bei einigen Spitzenbeamten des politisch-polizeilichen Ressorts eine bisher nicht aufgedeckte beachtliche personelle Kontinuität über die Revolution von 1848/49 hinweg hatten bewahren können. Mit der Benennung der Kommissare waren im Januar 1848 alle Voraussetzungen geschaffen, »das fragliche Geschäft [...] durch schriftliche Communicationen, oder persönlichen Zusammentritt, seinen Anfang nehmen zu lassen«.177 Den besten Beweis für die volle Verwirklichung der Polizeikooperation stellt die Durchführung von Polizeikonferenzen dar. Der Darmstädter Provinzialkommissar Starck hatte zum 20. Januar 1848 zu einer solchen nach Frankfurt eingeladen. Sie fand tatsächlich - wenn auch ohne Teilnahme des badischen und württembergischen Kommissars - statt; über die Ergebnisse der Beratungen fertigte man ein nicht mehr erhaltenes Protokoll an; die Kritik des badischen Ministers Dusch daran läßt immerhin einige Grundzüge rekonstruieren: 178 Man beschloß die 175 176
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Blittersdorff 4.12. 1847 No. 90 an Dusch, ebd. Zusammenstellung im Bericht Grubens 4.2. 1848 an Thil, StA Darmstadt G 2 A Konv. 52 Fasz. 13, Bl. 25. Wie Anm. 175. Dusch 11. 2. 1848 an Bekk; Bekk 14. 2. 1848 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802; meine Nachforschungen nach diesem oder weiteren Protokollen in München, Darmstadt, Wiesbaden, Stuttgart, Karlsruhe, Frankfurt und Berlin-Dahlem blieben erfolglos; mit großer Wahrscheinlichkeit haben sich die Aufzeichnungen zur Polizeikonferenz am Tagungsort Frankfurt, also später im dortigen Stadtarchiv, befunden; dafür spricht auch
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Überwachung der Turnvereine und ähnlicher Vereinigungen, gegenseitige Mitteilung über Ausweisungen verdächtiger Fremder sowie über relevante Ergebnisse eingeleiteter Untersuchungen und über Nachrichten zu verdächtigen Pulver- und Waffenankäufen und -transporten. Zugleich entwickelte die Konferenz bereits bei ihrem ersten Zusammentritt die Tendenz zur Verselbständigung als eigene Institution ganz ähnlich der Polizeivereinsentwicklung seit 1851. Der badische Innenminister Bekk kritisierte als den Charakter des Zusammentritts »die Bildung einer förmlichen Commission«. Auch brachte die Polizeikonferenz den ressortüberschreitenden allgemeinpolitischen Anspruch zur Geltung, wie er dem politischpolizeilichen Verständnis umfassender Revolutionsabwehr und des allgemeinen Staatsschutzes wesenseigen entsprach; das zeigte sich, als sich die Polizeibeamten »mit allgemeinen Maßregeln«, darüber hinaus gar mit »solchen, welche der deutsche Bund zu veranlassen habe«, befaßten. Das sich hier abzeichnende Kompetenzproblem und der beanspruchte, sich institutionalisierende politisch-polizeiliche Wirkungskreis übertrafen folglich bei weitem die badische Absicht, durch gegenseitigen Nachrichtenaustausch lediglich strafgerichtlich verwertbare Tatbestände zu erwerben. Einen solchen Übergriff erkannte Dusch auch in gemeinsam beabsichtigten Verbotsmaßregeln. Erst die von den Revolutionserfahrungen bestimmte Reaktionspolitik schuf zeitweilig die Voraussetzungen für eine sich verselbständigende, von den Regierungen gebilligte Polizeipolitik. Die badische und württembergische Regierung hatten zwar Kommissare benannt, zögerten jedoch, diese an Polizeikonferenzen teilnehmen zu lassen. Dusch und Beroldingen als verantwortliche Außenminister spielten die politische Gefährdung durch die Protestbewegungen im Lande herab; obwohl Dusch den Dönhoffplan im Prinzip guthieß und Württemberg zur Teilnahme ermunterte, erklärte er jedoch in auffälliger Verkennung der Lage, er sehe »in den Vorgängen der neuesten Zeit keinen besonderen Grund, zu außerordentlichen und irgend auffallenden polizeilichen Maßnahmen zu schreiten«.179 Beroldingen hielt an Polizeikonferenzen teilzunehmen solange für »nicht räthlich, als nicht bestimmtere Notizen über den Zusammenhang der radicalen Umtriebe vorliegen«. 180 Beide Staaten orientierten sich noch stark an den vormärzlichen Bundesuntersu-
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der Hinweis des Repertoriums der Senatsakten Bd. 2 unter der Rubrik »Polizeiamt« mit den alten Signaturen Β 115-123, darunter zu Β 120 No. 6 »Turngemeinde dahier allgemeines Turnfest. 1847-48« (auch im BayHStA München MA 1815 fand sich Dönhoffs Memorandum unter dem Betreff »Turn- u. Gesangvereine«!); außerdem: Valentin: Frankfurt, S. 282 geht kurz auf die Stellung des Senats zu der am Ort abgehaltenen Polizeikonferenz ein und gibt als Quellennachweis eben jenen Bestand Β 120 (vgl. S. 543) an; diese Senatsakten sind während des letzten Krieges zerstört worden. - Die nach Wiesbaden gerettete Überlieferung Frankfurts HStA Wiesbaden Abt. 5 führte gleichfalls nicht weiter. Dusch 3. 2. 1848 an den württ. Geschäftsträger Wächter in Karlsruhe, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Beroldingen 16. 2. 1848 an Wächter, ebd.
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chungskommissionen, die jeweils von einem eklatanten, auf Verschwörung deutenden Faktum ausgegangen waren. Eine solche Situation schien den Politikern nicht gegeben; dabei verkannten sie das Neuartige des Dönhoffkonzepts, durch geheime polizeiliche unmittelbare Kooperation kontinuierlich und intensiv über die >Umsturzpartei< im Bilde zu sein, um so deren Mobilität und Schnelligkeit mit einem homogenen Polizeikonzept präventiv unterlaufen zu können. Baden und Württemberg versuchten demgegenüber, jeden möglichen Ansatz zu vereiteln, der Bund könne mit einer eigenen Kommission wie 1819 und 1833 wieder zentral politisch-polizeilich tätig werden. Darum erhielt die Frage der Ortswahl für die Polizeikonferenzen besondere Bedeutung: Wie die badische Regierung bevorzugten der württembergische König, seine Minister des Äußern und Innern Darmstadt vor Frankfurt als Konferenzort, »da an letzterem Orte solches Zusammentreten eher Gefahr läuft, ständig zu werden, und Schein oder Natur einer Bundesmaaßregel anzunehmen«. 181 Diese Befürchtung war nicht grundlos, denn zwei Monate später war bereits das Gerücht von »Conferenzen der Polizey-Beamten süddeutscher Bundesstaaten wegen der dermaligen politischen Umtriebe« in die Öffentlichkeit gelangt und dabei die Teilnahme von Bundestagsgesandten - irrtümlich - behauptet worden. Tatsächlich wurde dann auch »schon verschiedentlich ausgesprengt, daß die sogenannte schwarze Commission wieder in Thätigkeit getreten sey«. 182 Das bezog sich auf die 1842 vertagte Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde! Diese Befürchtungen, der Bund könnte sich mit zentralen polizeilichen Maßnahmen betätigen, hatten die bayerische Regierung unter Fürst Oettingen-Wallerstein bewogen, sich ganz von dem Dönhoffprojekt zu distanzieren. Als der bayerische Bundestagsgesandte Legationsrat Gaßer durch Blittersdorff von dem Memorandum erfuhr, empfahl er darüber »die größte Vorsicht und ein strenges Geheimniß«, damit die ohne Zweifel sehr notwendige Überwachung nicht »den Anschein eines Spionirsystems« gewinne und den Radikalismus in noch stärkere Aufregung versetze. 183 Der hier anklingende Grundgedanke, polizeiliche Maßnahmen könnten die Unruhe nur vergrößern, dieser sei mit politischen Mitteln zu begegnen, bestimmte die Stellung Oettingen-Wallersteins. In einem Vortrag an König Ludwig I. empfahl er dem >Radikalismus< zu begegnen durch »das conservative Element, d. h. den Inbegriff aller Besitzenden und Berechtigten durch ein weise bemessenes Zumaaß öffentlicher Freiheiten zu einem großen lebendigen selbstbewußten thatkräftigen Ganzen zu vereinigen« und als »festes Bollwerk« gegen den >Radikalismus< zu benutzen. 184
Außerdem forderte er Belebung der Agrikultur und Industrie, »HumanitätsAnstalten« aller Art und kräftige Förderung der Auswanderung, um »wirklicher 181 182 183 184
Der bad. Gesandte Porbeck in Stuttgart 10.12. 1847 an Dusch, ebd. Blittersdorff 16. 2. 1848 No. 21, G L A Karlsruhe Abt. 48/5196. Gaßer 1. 12. 1847 an Oettingen-Wallerstein, BAyHStA München MA 1815. Vortrag Oettingen-Wallersteins 6 . 1 2 . 1847 an König Ludwig I., ebd.
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Noth unter den Proletariern wirksam vorzubeugen«. Dieses von ihm angestrebte erhaltende Prinzip sah der Minister erfolgreich in England verwirklicht, während die Bemühungen Louis Philippes in Frankreich mit einer »parti conservateur« gescheitert seien. Darüber hinaus und nicht zuletzt äußerte Oettingen-Wallerstein wie seine Vorgänger die typischen Befürchtungen um die staatliche Unabhängigkeit Bayerns, an denen bereits zwischen 1835 und 1838 Metternichs Pläne eines zentralen politisch-polizeilichen Nachrichtendienstes des Bundes gescheitert waren: E r deutete Dönhoffs Plan als Versuch der beiden Großmächte, »wie schon zuvor das Phantom irgend einer socialen Gefahr hervorzurufen, um die minder mächtigen Staaten irgendwie von Neuem [!] zu knebeln«. 185 Das kurz darauf vorliegende Zirkular des preußischen Außenministers Canitz bestärkte Oettingen-Wallerstein noch in der Ansicht, in Berlin und Wien sei man »so gerne geneigt, sich gegen die deutschen Staaten 2. und 3. Rangs in dieser Beziehung tadelnd zu äußern«, und erklärte sich »entschieden dagegen, daß die Bundesversammlung immer nur als oberste Polizei-Behörde Deutschlands auftrete«; solche Polizei zu üben sei »Sache der einzelnen Regierungen«. 186 Damit war zweifelsfrei, daß jeder von der Bundesversammlung ausgehende Versuch zur Bildung einer zentralpolizeilichen Institution, zu der es der Einstimmigkeit bedurfte, auch angesichts der zunehmend gefährlicheren vorrevolutionären Phase im Herbst 1847 am Veto Bayerns gescheitert wäre. Dönhoff hatte in richtiger Einschätzung dieser Situation bei seinem Polizeivereinsprojekt die Bundesversammlung von vornherein umgangen. Unter strukturgeschichtlichem Gesichtswinkel bleiben einige Folgen der preußischen Vorstöße hervorzuheben; sie betreffen die binnenstaatliche zentrale Organisation der politischen Polizei. Für Hannover wird noch am andern Ort zu zeigen sein, wie man dort erst durch die Canitz-Note auf die vom Vereinswesen ausgehende Gefährdung der politischen Stabilität und vor allem auf die bei den Polizeibehörden des Landes fehlenden Informationen aufmerksam wurde und wie man dort mit neuen Methoden Abhilfe schuf. 187 Wie es im Dönhoffplan schon angelegt war, führten auch in Baden die alarmierenden, von Blittersdorff aus Frankfurt zugeschickten Nachrichten zu einer binnenstaatlichen Konzentration der politischen Polizei, wie sie nach der Revolution im Februar 1852 reorganisiert wurde. Auf die Informationen über die Bildung von Freischaren und einer in Mannheim angeregten deutschen Turnerschaft hin berief der badische Innenminister Bekk unverzüglich am 1 6 . 1 1 . 1847 eine Konferenz »einiger zur Wachsamkeit in dieser Sache besonders berufener Beamten« ein. Hier ist der Kreis der als
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Wie Anm. 184. Der bad. Gesandte in München Rüdt von Collenberg über ein Gespräch mit OettingenWallerstein 11. 12. 1847 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Behandelt unten, S. 202f.
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Spezialisten Angesprochenen und ihre Funktion und Stellung innerhalb der Staatsbürokratie beachtenswert; es fanden sich ein: - der Regierungsdirektor des Unterrheinkreises Geheimrat S c h a a f f , - der Stadtdirektor von Freiburg K e r n , - der Stadtdirektor von Heidelberg N e u b r o n n , - der Regierungsdirektor aus Karlsruhe R e t t i g , - der Polizeiamtmann von Karlsruhe B u r g e r , - der Ministerialdirektor aus dem Innenministerium B r u n n e r , - der Polizeireszipient im Innenministerium Ministerialrat Weizel. 1 8 8 Bekk verpflichtete sie zu »großer Verschwiegenheit« und trug ihnen auf, die Vereine genau zu beobachten, festzustellen, ob und wo Versammlungen stattfänden und ob sich eine größere Zahl von Personen nach auswärts begebe. Über besondere Ministerialverfügungen wurden sämtliche Amtsvorstände mit der Fahndung nach dem Aufruf »An alle deutschen Männer« beauftragt, die anwesenden Teilnehmer jeweils mit der Überprüfung der von Blittersdorff genannten Verdächtigten betraut, Schaaff übernahm es zudem, »über die ganze Sache vorsichtigerweise auch im Heßischen, wo die Versammlungen statt gefunden haben, Erkundigungen zu veranlassen«. Damit waren innerhalb Badens die politisch-polizeilichen Maßnahmen von einer Zentrale aus gesteuert und eingeleitet. Der bald darauf vorliegende Bericht Schaaffs bestätigte in mehreren Punkten die Mitteilungen Blittersdorffs, konnte aber keine ernstliche Verschwörung im Badischen aufdecken. Indessen überrascht er durch seine realitätsgerechte Einschätzung der Chancen einer Verschwörung, das hieß einer zielstrebig geleiteten, geheim angebahnten politischen Aktion: Allein! vorbereitet ist dazu Alles durch die Vereine, mögen sie Namen haben wie sie wollen, und im entscheidenden Augenblick hat man seine Leute, ohne daß es dazu einer vorgängigen förmlichen Verabredung bedürfte.189
Die wachsende Organisiertheit zwischen einzelnen wichtigen politischen Führungspersonen erschien als die eigentliche Gefahrenquelle. Der Dönhoffplan sah vor, daß ein Beamter gegenüber den andern auswärtigen höheren Polizeibeamten für das jeweils eigene Territorium in politisch-polizeilichen Sachen zu sprechen kompetent sein müßte. Das erforderte im Innern eine Zuordnung von Befugnissen auf den betreffenden Kommissar; das erfolgte in Baden anläßlich der Bestellung Burgers zum badischen Vertreter: In einer speziellen Ministerialverfügung des Innenministeriums wurde Burger zur Korrespondenz nach außen ermächtigt und zugleich zum zentralen Mittelsmann im Innern bestimmt, »daß diese Umtriebe gehörig überwacht werden« und an den die vier Regierungsdirektoren und sämtliche staatlichen Polizeibeamten in den größeren Städten deshalb ihre politischen Beobachtungen und Ermittlungen einzugeben hatten; es waren im einzelnen die Städte Freiburg (Stadtdirektor Kern), Heidel188 189
Bekk 21. 11. 1847 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Bericht Schaaffs 29.11. 1847 an Bekk, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802.
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berg (Stadtdirektor Neubronn), Offenburg (Oberamtmann Lichtenauer), Mannheim (Stadtdirektor Riegel) und Konstanz (Oberamtmann Fieser). Eine derartige politisch-polizeiliche Konzentration wurde in ähnlicher Weise nachrevolutionär wieder aufgenommen, dann allerdings mit einem Ministerialrat des Innenministeriums als Zentralfigur, der mit Weisungskompetenz ausgestattet war, also nicht mehr dastand wie noch Burger, »ohne daß die anderen Behörden in ihrer eigenen Competenz aufgehoben oder beschränkt« wurden. 190 Es entstand so die - später auch bei der Polizei in Berlin, Hannover, Stuttgart oder München wieder vorzufindende - Situation, daß die für politische Polizei besonders und landesweit ermächtigte Polizeidirektion der Residenzstadt formell im Instanzenzug auch den Mittelbehörden nicht übergeordnet war, durch ihre tatsächliche Geschäftskompetenz jedoch überlegen und dadurch führend wurde; diese Zwittersituation barg allerdings auch manche Keime institutionell bedingter, später dann mitunter erbittert durchgefochtener Konflikte. Die badische Konstruktion enthält überdies ein weiteres Indiz für die mehrfach zu beobachtende personelle Kontinuität der politisch-polizeilichen Funktionsträger aus dem zweiten Glied, denn nicht nur Burger und Weizel wurden später für Baden auf Polizeivereinsebene tätig: Fieser war gar der erste Kommissar des Landes in jener Organisation. Noch vor Ausbruch der Revolution begann Burger seine Recherchen, so anläßlich der Turnerversammlung »revolutionärer Art« am 9.1. 1848 in Hattersheim, wozu er auch das Gendarmeriekorpskommando einzuschalten befugt war.191 Insgesamt hatte man in Baden also innerstaatlich auf politisch-polizeilichem Feld alle erforderlichen Voraussetzungen geschaffen, um sich an den Aktionen des südwestdeutschen Polizeivereins wirkungsvoll zu beteiligen. Indessen: der Dönhoffplan kam zu spät, wurde von den andern Beteiligten nicht intensiv genug verwirklicht und krankte am Fehlen der Großmächte, um - aus der Sicht der Regierungen - gegenüber der heraufziehenden Revolution wirksam werden zu können, ja es stellte sich bereits damals die Frage, ob politischpolizeiliche Verständigungen auf institutioneller Basis dazu überhaupt ausreichten. Bei den führenden deutschen Politikern setzte sich im Laufe des Jahres 1847 zunehmend eine fatalistische Revolutionserwartung durch: Bereits im Oktober 1847 bemerkte Thil in Hessen mit Blick auf die politische Lage in Europa, »daß bei dem dermaligen Zustande der Gemüther Deutschland auf den bisherigen Wegen bedeutenden Catastrophen entgegengehen dürfte«. 192 Blittersdorff vermiete bei allen Beteiligten den rechten Eifer in der Durchführung des Dönhoffplans und erklärte sich das »wohl in dem richtigen Gefühle, daß mit policeylichen Maaßregeln, allein, nicht mehr zu helfen ist«; deshalb hatte er bereits sehr 190 191 192
Ministerialverfügung Bekks 17. 12. 1847, ebd. Bekk 3. 2. 1848 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802. Bericht Bockelbergs 21.10. 1847 No. 39 an Canitz, GStA Berlin-Dahlem, III. H . A . Nr. 600, Bl. 189.
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frühzeitig bei der Bundesversammlung auf militärische Abwehrmaßnahmen des Bundes gegenüber der Schweiz - freilich erfolglos - gedrungen. 193 Metternich und Canitz sahen demgegenüber mehr Erfolg bei Kongressen, einem europäischen der fünf Garantiemächte der Schweiz im Dezember in Neuenburg, 194 dann (in Konzentration auf die inneren Verhältnisse des Bundes in gemeinsamen Zirkulardepeschen vom 7. und 8. März 1848 an die Bundestagsgesandten) bei einem Ministerkongreß der siebzehn deutschen Regierungen des Engeren Rats der Bundesversammlung bis spätestens zum 25. 3. 1848 in Dresden. 195 Mit dem seit der Restaurationszeit praktizierten Mittel eines Ministerkongresses sollte der inneren Ordnungspolitik der Weg gewiesen werden, und zwar unter den drei Leitthemen Maßregeln zur Aufrechterhaltung der inneren Ruhe und Ordnung - an erster Stelle!-, zweitens Diskussion der auswärtigen, nun besonders die gerade ausgebrochene Februarrevolution in Frankreich angehenden Fragen und schließlich die »Entwicklung der Bundes-Institutionen« mit Rücksicht auf »die nationalen Bedürfnisse«. 196 Zu diesem Zeitpunkt hielten die anderen Regenten jedoch wie der nassauische Herzog »zur Aufrechthaltung der Autorität der Regierung sowie der Erhaltung der Ordnung und Ruhe es für durchaus geboten«, sich nicht aus dem eigenen Land zu entfernen. 197 Auch Metternich und Canitz konnten keine großen Hoffnungen mehr an einen Dresdner Kongreß geknüpft haben, da sie bereits vor Ausbruch der französischen Revolution am 22. Februar 1848 sich jenem erwähnten Revolutionsfatalismus hingaben, so der preußische Außenminister am 24. Januar mit der Bemerkung gegenüber Metternich: »Allem Anschein nach trägt das Jahr 48 eine Krisis in seinem Schooß«, so der österreichische Staatskanzler in seiner Entgegnung am 4. Februar: »Wir stehen dem Übel gegenüber und müssen es für das nehmen, was es ist! Das Übel heißt die Revolution«. 198 Im Rahmen dieser Untersuchung wird es um so wichtiger sein herauszustellen, wie trotz der revolutionären Ereignisse politisch-polizeiliche Kontinuitäten bestehenblieben, wie andererseits bereits während der Revolution im Sommer und Herbst 1848 und sofort gegen sie gerichtet neue Ansätze zur Wahrnehmung dieses polizeilichen >Geschäftskreises< greifbar wurden.
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Blittersdorff 1.12. 1847 No. 89 an Dusch, GLA Karlsruhe Abt. 48/1802; Vorschlag zur Aufstellung von Bundeskontingenten an der Grenze zur Schweiz hin im Schreiben 17.11. 1847 an Dönhoff, »vertraulich«, aufzustellen »von Constanz bis Basel«, BA Frankfurt DB 1/442, Bl. 82f. HStA Wiesbaden Abt. 210/11341, bes. Metternich 5. 12. 1847 an Menßhengen. HStA Wiesbaden Abt. 210/11391. Ebd. Der nassauische Staatsminister Freiherr von Dungern 16. 3. 1848 in seiner Antwort auf die erwähnten Zirkulardepeschen, HStA Wiesbaden Abt. 210/11391. GStA Berlin-Dahlem Rep. 92 Canitz Nr. 12.
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DRITTES KAPITEL:
Politische Polizei in deutschen Bundesstaaten zwischen 1815 und 1848
I. Österreich 1. Staatspolizei unter Sedlnitzky und Metternich Die innenpolitischen Verhältnisse Österreichs zwischen dem Wiener Kongreß und der Revolution von 1848 wurden maßgeblich von dem Wirken der Polizeihofstelle geprägt, die für diese Epoche unter der Leitung des aus Troplowitz in Österreichisch-Schlesien gebürtigen Josef Graf Sedlnitzky stand. 1 Bereits 1815 zu deren Vizepräsident ernannt, wurde er 1816 mit dem Tod des seitherigen Präsidenten Hager dessen Nachfolger. Durch einige teilweise sehr gründliche und gediegene Spezialuntersuchungen haben wir Kenntnis, wie weit die von Pergen konzipierte, die ganze Monarchie erfassende Polizeiorganisation unter Sedlnitzky ausgebaut und weitreichend in die Wirklichkeit umgesetzt worden ist. Als Informationsgang war folgendes System fest institutionalisiert: Der Präsident legte dem Kaiser wöchentlich Vorträge vor; diese erhielt er mit den entsprechenden kaiserlichen Resolutionen wieder zurück. Daraufhin erließ Sedlnitzky Weisungen an die Landespräsidien und an die Polizeidirektionen (Polizei-, General· oder Oberdirektionen). Umgekehrt erhielt er von diesen Berichte, Meldungen und Anzeigen. Eine Untersuchung über die Staatspolizei im vormärzlichen Tirol und Vorarlberg entwickelt mit allen wünschenswerten Einzelheiten Organisation, Tätigkeit und Betroffene dieser Polizei.2 Durch ihre Lage zwischen dem deutschen und italienischen Raum und die Nachbarschaft zur Schweiz hin erschien diese Provinz im Sinne Metternichscher Maximen einer besonderen 1
2
Vgl. Oberhummer: Wiener Polizei, Nachtragsbd., S.4; Benna: Polizeihofstelle, S. 249; Michael Forcher: Die geheime Staatspolizei im vormärzlichen Tirol und Vorarlberg. Phil. Diss. Masch. Innsbruck 1966, S. 64-66. Forcher: Wie Anm. 1; es ist hier wie generell zu bedenken, daß das Augenmerk stets auf die politische Polizei gerichtet ist, auch in Aussagen über deren Effektivität; denn der hohe Wirkungsgrad der österr. Staatspolizei stand in einem merkwürdigen, krassen Mißverhältnis zu dem desolaten, teilweise katastrophalen Zustand der gewöhnlichen Sicherheitspolizei, die der Elendsquartiere in den Vorstädten, der großen Zahl von Raubüberfällen, herumziehender Banden, bewaffneter Räuber, generell der unzulänglichen Straßensicherheit nicht Herr werden konnte; das änderte sich erst seit 1849 mit der landesweiten Einführung einer Gendarmerie; vgl. Julius Marx: Die öffentliche Sicherheit in den österreichischen Ländern von 1840 bis 1848. In: Mitteilungen des Instituts f. Österr. Geschichtsforschung Bd. 65 (1957) S. 70-92.
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polizeilichen Überwachung bedürftig; hinzu kamen die dort vorhandenen inneren Widerstände einer traditionsbewußten Bevölkerung gegen die Wiener Zentrale. Hier wie ebenso in Oberösterreich konnte die präventiv tätige Polizei den zaghaften Ansätzen von Liberalismus, deutscher Nationalbewegung, Sozialismus und Görresschem Katholizismus wirkungsvolle Maßregeln entgegensetzen. 3 Wie effektiv dieses System tatsächlich arbeitete, erweist sich bei der Betrachtung, über welche Wirkungsmöglichkeiten eine einzelne Polizeidirektion verfügte. Im Falle der Polizeidirektion Linz ist deren Personalstruktur, Gliederung und Geschäftsorganisation bis ins einzelne durchsichtig, so daß sich Pergens Organisationsprinzip in der Realität bestätigen läßt: Die geheime Staatspolizei ist der >öffentlichen< - ihrem »Deckmantel« - angelagert. 4 Als spezifisch politisch-polizeiliche Geschäfte wurden a) in der Kanzlei des Polizeidirektors getätigt: Protokoll über spezielle geheime Akte, Zensur ausländischer Zeitungen, Rechnungslegung über die geheimen Polizeigelder, monatliche Stimmungsberichte; b) außerhalb der Kanzlei: Beaufsichtigung von Personen und Überwachung der Volksstimmung. Der Polizeidirektor verfügte (1831) über einen Gesamtetat von 24938 Gulden, der Anteil für geheime Dienstauslagen betrug 5550 Gulden, also mehr als ein Fünftel. 5 Bei dieser reichlichen Ausstattung mit Mitteln für geheime Zwecke konnte nötigenfalls eine Überwachung entsprechend intensiv und aufwendig ausfallen. Das läßt sich an der Fremdenkontrolle zeigen: Ein Fremder, ob Reisender, Händler oder Flüchtling, war immer vorab ein verdächtiges Individuum und deshalb sorgfältig zu beschatten; die Wiener Polizeihofstelle meldete der Linzer Polizeidirektion jeweils die zu erwartenden Ausländer und wurde darin noch durch die Grenzstellen unterstützt, die gleichfalls Vorwarnungen und Anfragen schickten. 6 Einen Musterfall solcher Überwachungspraxis bot der Umgang mit dem berühmt-berüchtigten französischen ehemaligen Polizeiminister Joseph Fouche, der in den Jahren 1818 und 1819 in Linz Asyl erhalten hatte. Sedlnitzky wies den Linzer Polizeidirektor Joseph Hoch an, »vertraute Subjekte« auf Fouche anzusetzen und in dem Haus, das dieser beziehen wollte, Vorbereitungen zu seiner genauen Beobachtung zu treffen. In der Tat gewann die Polizei in einem Dr. Weiß, dem späteren Advokaten und Hauslehrer Fouches, ihren besten Vertrauten. Als der prominente Asylant am 27. 8.1818 mit Gefolge von Prag her kommend in Linz eintraf, ließ sich Hoch von 3
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Vgl. Hans Sturmberger: Der Weg zum Verfassungsstaat. Die politische Entwicklung in Oberösterreich von 1792-1861. Wien 1962; Hanns Schiitter: Aus Österreichs Vormärz. I. Galizien und Krakau. II. Böhmen. III. Ungarn. IV. Niederösterreich. Zürich, Leipzig, Wien 1920 = Amalthea-Bücherei Bd. 10-13. Reinhold Hinterleitner: Die Linzer Polizeidirektion in der Ära Metternich. Ihre politische und soziale Bedeutung von 1815 bis 1848, sowie Beiträge zur Geschichte Oberösterreichs im Vormärz. Phil. Diss. Masch. Graz 1973; Teildruck in: Histor. Jahrb. der Stadt Linz. Linz 1976 (1977) S. 11-78. Hinterleitner: Linzer Polizeidirektion (Diss.), S. 42, 183f. Ebd., S. 103.
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allen 18 Anreisenden die Personalien geben (Geburtsname, -ort, -jähr) und schickte die Liste an Sedlnitzky; dieser befahl daraufhin dem Polizeidirektor: sich auf eine umsichtige, dem argwöhnischen und geübten Auge dieses damaligen Polizeiministers nicht leicht bemerkbare Weise, einen Kanal zu fortlaufenden Notizen aus dem Hause desselben zu suchen und insbesondere sich in die Kenntnis der geheimen Wege zu setzen, welcher sich Fouche zur Beförderung seiner Korrespondenz in Linz bedienen dürfte. 7
Er ordnete zugleich an, Dr. Weiß zu benutzen, dazu wenigstens einmal in der Woche einen Beobachtungsrapport einzusenden und die Interzepte beizulegen, die entweder die Salzburger >Postloge< Hoch mitzuteilen habe oder die er selber mache. Der Bruder Napoleons I. und Exkönig Ludwig von Holland (nun »Graf SaintLeu«) gab den Anstoß, das polizeiliche Überwachungssystem auch auf die Kurund Badeorte auszudehnen: Als der Graf 1819 das böhmische Marienbad aufsuchte, sandte Sedlnitzky einen gut geschulten Polizeibeamten von Prag dorthin, bestimmte ihn zum Badepolizeidirektor und ließ sich fortlaufend Berichte einschicken. Daraus wurde eine ständige Einrichtung, so daß auch Goethe (1820, 1822) und der Großherzog Carl August von Weimar Objekt solcher Nachforschungen wurden und in die Berichte des Badepolizeidirektors eingingen. 8 Eine ähnlich sorgsame Betreuung seitens der österreichischen Geheimpolizei wurde 1819 den in Karlsbad versammelten Diplomaten zuteil. 9 Auch der entthronte französische König Karl X. nahm Zuflucht in Österreich. An seinem Aufenthaltsort im Waldviertel wurde er gleichfalls mit sorgfältiger polizeilicher Überwachung bedacht, die allerdings auch seinem Schutz gegenüber möglichen Attentaten diente: Kein Franzose durfte nach Österreich einreisen und Karl aufsuchen, wenn dieser nicht zuvor seine Zustimmung gegeben hatte. 10 Für die Entwicklung der Staatspolizei war bedeutsam, in welchem Kompetenzverhältnis Polizeihofstelle und die Staatskanzlei unter Metternich standen. Es trifft die Behauptung, Sedlnitzkys Behörde sei »der Staatskanzlei unterstellt« gewesen, nicht zu, 11 sondern als Hofstelle war sie selbständig und nur dem Kaiser unterworfen. Sedlnitzky war »organisatorisch von der Staatskanzlei völlig getrennt«, 12 teilte sich aber mit dieser die staatspolizeilichen Geschäfte. Der 7
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Sedlnitzky 1. 9. 1818 an Hoch, zit. nach Hinterleitner: Linzer Polizeidirektion (Diss.), S. 97f. Vgl. Josef Rauscher: Sedlnitzkys Polizeiorgane in Marienbad. In: Anton Ernstberger (Hrsg.): Heimat und Volk. Forschungsbeiträge zur sudetendeutschen Geschichte. Festschr. f. Wilhelm Wostry. Brünn (u.a.) 1937, S. 479-502. Näheres bei Büssem: Karlsbader Beschlüsse, S. 260-262. Vgl. Edmund Daniek: Metternichs geheime Staatspolizei im Waldviertel. In: Das Waldviertel N. F. Bd. 5 (1956) S. 179-187. So Heinrich Ritter von Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. Bd. 1-3. München 1925/54, Bd. 1, S. 493. So Julius Marx: Metternichs Gutachten zu Grillparzers Gedicht »Campo vaccino«, S. 53. In: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft N. F. Bd. 2 (1942), S. 49-69. - In diesem Beitrag geht Marx auch grundsätzlich auf das Verhältnis beider Hofstellen ein.
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Staatskanzler hatte zwar Einfluß auf die Richtung der polizeilichen Tätigkeit, Weisungen konnte er aber nur mittelbar über kaiserlichen Auftrag erteilen. Andererseits war Metternich - wie im Zusammenhang mit dem im Ausland befindlichen Mainzer Informationsbüro nachweisbar ist - für den Einsatz auswärtiger Agenten auf die Zuweisungen aus dem Dispositionsfonds der Polizeihofstelle angewiesen; generell gesprochen war Sedlnitzky für das Innere der Monarchie zuständig, 13 der Staatskanzler für staatspolizeiliche Betätigungen nach außen hin. Diese auf das Äußere gerichtete Form der Staatspolizei (>hohe PolizeiVortrags< an den Kaiser persönlich. Dieser genehmigte Metternichs Ansinnen und ermächtigte ihn zugleich, den neugewonnenen Agenten mit Mitteln aus dem geheimen Polizeifonds des Präsidenten der Polizeihofstelle zu bezahlen. Es war also nicht der Fonds der Staatskanzlei für die Finanzierung auswärtiger Agenten zuständig. Metternich beauftragte Binder, die Pläne der deutschen, französischen und übrigen Propaganda auszuforschen. 33 Am 28. 3.1833 schickte der Staatskanzler Kalchberg erneut zu Binder nach Biel und formulierte präzise die Einstellungsvoraussetzungen: 34 Binder erhielt den Decknamen »Narding«, eine jährliche Besoldung von 1000 Gulden, Tagesdiäten für persönlichen Lebensunterhalt von 5 Gulden. Er galt »als in den k. k. StaatsDienst eingetreten«. Das war außergewöhnlich, denn sonst erreichten Konfidenten so gut wie nie diesen heißersehnten - weil existenzsichernden - Eintritt, wie sich auch bei der Auflösung des Mainzer Informationsbüros zeigte.35 Allerdings blieben bei Binder/Narding Titel und explizite Definition seiner Amtsfunktion einer zukünftigen Regelung vorbehalten; gebe er jedoch öffentlich bekannt - so Metternich - , österreichischer Konfident zu sein, »würde er sich des Mittels, seine wie unsre vereinte(n) Zwecke zu erreichen, durch dieses Geständniß unbedingt berauben«; das hieß, ein enttarnter Agent war für seinen Dienst unbrauchbar geworden. Deshalb mußte der Gymnasialprofessor einen vorgeschobenen Grund für sein Ausscheiden aus dem Amte ersinnen. Hier wie häufig befahl Metternich sodann, seinen Brief sogleich nach Erhalt zu verbrennen. Ein bezeichnender Vorfall zeigt, daß Binder zu Anfang Metternichs tiefere Absichten bei dem Einsatz von Agenten noch nicht begriffen hatte. Bei seinem ersten Einsatz war er gemeinsam mit Kalchberg dem ehemaligen Hofgerichtsadvokaten und späteren Schriftsteller Hartwig Hundt-Radowsky auf der Spur. Dieser hatte 1832 in Straßburg in Heften ein Periodikum »Die Geißel« herausgegeben, dessen zweites Heft den pamphletistischen Aufsatz »Steine und Kalk zum 32 33 34 35
Metternich 26. 2. 1833 an Binder, ebd., Bl. 2. Vortrag Metternichs 24. 3. 1833 an Kaiser Franz, ebd., Bl. 108. Metternich 28. 3. 1833 an Kalchberg, ebd., Bl. 112-114, 122f. Die Feststellung von Fritz Antonius, »kein einziger der Konfidenten« zwischen 1830 und 1848 habe den Eintritt in den Staatsdienst erreicht, trifft also im Falle Binders nicht zu; vgl. Fritz Antonius: Zum Konfidentenwesen des Vormärz, S. 81. In: Histor. Blätter. Wien. Bd. 7 (1937) S. 79-88. 131
Ehrendenkmal für den Fürsten von Metternich« enthielt. 36 Binder riet Metternich, den Verfasser nach Basel zu locken und dort festnehmen zu lassen. Das hielt der als »Teufel der Mitternacht« Angegriffene für »ganz ungereimt«. Es ging ihm nicht um die »Verhaftung eines Bösewichts«, sondern darum, dessen »Spießgesellen« kennenzulernen. Die Verhaftung eines einzelnen erschien ihm »doch sicherlich kein Mittel, tiefer in ihre Complotte zu dringen«.37 Dennoch gewann er von Binder anfangs einen vorzüglichen Eindruck: Im April 1833 hatte er ihn nach Straßburg geschickt; er folgte hierin Binders ursprünglichen Hinweisen und gab zu erkennen, daß er sich selbst noch in der Explorationsphase befand, wo der Ansatzpunkt gegen die geheimen Verschwörungen zu finden sei. Aus Binders »mit großer Gewandtheit« durchgeführter Aktion ergab sich für ihn, daß Straßburg »nicht der Centraipunkt, sondern ein bequemer Stappelplatz der Verschwörung« sei.38 Immerhin hielt er die gewonnenen Aufklärungen für so bedeutungsvoll, daß er dem Kaiser Binders Bericht vorlegte, 39 ebenso Sedlnitzky, und überdies schickte er Auszüge daraus an die Könige von Preußen, Bayern und Württemberg. Der preußische Oberkammerherr Fürst Wittgenstein, Metternichs politisch-polizeilicher Ansprechpartner, hatte jene Informationen König Friedrich Wilhelm III. vorgelegt. 40 Metternich ging es darum, »die Fuge zu entdecken, durch welche die deutsche Revolutionsparthey mit der französischen Propaganda verbunden ist«. Deshalb beorderte er Binder nun nach Paris. Durch den österreichischen Gesandten Fürst Schönburg in Stuttgart hatte sich Binder alias Narding 1000 Francs und zugleich einen württembergischen Paß aushändigen zu lassen. Der württembergische König und dessen Außenminister Graf Beroldingen sollten zwar Zweck und Ergebnisse der geheimen Mission kennenlernen, keineswegs aber die wahre Identität Nardings, »daß unser Werkzeug ein württembergischer Unterthan ist«. Binders Reiseroute sollte vorab noch in die Schweiz, dann nach Mainz zum dortigen Leiter des neubegründeten Informationsbüros gehen, bis er endgültig nach Paris aufzubrechen hatte. 41 Der österreichische Gesandte in Paris, Hügel, war genau mit Binders Mission vertraut und suchte ihn in jeder Hinsicht zu unterstützen. Dessen Rechenschafts36
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Näheres dazu bei Glossy: Geheimberichte, Anm. bd., S. 21; Hundt-Radowsky schrieb in seinem Aufsatz über Metternich: »Durch seine Federstriche ist mehr Blut, sind mehr Tränenströme geflossen, als durch das Schwert manches großen Feldherrn. Er ist der Teufel der Mitternacht, der mit tyrannischer Faust jeden Aufschwung des menschlichen Geistes zu hemmen, jedes Streben nach Freiheit und höherer Veredlung zu ersticken sucht«; ebd. Metternich 20. 4. 1833 an Noe/Nordberg HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie Nr. 279 (Fasz. 194) Bl. 368. Metternich 28. 4. 1833 an Schönburg, ebd., Bl. 352f. Vortrag Metternichs 1. 5. 1833 an Kaiser Franz, ebd., Bl. 383f. Wittgenstein 9. 5. 1833 an Metternich, ebd., Bl. 7f. Metternich 28. 4. 1833 an Schönburg, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 279 (Fasz. 194), Bl. 352f.
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bericht aus Paris gibt Einblicke, mit welchen Methoden sich den Emigranten zu nähern war. Binder suchte den Ort auf, wo sie häufig zusammentrafen: die Buchhandlung Heideloff in Paris. Dort kaufte er sämtliche Werke Heines und Börnes, erwarb sich dadurch zugleich Vertrauen und Interesse des Buchhändlers und konnte sodann Kontakte zu Emigranten knüpfen. Er korrespondierte mit Heine, dessen Briefe er Metternich einsandte, hatte auch persönliche Begegnungen mit anderen prominenten Deutschen in Paris. Er berichtete von seinem ersten Treffen mit Heine, dieser scheine »ziemlich indifferent gegen mich«, der Umgang insgesamt »ziemlich fruchtlos«; in einem späteren Gespräch gab sich der Dichter mitteilungsfreudiger, teilte gar mit, er habe in der österreichischen Gesandtschaft einen, »der mir Alles sagt, was er selbst weiß«.42 Dem in Agentendiensten wenig erfahrenen Binder entging dabei, daß Heine ihn offensichtlich durchschaut hatte. Denn im September erschien Metternich Binder, »den der pfiffige Heine sehr bald witterte« - wie er sich ausdrückte - als Kundschafter in Paris untauglich. Er zog zugleich daraus die Lehre, daß ein Agent in Paris nicht vorsichtig genug auftreten könne, um kein Mißtrauen zu erregen, klammerte die österreichische Gesandtschaft fortan von diesem Geschäft aus und gab Verhaltensregeln, die neben deutlicher Intelligenz beachtliche schauspielerische Fähigkeiten bei den Konfidenten voraussetzten. Nicht zu Unrecht erwartete er beides von dem Aktuar des Mainzer Informationsbüros Bauernschmid (Deckname »Braun«). Metternichs Anweisung soll hier zusammenhängend wiedergegeben werden, weil sie dokumentiert, wie subtil er sich in die Rolle eines Agenten und in die Denkbahnen der von ihm verfolgten politischen Oppositionellen hineinzuversetzen in der Lage war: die beste Rolle dürfte die eines gemüthlichen Enthusiasten seyn, den das Studium für die liberalen Theorien empfänglich und warm gemacht hat; der die Umwälzung der bestehenden Ordnung der Dinge in Deutschland, und besonders in Oesterreich wünscht, selber auch von dem gemeinschaftlichen Streben so vieler Tausende von Gleichgesinnten hofft, der jedoch nicht glaubt, daß die bestorganisirten geheimen Verbrüderungen mächtig genug seyen, um Regierungen zu stürzen, denen so große Heere und so wachsame Polizeyen zu Gebote stehen. 43
Unverkennbar war das Kalkül dieser Rolle darauf angelegt, die Auszuhorchenden zu Mitteilungen zu provozieren, worin sie ihre - geheime - für Aktionen erfolgversprechende Stärke sehen könnten. Bauernschmid alias Braun war solchen Erwartungen gewachsen: Er fand beispielsweise Zugang zum Hause Lafayettes. In der Folgezeit schränkte sich Binders Einsatzradius weiter ein. Zunächst hatte er die Universitäten Freiburg und Heidelberg zu bespitzeln. 44 Im Dezember 1833 galt er »durch einige Unvorsichtigkeiten« für die westliche Schweiz als »unverwendbar«, in Zürich jedoch »noch [!] mit Erfolg verwendbar«. 45 Im Mai 1834 42
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»Ausführlicher Rechenschaftsbericht über meine Wirksamkeit in Paris vom 23. Mai 11. Juni 1833«, ebd., Bl. 332/4-8. Metternich 9. 9. 1833 an Nordberg, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 280 (Fasz. 196) Bl. 365, 385. Ebd., Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 64. Urteil Nordbergs, ebd., Bl. 337. 133
formulierte Metternich für Binder eine Instruktion zu einer Mission in der Schweiz, die zugleich durchblicken läßt, wo Schwächen des Berichterstatters lagen: - Metternich verbat sich einen »Schwall von Wiederholungen bekannter Thatsachen«; - er hatte in Zürich geheim vorfühlen lassen, ob Binder dort bereits als österreichischer Agent bekannt war; - er ließ Binder spezielle Anweisungen vom Leiter des Mainzer Informationsbüros zukommen; - er befahl, nicht »an der Oberfläche« zu bleiben, Zeitungsberichte zu übergehen, sondern »mehr in die engeren Vereine« zu dringen und zu berichten, »was die Rädelsführer vorhaben und nachweislich verschweigen«; - es ging ihm besonders um gemeinsame »Entwürfe« der italienischen, polnischen und deutschen Emigranten. 46 Binder mußte selbst seine Schwierigkeiten auf geheimpolizeilichem Feld bemerkt haben, denn er verlegte sich zunehmend auf die Publizistik und Schriftstellerei, durch die er auch die Wertschätzung Metternichs zu gewinnen suchte: Er schrieb unter anderem das panegyrische Buch »Der deutsche Horatius Fürst Clemens Metternich und sein Zeitalter«, das 1836 erschien und zu dem er bei der Polizeihofstelle und seinem Geldgeber Sedlnitzky um einen Druckkostenzuschuß angehalten hatte. Am 10. 5. 1837 erhielt er auf eigenen Wunsch die Entlassung aus dem österreichischen Staatsdienst, um nach Württemberg zurückkehren zu können. Metternich bescheinigte ihm in der Entlassungsurkunde, daß Binder »die Erwartung, die ich mir von Ihrer Brauchbarkeit gemacht hatte, vollkommen gerechtfertigt« habe und bewilligte die außergewöhnlich hohe Abfindung von 4500 Gulden. 47 Das Lob scheint gemessen an dem bisher Dargestellten übertrieben, jedoch hatte Binder zum rechten Zeitpunkt den Absprung geschafft; denn im Jahre 1842 war Binder durch den Publizisten Gustav Bacherer öffentlich enttarnt worden; dieser Vorgang war auch Metternich bekannt geworden, so daß dadurch Binder für geheime Einsätze nur noch schwerlich brauchbar erschien. Als der Staatskanzler sich im gleichen Jahre wieder einmal genötigt sah, »einen kalten, ruhigen, scharfsinnigen Beobachter nach der Schweiz zu schicken, der in den Umtrieben der Sekten und Parteien wohl bewandert und zugleich den höheren politischen Rücksichten nicht fremd ist«, sprach er Binder diese zweifache Befähigung ausdrücklich ab. 48 46 47
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Metternich 5. 5. 1834 an Sedlnitzky, ebd., Nr. 282 (Fasz. 198) Bl. 505-507. Der Chef der Obersten Polizeibehörde Kempen 13.10. 1853 an Außenminister Buol, HHStA Wien, IB, Actes de haute police, Krt. 30. Metternich 29. 10. 1842 an Engelshofen, abgedr. bei Adler: Geheimberichte Bd. 1, S. 169f., das Zitat S. 170; die Enttarnung findet sich in Bacherer: Cartons, S. 119, wo mitgeteilt wird, es habe der »Herausgeber einer geistlosen Panegyrik Metternich's, Dr. W. Binder in Ludwigsburg, 3000 Gulden« erhalten, und zwar aus dem »geheimen Fonds« des Staatskanzlers; Näheres zu Bacherer vgl. oben, S. 107.
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Binder verlegte sich ganz auf historische, politische und kirchliche Schriften vielfach polemischen Inhalts. Nach seiner Konversion hatte er seit 1848 die Redaktion der in Augsburg erscheinenden »Realencyclopädie für das katholische Deutschland« inne, jedoch entsann er sich angesichts der revolutionären Zeitverhältnisse wieder seiner geheimpolizeilichen Tätigkeit, die er nun im Nebenerwerb betrieb. Hier kam ihm zugute, daß der zweite und letzte Leiter des Mainzer Informationsbüros Clannern von Engelshofen inzwischen im österreichischen Innenministerium die politische Polizei bearbeitete und Binders politisch-polizeiliche Beiträge empfahl. Zwischen 1849 und Mitte 1852 lieferte er - auf Honorarbasis - wieder solche Artikel. 49 Diese Beständigkeit im geheimpolizeilichen Dienst ist frappierend und deutet auf eine wechselseitige Abhängigkeit der Regierungsträger und ihrer Konfidenten; solange die Amtsträger in jedem Anzeichen politischer Opposition und Vereinsbildung den kommenden Revolutionsausbruch vermuteten, liehen sie bereitwillig konfidentiellen Mitteilungen, die diese Erwartungen zu bestätigen schienen, ihr Ohr. Binder hatte seine größten Chancen 1833 und 1849 jeweils in der Explorationsphase beim (Wieder)Aufbau eines Agentensystems. Mit zunehmender büromäßiger Organisation geheimpolizeilicher Kräfte mußte er professionelleren Konfidenten das Feld überlassen. Gleichwohl blieb er als »früherer Agent des Fürsten Metternich« in den Kreisen der politischen Polizei bekannt oder je nach Standpunkt abgestempelt: Noch 1860 etikettierte ihn der hannoversche Generalpolizeidirektor Wermuth im Korrespondenzverkehr auf der Ebene des nachrevolutionären Polizeivereins so, nun allerdings mit der Erkenntnis, Binder sei ein entschiedener Feind Österreichs geworden und engagiere sich für den frankreichfreundlichen, von Napoleon III. unterstützten »Straßburger Correspondent für West- und Mittel-Europa«. 50 3. Die Begründung des Mainzer Informationsbüros: Anfangskonzeption, Fragestellungen Wie ernst Metternich die Anzeigen des Bieler Professors Binder genommen hatte, geht allein daraus hervor, daß er davon Kaiser Franz, Sedlnitzky, Preußen, Bayern und Württemberg unterrichtete. Weiterhin lagen ihm Agentenberichte aus Frankfurt und Paris vor, die den Plan einer großen Verschwörung andeuteten, deren Fäden bis nach Paris liefen, die auf einen allgemeinen Umsturz und auf die Befreiung der verhafteten Redakteure Wirth und Siebenpfeiffer - der prominentesten Wortführer des Hambacher Fests - hinzielen sollten.51 Es ist aufschlußreich 49 50
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Näher behandelt unten, S. 312. Wermuth 11.4. 1860 an den bad. Polizeivereins-Kommissar Burger, GLA Karlsruhe Abt. 236/8753. Die Agentenberichte finden sich im HHStA Wien, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 278 (Fasz. 193) als Beilagen zum Brief Metternichs 26. 2 1833 an Wrede, Bl. 8-27; vgl. auch Viktor Bibl: Metternich in neuer Beleuchtung. Sein geheimer Briefwechsel mit dem bayerischen Staatsminister Wrede. Wien 1928, S. 190 u. 363.
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f ü r Metternichs A r t zu kombinieren und die Glaubwürdigkeit der Mitteilungen daran zu messen, daß sie »von ganz verschiedenen und weit getrennten Punkten dieselben Thatsachen« boten. Daraus Schloß er, »daß die radicale Parthey einen C o u p im Schilde trägt«. Angesichts dieser Vorzeichen entwickelte Metternich am 26. 2.1833 in einem Brief an den bayerischen Feldmarschall W r e d e (seinem bayerischen Wittgenstein) erstmals das Konzept eines zentralen Informationsbüros zur geheimen politischpolizeilichen Überwachung mit Standort in Mainz. 5 2 Die Lage erforderte f ü r ihn »höchste A u f m e r k s a m k e i t der Regierungen«. E r berief sich zur staatlichen Gegenaktion auf ein Argument, das - wie sich noch zeigen wird - im Fortgang der Geschichte der politischen Polizei typologischen Charakter gewann, wenn es galt, polizeiliche Konzentrationsbemühungen zu begründen: D e r Staatskanzler urteilte zu Recht, getrennte Entdeckungen der einzelnen Regierungen und lange Korrespondenzen führten zu nichts. »Ich kenne in allen Sachen der Art nur Ein ausgiebiges Mittel, und dieß ist die Centralisation.« 5 3 D e n n die Maßregeln der »Feinde« bewiesen, daß dies das richtige Mittel sei. Die Anhänger der Revolution hätten sich einer Disziplin unterworfen: einen >foyer d'ententefoyer de depart< und einen >centre d'union< geschaffen. Erst seitdem seien sie »praktisch gefährlich« geworden. Die Konsequenz für die Regierungen bedeutete: »Ein Mittelpunct - ein Punct, in den alle Strahlen convergiren und sich zum hellen Lichte bilden, m u ß nöthiger Weise geschaffen werden.« 5 4 Für eine Institution wie die ehemalige Mainzer Zentraluntersuchungskommission sah er - vor dem Attentat vom 3. April - keine Chance. Es sei ein Fehler gewesen, sie aufzuheben; man hätte sie nur - wie er gefordert hatte - vertagen sollen. Z u r Zeit könne eine »ähnliche formelle Behörde« nicht geschaffen werden. Was also zu geschehen habe, müsse »schnell und völlig ganz im Geheimen« entstehen. Ein Z e n t r u m müsse gebildet werden: - möglichst nahe der Bewegung, in Frankfurt oder in Mainz; - F r a n k f u r t biete Möglichkeit, Individuen unter dem Deckmantel der Bundestagsgesandtschaft anzustellen, aber die Stadt sei ein - der Geheimpolizei abträgliches - »wahres Klatschnest«; - in Mainz könnte ein österreichischer Polizeiverständiger beim Festungsgouvern e m e n t und ein preußischer beim Festungskommando angestellt werden; - ein bayerischer Vertrauter sei ebenfalls hinzuzuziehen (wegen Rheinbayerns, das ein »wahres foyer« bilde), ebenso ein württembergischer. - Ihre A u f g a b e sei, »die revolutionäre Verschwörung« zu erforschen und den vier Regierungen zu berichten. - Metternich nannte die geplante Institution eine »Informationsbehörde«\ Ihm war mit ihr allein an geheimpolizeilicher Observation, nicht an Ausübung 52
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Metternich 26. 2. 1833 an Wrede, HHStA Wien, ebd., Bl. 8f„ 24-27, gedr. bei Bibl, S.363-366. Ebd. Wie Anm. 53.
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gerichtlicher oder exekutivpolizeilicher Funktionen (etwa Ergreifung von >RädelsführernNetzesRadikalen< würden erkennen, daß die >Massen< in ihrer Liebe zur Bewegung erkaltet seien, die >Partei< selbst sei durch diesen Rückgang gefährdet. Einen »Aufstand der Massen« könne man nicht leicht, in den meisten Teilen Deutschlands gar nicht erzielen; wenn sich dies auch so verhalte, so steht es anders mit thätlichen Angriffen auf Personen, mit Ereignissen, die Schreck verbreiten, und wie die Leute hoffen, die Verwirrung und die Entmuthigung herbeiführen sollen. 60
Nicht der Ausbruch einer Revolution galt ihm als reale Gefahr für die Stabilität des >SystemskompromittiertNordbergKanzlei< hatte er ein »Zentral-Protokoll« angelegt, das den gesamten Geschäftsverkehr nach Eingangsdatum, Art der Bearbeitung und Kurzcharakterisierung der Materie kennzeichnete. 72 Außerdem wurde eine sogenannte »Revue generale« geführt, 73 aus welcher die periodisch vorzulegenden Nomenklaturen, das hieß der alphabetische »Revolutions-Index« der Mitglieder der >Propaganda< und der geheimen Vereine verfaßt wurde. Wie effektiv trotz kleiner Besetzung das Büro arbeitete, zeigt der daraus hervorgegangene handliche Index »Characteristische Details über die Vereine und Mitglieder der Revolutions-Parthey« für 1833: Darin kommen alle bis Ende 1833 bekannt gewordenen Vereine und Mitglieder der gegenwärtigen revolutionären Parthei in Deutschland, ferner jene Städte und Ortschaften und Vereinigungspunkte vor, wo sich ein Hauptsitz oder eine Filiale dieser Verbrüderung entweder erwiesenermaßen befindet, oder doch deren Existenz mit Grund voraussetzen läßt. 74
Bei der Abfassung des Verzeichnisses beachtete man, wie ausdrücklich mitgeteilt wird, Kürze und Präzision des Ausdrucks, Konzentration auf die »Merkmale und Lebensmomente« der Hauptführer der Oppositionsbewegung; alles »Schwankende und Zufällige« sollte vermieden werden, »nur das Probehältige aufgenommen, Vermuthungen und ungewisse Kombinationen dagegen immer als solche besonders angeführt werden«. Vergleicht man diese Arbeitsweise an Personaldaten mit Leistungen der parallel tätigen Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde - etwa deren berüchtigtem »Schwarzen Buch« muß diese weniger professionell erscheinen. Das Verzeichnis des Informationsbüros dokumentiert eine beachtliche strategisch operierende Intelligenz, die verschiedene Merkmale zur Eingrenzung der Hauptverfolgten kombinierte und auf Versachlichung bei der Datenaufnahme tendierte, indem Wert auf die Stichhaltigkeit der Angaben gelegt wurde und zwischen Verdacht und Tatbestand unterschieden wurde. 75 Allerdings entfiel für Nordberg das Problem der Frankfurter Untersuchungsbehörde, ob seine Verdächtigungen sich 71
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Nordberg 8.11. 1833 No. 39 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 207 Solche Protokolle sind überliefert ebd t , Nr. 291 (Fasz. 208-210), darin »Index zum Mainzer Central-Protokoll 1833-1836». Das ist zu entwickeln aus Nordbergs »Entwurf zur Organisirung einer systematisch wirkenden geheimen Polizey in Deutschland«, ebd., Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 333-345. Wie Anm. 72. Zur Veranschaulichung sei die Notation zu Paul Pfizer als Beispiel mitgeteilt: »Schriftsteller. Früher Justiz-Assessor in Tübingen und Verfasser des >Briefwechsels zweier Deutschen^ Mußte wegen dieser Schrift den Staatsdienst quittiren und ist jetzt eines der einflußreichsten Oppositionsmitglieder der Württembergischen Kammer. Talentvoller, lyrischer Dichter. Er steht mit Zürich in Korrespondenz.«
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gerichtlich bewähren würden. Wer Revolutionär war, bestimmte er aus eigenem politischen, teilweise von Metternich vorgegebenem Urteil.
5. Die Stellung des Informationsbüros zur Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde Am 30. 6.1833 hatte die Bundesversammlung mit dem »Bundesbeschluß wegen eines gegen den Bestand des Deutschen Bundes und die öffentliche Ordnung in Deutschland gerichteten Complotts« ihre Zentraluntersuchungsbehörde begründet. Das ließ die Bereitschaft Bayerns und Württembergs merklich abkühlen, sich an dem von Metternich geplanten Zentrum zu beteiligen, zumal die Regierungen beider Staaten durch Kommissare in der Behörde vertreten waren. Zuvor hatte Bayern bemerkenswerterweise neben einem in Mainz beschäftigten Beamten (Hofrat Nau) für eine Observationsfiliale des Mainzer Büros in Aschaffenburg den Postmeister Freiherr von Kleudgen in Aussicht genommen, der bereits unter Montgelas seine Tauglichkeit für Geheimpolizei bewiesen hatte. 76 Als Metternich dann aber mit Blick auf die Zentraluntersuchungsbehörde bei seinem bayerischen Korrespondenzpartner Wrede nachfragte, antwortete dieser, er sei »übrigens ganz der Meinung, daß nunmehr von der beabsichtigten Geheimen Commission Umgang genommen werden kann«. 77 Diese Lösung hätte der Staatskanzler auch für sich erwogen, aber bereits eine knappe Woche nach dem Bundesbeschluß beschieden: »Unser Mensch wird in jedem Falle am Rhein bleiben und an Graf Münch angewiesen seyn.«78 Das bestätigt die bereits vor dem Attentat wahrnehmbaren Intentionen Metternichs: Er begriff die Observationstätigkeit des Büros losgelöst von einer einzelnen spektakulären Aktion, mit der er dauernd aufs neue rechnete, und sah es in dem größeren Zusammenhang, gegen die revolutionären Bestrebungen ein politischpolizeiliches Gegen->Netz< zu spannen. Jedoch erblickte er bei der Frankfurter Kommission, die Graf Münch nicht als Justiz-, sondern als »staatspolizeiliche Zentralbehörde« qualifizierte, 79 durch ihren Zugriff auf die Einzelstaaten einen spezifischen Vorzug: Sie konnte aus Prozeßakten selbst schöpfen, hatte weit mehr Mittel, »ein vollständiges Bild der in den deutschen Staaten unter Beistand und Mitwirkung der revolutionären Parthey im Auslande angezettelten Verschwörung zu liefern«. 80
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Vgl. oben, S. 54 Anm. 44 u. 45; der Vorgang in den bayer. Akten MA 1668. Wrede 27. 7. 1833 an Metternich, vgl. Bibl.: Metternich, S. 384. Metternich 4. 7. 1833 an Wrede, HHStA Wien, Staatskanzlei, Serie, Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 365. Münch 6. 7. 1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Serie, Nr. 279 (Faszl. 195) Bl. 422. Metternich 30. 8. 1833 an Nordberg in seiner 2. Instruktion für ebd., Nr. 280 (Fasz. 196) Bl. 296-298.
im BayHStA München
Deutsche Akten, alte Deutsche Akten, alte das Informationsbüro,
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Ihr Vorzug machte zugleich ihre Schwäche aus, so daß andererseits das Informationsbüro ihr in vieler Hinsicht überlegen war, denn - die Kriminalverhandlungen wiesen überall bedeutende Lücken auf, »zu deren Ergänzung die polizeiliche Wirksamkeit mehr als die Justiz vermag«; - in den meisten deutschen Staaten erschien Metternich die Polizeiorganisation nur sehr unvollkommen ausgebildet; es könne sich jedoch oft der Fall ereignen, daß Nachforschungen »im Polizeiwege schnell und geheim« vorgenommen werden müssen; 81 - das Büro war nicht auf offizielle Quellen beschränkt; - es war zwar nicht imstande, einzelne Gegenstände gründlich zu verfolgen, bearbeitete jedoch ein weitreichenderes, bis ins außerdeutsche Ausland zielendes Feld; - es konnte Daten liefern über >UmtriebeRevolutionspartei< ausgesandten Emissäre nötigten den Staat zu gleichen Mitteln, die »in nichts anderem bestehen als in der Verwendung geheimer Agenten«. Er erkannte den Kernbereich seiner Arbeit in der Organisierung und Handhabung eines wirkungsvollen Kundschafterwesens; er stand hierin dem österreichischen nachrevolutionären Verständnis des Kundschafterwesens als der »Staatspolizei im engeren oder eigentlichen Sinne« nahe, wie es der Leiter der Obersten Polizeibehörde seit 1852, Kempen, zugrundelegte. Da Nordberg es in seinem Entwurf eigens forderte, läßt sich schließen, daß er seither darüber noch nicht verfügte, sondern gezwungen war, persönlich und mit zwei oder drei Konfidenten (Binder und dem hauptamtlichen Bauernschmid) verhältnismäßig unsystematisch seine Recherchen einzuholen. Was er vorschlug, war ein System von Agenten an den Schwerpunkten politischer Unruhe, vor allem im Ausland. Als wichtigste Observationspunkte nannte er 1. Paris, wofür ihm Bauernschmid nach seinen seitherigen Leistungen besonders tauglich schien, 2. London, das nur zeitweilig zu besetzen und gleichfalls von dem des Englischen mächtigen Bauernschmid zu betreuen war; 3. Schweiz, hier Zürich, für das er Binder als sehr wichtig einschätzte, 84
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Vgl. die bei Kowalski: Hauptberichte, abgedr. Materialien der Zentraluntersuchungsbehörde; desgl. oben, S. 97. HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 333 bis 345.
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4. Straßburg als Durchgangsort der Flüchtlinge; hierfür war noch nach einem Konfidenten zu suchen; 5. Tübingen wegen der Universität, wo von Lehrenden und Lernenden am meisten in Deutschland gegen die Disziplinargewalt, die die Regierung aufgestellt hatte, »reagirt« werde; am zweckmäßigsten schien ihm, hier einen immatrikulierten Studenten als Agenten ausfindig zu machen. Durch Korrespondenzen seien die Zustände in Gießen, Marburg, Freiburg, Heidelberg, Würzburg und Rheinbayern auszuhorchen. Brüssel, das ihm in letzter Zeit wichtig geworden war, werde von dem preußischen Festungskommandanten in Mainz, Müffling, übernommen. Alle Aktionen sollten im Zentralbüro zusammenlaufen, das verfügen sollte über a) den Leiter (Nordberg), b) einen zugeteilten Beamten zur Führung des Zentralprotokolls und der »Revue generale«, bisher der Adjunkt Bauernschmid, der allerdings wegen seiner hervorragenden Agenteneigenschaften zweckentfremdet und meist auf Reisen war, c) einen vertrauten Diener, das hieß einen Kanzleidiener zur Bewachung der geheimen Akten. Was Nordberg also insgesamt forderte, war ein Gesamtpersonalbestand (der feste Stab) von drei Bürobeamten - den Chef mitgerechnet - und vier Agenten. Als Kosten berechnete er für die Agenten insgesamt 600 bis 700 Gulden monatlich, fürs Zentralbüro 500 Gulden, für Unvorhergesehenes 100 Gulden, also monatlich 1300 bis 1400 (!) oder im Jahr 15000 bis 16000 Gulden. Außerdem drängte er nachdrücklich, das Büro wieder nach Mainz zurückzuverlegen. Denn diese Stadt hatte im Gegensatz zu Frankfurt deutliche Vorteile: - den Landungspunkt aller Reisenden von Basel bis Rotterdam als Zentralpunkt der Dampfschiffahrt, die von deutschen, italienischen und polnischen Flüchtlingen wegen der Schnelligkeit und leichten Umgehung der Paßvorschriften als Reisemittel bevorzugt wurde, - den Schutz der Garnison der Bundesfestung, - durch das dortige österreichische Platzkommando manche exekutive Maßregeln, die sonst außerhalb der Monarchie entfielen, - die Nähe der Taunusbäder, besonders Wiesbadens, wo die Fremden »jeden Kalibers« (Nordberg) zusammenkamen (die tiefere Bedeutung dieses Arguments erschließt sich erst im Zusammenhang mit den Beziehungen des Büros nach Nassau). Der Erfolg von Nordbergs »Entwurf« hing im wesentlichen davon ab, ob der gewünschte Dispositionsfonds in der erforderlichen Höhe bewilligt wurde. Noch im Dezember 1833 nahm Metternich dazu Stellung: Er billigte die Verlegung des Büros nach Mainz und hatte nichts gegen die Höhe der vorgeschlagenen Gesamtsumme einzuwenden, hielt es aber für kaum durchführbar, die Kosten durch 146
laufende Dotation aus der Polizeikasse der Polizeihofstelle zu tragen; sie seien durch »Extraordinarium«, das vom Kaiser zu billigen sei, aufzuwenden und »aus den Finanzen« zu tragen. 86 Allerdings fielen - wie bereits erwähnt - die mit dem Informationsbüro verbundenen Kassenfragen in die Zuständigkeit der Polizeihofstelle. Deren Präsident Sedlnitzky hatte bereits anläßlich einer weiteren Zuwendung für Nordberg (Wechsel über 600 Gulden für einen Einsatz Binders) Metternich darauf hingewiesen, er könne nicht überschauen, ob Nordberg »mit der unerläßig nothwendigen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit« vorgehe; diesem seien bisher schon »bedeutende Geldbeträge« aus dem Polizeifonds zugeflossen. Der Polizeipräsident forderte nachdrücklich, den Polizeifonds zu schonen, da die Erfüllung anderweitiger Aufgaben der Polizeihofstelle bereits gefährdet würden. 87 Trotz solcher Einwände konnte Nordberg seinen »Entwurf« von der finanziellen Seite her - wenn auch mit Einschränkungen - durchsetzen, denn im Jahre 1836, als er einen erneuten Antrag auf weitere Ausdehnung seines Büros stellte, verfügte er bereits über einen Fonds von 12000 Gulden. 88 Auch die im Jahre 1834 erfolgenden personellen Veränderungen zeigen eine Tendenz zur Verwirklichung des »Entwurfs« an: Spätestens im März 1834 erhielt Nordberg als weiteren Beamten den Konzeptspraktikanten Joseph Clannern Ritter von Engelshofen zugewiesen, an dem der Büroleiter bald Eifer und Umsicht loben konnte. 89 Im Juni 1834 kam als neuer Konfident Zacharias Aldinger (Deckname »Albert«) aus Dörzbach an das Büro, eine zwielichtige Gestalt: Er hatte sich auch schon als preußischer Spion verdingt, verkehrte viel mit Mazzini und war tief in die geheimen Pläne der Schweizer Clubs eingeweiht, wurde gar Obmann des Züricher Komitees des »Jungen Deutschland«, 1835 in einen Prozeß wegen der Ermordung des preußischen Spions Lessing verhaftet, als Agent
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Das geht hervor aus Metternichs Schreiben an Sedlnitzky (wie Anm. 82), das allerdings wegen Einwänden des Bundespräsidialgesandten Münch (möglicher Differenzpunkt: die Rückverlegung nach Mainz) nicht abgeschickt worden war. Sedlnitzky 10.11. 1833 an Metternich, ebd., Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 201. Die Summe geht hervor aus der im nächsten Abschnitt (7.) näher behandelten Denkschrift Nordbergs vom 16. 2. 1836, HStA Wiesbaden Abt. 130II/2896-I. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Engelshofen als Polizeikommissar in Begleitung Nordbergs auf einer Reise durch die Schweiz; während Nordberg weiterreiste, blieb Engelshofen noch zu Observationszwecken in Zürich - unter anderem prüfte er auch, wie weit Binder hier noch als österreichischer Agent unentdeckt geblieben war (vgl. oben, S. 134), HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 282 (Fasz. 198) Bl. 344f. mit Bericht Nordbergs 26. 3.1834 aus Bern über Engelshofens Qualitäten; zu Engelshofen vgl. Oberhwnmvr: Wiener Polizei Erg.bd., S. 20, der schreibt, Engelshofen sei bereits 1833 dem Büro zugewiesen worden, was nach Sachlage der Akten aber zweifelhaft erscheint. Am 14.-16. 7. 1834 trat Engelshofen mit seinem ersten großen Bericht in Mainz hervor, worin er über eine dreiwöchige Rundreise durch die Rheinprovinzen berichtete, ebd., Nr. 281 (Fasz. 199) Bl. 215-229. - Im Januar 1835 folgte Engelshofen dem nach Österreich zurückkehrenden Bauernschmid in der Stelle des Aktuars; vgl. Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 266.
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enttarnt und 1837 aus der Schweiz ausgewiesen, damit auch unbrauchbar für das Informationsbüro. 90 Schließlich - neben finanzieller Ausstattung und personeller Verstärkung weist auf die Realisierung des »Entwurfs« auch die Tatsache hin, daß Nordbergs Berichte vom Juni 1834 an ausschließlich aus Mainz kommen und er somit seine Forderung nach Rückverlegung des Büros hatte durchsetzen können. 91 7. Die Ausweitung des Büros seit dem Jahre 1836 Seit Österreich im Jahre 1835 versuchte, die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde in eine reine politisch-polizeiliche Nachrichtenzentrale des Deutschen Bundes umzuwandeln und je mehr sich für Metternich erwies, wie aussichtslos dieses Unterfangen war, um so mehr stieg für ihn die Bedeutung seines geheimen Mainzer Zentrums. Nordberg bestärkte ihn noch darin: Am 16. 2.1836 hatte er ein Gutachten für den Staatskanzler fertiggestellt, das den Titel trug: »Über die Mittel zur Ausforschung und Bekämpfung der revolutionären Umtriebe in und außer Deutschland«; es hat über den konkreten Anlaß hinaus hohen dokumentarischen Wert für die Entwicklung des Informationsbüros, ist indessen bis jetzt vollkommen unbekannt geblieben. 92 Nordberg entwickelte hier die Probleme einer von verschiedenen Bundesstaaten getragenen geheimen Zentralpolizei vor dem Hintergrund der Erfolge seines eigenen Büros. Es ist bemerkenswert, was er bis zu diesem Zeitpunkt als dessen größte Erfolge ansah: - die Entlarvung des Schneidergesellen und späteren Korporals Adam Thoma als Emissär des »Männerbundes«; diese Entdeckung führte zu zahlreichen Verhaftungen, zu Untersuchungen beim Stadtpolizeiamt in Wiesbaden und beim Peinlichen Verhöramt der Freien Stadt Frankfurt und wurde auch bei der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde aktenkundig; 93 90
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Seine Anwerbung im Juni 1834 im HHStA, ebd., Nr. 281 (Fasz. 199) Bl. 23; Näheres noch bei Glossy: Geheimberichte Einleitungsbd. S. CXXXII; Antonius: Konfidentenwesen, S. 83. - Zum Prozeß gegen Aldinger, wo viel über das Treiben von Agenten in der Schweiz zu erfahren ist, vgl.: Der Mord verübt an Ludwig Lessing aus Freienwalde oder aktenmäßige, geschichtliche Darstellung der gegen den Zacharias Aldinger von Dörzbach angeblichen Baron von Eib und übrige Eingeklagte deßhalb geführten Untersuchung nebst Entscheidungsgründen und Urtheil des Kriminalgerichtes des Kantons Zürich. Zürich 1837, darin S. 31: »Aldinger: über den Nordberg gebe er keine Auskunft«. Reinöhl, S. 265 Anm. 28. Es befindet sich als Abschrift im Nassauischen Hausarchiv, das im HStA Wiesbaden unter der Abteilung 130II gelagert ist, und zwar in 130II/2896-I. Das Original lagert im A V A Wien Polizeihofstelle Η 55/1836; es hat durch den Brand des Jahres 1927 so gelitten, daß die untere Hälfte aller Folioseiten vollständig zerstört ist. Eine Identifizierung war deshalb nur durch die unterzeichnete Wiesbadener Abschrift möglich. Vgl. »Aktenmäßige Darstellung der seitherigen Ergebnisse der bei dem Herzoglich Nassauischen Stadt-Polizei-Amte zu Wiesbaden anhängigen Untersuchung wider den Korporal Adam Thoma von Höchst wegen revolutionärer Umtriebe und der bei dem
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- das Nichtbestehen des sogenannten »Königsmörderischen Complotts« von Kempf, Lieber und Ekelberg nachgewiesen zu haben; 94 - die Entdeckung der Emissäre Gollhardt, Schönfeld und Burghardt als Beauftragte des »Jungen Deutschland«, deren Aussagen zu den ersten gerichtlichen Beweisen über das Bestehen jener Verbindung führten; 95 - schließlich überhaupt die Kenntnis des »Jungen Deutschland«, seiner Organisation, Statuten, Mitgliederzahl und Wirksamkeit auf die Handwerkerklubs in der Schweiz.96 Das weitere Schicksal der hier Betroffenen zeigt: Mit der Aufdeckung und der vertraulichen Weitergabe von Informationen war jeweils die Aufgabe des Büros beendet; das Weitere besorgte vermittelnd gegebenenfalls die Frankfurter Untersuchungsbehörde, konkret: ihr Leiter Wagemann; die prozessuale Arbeit erledigten die zuständigen Gerichtsbehörden; in Gerichtsakten hieß es dann, der Frankfurter Untersuchungsbehörde sei »aus guter Quelle eine vertrauliche Mitteilung zugekommen«. 97 Um die Leistungsfähigkeit seines Büros darzustellen, offenbarte Nordberg die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten: Alles habe man »mit sehr beschränkten Mitteln - meistens nur mit zwei oder drei Confidenten« erreicht. Der Erfolg hing im wesentlichen von dem bürokratischen Prinzip ab, das nach der Erfahrung des Praktikers Nordberg der »Natur des Polizei-Dienstes« angemessener war als die in der Frankfurter Untersuchungsbehörde geübte - kollegialische Verwaltung. Nordberg verfügte nach eigener Einschätzung über ein Amt, wo sich die gesammte Amtswirksamkeit in der Person eines Einzigen concentrirt, was schon wegen der nöthigen Geheimhaltung und wegen der in diesem Dienste oft erforderlichen augenblicklichen Verfügungen wesentlich erscheint.
Nordberg spiegelt genau das Amtsbewußtsein, auf das hin die Behörde von Metternich entworfen worden war. Nachdem er 1834 sein Konzept eines schlüssigen Überwachungsnetzes nur in Ansätzen hatte umsetzen können, drängte er nun erneut auf Erweiterung des Büros, um die »Wachsamkeit auf alle gefährlichen Punkte des In- und Auslandes auszudehnen«. Es waren als nötige Punkte nunmehr zu besetzen: Paris, die südliche und östliche Schweiz, Brüssel, Frankfurt und das Innere von Deutschland (Tübingen hatte inzwischen seine Gefahr verloren). Der Verteilungsplan lautete: Das Inland (nämlich Deutschland) müßte durch einige verläßliche Correspondenten, das Ausland - wie bisher, nur ausgedehnter - durch mobile Confidenten beaufsichtigt werden.
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95 96 97
peinlichen Verhöramte der freien Stadt Frankfurt anhängigen Untersuchung wider die Mitglieder des revolutionären Männerbundes oder der Union«, abgedr. bei Görischl Mayer: Untersuchungsberichte, S. 223-255; zum Männerbund vgl. auch Kowalski: Hauptberichte, S. 58-64. Näheres dazu bei Görischl Mayer: Untersuchungsberichte, S. 60-64; Kowalski: Hauptberichte, S. 314f. Vgl. Kowalski, S. 140, 206. Ebd., passim. So ζ. B. Görischl Mayer, S. 243.
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Der jährliche Etat von bisher 12000 Gulden sei dafür nur um 6000 auf »nicht über 18000« Gulden zu erhöhen. Der Erfolg gab Nordbergs Forderungen recht; zusätzlich begünstigten ihn die Probleme mit der Umwandlung der Frankfurter Untersuchungsbehörde. Man kam seinen Anregungen nach. So bedeutete das Jahr 1836 in der Tat eine Zäsur in der Entwicklung des Büros, denn - wie sich noch zeigen wird - beschäftigte es schließlich zur Zeit seiner Auflösung einschließlich Leiter und Aktuar 23 direkt oder indirekt für seine Zwecke arbeitende Personen. 8. Das Mainzer Informationsbüro und Nassau Dank dem Mainzer Büro, vermittelt durch die Regie Nordbergs und später Engelshofens, war Metternich unter den deutschen leitenden Staatsmännern am besten über die oppositionellen Bewegungen und Vereinigungen im Deutschen Bund und im europäischen Exil informiert. Indessen beschränkte sich der Wirkungskreis dieser Institution nicht nur auf die im österreichischen Solde stehenden Konfidenten und Korrespondenten. Es stand zu einzelnen deutschen Bundesstaaten, und hier zu ausgewählten Amtsträgern, in engster vertraulicher Beziehung. Diese geheimpolizeilichen Nachrichtenkanäle sind durch ihre Eigenart bisher so gut wie unbekannt geblieben. Die Verbindungen nach Hessen-Darmstadt noch aufzudecken, scheint unmöglich geworden, nachdem der dirigierende Minister dieses Landes Freiherr du Thil die einschlägigen Akten beim Ausbruch der Revolution 1848/49 verbrannt hatte. Anders verhält es sich mit den Verbindungen nach Nassau, die im Rahmen der vorliegenden Forschungen erstmals haben quellenmäßig aufgedeckt werden können. Die erhaltene Überlieferung im Großherzoglich Luxemburgischen Hausarchiv, in das die Kabinettsakten der nassauischen Herzöge eingegangen sind, deutet zugleich auf die besonderen Umstände ihrer Entstehung: Die Verbindungen des Informationsbüros gingen an den offiziellen Zentralbehörden, insbesondere an den diplomatischen Bahnen des Staatsministeriums, vorbei direkt an den Hof und konzentrierten sich auf einen Hof-, nicht auf einen Staatsbeamten. Dadurch blieb das Geheimnis dieser Verbindung, die auf einem engen Vertrauensverhältnis Metternichs zu den nassauischen Herzögen Wilhelm und (ab 1839) Adolph beruhte, bestens gewahrt. Da der Staatskanzler stets in übergreifenden politischen Zusammenhängen handelte, liegt die Frage nahe, warum er ausgerechnet einem der kleineren deutschen Bundesstaaten solche Aufmerksamkeit schenkte. Anläßlich der wach98
Vgl. Heinrich Ulmann (Hrsg.): Denkwürdigkeiten aus dem Dienstleben des HessenDarmstädtischen Staatsministers Freiherrn du Thil 1803-1848. Stuttgart, Berlin 1921 = Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts Bd. 3; auf S. 9 teilt der Hrsg. mit, Thil habe am 4. 3. 1848 »Stöße der Geheimbriefe österreichischer Agenten über revolutionäre Strömungen in Süddeutschland, Schweiz, Italien, Westfrankreich« verbrannt; einen näheren Nachweis dieser Information gibt Ulmann leider nicht. - Auch der überlieferte Nachlaß Thils im HStA Wiebaden bot keine Anhaltspunkte.
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senden Politisierung im deutschen Katholizismus während der Jahre 1839/40 offenbarte er seine Konzeption. Er bewertete die »religiösen Wirren« als ein »höchst gefahrdrohendes Element unter den Vielen anderen, störend einwirkenden Gewalten in unserer arg bewegten Zeit«. Mit Seitenblick auf Preußen erklärte er, auf religiösem Feld habe sich im Jahre 1839 durch grobe Regierungsfehler in manchen Staaten ein neuer Kampfplatz geöffnet. Nassau stehe in dieser Beziehung »auf einer Art von Vorposten, und solche Stellungen erheischen große Vorsicht«.99 Das Herzogtum lag strategisch günstig innerhalb der unruhigen Rhein-Main-Gegend. Hier einen vertrauenswürdigen Anknüpfungspunkt zu besitzen erwies sich deshalb als unschätzbar. Abgesehen von der besonderen Situation ist die Form der Beziehung zu beachten: Operationen in politischpolizeilichen Angelegenheiten konnten vollzogen werden, ohne daß die eigentlichen leitenden Staatsbehörden unmittelbar eingeschaltet wurden. Als Zentralfigur fungierte der ursprüngliche Zollinspektor in Herborn Heinrich Adolph Dresler, der es 1818 zum provisorischen, 1820 zum definitiv ernannten Hofkommissär beim Herzog gebracht hatte. 100 Sein Amt gehörte zur Hofhaltungsverwaltung und unterstand dem Hofmarschall. Dresler hatte den ökonomischen Teil der Hofhaltungsverwaltung zu besorgen, das heißt, er kontrollierte den gesamten Hofkassendienst. Ohne seine Gegenzeichnung konnte der Hofkassier weder eine Einnahme erheben noch eine Zahlung leisten.101 Im Nebenamt leitete er das Polizeikommissariat in Biebrich, wo sich neben Wiesbaden die zweite herzogliche Residenz befand. Für diese Tätigkeit erhielt er jährliche Gratifikationen, während er regulär als Inhaber eines Hofamtes nicht aus dem Staatsetat, sondern aus der Hofkasse bezahlt wurde. 102 Diese dienstliche Stellung klar herauszustellen ist wichtig, um seinen direkten Zugang zum Herzog zu begründen. Während für die Staatsbehörden eine Ministerialkanzlei bestand, die herzogliche Entschließungen, Entscheidungen des Staatsministers und Beschlüsse des Staatsrats ausfertigte, verfügte der Herzog noch über eine geheime Kabinettskanzlei mit einem eigenen Kabinettssekretär. An diesen richtete Dresler seine Eingaben, die dann unter Umgehung des Staatsministeriums direkt an den Herzog gingen, sofern Dresler nicht direkt mit diesem korrespondierte. 103 Dresler war die Zentralfigur für politisch-polizeiliche Angelegenheiten zum Landesinnern und nach außen hin, so daß er zum idealen Ansprechpartner des Mainzer Informationsbüros wurde. Spätestens seit dem Herbst 1834 erhielt er oft 99
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Metternich 22. 3. 1840 an Herzog Adolph von Nassau, HStA Wiesbaden, Abt. 13011/ 2123—f. Heinrich Adolph Dresler war seit 1807 im Staatsdienst im Großherzogtum Berg als Gehilfe beim Empfang der Domänen- und Stempelgefälle, 1816 Zollinspektor in Herborn bei der Arreragen-Kommission, 1820 als Revisionsrat bei der General-DomänenDirektion, 1819 provisorischer, 1820 als Hofrat definitiver Hofkommissär, 1835 Geh. Hofrat, 1841 gest. in Biebrich; HStA Wiesbaden Abt. 210/6512. Vgl. Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Nassau, Wiesbaden 1841, S. 19f. HStA Wiesbaden Abt. 210/6512. Ebd., Abt. 13011/7996.
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und vielfach von eigener Hand geschriebene Briefe Nordbergs mit umfänglichen, aus der Arbeit des Büros erwachsenen Berichten einzelner Agenten, deren wahre Identität (besonders Aldingers, Beurmanns und Ebners) der Bürochef nicht verhehlte; ebenso unverhüllt und seinem üblichen Gebaren nicht gemäß teilte Nordberg bei eigenen Kundschaftsreisen genauestens Ziel, Zeitpunkt, Zweck und Rückkehr mit104 oder offenbarte den Einsatz von Kundschaftern wie etwa im Januar 1839, als er Engelshofen nach Straßburg entsandte, um dort den »foyer de depart« polnischer Emissäre zur Ermordung des Zaren Nikolaus auszuspähen. 105 Das Verhältnis entwickelte sich bis ins Persönliche hinein;106 überdies vermittelte der Hofkommissär Audienzen Nordbergs beim Herzog. 107 Außerdem wurde Biebrich bald zum postalischen Umschlagplatz für das Büro, das auf besonders sichere und diskrete Postbeförderung angewiesen war: Dresler hatte - auf ausdrücklichen Befehl des Herzogs - mit Nordberg die »Abrede getroffen, daß jeden Donnerstag Mittag Briefe von hier [Biebrich] nach Wien abgehen können, welche durch den Samstag Morgens abgehenden Courier unversehrt besorgt werden«. 108 Nordberg verfügte über eigene Boten, die seine Briefe nach Biebrich brachten. Insgesamt war Dresler und mit ihm der Herzog so vollkommen wie kein anderer Außenstehender in die Interna und wahre Bewandtnis des Büros eingeweiht. Nichts beweist dies schlagender als die Tatsache, daß Nordberg dem Hofkommissär die - bereits behandelte - an Metternich gerichtete Denkschrift »Über die Mittel zur Ausforschung und Bekämpfung der revolutionären Umtriebe in und außer Deutschland« ausgehändigt hatte und damit nicht nur Einblick in die innere Struktur des Büros und den Auftraggeber, sondern auch in die - bei geheimpolizeilichen Angelegenheiten stets bestgehütete - Höhe des verfügbaren Manipulationsfonds gewährte. 109 Diese enge Verbindung bestand auch nach dem Tode Dreslers im Jahre 1841 und dem Übergang der Büroleitung an Engelshofen im gleichen Jahre fort, nur richtete dieser nun seine Mitteilungen unmittelbar an den Sekretär der Geheimen Kabinettskanzlei des Herzogs Friedrich Götz.110 Welche Dienste leistete das Büro für Nassau? Zunächst informierte es den Herzog über alle erdenklichen politisch-polizeilichen Vorgänge des In- und Auslands; Schwerpunkte lagen bei Berichten aus der Schweiz, aus Paris, dem Elsaß und der Rhein-Main-Gegend mit Nachdruck auf Stimmungs- und Lageberichten sowie auf Angaben über politische Flüchtlinge, wobei wiederum nassauische Untertanen besonders berücksichtigt wurden. 104
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Ζ. B. Ankündigung einer Reise im Januar 1841 nach London, von der sich Nordberg am 19. 1. 1841 zurückmeldete, oder Ankündigung eines dreiwöchentlichen Urlaubs 8.5. 1841 an Dresler, HStA Wiesbaden Abt. 130II/2896-I. Nordberg 28. 1 1839 an Dresler, ebd., Abt. 130II/2897-I. Nordberg teilte 16. 8. 1836 Dresler die Geburt eines Buben mit, ebd. Ζ. B. Nordberg 28. 1. 1839 an Dresler, ebd. Dresler 22.12. 1836 an Herzog Wilhelm, ebd., Abt. 13011/7996. HStA Wiesbaden Abt. 130II/2896-I, vgl. oben, S. 148, bes. Anm. 92. HStA Wiesbaden Abt. 130II/2896-IV.
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Darüber hinaus bot das Büro durch die direkten, vielverzweigten Beziehungen seiner Konfidenten zur Presse aktive Hilfe an, um dort Interessen Nassaus zu vertreten. Als im »Schwäbischen Merkur« vom 19. 9.1839 ein Korrespondenzartikel »Vom Taunus 15. Septemb.« erschien, der geplante Veränderungen des jüngst zur Herrschaft gekommenen Herzogs Adolph beschrieb, konnte Nordbergs Frankfurter Konfident Ebner dank seiner Beziehungen zur Presse den anonymen Verfasser als den in Frankfurt weilenden preußischen Offizier von Meseritz identifizieren. Nordberg unterrichtete davon Dresler und erbot sich, da unser Agent, wie Sie aus seinem Bericht zu ersehen belieben, Correspondent mehrerer Deutschen Blätter, namentlich auch der A. A . Z . [Augsburger »Allgemeinen Zeitung«] ist, ich es mit Vergnügen übernehmen will, Erwiderungen oder Berichtigungen, die von Euer Hochwohlgeboren gewünscht würden, durch ihn aufs schnellste und ohne daß er die Quelle erfährt, besorgen zu lassen.111
Als der Artikel über Nassau für Brockhaus' Conversations-Lexikon der Gegenwart im Jahre 1840 zur Konzeption anstand, legte Nordberg alles daran, daß sein Konfident Beurmann den Auftrag bekam, um eine Darstellung mit der in Nassau gewünschten Tendenz zu erreichen. 112 Dafür vermittelte Nordberg später Beurmanns Wunsch, das Bürgerrecht im Herzogtum Nassau zu erhalten. Erläuternd charakterisierte er seinen Konfidenten, dieser sei auf Empfehlung des österreichischen Präsidialgesandten Graf Münch als Redakteur bei der Frankfurter »OberPostamts-Zeitung« angestellt worden, »um Einfluß auf die leitenden Artikeln[!] dieses Blattes, welche B.[eurmann] (im conservativen Sinne) schreibt, zu haben«. 113 Dresler legte dem Herzog die vielen vom Informationsbüro eingehenden Nachrichten sowohl einzeln vor als auch - etwa in Fällen längerer Abwesenheit des Herrschers - zusammengefaßt in umfangreichen Lageberichten »über das Wesentliche der seit Höchst Dero Abreise zu meiner Kenntniß gekommenen Politischen Angelegenheiten«, wie ein solcher für das Jahr 1835 überliefert ist.114 Allenthalben werden darin die Spuren des Mainzer Büros vernehmbar, indem er berichtet über Aktivitäten der nationalen Verzweigungen des »Jungen Europa« mit Untergliederungen für Deutschland, Polen, Italien, Frankreich und die Schweiz, über nähere Umstände des Attentats vom 28. 7.1835 auf Louis Philippe115 mit ausdrücklichem Hinweis auf Nachrichten Nordbergs, schließlich übergehend auf die nähere Umgegend in Frankfurt, Kurhessen und auf die inneren Verhältnisse des Herzogtums selbst, wobei genau vermerkt wird, wann und wo politische Wortführer wie im konkreten Falle Itzstein sich in der Gegend aufhielten. 111 112
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1,4 115
Nordberg 26. 9. 1839 an Dresler, ebd., Abt. 130II/2896-III. Dokumentiert in HStA Wiesbaden Abt. 130II/2897-III. Am 2. 8. 1840 erhielt Beurmann 77 Gulden aus der herzoglichen Schatulle, ebd. Nordberg 2. 5. 1841 an Dresler, ebd., Abt. 130II/2896-I; die in runde Klammern gesetzte Erläuterung stammt von Nordberg. Bericht Dreslers 18./19. 9. 1835 an Herzog Wilhelm; ebd., Abt. 13011/3050. Vgl. oben, S. 102.
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Die Verbindung zwischen Dresler und dem Mainzer Büro beruhte auf Gegenseitigkeit. Denn der Hofkommissär lieferte - wie von Metternich persönlich gewünscht - Badelisten der Orte Bad Ems und Langenschwalbach an Nordberg, so daß zu ersehen war, welche Fremden sich gerade in der Gegend aufhielten. 116 Um solche und andere Personalrecherchen vornehmen zu können, reichte Dreslers Arm bis hin zu den inneren Landesbehörden. Speziell der Direktor bei der Wiesbadener >Landesregierung< Wilhelm Magdeburg bearbeitete Anfragen des Hofkommissärs weiter; eine besondere Verbindung unterhielt Dresler zum Amt Höchst, dessen Amtmann Johann Friedrich Schapper (ab 1836 Geh. Regierungsrat) ihn mindestens monatlich mit Nachrichten »zur Fahndung nach revolutionären Personen und zur Beobachtung liberaler Thätigkeit« - soweit noch erkenntlich zwischen 1835 und 1837 - versorgte.117 Schapper setzte selbst Agenten ein, die sich mit Überwachung von Studenten, Berichten über Vorgänge in Sachsenhausen, Meldungen aus Frankfurt zu befassen hatten und die dazu Gasthöfe aufsuchten und die Anreise von Fremden oder Versammlungen beobachteten. Insgesamt hatte sich zwischen Mainz und Biebrich der Sektor eines feingewobenen im Informationsbüro zusammenlaufenden geheimpolizeilichen Korrespondenzsystems entwickelt; da die bedeutsame Zusatzfunktion Dreslers in politischpolizeilichen Angelegenheiten institutionell im Rahmen der allgemeinen Staatsverwaltung nicht eingebunden war, blieb sie auch etatmäßig ungreifbar und damit den Ständekammern verborgen. Das gleichwohl vorhandene Wirkungsfeld stand und fiel mit dem besonderen Auftrag und Interesse des Herrschers und der gleichsam exterritorialen Vertrauensstellung eines seiner Diener, hierin vergleichbar den Beziehungen Wittgensteins zu Friedrich Wilhelm III., Hinckeldeys zu Friedrich Wilhelm IV., Wermuths zu König Georg V. von Hannover, Kempens zu Kaiser Franz Joseph. 9. Das Mainzer Informationsbüro und Preußen. Die Rolle der Mainzer Bundesfestung Die konzentrierte staatliche Restaurationspolitik erfolgte nach 1815 in zwei Schüben, zunächst seit 1819, dann erneut nach 1830. Die bundesweite Wirksamkeit dieser Politik allein mit dem Namen Metternichs zu verbinden führt in die Irre, denn ihr Erfolg beruhte - wie sich bereits mehrfach in dieser Untersuchung zeigte - ebensosehr auf der tatkräftigen Beteiligung Preußens. Erst die gemeinsame Entschiedenheit der beiden Großmächte vermochte mögliche Widerspenstigkeiten der mittleren und kleineren deutschen Bundesstaaten auszuschalten. Wenn das gilt, kann erst das Verhältnis Preußens zu dem Mainzer Informationsbüro darüber aufklären, ob die gemeinsam getragene, offen erkennbare Restaurations116 117
Engelshofen 17. 7. 1837 an Dresler, HStA Wiesbaden Abt. 130II/2897-III. »Akten des geh. Regierungsraths Schapper zur Fahndung nach revolutionären Personen und die Beobachtung liberaler Thätigkeit. 1835-1837.«, ebd., Abt. 13011/3058. - Als einer der Agenten Schappers ließ sich der Uhrmacher Franz Wolff aus Höchst identifizieren.
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politik vor dem Forum der Bundesversammlung eine folgerichtige Entsprechung auf dem geheimen Feld der politischen Polizei gefunden hatte. Allerdings lag die Initiative zur konkreten Ausgestaltung bei Metternich: Er versuchte, Preußen in sein Projekt eines Informationsbüros einzubeziehen. Wie in allen Fragen der politischen Polizei zur Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. spielte dessen Oberkammerherr und ehemaliger Polizeiminister Wittgenstein die Schlüsselrolle. Metternich umging den diplomatischen Weg über den preußischen Außenminister und wandte sich an Wittgenstein, der stets unmittelbar Zutritt zum König hatte. Wittgenstein zweifelte nicht, daß Metternichs Plan »den höchsten Beifall« finden würde. 118 Nachdem er Friedrich Wilhelm III. am 25.2. 1833 den Brief vorgelegt hatte, berichtete er am 3.3. an den Staatskanzler, der König sei vollkommen einverstanden mit dem Plan. Zugleich trug der Oberkammerherr zur eigenen Charakteristik bei, indem er beteuerte, »mit Vergnügen« gegen »die Stubengelehrten und rabulistischen Vielschreiber«, die »mit ihren falschen Sätzen allerdings ein wahrer Krebsschaden der menschlichen Gesellschaft« seien, zu kämpfen. 119 Bei der Realisierung stellte sich wie für Österreich, so auch für Preußen das Problem, auf welche Weise sich exterritorial und unabhängig von den Institutionen der Bundesversammlung ein geheimes politisch-polizeiliches Nachrichtenzentrum etablieren lasse. Hier billigte der preußische König ebenfalls den Vorschlag Metternichs, sich der Mainzer Bundesfestung und ihrer Befehlshaber zu bedienen. Dazu ist erläuternd anzumerken, daß die vier verbündeten Großmächte in den Pariser Verträgen von 1815 als Mittel zur Sicherung der deutschen Westgrenze feste Plätze vorgesehen hatten, die den Rhein- und Moselraum gegen die französische Festungskette decken sollten. Zunächst erhielten die Plätze Mainz, Luxemburg und Landau den Status von Bundesfestungen, die der Bund dann im Jahr 1820 übernahm; seit 1841/42 wurden noch Ulm und Rastatt als zusätzliche Bundesfestungen ausgebaut. 120 Mainz war an Truppen und Bedeutung die stärkste und gab in militärischer 118
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Wittgenstein 24. 2. 1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 278 (Fasz. 194) Bl. 30 u. 39. - Die Gegenüberlieferung zu diesem Vorgang findet sich im GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, K, 5. Aus dieser Akte hat bereits einiges veröffentlicht werden können durch Hans-Joachim Schoeps (Hrsg.): Neue Quellen zur Geschichte Preußens im 19. Jahrhundert. Berlin 1968, S. 174-178; diese drei Stücke sind jedoch nur auszugsweise mit Akzent auf Metternichs Weltanschauung publiziert, also ohne die einschlägigen, das Informationsbüro betreffenden Partien und Briefe; auch verkennt Schoeps in seinem Kommentar den Charakter des Büros, wie seine Bemerkung über »Polizeibeobachtungen der [!] Geheimen Konventikel in Mainz«, S. 178, schließen läßt. Wittgenstein 3. 3.1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 278 (Fasz. 194) Bl. 40 u. 51. Vgl. Wolfgang Petter: Deutscher Bund und deutsche Mittelstaaten, S. 248f. In: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939, hrsg. v. Militärgesch. Forschungsamt. [Bd. 2] Abschnitt IV,2. [München 1976] S. 226-310. 155
Verwaltung und im Reglement das Vorbild ab. Oberster militärischer Befehlshaber in Mainz war der Gouverneur; ihm war der Vizegouverneur beigegeben und der Kommandant, der den Truppendienst leitete, unterstellt. Sie bildeten das »Festungsgouvernement«. Der Gouverneur sowie sein Vertreter einerseits und der Kommandant zum andern durften nicht demselben Staat angehören. Das Recht zur Benennung wechselte alle fünf Jahre zwischen Österreich und Preußen. 121 Zum Aufgabenbereich des Gouverneurs gehörten nach Aussage des Handbuchs der deutschen Militärgeschichte Verteidigungsbereitschaft, Festungseigentum, Belagerungszustand, Ortspolizei und allgemeine Aufsicht über die Truppen; was das Standardwerk nicht anzugeben weiß, ist die Tatsache, daß sich das Mainzer Festungsgouvernement »pflichtgemäß mit dem Kundschaftswesen zu befassen« hatte. 122 Dieser zusätzliche Wirkungskreis ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß das Ausspionieren militärischer Stellungen, Bewegungen und Absichten des gegnerischen Staates traditionell zur Domäne des älteren, weit in die frühe Neuzeit zurückreichenden Kundschafterwesens gehörte. Als bemerkenswert kam indessen im Falle des Mainzer Festungsgouvernements noch hinzu, daß es auch die gegen einzelne gesellschaftliche Gruppen - den >inneren Feind< gerichtete politische Polizei in seine Kompetenz zog. Zentralfigur für die Vertretung der preußischen politischen Polizei beim Mainzer Festungsgouvernement wurde Wilhelm Freiherr von Müffling, Bruder des ersten preußischen Generalstabschefs Friedrich Karl von Müffling. Wilhelm von Müffling (1778-1858) stand seit 1790 in preußischen Diensten, hatte an der Schlacht bei Auerstedt und dann an den Befreiungskriegen teilgenommen und erwarb sich anschließend eine gute Kenntnis der Rheinprovinz, seitdem er 1816 Kommandeur der preußischen Truppen in Mainz und Luxemburg geworden war. Im festgelegten fünfjährigen Zyklus 1829 bis 1834 war er Festungskommandant an der Bundesfestung Mainz, während Österreich mit Graf Mensdorff den Vizegouverneur stellte; nach dem turnusmäßigen Wechsel stellte Preußen 1834 bis 1839 121
Wie Anm. 120, S. 249f. - Der Turnus sah so aus:
1824-1829: Gouverneur: Preußen (Prinz Wilhelm, Bruder von Friedrich Wilhelm III.) Vizegouverneur: Preußen (Generalleutnant von Carlowitz) Kommandant: Österreich
1829-1834: Gouverneur: Österreich (Herzog von Württemberg) Vizegouverneur: Österreich (Graf Mensdorff) Kommandant: Preußen (General Müffling)
1834-1839:
122
Gouverneur: Preußen (Prinz Wilhelm, s . o . ) Vizegouverneur: Preußen (General Müffling) Kommandant: Österreich Nach: Kurt von Priesdorff (Hrsg.): Soldatisches Führertum. Teil 7. Hamburg o. J. S. 364368 ( = biogr. Artikel zu Wilhelm von Müffling). So Graf Münch 6. 7. 1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 279 (Fasz. 195) B1422.
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den Vizegouverneur; auf diesen Posten wurde Müffling befördert. Vizegouverneur und Kommandant betreuten jeweils auch die politischen Polizeisachen, während der Gouverneur hierbei nicht aktenmäßig in Erscheinung tritt. 123 Friedrich Wilhelm III. hatte gleichfalls Metternichs Anregung, das Mainzer Festungsgouvernement in die Geschäfte des geplanten Informationsbüros einzubeziehen, sofort begrüßt, worin ihn Wittgenstein noch wegen des dortigen Kommandanten Müffling bestärkte, »der diese Angelegenheiten con amore behandelt«.124 Allerdings boten sich Wittgenstein alsbald Schwierigkeiten, einen dem österreichischen Kommissar Nordberg vergleichbar geeigneten preußischen Polizeibeamten für das Büro zu finden. Drei Tage nach Nordbergs Ankunft (9. 5. 1833) in Mainz fand Müffling Wittgensteins Frage vor, ob er nicht einen Beamten aus den preußischen Rheinprovinzen vorzuschlagen wisse. Doch der Kommandant traute keinem Beamten aus dieser Gegend für ein so heikles diskret und in äußerster Loyalität zu behandelndes Geschäft. 125 Denn Müfflings Maßstäbe waren streng: Als Feldmarschall Wrede im Auftrag König Ludwigs den in Mainz beschäftigten Hofrat Nau als bayerischen Kommissar für das Büro benannte, trug der Kommandant mit einem vernichtenden Urteil über den ihm seit siebzehn Jahren bekannten bayerischen Beamten wesentlich dazu bei, daß Bayern von Anfang an nur mit Mühe Anschluß an das Büro finden konnte. Für Müffling war Nau »ein sehr wissenschaftlich gebildeter, seines Charakters wegen aber ein sehr zweydeutiger Mann«, »im eigentlichsten Sinne ein libertin«, der anders denke, als er öffentlich rede, kurzum ein »Intrigant«, der noch jüngst ein Gastmahl zu Ehren Itzsteins gegeben habe. 126 So ging die Suche auch nach einem preußischen Delegierten weiter. Schließlich war Nordberg die Ankunft des preußischen Kommissars auf Ende Juni angezeigt; er sollte bei der Kommandantur unter dem Titel eines »Kommissions-Rats« geführt werden und im Hause Müfflings wohnen. 127 Es scheint sich um den Berliner Polizeiinspektor und Spezialisten in Fahndungssachen Duncker gehandelt zu haben. 128 Aus Nordbergs Rückschau zu 1833129 geht hervor, daß dessen Aufenthalt indessen nur kurz währte, da seine Anwesenheit in Mainz bald bekannt und er dadurch für geheime Dienste unverwendbar geworden war. In der Tat befand sich Duncker bereits Anfang August auf Demagogenjagd in Posen. 130
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Zur näheren Biographie Müfflings vgl. Priesdorff (Anm. 121). Wie Anm. 118. Nordberg 12. 5. 1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 279 (Fasz. 194) Bl. 518. Müffling 31.5. 1833 an Wittgenstein; dieser leitete das Schreiben postwendend an Metternich weiter, ebd., Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 236-239; zu Nau vgl. oben, S. 143. Nordberg 15. 6.1833 No. 12 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 347. Vgl. Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 264 Anm. 18. Wie Anm. 85, Bl. 335. ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 436 No. 1, Bl. 75.
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Daraufhin verzichtete man preußischerseits auf einen eigenen Polizeibeamten in Mainz, so daß das Büro allein in Nordbergs Regie betrieben wurde. Müffling nahm die Geschäfte selbst - »con amore« - in die Hand. Bereits 1832 hatte er solche bei freilich sehr beschränkten Mitteln wahrgenommen, da er eigens bei dem Verwalter der Ausgaben für die höhere Polizei, dem bekannten und gefürchteten Demagogenverfolger Tzschoppe, Gelder anfordern mußte, »um dem von Zeit zu Zeit hier anwesenden Ministerialagenten« Unterstützung zukommen zu lassen.131 Mit der Etablierung des Büros erhielt Müffling von Berlin aus einen eigenen festen Agenten zugeteilt, einen »Mann, der bisher interessante Nachrichten verschafft« hatte. 132 Es handelte sich um den Leutnant a. D. Wedecke (Deckname »Platten«), den Wittgenstein so hoch einschätzte, daß er Metternich anbot, den Agenten für eine Mission in die Schweiz vorab einen Umweg über Wien machen zu lassen, daß ihm der Staatskanzler zusätzliche Aufträge erteilen könne. Metternich beurteilte Wedecke in der günstigsten Weise und erstattete zur Begründung seines geheimen Auftrags an ihn eigens einen Vortrag an Kaiser Franz. 133 Am Umgang mit Wedecke in Mainz wird zusätzlich ersichtlich, wie eng die preußische und österreichische Stelle zusammenarbeiteten: Man übte sich in Arbeitsteilung; war etwa eine Überwachung in Metz zu arrangieren, regte Metternich an, Müffling möge - wie es dann auch geschah - seinen Konfidenten dazu benutzen. 134 Über welche Informationsquellen verfügte Müffling noch? Zunächst erhielt er durch Wittgenstein Notizen und Berichte der speziell mit politischer Polizei beschäftigten Berliner Beamten, das heißt vor allem Tzschoppes und Dunckers. 135 Ebensolche Nachrichten kamen dem Kommandanten zu von preußischen Oberpräsidenten und Landräten, besonders der Rheinprovinz, wobei sich namentlich der Landrat Schnabel hervortat, der vom Kreissekretär Sonntag beim Landratsamt Saarbrücken regelmäßig Zeitungsausschnitte und revolutionäre Flugschriften zugestellt erhielt und dafür auch von Tzschoppe entgolten wurde.136 Überdies gingen Müffling regelmäßig Berichte anderer preußischer Konfidenten zu, außerdem von preußischen Gesandtschaften in Paris, Den Haag und Brüssel.137 So wie der österreichische Bundestagsgesandte Graf Münch über die Bewandtnis des Büros aufgeklärt war, wurde auch der preußische Vertreter am Bundestag, 131 132
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136 137
Müffling 28. 9.1832 an Tzschoppe, ebd., Bl. 41. Wittgenstein 9. 5.1833 an Metternich, GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, K, 5, Bl. 150f. HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 280 (Fasz. 196) Bl. 272, Metternichs Vortrag 7. 11.1833, ebd., Bl. 366. - Wedecke wurde aus dem Fonds des preuß. Innenministeriums für geheime Ausgaben bezahlt, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 436 No. 13 Vol. 1, Bl. 42. Metternich 25. 5.1833 an Nordberg, HHStA Wien, ebd., Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 25f. So ζ. B. Dunckers Bericht 1.11. 1833 über revol. Tendenzen an Schweizer Universitäten, ebd. Nr. 281 (Fasz. 197) Bl. 224 u. 337 Hinweise darauf. Ebd., Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 395 u. wie Anm. 130, Bl. 36. Nordberg 12. 5. 1833 an Metternich, ebd., Nr. 279 (Fasz. 194) Bl. 518.
158
Nagler, eingeweiht, der sein gleichzeitig wahrgenommenes Amt des preußischen Generalpostmeisters in Analogie zu Metternichs Postlogendienst kunstvoll zur Interzipierung von Briefen nutzte, so daß der Nachfahre seines ehemaligen Freunds, Vertrauten und Sekretärs Kelchner schreibt: »Kein Name ist in die politischen Untersuchungen, in die dunklen Schliche des geheimen Polizeiwesens jener Tage tiefer verwickelt als der Nagler's«. 138 Nagler wurde ausdrücklich auf Befehl Friedrich Wilhelm III. deshalb herangezogen, weil ihm auch manche Berichte und Anzeigen zugehen, die für die Mainzer Behörde interessant sind und die er dahin mitzutheilen angewiesen worden ist.139
Allein diese gezielte Anweisung zeigt, wie gut der preußische König über die führenden Handlungsträger in Sachen politischer Polizei unterrichtet war. Nachdem im Jahre 1834 Gustav von Rochow preußischer Innen- und Polizeiminister geworden war, hatte sich der Nachrichtenweg zwischen Mainz und Berlin eingespielt auf die Hauptträger Nordberg - Müffling - Wittgenstein - Rochow unter Beiziehung Naglers. 140 Müffling leistete dabei sein Zusatzgeschäft mit einer Leidenschaft und Intensität, wie sie bei einem rein militärischen Funktionsträger nicht erwartet werden konnten. Welche Bedeutung er der politischen Polizei persönlich beimaß, geht aus einem »General-Bericht« vom 11.8. 1833 hervor, wo er ein Resümee der bisherigen Nachforschungen zog:141 Er ging vom »Ursprung der französischen Propaganda« im Jahre 1789 aus, verfolgte deren Entwicklung bis 1833, untersuchte deren Vorgehensweise, zählte die einzelnen auswärtigen politischen Gesellschaften auf, darunter die »deutschen Vaterlandsfreunde« in Zürich, berichtete über die Einwirkung der Vereine auf Deutschland, über die besondere Rolle der Abgeordneten in den konstitutionellen Staaten, die Einflüsse der Propaganda auf die stehenden Heere und stellte abschließend die gegenwärtigen politischen Zustände in Süddeutschland als besonders gefährdet heraus. Die zeitgeschichtliche und geographische Reichweite seines »General-Berichts« dokumentiert, daß er seine Tätigkeit nicht nur passiv verwaltend nebenher, sondern aktiv beeinflussend und ihren Ertrag verstärkend betrieb; den persönlichen Hintergrund mag man in den Erfahrungen während der Befreiungskriege mit politischen Bewegungen und der langjährigen Dienstzeit in der frankreichnahen, politisch traditionell unruhigen Rheinprovinz vermuten. Aus allen Informationsquellen, über die Müffling verfügte, gingen Nordberg einschlägige Nachrichten zu; dieser revanchierte sich dafür in umgekehrter Rich138
139
140
141
Naglers unentbehrlicher Adlatus in Frankfurt war Johann Andreas Kelchner, vgl. A D B Bd. 15, S. 233-237, Zit. S. 235. Wittgenstein 9. 5. 1833 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 279 (Fasz. 195) Bl. 7f. Wittgenstein 19.12. 1841 an G. v. Rochow; Wittgenstein schrieb, die Nachrichten gingen von Nordberg und »durch die Vermittelung des Hr. p. v. Müffling mehrere Jahre unter meinem Couvert« an den Innenminister Rochow; ZStA Merseburg Rep. 92 G. v. Rochow Β No. 36, B1.451. HHStA Wien, ebd., Nr. 280 (Fasz. 196) Bl. 325-339.
159
tung. 1 4 2 W i e lange hatte diese wechselseitige intensive Verbindung fortbestanden, w a n n und wodurch wurde sie b e e n d e t ? Müffling war 1839 am E n d e des fünfjährig e n Zyklus v o m P o s t e n des Vizegouverneurs in Mainz e n t h o b e n und zum Gouverneur v o n K o b l e n z u n d Ehrenbreitstein befördert worden. Sein Sitz K o b l e n z blieb e i n e Zeitlang weiterhin nahe im unmittelbaren Einflußbereich des Mainzer Büros. A m 14. 1 2 . 1 8 4 1 resümierte Müffling g e g e n ü b e r Wittgenstein die Tragweite der g a n z e n Beziehung: Bereits 1834/35, als sich die Lage in Deutschland beruhigte, hatte er Wittgenstein zwar vorgeschlagen, den ihm z u g e w i e s e n e n »sehr kostspieligen g e h e i m e n A g e n t e n « zurückzuziehen, was auch geschah. D a s änderte j e d o c h nichts an der Bereitwilligkeit Nordbergs ihm gegenüber; der Leiter des Mainzer Büros teilte nach Müfflings e i g e n e n W o r t e n weiterhin auf besonderen Befehl des Herrn Fürsten von Metternich, alle mit unendlichem KostenAufwand in Deutschland, Frankreich, Belgien, der Schweiz erhobenen politischen Nachrichten, mir bis zum Jahre 1840 unausgesetzt [!] mit, um Dieselben Eure Durchlaucht vorzulegen. 143 Müffling d e u t e t e auch die U r s a c h e für das E n d e der Verbindung mit Nordberg nach Berlin darin an, daß in dem letzt vergangenen Jahre ich keine Mittheilungen von Demselben mehr überreicht habe, indem ich bey gänzlicher Veränderung der Verhältniße die früher sehr lebhafte Communication mit Herrn v. N.[ordberg] glaubte nach und nach einstellen zu müssen. H i e r zeigte der Thronwechsel in Preußen Spuren auf d e m geheimpolizeilichen Feld wie auch parallel in der Frage, welches Schicksal die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde n e h m e n sollte. D a s Mainzer B ü r o wurde E n d e 1841 für die 142
143
Die Hinterlassenschaft des Mainzer Informationsbüros in preußischen Akten hat sich anders als etwa in den nassauischen - trotz intensiver Bemühungen nicht aufspüren lassen. Der naheliegendste Ort wäre der Nachlaß Wittgensteins, Gustav von Rochows oder die Kabinettsakten; hier blieb die Suche - wie auch an anderen Stellen der Staatsbehörden - vergeblich, jedoch mit Ausnahme zweier höchst bedeutsamer Spuren, die die Tragweite der geheimen Korrespondenz beweisen. Erstens findet sich in der Tat im GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein V, 5, 43 eine Akte mit dem Betreff: »Beendigung aller Geldberechnungen mit dem Herrn Generalleutnant und Vizegouverneur von Mainz Freiherrn von Müffling. Okt. 1839«. Wittgenstein bezog sich 29.10.1839 an Müffling hier auf dessen Schreiben vom 19.10.1839 (nicht intus) mit »Rechnung über Ihre Einnahmen und Ausgaben zu geheimen Zwecken seit dem 7. Oktober 1833 nebst dem danach verbliebenen Bestände von 424 rth. 23 Sgr. 6 d und einer Hauptübersicht der Ihnen zu solchen Zwecken seit dem 31. Dezember 1832 zugekommenen und verausgabten Gelder«. Danach steht der Tatbestand fest, »Rechnung« und »Hauptübersicht« finden sich jedoch nicht in der Akte; sie könnten die geheimpolizeiliche Tätigkeit wie etwa bei den Abrechnungen des Münchner Polizeidirektors Stetten (oben, S. 51) durchsichtig machen. Zweitens existiert ein retrospektiver Bericht Müfflings, Koblenz 14.12. 1841 an Wittgenstein im Nachlaß Rochows, ZStA Merseburg Rep. 92 G. v. Rochow Β No. 36, Bl. 452-454, in dem Müffling seine Arbeit im Mainzer Büro resümiert. Der Bericht wird im folgenden ausgewertet. - Wo im Vorausgehenden es an preußischer Überlieferung mangelte, konnte in reichhaltigen Einzelhinweisen und -belegen die Wiener kompensieren. Müffling, Koblenz, 14.12.1841 an Wittgenstein, wie Anm. 142.
160
alten Repräsentanten der Demagogenverfolgungen nochmals zum Thema, weil Nordberg mit dem - verdeckt erkennbaren - Wunsch nach einem preußischen Orden an Müffling herangetreten war und dieser die Bitte an Wittgenstein weitergeleitet hatte. Es deutete auf den Wandel in der politischen Atmosphäre, daß Wittgenstein zweifelte, ob es ratsam für den Innenminister Rochow sei, »unter den jetzigen Verhältnissen« dem von der liberalen Öffentlichkeit mit großen Hoffnungen begrüßten neuen König Friedrich Wilhelm IV. einen >Vortrag< in dieser Angelegenheit zu halten. 144 Müffling ließ keinen Zweifel daran, daß das >Zentralbüro< oder - terminologisch aufschlußreich: - die »höhere politische Polizey-Commission«, wie er sich ausdrückte, auch ohne preußische Mitwirkung in Mainz fortbestehen würde. Denn mit der Abberufung Nordbergs und seiner Ernennung zum Regierungsrat sei als Nachfolger ein ihm »wohlbekannter, viel geprüfter, ausgezeichneter Beamter« bestimmt worden, der bereits über fünf Jahre »höhere Agenturen« in Paris, Brüssel und Bonn bekleidet habe. Mit dieser Charakterisierung Engelshofens gab der ehemalige preußische Vizegouverneur von Mainz noch einmal zu erkennen, wie tief er in die Interna des Büros eingeweiht war. Jedoch waren derart weitgreifende geheimpolizeiliche Betätigungen Preußens engst mit den nächststehenden Vertrauten und >Werkzeugen< Friedrich Wilhelms III. verbunden. Mit dem Thronwechsel lief die Zeit der Wittgenstein, Kamptz, Nagler, Tzschoppe aus, und es erlahmten entsprechende zielgerichtete, bisher stets hochgeschätzte Aktivitäten wie die Müfflings. Wo der Impuls des Monarchen fehlte, wurde die nachlassende Intensität der politischen Polizei nur noch durch die Eigendynamik der vorhandenen, bisher zuständigen Institutionen unterschwellig weitergetragen. Daran hatten die bisher kaum beachteten Beamten im zweiten Glied wesentlichen Anteil. 10. Innerösterreichische Konzentration der politischen Polizei seit 1833 Drei österreichische Zentralbehörden hatten sich mit politisch-polizeilichen Angelegenheiten zu befassen: erstens die Staatskanzlei; ihr unterstanden die - auch geheimpolizeilich genutzten - diplomatischen Vertretungen im Ausland und der auswärtige Einsatz von Konfidenten sowie das Mainzer Informationsbüro, zweitens die Polizeihofstelle mit ihrer Wirkung auf das Landesinnere, schließlich die staatsrätliche Justizabteilung, der die strafrechtliche Verfolgung oblag. Hier wie auch in Preußen und einigen deutschen Mittelstaaten stellte sich in den Zeiten gesteigerter politischer Unruhe, als auch vermehrt geheimpolizeiliche Nachrichten eingingen, das Problem, die Informationen der beteiligten zentralen Verwaltungszweige zu koordinieren und eine Übersicht über das insgesamt vorliegende Material zu bekommen. Zu diesem Zweck schuf man sogenannte Ministerialkommissionen. 144
Wittgenstein 19. 12. 1841 an G. v. Rochow, ebd., Bl. 451, der Brief Nordbergs ist hier gleichfalls als Anlage beigefügt.
161
Mit Genehmigung des Kaisers ordnete Metternich am 29. 4.1834 an, eine solche Kommission als »Central Punkt« zu errichten.145 Dieses Gremium erhielt den Namen »Zentralinformationskomitee«, bekam ein Zimmer im Staatskanzleigebäude zugewiesen und begann seit dem 1.5.1834, anfangs täglich, dann zweibis dreimal wöchentlich, zu arbeiten. Ihm gehörten an: - Alphons Freiherr de Pont für die Staatskanzlei, - Hofsekretär Dominic Rother für die Polizeihofstelle, - Staatsratsoffizial Adolf Pratobevera für die staatsrätliche Justizabteilung. In ihren Sitzungen sollten sich die Notizen aus den verschiedenen Departements »über revolutionäre Umtriebe und Hochverraths-Angelegenheiten concentriren«, wie Metternich formulierte. Dabei wurde am gewöhnlichen Geschäftsgang innerhalb der Departements nichts geändert, sondern es galt, aus den einlangenden Eingaben die werthvollsten Momente auszuheben, zwischen den verschiedenen Angaben die wesentliche Concordanz zu bilden, und aus selben Auszüge verfertigen zu lassen.
Dadurch sollten Metternich, Sedlnitzky und der Vorsteher der Justizabteilung Johann Freiherr von Pilgram »eine fortwährende Uebersicht der ganzen Materie erlangen«. Rother, der zugleich als Kopist tätig war, hatte alle einschlägigen eingehenden Berichte täglich vorab noch vor Erledigung zum Protokoll des Büros zu präsentieren, das Gleiche machten de Pont mit den diplomatischen und Pratobevera mit den Justizvorträgen. Die Originalberichte gingen dann an die Departements zurück, die Auszüge wurden in tabellarischer Form lithographiert, so daß Metternich täglich eine Übersicht hatte, was in allen drei Departements an politisch-polizeilichen Angelegenheiten vorlag. Als er Wittgenstein über diese Einrichtung informierte, antwortete dieser: »Wir haben ein ähnliches Comite« und erläuterte die Zusammensetzung der Berliner Ministerialkommission.146 Metternich war so sehr von den Leistungen des Wiener »Zentralinformationskomitees« überzeugt, daß er dessen Konstruktion in den Jahren 1835 bis 1837 als Modell für die projektierte zentrale geheime Bundespolizei bei der Bundesversammlung nahm. 147 In diesem Zusammenhang ist eine Tatsache beachtenswert, die im Rahmen dieser Untersuchungen immer wieder auftaucht: Mit der Wahrnehmung politischer Polizei wurden Beamte betraut, die auf eine reiche - teilweise in Jahrzehnten erworbene - Erfahrung in diesem Gebiet zurückschauen konnten und auch bei Wechseln in den politischen Führungspositionen gleichbleibend in ihrem Fach tätig blieben. Das gilt im konkreten Fall ebenso für den Hofsekretär und späteren Hofrat Rother, der bereits 1819 Metternich geheimpolizeiliche Dienste bei der Überwachung von Görres in Straßburg geleistet hatte 148 und der schließlich noch 145
146 147 148
Metternich 29. 4. 1834 an Sedlnitzky, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 282 (Fasz. 198) Bl. 470f.; vgl. auch Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 269 bis 272. Wittgenstein 30. 6.1834 an Metternich, ebd., Nr. 282 (Fasz. 199) Bl. 98. Vgl. oben, S. 101. Vgl. oben, S. 129.
162
1848 bei der Auflösung des Mainzer Informationsbüros ein Wort mitzusprechen hatte. So verhielt es sich auch mit Pratobevera, der 1838 den Präsidenten der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde Wagemann ablöste. Mit dem Wiener Zentralinformationskomitee war der Konzentrationsvorgang politisch-polizeilicher Nachrichtenströme in der Habsburgermonarchie noch nicht abgeschlossen. Nach seinem Muster wurde 1835 ein galizisches Informationskomitee mit Sitz in Lemberg angeordnet, allerdings erst 1838 tatsächlich errichtet. 149 Hier liefen alle aus Polen stammenden Nachrichten über revolutionäre und Hochverratssachen zusammen, die sich beim Landesgubernium, beim Appellationsgericht und beim Militärkommandanten sammelten. Es wurde gleichfalls ein Protokoll angefertigt, das über Sedlnitzky an das Zentralinformationskomitee in Wien ging. 1837 genehmigte der Kaiser auf Vorschlag Metternichs noch die Einrichtung eines Zentralkomitees für Ungarn und Siebenbürgen; es wurde dem Wiener Zentralinformationskomitee als Sektion angegliedert, stellte Ende 1838 allerdings seine Tätigkeit ein, wurde jedoch 1845 reorganisiert und der Polizeihofstelle untergeordnet. 11. Organisation und Personalstand des Mainzer Informationsbüros vor seiner Auflösung im April 1848 Man hat sich daran gewöhnt, Arbeitsweise, Organisation und Personalstand des Informationsbüros in Mainz hauptsächlich aus seiner Frühphase zu erfassen und zu beurteilen. In welcher Lage es sich in den 1840er Jahren und kurz vor seiner Auflösung im Jahre 1848 befunden hatte, lag bisher im Dunkeln. Aufklärung war nur von einem Schlußbericht zu erwarten, den Engelshofen zum Zweck der Auflösung des Büros erstattet hatte. Bisher ging man davon aus, daß »der Schlußbericht Engelshofens nicht erhalten ist«.150 Tatsächlich ist dieser Bericht des Bürochefs vom 5. 4. 1848 samt »Voranschlag über sämtliche bei der Auflösung des C. Informationsbureau erforderlichen Beträge« nicht verschollen, sondern konnte im Zusammenhang mit den vorliegenden Recherchen wieder aufgespürt werden. 151 Wie bedeutsam dieser Fund für die Forschung ist, wird daran ersichtlich, daß er exakt gleichsam wie auf einem Röntgenschirm Personalstand und innere Struktur des Büros festgehalten hat - ein in der Geschichte der Geheimpolizei äußerst seltener Fall. Engelshofen kam damit einer Weisung des neuen - ersten österreichischen Innenministers Pillersdorf vom 23. 3. 1848 nach, 149
150 151
Vgl. zum folgenden Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 272-274 u. 276-278; Benna: Polizeihofstelle, S. 105-107 speziell zum Zentralkomitee für Ungarn und Siebenbürgen. Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 281. A V A Wien Polizeihofstelle M.I.2, ZI. 302/1848. - Dieser Bericht ist von dem Brand des Jahres 1927 völlig unversehrt geblieben und wird demnächst vom Verf. in einem Dokumentationsband zu Metternich im Rahmen der Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe ediert.
163
die mit den verschiedenen Agenten und sonstigen Aushilfs-Individuen angeknüpften Verbindungen, unter billigen Bedingungen, alsobald zu lösen, dießfalls, unter Nachweisung ihrer Verdienste und sonstigen Verhältniße, ein wohlbegründetes Gutachten mit thunlichster Beschleunigung einzubringen und sofort, nach Sicherstellung der sich bei dem hiesigen Institute im Laufe des Jahres angesammelten Akten mit dem zugeteilten k.k. Aktuare mit Vermeidung alles Aufsehens nach Wien zurückzukehren.152
Die nachfolgenden Tabellen (S. 166f.) sollen den Personalstand des Informationsbüros zum 5.4. 1848 durchsichtig machen. Der Bericht Engelshofens offenbart, daß die für das Büro arbeitenden Konfidenten keineswegs alle gleich in das Wesen ihres >Dienstes< eingeweiht waren. In den bisherigen Urteilen der Literatur (Glossy, Bettelheim, Antonius, Adler) über die Mitarbeiter wurde stets die vollkommene Mitwisserschaft vorausgesetzt. Daß dies möglicherweise nicht der Fall war, kam nach der seitherigen Quellenlage nicht ins Gesichtsfeld. Engelshofens Bericht vom 5. 4.1848 hilft das nun klären und vermag - wo moralische Maßstäbe angelegt worden sind - manche der >Agenten Metternichs< zu entlasten und ihnen späte historische Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Engelshofen gewährte Einblick in die Interna, weil er begründen mußte, mit welcher Summe jeder einzelne Konfident abgefunden werden sollte. Dazu war für ihn »hauptsächlich der Zeitpunkt ihrer Aufnahme in Betracht zu ziehen, der bei ihrer schließlichen Behandlung zunächst als normgebend angesehen werden dürfte«. Der Bürochef erklärte das mit der seit 1841 geübten neuen Praxis, daß die seitdem aufgenommenen Korrespondenten »hierseits nicht förmlich in Pflicht genommen und in die eigentliche Natur ihrer Beziehungen eingeweiht« worden sind. Den meisten blieb der Bestand des Büros als solcher oder doch seine »wahren Beziehungen gänzlich unbekannt«. Sie waren ohne bindende Verpflichtungen angestellt worden. Das bedeutete, in der Arbeit für das Büro hatten sich zweierlei Dienstverhältnisse herausgebildet: das der mehr oder weniger vollständig eingeweihten älteren Agenten, die sich entweder der österreichischen Regierung »zu Dienstleistungen erboten« oder auf deren Anregung hin »förmlich geworben worden« waren. So verfuhr der erste Büroleiter Nordberg. Nachdem Engelshofen diesen am 13. 11. 1841 auf Weisung Metternichs als Chef abgelöst hatte, 153 änderte er für die Folgezeit der von ihm so bezeichneten »neueren Epoche« die Einstellungspraxis. Deshalb sind in der nachfolgenden Übersicht (S. 166f.) die ersten zwölf Agenten als mehr oder weniger eingeweiht zu betrachten (»vor 1841«), während die späteren (Nr. 13-21) nur in »indirekter« Beziehung zur Leitung standen. Engelshofen war genötigt, im Hinblick auf die geforderte Abfindungssumme den Einsatzwert jedes einzelnen näher zu begründen. Wie er das tat, ist sowohl aufschlußreich für die Betroffenen als auch für die Maßstäbe des Leiters, die zugleich anzeigen, wie weit sich in dem Büro tatsächlich ein formalisiertes Dienstverständnis ausgebildet hatte. 152 153
Zit. nach dem Bericht Engelshofens 5. 4.1848, ebd. Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 267 Anm. 38.
164
Denn als Diensteigenschaften werden ausdrücklich die einen Beamtenstatus charakterisierenden Sekundärtugenden hervorgehoben: Ergebenheit, rastloser Eifer, Treue, Reiß, Umsicht, Präzision, Vertrauenswürdigkeit, Pünktlichkeit, willige Pflichterfüllung, Uneigennützigkeit, Wahrheitsliebe usw. Hinzu traten Eigenschaften und Fähigkeiten, die auf die speziellen Anforderungen des >Dienstes< zugeschnitten waren: Vielseitigkeit, publizistisches und literarisches Talent, vielfältige Beziehungen zur Presse, darüber hinaus zahlreiche persönliche Beziehungen, Fähigkeit, in innere Zirkel eindringen zu können. Diesem Berufsbild eines Agenten konnten die meisten von ihnen gerecht werden, weil ihre frühere Tätigkeit sie dazu befähigte: Sie waren akademisch gebildet, mehrere promoviert, hatten Erfahrungen als Redakteur, Zeitungskorrespondent, überhaupt als Journalist, als Literat und Schriftsteller mit alten und teilweise noch fortbestehenden Verbindungen zur Presse, die Metternich auf diese Weise mittelbar im österreichischen Sinne beeinflussen konnte. Insgesamt brachten die meisten Fähigkeiten mit, die Metternich - wie im Falle Binders gezeigt - wiederholt forderte und im Dezember 1833 gegenüber Sedlnitzky erneut vorbrachte, um diesen für eine Ausweitung des Mainzer Büroetats zu gewinnen. Für den Staatskanzler sollten sie einen gewissen Grad wissenschaftlicher Bildung besitzen, einen entschiedenen, überzeugenden Charakter für die »Oberhäupter der Propaganda« an den Tag legen, ihnen suggerieren, sie würden mit dem Agenten eine »wichtige Acquisition« machen. Die Konfidenten sollten »in die höhere Sphäre der Verschwörungen« dringen und müßten den Anstrich haben, von den Regierungen politisch verfolgt zu sein.154 Wieviel mehr die Tauglichkeit zur Spionage für Metternich mögliche Bedenken gegenüber der politischen Vergangenheit eines Konfidenten überwog, beweist die Biographie des »Doktor Schaefer«, den Engelshofen - nach der vorgeschlagenen Abfindung zu schließen - als den wertvollsten Agenten des Büros einschätzte, dessen >Antezedentien< anzugeben er allerdings diskret vermied: Hinter jenem Decknamen verbarg sich der ehemalige, aus Aschaffenburg stammende Jurastudent Bernhard Lizius, der der Würzburger Burschenschaft angehört und an maßgeblicher Stelle am Frankfurter Wachensturm des 3. 4. 1833 teilgenommen hatte. Er war deshalb verhaftet und zu lebenslanger Festungshaft verurteilt worden, konnte aber am 31. 10.1833 entfliehen. Seitdem fahndete die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde durch ihr »Tabellarisches Verzeichniß der deutschen politischen Flüchtlinge« nach ihm.155 Lizius wurde tätiger Mitarbeiter der politischen Vereinsgründungen deutscher Handwerksgesellen im Ausland, so
154 155
HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie, Nr. 281 (Fasz. 196) Bl. 345. Vgl. Ilse: Politische Untersuchungen, Anhang zu Buch II, Nr. II, S. XXf., Nr. 93; ebenso Görischl Mayer: Untersuchungsberichte, S. 71, 87; Kowalski: Hauptberichte, S. 45, 57, 197; darüber hinaus Glossy: Geheimberichte Einleitungsbd., S. CXXXIIf.; Adler: Geheimberichte Bd. 1, S.41f.; Georg Heer: Geschichte der Deutschen Burschenschaft Bd. 2. Heidelberg 1927, S. 295f., 301f. = Quellen u. Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft Bd. 10.
165
Nr.
1
Name (Deckname)
gef. Abfindg. / Monatsgehalt / Art d. Honor.
Grad der Einweihung
Anwerbung: Zeitpunkt / Art
(früherer) Beruf
LIZIUS, B e r n h a r d
3200 fl./200 fl./ monatl. fest
vor 1841
eigenes Angebot Sommer 1836, öst. Ges. Bombelles in Bern vermittelte
Jurastudent
(Dr. Schaefer) geb. 1814 2
SINGER, Jacob Eduard gest. 1848
1500 fl./100 fl./ monatl. fest
vor 1841
1836
Journalist
3
D r . FISCHER, W i l h e l m
1500 fl./83 fl./ monatl. fest
vor 1841
1840
(Dr. Lorenz)
zeitweilig Richter, Redakteur, Schriftsteller
4
EBNER, Hermann Friedrich Georg (Lichtweiß)
1500 Π./65 fl./ fest, klein
vor 1841
1834
Musiklehrer, Jounalist, Literat
5
SAI.VADORI, D o m e n i c o
1200 fl./122 fl./ monatl. fest
in manche Geheimnisse eingeweiht
1839
französischer Offizier
SINZENICH
635 fl./53 fl./ monatl. fest
vollkommen
1838, eigenes Angebot/1843 Diurnist
österr. Feldwebel, dann Maler, 1843 Taglohnschreiber im Büro
D r . BEURMANN, E d u a r d
500 fl./33 fl./ monatl. fest, nur für Pressearbeit
vor 1841
1836, von Engelshofen angeworben
Advokat, Schriftsteller, Redakteur
(Roger Bells) 6
7
(1804-1883) 8
OSWALD
240 fl./40 fl./ monatl. fest
am tiefsten, zum Chef in direkter Beziehung
1835/36
9
KRAEMER
240 fl./40 fl./ monatl. fest
vor 1841
./.
10
WERNER
180 fl./40 fl. monatl. fest
vor 1841
1833 durch Nordberg
11
KLITSCH
60 fl .1-1-
untergeordnet, aber voll eingeweiht
1843
12
KREUSCH
60 fl . / - / -
untergeordnet, aber voll eingeweiht
1843
13
STROMEYER, F r a n z
300 fl-/—
nach 1841
1844 durch Vermittlung (von Lizius?)
(Dr. West, Lindner) 14
CENDROWICZ, P a u l
240 fl . / - / nicht fix, nach Leistg. »spärlich«
zur Leitg. direkt ohne nähere Kenntnis d. Beziehung
1844 eigenes Angebot, Vermittig. Platzoberst von Schluderer
15
HELL
250 fl./— bisher noch nichts
nach 1841
Mai 1847 ca. 1846
16
RHODOR, E.
190 fl./—
nach 1841
17
WOLF, A.
83 fl./—
nach 1841 indirekt
1842
18
EICHELB ( P s e u d o n . ? )
83 fl./— dreimonatl.
nach 1841 indirekt
April 1847
60 fl./temporär, nach Leistung
nach 1841 indirekt
( = Dr. Berg) 19
D r . KUHLMANN, G e o r g
geb.1812
20
Korrespondent in Straßburg
56 fl.
nach 1841 »lockeres« Verhältnis zur Leitg.
21
Korrespondent in Lausanne
56 fl.
nach 1841 »lockeres« Verhältnis zur Leitg.
166
Redakteur, Mathematiklehrer an Ingenieurschule, Schriftsteller, Lyriker
»Turner«
Art politischer Wanderprediger / hielt öffentliche Vorlesungen über Sozialist. Anschauungen
Publizistische Tätigkeit
Einsatzorte (letzter unterstrichen)
Qualifikation nach dem Urteil Engelshofens
Persönliche Verhältnisse
1
gründete 1848 einen Verlag
Schweiz, Elsaß, London (Mazzini!), Paris
ausgezeichnet, amtlich vielseitig honoriert, hingebend, eifrig, »ersprießliche« Dienste
4 Kinder, mittellos, total vom MIB abhängig
2
Korrespondent mehrerer deutscher Zeitungen
Rheinpreußen, Berlin, Hannover, Dresden, ab VI. 1840 Leipzig, München
große Verehrung für österr. Regierung, scharfe Feder in der Presse, weiteizuverwenden
mittellos, viele Geschwister, greise Mutter, »älteres Verhältnis«, kränklich, wenig Chancen für feste Anstellung
3
Redakt. d. »Rhein. Postilion«, dann »Badische Ztg.«, »Mainzer Ztg.«
./.
hohe Gesinnung, Ergebenheit, rastloser Eifer, publizist. Talent, viele Beziehungen, weiterzuverwenden
verheiratet, häufig kränklich, ganz abhängig vom MIB, gebürtiger Berliner
4
Hrsg. »Frankfurter Beobachter«, Korrespondent vieler Zeitgg., u. a. Augsb. »Allg. Ztg.«
Frankfurt
einer der tätigsten, treuesten, ergebensten, hingebungsvoll, redlich, fleißig
lebt in Frankfurt
5
Brüssel, Paris, Marseille, Genf, Brüssel
stets fleißig, nicht überragend, unvorsichtig, seit 1846/47 wenig rege
Venezianer von G e b . , durch MIB finanziell gesichert, 1848 Rückkehr nach Italien verschlossen
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hiesige Gegend = um Mainz
präzis, fleißig, geschätzt, unbedingte Hingebung
Unterhalt als Maler nicht mehr gesichert, von MIB abhängig
Belgien, Frankreich, (Paris: Börne, Heine 1836), Frankfurt
fähig, vertrauenswürdig, gut für Verwendung in der Presse, weite rzu verwenden
Nr.
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Mitarb. »Phönix«, Begr. »Telegraph« mit Gutzkow, Red. »Ober-Pos tamtsZtg.«, 1841: »Journal de Francfort«
mit Weib und Kind ganz vom MIB abhängig
8 9
pünktliche und willige Pflicht· erfüllung
Mainzer Bürger, zahlreiche Familie, mittellos, Geschäftsflaute
10
in hiesiger Gegend
langjähr. Dienste, treu, 1846/47 wenig, Ersatz durch Neffen
hohes Alter, todkrank, Neffe will auf Dauer in die USA
11
Frankfurt, beim Büro
Nützung seiner Beziehungen, Austragung u. Vermittig. vertraulicher Korrespondenzen
nahezu mittellos
12
Frankfurt, beim Büro
Nützung seiner Beziehungen, Austragung u. Vermittig. vertraulicher Korrespondenzen
Familienvater, nahezu mittellos
volle Hingebung, seltener, d . h . einzigartiger Erfolg
April 1847 Schlaganfall, Vater von 4 Kindern, mittellos, Ehefrau hat ihn verlassen, seit Einlieferg. in Krankenhaus vom MIB 40 fl. »Rente«
13
Paris, London, Straßburg, Lyon, Red. »Hochwächter am Rhein« 19. 7.1832 Schweiz, Baden, Württemberg, Konstanz verb. Korr. engl. Ztgg. »Tagesherold« in Konstanz
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Paris (?), vermittelt Stand d. poln. Emigrat.
große Hingebung für ö s t e r r . uneigennützig, wahrheitsgetreu, bescheid. »Partisan an der guten Sache«
aus Warschau, spart Geld zum Erwerb der Doktorwürde
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Mannheim
am besten in »Conspiration der Gegenwart« eingeweiht, Kenner des »Foyers«, Verbindgg. zum Ausland, treu, regster Eifer
könnte mit der Abfindung »bürgerliches Geschäft« beginnen
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Frankfurt »auf dem Platz«
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Mainz
sehr fleißig, »ersprießliche Dienste«, Verbindungen mit Straßburg (Rauschenplat) Berichte von dort
Mainzer Bürger, lebt in sehr dürftigen Verhältnissen, abhängig vom M I B
18
Schweiz
verfaßt die »meisten« Berichte aus der Schweiz seit IV 1847
Nachfolger Stromeyers
19
Westfalen, Schweiz, Berlin
nachlassender Eifer, erfüllte Erwartung in Berlin Frühjahr 1848 nicht, deshalb II-IV1848 kein Gehalt
sehr bedrängt, 1845 aus Holstein ausgewiesen, in die Schweiz, E n d e 1845 dort ausgewiesen, nach Württemberg, in die Rheinprovinz
20
Straßburg
21
Lausanne
167
zunächst in der Schweiz als Mitglied des »Jungen Deutschland«, dann in dessen Filialverein in Paris. Er kannte sich in Emigrantenkreisen ausgezeichnet aus. Engelshofen teilte in seinem Bericht mit, im Sommer 1836 habe sich Lizius »zu Diensten angeboten«; die erste Vermittlung übernahm der damalige außerordentliche österreichische Gesandte in Bern, Graf Bombelles; der nähere Kontakt erfolgte anschließend über Engelshofen persönlich. Im Laufe von dreizehn Jahren waren Lizius' vielfache »Verdienste« zunächst in der Schweiz, dann im Elsaß, in London und später in Paris durch Metternich oft gewürdigt worden. In ihrer Mai/ Juni-Nummer spottete noch die führende Zeitschrift der Auslandsdeutschen in Paris, »Der Geächtete«, in einem Artikel über »Die geheime Polizei«, die »meist viel, sehr viel, nur die Wahrheit nicht, weiß«; der Artikel zielte speziell gegen die österreichische Regierung, »der man sonst nachsagt, daß sie am besten durch ihre geheime Polizei bedient sei« und wußte auch zu berichten über einen »Professor, der vom Lehrstuhl herabstieg, um ein Horcher zu werden« - Binder war ersichtlicherweise kein Unbekannter mehr und möglicherweise stammte dieser Beitrag gar von Heine - , die Herrscher der Staaten wüßten nur zu gut, daß es unmöglich sei, die Mitglieder der geheimen Verbindungen zu erreichen, »wenn sie eben halbwegs klug organisirt sind«; der Hauptzweck aller geheimen Polizei sei, Mißtrauen zu säen und dadurch die verfolgten Vertrauten zu schwächen.156 Eben in diesen »Bund der Geächteten« in Paris vermochte der Metternich-Agent Lizius alias »Dr. Schaefer« 1837 einzudringen; die Berichte über die inneren Auseinandersetzungen des Bundes zu dieser Zeit stammen von ihm, und da er sie als Augenzeuge abfassen konnte, ist ihr Wahrheitsgehalt »verhältnismäßig hoch«.157 Neben dem Typus des politisch Verfolgten, zu dem auch Franz Stromeyer und Dr. Georg Kuhlmann zu rechnen sind, konzentrierte sich im Büro die Klasse der nach außen hin angesehenen, einflußreichen Journalisten, für die hier wegen der Kontinuität des geheimpolizeilichen Wirkens über die Revolution von 1848/49 hinweg und wegen der bisher nicht vollkommen geklärten Identität der in Frankfurt lebende Literat Hermann Friedrich Georg Ebner stehen soll. Engelshofen rechnete ihn unter »die Thätigsten, ergebensten und treuesten Organe« des Büros. Er war ursprünglich Musiklehrer im kurhessischen Dienst und Journalist. 158 Seit Ende 1832 redigierte er die »Ober-Postamts-Zeitung« und korrespondierte für zahlreiche Blätter, darunter für die renommierte Augsburger »Allgemeine Zeitung«. Seit 1834 war er für den >Dienst< gewonnen und fortan unausgesetzt tätig. Zuletzt gab er den »Frankfurter Beobachter« heraus, ein Blatt, das belletristische und Theaterfragen behandelte, sich aber 1848 in eine politische Zeitung zu wandeln begann. Engelshofen hielt seinen Abschlußbericht noch für so brisant, daß er fast alle Namen von Personen, Orten und Presseerzeugnissen chiffriert hatte, so daß für 156
157 158
So der Artikel »Die geheime Polizei«. In: J[acob] Venedey (Hrsg.): Der Geächtete 2. Jg. Nr. 3, S. 132-139, Zitate S. 133f. u. 137. Paris 1835. Ndr. Leipzig 1972. Vgl. Schieder: Arbeiterbewegung, S. 331f. Näheres vgl. Adler: Geheimberichte Bd. 1, S. 39f.
168
die vorliegende Untersuchung zunächst der Schlüssel gefunden und dann alle einschlägigen Angaben dechiffriert werden mußten. Danach ist nun zweifelsfrei geklärt, daß Ebner auch unter dem Pseudonym Lichtweiß schrieb und die bei Adler getrennt im Register verzeichneten Berichte nur einer Person zuzuschreiben sind. Ebner steigerte seine Wirksamkeit noch dadurch, daß er auf eigene Rechnung zwei Hilfsarbeiter in Frankfurt und Hanau beschäftigte. Frankfurts besondere Bedeutung als Mittelpunkt der politisch unruhigen Rhein-Main-Gegend und als Sitz der Bundesversammlung trug ebenso wie Engelshofens hohe Wertschätzung für diesen Agenten dazu bei, daß Ebner zu einer Brücke zwischen der Arbeit des Mainzer Informationsbüros und der postrevolutionären österreichischen Geheimpolizei wurde: Bereits 1850 leistete er wieder - wie noch zu zeigen sein wird - geheime Korrespondenz- und Spionierdienste im Umkreis der österreichischen Präsidialgesandtschaft in Frankfurt. 159 Engelshofens Bericht läßt erstmals auch auf die persönlichen Lebensverhältnisse der Konfidenten Licht fallen und liefert dadurch Hinweise auf zugrundeliegende Motive für dies zweifelhafte und zugleich gefährliche Geschäft. Die meisten waren von sich aus nahezu mittellos und zur Sicherung ihrer Existenz auf die regelmäßigen Einkünfte oder zeitweiligen Honorierungen des Büros angewiesen; mancher hatte für eine große Familie zu sorgen, war andererseits durch kränkliche Konstitution nur zu Leistungen mit Unterbrechungen, wie sie besonders die Journalistik erlaubte, imstande, aber unfähig, eine gleichmäßig belastende Dauerstellung wahrzunehmen. Zählte ein Konfident überdies noch zu jenen »schillernden Figuren in der Geheimdienstszene, die man als intellektuelle Polit-Abenteurer bezeichnen könnte«, wie es Adler von Lizius sagt,160 dann konnten persönliche Lebensverhältnisse vollends kläglich bestellt sein. So verhielt es sich ausgerechnet bei dem bestbezahlten Agenten Metternichs, dessen Lage als Vater von vier Kindern, allein auf die Bezüge der österreichischen Regierung angewiesen, nach Engelshofens Urteil »in der That eine sehr peinliche« war, so daß Lizius noch im März 1848 wegen einer außerordentlichen Aushilfe ein »Memorial« eingereicht hatte. Der Bürochef konstatierte lakonisch - und charakterisierte damit indirekt die Unfähigkeit seines besten Mannes zu einem geordneten bürgerlichen Dasein - : Die Untersuchung der Frage, warum sich Schaefer, bei so ansehnlichen Bezügen (6000 Franken jährlich [= 2400 fl. CM]) dem Nothstand preißgegeben sieht, warum er niemals im Stande gewesen ist, seinen Finanzstand nachhaltig zu regeln, ist unfruchtbar und würde zu weit führen. Seine Lage wurde hierseits constatirt und gefunden, daß sie wahrhaft kläglich ist.
Die Tatsache dokumentiert andererseits, daß die Aussicht auf feste monatliche Bezüge, der Anschein, für eine staatlich getragene, bürokratisch organisierte Behörde zu arbeiten, die Betroffenen dazu verleitete, sich zunehmend oder 159
160
Hier liegt auch die Erklärung, wie über Ebner lange nach Auflösung des Büros noch zwei Briefe von Karl Marx nach Wien haben gelangen können; vgl. Adler: Geheimberichte Bd. 1 , S . 4 0 A n m . 119. Ebd., S. 41.
169
gänzlich in die materielle Abhängigkeit dieser Institution zu begeben. Daß die politische Geheimpolizei anders als die etablierten, öffentlich wahrnehmbaren staatlichen Behörden in Fragen der Existenzsicherung ihrer Diener ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgte, bekamen die Mitarbeiter des Mainzer Informationsbüros bei dessen Auflösung unter dem Ansturm der Revolution von 1848 zu spüren. 12. Die Auflösung des Mainzer Informationsbüros im April 1848 Die Märzrevolution von 1848 erschütterte auch tiefgehend die bis auf Joseph II. zurückreichende Organisation der politischen Polizei, aber - wie sich noch zeigen wird - sie überwand sie nicht. Zunächst ereigneten sich indessen wichtige Neuerungen: Am 3. 3.1848 hatte Engelshofen noch seinen letzten Bericht »Die Aufregung in Deutschland betreffend« an Metternich abgesandt. 161 Bereits am 13. 3. war der Staatskanzler jedoch zur Demission genötigt. Am 17. 3. gab die »Wiener Zeitung« den am gleichen Tag erfolgten Rücktritt Sedlnitzkys in ihrem Hauptblatt bekannt. Die interimistische Geschäftsführung der Polizeihofstelle ging »in Ermangelung eines Präsidenten« - wie die kaiserliche Entschließung formulierte an den Hofrat Anton von Vogel über. 162 Am 20. 3.1848 erhielt Österreich unter Freiherrn von Pillersdorf sein erstes konstitutionelles Innenministerium, und am 23. 3. verfügte der Kaiser die Auflösung der Polizeihofstelle, deren Agenden und Personal auf das Innenministerium übergingen. Davon war auch das aus dem Etat der vormaligen Polizeihofstelle finanzierte Mainzer Informationsbüro betroffen. Obwohl sich die Ereignisse in Wien derart überstürzten, hatte man es nicht vergessen und dessen Auflösung vorgesehen. Der Anstoß dazu ging am 22. 3.1848 von dem neuen Außenminister und Nachfolger Metternichs Ficquelmont aus, an den die Geschäfte der früheren Staatskanzlei und somit auch die Leitung des Mainzer Büros übergegangen waren. In einer Note an Pillersdorf betrieb er die Auflösung. Der Innenminister kam diesem Wunsch tags darauf am 23. 3. - dem Tag der Auflösung der Polizeihofstelle - nach und leitete ihn in der erwähnten Weisung an Engelshofen weiter. Dieser erhielt den Auflösungsbefehl am 31. 3. und machte sich unverzüglich an die Arbeit. Sein hier erstmals ausgewerteter Bericht vom 5. 4. 1848 erlaubt nun auch endgültig, die Frage nach dem Verbleib des Büroarchivs zu klären. Aus Engelshofens Darstellung erfahren wir: Nach dem Ausbruch der französischen Februarrevolution und der Proklamierung der Französischen Republik (22.-24. 2. 1848) erfaßten die Unruhen allenthalben auch die Rhein-Main-Gegend. Daraufhin ergriff der Bürochef Maßnahmen »zur Wahrung der hiesigen Stellung«; es wurde dabei vornemlich auch auf die Vertilgung sämtlicher [!], dem hiesigen Institute angehörigen Papiere Bedacht genommen, was ohne allem Aufsehen erfolgte und so den Hauptgrund zu allen fälligen Besorgnissen behob, die hier in so bewegter Zeit gehegt werden mußten. 161
162
Der Bericht befindet sich im HHStA Wien, Staatskanzlei, Noten von der Polizeihofstelle, Krt. 50 (Fasz. 65) Bl. 100. Wie Anm. 161, Bl. 135.
170
Das heißt: Noch bevor Engelshofen die Weisung Pillersdorfs am 31. 3. zugegangen war, hatte er das gesamte Archiv des Büros vernichtet, so daß er dem Auftrag, mit den »angesammelten Akten« nach Wien zurückzukehren, nicht mehr nachkommen konnte. In der Stunde der andrängenden Revolution ist es diesem Material wie vergleichbaren politisch-polizeilichen Akten ergangen, etwa den Papieren, die der hessen-darmstädtische Staatsminister Thil verbrannte, so daß seine Spuren zum Informationsbüro anders als die nach Nassau verwischt sind.163 Ebenso erging es den in Frankfurt lagernden Originalprotokollen der Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 164 und auch der letzte Präsident der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde Pratobevera gab seine Einwilligung, die Korrespondenz zwischen Metternich und Wagemann und später ihm verbrennen zu lassen.165 Engelshofen verband seinen Bericht mit einem Kosten-»Voranschlag« zur Abfindung aller Konfidenten und Abwicklung der Auflösung. Er errechnete dazu eine Gesamtsumme von 13780fl. CM (= Gulden Konventionsmünze). Der Betrag zerfiel in zwei Posten: einen von 3745 Gulden zur Finanzierung der dringendsten Abfindungen und der Übersiedlung des Büros von Mainz nach Wien, einen zweiten von 10035 Gulden als einer größeren Abfindungssumme für die seit längerer Zeit beschäftigten Agenten. Die außerordentliche Höhe der Gesamtsumme - rund Dreiviertel seines Jahreshaushalts für das Büro - begründete Engelshofen damit, daß nur so auch nach Aufhebung des Büros »das bisher bestandene Geheimniß bewahrt und der Abgang von hier unauffällig bewerkstelligt werden dürfte«. Am 14. 4. 1848 lag Engelshofens Bericht in Wien vor. Der zuständige Referent Dominic Rother fertigte dazu ein Gutachten an, das Pillersdorf vollinhaltlich in seiner - gleichfalls von Rother konzipierten - Note vom 18. 4.1848 an Ficquelmont übernahm. Für den Innenminister rangierte die politische Polizei - wie sich noch zeigen wird - in der Organisation seines Ministeriums an letzter Stelle. Nun konnte seine Behörde als Nachfolgerin der Polizeihofstelle, die seither das Mainzer Büro aus 163
164 165
Vgl. oben, S. 150. - Zum Verbleib des Archivs des Mainzer Büros findet sich außerdem in den Tagebüchern Hebbels ein interessanter Hinweis. Nordberg hatte anläßlich seiner plötzlichen Entlassung im Dezember 1856 ein »Memorial« an den Kaiser verfaßt, das er Hebbel vorlas. Dazu vermerkte Hebbel: Tagebücher Bd. 4, S. 99: »Das im Jahr 1848 zu Mainz durch Hofr.[at] E[ngelshofen] und Frau verbrannte Oesterreichische Archiv der Bundes-Central-Commission«. Über das Archiv der Untersuchungskommissionen, das sich bei der Präsidialkanzlei befand, hatte Engelshofen nicht zu verfügen; Hebbel muß hier den wahren Sachverhalt nicht ganz zutreffend aufgenommen haben, denn es konnte sich allein um das Archiv des Informationsbüros gehandelt haben. Vgl. Siemann: Protokolle, S. 301. In der 2. Aprilhälfte hatte der österr. Präsidialgesandte Colloredo »zur Verhütung einer Compromittirung amtlicher Correspondenzen und in der Besorgniß eines Überfalles des Bundes Palais« fünf Aktenkonvolute der Frankfurter Untersuchungsbehörde verbrennen lassen, Schreiben Menßhengens 30. 8.1848, HHStA, Staatskanzlei, Deutsche Akten, neue Serie, Nr. 35 (Fasz. 36).
171
ihrem Fonds finanziert hatte, aber nicht kurzerhand alle Ansprüche an das Außenministerium zurückverweisen. Deshalb machte er es sich - hier in allem Rother folgend 166 - zur Richtlinie, daß die Agenten »ohne namhafte Opfer von Seite des Aerairs gelöhnt werden«. 167 Die nach seiner Ansicht »überspannten Anträge« Engelshofens reduzierte er auf den ersten Posten (3745 fl), den er noch auf 3000 Gulden kürzte. Diese Summe war Engelshofen inzwischen bereits zugekommen, und Rother hatte ihm in einem Privatschreiben zugleich mitgeteilt, daß er nicht mehr erwarten könne. 168 Damit waren die Abfertigung einiger Konfidenten und die Überführung des Büros zu bestreiten. Pillersdorf sah keinen Grund, den besseren Agenten noch - wie der Büroleiter beantragt hatte - das Maigehalt zu zahlen. Nach dem »nunmehr eingetretenen Umschwung der Dinge« hätte auch ihre weitere Verwendung aufzuhören. Den zweiten Posten (10035 fl.) könne er »auf keinen Fall« auf sein Budget übernehmen. Dem Argument Engelshofens, die Preisgabe des Geheimnisses würde die österreichische Regierung zum Gespött der Presse machen, hielt er drei Punkte entgegen: 1. sei die Existenz des Büros »nicht ganz so geheim geblieben«, 2. sei eine Kompromittierung durch die Aufdeckung des Geheimnisses »kaum hintanzuhalten«, jedoch liege es im eigenen Interesse der Konfidenten, sich nicht durch Verrat »dem öffentlichen Tadel« auszusetzen; 3. erlaube sich die öffentliche Presse ohnehin gegen den Begründer des Informationsbüros »alle erdenklichen Invektiven«, so daß »wohl auch die eventuelle Compromittirung einer seiner Schöpfungen stillschweigend hingenommen werden dürfte«. Engelshofen hatte vorgeschlagen, »einige der bessern literarisch gebildeten Confidenten zur Wahrung österreichischer Interessen in der ausländischen Presse weiterzuverwenden, das hieß, gegen eine jährliche Subvention beizubehalten. Er meinte hier namentlich Singer, Fischer, Ebner und Beurmann. Auch dazu wollte sich der Innenminister - anders als später Bach - nicht verstehen. Er stellte eine solche Weiterbeschäftigung Ficquelmont frei, »da dieser geheime Dienst das Ressort des Ministeriums des Innern nicht berührt«. Aufgrund des erhaltenen Betrags berichtete Engelshofen am 28. 4.1848 über die »Finalisirung der Geschäfte des Central-Informationsbureau«. 169 Tatsächlich hatte er »die Ansprüche sämmtlicher Individuen, welche mit mir hier in persönlicher Berührung gestanden, durch kleine Aventionalbeträge befriedigt, wodurch meinem Abgang von hier nichts weiter im Wege steht«. Zugleich beauftragte er den ihm beigegebenen Aktuar Wilhelm Kowarz, sich nach Wien zu begeben. 166
Gutachen Rothers und Konzept der Note vom 18. 4. 1848 in A V A Wien Polizeihofstelle, M.I. 2 No. 302/1848, die Ausfertigung der Note HHStA Wien, Staatskanzlei, Noten von der Polizeihofstelle, Krt. 50 (Fasz. 65) Bl. 149f.; zu Rother vgl. oben, S. 129, 162f. "' In der Note 18. 4. 1848 an Fiquelmont, wie Anm. 166; ihr ist auch das folgende entnommen. 168 Zu entnehmen Rothers Gutachten, wie Anm. 166. 169 Schreiben Engelshofens 28. 4. 1848, A V A Wien, Polizeihofstelle, M.I. 2 ZI. 302/1848.
172
Auch Kowarz wurde später weiterhin noch geheimpolizeilich verwendet, so als österreichischer Agent auf der Londoner Industrieausstellung im Jahre 1851.170 Engelshofen hatte nichts unversucht gelassen, die geheimpolizeilichen Verbindungen zu seinen besten Konfidenten aufrechtzuerhalten. Noch vor seiner Abreise Ende April 1848 hatte er sich seiner durch das Büro gegebenen Beziehungen zur österreichischen Gesandtschaft am Bundestag bedient und dem Präsidialgesandten Graf Colloredo ein Schreiben ausgehändigt, das dieser am 29. 4. 1848 an Ficquelmont weiterleitete und worin der ehemalige Bürochef noch einmal dringend dafür warb, auf jeden Fall drei Agenten weiterzubeschäftigen: Dr. Singer in München wegen seiner engen Verbindung »mit den Männern des Tages«, besonders zu Robert Blum! Bei Dr. Beurmann, Redakteur am »Journal de Francfort«, gelte es, dessen Talent auszunutzen, Dr. Fischer empfahl er wegen dessen »seltener Geistesschärfe«. 171 Alles half nichts. Die Zeitumstände waren unter dem österreichischen Märzministerium für derartige Vorschläge zu ungünstig, so daß Engelshofen in der Tat alle Verbindungen, soweit sie auf finanziellen Zuwendungen beruhten, abbrechen mußte. 172 Indessen hatte er manchem Agenten gewisse Hoffnungen auf die Zukunft gemacht, was aus seinem Hinweis hervorgeht, er habe - unabhängig von finanziellen Verpflichtungen - »mit den auswärts verwandten Organen ein vorläufiges Uebereinkommen getroffen«. 173 Mit der Auflösung des Mainzer Informationsbüros verbindet sich die Frage, welchen Dienst es für die Zwecke seines Urhebers Metternich, eine Revolution zu verhindern, zu leisten imstande war. Engelshofen selbst sah sich mit dieser Frage konfrontiert, als der hannoversche Generalpolizeidirektor Wermuth im Jahre 1852 für den neubegründeten »Polizeiverein« deutscher Polizeichefs zu werben versuchte und als Argument beibrachte, nur durch eine solche Kooperation und Behandlung der »politischen Polizei« lasse sich ein erneuter Ausbruch der Revolution verhindern. Dazu urteilte Engelshofen in einem Gutachten: Nicht an der Staatspolizey lag es damals in Deutschland, denn diese war über das nahende Unwetter genau unterrichtet; die Blindheit der kleinen Regierungen und die schlechte Organisirung der Executiv Polizey trug wesentlich dazu bei, daß der Sturm solche Verheerungen in Europa veranlaßte. Letztere stärke man auf das Kräftigste, was nach innen zu thun übrig bleibt - und da hätten die Policeychefs ein erhebliches Stück Arbeit vor sich, während sie die für ihre Hände zu feinen Fäden der höheren Policey, wenn sie dieselben ausschließlich leiten wollen, nur zu beirren, wenn nicht zu zerreißen in der Lage sind.174 170
171
172 173 174
Wilhelm Kowarz, Konzeptspraktikant, 1841 als Ersatz für den zum Leiter aufgerückten Engelshofen dem Mainzer Informationsbüro als Aktuar beigegeben, 1854 als Oberkommissär zur Obersten Polizeibehörde versetzt und im Departement I unter Engelshofen beschäftigt, gest. 16. 2.1861; Oberhummer: Wiener Polizei, Erg.bd., S. 23. Undatiertes Schreiben Engelshofens, Begleitschreiben Colloredos vom 29.4. 1848, HHStA Wien, Staatskanzlei, Noten von der Polizeihofstelle, Krt. 50 (Fasz. 65) Bl. 157 bis 159. Ersichtlich aus einem Gutachten Engelshofens 16.1.1849, ebd. (Fasz. 66) Bl. 2-4. Wie Anm. 169. Gutachten Engelshofens 26. 8.1852, HHStA Wien, IB, BM-Akten, Krt. 36, Bl. 496.
173
Diese Erklärung ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: - Sie dokumentiert ein ausgeprägtes, professionalisiertes Dienstverständnis, das die Staatspolizei als »höhere« scharf von der Exekutivpolizei abgrenzte; - die Funktion der Staatspolizei beschränkte sich auf die Bereitstellung von Wahrnehmungen, auf die Unterrichtung der Regierungen; - das Geschäft erforderte besondere, der Exekutivpolizei zumeist abgehende Fähigkeiten der Behutsamkeit, Diskretion und Gewandtheit; - den Regierungen - nicht der Staatspolizei - blieb es vorbehalten, sich exekutiver, und das hieß letztlich auch militärischer Mittel zu bedienen. Auch in seinem Urteil traf Engelshofen die Sache: Noch am 3. 3.1848 hatte er einen Bericht über »Die Aufregung in Deutschland betreffend« abgesandt, 175 worin er vor den Rückwirkungen der soeben ausgebrochenen französischen Februarrevolution auf Deutschland warnte. Zur Exekutivpolizei gehörte die Gendamerie; eine solche wurde in Österreich erst 1849 als Konsequenz aus der Revolution aufgebaut, und zwar bezeichnenderweise von ihrem ersten Generalinspekteur (1849-59), dem späteren Leiter der Obersten Polizeibehörde (1852-59) Kempen von Fichtenstamm. (In Berlin, wo eine Gendarmerie schon seit 1812 existierte, zog man übrigens vergleichbare Konsequenzen, indem die 1848 bürgernah begründete, zivil organisierte »Schutzmannschaft« durch den dortigen Polizeipräsidenten Hinckeldey militärisch umstrukturiert wurde). In Kempen erhielt schließlich ein Mann die Regie über die gesamte Exekutivund Staatspolizei, von dem der ihm keineswegs übel gesonnene Herausgeber seines Tagebuchs schreibt: »Am liebsten hätte er im August 1848 die Wiener akademische Legion mit einer Kartätschenladung empfangen und den Reichsrat [gemeint: Reichstag] mit einer Kompagnie auseinandergejagt.« 176 Der Feldmarschalleutnant war der heftigste Verfechter, den über Wien verhängten Belagerungszustand möglichst lange aufrechtzuerhalten. Insgesamt bestätigten die Maßnahmen der nachfolgenden Reaktion die Analyse Engelshofens, der als ehemaliger Leiter des Mainzer Informationsbüros am wenigsten dessen Möglichkeiten überschätzte.
II. P r e u ß e n 1. Die Diskussion über eine preußische Geheimpolizei nach 1815 Nach den Wiener Verträgen von 1815 und der Wiederherstellung Preußens waren auch die ursprünglichen Ursachen entfallen, als Spionageabwehr gegenüber der französischen Geheimpolizei eine vergleichbare Einrichtung in Berlin zu halten. Das Verfassungsversprechen König Friedrich Wilhelms III. vom 22. 5. 1815177 gab 175 176 177
Vgl. oben, S. 170. Mayr in seiner Einleitung zu Kempen: Tagebuch, S. 41. Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 302-304.
174
Hoffnungen Raum, die in den Befreiungskriegen zum Ausdruck gekommene, inzwischen in einer interimistischen Nationalpräsentation angebahnte politische Mitsprache der Bevölkerung könne ihre konstitutionelle Form finden. Doch bereits vor dem aufsehenerregenden Wartburgfest im Oktober 1817 mehrten sich die Anzeichen, daß die geheime preußische Polizei sich zu einer politischen wandelte, die gegen oppositionelle und schließlich überhaupt gegen politisierende Einwohner im Innern eingesetzt wurde. Zwar behauptete Wittgenstein am 4.1.1816 gegenüber dem Chef der Gendarmerie, Generalleutnant von Brauchitsch, daß »keine geheime Polizei in unserem Staate existirt«, er hielt es aber für »möglich, daß während der unruhigen Kriegsjahre und zu einer Zeit, wo so manche verschiedene Ansichten entstanden sind«, ohne sein Vorwissen Aufträge zu Beobachtungen erteilt worden seien, »die das Ansehen der Existenz einer geheimen Polizei verrathen«. Er bot demjenigen Gendarmen eine Prämie von 100 Dukaten, der ihm die Anzeige eines geheimpolizeilichen Auftrags machen könne. Die »Aufmerksamkeit auf feindliche Spione oder andere verdächtige Menschen, als Spitzbuben, Vagabunden pp.« rechnete Wittgenstein nicht unter die Rubrik >geheime Polizeipolitischen Unruhestifter ein. Doch zwei Tage später am 6.1. 1816 wurde der innenpolitische Kurswechsel unzweifelhaft erkennbar, als das alte Edikt vom 20. 10.1798 »wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachtheilig werden könnten«, 179 in Erinnerung gebracht und als rechtlich fortgeltend veröffentlicht wurde. Die neue Verordnung knüpfte dabei ausdrücklich an den ursprünglich durch den König tolerierten Tugendbund an, dessen »VerfassungsUrkunde« den äußeren Anlaß zum Verbot im Jahre 1809 gegeben hatte. Bereits 1808 waren in einem amtlichen Gutachten Tendenzen in den Statuten entdeckt worden, die das staatliche Politikmonopol in Frage stellten;180 dem Tugendbund würde sich wie allen solchen Verbindungen früher oder später der Hang beigesellen, »statum in statu zu bilden«. Das erneuerte allgemeine Parteienverbot von 1816 schuf, weil es die politischen Organisationsbestrebungen in die Illegalität verdrängte, notwendigerweise ein Aufgabenfeld für die überwachende und kontrollierende politische Polizei.
178 179
180
Wittgenstein 4. 1. 1816 an Brauchitsch, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 437 No. 1, Bl. 11. Abgedr. bei Huber: Dokumente Bd. 1, S. 63f., die Verordnung vom 6. 1.1816 ebd., S. 62f. Das Gutachten vom 10. 8.1808 beobachtete die »Tendenz der Gesellschaft, nur den in ihrem Sinne vernünftigen, von ihr als solche anerkannten Verordnungen der Regierung sich unterwerfen zu wollen«; abgedr. in Stein: Briefwechsel Bd. 2, S. 476-481, das Zitat S. 479. - § 9 der Statuten des Tugendbunds forderte »vernünftige Unterwerfung unter die Anordnungen der Regierung«; vgl. Lehmann: Tugendbund, S. 152 (vgl. oben, S. 80). Vgl. zum Tugendbund auch Otto Dann: Geheime Organisierung und politisches Engagement im deutschen Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts. Der Tugendbund-Streit in Preußen. In: Peter Christian Ludz (Hrsg.): Geheime Gesellschaften. Heidelberg 1979, S. 399-428 = Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung Bd. V, 1.
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Alsbald wurden Befürchtungen dieser Art laut, die bevorzugt aus den Rheinprovinzen kamen, wo die Erinnerung an die französische Geheimpolizei noch lebhaft fortwirkte. Der Schullehrer Johann Heinrich Schöler aus Ringenberg richtete am 26. 2.1816 eine Eingabe an den König, es herrsche eine geheime Polizei »gleich wie bei der vorigen Regierung«, und bat um deren Aufhebung. 181 Wittgenstein meinte dazu: »Der Himmel weiß welche Art von Geheimer Polizey in Ringenberg existirt und wo dieser Ort gelegen ist«. Der ihm unterstellte Direktor im Polizeiministerium und sein Stellvertreter Karl Heinrich von Kamptz182 ermittelte einen Flecken von 299 Einwohnern im Kreise Wesel und urteilte sarkastisch, die geheime Polizei existiere »in der Idee des Herrn Dorfprofessors oder ist eine durch ihn veranlaßte Observation«. 183 Die anscheinend harmlose Naivität dieser Eingabe verwies andererseits auf die allgemeine, noch im kleinsten Dorf umlaufende Furcht vor einer fortbestehenden Geheimpolizei. Ringenberg gehörte zu den vom napoleonischen Frankreich zeitweilig annektierten norddeutschen Gebieten. Hardenberg, dem derlei Gerüchte auch zu Ohren kamen, wollte möglichen Weiterungen vorbeugen. Er teilte Wittgenstein mit, nach der Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse seien die Vorkehrungen »zur Handhabung der höheren und Sicherheits-Polizey« aufgehoben worden; um eine Kompromittierung der mit diesem Geschäft beauftragten Personen zu vermeiden, wies er den Polizeiminister an, alle darauf bezüglichen Akten von den betroffenen Behörden zurückzufordern und zu vernichten. 184 Wie sehr solche Maßnahmen berechtigt waren, bewies eine Eingabe des Bürgermeisters Kirstein, bei der Regierung in Stettin ansässig, an das Innenministerium. 185 Ihm lagen aus dem Nachlaß des Polizeidirektors Pustar in Anclam Akten »betreffend die höhere oder geheime Policey vom Jahr 1812« vor, die »Berichte an die Herrn Chefs dieser Policey in Berlin und deren Resolutionen« enthielten. Der Bürgermeister fand darin die Namen »einiger mehr oder weniger bekannten Personen, die theils als Mitglieder des Tugendbundes bezeichnet, theils aus andern Ursachen zur Beobachtung empfohlen sind«. Daher hielt er es nicht für angemessen, die Akten in ein Archiv zu bringen, und fragte, ob er sie verbrennen solle, »wie solches mit dem ersten Volumen beim Einfall der Franzosen im Februar 1812 geschehen ist«. Wittgenstein forderte, die Akten einzusenden, wie es dann auch geschah.
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Schöler 26. 2. 1816 an Friedrich Wilhelm III., ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 437 Nr. 1, B1.2. Näheres zu dessen Biogr. vgl. Günter Steiger: Das »Phantom der Wartburgsverschwörung« 1817 im Spiegel neuer Quellen aus den Akten der preußischen politischen Polizei. Eine Quellenedition ( . . . ) , S. 186, 207. In: Wiss. Zs. d. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Gesellschafts- u. sprachwiss. Reihe, Heft 2, Bd. 15 (1966) S. 183-212; Kamptz war nie, w i e N D B Bd. 11, S. 96 behauptet wird, Mitglied der Mainzer Untersuchungskommission. Wie Anm. 181 (Kamptz' Randvermerk). Hardenberg 21. 3 . 1 8 1 6 an Wittgenstein, Z S t A Merseburg Rep. 77 Tit 437 Nr. 1. Kirstein 1. 3 . 1 8 2 3 an das Innenministerium, ebd., Rep. 77 Tit. 615, Nr. 1, Bl. 1.
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Ernster als die Behauptung des Dorfschullehrers Schöler nahm Wittgenstein eine Eingabe des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Pestel beim Innenminister Schuckmann. Pestel beschuldigte Wittgenstein, sich eines Spitzels namens Martin zu bedienen, um die preußischen Beamten und Einwohner überwachen zu lassen. Der Polizeiminister fühlte sich darüber persönlich gekränkt und behauptete demgegenüber: Ein solches Institut existirt nicht in unserem Gouvernement, wohl aber eine Aufsicht auf verdächtige Personen, oder auf solche die dem Interesse des Staats nachtheilig werden können; eine solche Aufsicht kann man wohl kaum mit dem .gehässigen Namen einer Geheimen Polizei bezeichnen, sie ist aber weiter nichts als was die innere und äußere Sicherheit des Staates erfordert.186 Daraufhin stellte Pestel den Sachverhalt als Mißverständnis dar und entschuldigte sich mit dem Hinweis, »daß das Andenken an frühere Zeiten bey manchen Verwalteten noch nicht erloschen ist«. Düsseldorf hatte - muß man erklärend beifügen - zuvor das Regiment Murats, des Schwagers Napoleons, im Modellstaat des Großherzogtums Berg erfahren. Pestel hielt es nun für einen Beitrag »zur allgemeinen Beruhigung«, wenn Wittgensteins Grundsätze in irgendeiner Form bekanntgemacht würden. 187 Das hinwiederum lehnte der Polizeiminister entschieden ab, denn dann würde erst recht über das Vorhandensein einer geheimen Polizei gerätselt. Er ordnete stattdessen an, diejenigen, die sich als Agenten einer geheimen Polizei ausgäben und gerierten, »in scharfe Observation zu nehmen und zur strengsten Untersuchung zu ziehen«. 188 U m weiteren Spekulationen den Boden zu entziehen, richtete sich Friedrich Wilhelm III. selbst an die Öffentlichkeit, indem er bestimmte, seine Kabinettsordre vom 3 . 1 1 . 1 8 1 7 »wegen der Geschäftsführung bei den Oberbehörden in Berlin« in der Gesetzsammlung zu publizieren (1817 Nr. 16). Darin hieß es: V. Bei dem Polizei-Ministerium wird nichts geändert: nur bleibt die sogenannte höhere und geheime Polizei gänzlich aufgehoben, da sie nur in den Zeiten des feindlichen Drucks und während des Krieges, ein nothwendiges Uebel war. 18 '
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Wittgenstein 21. 6.1816 an Pestel, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 437 Nr. 1, Bl. 29. Nicht nur aus den Rheinprovinzen hörte Wittgenstein derartige Kritik: Mit dem Oberpräsidenten von Westpreußen Theodor von Schön hatte er eine tiefgehende Kontroverse zum gleichen Thema, in der er replizierte, Schön in seinen Begriffen einer geheimen Polizei unterstelle ihm, »daß ich mich zu meinem Zeitvertreibe mit allerhand Schnüffeleien, ζ. B. was in diesem und jenem Hause gegessen wird, ob der Mann bei der Frau oder dem Stubenmädchen geschlafen, oder ob man Wein oder Bier getrunken hat u. dergl. beschäftige. [...] Sie müssen wahrscheinlich unterstellen, daß ich Seine Majestät und den Herrn Fürsten von Hardenberg mit Berichten dieser Art unterhalte«; GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein V, 13-15, Wittgenstein 28. 4. 1818 an Schön. Vgl. zur Polizeikritik auch Branig: Wittgenstein, S. 102-107. Pestel (u. a.) 12. 4.1817 (!) an Wittgenstein, wie Anm. 186, Bl. 34. Wittgenstein 4. 5.1817 an Pestel, ebd., Bl. 36. Gesetz-Sammlung 1817 Nr. 16, S. 290. 177
Statt zu klären, schuf das Verwirrung. Der Staatskanzler sah sich genötigt, den betroffenen Polizeiminister aufzuklären, wie diese Bestimmung tatsächlich aufzunehmen sei: Was in N. 16 wegen der geheimen Polizei gesagt ist, ist hauptsächlich für das Publikum berechnet. Es versteht sich, daß die Korrespondenzkontrolle p. bleiben. Ich wünsche aber sehr, daß wir H. Bein eine ostensible Stelle geben, damit das Geschrei über eine geheime Polizei erstickt werde. 190
Mit dieser Interpretation wurde das Fortbestehen einer geheimen Polizei geradezu bestätigt, und Hardenberg verfuhr auch in der Praxis so: Der Breslauer Polizeipräsident hatte Wittgenstein regelmäßig monatlich eine als »Höherer Polizei-Bericht« überschriebene Mitteilung mit einer Namensliste der am Ort »bemerkenswerthen« Fremden eingeschickt, darunter auch derjenigen, die Pässe ins Ausland erhalten hatten. Mit Bezug auf die Kabinettsordre vom 3. 11.1817 erkundigte sich der Polizeipräsident, ob diese Berichte in Zukunft wegfallen sollten. Wittgenstein antwortete in einem Privatschreiben, nach einer Weisung Hardenbergs sei mit den Berichten fortzufahren, jedoch die Überschrift »Höherer Polizei-Bericht« fortzulassen.191 Für den Polizeiminister war indessen der Sachverhalt nicht zur Zufriedenheit geklärt, so daß er Kamptz beauftragte, den Unterschied zwischen geheimer und hoher Polizei in einem Gutachten auseinanderzusetzen. Der Ministerialdirektor belegte am 16.12.1817 in einer Denkschrift mit vielen juristischen Zitaten umständlich, aber höchst aufschlußreich für das Zeitverständnis die Behauptung, »daß hohe Polizei von geheimer Polizei ganz verschieden sei und nichts anderes als die in höchster Instanz verwaltete allgemeine LandesPolizei sei«.192 Seine Darlegungen münden in das Fazit: Von den Mitteln kann der Begriff der Geheimen Polizei nicht abgeleitet werden, sondern nur allein von ihrem Gegenstand. Geheime Polizei ist diejenige Polizei, welche sich mit Gegenständen beschäftigt, welche für den Staat geheim bleiben müssen, die den Staat nichts angehen, sondern zu den Privatgeheimnissen des Einzelnen gehören. Dahin gehören diejenigen Gegenstände, die dem Staate gleichgültig sind und seinen Nutzen und Dienst nicht befördern ζ. B. Privatgedanken, Privatbriefe, mündliche Privat-Äußerungen, Privathandlungen usw.193
Das schrieb der Ministerialdirektor, der soeben in den zurückliegenden Wochen nach den Demagogen des Wartburgfests vom 18./19. Oktober 1817 zu forschen begonnen hatte und der sich dabei auch der geheimen Spionierdienste des auf diesem Felde bewanderten, noch unter Gruner geschulten Hofrats Falkenberg 190
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Hardenberg 6. 11. 1817 an Wittgenstein, GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein V, 5, 6. - Hofrat Bein war neben Falkenberg bereits 1812 im geheimpolizeilichen Büro Gruners tätig gewesen, 1818 diente er zur geheimpolizeilichen Überwachung und Sicherung des Kongresses in Aachen; vgl. Branig: Wittgenstein, S. 73, 107f. Polizeipräsident Streit, Breslau, 24.11.1817 an Wittgenstein, Randvermerk Wittgensteins, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 437 Nr. 1, Bl. 37. GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein V, 5, 6. Ebd., teilweise zit. bei Branig: Wittgenstein, S. 105. - Vgl. auch Wittgensteins ähnlich gerichtete Umschreibung oben, S. 177, Anm. 186.
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bedient hatte; dessen Auftrag lautete ausdrücklich, »ohne alle Oeffentlichkeit zu ermitteln«. 194 Jedoch eröffnet sich hier nur ein scheinbarer Widerspruch zur Denkschrift, denn Kamptz erklärte dort, »daß die geheime Polizei zu einer Zeit erlaubt und zur andern unerlaubt sein kann«. Sie war »erlaubt und Pflicht, wenn unter besondern Verhältnissen der Gegenstand für den Staat wichtig wird«; wenn der »Nutzen des Staats« oder sein »Interesse« es geboten. Dieser Fall war allerdings mit der Wartburgfeier eingetreten, die nach der Einschätzung Kamptz' äußerlich scheinbar unbedeutend, bei genauerer Betrachtung jedoch »einen tiefen Blick in das Innere des revolutionären Treibens in Deutschland« gewährte; er meinte hinter der im Vordergrund stehenden akademischen Jugend und den Turnern Männer aus anderen »Classen« zu erkennen, welche theils formlos durch Gleichheit der Grundsätze, theils förmlich in sogenannten deutschen und andern Vereinen oder Bünden, auf bedachtsamerem Wege nach der Democratisirung Deutschlands strebten.195 Die Staatsgefährdung ging demnach vom - 1 8 1 6 verbotenen - politischen Vereinswesen aus und rechtfertigte für Kamptz den Einsatz der geheimen Polizei. Strenggenommen war geheime Polizei für ihn dann statthaft, wenn sie als politische, d. h. am >Interesse und Nutzen des Staates< orientiert, auftrat. Auch diese Argumentation reichte Wittgenstein nicht, sondern am 16. 2.1818 fragte er beim Monarchen selbst wegen der Kabinettsordre vom 3 . 1 1 . 1 8 1 7 an und bekam zur Antwort, der König könne ihn seiner Verantwortlichkeit wegen der bis jezt statt gefundenen Aufmerksamkeit auf Personen und Gegenstände, durch die irgend ein Nachtheil für den Staat zu befürchten wäre, keineswegs entbinden. Diese Aufmerksamkeit muß fortdauernd sorgfältig auf alles gerichtet seyn und bleiben, was dem Staate schaden oder ihn in Gefahr setzen und seynen Zwecken hinderlich seyn könnte.196 Das bestätigte die Version von Kamptz. Der König zählte zugleich die Objekte staatsschützender Tätigkeit auf: verdächtige Personen, die öffentliche Stimmung, 194
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Zum Näheren vgl. Steiger: Wartburgsverschwörung, wo auch S. 201-203 Falkenbergs Bericht vom 21.11.1817 abgedr. ist; der Bericht ist das genaue Gegenstück zu demjenigen des österr. Polizeikommissärs Sicard für Metternich; vgl. oben, S. 129. Steiger bezeichnet Falkenberg nur als »Geheimagenten«, tatsächlich war dieser regulär preußischer Staatsbeamter seit 1809, vgl. oben S. 63f. - Dieser und weitere Berichte Falkenbergs über das Wartburgfest sowie das aiphabet. Namensverzeichnis der Teilnehmer gingen später abschriftlich an die Mainzer Zentraluntersuchungskommission und über deren bayer. Mitglied schließlich auch nach Bayern, in BayHStA München MA 7730/2 »Collectanea über die Wartburgs-Feier 1817«. Aus: »Historische Nachweisung und Übersicht der in Berlin begonnenen und weiter ausgebreiteten Untersuchungen der revolutionären Umtriebe in Deutschland. (Aus den Ministerial Acten entworfen)«, Konzept Kamptz' für Hardenberg angefertigt 19. 2. 1820 im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die Mainzer Zentraluntersuchungskommission, vgl. oben, S. 82, das Konzept ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 9 Nr. 1 Vol. 1, Bl. 262-265. GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, B, 11, nun auch abgedr. bei Branig: Wittgenstein, S. 106f. = Kabinettsordre 18. 2. 1818. 179
die »Machinationen von Unruhestiftern«, Personen, die eine für den Staat »nachtheilige Tendenz« zeigten, fremde Spione und schließlich Korrespondenzen, »von denen Nachtheil für den Staat zu besorgen ist«. Diese Kabinettsordre übernahm bei der Definition des Aufgabenkreises der >hohen Polizei< in vielen Formulierungen buchstabengetreu den Wortlaut der Instruktion zur »Verwaltung der höheren und geheimen Policey«, wie sie Hardenberg 1812 für Wittgenstein konzipiert hatte, 197 und bestätigte, daß aus der Spionageabwehr eine gegen die eigene Bevölkerung gerichtete geheime politische Polizei geworden war. Solcher Auslegung folgte die Praxis in den einsetzenden Demagogenverfolgungen, auf diese reagierte die Öffentlichkeit, die weiterhin über die geheime Polizei rätselte und räsonnierte. Das »Düsseldorfer Abendblatt« vom 17. 2.1818 entdeckte »Die geheime Polizei in einigen Staaten Deutschlands« und rechnete sie zu den »bösen Überbleibseln der fremden welschen Herrschaft«. 198 Obwohl der Artikel keine unmittelbare Anspielung auf Preußen enthielt, ließ Wittgenstein den Düsseldorfer Regierungspräsidenten unverzüglich nach der Herkunft des Artikels fahnden. 199 Pestel brachte heraus, daß erstmals die »Europäische Zeitung« in Bern den Artikel veröffentlicht hatte und nur in dem Satz konkret wurde: »Wer sich von der Wahrheit dieser Schilderung überzeugen will, durchreise nur einmal die fränkischen Provinzen«.200 Mit den Karlsbader Konferenzen hielt sich die kritische Publizistik nicht mehr so bedeckt, sondern griff massiv die laufenden Demagogenverfolgungen an: »Die zahllosen Verhaftungen und das stürmische, gegen alle Rechtsnormen verstoßende Betragen mehrerer Behörden ist also kein Mittel, die Stimme der Völker zum Schweigen zu bringen«, so schrieb ein Kritiker unter dem Pseudonym Friedrich Fürstentreu und gab seiner Flugschrift den Titel: »Ueber geheime Bündnisse und geheime Polizeien«.201 2. Die Steigerung der Demagogenverfolgung im Jahre 1819 Am 11.1.1819 setzte Friedrich Wilhelm III. für sein Gesamtstaatsministerium das Signal zur massiven Zügelung der politischen Öffentlichkeit; in diesem innenpolitischen Grundsatzprogramm der Restauration gab der König in seltener Klarheit eine Zeitdiagnose, die zeigte, wo die Hebel der politischen Polizei anzusetzen hatten: Es wirke in den preußischen Staaten 197 198
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Vgl. oben, S. 69f. Düsseldorfer Abendblatt No. 41 vom 17. 2. 1818. - Vgl. auch die Beiträge in Lorenz Okens >Isis< oben, S. 58 Anm. 57. Wittgenstein 24. 2.1818 an Pestel, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 437 Nr. 1, Bl. 39. Europäische Zeitung No. 18, Bern, 10. 2.1818. Ueber geheime Bündnisse und geheime Polizeien. Ein Sendschreiben an die Herrscher Deutschlands von Friedrich Fürstentreu, auf dem Titel: »Carlsbad, im August 1819«, am Schluß: »Carlsbad, im Sept. 1819«, ein Exemplar in ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 16.
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die Kraft, welche durch lange politische Spannung, durch Unruhe und Kriege angeregt wurde, noch immer fort und hat den Ruhepunkt noch nicht erreicht, zu welchem sie nach hergestellter Ordnung der Dinge, hätte gelangen sollen. D i e öffentliche Meinung und der lebhafte Antheil des Einzelnen an dem Errettungskampfe, die Thätigkeit Vieler, die an demselben Theil nahm, sucht nach dessen Beendigung, neue Gegenstände der Wirksamkeit auf, und richtet sie auf Dinge im Innern. 202
Der König verbat sich unberufenen und nicht sachkundigen Tadel an Regierungsmaßregeln, Verbreitung von Unzufriedenheit und Forderungen; er verlangte Maßnahmen gegen in- wie ausländische Zeitungen, Journale und Flugschriften und rief nach einem Preßgesetz der Bundesversammlung. Den Beamten verbot er, »eine Schrift über einen politischen Gegenstand herauszugeben«; das sei ihnen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Außenministeriums gestattet. Zugleich umriß er die Einbruchsteile für die politische Polizei in dem Gebot: »Die Wachsamkeit auf alles was den Character der Entartung guter und löblicher Zwecke trägt, muß sich verdoppeln«. Kamptz und Wittgenstein hatten dazu seit den Tagen des Wartburgfests systematisch die Grundlagen geschaffen, indem sie eine umfangreiche Materialsammlung anlegten, die die Resultate der nun ständig beobachteten Universitäten, der Burschenschaft und einzelner Personen vereinte und die systematisch in der Suche nach >Spuren< und >Verzweigungen< ergänzt wurde. 203 Im Sommer 1819 lagen Wittgenstein dann so viele »Beweise« vor, daß er polizeiliche Aktionen für erforderlich hielt; seine Informationen deuteten hinaus über die burschenschaftlichen Verbindungen an den Universitäten Berlin, Jena, Gießen, Freiburg und Heidelberg, indem sie belegten, daß zwischen Studenten, Beamten und Offizieren »ein engerer Verein« existiere, der die Änderung der Verfassung in den Einzelstaaten und im ganzen Bund anstrebe. 204 Der Polizeiminister erwirkte das Einverständnis des Königs, Hardenbergs, Bernstorffs und des Justizministers, Kontakte nach Baden und Württemberg aufzunehmen 205 und in Preußen polizeiliche Maßnahmen durchzuführen. 206 Am 4. 7.1819 setzte Kamptz in einem Vortrag Hardenberg und Wittgenstein die drei Schwerpunkte der Aktionen auseinander: 1. Verhaftungen der Hauptverdächtigten, 2. Beschlagnahmeaktionen, 3. Einsetzung einer Untersuchungskommission. Hardenberg war mit allem vollkommen einverstanden. Den seit dem 4. 7. erfolgenden Ablauf der Aktionen im einzelnen darzulegen, müßte man viel Bekanntes wiederholen. 207 Hier soll demgegenüber das Augen202 203 204
205 207
G S t A Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, B, 11. Vgl. hierzu auch Steiger: Wartburgsverschwörung, S. 196. Schreiben Wittgensteins 2 4 . 6 . 1 8 1 9 , ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, Bl. 77-80. 206 Vgl. oben, S. 76f. Wie Anm. 204, Bl. 76. Ein regierungsamtliches erstes Resümee der am 4. 7. 1819 einsetzenden Razzia bot die »Allgemeine Preußische Staats-Zeitung« am 20. 7 . 1 8 1 9 , Nr. 58; der Artikel war zuvor von Hardenberg redigiert und vom König gebilligt worden.
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merk auf der Konstruktion und den Problemen der nun eingesetzten Untersuchungskommissionen liegen, da diese Behörden fortan das eigentliche staatspolizeiliche Kraftfeld der Demagogenverfolgungen darstellten. Von ihrer Ausdifferenzierung und Konzentration zu rein staatspolizeilichen Behörden ist wenig bekannt, ihr innerer Zusammenhang und ihre Entwicklung bisher nicht durchsichtig ;207a deshalb gehört es in das Zentrum der vorliegenden Thematik. Erst in genauer Kenntnis der institutionellen Entwicklung werden auch die strukturellen und personellen von 1819 bis 1840 reichenden Kontinuitäten greifbar. 3. Die Ministerial-Untersuchungs-Kommission vom Juli bis September 1819 Am Anfang stand die von Kamptz angeregte sogenannte »Ministerial-Untersuschungs-Kommission« (nicht zu verwechseln mit der späteren »Ministerial-Kommission«); ihr Statut hatte ebenfalls der Ministerialdirektor konzipiert. 208 Sie setzte sich zusammen aus: - einem Vertreter der Regierung: dem Regierungsrat G r a n o , der die Kommission leitete und später Preußens Vertreter in der Mainzer Untersuchungskommission wurde, - einem Vertreter der Justiz: dem Justizrat S c h m i d t (ab 18. 8.1819 durch den Regierungsassessor T z s c h o p p e als Regierungsvertreter ersetzt), - einem Aktuar: Kammergerichtsreferendar D a m b a c h , - einem Schreiber, - einem berittenen Gendarm, die Kommission wurde später noch ergänzt um - den Polizeirat K a y s e r (ab 29. 7.1819), - den Stadtjustizrat H a n f f (ab 22. 8.1819). Ihre Aufgabe war vordringlich die polizeiliche Untersuchung, deshalb wurde sie dem Polizeiministerium zugeordnet, obwohl sie - was später noch wichtig wurde charakteristischerweise und mit Absicht aus Justiz- und Polizeimännern gemischt war. Sie wertete die beschlagnahmten Papiere aus und verhörte die zunächst insgesamt zehn verhafteten >Demagogen< ,209 Am 21. 7.1819, rund zwei Wochen nach der Razzia, erstattete die Kommission einen ersten Ergebnisbericht und konstatierte, die Verhafteten leugneten sämtlich, zu einer geheimen Verbindung zu gehören. Dieser behaupteten Schuldlosig207a
208 209
So auch bei Obenaus: Sicherheitspolizei, der S. 110-114 u. S. 118-121 die Ministerialkommissionen berührt. ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, Bl. 85. Es waren: 1. Carl Franz Joseph Bader, Dr. med. aus Freiburg, 2. Carl Christoph Jung, Dr. med. aus Mannheim, 3. Georg Ludwig Roediger, Dr. phil. aus Neuenkirchen, Bayern, 4. Leopold Dorotheus von Henning aus Gotha, Student in Berlin, 5. Franz Lieber aus Berlin, 6. Friedrich Carl Ulrich aus Frankenstein/Schlesien, Student in Berlin, 7. Friedrich Ludwig Jahn aus Lanz bei Lenzen, Dr. phil., 8. Gustav Asverus aus Jena, Student in Berlin, 9. Wilhelm Wesselhöft aus Chemnitz, Student in Berlin, 10. Carl August Kretschmer aus Breslau, Auskultator am dortigen Oberlandesgerichte, so die Aufstellung im Untersuchungsbericht 21. 7.1819, ebd., Bl. 170-172.
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keit stehe entgegen, »was aus jenen Briefschaften, in Verbindung mit den Briefen anderer sogenannten Gleichgesinnten« zu entnehmen sei. Die Beschuldigten müßten für »jede auf geheime Umtriebe und politische Verbindung hindeutende Stelle« zur Rechenschaft gezogen werden. Das ginge aber über eine vorläufige polizeiliche Untersuchung hinaus. Kamptz hielt den Bericht für so bedeutsam, daß er ihn unverzüglich dem in Teplitz weilenden Staatskanzler nachsandte, der dort im Beisein des Königs mit Metternich über die Vorbereitung der Karlsbader Konferenzen verhandelte. 210 Am 6. 8. 1819 schied Schmidt wegen Krankheitsrücksichten aus der Kommission aus, und statt seiner rückte am 18. 8. 1819 der Regierungsassessor Tzschoppe nach, 211 der fortan nach Kamptz in der konkreten Arbeit zum wichtigsten Demagogenverfolger in der Ära bis 1840 wurde. 212 Der Grund für den Austritt Schmidts lag nicht allein in der krankmachenden Arbeitsüberlastung. Zwar hatte man für jeden der zehn Verhafteten rund 100 Einzeldokumente durchzusehen, und überdies hatte sich nach Auswertung der Briefe der Kreis der Verdächtigten auf 50 erweitert. Grundsätzlich bereitete dem Justizmann aber auch die Art des Geschäfts Probleme: »Der besondere Antheil von Verdacht und Schuld, der den Einzelnen trifft, läßt sich bei dieser Personenzahl unmöglich übersichtlich darstellen«.213 Daß die Verhafteten über das vom Allgemeinen Landrecht vorgesehene Maß von zweimal 24 Stunden hinaus festgehalten wurden, rechtfertigte Kamptz mit Verdunklungsgefahr, zumal sich Ausländer darunter befänden. Hier bahnte sich ein Konflikt zwischen Justiz und Staatspolizei an, der immer grundsätzlicher wurde und schließlich das Problem aufwarf, welche Seite sich der andern zu unterwerfen hatte. Die Auseinandersetzung begann mit dem Mißfallen des Königs, daß das Kammergericht fortwährend die Abgabe der Untersuchungen an die Justizbehörde betreibe. Der Monarch hielt dem entgegen, daß die von ihm angeordnete »vorläufige Untersuchung noch nicht reif sey, an die Justiz zu gelangen«. 214 Um die Arbeit zu beschleunigen, erhielt die Kommission am 22. 8.1819 noch den Stadtjustizrat Hanff vom Oberlandesgericht in Stettin zugeordnet. 215 Inzwischen war nach vielfachen eigenen Anträgen Wittgenstein von dem Amt des Polizeiministers am 16. 8.1819 enthoben worden, nicht weil ihm Zweifel an der Notwendigkeit der Demagogenverfolgungen gekommen waren - diese betrieb er unverweilt in engster Kooperation mit Metternich bis 1840 - , sondern weil ein Ministerium Anforderungen zu gleichmäßiger, kontinuierlicher und systematischer Arbeit stellte, die dem Fürsten eher lästig war; er bevorzugte den wirkungs210 211 212 213 214
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Vgl. Büssem: Karlsbader Beschlüsse, S. 263-289. ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, Bl. 212, 216. Vgl. A D B Bd. 39, S. 66-68; Obenaus: Sicherheitspolizei, S. 125. Bericht der Kommission 7. 8. 1819, wie Anm. 211, Bl. 201. Kabinettsordre 21. 8.1819 an Justizminister Kircheisen, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, Bl. 219. Ebd., Bl. 220.
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vollen Einfluß als O b e r k a m m e r h e r r und Minister des Königlichen Hauses aus dem Hintergrund. Das Polizeiressort wurde wieder dem Innenministerium unter Schuckmann zugeschlagen. Dieser blieb allerdings auf ausdrücklichen Befehl des Königs verpflichtet, »daß der Fürst zu Sayn-Wittgenstein über den Gang dieser Angelegenheiten fortdauernd in vertraulicher Verbindung« bleibe, denn er kenne »den verwickelten Zusammenhang jener gefährlichen Verbindung« so wie kein anderer. 2 1 6 Schuckmann erwartete nun von der Kommission »Specialübersichten derjenigen Puncte«, die j e d e m einzelnen zur Last gelegt werden konnten.
4. Die Immediat-Untersuchungs-Kommission September 1819 (spätere Justizkommission 1819-1828) D e r am 13. 7. 1819 verhaftete und schließlich auf die Festung Küstrin verbrachte >Turnvater< Friedrich Ludwig Jahn gab den äußeren Anstoß zu einer Umstrukturierung der Ministerial-Untersuchungs-Kommission: In einer Bittschrift an den König hatte er verlangt, seine Sache dem Kammergericht zu übergeben. Schuckmann forderte daraufhin von der Kommission über den Stand der Untersuchungen einen Bericht. Dieser lag am 10. 9. 1819 vor. Er führte den Innenminister zu dem Schluß: »Bei der genauen Verwickelung, in welcher die Anzeigen gegen sämmtliche Betheiligte mit einander stehen, wie bei Beschuldigungen dieser Art natürlich ist«, sei es nicht ratsam, die gerichtliche Untersuchung gegen einzelne Beschuldigte an gewöhnliche Richter abzugeben; die Sache müsse in ihrem Z u s a m m e n h a n g e untersucht und beurteilt werden; noch ließen sich deshalb polizeiliche und gerichtliche Untersuchung nicht trennen. Wichtiger als die Schuld des einzelnen aufzudecken sei »Grund und Zusammenhang des Verdachtes im Ganzen aufzuklären«. Das könne besser als ein gewöhnlicher Richter »eine von der obersten Staatsgewalt angeordnete Central-Commission«. Das Recht dazu erblickte der Innenminister im landesherrlichen Prärogativ, »aus G r ü n d e n der Staatswohlfahrt oder Sicherheit« in einzelnen Fällen Untersuchungen durch besondere, dem Monarchen direkt (»immediat«) unterstellte Kommissionen anzuordnen. 2 1 7 A m 16. 9. 1819 kam Friedrich Wilhelm diesem Antrag nach und begründete die sogenannte »Immediat-Untersuchungs-Kommission«, für die ihr Zwittercharakter, aus Polizei- und Gerichtsvertretern ebenso wie bei der Vorgängerbehörde 216
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Kabinettsordre 16. 8. 1819 an Schuckmann, GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, K, 1(a); dieser Regelung lag eine ältere Kabinettsordre vom 11. 1.1819 zugrunde, wo der Übergang des Polizeiressorts von Wittgenstein an Schuckmann in Aussicht gestellt worden war, ebd. Antrag Schuckmanns 10. 9.1819 an den König, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, Bl. 236-240. - Vgl. auch bei Friedrich Schnapp (Hrsg.): E . T . A . Hoffmanns Briefwechsel, Bd. 1-3, München 1967-69, die in Bd. 3 wiedergegebenen Eingaben Jahns, bes. die vom 27. 9. 1819, S. 118-120; die Eingabe, auf die Schuckmann sich bezog, ist hier nicht wiedergegeben.
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zusammengesetzt zu sein, charakteristisch war. Es schien dem König noch zu früh, »eine bloße Justiz-Commission zu bestellen oder eine Justiz- und eine PolizeiCommission neben einander fort wirken zu lassen«. Beide müßten in einer Untersuchungskommission vereint sein und den Gesichtspunkt verfolgen, die politischen Verbrecher vollständig zu ermitteln und die Gefahren zu verhüten, »womit nicht bloß der preußische Staat sondern ganz Deutschland bedrohet werden«. 218 Diese neue Kommission zählte neben den Mitgliedern der ursprünglichen Ministerial-Untersuchungs-Kommission zusätzlich drei neue Mitglieder, insgesamt also: Justizmitglieder: - Kammergerichtsvizepräsident von T r ü t z s c h l e r , - Kammergerichtsrat Ε. T. A. H o f f m a n n , - Kammergerichtsassessor von G e r lach - Stadtjustizrat H a n f f (Nachfolger 1.10.1819: Kammergerichtsassessor K u l meyer) - (am 1.10.1819 zusätzlich ergänzt: Kammergerichts- und Pupillenrat von Sydow) Regierungsbeauftragte des Polizeiressorts: - Regierungsrat G r a n o , (am 11.10.1819 zur Mainzer Zentraluntersuchungskommission abgeordnet) - Regierungsassessor T z s c h o p p e , - Polizeirat K a y s e r , - Aktuar D a m b a c h . Gleich in der konstituierenden Sitzung warf Trützschler die Fragen nach Legitimation und Grenzen der Befugnisse auf. Die gemischte Zusammensetzung machte den Charakter der Behörde zum Problem. Einerseits sollte die Kommission die Kompetenz zu »polizeilichen Requisitionen und Verfügungen« gegenüber allen Oberpräsidien, Regierungen, Oberlandesgerichten, dem Oberappellationsgericht in Posen und dem Appellationsgericht in Köln besitzen.219 Schuckmann sprach ihr andererseits »die Befugniß eines Criminal-Gerichtes« zu.220 Daraufhin verlangte der Kommissionspräsident »eine neue ostensible Kabinettsordre«, damit vor der Öffentlichkeit die Bedeutung der Behörde als untersuchendes Kriminalgericht klargestellt sei und einzelne Verhaftete nicht weiterhin wie geschehen - nach ihrem ordentlichen Richter verlangen könnten. 221 218
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Kabinettsordre 16.9.1819, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1, B1.244, zugleich Tit. 23 Gen. 16, Bl. 15, gedr. in Hoffmanns Briefwechsel Bd. 3, S. 112. So Kircheisen und Schuckmann 21. 9. 1819 an die Kommission, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 23 Gen. 16, Bl. 17. Schuckmann 19. 9. 1819 an Trützschler, ebd., Bl. 13. Trützschler an Schuckmann und Kircheisen, ebd., Tit. 17 Nr. 9 Vol. 1.
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Dem kam der König am 1.10.1819 nach, indem er die Immediat-Untersuchungskommission ein zweites Mal - nun öffentlich - einsetzte und ihr die »Eigenschaft, als inquirirende Kriminal-Gerichte haben«, zusprach.222 5. Die erste staatspolizeiliche Ministerialkommission (6.12.1819) Damit waren die Probleme zwischen Polizei und Justiz keineswegs beigelegt. Denn die Regierung interessierte möglichst umfassende Verfolgung und Ermittlung weitverzweigter politischer Verschwörungen, die Richter in der Kommission dagegen Gerichtssprüche, die den einzelnen möglichst genau und gerecht nach der vorliegenden Kriminalordnung erfaßten. Der Konflikt brach schließlich offen aus, als die Immediat-Untersuchungskommission Personen freiließ, weil sie diese zu einem Kriminalverfahren nicht für »reif« hielt. Das ging dem König ebenso wie Hardenberg zu weit. Der Staatskanzler verlangte zur Klärung ein Gutachten von dem Magdeburger Oberpräsidenten Friedrich von Bülow, der Ende 1819 nach Berlin berufen worden war und sich bereits früher als stellvertretender Leiter der preußischen Geheimpolizei im Jahre 1812 bei der Verhaftungsaktion gegen Gruner hervorgetan hatte. 223 Bülow plädierte für die Trennung von Justiz und Staatspolizei.224 Daraufhin konzipierte Hardenberg eigenhändig am 6.12.1819 die Kabinettsordre, mit der der König die berüchtigte preußische Ministerialkommission einsetzte. 225 An der Immediat-Untersuchungskommission rügte der Staatskanzler, daß sie, »den juristischen Gesichtspunkt allein vor Augen habend, den höheren Staatspoliceylichen Zweck ganz außer Acht gelassen hat«. 226 Die Ministerialkommission bestand aus: - dem Staatskanzler H a r d e n b e r g als Vorsitzendem und Leiter, - dem Justizminister K i r c h e i s e n , - dem Minister des Innern und der Polizei S c h u c k m a n n , - dem Minister des Königlichen Hauses und Oberkammerherrn W i t t g e n s t e i n , - dem Geh. Kabinettsrat Al b r e c h t , - dem Geh. Oberregierungsrat K a m p t z , - dem Geh. Staatsrat und Oberpräsidenten Bülow. 2 2 7 222
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Kabinettsordre 1.10. 1819, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 2, Bl. 3f.; gedr. in Hoffmanns Briefwechsel Bd. 3, S. 113f. Vgl. oben, S. 70f. Gutachten Bülows 1. 12. 1819, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 1, Bl. 1-5. Kabinettsordre 6.12. 1819, Hardenbergs Konzept ebd., Bl. 6f., Ausfertigung ebd., Bl. 9f. Ebd., später hatte Grano im Auftrag Hardenbergs die Mainzer Untersuchungskommission aufgeklärt, daß die Immediat-Untersuchungskommission »lediglich auf KriminalUntersuchungen beschränkt, und dagegen für sämmtliche Staatspolizeylichen Untersuchungen und Rücksichten« die Ministerialkommission unter Leitung Hardenbergs bestand, Grano 15.12. 1819 an Hardenberg, Rep. 77 Tit. 9 Nr. 1 Vol. 1, Bl. 114. Zur genauen Zusammensetzung des preuß. Staatsministeriums 1817-1841 vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 160f. sowie Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur
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Alles, »was auf die Staatspoliceyliehe Untersuchung der politischen Umtriebe Bezug hat«, wurde nach der konstitutiven Kabinettsordre dem Innenministerium entzogen und fortan bei der Ministerialkommission bearbeitet. Bülow und Kamptz übernahmen die mündlichen und schriftlichen Vorträge, sofern sie nicht von den Staatsministern selbst gemacht wurden. Die Kabinettsordre definierte als Aufgabe, daß die gefährlichen Umtriebe mit Sorgfalt und in allen ihren Zweigen verfolgt und die Mittel ergriffen werden, welche die Sicherheit meines Staats und ganz Deutschlands fordern und nothwendig machen.
Expedition und Registratur befanden sich im Gebäude des Staatskanzleramts. Die Ministerialkommission führte das Siegel des Staatskanzleramts, Hardenberg hatte die Reinschriften ihrer Verfügungen und Schreiben zu unterzeichnen; man tagte anfangs wöchentlich einmal. 228 Befand die Behörde Personen für »reif« zur Kriminaluntersuchung, übergab sie jene samt Akten der Immediatuntersuchungskommission als nunmehr reiner Justizbehörde, denn ihre polizeilichen Mitglieder waren ihr durch die Begründung der staatspolizeilichen Ministerialkommission entzogen und in deren Dienst gestellt worden. Die Immediat-UntersuchungsKommission hieß nun oft im Amtsverkehr auch folgerichtig »Justizkommission«. 6. Das beigeordnete Inquisitionsbüro. Tzschoppe Die polizeilichen Mitglieder aus der Immediat-Untersuchungs-Kommission außer Grano, der inzwischen in Mainz war - erhielten zur »Führung der speciellen Untersuchungen« ein eigenes Büro mit zwei Zimmern. Hier ereigneten sich die folgenreichen Vernehmungen, die im Rahmen der Demagogen Verfolgungen eine traurige Berühmtheit erlangten. Tzschoppe und Kayser wurden hier nach einer Formulierung Hardenbergs als »Inquirenten in allen policeylichen Untersuchungen wegen politischer und demagogischer Umtriebe« tätig;229 ihnen standen ein Kanzlist, ein Kanzleidiener (der invalide Feldwebel Christian Mierse) und ein Gendarm zur Seite. Vernehmungsprotokolle wurden als unzweckmäßig und unerwünscht angesehen. 230 Mit dem ersatzlosen Ausscheiden Kaysers am 15.1. 1820 wurde Tzschoppe zur tragenden Inquisitionsfigur, der die Geschäfte »fortwährend und größtentheils ganz allein besorgte«. Was Tzschoppe für dieses Büro bedeutete, war Kamptz in der Ministerialkommission, wobei Tzschoppe »theils zur Aushülfe, theils in Abwesenheit des Decernenten« auch noch hier tätig wurde. 231
228
229 230 231
deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945. Reihe A: Preußen. Bd. 12. Teil A: Preußische Zentralbehörden, Teil B: Unmittelbare Gebiete Preußens (in 1 Bd.). Marburg/Lahn 1978. Geschäftsordnungsbestimmungen laut dem von Bülow abgefaßten Protokoll der konstituierenden Sitzung vom 7.12. 1819, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 1, Bl. l l f . ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 3, Bl. 4. Ebd., Rep. 77 Tit. 11 Nr. 1, Bl. 29. Gutachten der Ministerialkommission 14. 8. 1826 für Tzschoppe, ebd., Rep. 77 Tit. 11 Nr. 2, Bl. 130f.
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7. Zur Arbeit der Ministerialkommission 1819-1828 Die Ministerialkommission wurde zum eigentlichen Aktionszentrum der Demagogenverfolgungen: Sie korrespondierte mit der Mainzer Zentraluntersuchungskommission, mit den Polizeistellen des Inlands ebenso wie mit auswärtigen Behörden in ganz Deutschland unter Umgehung des diplomatischen Wegs, empfing andererseits auch Berichte der preußischen Gesandtschaften. Waren Vernehmungen außerhalb Berlins vorzunehmen, bediente sich die Ministerialkommission sogenannter »Kommissorien«; das wichtigste wurde dem Hofgerichtsrat Pape übertragen, der an Ort und Stelle Unterstützung durch Gendarmerie und Polizeibeamte verlangen konnte. Er führte in Begleitung von dem bereits genannten Dambach zwischen 1820 und 1822 u. a. die Vernehmungen Arndts, der beiden Welcker in Bonn, des Paul Follenius in Gießen, insgesamt von siebzehn prominenten und weniger bekannten Verdächtigten, hielt sich immer wieder in Mainz auf, um direkt mit der Zentraluntersuchungskommission zu konferieren und Akten auszutauschen. Als er Anfang 1823 eine Generalnachweisung aller liquidierten Diäten, Reisekosten usw. der Generalstaatskasse einreichte, kam er auf eine Summe von 16705 Reichstalern 232 - zum Vergleich: Der Dispositionsfonds für die höhere Polizei betrug im Jahr 1820 26680 Reichstaler. 233 Nach Abschluß der Geschäfte erlangte Pape als Anerkennung für seine Leistungen die Beförderung zum Geheimen Justizrat, der ehemalige Kammergerichtsreferendar Dambach erhielt die Stelle eines Kriminalrichters beim Inquisitoriat in Erfurt. Solche Chancen zu avancieren sind nicht zu unterschätzen, will man die oft vorzufindende Hitzigkeit und Unerbittlichkeit der Demagogenverfolger verstehen, die sich zudem der ganzen staatlichen Autorität im Hintergrund gewiß waren. Auch Tzschoppe gehörte zu dieser Kategorie. Im Juli 1820 beabsichtigte Hardenberg einmal vorübergehend, die Ministerialkommission aufzulösen. Ein Gutachten Bülows,234 das die besonderen Vorzüge dieser zentralen Staatspolizeibehörde hervorhob, vermochte den Staatskanzler umzustimmen: - Die Ministerialkommission habe den Geschäftsgang verbessert; »die verwirrenden und zeitraubenden Anfragen, Communicationen, Requisitionen der verschiedenen Staatsbehörden sind vereinfacht«; - die Korrespondenzen mit auswärtigen Behörden und preußischen Gesandtschaften seien erleichtert; - die Arbeit der Mainzer Zentraluntersuchungskommission sei durch den Einfluß und Nachdruck der Ministerialkommission effektiver geworden; - die Überschreitung der Ressortgrenzen habe gleichfalls die Arbeit erleichtert. Nach dem Tode Hardenbergs zog die Ministerialkommission einige Zeit später im Jahre 1824 Außenminister Bernstorff zu ihren Geschäften hinzu, weil ihr das 232
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ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 5, Bl. 22. - Diese Akte dokumentiert die vorgenannten Aktivitäten Papes. Ebd., Rep. 77 Tit. 436 Nr. 1, Bl. 10. Gutachten Bülows vom Juli 1820, ebd. Rep. 77 Tit. 11 Nr. 1, Bl. 116.
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unabdingbar erschien, Ressortkonflikte mit dem Außenministerium zu vermeiden, das früher durch den Staatskanzler mitrepräsentiert war.235 Die Ministerialkommission wurde nicht förmlich aufgelöst; sie stellte ihre Tätigkeit ein, als im Oktober 1828 die Justiz-(Immediat-Untersuchungs-)Kommission ihre Geschäfte für beendet erklärte und offiziell aufgehoben wurde. 236 Nachdem Tzschoppes Talent entdeckt worden war, wurde er 1830 als Geheimer Regierungsrat in der Stellung eines Vortragenden Rates im Innenministerium »zur Bearbeitung der Geschäfte der allgemeinen Sicherheits-Polizei« herangezogen. 237 8. Der Vorrang der Staatspolizei vor der Justiz Die Konflikte zwischen Ministerial- und Justizkommission entwickelten sich zugespitzt formuliert - zu solchen zwischen Polizei- und Rechtsstaat, zwischen Urteil nach der Gesinnung oder nach Tat und Gesetz. In einem mutigen Vorstoß hatte Trützschler diese Spannung dem Justizminister schonungslos freigelegt, indem er um seine Entlassung aus der Kommission bat, »damit meine Richterehre vor dem großen Publicum nicht gefährdet werde«. 238 Er habe »die Ruhe meines Gemüthes und die Heiterkeit des Geistes« der Kommission zum Opfer gebracht. Der Kammergerichtsvizepräsident führte bittere Beschwerde, daß die seit Monaten beschlossene Aufhebung des Kriminalarrests bei den Beschuldigten Adolph Follenius und Ludwig von Mühlenfels nicht vollzogen werde; das sei für ihn zur »Gewissens-Sache« geworden. Er hielt die Betroffenen zwar für »höchst exaltirte und unruhige Köpfe«, die viele Jahre lang, wenn nicht zeitlebens unter scharfer polizeilicher Aufsicht stehen müßten. Aber solche Anordnungen lägen außerhalb der Sphäre des Kriminalrichters, der nur die That, nicht die Gesinnung strafen [kann], und dem das Gesetz Schranken gesezt hat, die er unter keiner Bedingung überschreiten darf. Er darf daher auch keine Maasregel ausführen, die er als absolut unvereinbar mit dem Gesetz anerkennt. 239
Friedrich Wilhelm III. erwiderte darauf, daß die Justizkommission auch dort »polizeiliche Vernehmungen« auf Anforderung der Ministerialkommission durchzuführen hatte, wo noch keine Kriminaluntersuchung eröffnet war, wo aber Daten ermittelt werden mußten, die die Mainzer Zentraluntersuchungskommission verlange. Er qualifizierte die Justizkommission »als der obern Leitung der Ministerial Commission untergeben«. 240 Die Justizkommission verwahrte sich am 5. 4.1821 gegen diese Unterordnung, 235
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239 240
Antrag der Ministerialkommission 23. 10. 1824 (unterzeichnet: Kircheisen, Schuckmann, Wittgenstein, Albrecht, Kamptz), ZStA Merseburg Zivilkabinett 2.2.1. Nr. 14993, Bl. 10, dazu Kabinettsordre 7.11. 1824, ebd., Rep. 77 Tit. 11 Nr. 1, Bl. 173. Ebd., Rep. 77 Tit. 11 Nr. 2, Bl. 141. Kabinettsordre 26. 10. 1830, GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein VII, K, 1(h). Trützschler 4. 2. 1821 an Schuckmann und Kircheisen, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 2, Bl. 50f. Ebd. Kabinettsordre 5. 3. 1821, ebd., Bl. 58.
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forderte die Entlassung von Follenius und Mühlenfels, und sämtliche Mitglieder boten ihren Rücktritt an. Der König ignorierte das und verfügte stattdessen im Gegenteil, daß Follenius unter Arrest bei der Festung Küstrin, Mühlenfels bei der Festung in Glogau gehalten wurden, wie es bereits Jahn in Küstrin widerfahren war; das sollte so lange gelten, bis ein Urteil ergangen sei.241 Am tapfersten und hartnäckigsten widersetzte sich in der Justizkommission der inzwischen zum Rat beförderte Gerlach. Als er erneut verlangte, aus ihr entlassen zu werden, belehrte ihn die Ministerialkommission, »daß die polizeilichen Verfügungen Sr. Majestät des Königs und der Ministerial-Commission ganz außer Ihrer Competenz liegen«.242 Als das auch nichts half, ordnete der König schließlich an, er stelle Gerlach vor die Wahl, entweder das Verhör des Berliner Buchhändlers Reimer (der Schriften Arndts gedruckt hatte) sofort vorzunehmen und vollständig bis zu Ende zu führen »oder gänzlich aus meinen Diensten zu scheiden«.243 9. Die zweite staatspolizeiliche Ministerialkommission (23. 7. 1833) Nachdem Ende der 1820er Jahre in Deutschland die politische Erregung abgeklungen war, der politisch-polizeiliche Druck seine Wirkung getan244 und die Zahl der Untersuchungen abgenommen hatte, führte die Julirevolution im Jahre 1830 zu einer Reaktivierung der staatspolizeilichen Kräfte. Das Frankfurter Attentat vom 3. 4.1833 und die anschließend eingesetzte Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde bildeten die letzten Glieder in einer Kette, um auch in Preußen wieder auf die bewährten Methoden und Personen in der politischen Polizei zurückzugreifen. Der König regte gegenüber Außenminister Ancillon und Justizminister Mühler die Bildung einer neuen Ministerialkommission analog zu der von 1819 an, um der Frankfurter Untersuchungsbehörde eine zentralisierte, kompetente Landesbehörde als Anlaufinstitution anzubieten. 245 Entsprechend den Vorschlägen der beiden Minister246 begründete der König am 23. 7.1833 erneut eine Ministerialkommission. Von vornherein stand außer Zweifel, daß die zu schaffende Institution von der Art »einer höherstehenden Behörde« als der des Kammergerichts sein mußte, da das Kammergericht nur von den Gegenständen unterrichtet sein kann, welche schon in den Bereich kriminalrechtlicher Untersuchungen gediehen, nicht aber von solchen Gegenständen, welche noch in der Einleitung begriffen sind, und daher noch zum Ressort der Polizei gehören. 247 241 242 243 244
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Kabinettsordre 2. 5. 1821 an die Ministerialkommission, ebd., Bl. 73. ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 2, Bl. 102. Friedrich Wilhelm III. am 25.10. 1821, ebd., Bl. 115. Vgl. das eingangs nach dem Titelblatt erwähnte Gespräch Goethes mit Eckermann vom 12. 3. 1828. Friedrich Wilhelm III. an Ancillon und Mühler, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 9, Bl. 1. Mühler, Ancillon 18.7.1833 an Friedrich Wilhelm III., ZStA Merseburg Zivilkabinett 2.2.1. Nr. 15244, Bl. 23f. Ebd.
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Schon bei diesem allgemeinen Grundsatz wie dann auch bei der Normierung im einzelnen machten sich die Erfahrungen mit der früheren Behörde bemerkbar, indem alle möglichen Konfliktzonen zur Justiz von Anfang an abgeschnitten wurden. 248 Die Ministerialkommission bestand aus: - dem Minister des Innern und der Polizei B r e n n , - dem JustizministerMühler, - dem inzwischen 1832 zum Justizminister (für Gesetzesrevision) beförderten Kamptz, - dem Geh. Oberregierungsrat T z s c h o p p e , der den Vortrag und die Bearbeitung der Geschäfte zu übernehmen hatte; 249 »bei Gegenständen von einem höhern oder allgemeinen Interesse« waren zusätzlich noch heranzuziehen: - der Kabinettsminister L o t t u m , - der Außenminister Α η c i 11 ο η, - der Hausminister W i t t g e n s t e i n . In ihren Kompetenzen war die Ministerialkommission in jeder Hinsicht dem Kammergericht als zuständiger Justizbehörde für die politischen Untersuchungen übergeordnet: - Im Hinblick auf die »Untersuchung der politischen Umtriebe« war die Ministerialkommission befugt, überall dort einzugreifen, wo zu besorgen sein möchte, daß eine buchstäbliche Anwendung der diesseitigen Gesetze und der CriminalOrdnung diese Zwecke ganz oder teilweise vereiteln würde. 250
Die Ministerialkommission entschied, - ob und gegen wen eine Kriminaluntersuchung einzuleiten sei, - welcher Richter des Kammergerichts die Leitung der Untersuchung übertragen bekommen sollte, - über Verhaftung, Freilassung, Auslieferung an eine fremde Behörde. Das Kammergericht habe in allen diesen Fällen »unangesehen, ob und worin die Criminal-Ordnung hiervon abweiche, Folge zu leisten«. - Die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde durfte nur mit der Ministerialkommission, nicht aber mit dem Kammergericht korrespondieren. Schließlich konnten Konflikte mit der Justiz nicht nur durch die zuvor genannten Einschnürungen ihrer Unabhängigkeit, sondern in überlegter Vorauswahl der Richter vermieden werden. Der König ernannte den Kammergerichtsvizepräsi248 249
250
Kabinettsordre 23. 7. 1833, wie Anm. 246, Bl. 25. Diese Funktion nahm Tzschoppe außerhalb seiner eigentlichen Amtsfunktionen wahr (1830 Mitglied des Oberzensurkollegiums, 1833 Direktor sämtlicher staatlichen Archive, seine eigentliche Haupttätigkeit, 1837 noch Direktor im Ministerium des Königlichen Hauses unter Wittgenstein); um so erstaunlicher ist, welche Aktenmassen und damit verbundene persönliche Schicksale durch seine Hände gehen konnten. »Die Bestimmung und die Befugnisse der unterm 23. Juli 1833 allerhöchst angeordneten Ministerial-Kommission betreffend«, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 9, Bl. 63.
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denten Bülow zum Vorsitzenden des Kriminalsenats dieser Behörde, der die neuen politischen Untersuchungen zu führen hatte. Ausdrücklich zog er noch weitere solche Justizbeamte heran, »die mit den frühern Verhandlungen in Gemäßheit des Bundesbeschlusses vom 20. September 1819 genau bekannt« waren. Als solcher wurde der inzwischen in Querfurth ansässige Kriminalrichter Dambach an die Kriminaldeputation des Berliner Stadtgerichts versetzt, und ihm wurde »die Führung sämmtlicher Untersuchungen politischer Natur« übertragen. 251 10. Die Arbeit der zweiten Ministerialkommission 1833-1840 In der Praxis arbeitete diese zweite Ministerialkommission durchweg perfekter und systematischer als ihre Vorgängerin, wobei der Höhepunkt ihrer Aktivitäten, nach ihrem Dispositionsfonds zu urteilen, im Jahre 1835 lag.252 Transport- und Verpflegungskosten für die Betroffenen machten den Hauptanteil dieses Aufwands aus. Waren diese vermögend, mußten sie die entstandenen Aufwendungen ersetzen. Die Kommission erwarb sich - mehrfach aus eigenem Anstoß des Monarchen Mitsprachekompetenzen in möglichst vielen vom Staat beeinflußten Lebensbereichen, ging darin über eine bloße politisch-polizeiliche, an retrospektiven Fällen orientierte Ermittlungsinstanz (Beteiligte am Frankfurter Attentat und seines Umfeldes) hinaus und entwickelte sich zu einer landesweit wirksamen Überwachungsbehörde. Das soll aus drei Bereichen belegt werden. 1.) Seit dem 17. 5.1834 war vorgeschrieben, daß wegen der Anstellung oder Beförderung eines Geistlichen oder öffentlichen Lehrers vorab eine Nachfrage an die Ministerialkommission zu richten sei, ob etwas Belastendes im Zusammenhang mit verbotenen politischen Verbindungen vorliege.253 In Form von Regelanfragen richteten die Regierungspräsidien ihre entsprechenden Erkundungen an den Dezernenten Tzschoppe. Dieser prüfte dann nach, ob für die einzelnen Kandidaten Personalakten vorlagen, die aus der Tätigkeit der Ministerialkommission erwachsen waren. Wie die erhaltenen Akten dieses bis 1840 praktizierten Verfahrens ausweisen,254 waren ein Lebenslauf, das akademische Zeugnis, das von der Teilnahme an verbotenen politischen Verbindungen freisprach, sowie ein »politisches Führungs-Attest« einzureichen, woraufhin Tzschoppe die »Unverdächtigkeit« des Bewerbers kontrollierte und im positiven Fall erklärte, daß der Anstellung »in politischer [mitunter: »in polizeilicher«] Hinsicht kein Bedenken
251 252
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Kabinettsordre 6. 7. 1833 an Ancillon und Mühler, ebd., Bl. 1. 1834: 30000,1835: 45000,1836: 25000,1837:15000,1838:15000 Reichstaler, nach ZStA Merseburg Zivilkabinett 2.2.1. Nr. 15244, Bl. 130f., 142, 145. Kabinettsordre 17. 5 1834, ebd., Rep. 77 Tit. 11 Nr. 9, Bl. 59. Es handelt sich um die bisher - soweit ersichtlich - unausgewerteten Bestände des Innenministeriums Rep. 77 der Titel 7 und 8.
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entgegen steht«. 255 Auch formulierte Tzschoppe bisweilen, »Bedenken in politisch-polizeilicher Beziehung« bestünden nicht.256 2.) Rechtskandidaten, die ein Gesuch um Eintritt in den Staatsdienst stellten, mußten dieses generell der Ministerialkommission einreichen und es in gleicher Weise auf politische Unverdächtigkeit prüfen lassen.257 3.) Die Ministerialkommission beauftragte die Regierungspräsidenten, um »die jungen Leute vor Grundsätzen, Gesinnungen und Verwirrungen zu bewahren«, diejenigen PolizeiBehörden, in deren Bezirke Gymnasien oder sonst höhere SchulAnstalten sich befinden, zu verpflichten, dem Treiben auf den Schulen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen und etwanige Wahrnehmungen über auffällige Verhältniße oder Ungebührniße, namentlich in Beziehung auf den Verbindungsunfug entweder dem Vorsteher der Schul-Anstalt mitzutheilen oder in dazu geeigneten Fällen dem Königlichen RegierungsPräsidio anzuzeigen, welches demnächst mit dem Provinzial-SchulCollegio in Communication treten wird, ingleichen auch an uns zu berichten hat. 258
Man hatte nämlich beobachtet, daß schon auf den Schulen verschiedentlich »ein Verbindungsunfug Statt findet«. Von den polizeilichen Kontrollen waren nach Anweisung besonders die jungen Lehrer und Studenten, die in den Ferien an Schulen arbeiteten, betroffen. 11. Die Bestandsaufnahme von 1836 Im Zusammenhang mit Metternichs Bestreben, die Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde in eine nachrichtendienstliche Zentralpolizeibehörde umzuwandeln,259 trat auch die Ministerialkommission am 20. 5.1836 zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, das hieß, an der auch Wittgenstein und Ancillon teilnahmen (Lottum war verhindert), weil es - wie erwähnt - die Geschäftsordnung so vorschrieb, wenn »Gegenstände von einem höhern oder allgemeinen Interesse« zur Tagesordnung gehörten. Mit der projektierten Umwandlung der Frankfurter Behörde, die auch Ancillon als Außenminister in seiner amtlichen und Wittgenstein in seiner geheim-privaten Korrespondenz mit Metternich betraf, war das der Fall. Als Entscheidungshilfe stellte Tzschoppe zu diesem Thema den Umfang und die derzeitige Lage der von der Ministerialkommission betriebenen Untersuchungen dar. Diese zerfielen in zwei »Hauptabteilungen«: 255
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So ζ. B. Antwort Tzschoppes 28. 4. 1836 auf die Anfrage der Regierung in Minden zur Besetzung einer erledigten Pfarrstelle, wobei der Bischof von Paderborn den Kandidaten vorschlug, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 8 Nr. 4, Bl. 3. So am 26. 8. 1835 nach Überprüfung von 27 Kandidaten, die seit Ostern 1827 die Universität Königsberg verlassen hatten, ebd., Rep. 77 Tit. 7 Nr. 2, Bl. 10. Kabinettsordre 16. 11. 1833, ebd. Rep. 77 Tit. 11 Nr. 9, Bl. 32. Verfügung der Ministerialkommission 6.9. 1834 an alle Regierungspräsidien, ebd., Rep. 77 Tit. 17 Nr. 9 Vol. 3, Bl. 48f. Vgl. oben, S. 99-102, bes. S. 101.
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A , in die Untersuchungen gegen akademische unerlaubte Verbindungen und B, in die Untersuchungen gegen nicht akademische geheime Verbindungen und sonstige politische Umtriebe. 260
Z u A ) Disziplinarverfahren seien bei landsmannschaftlichen Studentenverbindungen an die akademischen Behörden verwiesen, Burschenschaften blieben der Ministerialkommission vorbehalten; diese habe inzwischen gegen mehr als 1000 Teilnehmer teils in Berlin, teils durch »Kommissorien« in den Provinzen (Breslau, Greifswald, Halle, Bonn, Wesel) verfahren. Viele Urteile standen noch aus. ZuB) 1. Untersuchungen wegen Teilnahme am Preßverein und Verbreitung aufrührerischer Schriften (abgeschlossen); 2. polnische Umtriebe, Verein zur Wiederherstellung des alten Polen, Mitteilungen aus St. Petersburg und Wien stünden noch aus (offen); 3. Teilnahme an der Frankfurter Union, Schlossergeselle Wecker (abgeschlossen); 4. Mitwisserschaft am Frankfurter Attentat, Grundbesitzer Döring (offen); 5. Teilnahme am revolutionären Verein des Jungen Deutschland in der Schweiz (soeben eröffnet). Die Zahl der »politischen Gefangenen« betrug in Berlin 14, darunter 6 Polen, auf Festungen saßen »zum vorläufigen Antritt ihrer Strafe« 63 Personen, das Kammergerichts-Inquisitoriat hatte förmliche Untersuchungen gegen fast 200 Beschuldigte geführt beziehungsweise noch zu führen. Diese Gesamtbestandsaufnahme veranlaßte die Sitzungsteilnehmer, sich entschieden gegen die Umwandlung der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde zum derzeitigen Augenblick auszusprechen. Wie ernst man deren Arbeit nahm, zeigte Tzschoppes gewissenhaft angelegter Verteilerplan, nach dem alle als zuständig erachteten Behörden Exemplare der gedruckten »Darlegung der Hauptresultate« vom Jahre 1838 erhielten.261 Der Plan dokumentiert zugleich eindrucksvoll, wohin der Arm dieser zentralen staatspolizeilichen Behörde in wichtigen Fällen reichen konnte. 262 Es erhielten eines oder mehrere Exemplare: der König, der Kronprinz (der spätere Friedrich Wilhelm IV.), Prinz Wilhelm (der spätere Wilhelm I.), Prinz Carl, der Geheime Kabinettsrat, der General der Infanterie und Kabinettsminister Lottum, die Minister Altenstein, Kamptz, Mühler, Rochow, Rauch, die 8 Oberpräsidien, die 8 Provinzialschulkollegien, die 18 Oberlandesgerichte, das Berliner Kammergericht, das Oberappellationsgericht in Greifswald, der Appellationsgerichtshof in Köln, die 8 Landgerichte in der Rheinprovinz, die 25 Regierungen, die 5 Kommandanturen, wo Gefangene »aus dem Ressort der Ministerialkommission« saßen, die 6 Universitäten (die dortigen Regierungsbevollmächtig260
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Protokoll der Sitzung der Ministerialkommission 20. 5. 1836, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. Iff, Bl. 51-62. Vgl. oben, S. 97, u. Kowalski: Hauptberichte, S. 3-77. ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 10 Nr. 1 Vol. 4, Bl. 4-6, 15, 30-33.
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ten), die beiden Vortragenden Räte in der Polizeiabteilung des Innenministeriums und schließlich der Dezernent selbst. 12. Die Aufhebung der Ministerialkommission (6.10.1840) Anders als die erste wurde die zweite Ministerialkommission förmlich aufgelöst, und das ziemlich abrupt im Zusammenhang mit dem Thronwechsel im Juni 1840. Mit der königlichen Amnestieverordnung vom 10. 8.1840 wurden die »politischen Verbrecher« aus der Haft entlassen, entfielen weitere politische Untersuchungen und somit auch die Existenzgrundlagen der Ministerialkommission. Am 6. 10. 1840 hob Friedrich Wilhelm IV. sie auf.263 Es verblieb Tzschoppe als letzte Amtshandlung, nachdem ihm die anstehenden weiteren Ermittlungen gegen den »Bund der Geächteten« nicht mehr übertragen wurden, den einschlägigen Landesbehörden den Aufhebungsbeschluß mitzuteilen.264 Kamptz stellte rückblickend noch einmal dessen musterhaften Eifer und Fleiß heraus und bekundete damit zugleich seine Klage über den Wandel des Zeitgeistes, indem er bemerkte, nun dürfe nicht einmal mehr in Erinnerung gebracht werden, welche großen Dienste der Dezernent »in einer Parthei geleistet hat, welche, solange Gefahr zu fürchten ist, für sehr wichtig, nach Beseitigung der Gefahr aber für werthlos und selbst überflüßig gehalten wird«.265 In der Tat war angesichts der anderweitigen großen Arbeitsüberlastung der Minister in der Kommission Tzschoppe der eigentliche, unentbehrliche, beständige, systematische Arbeiter, dessen ständig wachsende, amtlich vielgerühmte Personenkenntnis ihn zu einem so unvergleichlich gefährlichen Werkzeug der Regierung gegen sämtliche politisch selbständig Urteilenden im Lande und darüber hinaus hat werden lassen.266 Die Wiedereinsetzung Arndts in sein Lehramt, die Rehabilitierung der Göttinger Sieben, von denen Dahlmann nach Bonn, die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm an die Berliner Akademie berufen wurden, standen stellvertretend für die Abkehr von der Demagogenzeit und riefen zugleich die Erinnerungen daran wach. Subordinierte Beamte wie Tzschoppe konnten offen als skrupellose, dienstbeflissene Handlanger der Mächtigen angegriffen werden, wie es dem eifrigsten Arbeiter in den beiden Ministerialkommissionen geschah, als aus der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« Angriffe auf ihn gerichtet wurden. Seine Reaktion darauf brachte an den Tag, wie ein ins Pathologische reichender Ehrgeiz ihn angepeitscht hatte und der sich bis zum selbstzersetzenden Verfolgungswahn gegen ihn richtete, als das zuvor genossene übermächtige staatliche Wohlwollen entfiel. Wittgenstein, dem er immer unentbehrlicher geworden war, hatte ein Jahr vor 263
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Kabinettsordre 6.10. 1840 an die Ministerialkommission, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 11 Nr. 9, Bl. 97. Zirkular 11. 11. 1840, ebd., Bl. 98. Kamptz 4. 11. 1840 an Mühler, ebd., Bl. 94f. Bes. ausführlich festgehalten im Gutachten von Kamptz, Mühler und Rochow 22. 5. 1834 über Tzschoppe an den König, ebd., Zivilkabinett 2.2.1. Nr. 15244, Bl. 75f.
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Tzschoppes Tod im Jahre 1842 ein Psychogramm von diesem verfaßt: Der Oberkammerherr beobachtete eine »bedrückende Aufregung des Gemüthes«, »zu Zeiten eine Geistesschwäche« mit Gedächtnisstörungen, nachdem Tzschoppe in letzter Zeit einige »Verletzungen« (Kränkungen) erfahren habe. Seine empfindliche und reizbare Eitelkeit erlaube ihm nicht, diese Erfahrungen ruhig zu ignorieren. Der Gedanke, wie nachteilig ihm dieses Urteil anderer sei, und die »beleidigte Eitelkeit« hätten ihn ständig verfolgt. Es sei zuletzt »ein wirklich kranker Seelenzustand« eingetreten. 267 Die zweite zentrale Figur in den Demagogenverfolgungen war Kamptz. Dieser rühmte sich gegenüber Metternich, 268 in täglichem Verkehr und »in der innigsten Verbindung« zur Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde gestanden zu sein und »viel, recht viel geleistet zu haben«, insbesondere »die revolutionären Vereine in den untern VolksKlassen, besonders der HandwerksGesellen« ermittelt zu haben. Ohne ihn wären diese Gegenden »terra incognita« geblieben. Da übertrieb er zweifellos zum Nachteil der geheimpolizeilichen Tätigkeit des Mainzer Informationsbüros. Schon 1836 hielt Kamptz die »revolutionären Tendenzen und die constitutionellen Comödien« für außer Kurs und sah »die planmäßige Bearbeitung und Democratisirung der untern Volksklassen« für erheblich gefährlicher an. Von hier befürchtete er die »Vulkanisirung des Bodens, auf welchem die Regierungen stehen«. Die seit 1840 um sich greifende, sozial immer breiter getragene Politisierung der Bevölkerung war in der Tat das zentrale Thema der 1840er Jahre bis zum Ausbruch der Revolution.
III. Hannover 1. Die Sicherheits-Kommission von 1815 Nach der Kenntnis des hannoverschen Generalpolizeidirektors Wermuth von 1853 wurde die sogenannte geheime Polizei unter dem Namen >höhere Polizei< vor 1848 wie in mehreren anderen deutschen Staaten auch in Hannover vom Innenministerium betrieben, und das - wie er meinte - »wohl mangelhaft genug«.269 Das wird näher zu prüfen sein, wenn auch vorweg so viel gesagt werden kann, daß die seit 1846 - mit der Berufung Wermuths - einsetzende zunehmend überregionale Stellung der Polizeidirektion der Residenzstadt in politisch-polizeilichen Angelegenheiten für Hannover eine neue Epoche in der hier behandelten Frage bezeichnete und die seitherige Bedeutung des Innenministeriums zurückdrängte. Für die 267
268
269
Wittgenstein 3. 5. 1841 an Tzschoppes Schwager, GStA Berlin-Dahlem Rep. 192 Wittgenstein II, 1, 7. Kamptz 10. 6. 1836 an Metternich, HHStA Wien, Staatskanzlei, Deutsche Akten, neue Serie, Krt. 34 (Fasz. 35). - Das Thema der 1840er Jahre war die vorindustrielle Pauperismusdiskussion, dokumentiert in Carl Jantke, Dietrich Hilger (Bearb. u Hrsgg.): Die Eigentumslosen. Der deutsche Pauperismus und die Emanzipationskrise in Darstellungen und Deutungen der zeitgenössischen Literatur. München 1965. HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 4, Bl. 13.
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vorausgehende Zeit ist hingegen zu untersuchen wichtig, bei welchen staatlichen Organen und in welchen Aufgabenfeldern (> Geschäftszweigen^ sich politischpolizeiliche Funktionen auszudifferenzieren begannen, bevor diese bei der hannoverschen Polizeidirektion sich konzentrierten. Viele Beobachtungen werden sich mit Verhältnissen in anderen deutschen Mittelstaaten parallelisieren lassen. Die mit den Befreiungskriegen einhergehende politische Mobilisierung der Bevölkerung veranlaßte auch einzelne Mittelstaaten - soweit noch nachweisbar zu Anstrengungen, politische Angelegenheiten speziellen Institutionen der Polizei zuzuweisen. So setzte die Regierung des Königreichs Hannover auf unmittelbaren Befehl des Prinzregenten Georg im April 1815 eine »Sicherheits-Polizei-Kommission« ein. Sie bestand aus dem Landdrosten von Hannover Schraden und den Hofund Kanzleiräten Blumenbach und Rumann. Die Kommission arbeitete unter unmittelbarer Leitung des Ministeriums. Sämtliche nachgeordneten »Obrigkeiten« waren zu Berichten an die Kommission verpflichtet, diese ihrerseits war zu bindenden Weisungen berechtigt. Ihr Aufgabenkreis war bereits die politische Polizei im engeren Sinne, hier beschrieben als »die öffentliche innere SicherheitsPolizey«, die besonders alle »fremden und einheimischen verdächtigen Personen« beachten sollte.270 Zu ihren ersten Amtshandlungen zählte eine Weisung an die Polizeibehörden in den größeren Städten, die Pässe auszustellen oder zu visieren hatten. Ihnen wurde befohlen, die Pässe verdächtiger Personen unauffällig durch Unterstreichung der Nummer des Paßjournals oder des Visaregisters zu markieren, so daß andere Behörden dem Paß unbemerkt entnehmen konnten, welche Personen »einer sorgfältigen polizeylichen Aufsicht unterzogen« werden sollten. Die Kommission drang darauf, daß »diese Maasregel möglichst verschwiegen bleibe«. 271 Dieses geheimpolizeiliche Verfahren beruhte unter anderem auf Erfahrungen mit polnischen Militärs und Adeligen, die sich auf der Durchreise durch Deutschland nach Frankreich befanden und sich mit falschen Namen und Verkleidungen als Frachtfahrer, Kutscher, Juden oder Kaufleute tarnten. Die bruchstückhafte Überlieferung läßt leider nicht mehr ermitteln, mit welchem Aufwand und Erfolg und wie lange diese Kommission arbeitete. Später lagen politische Fahndungen und Überwachungen wieder bei den traditionell mit Polizeiaufgaben betreuten Behörden. 2. Die Auswirkungen der Bundesuntersuchungskommissionen von 1819 und 1833 auf das .Landesinnere Bevor auf die traditionellen Polizeibehörden näher einzugehen ist, sollen die Rückwirkungen der zentralen Untersuchungsbehörden des Bundes in Mainz und Frankfurt auf das Innere des Königreiches betrachtet werden. Die Maßnahmen, 270
271
Spezialbefehl des Prinzregenten Georg 22. 4. 1815, HStA Hannover Hann. 87 Göttingen Nr. 19. Weisung der hann. Sicherheitspolizeikommission 12. 5. 1815 an die Polizeibehörden in Göttingen, ebd.
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die von der Zentraluntersuchungskommission in Mainz seit 1819 ausgingen, bezeugten die nun einsetzende Zentralisierung wegen »Verbreitung staatsgefährlicher revolutionairer Lehren« und »wegen entdeckter revolutionairer Umtriebe«. 272 Nachdem die Ansätze institutioneller Verselbständigung der politischen Polizei in Gestalt der Sicherheitspolizeikommission sich anscheinend verflüchtigt hatten, nahm sich die politische Justiz der von der Bundesbehörde ausgehenden »Requisitionen« an: Auf dem Weg über die Justizkanzlei Hannover wurden die Gerichtshöfe des gesamten Landes angewiesen, 1. Akten in politischen Strafsachen vor weiterer Bearbeitung dem Kabinettsministerium einzureichen, das über eine Versendung an die Zentraluntersuchungskommission entschied; 2. die Justizkanzlei hatte Requisitionen der Kommission »jederzeit schleunigst zu befolgen«, Untersuchungen vorzunehmen, auch zu Verhaftungen zu schreiten; 3. neue Spuren selbständig ohne weitere Anfragen unverzüglich zu verfolgen und die Untersuchungsbehörde davon zu unterrichten; 4. die hannoverschen Gerichtshöfe wurden ermächtigt, sowohl untereinander als auch mit der Mainzer Behörde auf direktem Wege zu korrespondieren. 273 Die weitgehende Aufhebung des regulären Instanzenweges und die exekutiven Befugnisse der Mainzer Behörde gegenüber einzelstaatlichen Gerichtsbehörden bezeichneten im Rahmen der politisch-polizeilichen Verfolgungen einen wesentlichen Wandel im institutionellen Gefüge eines Einzelstaates (wie hier Hannovers) und des Deutschen Bundes und wiesen auf die Ausgrenzung des politisch-polizeilichen Aufgabenfeldes hin. Das Verfahren wiederholte sich bei der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde ab 1833: Im November 1834 begann diese mit der Zusammenstellung eines Gesamtverzeichnisses politisch Verfolgter (der sogenannten »Inkulpaten«), Sie ging dabei systematisch und dadurch ansatzweise professionell vor. Die Behörde wünschte tabellarisch strukturierte, von Zeit zu Zeit zu ergänzende, weil aktualisierte Zusammenstellungen und wählte als Beginn des zu erfassenden Zeitraums nicht etwa 1833 als Stichjahr des Frankfurter Attentats, sondern das Jahr 1830. Nach Art eines Steckbriefes formalisierte sie die bereits näher erläuterte 274 Erhebung der Daten. Diese Aufforderung der Frankfurter Behörde ging über das hannoversche Justizministerium an die Oberen Gerichtsbehörden des Königreichs, die ihrerseits die untergeordneten Behörden einschalteten. 275 Das Justizministerium wies die Obergerichte an, bei denen Kriminaluntersuchungen wegen revolutionärer Umtriebe vorlagen, der Untersuchungsbehörde 272
273 274 275
Der Großbritannisch-hannoversche zum Kabinettsministerium verordnete General-Gouverneur Decken 14.10. 1819 an die Justizkanzlei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 71 Hannover I A 221. Ebd. Vgl. oben, S. 98f. Wagemann 14.11. 1834 an das hann. Justizministerium, HStA Hannover Hann. Des. 71 Hannover I A 225.
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ohne vorherige Rücksprache Resultate unmittelbar mitzuteilen, Akten zu übersenden und Requisitionen unverzüglich nachzukommen. Im Falle einer Auslieferung eines Verdächtigen waren jedoch vorher die Vorschriften des Justizministeriums einzuholen. Hier lagen also Grenzen für das unmittelbare Einwirken und Zugreifen der Zentraluntersuchungsbehörde. 276 Das Verfahren der inneren Überwachung auf dem Weg über die Justizbehörden war wirkungsvoll, reichte es doch hinab bis zu den Unterbehörden, die Ausbeute jedoch - nach den Ermittlungen im Justizamtsbezirk Hannover zu urteilen - augenscheinlich gering: Die hannoversche Justizkanzlei konnte bei der ersten Anfrage keinen »Inkulpaten« angeben, bei der zweiten Anfrage im Februar 1836 war als einziger lediglich der fünfundzwanzigjährige Doktor der Medizin Otto Kohlrausch zu vermelden, der während des Sommersemesters 1832 der Bonner Burschenschaft angehört hatte. 277 3. Der Verfassungskonflikt seit 1837 und die Anwendung des Bundesmaßregelngesetzes von 1832 im Landesinnern Anders als die Ermittlungen der Bundesbehörden zwang der 1837 einsetzende Verfassungskonflikt in Hannover die traditionell mit Polizeiaufgaben betrauten Behörden in den Dienst politisch-polizeilicher Geschäfte: nämlich unter der Leitung des Innenministeriums (wie Wermuth richtig angab) die mittelinstanzlichen Landdrosteien und die ihnen untergeordneten Städte, Ämter, Patrimonialgerichte und sonstigen Lokalobrigkeiten. Nach der bekannten Aufhebung des Staatsgrundgesetzes aus dem Jahre 1833 am 30.10. 1837 sah sich die hannoversche Regierung neben der spektakulären Wirkung, die die Protestation der »Göttinger Sieben« hervorrief, einer ständig wachsenden innenpolitischen Opposition gegenüber. Diese konzentrierte sich besonders in der Ständeversammlung, die König Ernst August auf der Grundlage der Verfassung von 1819 einzuberufen versuchte. Wahlverweigerungen, Wahlen unter Vorbehalt, Bekenntnisse zur Fortgeltung der Verfassung von 1833, schließlich gar eine Verfassungsbeschwerde der Stadt Osnabrück beim Bundestag und nach deren Scheitern eine Eingabe von 29 Abgeordneten beim Bundestag zur Wiederherstellung der Verfassung (22. 3.1839) gaben dem hannoverschen Verfassungskampf fortdauernde Öffentlichkeitswirkung, so daß Bayern und Baden schließlich vor der Bundesversammlung forderten, diese habe sich der Sache anzunehmen. 278 Diese Situation veranlaßte den hannoverschen König, seinerseits mit Hilfe der repressiven Teile des Bundesrechts energisch gegen die innenpolitische Opposition vorzugehen. Sein Innenminister berief sich dazu auf Paragraphen des »Maß276 277 278
Justizminister Stralenheim 14. 12. 1833 an die Justizkanzlei in Hannover, ebd. Justizkanzlei Hannover 6. 2. 1836 an das Justizministerium, ebd. Vgl. zum hannov. Verfassungskonflikt vor dem Bundestag und im Landesinnern 1837 bis 1840 Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 106-115.
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regeln-Gesetzes« des Bundes vom 5. 7.1832, von dem bereits gezeigt wurde, daß es sich im Kern um ein politisch-polizeiliches Instrument handelte. 279 Der Innenminister brachte allen mit Polizeiaufgaben betrauten Behörden in Erinnerung, die dort festgesetzten Verbote und Grundsätze seien fortdauernd gültig.280 Die nun einsetzenden Maßnahmen dokumentieren, bis zu welcher innenpolitischen Konsequenz sich der Bundesbeschluß vom 5.7.1832 bei energischer Durchführung gebrauchen ließ und wie sich darin das Feld geheimpolizeilichen Wirkens auszugrenzen begann: Der Innenminister reaktivierte die Maßregeln gegen ausländische Zeit- und Druckschriften, gegen politische Vereine, Volksversammlungen und -feste, öffentliche Reden politischen Inhalts, Adressen und Resolutionen, öffentliches nicht autorisiertes Tragen von Abzeichen und Fahnen (§§ 1-4 des Bundesbeschlusses); er verpflichtete die Landesbehörden zu sorgfältiger Handhabung der politischen Polizei gegenüber Einheimischen wie Ausländern. 281 Alles hatte ausdrücklich nur »durch ein vertrauliches, weder in der Gesetzsammlung noch in öffentlichen Blättern abzudruckendes Rescript« der Landdrosteien an die untergebenen »Obrigkeiten und Polizeibehörden« zu geschehen. Das Innenministerium erwartete schnelle und auch später zu wiederholende Berichte.282 In seinem Beschluß vom 5. 9.1839 hatte der Bundestag Anträge, gegen Hannover in der Verfassungsangelegenheit vorzugehen, verworfen. 283 Damit war der konstitutionellen Opposition im Königreich der Boden entzogen. Am 10. 9.1839 machte König Ernst August in einer von allen Kanzeln verlesenen »Proklamation« deutlich, daß nach seiner Interpretation der Bundesbeschluß die Rechtsgültigkeit der Verfassung von 1819 anerkannt habe. Nachdem seitens des Bundestages kein Eingriff mehr zu erwarten stand, verschärfte der Monarch deshalb im September 1839 die Polizeimaßnahmen massiv, »daß von nun an allen böswilligen Umtrieben ein Ziel gesetzt werde«.284 Der Innenminister bezog sich nochmals detailliert auf das Maßregelngesetz von 1832 und gebot die »Wahrnehmung und Handhabung der Polizei in ihrem ganzen Umfange«. Der Erlaß benannte die Merkmale, die eine wirkungsvolle politische Polizei von anderen Formen der Sicherheitsmaßnahmen abhoben: Als Objekte galten »Umtriebe aller Art«, »politische Umtriebe überhaupt«, besonders im Zusammenhang mit einer angekündigten Steuerverweigerungskampagne; die Regierung forderte, daß »nachtheiligen Handlungen so viel als möglich vorgebeugt und daß die Präventiv-Polizei insbesondere gegen unerlaubte Versammlun-
279 280
281 282 283 284
Vgl. oben, S. 74 u. 91-93. Innenminister von der Wisch 21. 7. 1839 vertraulich an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 640. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2. S. 162; Ders.: Dokumente Bd. 1, S. 1341. Wie Anm. 280. Wie Anm. 278. Innenminister von der Wisch 14. 9. 1839 an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 640.
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gen zeitig thätig werde«. 285 Alle zur Wahrnehmung der Polizei verpflichteten Behörden wurden »zur genauesten, strengsten Vigilanz« angehalten. Hinzu kam, daß den Mittel- und Unterbehörden außerordentliche Eigenverantwortlichkeit und Entschlußstärke anbefohlen wurde; Rückfragen sollten in der Regel vermieden werden; die Behörden sollten selbständig und ohne erst eine Genehmigung abzuwarten verfügen. Abschieben von Entscheidungen auf höhere Instanzen »lähmt die Handhabung einer kräftigen Polizei«. Das Innenministerium erwartete nur summarische Berichte. 286 Alle Maßnahmen durften der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben werden. Der Innenminister forderte allerdings eine vertrauliche Übersicht sämtlicher Fälle, in denen die Paragraphen 6 und 7 des Bundesbeschlusses vom 5. 7.1832 (»genaueste polizeiliche Wachsamkeit auf Einheimische und Fremde«) seit dessen Publikation (30. 7.1832) haben angewendet werden müssen. 287 Die angesprochene Landdrostei Hannover forderte dazu einen Bericht der residenzstädtischen Polizeidirektion ein und bestätigte dadurch deren Sonderkompetenz in diesen politisch-polizeilichen Fragen, die als einem eigenen »Dienstzweig« zugehörig bezeichnet wurden. 288 Die besondere Stellung der Polizeidirektion äußerte sich auch darin, daß Fahndungsersuchen und Nachforschungen von auswärts in erster Linie an diese Behörde gingen. Die hannoversche Polizeidirektion holte Erkundigungen bei den betreffenden Lokalbehörden des gesamten Verwaltungsbezirks der Landdrostei ein und kam zu dem Ergebnis, das in keinem Verhältnis zum behördlichen Aufwand stand: Bisher hätten solche Fälle noch nicht beobachtet werden können. 289 Durch den Verfassungskonflikt trat also in Hannover eine Verfahrensformalisierung in politisch-polizeilichen Angelegenheiten ein. Hier wie ebenso in andern deutschen Staaten zeigte sich das jeweils auch in einer Verstetigung des Nachrichtenaustausches zwischen den Behörden von unten nach oben, und das hieß zugleich: Das öffentliche Leben wurde gleichmäßiger überwacht. So sollten die Landdrosteien dem Innenministerium regelmäßig Berichte über die »öffentliche Stimmung« einreichen. 290 Der Landdrost seinerseits bediente sich dabei der untergebenen Amtmänner als Nachrichtenzuträger, aber auch schon spezieller Konfidenten, die neben ihrer Amtsfunktion separate politisch-polizeiliche Dienste leisteten: Der Amtsassessor in Stolzenau Georg Carl Hermann Wilhelm Schreiber lieferte beispielsweise während der Jahre 1837 bis 1841, also gerade in der kritischen Konfliktzeit,
285 286
287 288 289 290
Wie Anm. 284. Innenminister von der Wisch 29. 11. 1839 an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 640. Wisch 24. 9. 1839 an die Landdrostei Hannover, ebd. Vertraul. Bericht der Landdrostei Hannover 25.10. 1839 an das Innenministerium, ebd. Ebd. Wermuth 28. 2. 1840 an den Landdrost von Hannover Dachenhausen, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 55-1.
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regelmäßig konfidentielle Berichte über die Stimmung im Ort an den Landdrosten. 291 Wenn die Überwachung von Reisenden und Korrespondenzen mit Einschluß des flachen Landes gewünscht war, bediente sich die Regierung auch der Landgendarmerie. Anfang 1842 hatte der Innenminister etwa den Kommandeur der Landgendarmerie beauftragt, er solle »auf vorsichtige Weise und im Stillen das Treiben der im Briefe genannten Oppositionsmitglieder überwachen«. 292 Derartige geheimpolizeiliche Aktionen erfolgten vor 1846 - meist in Gestalt der Stimmungsberichte - in begrenztem Rahmen teilweise regelmäßig, teils aber auch nur von Fall zu Fall, jedenfalls insgesamt wegen fehlender selbständiger politischpolizeilicher Institutionen nicht planmäßig und systematisch. Das änderte sich nach der Revolution. 4. Die Lage im Jahre 1847 unmittelbar vor der Revolution Die konzentrierten Maßnahmen gegen Bestrebungen zur Bildung einer »Allgemeinen deutschen Turnerschaft« in Hannover Ende 1847 dokumentieren anschaulich die vorrevolutionären Fahndungsinstanzen in Fragen des politischen Vereinswesens und der Presse; sie zeigen andererseits auch die steigende Bedeutung der Polizeidirektion Hannover unter Wermuths Einfluß. Der Anstoß ging von der preußischen Gesandtschaft in Hannover aus (Note vom 3.12.1847) und ist als Nebenfolge der Bemühungen anzusehen, Ende 1847 den südwestdeutschen Polizeiverein zu begründen. 293 Über das hannoversche Außenministerium erhielt Innenminister von der Wisch Kenntnisse über vorliegende Aktivitäten von Turnern. Er forderte daraufhin die Landdrosteien am 12.12.1847 vertraulich zu näheren Nachforschungen in ihren Verwaltungsbezirken auf und erwartete zugleich eine Antwort, ob die Vereine, insbesondere die bestehenden Turnvereine, polizeilich zu überwachen seien.294 Dem politischpolizeilichen Charakter des Auftrags entsprechend verordnete der Innenminister Geheimhaltung der Maßnahmen. Weisungsgemäß forderte der Landdrost von Hannover in einem vertraulichen Rundschreiben »An sämmtliche Magistrate, imgleichen an die Königliche PolizeiDirection hieselbst« Berichterstattung: 1) 2) 3) 4) 291 292 293
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ob sich dort Turn-Vereine befinden; welche Verfassung dieselben haben und welche Personen die Vorstände bilden; von wem die Genehmigung dazu ausgegangen ist; in welcher Art eine Aufsicht über den Verein angeordnet ist?295
Ebd., Hann. Des. 80 Hannover I A 55-1. Wisch an Dachenhausen 6.1. 1842, ebd. Vgl. oben, S. 108-122, zur Canitz-Note vom 27. 11. 1847, die diejenige des preußischen Gesandten in Hannover an die hann. Regierung veranlaßte, bes. S. 115. Wisch 12. 12. 1847 an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 657. Vertraul. Ausschreiben des Landdrosten Dachenhausen 17.12. 1847, ebd.
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Dieses Ausschreiben betraf Amtsbezirke und Städte. Die Nachforschungen brachten keine Ergebnisse zutage, bewiesen aber die vollgültige Stellung der Landdrostei als Mittelinstanz, die allein - ohne Konkurrenz zur nachgeordneten Polizeidirektion der Residenz - die Ermittlungen steuerte, offenbarten indessen aber auch, wie wenig Material über politisches Vereinswesen überhaupt bei den Behörden vorlag. Die Landdrostei entwickelte gegenüber dem Innenminister andererseits eine selbständige Initiative, indem sie nicht nur die Überwachung von Turnvereinen, sondern auch der Liedertafeln, Gesang- und Lesevereine zu bedenken gab und damit das politisierende Vereinswesen insgesamt für beachtenswert darstellte, insbesondere wenn Verbindungen zu auswärtigen Vereinen vorlagen. Das Innenministerium folgte der Anregung, daß die Vereine »auf eine möglichst schonende Weise, polizeilich zu überwachen sind, damit sie nicht zu politisch-revolutionairen Zwecken gemißbraucht werden«. Eine entsprechende Verfügung erging am 8.1.1848 an die Landdrosteien, also nur acht Wochen vor Ausbruch der Revolution! 296 Vor einer allgemeinen Anordnung an sämtliche Unterbehörden und Magistrate seines Verwaltungsbezirks holte der hannoversche Landdrost zunächst einen gutachtlichen Bericht über das politische Vereinswesen von Wermuth »als dem mit diesen Verhältnissen am meisten vertrauten Officianten« ein. 297 Innerhalb von knapp zwei Jahren hatte die hannoversche Polizeidirektion durch ihre informelle Überlegenheit bereits vor anderen Unterbehörden eine Sonderstellung errungen. Wermuth empfahl keine unmittelbare und strenge polizeiliche Aufsicht, sondern nur eine allgemeine Überwachung des Vereinswesens »bei dessen immer steigender Wichtigkeit« und entwarf dazu einen Plan, in dem die Polizeidirektion Hannover sich zu einem herausragenden Nachrichtenmittelpunkt in politischen Angelegenheiten hätte entwickeln sollen: Sämtliche Magistrate hätten in ihren regulären jährlichen Geschäftsberichten einen besonderen Punkt aufzunehmen zur »Auskunft über die bestehenden Vereine, und deren Einrichtung, auch ihren etwaigen Einfluß auf die öffentliche Stimmung«. 298 Diese Berichte sollten nach seinem Vorschlag über alle Landdrosteien beim Innenministerium zusammenlaufen und insgesamt ausgewertet werden. Wermuths Anregung zeigte eine bei allen höheren Polizeibeamten, die nach 1848 führend mit der politischen Polizei betraut werden sollten, vorhandene Bereitschaft, alle politisch organisierten Bestrebungen und Bekundungen in der Bevölkerung möglichst planmäßig und vollständig zu erfassen. Im umgekehrten Schluß offenbarte das Konzept zugleich, wie wenig und unsystematisch in Hannover das politische Vereinswesen im letzten Jahrzehnt vor der Revolution durch die Polizeibehörden registriert war.
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297 298
Verfügung des Innenministeriums 8 . 1 . 1848, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 657. Bericht der Landdrostei Hannover 9. 2. 1848 an das Innenministerium, ebd. Wie Anm. 297.
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5. Die Spannung zwischen städtischer und staatlicher Polizei in der Residenzstadt Hannover Für die Verwaltung der Polizei in der Residenzstadt Hannover war die Aufteilung in städtisches und landesherrliches Polizeirecht charakteristisch. Die allgemeine Tendenz der Entwicklung ging dabei von der mit dem Magistrat geteilten, kollegialischen zur staatlich (vom Landesherrn) monopolisierten bürokratischen Verwaltung der Polizei. Erst dieser Gang schuf die Voraussetzung für institutionelle Ansätze einer politischen Polizei, denn mit kollegialischer Beratung auf lokalverhafteter Interessengrundlage ließ sich schlecht geheimpolizeilich operieren. Seit Ende des 17. Jahrhunderts ernannte der Landesherr für Hannovers Altund Neustadt einen Polizeikommissar samt dessen Unterbedienten. Unter der Fremdherrschaft König Jerömes wurde 1809 eine selbständige Königlich Westfälische Polizeidirektion für Alt- und Neustadt errichtet, die auch obrigkeitliche Befugnisse über die nächste Umgebung der Residenzstadt hinaus erhielt. Diese französische Lösung wurde nach dem Ende der französischen Herrschaft Ende 1813 im Anschluß an eine kurze Unterbrechung beibehalten. Mit der Zusammenlegung von Alt- und Neustadt erhielt die Polizei im Polizeireglement vom 15.10.1824 eine neue Ordnung. Die Regierung ernannte nach wie vor den Zweiten Beamten sowie die ihm Untergebenen; an der Spitze stand nun aber der jedesmalige Stadtdirektor (Bürgermeister der vereinigten Stadtteile) als Polizeidirektor. Polizeidirektor und Zweiter Beamter hatten gleiches Stimmrecht; bei Dissens erfolgte Bericht an den Landdrosten. In wichtigen, dringlichen Fällen entschied indessen die Stimme des Stadt(Polizei)direktors, der Zweite (staatliche) Beamte durfte lediglich in einem Zusatzbericht sein Gegenvotum beim Landdrosten einreichen. 299 Nach dieser Regelung war der Stadtdirektor der eigentliche Polizeichef; er konnte stets eingreifen, hatte an allen Verhandlungen nach außen und nach oben teilzunehmen. Daraus entstanden aus der Sicht des Zweiten Beamten »stets Differenzen, Dissense, Lähmungen jeden energischen Schritts«.300 Das Bestreben, städtische Verwaltungsrechte zugunsten staatlicher Organe zurückzudrängen, kam in der Polizeiordnung vom 9.1.1846 zum Ausdruck, da hier die Sphären städtischer und staatlicher (königlicher) Polizei durch die Errichtung einer eigenen königlichen Polizeidirektion abgegrenzt und die Geschäfte getrennt wurden. Der Stadtdirektor blieb nicht mehr an der Spitze der Polizei; stattdessen wurde der bisherige Zweite Beamte als Polizeidirektor bestellt; das 299
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Diesem historischen Überblick liegt im wesentlichen zugrunde: »Zusammenstellung der wesentlichen Polizeiverhältnisse in der Königlichen Polizeiverwaltung zu Hannover 1846 bis 1862«, ein vertraulich an den König Georg V. gerichteter Rechenschaftsbericht Wermuths aus dem Jahre 1862, bevor er sein Amt als Landdrost in Hildesheim antrat, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 1, im folg. abgekürzt zitiert als Wermuths Generalbericht (1862). Wermuth 15. 10. 1855 an Landdrost von Bülow, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hann. I A 60.
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hieß, der bisherige Oberpolizeiinspektor Grahn wurde nun Polizeidirektor, und auf seine seitherige Stelle trat am 20. 1.1846 W e r m u t h ein. 301 Nach dem T o d e G r a h n s wurde W e r m u t h am 1 . 7 . 1 8 4 7 dessen Nachfolger als Polizeidirektor. Dieser Regelung lag die Absicht zugrunde, »die Geschäfte der Landespolizei in gewissem U m f a n g e zu centralisiren« und vor allem die »Sitten- und Ordnungspolizei« einerseits, die »Sicherheitspolizei« und die »davon nicht zu trennende Paßund Vagabondenpolizei« andererseits der Einwirkung des städtischen Magistrats zu entziehen. 3 0 2 Die Märzrevolution 1848 warf diese eingeleitete Entwicklung indessen wieder zurück. U n t e r unmittelbarem Druck der Märzereignisse stellte König Ernst August am 20. 3.1848 den alten Zustand von 1824 wieder her, indem er den Stadtdirektor erneut zum »Chef der Polizei« bestimmte; das geschah »in A n e r k e n nung des von den getreuen Bürgern unserer Residenzstadt in den letzten Tagen bewiesenen Eifers für Erhaltung der gesetzlichen Ordnung«. 3 0 3 Das Programm des Märzministeriums vom 22. 3.1848 ging in seinem sechsten Punkt noch weiter. Es forderte: »Erlassung einer Städteordnung f ü r das Königreich, und zwar auf den Grundlagen: Polizeiverwaltung durch den Stadtmagistrat, [.. .]« 304 und wollte das speziell auf die Residenzstadt bezogene königliche R e skript vom 20. 3. für das Königreich allgemein gültig machen, das bedeutete: U n t e r dem D r u c k der Revolution wurde die Polizei zunächst wieder teilweise entstaatlicht. Eine ins Detail gehende Regelung ließ sich bei der U n r u h e 1848 jedoch nicht finden. Dadurch, daß kein Personenwechsel eintrat, konnte man sich indessen auf eine charakteristische Weise behelfen. Eigentlich bot das Reskript vom 20. 3 . 1 8 4 8 zahlreiche Anhaltspunkte für erneute Kompetenzstreitigkeiten, die vor allem politische Angelegenheiten betrafen: War der StadtdireRtor befugt, Verfügungen des Polizeidirektors aufzuheben? Die Bürgerwehr wurde vom Magistrat befehligt: Konnte indessen das Militär wie bisher ausschließlich vom Polizeidirektor angefordert oder zurückgehalten werden? Hatte der .Stadidirektor Einfluß auf die /örtdejpolizeilichen Geschäfte der Residenzpolizei? Wermuth und der damalige Stadtdirektor Evers gingen diesen Differenzen auf einfache Weise aus dem Weg: Sie verständigten sich »unter der Hand« - wie man sagte - , auf die Verordnung hin gar nichts zu tun. In mündlicher Unterredung vereinbarte man mit dem damaligen Landdrost Dachenhausen, »daß man vorerst die Sache stillschweigend in der 301 302
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Wermuths Generalbericht (1862), S. 8f. So das Schreiben des Königl. Gesamtministeriums 30. 6. 1852, die Polizei in der Residenzstadt Hannover betreffend, als Stellungnahme zum Entwurf einer Polizeiordnung, die die Grandzüge der Regelung vor dem 20. 3. 1848 wiederherstellen sollte, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 60. Königl. Verordnung 20. 3. 1848 an den allgemeinen Magistrat und die Bürgervorsteher der Residenzstadt, ebd. Wermuths Generalbericht (1862), S. 82f.; das Märzprogramm vom 22. 3. 1848 ist auch abgedruckt bei W. von Hasseil: Geschichte des Königreichs Hannover. Unter Benutzung bisher unbekannter Aktenstücke. Teil 1. Bremen 1898. Teil 2,1-2. Leipzig 1899/1901, das Programm in Teil 1, S. 547f.
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Schwebe erhalte«. 305 Die gesetzliche Norm wurde durch die politische Absprache und Praxis der betroffenen Behörden schlichtweg unterlaufen: Es blieb alles beim alten. Dies entsprach auch entgegen dem äußeren eindeutigen Wortlaut des königlichen Reskripts den tieferen Absichten König Ernst Augusts. Denn zwar hatte der Kammerrat von Münchhausen Wermuth angesichts der neuen Rechtslage über dessen Recht aufgeklärt, sich so versetzen lassen zu können, daß ihm mit gleichem Range und Gehalt niemand vorgesetzt sei; jedoch blieb Wermuth auf ausdrücklichen Wunsch des Monarchen in der für seine Kompetenzen ungünstigeren Situation im Amt. 306 Der keineswegs konfliktfreie Schwebezustand im Verhältnis zwischen Stadtdirektor und Polizeidirektion währte bis zur neuen Polizeiordnung der Residenzstadt vom 21. 12. 1859; erst diese hob rechtlich die Wirkung des königlichen Märzreskripts von 1848 auf, wonach der Stadtdirektor an der Spitze der Residenzpolizei stehen sollte. Um so merkwürdiger und auffallender ist es, daß die Polizeidirektion unter dem Regiment Wermuths das Gewicht einer Landesbehörde gewann, ohne dieses verfassungsmäßig zu sein. Hinter dem Anschein einer der Landdrostei nachgeordneten, von dem Magistrat beherrschten Behörde zog die Polizeidirektion Sonderkompetenzen und Einfluß an sich, mit denen sie sich zu einer zentralen Agentur der politischen Polizei in Norddeutschland während des Reaktionsjahrzehnts entwickeln konnte. Dieser Vorgang verdeutlicht zugleich in Einzelheiten, wie sich in den deutschen Staaten eine wirkungsvolle politisch-polizeiliche Aktivität im hier behandelten Zeitraum entwickeln konnte, ohne daß sich aus der Verfassungs- und Verwaltungsorganisation der Staaten entsprechende Funktionen herleiten ließen. Die traditionellen Verwaltungsgeschichten wissen deshalb über solche Phänomene auch nichts zu berichten. 307 6. Kompetenzhäufungen bei der Polizeidirektion Hannover: Entwicklungsstufen zu einer Landesbehörde bis 1848 Die Anfänge einer Kontrolle über die Landespolizeiverwaltung lagen für die Polizeidirektion Hannover bei der Fremdenpolizei, die bereits für die zentrale 305
306 307
Wermuth 15.10. 1855 an den Landdrosten Bülow, den Nachfolger Dachenhausens. Bülow wußte von der internen Vereinbarung nichts und mußte auf diesem Wege erst von Wermuth eingeweiht werden, H S t A Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 60. Wermuths Generalbericht (1862), S. 82. Vgl. ζ. B. im Falle Hannovers zum Verhältnis von staatlicher Polizei in Gestalt der Polizeidirektionen und städtischen Magistraten Ernst von Meier: Hannoversche Verfassungs· und Verwaltungsgeschichte 1680-1866. Bd. 1-2. Leipzig 1898/99 Bd. 2, S. 551-555 (bis 1846), S. 573f. (bis 1858), S. 580f.; speziell zur Sonderbehandlung der Residenzstadt mit Blick auf die gemeinsame Front der Stände mit den städtischen Interessen Elisabeth Siebert: D i e hannoversche Städteordnung von 1851/58 und die Städte im Königreich Hannover. Phil. Diss. Hannover 1975, S. 163-168. - In beiden Darstellungen werden weder die politischen Polizeifunktionen noch die zentralisierende Stellung der Residenzpolizei mit ihrem personellen Mittelpunkt Wermuth erwähnt.
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Sicherheitspolizeikommission von 1815 ein wichtiges Aufgabenfeld darstellte. 1838 erhielt die Polizeidirektion das Recht der Paßdistribution, das hieß, sie hatte Formulare zu Reisepapieren anzufertigen, und alle Polizeibehörden im Lande mußten von ihr diese einheitlichen Formulare zu bestimmten Preisen beziehen. 308 Im Rahmen der neuen Polizeiverordnung von 1846 errang die Polizeidirektion das Aufsichtsrecht über die Paß- und Fremdenpolizei des gesamten Königreichs; dafür war der neueingestellte Oberpolizeiinspektor Wermuth speziell zuständig, der zugleich mit der »Verbesserung des Verfahrens gegen flüchtige oder oft den Aufenthaltsort wechselnde Gauner, Verbrecher und Landstreicher« betraut war.309 Das zu leisten waren zwei Initiativen Wermuths geeignet: eine grundlegende Verwaltungsrationalisierung bei der Polizeidirektion und die Einrichtung des »Hannoverschen Polizeiblatts«. Wermuth fand eine Ordnung der Geschäfte vor, bei der neben der laufenden Generalregistratur das einzelne stets nach Systemen geordnet und gehäuft wurde. Wollte man dann etwa wissen, was zu einer Person bereits vorlag, mußte man stets unter allgemeinen Rubriken wie Mord und Raub, Diebstahl, Betrug und Unterschlagung, Unzucht, Feuerpolizei, Straßenpolizei usw. nachschauen. Die von der Polizeidirektion verhängten Strafen wurden nicht in personenbezogenen Spezialakten festgehalten, sondern es wurde die ganze Verhandlung protokolliert, chronologisch Jahr für Jahr in Protokollbücher eingetragen und jeweils mit einem alphabetischen Jahresregister abgeschlossen. Daraus folgte: Keine Personalakte war vollständig; wollte man alle Daten haben, mußte man unter Umständen alle Jahresregister der Protokollbücher seit dem ersten von 1809 durchgehen. Angesichts zunehmenden Geschäftsdrucks und einer wachsenden Zahl von Fällen drohte dieses System in Unübersichtlichkeit und Schwerfälligkeit zu versinken. Wermuth entwickelte demgegenüber die Konzeption, die Registratur müsse jede frühere Bestrafung, jeden entstandenen Verdacht, jede auffällige Erscheinung oder mutmaßliche verbrecherische Verbindung festhalten; man müsse bei jedem neuen Fall, beim Wiederauftauchen einer Person sofort übersehen können, was an Beachtenswertem oder auch nur zu Kombinationen Führendem früher schon vorgekommen war. Davon hänge der Erfolg des ersten Angriffs ab. 310 Für Wermuth zählte die prompte Verfügbarkeit über Nachrichten. Deshalb beendete er das alte Ordnungssystem: In einer Aktion von rund sechs Monaten ließ er alle bisher vorliegenden Akten zusammensuchen, daraufhin durchsehen, was ein und dieselbe Person betraf und nahm das zu einer speziellen Personalakte. Die Bedeutung dieser Umstellung ist nicht zu unterschätzen: Im Jahre 1846, noch vor der Revolution, schuf der spätere hannoversche Generalpolizeidirektor eine personenbezogene, zur Verfolgung politischer Verbrecher oder Vereine geeignete Verwaltungsneuorganisation, die sich für politisch-polizeiliche Ermittlungen und Fahndungen als wirkungsvolles, modernes Instrumentarium einsetzen ließ. >Modern< erscheint insbesondere die zielstrebig und ausschließlich auf den 308 310
309 Wermuths Generalbericht (1862), S. 4. Ebd., S. 22. Wermuths Generalbericht (1862), S. 34-37.
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Zweck bezogene Rationalität. Wermuth operierte nicht kurzfristig reaktiv, sondern nach langfristiger Konzeption, die seinem Tun den professionellen Charakter eines Spezialisten eintrug, und zwar eines solchen in politisch-polizeilichen Angelegenheiten. Hier schuf er sich den Apparat, der ihm im späteren Wochenberichtsverkehr innerhalb des >Polizeivereins< seit 1851 die erstaunliche, stets aktualisierte Informiertheit über Personen, Presse und Vereine gewährleistete. Der Neuordnung der Registratur entsprach eine nach Zuständigkeit und Sachen rationalisierte Gliederung der Verwaltung bei der Polizeidirektion: Registratur I: Generalia und Personalakten; Registratur II: Paßdistribution, Paßkontrolle; Registratur III: Polizeiblatt; Registratur IV: »Über alles Vertrauliche und Discrete« einschließlich Personalangelegenheiten, gegliedert nach dem System der Registratur I.311 Die Registratur IV war nur zuverlässigen Polizeischreibern anzuvertrauen; sie zeigte die institutionelle Verselbständigung einer politisch-polizeilichen Organisationseinheit an, die der »Geheimen Präsidialregistratur« des Berliner Polizeipräsidiums entsprach. Eine wichtige Maßnahme, die Kompetenz der Polizeidirektion über die Grenzen des Residenzbezirks hinaus zu erweitern und die beschriebene Verwaltungsrationalisierung erst wirksam werden zu lassen, lag in der Einrichtung des Hannoverschen Polizeiblatts. Wie wichtig diese Neuerung wurde, zeigt ein Blick auf die vorausgegangene Praxis. Polizeiliche Bekanntmachungen fanden sich als »Steckbriefe« im Königreich Hannover teils in den Beilagen zu den »Hannoverschen Anzeigen« verbreitet, wurden gesondert der Landgendarmerie zugestellt und erschienen teils in Inseraten der Behörden in der »Hannoverschen Zeitung« und den Provinzial-Anzeigern. Nachteilig war an diesem Verfahren vor allem dreierlei: 1. Alles wurde dem Publikum und also auch den Betroffenen bekannt, die dadurch oft zu früh gewarnt wurden; 2. Nachrichten erschienen zerstreut und waren im Bedarfsfall oft gar nicht oder nur unter großem Zeitverlust aufzufinden; 3. die Blätter druckten das Eingesandte, wie es ein einzelner Beamter hatte zugehen lassen, das hieß, ohne die bei der Residenzpolizei reichhaltig vorhandenen Nachrichten und die »Rücksichten der Polizeiwissenschaft« zu beachten. 312 Diese Nachteile vermochte das erstmals am 1.10. 1846 erscheinende Hannoversche Polizeiblatt abzustellen. Nach detaillierten Vorschriften 313 oblag die Redak311 312 313
Wermuths Generalbericht (1862), S. 38. Wermuths Generalbericht (1862), S. 22f. Rechtsgrundlage: Ausschreiben des Königl. Ministerium der Justiz und des Innern vom 12. 8. 1846 »die Herausgabe eines Polizeiblatts und die Überwachung der Paß- und Fremdenpolizei betreffend«. In: Gesetzsammlung für 1846, Abtlg. II, Nr. 5 u. Hannoversches Polizeiblatt Bd. 1, Nr. 1.
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tion der Polizeidirektion; allen Justiz-, Paß- und Polizeibehörden wurde im einzelnen vorgeschrieben, was sie an die Redaktion einsenden müßten, was davon auch (in zweiter Bekanntmachung) dem Publikum zugänglich gemacht werden durfte oder was ausschließlich dem Polizeiblatt vorbehalten blieb. Das Blatt erschien zweimal wöchentlich, enthielt ein monatliches Verzeichnis der angehaltenen Landstreicher, das den Gerichten und Obrigkeiten einschließlich der Unterbehörden unentgeltlich zuging, sowie ein jährliches alphabetisches Personenverzeichnis. Es war nur für dienstliche Zwecke bestimmt und durfte der Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht werden. Anders als die aus Privatinitiative beispielsweise in Berlin (Merkers »Mittheilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege« seit 1819) oder Dresden (Eberhardts »Allgemeiner Polizei-Anzeiger« seit 1835) erscheinenden Fahndungsblätter kam das hannoversche auf Staatskosten heraus (Etat 1200 Reichstaler). Beamte gaben es ohne besondere Vergütung dienstlich heraus und waren von Einkünften nicht abhängig. Es stand nicht im Belieben einzelner Behörden, ob sie das Blatt hielten oder nicht. Beim hannoverschen System war sicher festgelegt, in welchem Umkreis bei welchen Behörden das Blatt vorhanden war, so daß auch die einzelnen Behörden untereinander ihre Maßregeln danach bemessen und mit Sicherheit aus dem Blatt zitieren konnten. Die Vorteile lagen aus der Sicht Wermuths 314 in der Kontinuität der Datenerhebung bei fortlaufender Ergänzung, Neuerung und Berichtigung sowie in der Aktivierung der Mitglieder der Landgendarmerie zu eigenen Kombinationen, zu weiteren Nachrichten, das hieß zu Rückmeldungen an die Redaktion in der hannoverschen Polizeidirektion. Das Blatt erschien zugleich als Mittel der Schulung für die Landgendarmerie durch den systematischen Umgang mit Nachrichten, zudem durch ebenfalls abgedruckte Aufsätze über allgemeine Fragen; einzelne erfolgreiche Beamte wurden namentlich erwähnt und so der Dienst insgesamt angespornt. Mit dem Polizeiblatt hatte sich der Rang der Polizeidirektion qualitativ verbessert, denn sie entwickelte sich durch ihre redaktionelle Arbeit zu einer stets besser unterrichteten Nachrichtenzentrale des gesamten Königreichs, soweit es polizeiliche Daten anging. In der Reichweite strebte Wermuth noch über die Landesgrenzen hinaus: Seit dem 1.1. 1853 bezogen auch das Großherzogtum Oldenburg und das Herzogtum Braunschweig das Blatt und lieferten ihrerseits Nachrichten dafür; am 1. 1. 1862 traten noch das Fürstentum Schaumburg-Lippe und die Freie Stadt Bremen hinzu. Ferner gingen nach und nach einzelne Exemplare an abonnierende auswärtige Behörden in Hamburg, Holstein, Dänemark, Mecklenburg-Schwerin, Lübeck, Preußen, Kurhessen, Lippe-Detmold, Waldeck, Sachsen; außerdem schickte man Exemplare zum Austausch an die Redaktionen des Eberhardtschen »Allgemeinen Polizei-Anzeigers« in Dresden, des »Wächters« in Schwerin, des »Sächsischen Gendarmerie-Blatts« in Dresden, des »Süddeutschen Polizei-Telegraph« in Mainz, schließlich an die französische Gesandtschaft in Hannover und 314
Wermuths Generalbericht (1862), S. 31.
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an die »Administration de la sürete publique« in Brüssel. Die Gesamtauflage betrug 1862 1105 Exemplare, davon verblieben 890 im Königreich, 50 gingen nach Oldenburg, 89 nach Braunschweig, 28 nach Bremen, 15 nach Schaumburg-Lippe, 24 an Abonnenten und 9 im Austausch. 315 Die Empfänger des Blatts wurden ausdrücklich zur Diskretion verpflichtet. Die Redaktion erklärte, nicht zu haften, wenn durch eine Indiskretion ein Beteiligter sich verletzt fühlte. 316 Das bedeutete aber auch: Für einen Betroffenen war rechtlicher Einspruch und gegebenenfalls notwendige Rehabilitierung ausgeschlossen, und gleichermaßen hieß das: Man kalkulierte von vornherein eine mögliche Verletzung von Individualrechten durch das Blatt ein. Dieser spezifischen geheimpolizeilichen, außerhalb jeder Rechtssphäre stehenden Problematik versuchte die hannoversche Ständeversammlung durch ein parlamentarisches Kontrollrecht zu begegnen, jedoch scheiterte ein entsprechender Antrag, der Registratur der Ständeversammlung ein Exemplar zuzustellen, in das nur deren Mitglieder hätten Einsicht nehmen dürfen. 317 Über einen konkreten Vorgang erwarb die Polizeidirektion bereits im April 1847 die Sonderkompetenz, sich »ausnahmsweise« in »Berücksichtigung der besonderen Stellung« in eiligen Fällen unter Umgehung des Außenministeriums unmittelbar an die hannoverschen Gesandtschaften im Ausland zu wenden. Auch wurde zugestanden, sich »ohne Dazwischenkunft der vorgesetzten Landdrostei« unmittelbar an das Außenministerium zu wenden. 318 Vorausgegangen war ein Antrag der Justizkanzlei an die Polizeidirektion, den in Kriminaluntersuchung befindlichen entwichenen Amtsassessor von Mengershausen zu überwachen und möglichst zu verhaften. Alle Informationen deuteten auf eine Flucht ins Ausland, so daß sich Wermuth entschloß, »mit den PolizeiBehörden der größeren Städte Deutschlands in angemessene Communication« zu treten, ebenso zur Polizeibehörde in Ostende und zu den hannoverschen Gesandtschaften in London, Paris und Wien. 319 Die Gesandtschaft in London nahm an diesem unmittelbaren Kontakt »unter Umgehung des Instanzenzugs« - wie es hieß - Anstoß; das führte zu einer Aufforderung an die Polizeidirektion, ihr Verfahren zu rechtfertigen. Diese konnte darauf verweisen, jeder mögliche Zeitverlust hätte vermieden werden müssen. Der Verfolgte hätte Dampfwagen und Dampfschiffe benutzt. Die »Erreichung des Zwecks« erschien als das Wesentliche und von größerer Bedeutung »als die förmliche Behandlung der Sache«.320 Wermuth verwies auf die Natur polizei315 316 317 318
319
320
Zusammengestellt nach der Übersicht in Wermuths Generalbericht (1862), S. 26-28. Ebd., S. 25. Ebd. Wisch 9. 4. 1847 an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I Ce 73. Bericht der Polizeidirektion Hannover 8. 2. 1847 an die Landdrostei Hannover, unterz. v. Polizeidirektor Grahn (s. oben, S. 205), verfaßt von Wermuth, ebd. Wie Anm. 319.
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licher Ermittlungen, sich nicht nur auf eine Spur beschränken zu können; man müsse »nach allen Seiten hin« ermitteln. Hinzu kamen die besonderen »ausgedehnten Geschäftsverbindungen«, die durch die Einführung des Polizeiblatts noch zugenommen hatten. Wermuth beschränkte den Anspruch auf diese Sonderkompetenz, über die Landesgrenzen hinaus zu korrespondieren, auf die Fragen der »Sicherheitspolizei«. In seiner Argumentation ist die Rechtfertigung der nachrevolutionären Praxis bereits vorgebildet: Ein außerordentlicher Zweck (etwa später die Verfolgung politischer Flüchtlinge) und hoher Zeitdruck begründeten eine ressortübergreifende Allkompetenz der Polizeidirektion, in der alle Nachrichtenfäden zusammenliefen und von der Impulse »nach allen Seiten hin« ausgingen. Am 12. 3. 1849 erneuerte das Innenministerium noch einmal ausdrücklich die 1847 ausgesprochene besondere Ermächtigung für die Polizeidirektion Hannover, direkt mit auswärtigen Behörden zu korrespondieren. 321 Was vor 1848 für eine untergeordnete Landesbehörde außerordentlich war, wurde dann im kurz darauf gebildeten >Polizeiverein< für die zentralen Polizeibehörden der beteiligten sieben Staaten alltägliche Praxis.
IV. Bayern 1. Voraussetzungen für die Wiederbelebung der politischen Polizei seit 1830 Bis 1830 war Bayern bestrebt, eine selbständige Politik neben dem Bund zu betreiben; das zeigten der Erbstreit mit Baden, die Zollpolitik und das Engagement in der Griechischen Frage. 322 In der Innenpolitik war mit dem Sturz des übermächtigen Staatsministers Montgelas323 eine vorübergehende Periode der Liberalisierung eingetreten, die die bayerische Regierung deutlich von den früheren geheimpolizeilichen Methoden abrücken ließ. Ein erster Wandel in Richtung politisch-polizeilicher Bahnen kündigte sich durch die Wirksamkeit des bayerischen Kommissars in der Mainzer Zentraluntersuchungskommission an. 324 Dann jedoch ließ die Julirevolution im Jahre 1830 die bürgerlich-liberale Opposition in der Ständeversammlung und Öffentlichkeit wieder so lebhaft hervortreten, daß der Innenminister zum »Inhaber des wichtigsten und schwierigsten Ministeriums« wurde. 325 1830 fanden in der Christnacht in München studentische Tumulte statt, die nur noch mit militärischen Mitteln zu kontrollieren waren. 326 Die seit dem 28.1. 1831 verschärfte Überwachung der Presse rief im Landtag von 1831 prinzipiellen und heftigen Widerstand hervor, der schließlich gar im Mai 1831 zur Entlassung des unbeliebten Innenministers Eduard von Schenk führte. 327 321
322 323 325 327
Innenminister Stüve 12. 3. 1849 an die Landdrostei Hannover, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I Ce 73. Vgl. Spindler: Handbuch der bayer. Geschichte Bd. IV,1, S. 158-173. Vgl. oben, S. 56f. 324 Vgl. oben, S. 79 u. S. 82f. (Vortrag Zentner). 326 Spindler, S. 175. Näheres ebd., S. 151; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 32. Vgl. Spindler, S. 152-157; Huber, Bd. 2, S. 33-36.
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Aus Sorge vor der Revolution und dem Anwachsen der radikalen Strömungen suchte König Ludwig I. nun verstärkt einen Rückhalt an Metternich und ordnete sich dessen System ein. Damit korrespondierten Bayerns Bemühungen um politisch-polizeiliche Koordinierungen auf Bundesebene. 328 Der innenpolitische Kurswechsel hatte verschiedene Formen: Der Liberalismus wurde fortschreitend abgebaut, die Fortentwicklung der Verfassung stagnierte, das monarchische Prinzip sollte gekräftigt werden. Die Wende kam Anfang 1832 zum Abschluß mit der Neubildung des Ministeriums unter der Leitung des Feldmarschalls von Wrede, dem Ludwig nun für das Äußere August Freiherrn von Gise zur Seite stellte, das Innere erhielt Ludwig Fürst von Oettingen-Wallerstein. Die politische Wandlungsfähigkeit des Innenministers trug ihm die schillernde Charakterisierung ein, als »konservativ-liberaler Hocharistokrat von nicht immer genau bestimmbarer politischer Schattierung« zu gelten.329 Gemessen an seinen Maßnahmen im politisch-polizeilichen Bereich, der nun auch in Bayern wieder Konturen erhielt, verfolgte der spätere »Fürst-Proletarier« 330 in seinen Anfangsjahren im Amt allerdings einen so klaren Kurs, daß er im Innern die »eigentliche Reaktion« zum Durchbruch brachte. 331 Das geschah massiv nach dem Frankfurter Attentat vom 3. 4. 1833. In diesem Zusammenhang sind einige Bemerkungen zum »autokratischen Regiment« König Ludwigs angebracht. 332 Zu seiner monarchischen Selbstregierung gehörte ein - mit den Ministern konkurrierendes, diese oft überspielendes Kabinett, dessen eine Abteilung Privatangelegenheiten des Königs, dessen zweite die Staatsgeschäfte bearbeitete. Diesem zweiten Büro stand als Leiter der einflußreiche Kabinettssekretär Bernhard Grandaur vor.333 Es hieße jedoch den energischen Willen Ludwigs zur monarchischen Selbstregierung verkennen, wollte man Grandaur zur >grauen, allmächtigen Eminenz< stilisieren, wie es in der damaligen politischen Öffentlichkeit geschah. Da der König die schriftlichen Anträge seiner Minister mit eigenhändigen, sofort zu vollziehenden Befehlen - den sogenannten »Signaten« - entschied, trifft 328
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Vgl. oben, S. 138,143,157 zur versuchten Beteiligung Bayerns am Mainzer Informationsbüro. Spindler: Handbuch Bd. IV,1, S. 175f. Vgl. Karl-Heinz Zuber: Der »Fürst-Proletarier« Ludwig von Oettingen-Wallerstein (1791-1870). Adeliges Leben und konservative Reformpolitik im konstitutionellen Bayern. München 1978 = Zs. f. bayer. Landesgesch. Beiheft (Reihe B) Bd. 10. - Die reformkonservative Seite kam auch Ende 1847 im Widerstand des Ministers gegen Polizeimaßnahmen zum Ausdruck, vgl. oben seine Ablehnung des Polizeivereinsprojekts, S. 118. Formulierung von Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bayerns Bd. 3, S. 110; vgl. zur Frühzeit Oe.-W's. Valeria Dcsacsovszky: Das Ministerium des Fürsten Ludwig von Öttingen-Wallerstein 1832-37. Phil. Diss. München 1932. Vgl. Spindler, S. 176-179. Vgl. zum Kabinettssystem Max Spindler: Das Kabinett unter König Ludwig I. In: Ders.: Erbe und Verpflichtung. Aufsätze und Vorträge zur bayerischen Geschichte. Hrsg. v. Andreas Kraus. S. 252-279. München 1966; zu Grandaur S. 264-279.
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auch die Behauptung nicht zu, die »geheime Polizei« habe alle ihre Weisungen von Grandaur empfangen. 334 Denn als beispielsweise im Herbst 1833 der Kanzleisekretär i. R. des Kriegsministeriums Dr. Wilhelm Rosenkranz einen Plan zu einer »höhern politischen Sicherheits-Polizey« einreichte, nahm der König selbst davon Augenschein und beschied dann am 22. 9.1833 lapidar dem Innenminister, der den Entwurf weitergeleitet hatte, per Signat, »daß Ich eine geheime Polizey in Bayern nicht will«.335 Ähnlich wie in Preußen hatte >geheime Polizei< auch hier den unangenehmen, an napoleonische Herrschaftspraktiken gemahnenden Beiklang. Das bedeutete indessen nicht, daß es in Bayern in diesen Jahren keine institutionsgebundenen, geheim durchgeführten politisch-polizeilichen Aktionen gegeben hätte. Der König verwarf in seinem ablehnenden Signat lediglich das vorgeschlagene »politische Sicherheits-Bureau«, also eine selbständige Behörde zu diesem Zweck, sowie die vorbelastete Vorstellung von >geheimer PolizeiUmtrieben< präventiv völlig freizuhalten. Vorübergehend war die Alarmbereitschaft der Regierung so hochgradig gereizt, Revolutionsprognosen Glauben zu schenken, daß sie - wie auch postrevolutionär - zu außergewöhnlichen Maßnahmen glaubte gerüstet sein zu müssen. Der württembergische König hatte nämlich »von vertrauten Agenten« die Nachricht erhalten, daß die »Unruhestifter und Revolutionärs« zum Zeitpunkt, wenn die Assisen in Landau auseinanderträten, die bestimmte Absicht hegten, »eine große revolutionäre Bewegung zu unternehmen«. Diese Warnung ging auf gesandtschaftlichem Wege schließlich auch dem bayerischen Innenministerium zu, das daraufhin militärische Sammelplätze vorausplante, Instruktionen für die
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Gise 6. 5. 1833 an die Generaladministration der bayer. Posten, BayHStA München Μ A 673. Innenminister Reigersberg 6. 5. 1853 an Ministerpräsident von der Pfordten, MInn 45576 mit ausdrücklichem Bezug auf die Reskripte von Montgelas 14. 6. 1809 (vgl. oben, S. 54 Anm. 43) und Gise 6. 5. 1833 (s. o.). Das widerlegt die Behauptung Zubers: Der »FürstProletarier«, S. 123, die Regelung sei »im August [1833] ergebnislos abgebrochen« worden. Frhr. von Kleudgen 17. 5. 1833 an das Stadtkommissariat in Aschaffenburg, MA 673; zu Kleudgen vgl. oben, S. 54, 143. Entschließung Oettingen-W.'s 22. 2. 1834 an sämtliche Kreisregierungen, MInn 24182.
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Landwehr vorbereitete und speziell das Verhalten »beim Schlagen des Generalmarschs« festlegte. 365
V. Sachsen Das Zentralbüro für die Sicherheitspolizei 1832 Im Zusammenhang mit der Pariser Julirevolution kam es auch in Sachsen zu politischen Unruhen, die sich zunehmend radikalisierten, teilweise erstmals auch Sozialrevolutionären Bestrebungen entsprangen und sich bevorzugt gegen behördliche Organe, namentlich gegen die Polizei, richteten. In Dresden vernichteten Aufrührer die Akten im Stadthaus und zerstörten das Polizeihaus. Bei einem erneuten Aufruhr am 17./18. April 1831 in Dresden konnte die Bevölkerung die inzwischen Verhafteten gewaltsam befreien, so daß die Regierung schließlich Truppen einsetzte. Mit der Verabschiedung der sächsischen Verfassung am 4. 9. 1831 wurde die Protestbewegung zwar in gemäßigte konstitutionelle Bahnen gelenkt, 366 doch hatten die Vorgänge gezeigt, wie wenig vorbereitet die Polizeibehörden politischen Bewegungen in der Bevölkerung gegenüberstanden. In dieser Situation ergriff die Landes-Direktion Dresden die Initiative. Diese Behörde, die bis zur Errichtung von Mittelbehörden transitorisch an die Stelle der früheren Landesregierung getreten war, bildete eine dem Ministerium des Innern unmittelbar untergeordnete »Zentral-Verwaltungsbehörde für die vier alterbländischen Kreise«.367 Ihr oblag die »obere Verwaltung der Sicherheits-Polizei und die Aufsicht über die damit beauftragten Behörden, insbesondere die Gendarmerie, und über die Staats- und Local-Anstalten für sicherheitspolizeiliche Zwecke«. 368 Der Präsident der Landes-Direktion Carl Eduard von Wietersheim entwickele am 24. 2.1832 in einem Promemoria, daß seine Behörde den Unruhen auf dem Lande, den spontanen Volksaufläufen und überhaupt den Aufregungen in der Bevölkerung nicht mehr gewachsen war; er empfahl, die politisch-polizeiliche Tätigkeit, als deren Hauptaufgabe er die Überwachung ansah, in einem »CentraiBureau für die Sicherheits-Polizei« zu konzentrieren; als Leiter schlug Wietersheim den Leipziger Stadtrat Carl Traugott Streubel vor. 369 Diese Vorschläge wurden in die Tat umgesetzt: Streubels Büro entwickelte sich zur Schaltzelle für die im Königreich zusammenlaufenden politisch-polizeilichen Angelegenheiten. Ab 1832 existierte eine separate Registratur »Politische Polizeiangelegenheiten«. 370 Das Büro verfolgte politische und andere Flüchtlinge,371 1833
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Gise 23. 7. 1833 an Oettingen-Wallerstein mit Bezug auf das Schreiben 21. 7. 1833 des bayer. Gesandten Frhr. von Tautphoes in Stuttgart, BayHStA München MInn 46031. Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 79f. Übersicht der Königl. Sächs. Hof-, Staats- und Militair-Behörden. Leipzig 1832, S. 39. Ebd., S. 41. 370 StA Dresden Mdl Nr. 1108. Ebd., Mdl Nr. 10954ff. 371 Ebd., Mdl Nr. 1097.
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namentlich die Polen, und kontrollierte verdächtige Reisende; 372 es regelte die Ausweisung unliebsamer Ausländer wie beispielsweise des in Leipzig weilenden Privatgelehrten Heinrich Rudolph Laube, 373 der 1832 in Leipzig mit der »Zeitung für die elegante Welt« dem literarischen »Jungen Deutschland« ein Sprachrohr geschaffen hatte. Ähnlich wie bei der Sicherheitspolizeikommission in Hannover läßt sich aus der Überlieferung auch hier nicht genau ermitteln, wie lange das Büro als selbständiges funktionsfähiges spezialisiertes Institut existierte und wann seine seit 1832 ressortmäßig abgegrenzten »Politischen Polizeiangelegenheiten« an das Innenministerium fielen. Das geschah mit Sicherheit jedenfalls erst nach 1834.
372 373
Ebd., Mdl Nr. 1098. Ebd., Mdl Nr. 1096.
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VIERTES KAPITEL:
Politische Polizei der Reichsregierung von 1848/49
1. Die Reichsbehörde für die höhere (politische) Sicherheitspolizei Die Revolution hatte selbst in ihrer Frühphase nicht alle politisch-polizeilichen Kontakte der Polizeibehörden verschiedener deutscher Staaten unterbrechen können. Das zeigt ein Schriftwechsel des hannoverschen Polizeidirektors Wermuth mit dem Frankfurter Polizeiamt, das er um Auskunft über den Frankfurter Buchdrucker Johann August Stritt anging, in dessen Namen ein Flugblatt »Zuruf eines Deutschen aus Amerika« gedruckt und verkauft worden war. Wermuths Anfrage stammte vom 23. 6. 1848 und ist charakteristisch für die mit ihm in Hannover anhebenden Nachforschungsmethoden. 1 Die im September 1848 einsetzenden zentralen Bemühungen der Provisorischen Zentralgewalt reichten demgegenüber in staatspolizeilicher Hinsicht weit über derartige Einzelaktionen hinaus und sind bisher nur in Bruchstücken bekannt. Der gegen die Frankfurter Nationalversammlung gerichtete Septemberaufstand vom 16. bis 18. 9.1848 und die unmittelbar anschließende zweite Revolutionswelle in ganz Deutschland veranlaßten die Zentralgewalt zu Maßnahmen, deren geheimer politisch-polizeilicher Charakter unverkennbar ist und die ein bezeichnendes Schlaglicht auf die mögliche Fortentwicklung der Innenpolitik in dem angestrebten geeinten Reich werfen. Die Abwehrmaßnahmen nahmen Gestalt an 1. auf der legislativen, durch die Publikation von Reichsgesetzen zur Staatssicherheit allgemein öffentlichen Ebene; 2. durch militärische Maßnahmen; 3. durch die bisher unbekannte Begründung einer Staatspolizeibehörde bei der Zentralgewalt; 4. durch eine in ihrer Tragweite bisher nur unzureichend aufgedeckten Überwachung des politischen Vereinswesens in ganz Deutschland 2 und schließlich 1
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Wermuth 23. 6. 1848 an das Frankfurter Polizeiamt, StadtA Frankfurt: Criminalia 1848 Nr. 46. Vgl. dazu Frolinde Baiser: Sozial-Demokratie 1848/49-1863. Die erste deutsche Arbeiterorganisation »Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung« nach der Revolution. Text- u. Quellenbd. Stuttgart 1962. 2. Aufl. 1965 = Industrielle Welt Bd. 2, S. 246-248, 546f.; Manfred Botzenhart: Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionszeit 1848-1850. Düsseldorf 1977, S. 321f. = Handbuch der Gesch. des deutschen Parlamentarismus; Toni Offermann: Arbeiterbewegung und liberales Bürgertum in Deutschland 1850-1863, Bonn 1979, S. 50 = Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung Reihe: Politik u. Gesellschaftsgesch. Bd. 5.
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5. in einer beginnenden, von mehreren Einzelstaaten in der Praxis bereits akzeptierten Bündelung politisch-polizeilicher Kompetenz beim Reichsinnenministerium. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die spezifisch geheimpolizeilichen zuletzt genannten drei Bereiche und kann die bekannten legislativen und militärischen Maßnahmen übergehen; diese wurden vor allem manifest in dem von Huber so bezeichneten »Verfassungsschutzgesetz«, das heißt dem »Reichsgesetz zum Schutze der verfassunggebenden Reichsversammlung und der Beamten der provisorischen Centraigewalt« vom 10.10. 1848 einerseits, in der Verhängung des Belagerungszustands über Frankfurt durch einen Erlaß des Reichsverwesers vom 19. 9. 1848 und durch den Einsatz von »Reichstruppen« andererseits. 3 Das »Gesamt-Reichs-Ministerium«, wie es damals amtlich hieß, also der Reichsministerrat versammelte sich am 22. 9. 1848 zu einer Sitzung, auf der eigens mit Blick auf die vorausgegangenen Aufstandsversuche in Frankfurt die Frage der »höheren Sicherheits-Polizei« erörtert wurde. Hierbei trug der Reichsinnenminister und gleichzeitige Ministerpräsident Schmerling die Gründe vor für die Errichtung einer, für einen gewissen Rayon von mehreren Meilen im Umkreis hiesiger Stadt wirksamen, dem Reichs-Ministerium des Innern unmittelbar untergeordneten Reichsbehörde zur Ausübung der höheren Sicherheitspolizei. 4
Das Gesamt-Reichs-Ministerium billigte diesen Vorschlag und beauftragte den Innenminister zu Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der - durch den »Rayon« betroffenen - benachbarten fünf Einzelstaaten (Die Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt waren rechtlich gesehen die Nachfolger der Bundestagsgesandten der aufgelösten Bundesversammlung). Hier nahm ein Konzept konkrete Gestalt an, mit dem sich der Mannheimer Buchhändler Friedrich Daniel Bassermann unaufgefordert in einer Denkschrift dem Innenminister empfohlen hatte. Die vehemente Bereitschaft zur Bekämpfung der >Anarchie< trug dem Vormärzliberalen Bassermann den Posten eines Unterstaatssekretärs mit Sitz und Stimme im Reichsministerrat ein. In seiner vor den Septemberereignissen abgefaßten, nur auszugsweise überlieferten Denkschrift empfahl er bereits, handstreichartig ein provisorisches Gesetz zu erlassen, das der Nationalversammlung erst nachträglich zur Zustimmung vorzulegen sei und das unter anderem bestimmen sollte: Volksversammlungen und Presse sind daher zu beaufsichtigen. Was die Vereine betreffe, so sind solche, welche offenbar gesetzwidrige Zwecke verfolgen, aufzulösen. Zur Ausführung solch heilsamer Maßregeln verspricht die Reichsgewalt den einzelnen Regierungen ihre ganze Unterstützung.
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Gedr. bei Huber: Dokumente Bd. 1, S. 348 (Belagerungszustand) u. S. 350f. (»Verfassungsschutzgesetz«) . Protokoll der Sitzung des Gesamt-Reichs-Ministeriums vom 22. 9. 1848, BA Frankfurt D B 54/45, BI. 195.
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Gleichzeitig mit dieser Proklamation sind die demokratischen Vereine in ganz Deutschland aufzulösen. [ . . . ] Damit die Aufrechthaltung der Ordnung in der Residenz des Reichsverwesers nicht von dem laxen Willen der städtischen Bürgermeister abhänge, ist in F r a n k f u r t sofort eine Reichspolizei einzusetzen. 5
Diese Politik wurde nun in kurz aufeinanderfolgenden Etappen zu einem großen Teil verwirklicht. Zur Begründung der angestrebten Behörde lud Bassermann im Auftrag Schmerlings die betroffenen Bevollmächtigten zu einer Sitzung am 27. 9. 1848 ins Reichsinnenministerium ein, und zwar im einzelnen - Legationsrat Sylvester J o r d a n , Bevollmächtigten für das Kurfürstentum Hessen, - Ministerialrat R. C. Theodor E i g e n b r o d t für das Großherzogtum Hessen; - Regierungsrat Friedrich S c h e p p für das Herzogtum Nassau; - Geheimrat Friedrich von H o l z h a u s e n für die Landgrafschaft Homburg; - Schöffe Dr. Eduard S o u c h a y für die Freie Stadt Frankfurt, 6 das heißt im wesentlichen die auch zuvor im südwestdeutschen Polizeiverein von 1847 aktiv organisierten Staaten. 7 Die Besprechung hatte nach der Einschätzung des Innenministers »den besten Erfolg«. Schmerling schritt bereits am 8.10. 1848 in einem verbindlichen Zirkularerlaß an die beteiligten fünf Staaten zur Tat. 8 Als Rechtsgrundlage verwies er auf die am 28. 6. 1848 beschlossene reichsgesetzliche Ermächtigung der Provisorischen Zentralgewalt, »die vollziehende Gewalt zu üben in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates betreffen«. 9 Als Begründung nannte Schmerling teilweise die gleichen Bedingungen, die vor der Revolution zur Begründung des Polizeivereins von 1847 geführt hatten: die fünf verschiedenen aneinander angrenzenden Territorien mit Frankfurt im Mittelpunkt, die »Vielheit« verschiedener Polizeiverwaltungen im Umkreis, den »Mangel eines Centraipunkts« der Polizeibehörden, »von welchem ihre Thätigkeit den Impuls empfängt und in welchen sie zurückläuft«, schließlich ein fehlendes »rasches und kräftiges Zusammenwirken«. Zur Abhilfe schrieb das Reichsinnenministerium sechs Einrichtungen vor: 1. Die Stadt Frankfurt mußte einem Beamten des Polizeiamts speziell die Sorge für die Sicherheit der Reichsbehörden und der Nationalversammlung übertragen.
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Friedrich Daniel Bassermann: Denkwürdigkeiten 1811-1855. Frankfurt a.M. 1926, S. 192 u. 194; vgl. hierzu Axel von Harnack: Friedrich Daniel Bassermann und die deutsche Revolution von 1848/49. München, Leipzig, Berlin 1920 = Histor. Bibliothek Bd. 44 (1920). Einladungsschreiben Bassermanns i. A. Schmerlings 27. 9. 1848, BA Frankfurt D B 54/45, Bl. 194. Vgl. oben, S. 116. Wie Anm. 6, Bl. 197f. Reichsgesetz über die Einführung einer Provisorischen Zentralgewalt für Deutschland vom 28. Juni 1848, Absatz 2a), abgedr. bei Huber: Dokumente Bd. 1, S. 340.
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2. Der Frankfurter Beamte sollte in direktem schriftlichen und mündlichen Austausch mit einem eigens beim Reichsministerium benannten Beamten stehen. 3. Der Frankfurter Beamte hatte als Zentralfigur von den Polizeibehörden aus Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Nassau und Homburg alle erheblichen politisch-polizeilichen Mitteilungen zu empfangen und umgekehrt die ihm vorliegenden umgehend an diese zu Außenpolizeibehörden bestimmten Instanzen zu leiten. 4. In wichtigeren Fällen kommunizierten Reichsinnenministerium und Außenpolizeibehörden unmittelbar miteinander. 5. »In Fällen dringender Noth« erließ das Reichsinnenministerium unmittelbar verbindliche Befehle an die fünf genannten Polizeibehörden. 6. Die Regierungen der fünf beteiligten Staaten mußten ihren Polizeibehörden wechselseitig das Recht zugestehen, flüchtige Personen bis auf das jeweilige Nachbarterritorium zu verfolgen. 10 Das Verfahren dabei sollten die fünf Regierungen untereinander in »geeigneter Verständigung« festlegen. In der Tat erfolgte diese Verständigung am 28.11. 1848 auf einer Sitzung der fünf Bevollmächtigten, in der zugleich die sechste Bestimmung noch einmal eigens anerkannt wurde. Das Reichsinnenministerium benannte als speziellen Beamten für die höhere Sicherheitspolizei den Ministerialrat Dr. von Rauschenplat, die Stadt Frankfurt den Angehörigen des Polizeiamts Dr. Kessler.11 Damit war das Grundgerüst für eine vorwiegend politisch orientierte Zentralbundespolizei in Deutschland mit der Kompetenz zum Eingriff in einzelstaatliche Verhältnisse angelegt.
2. Die Maßnahmen der Reichsgewalt gegen das politische Vereinswesen Wie sehr sich das Reichsinnenministerium die Staatspolizei angelegen sein ließ, zeigte über diesen Institutionalisierungsansatz hinaus sein energisches Vorgehen gegen das politische Vereinswesen. Auch hier ergriff Schmerling die Initiative, indem er unmittelbar nach den Septemberunruhen die Bevollmächtigten der Einzelstaaten zu sich lud und ihnen seine Bedenken über die »der öffentlichen Ordnung durch die demokratischen Vereine und Volksversammlungen drohende Gefahr« vortrug. 12 Damit bereitete er einen folgenreichen Zirkularerlaß vor, den er - gemeinsam unterzeichnet mit dem Reichsminister der Justiz Robert von Mohl - am 3.10.1848
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Diese Regelung war auch wichtiger Bestandteil in der angestrebten Polizeikoordination, wie sie die südwestdeutschen Staaten in der Punktation vom 15. 6.1832 formuliert hatten, vgl. oben, S. 90. Ersichtlich aus B A Frankfurt D B 54/45, Bl. 117; DB 54/76, Bl. 170 zeigt Rauschenplat in Amtsausübung, dasselbe für Kessler in HStA Wiesbaden Abt. 5/262. Nach dem Bericht des württ. Bevollmächtigten Frhr. von Sternenfels 30. 9. 1848, zusammengefaßt bei Baiser: Sozial-Demokratie Bd. 1, S. 246f.
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an sämtliche deutsche Einzelstaaten richtete.13 Die Minister bezeichneten es darin als ein »Verbrechen«, das Ansehen der Nationalversammlung herabzuwürdigen, zum Kampf gegen sie aufzufordern und die Führer des Septemberaufstands als Helden zu preisen. Derartige Vorgänge führten sie auf den Einfluß der politischen Vereine zurück. Deshalb forderten sie über die Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt die deutschen Einzelstaaten auf, über die in ihren Gebieten vorhandenen Vereine, deren Tendenz, Statuten, auffallende Beschlüße, Einfluß auf das Volksleben und die Zahl der Mitglieder, dann, ob und in welcher Verbindung sie mit Vereinen in den deutschen Staaten stehen, amtliche Mittheilung zu machen. 14
Diese Anweisung enthielt alle Merkmale, die zu planmäßiger und systematischer Kontrolle des entstehenden Parteiwesens geeignet waren und die die politischen Vereine in die Abhängigkeit vom Urteil der staatlichen Bürokratie zu bringen drohten. Im Rahmen dieser Untersuchung gehört nicht die Bestandsaufnahme der Vereine im einzelnen zum Gegenstand. 15 Hier sollen demgegenüber das Vorgehen der Behörden, die dabei auftretenden Probleme und Widerstände, schließlich die Breite der Erhebung und die angewandten wertenden Kategorien, zwischen >guten< und >staatsgefährlichen< Vereinen zu unterscheiden, im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Wie bereitwillig die allermeisten Einzelregierungen einem >Befehl< der Zentralgewalt nachkamen, wenn es ihnen in ihr den >Märzerrungenschaften< entgegenwirkendes Konzept paßte, zeigte die außergewöhnliche Resonanz, der Aufforderung zur totalen Bestandsaufnahme des politischen Vereinswesens nachzukommen: Von 39 angesprochenen Staaten unterließen lediglich 6 eine Rückmeldung, nämlich die Kleinstaaten Sachsen-Altenburg, Anhalt-Dessau, Reuß ältere Linie, Lippe-Detmold sowie die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich; Preußen war einer solchen Anforderung erst nach dem Amtsantritt des Berliner Polizeipräsidenten Hinckeldey (18.11. 1848) gewachsen, als dieser zielstrebig die politische Polizei zu konzentrieren begann; Österreich war zum Zeitpunkt des Erlasses durch den revolutionsentscheidenden Oktoberaufstand in Wien gelähmt. Im folgenden sollen die Rückmeldungen der Einzelstaaten jeweils nach den ihnen im Landesinnern gebotenen politisch-polizeilichen Möglichkeiten zusammengefaßt und erörtert werden. 13
14 15
BA Frankfurt D B 54/71; vgl. dazu auch die Darstellung des damaligen badischen Innenministers J[ohann] B[aptist] Bekk: Die Bewegung in Baden von [!] Ende des Februar 1848 bis zur Mitte des Mai 1849. Mannheim 1850, S. 233, zum Vereinswesen speziell S. 227-244. Erlaß 3.10. 1848, wie Anm. 13. Diese bleibt im Rahmen einer Spezialuntersuchung zur Parteien- und Vereinsgeschichte 1848/49 - wie Botzenhart: Parlamentarismus, S. 321f. zu Recht feststellt - noch immer ein Desiderat. Die Grundlage dazu müßte die - nur im Konzept - überlieferte Totalauswertung des Innenministeriums der Provisorischen Zentralgewalt bieten: »Concept des Auszuges aus den verschiedenen Berichten über die politischen Vereine in Deutschland. R. M. des Innern, zusammengestellt von C. Dieterle«, BA Frankfurt DB 54/71, Bl. 7-36. Die beigefügten Anlagen hat Botzenhart teilweise ausgewertet.
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Eine Reihe von Staaten begrüßte das Vorgehen der Zentralgewalt uneingeschränkt und hatte keine Probleme bei der Durchführung des Zirkularerlasses zu vermelden. Die Regierung von Mecklenburg-Schwerin ließ durch ihren Bevollmächtigten am 25.10. 1848 für die erwogenen Maßregeln gegen den Mißbrauch des politischen Vereinsrechtes »die vollste Anerkennung« aussprechen. Sie unterschied nach zwei Kategorien die »Reformvereine«, die anfangs auf die Stimmung des Volkes »beruhigend und versöhnend eingewirkt«, dann aber eine revolutionäre Richtung angenommen hätten, sodann die »constitutionellen Vereine«, deren Tendenz mit beigefügten Statuten des Rostocker und Schweriner Vereins dokumentiert wurde. 1 6 Die Antwort Hannovers bestätigte die allgemeine Feststellung, daß diejenigen Regierungen der Aufforderung am gründlichsten nachkamen - sofern es die aktuellen Umstände überhaupt zuließen - , die später die schärfste Reaktionspolitik betrieben. Sie bereiteten gewissermaßen schon das Material zurecht, auf das sie später in der Zeit der Verfolgung zurückgriffen. Hannover lieferte dementsprechend die ausführlichste und detaillierteste Bestandsaufnahme, die rund 90 Vereine verzeichnete. Der ins Professionelle zielende Charakter ging daraus hervor, daß das hannoversche Innenministerium seine Angaben bereits in tabellarischen Übersichten aufbereitet hatte. Die Regierung konnte auf die schon 1847 eingeleitete systematische Kontrolle des Vereinswesens zurückgreifen 17 und bewies, daß sie über einen großen Teil des Materials abrufbereit verfügte. Als Dirigent und Organisator der Überwachungsarbeit wirkte der hannoversche Polizeidirektor Wermuth; er vermochte binnen drei Wochen am 25.10.1848 einen zweiunddreißigseitigen Bericht über das Vereinswesen in seinem Wirkungsbereich einzureichen. Soweit noch erkennbar, hatte Hannover indessen seine Unterlagen nicht mit begleitenden Empfehlungen zu einer aktiven Reaktionspolitik versehen; dies beruhte jedoch nur auf der vorsichtigen Zurückhaltung des Märzministeriums Stüve, da man nach der Revolution das Vereinswesen mit Rückgriff auf die bereits erstellten Unterlagen ungehemmt disziplinierte und abschnürte. 1 8 Auch in Baden war man zum Vorgehen gegen die Vereine gut gerüstet. Das badische Innenministerium hatte bereits am 30. 6. 1848 über Turnvereine und am 11. 7. 1848 über die damaligen demokratischen Vereine von ihrem Spezialisten für politische Polizei, dem Karlsruher Polizeiamtmann Bürger, 183 Berichte erhalten. Das Innenministerium forderte daraufhin zu strenger Handhabung des Gesetzes vom 26.10. 1833 (!) auf, reaktivierte mitten in der Revolution das alte Bundesrecht und verbot schließlich am 22. 7. 1848 (Regierungsblatt Nr. 50) eigens die demokratischen Vereine und zwang sie zur Auflösung.
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B A Frankfurt D B 54/75, Bl. 26, 37. Vgl. oben, S. 202f. 18 Die hannoverschen Materialien einschließlich des Wermuth-Berichts finden sich ebd., D B 54/73. 18a Vgl. oben, S. 120f. 17
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Nun konnte der badische Innenminister nach Erhalt des Zirkularerlasses darauf verweisen, es sei gelungen, den Struveschen Aufstand, der sich in Baden den Frankfurter Septemberrevolten angeschlossen hatte, rasch zu unterdrücken; es befänden sich »die Kräfte der destructiven Parthei noch in völliger Desorganisation«. 19 Auf den Erlaß der Zentralgewalt hin hatte Bekk sämtliche Ämter zum Bericht aufgefordert und bis zum 23.10. von den meisten Antworten erhalten; danach fanden sich in 49 Ämtern keine politischen Vereine; wo indessen solche vorhanden waren, machte Bekk genaue Angaben einschließlich eingesandter Statuten. Für Karlsruhe gab der 1847 zum Polizeiverein als badischer Vertreter benannte Carl Burger den Bericht ab und bekundete zugleich die personelle Kontinuität im staatspolizeilichen Geschäftsbereich. Er wies auf eine Technik der Vereine, Verbote zu unterlaufen, hin, indem er deutlich machte, der Karlsruher »Volksverein« sei nichts anderes als die Fortsetzung des aufgelösten »demokratischen Vereins« unter neuem Namen. 20 Anders als in den genannten Staaten hatten manche Polizeibehörden bei ihren Recherchen überwiegend mit Problemen der Durchführung zu kämpfen. In Württemberg wollte der Innenminister Duvernoy mögliche Konfrontationen von vornherein umgehen. Zwar bestanden nach seiner Aussage »notorisch allenthalben nahezu in allen Städten und sogar in sehr vielen Landgemeinden politische Vereine«, jedoch ließen sich nicht für alle Notizen liefern, einerseits, weil in Württemberg politische Vereine sich nur dann polizeilich melden mußten, wenn sie besondere Statuten hatten, dann aber aus der klugen Voraussicht, daß die Bezirkspolizeiämter bei ihren Vernehmungen »aus zu weit gehendem Diensteifer« leicht den Anschein eines »inquisitorischen Verfahrens« erwecken und den Verdacht auslösen könnten, das anerkannte freie Vereinsrecht solle geschmälert werden. Deshalb hielt Duvernoy die systematische Bestandsaufnahme für eine »nicht zu empfehlende Maasregel«, zumal die Nachteile in keinem Verhältnis zum erwarteten Ergebnis stünden. Alle Vereine aufzuzählen erübrigte sich zudem, da die meisten lediglich Zweigvereine der größeren Landes vereine seien. 21 Die zu erwartenden Probleme veranlaßten andernorts die Aufgeforderten, die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen zu lassen, so daß das Reichsinnenministerium den Bericht anmahnen mußte und dadurch bekundete, wie ernst ihm mit dem Auftrag sei. Erst auf die zweite Aufforderung hin befahl der Spezialbeauftragte für politische Polizei für die fünf »Rayon«-Staaten beim Polizeiamt der Freien Stadt Frankfurt, Kessler, die Vorsitzenden der fünf in der Stadt bekannten Vereine zur Berichterstattung auf das Polizeiamt zu laden. 19 20 21
Bekk 23. 10. 1848 an das Reichsinnenministerium, BA Frankfurt DB 54/71, Bl. 42f. Bericht Burgers 13.10. 1848, ebd., Bl. 48-51. Note Duvernoys 2.12. 1848 an das Reichsinnenministerium, B A Frankfurt D B 54/76, Bl. 139-141,152. Er nannte den Stuttgarter vaterländischen Hauptverein, den Stuttgarter und Oehringer Volksverein, die mit dem Berliner konstitutionellen Verein verbunden waren, und einen Stuttgarter Volksverein, der in Beziehung zum Frankfurter Montagskränzchen stand.
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Die eigentliche Durchführung des Auftrags lag bei dem Polizeiamtsassessor und späteren Polizeirat Dr. Heinrich Ernst Beer, 22 dem kontinuierlichen Zentralpunkt der politischen Polizeigeschäfte Frankfurts von 1834 bis in das Ende der Reaktionszeit und späteren eifrigen Korrespondenten Eberhardts im mitteldeutschen Rayon des >PolizeivereinsLandesregierungVerrechtlichung< des Vereinswesens, die sich in der Reaktionsperiode auf Landes- und Bundesebene vollständig durchsetzte; denn die gesetzlich geregelte scheinbare Gewährung eines Rechts zur (politischen) Vereinigung konnte heißen, dieses Recht einzuschränken, auszuhöhlen oder etwa durch Verbot gerade der politischen Vereinigungen in das Gegenteil zu verkehren. Die >Verrechtlichung< bedeutete außerdem zugleich > Verstrafrechtlichung< und erlaubte die - in Nassau vermißte administrative, vor allem polizeiliche Erfassung des Vereinswesens. Als weitere Schwierigkeiten boten sich die in der bewegten Zeit häufig wechselnden >Tendenzen< der Vereine sowie geheim verfolgte Bestrebungen, die in den proklamierten Statuten nicht erkennbar seien, für die Behörden ein weiteres Indiz, daß präventive geheime Überwachung geboten war. Das nassauische Staatsministerium bekräftigte die in dem Zirkularerlaß liegende Tendenz, indem sie unterschied zwischen den constitutionell-monarchischen Vereinen, die »dem wühlerischen und anarchischen Treiben von unten entgegentreten wollen«, und solchen, die die Aufrechthaltung und konsequente Durchführung der Volkssouveränität an die Spitze der Statuten stellten. 25 In der Stellungnahme der Regierung Bayerns hatten auch die Unzulänglichkeiten des Vereinsrechts Gewicht und kamen überdies die Konturen der erwünschten, zur Zeit noch nicht realisierbaren Reaktionspolitik zum Ausdruck. Das bayerische Innenministerium hatte alle Polizeibehörden angewiesen, von den politischen Vereinen Statuten, Beschlüsse und Mitgliederverzeichnisse einzufordern; dagegen wurden »von verschiedenen Seiten Protestationen eingereicht«, das seien Eingriffe in das Versammlungs- und Assoziationsrecht. So eilig war dem Innenministerium mit der Sache, daß es bereits »vorläufig« die Berichte der Kreisregierungen von Oberbayern und von Schwaben einschickte. Die darin mitgeteilte Abreise des »Demokraten« Advokat Riedel zum Berliner Demokratenkongreß bekräftigte amtlicherseits die Vermutung einer »centralen 25
Bericht des Vorsitzenden der Wiesbadener Landesregierung, Lex, 8. 12. 1848 an das nassauische Staatsministerium, B A Frankfurt DB 54/75, Bl. 47, 52.
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Leitung« für alle demokratischen Vereine mit »geheimen Lenkern«. Bereits im Vorgriff auf die später herrschende Konspirationstheorie betonte der bayerische Bevollmächtigte bei der Zentralgewalt die nachtheiligen Folgen eines solchen fortdauernden Zusammenhangs, der das ganze Land gewissermaßen mit einem Gewebe organischer Fäden umspinnt, welche die Wirkung centraler Einflüsse fortpflanzen und erhöhen. 26
Das bedeutete wie in der Restaurationszeit und im Vormärz: Die wachsende Organisiertheit des gesellschaftlichen politischen Lebens für sich kam in amtlicher Sicht bereits der Staatsgefährdung nahe. Der Bevollmächtigte beklagte, daß die bestehende Gesetzgebung (gemeint: des Jahres 1848) ein strafrechtliches Einschreiten vollständig lähme; es fehlten in ihr Bestimmungen gegen Provokationen, Aufreizungen, Ungehorsam wider die Gesetze und die Obrigkeit sowie insbesondere die zugehörigen Strafandrohungen. Außerdem hätten die durch Kriminalbehörden eingeleiteten Untersuchungen »fast niemals zu einem empfindlichen Resultate geführt«. Nun war die bayerische Regierung entschlossen zu legislativem Vorgehen (Einbringen eines Vereinsgesetzes bei der Ständeversammlung) ebenso wie zu administrativen Maßnahmen (»strenge Ueberwachung der Bestrebungen der Vereine«, »disciplinäre Einschreitung gegen Beamte«). 27 Da das bayerische Innenministerium - wie noch zu zeigen ist - bereits regelmäßig durch die Regierungspräsidenten >Volksstimmungsberichte< erhielt, konnte es auf vorliegendes Material zurückgreifen und gegenüber der Zentralgewalt zusätzlich auf den Erfolg der eingeleiteten Polizeimaßnahmen der Überwachung verweisen, indem es die angekündigte minutiöse »Tabellarische Übersicht der im Königreich Bayern bestehenden Vereine nach den Regierungsbezirken zusammengestellt« einsandte und mit reichhaltigen Beigaben (Statuten, Mitgliederverzeichnissen, Programmen, Reden) ergänzte. 28 Es bleibt hervorzuheben, daß die bayerische Regierung über den eigentlichen Auftrag der Zentralgewalt zur Bestandsaufnahme hinaus das Zirkular als Aufforderung zu weitergehenden repressiven Maßnahmen auslegte und dabei war, diese einzuleiten. Das Großherzogtum Hessen reagierte besonders prompt und gründlich auf den Zirkularerlaß: Der hessische Innenminister Karl Heinrich Jaup hatte bereits am 11.10. 1848, eine Woche nach Ausgabe des Erlasses, ein ausführliches Memorandum von 26 Seiten mit 24 (!) Anlagen verfügbar. So schnell und detailliert konnte keine damalige einzelstaatliche zentrale Landesbehörde eine Arbeit bewerkstelligen, die landesweite Nachforschungen und zahlreiche Korrespondenzen erforderte - mit anderen Worten: Das Material lag bereits ausgewertet vor. Hier machten sich die Impulse bemerkbar, die vom vorausgegangenen südwestdeut26
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Bericht des bayer. Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt 31.10. 1848, ebd., DB 54/72, Bl. 1, 9. Wie Anm. 26. B A Frankfurt DB 54/72, Bl. 15-25, nach Rubriken gegliedert, zugleich in München auch im November 1848 den »Monatsberichten ad Majestatem« beigegeben, BayHStA München MInn 46129.
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sehen Polizeiverein ausgegangen waren, kontinuierlich politisch-polizeiliches Material zu sammeln. Der hessiche Bevollmächtigte bei der Zentralgewalt Eigenbrodt verband die Übergabe der Materialien am 13.10. 1848 mit der Warnung, sie würden von der »großen Gefährlichkeit« der im Großherzogtum bestehenden »democratischen Vereine« zeugen und den Entschluß der >Landesregierung< veranlassen, diese Vereine aufzuheben, »insofern eine solche Maßregel nicht von der Centraigewalt für ganz Deutschland erfolgen sollte«. Nur in solcher Allgemeinheit könne man noch auf vollkommene Wirksamkeit rechnen. 29 Wie die bayerische ergriff die hessische Regierung, angestoßen durch die Zentralgewalt, die Initiative zu weiterer innerstaatlicher Unterdrückung des politischen Vereinswesens und versuchte darüber hinaus das Reichsministerium zu gleichartigen Maßregeln zu drängen. Der Jaup-Bericht unterschied besonders scharf zwischen zulässigen und unerwünschten, das hieß zu verbietenden Vereinen: Den »constitutionell-monarchischen Vereinen« fehle es »nicht an gutem Willen, wohl aber meistens noch zu Zeit an Kraft«. Hier wurde bereits die für die Reaktionsperiode charakteristische Politik deutlich, regierungsabhängige oder -treue Vereinigungen als einzig rechtmäßige zu tolerieren und alle anderen oppositionellen - buchstäblich zu kriminalisieren. Für Jaup waren es die Vereine »mit democratischen Tendenzen«. Die beigefügten, einzelne Personen und ganze Vereine belastenden Anlagen zeigen, daß die Polizeibehörden spätestens seit dem Mai kontinuierlich Belastungsmaterial sammelten. Man verfügte über eine Aufstellung sämtlicher Volksversammlungen der Region, war im Besitz »vertraulich erlangter« Sitzungsprotokolle des demokratischen Vereins zu Mainz, gab bereits Hinweise auf steckbrieflich zu Verfolgende wie den Mitredakteur der »Mainzer Zeitung« Schütz, verwies auf »geheime Thätigkeit« von Vereinen, auf »vertrauliche Aufforderungen, sich zu bewaffnen«, beachtete nach Tradition besonders die Turnvereine, die nun offen die »Verbrüderung aller deutschen Turnvereine für die Einheit Deutschlands« in ihren Satzungen aussprachen. Der Jaup-Bericht wies zugleich den Weg gegen die »zwei Haupthebel« der »democratisch-revolutionären Partei«, die Presse und die Volksversammlungen. 29
Eigenbrodt 13.10. 1848 an das Reichsinnenministerium, B A Frankfurt DB 54/74, Bl. 1, Jaups Bericht: Bl. 2-14; vgl. zu diesem Bericht auch Reinhard Carl Theodor Eigenbrodt: Meine Erinnerungen aus den Jahren 1848, 1849 und 1850. Hrsg. v. Ludwig Bergsträßer. Darmstadt 1914, S. 159 = Quellen und Forschungen zur Hess. Geschichte Bd. 2; hier wird mitgeteilt, daß Jaup für seine Denkschrift »eine Menge von Aktenstücken und Tatsachen, die ihm besonders Dalwigk geliefert hatte«, verarbeitet hatte. Dalwigk, der spätere leitende Minister der Reaktion in Hessen, war zu dieser Zeit Dirigent der Regierungskommission in Mainz (ebd., S. 158); nach Eigenbrodts Worten belegte Dalwigk dort »vorzugsweise diejenigen Gemeinden mit preußischen Truppen, wo die Demokraten am übermütigsten waren«. In seinem Nachlaß finden sich auch seine bis 1847 zurückreichenden Sammlungen zum Vereinswesen, bes. zu den Turnvereinen; so in B A Frankfurt Gagern/Nachlaß Dalwigk Kasten 51 H. 4 Nr. 13; vgl. auch oben, S. 110 Anm. 153.
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Das Fazit lautete aus Regierungssicht: »Aber die Grenze ist erreicht; die Sicherheit des Staates ist in allen Beziehungen erschüttert«, es könne »mit einem Worte fast eine offene Verschwörung genannt werden«. 30 Die spezifische Gefahr wurde im Organisationsgrad des Vereinswesens gesehen: »Die democratischen Vereine bilden neben der gesetzlichen Regierung eine eigene Regierung, die alle Gesetze höhnt und durch Terrorismus herrscht. Die gesellschaftlichen Zustände fallen hierdurch zusammen; nicht blos die politischen und religiösen, sondern auch die socialen«. Es herrsche der »Kampf der Nichtbesitzenden gegen das Eigenthum; es ist der Beginn einer practischen Einführung des Communismus«.31
Über das erwünschte Verbot der demokratischen Vereine hinaus wagte Jaup für die Zukunft die Prognose, selbst wenn man noch einen Damm gegen das Vereinswesen errichten könne, »wird die Criminaljustiz noch lange Krieg zu führen haben mit den Verbrechern, welche bereits herangebildet sind«.32 Das Reichsministerium des Innern nahm die alarmierenden Mitteilungen aus Hessen ernst und demonstrierte, daß es nicht geneigt war, sich mit bloßer Bestandsaufnahme zu begnügen: Es schaltete auf den Bericht Jaups hin bereits am 15.10. 1848 das Reichsministerium des Kriegs ein, um es zu veranlassen, »baldthunlichst eine größere Truppenmacht« in die als besonders gefährdet angesehene Provinz Rheinhessen (mit Mainz!) zu verlegen. 33 3. Protestbewegungen gegen den >PolizeistaatDonnersbergPosition< meinte in den Wochenberichten die jeweilige abgeschlossene Informationseinheit zu einem Sachverhalt; ab Jan. 1853 numerierte man die Positionen pro Jahr durch. Wien fehlt in der Aufstellung, weil es seit Juli 1852 eine andere Form der Mitteilung gewählt hatte, vgl. unten, S. 335; eine Übersicht vom 1 . 1 . 1854-30. 6. 1855 enthält der Bericht Koerners bei Siemann: >PolizeivereinGothaer ParteiUltramontane< wegen ihrer Kritik am Staate, der volkswirtschaftliche Kongreß von 1858 in Gotha, der 1859 in Frankfurt begründete Deutsche Nationalverein, die freien und deutschkatholischen Gemeinden, die Sekten der Johannesbrüder und Nazarener in Österreich, die Freimaurerlogen in Belgrad, Brüssel, Berlin und Leipzig, die ehemals politisch besonders regen Handwerker-, Arbeiter- und Gesellenvereinigungen der Maurer, Zigarrenarbeiter, Hutmacher, Buchdrucker (Gutenbergbund), dann aber auch Schauspielergesellschaften, Schützen-, Gesangs-, wie ehedem Turn-, dazu Arbeiterbildungs-, Konsum- und Grütlivereine (diese in der Schweiz), Studentenverbindungen, auch die Burschenschaften, Lehrer an Schulen und Universitäten, kurzum alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, wo auch immer das Bestreben zu politischem Zusammenschluß oder Wirken bestehen konnte. Dabei wurden die in ihren politischen Äußerungsmöglichkeiten weniger eingeschränkten Emigranten und politischen Flüchtlinge besonders ernst genommen, so Komitee- und >ParteiParteien< politische Überblicksberichte lieferte; er informierte über Deutsche, Polen, Italiener, Ungarn und Franzosen in deren jeweiligem Exil, indem er detaillierte Namenslisten vorlegte. Einem modernen Selbstverständnis der Internationalisierung der Oppositionspolitik folgend, beachteten die Konferenzmitglieder die Rückwirkungen außenpolitischer Vorgänge (Krieg auf der Krim 1854-1856 und um die italienische Einigung 1859) auf politische Vereinsbildungen im Innern ebenso, wie sie die Reaktion auf Anzeichen innerdeutscher politischer Belebung in Emigrantenkreisen registrierten und intensiv nach >Emissären der Propaganda< fahndeten, die Deutschland vom Exil herkommend bereisten. Die Tätigkeit von Flüchtlingen, die als Dozenten an der Universität Zürich lehrten (etwa Moleschott, Roßmäßler, Wislicenus) war ihnen bekannt. Die Auswanderung aus Deutschland wurde systematisch überwacht. Sie unterrichteten sich wechselseitig über beschlagnahmte Druckerzeugnisse aller Art und vergrößerten dadurch die Reichweite ursprünglich landesbezogener Aktionen; man charakterisierte die Tendenzen oppositioneller Zeitungen, machte deren Korrespondenten und Redakteure namhaft, warnte untereinander vor mißliebigen Verlagen, Buchhandlungen, revolutionären Flugschriften und verdächtigen Publikationen jeder Art. Man sann darauf, das Kolportagewesen (Druckschriftenvertrieb von Haus zu Haus) einzuschränken, die Leihbibliotheken zu kontrollieren, beriet, wie die Verbreitung unerwünschter Zeitungen durch Entzug des Postdebits (Postvertriebs) oder der vergünstigten Versendung unter Kreuzband-Couvert verhindert werden konnte. 263
Die Polizeivereinsmitglieder betrieben neben diesen Repressivmaßnahmen zusätzlich eine aktive Pressepolitik, indem sie gegenseitig regierungsfreundliche Artikel in Zeitungen des eigenen Rayons lancierten oder Provinzblätter durch deren finanziell günstigen Amtsblattstatus politisch disziplinierten, indem sie mit Entzug der amtlichen Inserate drohten. Die Konferenzteilnehmer machten sich bekannt mit den wechselseitig praktizierten Überwachungs- und Fahndungstechniken; so offenbarten sie die Überwachung der Badeorte, den Einsatz von Agenten - Österreich und die süddeutschen Staaten schickten solche zur Überwachung der politischen Flüchtlinge in die Schweiz-, wichtige Eisenbahnkontrollpunkte, die bevorzugten Reiserouten politisch belasteter Personen; man tauschte Personenbeschreibungen (»Signalements«), zusätzlich bei prominenten Flüchtlingen auch schon Fotos, 81 ferner Abschriften beschlagnahmter Korrespondenzen und die eigenen Fahndungsblätter. Die Beamten verständigten sich über politisch-polizeiliche Exekutivmaßnahmen: Ausweisungen als demokratisch bekannter Reisender, Handhabung der Paß-, Grenz- und Fremdenkontrollen, Razzien, Haussuchungen, Beschlagnahmungen und Verhaftungen. Dem Paßwesen schenkten die Konferenzen besonders viel Zeit, so daß die Delegierten für Bayern, Sachsen, Hannover und Württemberg am 7. 2. 1865 in Köln zu einer geheimen Separatkonferenz zusammentrafen, auf der sie ausschließlich eine - von ihren Regierungen gebilligte - Paßkonvention beschlossen. Baden trat nachträglich bei, die zwei Großmächte hielten sich fern. 82 Nicht unbedeutend war auch der Anteil der - meist politisch-polizeilich mittelbar veranlaßten - gegenseitigen Informationen über die Rechts- und Verwaltungspraxis in den einzelnen Mitgliedsstaaten; es handelte sich um politische Gerichtsurteile, Gewerbeordnungen (sie regelten Streikverbote), Maßnahmen gegen noch bestehende, als unzuverlässig angesehene Geschworenengerichte für »politische Verbrecher«, Fragen der Polizeiaufsicht, Gefangenenhaltung, Werkhäuser, Strafbestimmungen, Vorschriften über körperliche Züchtigungen, der inneren Polizeiorganisation eines Landes. Die gewöhnliche Sicherheits- und Wohlfahrtspolizei hatte entsprechend dem ursprünglichen Zweck des Polizeivereins den geringsten Anteil; erst in den letzten Jahren seines Bestehens erhielten solche Themen mehr Gewicht wie Verbesserung der Luft, des Wassers, der Arbeiterwohnungen, Wasch- und Badeanstalten in Großstädten, Prostitution, Wohnungsmangel, Diebstähle und Mordversuche in Eisenbahnen etc. Doch bis zur letzten Konferenz zählten politisch-polizeiliche Fragen zu den Gegenständen des Polizeivereins, so bei der Zusammenkunft im 81
82
Der früheste bisher nachgewiesene Fall einer systematischen, flächendeckenden Fotofahndung im Februar 1858 (mit 140 Fotografien von Mazzini in Württemberg, das Bild stammte von Wien) ist beschrieben bei Wolfram Siemann: Giuseppe Mazzini in Württemberg? Ein Fall staatspolizeilicher Fahndung im Reaktionssystem des Nachmärz. In: Zs. f. Württ. Landesgesch. Bd. 40 (1981) S. 547-560. Protokoll der Kölner Konferenz 7. 2. 1865 und Wortlaut der Übereinkunft in GLA Karlsruhe Abt. 236/8750.
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März 1866 etwa die Urteile zur Schließung des »Allgemeinen Deutschen ArbeiterVereins«. 8. Ein geheimer Nachrichtendienst unter der Maske eines Bundespresseorgans Bei den Polizeivereinskommissaren setzte sich immer stärker die Anschauung durch, es genüge nicht, der Presse allein repressiv zu begegnen; man müsse vielmehr versuchen, sie zugleich auch aktiv zu beeinflussen und regierungsabhängig zu machen. 83 Namentlich die Vertreter Sachsens und Hannovers - Koerner und Wermuth - argumentierten so. Auf der Polizeikonferenz 1857 in Wien regte Koerner erstmals das Projekt eines Bundespreßorgans am Sitz der Bundesversammlung an, stieß dabei aber auf die Skepsis des preußischen Vertreters Zedlitz, der das für unausführbar erklärte. 84 Die Sache erhielt eine neue Wendung, als sich im folgenden Jahre auf der Konferenz in München 1858 die Mitglieder mehrheitlich entschieden, den lange gehegten Plan eines von der Bundesversammlung abhängigen Polizeidirektors in Frankfurt »zur Zeit nicht weiter zu verfolgen«. Hier regte der österreichische Vertreter Engelshofen eine bemerkenswerte Ausweichlösung an: Die beteiligten Regierungen sollten gemeinsam einen Beamten besolden, der »für die politische Polizei in Frankfurt thätig sein sollte«; zugleich schlug er vor, ihn als Redakteur eines Journals zu tarnen. 85 Der zweite und letzte Leiter des Metternichschen Mainzer Informationsbüros präsentierte hier das von ihm lange Jahre praktizierte Verfahren, publizistisch Tätige für geheimpolizeiliche Zwecke zu benutzen. Koerner griff diese Idee auf und verband sie mit seinem Ziel eines Bundespreßorgans. Er beschrieb die Stellung des leitenden Beamten folgendermaßen: Der Redakteur, in dessen Person Correspondenzen in ausgedehntestem Maaße zusammenflößen, würde über politische Notizen aller Art gebieten können und dadurch in den Stand gesetzt sein, den einzelnen Regierungen zur Einziehung politisch-polizeilicher Nachrichten zu dienen. 86
Wermuth und Koerner erklärten sich bereit, bis zur nächsten Konferenz gemeinsam eine Vorlage zu erarbeiten. Die Hauptverfechter einer koordinierten deutschen Pressepolitik trafen sich zur Vorbereitung von Vorschlägen am 22. 10. 1858 zu gesonderten Verhandlungen in Leipzig.87 Am 3.12. 1858 war bereits der detaillierte »Plan und Costenanschlag einer am Sitze der deutschen Bundesversammlung zu gründenden politischen Zeitung« fertig und ging dann zur Begutachtung an die übrigen Polizeivereinsmitglieder.88 Der Entwurf stammte vollkommen aus der Hand des Koerner unterstellten Referenten und Spezialisten für Zeitungssachen Hugo Häpe, der publizistisch 83 84 85 86 87 88
Vgl. bes. Nr. 20 in Siemann: >PolizeivereinNachrichten Vorschriften^ Wermuth 18.10.1858 an Kabinettsrat Lex, HStA Hannover Dep. Gmunden 103IX C 35. GLA Karlsruhe Abt. 236/8735.
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erfahren war, 1849 bereits die konservative Zeitung »Die Fackel« herausgegeben und sich damit der sächsischen Regierung empfohlen hatte. 89 Das ursprüngliche Konzept ließ deutlich die beabsichtigte Doppelfunktion erkennen, jedoch hatte der sächsische Ministerpräsident Beust eigenhändig angewiesen: »Ich halte es allerdings für unerläßlich, daß alle polizeilichen Beziehungen in Wegfall kommen«. 90 Daraufhin mußte Häpe die entsprechenden Passagen aus seinem Entwurf streichen, so den Hinweis, daß der Redakteur die sich ihm eröffnenden Verbindungen zugleich benutzen sollte, »um den Regierungen zu Einziehung politischpolizeilicher Nachrichten zu dienen«, also die im Protokoll der Polizeikonferenz bereits fixierte Formulierung. 91 Außerdem entfiel die Bemerkung, die Reporter seien »namentlich auch zu polizeilichen Aufträgen, welche vor sämmtlichen Unterredacteuren stets Geheimniß bleiben müßen, zu verwenden«. 92 Unter den speziellen Befähigungen des Chefredakteurs verblieb nach den Streichungen nur die Erfahrung im publizistischen, es entfiel diejenige im polizeilichen Fach. Die wichtigste Weglassung aus dem Konzept Häpes lautete: Die Anstellung der Reporters würde, wegen der doppelten Aufgabe, die ihnen gestellt wird, nur nach vorgängigem Einverständniß der Mitglieder des Polizeivereins, welche mit einem Gutachten über die polizeiliche Qualification der in Frage kommenden Candidaten zu hören sind, zu erfolgen haben. 93
Wie die Geschichte dieses Projekts zeigt, wollte Beust keineswegs auf die Grundidee einer publizistisch getarnten polizeilichen Nachrichtenzentrale verzichten, nur sollte das nicht mehr an dem zu versendenden »Plan und Costenanschlag« ersichtlich sein. Liest man lediglich die schließlich versandte Endfassung des Plans, erkennt man denn auch darin keinerlei Hinweise auf den polizeilichen Zweck. Der Plan sprach nur noch davon, den »subversiven Agitationen« in Frankfurt durch »ein conservatives Organ« in der Presse entgegenzuwirken. Das Element des Staatsschutzes, hier verstanden als Verteidigung der Fürsten gegenüber konstitutionellen Forderungen, klang lediglich an in der Doktrin: In der Organisation des deutschen Bundes liegt der Schwerpunkt der Vertheidigung der deutschen Throne gegen das Eindringen der constitutionellen Democratie in unsere Verfassungen.
Der von Beust gebilligte und versandte Plan sah das gewünschte Blatt als »Waffe« und verschwieg auch nicht die Schwierigkeiten der Realisierung: Sie lagen in Differenzen der äußeren Politik, in historisch bedingten Interessengegensätzen zwischen den deutschen Staaten, in Rücksichten der Großmächte auf ihre außerdeutschen Provinzen, in Unterschieden der geographischen Lage; im Innern wurden »die wichtigsten Aufgaben der politischen Polizei wie zum Beispiel die 89
90 92
Näheres zu Häpe vgl. Siemann: >Polizeivereinhohen Polizei< im Zuge der >modernen< Entwicklung auf diese zwei Gegenstandsbereiche eingegrenzt hatte, hier im Jahre 1858-. So kaschiert der Plan inzwischen geworden war: sein ursprünglicher Zweck schien noch durch in der Berufung auf den Bundeszweck der »Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit«. Die Zeitung sollte täglich erscheinen und einen amtlichen Teil enthalten (Bekanntmachungen der Bundesversammlung, Publikationen der Bundesbeschlüsse, -Verträge, Personalnachrichten etc.), sodann einen nichtamtlichen Teil unter persönlicher Verantwortung des Redakteurs: die »eigentliche Zeitung« mit den vier Rubriken Tagesgeschichte/Politik, Wissenschaften, Kunst, Staats- und Volkswirtschaft, einem Feuilleton- und einem geschäftlichen Teil. Die Redaktion sollte aus dem Chef, 5 Ressortredakteuren und 8 weiteren, darunter 2-3 »Reporters«, bestehen. Ein präzise durchkalkulierter Kosten Voranschlag ging von einer Auflage von 1000 Stück aus; eine Auflage über 12000 würden die gegenwärtigen Presseverhältnisse für eine deutsche politische Zeitung nicht zulassen.94 Wer den polizeilichen Nebenzweck nicht kannte, den mußte das hohe Jahresgehalt des Chefredakteurs von 12000 Gulden angesichts der Feststellung befremden, daß dieser nicht selbst mitarbeiten, sondern »nur anstellen und beaufsichtigen« solle.943 Aus der Verschleierung des geheimpolizeilichen Zwecks ergab sich das Problem, daß die Regierungen in ihrer Begutachtung tatsächlich nur die Chancen für ein gemeinsames deutsches Presseorgan erwogen. Am schärfsten sprach sich die preußische Regierung dagegen aus. Bereits bevor der Plan vorlag, stand für den Prinzregenten Wilhelm, den preußischen Ministerpräsidenten und Innenminister Flottwell fest, ein Bundespreßorgan würde nur den Einfluß Österreichs sowie einzelner Mittelstaaten stärken und so den Interessen Preußens zuwiderlaufen; überdies würde das ganze Projekt an »inneren Schwierigkeiten« scheitern. 95 Den Plan selbst beurteilte dann der preußische Polizeivereinskommissar Zedlitz ebenso kritisch: In der äußeren Politik harmonierten die Bestrebungen der 94
Hier bietet der Kostenanschlag eine interessante Aufstellung von Auflagehöhen deutscher politischer Tageszeitungen in den Jahren 1856 und 1858, darunter (in Klammern jeweils Auflagenhöhe für 1856) die »Vossische Zeitung« 15000 (13400), »Cölnische Zeitung« 14000 (12500), Augsburger »Allgemeine Zeitung« 10000 (-), »Neue Preußische Zeitung« ( = Kreuzzeitung) 4000 (6550). - Häpe benutzte als Quellen für seine Angaben »Wuttigs Zeitschriften-Catalog« von 1858 und die Angaben des Regierungsrats Ribbeck in den Verhandlungen des Mathisschen Antrags im Hause der Abgeordneten zu Berlin im Jahre 1856. 94a Das dem badischen Staatsministerium vorgelegene Exemplar des Plans - GLA Karlsruhe Abt. 233/4630 - wurde genauestens durchgearbeitet, die Höhe des Chefredakteurgehalts dabei eigens kritisch am Rande vermerkt. 95 Innenminister Flottwell 23. 10. 1858 »im Allerhöchsten Auftrage«, d.h. des Prinzregenten, an Zedlitz, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12155, Bl. 170.
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einzelnen Regierungen zu wenig; dadurch müßte das Blatt ohne Einfluß auf das Publikum bleiben; gleiches gelte für die innere Politik. Nach den Erfahrungen in Preußen hätten diejenigen Zeitungen am meisten Ansehen, Einfluß und Verbreitung, »welche scharf ausgeprägte Partheistandpunkte vertreten«; schon die offiziösen Blätter einzelner Regierungen seien hier benachteiligt. Zedlitz hielt Konkurrenz mit einem unabhängigen Organ, das sich frei bewegen könne, für ausgeschlossen; deshalb wünschte er in der Pressepolitik für jede einzelne Regierung »eine ihr ausschließlich und nicht in Gemeinschaft mit andern dienende Vertretung«. 96 Dieser partikularistische oder - unter polizeilichem Gesichtspunkt: - diversifizierende Gesichtswinkel proklamierte die gegenseitige Konkurrenz der Regierungen mit den Mitteln der Presse und unterlief die früher behauptete politischpolizeiliche geschlossene Abwehrfront gegenüber der Gesellschaft. Die >Neue Ära< zeitigte deutliche Auflösungserscheinungen im Polizeiverein. Da der Plan ein »Bundesorgan« bezweckte - die Redaktion sollte einem Ausschuß des Bundestags gegenüber rechenschaftspflichtig sein-, sah sich Zedlitz zu Recht zu einer Stellungnahme für nicht befugt. Die sächsische Regierung versuchte - parallel zu den Vorstößen Koerners und Wermuths auf Polizeivereinsebene - auch auf diplomatischem Weg den in den Polizeikonferenzen vertretenen Regierungen das Projekt schmackhaft zu machen. Auf eine entsprechende Initiative über den sächsischen Gesandten in Berlin hin lehnte indessen der preußische Außenminister Freiherr von Schleinitz am 24. 2. 1859 den Plan ohne jede Einschränkung als unausführbar und unzweckmäßig ab. Um jede weitere Erörterung mit der sächsischen Regierung von vornherein abzuschneiden, vermied er es, sich mit Details auseinanderzusetzen. Im Einverständnis mit Innenminister Flottwell verpflichtete er Zedlitz, auf der Polizeikonferenz gegen das Projekt zu stimmen. 97 Das Urteil der badischen Regierung ging in gleiche Richtung. Innenminister Stengel hielt das Projekt für >lebensunfähigungeeignet< hielt. 99 96 97 98
Zedlitz 2. 3. 1859 an Wermuth, ebd., Nr. 14399, Bl. 96-98. Schleinitz 24. 2. 1859 an den sächs. Gesandten Graf Hohenthal, wie Anm. 96, Bl. 6. Der bad. Innenminister Stengel 18. 2. 1859 an Staatsminister Meysenbug, GLA 233/4630; Burgers Ablehnungsschreiben 5. 5. 1859 an Koerner in StA Dresden Mdl Nr. 24, Bl. 120 -122.
99
Schreiben Meysenbugs 28. 6. 1859, GLA Karlsruhe, ebd.
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Die österreichische Äußerung brachte Engelshofens ursprüngliche Intentionen von 1857 in Erinnerung: Wien hatte bei dem Projekt »vorzugsweise polizeiliche Zwecke im Auge«; es sei weiterhin erwünscht als »Deckmantel«, als »Brennpunkt für unauffällige staatspolizeiliche Thätigkeit«; jedoch erkannte man im zirkulierenden Entwurf nur journalistisch-politische Zwecke. Die Oberste Polizeibehörde in Wien wollte demgegenüber auf den ursprünglichen Plan zurück. 100 Dieser Einwand und die übrigen negativen Stellungnahmen, die sich ausschließlich mit den pressepolitischen Aspekten auseinandersetzten, machten den Urhebern des Plans Koerner und Wermuth das Dilemma deutlich: Der eigentliche politisch-polizeiliche Zweck konnte aus Gründen der Diskretion nicht in dem »Plan und Kostenanschlag« mitgeteilt werden, weil dieser an »nichtpolizeiliche Kreise« ging;101 jedoch mußten eben diese, sprich: die Regierungen, dafür gewonnen werden. Deshalb sahen sich beide genötigt, in einem erneuten gemeinsamen Treffen ihre Strategie zu überprüfen. 102 Es ließ sich nicht umgehen, den spezifisch politisch-polizeilichen Hintergrund des Plans genauer schriftlich zu fixieren. Danach waren die 2 bis 3 Reporter mit Stenographie- und Sprachkenntnissen und zusätzlich 2 Stenographen zum Diktieren und Anfertigen von Abschriften (Interzepten!) als die geheimen Polizeiagenten vorgesehen; der Chefredakteur galt als »der eigentliche Chef der gewünschten Polizeibehörde«!103 - Das war Klartext. - Er sendete die Reporter zu Erkundigungen aus. Durch Verbindung des Redaktionsbüros mit dem Publikum und den Korrespondenten gingen alle nur wünschenswerten Informationen ein. Nur die Reporter dienten »als vertraute Agenten« und wußten von den polizeilichen Zwecken, übrigens auch dies eine bereits beim Mainzer Informationsbüro geübte Praxis, nach der nicht alle Beschäftigten den eigentlichen Charakter der sie beschäftigenden Instanz durchschauten. Als eine Hauptaufgabe bestimmten Koerner und Wermuth, sich über die politische Volksstimmung zu unterrichten. Das Projekt stellte einen möglichen Gipfelpunkt staatlicher Pressepolitik in Verbindung mit geheimpolizeilichen Intentionen dar. Es war der Idee eines bloßen gesamtdeutschen Polizeiblatts - wie es auch erwogen wurde überlegen, denn es würde »das offene >Zur Schau Tragen< des polizeilichen Zwecks die besten Quellen verstopfen«. 104 Der Plan sah also eine systematische Infiltration der Bevölkerung vor und entsprach darin den von Kamptz definierten Merkmalen einer typischen geheimen Polizei.105 Auch die Aufklärung über den eigentlichen Zweck vermochte die Ablehnungsfront nicht zu überwinden. Bezeichnend war dafür die interne Stellungnahme des
100 101
102
103
Schreiben Engelshofens 5. 4. 1859, StA Dresden Mdl Nr. 24, Bl. 119. Koerner und Wermuth 30. 5. 1859 an Zedlitz, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 14399, Bl. 8f., zugleich GLA Karlsruhe Abt. 236/8735. Die Tatsache dieser Sonderkonferenz geht hervor aus dem Schreiben Wermuths 5. 6. 1859 an Zedlitz, StA Potsdam, ebd., Bl. 7. Wie Anm. 101. 104 Wie Anm. 101. 105 Vgl. oben S. 178.
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nachgerückten badischen Polizeivereinskommissars Burger, unter dem Vorwand eines Journals ein politisches Polizeiinstitut für den Bund zu gründen. Ob ein solches Verfahren der Würde des Bundes gut ansteht, muß ich anheim geben, ebenso ob die wahre Absicht insbesondere bei den oben geschilderten Verhältnissen [= den heterogenen Interessen der deutschen Bundesstaaten] lange verschwiegen bleiben kann, und dann nicht mehr schadet als nüzt. Zudem was hindert den Bund ein solches Polizeiorgan offen zu organisiren?106
Auf der Polizeikonferenz 1859 in Hannover lagen ablehnende Stellungnahmen Preußens, Österreichs, Württembergs und Badens vor, so daß es zu keiner weiteren speziellen Beratung kam; überdies mußte auch von seiten Koerners und Wermuths - wie sie eingestanden - »bei der jetzigen Weltlage eine Behandlung dieses Gegenstandes auf gegenwärtiger Conferenz als erfolglos angesehen« werden. Allerdings erklärte Engelshofen bezeichnenderweise, Österreich ziehe nach den neuen Erläuterungen über den geheimpolizeilichen Zweck seine früheren Vorbehalte zurück. 107 Das vermochte am Ergebnis aber nichts mehr zu ändern. Welche historische Bedeutung hatte nichtsdestoweniger das gesamte Projekt? Es zeigt die Grenzen und Chancen geheimpolizeilicher institutioneller Konzentration auf Bundesebene, und das zu Ende der Reaktionszeit. Wo die Reichszentralgewalt fehlte, blieb auch kein Raum für einen fest organisierten zentralen politisch-polizeilichen Nachrichtendienst. Das hatte bereits Metternichs Versuch in den Jahren 1835-37 erwiesen. Andererseits ließen sich solche Konzepte auf einzelstaatlicher Ebene verwirklichen, wie das Mainzer Büro und dann, beginnend in den fünfziger Jahren, die literarischen Büros bewiesen, die gleichfalls teilweise mit bezahlten Agenten arbeiteten und dergestalt die von Wermuth und Koerner erstrebte Doppelfunktion wahrnahmen. Überdies darf nicht vergessen werden, daß der Polizeiverein mit seinen lockeren Einrichtungen gleiche geheimpolizeiliche Dienste leistete und ungeachtet der Differenzen zwischen den Bundesstaaten, besonders den Großmächten, trotz der Ablehnung des Zeitungsprojekts noch sieben Jahre fortbestand. 9. Indiskretionen über den Polizeiverein Der Polizeiverein hatte ausgesprochen geheimpolizeilichen Charakter. Seine Wirkungsmöglichkeiten hingen wesentlich davon ab, wie weit sein System und seine Kommunikationen verborgen bleiben konnten. Das bekundeten bereits die Gründungsmitglieder in der Art ihres ersten Treffens 1851 in Dresden, als man die Eröffnung der Eisenbahn Prag-Dresden als willkommenen Anlaß benutzte, damit den eigentlichen Zweck des Treffens zu tarnen. Wenn Geheimhaltung so wichtig war, so provoziert das die Frage: Wie weit und auf welchen Wegen erhielt 106
107
Ausführliches Gutachten Burgers auf dem Exemplar des »Plans und Costenanschlags«, das beim Innenministerium lag, GLA Karlsruhe Abt. 236/8735; vgl. Anm. 94a. Protokoll der Polizeikonferenz Hannover 1859, Pos. 11, GLA Karlsruhe Abt. 236/8736.
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die Öffentlichkeit - vor allem durch die Presse - trotz alledem von Existenz und Wirken des Polizeivereins Kenntnis? Die gewichtigsten Indiskretionen gingen anfangs von den Behörden selbst aus und müssen unter die Kategorie >Panne< oder >Versehen< gerechnet werden. Sie entstanden vor allem dann, wenn Nachrichten aus den Wochenberichten in die gewöhnlichen, weiter fortbestehenden Fahndungs- und Sicherheitspolizeiblätter gelangten. So erschien eine Beilage zum Dresdner Wochenbericht in den Berliner »Mittheilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege«; von Eberhardt deshalb kritisiert, 108 vermochte Hinckeldey das Verfahren nur als »Versehen« zu entschuldigen; nicht die »Mittheilungen«, sondern der Berliner Wochenbericht hätte sich über diese Beilage äußern sollen.109 Um das künftig zu vermeiden, verbreitete der Berliner Polizeipräsident den Wunsch, Mitteilungen aus den Wochenberichten mehr als bisher sekret zu halten. Das wurde von Wien bekräftigt; denn auch hier unterschied man zwischen gewöhnlichen sicherheitspolizeilichen Notizen, die in der Regel dem Wiener »Central-Polizei-Blatt« vorbehalten blieben und dort gedruckt erschienen, und solchen über den Polizeiverein weitergegebenen vertraulichen Mitteilungen, die nicht durch Druck weiter verbreitet werden sollten. 110 Derartige amtlich verursachte Indiskretionen waren durch die Weise, wie man Notizen aus den Wochenberichten weiterverwandte, in Baden bis zu einem gewissen Grad institutionalisiert. Ein spektakulärer Fall verdeutlicht, über welche Kanäle die Mitteilungen an die Öffentlichkeit drangen und schließlich wieder auf die Schreibtische der in Wochenberichten verbundenen Polizeibehörden zurückgelangten: Der Dresdner Wochenbericht vom 25. 8. 1855 brachte über die Pläne der >Demokratie< in London eine wichtige Mitteilung, die strengste Geheimhaltung erforderte. Danach sollte es den »Häuptern der Demokratie« in London gelungen sein, unter allen »Parteien« eine Einigung zustandezubringen. In geheimer Sitzung sei ein Aufruf an alle Völker Europas erlassen worden; ehe dieser erscheine, sollten Emissäre besondere gedruckte Befehle an die verschiedenen Führer auf dem Kontinent bringen. 111 Der badische Polizeivereinskommissar Fieser übernahm die Dresdner Meldung wortwörtlich, um damit am 31. 8. 1855 einen Erlaß des badischen Innenministeriums an die Landespolizeibehörden zu formulieren, die zu verschärfter Wachsamkeit angehalten wurden. 112 Das »Frankfurter Journal« übernahm den Wortlaut des Erlasses (samt integrierter Wochenberichtsmeldung) aus dem Karlsruher Verordnungsblatt und brachte ihn in einem Korrespondenzartikel unter der 108
109 110
111
112
Eberhardt 23. 4. 1852 an Hinckeldey bezügl. der Beilage zum Dresdner Wochenbericht 14. 8. 1851, StA Dresden Mdl Nr. 307r, Bl. 73. Hinckeldey 28. 4. 1852 an Eberhardt, ebd., Mdl Nr. 307s, Bl. 9. 29. Berliner Wochenbericht 5. 12. 1852 und Polizeivereins-Mitteilung aus Wien 14. 12. 1853, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 209. 9. Wochenbericht Dresden 25. 8. 1855 Pos. 112, HStA Stuttgart Ε 146 Büschel 1965 (alt) Fasz. II. Erlaß des bad. Innenministeriums 31. 8. 1855 Nr. 11022, GLA Karlsruhe Abt. 236/8237.
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Ankündigung »Karlsruhe, 3. Septbr.«; die »Vossische Zeitung« vom 7.9. 1855 in Berlin bezog die Nachricht ihrerseits von dort. 113 Daraus erhielt der für politische Polizeisachen zuständige Beamte im Präsidialbüro des Berliner Polizeipräsidiums, Homeyer, Kenntnis und veranlaßte seinen Chef Hinckeldey, beim Polizeivereinskommissar für Sachsen, Koerner, anzufragen und die Kritik beizufügen, daß »die wochenberichtlichen Mittheilungen stets nur als vertrauliche zu betrachten sind, wenigstens als solche, welche sich nicht für die größere Publicität eignen«.114 Hinckeldey traf damit allerdings den Falschen. Inzwischen hatte Koerner selbst die eigentliche Quelle der Indiskretion ermittelt: Er wies Fieser darauf hin, daß »die Wochenberichte der Natur der Sache nach in der Regel nur zur vertraulichen Instruction der zuverlässigsten Polizeiorgane benutzt werden dürfen«; die Veröffentlichung gerade einer solchen Nachricht erscheine höchst unerwünscht, denn dadurch würden »nicht blos die Gegner vorsichtig gemacht und zur Abänderung ihrer verabredeten Organisationspläne bestimmt«, sondern zugleich kompromittiere man den Urheber der Mitteilung »im Schooße der Revolutionsgesellschaft« in London und eine sehr nützliche Quelle werde »gänzlich verstopft«. Bei weiteren Veröffentlichungen drohte Koerner, »künftig in den Wochenberichten gerade die interessanteren und wichtigeren Notizen aus Rücksicht auf die unerläßliche Geheimhaltung derselben nicht mittheilen zu können«. 115 Bereits 1852 sorgten sich Polizeivereinskommissare, ob man in Kreisen der Londoner Emigranten in die Existenz des Polizeivereins eingeweiht und über den Inhalt der Wochenberichte unterrichtet war. Hinckeldey ließ den für Preußen in London tätigen Agenten, Polizeileutnant Carl Friedrich Wilhelm Greiff, den Sachverhalt prüfen. Nach umfangreichen Recherchen Schloß Greiff das aus; allenfalls Mazzini traute er das zu, der »überall seine Correspondenten hat« und anscheinend Zugang auch zu Polizeikreisen gefunden habe. 116 Unabhängig vom Tatsachengehalt der Ermittlungen Greiffs machen sie doch deutlich, daß das geheimpolizeiliche Feld sich grundsätzlich wechselseitig der Unterwanderung für zugänglich und fähig hielt, so daß »bei dieser Branche der Polizei-Verwaltung nicht genug Vorsicht empfohlen werden« könne. 117 Insgesamt passierten Indiskretionen relativ selten, waren jedoch nicht ganz zu vermeiden. Immerhin blieb der Öffentlichkeit der geheimpolizeiliche Nachrichtenverbund als ganzer ebenso verborgen wie das zugrundeliegende System der Polizeikonferenzen. Bis 1860 führten Nachrichtenfragmente allenfalls zu Fehldeutungen über die Rolle eines einzelnen Staates bei der Repressivpolitik in Deutsch-
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117
Extrakt aus der »Vossischen Zeitung« vom 7. 9. 1855, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 242. Hinckeldey 10. 9. 1855 an Koerner, ebd., Bl. 243. Koerner 8. 9. 1855 an Fieser, GLA Karlsruhe Abt. 236/8774. »Extrakt aus dem Bericht des p. G.[reiff], d.d. London, den 30. 4. 1852«, StA Potsdam (wie Anm. 113), Bl. 68. Ebd.
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land. So brachte die Hamburger Tageszeitung »Freischütz« am 10. 7. 1851 den Artikel »Die österreichische >hohe PolizeiPolizeiherrschaft der Reaktion< nur weiter an. Der Berliner Journalist Wilhelm Eichhoff enthüllte in seinen serienweise erscheinenden »Polizei-Silhouetten« Einzelheiten über die Herrschaft Hinckeldeys und Stiebers in Berlin. 128 Der demokratische Berliner Volksschriftsteller, Lustspielautor und Journalist Arthur Müller129 hatte Polizeivereinskorrespondenz in die Hände bekommen; er versuchte nach seinen Erfahrungen als politischer Flüchtling Näheres über die koordinierte politische Polizeitätigkeit der deutschen Staaten untereinander ans Licht zu ziehen. Die genaueren Begleitumstände zeigen, wie empfindlich und betriebsam noch bis 1862 die im Polizeiverein vertretenen Staaten auf derartige Indiskretionen reagierten, da sie befürchteten, solche Veröffentlichungen könnten die betroffenen Regierungen und Behörden »in einige Verlegenheit setzen«.130 Müllers Enthüllungstaten reichten bis 1856 zurück, kamen aber erst 1862 zur vollen Geltung. Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« vom 7. 6. 1856 berichtete aus »Brüssel, 2. Jun.« über polnische Verbindungen nach Art der Burschenschaft an französischen Universitäten und deren Beziehungen zu Studentencorps an einigen deutschen Hochschulen, führend darunter der polnische Graf Dembinski und der deutsche politische Flüchtling Dr. Berthling. Auffälligerweise gab das Blatt exakt als Quelle der Nachricht an: die »am letzten Samstag im hiesigen Justizministerium eingegangene Nummer der >Vertraulichen Polizei-Mittheilun126
127 128 129
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Zit. nach der Wiedergabe in der »Vossischen Zeitung« Berlin vom 12.12. 1861, erhalten im StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12155/1, Bl. 58. Vgl. oben, S. 260. Zu Eichhoff vgl. oben, S. 19f. Karl Arthur Müller, geb. 1826 in Neumarkt/Schlesien (ADB Bd. 22, S. 515: 1830 in Bremen), besuchte die Universität Breslau, nach einigen Semestern relegiert, nach Jena, mußte auch dieses bald wieder verlassen; daraufhin Aufenthalt in Süddeutschland, vorwiegend in München; Tätigkeit als Hauslehrer, Theatersekretär, Korrespondent für versch. Zeitungen, Verfasser vieler Volksstücke, Lustspiele und Tragödien, am 10. 4. 1873 Selbstmord in München; Franz Brümmer (Bearb.): Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, Bd. 5, S. 54. Bernuth »vertraulich« 4.11. 1862 an Häpe, StA Dresden Nr. 45, Bl. 48f.
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genVertraulichen polizeilichen Mitteilungen, jedoch war auch der allgemeine Polizeivereinsverkehr betroffen, denn Koerner hatte seine Notiz einer politischpolizeilichen Mitteilung aus Wien entnommen. 132 In einer Anfrage nach Dresden erklärte Zedlitz es von einem »lebhaften Interesse, welches dieser Umstand für die Mittheilungen der Wochenberichte überhaupt hat«.133 Die Ursache für die Indiskretion schien im Umkreis des »Directeur des prisons et administrateur de la sürete publique« im belgischen Justizministerium in Brüssel, Verheyen, zu liegen, der die sächsischen Spezialmitteilungen regelmäßig erhielt und der zugleich eine vertrauliche Polizeikorrespondenz mit dem Berliner Polizeipräsidenten unterhielt, so daß dieser auch eine mögliche Veröffentlichung seiner geheimen Mitteilungen befürchten mußte. Der sächsische Kommissar Koerner forderte daraufhin Auskunft von Verheyen und zeigte sich höchst befremdet über den Vorgang, zumal sein Name in der Öffentlichkeit genannt worden sei.134 Der belgische oberste Polizeibeamte versicherte, die betreffenden Akten seien sehr gut sekretiert, die Dresdner Polizeimitteilungen würden, da er des Deutschen nicht mächtig sei, von einem langjährigen, absolut zuverlässigen hauptamtlichen Übersetzer ins Deutsche übertragen; dessen Namen teilte Verheyen nicht mit.135 Die Indiskretion war auch den andern Polizeivereinsmitgliedern nicht entgangen. So brisant erschien ihnen für ihre Organisation wegen der zu befürchtenden Weiterungen die Angelegenheit, daß sie einen Tagesordnungspunkt auf der Eisenacher Polizeikonferenz abgab (30. 6.-1. 7.1856). Hier brachte sie der bayerische Kommissar Düring zur Sprache, in dessen >Rayon< die Augsburger »Allgemeine Zeitung« erschien. Koerner gab an, die Mitteilungen nach Brüssel einzustellen und wies zugleich auf den nicht namentlich genannten Übersetzer bei der Brüsseler Behörde hin. Der hannoversche Generalpolizeidirektor Wermuth verfügte nach eigener Aussage über eine spezielle Quelle in Brüssel und erbot sich, den Namen des Betreffenden zu ermitteln. 136 In der Tat vermochte er am 9. 8. 1856 Koerner als Übersetzer zutreffend einen Professor Fr. Ohlenroth, gebürtig aus dem hannoverschen Dassel, anzugeben.137 Inzwischen hatte sich der Verdächtigte von sich aus bereits an Koerner selbst 131 132
133 134 135 136
137
»Allgemeine Zeitung« Nr. 159 vom 7. 6. 1856, S. 2533. »Wiener Mittheilungen« 13. 5. 1856 Pos. 13; StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 275f. Zedlitz 14. 6. 1856 an Koerner, StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 2. Koerner 19. 6. 1856 an Verheyen, ebd., Bl. 3. Verheyen 23. 6. 1856 an Koerner, ebd., Bl. 4f. Protokoll der Polizeikonferenz Eisenach 3 0 . 6 . - 1 . 7 . 1856 Pos. 11, GLA Karlsruhe Abt. 236/8733. Wermuth 9. 8. 1856 an Koerner, StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 9.
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gewandt und glaubhaft erklären können, wie es zu dieser Indiskretion habe kommen können. Ein Korrespondent der Augsburger »Allgemeinen Zeitung«, der politische Flüchtling Dr. Arthur Müller aus Berlin, mit dem Hauswart Ohlenroths bekannt, hatte ihn aufgesucht, um sich preußische Taler in belgisches Geld wechseln zu lassen. In einem unbemerkten Augenblick nahm Müller die Gelegenheit wahr, sich den speziellen Passus der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«, die auf Ohlenroths Schreibtisch lagen, einzuprägen. 138 Was dem Angeschuldigten entgangen oder er aus Selbstschutz nicht mitteilen wollte: Müller hatte - wie seine späteren Veröffentlichungen beweisen - zugleich einige ältere Exemplare der Dresdner Papiere an sich genommen. Ohlenroth bezeichnete die Publikation in der »Allgemeinen Zeitung« als einen »Gaunerstreich« und erreichte von deren Redaktion die Erklärung, daß er weder den »abgedruckten Brüsseler Artikel an uns eingesandt, noch überhaupt jemals etwas für die Allgemeine Zeitung geschrieben habe«. In Unkenntnis der tieferen Zusammenhänge ergänzte die Redaktion von sich aus noch, man habe »auch keine Vermuthung, wie der genannte Hr. Professor in obigen Verdacht gekommen seyn mag«.139 Für die Polizeibehörden war damit die Sache noch nicht ausgestanden, denn im Jahre 1862 unter den liberaleren Zeitverhältnissen der >Neuen Ära< wagte sich Müller mit den angeeigneten Materialien an die Öffentlichkeit. Nach dem Prinzip der Nadelstiche gab er Teile daraus portionsweise bekannt, zunächst am 1. 7. 1862 in der Berliner »Tribüne«, deren Redakteur er inzwischen geworden war. Hier veröffentlichte er eine Anordnung des preußischen Innenministeriums von 1852, den »Anhängern der Umsturzpartei« wo möglich Pässe vorzuenthalten; könne ihnen das nicht versagt werden, seien in dem Paß Zeit, Zweck und aufzusuchende Aufenthaltsorte zu vermerken, Signalement aufzunehmen und die Polizeibehörden der betreffenden Orte - auch außerhalb Preußens - zu benachrichtigen. 140 Damit waren dem Leser die zwischenstaatlichen Verbindungen der politischen Polizei angedeutet. In einer zu beeidigenden Vernehmung offenbarte Müller am 13. 8. 1862, es habe in Dresden eine »Centralstelle für die politische Polizei Deutschlands« bestanden, zwar ohne offiziellen Charakter, aber unter Duldung der deutschen Regierungen. Die Zentralstelle verdanke ihr Dasein »dem ersten Polizeitage« 1850 oder 1851 in Dresden, an der Spitze habe sich Eberhardt befunden, von dem die »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« ausgegangen seien. Müller gestand, Exemplare davon aus dem belgischen Justizministerium bei Ohlenroth bekommen zu haben. 141 138 139 140
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Ohlenroth 13. 7. 1856 an Koerner, ebd., Bl. 7. »Allgemeine Zeitung« Augsburg Nr. 270 vom 25. 9. 1856, S. 4305. Abschriftl. Extrakt im StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 40. - Müller verdankte die Kenntnis dieses Erlasses den Dresdner »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« Nr. 23 vom 28. 4. 1852 Pos. 30; diese hatten den Wortlaut aus dem Wochenbericht Berlin 15. 4. 1852 Pos. 4 entnommen. Extrakt aus dem Vernehmungsprotokoll, durch Bernuth 25. 9.1862 an Koerner versandt, StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 40f.
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Auch diese Enthüllungen verbreitete der Journalist in der »Tribüne«, von der aus sie in andere deutsche Blätter gingen.142 Er kündigte außerdem eine Generalabrechnung mit der politischen Polizei an. Diese erschien in der Tat noch 1862 im Berliner Verlag Reinhold Schlingmann unter dem Pseudonym A. Vandermeulen, offensichtlich in Anspielung auf die belgische Quelle. 143 Der bereits genannte Titel lautete: »Enthüllungen aus der höheren Region der politischen Spionage (.. .)«.144 Die Veröffentlichung enthielt zu einem Teil die Berichte des ungarischen ehemaligen Honved-Majors Czarta, der in London seine freundschaftlichen Beziehungen zu Kossuth - zuweilen als dessen Sekretär - benutzte, diesen besonders von Österreich gejagten politischen Flüchtling für ein nicht genauer bezeichnetes Polizeivereinsmitglied auszuspionieren.145 Darüber hinaus konnte Müller auf die erwähnten amtlichen Polizeimaterialien146 sowie auf einzelne Stücke der Dresdner »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« zurückgreifen. Auch war ihm Koerners Presseverlautbarung vom Dezember 1861 im »Dresdner Journal« bekannt. 147 Wegen der Einseitigkeit und Bruchstückhaftigkeit seiner regierungsseitigen Aktenmaterialien vermochte er auch seine irrige Grundüberzeugung nicht zu korrigieren, daß sich in Dresden die Centraisteile der politischen Polizei Deutschlands befand, die von dem Ministerium des Innern ressortirte, und zuerst von dem Regierungsrath Eberhardt, nach dessen Tode aber von dem Geh. Rath Körner geleitet wurde. 148
Das beweist, wie wenig er doch eigentlich Durchblick hatte. Da er das Polizeikonferenzsystem und den allgemeinen Polizeivereins-Wochenberichtsverkehr nicht kannte, mußte er seine wenigen Quellen vermutlich mit früheren Indiskretionen aus dem Jahre 1851 kombinieren, als die Pläne zur Begründung einer Bundeszentralpolizeibehörde unter Vorsitz Eberhardts an die Öffentlichkeit gelangt 149
waren. Nichtsdestoweniger waren die Polizeibehörden über diese Indiskretionen so beunruhigt, daß Polizeimaßnahmen gegen Müller erwogen wurden. Der Berliner 142
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Nachdruck aus der »Tribüne« Nr. 74 vom 1. 7. 1862 ζ. B. in der Leipziger Zeitung »Der Adler. Zeitung für Deutschland« Nr. 537 vom 26. 8. 1862, ein Exemplar ebd., Bl. 38. Müller bekannte sich in Nr. 89 der »Tribüne« vom 5. 8. 1862 selbst zu diesem Pseudonym laut Mitteilung Bernuths 4. 11. 1862 an Häpe, StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 44. Vgl. oben, S. 20. 146 Vandermeulen. Enthüllungen, S. 6. Vgl. oben, S. 20. 148 Vandermeulen, S. 4f., vgl. oben S. 274f. Vandermeulen, S. 11. Die Hildburghausener »Dorfzeitung« Nr. 129 vom 12. 7. 1851 machte den geplanten Antrag einer Bundeszentralpolizeibehörde bekannt, von Eberhardt in den Wochenbericht Dresden 20.7.1851 aufgenommen; BayHStA München Minn Nr. 45548. - Wermuth nahm wahr, daß Zeitungen, zunächst aus Sachsen, mehrfach Nachrichten brachten, der Bund beabsichtige die Errichtung einer Zentralpolizeibehörde, und angeblich werde Eberhardt an die Spitze treten; Bericht Wermuths 24. 9. 1851 an das Innenministerium, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden VI 10 Pak. 719, A 202. - Die »Sächsische constitutionelle Zeitung« Nr. 235 vom 3.10. 1851 war durch Kenntnis einer telegraphischen Depesche vom 30. 9. 1851 darüber informiert, daß in Leipzig eine »Polizeizentralstelle« errichtet werden solle und bestätigte damit ihre frühere Meldung und eine vorausgegangene der »Kreuzzeitung«; StA Dresden Mdl Nr. 37, Bl. 6.
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Polizeipräsident Bernuth hielt wegen der »Schlauheit und Erfahrung« des Journalisten Haussuchungen und Beschlagnahmungen für aussichtslos, ebenso nach der bestehenden preußischen Gesetzgebung nicht für zulässig; allerdings bestärkte er den Nachfolger Koerners in der Polizeiabteilung im sächsischen Innenministerium Hugo Häpe, solche Maßnahmen in Brüssel in die Wege zu leiten, wo Müller seine Exemplare der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« deponiert zu haben behauptete. 150 Tatsächlich ließ Verheyen in Brüssel auf Anregung Häpes recherchieren, ob Müller in der ehemals von ihm benutzten Wohnung Materialien zurückgelassen habe, allerdings ohne Erfolg. 151 Die Wirkungen der Indiskretionen über den Polizeiverein zeigten indessen auch in diesem Sonderfall, daß die Kommunikationen nach 1860 nicht »wieder eingegangen waren«, sondern bis in die Auslandsbeziehungen hinein aktivierbar blieben. Vandermeulens alias Müllers Buch zeigt die Grenzen, die den Zeitgenossen in der Kenntnis über den wahren Charakter und Umfang des Polizeivereins gesetzt waren. Man ahnte vieles, konnte es aber nicht eigentlich fassen. Insgesamt war das dieser unformellen Organisation wesenseigene >Geheimnis< so gut bewahrt geblieben, wie es eine offen eingesetzte amtliche Bundeszentralpolizeibehörde bei der Bundesversammlung nie hätte gewährleisten können. Das belegen allein unsere Kenntnisse im Zusammenhang mit den früheren Bundesbehörden in Mainz und Frankfurt. 10. Polizeivereins-Umfeld: Der »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands« 1855-1861 Ein »seltenes Buch aus der deutschen Polizeiliteratur des 19. Jahrhunderts« wurde die krude Kompilation unter dem Titel »Anzeiger für die politische Polizei Deutschlands« genannt, der beanspruchte, ein Gesamtverzeichnis aller politisch Verdächtigen der Revolutionsära zu bieten. 152 Viele mit ihm zusammenhängende Fragen sind wenig oder gar nicht aufgeklärt, so die näheren Entstehungsumstände, die Stellung der deutschen Polizeibehörden zu diesem Werk, insbesondere der hauptbetroffenen sächsischen Regierung, das weitreichende Echo in der deutschen liberalen Presse von Berlin bis Wien, seine politische Bedeutung in der Gipfelphase der Reaktionsepoche und seine Stellung innerhalb der Geschichte der deutschen >politischen Polizeischwarze< Buch nannte 150 151
152
Bernuth »vertraulich« 4. 11. 1862 an Häpe, StA Dresden Mdl Nr. 45, Bl. 48f. Häpe 17. 1. 1863 an Verheyen, ebd., Bl. 50f.; Verheyens Antwort 24. 1. 1863 an Häpe ebd., Bl. 56. [Hans] St.[ein]: Ein seltenes Buch aus der deutschen Polizeiliteratur des 19. Jahrhunderts. In: Bulletin of the International Institute for Social History Bd. 1 (1937) Heft 2, S. 95-97; zum vollständigen Titel des »Anzeigers« vgl. oben, S. 1 Anm. 2.
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in Analogie zu der früheren vergleichbaren Inkulpatenliste der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde, 153 aber auch eingedenk geheimpolizeilicher Praktiken, die sich an Institutionen knüpften wie >schwarze Kabinette< (zur Brieferbrechung) oder >schwarze Kommissionen (wie die Mainzer und Frankfurter). Die Initiative zu dem Buch lag bei dem aus Kaisheim stammenden Offizianten am bayerischen Stadtkommissariat Nürnberg Friedrich Rang. Sein Interesse für Verfolgtenlisten reichte bis in die Jahre vor 1850 zurück, als er bereits Material für Eberhardts »Allgemeinen Polizei-Anzeiger« lieferte. Seit dem 2. 3.1851 fand er eine gesicherte Existenz im bayerischen Staatsdienst und erfuhr so eine »freundlichere Wendung meines bisher so überaus trüb gewesenen Schicksals«.154 Hier wie auch in anderen Fällen - etwa bei dem Gießener Polizeirath Lorenz Nover entschlossen sich untergeordnete Polizeibeamte zur Niederschrift solcher Polizeiliteratur aus schlichten persönlichen Geldinteressen, wobei berufliche Ambitionen auf eine Karriere diese Tätigkeit noch antrieben. Nun bot Rang Eberhardt erneut seine Mitarbeit an und schickte zugleich zwei »Lebensbeschreibungen von Verbrechern an die Redaktion«. Unverzüglich erbat Eberhardt daraufhin Mitteilungen über das »gefahrdrohende Treiben der Revolutionspartei«, insbesondere über deren nach allen Seiten gerade jetzt ausgeschickte Emissäre.155 Die Korrespondenz hielt in der Folgezeit an.156 Rang konnte entsprechendes Material liefern, weil ihm in seiner Stellung »amtliche Quellen im Ressort der politischen Polizei« zugänglich waren. 157 Indessen wurde er bereits am 9. 8.1853 »wegen mehrerer dienstlicher Übertretungen« aus dem Staatsdienst entlassen.158 1854 hatte Rang die verfassungsmäßig vorgeschriebene Bewilligung einzuholen versucht, amtliche Notizen zur »Herausgabe eines politischen Polizei-Anzeigers« zu benutzen; das bayerische Innenministerium unter Reigersberg lehnte ein solches Gesuch ebenso ab wie den Wunsch, das Manuskript an andere deutsche Regierungen zu verschicken.159 Rang versprach sich hiervon mögliche Bestellungen, die seine finanzielle Lage hätten bessern sollen. Nach diesem Mißerfolg verkaufte er schließlich Anfang 1855 das Manuskript, das sich inzwischen als »ein Namens-Verzeichniß aller deutschen Umsturz-Männer mit beigefügten Charakteristiken« darbot, an den Dresdner Polizeirat Hermann Müller. 160 153 154
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Vgl. oben, S. 98. Rang 6. 4. 1851 an Eberhardt, StA Dresden Mdl Nr. 22, Bl. 15f.; aus dem Brief geht auch hervor, daß Rang zuvor bis zum 26.1.1850 noch mit Eberhardt korrespondiert hatte, der sich zu dieser Zeit in Coburg befand. Randvermerk Eberhardts, ebd. Ersichtlich aus der Registrande von Eberhardts Abteilung II E, StA Dresden Mdl Nr. 18446. Pfordten 5. 3. 1855 an den bayer. Ministerresidenten Frhrn. von Gise in Dresden, BayHStA München Bayer. Gesandtschaft Dresden Nr. 1783. Bayer. Staatsminister Frhr. von Schrenck 29. 12. 1861 an Ministerresident Bose, StA Dresden Mdl Nr. 11217, Bl. 74-76, die Begründung zur Entlassung Rangs im Schreiben Dürings 21. 3.1856 an Koerner, ebd., Mdl Nr. 43, Bl. 43f. Wie Anm. 157. 160 Wie Anm. 157.
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Damit fiel die Vorarbeit an keinen Unberufenen, denn Müller hatte nach dem Tode Eberhardts (5. 12. 1852) die Redaktion des »Allgemeinen Polizei-Anzeigers« übernommen; sie gehörte zum Aufgabenbereich der auf politische Polizeisachen spezialisierten Abteilung II Ε im sächsischen Innenministerium, die Koerner unterstand. 161 Müllers Geschäftskreis erlaubte ihm, das Manuskript noch zu ergänzen; diese Arbeit konnte aber nicht sehr aufwendig ausgefallen sein, denn im April war das Werk bereits zu Zweidritteln gedruckt. Das erwies sich anläßlich einer Anfrage der bayerischen Regierung. Bei Versuchen Rangs, wieder in den Staatsdienst zu kommen, hatte das bayerische Innenministerium von dem bevorstehenden Druck des Werks erfahren und Ministerpräsident Pfordten unterrichtet. Dieser befürchtete Veruntreuung amtlichen Materials und hielt die Angelegenheit mit Blick auf die mögliche Wirkung in der Öffentlichkeit für so brisant, daß er auf diplomatischem Weg bei der sächsischen Regierung erbat, ihm Einsicht in Rangs Manuskript zu ermöglichen; dabei warnte er ausdrücklich, eine Publikation sei »nicht im Interesse der deutschen Regierungen«. 162 Da Müller nur noch über Reste des Rangmanuskripts verfügte, ließ der sächsische Ministerpräsident Beust die fertigen Druckbogen von den erwähnten Zweidritteln Ende April an Pfordten senden und erklärte noch beruhigend, es sei an keine Publikation, sondern nur an eine Verbreitung im amtsinternen Bereich gedacht. 163 Am 10. 9.1855 konnte Müller >sein< Buch dem Innenministerium einreichen. Er bezeichnete es als von ihm bearbeitet; der Polizeibeamte solle dadurch bei der Ausübung der Sicherheitspolizei »die Feinde der Ruhe, Sicherheit und Ordnung« kennenlernen. Er wollte es vom Buchhandel ausgeschlossen wissen und wünschte Bestellungen für die sächsischen Polizeibehörden. 164 Der Polizeirat beabsichtigte mit seiner Schrift: Die Fertigung einer möglichst vollständigen Zusammenstellung a l l e r Individuen, welche auf i r g e n d e i n e W e i s e in der Zeit von dem 1. Januar 1848 bis jetzt als Feinde der Regierungen, der Ruhe und Ordnung, wie als Träger der Ideen und Leidenschaften der Revolution sich auszeichneten, an die Spitze desfallsiger Bewegungen sich stellten, mehr als Masseinteresse an den politischen Ereignissen jener Tage nahmen und diese Antheilnahme in äußere Erscheinungen der Opposition übertreten ließen, oder endlich von den Behörden wegen der Verbrechen des Hoch- und Landesverrats, des Staats- und Kriegsverraths, des Aufruhrs, Aufstandes, der Revolution, des Tumultes, des politischen Mordes, Raubs und der Plünderung, des Brechens des Rechts- und Landfriedens im Staate, der Majestätsbeleidigung und sonstiger Verbrechen politischen Charakters verfolgt wurden.165
Nirgends ist - im Rahmen der hier geführten Untersuchungen - in Staatsakten oder Polizeiliteratur eine derart kasuistische und scheinbar erschöpfende definie161
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Vgl. oben, S. 255, unten, S. 416f. Müllers Funktion geht hervor aus dem Schreiben Koerners 9. 4.1853, StA Dresden Mdl Nr. 306, Bl. 9. Wie Anm. 157. Beust 29. 4. 1855 an Gise, Dresden, BayHStA München Bayer. Gesandtschaft Dresden Nr. 1783. Müller 10. 9. 1855 an das Innenministerium, StA Dresden Mdl Nr. 11217, Bl. 24. Anzeiger, S. VII.
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rende Aufzählung vorzufinden gewesen, die die Tatbestände festlegte, nach denen ein Untertan/Staatsbürger zum Gegenstand der politischen Polizei werden konnte. Die darin enthaltene Allkompetenz und beanspruchte Allgewalt der Polizei in politischen Angelegenheiten erklären, abgesehen von der konkreten Namenansammlung, die - noch zu berücksichtigende - außerordentliche Wirkung dieses Werks in der Öffentlichkeit. Hinzu kam noch die dreifache Klassifikation der - wie das Register ausweist 6163 Betroffenen entsprechend der Gliederung der Schrift in drei >Abteilungen: Abteilung I (S. 1-100) bot einen Extrakt aus zwölf Bänden von Eberhardts »Allgemeinem Polizei-Anzeiger« samt Beilagen, der sich »vorzugsweise auf steckbriefliche Verfolgung politischer Verbrecher« beschränkte. 166 Abteilung II (S. 101-324) ging darüber hinaus; sie stellte vermutlich im Kern das Rangsche Manuskript dar167 und enthielt die Individuen, die zwar nicht als politische Verbrechen zu brandmarken seien, jedoch »die Hauptrollen in dem großen Revolutionsdrama unserer Zeit übernommen haben, theilweise hinter den Coulissen stehen und das Volk an ihren Dräthen und zu ihrem Nutzen beliebig drehen und wenden«; der Herausgeber wertete sie als »die einer strengeren Ueberwachung Bedürfenden, großentheils gefährliche(n) Subjekte«. Abteilung III (S. 325-340) erfaßt schließlich die »politisch nur bedenklichen Individuen«, die »zu klug, offen gegen die Gesetze sich aufzulehnen«, seien, jedoch gewissenlos genug, arme Arbeiter zu verführen; auf diese Personen glaubte Müller »nur aufmerksam machen zu müssen« und gedachte in diesem Teil besonders der sogenannten >GothanerUmsturzmänner< mit beigefügten Charakteristiken« vor, das »wohl nicht« für die Öffentlichkeit bestimmt sei und über 30 Druckbogen umfasse (tatsächlich machte der Umfang nachher 26 Bogen aus); auch auf das Problematische wurden die Leser bereits hingewiesen: Wie weit der Begriff eines Umsturzmannes darin ausgedehnt ist, ergibt sich daraus, daß als solche u. a. auch Uhland (dem der preußische Orden pour le merite angeboten worden!) und Unruh aufgeführt sind.168
Danach tat sich zunächst weiter nichts. Nach Erscheinen des Werks gelang dann der »Deutschen Reichs-Zeitung« in Braunschweig mit einem Korrespondenzartikel »Von der Elbe, 13. Januar« der entscheidende Vorstoß an die Öffentlichkeit; das Blatt ließ das kleine Herzogtum einmal mehr als Vorposten liberaler Pressefreiheit während der Reaktionszeit erscheinen ungeachtet dessen, daß unter massivem Druck des Polizeivereins aus dem Hintergrund die oppositionellen »Blätter der Zeit« ihr Erscheinen im Jahre zuvor hatten einstellen müssen. 169 Bereits am 18. 1. 1856 tauchte der Artikel ohne jeden Kommentar im Wortlaut in der Berliner »Vossischen Zeitung« auf und gelangte so auf den Tisch des Referenten für politische Polizei im Berliner Präsidialbüro des Polizeipräsidiums.170 Der Beitrag nannte den genauen Titel, vermutete einen höheren sächsischen Regierungsbeamten als Verfasser, zitierte aus dem Vorwort, stellte den Aufbau nach drei Abteilungen und Verdächtigungskategorien vor und nannte dann eine Auswahl verdächtigter Personen mit Zitatbeispielen für einzelne Vorwürfe. Die Art der Präsentation ließ zweifelsfrei erkennen, daß dem Korrespon168
169
170
»Allgemeine Zeitung« Nr. 36 vom 5. 2.1855, S. 565. - Uhland erschien später auf S. 115, Unruh auf S. 162 u. 171. Vgl. das Abschiedswort der »Blätter der Zeit«: »An die Leser« vom 25. 3.1855 in Siemann: >PolizeivereinDas schwarze BuchSchwarzen Buches< eingewoben, den Anteil der sächsischen Regierung stark herausgestrichen und sich dabei auf vier Briefe des Polizeirats Müller bezogen. Der Ausschußreferent Freiherr von Redwitz empfand es als eine Sensation, daß plötzlich durch die Enthüllungen Rangs sich nun der bisher in der Öffentlichkeit immer noch unbekannte Urheber des »Anzeigers« namhaft machen ließ; es erschien ihm zugleich als ein Politikum, daß nun zweifelsfrei beweisbar war, wie entschieden die bayerische Regierung von Anfang an alles getan hatte, zunächst Entstehung, dann Verbreitung des anrüchigen Buches zu verhindern. Deshalb entschloß sich Redwitz, in der öffentlichen Sitzung der Abgeordnetenkammer vom 29. 10.1861 über die Rangsche Beschwerde eine Anzeige zu machen. 200 Bereits am nächsten Tag - den 30.10.1861 - berichtete die »Süddeutsche Zeitung« über Redwitz' Vortrag und erwähnte unter anderem einen Brief Müllers, den dieser am 20. 8.1854 an Rang geschrieben hatte. Der Artikel erregte großes Aufsehen und führte nach dem bereits dargestellten Schneeballsystem zu heftigen Angriffen der Tagespresse auf die sächsische Regierung, da nunmehr auch Müller als sächsischer Polizeirat und eigentlicher Herausgeber identifiziert war. Auf diplomatischem Wege versuchte die sächsische Regierung - freilich erfolglos - , an die sie belastenden Originalbriefe heranzukommen. 201 Der Hergang wurde vollends publik, als die Augsburger »Allgemeine Zeitung« am 31.10. und 1. 11. 1861 Redwitz' Ausschußbericht im Wortlaut druckte. 202 198 199
200
201 202
Vgl. J. K. Mayr in seiner Einleitung in Kempen: Tagebuch, S. 46 (vgl. oben, S. 30). Der bayer. Staatsminister Schrenck 29.12. 1861 an Bose, Dresden, StA Dresden Mdl Nr. 11217, Bl. 74-76. Gedr. in: Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayer. Landtages in den Jahren 1859/61. Stenogr. Berichte. IV. Band. Sitzung vom 29. 10. 1861, S. 143-148. Beust 11.12. 1861 an Bose, StA Dresden Mdl Nr. 11217, Bl. 71f. »Allgemeine Zeitung« Nr. 304 vom 31.10.1861, S. 4950f. u. Nr. 305 vom 1. 11. 1861, S. 4965f.
291
D i e erneute Diskussion um das >Schwarze Buch< und die damit verbundene Auseinandersetzung um die politische Polizei, die allenthalben im Deutschen Bund ins Kreuzfeuer geraten war, entwickelte sich in der Presse so effektvoll, daß sich die sächsische Regierung zu einem ungewöhnlichen Schritt genötigt sah: Im »Dresdner Journal« vom 13.11.1861 veröffentlichte der Ministerpräsident im amtlichen Teil des Blatts eine hochoffizielle, von seinem Abteilungsdirektor im Innenministerium eigenhändig konzipierte »Berichtigung«, die im Anschluß daran auf Drängen der sächsischen Regierung in zwölf weiteren deutschen Blättern ü b e r n o m m e n wurde. 2 0 3 Damit war zugleich indirekt für die gesamte deutsche überregionale Presse die politische Polizei als Instrument und Macht im Hintergrund der vorausgegangenen Ä r a in Erinnerung gebracht, wenn nicht teilweise erst ins Bewußtsein gehoben. Beust erklärte im einzelnen, alle auf das Innenministerium und auf Koerner bezogenen referierten Tatsachen seien »ohne Ausnahme erdichtet und unwahr«; Rang h a b e das Manuskript zu dem Buch nicht an Koerner geschickt, mit diesem auch nicht korrespondiert; Koerner sei nicht Vorstand der Dresdner Stadtpolizei gewesen, habe das Manuskript weder angekauft noch ankaufen lassen (auf den Polizeirat Müller traf dies alles zu), Koerner habe Müller nicht »zur Vervollständigung oder sonstigen Bearbeitung und Herausgabe des Rang'schen Manuskripts beauftragt«, das Ministerium habe die Herausgabe nicht genehmigt, auch keine Berichtigungen nachtragen lassen, Koerner habe bei Herausgabe und Veröffentlichung des Werks, überhaupt in Bezug auf dessen Erscheinen »in keiner Weise mitgewirkt«. Müller habe Koerner mitgeteilt, daß er als damaliger Redakteur des »Allgemeinen Polizei-Anzeigers« von einem auswärtigen Beamten ein Verzeichnis der im Jahre 1848/49 beteiligten Personen erhalten habe und es genauer bearbeiten und auf eigene Rechnung herausgeben wolle. Koerner habe demgegenüber geraten, von dem ganzen Unternehmen abzusehen, weil es ihm bei der, nach seiner Angabe, beabsichtigten Ausdehnung des Werkes, gar nicht möglich sein würde, über die betreffenden Personen aus den verschiedenen Ländern sichere und actenmäßige Nachrichten zu erlangen.204 203
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Das waren im einzelnen: »Frankfurter Journal«, Berliner »National-Zeitung«, »Chemnitzer Tagesblatt und Anzeiger«, »Berliner Zeitung«, »Neue Hannoversche Zeitung«, »Württembergischer Staatsanzeiger«, »Weser-Zeitung«, »Neue Preußische Zeitung«, »Sächsischer Postilion«, »Wiener Zeitung«, Nürnberger »Korrespondent«, Augsburger »Allgemeine Zeitung«; es ist zu beachten, daß Beust zur Vermittlung die allgemeinen und rayoninternen Polizeivereins-Beziehungen benutzte; er schrieb an die Polizeivereinsmitglieder Hiersch/Wien, Majer/Stuttgart, Burger/Karlsruhe, Geh. Reg. R. von Winter/Berlin (= interimist. Polizeipräs.), Pfeufer/München sowie an die Mitglieder seines >Rayons< (vgl. unten, S. 426) Pol. Rat Dr. Beer/Frankfurt a. M., Senator Gröning/Bremen, Pol. Dir. Roessler/Wiesbaden, Pol. Rat. Nover/Gießen, Provinzialdir. Kreisrat Frhr. von Willich/Darmstadt, Pol. Hauptmann Nötzli/Zürich; StA Dresden Mdl Nr. 43, Bl. 87-89, die genannten Zeitungen ebd., Bl. 98. »Dresdner Journal« Nr. 265 vom 13. 11.1861, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 94 Nr. 8549, Bl. 28, das eigenhändige Konzept Koerners dazu mit der Überschrift »Berichtigung« vom 12. 11.1861 in StA Dresden Mdl Nr. 11217, Bl. 68f.
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Erkennbar versuchte sich die sächsische Regierung vollkommen vom Ursprung des Werks zu distanzieren, das zunächst tatsächlich auf einer Privatinitiative beruhte. Der angebliche Rat Koerners, von dem Unternehmen abzusehen, paßt indessen keineswegs zu der anfänglich positiven Einschätzung Beusts und Koerners, auch nicht zu der dann folgenden Verteilung an die Landesbehörden und an sächsische Gesandtschaften, wodurch das Werk zu einem amtlichen Gebrauchsgegenstand aufgewertet wurde. Schließlich plädierte man dafür 1856 im »Dresdner Journal« (seit 1. 4.1850 im Staatsbesitz und unter Leitung eines Regierungskommissars, der seit 1853 Hugo Häpe hieß!), das hieß in aller Öffentlichkeit. Koerner hatte den »Anzeiger« überdies mehrfach im Wochenberichtsverkehr gegenüber den Polizeivereinsmitgliedern als »sehr nützliches Hilfsmittel für Polizeibeamte« und als »Polizeihandbuch« verteidigt. Bezeichnenderweise hielt Beust diese Aktivitäten, vor allem die amtliche Verbreitung und Empfehlung des Werkes, in seinem Dementi von 1861 verborgen. Darin war ihm jedoch kein Erfolg beschieden. Zwar druckte die Augsburger »Allgemeine Zeitung« bereits am 15.11.1861 das Dementi; 205 hingegen gelang es, die sächsische Regierung als völlig unglaubwürdig bloßzustellen: Zunächst der Nürnberger »Korrespondent«, dann die »Allgemeine Zeitung« druckten den vollen Wortlaut aus Koerners »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« vom Februar 1856, in denen er wärmstens Müllers »Anzeiger« empfahl. Hinter dieser Indiskretion konnte kein anderer als A. Vandermeulen alias Arthur Müller stecken. 206 Insgesamt dokumentierte die gesamte Diskussion um das >Schwarze Buch< die grundlegende Problematik, bei fehlender geheimpolizeilicher Zentralorganisation in Gestalt eines kontinuierlich arbeitenden >Sicherheitsbüros< eine Totalübersicht politisch Verdächtiger anzulegen; wer dazu zu rechnen sei, bereitete zusätzliche Schwierigkeiten. Aus der ursprünglich wohlwollenden Haltung der Regierungen mit Ausnahme Bayerns - ging hervor, daß sie prinzipiell ein solches Buch als Werkzeug der politischen Gesinnungskontrolle und Verfolgung für notwendig hielten, zumindest für wünschenswert. Für die Öffentlichkeit rief die ganze Affäre Einschüchterung hervor; sie verunsicherte jeden, der bestrebt war, sich politisch zu betätigen, und trug dazu bei, den 1850/51 massiv abgebrochenen Prozeß politischer Parteibildung weiter zu verzögern.
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»Allgemeine Zeitung« Nr. 319 vom 15.11.1861, S. 5194. Gedr. in »Allgemeine Zeitung« Nr. 344 vom 10.12.1861, S. 5612. Der Nürnberger »Korrespondent« und die »Allgemeine Zeitung« druckten den Wortlaut der Koernerschen Empfehlung nicht nach dem Dresdner Polizeivereins-Wochenbericht vom 4. 2.1856 (vgl. oben, Anm. 193), sondern aus den rayoninternen »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« vom 9. 2.1856; von diesen hatte Müller Exemplare in seinen Besitz bringen können (vgl. oben, S. 277); daß aus diesen zitiert wurde, spricht ebenso für ihn als Urheber wie seine genauen Kenntnisse der publizistischen Vorgänge um das >Schwarze Buch< seit Ende 1861, ausgebreitet in Vandermeulen: Enthüllungen, bes. 5. 3-6 u. 11—13 mit ausdrücklichem Bezug auf die Veröffentlichung im Nürnberger »Korrespondent« und auf die nachfolgenden Dementis im »Dresdner Journal«.
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11. Krise und bekräftigter Zusammenhalt im Polizeiverein 1856-1858 Bereits in den ersten Jahren seines Bestehens hatte es Vorschläge gegeben, Konferenzen des Polizeivereins ausfallen zu lassen. Das war jedoch stets - wie Wermuth sich erinnerte - »besonders durch die Leitung und Energie des Herrn von Hinckeldey« verhindert worden. 207 Das Ausfallen einer Konferenz galt als beginnender Zerfall der ganzen Einrichtung. Hinckeldeys Nachfolger Polizeipräsident Zedlitz war gerade einige Tage im Amt, als der Chef der Wiener Obersten Polizeibehörde Kempen nach Berlin schrieb, die bisher regelmäßig abgehaltenen Konferenzen beabsichtige er von nun an einzustellen, dieselben durch einen gesteigerten schriftlichen Verkehr zu ersetzen, und nur in Fällen eines besonderen Erfordernisses außerordentliche, persönliche Zusammenkünfte aller, oder, nach Umständen, einzelner Mitglieder des polizeilichen Vereins zu veranstalten. 208
Wien war als Konferenzort für 1856 vereinbart gewesen. Kempen begründete seinen Vorschlag mit der Abwesenheit Bayerns, Württembergs und Badens auf der letzten Zusammenkunft in Dresden 1855. Das Vorgehen des österreichischen Polizeichefs löste geradezu eine Hektik unter den übrigen Polizeivereins-Mitgliedern aus, vor allem bei der Trias Preußen - Hannover - Sachsen, die seit 1851 gewissermaßen das Gravitationszentrum aller seiner Aktivitäten darstellte. Der Vorstoß wurde von allen als Versuch erkannt, das bestehende System aufzukündigen, und veranlaßte alle übrigen sechs Beteiligten zu grundsätzlichen Erklärungen, was der Verein in den zurückliegenden Jahren in ihren Augen geleistet habe und welche Bedeutung ihm gegenwärtig noch zukomme. Wermuth machte den Vorreiter, indem er erklärte, man habe »seit 1848 von den, durch ganz Deutschland zusammenhängenden Feinden der staatlichen Sicherheit und Ordnung viel gelernt«, 209 und eine separate Vorverständigung zwischen Berlin, Hannover und Dresden unter Ausschluß der süddeutschen Staaten vorschlug. So geschah es: Am 21. 4 . 1 8 5 6 trafen sich Zedlitz, Wermuth und Koerner unter dem Schirm größter Geheimhaltung im Bahnhofsrestaurant zu Kothen. 2 1 0 Hier vereinbarte man, wie es Zedlitz zuvor vorgeschlagen hatte, die Konferenz mindestens zwischen Hannover, Dresden und Berlin »als den Gründern« fortzusetzen und die ferner interessierten übrigen Mitglieder weiterhin zuzuziehen. 211 Als Ausweichort für die nächste Konferenz befürworteten die drei Eisenach.
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Wermuth »sehr vertraulich« 14. 4. 1856 an Zedlitz, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 138. Kempen 8. 4. 1856 an Zedlitz (zugleich in Parallelnoten an die übrigen Mitglieder), StA Potsdam (wie Anm. 207), Bl. 188f. Wie Anm. 207. Telegraph. Depesche Koerners 20. 4 . 1 8 5 6 an Zedlitz, StA Potsdam (wie Anm. 207), Bl. 151. Zedlitz »citissime« 16. 4 . 1 8 5 6 an Wermuth, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 139f.
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Zedlitz sah voraus, daß ohne die persönlichen Zusammenkünfte »auch die wochenberichtlichen Mittheilungen nach und nach eingehen« würden, denn der (ressortmäßig eigentlich unzulässige) »direkte schriftliche Verkehr« sei von den Regierungen nur aufgrund der persönlichen Stellung der Mitglieder zueinander zugelassen. Ohne direkten persönlichen und schriftlichen Verkehr aber würde der Austausch »sich mehr und mehr in die weiten Umwege der frühern Correspondenz durch die auswärtigen Ministerien einlenken«. 212 Statt gemeinsamem Handeln ergäbe sich lähmender, nachteiliger Partikularismus. Wermuth brachte - wie stets - auch mahnende historische Erfahrungen bei, indem er erinnerte, man würde denselben Fehler begehen wie »nach den bekannten Ereignissen von 1830/31 und von 1840«, als man nach anfänglich verstärkter Aufmerksamkeit sich bald in Sicherheit wähnte und in den Anstrengungen nachließ, »da man auf der Oberfläche nichts sah«.213 Damit charakterisierte er zugleich als politisch-polizeiliche Hauptaufgaben Prävention und Wachsamkeit auf geheime regierungsfeindliche Vorgänge. Zugleich wies der hannoversche Generalpolizeidirektor auf die für Österreich nicht ohne weiteres erkennbaren Folgen einer Lähmung des Polizeivereins für dessen Binnenorganisation innerhalb der >RayonsUmsturzpartei< habe nur »durch ihre Bestrebungen nach einem gemeinsamen
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Ebd. Wermuth 17. 4. 1856 (abgesandt 20. 4., also noch vor der Köthener Geheimkonferenz) an Kempen, ebd., Bl. 154f. Wie Anm. 213. . Koerner 14. 4.1856 an Kempen, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 143f.; vgl. die - diesem Buch als Motto vorangestellte - programmatische Erklärung Koerners aus diesem Schreiben.
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Plane bedeutende Erfolge erzielt«.216 In gleichem Geiste äußerten sich der bayerische Vertreter Düring und der Württemberger Majer. 217 Nachdem Kempen den ungeteilten Protest der übrigen Konferenzmitglieder erfahren hatte und sah, daß der Polizeiverein ohne Österreich weiterbestehen würde, machte er einen Rückzieher und erklärte sogar seine Bereitschaft, den Polizeirat bei der Obersten Polizeibehörde Jakob Zulehner als Delegierten nach Eisenach zu entsenden. 218 Das Polizeivereinssystem hatte somit im Jahre 1856 seine Kohärenz bewiesen; das bedeutete: Die innerstaatliche gesamtdeutsche Reaktionspolitik dauerte fort, ja mehr noch: Die übrigen sechs Konferenzteilnehmer, voran Preußen, Sachsen und Hannover, hatten eine selbständige politisch-polizeiliche Diplomatie entfaltet, die in Preußen gegenüber der Kompetenz des Außenministeriums eine Eigendynamik entwickelt hatte. Denn entgegen einer Anregung von Zedlitz waren Innenminister Westphalen und Ministerpräsident Manteuffel eines Sinnes, keinen Vorstoß über die preußische Gesandtschaft in Wien zu unternehmen, um Österreich zur weiteren Teilnahme an den Polizeikonferenzen zu bewegen. Sie untersagten dem Berliner Polizeipräsidenten alle weiteren Handlungen in dieser Richtung und bestanden auf einer Konferenz ohne Österreich. 219 Die außenpolitisch bedingte, aus dem Krimkrieg erwachsene Spannung zwischen den beiden deutschen Großmächten zeigte Spuren. Indessen war die - auch von Zedlitz energisch betriebene - Polizei-Diplomatie in Richtung Wien schon viel zu weit gediehen, um dieser Forderung noch gerecht werden zu können. Auf der nun stattfindenden Polizeikonferenz zu Eisenach nahmen die Teilnehmer in Anwesenheit des österreichischen Delegierten zu Protokoll, wieviel Bedeutung sie gerade dem persönlichen Verkehr beimaßen, denn stets sammle sich Material an, das »wohl vertraulich zu besprechen, nicht aber schriftlich mitzutheilen« geeignet sei.220 Hier entwickelte sich die politische Polizei vorübergehend der Tendenz nach zu einem Arkanum, das sich institutioneller Kontrolle zu entziehen bestrebt war. Die Eisenacher Konferenz bestimmte für die Zukunft jährliche Periodizität und beschloß zudem: 4. In dem regelmäßigen Fortbestande der Conferenz liege ein moralisches Gegengewicht gegen die Bestrebungen der regierungsfeindlichen Parteien, welche hierdurch inne werden, daß eine beständige Aufmerksamkeit auf sie gerichtet sei, und daß, wie sie selbst, so auch ihre Gegner, die Behörden, über die Gränzen der Einzelstaaten hinaus einig seien. 221
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Fieser 25. 4.1856 an Kempen, GLA Karlsruhe Abt. 236/8733. Düring 22. 4.1856 an Kempen, ebd.; Majer 22. 4.1856 an Kempen, StA Potsdam, ebd., Bl. 164. Kempen 6. 6.1856 an Zedlitz, StA Potsdam, ebd., Bl. 222. Westphalen 13. 5.1856 an Zedlitz, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, B1.200 (in dem Schreiben berichtet der Innenminister von seiner Verständigung mit Manteuffel, den diplomatischen Weg nicht zu wählen). Protokoll der Polizeikonferenz Eisenach 30. 6.-1. 7.1856, GLA Karlsruhe Abt. 236/8733. Ebd.
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Damit hatte die Konferenz sich selbst quasi verfassungsgebend betätigt. Der Tagungsort des darauffolgenden Jahres 1857 hieß Wien! Zu welcher koordinierten politisch-polizeilichen Anstrengung der Polizeiverein weiterhin imstande war, bewiesen seine Bestandsaufnahmen zur Lage der »regierungsfeindlichen Parteien« in Deutschland. Das geschah auf Anregung Bayerns als Präventivmaßnahme im Anschluß an das Attentat auf den französischen Kaiser Napoleon III. am 14.1. 1858.222 Man befürchtete den Ausbruch einer Revolution in Paris und wollte anders als im Februar/März 1848 auf ein mögliches Übergreifen nach Deutschland gewappnet sein. Hier betätigte sich der Polizeiverein ganz im Sinne seiner ursprünglichen Bestimmung der präventiven Revolutionsabwehr.
12. Auflösungserscheinungen, Funktionswandel und Ende des Polizeivereins 1859-1866 Die zweite ernstere Krise erlebte der Polizeiverein in den Jahren 1860/61. Anders als 1856 trug sie diesmal allerdings zu einem Funktionswandel dieser Einrichtung bei und veränderte damit zugleich die Einflußmöglichkeiten der bisher in Deutschland tätigen politischen Polizei. Dieser Wandel hing unmittelbar mit der >Neuen Ära< in Preußen zusammen, so daß deren Auswirkungen auf die innerpreußische politische Polizei wegen deren bundesweiter Ausstrahlung an dieser Stelle berücksichtigt werden müssen. Im Herbst 1857 beauftragte Friedrich Wilhelm IV., dessen Krankheit ihn zunehmend unfähiger zur Herrschaft werden ließ, den Prinzen Wilhelm mit seiner Stellvertretung. Durch einen Erlaß vom 23.10.1857 waren diesem indessen noch die Hände gebunden: Er mußte die Regierung nach den bisherigen Intentionen weiterführen und konnte das bestehende Ministerium Manteuffel nicht auswechseln.223 Jedoch kündigte sich bereits im folgenden Jahr ein Wechsel des politischen Klimas an, der auch die politische Polizei erfaßte. Erstmals in einer Debatte des preußischen Abgeordnetenhauses wurde der Dispositionsfonds für die höhere Polizei Anlaß eines heftigen Angriffs auf die Einrichtung einer geheimen politischen Polizei überhaupt. In der Sitzung vom 9. 4.1858 klagte der Abgeordnete Friedrich Harkort sarkastisch: Von dem Honig der 80000 Rthlr. leben ferner noch die bezahlten Zeitschriften und Ueberwachungs-Redacteure, und dann jene Sorte von Literaten, die Justus Moser Löwenlecker und Loblügner nennt. Dazu tritt noch das Gefolge der Polizei-Spione. 224
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Die zentralen Dokumente zu diesem Komplex sind gedr. bei Siemann: >PolizeivereinNeuen ÄraNeuen Ära< in Preußen war diese monolithische Front gegenüber dem politischen Vereinswesen aufgebrochen worden. Der Prinzregent Wilhelm war am 8.11. 1858 mit einer Ansprache an das Kabinett getreten, die den berühmten Satz enthielt: »In Deutschland muß Preußen moralische Eroberungen machen«.235 Aus ähnlicher Überzeugung hatte Friedrich Wilhelm IV. mit Berufung auf die »Ehre Deutschlands« die Aufhebung der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde betrieben und zunächst gleichermaßen einen politischen Kurswechsel einleiten wollen.236 Der Anspruch bedeutete beidemal, in der politischen Öffentlichkeit um Anerkennung und Gefolgschaft zu werben. Koerner bezeichnete diese preußische Politik von der Gegenposition her als »Haschen nach Popularität«. 237 Der Nationalverein, der sich anfangs hauptsächlich in den thüringischen Staaten, in Preußen, Kurhessen, Nassau, Frankfurt und Umgebung und in den anderen Freien Städten betätigte, wurde von vielen Regierungen stillschweigend toleriert. Die Diskussion auf der Stuttgarter Polizeikonferenz brachte deshalb Vorhaltungen zutage, 238 die bisher in diesem Kreis nie ausgesprochen worden waren, und erzeugte Vorbehalte, denen man früher kein Gewicht beilegte: Koerner und Wermuth stellten fest, daß Preußen, Österreich und Bayern das Bundesvereinsgesetz von 1854 noch nicht publiziert und damit rechtswirksam hatten werden lassen (deren einzelstaatliches Vereinsrecht war allerdings nicht weniger rigoros). Ein Antrag, die betreffenden Regierungen über die Polizeivereinskommissare anzuregen, das Versäumte nachzuholen, wurde von Zedlitz instruktionsgemäß abgeblockt: Fragen der Gesetzgebung gehörten nicht zur Kompetenz der Polizeikonferenz - in früheren Jahren waren derartige Initiativen ohne Zögern allseits akzeptiert worden. Als Argument, nicht gegen den Nationalverein vorzugehen, wurden vorgebracht: - es liege keine Veranlassung vor, den Verein zum Märtyrer zu machen und ihm dadurch Sympathien zu verschaffen, zumal er noch wenig Wurzel gefaßt habe (Berlin); - es sei noch nicht an der Zeit (Stuttgart und Karlsruhe). Der prinzipielle Wandel im Vergleich zur Praxis der Regierungen gegenüber dem politischen Vereinswesen seit 1819 bekundete sich in drei Einstellungen: 1. Rücksicht auf mögliche Unpopularität eigener Maßnahmen; nach Wermuths Worten wollten die drei süddeutschen Staaten »sich nicht ohne Noth Odium und Opposition zuziehen«;239 235 236 237 238 239
Vgl. ebd., S. 33; Ders.: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 273. Vgl. oben, S. 106. Koerner 31.10.1861 an Wermuth, StA Dresden Mdl Nr. 43, Bl. 81. Wie Anm. 233. Wie Anm. 233.
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2. Tolerierung eines politischen, zwischenstaatlich verzweigten und organisierten Vereinswesens mit einem Zentralorgan an der Spitze; Wermuth und Koerner wiesen auf »die auf solche Weise noch nie da gewesene Organisation über ganz Deutschland« hin; 3. Handeln nach dem Opportunitätsprinzip, wie groß oder gering die Gefahr des politischen Vereinswesens einzuschätzen sei. Wermuth begründete in Stuttgart seinen Antrag auf Maßnahmen gegen den Nationalverein mit dem präventivpolizeilichen, durch die Erfahrungen von 1848 tief geprägten Weltbild eines Mannes, der die Gefahren stets im Verborgenen erwartete und aufzudecken suchte. Nach seiner Sicht organisierten sich Liberale und Demokraten während ruhiger Zeit in allen deutschen Staaten, untergrüben die staatliche Ordnung, diskreditierten die obrigkeitlichen Gewalten, erzeugten unerfüllbare Hoffnungen, bereiteten Unzufriedenheit und »den Boden für eine Bewegung immer mehr«, so daß diese zum richtigen Zeitpunkt gleichzeitig an allen Orten ausbreche, daß allenthalben die gleichen Forderungen gestellt würden, die die unvorbereiteten Regierungen bewilligen müßten. Der Unterschied zu 1848 lag für ihn darin, daß damals »die Organisation nicht so ausgebildet« war und »die Demokratie« noch nicht über die Erfahrungen von 1848 verfügte. Zedlitz' durch Instruktion vorgeschriebene Tolerierung des Nationalvereins und Wermuths Entgegenhaltungen markierten schlaglichtartig die unvereinbaren Gegenpositionen. Wermuths Ausgangspunkt beruhte auf den Grundsätzen repressiver gleichgerichteter Bundesinnenpolitik, Zedlitz Haltung 240 auf der Konferenz stellte in Rechnung, daß die Regierungen, statt >Parteien< zu unterdrücken, selbst >Partei< wurden, indem sie politisch organisierte Bündnispartner in der Bevölkerung suchten, um sich gesellschaftlicher Kräfte zu bedienen und die Wirksamkeit der eigenen Politik zu steigern. Der Nationalverein spielte hierbei die Rolle eines Katalysators, von Preußen gefördert, von Österreich gehemmt. Zedlitz wies in seinem anschließenden Rechenschaftsbericht zur Stuttgarter Konferenz darauf hin, Österreich habe »ein sehr umfassendes Expose überreicht, daß den Zusammenhang der Führer der deutsch-nationalen Bewegungen mit den in England lebenden Leitern der revolutionären Propaganda darzuthun zum Zweck« hatte. 241 In einem größeren historischen Zusammenhang wird man diese Öffnung Preußens und weiterer nachziehender Regierungen auch als Mobilisierungen von gesellschaftlichen Ressourcen zur Konzentrierung staatlicher Macht deuten müssen. So ist Zedlitz befriedigtes Resümee zu verstehen: 240
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Auch Zedlitz neigte aus eigener Überzeugung - wie auch die Praxis der vorausgegangenen Jahre im Bündnis mit Koerner und Wermuth beweist - zur Unterdrückung des Nationalvereins. Er stand dem Prinzregenten vertraulich nahe, und dieser - so erfuhr Wermuth am Rande der Konferenz von Zedlitz - war sehr gegen den Nationalverein eingenommen, sprach von dessen Mitgliedern als »Kerlen, welche am Ende eine Republik wollten«; wie Anm. 233. Zedlitz 11. 8. 1860 an Schwerin, ZStA Merseburg Rep. 77 Tit. 859 Nr. 33, mit Randvermerk zur Kenntnisnahme des Außenministers Schleinitz.
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Im übrigen ging alles ganz glatt und leicht, und ich glaube aus der Art, wie namentlich die Abgeordneten aus den drei obengenannten süddeutschen Staaten sich verhielten, den Schluß ziehen zu dürfen, daß auch auf dem Gebiete, auf dem unsere Besprechungen liegen, man viel geneigter geworden ist, sich an Preußen anzuschließen und seinem Vorgange zu folgen. 242
Hier wurde ein Funktionswandel des Polizeivereins kenntlich: Er diente nicht mehr vordringlich als gemeinsam gehandhabtes Repressionsorgan, sondern als ein Werkzeug einzelstaatlicher Machtausübung neben anderen, um in zwischenstaatlicher Konkurrenz Hegemonieansprüche durchzusetzen. Damit war der politischpolizeiliche Charakter in den Hintergrund getreten, andererseits zugleich bekundet, daß der gemeinsame, den ganzen Bund bedrohende >innere Feind< keine ernsthafte Gefahr mehr darstellte. In diesem Funktionswandel ist auch die Erklärung zu suchen für die merkwürdige Tatsache, daß nach einem Jahr ohne Polizeikonferenz (1861) und einem weitern mit Konferenz ohne Teilnahme Preußens (1862) der Polizeiverein ab 1863 noch einmal unter Beteiligung beider Großmächte wiederbelebt wurde. Den Anstoß gab die fortbestehende politisch-polizeiliche Korrespondenz zwischen Berlin und Dresden und konkret der Wunsch des neuen Berliner Polizeipräsidenten Bernuth, daß ein gemeinschaftliches Zusammenwirken der betreffenden Regierungen erforderlich sei, um den Bestrebungen der polnischen Propaganda mit Erfolg entgegen zu treten.243
Am 22. 1.1863 war in Polen der Aufstand gegen die russische Herrschaft ausgebrochen. Davon war auch Preußen unmittelbar in seinen annektierten polnischen Gebieten betroffen. 244 Koerner benutzte die Anregung, auf den ursprünglichen Zweck des Polizeivereins hinzuweisen und Bernuths Vorhaben »auf die Bekämpfung der Bestrebungen aller revolutionären Partheien in Deutschland anzuwenden«. 245 Bernuth versuchte daraufhin gegenüber dem neuen preußischen Innenminister Friedrich Graf zu Eulenburg den Nachweis, wie notwendig eine Reaktivierung des Polizeivereins in seinem ursprünglichen Sinne sei, nachdem die enge Verbindung »durch die inzwischen eingetretenen Verhältnisse jedoch etwas gelockert war«.246 Eulenburg lehnte mit grundsätzlichen Einwänden ab: - Die Polizeikonferenzen hätten »unter den damaligen Verhältnissen ihren Zweck erfüllt«; - sie hätten sich mit Fragen jenseits ihrer Kompetenz beschäftigt, das waren »tief in die Gesetzgebung und Politik eingreifende Gegenstände«, für die ein Verein von Polizeibeamten nicht als das geeignete »Regierungsorgan« erscheine; 242 243
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Wie Anm. 241. Wiedergabe der Anregung Bernuths in dem Schreiben Koerners 17. 2. 1863 an Bernuth, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12155/1, Bl. 81. Vgl. Ghillany: Europäische Chronik Bd. 2, S. 601; Handb. d. europ. Geschichte Bd. 5, hrsg. v. Walter Bußmann, Stuttgart 1981, S. 734-736. Wie Anm. 243. Bernuth 5.4. 1863 an Eulenburg, StA Potsdam Pr.Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12155/1, Bl. 82f.
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- die Verhandlung der polnischen Frage »in Versammlungen von Polizeibeamten kann für die Stellung der Regierung nach innen und außen nicht als unbedenklich angesehen werden«. 247 Der Innenminister traf den Nerv des ursprünglichen Polizeivereins, zu dessen Merkmalen - im Anspruch - ressortübergreifende Allkompetenz, besonders in der Beschäftigung mit internationalen Fragen, und Eingriffsmöglichkeiten in alle Lebensbereiche gehörten. Die Zurückweisung veranschaulicht zugleich, in welchem Maße die Stellung des Berliner Polizeipräsidenten im Hinblick auf die politische Polizei reduziert worden war, wenn auch seine Korrespondenz nach auswärts noch nicht in Frage gestellt war. Koerner reiste in Kenntnis dieses Sachverhalts Anfang Mai 1863 nach Berlin und erreichte in persönlichem Gespräch, daß Preußen sich wieder an den Polizeikonferenzen beteiligte. 248 Er legte dem Innenminister drei Hauptargumente vor, die geeignet waren, die Einrichtung als das obenbeschriebene Instrument zur Durchsetzung hegemonialer Interessen auf einem speziellen Feld zu benutzen und zugleich von politisch-polizeilichem Zweck zu abstrahieren: 1. Der Polizeiverein sei »auf Antrag Preußens in Folge politischer Agitationen« begründet worden; 2. alle anderen beteiligten Mitgliedstaaten seien noch durch Kommissare vertreten; 3. seit dem Ausscheiden von Zedlitz (nach 1860) sei Preußen nicht mehr vertreten gewesen; früher hätte es auf den Konferenzen das »directorium actorum« gehabt. Diese Gesichtspunkte hatte Koerner dem Innenminister einschließlich der geplanten Tagesordnung nach der Begegnung noch einmal schriftlich bestätigt. 249 Nun stimmte Eulenburg zu, allerdings unter zwei Bedingungen, die bisher nie offen und formell gestellt worden waren: Der Berliner Polizeipräsident sollte den Vorsitz innehaben und die Auswahl der Tagesordnungspunkte bestimmen. 250 In ihrer eigentlichen Domäne - dem politischen Vereinswesen - blieben die Polizeikonferenzen nichtsdestoweniger weiter tätig. Für die Konferenz von 1864 in Karlsruhe regte Bernuth an, neue Erscheinungen auf dem Gebiete des Vereinswesens zu verhandeln. Die heraufziehende Neukonstituierung des politischen Vereinswesens geriet noch in die Reichweite des Polizeivereins, der sich nun mit den Anfängen der Sozialdemokratie zu beschäftigen begann: Am 23. 5.1863 war in Leipzig der »Allgemeine Deutsche Arbeiterverein« gegründet worden. Insgesamt bleibt bemerkenswert, daß ungeachtet zunehmender Konfrontation der beiden Großmächte deren Kommissare ihre gemeinsamen Zusammenkünfte bis in die 20. Konferenz am 22. 3.1866 aufrechterhalten konnten, ja noch darüber 247 248 249 250
Eulenburg 23. 4. 1863 an Bernuth, ebd., Bl. 84. Koerner 14. 5. 1863 an Bernuth, ebd., Bl. 85. Koerner 13. 5. 1863 an Eulenburg, wie Anm. 246, Bl. 86-88. Eulenburg 6. 6. 1863 an Bernuth, wie Anm. 246, Bl. 89.
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hinausgehende Vereinbarungen trafen, das nächste Treffen im Sommer 1866 in Wien abzuhalten. Als dann der Zeitpunkt zur Versendung der Einladungen gekommen war, stellte der österreichische Polizeiminister fest: Unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen kann die Konferenz des Vereins deutscher Polizeichefs, welche im heurigen Sommer in Wien stattfinden sollte, nicht abgehalten werden. Das k. k. Polizeiministerium beabsichtigt hievon den auswärtigen Konferenzmitgliedern - jetzt selbstverständlich mit Ausnahme jenes in Berlin - ehebaldigst die Mitteilung zu machen, gleichzeitig aber dieselben für das nächste Jahr in Wien einladen zu lassen. 251
Das war zweieinhalb Wochen vor der Schlacht von Königgrätz am 3. 7.1866. Was diese bedeutete, breitete das österreichische Polizeiministerium im Jahre darauf aus, als die eingegangene Selbstverpflichtung, auch 1867 eine Polizeivereinskonferenz abzuhalten, zu überprüfen war. Die Erwägungen, die auch über den Polizeihorizont aufschlußreich sind, lauteten: Die Konferenzen des Vereins höherer deutscher Polizeibeamten, welche im verflossenen Jahre in Wien hätten abgehalten werden müssen, sind bekanntlich in Folge des preußischösterreichischen Konflikts unterblieben. Wenn nun auch dadurch, daß in Folge des für uns unglücklichen Ausgangs des Krieges Österreich aus dem Verbände mit Deutschland ausgetreten ist, die ursprüngliche Basis, auf welcher der obgedachte Verein gegründet worden war, verrückt worden ist, dürfte sich gleichwohl nicht verkennen lassen, daß die politische Trennung nicht vermögen wird, die Fäden, welche ein vielhundertjähriger Verkehr auf industriellem und merkantilistischem Gebiete, gemeinsame intellektuelle Beziehungen, Familienverbindungen und dergleichen zwischen den Bewohnern Österreichs und der deutschen Staaten geknüpft haben, plötzlich zerreißen und daß es auch fortan Interessen geben wird, welche, wie die auf die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzielenden Vorkehrungen, als für die beiderseitigen Beziehungen gemeinsame werden bezeichnet werden müssen. 252
Das Polizeiministerium richtete diesen Antrag an den neuen österreichischen Ministerpräsidenten Freiherrn von Beust, unter dem in seiner Zeit als sächsischem Außen- und Innenminister die Polizeivereinskommissare Eberhardt, Koerner und Häpe gewirkt hatten. Beust beschied, »daß nicht von Seite Österreichs dermalen hiezu die Initiative ergriffen, sondern erst von auswärts eine Anregung abgewartet werde«. 253 Diese blieb aus, wenn auch die politisch-polizeilichen Kontakte fortbestanden. Der Weg ging nun allerdings folgerichtig und traditionell wieder über die Diplomatie, wie eine österreichische Anfrage zu ungarischen Emigranten in Sachsen im Jahre 1867 bewies. 254 Das Jahr 1866 war allemal eine Zäsur für die Geschichte der politischen Polizei in Deutschland. Die Neuformierung ging von Preußen aus.
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Schreiben des Polizeiministeriums 15. 6.1866, HHStA Wien, Actes de haute police, Krt. 78, »München«, Bl. 4. Schreiben des Polizeiministeriums 9. 4 . 1 8 6 7 an Beust, ebd., Krt. 80, »I-W«. Beust 15. 4 . 1 8 6 7 an das Polizeiministerium, I. Sektion, wie Anm. 252. StA Dresden Mdl Nr. 10973.
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SECHSTES K A P I T E L :
Der Ausbau der politischen Polizei in den deutschen Einzelstaaten seit der Revolution 1848/49
I.
Österreich
1. Österreichs politische Polizei in der Revolution 1848/49 Unter dem ersten Ansturm der Märzrevolution erhielt der österreichische Kaiserstaat am 20. 3 . 1 8 4 8 mit Billigung durch ein kaiserliches Handschreiben sein erstes konstitutionelles Kabinett. 1 Den Posten des Innenministers erhielt Franz Freiherr von Pillersdorf, der bereits in der Vorgängerbehörde - der vereinigten Hofkanzlei - den maßgeblichen Einfluß als Hofkanzler ausgeübt hatte, wenn er auch nicht deren Leiter war. Er galt als Repräsentant der liberal gesonnenen Bürokratie: E r gab der Selbständigkeit der Polizeiverwaltung in Gestalt der Polizeihofstelle unter Sedlnitzky die Schuld am Ausbruch der Revolution, da ihm die Polizei in einer selbständigen Behörde zunehmend über die tatsächliche öffentliche Meinung desorientiert erschien. Pillersdorf riet deshalb zur Auflösung der Polizeihofstelle als einem Zeichen zur Beseitigung des alten Polizeisystems. Eine dem Hof, das hieß ausschließlich dem Monarchen zugeordnete Polizeibehörde und Konstitutionalismus waren für ihn unvereinbar. Er schlug dem Kaiser vor, die Agenden der Polizeihofstelle an das Innenministerium zu geben und so Polizei und Verwaltung in einer Hand, und zwar eines Ministers und keines Hofbeamten, zu vereinigen. Am 23. 3 . 1 8 4 8 verfügte Kaiser Ferdinand deren Aufhebung; die Agenden und das Personal gingen an das neugeschaffene Innenministerium über. 2 Das betraf auch die Staatspolizei. Pillersdorf gliederte das Innenministerium nach 4 Sektionen, auf die sich 17 Departements verteilten. Die eigentlichen Belange der politischen Polizei tauchten in der IV. Sektion unter dem Sektionschef Freiherrn von Weingarten in den Departements 15 bis 17 auf, und zwar im einzelnen unter anderem »Organe der öffentlichen Meinung« (Dep. 15), »Höhere Staats-Polizei« (Dep. 16), »Fremde, Paßwesen, Theater, Volksversammlungen« (Dep. 17). Es war bezeichnend für Pillersdorfs konstitutionelles Experiment, daß die politische Polizei nicht - wie in der nachfolgenden neoabsolutistischen Ära - den vordersten Rang in einem Präsidialbüro fand, sondern erst an letzter Stelle
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Vgl. Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 1, S. 6f. Näheres zu den hier geschilderten Umständen vgl. Benna: Polizeihofstelle, S. 229f.; Kazbunda: Organisace, S. 14f.; Walter: Zentralverwaltung Abt. II, Bd. 1, 2, 2, S. 294.
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innerhalb der Organisation erschien. Kaiser Ferdinand genehmigte die neue Einrichtung des Innenministeriums am 10. 5. 1848.3 Die Zeiten für politisch-polizeiliche Betätigungen waren lebensgefährlich geworden, wie das Beispiel des entlarvten Polizeispions Albert Rößler während der Aprilrevolution in Wien zeigte, der sich nur mit Mühe vor der Lynchjustiz retten konnte. 4 Die Situation wandelte sich im Oktober 1848 mit dem Erfolg der Waffen gegen die Barrikaden: Der in Wien siegreiche Feldmarschall Windischgrätz betonte zunehmend den engen Zusammenhang zwischen politischer Unterdrückung der Revolution und einer wirksamen Reorganisierung der Polizei. Bereits am 14.12. 1848 schrieb er dem neuen Ministerpräsidenten Fürst Schwarzenberg (seit 21. 11. 1848 nach der Niederwerfung der Revolution in Wien), in der vergangenen Zeit seien Polizeibehörden geschwächt und desorganisiert worden. Im Zustand ihrer »gegenwärtigen Verfassung und Besetzung« seien sie nutzlos. Besonderes Augenmerk sei auf Bestellung einer zweckmäßigen geheimen Polizei zu richten, die in dieser von Conspirazionen aller Art bedrängten Zeit von größter Wichtigkeit sei. 5
Hier klang das später in Polizeikreisen häufig geäußerte Argument an, das Maß staatspolizeilicher Organisation müsse mindestens der Kooperation der im Untergrund tätigen >Umsturzpartei< entsprechen. Allerdings griff Schwarzenberg die Anregung nicht in solcher Form auf, daß er sie dem Ministerrat vorgelegt hätte. Er bekundete indessen seine Bereitschaft zur Neuorganisierung der Staatspolizei auf andere Weise. Der Anstoß ging vom Militärgouverneur der Residenzstadt Wien, dem Feldmarschalleutnant Ludwig Freiherr von Weiden, aus. Dieser hatte am 9. 1.1849 durch das Innenministerium von einer in Paris und Turin gebildeten »europäischen Centrai-Liga« erfahren, die sich aus Franzosen, Italienern, Polen, Deutschen und Ungarn zusammensetze und bestrebt sei, eine demokratische Republik zu errichten und dazu mehrere Emissäre nach Wien abgeschickt habe, »um eine neue Schilderhebung vorzubereiten«. 6 Die neuesten Berichte der in Wien eingerichteten Militär-Zentral-Untersuchungskommission lieferten ihm Beweise, daß die Revolution am Ort nur durch auswärtige demokratische Vereine herbeigeführt worden, deren »Zusammenhang und Tendenz noch keineswegs gebrochen« sei. Als Verantwortlicher für den Belagerungszustand über Wien erklärte er, diese Bestrebungen würden hier nur militärisch niedergehalten, und befürchtete erneute Anknüpfung der Fäden vom Ausland. 3
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Zur Gliederung im einzelnen vgl. »Eintheilung der dem Ministerium des Innern zugewiesenen Geschäfte« nach dem Antrag Pillersdorfs vom 9. 5.1848, abgedr. bei Walter, Abt. III, Bd. 2, S. 9-11. Vgl. Valentin: Geschichte der deutschen Revolution Bd. 1, S. 557. Zit. bei Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 1, S. 281. Weiden 18. 1.1849 an Schwarzenberg, HHStA Wien, Staatskanzlei, Noten von der Polizei, Krt. 50 (Fasz. 65), Bl. 1 u. 6.
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Er beschrieb hiermit eine geradezu klassische Situation, aus der sich eine zu organisierende Staatspolizei begründen ließ. Folgerichtig schlug er vor, den Polizeikommissär Engelshofen einzusetzen, von dem er wußte, daß er in Deutschland, Paris und Lyon die »Umtriebe der Partei« genau beobachtet habe, der in voller Kenntnis der »Personalitäten« sei. Weiden schlug als Inhalt von dessen Mission vor, das gegenwärtige Treiben dieser Zentralkomitees an Ort und Stelle zu ergründen sowie seine frühern Relationen so wieder anzuknüpfen, um auch für die Folge zeitlich genug fortwährend unterrichtet, und gewarnt zu werden, um nicht aufs Neue einem Übel zu erliegen, welches beynahe den Umsturz der Monarchie herbeygeführt hätte. 7
Zur Präzision dieser Aufgabe hatte er von Engelshofen ein Gutachten eingefordert. Der erfahrene Leiter des früheren Mainzer Informationsbüros kam dem nach und bewies darin wieder sein über Einzelaktionen hinausgehendes konzeptionelles Vermögen in Angelegenheiten der politischen Polizei. Er entwickelte einen Plan zur Anknüpfung der abgebrochenen Verbindungen. Er veranschlagte für seine Hin- und Rückreise nach Paris und vier bis fünf Wochen Aufenthalt Kosten in Höhe von 1000 Gulden. Die Anstellung zweier Agenten veranschlagte er auf je 400 bis 500 Gulden und dachte dabei an zwei »vollkommen Befähigte« in Frankreich, die »Verbindungen mit den ersten republikanischen Notabilitäten Frankreichs« hätten und die durch »anerprobte Ergebenheit« für Erfolg bürgten. Die Reise sollte über Dresden, Köln, Brüssel, wo er »mannichfache Anhaltspunkte« habe, nach Paris gehen; die Rückreise plante er über die Schweiz, Konstanz (das er hervorhebend unterstrich) und Frankfurt, »wo frühere Verbindungen mit angesehenen Publicisten und anderen, der Sache des gesetzlichen Fortschritts ergebenen Männern fester geknüpft« werden könnten. 8 An diesem Plan ist unverkennbar, daß Engelshofen die früheren Einsatz- beziehungsweise Wohnorte der ehemaligen Agenten des Mainzer Informationsbüros aufsuchen wollte, um die besten Konfidenten für die österreichische Geheimpolizei zu reaktivieren. 9 Weiden war mit diesem Plan einverstanden und reichte ihn zusammen mit seinem Schreiben vom 18.1.1849 an Schwarzenberg weiter. Die von Engelshofen verlangten 1000 Gulden hatte er aus seinen »Geldern für geheime Auslagen« schon bereitgestellt, so daß davon auszugehen ist, Engelshofen habe die Mission tatsächlich durchgeführt. Allerdings forderte der Militärgouverneur von Schwarzenberg, »zur Etablirung der späteren Verbindungen« hätte das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten die Kosten zu tragen. Dem kam Schwarzenberg nach, so daß, anknüpfend an die geheimpolizeilichen Funktionsträger der vorrevolutionären Zeit, die Basis zur Reaktivierung der österreichischen Staatspolizei im Ausland unter Regie des Außenministeriums gelegt war. 7 8 9
Wie Anm. 6. Engelshofen 6 . 1 . 1 8 4 9 an Weiden, wie Anm. 6, Bl. 2-4. Vgl. die tabellarische Übersicht der letzten Einsatzorte der Agenten, die für das Mainzer Informationsbüro arbeiteten, oben, S. 166f.
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2. Reorganisation und erste Zentralisierung der politischen Polizei unter dem Innenministerium Bachs 1849-1852 Es bedurfte eines >roten Revolutionär und >Barrikadenmannsaus Deutschland< über die Kaiserdeputation und über innere Differenzen in der Frankfurter Nationalversammlung zwischen Groß- und Kleindeutschen berichten. Sein Gewährsmann war der Wiener Landgerichtsrat Johann Ritter von Perthaler, der für den Wahlkreis Österreich unter der Enns (mit Wien) vom 1.3. bis 24. 4.1849 in der Paulskirche saß. Sein Augenzeuge meldete in einem weiteren Bericht am 9. 4.1849 die Mißstimmung in der aus Berlin zurückgekehrten Kaiserdeputation und die steigenden Chancen einer Ablehnung der Reichsverfassung durch den preußischen König.12 Erst wenige Wochen im Amt, organisierte Bach das Innenministerium so um, daß es seinem langfristigen Konzept entsprach. Sein schärfster Rivale, der spätere Leiter der Obersten Polizeibehörde Freiherr von Kempen, erkannte zutreffend, daß Bach dem »Principe der Zentralisation« folgte, ohne welches der Thron zerbrechen müsse. 13 Zivile Administration und politische Polizei galten dem Innenminister dazu als die Werkzeuge. Am 7. 9.1849 unterbreitete er dem Kaiser Franz Joseph entsprechende Anträge, die dieser am 11. 9.1849 genehmigte. 14 Danach gliederte sich das Innenministerium in das »Cabinet« (= Präsidialkanzlei) und fünf Sektionen. Die 10
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Zit. bei Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 1, S. 186. Unter Bachs Führung hatte im März 1848 in Wien ein Bürgerausschuß von 24 Mitgliedern die städtische Verwaltung übernommen; vgl. Valentin: Geschichte der deutschen Revolution Bd. 1, S. 407, 554. Näheres zur Rolle Bachs in der Revolution bei Wolfgang Häusler: Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung. Demokratie und soziale Frage in der Wiener Revolution von 1848. Wien, München 1979. Walter, ebd., S. 357f. A V A Wien, Nachlaß Bach, Krt. 16; zu Perthaler vgl. Schwarz: MdR, S. 86. Kempen: Tagebuch 2. 6.1851, S. 217. Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 1, S. 393f.
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politische Polizei war dem Präsidialbüro vorbehalten, und zwar nach der Formulierung des Geschäftsplans »die konfidentielle Correspondenz, die Angelegenheiten der höheren Staats-Polizey und politischen Vereine, alle Gegenstände der Presse, Theatersachen«. 15 Dem Innenministerium unterstanden ein Unterstaatssekretär, 5 Sektionschefs als Leiter der einzelnen Departements sowie weitere Beamte, insgesamt 97 Personen. 16 Im Gegensatz zur Organisation Pillersdorfs rangierte die Staatspolizei wieder an höchster Stelle im Ministerium. Für deren Reorganisation war es von entscheidender Bedeutung, daß Bach in Engelshofen den - neben Nordberg - besten Kenner Österreichs auf dem Felde der Geheimpolizei mit ausgedehnten Auslandserfahrungen gewinnen konnte. Schon im August 1849 ließ Bach über einen Mittelsmann vorfühlen, ob Engelshofen zur Übernahme dieses speziellen >Dienstzweiges< im Innenministerium bereit sei und erhielt zur Antwort: Ich fühle mich durch die hohen Absichten des Herrn Ministers, mich in seine unmittelbare Nähe zu berufen, hoch geehrt; es mangelt mir auch nicht an Muth, die von Hochdemselben angedeutete Aufgabe zu übernehmen, weil ja jener Zweig des Dienstes mir nicht unbekannt und ich mich im Stande fühle, zur Durchführung der Idee der Centralisirung aller staatspolizeilichen Fäden nach besten Kräften beizutragen. 17
Damit trat Engelshofen als Chef der sogenannten Sektion Α in das Innenministerium ein und wurde bis zum Jahre 1860 hinter den jeweiligen Behördenleitern Bach und Kempen (ab 1852) der wichtigste Beamte der Monarchie auf staatspolizeilichem Feld. Er konzipierte alle weittragenden Entschließungen zur Organisation des Dienstes, die Korrespondenzen mit dem Ausland und griff überall dort ein, wo es sachverständiger Gutachten bedurfte. Seit dem 21. 6. 1850 stand ihm der ehemalige Bezirkskommissär für Oberösterreich, Carl Hiersch, als unbedingt zuverlässiger Sekretär zur Seite. 18 Ihr Büro bildete den institutionalisierten Mittelpunkt der österreichischen politischen Polizei während der Reaktion, gewissermaßen die Schaltzelle, die stets in unmittelbarer Rückkoppelung mit dem Minister beziehungsweise seit 1852 Polizeichef arbeitete, formal vergleichbar dem Vereinsbüro im Berliner Polizeipräsidium, wenn auch an Wirkungskreis diesem noch weit überlegen. Die zugrundeliegende frappierende personelle Identität zwischen der Metternichschen Staatspolizei des Vormärz und derjenigen der Reaktion nach 1848 in der Habsburgermonarchie in der Person Engelshofens ist bisher vollkommen unbekannt gewesen. Engelshofen war überdies jahrelang Österreichs Vertreter im Polizeiverein und konnte auf den periodischen Polizeikonferenzen sein im Vormärz erworbenes, ständig aktualisiertes Wissen über die oppositionellen Bewegungen in der Gesellschaft wirksam einbringen. 15
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Vgl. »Eintheilung der dem Ministerium des Innern zugewiesenen Geschäfte« von 1849, abgedr. ebd., Bd. 2, S. 115-117. Bei einem Etat von 272000 Gulden, ebd., Bd. 1, S. 394. Die vereinigte Hofkanzlei als Vorgängerin verfügte zuletzt über 208 Beamte bei einem Etat von 480000 Gulden. Schreiben Engelshofens, Wien d. 12. 8.1849, A V A Wien, Nachlaß Bach, Briefe: Clannern, Joseph [von Engelshofen]. A V A Wien Μ. I. Präsidiale, Krt. 96 Nr. 3394/M. I. 1850.
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Wie auch in den andern Staaten des deutschen Bundes setzte die konkrete systematische Arbeit staatspolizeilicher Art damit ein, auf Namenslisten die politisch >Kompromittierten< der Revolutionszeit möglichst zuverlässig und umfassend namhaft zu machen. Der erste Anstoß dazu ging von einer Note des belgischen Gesandten mit Anfragen zu politisch belasteten Personen aus. Daraufhin erließ Bach am 14.4.1850 ein Rundschreiben an sämtliche Länderchefs der Kronländer und an Radetzky für das lombardisch-venetianische Königreich »Behufs der Herstellung einer besseren Evidenz«; er wünschte die Namen aller, welche sich bei den revolutionären Unternehmungen der letzten Jahre am schwersten compromittirt und sohin dem strafenden Arme der Gerechtigkeit durch die Flucht ins Ausland entzogen haben. 19
Am 6. 7.1850 war die Zusammenstellung fertig; damit verfügte man im nachrevolutionären Innenministerium über das erste österreichische Gesamtverzeichnis wenigstens war dies angestrebt - der politischen Flüchtlinge. Es enthielt 92 Namen, darunter prominente Mitglieder des Wiener Reichstages wie Hans Kudlich oder der Frankfurter Nationalversammlung wie Maximilian Joseph Gritzner, Moritz Hartmann (Vorwurf: »durch öffentliches Anpreisen der Oktobervorgänge des Jahres 1848 im Namen der Linken in Frankfurt und durch Theilnahme am bewaffneten Widerstande gegen die k. k. Truppen«), Karl Giskra sowie Revolutionäre wie Karl Tausenau oder Ernst Haugh. Bach stellte weitere Vervollständigungen in Aussicht. Eine erweiterte Liste lag 1851 (ca. April) vor als »Verzeichniss flüchtiger österreichischer Staatsangehörigen, welche sich an den revolutionaeren Unternehmungen in den Jahren 1848 und 1849 schwer betheiligt haben«, nun erheblich genauer differenziert nach den Kategorien: -
laufende Nummer, Name, »Charakter« = Stand,
-
Verbrechen, Steckbrief ( = Datum der Ausgabe), »Wesentliche Umstaende der Gravirung«.
Zusätzlich unterschied die Liste: A. nach den vom Wiener Stadtgericht steckbrieflich Verfolgten (Nr. 1-18), B. den von der Militär-Zentral-Untersuchungs-Kommission in Wien als hervorragende Teilnehmer an den Oktoberereignissen Beteiligten (Nr. 19-62), C. anderen Wiener Flüchtlingen (Nr. 63-71), D.Flüchtlingen aus der Steiermark (Nr. 72-74), E. Flüchtlingen aus Triest, dem Görzer und Istrianer Kreise, also vorwiegend Italienern (Nr. 75-87), und schließlich F. Flüchtlingen aus Mähren (Nr. 88-90). 20
Auf den späteren Polizeivereins-Konferenzen wurde Österreich führend in der Darbietung von Emigranten- und Flüchtlingsverzeichnissen. Ein Exemplar dieser nun hergestellten Liste ging an Ministerpräsident Schwarzenberg, der in seinem 19
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HHStA Wien IB A-Akten, Krt. 5, Nr. 1802, Bl. 754-767, darin auch die Note des belg. Gesandten vom 5. 4.1850 (Brüssel war beliebter Zielort der politischen Flüchtlinge) sowie das Verzeichnis selbst. HHStA Wien IB A-Akten, Krt. 14, Bl. 319-322.
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Außenministerium gleichfalls über eine politisch-polizeiliche Sektion verfügte, 21 die wegen der Flüchtlinge im Ausland als Gegenstand auswärtiger Verhältnisse ebenso betroffen war. In der Sektion Engelshofens, der auch dieses Verzeichnis bearbeitet hatte, vollzogen sich Einzelrecherchen, der Verkehr mit einzelnen Gerichts- oder Polizeibehörden im Lande, aber auch gezielte Kontakte mit dem Ausland; so unterrichtete der Oberpräsident der Provinz Schlesien in Breslau am 7. 9. 1849 Bach davon, daß er beschlagnahmte Papiere dem Wiener Stadthauptmann Weiss zur Einsichtnahme bereithalte. 22 Frühzeitig bemühte sich Bach darum, unter Umgehung des Außenministeriums direkte geheimpolizeiliche Verbindungen zum Ausland zu unterhalten. Eine solche »direkte Informations-Verbindung zwischen Frankfurt und Wien« unabhängig von Bundestagsgesandtschaft und Außenministerium wurde offenkundig, als der Frankfurter Bundestagsgesandte Österreichs, Freiherr von Menßhengen, im Juli 1851 davon erfuhr und darüber an Schwarzenberg berichtete. Zu dieser Zeit hatte Bach seinen Untergebenen, Sektionsrat R. von Lackenbacher, zu einer Rundreise durch Deutschland beauftragt, bei der der Beamte auch mit einem alterprobten Agenten Österreichs in Frankfurt (Ebner) persönlich zusammentraf. 23 Solche Verbindungen dem Innenminister möglich zu machen war das Werk Engelshofens. Bereits bei der Auflösung des Mainzer Informationsbüros hatte er empfohlen, die bewährtesten Kräfte weiter im österreichischen Dienst zu verwenden, um ihres über Jahre erworbenen Erfahrungsschatzes nicht verlustig zu gehen, Anfang 1849 hatte er im Auftrag Weidens die Verbindungen wieder geknüpft, nun hielt man aufs neue kontinuierlich Kontakt zu Hermann Friedrich Georg Ebner in Frankfurt. 24 Menßhengen wußte über ihn in einer Depesche, die die Namen nur chiffriert enthielt, zu berichten, Ebner wünsche seinen Namen überhaupt nicht in Aktenstücke aufgenommen; er sei seit 1832 (!, richtig 1834) zuverlässiger Konfident, zunächst bei Nordberg, dann bei Engelshofen gewesen und habe »vor Kurzem« für seine umfassenden neuesten Darstellungen aus dem »Lager der demokratischen Partei« eine Belobigung Bachs erhalten. 25 Aus gleichen Quellen stammte eine dem Innenministerium eingereichte Denkschrift »Revolutionäre Umtriebe 1851«, die in ähnlicher Weise wie die politischpolizeilichen Situationsanalysen Goldheims im Berliner Polizeipräsidium die Lage 21
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Aus dieser politisch-polizeilichen Sektion des Außenministeriums ging der in der vorliegenden Untersuchung gleichfalls herangezogene Aktenbestand »Actes de haute police« hervor. HHStA Wien IB A-Akten, Krt. 5, Bl. 569. Der gesamte Bestand der A-Akten reicht von 1849 bis 1851 und dokumentiert die politisch-polizeiliche Aktivität des Innenministeriums. Durch den Übergang der Staatspolizei an die Oberste Polizeibehörde werden sie abgelöst durch die Reihe der BM-Akten (für >brevi manu< im Geschäftsgang). Geheime »reservierte« Depesche (Litt. B) Menßhengens 1. 9. 1851 an Schwarzenberg, HHStA Wien IB A-Akten, Krt. 21, Bl. 266. Vgl. oben, S. 172f., zu Ebner oben, S. 166-168. Wie Anm. 23. 311
in Presse, Vereinswesen, Hochschulen und auf Wanderversammlungen beschrieb. 26 Engelshofen charakterisierte den Verfasser als einen Mann, der in früheren Jahren einer deutschen Hochschule angehört, durch einige Zeit auch eine Stellung als Professor an einer schweizerischen Lehranstalt eingenommen habe und seit mehr als 18 Jahren - also zurückreichend bis 1833 - zu der kaiserlichen Regierung in vertraulicher Beziehung stehe: »Dr. Wilhelm Β . . . « . Er beschäftige sich mit Prüfung und Beleuchtung »der vorzüglichsten Krebsschäden deutscher Zustände und der Mittel zu ihrer Heilung«.27 Es war kein anderer als Wilhelm Binder, der ehemals bereits Metternich in der Aufbauphase des Mainzer Informationsbüros Dienste geleistet hatte. 28 Immer wieder werden bei genauerer Nachprüfung bisher unbekannte Fortwirkungen der Metternichschen Geheimbehörde greifbar. Ihr wichtigster Repräsentant Engelshofen bewährte sich unter Bach und dann unter Kempen zugleich als der konzeptionelle Kopf der politischen Polizei. Für Bach formulierte er Maßstäbe geheimpolizeilicher Arbeit, die er schon vor 1848 stets beachtet hatte: - Die Regierung benötige »Organe des Vertrauens« in einer Stadt oder Gegend, wo das demokratische Element mächtig sei, etwa in Frankfurt am Main; - die Regierung müsse alles vermeiden, was sie kompromittieren könnte; unliebsame Publizität sei wegen der Rückwirkung auf die Flüchtlingskreise zu vermeiden; - es bedürfe äußerster Vorsicht bei der Wahl »vertraulicher Organe«; - der Verkehr mit ihnen müsse nur sehr verdeckt geführt werden; - eine Distanz der jeweiligen österreichischen Gesandtschaft zu den Vertrauensleuten in der Gegend sei wünschenswert; - die obersten Leiter des Londoner Zentralkomitees böten alles auf, um die »ergebenen Werkzeuge« der Regierung nach und nach kennenzulernen, und richteten ihr Augenmerk vor allem auf die diplomatischen Vertreter, da vorausgesetzt werde, »daß sie speciell berufen sind, zu staatspolizeylichen Zwecken zu wirken«.29
3. Österreich und der Polizeiverein zur Zeit des Ministeriums Bach 1851/52 Die Begründung des Polizeivereins erweiterte die direkten geheimpolizeilichen Beziehungen zum Ausland beträchtlich. 30 Bereits im Jahre 1850 hatte Bach in der 26 27 28 29
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Erhalten in A V A Wien, Nachlaß Bach, Krt. 16. Beischreiben 9.1.1851 zum Bericht Binders aus der Hand Engelshofens, wie Anm. 26. Vgl. oben, S. 130-135. Bach (Konzept Engelshofens) 20. 9. 1851 an Schwarzenberg, HHStA Wien IB Λ-Aktcn, Krt. 21, Bl. 262, 276. Allerdings ist der Polizeiverein in der österreichischen Geschichtsschreibung zum Neoabsolutismus nach der Revolution nicht existent, hauptsächlich deshalb, weil der Hauptteil der Überlieferung hierzu bereits im vergangenen Jahrhundert skartiert worden ist. Aus den alten zeitgenössischen Hilfsmitteln der früheren Registratur (Protokollbüchern, Polizeiindizes, Nummernbüchern, Elenchen) ist nachweisbar, daß die betreffenden Poli-
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Organisation der Polizeibehörden die Voraussetzungen geschaffen, die eine intensive Umsetzung von Polizeivereins-Nachrichten ins Landesinnere möglich machten. Nach dem Prinzip, dem Innenministerium die oberste Leitung des Sicherheitswesens innerhalb der Monarchie zu verschaffen, hatte er am 24. 6.1850 vom Kaiser einen entsprechenden Organisationsplan genehmigt bekommen. Danach stand den Statthaltern in den Kronländern (Provinzen) als Zwischeninstanzen für ihren Wirkungskreis die Oberleitung in Polizeisachen zu, als ausübende Behörden fungierten in den größeren Städten, sofern sie auch Sitz eines Statthalters waren (Provinzialhauptstädte), die Stadthauptmannschaften, deren in der Revolution geprägter ziviler Name bald wieder dem alten Ausdruck >Polizeidirektion< weichen mußte; in den übrigen Städten am Sitz der Bezirkshauptleute und Kreispräsidenten bestanden Polizeikommissariate, auf dem flachen Land waren die politischen Behörden für die Sicherheitspolizei zuständig. 31 Nachdem solcherart die Polizeibehörden auf das Innenministerium hin hierarchisch zentralisiert waren, erfuhren sie durch den Beitritt Österreichs zum Polizeiverein eine beträchtliche Wirkungssteigerung. Ministerpräsident Schwarzenberg hatte die Entscheidung darüber vom Votum Bachs abhängig gemacht. 32 Dieser begrüßte den Plan lebhaft, und nun bewährte sich die zentralistische Polizeiorganisation, durch die sich zielstrebig politisch-polizeiliche Daten von der Region aus zur Zentrale abrufen ließen. Denn wie auch andere Polizeivereinsstaaten entwikkelte Österreich ein binnenstaatliches Wochenberichtssystem, aus dem Nachrichten für die Wochenberichte für das Ausland zu gewinnen waren. Vom Juni 1851 bis zum Mai 1852, als die Staatspolizei aus dem Innenministerium ausgegliedert wurde, ließ Bach die periodisch einlaufenden Anzeigen der einzelnen Sicherheitsbehörden des Inlands in einem »Polizei-Wochen-Rapport« für den Raum der ganzen Monarchie zusammenfassen. Diese umfangreichen, 60- bis 80seitigen Berichte erschienen tatsächlich - anders als die Polizeivereins-Wochenberichte jede Woche und waren nach einem gleichbleibenden Schema angefertigt, in einer Form des Rapports, wie sie unabhängig davon der Generalpolizeidirektor Hannovers ähnlich für den König entwickelt hatte. Die Gliederung lautete: a) Emissäre, politisch bedenkliche oder über berüchtigte Personen. b) Politische Vergehen. (Darunter fielen Majestätsbeleidigung, Absingen von Freiheitsliedern, aufreizende Reden, Besitz revolutionärer Druckschriften, Besitz von Kossuthmedaillen, -bildern; hier war in der Regel das kriegsgerichtliche Verfahren vorgesehen). c) Angelegenheiten der Presse. d) Widersetzlichkeit gegen die Behörden, Wachen und Gendarmerie.
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zeivereinsakten vorhanden gewesen waren; nur der geringste Teil blieb in den ΒM-Akten und den Actes de haute police erhalten, so daß aus dem HHStA und A V A Wien das System als ganzes und Österreichs Stellung darin nicht erkennbar sind; vgl. etwa Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 1-4, Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Bd. 2: Verwaltung und Rechtswesen. Wien 1975. Vgl. Walter, Abt. III, Bd. 1, S. 575. Schwarzenberg 1.4. 1851 an Prokesch, gedr. bei Siemann: >Polizeivereinwachsam zu sein und die Leitung der Polizei in eine H a n d zu gebenMinisterialräthe< - >Ministerial-Sekretäre< und >Ministerial-Concipisten< dürfte in Hofräthe, Hofsekretäre und Hofconcipisten umgestaltet werden, da der Chef der Behörde nicht den Titel Minister führt, die Bezeichnung von Ministerialräthen usw. daher nicht passend ist.57
Hier handelt es sich nicht um einen bloßen Streit um Titel. Vielmehr lag darin der Unterschied zwischen einer ausschließlich dem Monarchen unterworfenen (absolutistischen) Hofbehörde und einem Ministerium, das dem kollegialen Gremium eines Ministerrats verpflichtet war, dem der Monarch vorsaß. Es war das besondere Privileg Kempens, daß er als Hofbeamter ausschließlich und unmittelbar dem Kaiser untergeordnet und verantwortlich war. Neben den häufigen Audienzen beim Herrscher mit persönlichen Vorträgen besprach sich Kempen mit dessen Generaladjutanten Grünne in einem täglichen Referat, das dieser »eigentlich an Stelle des Kaisers« entgegennahm. 58 Solange er das Vertrauen Franz Josephs besaß, war seine Stellung unangefochten, so daß er auch rückhaltlos ihm mißliebige Minister - vor allem Bach - gegenüber dem Kaiser kritisieren konnte. Institutionell hatte die Oberste Polizeibehörde den gleichen Rang wie die Polizei/io/stelle; für den Stellenwert der politischen Polizei bedeutete dies, daß sie sich ressortübergreifend und -konkurrierend betätigen konnte und sich gegenüber den Ministerien in einer quasi exterritorialen Position befand: Sie diente als unmittelbares Werkzeug dem persönlichen Regiment des Herrschers, dessen monarchische Interessen ungebrochen durchzusetzen. Als Gegenschlag zur Revolution erfolgte dadurch die erste Phase der schärfsten Reaktion. Die Tendenz zu solcher Verselbständigung der politischen Polizei zeigte sich ähnlich in der unmittelbar vom Herrscher abgeleiteten Machtfülle der Generalpolizeidirektoren Berlins (Hinckeldey) und Hannovers (Wermuth). In Wien hingegen war dieser Vorgang durch die Begründung einer eigenen Hofbehörde auch institutionell in jeder Hinsicht zum Abschluß gebracht worden, so daß - neben dem Fehlen eines gesetzgebenden Vertretungsorgans - vor allem in der Obersten Polizeibehörde und der in ihr konzentrierten Staatspolizei die tragende Säule oder weniger bildhaft: das konstitutive Merkmal des Neoabsolutismus zu sehen ist. Der Nachfolger Hinckeldeys, der Berliner Polizeipräsident Zedlitz, definierte Kempens Institution zu Recht als »eine keinem Ministerium untergeordnete Centraibehörde für die ganze Monarchie«. Er irrte allerdings, daß unter den Nachfolgern Kempens, die >Polizeiminister< hießen, lediglich ein Namenswechsel ohne Organisationsveränderung vor sich gegangen sei.59 Denn Kempen hatte keinen Ehrgeiz, regelmäßig an Ministerratssitzungen teilzunehmen, wozu ein 57
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Vortrag Kübecks 21.4.1852, abgedr. bei Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 4, S. 46-49, Zitat S. 47. Kempen: Tagebuch 11. 9. 1852, S. 261. Zedlitz 7. 2. 1861 an Innenminister Schwerin, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12155, Bl. 386f.
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Minister verpflichtet war; im Gegenteil wollte er seine »Selbständigkeit durch keine Diskussionen gefährden lassen«.60 Nahm Kempen dennoch bei Fragen, die sein Ressort betrafen, an einer Ministerratskonferenz teil, genoß er eine Sonderstellung, denn er hatte »das Ohr und das Vertrauen des Kaisers«.61 Im Gegenteil und eigentlich konsequent entwickelte er gegenüber Grünne die Notwendigkeit, »die Ministerien kontrollieren zu lassen, ob sie die allerhöchsten Verfügungen befolgen«. 62 Einen entsprechenden Antrag Kempens ließ der Kaiser jedoch ohne Bewilligung liegen.63 Die Minister hingegen nahmen Kempens Bestrebungen zum Überminister mit wachsendem Unbehagen wahr. Deshalb suchte der Nachfolger Schwarzenbergs im Außenministerium, Graf Buol, Kempen in die Ministerkonferenz zu drängen, um dort dessen polizeiliche Notizen der unteren Sphäre seinerseits »aus dem höheren, diplomatischen Standpunkte rektifizieren zu können«. Kempen erklärte dies für »überflüssig, sobald ein aufrichtiger Austausch aller auf höhere Staatspolizei sich beziehenden Nachrichten statthat«. 64 Nachdem sich die unmittelbare Bindung des Kaisers zu Kempen zu lockern begonnen hatte, befahl er diesem, »von nun an den Minister-Conferenzen als deren Mitglied beizuwohnen«. 65 Aus der Sicht des Polizeichefs kam das einer Mediatisierung gleich, indem er in das Kollegialgremium eingebunden und dessen Diskussionen unterworfen wurde. Nach der kurzen Episode des Freiherrn von Hübner wurde der nächste Leiter der Obersten Polizeibehörde Freiherr von Thierry sogleich zu Amtsantritt am 21. 10.1859 zum Polizeiminister ernannt. 66 Der scheinbar äußerliche Vorgang signalisierte die sich anbahnende Konstitutionalisierung des Staates. 6. Die Organisation der Obersten Polizeibehörde unter Kempen Als Kempen am 1. 6. 1852 sein neues Amt antrat, war ihm durch eine kaiserliche Entschließung der »Wirkungskreis der Obersten Polizei-Behörde« vorgeschrieben. 67 Dieses Statut, dessen Fassung Kempen wesentlich hatte beeinflussen können, übertrug »die Leitung und Handhabung der Staats- und Sicherheitspolizey« vom Innenministerium auf die Oberste Polizeibehörde: »In so weit nicht etwas Anderes bestimmt ist, umfaßt ihre Wirksamkeit jene Geschäfte, welche von der ehemaligen Polizey-Hofstelle zu besorgen waren«. Das Statut umfaßte 15 Paragraphen; 9 davon widmete es der »Staatspolizey«, einen der »Sicherheits-Polizey«. Allein das macht das Übergewicht des Staatsschutzes augenfällig. 60 62 63
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61 Kempen: Tagebuch 22. 5.1852, S. 253. Ebd., 16.11. 1855, S. 378. Ebd., 1.11.1852, S. 266. Noch am 1.7.1853 hatte Franz Joseph dem Antrag nicht stattgegeben, und später erwähnte Kempen ihn nicht mehr; vgl. ebd. 1. 7.1853, S. 294. Ebd., 24.12.1853, S. 313. 66 Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 3, S. 89. Ebd., S. 117. Abgedr. zuerst bei Kazbunda: Organisace (vgl. oben, S. 30 Anm. 125), S. 44—47 (auf deutsch), dann bei Walter: Zentralverwaltung Abt. III, Bd. 4, S. 49-52.
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Durch die Aufgliederung nach Gegenstandsbereichen ist es möglich festzuhalten, wie stark sich Vorstellungsfeld und Wirkungsmöglichkeit von politischer Polizei im Großstaat Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts institutionell verfestigt hatten. Die wichtigste Bestimmung lautete: §5. Sie hat ihre Wirksamkeit vorzugsweise auf die Vorbeugung, Entdeckung und Hintanhaltung der Gefahren zu richten, welche die geheiligte Person Sr. Mt. des Kaisers, das durchlauchtigste Kaiserhaus, die Staatseinrichtungen oder überhaupt die bestehende staatliche und öffentliche Ordnung bedrohen.
Zu weiteren Arbeitsfeldern der Staatspolizei zählten Paß- und Fremdenwesen, Überwachung (»Evidenzhaltung«) österreichischer Untertanen im Ausland - dies im Einvernehmen mit dem Außenministerium - , Angelegenheiten der Presse, der Kunst und der zugehörigen Gewerbe, Erteilung von Konzessionen für Zeitschriften, Leihbibliotheken, Musik-Leihanstalten und lithographische Pressen, Zulassung von Buch-, Kunst- und Musik-Handlungen, Erteilung von BuchdruckereiBefugnissen, Handhabung der Theater-Ordnungen, Aufsicht »über alle Arten von Theatern, öffentlichen Produktionen u. dgl.«, Benützung des Staatstelegraphen für Privatkorrespondenzen, Zulassung von Ausländern zu Lehr- und Erziehungsanstalten; die Oberste Polizeibehörde war verpflichtet, allen Ministerien die gewünschten Auskünfte über die politische und staatsbürgerliche Haltung von Beamten, Seelsorgern, Lehrern und sonstigen in öffentlichen Diensten stehenden Individuen zu ertheilen.
Um zu ermessen, wie die neue Behörde den vielfältigen Aufgaben gewachsen war, ist ein Blick in ihren inneren Aufbau, sodann auf die ihr untergebenen Landesbehörden notwendig. 68 Die Oberste Polizeibehörde hatte zwei Präsidialabteilungen: Präsidialabteilung I unterstand dem Chef Kempen direkt und behandelte alle außergewöhnlichen Agenden, die geheimen Korrespondenzen, schriftliche Vereinbarungen mit dem Hof, Berichte über Zuverlässigkeit von Personen, militärische Sachen, Gutachten, Gendarmerieberichte, Regimentssachen und den Umgang mit den Polizeidirektoren. Präsidialabteilung II oblag dem Generalmajor Georg Hartmann, zugleich Stellvertreter Kempens. Er bearbeitete die innere Organisation der Behörden, erledigte die täglich von den Polizeidirektionen eingehenden Berichte über die Stimmung in den Provinzen und faßte die Nachrichten alle drei Monate zu einem Bericht an den Kaiser zusammen, darin vergleichbar den früheren »Polizei-Wochen-Rapporten« des Innenministeriums. 69 68
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Das Folgende fußt auf Kazbunda: Organisace, S. 22-30. Da der Beitrag nur schwer zugänglich und zudem in älterer tschechischer Sprache abgefaßt ist, auch sonst nirgends der innere Aufbau der Obersten Polizeibehörde so differenziert dargestellt ist, erschien es gerechtfertigt, diesen Teil ausführlicher - ergänzt um eigene Beobachtungen aus dem Umgang mit den einschlägigen Akten - zu referieren, weil anders die konkreten Wirkungsmechanismen und die Rolle der beteiligten Personen (hier vor allem Engelshofens) sich nicht durchsichtig machen lassen. Vgl. oben, S. 313.
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Departement I hatte Engelshofen als Sektionschef und erledigte die ausländische Staatspolizei (Polizeiverein!) in Absprache mit dem Innen- und vor allem mit dem Außenministerium; bei Engelshofen lag die Geheimpolizei; er bearbeitete (zusammen mit Departement VI) die Anträge politischer Flüchtlinge auf Rückkehr, die Verhängung und Aufhebung einer Konfinierung (gemeinsam mit Departement II) - hier handelte es sich um eine besondere Form, die politische Polizei auszuüben, mit der man unter Umgehung der Gerichte die sogenannten >Rädelsführer< empfindlich treffen und politisch handlungsunfähig machen konnte. 70 Weiterhin war Engelshofen zuständig für Postüberwachung, wobei der Postlogendienst durch kaiserliche Verordnung vom 3. 4.1853 ihm gleichfalls untergeordnet worden war: Der Postdirektor in der Provinz übermittelte die Post dem Statthalter, eine Kopie blieb bei diesem, eine weitere ging an das Departement I. Nach Übergriffen und Klagen wegen zu großer Ausdehnung der Postüberwachung wurde diese eingegrenzt auf Personen, die sich gerichtlich in Untersuchung befanden, sowie auf politisch gefährliche Korrespondenzen. Departement II unterstand dem früheren Chef der Polizeiabteilung des Innenministeriums Karl Maitz; er bearbeitete die innere Staatspolizei, unterhielt die umfangreiche Kartei der politisch Verdächtigen und Kompromittierten sowie eine Sammlung von Druckschriften aus der deutschen, italienischen und ungarischen Revolution von 1848/49; er bewahrte ältere politisch-polizeiliche Nachrichten der früheren Polizeihofstelle auf, führte Fremdenwesen und Paßpolizei und verfügte auch über eine Kartei der besonders treuen Regierungsanhänger mit Angabe auffälliger Fähigkeiten, ihres geistigen Vermögens und ihrer materiellen Verhält70
Konfinierung bedeutete eine Art Verbannung im Inland, das hieß, einen als gefährlich angesehenen politischen Täter ohne Gerichtsverfahren an entlegener Stelle von seinem Heimatort entfernt unter polizeilichen Hausarrest zu stellen. Diese Form polizeilichen Vorgehens wurde bereits im Vormärz praktiziert, war dann auf Vorschlag Bachs durch kaiserliche Verordnung vom 6.12.1851 wieder eingeführt worden. Am Präzedenzfall des tschechischen Literaten Karl Hawliczek erstattete Bach am 4.12. 1851 einen Vortrag an Franz Joseph betr. »Confinirung politisch verdächtiger Personen«. Bachs Begründung lautete u. a.: »In den Zeiten politischer Aufregung haben sich noch immer die gewöhnlichen Mittel polizeilicher Praevention, so wie die repressiven der Strafjustiz als ungenügend erwiesen, um die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, die Sicherheit des Staates ungefährdet zu bewahren.« Die Maßregel richtete sich »gegen Personen, deren Gemeingefährlichkeit in politischer Beziehung unzweifelhaft vorliegt, auch dann wenn gegen dieselben kein Strafverfahren Platz gegriffen hat«; sie erfolgte, »wenn sich die Regierung die moralische Uiberzeugung von dem schädlichen Einflüsse solcher Personen verschafft hatte«; A V A Wien, Nachlaß Bach, Krt. 23. Zum Urteil »aus moralischer Überzeugung« statt auf der Grundlage von Gesetzen vgl. die entsprechende Unterscheidung des bayerischen Kommissars in der Frankfurter Zentraluntersuchungsbehörde oben, S. 95f. - Das spezifisch Polizeistaatliche in dieser Maßnahme lag darin, daß es allein im Ermessen der Polizeibehörden stand, die Konfinierung zu verhängen, und dem Betroffenen keine Handhabe gegeben war, auf dem Rechtswege wieder davon loszukommen.
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nisse.71 Schließlich verwaltete er den Dispositionsfonds für Agenten in der »Polizeihauptkasse«, die getrennt von den übrigen Kassen lief. Am 1. 6.1856 wurde das Departement geteilt in IIa (innere Staatspolizei) und IIb (Kassen- und Etatverwaltung). Departement III erfaßte die innere Sicherheit und administrative Polizei, bearbeitet vom Sektionschef Johann Hornung.12 In sein Aufgabengebiet fielen die Organisation der Polizeibehörden, der Militärpolizei wache, Personalsachen, die Aufsicht über die Polizeidirektionen, wodurch er oft in Kompetenzkonflikte mit dem Inneministerium und den Statthaltereien stand. Departement IV oblag unter Sektionschef Karl von Lewinsky73 Presseüberwachung, Tagespresse, Literatur, Kunst, Theater, Kontrolle der Werke und Autoren, der Schriftsteller, Buchhändler, Lithographen, Redakteure, Korrespondenten von Zeitungen, der Gewerbekonzessionen für das Druckgewerbe. Die Presseverordnung vom 27. 5.1852 schrieb für neue Publikationen Pflichtexemplare vor, aus der eine umfangreiche Bibliothek erwuchs. Seit dem 18. 8. 1852 wurden ausländische Pressesachen durch die wiederbelebten 30 Bücherrevisionskommissionen kontrolliert. Departement V unter Major Erwin Stainhauser Ritter von Treuberg unterstand die Gendarmerie, die militärische Polizeiwache und die innere Sicherheit. Von hier aus wurden die Kontakte zwischen der Obersten Polizeibehörde und der Gendarmerie geführt. Departement VI behandelte als Justizsektion juristische Angelegenheiten, Fragen der Auswanderung oder Rückkehr, Verordnungen über Waffen und stellte die Vertretung der Obersten Polizeibehörde in Kommissionen. Es wurde geleitet von Stabsauditor Emanuel Kopetzky; er verfügte zu Hochverrätern über eine Datensammlung, die er für Prozesse und militärgerichtliche Untersuchungen zusammenstellte. Er dirigierte auch die Redaktion des »Central-Polizei-Blatts«. - In den letzten Jahren kam noch ein Departement VII zur Inspektion der Kurorte und für alles hinzu, was in I bis VI nicht unterzubringen war.
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Diese Kartei erwies sich als nützlich, als der Kaiser Anfang 1855 Kempen beauftragte, »Informationen abzugeben über beinahe 400 Individuen, welche in den Kronländern die Ausschüsse zu den Beratungen über die Landesvertretungen bilden sollen«; Kempen: Tagebuch 15. 1. 1855, S. 352f. Hornung war 1837 Kanzlist der Polizeihofstelle und hatte die besonders Sekreten »Zentralinformationsprotokolle« zu lithographieren; vgl. Reinöhl: Österr. Informationsbüros, S. 270. Mit diesem setzte sich Kempen mehrfach in seinem Tagebuch auseinander und verdächtigte ihn demokratischer Neigungen: Lewinsky hatte einmal an einer Polizeivereinskonferenz teilgenommen (Wien 21.-23. 6.1852); vgl. Siemann: >Polizeivereinreponierten< zum gleichen Status gehörigen Polizeikommissariate. Eine Polizeidirektion gliederte sich in Direktor erster oder zweiter Klasse je nach Wichtigkeit der Stadt, Vizedirektor, Polizeiräte, Oberkommissäre, Polizeikommissäre usw., -
außerhalb der Städte auf dem flachen Land wirkten Kreis- und Komitatsbehörden und Delegationen »kumulative mit der politischen Amtierung« als Polizeigewalt, - auf unterster landesfürstlich-behördlicher Stufe standen die Bezirksämter, Distriktskommissariate, Stuhlrichterämter, - sodann folgten zuletzt die Gemeinden, in denen den Gemeindevorstehern die Polizeigewalt zugewiesen war, wobei sie von der Gendarmerie unterstützt und überwacht wurden. Kempen befehligte zugleich als Gendarmerieinspektor die gesamte 1849 begründete Gendarmerie, die vornehmlich für kleinere Städte und das flache Land eingerichtet worden war und sich in 19 Regimenter gliederte. Daneben bestand je 1 Corps Militärpolizeiwache für die Hauptstadt und in größeren Städten mit eigenen Polizeidirektionen. Die gerichtliche Polizei war zuständig für Entdeckung von Verbrechen, Vergehen, Übertretungen, die die Ergreifung des Täters erforderten; sie befaßte sich mit »Aufnahmen, Erhebungen, Nachforschungen« und Festnahmen (Kriminalpolizei). 74
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Aufschlüsselung für 1852 im einzelnen nach Kazbunda: Organisace, S. 28: 1 Chef, 1 Sektionschef Feldmarschalleutnant, 1 zugeteilter Generalmajor, 2 Hofräte, 2 Regierungsräte, 2 Militärreferenten, 10 Hofsekretäre, 11 Hofkonzipisten, 7 Konzipistenadjunkte, 1 Redakteur des Polizeiblatts, 2 Polizeibeamte, 2 Hauptmänner in der Rechenabteilung, 7 Beamte in der Hauptpolizeikasse, 27 Kanzleidiener, 19 Diener. Vgl. oben, S. 309. Nach dem Schematismus für das Jahr 1847, vgl. Kazbunda, S. 28 Anm. 2: 1 Präsident, 6 Referenten, 5 Hofsekretäre, 4 Hofkonzipisten, 9 andere Konzepts- bzw. Schreibkräfte. Die folgende Übersicht fußt auf der »Darstellung des Wirkungskreises und des Organismus der österreichischen Polizeibehörden« von 1854, HHStA Wien IB, BM-Akten, Krt. 114, ein gleiches Exemplar schickte Kempen am 27. 8.1854 nach Berlin, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Nr. 12188, Bl. 3-10.
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Entsprechend dem ressortsprengenden Charakter der Staatspolizei wußte Kempen auch in den ihm nicht unmittelbar unterstellten Bereichen institutionellen Einfluß zu gewinnen. In Fragen politischer Flüchtlinge hatte er sich mit dem Außenministerium zu verständigen. 78 Jedoch gelang es ihm frühzeitig, den Gesandtschaften in Deutschland einige Generalstabsoffiziere beizugeben, »um hiedurch für mein Ressort Organe aufzustellen, an welchen es dort gänzlich mangelt«. 79 Zur »Influenzierung der Presse« wurde am 24. 10.1852 ein eigenes Komitee gebildet, das sich aus Abgeordneten des Außen-, des Innenministeriums und der Obersten Polizeibehörde zusammensetzte und von einer Trias geleitet wurde; die Polizei war durch Sektionschef Lewinsky in diesem sogenannten »Preßleitungskomitee« vertreten. Es verfügte über ein Budget von 100000 Gulden und beeinflußte oder beobachtete mit diesen Mitteln einen großen Teil der namhaftesten Blätter in ganz Deutschland. 8 0 Hier werden die zahlreichen pressepolizeilichen Überwachungsberichte ihr Material gefunden haben, mit denen Österreich auf den Polizeivereinskonferenzen hervortrat. Das Chiffrenkabinett und der telegraphische Geheimdienst unterstanden gemäß kaiserlicher Verordnung dem Außenministerium. 8 1 Dieses bedurfte vordringlich beider Büros, um interzipierte diplomatische Korrespondenz entziffern zu können. Chiffrierte Briefe waren indessen auch ein Mittel der >UmsturzparteiRisorgimentoAttentat, wie der amtliche Sprachgebrauch nach außen hin nahelegen wollte - war von Mazzini und seinen Parteigängern »von langer Hand vorbereitet und auf das genaueste geplant und organisiert« worden. 86 Mailand sollte als »centro d'azione« 87 den Anstoß für Aufstände in den übrigen Provinzen geben. Der österreichischen Polizei enthüllte sich über Konfidentenberichte und polizeiliche Fahndungen das gesamte Geflecht der Verschwörung. Die österreichische Regierung deutete intern den Aufstand als Teil eines europäischen Revolutionsversuchs mit Zielrichtung gegen Wien und Paris, wobei Attentate auf die Monarchen das Zeichen zum Umsturz geben würden. Wie wenig diese Deutung sich lediglich als propagandistische Regierungsphobie abtun läßt, bestätigte ein Urteil aus dem politisch und geographisch entgegengesetzten >LagerVortrag< »Verfügungen zur Handhabung der Staatssicherheitspflege« vor. 91 Darin verwies er auf Symptome, die für ihn im Zusammenhang mit dem »Attentate von Mailand« standen: die Annäherung der »vorzüglichsten Führer der revolutionären Propaganda« an die Grenzen Italiens ebenso wie die kriegerischen Proklamationen aus dem Tessin, aus Piemont und der Lombardei. Alles deutete auf die »erhöhte Thätigkeit der Revolutionsparthei«. Italien erschien als der längst vorausbestimmte Schauplatz einer nächsten Erhebung. Hierbei wies Kempen auf mögliche Symptome dafür im Inlande hin, durch die »die Staatssicherheit in gefährlicher Weise bedroht« sein könnte. Der Polizeichef wünschte, daß die militärischen Chefs, die mit der Handhabung der »Staatssicherheitspflege« in den einzelnen Kronländern betraut waren, »in das engste Vernehmen« mit ihm treten würden. Denn Kempen sah das Problem, daß vereinzelte Beobachtungen in ihrer isolierten, auf die Provinzen bezogenen Beurteilung durch die Militärchefs unterschätzt und erst von der Zentrale aus in ihrem tatsächlichen Zusammenhange richtig gewürdigt werden könnten. Was in der Provinz als Einzelheit erschien, konnte die Zentrale unter Umständen als Indiz oder Symptom deuten und einordnen und damit das Geflecht einer Verschwörung aufrollen. Kempen richtete sich an - den Landes-Militär-Kommandanten von Böhmen, - den mit der Leitung des Belagerungszustandes in Galizien betrauten Kommandanten der IV. Armee, - den Militär- und Zivilgouverneur von Ungarn, Siebenbürgen und der serbischen Woiwodschaft, - den Banus von Kroatien-Slawonien, - den Militär- und Zivilgouverneur des lombardo-venezianischen Königreichs, - den Militär- und Zivilgouverneur-Stellvertreter von Dalmatien. Am 13. 2.1853 beauftragte daraufhin eine kaiserliche Verordnung die genannten militärischen Chefs der Provinzen, die »Berichte und Daten in staatspolizeilicher Beziehung« an Kempen zu leiten und bezog sich dazu auf die unumgängliche Notwendigkeit einer Centralisirung sämmtlicher hieher gehörender Berichte, Daten, Einläute jener Art bei der hiefür kompetenten Stelle, der obersten Polizeibehörde. 92 89
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Vgl. ζ. B. WandruszkalUrbanitsch: Habsburgermonarchie und Mazohl-Wallnig, wo dieser Aspekt ausgeklammert ist. Kempen: Tagebuch 7. 2.1853, S. 277. 92 HHStA Wien IB, BM-Akten, Krt. 50, Nr. 436, Bl. 4. Wie Anm. 91, Bl. 6-8.
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Franz Joseph war hiermit wörtlich dem Vorschlag Kempens gefolgt. Dies war indessen nur der Anfang der von Kempen angestrebten Zentralisierung des staatspolizeilichen Dienstes der gesamten Monarchie in der Obersten Polizeibehörde. Attentate auf gekrönte Häupter 93 konnten den Anstoß geben, eine bereits vorhandene Polizei Verwaltung überdimensional auszuweiten, den Polizeichef in eine besondere Vertrauensstellung zum Monarchen zu bringen und ihn mit außerordentlichen, die regulären Instanzenzüge sprengenden Kompetenzen auszustatten. So widerfuhr es Hinckeldey nach dem Attentat auf Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1850, ebenso und in noch weit stärkerem Maße erging es so Kempen nach dem Attentat, das der Schneidergeselle Jänos Libenyi am 18. 2.1853 auf Franz Joseph in Wien verübte. Der Kaiser wurde dabei nicht unerheblich verletzt.94 Es ist ein vollkommenes Fehlurteil, diesen Vorgang als »das harmlose Attentat« zu qualifizieren und insgesamt als »politisch bedeutungslos« zu werten. 95 Denn er hatte wesentlichen Einfluß auf Organisation und Einsatz der politischen Polizei im Innern. Kempen löste unmittelbar darauf eine Welle polizeilicher Überwachung in allen Provinzen aus. Am 16. 4.1853 richtete er dann an die Polizeidirektoren der Monarchie den Befehl, Rechenschaft abzulegen, welche speziellen Verfügungen und Maßnahmen im Anschluß an die Ereignisse von Mailand und an das Wiener Attentat jeweils in der Region getroffen worden waren. 96 Er setzte energische Aktionen zur »Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Ruhe« voraus und erwartete, daß namentlich denjenigen Personen, welche in den letzten Jahren in politischer Beziehung sich bedenklich gemacht haben, die gespannteste Aufmerksamkeit zugewendet werde.
Offensichtlich lagen bei den Polizeidirektionen griffbereite Listen mit Namen aller politisch Kompromittierten der Region zur Hand. Kempen schrieb konkret vor, er wünsche die Resultate von Haussuchungen »bey politisch verdächtigen Individuen« zu wissen; derlei habe in Wien schon Vieles zutage gefördert. Die Vorgehensweise sollte strategisch sein, indem Haussuchungen mit Beobachtungen kombiniert werden sollten, beispielsweise durch »Visitationen bey Personen, welche unter sich in Verbindung stehen, zu gleicher Zeit«. Das Attentat setzte den gesamten staatspolizeilichen Apparat in Bewegung und bezog in seinen polizeilichen Folgen überdies auch den Wirkungskreis des Polizei93 94
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Vgl. oben, S. 72. Vgl. zum genauen Hergang Kempen: Tagebuch, S. 278-287; zu Libenyi vgl. Österr. Biogr. Lexikon Bd. 5, S. 181. So Walter Hansen (Hrsg.): Das Attentat auf Se. Majestät Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853. Vollständige und authentische Schilderung. Mit den wichtigsten, bezüglichen Proclamationen, Bulletins, Adressen. Wien 1853 . 2. Aufl., Pfaffenhofen 1978, Vorwort d. 2. Aufl., S. 7. Zirkular Kempens 16. 4. 1853 an sämtliche Polizeidirektionen, HHStA Wien IB, BMAkten, Krt. 50 Nr. 436, Bl. 63.
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Vereins ein.97 Kempen deutete gegenüber den inländischen Polizeidirektionen an ohne den zugrundeliegenden Polizeivereinsmechanismus kenntlich werden zu lassen - , die Ereignisse hätten die auswärtigen Deutschen und andere der kaiserlichen Regierung befreundete Mächte bewogen, den Bestrebungen der Umsturzpartei durch erhöhte polizeiliche Thätigkeit zu begegnen. 98
Aus der Polizeivereinskorrespondenz wußte Kempen, daß man in den angeschlossenen Bundesstaaten bemüht war um Verschärfungen des Paß- und Fremdenwesens, Beaufsichtigung »politisch bedenklicher Personen«, Pressebeschränkungen auf die Auflösung »bedenklicher Vereine«, wie er in seinem Zirkular vom 16. 4.1853 andeutete. Die Situation war günstig für Kempen, darüber hinaus ein Ziel zu verwirklichen, das er seit Übernahme der Leitung der Obersten Polizeibehörde verfolgt hatte: das Kundschafterwesen als »den eigentlichen Staatspolizeidienst« zu zentralisieren. Diese Definition in Kempens Vortrag vom 14. 4.1853 für den Kaiser" ist allein schon terminologisch aufschlußreich, da sie anzeigt, daß sich der Vorstellungskreis von politischer Polizei auf die mit einem geheimen Agentendienst operierende Präventivpolizei eingegrenzt hatte. Im gleichen Vortrag nannte Kempen die Kontrolle des Kundschafterwesens »die Organisirung des Staats-PolizeiDienstes im engeren Sinne«. Hier nahm er zahlreiche Mängel wahr, die sich nur durch zentrale Weisungsbefugnis und Kontrolle vermeiden ließen, so - liefen bei der Zentrale divergierende Kundschaftsberichte ein; wie verläßlich aber die zugrundeliegenden Quellen waren, konnte nicht näher geprüft werden, weil die Agenten oder Korrespondenten hier unbekannt waren; - herrschte Verschwendung von Mitteln, »sobald auf einem Punkte mehrere Recipienten für polizeiliche Nachrichten bestehen« oder - wenn verschiedene Autoritäten die gleichen Vertrauensorgane unterhielten, was nach dem Urteil des Polizeichefs häufig vorkam. Besonders im lombardo-venezianischen Königreich kam es zu zahlreichen derartigen »Beirrungen«, da dort die beiden Militärgouverneure, die beiden Statthalter und außerdem die beiden Polizeidirektoren »mit einer gewissen Selbstständigkeit den höheren Staatspolizeidienst handhaben, und über die Mittel für diesen Dienst verfügen«. Abhilfe war nur durch »strenge Disciplin in dem Agentenwesen« zu erwarten. Dazu schlug Kempen ein Bündel von Maßnahmen vor: - Die Zentrale benötigte vollkommene Übersicht über alle Agenten und Korrespondenten, 97 98 99
Vgl. unten, S. 385-389. Wie Anm. 96. Vortrag Kempens (Konzept Hierschs, Paraphe Engelshofens) »über die Organisirung des Staats-Polizei-Dienstes im engeren Sinne«, HHStA Wien IB BM-Akten Krt. 50 Nr. 436, Bl. 68-72.
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- sie muß »alle unverläßlichen, der Aufgabe nicht gewachsenen, oder abgenützten [!] Organe ausscheiden«; - sie braucht Einfluß auf Entlassung und Aufnahme neuer Vertrauensmänner. - Alle aus geheimen Fonds geschöpften Pauschalien, über deren Verwendung keine Rechenschaft abgelegt wurde, gehören aufgehoben; - ebenso alle Pauschalien, die nicht für geheimpolizeiliche Zwecke verwendet wurden; - es muß eine ordentlich dokumentierte Verrechnung der für staatspolizeiliche Zwecke ausgegebenen Mittel eingeführt werden; - in jeder Provinz soll ein Zentralpunkt geschaffen werden, der die Staatspolizei »nach einem bestimmten Plane und nach den Absichten des obersten Centrums« leitet, denn alle Konfidenten von Wien aus zu dirigieren würde den ganzen Organismus »ungefügig« machen; die Zentrale gibt bestimmte Instruktionen für den Einsatz von Agenten aus; - in jeder Provinz gibt es nur eine staatspolizeiliche Autorität; - bei Gebieten mit Ausnahmezustand wird eine eigene Polizeisektion als Zentralorgan geschaffen mit einem höheren Stabsoffizier, wie es in Ungarn bereits geschehen ist; - in den übrigen Provinzen liegt die Leitung beim Polizeidirektor der Hauptstadt »mit Bedachtnahme auf seine Unterordnung unter den Statthalter«; - das Leitungsorgan muß in Kenntnis aller in seinem Bereich verwendeten Agenten sein und der Obersten Polizeibehörde über staatspolizeiliche Daten Rechenschaft ablegen und »über politisch bedenkliche Personen ordentliche Vormerkungen führen«. Am 21. 4.1853 hatte Franz Joseph diesen umfangreichen Antrag Kempens zur Organisation des Staatspolizeidienstes durch Verordnung genehmigt. Damit setzte eine Gesamtbestandsaufnahme des Agentenwesens für den ganzen Bereich der habsburgischen Monarchie ein, wie sie in keinem in der Zeitspanne zwischen 1806 und 1866 hier untersuchten deutschen Mittelstaat und ebensowenig in Preußen aktenmäßig greifbar ist und wohl auch nirgends sonst stattgefunden hat. Bestenfalls die Akten zu den polizeilichen geheimen Dispositionsfonds bieten einige Anhaltspunkte zur Rekonstruktion des Agentenwesens, aber auch hier überwog der von Kempen verpönte Grundsatz, in den Rechnungsnachweisen und Empfängern nicht zu konkret zu werden, um die erwünschten Quellen nicht durch Indiskretionen zu >verstopfenVertrautes beobachtete und belauschte das persönliche Gehaben jedes einzelnen ohne Unterschied des Standes oder Geschlechtes, ganz abgesehen von der Unzahl jener, die sich freiwillig in den Dienst der allmächtigen Polizei stellten. 103
Angeli beobachtete auffallende Charakterdeformierungen, so die »Sucht, sich mit der herrschenden Partei auf guten Fuß zu stellen«; viele trieb ihr schlechtes Gewissen, das dazu drängte, eigene politische Sünden vergessen zu machen durch Verrat der früheren Genossen. Angeli nannte das »angeborene Erbärmlichkeit«. Das System wirkte so, daß auch »der anerkannt loyalste Staatsbürger« nicht mehr sicher gewesen sei. Bemerkenswert ist hierbei sein Hinweis, die Behörden arbeiteten mit den »aus der Ära Metternich stammenden Affiliierten der Polizei« weiterhin zusammen. Was auf der obersten Ebene der Polizeiorganisation im Felde der politischen Polizei an Kontinuitäten nachweisbar war, pflanzte sich also antipodisch auf der unteren Ebene der Vigilanten in analoger Weise fort. Was so subjektiv erfahren wurde, schlug sich auch in der Statistik nieder, die anzeigte, wie oft in welchen Fällen die Polizei gegenüber einzelnen Zugriff. Eine solche Übersicht verdanken wir dem Direktor der österreichischen administrativen Statistik.104 Sie verzeichnet: Aufgreifungen, Verhaftungen und Anzeigen: I.
bei Verbrechen a) gegen den Staat b) gegen die Person c) gegen das Eigentum
II. bei Vergehen und Übertretungen Auffindungen von Leichen, Verwundeten und Kranken Dienste sonstiger Art (Hausdurchsuchungen, Gerichtsvorladungen, bei Konskriptionen etc.) 103
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1851
1852
1853
1854
510 1558 7032
767 2558 21807
1039 4191 42510
2631 5265 50761
3693 8156 82791
62909
96699
198977
476557
919044
705
1347
1898
2570
3308
25334
20109
33742
52266
75129
Heinrich Friedjung (Hrsg.): Wien nach 1848. Aus dem Nachlasse von Moriz Edlen von Angeli. Wien, Leipzig 1905, S. 13f. Carl von Czoernig: Oesterreich's Neugestaltung 1848-1858. Stuttgart, Augsburg 1858, S. 100.
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Zu einem beachtlichen Teil beruhte die wachsende Zahl der Einschreitungen auf der zahlenmäßig immer mehr verstärkten Gendarmerie und ihrer landesweiten Ausdehnung; dadurch wurde der grassierenden gewöhnlichen Kriminalität, die die 1840er Jahre beherrschte und unsicher machte, Einhalt geboten. 105 Nach den vorausgegangenen Ausführungen hatte jedoch die politische Polizei im Wirkungskreis der Obersten Polizeibehörde eine Priorität. Bei der vorliegenden Statistik ist ihre Wirksamkeit eingegangen in die Zahlen über »Verbrechen gegen den Staat«; teilweise verbirgt sie sich hinter den Klassifikationen »Vergehen« oder »Dienste sonstiger Art« wie Hausdurchsuchungen und Gerichtsvorladungen. Generell war das Tätigkeitsfeld der politischen Polizei im Vergleich etwa zur gewöhnlichen Diebstahlskriminalität exklusiver und gekennzeichnet durch den Wirkungsmechanismus, daß man unerwünschte politische Bestrebungen bereits dann lähmte, wenn man der Impulsgeber als der >Rädelsführer< habhaft werden konnte. 9. Kempens Stellung zum Polizeiverein Solange Bach im Innenministerium auch über die Staatspolizei gebot, war der Wiener Stadthauptmann Weiss von Starkenfels österreichischer Vertreter im Polizeiverein und Mitglied der Polizeikonferenzen. Es stellte sich bei ihm dabei ähnlich wie bei den Polizeidirektoren der Residenzen Berlin, Hannover, München und Stuttgart das Problem, wie seine Kompetenzen zu definieren seien. Denn sie alle leiteten tatsächlich Lokalbehörden mit Aufgaben, die ihren regionalen Wirkungskreis überschritten. Deshalb wies Weiss in seinem Bericht über die erste Polizeikonferenz vom 9. 4.1851 in Dresden Bach darauf hin, daß sich seine amtliche Tätigkeit nicht auf die ganze Monarchie erstrecke; die übrigen Sitzungsmitglieder hätten ausgedehntere Machtvollkommenheiten. 106 Doch Bach ignorierte derlei Anregungen. So blieb es bei einem Kompetenzgemisch in der Stellung des Stadthauptmanns: Er empfing einerseits Aufträge Bachs, andererseits war auch Kempen, als Militärgouverneur von Wien, ermächtigt, Weiss zu Rapporten aufzufordern, 107 so daß dieser ihm ebenfalls über den Erfolg der ersten Polizeikonferenz berichtete; auch Kempen erteilte ihm Überwachungsaufträge. Andererseits korrespondierte Weiss durch den Wochenberichtsverkehr mit den auswärtigen Polizeibehörden und empfing Nachrichten aus dem weiteren Umkreis der Monarchie. Er erbat etwa von Kempen einen Gendarmerieoffizier; dieser sollte sich für acht Tage nach Baden (Niederösterreich) begeben, um dort »einen guten Fang« zu machen bei Radikalen, Kompromittierten und Altkonservativen; hier reichte sein mittelbarer Wirkungskreis über Wien hinaus. 108 105 106
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Vgl. oben, S. 123 Anm. 2. Bericht Weiss' 20. 4.1851 an Bach, HHStA Wien IB, A-Akten, Krt. 14, Bl. 232-239 ( = Original); Abschrift davon in BayHStA München MInn 45549. Vgl. oben, S. 316f. Kempen: Tagebuch 26. 7.1851, S. 221; vgl. auch die auf Weiss bezüglichen Eintragungen 25.8.1851, S. 224; 13.9.1851, S.227f.; 18.10.1851, S. 229; 24.10.1851, S. 230; 15. 11.1851, S. 232.
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Abgesehen davon, daß Weiss in guter Beziehung zu dem mit Kempen rivalisierenden Innenminister stand, hegte Kempen bereits in seiner Zeit als Militärgouverneur eine psychische Abneigung gegenüber dem Stadthauptmann. Als dieser ihm nach seiner Ernennung am 8. 6.1851 eine Aufwartung machte, vermerkte Kempen in seinem Tagebuch: »ein roher, anmaßender Polizeiagent«. 1 0 9 Bald darauf kritisierte er vor dem Kaiser an Weiss, daß dieser »im Eifer sehr viel verderbe«. 1 1 0 Kempen witterte überall »Intriguen des Stadthauptmanns Weiss gegen die politisch-polizeiliche Sektion des [Militär-]Gouvernements«. m Die Verstimmung ging so weit, daß ihm Nachrichten, die von Weiss herzurühren schienen, als >widerlich< vorkamen. 1 1 2 Der durch geheimpolizeiliche Auslandsaufträge erfahrene Polizeirat Felsenthal (als österreichischer Agent 1851 auf der Londoner Industrieausstellung) machte offen Opposition gegen Weiss, ließ sich von ihm nicht mehr verwenden und bestärkte nur Kempens Urteil, als er klagte »über die Plumpheit des Herrn Weiss« und meinte, »man müsse zwar mit fester Hand die Zügel der Ordnung und Sicherheit führen, jedoch stets mit Glacehandschuhen versehen sein«. 1 1 3 Die Zermürbung ging noch weiter: Auf offizielle Behauptungen hin, es gebe in Wien Demokratenklubs, war Weiss so erbost, daß er ankündigte, um ein anderes Amt anzuhalten, wozu Kempen lakonisch vermerkte: »Mir sehr angenehm«. 1 1 4 A m 14. 3.1853 als Chef der Obersten Polizeibehörde erklärte Kempen gegenüber dem Generaladjutanten des Kaisers Grünne, daß Weiss nicht mehr sein Vertrauen genieße und daß er ihn »los werden« möchte. 1 1 5 Darin war er bald am Ziel, denn am 26. 3.1853 wurde Weiss mit einer Resolution zum Generalinspektor des Gefangenenwesens wegbefördert. 1 1 6 Auf den Posten des Wiener Stadthauptmanns (jetzt: Polizeidirektors) gelangte der Vertrauensmann Kempens Hofrat Maitz, der ihm zuvor als Sektionschef im Departement II der Obersten Polizeibehörde die Angelegenheiten der inneren Staatspolizei bearbeitet hatte. Damit war institutionellen Spannungen ein Ende bereitet, die nur vordergründig auf persönlichen Dissonanzen beruhten. Denn bereits kurz nach Amtsantritt am 1 . 6 . 1 8 5 2 hatte Kempen den Wirkungskreis des Polizeidirektors von Wien empfindlich beschnitten, was dessen impulsiven Ehrgeiz ebenfalls nicht unverletzt gelassen haben konnte: Mit der Begründung der Obersten Polizeibehörde bestimmte Kempen nämlich zugleich die Beziehungen Österreichs zum Polizeiverein neu. A m 24. 6.1852 teilte er Weiss in einem Erlaß mit, daß er »in Angelegenheiten der höheren Staats- oder [!] politischen Polizei« die Kompetenzen allein auf die Oberste Polizeibehörde konzentriert wissen wollte; er entzog dem Wiener Polizeidirektor das Recht, weiterhin in politisch-polizeilichen Angelegenheiten unmittelbar mit den übrigen Polizeivereins-Mitgliedern zu korrespondieren. 109 112 115
Ebd., 8. 6. 1851, S. 218. Ebd., 28. 2.1852, S. 244. Ebd., 14. 3. 1853, S. 283.
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Ebd., 9. 1.1852, S. 239. Ebd., 4. 3.1852, S. 245. Ebd., 26. 3. 1853, S. 284.
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Ebd., 29.10.1851, S. 230. Ebd., 26. 2.1853, S. 281.
In »allen übrigen Zweigen der Polizeiverwaltung«, das hieß hauptsächlich in der gewöhnlichen Sicherheitspolizei, sollte Weiss »die freundschaftlichen Beziehungen« aufrechterhalten, so in den periodischen Mitteilungen der Wochenberichte. Diese entgegenzunehmen und zu beantworten war Weiss von nun ab nur noch befugt, »insofern nicht hierbei Gegenstände der politischen oder höheren Staatspolizei unmittelbar oder mittelbar zur Sprache kommen«. (Das war jedoch ihr eigentlicher Zweck!). In diesen Fällen verlangte Kempen sofortige Vorlage und wollte selbst über die Art der Antwort entscheiden. Insgesamt veränderte der Polizeichef von österreichischer Seite aus grundsätzlich den Wochenberichtsverkehr; denn er wollte die ursprünglichen »politischen Wochenberichte in einfache >Polizei-Wochenberichte< umgeändert« wissen, die von der Polizeidirektion Wien auszugehen hatten: »politisch-polizeiliche Daten« blieben fortan in Form unregelmäßiger sogenannter »Mittheilungen aus Wien« an die Polizeivereinsmitglieder seiner Behörde, das hieß speziell dem Departement I unter Engelshofen, vorbehalten. Fortan hatte die Oberste Polizeibehörde für die anderen Polizeivereinsmitglieder als Adressat zu gelten. Kempen ließ mit Unterstützung Buols sämtliche beteiligten Regierungen über die österreichischen Gesandtschaften informieren. 117 Bei den anderen Polizeivereinskommissaren, vor allem in Berlin und Hannover, erzeugte die Ausschaltung der Wiener Polizeidirektion aus der politisch-polizeilichen Korrespondenz und die praktische Paralysierung der ursprünglich vereinbarten Form der >WochenberichteRevolutionsparteiPublicistfein gesponnen< sei. Wie Anm. 125. Vgl. oben, S. 334.
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zerfallen«. Bliebe Österreich dennoch darin, würde dieselbe »in eine societas leonina übergehen, wo von der Einen Seite Nichts geleistet, und doch an dem gemeinsamen Erfolge participirt werden wolle«.128 Hier setzten sich die Mitglieder mit der Binnenstruktur ihrer Organisation auseinander, mit der Rollenverteilung und der inneren Dynamik. Wie sich die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt darboten, blieben sie nicht fortdauernd; in Abhängigkeit von der gesamtpolitischen Zeitlage ergaben sich charakteristische Verschiebungen und Rollenwechsel, so daß etwa Österreich energisch für den Fortbestand des Polizeivereins eintrat, als Preußen ihn auszuhöhlen trachtete. Der Mailänder Aufstand und das Wiener Attentat im Februar 1853 hatten für Kempen das Schreckbild einer gesamteuropäischen, an den Zentren Mailand, Wien und Paris entfesselten Revolution glaubhafter, ihre Chancen aussichtsreicher werden lassen. Entsprechend wandelte sich seine Stellung zum Polizeiverein gründlich. Als er knapp zwei Wochen nach dem Attentat den Hofsekretär Wagner am 6. 3.1853 als Beauftragten der Obersten Polizeibehörde ankündigte, an der Polizeikonferenz am 22./23.5.1853 in Hannover teilzunehmen, fügte er hinzu, daß mir daran liegt, daß Österreich an dem Bunde der Repräsentanten der polizeilichen Interessen Deutschlands unausgesetzt Antheil nehme, und zur Förderung einer gemeinsamen Thätigkeit mit beitrage.129
Fortan nahm stets ein hoher Beamter der Obersten Polizeibehörde an den Polizeikonferenzen teil, in der Regel der Sektionschef des Departement I, und zwar von den nach Hannover 1853 noch folgenden fünfzehn Konferenzen siebenmal Engelshofen, nach dessen Tod im Februar 1860 viermal sein seitheriger Sekretär und Nachfolger als Sektionsrat Hiersch. Nachdem Engelshofen im September 1853 erstmals an einer Polizeikonferenz teilgenommen hatte, fiel sein Rechenschaftsbericht so günstig darüber aus, daß Kempen Außenminister Buol gegenüber dazu hervorhob, es habe die »vollständigste Verständigung unter den Mitgliedern« stattgefunden, die »nur von einem und demselben Interesse geleitet würden« und die »zur Verwirklichung eines einheitlichen Vorganges bei der Bekämpfung der Umsturzpartei auf dem Felde der Polizei Hand in Hand« gingen und bei Verfolgung dieses wichtigen Zwecks vor allem durch Österreich und Preußen »kräftigst unterstützt« werden müßten. In diesem Fall war die gemeinsame nachrevolutionäre Abwehrfront der Großmächte, die das politische Leben in der Bevölkerung global niederhalten und kontrollieren wollten, intakt. Kempen schien auch das Urteil des württembergischen Königs anläßlich des Empfangs der Polizeivereinskommissare bedeutungsvoll, »wobei der Monarch über die Wichtigkeit der von den Polizeichefs verfolgten Zwecke sich aussprach«. 130
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Weiss' Bericht 24. 10. 1852 über die Polizeikonferenz Dresden 12. 9. 1852, wie Anm. 125, Bl. 510-518. Kempen 6. 3. 1853 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 151. Kempen 28.10.1853 an Buol, HHStA Wien IB, Actes de haute police, Krt. 30.
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Dennoch blieb das Urteil über den Polizeiverein bei Kempen schwankend und wurde anscheinend stark von den Augenblicksbeurteilungen des Kaisers bestimmt: War dieser »sehr entrüstet über die zu Aachen erfolgte Freilassung des Hochverräthers Horväth« (des ungarischen Bischofs von Csanäd und Gefolgsmanns Kossuths) und äußerte er sich in diesem Zusammenhang über den Polizeiverein, so legte Kempen ebenso wie Franz Joseph »keinen Wert auf die Konferenzen der verbündeten deutschen Polizeidirektionen«, und es erschien ihm wichtiger, die österreichischen Polizeiorgane im Ausland von anderen Regierungen wie gerade in einem speziellen Fall von der französischen - »ganz unabhängig gemacht« zu haben. 131 Ein Jahr später verursachte Kempen die erste schwere Existenzkrise des Polizeivereins. Hinwiederum ließ er im Jahre 1857 eine Polizeikonferenz, die er im Jahre zuvor als Institution hatte abschaffen wollen, in Wien abhalten!132 Fortan entsandten er und seine Nachfolger regelmäßig Abgeordnete des Departement I zu den Polizeikonferenzen.
II. Preußen 1. Aspekte zur Berliner Polizei im Revolutionsjahr 1848 Berlin war neben Wien und Frankfurt 1848 zu einem Zentrum der Revolution geworden. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die inneren Verhältnisse der Berliner Polizei. Mit personellen Veränderungen setzte das Innenministerium Signale, daß die alte Ära vorbei war. Innenminister Auerswald bezeichnete es unter den derzeitigen Verhältnissen als »unerläßlich«, den seitherigen Justitiar des Berliner Polizeipräsidiums Regierungsrat Grano zu versetzen: Dieser kam zum 1. 7.1848 an die Oberrechnungskammer nach Potsdam.133 Als bestbekannter und meistgehaßter Repräsentant der Berliner Polizei galt der langjährige Leiter der gesamten Kriminalpolizei und gleichzeitige Direktor des in Berlin bestehenden Inspektionsbüros für die Eisenbahn, Polizeidirektor Duncker. Er benutzte diesen Posten, um den Fremdenverkehr auf der BerlinLeipziger Eisenbahn zu überwachen und Meldungen über verdächtige Personen oder drohende Menschenansammlungen weiterzugeben. Über Duncker kursierte 1848 in Berlin die Flugschrift: »Der Polizei-Direktor Duncker und der absolute Polizei-Staat«.134 Am 17. 4. 1848 wurde der Polizeidirektor seines Postens enthoben und erhielt statt des etatmäßigen Gehalts von 1000 Talern nunmehr nur noch 560 Taler 131 132 133
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Kempen: Tagebuch 12. 7.1855, S. 369. Vgl. ebd., 9.6.1857, S. 433. Antrag Auerswald 24. 6. 1848 an den König, ZStA Merseburg, Kabinettsakten 2. 2. 1. Nr. 14947, Bl. 89f. Nachweis in: Verzeichniß der Friedlaenderschen Sammlung zur Geschichte der Bewegung von 1848. [Hrsg. v.] Magistrats-Bibliothek zu Berlin. Berlin 1897. Ndr. Vaduz 1979, S. 106, 127.
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Wartegeld. 135 So verfuhr die preußische Regierung, wenn sie einen ihr unentbehrlichen oder verdienten Polizeibeamten gegenüber der Öffentlichkeit zurücknehmen mußte, ihn aber für zukünftige Fälle weiter zu verwenden gedachte, wie es Duncker ebenso geschah wie nach 1860 dem noch näher zu behandelnden berüchtigten Polizeidirektor Stieber. 136 Es existiert eine Legende von der angeblichen Beliebtheit und Popularität des Polizeidirektors Duncker unter der Berliner Bevölkerung. 137 Seine eigene Einschätzung sprach dagegen, denn er glaubte sich als der »Sündenbock für alles von Oben Kommende verschrien«, so als sei er der Exponent des vorausgegangenen Polizeisystems.138 Unter diesen Verhältnissen hielt sich der ohnehin nicht zu scharfen polizeistaatlichen Maßnahmen neigende Polizeipräsident der Revolutionszeit, Minutoli, zurück. Er erstattete Friedrich Wilhelm IV. indessen regelmäßig Berichte über die Volksstimmung. So teilte er am 1.5.1848 die gefährliche Stimmung gegenüber dem Prinzen von Preußen (dem späteren Wilhelm I.) mit und riet, dieser möge noch nicht sogleich aus seinem Zufluchtsort London nach Berlin zurückkehren. Auf die Frage, ob eine Gefahr für die persönliche Sicherheit des Monarchen bestehe, wußte er zu berichten: »Es handelt sich jetzt übrigens nicht darum, Euer Majestät nach dem Leben zu trachten, sondern Allerhöchstdieselben zu Concessionen zu bewegen«. 139 Um Materialien über die Volksstimmung zu gewinnen, bediente man sich allerdings auch während der Revolutionsmonate kontinuierlich der in Fragen der Überwachung und politischen Polizei erfahrenen Beamten. Bahnpolizeikommissarius Goldheim, der Untergebene Dunckers, lieferte weiterhin Rapporte der Berlin-Stettiner Bahnpolizei und meldete beispielsweise die Ankunft von Garde135
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Duncker 17. 4. 1848 an Polizeipräsident Minutoli, StA Potsdam Pr. Br. Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8007, Bl. 127. Angesichts der aktuellen, durch die Revolution verursachten Situation war ein »Allerhöchster Erlaß vom 14. Juni 1848., betreffend die Bewilligung von Wartegeldern an disponible Beamte« notwendig geworden (Gesetz-Sammlung 1848, S. 153); darin wurde für Beamte - wie Duncker - , die schon »zur Disposition gestellt« waren und solche, die »mit Rücksicht auf die bevorstehende Umbildung der Staatsbehörden vorläufig zur Disposition zu stellen sein werden«, bestimmt, Wartegeld bis zur Rücknahme in den öffentlichen Dienst oder bis zur Pensionierung zu zahlen; das waren ab 1200 Taler Jahresgehalt die Hälfte, darunter genau nach Liste gestaffelt. Was auch für stillgesetzte Polizeibeamte wichtig war, legte die Verpflichtung fest, »nach ihrer Befähigung mit möglichster Berücksichtigung ihrer früheren Verhältnisse mäßige Hülfe im Staatsdienste zu leisten«. Duncker hatte alsbald geheimpolizeiliche Missionen in Paris auszuführen. J. D. H. Temme: Erinnerungen. Hrsg. v. Stephan Born. Leipzig 1883, S. 240-253. Duncker, Magdeburg (!), 23. 3.1848 an Nichtgenannten; hier nannte er als seine nächste Adresse die des ihm befreundeten Polizeirats Eberhardt in Gotha, wie Anm. 135, Bl. 147f. - Hinckeldey protestierte im Sommer 1849 heftig gegen eine Wiedereinstellung Dunckers, denn das würde »mit der Meinung des gebildeteren und zu beachtenden Theils des Publikums in dem schärfsten Widerspruch« stehen; 20. 6.1849 an Manteuffel, wie Anm. 135, Bl. 145f. Minutoli 17. 6.1848 an Friedrich Wilhelm IV. ZStA Merseburg, H. A. Rep. 50 J 857, Bl. 6.
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reservisten aus den Provinzen und wohin diese sich begaben sowie die Anreise von Arbeitern; sein Kollege Schultz zeigte bei der Anhaltischen Eisenbahn die Abfahrt von Rekruten nach Wittenberg an; man verfügte im August bereits wieder über geheime Agentenberichte; Polizeirat Hofrichter, lange dem Sicherheitsbüro (IV. Abteilung des Polizeipräsidiums) verbunden, notierte Personalia verdächtiger Personen. 140 Auch blieb das Polizeipräsidium nicht ohne amtlich vermittelte Kenntnis, was sich außerhalb der Landesgrenzen, vor allem am zweiten revolutionären Brennpunkt Wien, zutrug. Nach dem Beginn der mit militärischen Mitteln eingeleiteten Gegenrevolution in Wien am 6.10.1848 hatte sich der dortige Reichstag spätnachmittags am 7. 10. 1848 für permanent erklärt. 141 Am 10. 10.1848 war dem neuen Berliner Polizeipräsidenten Bardeleben auf dem Weg einer eingegangenen telegraphischen ihm weitergeleiteten Depesche die Tatsache bekannt. 142 Dieser Einsatz der Telegraphie für polizeiliche Zwecke erscheint bemerkenswert zu einem Zeitpunkt, als man das Netz gerade auszubauen begann. Auch Probleme der >höheren< in die Diplomatie reichenden Polizei ruhten nicht. Mit dem Sturm aufs Zeughaus waren in Berlin neukonstruierte Zündnadelgewehre entwendet und an die französische Gesandtschaft verkauft worden, so daß sich dem Polizeipräsidenten die Frage aufdrängte, ob er sie zurückzukaufen versuchen sollte, da die Konstruktion noch »Staatsgeheimnis« sei.143 Fünf verschiedene Innenminister 144 und drei verschiedene Polizeipräsidenten für Berlin 145 im Jahre 1848 signalisierten die Konzeptionslosigkeit der für die Polizei zuständigen Behörden. Aus dem gesamten Umgang des Monarchen mit dem Innenministerium und mit der Polizei - vor allem der politischen - während der nachfolgenden Reaktionszeit ist jedoch ersichtlich, daß Friedrich Wilhelms IV. tieferliegendes Kalkül lautete, so lange nachzugeben, bis sich die Situation dahin konsolidiert hatte, daß sich gezielte polizeistaatliche Mittel einsetzen ließen.
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Rapport Goldheims 20. 7.1848, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 13912; ders., 24. 7., ebd., Bl. 66 u. weitere Berichte; Rapport des Polizeikommissars Schultz 24.7., ebd., Bl. 67; Agentenbericht Aug. 1848, ebd., Bl. 107; Bericht Hofrichters 17. 8.1848, ebd., Bl. 114f. Vgl. Verhandlungen des österreichischen Reichstages nach der stenogr. Aufnahme. Bd. 1-5. Wien 1848/49, Ndr. Wien 1970, Bd. 3, S. 18f.; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 711. Wie Anm. 140, Bl. 150. Minutoli 16. 6.1848 an Außenminister Arnim-Suckow, ebd., Bl. 40. Ernst von Bodelschwingh 8. 7.1845-19. 3. 1848; Alfred von Auerswald 19. 3-25. 6. 1848; Friedrich von Kühlwetter 25. 6.-21. 9. 1848; Franz August von Eichmann 21. 9.-8.11. 1848; Otto von Manteuffel 8. 11.1848-19.12.1850; vgl. Hubatsch: Verwaltungsgeschichte Bd. 12, S. 127; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 750f. Julius von Minutoli 11.7.1847-30.6.1848; Heinrich Moritz Albert von Bardeleben 30. 6.-18.11.1848; Karl Ludwig von Hinckeldey 18.11.1848-10. 3.1856; nach Stendel: Polizeipräsidium Berlin (vgl. oben, S. 8), Bl. 10; bei Hubatsch, Bd. 5, S. 42f. fehlen die exakten Daten.
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Die Berufung des Freiherrn Otto von Manteuffel am 8 . 1 1 . 1 8 4 8 zum Innenminister und des Dirigenten (Abteilung des Innern) beim Regierungspräsidium Merseburg, Karl Ludwig von Hinckeldey, am 1 8 . 1 1 . 1 8 4 8 auf den Posten des Berliner Polizeipräsidenten setzten die entscheidenden Marksteine zur Einleitung der innenpolitischen Reaktion. An Hinckeldey werden - zu Recht - Verwaltungserfahrung, Organisationstalent und Konzeptionsvermögen gerühmt, womit er Bedeutendes für die Modernisierung Berlins zur Großstadt leistete (Armenwesen, Straßenreinigung, Speise-, Wasch- und Badeanstalten, Dienstbotenherbergen, Feuerlöschwesen, Versorgung Berlins mit fließendem Wasser usw.). 146 Diese Fähigkeiten verwertete er allerdings ebenso in umfassender Weise für eine zielstrebige Ausgestaltung der Polizei. Dabei verhalfen ihm seine exzeptionelle Stellung innerhalb der preußischen Zentralbehörden und sein besonderes Vertrauensverhältnis zum König, die politische Polizei als jederzeit verfügbares und schlagkräftiges Werkzeug zu organisieren und durch die ausgebaute Kriminalpolizei an Einfluß noch zu steigern. Wie zielstrebig Hinckeldey vorging, zeigte sein Bericht über die »Organisation der Democratic«, den er wenige Wochen nach Amtsantritt am 2 8 . 1 2 . 1 8 4 8 dem Innenminister einreichte. 147 Er schilderte darin die Zentralisationstendenzen unter den demokratischen Vereinen, die einen Zentralausschuß von fünf Mitgliedern (Fröbel, Rau, Kriege, Hexamer, Meyen) mit Sitz in Berlin gegründet 148 und daneben für Frankfurt eine Kommission von gleichfalls fünf Mitgliedern (Zitz, Bayrhoffer, Ronge, Metternich, Mohr) eingesetzt hätten, 149 diese sollten die Bildung von Kreisausschüssen und regelmäßige Verbindung der Lokalvereine untereinander anbahnen. Der Polizeipräsident zählte über 200 demokratische Vereine in Deutschland. Wie auch in Österreich, Baden, Württemberg, Sachsen, Hannover und Bayern nachweisbar, gehörte es zur allgemeinen Technik der systematisch operierenden politischen Polizei, möglichst bald über Namenslisten zu verfügen. Im Zusammenhang mit seinem Bericht bemerkte Hinckeldey dazu: Die hinten verzeichneten Namen sind meist für Süddeutschland von Werth, inzwischen dürfte es nothwendig seyn, hierüber zuverlässige Listen zu besitzen. Und ich habe eine solche Liste anlegen lassen.
Bereits hier zu Ende des Jahres 1848 deutete sich die - Hinckeldeys Konzeption bestimmende - Notwendigkeit einer zwischenstaatlichen Kooperation der deutschen Polizeibehörden untereinander an, die ihren Höhepunkt im späteren Polizeiverein fand. Zu diesem Zeitpunkt besaß der Polizeipräsident eine Liste mit 224 Namen von den »wirksamsten demokratischen Führern«, darunter - um die
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Vgl. zu Hinckeldey bes. Berthold Schulze: Polizeipräsident Carl von Hinckeldey. In: Jb. f. die Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands Bd. 4 (1955) S. 81-108. Hinckeldey 28. 12.1848 an Manteuffel, ZStA Merseburg Rep. 92 O. v. Manteuffel, Tit. II Nr. 48 Vol. 1. Vgl. dazu Botzenhart: Parlamentarismus, S. 339; hier auch Näheres zu den Betroffenen. Vgl. dazu ebd., S. 340f.
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Bandbreite zu veranschaulichen - Bamberger/Mainz, Diezel/Nürnberg, Dronke/ Marburg, Freiligrath/Düsseldorf, Kinkel/Marburg, Lüning/Bielefeld, Ronge/Breslau, Schapper/Wiesbaden und Zitz/Mainz. Um sich derartig schnell über wichtige Vorgänge in den politischen Bewegungen und die Namen ihrer Exponenten klarzuwerden, bedurfte der einer Provinzregierung entstammende, ortsfremde Hinckeldey kundiger Zuträger; für die besaß der Polizeipräsident ein außerordentliches Gespür. Er fand solche nicht allein unter den Beamten des Polizeipräsidiums, sondern auch außerhalb, indem er geheimpolizeiliche Fäden, die in den letzten Jahren des Vormärz abgerissen waren, wieder anzuknüpfen verstand. Zur Schlüsselfigur wurde für ihn der Literat und Journalist Dr. phil. Franz Carl Jacoby, der seit 1834 unter dem damaligen Innenminister Gustav von Rochow wichtigste geheimpolizeiliche Missionen wahrgenommen hatte. Bereits 1848 wußte sich Hinckeldey seiner zu bedienen, um tägliche Mittheilungen über hiesige Zustände und über die wichtigsten Begebenheiten und das politische Treiben in den verschiedenen Kreisen der hiesigen [Berliner] Bevölkerung, so wie über deren Beziehungen nach Außen zu erhalten.150
Er rühmte als dessen Qualitäten: Seine große Bekanntschaft mit den bekanntesten Literaten und mit distinguirten Personen macht ihn zum lebendigen Tagebuch über alle wichtigern Begebenheiten und über die Richtungen, welche die Parteien einschlagen.
Jacoby gab die wichtigsten Hinweise bei der »Unterdrückung einer niedrigen Localpresse und des verderblichen Clubbwesens«.151 Im Rückblick am 18. 6. 1851 beurteilte der Polizeipräsident Jacobys Wert zu Beginn seiner Amtszeit noch unverändert: „Er hat in den trübsten Tagen der Neuzeit unausgesetzt mit gleichem Eifer dem Polizeipräsidium als Referent gedient« - allerdings zunächst ohne feste Dienstbeziehung nur auf Honorarbasis eines Konfidenten. Die Informationen und Hinweise gingen weit über einzelne Nachrichten zu Personen und politischen Vereinen hinaus und trafen oft Grundsätzliches, was Hinckeldey andeutete, als er sich um eine Dauerstellung für Jacoby beim Innenminister verwendete: Ich verdanke ihm Anregungen der wichtigsten Art, um auf gewisse legislative Bestimmungen hinzuwirken, und sein wirklich provetischer [!] durchdringender Blick ist mir vielfach leitend gewesen bei meinen Anordnungen. 152
Was mit den Legislativen Bestimmungen gemeint war, enthüllte Hinckeldey gegenüber dem Monarchen am 5.12.1848, dem Tag, als die Berliner Nationalversammlung aufgelöst und eine Verfassung für Preußen oktroyiert worden war! Er machte auf die Notwendigkeit eines Gesetzes über die Presse und eines über Assoziationen aufmerksam, bevor der Belagerungszustand aufgehoben werde: 150
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Hinckeldey (Konzept Lüdemann) 21. 12. 1848 an Manteuffel, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8170, Bl. 5-9. Hinckeldey 18. 6.1851 an Innenminister Westphalen, ebd., Bl. 12-15. Wie Anm. 151.
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Man hegt hier in allen gebildeten Kreisen die sichere Befürchtung, daß, wenn dies nicht geschieht, die Stadt Berlin den gefährlichsten Bewegungen ausgesetzt werden wird.153
Damit umriß der Polizeipräsident die zukünftigen Hauptarbeitsfelder der politischen Polizei: Presse und politisches Vereinswesen; für ihre Spezialitäten hatte ihm Jacoby die Augen geöffnet; die organisatorischen Konsequenzen im Polizeipräsidium waren dann Sache des Verwaltungs- und Polizeimanns Hinckeldey. 2. Die Stellung Hinckeldeys: Vom Berliner Polizeipräsidenten zum heimlichen Polizeiminister Die Organisation der politischen Polizei in Preußen nach der Revolution von 1848/ 49 ist nicht durchsichtig zu machen, solange die institutionell schwierige Stellung des 1848 als Berliner Polizeipräsident angetretenen Hinckeldey nicht geklärt ist. Es ist längst bekannt, daß sich dieser massiv einer politischen Polizei bediente, 154 auch, daß daraus institutionelle Konflikte besonders mit Innenminister Westphalen erwuchsen 155 - welche Bedeutung und Handlungsmöglichkeiten er im Gesamtgefüge der Monarchie besaß, ist jedoch ebenso unzureichend analysiert worden wie der Nachdruck, den speziell Friedrich Wilhelm IV. dem Auf- und Ausbau einer organisierten politischen Polizei verlieh. Vom Monarchen ging letztlich jeder maßgebliche Impuls zur Durchführung der innenpolitischen Reaktion aus. Seit dem Jahre 1848, verstärkt noch seit dem Attentatsversuch vom Mai 1850, beherrschte ihn eine geradezu manische Angst vor Revolutionären, Agitatoren, Demagogen und >Demokraten< überhaupt. 156 Angesichts dessen war es äußerst folgenreich, daß Hinckeldey unter den Amtsträgern zu seinem wichtigsten Vertrauten wurde, den er als »theuerster Hinckeldey« anredete, dem der »Achtung und Freundschaft« versicherte, dem er - in gewohnter Weise übertreibend - »zum 1000. Male« beteuerte, er könne ihn als Berliner Polizeipräsidenten nicht missen, »bis das gefürchtete Jahr 52 verlassen ist«. 157 Dahinter stand seine Befürchtung, der Staatsstreich Napoleons III. vom 153
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Immediatbericht Hinckeldeys 5 . 1 2 . 1848, abends 10 Uhr, an Friedrich Wilhelm IV., ZStA Merseburg H. A. Rep. 50 J 512, Bl. 1. Vgl. die genannten zeitgenössischen Titel von Eichhoff (oben, S. 19), Ladendorf (oben, S. 20) sowie allg. Obenaus: Sicherheitspolizei, S. 128f.; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 169-174. Vgl. hierzu bes. Sybels posthum veröffentlichten Vortrag, der allerdings ohne Quellennachweise (aus GStA Berlin, Bestände des Hausarchivs, Innenministeriums, Nachlaß Manteuffel) erschien als Heinrich von Sybel: Carl Ludwig von Hinckeldey 1852 bis 1856. In: HZ Bd. 189 (1959) S. 108-123; ferner, wenn auch apologetisch verzerrend und die eigentlichen Konflikte übertünchend Ferdinand von Westphalen: Der Generalpolizeidirektor v. Hinkeldey [!] und der Minister des Innern v. Westphalen. In: H Z Bd. 78 (1897) S. 4 6 1 ^ 6 8 . Vgl. die sehr treffende psychologische Charakterisierung des Königs bei Gerhard Kutzsch: Friedrich Wilhelm IV. und Carl Wilhelm Saegert. In: Jb. f. die Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands Bd. 4 (1957) S. 133-172. Handschreiben Friedrich Wilhelms IV. 15. 7.1851 an Hinckeldey, ZStA Merseburg Η. A. Rep. 50 J 512, Bl. 12.
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2. 12. 1851 könne eine erneute republikanische »Schilderhebung« in Frankreich und in Folge wiederum den Ausbruch der Revolution in Deutschland auslösen. Gegenüber dem Ministerpräsidenten Manteuffel und dem Innenminister erklärte der König, er hege zu Hinckeldey »die höchste Achtung und Zuneigung« und halte allein ihn für imstande, Sicherheit und »Unschädlichkeit« Berlins zu gewährleisten »und Alles dahin abzielende in dem Geiste zu besorgen, den ich fordre«. 158 Diese Sonderstellung bekundete sich auch nach außen: Hinckeldey hatte das in der Regel nur Ministern vorbehaltene - Recht zum Immediatvortrag; der König verkehrte überdies unter Umgehung des Innenministers, der formal der Vorgesetzte des Polizeipräsidenten war, über sogenannte »Handschreiben« unmittelbar und bisweilen in so unverblümter Weise mit Hinckeldey, daß diesem aufgetragen war, das Empfangene unverzüglich zu verbrennen; das gleiche Verfahren empfahl der Angeschriebene in seinen unmittelbar dem König eingereichten Schreiben, um solcherart eine scharfe Kritik an Westphalen oder durch Stieber auf Befehl des Königs angewandte rechtsbrecherische Praktiken im Verborgenen zu halten. Wenn man diese teilweise dennoch erhaltene höchst vertrauliche, größtenteils unpublizierte Korrespondenz heute vor Augen hat, ersteht nicht - wie von den zeitgenössischen Kritikern wahrgenommen - ein »System Hinckeldey«, sondern ein in alle Lebensbereiche zielender, alle Ressortgrenzen der Tendenz nach sprengender monarchischer Kryptoabsolutismus, nicht weit entfernt von der Herrschaftsweise Franz Josephs in Wien; beide Monarchen bedienten sich dienstbarer >Werkzeuge< mit ausgeprägtem organisatorischen Talent und befähigt, das aufzubauen, was ihnen als das geeignete Instrument zur Revolutionsabwehr erschien: eine umfangreiche politische Polizei. Diese war häufig Thema in den Schreiben zwischen Friedrich Wilhelm IV. und Hinckeldey, und zwar stets ansetzend an dem konkreten institutionellen Problem, wie die Stellung und Kompetenzen des Berliner Polizeipräsidenten auszuweiten seien. Alle gegen den entschiedenen Widerstand Manteuffels und die hinhaltenden, erbitterten Widersprüche Westphalens durchgesetzten Kompetenzzuwächse Hinckeldeys waren ausschließlich getrieben von dem Motiv des Königs, die politische Polizei zu stärken und landesweit bei seinem Vertrauten zu zentralisieren. Wie das geschah, verdient Beachtung, um innere Dynamik und ressortsprengende Problematik dieses Aufgabenfeldes herauszustellen. Unter Manteuffel, der bis zum 19. 12.1850 das Innenministerium leitete, konzentrierte Hinckeldey mit dessen Vorwissen und Genehmigung landesweit die politische Polizei auf Berlin, ein Vorgang praktizierter Macht und nicht formell definierter Kompetenzen, so wie er sich zur gleichen Zeit auch in Hannover unter Wermuth darbot. Hinckeldey formulierte diese Tatsache so:
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Friedrich Wilhelm IV. 13. 6.1852 an Westphalen u. Manteuffel, ebd., Rep. 92 M. Niebuhr IV, 6, Bl. 17.
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Es war eine nothwendige Folge der Ereignisse des Jahres 1848/49 und der Stellung der Stadt Berlin zu dem Ausland und zu dem ganzen preußischen Staat, daß der PolizeiPräsident den größten Theil der politischen Polizei in seine Hand bekam. 159
Den größten Teil, das bedeutete: In Preußen gliederte sich die politische Polizei »in drei für sich agirende Theile«, 1 6 0 einer lag beim Ministerpräsidenten; davon zeugen noch heute die vielen von Agenten stammenden Berichte im Nachlaß Manteuffels; er praktizierte die traditionelle >höhere Polizeidiskretionärer< Gewalt, schließlich drittens der Höhepunkt der Auseinandersetzung, gipfelnd im Rücktrittsgesuch des Innenministers. Der Innenminister antwortete in einem auch vom Ministerpräsidenten abgezeichneten Schreiben auf die beiden Befehle Friedrich Wilhelms vom 2. 4. und 13. 6. 1852.173 Westphalen hielt gleichfalls die Konzentration der politischen Polizei auf Berlin für notwendig und sah das als Folge neuerer Begebenheiten an; dazu zählte er die Verkehrsentwicklung, die Beschleunigung durch die Eisenbahnverbindungen, den damit einhergehenden wachsenden Zustrom und Abgang von Fremden, den Telegraphen und die »mit früher nicht gekannter Schnelligkeit erfolgende Verbreitung von Nachrichten«, insgesamt Zeiterfahrungen, die sich für die Zeitgenossen mitunter in dem Bewußtsein verdichteten, in einem Zeitalter
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Friedrich Wilhelm IV. 2. 4.1852 an Westphalen, wie Anm. 168, Bl. 14. Friedrich Wilhelm IV. 13. 6. 1852 an Westphalen und Manteuffel, ZStA Merseburg Rep. 92 M. v. Niebuhr IV, 6, Bl. 17. Westphalen und Manteuffel 16. 6. 1852 an Friedrich Wilhelm IV., ebd., Bl. 18-24.
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wachsender Beschleunigung von Lebensvorgängen, der Umwälzung alles Bestehenden und insgesamt der >Krise< zu leben. 174 Für die Polizeibehörden erzeugte diese Erfahrung das Bedürfnis nach Konzentrationsvorgängen in allen Bereichen, vor allem jedoch auf dem Gebiet der politischen Polizei. Im Verhältnis des preußischen Innenministeriums zum Berliner Polizeipräsidium kam das zum Ausdruck durch gemeinsame Konferenzen mit Hinckeldey, intensiven mündlichen Geschäftsverkehr, der auch zu Ressortabsprachen führte, nicht zuletzt durch die Einrichtung des innerstaatlichen Wochenberichtsverkehrs, durch den nach Westphalens Worten »in dem politisch-polizeilichen Nachrichtenwesen« mehr Regelmäßigkeit eingeführt worden sei. Der Polizeipräsident könne durch diese enge Zusammenarbeit das Innenministerium »in der allgemeinen Wahrnehmung der politischen Polizei im ganzen Umfange des Staates unterstützen«, so im einzelnen auch durch das zahlreichere Personal beim Polizeipräsidium, vor allem um »durch commissarische Entsendungen geeigneter, speziell instruirter Persönlichkeiten« dem Innenminister beizustehen. 175 Damit insgesamt kennzeichnete Westphalen die inzwischen eingeführte koordinierte Geschäftspraxis, die er als befriedigend und effektiv empfand. Anders beurteilte er die Aufnahme Hinckeldeys unter die Mitglieder des Innenministeriums. Abgesehen von der Überforderung eines einzelnen, hielt er es für »unvereinbarlich mit den Ressortverhältnissen«, vor allem wegen der Aufhebung des Instanzenzuges; denn der Berliner Polizeipräsident vereinigte Lokalpolizei- und Landespolizeiinstanz (der >RegierungPolizeiverein2. Dezember< kann nur: ein Verräther oder ein Narr Ihnen wie mir rathen noch damit zu zaudern«. Er witterte allenthalben neue Verschwörungen, so jüngst bestärkt durch die der Rostocker Handwerksgesellen in Berlin; er befürchtete zugleich ein Bündnis und gemeinsames Handeln >RomsNeue Ära< im Jahre 1859 mit ihrer Neubewertung der politischen Polizei, der Kürzung des geheimen Dispositionsfonds und der im Jahre 1860 erfolgenden, das Polizeipräsidium wieder reduzierenden Geschäftsrevision an. Seit Anbeginn seiner Amtstätigkeit suchte sich Hinckeldey als Helfer in politischen Polizeiangelegenheiten Spezialisten sowohl für sein Büro als auch im exekutiven Bereich der Polizei. Das soll an den Unterorganisationen des Polizeipräsidiums näher erläutert werden, die für die politische Polizei erheblich wurden. 4. Das Vereinsbüro In der Revolution 1848/49 waren Presse und Vereinswesen - neben den parlamentarischen Körperschaften - die Hauptträger politischer Forderungen. Entsprechend groß war der polizeiliche Aufwand, dagegen anzugehen, um sie abzubauen oder zumindest disziplinierend und desintegrierend zu beeinflussen. Das geschah allenthalben durch Vereins- und Preßverordnungen oder -gesetze. Eine solche »Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts« war in Preußen am 11. 3.1850 erlassen worden. 205 Diese Verordnung bereitete den Ortspolizeibehörden viele neue Arbeiten. Denn von nun an hatten die Vorsteher von »Vereinen, welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenhei204 205
StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 10138, Bl. 29. Im Auszug gedr. bei Huber: Dokumente Bd. 1, S. 519-522.
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ten bezwecken«, Vereinsstatuten und Mitgliederverzeichnisse drei Tage nach Begründung des Vereins der Ortspolizeibehörde einzureichen und sich dies dort bescheinigen zu lassen. Alle »Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen«, waren der Polizei vorher anzuzeigen; diese war berechtigt, jederzeit Polizeibeamte zur Beobachtung dorthin zu entsenden; die Beamten konnten die Versammlungen auflösen. Wohlgemerkt handelte es sich nicht lediglich um Vereine, die »politische Gegenstände«, sondern viel weiter gefaßt um alle Vereine, die »öffentliche Angelegenheiten« erörterten. Das konnte auch ein Sparkassen- oder Unterstützungsverein sein. Dadurch erweiterte sich der Kreis der betroffenen Vereinigungen beträchtlich; entsprechend wuchsen die Registrierungs- und Kontrollaufgaben der Polizei. Die überlieferten Aktenmengen zeugen noch heute davon. Ausgenommen blieben nach der Verordnung allein »kirchliche und religiöse Vereine und deren Versammlungen, wenn diese Vereine Korporationsrechte haben«. Hinzu kam, daß a priori jede Vereinigung als beaufsichtigungswürdig zu gelten hatte, sie ihre »öffentlichen« oder »politischen« Absichten unter einem Deckmantel vorgeschobener Art verbergen konnte. Das Beispiel des im März 1849 gegründeten »Treubund für König und Vaterland (Royalisten-Bund)« soll zeigen, wie weit die Kontrolle des politischen Vereinswesens ging, das heißt, wie prinzipiell sie erfolgte und daß sie vor der rechtlichen Normierung am 11. 3.1850 bereits zur polizeilichen Praxis gehörte. 206 Der Bund konnte für die Regierung in jeder Hinsicht als politisch unverfänglich gelten: Sein Gründer Ferdinand Habel, Geheimsekretär im Kriegsministerium, reichte am 26. 3.1849 dem Polizeipräsidium die Statuten mit Bitte um Genehmigung ein; sein Schreiben trug zugleich als Marginalie den Kommentar des Generalfeldmarschalls Wrangel, er könne nur wünschen, daß der Treubund bestens gedeihe. 207 Dem Bund gehörten vorwiegend Mitglieder der bürgerlichen und höheren Gesellschaftsschichten an: Kaufleute, Fabrikanten, Handwerksmeister, Beamte, darunter Lehrer, Hof- und Verwaltungsbeamte, Angehörige des Militärs, aber auch Wachtmeister der Schutzmannschaft. Dabei wuchs die Mitgliederzahl zunächst beständig. 208 Der Bund gab sich so regierungstreu, daß er gar den Polizeipräsidenten zu seinen Festen lud; Hinckeldey bedauerte dazu einmal »in Wahrheit recht von Herzen durch dringende Dienstgeschäfte verhindert zu sein, an diesem wahrhaft patriotischen Feste nicht Antheil nehmen zu können«. 209 206
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Die vorl. Darstellung fußt auf den Akten StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 95 Sect. 5 Nr. 15476-15479; vgl. auch Hubertus Fischer: Der »Treubund mit Gott für König und Vaterland«. Ein Beitrag zur Reaktion in Preußen. In: Jb. f. die Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands Bd. 24 (1975) S. 60-127; Fischer konnte diese Akten (S. 62 Anm. 10) nicht benutzen, dafür aber den Nachlaß des führenden TreubundMitgliedes Frhr. Leopold von Ledebur. StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 95 Sect. 5 Nr. 15476, Bl. 1. Nach Mitgliederverz. vom 4. 1.1850, ebd., Nr. 15477, Bl. 7-10; Dez. 1858 verfügte der Bund über 2099 Mitglieder, ebd., Nr. 15479, Bl. 109. Schreiben Hinckeldeys 26. 6.1849, ebd., Nr. 15476, Bl. 13.
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Gleichwohl beauftragte Lüdemann Hofrichter mit einer Recherche zu der Frage: »Was ist über die persönlichen Verhältnisse des Grafen Luckner, welcher hierselbst Vorsitzender des Treubundes ist, bekannt?« 210 Jedesmal, wenn der Treubund eine Versammlung ankündigte, wurde ein Beamter, darunter bevorzugt der politisch-polizeilich erfahrene Polizeileutnant Greiff, beauftragt, an der Sitzung teilzunehmen; die anschließenden Berichte befürworteten häufig, künftig doch von der Überwachung abzusehen, was jedoch in der Regel nicht geschah. Jede Selbstorganisation einer Vereinigung mit politischen Absichten galt gegenüber dem Anspruch des Staats auf das Monopol der Politik verdächtig, mochten die Bestrebungen auch erkenntlicherweise noch so regierungstreu sein; das Gefürchtete war die Tatsache der Organisiertheit per se, unabhängig von ihren Inhalten, sofern diese nur politischen Anschein hatten. Ein einzelner Vorgang stellte die Haltung der Behörden den Vereinsbestrebungen gegenüber scharf heraus: Als wegen innerer Zerwürfnisse ein Vorstandsmitglied des Bundes eigenmächtig versuchte, die Unterstützung des Polizeipräsidiums zu gewinnen, die Statuten zu ändern, geschah das mit einem Vorschlag, die Mitglieder nach zwei Graden in »Profane« und »Eingeweihte« zu scheiden; nach Art eines Geheimbundes sollten die unter strengen Vorprüfungen auszuwählenden »Eingeweihten« dem Vorsitzenden vierteljährlich Berichte abliefern; unter anderem zählte zu ihrer Aufgabe, unter weiser, scharf beobachtender Leitung in das soziale Leben einzudringen, der bösen Partei klug nachzuspüren und selbige auf ihren Wegen und in ihren Schlupfwinkeln aufzusuchen.211
Diese Absicht hätte inhaltlich eigentlich den Bestrebungen unter Hinckeldey entgegenkommen müssen, so weit wie möglich über verdächtige Bewegungen in der Gesellschaft etwas zu erfahren. Jedoch legte der Vorschlag zum einen die Entscheidung darüber, was >böse< sei, in das Ermessen der Mitglieder und nicht des Staates. Zum andern bildete das Projekt die Struktur der früheren politischen revolutionären Geheimbünde nach212 und bot - trotz der für die Regierung lautersten Absichten - die Gefahr, der Kontrolle des Staates sich zu entziehen und einen >Staat im StaateExpedient< für diese »Branchen« - wie man auch sagte - tätig. Institutionell hatte sich also die staatspolizeiliche Abteilung nicht vollständig gelöst, denn die hier getroffenen Entscheidungen gingen stets - als politisch-polizeiliche (PJ I) »unmittelbar von dem Präsidenten« aus.222 Der Dezernent des Vereinsbüros (zunächst Raffel, ab Mitte März 1855 der Staatsanwalt Homeyer) und sein Sekretär Caspar sowie der zugehörige Registrator Rudolph bildeten mit ihren drei Zimmern im Präsidialbüro den Schwerpunkt der politischen Polizei unter Hinckeldey und dessen Nachfolger Zedlitz; durch ihre Hände gingen die Polizeivereinskorrespondenzen sowie der Wochenberichtsverkehr des In- und Auslands; sie konzipierten die Schreiben an den Innenminister und entwarfen die von Berlin ausgehenden Wochenberichte sowie die preußischen Materialien zu den Polizeikonferenzen, wobei ein Teil der Geschäfte im Präsidialbüro, ein anderer im Vereinsbüro abgewickelt wurde, jedes nicht ohne Gegenzeichnung des Polizeichefs. Mit ihrem Wirkungskreis waren sie den übrigen Abteilungen übergeordnet, das hieß, sie konnten sie für ihre Zwecke und Bedürfnisse einsetzen. Wie die Praxis aussah, zeigt die Bearbeitung eines Berichts des inzwischen zum Polizeiinspektor beförderten Goldheim vom 5.12.1856 mit dem Titel: »Gedrängter Ueberblick des gegenwärtigen Standes und Treibens der Demokratie in Berlin und deren Beziehungen zu der auswärtigen Umsturzpartei«. 223 Dazu verlangte Homeyer als
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besondere Dienststelle für politische Angelegenheiten geschaffen, die mit einem Regierungsrat, einem Polizeirat und genügendem Büro- und Exekutivpersonal besetzt war und lange Zeit den Ansprüchen genügte.« Revisionsbericht der Geh. Oberregierungsräte Wenzel u. Noah Jan./März 1860, StA Potsdam, Tit. 94 Nr. 12567, Bl. 112f. Ebd., Bl. 112. Ebd., Bl. 110. StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94, Nr. 12192, Bl. 167.
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Dezernent des Vereinsbüros, den Bericht dem Leiter der Abteilung V (Einwohnermeldeamt) Polizeidirektor Saeger vorzulegen, um die Personen darin, die nicht ortsangehörig waren, herauszufinden. Am 27.12.1856 erhielt Homeyer den Bericht mit den gewünschten Auskünften und mit dem Randvermerk »Zum Vereins-Bureau zurück«. Zugleich richtete Homeyer Anfragen »über das politische Verhalten« der Betreffenden an den Polizeioberst und Dirigenten der Schutzmannschaft Patzke, das heißt der für Berlin zuständigen exekutiven Revierpolizei. An den zurücklaufenden Auskünften ist aufschlußreich, mit welchen polizeilichen Charakterisierungen und Kategorien politisches Verhalten klassifiziert wurde, weil sie nichtgerichtsverwertbare Maßstäbe deutlich machen, die für die Betroffenen durch die Einwirkung der Staatsgewalt gleichwohl empfindliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen konnten. Als Beurteilungen kamen vor: - allgemein als Demokrat bekannt, hat sich in den Jahren 1848/49 eifrig bei den demokratischen Vereinen betheiligt; - ein ruhiger und stiller Mann, der sehr wenig ausgeht, und sich in politischer Beziehung bisher ganz unauffällig gezeigt hat; - er theilt seine Zeit nur in Arbeiten und Trinken ein und wird allgemein als Narr behandelt, auch seit Jahren schon >der überspannte Reactionair< genannt, weil er stets äußert, daß er ein wahrer Preuße sei, und für die Regierung sich aufopfern würde; - Mitglied eines conservativen Vereins und in politischer Beziehung ganz unverdächtig; - lebt still für sich und besucht öffentliche Lokale fast garnicht.224
Homeyer ließ die Charakterisierungen Patzkes in Einzelfällen durch Goldheim überprüfen, der dann mit »unauffälligen Recherchen« die persönlichen Verhältnisse eines Verdächtigen ergründen mußte. War eine weitere Überwachung geboten, gingen die Akten an den Leiter der Kriminalpolizei Polizeidirektor Stieber. Waren die insgesamt so gewonnenen Informationen überregional erheblich, gingen sie in die Polizeivereinswochenberichte aus Berlin ein oder wurden resümiert in den in Abständen wiederkehrenden preußischen Generalübersichten zur Lage der regierungsfeindlichen Parteien; solche Resümees lagen dann als Materialien bei den Polizeikonferenzen des Polizeivereins vor. 225 Die preußischen Polizeipräsidenten erschienen dort stets in Begleitung ihres Referenten für politische Polizei, das heißt des jeweiligen Vorstehers des Vereinsbüros. Der Referent hatte dann jeweils - seitdem man feste Protokolle eingeführt hatte - die Verhandlungen einer Polizeikonferenz zu protokollieren und den anderen Teilnehmern mitzuteilen. Als zu Beginn der >Neuen Ära< der politischen Polizei weniger Bedeutung beigemessen wurde, regten die Revisoren in ihrem Bericht über das Polizeipräsidium im Frühjahr 1860 an, das Vereinsbüro aufzulösen. Daraufhin wurde es noch im gleichen Jahre »vollständig mit dem Präsidialbüro vereinigt«.226
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Wie Anm. 223. Zwei solcher Berichte Preußens zur Tätigkeit »regierungsfeindlicher Parteien« (1855 u. 1858) sind publiziert bei Siemann: >PolizeivereinPerlustrierens< hohe Anforderungen, nicht zuletzt physisch, denn das Büro mußte Tag und Nacht (wegen der Morgenausgaben der Zeitungen) geöffnet sein. 1855 legte der Leiter des Büros in einem Bericht Hinckeldey gegenüber dar, daß seit den sechs Jahren des Bestehens von 14 unterschiedlich eingestellten Beamten nur einer dem Büro erhalten geblieben sei, während die andern theils auf ihren eigenen Antrag, theils weil sie den körperlichen, theils endlich, weil sie den geistigen Anforderungen nicht gewachsen waren, wieder daraus entfernt wurden. 234
Nachdem das Büro ursprünglich nur mit Polizeikräften ausgestattet war - was auf seinen politisch-polizeilichen Ursprung verwies - , bemerkte Hinckeldey bald, Durchsicht und Kontrolle vor allem der zahlreichen politischen Zeitschriften verlangten eine eigenthümliche literarische Vorbildung und Qualification, welche die beim hiesigen Polizei-Präsidium beschäftigten Supernumerarien und Hülfsarbeiter meistens nicht besitzen, und die von ihnen auch nicht gefordert werden kann. 235
Es mußten also von außerhalb der Behörde literarisch erfahrene, kenntnisreiche und gewandte Personen angestellt werden, Qualifikationen, wie sie auch Metternich für seine Konfidenten im Mainzer Informationsbüro vorausgesetzt hatte. Es war kennzeichnend für diese Art politisch-polizeilicher Betätigung, daß sie, obwohl in einem staatlich begründeten Büro eingebunden, Probleme bei der »Anstellungsfähigkeit für den Staatsdienst« bot, wie es amtlich hieß. Für das Mainzer Büro war sie bei dessen Auflösung rundweg ausgeschlagen worden. Auch im Berliner Druckschriftenbüro erlangten die meisten Lektoren diese erstrebte Eigenschaft nicht. Zwar forderte die Oberrechnungskammer in allen Fällen, wo fortlaufende Besoldungen vom Staatsfonds getragen werden sollten, den Nachweis dieser »Anstellungsfähigkeit«; jedoch setzte Friedrich Wilhelm IV. diesen Grundsatz für die Beschäftigten im Druckschriftenbüro durch eine einfache Kabinettsordre außer Kraft. 2 3 6 Man rechnete nämlich damit, daß 231
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Antrag Westphalens 17. 7 . 1 8 5 4 an Friedrich Wilhelm IV., StA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14947, B1.239f. Eingabe des Büroassistenten Lange 11. 8.1851, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 9535, Bl. 33. Nach dem »Verzeichniss der in dem Zeitraum vom lten Juli 1860 bis dahin 1861 bei dem Königl. Polizei Präsidio eingegangenen neuen Sachen«, verf. v. Kanzleichef Friedrich, rechnet 300 Arbeitstage pro Jahr, ebd., Nr. 12568, Bl. 141. Bericht Jacobys 20. 1. 1855, ebd., Nr. 9535, Bl. 51-54. Übernommen in den Antrag Westphalens, wie Anm. 231. A m 22. 7. 1854 auf Antrag Westphalens vom 17. 7.1854, ZStA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14947, B1.239f.
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indeß leicht Fälle eintreten können, in denen die sofortige Entlassung eines dieser Angestellten aus jenem Dienstverhältniß erforderlich erscheint, in diesem Falle das betreffende, zur Dienstleistung in andern Bureaus nicht qualificirte Individuum aus der Verleihung der, wenn auch nur beschränkten Anstellungsfähigkeit Ansprüche an den Staat herzuleiten sich versucht finden mögte. 237
Diese unsichere, auf keinen echten Beamtenstatus gegründete Dienstbeziehung galt indessen nicht für den Leiter des Druckschriftenbüros: Am 8. 9.1853 war der bereits erwähnte, seit 1848 für Hinckeldey geheimpolizeilich tätige Franz Carl (Joel) Jacoby dazu bestimmt worden. 238 Er entsprach mit seiner literarischen, publizistischen Erfahrung und akademischen Ausbildung den Maßstäben, die der Polizeipräsident an dieses Amt legte. Welchen Wirkungskreis besaß das Druckschriftenbüro? Es heißt, es habe im Gegensatz zum sogenannten literarischen Büro< im Staatsministerium nur lokale Bedeutung gehabt. 239 Die 1851 begründete »Centraistelle für Preßangelegenheiten im Königlichen Staatsministerium« hatte in der Tat einen landesweiten und noch darüber hinausreichenden Aktionsradius, denn ihr oblagen: 1., die specielle Beaufsichtigung und Leitung derjenigen Blätter, welche aus öffentlichen Fonds subventionirt werden; 2., die Anknüpfung und Unterhaltung von Verbindungen zu in- und ausländischen Blättern, bei denen ein solches Subventions-Verhältniß nicht Statt findet; 3., die Curatel über den Preußischen Staats-Anzeiger und die damit in Verbindung stehende Preußische Zeitung. 240
Es handelte sich also um eines jener Preßbüros, deren sich die deutschen Großmächte und Mittelstaaten im Laufe der fünfziger Jahre zu bedienen begannen, um aktive Pressepolitik zu betreiben. Als entsprechende österreichische Institution ist das »Preßleitungs-Komitee« anzusehen. 241 Die Aufgabe des Berliner Druckschriftenbüros lag hingegen bei pressepolizeilicher Repression von Druckerzeugnissen (Zensur, Verbot, Beschlagnahme). Wie das Berliner Polizeipräsidium seit jeher neben orts- auch landespolizeiliche Aufgaben wahrzunehmen hatte, reichte die Tätigkeit des Druckschriftenbüros über Berlin hinaus und erlangte im Hinblick auf Zensurlisten und Leihbibliotheken landesweite Bedeutung. Als das königliche Hauptsteueramt in Berlin beim Polizeipräsidenten für eigene Zwecke ein Verzeichnis derjenigen ausländischen Zeitungen und Zeitschriften erbat, deren Einfuhr nach Preußen verboten war, stieß man überhaupt erst auf die Notwendigkeit eines Gesamtverzeichnisses verbotener Druckschriften, denn man 237 238
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Ebd. StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8170 (Personalakte Jacoby); vgl. oben, S. 344. So Knaack: Politische Emigranten, S. 8. Westphalen 24. 4. 1852 an Hinckeldey, StA Potsdam, ebd., Tit. 95 Sect. 2 Nr. 14512, Bl. 1; vgl. grundlegend zum >Literar. Büro< Kurt Wappler: Regierung und Presse in Preußen. Geschichte der amtlichen preußischen Pressestellen 1848-1862. Phil. Diss. Leipzig 1935. Vgl. oben, S. 325.
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fragte sich: »Haben wir denn hier ein Verzeichniß solcher Zeitungen?« 242 Als dies zu verneinen war, beauftragte der Polizeipräsident das Druckschriftenbüro, ein Verzeichnis sämtlicher Druckerzeugnisse anzufertigen, die seit dem 1.4.1848 durch Gerichtsurteil inländischer Behörden zur Beschlagnahme oder Vernichtung bestimmt worden waren. 243 Bei der Ausführung dienten dem Büro als Materialgrundlage unter anderem Auszüge aus den inländischen Wochenberichten der größeren Polizeidirektionen des Landes, die regelmäßig solche Maßnahmen gegen einzelne Presseerzeugnisse mitteilten. Das Druckschriftenbüro erweiterte seinen Aktionsradius überdies durch enge Kooperation mit dem Vereinsbüro; Jacoby teilte dessen Dezernent jede Beschlagnahme einer Druckschrift oder Verfolgung eines Verfassers mit, der gerichtlich belangt werden sollte,244 so daß diese Informationen in die Wochenberichte aus Berlin an das Inland ebenso wie an die Polizeivereinsstaaten eingingen245 und daraufhin oft auch vergleichbare Maßnahmen in anderen deutschen Bundesstaaten auslösten, nachdem die dortigen Polizeivereinskommissare erst einmal auf die Gefährlichkeit einer Schrift oder Zeitung aufmerksam gemacht worden waren. Galt es im Zusammenhang mit Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu ermitteln, welche Kandidaten sich möglicherweise durch die Teilnahme am Frankfurter Parlament 1848/49 oder am Erfurter Reichstag 1850 kompromittiert hatten, war das Druckschriftenbüro imstande, entsprechende Abgeordnetenverzeichnisse dem Vereinsbüro auszuhändigen.246 Ein besonderes Arbeitsfeld, auf dem das Druckschriftenbüro ebenfalls landesweite Wirksamkeit anstrebte, bot die Beaufsichtigung der Leihbibliotheken. 247 Aus der Sicht des Polizeipräsidiums diente die Kontrolle vor allem den Volksklassen »auf einer niedereren Stufe der Bildung« und der »reiferen Jugend«. 248 Bereits seit 1809 war der Betrieb von Leihbibliotheken in Preußen ein Gewerbe, das an gewisse gesetzliche Konzessionen gebunden war. Sie durften keine gesetzlich 242 243 244
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StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 95 Sect. 2 Nr. 14495, Bl. 59. Verfügung des Polizeipräsidiums 29.11.1853, ebd., Bl. 105. Vorlage Homeyers 11.6. 1856 an Polizeipräsident Zedlitz betr. Kooperation mit dem Druckschriftenbüro, ebd., Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 244f. Vgl. etwa die im Berliner Wochenbericht 22. 5. 1858 mitgeteilte Liste verbotener deutschsprachiger amerikanischer Zeitungen, gedr. bei Siemann: >Polizeivereinpolitische< Polizei, traditionelle repressive Pressezensur und moderne aktive Pressebeeinflussung, alles eingebunden in einer Behörde, deren äußerlich erkennbarer - >ostensibler< - Charakter kaum mehr als ein Deckmantel für die tatsächlich vorhandenen Aktivitäten abgeben konnte. Eben deshalb waren die Zusatzfunktionen letztlich einseitig vom Willen des Monarchen abhängig. Allerdings war der 265 266
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Jacoby 20. 4. 1863 an Wilhelm I., ebd., Bl. 176f. Antrag Westphalens 3 . 1 . 1 8 5 7 an Friedrich Wilhelm IV., ZStA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14948, Bl. 64-66. Ebd. Wie Anm. 265.
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verborgene staatspolizeiliche Charakter des Druckschriftenbüros keineswegs an die Person Jacobys geknüpft, denn als nach seinem Tode im Jahre 1863 ein neuer Büroleiter zu bestimmen war, fiel die Wahl auf den ehemals hauptamtlich im inzwischen aufgelösten Vereinsbüro tätigen und nun zum Polizeirat beförderten Beamten Caspar. Das Druckschriftenbüro wurde im Jahre 1870 aufgelöst. 6. Die Berliner Polizei unter Stieber als Werkzeug der politischen Polizei Die staatspolizeilichen Abteilungen des Berliner Polizeipräsidiums wirkten auf dem Wege der Verwaltung. Unter Hinckeldey zeigten sich nun auch Ansätze eines professionellen exekutiv tätigen Stabes der politischen Polizei, indem sich die Kriminalpolizei verselbständigte und einige ihrer Mitglieder bevorzugt als Spezialisten für politisch-polizeiliche Aufträge eingesetzt wurden. Der Anstoß zu einer Neuorganisation der Kriminalpolizei in Berlin ging von einem spektakulären Ereignis aus: In der Nacht vom 6. zum 7. 11.1850 war dem Bonner Professor und ehemaligen revolutionären Kämpfer 1849 in Rastatt Gottfried Kinkel mit Hilfe seines früheren Studenten Karl Schurz auf abenteuerliche Weise die Flucht aus dem Spandauer Zuchthaus gelungen. Der langwierige Prozeß und die demütigenden, physisch zerstörenden Haftbedingungen hatten in der Öffentlichkeit anhaltende Entrüstung hervorgerufen und Kinkel »neben Robert Blum zum volkstümlichsten Revolutionsmärtyrer« werden lassen.269 Entsprechend groß war das publizistische Echo auf die gelungene Flucht. Im Berliner Polizeipräsidium andererseits löste der Vorgang am folgenden Tage eine große Hektik aus, in der alle exekutiven Mittel eingeschaltet wurden. Lüdemann steuerte die Aktion. Gleich am 7.11.1850 ließ er einen Fahndungsbefehl an alle Polizeikommissare der Reviere ausgehen, nach einem verdeckten, mit zwei Pferden bespannten Wagen zu forschen. 270 Am gleichen Tag erging ein Steckbrief und eine »offene Ordre« an die exekutiv-polizeilichen Spitzenkräfte des Polizeipräsidiums: Der Hauptmann der Schutzmannschaft Patzke hatte die Verfolgung bis Ostende zu übernehmen, Kriminalinspektor Simon bis Hamburg, Polizeileutnant Goldheim bis Bremen. 271 Der Steckbrief ging als telegraphische Depesche auf unmittelbaren Befehl Hinckeldeys an den Chef der Polizei in Hamburg, Dr. Goßler, ebenso nach Köln, Aachen, Stettin, Breslau, Frankfurt am Main und Bremen. 272 Am 10.11. 1850 erbat er auch »verstärkte Vigilanz« vom Polizeidirektor Wermuth in Hannover, wo er den Flüchtigen ebenfalls vermutete. Die gesamte Aktion stellte Hinckeldey indessen schlagartig tiefgehende Mängel bei der Kriminalpolizei vor Augen. Deshalb lag die folgenreiche, über den Tag hinausweisende Bedeutung der Kinkelschen Befreiung in dem Entschluß des Polizeipräsidenten vom 7.11.1850, die nach seiner Ansicht überwiegend schwa269 270 271 272
Valentin: Geschichte der deutschen Revolution Bd. 2, S. 539. StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 10968, Bl. 11. Ebd., Bl. 34. Ebd., Bl. 31f.
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chen Kriminalkommissare unter eine kräftige und kundige Leitung zu stellen. Er brauchte einen Mann, der als Jurist und Polizeimann erfahren war und über große Kenntnis der Berliner Verhältnisse und über Geschicklichkeit verfügte. Einen solchen erkannte er in Stieber, dessen vielfältige Erfahrungen in der Berliner Verbrecherwelt er nutzen wollte. Deshalb schlug er in einem als »secretendum« behandelten Antrag dem Innenminister Manteuffel vor, Stieber als Leiter und Organisator der Kriminalpolizei einzustellen.273 Hinckeldey war mitgeteilt worden, daß Stieber »in politischen Dingen nicht beschäftigt werden darf, nicht selbständig gestellt werden kann und stets die strengste Controlle erfordert«. Darin stimmte er mit Lüdemann überein, der Stieber noch von früher her kannte und viel beschäftigt hatte. Zwar sei dieser älter und behutsamer geworden, dennoch sei er nur bei der Kriminalpolizei zu gebrauchen, und hier nicht in einer Position mit Publikumsverkehr, sondern als Verbindungsmann zur Staatsanwaltschaft. 274 Die Vorbehalte des Polizeipräsidenten bezogen sich auf Verfehlungen Stiebers, als dieser in der Zeit vom 4. 11.1843 bis zum 4.1.1845 als interimistischer Kriminalkommissar beim Polizeipräsidium beschäftigt worden war. Wilhelm Johann Carl Eduard Stieber war 1818 als Sohn eines späteren Kanzleiinspektors im preußischen Kultusministerium in Merseburg geboren worden. Nach seinen juristischen und kameralistischen Studien und erster bestandener juristischer Prüfung begann er die übliche weitere Ausbildung am Berliner Kammergericht als Auskultator. Frühzeitig gab er seine besondere Neigung für die kriminalpolizeiliche Praxis zu erkennen: Nachdem er am 22.10.1843 sein 2. juristisches Examen absolviert hatte, beantragte er, neben seiner weiteren Ausbildung am Kammergericht zugleich als Kriminalpolizeibeamter für Hilfsdienste unter Direktor Duncker beschäftigt zu werden, da ich glücklicher Weise so gestellt bin, daß ich mich meinen Studien ohne irgend eine Sorge für meine Existenz mit voller Muße hingeben kann.275
Daraufhin wurde er am 4. 11.1843 der IV. Abteilung (Sicherheitspolizei) unter Hofrat Falkenberg zugewiesen276 und erhielt am 21. 9.1844 noch die Kontrolle bestrafter Verbrecher übertragen. Alles ließ sich an, als stünde Stieber eine glänzende Karriere beim Polizeipräsidium bevor. Da wurden ihm eigene charakterliche Schwächen wie übersteigerter Ehrgeiz, Unbeherrschtheit, Überheblichkeit und Skrupellosigkeit zum Verhängnis: Er ließ sich mehrmals im Dienst gegenüber Untersuchungshäftlingen zu Tätlichkeiten hinreißen. Stieber brachte es so weit, daß sich der preußische Justizminister Uhden einschaltete und vorschrieb, 273 274 275
276
Hinckeldey 7. 11.1850 an Manteuffel, ebd., Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 93-97. Wie Anm. 273. Anstellungsgesuch Stiebers 22. 10. 1843 beim Berliner Polizeipräsidium, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366 (Personalakte Stieber) Bl. lf., hieraus auch das Vorhergehende. Über Falkenbergs Vergangenheit und Laufbahn unter Gruner und während der Demagogenverfolgungen vgl. oben, S. 63f., 71, 178f.
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Stieber dürfe vom 1.12. 1845 an nur noch für dekretierende Beschäftigungen, keineswegs aber mit Funktionen eines exekutiven Polizeibeamten versehen werden, und zwar nicht einmal kommissarisch, interimistisch, für einzelne Fälle oder zur Übung und Ausbildung, wie Uhden ausdrücklich im Detail klarstellte. 277 Unter diesen Umständen verzichtete das Polizeipräsidium auf weitere Dienste Stiebers, dessen Stärken ja gerade bei der exekutiven Kriminalpolizei lagen, um die er sich von Anfang an beworben hatte. Stieber durfte noch weiterhin das Präsidialgebäude betreten; überdies hatte er weiterhin Einsicht in Akten, auf deren Grundlage er 1846 seine aufsehenerregende, anonym erschienene Schrift verfaßte: »Die Prostitution und ihre Opfer«. 278 Im Polizeipräsidium empfand man diese Publikation als eine Provokation, und ihr Autor erhielt fortan Hausverbot. 279 Hinckeldey, dem die Personalakte Stiebers vorlag, waren alle diese Einzelheiten bekannt; sie begründeten seine Vorbehalte. Andererseits offenbarten die Unterlagen Talente, deren er besonders in der konkreten Situation bedurfte: Als Protokollführer hatte Stieber »sehr gute Application«, rühmlichen Diensteifer und Fleiß gezeigt; er war wissenschaftlich und juristisch gut vorgebildet und zeigte Eifer und Gründlichkeit. 280 Er verfügte über lebendige Auffassungsgabe und ein geübtes Urteil. 281 Der Berliner Kriminalgerichtsdirektor rühmte seine umfassende Kenntnis des Kriminalrechts und beurteilte ihn als einen Mann, der mit richtigem practischen Blick die Charactere der Menschen und die Verhältnisse des Lebens beurtheilt und in einem hohen Grade die Gabe besitzt, in die Geheimnisse des verbrecherischen Treibens einzudringen.282
Das waren Eigenschaften, die ihn zur Leitung der Kriminalpolizei geradezu prädestinierten, wobei noch stets auch sein Eifer, der kein Opfer scheute, gelobt wurde. Deshalb wollte ihn Hinckeldey für die Kriminalpolizei heranziehen, die bis zur Entlassung des prominenten Polizeidirektors Duncker unter dessen Leitung gestanden war. Die Vorbelastungen Stiebers näher mitzuteilen erlaubt nun, die Tragweite der Wende einzuschätzen, die Friedrich Wilhelm IV. dem Antrag des Polizeipräsidenten gab. Nachdem er durch diesen über die näheren Umstände der Flucht Kinkels unterrichtet worden war, beauftragte er in einem berühmt gewordenen, bisher 277
So übernommen im Schreiben des Berliner Kammergerichts 24. 11.1845 an das Berliner Polizeipräsidium, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 61.
278
279 280 281 282
Genauer Titel: [Wilhelm Stieber:] Die Prostitution und ihre Opfer. In historischer, sittlicher, medizinischer und polizeilicher Beziehung beleuchtet. Berlin: Hoffmann & Campe 1846, ein Exempl. in der Staatsbibl. Preuß. Kulturbesitz. Verfügung des Polizeipräsidenten Puttkammer 23. 4. 1846, wie Anm. 277, Bl. 65. Gutachten des Berliner Kammergerichts 16. 12. 1841, ebd., Bl. 3. Gutachten der Berliner Stadtgerichtsdirektion 10. 3. 1843, ebd., Bl. 3 u. 11. Gutachten des Berliner Ersten Kriminalgerichtsdirektors 2. 7.1844, wie Anm. 277, Bl. 10. - Zu Stiebers gerühmten wissenschaftl. Ambitionen vgl. Wfilhelm] Stieber: Practisches Lehrbuch der Criminal-Polizei. Berlin 1860.
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stets aus dem Zusammenhang mit der Flucht Kinkels gerissenen Handschreiben vom 11.11.1850 den Innenminister: Ich habe den Kinkelschen Fluchtbericht soeben hier gelesen. Dies hat mich auf einen Gedanken gebracht, den ich nicht gerade unter die lautern classefiziren will. Nämlich den, ob Stieber nicht eine kostbare Persönlichkeit ist, das Gewebe der BefreyungsVerschwörung zu entfalten und dem Preußischen Publikum das lang und gerecht ersehnte Schauspiel eines aufgedeckten und (vor Allem), bestraften Complotts zu geben? Eilen Sie also mit St's Anstellung und lassen Sie ihn 5. Probestück machen. Ich glaube, der Gedanke ist folgenreich und ich lege großen Werth auf seine sofortige Realisirung. [...] Verbrennen Sie dies Blatt!m
Man hat aus diesem Befehl des Königs die Absicht herauszulesen versucht, das «Hochverratsdelikt eines Komplottes der Kommunisten zu konstruieren, um ihre Partei zu vernichten«. 284 Das hieße jedoch den Vorgang dieser erneuten Demagogenverfolgung zu zielgerichtet auf eines ihrer Ergebnisse: den knapp zwei Jahre später am 4.10.1852 begonnenen Kölner Kommunistenprozeß hin zu interpretieren und damit letztlich zu verharmlosen (weil die gesamte >Demokratie< gemeint war) oder - im Hinblick allein auf den >Bund der Kommunisten dramatisierend zu verengen als »Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat«. 285 Alle, die sich amtlicherseits als >Demokraten< etikettieren ließen, waren von der Verfolgung betroffen, und Stieber hatte einen wesentlichen Anteil daran. Die Verfolgung galt der >UmsturzparteiDemokratie< insgesamt, letztlich allen noch so diffus erscheinenden Bestrebungen, denen sich eine revolutionäre Absicht unterstellen ließ. Zunächst einmal war das Naheliegende gemeint: die Beteiligten an der Befreiung Kinkels, die sich der König nur als eine großangelegte Verschwörung erklären konnte, namhaft zu machen. Eine Grundsatzerklärung Friedrich Wilhelms IV. gerade aus der Zeit, als Stieber die deutschen Oppositionellen und Emigranten in London zu überwachen begann, dokumentiert das. Hinzu kamen Stiebers besondere Dienste: Der König erwartete von ihm - auch gegenüber Gesetzen - Skrupellosigkeit. Am 12. 5. 1851 erläuterte er dem inzwischen zum Ministerpräsidenten ernannten Manteuffel die Haltung Preußens beim Bundestage »der Revolution gegenüber« und meinte damit die »Demokratie im allgemeinen«: Man wird sich dabei vollständig überzeugen müssen, das dies ein Feind ist, gegen den man sich mit allen Mitteln der Macht vertheidigen muß, und der durch die gewöhnlichen strafrechtlichen Kathegorien nicht erreicht werden kann. Daß dieser Feind innerhalb des Staates sich befindet unter den eigenen Unterthanen, daß er nicht im Zustande des offenen Aufruhrs beharrt, sondern meist die Obliegenheiten der Unterthanen äußerlich 283
284
285
ZStA Merseburg Rep. 92 O. v. Manteuffel Tit. I Nr. 1 Vol.1, B1.39; erstmals - nicht exakt - wiedergegeben in: Otto von Manteuffel: Unter Friedrich Wilhelm IV. Denkwürdigkeiten. Bd. 1-3. Berlin 1901. Hrsg. v. Heinrich von Poschinger, Bd. 1, S. 328, dann bei Bittel: Kommunistenprozeß, S. 16, dort auch Faksimile des Briefes nach S. 16. Bittel, S. 15; in dieser Interpretation auch bei Rudolf Herrnstadt: Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat. Zur Geschichte des Kölner Kommunistenprozesses 1852. Berlin (Ost) 1958. So der Obertitel von Herrnstadts genannter Untersuchung, vgl. Anm. 284.
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vollständig erfüllt, und daß die Anhänger der Demokratie nicht scharf abgegränzt sind, sondern in vielen Nuancirungen sich in andren Parteien verlieren, das erschwert die Aufgabe, schließt aber keineswegs die Richtigkeit des Prinzips aus.286
Hiermit war deutlich, daß die Verfolgung in breiter Front, mit System, auch >unlauteren< Mitteln und mit Hilfe der geheimen politischen Polizei erfolgen sollte; mit dem Bild vom >inneren Feind< war deren Hauptobjekt so charakterisiert, wie es dem inzwischen erreichten Stand der politischen Polizei entsprach. Sie mußte da eintreten, wo sich der militärischen Gewalt, die des offenen Aufruhrs bedurfte, keine Handhabe bot. Der König wollte Stieber also so einsetzen, wie es Hinckeldey ursprünglich zu vermeiden beabsichtigte. Auf das königliche Handschreiben vom 11.11.1850 hin wurde Stieber am 16.11. mit Wirkung vom 1. 12.1850 als Polizeiassessor eingestellt, wobei ihn Hinckeldey, der ihn vor dem Eingreifen Friedrich Wilhelms IV. mit 600 Talern jährlich besolden wollte,287 nun interimistisch und zur Probe auf die älteste hochdotierte Polizeileutnantstelle mit 900 Talern setzte. 288 Als Chef der Kriminalpolizei war der Polizeiassessor nun zum Nachfolger Dunckers geworden. Es sind nun einige Erläuterungen über Stellung und Funktion der Kriminalpolizei innerhalb des Polizeipräsidiums notwendig, um exakt Stiebers Position und Wirkungskreis bestimmen zu können. Denn hierüber herrscht bis in jüngst erschienene Publikationen viel Unklarheit. Stieber erscheint als »Leiter der preußischen politischen Polizei«,289 als »Leiter der Geheimpolizei«,290 als »Leiter der Sicherheitspolizei«,291 oder als »Dirigent der Abteilung II im Polizeipräsidium« [= Gewerbepolizei!].292 Bereits vor 1848 waren sämtliche Beamten der Kriminalpolizei (der Kriminalpolizeiinspektor, die Kriminalkommissarien, die Gehilfen) lediglich exekutive Beamte der Abteilung IV des Polizeipräsidiums; ihnen oblagen die kriminalpolizeilichen Geschäfte, soweit diese nicht in einzelnen Fällen von den Revierpolizeileutnants wahrgenommen werden konnten. Das Amt der Kriminalkommissare war entstanden, weil es zweckmäßig erschien, »für den Zweig der Sicherheitspolizey, welcher das Verbrechen, vorbeugend und ermittelnd, betrifft«, 293 besondere 286
ZStA Merseburg Rep. 92 O. v. Manteuffel Tit. I Nr. 1 Vol. 2, Bl. 23. So Hinckeldey in seinem Antrag vom 7. 11. 1850, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 93-97. 288 Hinckeldey 29. 4.1851 an Westphalen, ebd., Bl. 106f.; diese Änderung übersieht Herrnstadt: Verschwörung, S. 211. 289 Helmut Ruske: Kleinbürgerlich-demokratische Bestrebungen im sächsisch-thüringischen Raum vom Herbst 1849 bis Ende 1853. Text- u. Anm.bd. Gesellschaftswiss. Diss. Masch. Jena 1970, S. 92. 290 Herrnstadt: Verschwörung, S. 212. 291 Ebd., S. 211; Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 3, S. 170. 292 ojfermann: Arbeiterbewegung, S. 77. 293 Gutachten Lüdemanns 27. 5. 1861 zur Reorganisierung des Polizeipräsidiums an Innenminister Schwerin mit historischem Überblick; StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 28 Nr. 730, Bl. 155-157; hierauf fußt u. a. die vorliegende Darstellung zur IV. Abteilung. Vgl. oben, S. 62. 287
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Exekutivbeamte zur Hand zu haben, die nicht wie die Straßenpolizei (in Berlin seit 1848 >SchutzmannschaftDienst< auch büromäßig zu etablieren. Die erste internationale Industrieausstellung vom 1. 5. bis 13.10.1851 in London bot Stieber die große Gelegenheit, sich ausschließlich auf dem politisch-polizeilichen Feld zu betätigen. Denn es war vorauszusehen, daß viele deutsche Oppositionelle die Ausstellung als günstigen Anlaß nehmen würden, um in London auf unverfängliche Weise mit den deutschen Emigranten zusammenzutreffen. Alle größeren deutschen Staaten schickten deshalb ihre politisch-polizeilich erfahrenen Spitzenbeamten dorthin. 294 295
Vgl. oben, S. 63f., 178f. »Decretum« Hinckeldeys 15. 2.1851, StA Potsdam, ebd., Tit. 28, Nr. 805, Bl. 74f.
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Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß der Anstoß dazu von dem Chef der Londoner Polizei, Richard Mayne, ausgegangen war, der dem englischen Premierminister Palmerston am 1.4.1851 ein Memorandum übersandt hatte; er regte darin »die Hierhersendung einiger Polizeiagenten« des Kontinents an, von Paris sechs, von Brüssel vier, von Wien, Berlin, Frankfurt und Köln je zwei, um »der englischen Polizei die gefährlichen und verdächtigen fremden Verbrecher zu bezeichnen, damit dieselben unter Aufsicht gestellt und Maßregeln zur Verhütung von Verbrechen ihrerseits ergriffen werden können«. 296
Lord Palmerston ließ das Memorandum an die englischen Gesandten in den betroffenen Staaten gehen. Demzufolge kamen aus Preußen sieben Beamte, neben Stieber und Greift aus Berlin noch Polizeirat Vogt und Polizeikommissar Dittrich aus Breslau, Polizeikommissar Strauch aus Magdeburg sowie Polizeikommissar Hühnermund und Polizeisergeant Berner aus Köln. 297 Aus Wien kamen der Polizeioberkommissär Rudolf Kopp von Felsenthal und der ehemalige Aktuar des Mainzer Informationsbüros und spätere Oberkommissär in der Wiener Obersten Polizeibehörde (Departement I für politische Auslandspolizei) Wilhelm Kowarcz.298 Baden schickte als Spezialisten den Polizeiamtmann von Karlsruhe Peter Guerillot. 299 Auch hier griff Friedrich Wilhelm IV. wieder persönlich ein. Im März 1851 im Zusammenhang mit angeblichen Mordabsichten eines gewissen Riegel aus Breslau war der König zum Zweck einer Recherche noch auf den Gedanken gekommen, deßhalb den p. Stieber damit beauftragt zu wissen. So wenig Achtung, ja soviel Widerwillen mir der Mensch einflößen muß, so ist doch hier sein Wirken darum unbedenklich, weil die Justiz die Sache gleich in die Hand bekommt und dann allein führen wird.300
Es kennzeichnet den Umgang dieses Monarchen mit der Macht, daß er nur zwei Monate später wiederum Stieber mit einem Auftrag versah, der im Ausland, unkontrolliert von der Justiz und mit den Mitteln der Hinterhältigkeit zu vollziehen war und dabei unter Umständen heillose diplomatische Verwicklungen auslösen konnte. Der König wies Hinckeldey in bezug auf Stieber an: [ . . . ] Seine Aufgabe in London muß nothwendig eine zwiefache seyn 1) auf die Regierung] zu wirken, das Gräuel-Nest der >MordGesellen für Allgemeine] Rebellion< zu sprengen. Er muß sich den Ministern des Innern u[nd] Äußeren vorstellen, er muß mit den Hochgestellten der Londoner Polizei in intimem Umgang seyn.
296 297 298
299 300
Das Memorandum ist im Auszug abgedr. bei Herrnstadt: Verschwörung, S. 284. Vgl. Herrnstadt: Verschwörung, S. 288. Vgl. oben, S. 172f. (Kowarcz), S. 315 (Industrieausstellung), S. 322 (Depart. I), S. 334 (Felsenthal), Oberhummer: Wiener Polizei, Erg.bd., S. 23. Vgl. unten, S. 451f. Handschreiben Friedrich Wilhelms IV. 24.3.1851 an Westphalen, ZStA Merseburg Rep. 92 Westphalen Nr. 3, Bl. 15; vgl. auch Herrnstadt, S. 290.
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2) Er muß trachten Zwietracht in's feindliche Lager zu säen, die schon vorhandne zu nähren u[nd] Mißtrauen erzeugen, als verkaufe Eine Fraczion Democraten die andere. Überlassen wir ihm das. Er muß nach den Umständen handeln u[nd] - er verstehts. Eine 3. Aufgabe hab' ich vergessen. Der [!] Schutz meines Bruders. [•••Γ
Die dritte Aufgabe, der persönliche Schutz des auch nach London reisenden Prinzen Wilhelm, führte zu einer sehr frühen Beförderung Stiebers zum Polizeirat; das erschien erforderlich, weil er durch seinen Auftrag Zutritt zu dessen Adjutantur, also zu den »höheren Zirkeln«, erhalten mußte. 302 Neben diesem Argument Hinckeldeys fügte Westphalen noch hinzu, auch die von der österreichischen und sächsischen Regierung entsandten Personen seien höheren Ranges, selbst der Polizeichef von Breslau. 303 Hinckeldey instruierte den neuernannten Polizeirat über den heiklen Auftrag des Königs verständlicherweise nur mündlich. Das schriftliche geheime »Commissorium« vom 2. 5. 1851, mit dem der Polizeipräsident Stieber und den begleitenden Polizeileutnant Greift ausstattete, formulierte demgegenüber wesentlich neutraler, beide reisten nach London, um während der dort stattfindenden Industrieausstellung sowohl die Englischen Behörden als auch die Königl. Preuß. Gesandtschaft bei der Ausführung der heimathlichen polizeilichen Maaßregeln in so weit nach besten Kräften Hülfe und Beistand zu leisten, als sich diese Maaßregeln auf Einwohner der Königl. Preuß. Staaten beziehen. 304
Der Innenminister hatte Stieber zugleich ermächtigt, sämtlichen aus den preußischen Provinzstädten »zu gleichem Zweck« nach London abgeordneten Polizeibeamten Instruktionen zu erteilen und sich mit diesen Beamten und deren preußischen Heimatbehörden »in unausgesetzter amtlicher Verbindung« zu erhalten. 305 Durch diese Regelung erhielten die politisch-polizeilichen preußischen Operationen in London eine geschäftsmäßig geregelte, nach Kompetenzen gegliederte Ordnung, die sich als büroartige, der preußischen Gesandtschaft angelagerte Operationsbasis beschreiben ließe. Die Arbeitsbedingungen erschienen den deutschen Polizeibeamten in London denkbar ungünstig: »Ueber das Treiben der politischen Flüchtlinge erfahren die deutschen Beamten von der englischen Polizei nichts«, berichtete Guerillot am 13. 6. 1851 nach Karlsruhe. 306 Man lehnte ihr Begehren mit Hinweis auf die englische Gesetzgebung ab, gab ausweichende Erklärungen oder verschob 301
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Friedrich Wilhelm IV. an Hinckeldey, ZStA Merseburg H. A. Rep. 50 J Nr. 512, Bl. 6; vgl. Herrnstadt: Verschwörung, S. 289f. Hinckeldey 29. 4.1851 an Westphalen, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 106f. Antrag Westphalens 30. 4.1851 an Friedrich Wilhelm IV. auf Verleihung des Charakters Polizeirat an Stieber, ZStA Merseburg, Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14946, Bl. 146, vollz. 1.5.1851. »Commissorium« Hinckeldeys 2. 5.1851, StA Potsdam, ebd., Tit. 93 Nr. 8077, Bl. 122. Laut Reskript Westphalens 24. 4. 1851, ebd. Guerillot 13. 6.1851 an den bad. Innenminister Marschall, GLA Karlsruhe Abt. 236/ 8219.
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erwünschte Audienzen von Tag zu Tag, so daß sich die englische Polizei »nur in dringenden Fällen« zugänglich erwies. Dabei hatten die deutschen Beamten noch zu beachten, daß die englische Polizei sich mancher Flüchtlinge als Dolmetscher bediente; ein vertrauliches Gespräch untereinander in öffentlichen Lokalen war wegen dort stets anwesender Flüchtlinge unmöglich. Selbst die Kommission des Zollvereins hatte anfangs politische Flüchtlinge als Aufseher und Dolmetscher angestellt; Stieber erreichte indes, daß sie entlassen wurden, wodurch sich »ein neuer Grund des Hasses gegen uns« bot. Die Aufträge an die übrigen deutschen Beamten lauteten ähnlich wie diejenigen an die preußischen, denn: Den Zufluß von Unterstützungen möglichst zu verhüten und die Aus England kommenden Reisenden, besonders jene aus dem Arbeiterstande, genau zu überwachen, ist Hauptaufgabe der deutschen Polizei. 307
Überdies hatten sich die preußische und österreichische Polizei durch den erst unlängst begründeten Wochenberichtsverkehr des Polizeivereins darüber verständigt, wer welche Beamte schickte.308 Der englischen Öffentlichkeit entgingen die Polizeiaktivitäten nicht, und sie glossierte sie mit typisch landeseigener Ironie. 309 Die wachsende Aufmerksamkeit für den >ArbeiterstandBundes der Kommunisten alsbald in Händen. 311 Die daraus resultierende praktische Tätigkeit Stiebers und Greiffs in London, besonders Stiebers Provokationen, Bestechungen, Dokumentendiebstähle, Fälschungen bis hin zu seinen Meineiden im Kölner Kommunistenprozeß sind bekannt und brauchen hier nicht wiederholt zu werden. 312 307 309
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Ebd. 308 Vgl. oben, S. 315. »Conspiracies of a comprehensive character are being hatched in certain back parlours, in certain back streets behind Mr. Cantelo's Chicken Establishment in Leicester Square. A complicated web of machination is being spun - we have it on the authority of a noble peer - against the integrity of the Austrian Empire, at a small coffee-shop in Soho. Prussia is being menaced by twenty-four determined Poles and Honveds in the attics of a cheap restaurateur in the Haymarket. [ . . . ] In short, the peace of the entire continent of Europe may be considered as already gone. [...] There is matter enough for real dread there. It is a higher cause than the cause of any rotten government on the Continent of Europe, that, trembling, hears the Marseillaise in every whisper, and dreads a barricade in ever gathering of men!« - In: Household Words. A weekly journal. Conducted by Charles Dickens. V o l . 3 (1851) Nr. 57, 26.4. 1851. London. S. 97, 105 im Artikel »The metropolitan protectives«. Vgl. oben, S. 247. Guerillot schickte eine Abschrift nach Karlsruhe, wie Anm. 306. Vgl. Friedrich Engels und Karl Marx zum Kölner Kommunistenprozeß, Marx/Engels, Werke Bd. 8, S. 398-470, 565-576; Eichhoff: Polizei-Silhouetten; Herrnstadt: Verschwörung, Bittel: Kommunistenprozeß; Julius H. Schoeps: Agenten, Spitzel, Flüchtlinge. Wilhelm Stieber und die demokratische Emigration in London. In: Im Gegenstrom. Hrsg. v. Horst Schellenberger u. Helmut Schrey. Für Helmut Hirsch zum Siebzigsten. Wuppertal 1977, S. 71-104.
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Stieber hatte in diesem Prozeß vor dem Assisenhof in Köln erklärt: »Ich stehe aber hier als Vertreter einer der höchsten Behörden des Staates, in mir wird meine Behörde angegriffen«. 313 Deshalb verbuchte er den Ausgang des Prozesses als Rechtfertigung seiner vorausgegangenen Aktionen und als persönlichen Erfolg. Denn die »Hauptfrage« an die Geschworenen des Gerichts lautete, ob der Angeklagte schuldig sei, »in den Jahren 1848, 1849, 1850 und 1851« 1. die gewaltsame Veränderung der Staatsverfassung unmittelbar herbeizuführen, 2. die Bewaffnung der Bürger und Einwohner gegen die königliche Gewalt und gegeneinander zur Erregung eines Bürgerkrieges zu bewirken?« 314
Das wurde für die Hauptangeklagten bejaht, und der Prozeß endete mit ihrer Verurteilung zu einer Haftstrafe zwischen drei und sechs Jahren. Stieber wollte dieses Ergebnis zum Vorteil seiner Karriere ausnutzen. Bei Hinckeldey bewarb er sich um die Stellung eines Polizeidirektors in Köln, um die dortige politische Polizei zu konzentrieren und für geheimen Nachrichtenerwerb aus Brüssel und Paris zu verwenden. Seinen seitherigen Status kennzeichnete er als den eines »bloßen mobilen General-Commissarius«.315 Jedoch wollten Westphalen, Hinckeldey und nicht zuletzt der König selbst Stieber in Berlin beim Polizeipräsidium halten. Deshalb beantragte der Innenminister am 10.1.1853, dem seitherigen Polizeirat den »Charakter« eines Polizeidirektors zu verleihen. Zur Begründung rühmte er Stiebers Leistungen und Vorzüge und griff dabei - unter Umgehung von dessen dienstlichen Verfehlungen und Anmaßungen - bis zum Jahre 1843 zurück. Aus der jüngst vergangenen Zeit seit der Ernennung zum Polizeirat (1. 5.1851) hob er die Entdeckung mehrerer Falschmünzerbanden in der Rheinprovinz und in Westfalen sowie »den erfolgreichen Ausgang des Kölner Kommunisten-Prozesses« hervor; er machte zugleich augenfällig, daß Stieber sowohl die politische als auch die gewöhnliche Sicherheitspolizei besorgte. Weil er »bei seiner Brauchbarkeit oftmals mit Aufträgen nach außerhalb betraut« wurde, bot sich das zusätzlich als Argument für die Rangerhöhung an. 316 Der König entsprach mit seiner Kabinettsordre vom 19. 1.1853 diesem Antrag. Stiebers Ehrgeiz, die ihm unterstellte Kriminalpolizei zu einer selbständigen Abteilung zu machen, wurde dadurch noch bestärkt. Bereits 1852 hatte er seine Absicht zu erkennen gegeben, indem er sein Personal im »Adreß-Kalender« unter der IV. Abteilung gesondert als Unterabteilung »Exekutive Polizei-KriminalBeamte« hatte verzeichnen lassen.317 313 314 315
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In der 24. Sitzung am 4. 11. 1852, Bittel, S. 183. Bittel: Kommunistenprozeß, S. 295. Stieber 1 3 . 1 2 . 1 8 5 2 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 132-135. Antrag Westphalens 1 0 . 1 . 1 8 5 3 an Friedrich Wilhelm IV., ZStA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1 Nr. 14947, Bl. 173-175. Adreß-Kalender für die Königl. Haupt- u. Residenz-Städte Berlin u. Potsdam auf das Jahr 1852.
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Bedurfte der Chef der Kriminalpolizei zur Feststellung eines Tatbestandes oder des Täters eines Schriftwechsels mit einer andern Behörde, so geschah das im Büro der IV. Abteilung. Stieber argumentierte nun, der Korrespondenzweg über die IV. Abteilung sei zeitraubend und hemmend; die Kriminalpolizei solle sich richtiger selbst verwalten. Lüdemann, Hinckeldeys Stellvertreter, erkannte darin hauptsächlich das Streben nach einer selbständigen Abteilungs-Dirigentensteile.318 Der Durchbruch gelang Stieber, als Hinckeldey am 9. 9. 1853 die Bildung eines eigenen »Decernats« unter dem Titel »Criminalkommissariat« verfügte. Seine Begründung lautete: Bei der großen Schnelligkeit, mit welcher nach den gegenwärtigen Verhältnissen die Spuren der Vergehungen und Verbrechen verfolgt werden müssen, ist es nicht mehr möglich, die bisher befolgte strenge Trennung der executiven Thätigkeit von der decretirenden Thätigkeit beizubehalten. 3 "
Damit war die Kriminalpolizei aus der IV. Abteilung faktisch herausgelöst; denn Hinckeldey bestimmte, daß die Kriminalbeamten (Inspektoren und Kommissare) neben ihren exekutiven Geschäften nun auch die erforderlichen Korrespondenzen zu leisten und darüber zu entscheiden hatten, wann eine Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die praktische Konsequenz dieser Kompetenzerweiterung konnte heißen: Haftverschleppung und -Verzögerung, nachdem nunmehr die Kontrolle des Dirigenten der IV. Abteilung ausgeschaltet war. Tatsächlich waren Stieber solche Praktiken auch vorzuwerfen. Seine größere Selbständigkeit bekundete sich auch in der Verpflichtung der übrigen Abteilungen, von nun an Stiebers Amtsersuchen nachzukommen. Sein Verhältnis zu Hinckeldey wurde folgendermaßen definiert: Der Director des Criminal-Commissariats hat jeden Morgen über den Sicherheitszustand der Hauptstadt dem Chef zu rapportiren.
Es kennzeichnet Stiebers Ehrgeiz auf Machtzuwachs, diesen auch äußerlich darstellen zu können. Er fühlte sich den meisten Polizeidirektoren in der Provinz überlegen, da er »in den allerwichtigsten Angelegenheiten in den Provinzen executiv auftreten« mußte; bei der Aushebung einer Falschmünzerbande hatte er während eines längeren Aufenthalts in der Rheinprovinz 1852 rund 20 Unterbehörden zu »dirigiren«.320 Er beanspruchte deshalb zur Unterscheidung von gewöhnlichen Polizeiinspektoren die mit Epauletten ausgestattete Uniform der wirklichen (nicht titularmäßigen) Polizeidirektoren der größeren Städte. Auch Hinckeldey sah Stieber in einer höheren Stellung als dessen - nicht mit diesen Zeichen ausgestatteten - Vorgänger Duncker; dieser war nur Kriminalpolizeiinspektor mit dem Titel »Direktor«. Hinckeldey machte Stieber im März 1854 zum Abteilungsdirigenten, als er vollends für diesen eine eigene Abteilung 318
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Gutachten Lüdemanns 27. 5. 1861 an Innenminister Schwerin, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 28 Nr. 730, Bl. 155-157. Dekret Hinckeldeys 9. 9. 1853, ebd., Nr. 805, Bl. 117. Hinckeldey 13. 9. 1854 an Westphalen, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 93 Nr. 8366, Bl. 165f.
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gebildet hatte. Das geschah allerdings eigenmächtig und ohne Sanktion durch den Innenminister und den König. Nachdem der Polizeipräsident zum Generalpolizeidirektor befördert worden war (4. 8.1854), billigte Friedrich Wilhelm IV. durch eine Kabinettsordre am 27. 12. 1854 diese faktische Umorganisation nun auch formell. 321 Stieber war am Ziel seines Strebens: Er stand der neugebildeten Abteilung VII für Kriminalpolizeisachen als Direktor vor. Mit der gleichen Ordre genehmigte der König zugleich die Ausgliederung der Schutzmannschaft zu einer eigenen »SchutzmannschaftAbtheilung« unter der Leitung des Obersten Patzke. Seitdem besaß das Berliner Polizeipräsidium zwei institutionell klar geschiedene exekutive Organisationen. Die Schutzmannschaft verfügte zu diesem Zeitpunkt als gewöhnliche Straßen- und Revierpolizei für Berlin über 1 Polizeioberst, 10 Hauptleute, 80 Polizeileutnants (darunter Greiff), 100 Wachtmeister und 1054 Schutzmänner. 322 Die neugebildete Abteilung VII für die mobile, landesweit einsetzbare Kriminalpolizei verfügte davon unabhängig über 1 Dirigenten, 2 Hilfsdezernenten, 1 Sekretär, 2 Polizeiinspekteure (darunter Goldheim), 1 Leicheninspektor, 12 Kriminalpolizeibeamte und 50 Unterbeamte aus der Schutzmannschaft. 323 U m nun zu bestimmen, wo die politische Polizei bei Stieber rangierte, kann sein genau beschriebener Geschäftskreis dienen. Die Abteilung VII war zuständig für: 1. Vornahme der Recherchen zur Ermittlung der Täter aller vorgekommenen Verbrechen und Vergehen in Berlin und dessen weiteren Polizeibezirk; 2. Erledigung der Requisitionen, die das Berliner Stadt- und das Kreisgericht erließen, sowie der Justiz- und Verwaltungsbehörden des In- und Auslands, sofern sie Untersuchungssachen betrafen; 3. Vornahme und Anordnung der Verhaftungen zur Einleitung von Untersuchungen; 4. Führung von Voruntersuchungen, wo nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sich eine gerichtliche Voruntersuchung erübrigte und sofortige Anklage erhoben wurde; 5. Stellung von Verurteilten unter Polizeiaufsicht; 6. tödliche Unglücksfälle, Leichen von Selbstmördern, Ermittlung der Angehörigen; 7. Bearbeitung gefundener und verlorener Sachen; 8. Recherchen in Brandsachen; 9. Falschmünzereien und Fälschungen von Papiergeld, Bankerotte, Konkurse, Überwachung »sicherheitsgefährlicher Personen« bei Versammlungen, Paraden, Eisenbahnhöfen, Märkten, Theatern. 10. Redaktion des »Central-Polizei-Blatts«.324 Aus diesem Geschäftskreis der Kriminalpolizei ist keineswegs abzuleiten, Stieber sei >Leiter der politischen Polizei< in Preußen gewesen - das war Hinckeldey vom 321
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Antrag Westphalens 17.12.1854, ZStA Merseburg Kabinettsakten 2.2.1. Nr. 14947, Bl. 252-256, Kabinettsordre 27.12. 1854 ebd., Bl. 257f. Antrag Hinckeldeys 27. 11. 1854 an Westphalen auf Sanktion der Umorganisation im Polizeipräsidium (Erweiterung der Geschäftsabteilungen), StA Potsdam (wie Anm. 318), Bl. 90-94. Ebd., vgl. auch Obenaus: Sicherheitspolizei, S. 134. Votum des Kriminalkommissars Weber vom 23. 6. 1860 zur Reorganisation der Abteilung VII, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12568, Bl. 112117; Weber war 10 Jahre bei der Kriminalpolizei tätig gewesen.
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Präsidialbüro aus vielmehr waren politisch-polizeiliche und allgemein sicherheits-polizeiliche Funktionen nicht streng geschieden, so daß Stieber auf beiden Feldern tätig wurde. Maßgeblich war jeweils der spezifische Auftrag; diesen erhielt er in den täglichen Rapporten von Hinckeldey. In besonders brisanten Angelegenheiten ging der Impuls - wie etwa im Zusammenhang mit den >Kommunistendemagogische< Vergangenheit seines engsten Vertrauten und Hintertreppenagenten Saegert bediente. 325 Er wollte »den Dreck von 48' bis 50« - den man Saegert vorhielt - als böswillige Verleumdungen entlarven lassen. Seine Angaben über die Art, wie dabei vorzugehen sei, waren für den Umgang mit politisch-polizeilichen Angelegenheiten nicht die Ausnahme, sondern typisch; er befahl Hinckeldey: Sie werden die Sache so geheim als möglich durch ihn betreiben lassen, mit Niemand davon sprechen, bis es gelungen ist oder wir persönlich anders beschließen sollten. 326
Da der König regelmäßig und gründlich Zeitungen las und sich überdies durch entsprechende Dossiers von Hinckeldey unterrichten ließ, gehörte es zu Stiebers besonderen Aufgaben, immer wieder Einsender, Absicht und Ursprung von Korrespondenzmitteilungen, besonders, wenn diese von Berlin ausgegangen waren, zu ermitteln. 327 Als er in der Augsburger »Allgemeinen Zeitung« las, er habe abermals einen Schlaganfall gehabt, wies er den Generalpolizeidirektor an: Ich mache es Ihnen, bester Hinckeldey, zur Pflicht, den Autor dieser Perfidie herauszubringen. Ich denke, daß es mit Geduld u. List und Stieber wohl gelingen dürfte. Vale. 328 325
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Saegert war Direktor der Taubstummenanstalt in Berlin. Sein im GStA Berlin-Dahlem erhaltener Nachlaß birgt zahlreiche persönliche Handschreiben Friedrich Wilhelms IV., in denen sich dieser wie nirgends sonst geistig und charakterlich dekuvriert; vgl. Kutzsch: Friedrich Wilhelm IV. und Carl Wilhelm Saegert, und oben, S. 345. Friedrich Wilhelm IV. 11. 12.1853 an Hinckeldey, ZStA Merseburg H. A. Rep. 50 J 512 Bl. 56f. Die Abschrift eines solchen Handschreibens vom 21. 3. 1855 betr. die Augsburger »Allgemeine Zeitung« ist korrekt abgedr. bei Auerbach: Denkwürdigkeiten des . . . Stieber, S. 39, das Original befindet sich im ZStA Merseburg, ebd., Bl. 57. Handschreiben Friedrich Wilhelms IV. 5.11.1855 an Hinckeldey, ZStA Merseburg, ebd., Bl. 168.
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Unabhängig von solchen unmittelbaren Aufträgen hatte Hinckeldey indessen auch einen außerordentlich großen eigenen Handlungsspielraum, dem ebenso >Demokraten< wie Repräsentanten der hochkonservativen »Neuen Preußischen Zeitung« (»Kreuzzeitung«), etwa die Gebrüder Gerlach, unterworfen waren. Als Mitte Juli 1852 verschiedene Gerüchte und Zeitungsartikel eine in seinen Augen übermäßige »Aufregung über die Zollvereinsfrage« hatte entstehen lassen, beschloß er, »auch dieser Sache auf den Leib zu gehen«.329 Er beauftragte Stieber, bei verschiedenen Literaten, von denen er hörte, daß sie »aufregende Artikel« schrieben, Haussuchungen abzuhalten. Bei einem - dem Literaten Hirsch - fand er das Original eines Aufsatzes zur Zollvereinsfrage, und zwar ausgerechnet aus der Hand des österreichischen Gesandten Baron von Prokesch. Hirsch wurde festgenommen, verhört, wobei er alles eingestand, das wurde protokolliert, der Betroffene dann anschließend inhaftiert, »damit der nicht plaudern kann!« Alles das vollzog sich ohne Einschaltung einer Gerichtsbehörde. Für Hinckeldey erschien die Sache vollkommen ausreichend, »den slavonischen Hechelmacher, der uns hier das gebrannte Herzeleid anthut«, nämlich Prokesch, vom Hof zu entfernen. In der Tat verließ der Bezichtigte Ende 1852 Berlin und ging im Januar 1853 als Bundespräsidialgesandter und Antipode Bismarcks nach Frankfurt. Hinckeldey erkannte selbst die Tragweite politisch-polizeilicher Aktionen wie dieser: „Mir aber wird vollends bange, seit ich in die Diplomatie komme«; er verknüpfte seine Bedenken mit einem erneuten, ebenso wirkungslosen Gesuch zur Versetzung nach Liegnitz, denn nach den »letzten Actionen« blühe für ihn in Berlin kein Weizen mehr: »Meine Zeit ist vorüber!« Der König sah die Sachlage vollkommen anders und nahm derartige Offenbarungen angesichts seines alles ergreifenden Mißtrauens begierig auf. Hinckeldey bat ihn »dringend«, auch Ministerpräsident Manteuffel von der Angelegenheit nichts zu sagen und das beigefügte Protokoll über die Vernehmung des Hirsch zu vernichten. Dieser Vorgang kennzeichnet Eigenart politisch-polizeilicher Aktionen, deren Urheber und Reichweite unter Friedrich Wilhelm IV. nach 1848 genügend. Sie prägten das nachrevolutionäre preußische Reaktionssystem und wurden erst durch den zielstrebigen Abbau der politischen Polizei beim Berliner Polizeipräsidium eingegrenzt. Das geschah im Zusammenhang mit der erwähnten Geschäftsrevision.330 Ihr fiel auch die VII. Abteilung Stiebers zum Opfer: Sie wurde aufgelöst und am 28.1.1861 wieder der IV. Abteilung im Polizeipräsidium unterstellt, nachdem Stieber vom Amt suspendiert und »auf Wartegeld gesetzt« worden war wie vormals schon sein Vorgänger Duncker. Damit war vor allem der politisch-polizeiliche Teil der kriminalpolizeilichen Geschäfte erheblich eingeschränkt, zumal die Kriminalpolizei wieder in enge Abhängigkeit zur Staatsanwaltschaft gebracht wurde. Diese hatte gegenüber den Revisoren geklagt, und wie sie meinten zu Recht, 329 330
Hinckeldey 18. 7.1852 an Friedrich Wilhelm IV., ebd., Bl. 10. Vgl. oben, S. 298.
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daß die [KriminalJPolizei zu weit auf ihre eigene Hand vorgehe, sei es in der Verfolgung oder in der Reposition, und endlich, daß sie nicht selten nicht sowohl im öffentlichen als vielmehr im Privat-Interesse in unzulässiger Weise thätig sei«. 3 3 1
Das habe an Umfang und Bedeutung unter Zedlitz abgenommen. Auch hier - wie bei andern Abteilungen des Polizeipräsidiums - wurde die Polizei im Zuge der >Neuen Ära< zunächst in ihre gesetzlichen Schranken zurückverwiesen. 7. Präventivmaßnahmen für den innenpolitischen Staatsnotstand Im Frühjahr 1853 häuften sich in auffallender Weise Indizien, die auf einen neuen bevorstehenden Revolutionsausbruch zu deuten schienen und die sämtliche staatspolizeilich tätigen Institutionen der Polizeivereinsstaaten - vergleichbar der Situation nach dem Orsini-Attentat auf Napoleon III. im Januar 1858 - in Alarmbereitschaft versetzten. Erstes bundesweites Aufsehen erregte der von Mazzinianhängern inszenierte Mailänder Aufstand vom 6. 2.1853. 3 3 2 Der preußische Innenminister Schloß eine Entstehung »aus trivialen Ursachen« aus und diagnostizierte, »daß vielmehr die allen geordneten staatlichen Einrichtungen feindselige Umsturzparthei direkt oder indirekt die jüngsten Mailänder Ereignisse hervorgerufen hat«. 3 3 3 Das ließ auch auf Verbindungen nach Preußen schließen. Für Westphalen gewann der Mailänder Aufstand im Hinblick auf mögliche staatsgefährliche Konspirationen Testcharakter: J e nachdem, wie weit die als Angehörige der >Umsturzpartei< bekannten Persönlichkeiten darauf reagierten und zu Aktionen schritten, ließ sich ermessen, ob die Umsturzparthei noch überhaupt in sich eine rege Verbindung erhält, und ob in der dortigen Provinz [des betreffenden Oberpräsidenten] Anknüpfungspunkte und Sympathien bei ähnlichen Versuchen zu erwarten stehen. 3 3 4
Dies zu ermitteln, beauftragte Westphalen am 13. 2 . 1 8 5 3 sämtliche Oberpräsidenten, die sich in den Provinzen mit den Regierungspräsidenten und Polizeidirektoren der größeren Städte zu verständigen hatten. Die Polizeidirektoren ihrerseits standen zugleich durch den - im nächsten Abschnitt näher erläuterten inländischen Wochenberichtsverkehr untereinander in Verbindung. Für den heutigen Beobachter demonstrieren die Maßnahmen augenfällig die Aktivierung des gesamten, mit staatspolizeilichen Aufgaben betrauten Apparats. Eine gleiche Aufforderung Westphalens ging an Hinckeldey, der seine »Wahrnehmungen so wohl auf Berlin, als auf die sonst Ihrer Beobachtung zugänglichen Verhältnisse des Inn- wie des Auslandes« mitteilen sollte; 335 damit hatte der Innenminister die 331 332
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StA Potsdam Pr. B r . R e p . 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 1 2 5 6 7 , BI. 161. Vgl. zu den Folgen in Österreich (Konzentration des Kundschafterwesens) oben, S . 3 2 6 bis 331, zur Auswirkung auf die Stellung Hinckeldeys zur politischen Polizei oben, S . 3 5 1 . Zirkularverfügung Westphalens 13. 2 . 1 8 5 3 an sämtl. Oberpräsidenten und an Hinckeldey, StA Potsdam, ebd., Nr. 1 3 8 3 5 , Bl. 24. Ebd. Westphalen 13. 2 . 1 8 5 3 an Hinckeldey; wie A n m . 333, Bl. 23. Die hier dargestellten Verfügungen des Polizeipräsidiums erscheinen als Marginalien auf dem Schreiben Westphalens.
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Angelegenheit zugleich als eine Polizeivereinssache bezeichnet, für die Hinckeldey zuständig war. Der Leiter des staatspolizeilichen Vereinsbüros Raffel im Präsidium zergliederte die Weisung in Einzelaufträge an die in Angelegenheiten der politischen Polizei einzuschaltenden Beamten: - Polizeidirektor Hofrichter als in der Sicherheitspolizei alterfahrenen Beamten (ab 1854 Leiter der IV. Abteilung), - Polizeidirektor Stieber als Leiter der Kriminalpolizei, - Polizeihauptmann Patzke als Leiter der Schutzmannschaft, - Mitteilung des Berliner Wochenberichts für die Polizeivereinsstaaten. Über den Polizeiverein ging dem Berliner Polizeipräsidium ein weiteres Indiz zu: Dem badischen Innenministerium lagen am 14. 2.1853 Nachrichten vor, daß Zürich nun der »Centraipunkt der Revolutionsparthei in der Schweiz« sei; dorthin gelangten die Korrespondenzen aus Amerika. Man rechne dort auf Kaiser Napoleon III., daß dieser in Italien, Ungarn, Polen einen Aufstand veranlasse. Geschehe dies nicht, werde im Norden, namentlich in Preußen, ein Aufstand vorbereitet. Emissäre bereisten schon die preußischen Provinzen. Nach den »Vorgängen in Mailand« seien die Anhänger der Umsturzpartei in der Schweiz besonders rührig. Das badische Innenministerium verdankte die Nachrichten durch Vermittlung eines eigenen Agenten in der Schweiz336 dem politischen Flüchtling und ehemaligen fürstlich Fürstenbergschen Rentamtsgehilfen Hühnerwadel in Rheinfelden im Kanton Aargau; dieser korrespondierte mit politischen Flüchtlingen in Zürich. Der badische Polizeivereinskommissar Fieser sandte noch am gleichen Tag die Mitteilungen an Hinckeldey, der sie am 17. 2. in Händen hielt und sogleich an das Innenministerium weiterleitete. 337 Das Vereinsbüro schaltete wiederum die gleichen genannten Instanzen ein. Ein weiteres Signal setzte das Attentat auf den österreichischen Kaiser Franz Joseph am 18. 2. 1853 in Wien. Es fand zu einem Zeitpunkt statt, als unter den Polizeivereinsstaaten ein revolutionäres Pamphlet kursierte; es trug den Titel »Aufruf. An unsere deutschen Brüder, die Soldaten!« und begann mit dem Satz: »Eurer Fürsten Feind ist unser Freund!«, sprach von der »großen Stunde der Entscheidung« und bestätigte dadurch die Furcht der Regierungen vor einer neuen gesamteuropäischen Revolution; es richtete sich an das Militär und empfahl den Zusammenschluß mit der befreienden, Deutschlands Einheit stiftenden französischen Armee, die mit Kaiser Napoleon an der Spitze heranrücken werde, die Fürsten zu vertreiben. Die meineidigen Fürsten hätten ihre in den Befreiungskriegen gegebenen Versprechen gebrochen, die Soldaten seien nun auch nicht mehr an ihren Eid gebunden. Das Blatt war unterzeichnet »London - den 1. März 1853. Mehrere deutsche Offiziere«, wobei das Datum zweifelsfrei fingiert war.338 Das 336 337
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Vgl. oben, S. 264 betr. Agenten in der Schweiz. Fieser 14. 2.1853 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 13835, Bl. 22. Ein Exemplar ebd., Bl. 37; Westphalen übermittelte es Hinckeldey am 21. 2.1853 (!), ebd., Bl. 35.
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von Baden aus angekündigte Zusammengehen der Revolutionäre mit dem französischen Kaiser, der gegen die Fürsten gerichtete und an das Militär appellierende Aufruf und das Wiener Attentat erschienen zusammengenommen als Glieder einer Kette, die auf den erneuten Revolutionsausbruch hinauslief. Alle eingegangenen Nachrichten veranlaßten den preußischen Innenminister, sie als »Symptome« einer vom Ausland gesteuerten revolutionären Aktion zu deuten und als staatliche Reaktion darauf präventivpolizeiliche Maßnahmen für den potentiellen inneren Staatsnotstand zu treffen. Er ging dabei nicht punktuell vor, sondern schuf ein System, das - in permanenter Alarmbereitschaft - dem Notstandsfall künftighin gewachsen sein sollte. Westphalen rechnete mit dem ungebrochenen Mut der »Führer der Umsturzpartei« und mit neuen Aufstandsversuchen; es galt, »derartigen Versuchen vollkommen vorbereitet entgegen zu treten«; Westphalens Erfahrungen aus der vorangegangenen Revolution sagten ihm, daß bei ungezögertem Einschreiten solche Versuche mißlängen, weil so der »großen Menge« die Energie genommen werde und der Bewegung somit kein Vorschub mehr geleistet werde. Dieser polizeilichen Revolutionstheorie entsprechend mußte der politisch-polizeiliche Staatsapparat in ständiger Alarmbereitschaft stehen - ein neuartiges Unterfangen für die an umständlichen Schriftverkehr gewohnten Zwischenbehörden. Durch gezielte Sonderermächtigungen schuf der Innenminister nun ein vor der Öffentlichkeit verborgenes potentielles Notstandssystem: Am 8. 3. 1853 hielt er in einem konstitutiven Zirkularerlaß 339 sämtliche Oberpräsidenten und den Berliner Polizeipräsidenten an, - den Unterbehörden und dem Publikum gegenüber Ruhe an den Tag zu legen, - gleichwohl fortwährend die öffentlichen Zustände zu beobachten, - ganz besonders die Orte zu beachten, die für einen Aufstandsversuch in Betracht kämen. - für diejenigen »gefährlichen Orte«, an denen sich keine besondere militärische Garnison befand, das nächstgelegene Standquartier und denjenigen Truppenteil zu ermitteln, der militärische Hilfe zu leisten hätte, - »daß schon jetzt diejenigen Verwaltungsmaßregeln erwogen werden, welche bei Verhängung des Belagerungszustands zu ergreifen sind«. Für den Fall, daß trotz aller Vorkehrungen ein Aufstand ausbrach, erwartete der Innenminister, daß die Behörden ohne Anfragen und Zweifel unverzüglich vorgingen und gemäß dem Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. 6.1851 den Belagerungszustand verhängten. Dazu war »in dringenden Fällen rücksichtlich einzelner Orte und Distrikte« auch der Verwaltungschef des Regierungsbezirks, also nicht allein der militärische Amtsträger, befugt. 340 Zur Vorbereitung beauftragte Westphalen die Oberpräsidenten, mit den 339
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Zirkularverfügung Westphalens 8. 3. 1853 an sämtliche Oberpräsidenten und an Hinckeldey, wie Anm. 337, Bl. 60-62. »Gesetz über den Belagerungszustand« vom 4.6. 1851, gedr. bei Huber: Dokumente Bd. 2, S. 527-531, vgl. bes. S. 523, § 2.
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Regierungspräsidenten und höheren Truppenbefehlshabern der Provinz »mündliche und vertrauliche Rücksprache« zu nehmen. Dadurch war ein politisch-polizeilich gesteuertes Notstandssystem vorbereitet, das im Alarmfall seine Schlagkraft aus dem Zusammenwirken der zivilen Polizei- und der militärischen Garnisonskräfte erhielt;341 die Entscheidung lag bei den mit der politischen Polizei betrauten Behörden, wobei die Zentralbehörde für die begrenzte Zeit des revolutionär erzeugten Ausnahmezustands ihre Kontrollfunktion gegenüber den Mittelbehörden suspendiert hatte. Entsprechend wies der Innenminister den Polizeipräsidenten von Berlin an, sämtliche für staatspolizeiliche Zwecke mit Exekutivmaßnahmen beauftragten Beamten zu instruieren, und zwar ausdrücklich auf mündlichem, nicht aktenmäßig faßbarem Wege. 342 Diese Weisung ließ Hinckeldey bei allen für die politische Polizei exponierten Führungsbeamten des Polizeipräsidiums zirkulieren. Diese bestätigten daraufhin, daß sie die ihnen untergebenen Beamten mündlich und vertraulich instruiert hatten. Die leitende Kontrolle für die Durchführung lag beim Vereinsbüro. Zum Kreis der augewählten Beamten zählten Polizeidirektor Hofrichter, Stieber und Goldheim (Kriminalpolizei), Saeger (Einwohnermeldeamt), Sebald (IV. Abteilung) und Patzke (Schutzmannschaft). Alle Offiziere der Schutzmannschaft wurden in einer eigenen Konferenz mündlich instruiert. Alle Beteiligten wurden beauftragt mit - geschärfter Handhabung der Paß- und Fremdenpolizei; - strengster Anwendung der Paßvorschriften; - Überwachung der Gasthäuser und Restaurationen, besonders in den größeren Städten; - Kontrolle der Eisenbahnhöfe; - Wachsamkeit auf aufrührerische Schriften, verborgene Waffen, Stockdegen und Stiletts; - Benutzung des Telegraphen in dringlichen Fällen. 343 Alle Polizeimaßnahmen erbrachten keinerlei Hinweise auf Zusammenhänge preußischer Oppositioneller mit den Ereignissen in Mailand und dem Attentat auf Franz Joseph I. Einzelne Personen, die sich durch Calabreserhüte angeblich als Anhänger der demokratischen Partei< zu erkennen gaben, wurden verhaftet und teilweise ausgewiesen. Immerhin führten die Fahndungen zur Aufdeckung versteckter Waffen und Munitionsstücke; deshalb wurden vierzig Personen verhaftet; zwanzig von ihnen überwies man »zur Verfolgung ihres hochverrätherischen Unternehmens« der Staatsanwaltschaft. Im Rahmen der Polizeivereinskooperation meldete Hinckeldey dieses Ergebnis der ganz Preußen erfassenden Fahndungen an den Chef der Obersten Polizeibehörde in Wien, Kempen, der am 12.4.1853 angefragt hatte, 341
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Vgl. zu diesem Zusammenwirken in der vorrevolutionären Zeit Lüdtke: »Gemeinwohl«, Polizei und »Festungspraxis«, passim. Westphalen 21. 2. 1853 in Hinckeldey, wie Anm. 337, Bl. 35. Wie Anm. 342.
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was in Preußen im Zusammenhang mit dem Mailänder Aufstand und dem Attentat von preußischer Seite aus geschehen sei.344 Kempen verwendete die ihm aus dem Polizeiverein zugehenden Hinweise seinerseits für die innerösterreichischen Polizeibehörden weiter. 345 Insgesamt verdienen diese Maßnahmen im Frühjahr 1853 deshalb Beachtung, weil sie zeigen, welche beteiligten Instanzen mit politisch-polizeilichen Aufträgen im Alarmfall eingeschaltet wurden, wie stark die Wechselwirkung von äußeren und inneren Vorgängen in Preußen auf den Polizeiapparat durchschlug und daß anders als im Frühjahr 1848 - man im Ernstfall eines Revolutionsausbruchs durch Zusammenwirken der präventiv tätigen politischen Polizei mit den militärisch eingreifenden Garnisonskräften vorbereitet und entschlossen war, unverzüglich und mit Einschluß von Gewalt zu handeln, wobei sich der »Führer der Umsturzpartei« zu bemächtigen als strategische Grundregel galt. Hervorzuheben sind dabei zugleich die wechselseitige Kooperation zwischen den Großmächten Preußen und Österreich und die parallel verlaufenden Bestrebungen beider Staaten, im Innern der politischen Polizei zu mehr Wirksamkeit und Selbständigkeit auf dem Wege der institutionellen Konzentration zu verhelfen. 8. Innerpreußische Konzentration der politischen Polizei seit 1851: die »Wochenberichte Inland« Die Präventivmaßnahmen für den innenpolitischen Staatsnotstand fußten nicht zuletzt auf dem Fundament eines effektiv und lückenlos arbeitenden politischpolizeilichen Nachrichtenverbunds innerhalb der Monarchie. Der Beitritt Preußens zum Polizeiverein im Jahre 1851 hatte dazu die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Denn wie in allen Mitgliedsstaaten führte auch hier die Teilnahme am auswärtigen Wochenberichts-Verkehr zu einer Konzentration der politischen Polizei im Innern, und zwar hier vergleichsweise nach Sachsen am perfektesten. Den äußeren Anlaß dazu bot das politisch-polizeiliche Informationsgebaren des sächsischen Regierungsrats Eberhardt, der damit ebenso in Bayern wie in Preußen bei den Zentral- und Mittelbehörden Verwirrung stiftete: Er verschickte gemäß der Vereinbarung auf der konstituierenden Dresdner Polizeikonferenz vom 9. 4.1851 für Sachsen Auslandswochenberichte an Hinckeldey. Darüber hinaus ließ er - wie ebenfalls mit der Rayoneinteilung damals vereinbart - seine rayoninternen »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« bis in preußisches Gebiet hineingehen, konkret an die Sachsen nächstgelegenen Regierungspräsidien in Erfurt und Merseburg, zusätzlich noch an Hinckeldey. Alle drei Adressaten reichten ihrerseits diese Berichte dem Innenministerium ein, so daß es dort zu Überschneidungen und Vielschreiberei bei der Weitergabe der Informationen an das Landesinnere kam. Diese Situation führte Hinckeldey 344
345
Zu entnehmen aus Hinckeldeys Antwort 18. 5. 1853 an Kempen, wie Anm. 337, Bl. 94 bis 96. Vgl. oben, S. 329.
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vor Augen, daß der politisch-polizeiliche Informationsfluß im Landesinnern nur ungenügend koordiniert war, und veranlaßte ihn zu einem Antrag an Westphalen, Eberhardt solle seine Mitteilungen an die übrigen Polizeibehörden des Landes einstellen, und der Innenminister möge dem Polizeipräsidium die weitere Verteilung überlassen; er drang darauf, die Mittheilung der in den resp. Wochenberichten und dort gebotenen politisch-polizeilichen Nachrichten an die betreffenden Heimathsbehörden und mithin die allgemeine Verwerthung derselben hochgeneigtest mir allein anvertrauen und resp. überlassen zu wollen, indem sonst keine Einheit und Concentration in unsere politische Polizei kommen kann.345"
Mit seiner Begründung enthüllte Hinckeldey das für ihn maßgebliche Konzept, die politisch-polizeiliche Kompetenz für das Gesamtgebiet der Monarchie zu erringen. Wenig später kam Westphalen dem Bestreben des Berliner Polizeipräsidenten in vollkommener Weise nach: Am 5.12.1851 begründete er in einem Zirkularerlaß an die Polizeidirektionen der größeren Städte Preußens das innerstaatliche Wochenberichtssystem. 346 Dieser Erlaß war von konstitutiver, weitreichender Bedeutung, denn erst mit ihm waren die institutionellen Voraussetzungen für eine flächendeckende, in die Provinzen reichende, von Hinckeldey gesteuerte Reaktionspolitik gegeben. In seiner Begründung berief sich Westphalen auf die wachsende Organisation der »Umsturzpartei«, die über die einzelnen deutschen Staaten hinaus »im engsten Zusammenhange« stehe und »nach einem Plane« handle. Der Sitz ihrer obersten Leiter sei in England zu suchen. Deren Organisation mache es für die Polizeibehörden der größeren und wichtigeren Städte Preußens notwendig, ihrerseits »über die Grenzen des zunächst vorgeschriebenen Geschäftskreises hinaus« wirksam zu werden und besondere Aufmerksamkeit für die »Pläne der Umsturzpartei« zu entwickeln. Hier wie stets ging eine Konzentration der politischen Polizei mit einer Umschichtung vorgegebener Ressorts und Instanzenzüge im Behördenapparat einher. Die »engere Verbindung zwischen den Polizeibehörden der Hauptstädte einzelner deutscher Staaten« - womit Westphalen die Existenz des Polizeivereins andeutete - erfordere auch eine engere und vor allem regelmäßige Verbindung der Polizeibehörden innerhalb Preußens. Nach dem Vorbild der auswärtigen Wochenberichte richtete der Innenminister ein gleichartiges Informationsverfahren für das Inland ein. Der Inhalt dieser jeweils von einer städtischen Polizeidirektion zu verfertigenden »Wochenberichte Inland« beschränkte er - ihrem Zweck entsprechend ^"Hinckeldey 28.10.1851 an Westphalen (Konzept), StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. lOf.; der zitierte Passus ist nachträglich im Konzept gestrichen worden, das entkräftet deshalb jedoch nicht die innewohnende programmatische Absicht Hinckeldeys, wie auch die spätere Praxis der inländischen Wochenberichte zeigt. 346 Erlaß Westphalens 5.12.1851 an die Polizeidirektionen, ebd., Bl. 21-24, daraus auch die folgende Darlegung.
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streng »auf das politische Gebiet«; dieses sollte allerdings »in ausgedehntester Weise« erfaßt werden, und zwar nicht nur mit vollendeten Tatsachen, sondern auch durch laufende Wahrnehmungen. Als bemerkenswert galten - besondere Regsamkeit innerhalb einer »regierungsfeindlichen Partei«, - Reisetätigkeit ihrer Führer, - lebhafterer Verkehr »innerhalb der reisenden Agenten der Propaganda«, - Verhaftungen, Haussuchungen, deren Ergebnisse, - das Erscheinen »verbrecherischer Schriften«, aber auch schon die Publikationsabsicht, - Auskünfte über Persönlichkeiten oder sonstige Umstände bei anderen Behörden. Unbetroffen von den regelmäßigen Mitteilungen blieb die Pflicht, in dringenden Fällen einzelne Behörden direkt zu benachrichtigen. Auch Formalia wurden normiert: Die Wochenberichte waren an die Vorsteher der Behörde persönlich zu richten, davon drei Exemplare eines Berichts an Westphalen, eines an Hinckeldey; dieser hatte seinerseits wöchentlich einen Bericht an sämtliche, dem Austausch angeschlossenen Polizeidirektionen abgehen zu lassen. Es wurde »strenge Geheimhaltung der Wochenberichte» als ein »ganz besonderes Bedingniß« für den Erfolg der ganzen Einrichtung befohlen. Die Berichte mußten in einer ganz sicheren Anstalt lithographiert oder metallographiert werden; Abschriften auf dem gewöhnlichen Wege von Kanzleiarbeiten waren untersagt. Die Vorstände der Polizeiverwaltungen hatten die Berichte zur Sekretierung bei sich persönlich aufzubewahren und dem gewöhnlichen Geschäftsgang vorzuenthalten. Falls besondere Maßnahmen aufgrund der Nachrichten aus den Wochenberichten erforderlich waren, durften die Verfügungen nur »ex officio«, das hieß ohne Bezug auf den jeweiligen Wochenbericht als Quelle, ausgegeben werden. Westphalen erwartete noch im Dezember 1851 die ersten Berichte und zum 1. 4.1852 einen besonderen Bericht des Polizeipräsidenten über den Erfolg des Verfahrens. Hinckeldey sollte mit einem Bericht vorangehen, um den angeschlossenen Polizeidirektionen ein Muster für formale und inhaltliche Realisierung zu geben. Der erste Berliner inländische Wochenbericht stammte vom 19.12. 1851. Er ging an dreizehn Polizeidirektionen; dem System waren schließlich - Berlin mitgerechnet - insgesamt siebzehn Polizeidirektionen angeschlossen, nämlich: 1. Berlin 2. 3. 4. 5. 347
Königsberg Elbing Danzig Posen
6. 7. 8. 9. 10.
Stettin Frankfurt/O. Breslau Madgeburg Minden
11. Düsseldorf 12. 13. 14. 15.
Köln Koblenz Trier Aachen
16. Elberfeld u. Barmen 17. Halle347
Nr. 1-14 sind angegeben StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, B1.24, Aachen wurde noch nachträglich hinzugefügt, dann noch am 12.7.1852 Elberfeld mit Barmen, ebd., Bl. 124, zuletzt Halle am 30.3.1854, ebd., Bl. 218.
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Damit hatte Hinckeldey sein Ziel erreicht, das Berliner Polizeipräsidium in politisch-polizeilichen Angelegenheiten zur zentralen Vermittlungsstelle zwischen den Polizeibehörden des In- und Auslands zu machen. Auf der dritten Polizeikonferenz in Berlin am 3. 2.1852 unterrichtete er auch die übrigen Mitglieder des Polizeivereins über die Einrichtung des inländischen Wochenberichtssystems.348 Seine zeitliche Reichweite umfaßt für die von Berlin aus angeschriebenen Polizeidirektionen in den Provinzen die Jahre 1851 bis maximal 1859, für Berlin bis 1860, soweit die erhaltene Überlieferung ein Urteil erlaubt. 349 In den Polizeidirektionen der größeren preußischen Städte, die in den inländischen Wochenberichtsverkehr einbezogen waren, begriff man die gesamte neue Einrichtung als eine verbesserte »Organisation der politischen Polizei«.350 Bei besonders eifrigen Polizeidirektoren wie etwa denen in Frankfurt/O. und in Minden setzte sich die von oben gesteuerte Maßregel in selbständigen Initiativen innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises fort. Die Polizeidirektoren vermißten einen Zugriff außerhalb ihres Kompetenzbereichs auf das flache Land und versuchten deshalb, die dafür zuständigen Landräte in das System der Wochenberichte einzubeziehen. Als diese eine Unterordnung unter die Polizeidirektoren befürchteten und sich sträubten, drängten die Direktoren das Innenministerium, »eine angemessene Einwirkung auf die Handhabung der Staats-Polizei im ganzen Regierungs-Bezirk übertragen« zu bekommen. 351 Die politisch-polizeiliche Idealkonzeption, die immer wieder begegnet und die den Antrieb für Änderungen im Organisatorischen bildete, lautete, »ein vollständiges Bild der politischen Lage des ganzen Landes« zu bieten. Der Mindener Polizeidirektor erstrebte »in politisch polizeilicher Beziehung« - wie er formulierte - als optimale Lösung ein »netzartig ausgebreitetes und in einandergreifendes Ueberwachungssystem«. 352 Das lasse sich dann zur Beeinflussung von Wahlen benutzen. Der Mindener Beamte scheiterte an Widerständen, die er auf den »Mangel an Interesse für das große Ganze« oder auf »vermeintliche Beeinträchtigung persönlichen Ruhmes« zurückführte. Die Gründe lagen indessen tiefer. Die ressortübergreifenden Tendenzen der politischen Polizei führten zu institutionstypischen Konflikten: Durch den Wochenberichtsverkehr unmittelbar mit dem Berliner Polizeipräsidium wurden die Stadtpolizeidirektoren bis zu einem gewissen Maße 348
349
350
351 352
Polizeikonferenz Berlin 3. 2. 1852, Diskussionspunkte aus der Hand des Polizeidirektors Schultz, ebd., Bl. 37. Von den Wochenberichten Inland sind im StA Potsdam erhalten Tit. 94 Nr. 14019-14023 (Berlin/Inland: 1851-61), Nr. 14029 (Köln 1851-58), Nr. 14030 (Koblenz 1852-57), Nr. 14031 (Danzig 1851-58), Nr. 14032 (Düsseldorf 1851-58), Nr. 14033 (Elbing 1852 -57), Nr. 14034 (Frankfurt/O. 1851-58), Nr. 14035 (Königsberg 1851-58), Nr. 14036 (Magdeburg 1851-57), Nr. 14037-38 (Minden 1852-57), Nr. 14039 (Stettin 1851-57), Nr. 14040 (Trier 1852-59), Nr. 14042 (Posen 1852-57), Nr. 14050 (Halle 1854-57). Wochenbericht Frankfurt/O. 2. 6. 1853 Pos. 19, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 94 Nr. 12151, Bl. 17f. Ebd. Wochenbericht Minden 6. 6.1853 Pos. 122, ebd., Bl. 20f., im gleichen Sinne Wochenbericht Elbing 15. 6. 1853 Pos. 29, ebd., Bl. 22.
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gegenüber den ihnen rechtlich übergeordneten Regierungspräsidien verselbständigt, oder, wie der Polizeidirektor von Frankfurt/O. formulierte: Der Einfluß der Regierungspräsidenten werde durch die koordinierte Konzentration der »Staatspolizei« bei den Städten »etwas neutralisirt«. 353 Das entsprach - zunächst - vollständig der Absicht des Innenministers. Westphalen wollte die Regierungspräsidenten strikt aus dem inländischen Wochenberichtsverkehr heraushalten. Als Hinckeldey - da die Polizeidirektorenstelle in Trier noch vakant war - die Wochenberichte ausnahmsweise an den dortigen Regierungspräsidenten gehen ließ, zog er sich eine scharfe Rüge prinzipiellen Charakters zu. Westphalen meinte, »daß es befremden muß«, so zu verfahren, weil eine Zusendung an die Regierungspräsidien »dem Zwecke einer directen Verbindung der Haupt-Polizeibehörden unter sich und mit dem Ministerium gerade widerspricht«.354 Damit bekundete er seine Absicht, ein alle ordnungsmäßigen Instanzen überspielendes und ausschaltendes staatspolizeiliches, auf ihn und Hinckeldey zentralisiertes Operationssystem - gewissermaßen einen Staat im Staate - zu besitzen. Das spürten die Betroffenen und versuchten es zu unterlaufen. Der Oberpräsident der Rheinprovinz ließ sich jeweils die Wochenberichte aus Trier einreichen. Der Regierungspräsident in Minden ging noch weiter, indem ihm der dortige Polizeiinspektor Rose nicht nur die eigenen, sondern auch die von andern preußischen Polizeidirektoren eingehenden Berichte vorzulegen hatte. Roses eigene Berichte wurden »unter seine Censur gestellt«; so kritisierte es Hinckeldey, dem dieses Verfahren der »ursprünglichen Tendenz« der Wochenberichte zuwider erschien, wonach sich die betreffenden Polizeibeamten gegenüber dem Innenministerium und ihren einbezogenen Kollegen »selbstständig, frei und ungenirt« aussprechen können sollten. Hinckeldey wünschte eine Zirkularverfügung, die die Polizeivorstände der Städte im Wochenberichtsverkehr grundsätzlich von ihren unmittelbaren Vorgesetzten unabhängig machten; die übergeordneten Ober- oder Regierungspräsidenten könnten sich von den Polizeidirektoren durch spezielle Berichte »über politisch-polizeiliche Vorfälle und Wahrnehmungen« separat unterrichten lassen.355 Dazu ließ sich Westphalen indessen nicht herbei. In der Tat lag in dem gesamten System eine Tendenz zur Verselbständigung. So meldete Hinckeldey keineswegs alle Einzelheiten der auswärtigen ebenso wie der inländischen Wochenberichte dem Innenministerium, sondern er filterte die Nachrichten; er nahm - wie er sagte - eine »Sichtung« vor, denn die Wochenberichte enthielten nach seiner Ansicht manches Irrelevante, zuweilen auch Ungegründetes oder Ungenaues, was hinterher widerrufen, berichtigt und vervollständigt werden muß; und mitunter Raissonnements, welche für Ew. Exc. von gar keinem Interesse sein können. 356 353 354
355
356
Wie Anm. 350. Der Innenminister, i.A. Unterstaatssekretär Manteuffel 7. 3. 1852 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94, Nr. 12154/1, Bl. 49. Hinckeldey 10. 7.1852 an Westphalen, wie Anm. 354, Bl. 107; der Polizeipräsident bezog sich dazu ausdrücklich auf die Weisung des Mdl vom 7. 3. 1852, vgl. Anm. 354. Hinckeldey 28.10.1851 an Westphalen, wie Anm. 354, Bl. lOf.
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Deshalb erschien dem Polizeipräsidenten auch bedenklich, Abschriften der Wochenberichte an die Regierungspräsidien generell weiterzugeben; diese würden zu Maßnahmen und Recherchen veranlassen, die bereits vom Polizeipräsidium aus eingeleitet oder erledigt seien. Auf die Anordnung hin, Rechenschaft darüber abzulegen, welcher Erfolg dem inländischen Wochenberichtssystem beschieden war, meldete das Polizeipräsidium, es habe sich »die Einrichtung sehr bewährt«, sowohl was die erweiterten Kenntnißnahmen von den Vorfällen auf dem politischpolizeilichen Felde, als auch das verwendete Interesse dafür bei den Provinzial-Behörden betraf«.357
Die Tatsache dieser Rückfrage bestätigt zugleich, daß die eigentliche Steuerung bei Hinckeldey und nicht beim Innenminister lag. Die Aktivierung der Provinzialbehörden und ihre direkte Koppelung an die Zentrale zeigten indessen auch Wirkungen, die das Innenministerium ursprünglich keineswegs beabsichtigt hatte und dann für höchst unerwünscht hielt: Die Polizeidirektoren regten in ihren Wochenberichten »häufig Fragen über den Sinn, die Anwendung oder die Mängel der bestehenden Gesetze« an und machten diese ebenso wie das Verhalten einzelner Behörden »zum Gegenstand einer tadelnden Kritik«. Westphalen beurteilte dies als »durchaus ungehörig« und im Widerspruch zum Erlaß vom 5.12.1851 (der dieses System begründet hatte); in einem Zirkularerlaß suchte er derartige Kritik auf dem Wege über die Wochenberichte zu unterbinden. 358 Anfang 1854 setzte Westphalen diesen Verselbständigungstendenzen endgültig eine Schranke, indem er das gesamte inländische Wochenberichtssystem auf eine neue Grundlage stellte: Er schloß nunmehr - über den Kreis der 17 städtischen Polizeidirektionen hinausgreifend - die Landräte, Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten, das hieß alle mit Polizeiaufgaben betrauten Instanzen der preußischen Innenverwaltung, in das System ein359 und trug damit zugleich einem Mangel Rechnung, den die Polizeidirektoren mehrfach beklagt hatten, als ihre Versuche gescheitert waren, politisch-polizeiliches Material vom flachen Land zu bekommen und dazu die Landräte einzuspannen. Indem diese nun auch in den inländischen Wochenberichtsverkehr einbezogen wurden, löste der Innenminister das Problem, wenn auch nicht im Sinne der auf mehr Kompetenzen bedachten städtischen Polizeidirektoren. Westphalen verfolgte mit der Neugestaltung den »Zweck einer fortlaufenden Uebersicht der politischen Zustände des Landes und einer regen Wechselwirkung unter den Polizeibehörden der politisch wichtigeren Städte der Monarchie«. 360 Er 357
358
359
360
Bericht Hinckeldeys 7.6.1852, ebd., Bl. 70-72; vgl. zu diesem angeforderten Bericht oben, S. 391. Zirkularerlaß Westphalens 18. 7. 1852, StA Postdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 338. Zirkularerlaß Westphalens 11. 2.1854 an die preuß. Regierungspräsidien ebd., Bl. 204f., an die Oberpräsidenten vom gleichen Tag ebd., Bl. 206. Ebd., Bl. 206.
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schuf damit ein System der - wie er sagte - »Verwaltung der politischen Polizei«, das gesamt Preußen organisatorisch erfaßte. Allerdings ging damit keine größere oder gar >totalitäre< Wirkungsweise einher. Das Verfahren sah nun so aus: Unter der Vermittlung und Aufsicht der Regierungspräsidenten hatten die Kreislandräte in »einer möglichst regelmäßigen Berichterstattung«, aber doch nach lokalem Bedarf und eigenem Ermessen, politisch-polizeiliches Material den Regierungspräsidenten einzureichen; diese sichteten und konzentrierten es auf die Menge, die sie zur Aufnahme in die weiterhin von den Polizeidirektoren anzufertigenden Inlandswochenberichte weitergaben. Zur »wirksamen Controle« erhielten anschließend Regierungspräsident und Oberpräsident je ein Exemplar des fertiggestellten metallographierten Wochenberichts. In dringlichen Fällen leiteten nun die Regierungspräsidenten über die Oberpräsidenten ihre Mitteilungen direkt an das Innenministerium, so daß die Polizeidirektion dabei ausgeschaltet war. Gegenüber der ursprünglichen Regelung bot die Neufassung des Systems im Hinblick auf die zentralisierende Stellung des Berliner Polizeipräsidiums nur Nachteile: - das geschlossene, nur auf den Polizeipräsidenten zugeschnittene, von Polizeipraktikern getragene Nachrichtensystem war durchbrochen, denn - nun waren die Mittelinstanzen als kontrollierende Behörden zwischengeschaltet, - selbst das Berliner Polizeipräsidium mußte seine Exemplare der inländischen Wochenberichte nunmehr dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg zugehen lassen und wurde dadurch ein Stück weit mediatisiert; 361 - durch die Beteiligung von mehr Instanzen wurde der Nachrichterigang schwerfälliger und zeitraubender; - die sich durchkreuzenden Kompetenzen konnten das System lähmen, denn die übergeordneten Regierungspräsidenten waren nun zur politisch-polizeilichen Nachrichtenbeschaffung gegenüber den Polizeidirektoren verpflichtet, konnten andererseits das Ergebnis in Gestalt der Wochenberichte begutachten. - Durch so viele beteiligte Behörden war der elementare Grundsatz, den Wochenberichtsverkehr geheim zu halten, und damit der Erfolg des gesamten Systems gefährdet. Der letzte war auch der schwerwiegendste Einwand, den Hinckeldey gegen die Umstellung erhob, ohne sich freilich durchsetzen zu können. 3 6 2 Hinckeldeys Widerspruch bekundete, daß er das bisher von ihm praktizierte System gefährdet sah, während es aus der Sicht des Innenministers gerade nun erst vollständig ausgebaut erschien. Westphalen, der vom König gezwungen worden war, Hinckeldey landesweite »discretionäre Gewalt« in Sachen politischer Polizei gegen-
361
362
Der Oberpräsident der Prov. Brandenburg, Potsdam 22. 2. 1854, an Hinckeldey, wie Anm. 358, Bl. 212; die daraus erwachsene Gegenüberlieferung in StA Potsdam Pr. Br. Rep. 1 Oberpräsidium Tit. 26 Nr. 1130. Hinckeldey 22. 2 . 1 8 5 4 an Westphalen, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 22f.
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über allen Landesbehörden der inneren Verwaltung zuzugestehen, 363 unterlief diese Machtkonzentration durch die Umstellung des Wochenberichtssystems. Welche Bedeutung und Effektivität kamen den inländischen Wochenberichten ungeachtet der Konflikte um Zuständigkeiten dennoch zu? Zunächst dienten sie dem Berliner Polizeipräsidium als Materialzuträger für die nach auswärts an die Mitglieder des Polizeivereins gehenden Wochenberichte. Ihren Wert für das Inland drückte der Regierungsassessor Beyer bei der Polizeidirektion Elbing aus; er war überzeugt, daß die Einrichtung der Wochenberichte einen unverkennbaren Nutzen gewährt, indem sie die Polizeibehörden der größeren Städte der ganzen Monarchie in einem steten gegenseitigen Verkehr erhält, die Kenntnis der hervorragenden Mitglieder der staatsgefährlichen Partei verbreitet, die Überwachung dieser Personen auf die leichteste Weise ermöglicht, dazu beiträgt, das Paßwesen einem gleichmäßigen Verfahren und einer gleichmäßigen Kontrolle zu unterwerfen und die Übersicht über den Fremdenverkehr durch Bezeichnung der als verdächtig erkannten Individuen ungemein erleichtert.364
Damit hatte Beyer Wirkungskreis und -weise der politischen Polizei in der preußischen Provinz während der Reaktionszeit elementar charakterisiert. Das Berliner Polizeipräsidium verfertigte alphabetische Verzeichnisse der in den Wochenberichten vorkommenden »staatsgefährlichen« Personen; die für das Jahr 1852 aktenmäßig faßbaren Zahlen mögen das Gewicht der einzelnen Polizeidirektionen im Hinblick auf ihre politisch-polizeiliche Aktivität veranschaulichen. Es enthielten die inländischen Wochenberichte von 1852 insgesamt für Berlin Trier Magdeburg Minden Frankfurt/O.
ca. 2000 478 106 630 237
Namen Namen Namen Namen Namen
Danzig Köln Elbing Koblenz
222 Namen ca. 620 Namen 54 Namen 250 Namen. 365
Im Jahre 1852 erfaßten die inländischen Wochenberichte also von 9 der zu dieser Zeit beteiligten 16 Polizeibehörden (ohne Halle) allein schon rund 4600 Namen, also rund Dreiviertel des 1855 erschienenen berüchtigten »Anzeigers für die politische Polizei Deutschlands«. 366 Es ist freilich zu berücksichtigen, daß die Frequenz der Wochenberichte - analog zu denen im Polizeiverein - im Laufe der Jahre abnahm und allein der Berliner, der anfangs alle ein bis zwei Wochen herauskam, seinem Namen annähernd 363 364 365
366
Vgl. oben, S. 352. Wochenbericht Elbing 15. 3. 1852, StA Potsdam, ebd., Nr. 14033, Bl. 4. StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräsidium Tit. 94 Nr. 14044 (»Alphabetische Verzeichnisse der in den Wochenberichten vorkommenden Personen«). - Nur die obengenannten 9 Behörden hatten Jahresnamenregister angefertigt! Der »Anzeiger« enthielt 6163 Namen, vgl. oben, S. 282.
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gerecht wurde; er erschien dann 1853 30mal, 1854 15mal, 1855 15mal, 1856 12mal, 1857 12mal, 1858 8mal, 1859 8mal, 1860 noch mindestens einmal. 367 Die Berichte der Provinzialpolizeidirektionen nahmen an Häufigkeit entsprechend im Laufe der Jahre ab und erschienen jährlich in geringerer Zahl als die Berliner. Im allgemeinen liefen sie in den Jahren 1856 und 1857 aus und reichten nur ausnahmsweise bis 1859, ohne daß das System formell aufgehoben worden wäre. Noch im »Nachtrag« zum 6. Berliner Inlandswochenbericht vom 4. 6.1859 wurde diese Form des Nachrichtenaustausches als existent vorausgesetzt, indem das Berliner Polizeipräsidium bemerkte: Erinnert wird noch besonders, daß Minden durch die Auflösung der königlichen PolizeiInspektion daselbst aus dem Wochenberichts-Verbände ausgeschieden ist und demnach Wochenberichte dorthin nicht mehr zu schicken sind.368
Die sinkende Zahl der Wochenberichte ist nicht als Zeichen ihrer Wirkungslosigkeit, sondern im Gegenteil als Indikator für den Erfolg der Reaktionspolitik anzusehen. Bereits am 7. 2.1852 meldete der Königsberger Wochenbericht: »In Betreff der äußern wie der innern Politik bleibt die Apathie vorherrschend«. 369 Der Magdeburger Wochenbericht vom 26.10.1852 veranschaulichte die Verknüpfung von politischer Stimmungsanalyse, aktueller politischer Situation und Erwägungen zu den Kooperationsmöglichkeiten der Opposition: Die morgen bevorstehenden Wahlen nehmen das Interesse der besser gesinnten Kreise mehr in Anspruch, als sich bei der Lauheit der politischen Stimmung in der letzten Zeit erwarten ließ. Die Demokratie wird nicht wählen, und scheint von außen hier das Signal empfangen zu haben, wenigstens läßt sich nicht verkennen, daß durch Korrespondenzen irgend welcher Art ein gemeinschaftliches und gleichartiges Verfahren verabredet ist.370
Der Danziger Polizeipräsident entschuldigte sich für »die hiesigen periodischen Berichte, die den Namen von Wochenberichten allerdings nur uneigentlich noch führen, indem es zu wöchentlichen Mittheilungen an ausgiebigem Stoffe fehlt«, 371 und aus Elbing meldete der zuständige Regierungsassessor am 15. 3.1852: »Das Interesse an den politischen Ereignissen des In- und Auslandes ist zur Zeit ein höchst unbedeutendes«. 372 Dessenungeachtet ließ auch Zedlitz noch genau buchführen, wann eine Polizeidirektion zuletzt einen Wochenbericht eingeschickt hatte. Besonderen Unwillen erregte Posen, von wo der stellvertretende Polizeidirektor und Landrat Hindenburg zwischen Dezember 1852 und Mai 1853 insgesamt 7, Polizeidirektor Baerensprung am 1. 3.1855 nur noch einen »Wochenbericht« erstattet hatte, wie Zedlitz am 2. 4.1857 vermerkte, nachdem er bereits zweimal die Berichte (am 24. 9. und 16. 12. 1856) angemahnt hatte. Auch seine Beschwerdeschreiben an den Oberpräsidenten von Puttkammer (am 9.1. und 25.2.1857) waren wirkungslos geblieben. 367 348 359 370 371 372
Errechnet nach StA Potsdam, ebd., aus Nr. 14019-14023. Nachtrag zum 6. Wochenbericht 4. 6.1859 Pos. 14, ebd., Tit. 94 Nr. 14023, Bl. 290. Wochenbericht Königsberg 7. 2. 1852, ebd., Nr. 14035, Bl. 16. Wochenbericht Magdeburg 26. 10. 1852, ebd., Nr. 14036. Wochenbericht Danzig 8. 2. 1853, ebd., Nr. 14031. Wochenbericht Elbing 15. 3.1852, ebd., Nr. 14033, Bl. 4.
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So entschloß sich Zedlitz schließlich am 2 . 4 . 1 8 5 7 zu einem »vertraulichen Bericht« an den Innenminister. 373 Dieser Vorgang ist deshalb über das einzelne hinaus bedeutungsvoll, weil er die prinzipiellen Gründe deutlich macht, die den Berliner Polizeipräsidenten noch zu diesem Zeitpunkt an dem Wochenberichtssystem festhalten ließen. Zwar gestand er ein, daß das Material wegen der »nun schon im Allgemeinen auf dem Gebiet der politischen Polizei eingetretenen verhältnißmäßigen Ruhe« geringer werde, jedoch gelte das gerade für Posen nicht, das erstens wegen der zahlreich in Berlin anwesenden Polen besonderes Interesse verlange, das zweitens deshalb berücksichtigt werden müsse, weil der Berliner Polizeipräsident im Rahmen des Polizeivereins für Posen auskunftspflichtig gegenüber den auswärtigen Polizeibehörden sei. Zedlitz widerriet grundsätzlich, die Wochenberichte nur deshalb stocken zu lassen, weil sie gerade nicht mehr notwendig erschienen; das hielt er - mit Blick auf den Revolutionsausbruch von 1848 - für einen »Fehler, der sich oft gerächt hat«. Zwar seien die Wochenberichte eine »für bewegtere Zeiten sehr ersprießliche Einrichtung«: sie brächte die beteiligten Behörden näher zueinander und gewährleiste eine einheitlichere Tätigkeit, aber er hielt daran fest, die Institution als solche auch in vermeintlich ruhigeren Zeiten aufrechtzuerhalten. Überdies sah er die Polizeidirektion in Posen für nicht berechtigt an, sich willkürlich einer vom Innenministerium geschaffenen »Einrichtung« (vom 5 . 1 2 . 1 8 5 1 ) zu entziehen. Westphalen entgegnete indessen am 3. 5.1857, daß die ursprüngliche Anordnung zu regelmäßigen Berichten »in bestimmten Zeitabschnitten« später geändert und es in das Ermessen der einzelnen Polizeidirektionen gestellt worden sei, »wenn sie die Erstattung derselben für geeignet erachten«. 374 Diese amtlich legitimierte neue Praxis erklärt, warum der inländische Wochenberichtsverkehr in den Jahren 1856 und 1857 weitgehend im Sande verlief, ohne formell aufgehoben worden zu sein. Diese von Westphalen angegebene Richtlinie ist anderweitig quellenmäßig nicht greifbar und scheint in der Zeit während des Wechsels von Hinckeldey zu Zedlitz ausgegeben worden zu sein; 375 Zedlitz jedenfalls war darüber noch nicht informiert, als er gegenüber dem Posener Polizeidirektor auf regelmäßigen Berichten bestand. Mit seinem Vorstoß erreichte er zwar die Mahnung des Innenministers an den saumseligen Polizeidirektor, »fortan die Requisitionen so schleunig wie möglich« zu erledigen, jedoch war Westphalen nicht bereit, regelmäßig Wochenberichte wie ursprünglich üblich weiterhin zu verlangen, sondern er empfahl, sich jeweils mit speziellen Einzelanfragen und -auskünften zu begnügen. 376 373
374 375
376
Zedlitz 2. 4. 1857 an Westphalen, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/2, Bl. 289-293, hier breitete Zedlitz auch die ganze Vorgeschichte aus. Reskript Westphalens 3. 5. 1857 an Zedlitz, wie Anm. 375, Bl. 294. Hinckeldey erwartete von seinem Büro sofortige Anzeige, sobald von einer inländischen Wochenberichtsbehörde länger als sechs Wochen kein Bericht eingegangen war, Weisung Hinckeldeys 6 . 1 0 . 1 8 5 3 , ebd., Nr. 12154/1, Bl. 186. Wie Anm. 374.
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Zedlitz widersprach erfolglos; er wollte die Zusendung politisch-polizeilicher Berichte nicht von dem Ermessen der einzelnen Provinzbehörden abhängig machen, denn das hieße, den fortlaufenden, wechselseitigen Informationsfluß in Angelegenheiten der politischen Polizei einseitig auf Anfragen des Berliner Polizeipräsidiums und Antworten der betroffenen Provinzbehörden zu beschränken. 377 Westphalens Verzicht auf die Periodizität bedeutete das allmähliche Ende des institutionalisierten, landesweiten, auf Berlin konzentrierten, geheimen Nachrichtenverbunds. Der Thronwechsel, die Entlassung Manteuffels und Westphalens im Jahre 1858 und der Anbruch der >Neuen ÄraRayon< als Zuständigkeitsbezirk für Nordwestdeutschland zugewiesen hatte. 383 Durch diese Mitgliedschaft wurde zugleich Wermuths Stellung bei der Polizeidirektion aufgewertet. Das kam auch in seiner Beförderung zum Generalpolizeidirektor im Jahre 1853 zum Ausdruck, die dazu dienen sollte, »nach außen hin die unerläßlichen Verbindungen zu 377 378 381
382 383
Zedlitz 18. 5. 1857 an Westphalen, wie Anm. 373, Bl. 295-300. Vgl. oben, S. 297f. 379 Vgl. oben, S. 362. 380 Vgl. oben, S. 206-211. Vertraul. Bericht Wermuths 29.1. 1850 an den Landdrosten Dachenhausen, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 55/2. Ebd., Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 4 = Bericht Wermuths 3. 11. 1853. Vgl. oben, S. 259.
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unterhalten und zu erweitern« - damit waren die Korrespondenzpartner im Polizeiverein und im >Rayon< gemeint - und im Innern des Königreichs weiteren Einfluß auf die Sicherheitsbehörden zu gewinnen.384 Bereits 1853 sprach sich Wermuth mit Erfolg dafür aus, daß die politische Polizei bei der Residenzpolizei konzentriert sein sollte. Würden die geheimpolizeilichen Tätigkeiten in der Öffentlichkeit bekannt, müßte der Polizeichef die Stellung wechseln und könnte dadurch das Innenministerium decken, das so nicht unmittelbar Ziel der Angriffe wäre.385 Außerdem verfügte der praktische Polizeidienst anders als ein Referent im Innenministerium über eine Masse von Nachrichten und über Informationskanäle, die bei der Residenz zusammenflössen und Kritik sowie Kombination von Agentennachrichten erlaubten, deren Quelle nur der Generalpolizeidirektor »durch und durch kennt«. 386 Schließlich vereinigte Wermuth beide Wirkungskreise in seiner Person, indem das Innenministerium ihn am 7. 9. 1855 beauftragte, neben seiner Stellung als Generalpolizeidirektor kommissarisch »in speziellen Polizeisachen« ein Referat im Innenministerium zu übernehmen. 387 Damit kam Wermuths besondere Kompetenz in höheren, sprich: politischen Polizeisachen auch institutionell zur Geltung. (Die Analogie zum Ausbau der Stellung Hinckeldeys ist frappierend.) Diese Aufwertung seiner Position bezeugte einmal mehr die Absicht der Regierung, der Residenzpolizei faktisch den Charakter einer zentralen Landesbehörde zu verleihen. Dessenungeachtet blieb rechtlich das Märzreskript von 1848 in Kraft, das den Polizeidirektor juristisch dem Stadtdirektor unterordnete. 388 Wermuths Einwirkung auf Presse und Vereinswesen wird im Zusammenhang mit der Betrachtung der politisch-polizeilichen Praxis in Hannover zu betrachten sein. Darüber hinaus ist seine Einflußmöglichkeit gegenüber der Landgendarmerie zu vermerken. Diese militärisch organisierte bewaffnete exekutive Gewalt zwischen Polizei und Militär (Bestand 1862 ohne Offiziere: 415 Mann) war am meisten - wie auch in anderen größeren deutschen Bundesstaaten - auf dem platten Land und in kleinen Orten tätig, wo weder organisierte Polizeibehörden noch für die Polizeisachen besonders wirksames Unterpersonal der Obrigkeiten vorhanden war. 389 Bis 1861 einschließlich fanden jeweils sonnabends im Ministerialgebäude Konferenzen zwischen dem Innenminister oder dessen Stellvertreter, dem zuständigen Ministerialreferenten, dem Generalpolizeidirektor und den beiden Stabsoffizieren der Landgendarmerie statt, um untereinander mündlich Nachrichten und Beobachtungen austauschen zu können. 390 2. Die Errichtung von königlichen Polizeidirektionen Ein weiterer Schritt in Richtung auf Verstaatlichung der Polizei geschah mit der systematischen Errichtung königlicher Polizeidirektionen in den größeren Pro384 385 387 389
Wermuth 4. 1.1854 an König Georg V . , H S t A Hannover Dep. 103GmundenIXCNr.3. Wie Anm. 382. 386 Wie Anm. 382. Wermuths Generalbericht (1862) S. 116, vgl. oben, S. 204. 388 Vgl. oben, S. 204f. Wermuths Generalbericht (1862) S. 177-179. 390 Ebd., S. 171.
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vinzstädten. Zwar bestanden gemäß dem Landesverfassungsgesetz von 1840 in verschiedenen Städten bereits Polizeidirektionen; die Polizeikommissare wurden vom Landesherrn ernannt, jedoch die Städte bestimmten und bezahlten - eher schlecht als recht - das Unterpersonal, so daß der Kommissar zwischen den städtischen Behörden und der nicht sachkundigen Leitung der Landdrostei aufgerieben wurde. Deshalb verschwanden diese Einrichtungen mit Ausnahme von Celle und Harburg wieder, wo man Rücksicht auf die Außengebiete zu nehmen hatte. 391 Die reaktive Verfassungsverordnung vom 1.8. 1855 schrieb die Einrichtung staatlicher Polizeidirektionen in einzelnen Städten vor (§ 6). Damit war eine schärfere Kontrolle des politischen Lebens beabsichtigt. Das erwartete auch Wermuth, der 1855 in Celle, Hildesheim, Osnabrück und Braunschweig (!) »die Demokratie« rege tätig und bestrebt sah, von außen in die Residenzstadt hineinzuwirken. Von einer staatlichen (königlichen) Polizei in den größeren Städten versprach er sich eine Verstärkung des Personals dort bei besserer Besoldung und die Gelegenheit frühzeitiger Gegenmaßnahmen; denn man könne »eine Menge Fäden bei Zeiten abschneiden, die Democratie im eigenen Neste im Zaume halten und sie dort angreifen«. 392 Wegen ihrer günstigen Verkehrslage schienen Celle und Hildesheim besonders wichtig. Außerdem boten städtische Polizeidirektionen bessere Einwirkung auf das flache Land. Es bedurfte zur Verwirklichung weiterer vier Jahre, bis in einer Phase zielstrebiger Repression des politischen Vereinswesens Mitte des Jahres 1859 in acht Provinzialstädten königliche Polizeidirektionen eingerichtet wurden: in Celle, Göttingen, Emden, Harburg, Hildesheim, Stade, Osnabrück und Clausthal. 393 3. Das innerstaatliche Polizeikonferenzsystem Die Neuordnung und Einrichtung neuer königlicher Polizeidirektionen gingen einher mit einem neuartigen Kommunikationssystem. Nach ihren jeweiligen Polizeiordnungen waren die Direktionen der acht Provinzialstädte zu Polizeikonferenzen stets zu Monatsende verpflichtet, an denen der Vorstand der betreffenden Direktion, ein Vertreter des Magistrats (Bürgermeister) und Vorstände der Ämter teilnahmen. Man tauschte alle anfallenden Informationen über besondere Vorkommnisse und die öffentliche Stimmung aus. Die Ergebnisse gingen als Protokolle an die jeweils vorgesetzte Landdrostei. 394 Oberhalb dieser Provinzialpolizeikonferenzen richtete der Innenminister 1859 eine halbjährlich stattfindende zentrale Landespolizeikonferenz ein, auf der alle Vorstände der acht Provinzialpolizeidirektionen, der Generalpolizeidirektor, der 391 392 393 394
Ebd., S. 186. Wermuth 17.10. 1855 an Georg V., HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 210. Wermuths Generalbericht (1862) S. 140, 186. Die Akten zu diesen Konferenzen teilweise einschl. Protokollen Hann. Des. 80 Hannover I A Nr. 729; Ce Nr. 74 u. 75; Hann. 80 Hildesheim I Ε Nr. 771 u. Nr. 1388.
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Innenminister und seine zwei zuständigen Referenten vertreten waren. 395 Die einzelnen Mitglieder hatten vorab ihre Beratungsgegenstände einzureichen. Die Ergebnisse der Gesamtkonferenz wurden in einem vertraulichen metallographierten Protokoll in genau numerierten Exemplaren festgehalten, wie auch die gesamte Institution streng geheim behandelt wurde. Mit dieser Organisation war ein Optimum an polizeilicher bürokratischer Erfassung erreicht. Wermuth hatte kraft seiner tatsächlichen Sonderstellung dadurch ein wirkungsvolles Instrumentarium zur planmäßigen Überwachung der Öffentlichkeit zur Hand, ohne daß er in seiner äußerlich sichtbaren Amtsfunktion sonderlich hervorgetreten wäre. Idealtypisch gesehen operierte Wermuth in drei polizeilichen Nachrichtensystemen - und war damit jedem Ressortminister überlegen - : erstens im Polizeiverein auf der Ebene der Bundesstaaten mit Hilfe der Wochenberichte, sonstiger Korrespondenzen und der Polizeikonferenzen, zweitens auf der Ebene seines >Rayons< mit Hilfe spezieller Korrespondenzen, des »Hannoverschen Polizeiblatts« und persönlicher Einzelkontakte, schließlich auf der Ebene des Königreiches mit Hilfe des hierarchischen Konferenzsystems, das für ihn über die Landeskonferenzen zugänglich war. Hier war ein Überwachungssystem institutionalisiert, wie es den Gründungsmitgliedern des Polizeivereins vorgeschwebt hatte und in Preußen, Sachsen, Bayern und Württemberg höchstens näherungsweise, jedoch nicht mit solcher Perfektion hat verwirklicht werden können. Die Errichtung der neuen Polizeidirektionen und des Konferenzsystems im Jahre 1859 erfolgte noch in einer Phase zielstrebiger Repression des politischen Vereinswesens und hatte sich vor allem gegen die Ausbreitung des Nationalvereins zu bewähren, den Wermuth auf den Polizeikonferenzen so scharf ins Visier nahm. Innenminister Borries schaltete dazu alle Behörden ein, die sich polizeilich gegen »politische Umtriebe« einsetzen ließen: die Landdrosteien, die Berghauptmannschaft in Clausthal, die Verwaltungsämter und vor allem die über das Konferenzsystem koordinierten Polizeidirektionen der größeren Städte in der Weise, wie es bereits Wermuths oben genannter Konzeption von 1855 entsprochen hatte. 396
395
396
HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 606, speziell: Regulativ für die Geschäftsverbindung der Kgl. Polizeiverwaltungen vom 20. 7. 1859. Teilnehmer der 1. Konferenz 20./21.11. 1860: Innenminister Borries, seine Referenten Reg.Räte Küster und Haase, Generalpol.dir. Wermuth mit Amtsass. Groskopff als Protokollant, Pol.Rat Rüppell für Göttingen, Pol.Rat Domeier für Harburg, Amtmann Vorhauer für Osnabrück, Amtmann Lehmann/Stade, Amtsass. v. Engelbrechten/Celle (Nachf. Wermuths), Amtsass. Riemenschneider/Hildesheim, Amtsass. Öhlrich/Clausthal, Amtsass. Fumetti/Emden. 2. Konf.: 20.1. 1861; Konf. Mai 1861, Nov. 1861 u. Mai 1862 fanden »wegen plötzlicher Behinderungen« nicht statt (Wermuths Generalbericht 1862, S. 159); weitere Konf. 13. 5. 1863; 7. 10. 1864; 4.12. 1865 laut Engelbrechten 3.10. 1864 Dep. 103 Gmunden IX C 40 u. beil. Protokollen. Ausschreiben des Innenministers Borries 22.5. 1861, HStA Hannover Hann. Des. 80 Hannover I A 640.
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4. Wermuths Stellung zum König Wenn Wermuths Polizeiapparat und die von ihm beeinflußbaren anderen staatlichen Organe als >System< zusammengefaßt werden, darf jedoch nicht außer acht bleiben: Der Generalpolizeidirektor arbeitete hauptsächlich kraft ihm persönlich erteilter Kompetenzen, nicht aus der Vollmacht einer selbständigen Zentralbehörde, wie es ein Polizeiministerium hätte darstellen können. Als Wermuth auf eigenen Wunsch zum Landdrosten von Hildesheim befördert wurde, verlor die Residenzpolizei unter seinem Nachfolger Louis von Engelbrechten binnen kurzer Zeit ihren überragenden Einfluß. 397 Das lenkt den Blick auf das eigentliche Zentrum des >Systemszuständigen< Behörden oder Mitglieder des Polizeivereins ihm zu lässig erschienen. Unter den für ihn arbeitenden Konfidenten verfügte er für komplizierte Fahndungsprobleme im Pressewesen über einen Spezialisten, der sich auch für große Entfernungen, etwa im Elsaß - wenn Baden nicht erfolgreich recherchierte - einsetzen ließ und durch seine Eigenschaft als Literat tief in publizistische Kreise einzudringen verstand. 425 Wermuth operierte hier wie Metternich. Ein einzelner Vorgang vermag Wermuths geheimpolizeiliche Technik zu charakterisieren: Am 3. 4. 1860 wünschte er in einem »Wochenbericht« von Karlsruhe Auskunft über den seit dem 1.4. in Straßburg neu erschienenen »Straßburger Correspondent für West- und Mitteleuropa«, der nach Südwestdeutschland hinein zu agitieren versuchte. Im Wochenbericht vom 19. 4. 1860 aus Karlsruhe gab der >zuständige< Polizeivereinskommissar für Baden, Burger, eine eingehende Charakterisierung des Blattes, ohne daß er allerdings Redakteure und sonstige Mitarbeiter hätte ermitteln können. 426 Erbost urteilte Wermuth darüber: »Doch gegen Unbeholfenheit und Angst vor Compromittiren kämpfen Götter selbst vergebens« und offenbarte zugleich, daß er für den Erfolg ein größeres Maß an Skrupellosigkeit erwartete und wie professionell zu verfahren sei, nämlich einen gewandten Menschen ein Paar Tage in einem Strasburger Hotel logiren und Abends in den geeigneten Localen verkehren lassen und man hätte vom Taufbecken auf die Jetztzeit das Leben und alle frühern Streiche jedes derjenigen Herren gewußt, welche ihren - richtigen oder adoptirten - Namen in dem Blatte zur Schau tragen«.427
Der Generalpolizeidirektor wußte die menschlichen Schwächen seiner Gegner berechnend auszunutzen. So wies er 1855 einen Agenten an, am Schützenfest in Celle teilzunehmen »und dabei mit der Democratic fleißig zu zechen« nach der Erfahrung: »Der Wein erfindet nicht, er spricht nur aus«.428 Dazu paßt, daß Wermuth seine Tätigkeit nicht nur pflichtgemäß erledigte; welcher Art sein Engagement war, offenbarte er in einem persönlichen Schreiben an den Berliner Polizeidirektor Schultz, den er als »mein theurer Freund« anredete: Man bekommt ordentlich wieder Lust zu dem schweren Geschäfte, im Demagogendreck herumzuwühlen, um durch Ausdauer immer mehr Fäden zu zerreißen und Unverbesserliche weniger schädlich zu machen, mit welchem Officio wir noch lange zu thun haben werden, wenn man doch auch ein Mal etwas Land sieht.429
Wegen der großen Zahl an oppositionellen Emigranten aus vielen europäischen Ländern bot London noch vor Paris, Brüssel, Zürich oder Bern einen Angelpunkt 425 426
427 428 429
Wermuth 28. 4. 1860 an Lex, ebd., IX C 37. (Wochen)Bericht Karlsruhe 19. 4. 1860, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 37. Wermuth 25. 4. 1860 an Lex, ebd. Wermuth 17. 10. 1855 an Georg V., ebd., IX C Nr. 210. Wermuth 26. 12. 1851 an Schultz, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12800, Bl. 70f.
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für geheimpolizeiliche Aktivitäten. Jeder größere deutsche Staat nach 1849, der in der Abwehr der Bestrebungen der >Umsturzpartei< selbständig operieren wollte, benötigte einen Kontaktmann in der englischen Hauptstadt. Einen ständigen Agenten in London zu unterhalten bereitete selbst Preußen nach 1852 aus Kostengründen Probleme; Hannover beschränkte sich hier auf Spezialaufträge und bediente sich ansonsten der bereits vorhandenen Institution, die nebenamtlich politisch-polizeiliche Dienste leisten konnte: Nach der Sonderermächtigung von 1847430 korrespondierte Wermuth mit der hannoverschen Gesandtschaft in London; sein Vertrauensmann war der dort angestellte Gesandtschaftssekretär Klingmann, der für Wermuth sowohl recherchierte als auch anreisende Spezialbeauftragte einwies. Bereits für Juni 1848 sind Kontakte auf der Ebene von Korrespondenzen und des persönlichen Austausches nachweisbar. Als Mittelsmann diente der Bremer Polizeikommissar Jürgen Conrad von Huntelen. 431 Dieser rühmte an Wermuth, wie »nützlich« ihm dieser »für seine Zwecke« gewesen sei. Während der Revolution wurden also bereits Nachrichtenverbindungen geknüpft, die sich in der Reaktionszeit bewährten. Wermuth ließ über Klingmann 1851/52 die Aktivitäten Arnold Ruges und anderer Emigranten (Karl Schapper, Ludwig Stechan) in London überwachen und sich Material (Aufrufe, Druckschriften, Zeitungsausschnitte) verschaffen. Zugleich steuerte Klingmann die Kontakte über Mittelsmänner, die von Fall zu Fall mit politisch-polizeilichen Aufträgen nach London reisten, so im September 1851 Huntelen, den Wermuth unmittelbar nach seiner Rückkehr von der zweiten Polizeikonferenz in Dresden »umfassend mündlich instruirt« hatte. 432 Huntelen sollte nach der in Leipzig gelungenen Verhaftung des Emissärs des Kommunistenbundes Peter Nothjung »noch mehr Material« herbeischaffen, um »die Wiederanknüpfung der theilweise zerrissenen Fäden zu verhindern«. 433 Ebenso schickte er im Juni 1852 seinen Schwager Domeier, Hauptmann a.D. und Polizeikommissar im hannoverschen Harburg, über Brüssel und Paris nach London zu Klingmann.434 Aufgrund des ihm in diesem Jahr erstmals bereitgestellten Dispositionsfonds war der (General)Polizeidirektor in der Lage, anfallende Kosten unmittelbar und unbürokratisch zu erstatten, wie er Klingmann erklärte. Der eigentliche Antrieb allen politisch-polizeilichen Aufwands ging vom König aus, dem Wermuth als bedingungsloses Werkzeug diente. Zwischen 1853 und 1865 ergingen regelmäßig Berichte der Agenten aus dem In- und Ausland an den König.435 Die Agenten des Inlands schrieben zum »Tagesgespräch« in der Residenz, zu Gerüchten über Regierung und Ministerwechsel, über die Kammern, führende Deputierte, zu einzelnen Beamten, die öffentlich ihre Unzufriedenheit 430 431
432 434
Vgl. oben, S. 210f. Antwort Klingmanns 31. 7. 1848 auf Schreiben Wermuths vom 7. 6. 1848; Klingmann wies hier u. a. auf »einen ziemlich guten Fang« hin; HStA Hannover Dep. 103 Gmunden VI 1 P2 d Pak. 440. - Mehr über Huntelen in Bremen findet sich bei Biebusch: Revolution und Staatsstreich. Wermuth 15. 9. 1851 an Klingmann, wie Anm. 431. 433 Wie Anm. 432. Wermuth 16. 6. 1852 an Klingmann, wie Anm. 431. 433 Wie Anm. 424.
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geäußert hatten - alles unter dem Siegel »höchster Vertraulichkeit«, wie die Agenten oft an den Kopf ihrer Schreiben setzten; sie fügten Broschüren und Zeitungsartikel bei. Nahm der König an einem Schützenfeste teil, ging ihm anschließend ein Agentenbericht zu, der ihn ins Bild setzte, mit welcher Begeisterung seine Anwesenheit aufgenommen und so die Behauptung der »Demokraten und Nationalvereinten«, der König sei unpopulär, widerlegt wurde. 436 Auf solchem Wege erfuhr der Monarch auch, daß mit der Ernennung Wermuths zum Landdrosten in Hildesheim nach Meinung der Öffentlichkeit der Innenminister seine Hauptstütze am Hofe verliere. 437 In speziellen - von den Tagesrapporten unterschiedenen 438 - später nach Positionen gegliederten Lageberichten legte Wermuth gegenüber dem König Rechenschaft über seine politisch-polizeiliche Wirksamkeit ab. Dazu gehörte auch das weite Feld der Pressebeeinflussung, die für die offiziöse »Neue Hannoversche Zeitung« in der Form einer regelmäßig wöchentlich abgehaltenen »Konferenz wegen der Tagespresse« institutionalisiert war. Hier erhielt der Redakteur Dr. Bodemeyer Anweisungen, welche Artikel anderer Zeitungen er gründlich zu erwägen hatte, daß er Tatsachen zu sammeln habe, zum Beispiel zu einem mit historischen Belegen ausgestatteten Artikel über die Politik Hannovers im Verhältnis zur deutschen Frage, oder welche Artikel aus anderen regierungsamtlichen Zeitungen, etwa dem »Dresdner Journal«, zu übernehmen waren. 439 Obwohl die Konferenzen im Beisein des Innenministers stattfanden, war Wermuth die Schlüsselfigur. Wollte Borries einen eigenen Artikel in die »Hannoversche«, später »Neue Hannoversche Zeitung« lancieren, vergewisserte er sich bei Wermuth, wie weit er politische Details bringen könne, und erbat sich die Weitergabe des Artikels »unter Secretirung der Quelle«, sprich: der Eigenschaft des Innenministers als Autor. 440 Unternahm der König eine seiner regelmäßigen Erholungsreisen nach Norderney, hatte Wermuth aufgrund eines unmittelbaren mündlichen Befehls des Monarchen entsprechende regierungstreue, die Reise begleitende Berichte für die »Hannoverschen Nachrichten« einzuholen. Wermuth benutzte dazu seine vielfältigen Korrespondenzbeziehungen, wobei die betroffenen »Korrespondenten« teilweise über den Zweck ihrer Berichte nicht informiert waren. Der Generalpolizeidirektor bediente sich hierbei vornehmlich der in Abhängigkeit zum Staat stehenden Personen, so eines Gymnasialoberlehrers, eines städtischen Polizeikommissars oder eines Stadtsekretärs. Anschließend nach Erscheinen der Artikel unterrichtete Wermuth den König dann darüber, wer jeweils welche Teilpassagen verfaßt hatte. 441 436
437 438
439 440 441
»Höchst vertraulicher« hannov. Agentenbericht 17. 7. 1862 an Georg V., HStA Hannover, Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 39. Ebd. Die Tagesrapporte der Polizeidirektion sind erhalten seit 1839, für 1851-66 ebd., IX C Nr. 180-206. Wermuth an Lex 27. 1. 1860, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 37. Bericht Wermuths 7. 9. 1855 an Georg V., ebd., IX C Nr. 210. Bericht Wermuths 11. 8. 1857 an Georg V., ebd., IX C Nr. 34.
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Oppositionelle Zeitungen setzte der Generalpolizeidirektor unter Druck, indem er ihre Drucker persönlich vorlud und mit zweiter schriftlicher Verwarnung (der Vorstufe des Konzessionsentzuges) drohte, so daß unerwünschte Serien ohne äußerlich erkennbaren Grund für das Publikum in einer Zeitung plötzlich abbrachen. 442 Wermuths Lageberichte für den König enthielten auch die ständige Rubrik »Bestrebungen der Umsturzpartei über ganz Deutschland«; hier brachte er - soweit Wochenberichte dem König nicht unmittelbar zugingen, was auch geschah sein breites Wissen aus dem Polizeivereinsverkehr ein. Hinzu kamen noch Spezialberichte aus besonderem Anlaß, darunter an herausragender Stelle die Rechenschaftsberichte Wermuths über die Polizeikonferenzen des Polizeivereins, aber auch über seine damit verbundene Reisetätigkeit in den deutschen Staaten. Georg V. schenkte dem Polizeiverein außerordentliche Beachtung; bei den Konferenzen 1853 und 1859 in Hannover empfing er die Kommissare persönlich. Seinem Interesse an allen politisch-polizeilichen Angelegenheiten entsprechend, ließ er sich über alles minutiös berichten. Wermuth fand eine besondere Form, seine persönliche Ergebenheit in einem eigenhändigen Gesuch an den König auszudrücken, in der Bekräftigung - das charakterisiert zugleich ihn und die nachrevolutionären Hauptängste des Monarchen - , daß es mir namentlich gelingt, hin und wieder dazu beizutragen, daß die auch in Deutschland noch unausgesetzt im Geheimen bestehenden Umtriebe der Umsturzparthei immer mehr ans Tageslicht gezogen werden, wodurch sie den größten Theil ihrer Bedeutung und Gefährlichkeit verlieren«.443
Das Operationsfeld dafür bot der Polizeiverein. 6. Möglichkeiten und Grenzen Wermuths im Polizeiverein und in seinem >Rayon< Die gesamte politisch-polizeiliche Tätigkeit auch nur eines Polizeivereinsstaats nach den noch vorhandenen Quellen zu beschreiben würde eine eigene dickleibige Monographie erforderlich machen. Hier kann es nur darum gehen, mit Hilfe einiger typischer Einzelfälle die Eckpfeiler oder charakteristischen Elemente im politisch-polizeilichen Aktionsbereich zu markieren. 444 Dazu zählte die Ausweisung des Dichters August Heinrich Hoffmanns von Fallersleben aus dem Königreich Hannover. Hoffmann hatte sich am 4. 7. 1853 auf der städtischen Polizeidirektion Göttingen eine Aufenthaltskarte für drei Monate ausstellen lassen. Als Zweck gab er »Studien« an. Als das hannoversche Innenministerium davon erfuhr, ließ man nach ihm fahnden und fand ihn am 5. 8. 442 443
444
Wie Anm. 440. Wermuth an Georg V. (undat., präs. 19. 8. 1852), HStA Hannover, Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 3. Ein konkreter, bis ins Detail gehender Fall einer Fahndung nach der Methode Wermuths ist für den April 1853 dokumentiert bei Siemann: >PolizeivereinRayon< und das Landesinnere verfügte. Die Polizeidirektion in Harburg hatte als die der Freien Stadt Hamburg nächstgelegene Außenstelle besondere Bedeutung als Informationszuträger. Hier saß als Polizeikommissar Wermuths Schwager Domeier, der aufgrund einer persönlichen Eingabe des Generalpolizeidirektors beim König in den Polizeidienst aufgenommen worden 445
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Wermuth 10. 8. 1853 an die Polizeidirektion Göttingen, in der Anlage Hoffmanns Aufenthaltskarte und Göttingen betreffende Adressen aus seinem Notizbuch, HSTA Hannover Hann. Des. 87 Göttingen Nr. 19. Wie Anm. 445. Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben = Hoffmann's von Fallersleben Gesammelte Werke Bd. 7 u. 8. Berlin 1892/93, Bd. 8, S. 150f. Vgl. »An den Landrat des Neuwieder Kreises, von Runkel. Neuwied, 9. August 1853.« In: H. Gerstenberg (Hrsg.): An meine Freunde. Briefe von Hoffmann von Fallersleben. Berlin [1907], S. 210-213. Wie Anm. 447, Bd. 8, S. 65. Wie Anm. 447, Bd. 5, S. 153. 413
war. 451 Über Harburg liefen Instruktionen für und Informationen von Hamburg. Dort war 1859 einem Arbeiter eine Zeitung abgenommen worden: »Der Staatsanzeiger der Deutschen Nation. Herausgegeben von den vereinigten Volksfreunden in Frankfurt a.M., Berlin, Wien und Schleswig. Jahrgang I. Nr. II.« mit dem Motto »Alles für das Volk - Alles durch das Volk!« Das Exemplar enthielt einen revolutionären Appell »Mahnung und Aufruf« mit dem ironisch fingierten Impressum »Gedruckt und verlegt bei Conrad Bundschuh in der Eschenheimer Gasse in Frankfurt a.M.« (In der Eschenheimer Gasse lag das Palais des Bundestages). 452 Die im Untertitel beanspruchte Reichweite und die ganze Tendenz der Schrift veranlaßten Wermuth, den Polizeiverein einzuschalten. Nachdem ihm über Harburg ein Exemplar zugegangen war, vervielfältigte er es am 31.2. 1859 mit Hinweisen auf mögliche Verfasser für einen Wochenbericht, der noch am gleichen Tage an die Polizeivereins-Mitglieder abging.453 Außerdem ließ er die gleichen Nachrichten, aber in anderer Form, so daß die Organisation der PolizeivereinsWochenberichte nicht deutlich wurde, an seinen »hiesigen Rayon« gehen, das hieß - wie er ausdrücklich mitteilte - nach Kassel (für Kurhessen), Braunschweig, Oldenburg, Bückeburg (für Schaumburg-Lippe), Bremen sowie speziell nach Göttingen und Harburg. 454 Dieser Vorgang dokumentiert, daß die 1851 im Polizeiverein konzipierte Rayoneinteilung für Nordwestdeutschland von Hannover aus noch 1859 ungebrochen lebendig war. Im Landesinneren schickte Wermuth Exemplare an den Chef der Landgendarmerie für jeden der Distriktsoffiziere. Daraufhin wartete der Generalpolizeidirektor die nachfolgenden Ergebnisse ab, um dann auf der regulären Konferenz mit dem Chef der Landgendarmerie 455 zu entscheiden, ob bei der Fahndung »Veranlassung des Weiterhinabgehens« ratsam sei. Der Innenminister Borries wurde erst nachträglich mit einem Exemplar des Wochenberichts samt Anlage unterrichtet; auch das war kennzeichnend für Wermuths selbständige Arbeitsweise. Die im Laufe der Jahre erworbenen Kommunikationsmöglichkeiten und Kompetenzen ließen den Generalpolizeidirektor schnell, kalkuliert und zielstrebig operieren. Das System funktionierte jedoch nur dann optimal, wenn die angesprochenen Polizeibehörden kooperierten, da der Generalpolizeidirektor nur in beschränktem Maße nach außen hin Amtsautorität in Verbindung mit Weisungsbefugnis und Zwangsmöglichkeiten geltend machen konnte. War er im Landesinnern noch imstande, gegen Bequemlichkeit und Unbeholfenheit - wie er es nannte 4 5 6 -, anzugehen, so war er für die anderen Bundesländer ganz auf freiwillige Kooperation angewiesen. Das zeigten seine geradezu verzweifelten Versuche, den führen451 452 453 454 455 456
Eingabe Wermuths 6. 5. 1852, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 3. Abschrift. erhalten in HStA Hannover Dep. 103 Gmunden IX C Nr. 36. Wochenbericht Hannover 21. 2. 1859 Pos. 4, ebd. Wermuth 21. 2. 1859 an Lex, ebd. Vgl. oben, S. 400. So seine Kritik im Zusammenhang mit der Mitwirkung der Empfänger des »Hannoverschen Polizeiblatts« in Wermuths Generalbericht (1862), S. 31f., vgl. oben, S. 204.
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den oppositionellen Publizisten Gustav Diezel mundtot zu machen. Da die gesamte über den Polizeiverein gelaufene Überwachung und Verfolgung Diezeis bereits dokumentiert ist, 457 soll hier beleuchtet werden, wie sich von den Wirkungsmöglichkeiten der Polizeidirektion Hannover aus die Verfolgung darstellte. Wermuth schätzte Diezel als einen Dulon Süddeutschlands ein; sein Ziel war es, Diezel - wie bereits 1851 Dulon - aus dem Norden zu vertreiben, denn er hielt den württembergischen Publizisten, der für die Braunschweiger »Blätter der Zeit« schrieb, »für einen der gefährlichsten Umstürzler«, weil er sehr gewandt und erfahren in der Schriftstellerei sei und eine besondere Fertigkeit beim A u f b a u und in der Leitung eines »geheimen Clubwesens« habe. 4 5 8 Als Maßstab diente bei diesem Urteil die Bedeutung des politischen Vereinswesens in Frankreich für den Ausbruch der Revolution im Jahre 1848.459 Folgerichtig setzte Wermuth alles ein, was ihm gegen den unerwünschten Oppositionellen an Beziehungen über Hannover hinaus zu Gebote stand. Er unterhielt enge Kontakte zur Polizeidirektion in Braunschweig, mit dessen Direktor Cleve er in wichtigen Angelegenheiten auch persönlich zusammentraf. 4 6 0 Über diesen Kanal erreichte er, daß der in Braunschweig tätige Redakteur zweimal aus diesem Herzogtum ausgewiesen und dann am 17. 3. 1854 endgültig »über die Grenze transportirt« wurde. 4 6 1 Der Verfolgte ging daraufhin nach Hamburg. Auf eine Mitteilung Wermuths hin wurde er dort verhaftet, man beschlagnahmte und durchsuchte seine Papiere und schickte diese in seine Heimatgemeinde Nassau im württembergischen Oberamt Mergentheim. Zugleich drängte Wermuth den >zuständigen< Polizeivereinskommissar Majer in Stuttgart, daß man von der Heimat aus einen Auslieferungsantrag gegen Diezel stelle. Das gelang aber nicht, so daß man in Hamburg bereits bereute, Diezel überhaupt verhaftet zu haben, und schob ihn lediglich ab in seine Heimat. Wermuth wies weiter auf die seit 1848 gegen Diezel überhaupt vorliegenden Beschwerden hin und drängte gegenüber Stuttgart auf gerichtliche Anklage, wenigstens ihn aber unter strenge Polizeiaufsicht zu stellen. Im Juli 1854 erhielt er endlich aus Stuttgart die Nachricht, zur Anklage finde sich nicht genug Material; deshalb habe man ihn nur von Stuttgart nach Nassau gewiesen und dem Oberamt aufgegeben, ihm vorerst keinen Paß auszustellen. 462
457 458
459 460 461 462
Siemann: >PolizeivereinPolizeivereinRayonPolizeivereinPolizeivereinPolizeivereinFachkreisen< der praktischen Polizei und bei den Regierungen bekannt werden und blieben auch der Öffentlichkeit nicht verborgen. Sein Landesherr erinnerte sich an die Vorgänge während der Revolutionstage 1848: Fast an jedem Orte wurden mißliebige Personen und Beamte mißhandelt. Unter den letzteren hatte der Oberpolizei-Commissar Eberhardt die allgemeine Stimmung gegen sich und es war unvermeidlich geworden denselben zu entfernen. 478
Gleichwohl wurde der Herzog auch im Jahre 1849 von Eberhardt außer Diensten »genau über die Stimmung au courant erhalten«. 479 Um so mehr empfahlen ihn sein Werdegang, sein unermüdlicher Arbeitseifer und Organisationstalent, nicht zuletzt auch sein durch die Revolution bestärktes Verfolgungs- und Konspirationstrauma, hinter allen politischen Äußerungen Umstürzler zu wittern, bestens für einen Posten, von dem aus sich mit Hilfe eines politisch-polizeilichen Apparats die erwünschte Reaktionspolitik wirkungsvoll 475 476
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StA Dresden Mdl Nr. 1096, Bl. 31; zum Sicherheitsbüro Streubels, vgl. oben, S. 221f. Schreiben Wagemanns 7. 1. 1834 an die herzogl. Landesregierung in Gotha, BayHStA München Minn Nr. 1096, Bl. 31. Heinrichen zitierte aus Eberhardts Schreiben »>Würde von Seite des Bundestags auf eine Vereinigung aller brauchbaren Sicherheitsbeamten (in einem Centraipunkt) Bedacht genommen, wie ganz anders würde es um die öffentliche Ruhe stehen! Bei weitem nützlicher und wirksamer, als die Militairgewalt, würden sich dann die vereinigten Kräfte der Polizeibeamten verschiedener Kreise berühren, und es wäre wohl der Mühe werth, daß von dem deutschen Bunde eine Versammlung tüchtiger, von dem Revolutionsfieber nicht ergriffener Polizeimänner veranlaßt und deren Wirkungskreis genau bestimmt werden möchteRayons< ein Gesamtverzeichnis aller durch die Revolution politisch belasteten Persönlichkeiten in ganz Deutschland anzufertigen. 491 Überdies erbrachte ihm diese Aktion ein besonderes Verzeichnis von 102 belasteten Lehrern, 492 das er Beust persönlich und dem Kultusminister einreichte, sowie eine Liste politisch als unzuverlässig angesehener Eisenbahnarbeiter. 493 Eberhardt referierte dem Innenminister persönlich,494 legte ihm die Wochenberichte und konzipierten Erlasse vor,495 so daß man dem beschönigenden Rückblick Friesens in seinen Erinnerungen wenig Glauben schenken kann, diesem sei die Denunziationswelle nach seiner Ernennung »eine überaus widerwärtige Erfahrung« gewesen, 496 war doch der Erlaß vom 11.10. 1851 - wie manche andere geradezu auf solche Denunziationen angelegt. Eberhardt ging planmäßig und systematisch vor; er meinte, die Staatsregierung müsse die auf Erhaltung und Handhabung der »öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit berechneten Kräfte möglichst centralisiren«,497 ein Bestreben, dem die Verselbständigung eines politisch-polizeilichen Geschäftsbereichs in den andern Polizeivereinsstaaten mehr oder weniger entsprach. Sein Ziel war, daß »alle Behörden nach einem festen Plane arbeiten«. 498 Diese Konzeption polizeilicher Zentralisierung und Vereinheitlichung verwirklichte der Regierungsrat in seinem ersten Amtsjahr gleich an einem für die politische Polizei besonders heiklen Ansatzpunkt: der Paß- und Fremdenkontrolle. Eine Umfrage zeigte Eberhardt, daß Fremdenbücher in den Gasthöfen nur unzulänglich oder gar nicht geführt wurden. In einem Erlaß vom 15.11. 1850 forderte er Einheitlichkeit der Formulare für Logis- und Fremdenbücher der Gastwirte, ordentliche Aufbewahrung der Wanderbücher und Legitimationspa-
450 491
492 493 494 495 496 497 498
Erlaß 11.10. 1851 des Mdl, StA Dresden Mdl Nr. 62, Bl. 1. Beschluß der 1. Polizeikonferenz 9. 4. 1851 in Dresden laut Protokollaufzeichnung Eberhardts, ebd., Mdl Nr. 22, Bl. lOf. Erlaß 21. 11. 1851, ebd., Mdl Nr. 62, Bl. 17. Erlaß 20. 11.-1851, ebd. Ersichtlich aus ebd., Mdl Nr. 22, Bl. 42. Ersichtlich aus ebd., Mdl Nr. 22, Bl. 53-55, 58-61. Friesen: Erinnerungen Bd. 1, S. 169. Vortrag Eberhardts 9.1. 1851 an Friesen, StA Dresden, Mdl Nr. 59a, Bl. 52. Vortrag Eberhardts 20. 2. 1851, StA Dresden Mdl Nr. 59a, Bl. 70.
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piere sowie Anfertigung neuer Verzeichnisse aller Handwerksgesellen, die außerhalb ihres Geburtsorts arbeiteten. Zugleich mit dem Erlaß versandte er ein modellhaftes Schema für Fremdenbücher; er erreichte dadurch Formalisierung und Systematisierung der Fremdenkontrolle und damit die unentbehrliche Voraussetzung für wirkungsvolle aktuelle Fahndungen nach politisch verdächtigten Reisenden. 499 Parallel dazu verfertigte er - wie Wermuth bereits 1846/47 - ein »alphabetisch geordnetes Verzeichniß sämmtlicher wegen politischer Umtriebe, Hochverraths u.s.w. in Untersuchung gekommenen oder sonst hervorragenden Persönlichkeiten« und außerdem ein vollständiges Verzeichnis aller Namen, die in der Korrespondenz mit Polizeivereinsmitgliedern vorgekommen waren, mit Nachweis der Aktenstellen. Überdies legte er Spezialakten über »politisch compromittirte Personen« an, zu denen Ende Juni 1855 bereits 1307 Stück vorlagen. 500 Die Einbindung in den Polizeiverein machte es notwendig, häufig von dorther gelangende Nachrichten an die Lokalpolizeibehörden zur Mitteilung oder Einzelrecherche weiterzureichen. Die »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« und der »Allgemeine Polizei-Anzeiger« waren unter Umständen nicht schnell genug, auch gingen sie nicht an alle Lokalbehörden. Deshalb begründete das Innenministerium seit dem 14. 6. 1851 noch zusätzlich ein Verfahren in punktuell zu behandelnden politisch-polizeilichen Anfragen oder Meldungen. Die »von auswärts im Correspondenzwege anher gelangenden Nachrichten und Mittheilungen aus dem Bereiche der höheren Polizei« gingen fortan nicht mehr als besondere Verordnung an die Kreisdirektionen, die diese dann mittels weiterer Verordnung weiterzuleiten hatten, sondern »in Form bloßer polizeilicher Notizen auf einzelnen Blättern metallographisch vervielfältigt« mit der Überschrift: »Zur Mittheilung als polizeiliche Notiz«. Die jeweils in Frage kommende Kreisdirektion erhielt dann in entsprechender Auflage vervielfältigt eine solche Notiz, beispielsweise in 50 Exemplaren an Kreisdirektor Müller in Dresden zur Verteilung an »bedeutendere Polizeiobrigkeiten« und Gendarmeriestationen, bei welchen der »Allgemeine Polizei-Anzeiger« nicht gehalten wurde. 501 Die Mittelbehörden wurden dadurch in diesen Angelegenheiten zu bloßen Exekutivorganen ohne eigenen Ermessensspielraum. In der Überschau summieren sich folgende von Eberhardt begründete und nach ihm durch Koerner und Häpe weiterhin wahrgenommene zehn (!) politischpolizeiliche Aktionsebenen: 1. die Führung des Dresdner Wochenberichts für den Polizeiverein, 2. die periodische Teilnahme an den Polizeivereins-Konferenzen, 3. die Führung der rayoninternen »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«, 4. die Teilnahme an den >RayonPolizeivereinSubsystem< unterhalb des Polizeivereins am perfektesten. Bereits am Tag nach der Polizeikonferenz, am 10. 4. 1851, kündigte er eine bevorstehende persönliche Zusammenkunft mehrerer Sicherheitsbeamter >seines Rayons< an. 5 0 4 Zugleich begründete er in Analogie zum Wochenberichtsverkehr auf Polizeivereinsebene für seine engeren Korrespondenzpartner ein Verfahren stetigen geregelten staatspolizeilichen Nachrichtenaustausches in Gestalt der von ihm herausgegebenen »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«. Diese ließ er fortan den ihm vertrauten Beamten seines Rayons zugehen, freilich nur unter der Bedingung, daß die Empfänger ihrerseits mit solchen Informationen aus ihrem Wirkungskreis antworteten. Blieben deren
502
503 504
Schreiben Eberhardts 2 1 . 1 . 1851, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 8530, Bl. 9f. Vgl. oben S. 258f. Eberhardt 10. 4. 1851 an den bad. Oberamtmann Guerillot in Karlsruhe, StA Dresden Mdl Nr. 22, Bl. 13.
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Gegenmeldungen aus, entzog er dem Gegenüber nach Vorwarnung die in der Regel sehr begehrten »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«. 505 Wirkungskreis und Träger dieses Systems sollen im folgenden in tabellarischer Übersicht konkret genannt werden; erst daraus wird innerer Zusammenhang und regionale Reichweite der Reaktionspolitik der Jahre 1851/52 deutlich.506 Hier wird der Kreis der Korrespondenzpartner gemäß dem Stand vor der Ausweitung des Polizeivereins mitgeteilt. Durch die Beitritte Bayerns, Württembergs und Badens entfielen die entsprechenden Behörden als Empfänger der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«, da sie nun an den regulären Wochenberichtsaustausch des Polizeivereins angeschlossen waren. Danach konzentrierte sich Eberhardts System mehr und mehr auf das mittlere Deutschland von den sächsischen und thüringischen Fürsten- und Herzogtümern bis zum Rhein. Auch die gesonderte Versendung an einzelne preußische Regierungspräsidenten wurde - wie gezeigt507 - alsbald eingestellt. Über diesen engeren Kreis der Empfänger seiner »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« hinaus unterhielt Eberhardt noch Korrespondenzen, mit denen er sich unregelmäßig von Fall zu Fall in Einzelfragen an ihm bekannte Beamte in ganz Deutschland wandte. Eberhardt hatte zwar dieses Nachrichtensystem begründet, es blieb aber nicht an seine Person gebunden, sondern wurde nach seinem Tode - wenn auch verstärkt auf das mittlere Deutschland konzentriert - weiter praktiziert. So erschienen in der Zeit zwischen dem 1.1. 1854 und dem 30. 6. 1855 insgesamt 24 Ausgaben dieser rayoninternen Mitteilungen mit insgesamt 343 Einzelpositionen in einer Auflage von je 33 Stück, die an die höheren Regierungs- und Polizeibeamten im Königreich Sachsen gingen, darüber hinaus nach Weimar, Meiningen, Gera, Ebersdorf, Rudolstadt, Altenburg, Frankfurt/M., Darmstadt, Gießen,
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Anmahnendes Schreiben 29. 9. 1851 an Polizeiassessor Dr. Beer in Frankfurt, Eberhardt betonte die Wechselseitigkeit des Verkehrs, StA Dresden Mdl Nr. 307k, Bl. 13. Im Schreiben 8. 10. 1852 an den Regierungsdirektor Wachs in Kassel kündigte Eberhardt die Zusendung der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« auf, 1. weil von Kassel keine Beiträge mehr gekommen seien, 2. weil mehrere dortige Polizeibehörden den »Allgemeinen Polizei-Anzeiger« abbestellt und dadurch die Verbindung zu Eberhardt abgebrochen hätten, ebd., Nr. 307x, Bl. 42. Auch Koerner behielt nach Eberhardts Tod diese Praxis bei, so sein entsprechendes anmahnendes Schreiben 10. 1. 1853 an Beer, HStA Wiesbaden Abt. 5/268 VI; wenn auch Beer verschiedentlich zu mehr Regelmäßigkeit in den staatspolizeilichen Mitteilungen gedrängt wurde, war er doch einer der wichtigsten Korrespondenzpartner in der RheinMain-Gegend. Die in Wiesbaden erhaltenen Akten beweisen zudem, daß er in politischpolizeilichen Recherchen auf Anfragen Dresdens hin keineswegs untätig blieb. Die Übersicht in Verbindung mit dem zugrundeliegenden System erklärt, warum verstreut in vielen einzelnen staatlichen Archiven die »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« Eberhardts und Koerners überliefert sind. Die Kenntnis dieses Mitteldeutschen Polizeivereins als informeller Organisation ermöglicht dem Landeshistoriker die zutreffende Einordnung seines Materials. Vgl. oben, S. 389.
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Übersicht der Empfänger der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« KÖNIGREICH SACHSEN Kreisdirektor Müller in Dresden Kreisdirektor von Könneritz in Bautzen Kreisdirektor von Broizem in Leipzig Polizeidirektor der Polizeideputation Dresden und Amtshauptmann von Oppell, später Polizeidirektor von Burgsdorff bei der 1853 errichteten Polizeidirektion Dresden Polizeidirektor von Stengel in Leipzig Gendarmerie-Inspektor Seidendörfer Amtshauptmann Zahn in Freiberg Regierungsrat Hartz in Zwickau Amtshauptmann von Carlowitz in Zittau Amtshauptmann Brückner in Chemnitz
BREMEN Senator und Polizeidirektor Albers bzw. Staatsanwalt Dr. Smidt
THÜRINGISCHE UND SÄCHSISCHE KLEINSTAATEN Reuß (jüngere Linie) Staatsminister Bartschneider in Gera Kriminalrat Hirt in Gera Landrat Fuchs in Ebersdorf Landrat von Strauch in Schleiz Schwarzburg-Rudolstadt Wirkl. Geheimrat u. Minister von Berirab in Rudolstadt Geh. Regierungsrat von Röder in Rudolstadt Sachsen Altenburg Staatsminister Graf von Beust, Vertreter: Hauptmann und Chef der Gendarmerie Mathy Regierungspräsident Schuderoff in Altenburg
WÜRTTEMBERG
Sachsen-Coburg-Gotha Staatsminister von Seebach in Coburg Sachsen-Meiningen Staatsminister von Wechmar in Meiningen Polizeikommissar Walther in Hildburghausen Sachsen-Weimar-Eisenach Hauptmann im Gendarmerie-Kommando von Flemming in Weimar • Minister von Watzdorf in Weimar Gemeindevorstand der Stadt Eisenach Roese Anhalt Kreisdirektor Werner in Dessau PREUSSEN Regierungspräsident Graf du Vignaud in Erfurt Regierungspräsident von Wedelt in Merseburg MECKLENBURG-SCHWERIN Kriminalrat Ackermann in Bützow HESSEN-KASSEL Regierungsdirektor Wachs in Kassel BRAUNSCHWEIG Polizeidirektor Cleve in Braunschweig
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FRANKFURT/M. Polizeiassessor Dr. Beer BAYERN Hauptmann Hickel in Regensburg Generalstaatsprokurator für die Pfalz Korbach Regierungspräsident von Stenglein für Oberfranken in Bayreuth Regierungspräsident für Unterfranken Zu Rhein in Würzburg
Stadtdirektor Majer in Stuttgart BADEN Oberamtmann Guerillot beim Polizeiamt in Karlsruhe HOLSTEIN Polizeidirektor von Warnstedt in Altona, dann Polizeidirektor und Etatsrat Schräder in Altona HESSEN-DARMSTADT Dirigent der Regierungskommission des Regierungsbezirks Darmstadt von Starck Erster Untersuchungsrichter am Kreisgericht in Mainz Dr. Dael, dann der Erste Polizeikommissar in Mainz Künstler Polizeikommissar Nover in Gießen NASSAU Ministerialrat Werren in Wiesbaden Polizeirat Roessler in Wiesbaden HAMBURG Senator bei der Polizeibehörde Dr. Binder bzw. Senator und Chef der Polizei Goßler ÖSTERREICH österr. Gesandte Graf Kuefstein in Dresden Polizeidirektor von Sacher-Masoch in Prag DÄNEMARK Polizeidirektor Braestrup in Kopenhagen BELGIEN Administrates de la sürete Baron de Hody, dann Verheyen in Brüssel SCHWEIZ Gendarmeriehauptmann Hanhart in Frauenfeld Gendarmeriehauptmann Nötzli in Zürich RUSSLAND russ. Gesandte Schröder in Dresden
Wiesbaden, Mainz, Prag, Kassel, Dessau, Hamburg, Bremen, Kopenhagen und Brüssel.508 Die eminente Bedeutung der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« erschließt sich erst in ihrem Zusammenspiel mit der Betätigung Sachsens im Polizeiverein. Das Material der »Wochenberichte aus Dresden« entstammte zum größten Teil diesem untergeordneten Korrespondenzsystem; umgekehrt versorgten Eberhardt und später Koerner die Empfänger der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« mit politisch-polizeilichen Nachrichten aus dem übergeordneten Wochenberichtsverkehr. Hinckeldey, dem die rayoninternen Mitteilungen Dresdens bekannt waren, beurteilte deren Zuverlässigkeit kritisch und wollte sie nur mit Vorsicht benutzt wissen. Sie hätten »nur den Werth der Kompilation, nicht der Originalität«, da nach seiner Ansicht Sachsen über keine auswärtigen Agenten verfügte und deshalb »in politisch-polizeilicher Hinsicht im Auslande nirgends handelnd oder veranlassend« auftreten könne. 509 Obwohl Sachsen zeitweilig einen Agenten in London (ca. 1853)510 und in Paris (ca. 1854)511 im Dienst hatte, traf Hinckeldey dennoch die Eigenart der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« mit der Tatsache, daß sie innerhalb des sächsischen >Rayons< von Amtsträgern anderer Staaten stammten. Jedoch gab es genügend Beispiele für die Unzuverlässigkeit von Agentenberichten, daß es zweifelhaft erscheint, ob die aus bezahlter Abhängigkeit erworbenen Nachrichten stets brauchbarer waren als die freiwilligen Mitteilungen aus der Hand von polizeilichen Amtsträgern, die an einer gemeinsamen möglichst wirkungsvollen Reaktionspolitik interessiert waren, und das um so mehr, als die Mittel- und Kleinstaaten oft nur über ungenügende Mittel verfügten und keinen eigenen Überwachungsapparat finanzieren konnten oder wollten. Hier leistete Eberhardts systematisierte und koordinierte Korrespondenz eine wichtige Ersatzfunktion. Allerdings urteilte Hinckeldey vom politisch-polizeilichen Zweck her gesehen zutreffend, daß die »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« meist »zu eilig auf die weitere Verbreitung eingerichtet [seien], während ein Zurückhalten oft sehr wünschenswerth ist«.512 Er berührte hierin das Problem der Indiskretionen, das in dem Maße wuchs, wie der Mitwisserkreis zunahm. In Analogie zum Polizei verein war Eberhardt bestrebt, die mit seinen rayoninternen Mitteilungen gepflogenen Kontakte durch persönliche Zusammenkünfte 508
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Diese Angaben finden sich im Rechenschaftsbericht zur Registrande II E, gedr. bei Siemann: >PolizeivereinRayons< fand am 2./3. 5. 1852 in Weimar statt. Für die achtzehn Teilnehmer 513 stand vor allem das für die föderativen Verhältnisse Deutschlands charakteristische Problem der »Centralisation politischer Untersuchungen« im Mittelpunkt. Dazu lag ein Vortrag des Mainzer Untersuchungsrichters Dr. Dael vor, 514 der Anregungen nach Art der älteren Mainzer Zentraluntersuchungskommission enthielt. Eine weitere derartige Polizeikonferenz war für den Herbst 1852 in Biebrich (Nassau) anberaumt; 515 auch diese Einrichtung blieb nach Eberhardts Tod erhalten, denn es scheinen anschließend noch solche Konferenzen am 6. 6. 1853 in Kassel, am 28. 7. 1854 in Frankfurt/M., 1855 in Wiesbaden und 1856 in Darmstadt stattgefunden zu haben. 516 Wie lange dieses System vertraulicher persönlicher und schriftlicher Beziehungen fortwirkte, erwies sich im Sommer 1859, als sich die Agitationen zugunsten des Deutschen Nationalvereins und einer kleindeutschen Einigung in den thüringischen und sächsischen Staaten besonders lebhaft äußerten und der Regierung in Dresden Anlaß zur Sorge um die politische Ruhe und Stabilität gaben. Zur Aufklärung über die tatsächliche Lage, über die oppositionellen Wortführer in der Öffentlichkeit und vor allem in der Presse beauftragte sie deshalb den Referenten für staatspolizeiliche Angelegenheiten im Innenministerium Häpe in der Zeit vom 7. bis 18. 9. 1859 mit der erwähnten Rundreise zu den Korrespondenten der »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« in den einzelnen Kleinstaaten. 517
V. Bayern 1. Die Überwachung der »Volksstimmung« in Bayern seit 1848 Wo sich Regierungen in dieser Epoche politisch-polizeilicher Maßnahmen zu bedienen begannen, gehörten Stimmungsberichte der Mittel- und Unterinstanzen zu einem wichtigen Instrument. Noch vor Ausbruch der Revolution - am 7. 2. 1848 - ordnete König Ludwig I. eigenhändig für Gendarmerie und Zivilbeamte 513
514 5,5 516 517
Es waren 1. Eberhardt, 2. Min.Rat. Werren/Wiesbaden, 3. Kriminalrat Ackermann/ Bützow, 4. Landrat Fuchs/Ebersdorf, 5. Landrat Maurer/Rudolstadt, 6. Kreis- u. Pol.dir. Werner/Dessau, 7. Pol.kommissar Künstler/Mainz, 8. Kreisger.vizedir. Heinemann/ Weimar, 9. Pol.komm. Schilling/Dresden, 10. Gend.Inspektor Seidendörfer/Dresden, 11. Pol.komm. Nover/Gießen, 12. Geh. Reg.rat Schambach/Weimar, 13. Bezirksdir. Haberfeld/Weimar, 14. Gendarm.hauptmann Dr. jur. Flemming/Weimar, 15. Erster Bürgermeister Bock/Weimar, 16. Bezirksdir. Sachse/Weimar, 17. Staatsanwalt Genast/ Weimar, 18. Erster Bürgermeister Börner/Jena; nach dem Protokoll StA Dresden Mdl Nr. 304, Bl. 30-36 vom 3. 5. 1852. Anlage Α zum Konferenzprotokoll. StA Dresden Mdl Nr. 304, Bl. 42-45. Ebd., Mdl Nr. 305. Ebd., Mdl Nr. 38 u. 41. Vgl. oben, S. 417f. u. Anm. 472 ebd.
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an, die öffentliche Stimmung in München, besonders bei Gesprächen in Wirtshäusern, zu überwachen. 518 Bereits im März 1848 formalisierte und verallgemeinerte das Innenministerium dieses Verfahren, indem es sämtlichen Regierungspräsidenten befahl, den Stadtkommissären und Vorständen der Land- und Herrschaftsgerichte den Auftrag zu erteilen, über die allgemeine Stimmung und Haltung des Volkes in den größeren und kleinen Städten sowohl als auf dem flachen Land fortwährend die genauesten Erkundungen einzuziehen,
und das besonders unter persönlicher Anschauung. Die Vorstände der Distriktspolizeibehörden sollten bis auf Gegenbefehl alle acht Tage sogenannte »Terminsberichte« über die allgemeine Volksstimmung an die Regierungspräsidien einreichen; diese hatten ihrerseits gleichfalls alle acht Tage aus dem eingegangenen Material »eine gedrängte summarische Übersicht« an das Innenministerium zu leiten.519 Dieses erstattete daraufhin die »Monatsberichte ad Majestatem«, geordnet nach Regierungsbezirken. König Max II. bearbeitete sie jeweils gewissenhaft und gab seinen Willen in der bereits erwähnten, schon von Ludwig I. gewählten Form der Signate kund. Für den November 1848 bot das Innenministerium zugleich auch eine »tabellarische Übersicht der im Königreich Bayern bestehenden politischen Vereine nach den Regierungsbezirken zusammengestellt«. 520 Die anhaltenden bayerischen Bestrebungen zur Überwachung der »Volksstimmung« und die Tendenzen der Provisorischen Zentralgewalt zur Observation des Vereinswesens konvergierten auf frappierende Weise. Das Reichsinnenministerium hatte dann auch ein Exemplar dieser umfassenden Auflistung des politischen Vereinswesens in Bayern erhalten. 521 Im August 1849 war die von der Revolution ausgehende Bedrohung der traditionellen Regierungsgewalten bereits so stark abgeklungen, daß sich das Innenministerium zu einer Bestandsaufnahme genereller Art entschließen konnte. Es wies die Regierungspräsidenten anhand eines präzisen Fragekatalogs mit 12 Punkten zur Berichterstattung an: 1. Hat die Märzbewegung des vorigen Jahres in Stadt und Umgebung einen günstigen Boden gefunden? 2. Welche Volksklassen beteiligten sich zunächst bei den Bewegungen: ob die niedere oder mittlere oder beide zugleich? 3. Welche Vereine (namentlich demokratische) bestehen daselbst? deren Zweck, Tätigkeit und Erfolge? Zahl ihrer Mitglieder? 518 519 520
521
BayHStA München MInn 45784. Entschließung des Innenministeriums vom 6. 3. 1848, ebd., MInn 46129. D i e Übersicht befindet sich ebd., MInn 46129 und zugleich in: Bayer. Gesandtschaft Bundestag Nr. 298. Vgl. insgesamt zu Max II. Michael Dirrigl: Maximilian II. König von Bayern. 1848-1864. 2 Teile. München 1984 = D a s Kulturkönigtum der Wittelsbacher Bd. 2. Vgl. oben, S. 232.
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4. Zustände der Lokalpresse: Welche Blätter sind zumeist gelesen? 5. Fanden oder finden sogenannte Volks- oder andere größere Versammlungen statt? Wer beruft und leitet sie? 6. Wie sind die Gesinnungen, wie die Bildungsstufe des Arbeiterstandes der Stadt und Umgebung? Etwaige politische Tätigkeit der Handwerksgesellen, Arbeitervereine? 7. Ist Arbeit vorhanden, lohnende oder kärgliche? 8. Wie stehen die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse im allgemeinen? 9. Gewerbswesen und Industrie der Stadt im besonderen: Wie könnte heruntergekommenen Gewerben aufgeholfen werden? 10. Gesinnung und etwaige politische Tätigkeit der begüterten Einwohner? 11. Gemeindliche und konfessionelle Verhältnisse? 12. Bedürfnisse und Anliegen der Stadt?522 In dieser Aufforderung mischten sich politisch-polizeiliche Absichten der Überwachung, Kontrolle und Prävention mit wohlfahrtspolizeilichen Intentionen, die mit nötigen Reformen künftigen Unruhen entgegenarbeiten wollten. Im Anschluß an diese Bestandsaufnahme wurde das Berichtssystem umgestellt, indem die Regierungspräsidenten fortan zu Monatsberichten über die Volksstimmung aufgefordert waren. Dazu ordnete Max II. in einem Handschreiben eigens ein besonderes Frageschema an, das vom Innenministerium in Form von sechs Punkten an die Regierungspräsidenten weitergegeben wurde: 1. Stimmung der Bevölkerung hinsichtlich der Person des Königs und des Königtums, 2. Parteistellung in politischer und religiöser (confessioneller) Beziehung, 3. Ob und in welchem Grade Neigung vorhanden für demokratische Vereine und Blätter? 4. Stimmung bezüglich des Grundlasten-Ablösungs-Gesetzes, 5. Bezüglich der inneren Zustände überhaupt, 6. Hinsichtlich der allgemeinen deutschen Verhältnisse. 523 Erst nach dem Tode Max' II. wurden diese periodischen Berichte durch seinen Nachfolger Ludwig II. per Signat am 6. 4. 1864 abgeschafft. 524 2. Bayerns Beitritt zum Polizeiverein Auf der konstituierenden ersten Polizeikonferenz am 9. 4. 1851 war Bayern nicht vertreten. Man verständigte sich aber, daß der österreichische Kommissar Stadthauptmann Weiss von Starkenfels entsprechende Schritte einleiten sollte, um 522 523
524
Erlaß des Innenministeriums 30. 8. 1849, BayHStA München, MInn 45786. Handschreiben Max' II. 17. 9. 1849, Weisung Zwehls 21. 9. 1849 an die Regierungspräsidenten BayHStA München MInn 46130, gedr. bei Leonhard Lenk: Revolutionärkommunistische Umtriebe im Königreich Bayern. Ein Beitrag zur Entwicklung von Staat und Gesellschaft 1848-1864, S. 581. In: Zs. f. bayer. Landesgesch. Bd. 28 (1965) S. 555-622. MInn 46130; vgl. Lenk, S. 582f.
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einen Beitritt des Königreichs herbeizuführen. Wie sich der Vorgang im einzelnen gestaltete, ist bisher nicht befriedigend aufgeklärt und mit zahlreichen Mißverständnissen behaftet. 525 Das betrifft vor allem die Rolle Eberhardts und der österreichischen Regierung, deren Anteil nun erstmals in Kenntnis der Wiener Akten durchsichtig wird. Eberhardt verursachte gegenüber Bayern durch mehrere eigenmächtige Aktionen Verwicklungen, die bis auf die diplomatische Ebene durchschlugen und auf unterschiedlichen Interpretationen der Polizeivereinskonzeption beruhten. Der Regierungsrat hatte sich auf der erwähnten Konferenz zur Rayoneinteilung einen Organisationsplan notiert, der - nicht ganz eindeutig - Weiss für »Bayern« zuständig erscheinen ließ, Eberhardt hingegen für »Franken (mit Einschluß der bayerischen fränkischen Provinzen)« und die »Bayerische Pfalz«.526 Somit war Bayern in zwei Zuständigkeitszonen aufgeteilt. Gemäß der Absprache hatten sich die Rayon-Vorsteher nun ihrerseits mit den zuverlässigsten Sicherheitsbeamten ihres Bezirks in Verbindung zu setzen und ihren Rayon intern zu organisieren. Nach solcher Deutung suchte Eberhardt beim Aufbau seines mitteldeutschen Polizeivereins Bayern auf dieser Ebene unter eigener Regie mitzubearbeiten. Bereits am 16. 4. 1851 unterrichtete er die bayerischen Regierungspräsidenten von Oberfranken, Unterfranken und der Pfalz über eine Vereinigung mehrerer höherer Sicherheitsbeamten, die vertrauliche politisch-polizeiliche Informationen austauschten und sich in Konferenzen träfen. 527 Der Regierungsrat handelte hier im Rahmen seines eigenen Rayon-Verständnisses, betrieb aber keineswegs Bayerns Beitritt zum übergeordneten Polizeiverein. Regierungspräsident Stenglein von Oberfranken hielt sich in dieser - von ihm gebilligten - Angelegenheit nicht für autorisiert, ohne Zustimmung des Innenministeriums zu entscheiden und leitete sie dorthin weiter, so daß Innenminister Zwehl am 22. 4. 1851 erstmals von der Existenz einer Vereinigung von Sicherheitsbeamten erfuhr, freilich ohne die gesamte Tragweite des Systems auch nur entfernt überschauen zu können. 528 Das hatte Eberhardt indessen auch nicht beabsichtigt. Zwehl maß ihr zunächst kein besonderes Gewicht bei. Erst Stengleins wiederholte »Bitte um weitere Verhaltungsbefehle« veranlaßten ihn zu einer Rückfrage beim Ministerpräsidenten Pfordten. Zwehl plädierte für Beibehaltung des traditionellen Weges, das hieß Mitteilungen von »allgemeinem politischen Interesse« über das Außenministerium »in herkömmlicher Weise« laufen zu lassen.529 Daraufhin erbat sich Pfordten in Dresden Auskunft über die Rolle 525
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528 529
Vgl. Lenk, S. 598, Baiser: Sozial-Demokratie, S. 423, Off ermann: Arbeiterbewegung, S. 74f., Spindler (Hrsg.): Handb. d. bayer. Geschichte Bd. IV, 1, S. 237; dieses beschränkt den Polizeiverein auf Österreich und die süddeutschen Staaten. Vgl. Eberhardts Organisationsplan, gedr. bei Baiser: Sozialdemokratie Quellenbd., S. 595. Schreiben Eberhardts 16. 4. 1851 an Reg.präs. Stenglein von Oberfranken, BayHStA München MInn 45545; Antworten Stengleins 9. 5. 1851, des Reg.präs. von Unterfranken 12. 5. 1851, von der Pfalz 13. 5. 1851, StA Dresden Mdl Nr. 22, Bl. 81, 89, 95. Stenglein 19. 4. 1851 an Zwehl, präs. 22. 4., BayHStA München MInn 45544. Zwehl 13. 5. 1851 an Pfordten, BayHStA München MInn 45546.
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Eberhardts im sächsischen Innenministerium. Er kam zu dem Ergebnis, den Austausch mit dem sächsischen Regierungsrat allein auf das Innenministerium zu beschränken. 530 Damit schien die Sache abgehandelt. Sie schritt jedoch in ihre zweite Phase. Denn der Wiener Stadthauptmann Weiss verstand die Vereinbarung, andere Polizeibehörden zum Kreis der Konferenzen beizuziehen, anders als Eberhardt im Hinblick auf Bayern nicht im Sinne, eine Suborganisation zu bilden, sondern den Polizeiverein zu erweitern. Entsprechend unterrichtete er den ihm vorgesetzten Innenminister Bach. 5 3 1 Dieser ergriff seinerseits die Initiative, das Einverständnis der bayerischen Regierung zu erlangen. Zur konkreten Durchführung schlug er Ministerpräsident Schwarzenberg ein geheimes Treffen zwischen Weiss und einem beauftragten bayerischen Beamten in Linz vor. 532 Alles sollte äußerlich den Anschein einer Privatveranstaltung von Polizeibeamten erwecken. Das in die Wege zu leiten, bedurfte es allerdings - wie auch bei den noch nachfolgenden Beitritten - der höchsten diplomatischen Ebene, wodurch die Existenz dieser Organisation im Bewußtsein der Beteiligten jeweils neu sanktioniert wurde. Schwarzenberg instruierte am 22. 5. 1851 den österreichischen Gesandten in München Graf Esterhäzy, beim bayerischen Kabinett »in vertraulicher Weise« den Beitritt anzubahnen. 533 Die Entscheidungen fielen von bayerischer Seite gemessen an diplomatischer Gangart binnen kürzester Zeit. Das war bemerkenswert angesichts der zurückliegenden Vorbehalte und Widerstände, die Bayern früheren Versuchen zu einer zentralen Polizeikoordination stets entgegenzusetzen hatte. Ende Mai erfuhr der bayerische Ministerpräsident durch den österreichischen Gesandten erstmals korrekt und umfassend von der Existenz des Polizeivereins. 534 Sogleich unterrichtete er am 29. 5. Innenminister Zwehl davon. Dieser formulierte tags darauf den entscheidenden Antrag an Max II. Der König beschied am 31. 5. zum Polizeiverein und zum vorbereitenden Treffen zwischen Weiss und dem Münchener Polizeidirektor Reigersberg in Linz: Vortrefflich finde ich diese Idee, und genehmige anmit das absichtlich die Ausführung derselben hier Beantragte. München, den 31ten May 1851. Max 535
Durch den eingeleiteten Beitritt Bayerns zum Polizeiverein erübrigten sich die unmittelbaren Korrespondenzen Eberhardts mit den bayerischen Regierungspräsidenten. Da er darin jedoch unverwandt fortfuhr - offensichtlich in Unkenntnis der inzwischen vorgefallenen österreichischen-bayerischen Kontakte-, rügte Zwehl das Verfahren gegenüber dem Ministerpräsidenten und wünschte Eber530 531
532 533 534 535
Pfordten 26. 5. 1851 an Zwehl, ebd. Weiss' Bericht 20. 4. 1851 an Bach über die Polizeikonferenz vom 9. 4. 1851, HHStA Wien IB A-Akten, Krt. 14, Bl. 323-329. Bach 29. 4. 1851 an Schwarzenberg, ebd., Bl. 318, 348. Ersichtlich aus Esterhäzys Bericht 5. 6. 1851 Nr. 43, ebd., Bl. 338. Esterhäzy 25. 5. 1851 an Pfordten, BayHStA München MInn 45549. Signat Max' II. auf dem Antrag Zwehls vom 30. 5. 1851, ebd.
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hardts Sendungen unmittelbar an seine Adresse, 5 3 6 zumal für ihn nun deutlich zutage lag, daß der Regierungsrat ihn nur unvollkommen über die wahre Tragweite des Polizeivereins aufgeklärt hatte. Pfordten kam diesem Wunsch nach und unterrichtete die sächsische Regierung von dem beabsichtigten Treffen in Linz zum Zweck der Koordinierung »der höheren politischen Polizei«, wie er es ausdrückte; Eberhardt sollte seine Mitteilungen künftig an das Innenministerium richten. 537 Indem Eberhardt durch den sächsischen Ministerpräsidenten Beust über das Vorgefallene informiert wurde, trat die Begegnung Bayerns mit dem Polizeiverein in ihre dritte Phase, und diese wurde die heikelste. Denn Eberhardt fühlte sich mißverstanden und versuchte sich in einem eigenhändigen, unmittelbar an Zwehl gerichteten Schreiben zu rechtfertigen. Zur dokumentierenden Veranschaulichung, daß er nicht eigenmächtig gehandelt habe, übersandte er zugleich sein Protokoll der ersten Konferenz in Verbindung mit seinem Organisationsplan. 538 Dazu schilderte er aus seiner Sicht das Zustandekommen des Polizeivereins. Die Reaktion bei der bayerischen Regierung auf diese ihr bisher unbekannten Tatsachen nahm die Ausmaße eines Eklats an, denn nun erfuhr man auch erstmals von der Rayoneinteilung. Zwehl erkannte jetzt einen Zusammenhang zwischen den Aktivitäten Eberhardts gegenüber den Regierungspräsidenten Frankens und dem österreichischen Vorschlag zu einem Zusammentreffen mit dem Wiener Stadthauptmann Weiss; es hatte den Anschein, als sollte gemäß dem Organisationsplan die polizeiliche Aufteilung Bayerns unter den Einfluß Sachsens und Österreichs angebahnt werden. 539 Auf diese Weise einen souveränen Staat wie Bayern zu behandeln erschien Pfordten im höchsten Maße unerhört; diese »Anmaßung« bestätigte ihm die stets seit 1815 in Bayern gehegte Furcht vor einer Beeinträchtigung der Souveränität des Staates und veranlaßte ihn zu dem außerordentlichen Schritte, bei den beteiligten Kabinetten in Wien, Berlin, Dresden und Hannover unter Protest Aufklärung über die näheren Umstände der Polizeivereinsgründung zu verlangen. 540 Die eingehenden Antworten 541 vermochten die Befürchtungen um die Souveränität weitgehend zu zerstreuen, denn nun wurden die Hintergrundsoperationen, die zur Bildung des Polizeivereins geführt hatten, durchsichtig. Die Zweiteilung 536 537
538 539 540
541
Zwehl 1. 6. 1851 an Pfordten, ebd., MInn 45547. Pfordten 7. 6. 1851 an den bayer. Gesandten Gise in Dresden u. dessen Note 13. 6. 1851 an Beust, BayHStA München Bayer. Gesandtschaft Dresden Nr. 1780. Eberhardt 18. 6. 1851 an Zwehl, BayHStA München MInn 45547. Zwehl 24. 6. 1851 an Pfordten, Pfordten 26. 6. 1851 an Zwehl, ebd. Pfordten 9. 7. 1851 an die bayer. Gesandtschaften in Wien, Berlin, Hannover und Dresden, ebd., MInn 45547, zugleich MA 1792. Gesandtschaftbericht Malzens/Berlin 16. 7. 1851 über Gespräche mit Manteuffel und Hinckeldey, MInn 45548, dazu noch Schreiben Manteuffels und Hinckeldeys, ebd., dann des österr. Ministerpräsidenten Schwarzenberg ebd., des hannov. Außenministers Münchhausen 26. 7. 1851 in Verbindung mit einem Bericht Wermuths 19. 7. 1851 zur 1. Polizeikonferenz, MInn 45549, Schreiben Beusts 29. 8. 1851 MInn 45550.
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Bayerns nach Eberhardts Organisationsplan erschien glaubhaft als dessen Eigenmächtigkeit. Eine Verstimmung blieb jedoch zurück angesichts der Frage, warum man nicht früher an Bayern herangetreten sei.542 In Berlin hatten Manteuffel und Hinckeldey den bayerischen Gesandten darauf hingewiesen, Bayern sei zuvor polizeilich »weniger tätig« gewesen, und Beust erklärte das Fernbleiben Bayerns mit dem privaten Charakter des ersten Treffens zwischen persönlich untereinander bereits bekannten Polizisten. Die Kenntnis der Eberhardtschen Rayoneinteilung und die Tatsache, daß Bayern nur portionsweise in das System des Polizeivereins eingeweiht worden war, veranlaßten auch das Innenministerium zu klärenden Maßnahmen; es wurde in dreierlei Hinsicht tätig: Zunächst untersagte es sämtlichen Regierungspräsidien Korrespondenzen mit dem Ausland, um so sämtliche Zusatzkontakte Eberhardts, die unterhalb der Polizeivereinsebene liefen, grundsätzlich abzuschneiden. Dabei erinnerte Zwehl die Präsidenten ausdrücklich an die ausschließliche Kompetenz des Innenministeriums »auf dem Gebiete der höheren politischen Polizei«. Der bayerische Gesandte in Dresden erhielt von dieser Entschließung eigens eine Abschrift. 543 Zweitens suchte der Innenminister näheren Aufschluß durch das Treffen Reigersbergs mit Weiss in Linz zu erlangen; es fand am 30. 6.1851 statt und schien im Ergebnis die Darstellung Eberhardts zu korrigieren, da Weiss sein eigenes auf der ersten Polizeikonferenz angefertigtes Protokoll aushändigte, das nichts von einer Zweiteilung Bayerns enthielt. 544 Schließlich beauftragte er den als zukünftigen bayerischen Polizeivereinskommissar ins Auge gefaßten Münchener Polizeidirektor Reigersberg mit einem »Geschäftsurlaub«, auf dem er mit den Vorständen der Polizeibehörden in Wien, Dresden, Berlin und Hannover sich persönlich zu verständigen hatte und so die eigentliche Bewandtnis des Polizeivereins vollständig bei den Hauptbeteiligten aufklären sollte.545 Die Reise fand vom 30. 6. bis zum 28. 7. 1851 statt und wurde in politischen Kreisen Münchens als der Versuch gedeutet, sich über örtliche Polizeieinrichtungen, darunter die Berliner Schutzmannschaft, näher zu unterrichten. 546 Die äußere Tarnung des Polizeivereins war gelungen. Der abschließende Bericht Reigersbergs vom 31.7. 1851 an den König547 schuf für die bayerische Regierung endgültige Klarheit über den Polizeiverein und lenkte - daraus resultierend - die Innenpolitik in die Bahnen intensiver innerer politisch-polizeilicher Konzentration. 542 543
544 545 546
547
Reaktion Zwehls 23. 7. 1851 auf den Bericht Malzens, MInn 45548. Entschließung Zwehls 29. 6. 1851, BayHStA München Bayer. Gesandtschaft Dresden Nr. 1780; zur Kompetenz des Innenministeriums in Sachen politischer Polizei vgl. oben, S. 213 Anm. 336. Abschrift des Protokolls vom 20. 4. 1851 ebd., MInn 45549, zum Original vgl. Anm. 531. Resümierender Bericht Zwehls 11. 8. 1851 an Pfordten, ebd., MInn 45549. Berichte des preuß. Legationssekretärs Prinz zu Ysenburg und Büdingen Nr. 71 vom 1. 7. 1851 u. Nr. 79 vom 29. 7. 1851, GStA Berlin-Dahlem III. H. A. Nr. 308, Bl. 2 u. 36. Gedr. bei Siemann: >PolizeivereinPolizeivereinäußeren Behörden< veranlassen, regelmäßige Mitteilungen daraus hatten aber dorthin zu unterbleiben; gegebenenfalls seien lediglich einzelne Notizen nur im Auszug an die betroffenen Amtsvorstände vertraulich mitzuteilen.563 Damit war
559 560 561
562 563
Organisation der Polizeidirektion Febr. 1850, ebd., MInn 41062. Ebd., MInn 30958 u. 41063. Rückfrage des Regierungspräsidenten von Oberfranken Stenglein 16.10. 1851 auf die Ministerialentschließung vom 16. 9. 1851, daraufhin folgte das Reskript vom 28. 10. 1851 an alle Regierungspräsidenten, BayHStA Stuttgart MInn 45551. Reigersberg 31. 7. 1851, Siemann: >PolizeivereinLinken< Franz Hedrich und Adolph Kollaczek wegen Hochverrats verhaften zu lassen. Eberhardt vermutete die ehemaligen Mitglieder des Rumpfparlaments 564 565 566
567
Pfordten 4. 7. 1853 an Innenminister Reigersberg, MA 1795. Wochenbericht München 30. 4. 1857, BayHStA München MA 1797. Das zeigte beispielsweise die Fahndung im Juli 1859 nach dem Aufruf »An das deutsche Volk«, unterzeichnet durch »mehrere hundert seiner Söhne in Amerika und der Schweiz, Juni 1859«, ebd., MInn 45573. Duvernoy 12. 9. 1849 an den Kabinettschef des Königs, Maucler, HStA Stuttgart Ε 9/117 (neu).
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von Stuttgart in Württemberg und leitete die Anfrage an den Stuttgarter Stadtdirektor Majer weiter. Dieser antwortete bereits am 30. 4. 1850, die Gesuchten seien abgereist, so daß er den Antrag nicht mehr erfüllen könne. 568 Abgesehen von der unmittelbaren Kontaktaufnahme beweist dieser Vorgang, daß man in Stuttgart tatsächlich bereit war, sich an der politischen Fahndung nach Nichtwürttembergern zu beteiligen. Von nun an bestand eine kontinuierliche Korrespondenz zwischen Majer und Eberhardt. Hielt sich ein Württemberger während einer Reise in der Nähe Dresdens auf, fragte der Regierungsrat sogleich bei Majer nach, ob es sich um ein Mitglied der radikalen Partei< handele. 569 Unter dem neuen Innenminister Linden nahm dieser Kontakt noch festere Formen an. Auf der Sitzung des Ministerrats vom 20. 7. 1850 galt dem Vereinswesen besondere Aufmerksamkeit. Der König forderte zu genauen Nachforschungen bei den demokratischen, den Arbeiter- und Turnvereinen auf. Sie stünden »durch geheime Obere geleitet« unter sich in Verbindung. Daraufhin erläuterte der Innenminister seine bisherigen Maßnahmen gegen die Vereine: Er sammelte gegen sie gerichtsverwertbare Materialien, hatte dazu von allen Bezirksbeamten Berichte eingefordert und »das Treiben der Vereine der strengsten Aufmerksamkeit empfohlen«. Zur gerichtlichen Untersuchung ließ er Hausdurchsuchungen durchführen und Papiere beschlagnahmen. Der gerichtliche Erfolg sei ebenso wichtig wie die Auflösung der Vereine »staatsgefährlichen Charakters«. Wichtig sei, eine Originalkorrespondenz der Vereine zu erhalten. Dazu hatte sich Linden, der zu dieser Zeit gleichzeitig Außenminister war, an die sächsische Regierung gewandt, zugleich aber dem Stadtdirektor (zunächst Amtsverweser) Majer aufgetragen, sich mit Eberhardt, »welcher in dieser Sache thätig sei«, in Verbindung zu setzen. 570 Er sollte von dem Regierungsrat ein Exemplar der Zeitschrift der »Arbeiterverbrüderung« erbitten. 571
2. Der Beitritt Württembergs zum Polizeiverein Es war bisher ein nur unzureichend aufgehelltes Kapitel, auf welchem Wege sich Württemberg dem Polizeiverein anschloß.572 Den Vorgang im einzelnen zu durchschauen macht Gewicht und Rolle der beteiligten Instanzen deutlich. Daraus resultierte hinwiederum die politische Bedeutung des Polizeivereins im Gesamtgeflecht der Reaktionsmaßnahmen. 568 569
570 571 572
Majer 30. 4. 1850 an Eberhardt, HHStA Wien IB Actes de haute police, Krt. 10. Eberhardt 11. 7. 1850 »vertraulich« an Majer betr. den Dr. phil. Haakh in Bad Elster im Vogtland, StA Dresden Mdl Nr. 415, Bl. 1. Ministerratsprotokoll, Stuttgart, d. 20. 7. 1850, HStA Stuttgart Ε 9 III/110 (neu). Ebd., Ε 146/1968 (alt). Vgl. Baiser: Sozial-Demokratie, S. 227, 423; Offermann: Arbeiterbewegung, S. 74, mißversteht Majers Bereitschaft, im Rayon Eberhardts mitzuwirken (13. 5. 1851), als Beitritt zum Polizeiverein (S. 75 spricht er irrtümlich vom »Beitritt Badens [!] in der Person von Majer«),
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Der erste Impuls ging von dem wachsamen interimistischen württembergischen Geschäftsträger in München, Freiherrn von Ow, aus, dem ähnlich wie seinem preußischen Kollegen am Münchener Hofe nicht die Rundreise des dortigen Polizeidirektors Reigersberg entgangen war. 573 Am 30. 7. 1851 berichtete er darüber, ohne jedoch die eigentlichen Hintergründe zu kennen. 5 7 4 Während seiner Aufwartung in Berlin bei Hinckeldey, in Hannover bei Wermuth, in Dresden bei Koerner und Eberhardt und in Linz bei Weiss rückte Reigersberg in die Rolle, den Beitritt Württembergs zum Polizeiverein zu vermitteln. Zunächst sollte auf diplomatischem Weg die Bereitschaft der württembergischen Regierung erkundet werden, dann wollte man in Analogie zum Treffen in Linz in einer Zusammenkunft Reigersbergs mit dem zukünftigen württembergischen Kommissar die näheren Einzelheiten regeln. Eberhardt konnte Reigersberg schon auf den Stuttgarter Stadtdirektor als einen möglichen geeigneten Delegierten verweisen. Mitte August weihte Reigersberg den württembergischen Geschäftsträger in einem höchst vertraulichen Gespräch in den tieferen Sinn seiner Rundreise ein und enthüllte ihm das gesamte Polizeivereinskonzept. Dabei entstand bei Ow der irrige Eindruck, die Organisation sei zunächst von Österreich aus ins Leben gerufen, dann aber von Reigersberg am meisten gefördert worden. Der Münchener Polizeidirektor bot die Kontaktaufnahme mit dem Stuttgarter Stadtdirektor an und stellte bereits die mögliche Teilnahme an der im September 1851 geplanten nächsten Polizeikonferenz in Aussicht, falls die württembergische Regierung sich dem »Polizei-Cartel« anschließen möchte und umgehend Schritte erfolgten. Ow selbst war der Name Majers nicht geläufig, jedoch hielt er die ganze Angelegenheit für so wichtig, daß er die Neuigkeiten umgehend streng vertraulich nach Stuttgart meldete und zugleich eine Schlüsselformulierung mitgab, die die Begegnung tarnen sollte: Die württembergische Regierung hätte der bayerischen nur anzuzeigen, »daß sich die beiden Polizei-Vorstände von Stuttgart und München persönlich kennen lernen möchten«. Damit setzte ein schwerfälliger Gang der Entscheidungsfindung ein. So.·dringlich die Sache erschien: Ow in München erhielt zunächst keine Weisung. Am 24. 8. 1851 richtete er einen Bericht unmittelbar an den König, worin er zur Bekräftigung der eigenen Mitteilungen betonte, wie sehr Reigersberg am Hofe »die allgemeine Anerkennung« finde und »nichts sehnlicher« wünsche als den Beitritt Württembergs, denn es verspreche die »nunmehr angebahnte unmittelbare und schnellere Communication unter den Polizei-Vorständen der verschiedenen Hauptstädte auf die politische und die Fremden-Polizei die günstigsten Resultate«. 5 7 5 Daraufhin nahm der Monarch persönliche Rücksprache mit Außenminister Neurath und teilte diesem mit, er wolle eine Teilnahme Württembergs an einer 573 574
575
Vgl. oben, S. 434. Mitgeteilt im Bericht Ows 18. 8. 1851 an Neurath, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). Auf diesen Bericht stützt sich die folgende Darstellung. Ow 24. 8. 1851 an König Wilhelm, HStA Stuttgart Ε 9 III Nr. 39.
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»Conferenz von Polizeibeamten« genehmigen; vorab wünsche er jedoch eine Verständigung Neuraths mit dem Justiz- und Innenminister. 576 Innenminister Linden forderte nun ein Gutachten seines Ministerialreferenten und Oberregierungsrats von Camerer ein, von dem noch im Zusammenhang mit der Konzentration der politischen Polizei in Württemberg zu hören sein wird. Camerers Urteil fiel fast durchgehend vorteilhaft für das Unternehmen aus. Er stellte die Vorzüge unmittelbaren schriftlichen und persönlichen Verkehrs von Polizeibeamten gegenüber dem »auf dem gewöhnlichen Wege vermittelten Verkehre« heraus, der Vorteil liege »wesentlich auf Seite der kleineren Staaten«, so daß eine Dominanz der Großmächte ausgeschlossen, ein Austritt jederzeit möglich schien. Er erwies sich zugleich als Sachkenner, indem er sich erinnerte: »Ein ähnliches im Jahr 1847 eingeleitetes Policei-Cartel war ohne Bestand, wozu freilich die außerordentlichen Bewegungen jener Zeit wesentlich beitrugen«. 577 Camerer war bereits 1847 Vortragender Rat im Innenministerium gewesen. 578 Er erkannte zutreffend den Unterschied zum damaligen Versuch: Es handele »sich jetzt nicht mehr klar, wie früher von der Theilnahme an einer Conferenz von PoliceiBeamten, sondern von einem Policei-Cartel«, das möglicherweise eine »noch umfassendere Bedeutung« erhalten solle. Hier erwies sich erneut, daß sich trotz Wechsel der Minister zwischen 1847 und 1851 auf der Ebene der Spitzenbeamten eine personelle Kontinuität hatte behaupten können, die zugleich die Konstanz des polizeilichen und bürokratischen Konzepts gewährleistete. Inzwischen hatte Ow weitere Veränderungen in der politisch-polizeilichen Struktur Bayerns am 8. 9. 1851 in Erfahrung gebracht, vor allem die Zentralisierung dieses Geschäfts auf die Münchener Polizeidirektion und die damit zusammenhängende landesweite Ausdehnung ihrer Wirksamkeit. 579 Die bereits von ihm angekündigte Polizeikonferenz sei auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. 580 Zugleich erinnerte Ow an die bereits früher angeregte Zusammenkunft Reigersbergs mit Majer. Das veranlaßte Neurath am 11. 9., eine weitere Stellungnahme des Innenministers zu erbitten; Linden fragte seinerseits beim Ministerial-Referenten im Außenministerium, Wächter, zurück, ob keine Bedenken bestünden, die Angelegenheit dem König im Ministerrat vorzutragen. Aber auch auf die befürwortende Äußerung Wächters folgte noch keine aktive Initiative. Es hat den Anschein, als sei die
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Neurath 27. 8. 1851 an Linden, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). Gutachten Camerers, ebd., vgl. zum Polizeiverein von 1847 oben, S. 108-122. 57 * Vgl. Königl. Württ. Hof- u. Staats-Handbuch 1847, S. 109. 579 Ow 8. 9. 1851 an Neurath, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). 580 Tatsächlich fanden sich nicht zu Anfang September, sondern erst am 13. 9. die Polizeivereinskommissare von Wien, Berlin, München, Dresden und Hannover zu einer Konferenz in Dresden ein. Hier wurde Reigersberg noch einmal eigens das »Mandat« erteilt, den Beitritt Württembergs einzuleiten; das ist ersichtlich aus dem Schreiben Reigersbergs 16. 10. 1851 an Eberhardt, StA Dresden Mdl Nr. 307 1 Bl. 72 sowie 12.11. 1851 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 19, wo sich Reigersberg auf sein Schreiben vom 16.10. 1851 bezog. 577
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Anregung dem Geschäftsbetrieb anheimgegeben worden, ohne daß eine Seite den Schritt zu einer endgültigen Entscheidung wagen wollte. Stattdessen wurde jeweils noch ein neues Gutachten, noch eine neue Stellungnahme eingefordert. Dadurch wurde die Möglichkeit, an der nun tatsächlich am 13. 9. 1851 in Dresden stattfindenden zweiten Polizeikonferenz auch mit einem württembergischen Kommissar vertreten zu sein, vertan. Da Ow ohne Klarheit über die definitive Ansicht seiner Regierung geblieben war, vermied er es Reigersberg gegenüber, auf die früheren vertraulichen Gesprächsinhalte zurückzukommen. So erfuhr er erst eine Woche später mittelbar aus dem Munde des sächsischen Gesandten in München Bose von der Tatsache der Konferenz und auch darüber, daß wichtige Entdeckungen Hinckeldeys strenge Maßnahmen der Pariser Polizei gegen Ausländer, darunter Deutsche, hervorgerufen hätten. 5 8 1 Die Konferenz und die angedeuteten Verhandlungsgegenstände erregten indessen außerordentliches Interesse beim König. Auf den Bericht Ows vom 20. 9 . 1 8 5 1 hin äußerte er sein »Befremden« darüber, »daß die diesseitigen Polizei-Behörden von der fraglichen Besprechung ausgeschlossen worden seien«. Da er aus Ows Bericht wußte, daß Reigersbergs »seiner Zeit so zuvorkommend gestellten Anträge« wegen einer Zusammenkunft mit Majer »bisher keine definitiven Absichten« seiner Regierung gefolgt waren, bedeutete das eine unmittelbare Kritik sowohl am Außen- wie Innenminister. Das ließ der König Linden durch seinen Kabinettsdirektor Maucler am 22. 9. 1851 wissen. E r beauftragte den Innenminister nun, die gefaßten Konferenzbeschlüsse zu ermitteln, »deren Gegenstand für Württemberg von ganz besonderem Interesse sei«, und wünschte, daß die Polizei Württembergs »an künftigen gemeinschaftlichen Besprechungen und Maßnahmen sich betheiligen« könne. 5 8 2 Damit war für Linden die Voraussetzung gegeben, die Sache energisch zu verfolgen. Auch Neurath verlieh ihr nun Nachdruck. 583 Linden fühlte sich jetzt so weit abgesichert, daß er ein gemeinsames von ihm und dem Außenminister getragenes »Anbringen« an den König in Angriff nahm und eine Besprechung im Ministerrat anstrebte. Die Entscheidungen fielen nun innerhalb weniger Tage. Linden beauftragte seinen Referenten Camerer mit der Konzipierung des Antrags, am 2. 10. ging der umfangreiche Entwurf zur Gegenzeichnung an Neurath und am 4 . 1 0 . lag dem Innenminister bereits das Dekret König Wilhelms vor, der die »Einleitung eines Polizei-Cartels mit mehreren deutschen Residenzstädten« billigte, da er »in der Hauptsache mit den vorgetragenen Ansichten einverstanden« war. Auch ermächtigte er den Außenminister, die Begegnung des Stadtdirektors Majer mit Reigersberg zu vermitteln. 584 Linden seinerseits instruierte vorab am 8 . 1 0 . ausführlich den Stadtdirektor, den er »als besonderen Beauftragten des Ministeriums bei Überwachung des
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Ow 20. 9. 1851 an Neurath, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). Maucler 22. 9. 1851 an Linden, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). Neurath (i. A. Wächter) 24. 9. 1851 an Linden, ebd. Dekret Wilhelms 4 . 1 0 . 1851, ebd.
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Treibens der revolutionären Parthei« bezeichnete; er informierte ihn über das Wochenberichts- und Konferenzsystem sowie über die Möglichkeit, Telegraphie für Schnellmitteilungen einzusetzen. Er kündigte an, einen »möglichst einfachen Geschäftsgang« einzurichten, wenn die Ergebnisse der Verhandlungen mit den anderen >KartellPolizeiverein< Nr. 67, S. 210-214. Bach 17.12. 1851 an Schwarzenberg, HHStA Wien IB Actes de haute police Krt. 18, Bl. 250. Majer 27. 12. 1851 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, B1.27. Das Merkwürdige des Vorgangs konstatierte Camerer im Konzept des »Anbringens«, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt).
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3. Die Zentralisierung der politischen Polizei nach dem Beitritt zum Polizeiverein Ähnlich wie in den anderen Polizeivereinsstaaten nötigten die Benennung eines Kommissars, die Teilnahme an Konferenzen und der Austausch von Wochenberichten auch in Württemberg zu einer Konzentration der politischen Polizei. Folgerichtig hatte Majer Reigersberg gegenüber die Zusicherung »der Centralisirung der politischen Polizei des Königreichs Württemberg in der Stadtdirektion Stuttgart« gegeben. 5 9 2 Hier hatte er indessen mehr versprochen, als er befugt und einzulösen imstande war. Gewiß erforderte die Tätigkeit im Polizeiverein für den einzelnen Kommissar eine Stellung und Mittel, die ihm eine landesweite Übersicht gestatteten. Jedoch bildete Stuttgart als Residenzstadt »keinen so bedeutenden Centraipunkt« wie etwa Berlin, Wien oder auch München. 593 Kommunikationen der Stadtdirektion mit anderen Oberämtern (namentlich Heilbronn, Ulm, Göppingen, Eßlingen) fanden nur sporadisch statt. Majer verfügte kaum über Notizen zu Personen oder Nachrichten, die er ausländischen Behörden mitteilen konnte oder die den inländischen unbekannt waren. Tatsächlich lag bei der Stadtdirektion nur die Vollmacht eines Bezirksamts bei Unterordnung unter eine Kreisregierung. Unabhängig von besonderen Kompetenzen, an denen es mangelte, war die Stadtdirektion allein schon in ihrer kärglichen personellen Ausstattung der zusätzlichen, durch die Mitarbeit im Polizeiverein anfallenden Arbeitslast nicht gewachsen. Im Nachlaß Majers blieb eine »Übersicht des AmtsPersonals der StadtDirection, vom April 1848« erhalten, die der damalige Direktor Gärttner hatte anfertigen lassen. Danach verfügte die Behörde außer ihrem Leiter noch über 1 Stadtdirektions-Sekretär (das war vom 2 0 . 1 0 . 1845 bis Juni 1848 Majer!) 1 zweiten Aktuar, zugleich Polizeikassier 3 Oberpolizeikommissäre 1 Registraturgehilfen 2 Fremdenbürogehilfen, 1 Tagschreiber, der den täglichen Bericht an den König abfaßte, 1 Polizei Wachtmeister, der zugleich als Gefangenenwärter diente, 2 Aufwärter, Polizeimannschaft: 3 Unteroffiziere, 30 Polizeisoldaten. 594 Durch die Trennung der Ortspolizei von der Stadtdirektion im Jahre 1849 verlor diese noch zusätzlich Personal und Mittel. 592 593
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Wie Anm. 587. Die folgende Einschätzung fußt hauptsächlich auf Camerers Gutachten und dem gleichfalls von ihm konzipierten »Anbringen« vom 28. 9./2.10. 1851, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt). Privatnachlaß Emil von Majer, durch freundliche Vermittlung von Herrn Dr. jur. Werner Majer mitgeteilt.
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Dennoch erforderte die Polizeivereinsverbindung aus der Sicht des Innenministeriums einen aktiven, besonders ermächtigten Polizeibeamten, so daß unter den Bezirksbeamten nur der Stuttgarter Stadtdirektor als der geeignetste erschien, schon allein wegen seiner engen Verbindung zum Ministerium, denn ein Regierungsdirektor galt als dem polizeilichen Handeln bereits zu entfremdet. Da nach den geschilderten Voraussetzungen eine amtliche Stellung Majers nach Art einer »Centralpoliceigewalt über das ganze Land« (Camerer) unerreichbar und unausführbar erschien, da im Gegenteil die Bündelung politisch-polizeilicher Nachrichten »ohne organische Änderung seiner amtlichen Stellung« erfolgen sollte, blieb nur die - auch in Hannover, Berlin und München bis zu einem gewissen Grade praktizierte - zwiespältige Lösung, Majers faktischen Einfluß zu vergrößern, ohne seine rechtlichen Kompetenzen zu verändern. Das Ergebnis war »das specielle Organ des Ministeriums zur Beobachtung des Treibens der revolutionären Parthei im Inland und in ihrer Verzweigung im übrigen Deutschland sowie zur Herbeiführung übereinstimmender policeilicher Maasregeln« (Camerer). Das geschah nach folgender Arbeitsteilung: - Die zentrale politisch-polizeiliche Kompetenz lag wie bisher beim Innenministerium, denn hier konzentrierten sich allein die landesweit eingehenden staatspolizeilichen Informationen, bearbeitet von einem damit speziell beauftragten Referenten, dem eine besondere Stellung in der Polizeiverwaltung zugewiesen wurde (Oberregierungsrat Geßler); - sämtliche Bezirksbeamten hatten ihre Wahrnehmungen - wie bisher - an das Innenministerium, nicht also an die Stuttgarter Stadtdirektion, zu richten.595 - Das Innenministerium stattete die Stadtdirektion mit Notizen aus den einzelnen Oberämtern und dem Inhalt diplomatischer Nachrichten aus, übermittelte die Notizen zur Geschäftsentlastung Majers schon in vorgeordneter Form (zur Ausweitung des Personals, wie dies im großen Umfang etwa unter Hinckeldey geschah, war nirgends die Rede). - Majer erhielt als Kompetenz außerhalb seines Stadtdirektionsbezirks, bei anderen inneren Landesbehörden von sich aus Nachrichten und Notizen einzuziehen oder dorthin zu richten sowie beim Innenministerium polizeiliche Verfügungen zur Vollziehung anzuregen. Das geschah etwa mit landesweiter Wirkung, als Majer Anfang 1858 eine flächendeckende Fotofahndung im ganzen Land nach Mazzini veranlaßte und steuerte. 596 595
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Camerer und Linden hatten ursprünglich vorgesehen, daß die Bezirksbeamten ihre politisch-polizeilichen Wahrnehmungen an Majer richten sollten. Gerade mit diesem Punkt in dem »Anbringen« erklärte sich König Wilhelm - auf strengen Instanzenzug achtend - nicht einverstanden, denn er befahl, »daß die Berichte der Beamten auf dem Lande unmittelbar an das Ministerium des Innern zu richten sind, welches sodann dem Stadtdirektor solche sofort mittheilen kann.« Dekret Wilhelms 4. 10. 1851, HStA Stuttgart Ε 146/1962 (alt), Hervorhebung im Text. Vgl. Siemann: Mazzini, S. 553.
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- Auch war Majer befugt zur direkten Rücksprache mit Beamten und durfte Erkundigungen an Ort und Stelle oder durch »vertraute Personen« einziehen, das hieß, es wurde ihm der Einsatz von Agenten zugestanden. 597 - Die Korrespondenz mit dem Ausland lag beim Stadtdirektor und erfolgte »unter Aufsicht des Ministeriums«; nur wichtigere Schriftstücke waren indessen vor der Absendung vorzulegen. Mit diesen Regelungen wurden in Württemberg die Wahrnehmungen über politische Strömungen und Persönlichkeiten in einem zuvor noch nicht erreichten Maße koordiniert, gesammelt und bei einem Ministerialreferenten und dem Polizeidirektor der Residenzstadt gebündelt. Wie Innen- und Außenminister in ihrem »Anbringen« gemeinsam gegenüber dem König betonten, hing die Effektivität des rechtlich kaum fixierten Systems im wesentlichen von der Tauglichkeit der Person des Stadtdirektors ab, der ein Geschäft mit vielen Konfliktmöglichkeiten gegenüber konkurrierenden Behörden und Ressorts und gegenüber der Öffentlichkeit bewältigen mußte. In dieser Beziehung vertraute man Majer vollauf. Die Minister brachten dem König in Erinnerung, daß dem Beamten die Leitung der Stadtdirektion zu einem Zeitpunkt übertragen worden war, als die Handhabung der Polizei ein besonderes Maß an regierungstreuer politischer Gesinnung, Umsicht, Mut, Ruhe, Besonnenheit, Unerschrockenheit und große Arbeitskraft bei geringen Mitteln erforderte. 598 Vom Juni bis Dezember 1848 war Majer Stadtdirektionsverweser, wurde dann Oberamtmann in Münsingen, bis man sich seiner erinnerte, als in Stuttgart wegen der Verlegung der (Frankfurter) Nationalversammlung hierher die Fremden zusammenströmten und »Verwicklungen in den politischen Verhältnissen« drohten, wie es der Erlaß vom 16. 6. 1849 formulierte, mit dem Majer wieder die Leitung der Stadtdirektion übertragen wurde, denn er galt »mit den Personen und sonstigen Verhältnissen vertrauter« als der seitherige Verweser. 599 Wie sehr die Regierung mit Majers Leistung zufrieden war, bewiesen die definitive Ernennung zum Stadtdirektor im Jahre 1851, die Ernennung zum Ritter
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598 599
Die dazu nötigen Mittel »zur Bestreitung ausserordentlicher Ausgaben für sicherheitspolizeiliche Zwecke« erhielt Majer halbjährlich jeweils auf Antrag aus dem allgemeinen Polizeikassenfonds der Ministerialkasse; die Beträge bewegten sich - soweit noch aktenmäßig greifbar - in dem bescheidenen Rahmen von jährlich 200 Gulden; Erlaß Lindens 12. 3. 1854, HStA Stuttgart Ε 146/1966 (alt). Zum Vergleich sei genannt, daß die Ausrichtung der am 29./30. 9. 1853 in Stuttgart abgehaltenen Polizeikonferenz die Ministerialkasse mit 216 Gulden belastete; die Teilnahme Majers an der Polizeikonferenz am 13.-15. 2. 1855 in Berlin kostete 196 Gulden; Abrechnung Majers in Ε 146/1967 II und Ε 146/1965 a. In dieser Zeit erhielt Majer als Leiter einer Behörde, die einem Oberamt erster Klasse gleichgestellt wurde, das jährliche Normalgehalt von 1600 fl. sowie eine Funktionszulage von 200fl., in Ε 146/2346. So die Charakterisierung Majers durch Camerer, wie Anm. 593. Erlaß 16. 6. 1849 »cito« an Majer, HStA Stuttgart Ε 146/2346.
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des Ordens der württembergischen Krone im gleichen Jahre, verbunden mit dem persönlichen Adel, wiederholte Gratifikationen, Funktionszulagen und Rangerhöhungen, wobei er bis in das letzte Jahr des Polizeivereins kontinuierlich die Belange der politischen Polizei in seiner speziell auf ihn zugeschnittenen Stellung betrieb: Am 21. 3. 1866 wurde er zum Direktor der Kreisregierung in Ulm befördert. Das war ein Höhepunkt in der Laufbahn eines Beamten, der als Student wegen Zugehörigkeit zur Tübinger Burschenschaft Germania acht Monate in Haft auf dem Hohen Asperg hatte zubringen müssen.600
4. Die »Monatsberichte über das Verhalten der demokratischen Parthei«. Fahndungspraxis Wie in allen Polizeivereinsstaaten machten die Erfordernisse des Wochenberichtsverkehrs die politische Überwachung im Inland stetiger und systematischer. Jedes Land entwickelte dazu eigene, in der Funktion jedoch ähnliche Einrichtungen. In Württemberg sah der politisch-polizeiliche Informationsgang folgendermaßen aus: Der zuständige Oberregierungsrat Geßler im Innenministerium bearbeitete mit Rotstift die von auswärts einlaufenden Wochenberichte. Seine Anstreichungen hoben alle für Württemberg erheblichen Tatsachen hervor: Versammlungen, Korrespondenten, beschlagnahmungsreife Bücher oder Zeitungen, die Korrespondenzverbindungen des »Londoner Zentralkomitees« in die benachbarte Schweiz oder nach Stuttgart, das Auftauchen politisch verdächtigter oder unerwünschter Personen usw. Majer erhielt die Wochenberichte seinerseits zur Durchsicht und versah sie mit eigenen Bearbeitungsvermerken, wenn er Maßnahmen einleitete. Wollte er Personaldaten überprüfen oder »Signalements« (Personenbeschreibungen) ermitteln, standen ihm außer den Wochenberichten und Einzelmitteilungen der Polizeivereinskommissare noch im Büro der Stadtdirektion Eberhardts »Allgemeiner Polizei-Anzeiger« und das österreichische »Central-Polizei-Blatt« zur Verfügung. Gegebenenfalls wurden Notizen - wie in Baden - in das Fahndungsblatt für die Landjäger eingerückt. Majer erhielt auch unmittelbar durch den Kabinettschef des Königs unter Umgehung Lindens Aufträge. Wie sich König Wilhelm persönlich bisweilen in Verfolgungen einschaltete, zeigt beispielhaft die Fahndung nach Mazzini im Frühjahr 1858. Der Fall dokumentiert zugleich den Gang einer politisch-polizeilichen Nachricht von einem Agenten in England über die Polizeivereinsinstanzen ins Landesinnere Württembergs hinein bis hinab zum Gemeindeschultheißen und Landjäger im Dorf, wobei auch die Rollenverteilung zwischen Innenministerium und Stadtdirektor sowie dessen steuernde Mitwirkung deutlich werden. 601
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Mitglieder-Verzeichnis der Burschenschaft Germania in Tübingen 1816-1926. Stuttgart 1926, Nr. 633, und Hinweise aus dem Nachlaß Emil von Majer. Vgl. Siemann: Mazzini.
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Als Informationszuträger für die nach auswärts gehenden Wochenberichte dienten dem Innenministerium die neu eingerichteten »Monatsberichte« der Kreisdirektoren über das Verhalten der demokratischen Partei, als ausführender Organe bediente sich die Zentrale der Verwaltungsinstanzen, die traditionell auch Polizeiaufgaben wahrzunehmen hatten: der mittelinstanzlichen vier Regierungsdirektionen des Donaukreises (Ulm), Neckarkreises (Ludwigsburg), Jagstkreises (Ellwangen) und des Schwarzwaldkreises (Reutlingen), der nachgeordneten Oberämter und königlichen Stadtdirektion, schließlich auf unterster Ebene der Gemeindevorsteher und Schultheißen. Die Oberämter waren verpflichtet, monatlich Berichte über die politischen Regungen innerhalb ihres Amtsbezirks, namentlich über »das Treiben der Democraten und der Ultramontanen«, den Kreisdirektoren einzureichen. Diese leiteten das Material mit einem zusammenfassenden weiteren Monatsbericht an das Innenministerium weiter, das auf diese Weise Informationen zur Weitergabe an die auswärtigen Polizeivereinsbehörden selektieren konnte. Die Oberamtsberichte fielen anfangs recht differenziert aus und enthielten dokumentierende Zeitungsausschnitte aus der Lokalpresse; sie vermerkten Beobachtungen über Versammlungen, Gemeindewahlen, Presse, Treffen politisch kompromittierter Personen, boten sehr detaillierte Angaben über die Stimmung in der Bevölkerung, das Verhalten von Kammerabgeordneten und stellten Reflexionen an über Zusammenhänge zwischen der materiell prosperierenden Lage und nachlassender oppositioneller Parteitätigkeit. 602 Insbesondere diese letzte Beobachtung verdient hervorgehoben zu werden: Am 30. 3. 1857 teilte der Reutlinger Kreisdirektor Autenrieth mit, in Reutlingen habe nach Aussage des dortigen Oberamtmanns die demokratische Partei ihre Tätigkeit gänzlich eingestellt, wie sie dann auch in einer Zeit, wo die Gewerbe vollauf beschäftigt und die Hoffnungen auf den B a u einer Eisenbahn verwirklicht seien, nur schwer B o d e n für ihre Thätigkeit finden würde. 6 0 3
Übereinstimmend bestätigte der Ulmer Kreisdirektor Schott am 3. 5. 1857: »Die jetzige ruhige und glückliche Zeit ist nicht gemacht für democratische Experimente und Unternehmungen«. E r schlug als »Feind aller Vielschreiberei« deshalb dem Innenministerium vor, den Oberämtern die Mühen beständiger Fehlanzeigen zu ersparen und nur noch »von allen democratischen und kirchlichen Ereignissen von größerem Interesse alsbald Bericht« zu erwarten. 604 Nach persönlicher Rücksprache mit Geßler, der die Einstellung der Berichte »für ganz unbedenklich« hielt, erließ Linden den Oberämtern diese Pflicht. Um dadurch jedoch keine nachlassende Aufmerksamkeit gegenüber der politischen Stimmung auszulösen, schärfte er den betroffenen Beamten ein, 602
603 604
Diese Berichte befinden sich im H S t A Stuttgart Ε 146/1965 a; darauf beruht auch die hier gebotene Inhaltsskizzierung und die Darstellung des Verfahrens. Bericht Authenrieths 30. 3. 1857, ebd. Schott 3. 5. 1857 an Innenminister Linden, ebd.
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daß man dagegen um so zuversichtlicher erwarten zu dürfen glaubt, es werden statt dieser regelmäßigen Berichte jedenfalls außerordentliche Vorkommnisse und beachtenswerte Nachrichten im Gebiete der politischen Partheien gleichwohl zur Kenntniß des Ministeriums gebracht werden, und die Oberamtmänner hierbei Nichts versäumen was sie stets in voller Kenntniß der Zustände ihres Bezirks zu halten geeignet ist.605
Ähnlich wie in Preußen oder Bayern hatten die Wirkungen der Repression und nachlassendes Interesse für politische Belange in der Bevölkerung die binnenstaatlichen periodischen Berichte zu Fragen der politischen Polizei einschlafen lassen. Wie sehr die Ruhe täuschte, zeigten die durch das Orsini-Attentat auf Napoleon III. ausgelösten Bewegungen Anfang 1858 und die mit dem österreichisch-sardinischen Krieg einhergehende Politisierung der deutschen Öffentlichkeit.
VII.
Baden
1. Ansätze zur inneren und zwischenstaatlichen Koordinierung der politischen Polizei Badens 1849-1851 Schon im Vorfeld der Revolution hatte das badische Innenministerium begonnen, politisch-polizeiliche Kompetenzen zu konzentrieren und besondere Beamte damit zu betrauen. Auch die Ernennung des Karlsruher Polizeiamtmanns Burger zum badischen Mitglied des südwestdeutschen Polizeivereins von 1847 hatte dazu beigetragen. 606 Das Polizeiamt der Residenzstadt Karlsruhe behielt unter Burger auch in der Revolution seine zusätzliche Sonderfunktion. 607 Durch die Etablierung der revolutionären Republik war in Baden jedoch im Mai/Juni 1849 die alte staatliche Bürokratie gelähmt worden. Im Juli standen dann preußische Truppen im ganzen Land, die revolutionäre Landesregierung und die konstituierende Landesversammlung waren aufgelöst, so daß der geflüchtete Großherzog im August 1849 nach Karlsruhe zurückkehren konnte. Der am 23. 6. 1849 verhängte Kriegszustand und das damit verbundene Standrecht blieben bis September 1852 in Kraft. 608 Bereits im September 1849 setzte die Reorganisation der staatlichen Bürokratie ein. Für die Wahrnehmung der politischen Polizei bedeutete die Ernennung des Konstanzer Amtsvorstehers Melchior Fieser am 21. 9. 1849 zum Ministerialrat im Innenministerium einen wichtigen Markstein. 609 Schon das vorrevolutionäre Innenministerium hatte 1847 Fieser in seiner damaligen Amtsfunktion besonderes Vertrauen entgegengebracht. 610 605 606 607 608 609
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Erlaß Lindens 5. 5 . 1 8 5 7 an die vier Kreisdirektionen, ebd. Vgl. oben, S. 120f. Vgl. oben, S. 229. Vgl. Huber: Verfassungsgeschichte Bd. 2, S. 875f., Bd. 3, S. 191f. G L A Karlsruhe Abt. 76/2234. Der Beschluß des Staatsministeriums zur Ernennung zum Ministerialrat stammte bereits vom 31. 8.1849. Vgl. oben, S. 121.
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Wie sehr das berechtigt war, bewies er am 6. 2. 1849, als er in der für die Regierung kritischen Zeit als Zeuge »in der Untersuchungs-Sache gegen Gustav von Struve von Mannheim - wegen Hochverraths -« aussagte. 611 Von September 1849 bis zum 23.12.1858 hielt er die Fäden der badischen politischen Polizei in der Hand. Nach seiner Ernennung zum Regierungsdirektor des Mittelrheinkreises folgte ihm der mehrfach erwähnte frühere Polizeiamtmann von Karlsruhe Carl Burger. Fieser ging von Beginn an zielstrebig vor. Schon im Jahre 1849 verfügte er über ein »Verzeichniss der Leiter und Beamten des Aufstandes, so weit sie aus den Regierungsblättern der Revolutionszeit und den Zeitungen zu ermitteln sind«. Auch die gedruckte Abgeordnetenliste der revolutionären verfassungsgebenden badischen Landesversammlung des Jahres wertete er sorgfältig aus.612 Den Flüchtlingen in der Schweiz und in Frankreich, hier besonders im Elsaß, galt im Grenzland Baden die besondere Aufmerksamkeit. Dabei griff Fieser auf die Erfahrungen des Freiburger Oberregierungsrats Schaaff zurück, der schon 1847 zu den engen Gehilfen des Innenministers in Sachen der politischen Polizei gezählt hatte. 613 Schaaff vermittelte nun für Fieser die zahlreichen Agentenberichte über das »Treiben der revolutionären Propaganda« und die Namen der dabei beteiligten politischen Flüchtlinge.614 Badische Beamte der Unterbehörden, speziell der Oberamtmann von Hunoltstein in Kork und der StadtkommandantOberst Asbrand in Kehl waren mit vielen Beamten im angrenzenden Elsaß, namentlich in Straßburg, »in genauer persönlicher Bekanntschaft«, so daß sich Fieser später als Kommissar Badens im Polizeiverein den andern Mitgliedern gegenüber bereit erklärte, jede Recherche dorthin zu vermitteln. 615 Neben dem speziell beauftragten Ministerialrat in der Zentralbehörde hatte das Karlsruher Polizeiamt - wie auch früher schon - aus dem Bereich der politischen Polizei Aufgaben wahrzunehmen, die deutlich über den Wirkungskreis einer lokalen Bezirksbehörde hinausgingen. Dort trat ein personeller Wechsel ein, als das Staatsministerium am 8. 9.1849 den seitherigen Leiter Burger zum Regierungsrat bei der Kreisregierung des Mittelrheinkreises beförderte und damit bekundete, daß dieser Beamte auch die schwierigen Monate, als der revolutionäre Landesausschuß in der Residenzstadt tagte, unbeschadet überstanden hatte. Sein Nachfolger Amtmann Günter Guerillot hatte gleichfalls staatspolizeiliche Spezialaufträge wahrzunehmen; zum wichtigsten zählte der Besuch der Londoner Industrieausstellung im Sommer 1851 und die damit verbundene Überwachung der aus Baden angereisten Teilnehmer sowie der deutschen Emigranten überhaupt. 616 611 612 613 614 615
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Schreiben der Regierung des Seekreises 1. 3.1849, GLA Karlsruhe Abt. 76/2233. Ebd., Abt. 236/8774. Vgl. oben, S. 120. Vgl. Baiser: Sozial-Demokratie, S. 249, 452f. Bericht Majers 25. 9. 1852 über die Münchner Polizeikonferenz vom 12. 9.1852 Pos. 5, HStA Stuttgart Ε 143/4170. Vgl. oben, S. 378f.
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Was sich das Innenministerium davon versprach, zeigte sein Umgang mit den eingehenden Nachrichten: Am 13. 6.1851 schickte Guerillot ein »Verzeichniß der unter den Nothjung'schen Papieren aufgefundenen Addreßen« ein, das die Mitglieder des »Bundes der Kommunisten« namhaft machte und unter denen sich auch ein Lehrer aus Wertheim befand. 617 Zugleich erschienen die Mitteilungen über die Aktivitäten und Absichten des Londoner revolutionären Zentralkomitees (nach Guerillots Wahrnehmungen: »Verbindung des Proletariats aller Länder«, »Einführung der social-demokratischen Republik«) so alarmierend, daß Innenminister Marschall sogleich nach verschiedenen Richtungen tätig wurde, wobei sich Fieser am Entwurf der Noten und Weisungen beteiligte:618 1. Er unterrichtete das Außenministerium und gab zu erwägen, ob nicht der Bundestag einzuschalten und dort Maßnahmen für »die Ruhe und Sicherheit Deutschlands« erfolgen sollten, »um dem gemeingefährlichen Treiben der Propagandisten ein Ziel zu setzen«. 2. Zugleich bat er das Außenministerium, den badischen Gesandten in Paris zu beauftragen, er möge den von London kommenden praktischen Arzt Schenk aus Karlsruhe dort genau beobachten lassen, wenn er eingetroffen sei, wie Guerillot angekündigt hatte, das bedeutete: Der Innenminister suchte so weit wie möglich gegenüber badischen Oppositionellen seinen Observationsradius bis ins Ausland auszudehnen - ein Bestreben, das erklärt, warum Baden später so schnell die Gelegenheit zum Beitritt in den Polizeiverein wahrnahm. 3. Die vier außerordentlichen Landeskommissare wurden beauftragt, die Polizeibehörden anzuweisen, daß die Zuflüße von Unterstützungen an das revolutionäre Central-Comitö möglichst verhindert, die aus England kommenden Reisenden und deren Effekten an der Grenze genau visitirt, und dieselben, besonders jene aus dem Arbeiterstande, und ebenso Handwerksgesellen im Lande hauptsächlich in den Städten genau überwacht werden.619
4. Marschall ordnete eine spezielle Recherche nach dem angezeigten Lehrer in Wertheim an. 5. Das Polizeiamt Karlsruhe hatte den Arzt Schenk in seinem Verhalten nach der Rückkunft »genauestens zu beobachten«. 6. Die Grenzbehörden wurden eigens angewiesen, die Papiere von Schenk und einem noch genannten Kaufmann Herlan bei der Rückkehr »einer genauen Untersuchung zu unterwerfen«. (Sie waren in London in den Versammlungslokalen der Flüchtlinge gesehen worden.) Dieses Bündel von Maßnahmen zeigt, wie intensiv und zielstrebig das badische Innenministerium vorzugehen entschlossen war. Eine wesentliche Voraussetzung dazu bildete die Möglichkeit zu grenzüberschreitenden Informationen. Deshalb drängte Marschall, dem Karlsruher Polizeiamt mehr und mehr Möglichkeiten zu direkter Korrespondenz mit auswärtigen Polizeibehörden zu verschaffen. 617
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Bericht Guerillots 13. 6.1851 aus London an Innenminister Marschall, GLA Karlsruhe Abt. 236/8219, das Verz. als Anlage. In den Verfügungen vom 23. 6. 1851, ebd. Wie Anm. 618.
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Besondere Bedeutung bekamen die schon 1850 geknüpften unmittelbaren Beziehungen Guerillots zu Eberhardt. Diese erhielten nach der am 9. 4 . 1 8 5 1 abgehaltenen ersten Dresdner Polizeikonferenz eine neue Dimension: Bereits am folgenden Tage schrieb er - wie später ebenso an Majer und die bayerischen Regierungspräsidenten - an Guerillot, um die Beziehungen zu den Polizeibehörden innerhalb seines >Rayons< zu organisieren; er lud diesen ein zur Theilnahme an einer unter den zuverläßigsten Polizei-Beamten von ganz Deutschland herzustellenden engeren Verbindung zur gegenseitigen kräftigen Unterstützung bei den die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu ergreifenden gemeinschaftlichen Maßregeln. 620
Eberhardt zählte sich zu den »Mitgliedern des Sicherheits-Bundes«, versprach Mitteilungen, die für Baden von einigem Interesse seien, rechnete aber zugleich »jeden Donnerstag« mit Notizen von der anderen Seite und setzte voraus, Guerillot werde sich mit den zuverlässigen Beamten im Lande in Verbindung setzen. Schließlich kündigte er eine »bevorstehende persönliche Zusammenkunft mehrerer Herren Sicherheits-Beamten« an. Dieses Schreiben ist dahin mißverstanden worden, Eberhardt hätte den Beitritt Badens zum Polizeiverein vermittelt. 621 Das konnte geschehen, weil bisher die tatsächliche Hierarchie der Polizeikommunikationen innerhalb des Polizeivereins unbekannt geblieben ist. Eberhardt meinte ausschließlich die unter seiner Regie stehenden Beziehungen innerhalb seines Rayons. E r enthüllte keineswegs das in Dresden begründete System der Wochenberichte, Polizeikonferenzen und die Namen der beteiligten Staaten. Bei den versprochenen Mitteilungen handelte es sich um die von Dresden ausgehenden rayoninternen »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen«. 622 Nur diese, nicht die zentralen Polizeivereins-»Wochenberichte« ließ Eberhardt fortan periodisch an Guerillot gehen. Mit der angekündigten Zusammenkunft war das rayoninterne - tatsächlich dann im Mai 1852 stattfindende - Treffen gemeint. Guerillot hatte den Innenminister von Eberhardts Vorschlägen unterrichtet und war dort auf deutliche Ablehnung einer institutionalisierten, von Eberhard gesteuerten Kommunikation gestoßen. Man wollte die Mitteilungen von »regelmäßigen Rapporten« nur dann gestatten, »wenn darüber von den deutschen Regierungen überhaupt ein Beschluß gefaßt würde«. Baden drängte zu einer förmlichen Regelung durch den Bundestag; unbeschadet dessen durfte Guerillot jedoch seine direkte Korrespondenz fortsetzen. 623 Daraufhin bekam er seinerseits regelmäßig die »Vertraulichen polizeilichen Mittheilungen« aus Dresden. Der badische Außenminister Rüdt war ehemals 1832 als Protokollführer bei dem Versuch beteiligt gewesen, einen südwestdeutschen Polizeiverein zu begrün-
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Eberhardt 10. 4 . 1 8 5 1 an Guerillot, StA Dresden Mdl Nr. 22, Bl. 13. Baiser: Sozial-Demokratie, S. 424, im Anschluß daran Offermann: Arbeiterbewegung, S. 74 in gleicher Weise. Vgl. oben, S. 424-^27, zur Weimarer Konferenz im Mai 1852 oben, S. 428. Guerillot 22. 4 . 1 8 5 1 an Eberhardt, StA Dresden Mdl Nr. 22, Bl. 44.
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den; 624 Ende Juni 1851 äußerte er gegenüber dem österreichischen Gesandten in Karlsruhe, es sei notwendig, eine Zentralpolizeibehörde einzurichten. Auch hatte er den badischen Bundestagsgesandten instruiert, eine entsprechende Kommission für diese Geschäfte beim Bundestag zu beantragen. 625 Im Oktober 1851, wenige Tage, bevor Österreich und Preußen ihren gemeinsamen Antrag auf Errichtung einer Bundeszentralpolizeibehörde beim Bundestag einbrachten, beklagte Rüdt erneut das Fehlen einer solchen Einrichtung und den damit verbundenen Mangel an Austauschmöglichkeiten für politisch-polizeiliche Informationen. In neuester Zeit werde Baden von keinem Staate mehr in seinen Polizeibestrebungen unterstützt (eine mittelbare Folge der Koordination im Polizeiverein!); nur von Berlin aus würden Polizeinotizen noch mitgeteilt und ausgetauscht: Die badischen Polizeibehörden, wenn sie Auskunft über diese oder jene Person brauchen, wissen sich nicht besser zu adressiren als an den sächsischen Rath Eberhardt, der aus reinem Dilettantismus sich mit Polizei seit Jahren beschäftigt, und einsweilen [!] buchstäblich die einzige deutsche Centraipolizei übt.626
Angesichts dieser Situation versuchte die badische Regierung in eigener Regie mit einzelnen Staaten zu Absprachen über den Austausch von politisch-polizeilichen Notizen zu kommen. Am 16. 8.1851 schlug Rüdt dem bayerischen Gesandten Freiherrn von Verger vor, den diplomatischen Weg bei der Mitteilung von Ausgewiesenen zu überspringen und seiner Regierung nahezulegen, dem unmittelbaren Austausch zwischen den betreffenden Kreisregierungen beider Staaten zuzustimmen. 627 Einen ähnlichen Wunsch richtete die badische Regierung nach Sachsen, über Ausweisungen badischer Untertanen Mitteilungen zu erhalten. 628 Angesichts solcher verschiedener Vorstöße muß es verwundern, wie lange Baden von dem Polizeivereinsverkehr ausgeschlossen blieb, der die gehegten Wünsche der auf Reaktion bedachten Regierung nach politisch-polizeilicher Kooperation zu befriedigen imstande war. 2. Badens Beitritt zum Polizeiverein Der entscheidende Anstoß für den Beitritt Badens zum Polizeiverein ging von Preußen aus. Vorausgegangen war eine Konzentration polizeilicher Datenerhebungen auf das Polizeiamt Karlsruhe. Das Innenministerium hatte sämtliche Polizeibehörden des Landes angewiesen, alle ihnen bekanntwerdenden Notizen über politisch Verdächtige und über die - wegen Teilnahme an politischen 624 625
626 627 628
Vgl. oben, S. 89. Schreiben des österr. Gesandten Philippsberg 23. 6. 1851, HHStA Wien, Actes de haute police, Krt. 18. Rüdt im Gespräch mit Phillipsberg, dessen Bericht 10.10.1851 an Schwarzenberg, ebd. Rüdt 16. 8. 1851 an Verger, BayHStA München MInn 45549. Schreiben Beusts 10. 1.1852 an Eberhardt, StA Dresden Mdl Nr. 37, Bl. 15.
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Vereinen und Verbindungen - Ausgewiesenen a l l e r Länder Guerillot auf das Polizeiamt in Karlsruhe zuzuschicken. Zugleich wurde dieser Beamte ermächtigt, seine Informationen in direkter Korrespondenz an auswärtige Polizeibehörden weiterzugeben. Ende Januar 1852 drang Baden auf dem Weg über das Außenministerium, eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Berliner Polizeipräsidium und Guerillot herzustellen. Am 2. 2 . 1 8 5 2 , also einen Tag vor der dritten, in Berlin stattfindenden Polizeikonferenz, unterrichtete der preußische Innenminister den Berliner Polizeipräsidenten Hinckeldey von dem badischen Wunsch. 629 Auf der Konferenz selbst nannte Hinckeldey dann den übrigen Teilnehmern für Karlsruhe und überhaupt für Baden Guerillot, der ihm »als ein zuverlässiger Beamter« empfohlen worden sei. 630 Man beschloß, ihn gleichfalls zur nächsten Konferenz einzuladen. 631 Eberhardt gab einen zusätzlichen Hinweis auf die Verläßlichkeit des Beamten durch die Tatsache, daß er mit ihm »schon längst in Verbindung« stehe. 632 Nachdem man bei jeder bisherigen Konferenz den Mitgliederkreis um einen weiteren Staat ergänzt hatte, wurde erwogen, wie es mit den Großherzogtümern und dem Kurfürstentum Hessen zu halten sei. Die Teilnehmer entschlossen sich, aus diesem Kreis lediglich noch Baden zum Polizeiverein heranzuziehen, weil es über die besten Quellen zu politischen Flüchtlingen in der Schweiz und zu den von Frankreich ausgehenden Aktivitäten besaß. 633 Mit Hilfe Badens erstrebte man eine strengere Überwachung der badisch-schweizerischen Grenze. 634 Nach der Aufnahme Badens war der Kreis der Mitgliedsstaaten dann in der Tat auf sieben beschränkt und blieb unverändert bis zum Ende des Polizeivereins im Jahre 1866. Zur förmlichen Aufnahme bedurfte es allerdings, wie im Falle Bayerns und Württembergs, noch einer Initiative auf diplomatischer Ebene, durch die die Kooperation die allerhöchste Sanktion erhielt. Bezeichnenderweise wiederholte sich - wie bereits beim Beitritt Württembergs praktiziert - die merkwürdige »sonst nicht gewöhnliche Form«, 635 daß nicht die preußische Regierung, sondern in der Person Hinckeldeys ein Polizeipräsident an den badischen Gesandten Freiherrn von Meysenbug herantrat und den Beitritt Badens zum Polizeiverein vermittelte. Das geschah gleich im Anschluß an die Polizeikonferenz vom 3. 2 . 1 8 5 3 , denn am 6. 2. berichtete der Gesandte von einem persönlichen Gespräch mit Hinckel629
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Westphalen 2. 2. 1852 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1. Bl. 43. Protokoll zur 3. Polizeikonferenz am 3. 2. 1852 in Berlin, angefertigt vom preuß. Polizeidirektor Schultz, ebd., Bl. 44f. Dieser Beschluß ist nicht im zuvor Anm. 630 genannten Protokoll festgehalten, sondern in der Aufzeichnung Majers über diese Konferenz, HStA Stuttgart Ε 143/4170 Pos. 18, zu Protokollen des Polizeivereins vgl. oben, S. 256. Ebd. Bericht Wermuths 13. 8. 1860 an Innenminister Borries, HStA Hannover Dep. 103 Gmunden I X C Nr. 19. Wie Anm. 631. Vgl. oben, S. 444.
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dey, das dem badischen Außenminister Rüdt das gesamte Polizeivereinskonzept, die Beteiligten, die Autorisierung durch die vertretenen Regierungen offenbarte und die Frage zuleitete, ob man unsererseits nicht geneigt sei, sich diesem - stillen! - Verein anzuschließen, einen geeigneten Beamten mit der wöchentlichen Korrespondenz zu beauftragen und an den persönlichen Zusammentritten theilnehmen zu lassen.636
Die Entscheidung fiel bei der badischen Regierung ungleich schneller als in Württemberg und führte zu keinerlei diplomatischen Turbulenzen wie in Bayern. Am 16. 2. 1852 unterrichtete Rüdt Innenminister Marschall, hieß den Beitritt wünschenswert und erwartete eine Stellungnahme. 637 Am 23. 3. ließ Marschall wissen, er teile die Ansicht des Außenministers »vollkommen«; am gleichen Tage hatte er bereits Fieser als badischen Delegierten benannt und mit entsprechenden landesweiten Vollmachten ausgestattet. Rüdt leitete seine Entscheidung am 7. 4. an den badischen Gesandten in Berlin weiter. Dieser wandte sich daraufhin wiederum an Hinckeldey, erklärte diesem, welchen großen Wert die badische Regierung der »Einleitung eines unmittelbaren vertraulichen Verkehres zwischen den höhern Polizeibehörden der deutschen Staaten« beimesse und daß sie sich in einer Situation erneuerter demokratischer Tätigkeiten von einem Nachrichtenaustausch großen Erfolg verspreche. Er unterrichtete Hinckeldey zugleich von der institutionellen Konzentration der politischen Polizei auf den Referenten für Polizeisachen im Innenministerium, Fieser, bei dem alle derartigen Nachrichten der inneren Landes- und Ortspolizeibehörden zusammenliefen und der zur Korrespondenz nach außen und zur Teilnahme an den Konferenzen ermächtigt sei.638 Der Polizeivereinsverkehr Badens war endgültig am 26. 5. 1852 etabliert, als sich Hinckeldey auf die Eröffnungen Meysenbugs hin unmittelbar mit Fieser in Verbindung setzte und diesem zugleich den aktuellen Berliner Wochenbericht zukommen ließ. Der Berliner Polizeipräsident wiederholte hierbei noch einmal die Erwartungen, Baden sei bei der Nähe der Schweizer und der Französischen Grenze [ . . . ] mehr als ein anderer deutscher Staat im Stande [...], Beobachtungen anzustellen, welche zu den erfolgreichsten Resultaten auf dem Gebiete der politischen Polizei führen könnten. 639
Hinckeldey mahnte zugleich, daß die Korrespondenz »als eine ganz vertrauliche zu betrachten und sie streng zu secretiren« sei. Das betraf besonders die weitere Verwertung der Wochenberichte, mit deren Umgang gerade im badischen Innenministerium später einige peinliche Indiskretionen unterliefen. 640 Hinckeldey beschwor den Grundsatz: 636
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Meysenbug 6. 2.1852 Nr. 14 an Rüdt, Original in GLA Karlsruhe Abt. 233/4630, Abschrift in 236/8733. Rüdt 16. 2. 1852 an Marschall, ebd., Original in 236/8733, Konzept in 233/4630. Meysenbug 21. 5. 1852 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 74f. Hinckeldey 26. 5.1852 an Fieser, GLA Karlsruhe Abt. 236/8733. Vgl. oben, S. 271f.
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Mögen wir zwar aus den gegenseitigen Mittheilungen Veranlassung zu weiteren Correspondenzen, Maaßnahmen im eigenen Lande pp. nehmen, die Quelle aber wird nicht ohne Noth zu nennen sein.641
3. Die Konzentration der politischen Polizei nach dem Beitritt Badens zum Polizeiverein Als Rüdt am 7. 4.1852 dem badischen Gesandten in Berlin die Bereitschaft seiner Regierung zur Mitwirkung im Polizeiverein mitteilte, war ihm zugleich gegenwärtig, daß der Karlsruher Amtmann Guerillot schon seit längerer Zeit polizeiliche Notizen mit den »Vorständen der Polizeiämter der Residenzen« austauschte. Er verwarf die Erwägung, diesen Verkehr unabhängig neben demjenigen auf Polizeivereinsebene fortbestehen zu lassen.642 Im Gegenteil wurde die politisch-polizeiliche Kompetenz auf Fieser konzentriert. Was sprach dagegen, nicht Guerillot zum Polizeiverein zu delegieren? Schon Meysenbug hatte darauf hingewiesen, es werde der Beamte in einem angemessenen höhern Dienstrange stehen müssen, um auch äußerlich das Zutrauen zu erwecken, daß seinen Anträgen von der Regierung werde Folge gegeben werden. 643
Das war in der Tat bei einem Ministerialrat des Innenministeriums eher gewährleistet als bei dem Leiter eines einzelnen Polizeiamts, selbst wenn es sich um das der Residenzstadt handelte. In einem Zirkularerlaß an die Mittelinstanzen bestätigte Innenminister Marschall am 23. 3. 1852 Fieser auch formell in seiner neuen Funktion. Er wies die vier Regierungsdirektoren in Konstanz (Fromherz), Freiburg (Schaaff), Karlsruhe (Rettig) und Mannheim (Böhme) sowie den Kommandeur der Gendarmerie in Karlsruhe (Renz) an, »zur Erzielung eines raschen Verkehrs direct und jeweils mit möglichster Beschleunigung« Anfragen Fiesers zu beantworten und von sich aus Nachrichten zu »erheblichen politischen Gegenständen« unmittelbar an den Ministerialrat zu lenken. Dieser wurde im Hinblick auf den Polizeivereinsverkehr als der »diesseitige Reszipient in Polizeisachen« genannt. 644 Mit dieser Konstruktion war Fieser in der Lage, Fahndungsanfragen von auswärts nachzukommen und seinerseits politisch-polizeiliches Material für die Wochenberichte aus Karlsruhe von den Landesbehörden zu gewinnen. Wenn auch von Karlsruhe quantitativ am wenigsten Wochenberichte ausgingen, hieß das nicht, man hätte diese Mitteilungsart überhaupt für wenig bedeutungsvoll gehal641 642
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Wie Anm. 639. Ein gestrichener Passus im Konzept der Note vom 7. 4. 1852 an Meysenbug lautete: »Diese Anordnung hat unabhängig von dem schon seit längerer Zeit verabredeten Austausche polizeilicher Notizen zwischen den Vorständen der Polizeiämter der Residenzen ins Leben zu treten, welcher letzterer nur zum Theil zwischen denselben Personen, für Baden aber von einem andern Beamten [= Guerillot] geführt wird und welcher gleichzeitig fortbestehen wird." GLA Karlsruhe Abt. 233/4630. Meysenbug 6. 2.1852 an Rüdt, ebd., Abt. 236/8733. Marschall 23. 3. 1852 an die Landesbehörden, ebd., Abt. 233/4630.
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ten. Denn Fieser leitete die bei ihm eingehenden auswärtigen Wochenberichte weiter an den Stabsquartiermeister im Corpskommando der Gendarmerie in Karlsruhe Ferdinand Cetti; dieser arbeitete sie gründlichst durch, versah die für Baden wichtigen Positionen mit Anstreichungen und veranlaßte, daß Notizen daraus im »Fahndungsblatt« der Landgendarmerie eingerückt oder als dessen »Beilage« angefügt wurden. 645 Fieser gab seinen Einstand im Polizeiverein am 9. 6.1852 mit einem Lagebericht über ganz Baden, der alle Bereiche der politischen Polizei umfaßte und dem Tenor folgte, wie sehr - dank »der Unterweisung der Königlich Preußischen Militärbehörden aus der Zeit der Besetzung« - die Militär- und Zivilbehörden nun eine »meist angemessene Leitung der öffentlichen Ordnung« gewährleisteten und im ganzen Lande Ruhe herrsche. Indessen schienen ihm von den wandernden Handwerkern Gefahren auszugehen. Als Erfolge wertete er, es seien die politischen Führer vertrieben, die politischen Vereine verboten, die politischen Flüchtlinge in Straßburg nicht mehr geduldet, und der Kriegszustand erweise sich als wirkungsvoll.646 Eine weitere solche Gesamtbestandsaufnahme, die sich besonders mit den »regierungsfeindlichen Parteien« beschäftigte, legte Baden den Polizeivereinsmitgliedern im Jahre 1858 mit Nachtrag im Jahre 1859 vor.647 Baden entwickelte keine dem Polizeivereinssystem auf oberer Ebene nachgebildete Koordinierung innerhalb seines eigenen >Rayons< wie etwa Hannover und Sachsen. Eine Ausnahme bestätigt indessen, daß das System institutionell zu einer Verdoppelung auf Rayonebene tendierte: Im Oktober 1853 hatte das Stadtamt Karlsruhe Eduard Vehses »Geschichte der deutschen Höfe«, und zwar den 25. und 26. Band über Württemberg, Baden und Hessen, beschlagnahmt, »weil dieselbe die gröbsten Schmähungen gegen verstorbene und lebende Mitglieder der Regentenfamilien verbreitet«, wie der neue badische Innenminister Wechmar urteilte. Er benutzte den Vorfall als Anlaß, um über den Außenminister die hessen-darmstädtische Regierung zu benachrichtigen und darüber hinaus anzuregen, einen höhern dortigen Polizeibeamten bezeichnen zu wollen, an den unmittelbare Mittheilungen im allgemeinen polizeilichen Interesse von dem diesseitigen Polizeirescipienten Ministerialrath Fieser dahier Behufs der Beschleunigung gemacht werden können. 648
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Der Geschäftsgang wird aus den Bearbeitungsmerkmalen der Wochenberichte ersichtlich, so in GLA Karlsruhe Abt. 236/8745, darin besonders Wochenbericht Berlin 18. 8.1854. Fieser 9. 6. 1852 an Hinckeldey, StA Potsdam Pr. Br. Rep. 30 Berlin C Polizeipräs. Tit. 94 Nr. 12154/1, Bl. 78-80. Diese beiden Berichte sind publiziert bei Siemann: >Polizeivereinmodernen< politischen Polizei gehören oder davon ausgehen. Das Stichwort >modern< verwies gleich eingangs auf den Wandlungsprozeß zu Beginn des untersuchten Zeitraums: Zu Zeiten Josephs II., Napoleons und der Befreiungskriege war >hoheStaats-< oder >geheime Polizei< noch ein terminologisches Problem, dem eine organisatorisch zunächst wenig entwickelte politische Vereinsbildung entsprach. >Politische Polizei< konnte erst in dem Maße manifest werden, wie es das >Politische< in der Gesellschaft als der »societas civilis extra imperio« wurde. Die Eigenart moderner politischer Polizei ließ sich - wie die Ergebnisse ausweisen - kaum von bestimmten polizeilichen Methoden her erfassen, nicht durch Spionage, Brieferbrechung, geheimes Ausforschen und Überwachen selbst bis in den privatesten Lebenskreis hinein - alles das konnte Konsequenz politischpolizeilichen Handelns sein. Das Charakteristische hingegen lag im Gegenstand polizeilichen Handelns, und hier nicht lediglich in der Bekämpfung von Gefahr und Gewalt in der Gesellschaft, sondern in der Unterdrückung von Bestrebungen, sich politisch zu organisieren, obwohl dies seitens der >Obrigkeit< untersagt war. Politische Organisation in der Gesellschaft scheint das Schlüsselwort zu sein. Gegen autonome, nicht staatlich gelenkte Vereinigungsbestrebungen wurden die amtlichen Energien freigesetzt: zum >Staatsschutz< gegen den >inneren (Staats-) FeindParteyÖffentlichkeitNationVolk< und Gesellschaft Bezugsgrößen von Teilen einer politisch in Bewegung geratenen Bevölkerung wurden. Die staatlichen Abwehrenergien wurden konzentriert und institutionalisiert. Läßt man die derartigen Versuche zwischen 1806 und 1866 vor dem inneren Auge vorbeiziehen, so ist zu beobachten: Die Habsburgermonarchie erwies sich in ihren polizeilichen Abwehrbemühungen am meisten stabil, differenziert, systematisch und stringent, und zwar sowohl reaktiv (in der Polizeihofstelle, der Obersten Polizeibehörde und den mit ihnen verbundenen Einrichtungen) als auch präventiv (im Mainzer Informationsbüro). 460
Die anderen größeren deutschen Staaten - im ganzen Zeitraum namentlich gezeigt an Preußen, Hannover und Bayern - ebenso wie der Deutsche Bund antworteten auf die als staatsbedrohlich empfundenen Herausforderungen demgegenüber eher schubweise und vorwiegend reaktiv: Phasen innenpolitischer Lockerung (1812-17, 1840-47) lösten sich ab mit solchen massiven Einsatzes politischer Polizei, und ebenso wurden deren Institutionen aufgebaut und wieder aufgelöst. Die Epoche von 1806 bis 1848 gewann für die politische Polizei dadurch enorme Bedeutung, denn auch Behörden können ein Gedächtnis entwickeln, das unter Umständen das jeweils Praktikablere, Durchsetzbare beibehält und das - gemessen an staatspolizeilichen Zwecken - Untaugliche abstrahiert. Organisiertes politisches Vereinswesen hieß in der Explorationsphase der Staatspolizeibehörden: Konspiration, Verschwörung, Umsturz, Umtriebe, >ParteySocialistenCommunistenStaatsschutz< auf die Doppelfunktion vorhandener Staatsbehörden angewiesen. Sie bedienten sich bevorzugt der Post oder mehr noch der regulären Instanzen der inneren Verwaltung. War der politisch-polizeiliche Gegenstand als besonders gewichtig angesehen, bediente 461
man sich der auf den aktuellen Zweck bezogenen Instrumentarien, vor allem der Kommissorien: Reiseaufträge, um an Ort und Stelle das Staatsgefährdende der eigenen Untertanen - vor allem im deutschen Ausland - zu ermitteln. Dabei galt es zu haushalten und die Aufträge zu befristen. Anders verhielt es sich mit Institutionalisierungen, die sich am ehesten die Großstaaten leisten konnten, zumal sie über die am stärksten zentralistisch organisierten Strukturen in der Verwaltung der Polizei verfügten. Die großen Staatshaushalte erlaubten die Einrichtung der Ministerialkommissionen in Preußen, des Mainzer Informationsbüros, der internen politisch-polizeilichen Abteilungen. Hier machte sich der Schock der Revolution von 1848/49 bemerkbar, der die innerstaatliche Institutionalisierung durch Bildung staatspolizeilicher Spezialabteilungen beträchtlich vorantrieb: in Wien in Gestalt des Departement I innerhalb der Obersten Polizeibehörde, in Berlin in Form des Vereins- und Druckschriftenbüros im Polizeipräsidium. Die Mittelstaaten bestätigten mit ihren Institutionalisierungsversuchen die gleiche staatsimmanente Tendenz: durch Bildung besonderer Sicherheitskommissionen, durch Rationalisierung des Geschäftsbetriebs und durch Aufwertung der ursprünglich regionalen Residenzpolizeidirektionen zu landesweit tätigen Polizeibehörden. Mit der Errichtung des Polizeivereins wurde ein Höchstmaß an inner- und zwischenstaatlicher Konzentration der politischen Polizei erreicht, und zwar auf eine Weise, die für die föderative Struktur des Deutschen Bundes charakteristisch und institutionengeschichtlich auffallend war. Das Lebenselement des Polizeivereins war wirkungsvoller, schneller Nachrichtenaustausch, der staatspolizeiliche Effekt resultierte aus der Amtsautorität der im Verein repräsentierten Kommissare - und dennoch: Alles vollzog sich ohne Rechtsgrundlage, ohne Vertrag zwischen den Regierungen, ohne Änderungen im Organisationsstatut der einzelstaatlichen Zentralbehörden, ohne Bekanntgabe in Regierungs-, Gesetzes-, Ministerial-, Verordnungsblättern und wie dergleichen amtliche Publikationsorgane noch hießen, sondern nach den Worten Hinckeldeys auf »völlig form- und geräuschlose« Weise. Das war jedoch nur der äußere Anschein, denn der Polizeiverein entwickelte seine eigenen Formen. Diese Vereinigung höherer Polizeibeamter der größeren deutschen Bundesstaaten praktizierte konsequent von Anfang an, wohin die jeweils ad hoc eingesetzten Untersuchungsbehörden der Restaurationszeit und des Vormärz allmählich zielten, indem sie ihren aktuellen Zweck, nach rückwärts zu recherchieren, nicht mehr als ihren ausschließlichen erkannten: Der Polizeiverein war eine Einrichtung speziell präventiv-polizeilicher Art; er diente der prophylaktischen Revolutionsabwehr mit allen Konsequenzen im einzelnen, die sich gegen Presse, Vereinswesen, Flüchtlinge etc. richteten. Darin entwickelte er das Bestreben, >System< zu werden, das auf Dauer berechnet war und Neigungen zur Eigendynamik an den Tag legte, die die beteiligten Staaten teilweise in ihrer Reaktionspolitik enger Zusammenschloß, als die leitenden Minister im einzelnen wahrzunehmen imstande waren. 462
Wer bestimmte, in welchem Maße politisch-polizeiliche Organisationen sich entwickelten und politische Vereinsbildungen kriminalisiert wurden, diese Frage lenkt den Blick auf das persönliche Element in geschichtlichen Entwicklungen. Es ist im Zusammenhang mit der Ausbildung politisch-polizeilicher Funktionen nicht zu unterschätzen. Immer wieder konnte der ausschlaggebende Einfluß des Monarchen und die - jede Ressortgrenzen sprengende - Vertrauensstellung bestimmter staatspolizeilicher Funktionsträger erwiesen werden, sei es bei Friedrich Wilhelm III. und Hardenberg sowie Wittgenstein, Kaiser Franz und Metternich, Friedrich Wilhelm IV. und Hinckeldey mit Stieber, Franz Joseph und Kempen, Georg V. und Wermuth, Wilhelm von Nassau und seinem Hofkommissär Dresler. Das Nichtpersönliche lag in der Stellung des Monarchen im Herrschaftssystem, seiner Machtvollkommenheit, über Militär, Diplomatie und innere Verwaltung zu gebieten, Beamte ganz nach eigenem Gutdünken zu entlassen - auch die Minister - oder, wenn Entlassungen wie 1848/49 hatten erzwungen werden können, sie heimlich weiterzuverwenden und etatunabhängig aus den fürstlichen Fonds zu unterhalten. In diesem Sinne stand der Herrscher für ein politisches System, das durch die Bewegungen in der Gesellschaft herausgefordert wurde, einen Teil der Macht abzugeben. Jedoch auch die konstitutionellen Regenten beharrten auf der Exklusivität ihrer zuvor erwähnten sogenannten monarchischen Prärogative, kurzum: auf dem monarchischen Prinzip. Dieses kam ungebrochen in ihrer Möglichkeit, über die politische Polizei zu verfügen, zur Geltung. Das Persönliche hingegen lag in dem jeweiligen intellektuellen und psychologischen Wahrnehmungsvermögen, die Veränderungen in der Gesellschaft zutreffend zu deuten, und dieses war spürbar schwach ausgebildet. Die Darlegungen verdeutlichen, in welchem Maße die Monarchen sich von Revolutionstraumata beherrschen ließen, wie schnell sie jedem Hinweis auf Konspiration und Umsturz Glauben schenkten, so daß es aus der angelsächsischen Distanz eines Charles Dickens 1 nur noch als grotesk anzusehen war, wie sehr ein gelungenes oder erfolgloses Attentat die ganze innere Staatsverwaltung eine Zeitlang dem politisch-polizeilichen Einfluß unterwarf, man denke nur an 1819 (Kotzebue und Ibell), 1833 (Frankfurt)," 1853 (Franz Joseph) und 1858 (Napoleon III.).Die politisch-polizeilichen und im weiteren Sinne administrativen Folgen haben in manchen Bereichen hier erstmals in voller Tragweite aufgedeckt werden können. Jeweils neu zu betrachten war - soweit die Quellenlage es überhaupt erlaubte die besondere Verschränkung persönlicher Elemente mit den politisch-polizeilichen Entscheidungsprozessen im monarchisch geprägten staatlichen Herrschaftsapparat. Die Person und Politik Friedrich Wilhelms IV.von 1840 im Vergleich zur Zeit seit 1848 wird hier wohl noch Anlaß zu weiteren Fragen und Erörterungen geben. Wer diente, um der politischen Polizei zur Wirkung zu verhelfen, dieser Gesichtspunkt führt zum Kreis der oft nur im Hintergrund stehenden Beamten und 1
Vgl. oben, S. 379.
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Agenten, die sich meist nur mühsam aus den erhaltenen Ergebnissen ihrer Tätigkeit - den Akten - namhaft machen ließen. Hier war auf die hervorstechenden personellen Kontinuitäten der Staatsdiener im zweiten Glied, der Räte und Polizeidirektoren, hinzuweisen, deren Rolle und Funktionsmöglichkeiten aufzuklären besonders wichtig erschien. Als politisch-polizeiliche Geheimnisträger waren sie unter Umständen unentbehrlicher als Minister. Ein Engelshofen war 1848 unangreifbarer als ein Metternich, so unangemessen ein solcher Vergleich auch erscheinen mag. Mustert man die politisch-polizeilichen Führungsbeamten und die ihnen zugeordneten Amtsträger, ist eine beachtliche Kontinuität zu bemerken, auch und gerade über die Revolution hinweg: Es zählten für ihren Einfluß nicht allein die Dienstjahre, sondern vor allem die aus polizeilicher Amtsfunktion erworbene Erfahrung vor 1848/49 und die staatsloyale, das hieß vor allem fürstentreue, mitunter bis zur vorübergehenden Entlassung führende Zuverlässigkeit in der Revolution, so daß es nicht immer der gleiche Dienstherr sein mußte, um Amtskontinuität zu beweisen, wie das Beispiel des Regierungsrats Eberhardt zeigte. Wie eng Metternichs Staatspolizei in Gestalt des Mainzer Informationsbüros mit der politischen Polizei des Neoabsolutismus und der Mitwirkung Österreichs im Polizeiverein in der Person Engelshofens zusammenhing, das hat hier erstmals aufgedeckt werden können. Auch für viele andere galt die vorrevolutionär erworbene polizeiliche Amtserfahrung: neben Eberhardt und Engelshofen für Wermuth, Hinckeldey (in der inneren Abteilung der Regierung in Merseburg), Burger, Fieser, Majer, Stieber, Goldheim, Hofrichter, Jacoby usw. Diese Tatsache erklärt, warum die staatliche Reaktionspolitik nach der Revolution 1848/49 so schnell hat Tritt fassen können, zumal eine Reihe der führenden politischen Polizeibeamten sich bereits persönlich und aus Korrespondenz kannte und ihren staatlich zugebilligten weiten Handlungsraum unverzüglich durch Kooperation und Koordination zu erweitern trachtete. Die neue, die Verhältnisse vor 1848 übertreffende Intensität politisch-polizeilicher Aktionen beruhte nicht zuletzt darauf, daß es vorwiegend Polizeibeamte waren, die tätig wurden, nicht aber Verwaltungsbeamte >vom grünen Tisch< oder Justizmänner, die die früheren Untersuchungskommissionen besetzten. Die ideologische Konsistenz der Reaktionspolitik fußte nicht unbeträchtlich auf der Herkunft ihrer polizeilichen Repräsentanten aus der vorrevolutionären Zeit und auf dem mit ihrem Monarchen geteilten Revolutionstrauma, das ein bis ins Persönliche reichendes Vertrauensverhältnis zwischen Regenten und Polizisten tragen konnte. Die Macht der Bürokratie kam nicht nur durch fortdauernde Institutionen und Beständigkeit ihrer Amtsträger über die Revolution hinweg zum Ausdruck, sondern auch in ihrer Eigenschaft, die Einstellungen von Menschen zu wandeln, um sie sich im buchstäblichen Sinne dienstbar zu machen. Einzelschicksale ließen das schlaglichtartig aufscheinen wie im Dienste Metternichscher Geheimpolizei der Frankfurter Wachenstürmer Lizius, der Bieler Gymnasialprofessor Binder, schließlich auch der Privatdozent und Revolutionär Rauschenplat, der seine 464
Dienste dann der politischen Polizei der Provisorischen Zentralgewalt anbot, um unter anderem die badische Revolution zu unterdrücken, kaum anders als der ehemalige prominente Liberale Bassermann oder der vormals demokratische Wiener Advokat Bach. Die menschenprägende Macht der Bürokratie und die Erfahrung staatlicher Macht spiegelte sich ebenfalls in der Laufbahn ursprünglich untergeordneter Beamtenanwärter, die ihr Organisationstalent und Durchsetzungsvermögen benutzten, um mit Hilfe der politischen Polizei zu einer glänzenden Karriere zu gelangen, an deren Ende schließlich - Gipfelpunkt derartigen bürgerlichen Bestrebens - die Verleihung des Adelstitels stand (ζ. B. Tzschoppe). Womit man arbeitete und umging, diese Frage ließ in der Frühgeschichte der politischen Polizei zunehmend Aspekte der Professionalisierung dingfest machen: die Entwicklung eines büromäßigen Geschäftsbereichs mit Karteien, Geschäftsprotokollen, rationaler Registratur, innerbehördlicher Gliederung nach Abteilungen und funktionalen Schwerpunkten usw. Überhaupt erwies sich das Büro - n e b e n den Agenten >vor Ort< - als die Schaltzelle der politischen Polizei. Dabei ist auffallend, mit welchem vergleichsweise geringen Personal letztlich in Berlin, Wien, Dresden, Hannover, München, Stuttgart, in den Untersuchungskommissionen in Mainz und Frankfurt die politische Verfolgung, Überwachung und Unterdrückung bewerkstelligt wurden. Dreierlei macht das erklärlich: Erstens konnte der Wirkungskreis des Büros unter Umständen sämtliche Instanzen der inneren Verwaltung, die Gendarmerie und bisweilen sogar das Militär mit einschließen, etwa um unruhige Bewegungen niederzuhalten, politische Flüchtlinge zu fassen oder Haussuchungen und Beschlagnahmungsaktionen durchzuführen. Zweitens verfügten die politisch-polizeilichen Spitzenbeamten in der Regel über ein äußerst genaues Personengedächtnis; diese Eigenschaft wurde bevorzugt bei Anträgen zu ihrer Beförderung gerühmt. Mancher - etwa Nordberg und Wermuth - hatte anfangs bei der Paß- und Fremdenpolizei gearbeitet; und dank vorrevolutionärer Amtserfahrung konnten die Erinnerungen an Personen und Vereine bis in den Vormärz reichen. Engelshofen wurde hier von keinem übertroffen, wie auch seine vielen in Polizeivereinskonferenzen beigebrachten Verfolgtenlisten zeigten. Nicht zu vergessen sind hierbei auch die Dienste solcher Konfidenten wie Jacoby und Ebner, die gleichfalls nachrevolutionär ihre Kenntnisse des Vormärz für Preußen und Österreich einbrachten. Drittens hatte man frühzeitig den Wirkungsmechanismus politischer Bewegungen kennengelernt; die Wortführer, die Metternich bereits >Rädelsführer< nannte, zu proskribieren, verfolgen, konfinieren, 2 kurzum: politisch wirkungslos zu machen genügte in der Regel, um den Widerstand als ganzen zu treffen. Nur bei Massenereignissen wie der Revolution 1848/49 gelang das zeitweilig nicht, obwohl 2
Vgl. zur Erläuterung des Begriffs oben, S. 322 Anm. 70.
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Wermuth sich rühmte, selbst in großen Volksansammlungen noch Festnahmen durchgeführt zu haben. Das Ende der konsequenten, weil prinzipiellen Ablehnung des politischen Vereinswesens ging einher mit dem Zerfall des 1815 begründeten europäischen Mächtesystems im Laufe der 1850er Jahre, besonders durch die Folgen des Krimkrieges, der Österreich erstmals als Bündnispartner der Westmächte gegen Preußen und Rußland zeigte. Der Prozeß wurde vorangetrieben durch den österreichisch-italienischen Krieg von 1859 und gipfelte im Deutschen Krieg von 1866 mit der Auflösung des Deutschen Bundes. War die relative Konvergenz der Bundesinnenpolitik der beiden deutschen Großmächte Voraussetzung für den Erfolg der Unterdrückung politischer Bestrebungen seit 1817, praktiziert durch die Verbindung Metternichs zu Wittgenstein, wurde diese Übereinstimmung nach 1848/49 äußerlich sichtbar erneuert durch den gemeinsamen Antrag Österreichs und Preußens auf Errichtung einer Bundeszentralpolizeibehörde, so schuf nach 1858 die offen zutagetretende Rivalität Österreichs und Preußens in der Deutschen Frage den Spielraum für die innenpolitische Auflockerung und bereitete der Reaktionsära ein Ende. Der politisch-polizeiliche Konflikt auf der Stuttgarter Polizeikonferenz von 1860 darum, ob der Deutsche Nationalverein zu unterdrücken sei, begründete die in diesem Zusammenhang ausführlich erörterte These: Wo die Regierungen selbst im gesellschaftlichen Prozeß >Partei< ergriffen, war >Parteibildung< in der Gesellschaft mit Ansprüchen an den Staat nicht mehr a priori zu verhindern. Das bezeichnete das Ende des hier untersuchten Zeitraums. 3 Der ehemalige Paulskirchenabgeordnete und Jurist Wilhelm Adolph Lette dokumentierte, daß dieser Wandel auch im öffentlichen Bewußtsein greifbar wurde, als er sich 1864 mit der Institution einer geheimen politischen Polizei auseinandersetzte: Die Bedenken gegen eine geheime politische Polizei stellen sich am überzeugendsten durch die Betrachtung heraus, daß in Deutschland vor kaum einem Menschenalter, ja vor kaum noch einem Dezennium politische Bestrebungen als staatsgefährliche behandelt und als Verbrechen gestempelt waren, die gegenwärtig zu den verfassungsmäßig verbürgten Rechten des Volks und seiner Bürger gehören. 4
Diese Deutung schien eine künftige Konvergenz politischer und ökonomischer Emanzipation im Sinne einer Befreiung von staatlich-ständischen Fesseln zu verheißen. Für die gesamte vorausgehende Zeit bis in die Anfänge der politischen Polizei hinein herrschte jedoch eine auffällige Ambivalenz: Die Freisetzung der Wirtschaftsgesellschaft, die aus ständischen Einschränkungen gelöst wurde, ging einher mit Unterdrückung der eben dadurch gleichfalls vorangetriebenen Politisierung: Freiheit des Gewerbes und Handels entwickelten sich in Preußen unter dem Druck der Ministerialkommissionen jeweils nach 1819 und 1833. In demsel3 4
Vgl. oben, S. 301f. Karl von Rotteck, Karl Welcker (Hrsgg): Das Staats-Lexikon. 3. Aufl. Bd. 11. Hrsg. von Karl Welcker. Leipzig 1864, S. 652 im Art.: »Polizei«, ebd., S. 632-652.
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ben Staat, der Führungsmacht des Zollvereins, vollzog sich die schärfste innenpolitische Reaktion in den Jahren eines wirtschaftlichen Aufschwungs, der 1850 in Gang und seit 1853 voll zum Durchbruch kam. 5 Die Schlußfolgerung liegt nahe, daß dort, wo die politische Polizei in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität am schärfsten gehandhabt wurde, amtlicherseits das Leitbild vom unpolitischen Untertan und freien Wirtschaftsbürger herrschte. Auch war zu beobachten, daß die politisch oppositionellen, amtsenthobenen Staatsbeamten in die wirtschaftliche Betätigung abgedrängt und zugleich entpolitisiert wurden. 6 Wie sich diese systematisch betriebene, zwei Generationen seit Anfang des 19. Jahrhunderts erfassende Verzögerung politischer Vereinsbildung 7 langfristig auf die Entwicklung der politischen Kultur in Deutschland auswirkte, darüber läßt sich nur spekulieren, nicht aber über die in den Institutionen vor sich gegangenen Lernprozesse, die sich auf dem Felde der politischen Polizei als >Erfahrungen< in dickleibigen Aktenkonvoluten und als Erinnerungen, vermittelt durch personelle Kontinuitäten, niederschlugen. Denn Lettes zukunftsfreudige Erwartung, ein Zeitalter der politischen Polizei hinter sich gelassen zu haben, wurde bald getrübt. Im März 1869 kündigten sich intern schon Vorzeichen an, als der Berliner Polizeipräsident gegenüber dem Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes Bismarck anregte, das Polizeikonferenzsystem zu reaktivieren. 8 Mit der Errichtung des Deutschen Reiches von 1871 erstand ein neues Objekt des >Staatsschutzesstaatsgefährlich< isolierten Teil unterdrückte. Das Reichsgesetz »gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« vom 21. 10. 18789 schuf 5
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Vgl. Knut Borchardt in: Hermann Aubin, Wolfgang Zorn (Hrsgg): Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 2, Stuttgart 1976, S. 260f. u. Tabelle ebd., S. 205. Vgl. oben, S.449, Siemann: >PolizeivereinDemagogeArbeiterverbrüderung< 341 Borna/Sachs. 421 Borries, Wilhelm Friedrich Otto Graf v., hannov. Innen-, dann leitender Min. 299, 402- 404, 411, 414, 455 Bose, Carl Gustav Adolph v., sächs. Min.resident 280, 291, 420, 443 Bothfeld/Hannov. 413 Botzenhart, Erich 38 Botzenhart, Manfred 223, 234, 343 Bradler, Günther 2 Braestrup, Kopenhagener Pol.dir. 426 Brandenburg, Prov. 245 Branig, Hans 28, 67, 69f„ 177-179 Brauchitsch, v., preuß. Generalleutnant 175 Braun (Deckname) s. Bauernschmid Braunau 11 Braunmühl, Anton v., bayer. Reg.rat 213-216 Braunschweig 96, 209f., 249, 259, 262, 283, 290, 401, 414-416, 426 Breibeck, Otto Ernst 7 Bremen 96, 110, 209f., 245-248, 259, 262, 285, 292, 371, 410, 414, 426f. Bremer Zeitung 81 Brenn, Gustav Adolf Ewald Frhr. v., preuß. Innenmin. 85, 191 Breslau 178, 182, 194, 275, 311, 344, 368, 371, 377f., 391 Breuer, Dieter 75
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Briefüberwachung 34f., 41, 49, 53, 62, 66, 69f., 127, 178, 183, 202, 218-220, 280, 460 (vgl. Interzepte / Postlogen) Brixen 54 Brockhaus, Friedrich Arnold, Buchhändler 80, 153 Broizem, Eduard v., sächs. Kreisdir. 426 Brück, Carl Theodor Frhr. v., bayer. Oberpostmeister 49f., 54 Brückner, Johann Friedrich, sächs. Amthauptmann 426 Brümmer, Franz 275 Brünn 314, 439 Brüssel 146, 149, 158, 161, 167, 210, 256, 262f., 275f., 279, 307, 310, 351, 377, 380, 409f., 426f. (vgl. Belgien) Brunner, Carl, bad. Min.dir. 120 Brunner, Otto 4, 9 Buchdrucker 10, 263 Buchhandel 80, 96, 128, 254, 263, 281, 285, 321, 323 Buchner, Andreas, Historiker 216 Budapest 314 Büchner, Georg, Dichter 16 Bückeburg 414 Bülow. v., Kammerger.vizepräs. 192 Bülow, Ernst Friedrich Wilhelm Frhr. v., hannov. Landdrost 204, 206 Bülow, Friedrich August Wilhelm v., vortrag. Rat im preuß. Staatskanzleramt, dann Oberpräs. 70f., 186-188 Bülow, Heinrich Ulrich Wilhelm Frhr. v., preuß. Außenmin. 106f. Bürobildung 39, 56, 62-64, 66, 142, 251, 270, 309, 338, 356, 360f., 376, 378, 405, 437f., 465 (vgl. Berlin, Pol.präs., Druckschriften-, Vereinsbüro / Mainzer Informationsbüro / Institutionalisierung) Bürokratie, -kratisierung 19, 33-39, 61f., 113, 139f., 149, 164f., 240, 464f. Büssem, Eberhard 78, 125, 129, 183 Bützow 426, 428 >Bund der Deutschens Paris 97, 145 »Bund der Geächtetem 97, 110, 145, 168, 195, 461 >Bund der Gerechtem 97, 145, 461 >Bund der Kommunisten 244, 247, 374, 379, 383, 410, 452, 461 (vgl. Kommunistenprozeß) Bundesakte, -recht, -Verfassung 41, 105, 253 - Art. 2: 72, 112 - Universitätsgesetz 215 - Vereinsgesetz 299f.
- Bundesbeschlüsse (28. 6. 1832:) 73, 88, 218; (30. 6. 1832:) 95, 143; (5. 7. 1832:) 74, 92f., I l l , 199-202; (18. 2. 1847:) 109 (vgl. Karlsbader Beschlüsse) Bundespreßorgan 265- 270 Bundesversammlung, -tag 73-75, 78, 83, 85, 88-92, 94, 99, 101, 105, 108f., 111-114, 119, 122, 141, 143, 155, 162, 169, 173, 181, 199f., 240, 247-254, 265, 261t., 273, 279, 414, 419, 452-454, 461 (vgl. Deutscher Bund) Bundeszentralinformationsbüro 99-102, 104-106, 119 Bundeszentralpolizeibehörde 102-106, 247-254, 262, 278, 454, 466 Bunyan, Tony 31 Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf v., österr. Außenmin. 134, 320, 325, 335, 337, 339 Burger, Carl, bad. Min.rat 116, 120f., 135, 214, 228f., 255, 257, 268, 270, 292, 409, 450f., 459, 464 Burghardt, Schuhmacher aus dem Harz, 149 Burgsdorff, Ludwig v., sächs. Pol.dir. 426 Burschenschaft(er) 26, 80, 98, 165, 181, 194, 199, 214, 263, 275, 448, 461; Allg. Deutsche - 73, 77 Busch, Rüdiger 59f. Bußmann, Walter 302 Butzbach 93
Camerer, württ. Oberreg.rat 442-447 Camphausen, Ludolf, preuß. Bevollmächtigter bei der Prov. Zentralgewalt 237 Canitz und Dallwitz, Carl Wilhelm Ernst Frhr. v., preuß. Außenmin. 108f., 112, 115, 119, 121f., 202 Carl, preuß. Prinz 194 Carlowitz, Georg Heinrich v., sächs. Amthauptmann 426 Carlowitz, Karl Adolf v., preuß. Generalleutnant 156 Caron, Pierre 30 Caspar, Carl Ernst Heinrich, preuß. Pol.rat 255, 257, 259f., 360f., 371 Celle 401f., 406, 409 Cendrowicz, Paul, Agent d. MIB 166f. Central-Polizei-Blatt, Wien 271, 323, 448 (vgl. Fahndungsblätter) Cetti, Ferdinand, bad. Stabsquartiermeister 458
Chemnitz 182, 287, 426 Chemnitzer Tagesblatt 292 Chrimar, v., bayer. Pol.dir. 52f. Cincinnati/USA 239 Clausthal 401f. Cleve, braunschweig. Pol.dir. 415, 426 Cobb, Richard Charles 30 Coburg 217, 280, 299, 418, 426 Colloredo-Waldsee, Franz de Paula Graf v., österr. Gesandter, auch am BT 101, 105, 171, 173 Die Communisten-Verschwörungen des 19. Jh.s (Wermuth/Stieber) 18, 20, 247 (vgl. >Kommunistendie Demokratie< 1, 26, 111, 179, 196, 231, 240f., 248f., 271, 301, 343, 345, 351, 361, 374f., 378, 384, 397, 401, 409, 411, 415, 467 (vgl. Vereine, demokr.) Den Haag 158 Dennstedt, Hermann 13 Dessau 426-428 Deutsche Allgemeine Zeitung, Leipzig 288 Der Deutsche Polizeibeamte 6 Deutsche Post 219 Deutsche Reichs-Zeitung, Braunschweig 235, 283f., 286, 290 Deutscher Bund 28, 31, 57, 72, 94, 96, 107f., 122, 148, 252, 336, 466 (vgl. Bundesversammlung) Deutscher Nationalverein (1859) 32, 263, 273f., 299-301, 402, 411, 428, 466 Deutscher Reformverein (1862) 32 Deutscher Volksverein, Paris 145 Deutsches Reich (1871) 5, 26, 32, 467 Deutschkatholiken l l l f . , 244f., 263, 461 Dickens, Charles 379, 463 Dieppe, Chef des Erfurter Postbüros 65 Dieterle, C., 227 Dietsch, Carl Theodor, sächs. Stadtrat, Mitgl. d. FNV 421 Diezel, Gustav, württ. Publizist 344, 415f. Dinkelsbühl 50 diplomatischer Weg (statt direkter Polizeikontakte) 89, 114f., 122, 155, 214, 242, 245, 249, 259f., 268, 275, 281, 290f., 295f., 304, 335, 418, 420, 431f., 441, 444, 446, 454f., 459, 463 (vgl. Gesandtschaften) Dirrigl, Michael 429 Dispositionsfonds, geheimer polizeilicher 32, 34, 39f., 66, 107, 124, 134, 152, 307, 463; bayer. 213, 218; hannov. 399, 404, 408, 410; österr. 46, 126, 131, 323, 330; MIB 141, 146f., 150, 166, 171f.; preuß. 69, 158, 160, 188, 192, 297f., 347, 357, 360, 364, 408; württ. 447 Dittmann, Buchdrucker 360 Dittrich, preuß. Pol.kommissar 337 Doeberl, Max 48, 51, 56, 212 Doelitzsch, Arthur, Advokat 236 Dönhoff, August Graf v., preuß. BT.gesandter 109, 112-115, 117-122 Döring, Grundbesitzer 194 Dörnberg, Wilhelm Frhr. v., kurhess. Offizier 59 Dörzbach 147f.
508
Dohna-Schlobitten, Friedrich Ferdinand Alexander Graf zu, preuß. Innenmin. 64, 66 Domeier, Wilhelm Theodor, hannov. Pol. rat 402, 410, 413 Donaueschingen 217 Dorf-Zeitung, Hildburghausen 97, 278 Dowe, Dieter 247 Drechsel, Karl Joseph Frhr. v., bayer. Generalpostdir. 50, 53-56 Dresden 8, 20, 22, 95, 122, 167, 209, 221, 242, 257-259, 270f., 273, 276-278, 283, 285, 287, 294, 302, 307, 333, 420-422, 426, 428, 431, 433f., 437, 439-442, 453, 465; Mairevolution (1849) 407, 420f. Dresdner Journal 274, 278, 284, 286, 292f., 411 Dresler, Heinrich Adolph, nass. Hofkommissär 151-154, 463 Drittes Reich (1933) 7, 10 Dronke, Ernst, Publizist 17, 344 Droysen, Johann Gustav, Historiker 39 Druckschriften s. Publizistik Dubois, Platzobristleutnant in Mainz 141 Düding, Dieter 110 Düring, Julius, Münchner Pol.dir. 255-257, 276, 280, 289, 296, 421 Dürkheim 217 Düsseldorf 177, 180, 344, 391f. Düsseldorfer Abendblatt, 180 Dufraisse, Roger 60 Dulon, Rudolph, Bremer Geistlicher u. Wortführer der Freien Gemeinden 244-248, 415 Duncker, Friedrich Wilhelm August Christian Nicolaus, preuß. Pol.dir. 157f., 340f., 372f., 375, 381, 384 Duncker, Maximilian Wolfgang, Historiker, Redakteur 19 Dungern, Emil August Frhr. v., nass. Staatsmin. 115, 122 Durutte, Joseph Francois comte, franz. General 68 Dusch, Alexander v., bad. Außenmin. I l l , 114-119, 121f. Duve, C., hannov. Pol.kontrolleur 406 Duvernoy, Gustav v., württ. Innenmin. 229, 439
Eberhardt, preuß. Pol.revierkommissarius 64f. Eberhardt, Friedrich, sächs. Reg.rat 20, 22, 116, 137, 209, 214, 230, 242, 244,
246, 249, 255, 257-259, 271, 277f., 2 8 0 - 282, 284, 304, 341, 389f., 416-425, 427f., 431-434, 439 - 442, 444, 448, 453-455, 464 Ebersdorf 425f., 428 Ebner, Hermann Friedrich Georg (Deckname: Lichtweiß), Journalist, Agent d. MIB 152f., 166-169, 172, 311, 370, 465 Eckermann, Johann Peter, Goethes Sekretär 190 Eggeling, hannov. Pol.Inspektor 407, 421 Ehrenbreitstein 160 Eichelb (?) (Deckname: Dr. Berg), Agent d. MIB 166f. Eichhoff, Wilhelm, Journalist 19f., 275, 345 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich, preuß. Kammerger. rat 38 Eichmann, Franz August v., preuß. Kammerger.rat, Mitgl. d. FZUB, später Innenmin. 342 Eigenbrodt, Reinhard Carl Theodor, hess. Min.rat, Bevollmächtigter bei d. Prov. Zentralgewalt 225, 233, 237, 240 Eigendynamik, polizeil., Verselbständigung 296, 298f., 393f., 462 Eisenach 257f., 276, 294, 296, 426 Eisenbahn, -Überwachung 113, 238, 264, 270, 340-342, 349, 363, 376, 388, 403, 449 (vgl. Mobilität) Eisenmann, Johann Gottfried, Dr. med., Publizist 217 Ekelberg (Engelberg), Schneider aus Hamburg 149 Elberfeld 391 Elbing 391f., 396f. Ellwangen 449 Elsaß 81, 94, 152, 167f., 239, 409, 451 Emde, Heiner 7 Emden 401f. Emerson, Donald E. 29 Emigration, Exil, Emigranten 16f., 22, 26, 33, 118, 128f., 133f., 145, 150, 167f., 263, 315, 374, 376, 409f., 451 (vgl. Emissäre / Flüchtlinge / London) Emissäre (der >RevolutionAdministrateur de la sürete publique< 262, 426 Höchst 154 Hoefer, Frank Thomas 138 Höhn, Reinhard 26 Homberg, Walter 75 Hoermann v. Hörbach, Joseph Ritter v., bayer. Min.rat, Mitgl. d. MZUK 83, 86 Hof 54 Hoff, Heinrich, Verleger 96, 111 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich, Dichter 412f. Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus, preuß. Kammerger.rat u. Dichter 184-186 Hoffmannscher Bund (1814/15) 359 Hofrichter, Erdmann Johannes August, preuß. Pol.dir. 116, 342, 359, 386, 388, 464 Hohenthal, Carl Adolph Graf v., sächs. Gesandter 268 Holldack, Heinz Georg 421 Holstein 91, 167, 209, 426 Holzhausen, Friedrich v., homburg. Geheimrat 225 Homburg, Landgrafschaft 113, 225f. Homeyer, preuß. Staatsanwalt 255, 257, 272, 288f., 298f., 357, 361f., 366 Hopfgarten, mecklenb. Gesandter 261 Hornung, Johann, Sektionschef d. OPB 323 Horväth, Michael, ungar. Bischof, Revolutionär 340 Household Words, London 379 Hroch, Miroslaw 93 Hubatsch, Walther 38, 186, 342 Huber, Ernst Rudolf 17f„ 24, 28, 31f., 48, 61, 72-75, 87f., 93, 95, 111, 174f., 186, 1991, 211, 215, 218, 221, 224f., 253, 297-300, 318, 342, 345, 357, 363, 375, 387, 421, 450, 467 Hübner, Joseph Alexander Graf v., Diplomat, dann österr. Pol.min 320 Hügel, Clemens Wenzel Frhr. v., österr. Gesandter 132 Hühnermund, preuß. Pol.kommissar 377 514
Hühnerwadel, Rentamtsgehilfe, bad. Agent 386 Hug (Pseud.) s. Neigebaur Hundt-Radowsky, Hartwig, Schriftsteller 131f. Hunoltstein, Carl Frhr. v., bad. Oberamtmann 451 Huntelen, Jürgen Conrad v., Bremer Pol.kommissar 410
Ibell, Karl v., nass. Reg.präs. 72, 79, 463 Illaire, Ernst Emil, preuß. Geh. Kabinettsrat 353 Illertissen 213 Illyrien 54 Ilse, Leopold Friedrich 76, 165 Indiskretionen, polit.-polizeil. 15-26, 261, 270-279, 287f., 290, 337, 427 (vgl. Geheimhaltung / Öffentlichkeit) Informationsbüro s. Mainz »innere Sicherheit 32, 43f., 47, 66, 72, 88, 112, 119, 177 »innerer Feind< 1, 4, 32, 44f., 49, 61, 69, 71, 77, 128, 156, 374f., 460 Innsbruck 50, 54, 314 Innviertel 49 Institutionalisierung, polit.-polizeil. 18, 20, 35, 38, 45, 47, 56, 62, 81, 91, 103, 117, 123, 140, 187, 197f., 213f., 265 -270, 321, 330f., 356, 361, 370, 388f., 400, 402, 408, 416-418, 422, 437, 445-447, 456, 460, 462, 465, 468 (vgl. Bürobildung / Konzentration) Instruktionen, polit.-polizeil., Joseph II. (1786) 43; Montgelas (1812) 55; Hardenberg (1812) 69, 78; Metternich (1815) 128; (1819) 79-81; Oettingen-Wallerstein (1833) 217 Intelligenzblatt, Bingen 110 Interzepte 41, 125, 127f., 159, 269, 325 (vgl. Briefüberwachung) Isis, Jena 58, 81, 180 Italien(er) 54, 79, 84, 112, 123, 150, 153, 167, 263, 306, 310, 322, 326f., 336, 351, 386, 450; Krieg (1859) 263, 466 Itzstein, Johann Adam v., bad. Hofger.rat, demokr. Parlamentarier Mitgl. d. FNV 153, 157 Jacoby, Franz Carl (Joel), Journalist, Literat, preuß Agent, Leiter d. Berliner Druckschriftenbüros 344, 347, 364-366, 369-371, 464f.
Jäger, Georg 365f. Jahn, Friedrich Ludwig, Propagandist d. Turnbewegung 80, 110, 182, 184, 190 Jakobiner 45 Janke, Johann Ernst Theodor, preuß. Hofrat, Expedient im Büro Hardenbergs 70 Jantke, Carl 196 Jaup, Karl Heinrich, hess.-darmst. Innenmin. 232-234 Jena 62, 73, 77, 129, 181f., 275, 428; Schlacht (1806) 2, 46 Jenaische Allg. Literatur-Zeitung 81 Jeröme Bonaparte, westfäl. Kg. 21, 60, 204 Jeserich, Kurt G. Α. 1 Jochmus v. Cotignola, August Frhr. v., Reichsaußenmin. (1849) 239 Johannesbrüder 263 Jordan, Sylvester, Jurist u. Politiker 225 Joseph IL, deutscher Ks. 29, 31, 41-48, 78, 170, 460 Journal de Francfort 167, 173 Journalisten 165f., 168, 307 (vgl. Presse / Publizistik) Jünglingsbund 85 Jung, Carl Christoph, Dr. med. 182 Junges Deutschland< (Handwerker) 26, 98, 145, 147, 149, 168, 194, 214, 461 >Junges Deutschland< (Literaten) 26, 75, 222, 461 >Junges Europa< 145, 153 Justiz u. Polizei 18-20, 25, 56f., 69, 75f., 78f., 83-85, 95f., 98, 102, 104, 106, 111, 143f., 162, 182-191, 198, 206, 251, 262, 311, 322f., 363, 366, 368f., 374, 377, 380, 382, 384f. (vgl. Schuldproblematik / Strafjustiz / Verbrechen)
Kaiserslautern 217 Kaisheim/Bay. 280, 291 Kalchberg, österr. Pol.kommissär 131 Kampffmeyer, Paul 24f. Kamptz, Carl Georg Ernst Albert Ludwig v., preuß. Geschäftsträger 245, 269 Kamptz, Karl Albert Heinrich v., Dir. im Pol.min., dann preuß. Justizmin. 103f., 161, 176, 178f., 181-183, 186f., 189, 191, 194-196 Kant, Immanuel 11 Kanzog, Klaus 75 Karl V., deutscher Ks. 53 Karl X., franz. Kg. 125
Karl August, weimar. Ghg. 125 Karlsbader Beschlüsse (1819) 73, 76, 78, 111, 125, 129, 180, 183, 215, 285 (vgl. Bundesrecht) Karlsruhe 95, 114, 116, 120, 214, 217, 229, 257f., 272f., 292, 300, 303, 377-379, 409, 426, 439, 450-452, 454f., 457f. Kaschau 314 Kassel 58-60, 95, 414, 425-428 Katholizismus, polit. 27, 124, 151, 467 Katte, Friedrich Karl v., preuß. Leutnant 59 Kaufleute 55, 197, 358 Kautsky, Karl 25 Kayser, schwarzburg. Reg.rat 420 Kayser, Ferdinand, preuß. Pol.rat 182, 185, 187 Kazbunda, Karel 30, 137, 305, 320f., 324f. Kehl 217, 451 Kelchner, Ernst 219 Kelchner, Johann Andreas, preuß. Legationskanzlist 159, 219 Keller, Hans Gustav 109 Kempen v. Fichtenstamm, Johann Frhr., österr. Feldmarschalleutnant, Chef d. OPB u. d. Gendarmerie 30, 134, 140, 145, 154, 174, 256, 290f., 294-296, 308f., 312, 315-331, 333-340, 388f., 403, 463 Kempf, Wilhelm, Apothekergehilfe, Revolutionär 149 Kempten/Bay. 53 Kern, Franz, bad. Stadtdir. 120 Kessler, Dr., Mitgl. d. Frankf. Pol.amts 226, 229 Kiel 419 Kinkel, Gottfried, Kunst- u. Kulturhistoriker, Publizist 17, 245, 263, 344, 371, 373f. Kinnaird, Douglas James William Lord 58 Kircheisen, Friedrich Leopold ν., preuß. Justizmin. 181, 183, 185f., 189 Kirstein, Johann Ludwig, preuß. Bürgermeister 176 Kissel, Friedrich, nass. Amtmann 110 Klagenfurt 314 Klausenburg 314 Klein, Magdalena 9 Kleinschmidt, Arthur 59f. Kleinstaaten 33, 252, 262, 285, 427f. Kleist-Retzow, Hans Hugo v., preuß. Oberpräs. 413 Kleudgen, Friedrich Frhr. v., bayer. Oberpostmeister 54, 56, 143, 220 515
Klindworth, Dr. jur. Georg, hannov. Staatsrat, diplomat. Doppelagent 347 Klingmann, hannov. Gesandtschaftssekretär 410 Klitsch, Agent d. MIB 166f. Knaack, Rudolf 26, 360, 365, 468 Knemeyer, Franz-Ludwig 9 Koblenz 17, 160, 391f., 396 Kocka, Jürgen 37 Köln 17f., 185, 194, 237, 247, 264, 307, 368, 371, 374, 377, 379f., 391f., 396 (vgl. Kommunistenprozeß) Kölnische Zeitung 17, 267, 274, 283 König, Emil 128, 219 Königgrätz (Schlacht 1866) 304 Königsberg 62, 64, 193, 242, 368, 391f., 397 Königstein 110 Könneritz, Eduard v., sächs. Kreisdir. 426 Könneritz, Rudolph v., sächs. Gesandter 290 Koerner, Ernst Adolph, sächs. Geh. Reg.rat, Leiter d. polit. Polizei 1, 214, 255 - 257, 260, 265, 268-270, 272, 275 - 2 8 1 , 286- 290, 292-295, 298-304, 368, 416-418, 421, 423, 425, 427, 441 Kothen 294f. Kötzschke, Richard 8 Kohl, Willy 58f. Kohlrausch, Otto, Dr. med. 199 Kohlschmidt, Werner 75 Kolberg 68 Kollaczek, Adolph, österr. Publizist 439 Koller, hannov. Gesandter 335 Kommissorien (geheimpoliz. Spezialaufträge) 188, 194, 214, 217f., 350, 378, 462 >Kommunisten< 22, 230, 234, 461 Kommunistenprozeß Köln (1852) 17-19, 374, 379f. (vgl. >Bund der Kommunisten / >Communisten-VerschwörungenLichtfreunde< l l l f . , 461 Lichtweiß (Deckname) s. Ebner 517
Lieber, Franz, >DemagogeZentralkomitee< 245, 248, 263, 272, 312, 448, 452 (vgl. Emigration / Flüchtlinge) Lorenz, Dr. (Deckname) s. Fischer, W. Lottum, Karl Friedrich Heinrich Graf v. Wylich u., preuß. Kabinettsmin. 191, 193f. Louis Philippe, franz. Kg. 119, 153; Attentat (28. 7. 1835) 102 Luckner, Graf, Vorsitzender d. preuß. >Treubunds< 359 Ludwig I., bayer. Kg. 56, 88, 99, 105f., 118, 157, 211, 213f., 218, 428f. Ludwig II., bayer. Kg. 430 Ludwig, nass. Hg. 48 Ludwig XIV., franz. Kg. 41 Ludwig Napoleon, holländ. Kg. 125 Ludwigsburg 130, 134, 449 Ludz, Peter Christian 175
518
Lübeck 96, 209, 259 Lüdemann, Wilhelm Ernst, preuß. Oberreg.rat 62, 116, 344, 355f., 359, 366, 369, 371f., 375, 381 Lüdtke, Alf 9, 14, 388 Lüning, Otto, Arzt, Publizist 344 Lützowsches Freikorps 80 Luxemburg 155f. Luzern 217 Lynder, Frank 31 Lyon 167, 307
Machin, Howard 30 Madrid 63 Mähren 310 Männerbund 85, 98, 148f., 461 Magdeburg 186, 368, 377, 391f„ 396f. Magdeburg, Wilhelm, nass. Reg.dir. 154 Maier, Hans 8 Mailand 314, 326f., 331, 339 - Aufstand (6. 2. 1853) 326-328, 337, 339, 351, 385f., 388f. Mainz 22, 25, 68, 94f., 110, 167, 188, 209, 233, 344, 426-428 - Bundesfestung 106, 136, 140, 144, 146, 154-161 - Informationsbüro (MIB 1833-48) 29f., 34, 56, 81, 86, 97, 104, 107, 112, 114f., 126, 131-174, 196, 212, 241, 244, 254, 265, 269f., 273, 307, 311f., 331, 364, 377, 460, 462f. - Zentraluntersuchungskommission (MZUK 1819-28) 6, 15f., 27, 34, 73, 76-86, 95-97, 100, 106, 112, 118, 129, 136, 171, 176, 179, 182, 185f., 188f., 197f., 211, 235, 240, 279f., 285, 428, 465 Mainzer Zeitung 81, 167, 233 Majer, Emil (1851:) Ritter v., Stuttgarter Stadtdir. 255, 257, 292, 296, 415, 420, 426, 440-448, 451, 453, 464 Majer, Werner 445 Maitz, Karl, Sektionschef d. OBP 322, 334 Malzen, Konrad Adolf Frhr. v., bayer. Gesandter 433f. Mannheim 96, 110f., 113, 119, 121, 167, 182, 217, 451, 457 Mannsdorf (Pseud.) s. Neigebaur Manteuffel, Georg August Ernst Frhr. v., sächs. BT.gesandter 91 Manteuffel, Karl Otto, preuß. Unterstaatssekretär 348, 351, 353, 393
Manteuffel, Otto Theodor Frhr. v., preuß. Innenmin., dann Min.präs. 18f., 126, 243, 245f., 248f., 252f., 262, 296-298, 337, 341-343, 345-351, 353, 355, 369, 372, 374, 384, 399, 433f. Marburg 146, 344 Maret, Hugues Fernard (1809:) due de Bassano, franz. Außenmin. 71 Marienbad/Böhmen 125 Marogna, Maximilian Graf v., bayer. Geschäftsträger beim BT 214 Maros-Vasärhely 314 Marschall v. Bieberstein, Adolph Frhr., bad. Innenmin. 378, 452, 456f. Marschall zu Bieberstein, Ernst Franz Ludwig Frhr. v., nass, dirig. Staatsmin. 82 Marseille 167 Martens, Wolfgang 9 Martin, preuß. Agent 177 Marx, Julius 123, 125f. Marx, Karl, Kommunist 16, 18, 169, 263, 326, 379 Mathis, Ludwig Emil, preuß. Min.dir. 267 Mathy, altenburg. Gendarmeriechef 426 Matsch, Erwin 126, 325 Matthias, J. F. 19 Maucler, Eugen Frhr. v., württ. Kabinettschef 439, 443, 448 Maurer, schwarzburg. Landrat 428 Maximilian I., deutscher Ks. 41 Maximilian I. Joseph, bayer. Kg. 53 Maximilian II. Joseph, bayer. Kg. 48, 252, 429f., 432, 434 Mayer, Hans 14 Mayer, Thomas Michael 94, 149, 165, 216 Mayne, Richard, Londoner Pol.chef 377 Mayr, Josef Karl 29f., 127, 174, 291, 317 Mazohl-Wallnig, Brigitte 326f. Mazzini, Giuseppe, ital. Revolutionär 147, 167, 264, 272, 297, 314, 326, 337, 385, 446, 448 Mecklenburg, -Schwerin, -Strelitz 96, 209, 228, 249, 252, 259, 261, 426 Meding, Oskar 403f. Meier, Ernst v. 206 Meiningen 217, 425f. Meinungen 217 Melcher, Kurt 6 Memmingen 50 Mendelssohn-Bartholdy, Karl 219 Mengershausen, v., hannov. Amtsassessor 210
Mensdorff-Pouilly, Emanuel Graf v., österr. Feldmarschalleutnant 140f., 144, 156 Menßhengen, Ferdinand Frhr. v., österr. BT.gesandter 109, 122, 171, 244, 311 Mergentheim 415 Merker, Johann Friedrich Ludwig, preuß. Pol.rat 209 Merseburg 343, 372, 389, 426, 464 Merveld, Graf, österr. Rittmeister 140 Meseritz, v., preuß. Offizier 153 Metternich-Winneburg, Clemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst v., österr. Staatskanzler 6, 10, 27-29, 34, 37, 56, 70f., 76-80, 82, 86-88, 94f., 97, 99-109, 112, 119, 122f., 125-128, 130-137, 139, 142-150, 154f., 157f., 160, 162-165, 168-171, 173, 179, 183, 193, 196, 211, 219, 252, 270, 312, 332, 364, 370, 409, 463-466 Metternich, Germain, hess.-darmst. Leutnant, Revolutionär 110, 343 Metz 158 Meyen, Eduard, Publizist 343 Meyn, Matthias 75 Meysenbug, Wilhelm Frhr. Rivalier ν., bad. Gesandter, dann Außenmin. 261, 268, 455-457 Mierse, Christian, preuß. Feldwebel a. D. 187 Militär 43, 48, 55, 67, 99, 106, 122, 146, 174, 248, 321, 327, 358, 463, 465; u. Polizei 14, 90, 92, 127, 388f., 400, 419, 458; u. revolutionäre Bewegungen 181, 211, 220, 224, 233f., 238, 245f., 306, 386-389, 405f., 450; u. Spionage 156 (vgl. Mainz, Bundesfestung) Militär-Zentral-Untersuchungskommission (Wien 1849) 306, 310 Minden/Westf. 193, 391-393, 396f. Ministerialkommissionen, polit.-polizeil. 161, 462 - bayer. (1833) 216 - preuß. I (1819-28) 79, 92, 182-192, 363, 466 - preuß. II (1833-^0) 99-101, 103f., 162, 190-196, 363, 466 - württ. (1833) 216 (vgl. Zentralinformationskomitee Wien) Minutoli, Dr. Julius Frhr. v., Berliner Pol.präs. 341f. Miquel, Dr. Johannes v., Jurastudent, Revolutionär, später preuß. Min. 404
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Mittelstaaten, deutsche 115, 119, 154, 161, 197, 214, 217, 252, 254, 264, 267, 330, 365, 427, 461f. Mittheilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege, Berlin 209 (vgl. Fahndungsblätter) Mobilität 4, 113, 118, 130, 146, 349f., 381f. (vgl. Eisenbahn / Fremdenkontrolle) >Modernisierung< 3, 5, 48, 59-61, 84, 460 Moser, Justus, Historiker, Staatsmann 297 Mohl, Robert (1871:) v., Reichsjustizmin. (1848/49) 8f., 226, 236-238, 240 Mohr, Dr. jur. Martin Johann, Kreisger, präs., Mitg. d. FNV 343 Mohr, Wolfgang 75 Moleschott, Jacob, Privatdozent 263 Molitor, Hansgeorg 58 monarchisches Prinzip 2, 48, 76, 212, 216, 266, 354, 463 (vgl. Politikmonopol) Monas, Sidney 30 Moniteur, Kassel 59 Montgelas, Maximilian Joseph (1809:) Graf v., bayer. dirig. Staatsmin. 47-57, 61, 127, 143, 211, 218, 220 Morstein Marx, Fritz 35 Moser, Baron v., preuß. Agent 65 Mosse, Rudolf, Verleger 23 Müffling, Friedrich Karl Frhr. v., preuß. Generalstabschef 156 Müffling, Wilhelm Frhr. v., preuß. General 144, 146, 156-161 Mühlenfels, v., Oberlandesger.präs., Reichskommissar (1848) 236 Mühlenfels, Ludwig v., >Demagoge< 189f. Mühler, Heinrich Gottlob v., preuß. Justizmin. 103, 190-192, 194f. Mühlholz, Carl v., bayer. Postmeister 52, 54 Müller, Adam, Staatstheoretiker, österr. Generalkonsul 128 Müller, Arthur, Jurist 74 Müller, Heinrich Ferdinand, sächs. Kreisdir. 423, 426 Müller, Hermann, sächs. Pol.rat 1, 241, 274, 280-282, 285-287, 289-292 (vgl. Anzeiger f . d. pol. Polizei) Müller, Karl Alexander v. 27, 129 Müller, Karl Arthur (Pseud: Vandermeulen), Volksschriftsteller, Publizist 20, 275, 277-279, 293 Münch, Paul 1 Münch-Bellinghausen, Joachim (1841:) Graf v., österr. BT.gesandter 91, 94,
520
103f., 114, 141, 143f., 147, 153, 156, 158, 244 München 50-52, 54, 68, 88, 95, 121, 127, 167, 173, 211, 213, 215, 217, 219, 257f., 275, 292, 314, 333, 429, 434-439, 441f., 444-446, 465 Münchhausen, Alexander Frhr. v. hannov. Kammerrat, dann Außenmin. 206, 433 Münnerstadt 217 Münsingen 447 Münster/Westf. 68 Münster-Ledenburg, Ernst Friedrich Herbert Graf v., hannov. Staatsmin. 82 Murat, Joachim, Ghg. v. Berg 177 Nachrichtenaustausch, polit.-polizeil. 90f., 96, 113f., 116, 201, 216, 258f., 261 (vgl. Fahndungsblätter / Polizeiverein v. 1851, Wochenberichte) Nagler, Karl Ferdinand Friedrich (1823:) v., preuß. Generalpostmeister u. BT.gesandter 63f., 66, 88, 91, 114, 128, 159, 161, 219 Namenlisten s. Personenverzeichnisse Napoleon I., franz. Ks. napoleon. Ära 2f., 11, 22, 30f., 41, 46, 52, 54, 57, 59f., 63, 67, 72, 125, 176f., 213, 460 (vgl. Fouchi) Napoleon III., franz. Ks. 30, 32, 135, 297, 345f., 385-387, 450, 463 - Attentat (14.1. 1858) 83, 297, 385, 450 Narding (Deckname) s. Binder, W. Narr, Wolf-Dieter 5 Nassau, Hg.tum 33, 79, 82, 91, 96, 110, 113, 115f., 122, 138, 146, 150-154, 171, 218, 225f., 231, 259, 262, 300, 426, 428 Nassau/Württ. 415 Nathan, Paul 22 Nationalbewegung, deutsche 20f., 56, 107, 109-111, 124, 299, 466 (vgl. Deutscher Nationalverein) Nationalversammlungen s. Berlin / Frankfurt National-Zeitung, Berlin 274, 292 Nau, Bernhard Sebastian v., bayer. Hofrat, Kommissär bei d. Rheinschiffahrtskommission in Mainz 143, 157 Naujoks, Eberhard 16, 75 Nazarener 263 Neigebaur, Johann Daniel Ferdinand 16 Neoabsolutismus (1849ff.) 30, 316, 318f., 331, 346, 464 (vgl. Kryptoabsolutismus) Neuberg, österr. Offizier 140
Neubronn, Carl Frhr. v., bad. Stadtdir. 120f. »Neue Ära« (1858ff.) 15, 18, 268, 277, 297f., 300, 357, 362, 385, 399 Neue Bremer Zeitung 246 Neue Hannoversche Zeitung 292, 411 (vgl. Hannoversche Zeitung) Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung), Berlin 267, 273f., 278, 292, 384 Neuenburg/Schweiz 122 Neuenkirchen/Bay. 182 »Neuer Kurs< (1890ff.) 24 Neumarkt/Schles. 275 Neumayr, Max Ritter v., bayer. Innenmin. 256 Neurath, v., württ. Außenmin. 441-444 Neustadt/Haardt 87, 217, 234 Neuwied 413 New York Daily Tribune 326 Niebuhr, Barthold Georg, Historiker, Staatsmann 128 Niebuhr, Marcus Carsten Nikolaus (1857:) v., preuß. Reg.rat, Vertrauter Friedrich Wilhelms IV. 347-349, 352 Niederlande 41, 81 Niederrheinischer Courier 97 Nikolaus I., russ. Zar 30, 152, 316, 318 Nipperdey, Thomas 2 Noah, preuß. Oberreg.rat 298, 361, 363 Noe s. Nordberg Nötzli, Johann Kaspar, Zürcher. Kantonspol.hauptmann 292, 426 Nordberg, Karl (1833:) Edler Noe v., österr. Pol.kommissär, 1. Leiter des MIB (1833-41) 104, 132-134, 139-150, 152-154, 157f., 160f„ 164, 166, 171, 309, 311, 331, 465 Norddeutscher Bund (1867) 467 Norddeutschland 3, 49, 52, 59, 128, 244-248, 258, 262, 386, 399, 414-416 Norderney 411 Nothjung, Peter, Schneidergeselle, Emissär 247f., 379, 410, 452 Notstandssystem, preuß. 387-389 Novara 326 Nover, Lorenz, hess.-darmst. Pol.rat 84, 280, 292, 426, 428 Nürnberg 11, 50f., 54, 217, 219, 253, 280, 293, 344
Obenaus, Walter 28, 62-67, 182f., 345, 382 Oberhummer, Hermann 29, 123, 140, 147, 173, 377
Oberländer, Martin, sächs. Innenmin. 230 Obermann, Karl 93, 108 Ober-Postamts-Zeitung, Frankfurt/M. 97, 153, 167f. Oberste Polizeibehörde Wien (OPB) 30, 254, 260, 269, 290, 311, 315-331, 333-335, 338f., 354, 388, 460, 462 Oedenburg 314 Öffentlichkeit, öffentl. Meinung 2 - 4 , 7, 15-26, 31f., 34, 52f., 56f., 66, 80, 82, 107f., 110, 118, 161, 177-181, 185, 199, 201, 208, 21 lf., 234-237, 271-278, 281-284, 288f., 291, 293, 300, 305, 341, 360, 370f., 379, 400, 402-404, 406, 411, 419, 428, 447, 450, 453, 460 (vgl. Geheimhaltung / Indiskretionen / Stimmung, öffentl.) Öhlrich, hannov. Amtsassessor 402 Oehringen 229 Österreich 3, 9, 25, 27f., 30-33; (1786-1815:) 41-52, 54, 56, 58, 61, 66, 68, 70f., 86, 91, 103, 106-108, 112, 114, 116, 119; (1815-48:) 123-174, 216, 219, 227, 243, 245-248, 251-255, 257, 263f., 267, 269f., 273f., 278, 284, 290, 295f., 298, 300f.; (1848-66:) 305-340, 343, 355, 361, 365, 378f., 385, 426, 431, 433, 441, 444, 450, 454, 460, 464-466 Österr.-Schlesien 123 Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst zu, bayer. Innenmin. (1832-37), später Außenmin. (1847/48) 118f., 212-215, 217, 219-221 Offenburg 111, 121, 217 Offermann, Toni 18, 223, 243, 275, 431, 440 Offner, bayer. Postoffizial 53 Oggersheim 217 Ohlenroth, Prof. Fr., 276f. Oken, Lorenz, Jenenser Naturphilosoph 58, 180 Oldenburg 85, 95f., 209f., 259, 414 Olmütz, Punktation (1850) 243 Oppell, Hans Ludwig v., sächs. Pol.dir. 426 Opposition, -sbewegung 3, 22, 76, 80, 129f., 150, 199f., 249, 254, 263, 268, 281, 309, 369, 376, 388, 397, 452, 461, 467 Oppositionsblatt, Weimar 81 Ording, Arne 30 Ordnung, öffentliche 1, 9, 101, 105, 237, 256, 287, 294, 299, 304, 321, 328
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Orlow, Aleksej Feodorowitsch, Generaladjutant d. russ. Z a r e n , Chef d. russ. Geheimpolizei 316, 336 Orsini, Felice, italien. Attentäter 385, 450 (vgl. Napoleon III.) Osnabrück 199, 401f. Ost-Deutsche Post, Wien 284-286, 290 Ostende 210, 371 Oswald, Agent d. M I B 166f. O t r a n t e , due d' s. Fouche Ow-Wachendorf, Frhr. A . v., württ. Geschäftsträger 441-444
Paderborn 193 Palm, Johann Philipp, Buchhändler 11, 52 Palmerston, Viscount (Henry John Temple), engl. Premiermin. 377 P a p e , preuß. Hofger.rat 188 Paris 13, 22, 26, 96, 132f., 135, 145, 149, 152, 155, 158, 161, 167f., 210, 238, 263, 297, 306f., 326, 336f., 339, 341, 347, 351, 377, 380, 409f., 427, 443, 452; -er Polizei 53, 60 (vgl. Frankreich) Parteien, -bildung 3f., 31f., 52, 57, 84, 107, 128, 134, 263, 293, 370, 466f.; demokratische 245f., 248, 311, 388, 4 4 8 - 4 5 0 ; radikale 112f., 136, 138, 339f; revolutionäre 4, 129, 132, 142f., 145, 237, 243, 250, 280, 302, 327, 337, 386, 444, 446; regierungsfeindliche 296f., 362, 391, 444, 458 (vgl. >Umsturzpartei< / Verbindungen / Vereine) Partisanen 67f. Passau 50, 54 Paßwesen, -polizei, -kontrolle 66, 90, 146, 178, 197, 205f., 208, 220, 264, 277, 305, 321f., 329, 388, 391, 396, 413, 415, 422, 438, 465 (vgl. Fremdenwesen / Grenzkontrollen) Patzke, Carl J o h a n n , Chef d. Berliner Schutzmannschaft 288, 362, 371, 382f., 386, 388 Pauperismus 196 P a u p i i , Kurt 323, 325 Payne, H o w a r d C. 30 Pechlin, Friedrich Christian Ferdinand Frhr. v., holstein. BT.gesandter 91 Pergen, Johann A n t o n Graf v., österr. Pol.min, Präs. d. PHSt 42, 45 - 48, 58, 123f., 314, 324
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Personenkenntnis, polizeil. 195, 256, 307, 355, 369, 465 Personenverzeichnisse, Verfolgtenlisten 18, 43, 45, 63, 86, 90, 93, 97-99, 142, 209, 215, 256, 263, 310, 323, 328, 342f., 362, 396, 407, 421-424, 439, 451 (vgl. Datenaufnahme); Schwarzes Buch (Liste d. F Z U B ) 97f., 142, 198 (vgl. Anzeiger f . d. polit. Polizei) Perthaler, Johann Ritter v., österr. Landger.rat, Mitgl. d. F N V 308 Pestel, Philipp (1787:) v., preuß. Reg.präs. 177 Peter Friedrich Ludwig, Oldenburg. Hg., 85 Peters, Friedrich Wilhelm Ernst, preuß. Pol.dir. 242f., 355 Petersburg 194 Peterwardein 71 Petter, Wolfgang 155 Petzold, A . 76, 79, 81f., 84f. Pfälzer Wochenblatt 286 Pfalz 214, 234f., 424, 426, 431, 435 Pfeufer, Sigmund Heinrich, Münchner Pol.dir. 255 - 257, 292 Pfizer, Paul, Publizist u. Politiker 142 P f o r d t e n , Ludwig (1854:) Frhr. v. der, bayer. Min.präs. 220. 252f., 280f., 427, 431-433, 437, 439 Philadelphia Democrat 239 Phillipsberg, österr. Gesandter 454 Phönix, Frankfurt/M. 167 Pidoll zu Quintenbach, Franz Joseph v., bayer. Oberpostmeister 49 Piemont 327 (vgl. Sardinien) Pilgram, Johann Frhr. v., österr. Staatsrat, Vorsteher d. Justizabteilg. 108, 162 Pillersdorf, Franz Frhr. v., österr. Innenmin. 163, 170-172, 305, 309, 317 Pinkert, Ernst-Ullrich 7 Planck, Gottlieb, hannov. Oberger.assessor 413 Plat, Wolfgang 7 Platten (Deckname) s. Wedecke Pols, Werner 468 Pohl, Hans 1 Pohl, L., Pfarrer 359 Polen 153, 163, 194, 217, 263, 302, 306, 351, 386, 398, 467; Flüchtlinge 90, 152, 197 , 222; -vereine 94 Polisensky, Josef 93 Politikmonopol, staatl. 2f., 52, 175, 359, 461 (vgl. monarch. Prinzip) politisch Verfolgte s. Flüchtlinge
Polizei, Begriff 8 - 1 5 - >geheime< 12, 14f., 21, 38, 45f., 49f., 58, 64, 66, 69, 127, 175-180, 306, 316, 322, 369 (vgl. Geheimhaltung / Kommissorien) - >höhere*, >hohe< 10, 12, 47, 49, 57, 59, 66, 69, 71, 103, 126, 173, 177f., 180, 196, 267, 305, 309, 338 (vgl. Staatspolizei) - >politische< l f . , 12, 21, 24f., 34, 45, 103, 128, 179, 213, 256, 260f., 274, 278, 280, 298, 334f., 347-349, 352, 361, 390, 392, 394f., 433f., 436, 445, 456, 460, 466, 468 - städtische, lokale 10, 47, 62, 204-206, 249, 435f., 445; Berliner 62 (vgl. Berlin); hannov. 400f. (vgl. Pol.direktionen) Polizeidirektionen, hannov. 399-401; österr. 42, 313f., 321, 323f., 328-330; preuß. 366, 368, 385, 390-399 (vgl. Polizei, städt.) Polizeigeschichtl. Sammlung 1 Polizeihofstelle Wien (PHSt) 29, 42, 45f., 48, 101, 123-126, 131, 134, 147, 161f., 170f., 305, 317, 320, 323f., 460 Polizeikonferenzen s. Polizeiverein (1847 u. 1851) >Polizeistaat-system< 2, 19, 24, 235, 340f. Polizeistatistik 259f., 332, 356f., 417 Polizei verein, im Kgr. Westfalen (1809) 60 Polizei verein, südwestdeutscher (1832) 87-93, 453 Polizeiverein, südwestdeutscher (1847) 93, 108-122, 202, 225f., 229, 232f., 246f., 442; Konferenzen 113, 116-118 Polizeiverein (1851-66) 21, 28, 33f., 83, 93, 116f., 121, 135, 173, 208, 211, 230, 239, 242-304, 462, 464, 468; terminol. 266; u. Baden 386, 450-459; u. Bayern 430-438; u. Hannover 399f., 402, 408f., 412-416; u. Österreich 312-315, 322, 329, 333-340, 389; u. Preußen 351, 357, 361, 366, 379, 388; u. Sachsen 417, 420, 422f., 427; u. Württemberg 440-444 - Krisen (1852) 338f.; (1856-58) 258, 2 9 4 - 297; Auflösung (1859-66) 268, 274, 297-304 - Polizeikonferenzen 254-258 (Übersicht: 257), 272- 275, 278, 294-296, 298f., 302f., 325, 338f., 361f., 412, 423, 465; Protokolle 256, 362; 1. Dresden (9. 4. 1851) 246, 258f., 262, 270, 295, 315, 333, 389, 422, 424, 430, 433f., 453; 2. Dresden (13. 9. 1851) 250, 254, 336,
338f., 410, 442-444; 3. Berlin (1852) 360, 392, 455; 4. Wien (1852) 256, 258; 5. München (1852) 451; 6. Hannover (1853) 262, 339, 412; 7. Stuttgart (1853) 447; 8. Karlsruhe (1854) 403; 9. Berlin (1855) 447; 10. Dresden (1855) 294; 11. Eisenach (1856) 276, 296; 12. Wien (1857) 265, 297; 13. München (1858) 265; 14. Hannover (1859) 268, 270, 412; 15. Stuttgart (1860) 273f., 298-301, 466; 17. Dresden (1863) 260; 18. Karlsruhe (1864) 303; 20. Berlin (1866) 264, 303; hannov. rayonintern 401f.; sächs. rayonintern 428 - >Rayons< 258f., 276, 292, 295, 431, 433f.; u. Baden 458; u. Hannover 399f., 402, 412-416; u. Sachsen (Mitteldeutscher Polizeiverein) 116, 424-428, 431, 440, 444, 453 - Wochenberichte 113, 251, 259-261, 271-273, 275, 278, 295, 361, 379, 425, 437; aus Berlin 362, 366, 386; innerpreuß. 347, 350, 353, 361, 366, 385, 389-399, 417, 439; aus Dresden 422, 427 (vgl. Vertraul. polizeil. Mittheilungen)·, aus Hannover 402, 407, 414; aus Karlsruhe 457f.; aus München 436-439; aus Stuttgart 444, 448f.; aus Wien 314f., 335, 337f.; innerösterr. 313f. - Zeitungsprojekt 265-270, 403 Pont, Alphons Frhr. de, österr. Staatskanzleirat 162 Porbeck, Ludwig v., bad. Gesandter 118 Poschinger, Heinrich Ritter v. 374 Posen 157, 185, 351, 368, 391f., 397f. Postdebit 109, 263, 314 Postlogen, -kontrolle, -Überwachung 44, 48, 50, 54-56, 64, 67, 125, 127, 152, 159, 219, 322, 363, 461 (vgl. Briefüberwachung) Potsdam 340, 368 Prävention 12, 31, 37, 45, 79, 85, 96, 113, 200, 220, 231, 287, 295, 297, 301, 321f., 387-389, 430, 460, 462 (vgl. Revolutionsabwehr) Prag 68, 70f., 80, 124f., 270, 314, 426f. Pratobevera, Adolf Frhr. v., österr. Staatsratsoffizial, Mitgl. d. F Z U B 162f., 171 Press, Volker 2 Preß- (u. Vaterlands)vereine 87, 94, 98, 130, 194, 214, 218 Preßburg 49, 314 Presse, Wien 290
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Presse 3, 5, 16, 24, 73, 75, 80- 82, 87-89, 97, 101, 109, 111, 126, 165, 167, 172, 200, 202, 208, 234, 245, 248, 254, 262-264, 271, 274, 279, 309, 312-314, 316f., 321f., 345, 357, 400, 404, 428, 430, 438, 448, 461f. (vgl. Publizistik) Pressefreiheit 111, 129, 248, 283 Presselenkung, -politik, -büros 153, 264-270, 292, 297, 325, 365, 370, 403, 411f. Presserecht 75, 181, 357, 363, 367, 421 Pressezensur, -Überwachung, -kontrolle, -polizei 10, 24, 48, 59, 74f., 90, 92, 96, 109, l l l f . , 124, 126, 211, 213, 224, 233, 282-293, 323, 329, 344, 348, 353, 363-371, 409, 411, 416f., 435, 449 (vgl. Berlin, Pol.präs.-Druckschriftenbüro) Preuschen, Karl Frhr. v., hess.-darmst. Appellationsger.rat, Mitgl. d. MZUK u. FZUB 97 Preußen 2f., 5f., 9, 13-18, 20f., 28, 31-33, 37, 46, 50; (1806-12:) 61-71, 76f., 79f., 82, 91, 95f., 99-101, 103-109, 112, 114-116, 119, 126-128, 132, 135, 138, 151; u. MIB 154-161; (1815-48:) 174-196, 209, 213, 216, 219, 227, 242f., 245 - 247, 250-255, 257, 267f., 270, 272- 274, 279, 288, 294, 296-303, 315, 330, 335, 339; (1848-66:) 340-399, 402, 408, 410, 413, 417, 426, 450, 454f., 461f., 465f., 468 Preußische Staatszeitung 97 Preußische Zeitung, Berlin (Adlerzeitung) 274, 365 Preußischer Staats-Anzeiger, Berlin 365 Preysing, Carl Graf v., bayer. Generalkommissär 53 Price, Roger 30 Priesdorff, Kurt v. 156f. Professionalisierung 18, 36, 39, 86, 97, 135, 142, 165, 174, 208, 371, 409, 418, 465 Professoren, polit. 26, 52f., 80 Prokesch v. Osten, Anton Graf, österr. Gesandter in Berlin, dann am BT 246, 313, 336f., 384 »Propagandas revolut. 35, 109, 115, 131f., 142, 159, 165, 216f., 263, 301f., 327, 391, 451f. Provisorische Zentralgewalt (1848/49) 223 - 242, 407, 429, 439, 465 (vgl. Revolution 1848/49) Prozesse, polit. s. Strafjustiz Der Publicist, Berlin 273, 337
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Publizistik, Druckschriften 15-26, 28, 31, 46, 58, 96, 98, 107, 128, 134, 155, 169, 180f., 218, 313, 369, 391, 410, 414-416, 448 (vgl. Presse) Pustar, preuß. Pol.dir. 176 Puttkammer, Eugen v., Berliner Pol.präs., dann Oberpräs. 373, 397 Quarthai, Franz 2, 16 Querfurth 192 Radetzky, Johann Joseph Wenzel Graf v., österr. Feldmarschall 310, 336 >Radikalismus< 112f., 115, 118 (vgl. Parteien / Vereine / Umtriebe / >UmsturzparteiRädelsführerPropaganda< / Vereine / >Umtriebe< / Provisor. Zentralgewalt) Revolutionsabwehr 31, 117, 173, 297, 462 (vgl. Prävention) Revolutionserwartung, -gefahr, -prognose 77, 87, 138, 220, 238f., 262, 271, 289, 297, 306, 326f., 336-339, 346, 351, 385-387, 463 (vgl. Attentate / Komplott / Konspiration / Verschwörungen) Revolutionstrauma, -furcht 4, 72, 93, 212, 237-240, 243, 258, 463f. Rheinbund (1806) 10, 50, 57, 63, 71
Rheinfelden 386 Rheinische Blätter, Wiesbaden 81 Rheinischer Beobachter, Köln 110 Rheinischer Postilion, Mannheim 167 Rheinkrise (1840) 107, 295 Rhein-Main-Gebiet 57, 91, 94, 110, 114f., 136, 138, 141, 146f., 151f., 155-159, 167, 169f., 176f., 194, 214, 234, 245, 288, 380f., 393, 425 Rhein- und Main-Zeitung 97 Rhodor, E., Agent d. MIB 166f. Ribbeck, preuß. Reg.rat 267 Riedel, Dr. Karl, Advokat, Publizist 231 Riegel, preuß. angebl. Attentäter 377 Riegel, Joseph, bad. Stadtdir. 121 Riemenschneider, Friedrich, hannov. Amtsassessor 402 Ringenberg 176 >Risorgimento< 326 Rochau, August Ludwig v., Burschenschafter, Publizist 98 Rocholz (Pseud.) s. Neigebaur Rochow, Gustav Adolf Rochus Graf v., preuß. Innenmin. 103, 159-161, 194f., 344 Röder, Julius v., schwarzburg. Reg.rat 426 Roediger, Dr. phil. Georg Ludwig, Burschenschafter, Gymnasiallehrer 182 Rönne, Friedrich Ludwig v., Reichsgesandter (1848/49) 239 Rönne, Ludwig Peter Moritz v. 14 Roese, Gemeindevorsteher in Eisenach 426 Rösing, Johannes, Kaufmann 247 Roessler, Albert v., nass. Pol.dir. 292, 426 Rößler, Albert, österr. Agent 306 Rom 355 Ronge, Johannes, deutschkathol. Kaplan 343f. Rose, preuß. Pol.Inspektor 393 Rosenkranz, Dr. Wilhelm, bayer. Kanzleisekretär 213 Roßhirt, Konrad Franz 11 Roßmäßler, Emil Adolph, naturwiss. Publizist, Mitgl. d. FNV 263 Rostock 228, 355 Rother, Dominic, österr. Hofsekretär bei d. PHSt 78, 129, 162, 171f. Rotteck, Karl Wenzeslaus v., Staatswissenschaftler, Parlamentarier 466 Rotterdam 146 Ruckhäberle, Hans-Joachim 137 Rudhart, Franz Michael, bayer. Pol.Sekretär 438
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Rudolph, preuß. Pol.registrator 361 Rudolstadt 425f., 428 Rückert, Joachim 35 Rüdt v. Collenberg-Bödigheim, Ludwig Frhr., bad. Legationsrat, Gesandter, dann Außenmin. 89, 93, 119, 261, 453f., 456-458 Rüppell, Carl Wilhelm Ferdinand Eduard, hannov. Pol.rat 402 Rüge, Arnold, Publizist, Politiker 263, 410 Ruhe, Sicherheit u. Ordnung d. Staates 49, 66, 90f., 105, 122, 215, 281, 419, 422, 435, 444, 452f., 458 (vgl. Ordnung) Rumann, Wilhelm, hannov. Hof- u. Kanzleirat 197 Runkel, Eduard Justus v., preuß. Landrat 413 Rupieper, Hermann-Joseph 28, 38 Ruske, Helmut 375 Rußland 30, 67, 71, 302, 316, 426, 466
Saarbrücken 158 Sacher-Masoch, Leopold Ritter v., Prager Pol.dir. 426 Sachse, weimar. Bezirksdir. 428 Sachsen, Kg.reich 1, 21, 33, 50, 71, 91, 96, 115f., 128, 209, 221f„ 230, 243, 251f., 254-257, 264- 266, 268, 272- 276, 278-294, 296, 298, 304, 335, 343, 361, 378, 389, 402, 416-428, 433, 440, 454, 458 Sachsen, preuß. Provinz 245 Sachsen-Altenburg 96, 227, 235- 237 Sachsen-Coburg-Gotha 96 Sachsen-Meiningen 96 Sachsen-Weimar 96, 262 Sachsenhausen 154 Sächsische constitutionelle Zeitung, Dresden 278 Sächsischer Postilion 292 Sächsisches Gendarmerie-Blatt 209 Saeger, Carl Wilhelm Ferdinand, Leiter d. Berliner Einwohnermeldeamts 288, 362, 388 Saegert, Carl Wilhelm, Geh. Reg.rat, Vorsteher der Berliner Taubstummenanstalt, Vertrauter Friedrich Wilhelms IV. 345, 383 Sailer, Johann Michael, Theologieprof., Bischof 52f. Saint Marsan (Asinari di San Marzano), Antonio Maria Filippo, franz. Gesandter 65, 71 526
Salvadori, Domenico (Deckname: Roger Beils), Offizier, Agent d. MIB 166f. Salzburg 49f., 53f., 125, 314 Sankt Gallen 219 Sardinien-Piemont, Kg.reich 326f., 450 Savoye, Joseph, Advokat, Publizist 218 Savoyerzug (1834) 241 Schaaff, Friedrich Theodor, bad, Reg.dir. 120, 451, 457 Schabelitz, sen. Jacob Christian u. jun. Jacob Lucas, Baseler Verleger 18 Schaefer, Dr. (Deckname) s. Lizius Schaefer, August, Literat 96 Schäfer, Edgar 14 Schäffer, Martin 94 Schaffhausen 217 Schaffrath, Wilhelm Michael, sächs. Stadtrichter, Mitgl. d. FNV 421 Schambach, weimar. Geh. Reg.rat 428 Schapper, Johann Friedrich, nass. Reg.rat 154 Schapper, Karl, kommunist. Publizist 344, 410 Schaumburg-Lippe, Fürstentum 209f., 214 Schellenberger, Horst 379 Schenk, bad. Arzt 452 Schenk, Eduard (1828:) v., bayer. Innenmin. 52, 211 Schepp, Friedrich, nass. Reg.rat 225 Schieder, Wolfgang 87, 137, 168 Schiel, Hubert 52 Schill, Ferdinand v., preuß. Major, Freikorpsführer 59, 68, 80 Schilling, Hugo, sächs. Pol.kommissar 428 Schlayer, Johannes v., württ. Innenmin. 242 Schlechte, Horst 243 Schleiermacher, Friedrich Ernst Daniel, ev. Theol.prof. 128 Schleinitz, Alexander Graf v., preuß. Außenmin. 268, 301 Schleiz 426 Schleswig-Holstein 7, 414 Schlierbach, Helmut 10 Schlingmann, Reinhold, Verleger 278 Schütter, Hanns 124, 326 Schluderer, v., Mainzer Platzoberst 166 Schlutter, Friedrich Ernst, Privatgelehrter, Mitgl. d. FNV 235 Schmalz, Theodor Anton Heinrich, Staatsrechtsprof., Publizist 128 Schmerling, Anton Ritter ν., Reichsmin.präs. (1848) 224-226, 241 Der Schmetterling 81
Schmidt, v. (Deckname) s. Sicard Schmidt, Friedrich Julius, preuß. Pol.Sekretär 356 Schmidt, Johann Christian Wilhelm, preuß. Justizrat 182f. Schmidt, Julius, sächs. Bürgermeister, Mitgl. d. FNV 421 Schmidt, Paul 8 Schnabel, Heinrich, preuß. Landrat 158 Schnapp, Friedrich 184 Schöler, Johann Heinrich, Lehrer 176f. Schön, Theodor v., preuß. Oberpräs. 177 Schönbrunn (Friede 1809) 49 Schönburg-Hartenstein, Friedrich Albrecht Fürst v., österr. Gesandter 132, 139 Schönert, Jörg 28, 366 Schönfeld, Emissär 149 Schoenfelder, Roland 6 Schoeps, Hans-Joachim 155 Schoeps, Julius H. 379 Schott, württ. Kreisdir. 449 Schraden, hannov. Landdrost 197 Schräder, holstein. Pol.dir. 426 Schreiber, Georg Carl H. W., hannov. Amtsassessor 201 Schrenck v. Notzing, Karl Frhr. v., bayer. Min. präs. 280, 291 Schrey, Helmut 379 Schriftsteller 10, 66, 165f., 323 (vgl. Publizistik) Schröder, Andreas v., russ. Gesandter 426 Schuckmann, Kaspar Friedrich Frhr. v., preuß. Innenmin. 177, 184-186, 189 Schuderoff, Hermann, altenburg. Reg.präs. 426 Schüler, Friedrich, Anwalt, Mitgl. d. FNV 218 Schütz, Jacob Friedrich, Mainzer Redakteur, Mitgl. d. FNV 233 Schützenvereine 263 Schuldproblematik, polit.-polizeil. 85, 95f., 183f., 189f., 322, 363 (vgl. Justiz / Strafjustiz) Schulen 193, 263 (vgl. Lehrer) Schultz, Carl Adolph Julius, preuß. Pol.dir. 248, 255, 257f., 342, 357, 360, 376, 392, 409, 455 Schulz, Wilhelm 16f., 94 Schulze, Berthold 343 Schurz, Karl, Student, Befreier Kinkels 371 Schwaben (bayer.) 49 Schwabmünchen 213 Schwäbischer Merkur, Stuttgart 153
Schwarck, preuß. Generalstaatsanwalt 19 Schwarz, Anton v., österr. Hofrat bei d. Justizhofstelle, Mitgl. d. MZUK 79, 81f. Schwarz, Max 235, 308 Schwarzburg-Rudolstadt 96 Schwarzburg-Sondershausen 96 Schwarzenberg, Felix Fürst zu, österr. Min.präs. 243-246, 248-250, 253, 306f., 310-313, 317f., 320, 337, 420, 432f., 444, 454 Schwarzenberg, Karl Philipp Fürst zu, österr. Feldmarschall 127 Schwarzes Buch s. Anzeiger f . d. polit. Polizei / Personenverzeichnisse Schweder, Alfred 10 Schweiger, Hofrat, Dir. d. österr. Chiffrenkabinetts 325 Schweinfurt 217 Schweiz 16, 26, 53f., 67, 81, 96f., 102, 108f., 112, 115, 122f., 130, 132-134, 145, 147-150, 152f., 158, 160, 167f., 194, 213f., 217, 238, 245, 263f., 307, 386, 424, 426, 439, 448, 451, 455f. Schwerin-Putzar, Maximilian Heinrich Anton Graf v., Mitgl. d. FNV, preuß. Innenmin. 298f., 319, 375, 381 Schwetzingen 217 Scupin, Hans-Harald 9 Sebald, preuß. Pol.dir. 388 Secret Service (brit.) 31 Sedlnitzky, Josef Graf v., Präs. d. PHSt 42, 123-127, 132, 134, 144, 147, 162, 165, 170, 305 Seebach, Richard Camillo v., Coburger Staatsmin. 426 Seegebarth, Johann Friedrich ν., preuß. Generalpostmeister 67, 219 Seidendörfer, Heinrich Ferdinand, sächs. Gendarmerieinspektor 287, 421, 426, 428 Seiffert, preuß. Wachtmeister 363 Sellmann, Martin 85 Serbien 327 Setzier, Wilfried 16 Seuffert, Johann Adam v., Würzburger Rechtsprof. 93 Sicard, Leopold (Deckname: v. Schmidt), österr. Pol.oberkommissär 78, 129, 179 Sichel, Student, >Demagoge< 81 Sicherheitspolizei 35, 46, 63, 69, 115, 123, 173, 176, 197, 221, 261, 264, 335, 416f., 424, 435, 437f. (vgl. Berlin, Schutzmannschaft / Exekutivpol. / Gendarmerie / Kriminalpol.) 527
Siebenbürgen 163, 327 Siebenpfeiffer, Dr. Philipp Jakob, polit. Publizist 135, 214 Siebert, Elisabeth 206 Siemann, Wolfram 16, 23, 28, 129, 171, 264, 326, 366, 446, 448 - Polizeivereins-Edition 22, 27, 32, 83, 219, 236, 246, 254-256, 259f., 262, 265f., 283, 297, 313, 323, 350, 362, 366, 412, 415- 418, 423, 427, 434, 436, 438, ,444, 458, 467 Sierakowski, Joseph Graf 58 Sigmaringen 368 Simeon, Johann Jerome comte, westfäl. Justizmin. 60 Simon, preuß. Kriminalinspektor 371 Simon, Heinrich 14 Simons, Louis, preuß. Justizmin. 19 Singer, Jacob Eduard, Journalist, Agent d. MIB 166f., 172f., 370 Sinzenich, Feldwebel a. D., Agent d. MIB 166f. Sippel, Dr. Michael, bayer. Pol.kommissär 271f. Smidt, Dr. Johann Hermann, brem. Staatsanwalt 426 Smith, Adam 10 Snell, Wilhelm, Burschenschafter 359 Soden, Julius Graf v., polit. Schriftsteller 10f., 21, 58 Sonderbundskrieg (1847) 109, 111 Sonntag, preuß. Kreissekretär 158 Souchay, Dr. Eduard, Frankf. Schöffe 225 Soult, Nicolas Jean de Dieu (1807:) due de Dalmatie, franz. Marschall 65 Sozialdemokratie, -kratische Partei 6, 24f., 303, 467f. (vgl. Arbeiterbewegung) >SozialismusSozialisten< 22, 124, 452, 461 Sozialistengesetz (1878) 15, 20, 22, 24f., 32, 467 Spandau 371 Spanien 68, 84 Speyer 217f. Speyerer Zeitung 81, 97 Spies, Hans-Bernd 3 Spieß, preuß. Pol.Sekretär 356 Spieß, Daniel, nass. Justizrat 110 Spindler, Max 56, 21 lf., 431 Spionage, -abwehr (gegen auswärt. Agenten) 7, 20f., 41, 46, 63f., 66, 69, 89, 111, 118, 174, 180, 278, 359f., 460 Spione 43, 51, 57, 175, 180; franz. 66, 80 (vgl. Agenten) 528
Squire, Peter Stansfield 30 Srbik, Heinrich Ritter v. 79, 125, 140 Der Staatsanzeiger der Deutschen Nation 414 Staatsdienst 131, 192f. Staatsfeinde s. >innerer Feind< >StaatspolizeihöhereTreubund f. König u. Vaterland< 358-360, 461 Tribüne, Berlin 277f. Trient 51 Trier 391-393, 396 Triest 310, 314 Troplowitz 123 Troppau 314 Trott auf Solz zu Imshausen, August Heinrich Frhr. v., württ. BT.gesandter 89, 91 Trützschler u. Falkenstein, Friedrich v., Berliner Kammerger.vizepräs. 185, 189 Tübingen 130, 142, 146, 149, 448 >Tugendbund< (1808-16) 3, 70f., 80, 128, 175f., 461 Tulard, Jean 22, 30 Turin 306 Turnbewegung, -feste, -vereine 80, 109-111, 117, 119, 121, 166, 179, 202, 228, 230, 233, 238, 263, 440, 461 Tzschoppe, Gustav Adolf (1836:) v., preuß. Geh. Reg.rat 17, 101, 103, 158, 161, 182f., 185, 187, 189, 191-196, 465 Uhden, Karl Albrecht Alexander v., preuß. Justizmin. 372f. Uhland, Ludwig, Dichter, Parlamentarier, Mitgl. d. FNV 283 Ulm 49f., 155, 217, 445, 448f. Ulmann, Heinrich 150 Ulrich, Friedrich Carl, Student 182 Ultramontan, -ismus 216, 263, 449, 461 >Umsturzpartei< 1, 4, 32, 118, 215, 238, 262, 277, 295, 306, 325, 329, 339, 361, 374, 385 - 387, 390, 408, 412, 422, 468 (vgl. Parteien) >UmtriebeUmsturzparteiadministrateur de la sürete publique< 276, 279, 426 Verlage 254, 263 (vgl. Buchhandel / Presse / Publizistik) Verona (Kongreß 1822) 79 Versammlungen 10, 24, 31, 73, 87f., 91, 94, 110, 120, 154, 200, 224, 226, 233, 237, 316, 340, 358, 406, 430, 448f., 461; Versammlungsverbot 89-92 (vgl. Hambacher Fest / Wartburgfest) Verschwörungen, revolut. 15, 70, 72, 80, 83, 118, 132, 136, 138f., 143f., 165, 180, 186, 238f., 374 (vgl. Komplott / Konspiration) Vertrauliche polizeiliche Mittheilungen, Dresden 276-279, 293, 389, 417, 423-428, 453 Verwaltung 2, 9, 36, 40, 48, 58, 208 (vgl. Bürobildung) Verzweigungen 77, 83, 181, 217-219, 229 Victoria, engl. Kg.in 419 Vidocq, Eugene Frangois, franz. Pol.chef 22 Vignaud, Justus Wilhelm Graf du, preuß. Reg.präs. 426 Vigneron, de, Leiter d. franz. Geheimdienstes in Berlin 65 Vogel, Anton v., österr. Hofrat 170 Vogt, preuß. Pol.rat 377 Vogtland 424, 440 Volksstimmung(sberichte) s. Stimmung, öffentl. Volksversammlungen s. Versammlungen Vorarlberg 49, 123 Vorhauer, Franz Friedrich Wilhelm Alexander, hannov. Amtmann 402 Vossieg, Michael Alexander 19 Vossische Zeitung, Berlin 267, 272, 275, 283, 288, 290 Vulpius, Wolfgang 29
Wachs, Heinrich Rudolph Theodor Ferdinand, kurhess. Reg.dir. 425f. Der Wächter, Schwerin 209 Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (1879:) v., Kriminalist 21 Wächter, Eduard Gustav Frhr. v., württ. Min.referent im Außenmin. 442f. Wächter, Johann August Frhr. v., württ. Geschäftsträger 117 Wächter-Spittler, Karl Eberhard Frhr. v., württ. Außen-, dann Kult- u. Justizmin. 242 Waffen, Bewaffnung, Munition 68, 111, 117, 237f., 388 Wagemann, Friedrich Moritz Frhr. v., Prager Appellationsrat, Mitgl. d. MZUK u. FZUB 84-86, 96f., 99, 144, 149, 163, 171, 198, 419 Wagner, Hofsekretär bei d. OPB 255, 257, 339 Wagner, Detlev 17 Wahlen, Beeinflussungen 199, 392, 397, 449 Waldeck, Fürstentum 209 Waldeck, Benedikt Franz, preuß. Oberlandesger.rat, Parlamentarier 17 Waldmünchen 50 Waldviertel/Österr. 15 Walter, Friedrich 29f., 42, 45-48, 126, 305f., 308, 313, 316f., 319f., 325 Waither, meining. Pol.kommissar 426 Wandruszka, Adam 313, 327 Wangenheim, Karl August Frhr. v., württ. BT.gesandter 38 Wangermann, Ernst 29, 43, 45 Wappler, Kurt 365 Warnstedt, Carl Ludwig v., holstein. Pol.dir. 426 Warschau 80, 167 Wartburgfest (1817) 29, 31, 73, 80, 128f., 175, 178f., 181, 461 Watzdorf, Christian Bernhard v., sachs. weimar. Staatsmin. 426 Weber, preuß. Kriminalkommissar 382 Weber, Eberhard 76 Weber, Max 35-37, 39, 139 Wechmar, Friedrich Frhr. v., bad. Innenmin. 458 Wechmar, Rudolf Frhr. v., meining. Staatsmin. 426 Wecker, Bremen 245 Wecker, Schlossergeselle 194 Wedecke (Deckname: Platten), preuß. Leutnant a. D., Agent 158 531
Wedell, Busso Heinrich Christoph v., preuß. Reg.präs. 426 Wehler, Hans-Ulrich 4 Weidig, Friedrich Ludwig, Pfarrer, 16f., 94 Weimar 129, 425f., 428, 453 Weimarer Republik 5f., 14, 25 Weimarische Zeitung 284, 286, 288 Weingarten, Frhr. v., österr. Sektionschef im Innenmin. 305 Weinsberg/Württ. 130 Weis, Eberhard 56 Weiß, Dr., Linzer Advokat 124f. Weiss, Bernhard 6 Weiss v. Starkenfels, Theodor, Wiener Stadthauptmann 244, 246, 250, 255, 257-259, 262, 273, 311, 314-316, 333-336, 338f., 420, 430-434, 441 Weißenburg/Elsaß 217 Weißenfels/Preuß. 23 Weitling, Wilhelm, Schneidergeselle, Kommunist 26 Weizel, Dr. Gideon, bad. Min.dir. 120f., 255, 257 Welcker, Friedrich Gottlieb, Altertumsforscher 188 Welcker, Karl Theodor, Rechtsprof., Parlamentarier, Publizist, Mitgl. d. FNV 17, 94, 188, 466 Weiden, Franz Ludwig Frhr. v., Wiener Militärgouverneur, Feldmarschalleutnant 306f., 311 Wentzcke, Paul 70, 77, 84, 130 Wenzel, preuß. Oberreg.rat 298, 361, 363 Wermuth, Dr. Carl Georg Ludwig, hannov. Generalpol.dir. 18, 33, 84, 116, 135, 137, 154, 173, 196, 199, 202-211, 223, 228, 230, 244, 246f., 250, 255-259, 265, 268-270, 276, 278, 294f., 298-301, 319, 331, 335-338, 346, 348, 371, 399-416, 420f., 423, 433, 441, 455, 463-465 Werner, anhaltin. Kreis- u. Pol.dir. 426, 428 Werner, Agent d. MIB 166f. Werner, Joseph Frhr. v., österr. Hofrat, Metternichs geh. Staatsoffizial 108 Werner, Richard Maria 140 Werren, Joseph, nass. Min.rat 426, 428 Wertheim 452 Wesel 176, 194 Weser-Zeitung, Bremen 110, 285f., 289, 292 Wesselhöft, Wilhelm, Student 182 West, Dr. (Deckname) s. Stromeyer
532
Westfalen, Kg.reich, preuß. Provinz 6, 15, 49, 57-61, 71, 167, 204, 245, 380 Westphalen, Ferdinand Otto Wilhelm Henning v., preuß. Innenmin. 18, 126, 245, 248f., 252, 296, 298, 344-356, 360, 364-370, 375, 377f., 380-382, 385-388, 390f., 393-395, 398f., 427, 455 Westpreußen 177 Wiegand, G., Vereinsvors. in Zerbst 235 Wien 9, 13, 42, 65, 71, 101, 129, 145, 152, 158, 169-171, 174, 194, 210, 214, 257f., 260f., 271, 273, 276, 279, 284, 292, 294, 296, 304, 306, 308, 310f., 314, 316f., 319, 324, 326, 328, 330, 333-335, 339f., 342, 346, 377, 386, 388, 414, 420, 432-434, 437, 442, 445, 462, 465 Wiener Konferenzen (1820) 82; (1834) 75, 111 Wiener Kongreß, - Verträge (1815) 29, 109, 123, 127, 129, 174 Wiener Schlußakte (1820) 73, 91, 94, 253 (vgl. Bundesakte) Wiener Zeitung 70, 292, 318 Wiesbaden 110, 116, 141, 146, 148, 151, 231, 292, 344, 425-428 Wietersheim, Carl Eduard v., Präs. d. sächs. Landesdirektion 221, 418 Wigard, Franz Jacob, Stenographieprof., Mitgl. d. FNV 39, 421 Wilhelm, nass. Hg. 150, 152f., 463 Wilhelm I., preuß. Kg., deutscher Ks. 18, 194, 267, 297f., 300f., 341, 370, 378 Wilhelm, preuß. Prinz, Mainzer Gouverneur 156 Wilhelm I., württ. Kg. 439-443, 445-448 Wilkes, John 31 Willich, Frhr. v., hess.-darmst. Kreisrat 292 Willich, August, preuß. Leutnant, revolut. Freikorpsführer 238 Willmann, Buchhändler 80 Wilmowski, v., preuß. Pol.assessor 255, 257 Windischgrätz, Alfred Ferdinand Fürst zu, österr. Feldmarschall 306, 308, 318 Winter, Leopold v., Geh. Reg.rat, interimist. Berliner Pol.präs. 292 Winter, Ludwig Georg v., bad. Innenmin. 87, 89, 102 Wirth, Johann Georg August, polit. Publizist, Mitgl. d. FNV 88, 135, 214 Wirtschaftskrise 3, 87 Wisch, Johann Caspar v. der, hannov. Innenmin. 200, 202
Wislicenus, Gustav Adolf, ev. Pfarrer, Anhänger d. Freien Gemeinden 263 Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Fürst zu Sayn-, preuß. Oberkammerherr u. Pol.min. 6, 28, 37, 59, 67-71, 77f., 87f., lOOf., 103f., 132, 136, 139, 154f., 157-162, 175-181, 183f., 186, 189, 191, 193, 195f., 463, 466 Wochenberichte s. Polizei verein (1851) Wohlfahrtspolizei 8, 416, 418, 430, 437 Wolf, Α., Agent d. MIB 166f. Wolf, Ignaz, bayer. Postrat 54 Wolfenbüttel 98 Wolff, Franz, Uhrmacher u. Agent 154 Wolffsburg, Willibald v. 13 Wollenweber, C./USA 239 Wolzendorff, Kurt 9 Wostry, Wilhelm 125 Wrangel, Friedrich Graf v., preuß. Generalfeldmarschall 358 Wrede, Karl Philipp Fürst v., bayer. Feldmarschall 56, 91, 135f., 138, 143, 157, 212 Württemberg 6, 33, 89, 91, 96, 115-118, 130, 132, 134f., 137-139, 142f., 167, 181, 216, 229, 239, 242f., 253- 255, 257f., 264, 270, 294, 296, 335, 339, 343, 402, 415f., 420, 424- 426, 439- 450, 455f., 458 Württembergische Zeitung, Stuttgart 97 Württembergischer Staatsanzeiger 292 Würzburg 49, 93, 146, 165, 217, 253, 426 Wurmb, Günther Carl Lothar v., Berliner Pol.präs. 467 Wurzbach, Constant ν. 130 Würzen 421 Wuttig, Gustav, Verleger 267 Xylander, Karl August Joseph Ritter v., bayer. BT.gesandter 252f. Yorck von Wartenburg, Hans David Ludwig Graf, preuß. Generalfeldmarschall 80 Ysenburg u. Büdingen, Gustav Prinz zu, preuß. Legationssekretär 434 Zahn, Georg v., sächs. Amthauptmann 246 Zaika, Siegfried 14 Zaleisky, Adalbert 13 Zang, August, Wiener Redakteur 290, 317 Zara 314
Zedlitz-Neukirch, Konstantin Frhr. v., Berliner Pol.präs. 255, 257f., 260f., 265, 267-269, 276, 294-296, 298-301, 303, 319, 361, 366, 368, 385, 397-399 Zehrer, Paul 8 Zeitung für die elegante Welt, Leipzig 222 Zeitung für Norddeutschland, Hannover 403 Zensur s. Pressezensur Zentner, Friedrich (1791:) Frhr. v., Generaldir. im bayer. Innenmin., später Staatsmin. 82f., 211 Zentralinformationskomitee (Wien 1834) 101, 161-163, 323 (vgl. Ministerialkommissionen) Zentralisation, polit.-polizeil. 62, 76, 89-93, 119, 136, 198, 205, 225, 243, 251, 308f., 313, 317f., 326-331, 338, 352, 354, 356, 395, 419, 422, 428, 437, 442, 445-448, 450-454 (vgl. Konzentration) Zentralmärzverein 242 Zentraluntersuchungsbehörde s. Frankfurt Zentraluntersuchungskommission s. Mainz Zerbst 235 Ziegler, Edda 75 Ziffernkanzlei, -kabinett, Wien 41, 48, 56, 127, 325 Zigarrenarbeiter 245, 263 Zimmermann, Gustav 12 Zingerle, Arnold 37 Zittau 287, 426 Zitz, Dr. Franz Heinrich, revolution. Advokat, Mitgl. d. FNV 343f. Zollverein 211, 379, 384, 467 Zorn, Wolfgang 467 Zschokke, Heinrich, schweizer. Publizist 81 Zuber, Karl-Heinz 212, 220 Zürcher Zeitung 97 Zürich 98, 115, 133f., 142, 145, 147f., 159, 217, 263, 292, 386, 409, 426 Zulehner, Jakob, österr. Pol.rat 255, 257, 299 Zu Rhein, Friedrich Frhr. v., bayer. Reg.präs. 426 , Zwehl, Theodor v., bayer. Innenmin. 213, 282, 430-434, 436-438 Zweibrücken 218 Zwickau 287, 421, 426
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