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German Pages 455 Year 1997
FRAUKE BROSIUS-GERSDORF
Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 736
Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
Von
Frauke Brosius-Gersdorf
Duncker & Humblot * Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Brosius-Gersdorf, Frauke: Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip : eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der europäischen Währungsunion / von Frauke Brosius-Gersdorf. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 736) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09219-8
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09219-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Für Hubertus
Vorwort Der Entschluß, über die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank zu promovieren, wurde im Herbst 1995 gefaßt. Der Bedeutung dieses Themas angesichts der in großen Schritten näher rückenden Europäischen Währungsunion zwar durchaus bewußt, konnte ich damals indes nicht ahnen, daß die Debatte um die Stellung der Deutschen Bundesbank im Staatsgefüge, insbesondere ihr Verhältnis zur Bundesregierung, zum Zeitpunkt der Abgabe der Arbeit mit der Diskussion über die Neubewertung der Goldreserven einen neuen Höhepunkt erreichen sollte. Um so mehr hoffe ich, mit dieser Untersuchung ein wenig Licht in das Dunkel der Bundesbankautonomie gebracht und zugleich einen verfassungsdogmatischen Beitrag im Spannungsfeld zwischen nationalem Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht geleistet zu haben. Die Arbeit hat im Sommersemester 1997 dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis zum Juni 1997 berücksichtigt werden. Nun zu den üblichen, aber von Herzen kommenden Danksagungen. Sie gelten zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Horst Dreier, den ich bereits zu Beginn meines Studiums kennen und schätzen gelernt habe und der mir im Rahmen erster Vorlesungen und späterer Seminare Einblicke in das Öffentliche Recht vermittelt hat. Sein eigenes Interesse für staatstheoretische Zusammenhänge und Dogmatik, seine Bereitschaft, diese Arbeit zu betreuen und nicht zuletzt seine wertvollen Anregungen haben Grundlagen für die Entstehung dieser Arbeit gelegt. Mein Dank gilt weiter Herrn Professor Dr. Gert Nicolaysen, der die Last des Zweitgutachtens getragen hat und dieser Last zügig nachgekommen ist. Ferner möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, all denen Dank zu sagen, die zum Gelingen der Arbeit - direkt oder indirekt - beigetragen haben. Zu nennen sind an erster Stelle meine Eltern, Marion und Gerhard Brosius, denen ich ausdrücklich Dank sagen möchte für ihre stetige und unermeßliche Förderung und Unterstützung, die sie mir nicht nur im Hinblick auf mein Studium, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen gewährt haben. Danken möchte ich auch meinem Bruder, Felix Brosius, für die mühevolle und geduldige Unterstützung in technischer Hinsicht; ohne ihn wäre zumindest das
8
Vorwort
Sachregister wohl niemals zustande gekommen. Weiter ist es mir ein Bedürfnis, Frau Andrea Ajzensztejn und Herrn Wolfgang Rühle meinen Dank auszusprechen; sie haben mir mit ihren ebenso ermutigenden wie aufmunternden Gesprächen stets freundschaftlich zur Seite gestanden. Dank gebührt ferner dem Verlag Duncker & Humblot, namentlich Herrn Professor Norbert Simon; nicht nur für die ehrenvolle Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe zum Öffentlichen Recht, sondern auch für das in jeglicher Hinsicht außerordentlich großzügige Entgegenkommen bei der Veröffentlichung der Arbeit. Was schließlich die Widmung der Arbeit anbelangt, so sei an dieser Stelle nur das folgende gesagt: Die unermüdliche Diskussionsbereitschaft meines Ehemannes, die unermeßliche Hilfe selbst in Zeiten eigener starker Arbeitsbelastung, die liebevollen, aber eindringlichen Aufmunterungen und nicht zuletzt die Nachsicht im Hinblick auf die infolge zeitlicher Engpässe eingetretenen „Anarchien jeder Art" haben maßgeblich dazu beigetragen, daß diese Arbeit zustande gekommen ist. Sein Anteil am Gelingen dieser Arbeit ist nicht hoch genug einzuschätzen. Hamburg, im Juni 1997
Frauke Brosius-Gersdorf
Inhaltsübersicht Einführung
25 Erster
Teil
Das Demokratieprinzip als Organisationsprinzip des Grundgesetzes Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
30
Kap. 2: Legitimationsniveau und Komplementarität der Legitimationskomponenten
51
Kap. 3: Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation
70
Kap. 4: Demokratische Legitimation der staatlichen Verwaltung
88
Kap. 5: Ministerialfreie Räume als zulässige Erscheinungsformen im demokratischen Legitimationsmodell?
103
Erster Teil: Ergebnis
125 Zweiter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kap. 1: Einführung
127
Kap. 2: Personelle Legitimation der Deutschen Bundesbank
129
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Deutschen Bundesbank
143
Zweiter Teil: Ergebnis
173
10
Inhaltsübersicht Dritter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kap. 1: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung: Verfassungsexplizite und verfassungsimplizite Ausnahmeregelungen
174
Kap. 2: Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank
178
Dritter Teil: Ergebnis
264 Vierter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kap. 1 : Problemaufriß und Untersuchungsgang
266
Kap. 2: Entstehung und Hintergründe der Europäischen Währungsunion
268
Kap. 3: Der Weg zur Europäischen Währungsunion nach dem EG-Vertrag
275
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
282
Kap. 5: Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 292 Vierter Teil: Ergebnis
375 Fünfter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kap. 1: Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art. 88 Satz 2 GG als verfassungskräftige Unabhängigkeitsgarantie
377
Kap. 2: Rechtfertigung des hinzutretenden Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art. 88 Satz 2 GG als verfassungsrechtlicher Rechtfertigungstitel
389
Inhaltsübersicht
11
Fünfter Teil: Ergebnis
393
Gesamtergebnis und Schlußbetrachtung
395
Zusammenfassung in Thesen
397
Literaturverzeichnis
409
Sachregister
440
Inhaltsverzeichnis Einfuhrung
25
I. Problemaufriß und geschichtlicher Rückblick
25
Π. Zielsetzung und Plan der Untersuchung
28
Erster
Teil
Das Demokratieprinzip als Organisationsprinzip des Grundgesetzes Kapitel 1 Modell demokratischer Legitimation
30
I. Grundlegung
30
Π. Legitimationssubjekt: Das Volk als Quelle demokratischer Legitimation
32
ΠΙ. Legitimationsobjekt: Staatsgewalt als Bezugspunkt demokratischer Legitimation
33
1. Staatsgewalt im formellen Sinne 2. Staatsgewalt im materiellen Sinne a) Wahrnehmung von Staatsaufgaben b) Einschränkungen und Vorbehalte
34 34 35 35
aa) Einschränkung nach der Art und Weise staatlichen Handelns?
35
bb) „Gewalt"-Moment: Bagatellvorbehalte?
36
cc) „Gewalt"-Moment: Entscheidungsleistung als notwendiges Einschränkungskriterium
38
IV. Verwirklichungskomponenten im Modell demokratischer Legitimation
39
1. Institutionelle Legitimation
40
2. Personelle Legitimation
41
14
Inhaltsverzeichnis 3. Sachlich-inhaltliche Legitimation und deren rechtstechnisches Verwirklichungsinstrumentarium a) Legislatorische Steuerungsinstrumente
44 45
aa) Parlamentarische Kontrolle
45
bb) Parlamentarische Lenkung
46
b) Exekutive Steuerungsinstrumente
47
aa) Abstrakte Steuerungsmittel
47
bb) Konkrete Steuerungsmittel
48
(1) Weisung
48
(2) Rechtsaufsicht
49
Kapitel 2 Legitimationsniveau und Komplementarität der Legitimationskomponenten I. Ziel demokratischer Legitimationsvermittlung: gestimmtes Legitimationsniveau"
51
51
1. Legitimationsniveau als Ziel vorgäbe
51
2. Gewährleistung von Volkssouveränität als maßgebliches Legitimationsniveau
52
3. Verfassungsrechtliche Organisationsbestimmungen: Konkretisierung des Legitimationsniveaus oder Rechtfertigung von Legitimationsdefiziten?
55
Π. System funktional komplementärer Legitimationsstränge
66
1. Kompensations- und Substitutionsverhältnis der Legitimationsformen ....66 2. Bedeutungsgefâlle zwischen sachlich-inhaltlicher und personeller Legitimation?
67
Kapitel 3 Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation I. Erscheinungsformen kollegialer Entscheidungsgremien
70 71
1. Kollegialorgane als demokratisch legitimierte Staatsorgane
72
2. Kollegialorgane als demokratielegitimatorisches Problem
73
Inhaltsverzeichnis Π. Demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien
76
1. Mögliche Bezugspunkte für die demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien
77
2. Stellungnahme und eigener Standpunkt
78
a) Mitgliedermehrheit als Bezugspunkt demokratischer Legitimation
78
b) Einstimmigkeitsprinzip als Sicherungsinstrument?
83
c) Mitgliedergesamtheit als Bezugspunkt demokratischer Legitimation
84
d) Fazit: Demokratieverträgliche Ausgestaltungsmöglichkeiten kollegialer Entscheidungsgremien
86
Kapitel 4 Demokratische Legitimation der staatlichen Verwaltung
88
I. Ministerialverwaltung als Regeltypus staatlicher Verwaltung
88
Π. Weisungsrecht als Regelinstrument im demokratischen Legitimationsgefüge
92
1. Dogmatische Verankerung der exekutiven Weisungsbefugnis
92
2. Weisungsrecht als unabdingbarer Baustein im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefìlge
96
a) Legitimationsstifìende Steuerungskraft des Gesetzes bei Konditional- und Zweckprogrammen
97
b) Korrelativer Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisungsgewalt
98
c) Weisung als unverzichtbares Instrument sachlich-inhaltlicher Legitimation
100
Kapitel 5 Ministerialfreie Räume als zulässige Erscheinungsformen im demokratischen Legitimationsmodell?
103
I. Ministerialfreie Räume: Begriffsbestimmung
103
Π. Ministerialfreie Räume: Dogmatischer Standort der verfassungsrechtlichen Problemschichten
106
16
Inhaltsverzeichnis ΙΠ. Gewährleistungsebene des Demokratieprinzips: Modifizierung des demokratischen Regelmodells?
109
1. Weisungsrecht als schlichtes Akzidens im demokratischen Legitimationsmodell?
109
a) Der Argumentationsansatz C. P. Fichtmüllers
109
b) Der Argumentationsansatz J. Oebbeckes
111
aa) Die Argumentation J. Oebbeckes
111
bb) Kritik
113
2. Verzichtstheorie als Begründungsversuch für Lücken im sachlichinhaltlichen Legitimationsgefìlge?
116
3. „Neutralisierung" und „Selbstbeschränkung" als Begründungsversuche für Lücken im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefìlge?
119
4. „Treuhänderische Verantwortung" als demokratischer Legitimationstyp?
121
Erster Teil: Ergebnis
125
Zweiter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1 Einführung
127
Kapitel 2 Personelle Legitimation der Deutschen Bundesbank I. Personelle Legitimation des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank
129
130
1. Personelle Legitimation der Direktoriumsmitglieder
131
2. Personelle Legitimation der Landeszentralbankpräsidenten
134
a) Das Landesvolk als Legitimationssubjekt bei der Berufung der Landeszentralbankpräsidenten
134
b) Ernennung durch den Bundespräsidenten als Unterbrechung des Legitimationszusammenhangs?
136
Inhaltsverzeichnis Π. Fazit: Der Zentralbankrat der Bundesbank als nicht demokratisch legitimiertes Kollegialorgan
141
Kapitel 3 Sachlich-inhaltliche Legitimation der Deutschen Bundesbank
143
I. Parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundesbank
143
Π. Parlamentarische Lenkung der Deutschen Bundesbank 1. Legislatorische Steuerung durch das Bundesbankgesetz
146 146
2. Legislatorische Steuerung durch das Stabilitätsgesetz
149
a) Bindung der Deutschen Bundesbank an das Stabilitätsgesetz
149
b) Sachlich-inhaltliche Steuerungskraft des Stabilitätsgesetzes
154
ΙΠ. Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank
155
1. Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank gem. § 12 Satz 2 BBankG
155
2. Zum Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Durchbrechung der Weisungsunabhängigkeit?
157
a) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Weisungsunabhängigkeit nur bei Ausübung währungspolitischer Befugnisse?.... 157 b) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Unterstützungspflicht nur im außermonetären Aufgabenbereich?
160
c) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Unterstützungspflicht unter dem Vorbehalt mangelnder Beeinträchtigung der Währungssicherung
162
3. Weitere Unterstützungs- und Kooperationspflichten der Deutschen Bundesbank
163
a) Beratungs- und Auskunftsrecht nach § 13 Abs. 1 BBankG
163
b) Teilnahme- und Aussetzungsrecht nach § 13 Abs. 2 BBankG
165
c) Sanktionsmöglichkeiten der Bundesregierung
166
IV. Rechtsaufsicht der Bundesregierung über die Deutsche Bundesbank Zweiter Teil: Ergebnis
2 Brosius-Gersdorf
169 173
18
Inhaltsverzeichnis Dritter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
Kapitel 1 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung: Verfassungsexplizite und verfassungsimplizite Ausnahmeregelungen
174
Kapitel 2 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank
178
I. Unzulässige Rechtfertigungsversuche für die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank·
178
1. „Sachverstand" als Begründungsversuch für die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank?
179
2. „ E f f i z i e n z " als Rechtfertigungsgrund für Legitimationseinbußen? Der Begründungsversuch G. F. Schupperts
180
3. Verfassungsorganqualität der Deutschen Bundesbank als Beleggrund für ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit?
183
4. Rechtsstaatsprinzip als Fundament für die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank?
186
5. Vorverfassungsrechtliches Gesamtbild einer unabhängigen Notenbank?
188
Π. Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank als Organisationsprinzip des Art. 88 Satz 1 GG
192
1. Wortlaut
192
2. Systematik
194
a) Systematische Stellung des Art. 88 Satz 1 GG innerhalb des verfassungsrechtlichen Katalogs der Bundesverwaltung
194
b) Systematischer Zusammenhang zwischen Art. 88 Satz 1 und Art. 88 Satz 2 GG
197
3. Sinn und Zweck: Funktionssicherung als Organisationsprinzip des Art. 88 Satz 1 GG
197
Inhaltsverzeichnis a) Dimensionen des Art. 88 Satz 1 GG: Kompetenz-, Aufgaben- und Organisationsnorm 200 b) Art. 88 Satz 1 GG als Aufgabennorm: Geldwertstabilität als verfassungsrechtliches Ziel
204
aa) Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG: Geldwertstabilität als verfassungsrechtliches Ziel? 204 bb) Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität
207
cc) Geldwertstabilität als Bestandteil der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG?
213
dd) Sozialstaatsprinzip als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität?
217
c) Art. 88 Satz 1 GG als aufgabenspezifische Organisationsnorm
221
ΙΠ. Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 1 GG
226
1. Genereller Vorrang des Demokratieprinzips?
228
2. Genereller Vorrang des Unabhängigkeitsgebots?
232
3. Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses nach Maßgabe der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG a) Bedeutung der Entstehungsgeschichte als Auslegungsprinzip b) Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses im Lichte der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG 4. Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art. 88 Satz 1 GG im Lichte des Art. 23 Abs. 1 GG
234 234 239 244
a) Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art. 88 Satz 1 GG: Gemeinschaftsrecht und nationales Recht als monistische Rechtsordnung?
246
b) Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art. 88 Satz 1 GG: Verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung
251
aa) Sedes materiae der Einschränkung nationaler Normspielräume: Verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung oder Vorrangprinzip?
251
bb) Einwände gegen das verfassungsrechtliche Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung
256
Dritter Teil: Ergebnis
264
20
Inhaltsverzeichnis Vierter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1 Problemaufriß und Untersuchungsgang
266
Kapitel 2 Entstehung und Hintergründe der Europäischen Währungsunion 268 Kapitel S Der Weg zur Europäischen Währungsunion nach dem EG-Vertrag
275
I. Erste Stufe der Europäischen Währungsunion
275
Π. Zweite Stufe der Europäischen Währungsunion
276
ΙΠ. Dritte Stufe der Europäischen Währungsunion
278
Kapitel 4 Aufbau und Organisation des ESZB
282
I. Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung im ESZB
282
Π. Steuerungsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank im ESZB
287
ΠΙ. Hierarchischer Aufbau des ESZB
290
Kapitel 5 Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion I. Legitimationsobjekt: Die Deutsche Bundesbank als legitimationsbedürftige Staatsgewalt im ESZB
292
292
1. Deutsche Bundesbank als Staatsgewalt im formellen Sinne
293
2. Deutsche Bundesbank als Staatsgewalt im materiellen Sinne
296
Inhaltsverzeichnis a) Entscheidungsbefugnis bei rechtsunverbindlichem Handeln?
296
b) Entscheidungsbefugnis bei Ingerenzvorbehalten?
299
aa) Eigener Standpunkt: Einzelfallbezogene Differenzierung
299
bb) Bundesverfassungsgericht: Kompensation fehlender Entscheidungsbefugnisse durch „wertende Gesamtschau" 302 c) Entscheidungsbefugnis bei inhaltlicher Programmierung?
303
aa) Entscheidung durch faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln?
306
bb) Modifizierung des Legitimationsniveaus als Folge inhaltlicher Aufgabenprogrammierung?
309
Π. Personelle Legitimation der Deutschen Bundesbank
311
1. Berufung der Mitglieder des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank
312
2. Amtszeit der Präsidenten der nationalen Zentralbanken nach Art. 14.2. Satz 1 ESZB-Satzung
312
3. Abberufung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken nach Art. 14.2. Satz 2 ESZB-Satzung
313
ΙΠ. Sachlich-inhaltliche Legitimation der Deutschen Bundesbank 1. Dogmatische Grundlage des Gebots verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union
314 317
a) Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG als Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union? 318 aa) Systematische Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG
320
bb) Teleologische Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG
321
(1) Regelungsziel der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG
322
(2) Regelungsziel der Integrations- und Öffhungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG
325
b) Art. 20 Abs. 2 GG als Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union aa) Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG
327 327
bb) Systematischer Gesamtzusammenhang des Art. 20 Abs. 2 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen 330 (1) Systematischer Zusammenhang zwischen den Begriffen „Staatsgewalt" und „Volk" in Art. 20 Abs. 2 GG (2) Systematik des Art. 20 Abs. 2 zu Art. 38 Abs. 1 GG
330 331
(3) Systematischer Zusammenhang zwischen Art. 20 Abs. 1 und2 GG cc) Teleologische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG
331 333
2. Doppelte Legitimationsbasis der Europäischen Union
335
3. Zusammenspiel zwischen Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 GG: Wechselseitige Komplementarität gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Legitimation
336
4. Fazit: Legitimationsanforderungen für die Deutsche Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
339
5. Zur Frage nach dem verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau der Europäischen Union
340
a) Systematischer Zusammenhang zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG als Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus?
342
b) Art. 88 Satz 2 GG als Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus?
344
c) Supranationalität der Europäischen Union als spezifischer Grund für ein geringeres Legitimationsniveau?
347
d) Konklusion: Europäische Union und demokratische Legitimation
354
6. Demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank
355
a) Legitimationsobjekt
355
b) Legitimationssubjekt
357
c) Personelle Legitimation der Europäischen Zentralbank
357
aa) Personelle Legitimation des Direktoriums
358
(1) Berufung der Direktoriumsmitglieder
358
(2) Personeller Legitimationsbeitrag durch Beteiligungsrechte nach Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. ESZB-Satzung?
361
(3) Amtszeit und Abberufung der Direktoriumsmitglieder
362
bb) Personelle Legitimation der Präsidenten der nationalen Zentralbanken
362
cc) Fazit: Der EZB-Rat als nicht demokratisch legitimiertes Kollegialorgan
364
d) Sachlich-inhaltliche Legitimation der Europäischen Zentralbank
365
aa) Parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank
366
bb) Parlamentarische Lenkung der Europäischen Zentralbank
367
cc) Weisungsunabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
369
Inhaltsverzeichnis dd) Sachlich-inhaltlicher Legitimationsbeitrag durch Unterstützungspflicht nach Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung?
369
ee) Sachlich-inhaltlicher Legitimationsbeitrag durch Unterstützungs- und Kooperationspflichten nach Art. 109b EGV?
370
7. Auswirkungen des Legitimationsdefizits der Europäischen Zentralbank auf die Legitimation der Deutschen Bundesbank
372
Vierter Teil: Ergebnis
375
Fünfter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1 Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art. 88 Satz 2 GG als verfassungskräftige Unabhängigkeitsgarantie I. Grammatikalische Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG Π. Systematische Stellung des Art. 88 Satz 2 zu Art. 23 Abs. 1 GG m. Verfassungsgesetzgeberischer Wille bei Erlaß des Art. 88 Satz 2 GG
377 379 380 381
IV. Teleologische Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG: Verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank 383
Kapitel 2 Rechtfertigung des hinzutretenden Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art 88 Satz 2 GG als verfassungsrechtlicher Rechtfertigungstitel
389
Fünfter Teil: Ergebnis
393
Gesamtergebnis und Schlußbetrachtung
395
24
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung in Thesen
397
I. Thema
397
Π. Legitimationssubjekt und Legitimationsobjekt im Modell demokratischer Legitimation
397
HL Verwirklichungskomponenten demokratischer Legitimation
398
IV. Art und Maß demokratischer Legitimation
399
V. Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
400
VI. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
400
VII. Aufgaben- und Kompetenzverflechtung im ESZB
401
Vin. Die Deutsche Bundesbank als legitimationsbedürftige Staatsgewalt im ESZB
402
IX. Verfassungsrechtliche Grundlagen für die demokratische Legitimation der Europäischen Union
403
X. Konkrete Legitimationserfordernisse für die Deutsche Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 404 XI. Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank
405
ΧΠ. Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
406
ΧΙΠ. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion
406
Literaturverzeichnis
409
Sachregister
440
Einführung L Problemaufriß und geschichtlicher Rückblick „Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip" - mochte der eine oder andere spätestens seit dem Ende der siebziger Jahre gehofft haben, daß dieses Thema von dem Schauplatz des - oft bis zur Ermüdung geführten - wissenschaftlichen Diskurses endgültig verschwinden werde, muß er sich heute enttäuscht sehen - zählt doch die Debatte um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Bundesbankautonomie derzeit zu den an Brisanz und Aktualität wohl kaum zu überbietenden Themen. Nicht zuletzt die Diskussion über die Neubewertung der Goldreserven im Sommer 1997 hat die Frage nach der Unabhängigkeit der Bundesbank von staatlichen Einflüssen wieder in das Blickfeld des Interesses rücken lassen. Die geschichtliche Entwicklung der Bundesbankautonomie läßt deutlich werden, daß die Stellung der Zentralbank auch in der Vergangenheit zu den heftig umkämpften Gegenständen der Auseinandersetzung zählte. Das, was sich heute gleichsam als Gemeingut herausgeschält hat, nämlich die Unabhängigkeit der Bundesbank im Staatsgefüge, ist das Ergebnis eines langen, mitunter zähen Entwicklungs- und Erkenntnisprozesses. Als Beweis hierfür genügt ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung des Zentralbankwesens in Deutschland. So bestimmte das Bundesbankgesetz von 1875 zur Zeit des Kaiserreiches in § 12 ausdrücklich, daß die Bank unter der Aufsicht und Leitung des Reiches stand und damit der politischen Führung vollständig untergeordnet war 1. Sowohl der Reichsbankpräsident als auch das Reichsbankdirektorium unterstanden den Weisungen des Reichskanzlers2. Erst durch Erlaß des sogenannten „Autonomiegesetzes" vom 26. Mai 19223 wurde die bis zu diesem Zeitpunkt in den Händen des Reichskanzlers liegende Leitungsbefugnis über die Reichsbank auf das Reichsbankdirektorium übertragen. Erstmals bezeichnete das am 30. August 1924 in Kraft getretene „Bankgesetz"4 die Reichsbank ausdrücklich als eine „von der Reichsregierung unabhängige
1 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung der geschichtlichen Entwicklung bei J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 21 ff. 2 Vgl. §§ 12,25 ff. Bankgesetz vom 14. März 1875 (RGBl. IL, S. 177). 3 RGBl. Π, S. 135. 4 , RGBl. Π, S. 235.
26
Einführung
Bank"5. Erst hierdurch wurde die Reichsbank aus der Verwaltungshierarchie des Reiches herausgelöst und mit weitgehender Unabhängigkeit ausgestattet. Doch sowohl das Autonomiegesetz als auch das Bankgesetz waren nicht etwa Ausdruck freiwilliger deutscher Gesetzgebungsgewalt. Vielmehr ging die im Autonomiegesetz verankerte Unabhängigkeit der Reichsbank zurück auf eine Forderung der Alliierten Reparationskommission, welche die bis dato bestehende Leitungs- und Weisungsbefugnis des Reichskanzlers in der Hoffnung aufhob, eine von den Weisungen des Reichskanzlers unabhängige Reichsbank werde die überhöhte Kreditinanspruchnahme des Reiches eindämmen und dadurch die fortschreitende Inflation stoppen6. Und auch die weiterreichende Unabhängigkeit nach dem Bankgesetz von 1924 beruhte nicht auf einem autonomen deutschen Gesetzesakt, sondern stellte eine der Bedingungen des sogenannten „Dawes-Plans" dar, der die deutschen Reparationsleistungen gewährleisten sollte7. Die weitere Entwicklung der Reichsbank stand unter dem Zeichen der nationalsozialistischen Ära in Deutschland. In dieser Zeit wurden verschiedene Novellen zum Bankgesetz erlassen, durch die die Unabhängigkeit der Reichsbank immer stärker eingeschränkt wurde8, bis die Reichsbank schließlich durch das Gesetz vom 10. Februar 19379 unmittelbar dem „Führer und Reichskanzler" unterstellt wurde. Damit war die Autonomie der Reichsbank vollständig aufgehoben und de facto der Zustand von 1875 wiederhergestellt 10 . Eine Reorganisation erfuhr das Zentralbankwesen in Deutschland erst wieder nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945. Aufgrund eines auf den Anordnungen der alliierten Militärregierungen beruhenden, am 1. März 1948 in Kraft getretenen Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder 11 wurde in den westlichen Besatzungszonen eine Bank deutscher Länder konstituiert und mit weitgehender Unabhängigkeit von „den Anweisungen politischer Körperschaften oder öffentlicher Stellen" ausgestattet 12 . Dabei war der Zentralbankrat der Bank deutscher Länder zwar von den
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So § 1 Abs. 1 des Bankgesetzes. Siehe dazu bei C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (9); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 47 ff 7 Vgl. die Note der Reichsregierung vom 28. Januar 1922, in: Aktenstücke zur Reparationsfrage von Mai 1921 bis März 1922, Stenobericht RT, 1. WP, Drs. Nr. 4140, S. 44 ff; siehe hierzu K. Helfferich, BankArch. 21 (1922), 213 (215 ff); siehe dazu auch G. Lassar, JöR 14 (1926), 1 (110): ,3s (seil: das Bankgesetz) wurde [...] unter stärkstem außenpolitischen Druck erlassen". 8 C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984,1 (9). 9 RGBl. Π, S. 47. 10 J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 75 ff. 11 WiGBl. 1948, Beilage 3. 12 Vgl. zur Nachkriegsentwicklung des deutschen Zentralbankwesens O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 14 ff; C.-Th. Samm, Beilage 5 / 6
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Weisungen deutscher Stellen unabhängig, er unterlag jedoch der Weisungsgewalt der Alliierten Bankkommission, die Anordnungen gegenüber der Bank deutscher Länder erlassen und Berichte und Auskünfte von ihr verlangen durfte 13 . Dieser kurze geschichtliche Rückblick zeigt, daß die Unabhängigkeit der Zentralbank in Deutschland stets im Zentrum des Interesses der jeweils herrschenden politischen Kräfte stand. Dem entspricht es, daß die Stellung der Deutschen Bundesbank im Staatsgefüge auch seit jeher Gegenstand rechtswissenschaftlicher Abhandlungen und Diskussionen war. Insbesondere in den siebziger Jahren erfuhr die Diskussion um die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank eine Renaissance. Die Debatte war erkennbar von dem Geiste dieses Jahrzehnts geprägt, nach dem der Staat eine aktive, interventionistische Rolle bei der Wirtschafts- und Währungspolitik einnehmen sollte, mit der Folge, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank als „Unding" stigmatisiert wurde. Nicht immer frei von diesem Geist, meldete sich damals jeder zu Wort, der sich berufen fühlte, seinen Sachverstand zu diesem Thema beizusteuern. So diskutierten Juristen und Nichtjuristen, Gelehrte und Nichtgelehrte. Ungeachtet des Erfindungsreichtums im Schrifttum und der Vielfalt der Argumentationsansätze mündete die Debatte letztlich - zumindest unter den Juristen und Gelehrten - in dem einträchtigen Übereinkommen, daß die Bundesbankautonomie zwar nicht verfassungsrechtlich geboten, aber auch nicht verboten sei 14 . Die Diskussion war jedoch nicht selten von Anliegen und Interessen geleitet, welche mit den normativen Vorgaben des Grundgesetzes nur schwerlich in Einklang zu bringen waren. Wurde das Demokratieprinzip in diesem Zusammenhang überhaupt als Prüfungsmaßstab benannt, so zumindest ohne die gebotene dogmatische Aufbereitung und den systematischen Gesamtzusammenhang mit anderen grundgesetzlichen Strukturprinzipien. An dieser Stelle muß freilich erwähnt werden, daß damals grundlegende Werke zur Dogmatik des grundgesetzlichen Demokratieprinzips wie die von E.-W. Böckenförde 15, H. Dreier 16, Ε. T. Emde 17 und M Jestaedt 18 noch fehlten. Was schließlich die Vernachlässigung der gemein-
WM 1984, 1 (9); D. Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 14 ff. 13 Vgl. Art. Π Ziff. 6 und 7 des BdL-Gesetzes, WiGBl. 1948, Beilage 3; siehe dazu auch H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 23. 14 Zu dem in Abweichung von dieser Auffassung hier gefundenen Ergebnis zusammenfassend auf S. 395. 15 In: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22. 16 Hierarchische Verwaltung. 17 Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung. 18 Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung.
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schaftsrechtlichen Implikationen anbelangt, so kann angesichts der zeitlichen Dimensionen beim besten Willen kein Vorwurf gemacht werden. I I . Zielsetzung und Plan der Untersuchung Vor diesem Hintergrund und geleitet von dem Bestreben, die Zentralbankautonomie allein mit verfassungsrechtlichen Vorgaben zu konfrontieren, hat sich die Verfasserin noch einmal dieses Problemkreises angenommen und versucht, mit dieser Aibeit ein wenig Licht in das verfassungsrechtliche Mysterium der Bundesbankautonomie zu bringen. Untersucht wird, ob die Organisationsverfassung der Deutschen Bundesbank mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes in Einklang steht. Dabei wird die Deutsche Bundesbank nicht nur nach Maßgabe ihrer derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung, sondern darüber hinaus auch im Lichte der Europäischen Währungsunion betrachtet. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Entsprach es der bislang nahezu einhelligen Auffassung, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zwar nicht verfassungsrechtlich geboten, aber auch nicht verboten ist, wird die vorliegende Untersuchung das Gegenteil erweisen: Sie wird zeigen, daß die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht nur einfachgesetzlich, sondern durch die Grundgesetzänderungen im Zuge von Maastricht I auch verfassungsrechtlich garantiert ist. Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile, deren erster die Entfaltungskoordinaten des grundgesetzlichen Demokratieprinzips beleuchtet, deren zweiter und dritter sich der demokratischen Legitimation und verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Deutschen Bundesbank vor dem Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion widmen19 und deren vierter und fünfter die demokratische Ausgestaltung und verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion behandeln. In einem ersten Schritt gilt es also zunächst, das grundgesetzliche Demokratieprinzip in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen und auf diese Weise das in Art. 20 Abs. 2 GG nur schemenhaft umrissene Demokratieprinzip mit Inhalt zu füllen 20 . Das auf diesem Wege gewonnene Modell demokratischer Legitimation dient sodann als verfassungsrechtlicher Maßstab, an dem die Deutsche Bundesbank in einem zweiten Schritt gemessen
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Zu der im Rahmen dieser Untersuchung zugrunde gelegten Konzeption einer Differenzierung zwischen dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und verfassungsrangigen Ausnahmebestimmungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen andererseits ausführlich im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff. 20 Erster Teil, S. 30 ff.
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werden soll 21 . Dabei wird sich herausstellen, daß die Bundesbank nach Maßgabe ihrer derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation verfügt. Daher wird in einem dritten Schritt der Frage nachgegangen, ob dieses Legitimationsdefizit durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt ist 22 . Da eine allein auf die nationale Rechtslage beschränkte Betrachtung mit Blick auf die bevorstehende Europäische Währungsunion nur wenig sinnvoll erscheint, wird in einem vierten Schritt untersucht, ob sich die demokratische Legitimation der Bundesbank nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion in einem anderen Lichte darstellt 23. Hierbei wird sich zeigen, daß die Bundesbank auch insoweit defizitär demokratisch legitimiert ist, so daß in einem fünften und letzten Schritt nach Möglichkeiten der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Legitimationsdefizits gesucht wird 24 . Dieser fünfstufige Untersuchungsaufbau ebnet den Weg zu dem zentralen Ergebnis dieser Arbeit, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den Weisungen nationaler (und europäischer) Stellen sowohl vor als auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion von Verfassungs wegen garantiert ist.
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Zweiter Teil, S. 127 ff. Dritter Teil, S. 174 ff. Vierter Teil, S. 266 ff. Fünfter Teil, S. 377 ff.
Erster
Teil
Das Demokratieprinzip als Organisationsprinzip des Grundgesetzes Kapitel 1
Modell demokratischer Legitimation Soll die Deutsche Bundesbank im folgenden auf den Prüfstand des grundgesetzlichen Demokratieprinzips gestellt werden, müssen zunächst dessen Inhalt und Baustruktur herausgearbeitet und auf diesem Wege die demokratiestaatlichen Fundamente für die organisatorische Ausgestaltung der Deutschen Bundesbank freigelegt werden. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG, in der das Demokratieprinzip seine verfassungsdogmatische Verankerung findet. Ausgehend von dieser demokratiestaatlichen Schlüsselnorm wird zunächst untersucht, welche Anforderungen sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die organisatorische Ausgestaltung der gesamten institutionellen Staatlichkeit ergeben. Im Anschluß daran wird der Frage nachgegangen, ob sich aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 GG oder aus anderen Verfassungsbestimmungen konkrete verfassungsrechtliche Direktiven speziell für die organisatorische Ausgestaltung der Bundesverwaltung respektive der Deutschen Bundesbank gewinnen lassen1. I. Grundlegung Gem. Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Bundesstaat. Diese recht knapp gehaltene Aussage zum Demokratieprinzip wird in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG konkretisiert. Danach geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Daran anknüpfend bestimmt 20 Abs. 2 Satz 2 GG, daß die Staatsgewalt vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Diese auf den Bund bezogene Verpflichtung zur de-
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Siehe dazu in Kapitel 2, S. 51 ff.
Kap. 1 : Modell demokratischer Legitimation
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mokratischen Ausgestaltung wird von Art. 28 Abs. 1 GG aufgegriffen und auch auf die Länder respektive die Kommunen erstreckt. Versucht man nun, aus diesen knappen Aussagen des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG konkrete verfassungsrechtliche Direktiven für die organisatorische Ausgestaltung der institutionellen Staatlichkeit zu gewinnen, so muß der erste Zugriff der auf Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG sein. Indem Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG das Volk zum Ausgangspunkt aller Staatsgewalt erklärt, wird das Prinzip der Volkssouveränität zum Fundament des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips 2 und damit zu einer verfassungsrechtlichen Direktive für die Konstituierung aller Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland erhoben3. Ausdrücklich verlangt das Prinzip der Volkssouveränität zunächst nur, daß das Volk den Ursprung aller Staatsgewalt bildet. Damit sind aber lediglich der Ausgangspunkt (das Volk) und der Endpunkt (die Staatsgewalt) im demokratischen Legitimationsmodell fixiert. In einer solchen rein formalen Beziehung erschöpft sich indes der Aussagegehalt des Art. 20 Abs. 2 GG nicht4. Vielmehr erhellt nicht zuletzt der Blick auf das Zusammenspiel zwischen den beiden Gewährleistungen des 20 Abs. 2 GG, daß das Prinzip der Volkssouveränität einen effektiven Einfluß des Volkes auf jegliche Ausübung von Staatsgewalt verlangt. Denn ohne einen solchen effektiven Einfluß wäre nicht sichergestellt, daß sich alle Staatsgewalt vom Volke herleitet und daß das Volk die Staatsgewalt durch die gewaltenteilenden Organe ausübt5. Dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip ist also nur dann entsprochen, wenn die Verbindung zwischen dem Volk und der staatlichen Herrschaftsausübung in einer Weise gestaltet ist, daß das Volk bestimmenden Einfluß auf jegliche Ausübung von Staatsgewalt hat und diese somit steuert. Ein solcher effektiver Einfluß des Volkes auf die staatliche Gewaltausübung ist nur dann gegeben, wenn ein ununterbrochener Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und der staatlichen Herrschaftsausübung besteht. Im Ergebnis muß sichergestellt sein, daß jede Ausübimg staatlicher Gewalt auf den Willen des Volkes rückführbar ist6. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk bis hin zu jedem mit der Wahrneh2
So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 155 und
156. 3
E.-W. Böckenförde,, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 2; E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 40. 4 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 327. 5 So BVerfGE 83, 60, 71; siehe auch E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 26; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 327. 6 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 266.
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
mung staatlicher Aufgaben und der Ausübung staatlicher Befugnisse betrauten Entscheidungsträger fuhrt. Diese Legitimationskette, also die legitimationsstiftende Verbindung zwischen Legitimationssubjekt und Legitimationsobjekt, kann dabei auf verschiedene Weise hergestellt werden. Demgemäß unterscheidet man die drei Formen der institutionellen, personellen und sachlich-inhaltlichen Legitimation7. Bevor diese drei Verwirklichungsformen demokratischer Legitimation im einzelnen beleuchtet werden (dazu unter IV.), soll jedoch der Blick zunächst kurz auf die in Art. 20 Abs. 2 GG bestimmten „Hauptakteure" im Legitimationsmodell gerichtet werden: auf das Volk als Subjekt demokratischer Legitimation (dazu unter II.) und die Staatsgewalt als Objekt demokratischer Legitimation (dazu unter III.). I L Legitimationssubjekt: Das Volk als Quelle demokratischer Legitimation Ursprung demokratischer Legitimation ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG das Volk. Darunter versteht man die Gesamtheit aller Staatsangehörigen, oder genauer: die Gesamtheit aller Deutschen8. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 2 GG zu der Präambel des Grundgesetzes und zu den Verfassungsbestimmungen der Art. 33 Abs. 1 und 2, 38 Abs. 1, 56,64 Abs. 2,116 und 146 GG, worin wesentliche Verfassungsverbürgungen an die Staatszugehörigkeit zum deutschen Volk geknüpft sind9. Neben dem deutschen Volk kommen keine anderen Legitimationssubjekte als Quelle demokratischer Legitimationsvermittlung in Betracht; das grundgesetzliche
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Zu diesem mittlerweile nahezu einhellig befürworteten Legitimationsmodell E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnrn. 14 ff.; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 327 f.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 265 ff.; nicht so klar differenzierend zwischen diesen drei verschiedenen Legitimationsformen dagegen W. Krebs, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΙΠ, § 69 Rdnrn. 80 ff.; dieses Legitimationsmodell ablehnend B.-O. Bryde, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 305 (315 ff.). 8 Zum Begriff des Volkes im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG eingehend P. M Huber, DÖV 1989, 531 ff; insoweit differenzierend M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 207 und 208, der zwischen dem „Staatsangehörigenverband" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG und dem „Staatsbürgerverband" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG unterscheidet. 9 Vgl. zu der Begrilndung, warum „Volk" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nur das deutsche Staatsvolk ist, unter Rekurs auf den systematischen Zusammenhang mit den genannten Verfassungsnormen ausführlich BVerfGE 83,37 (50 ff); P. M. Huber, DÖV 1989, 531 ff.; siehe dazu auch noch im vierten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 107 (S. 331).
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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Legitimationsmodell - zumindest das des Art. 20 Abs. 2 GG 10 - ist insoweit abschließend11. I I I . Legitimationsobjekt: Staatsgewalt als Bezugspunkt demokratischer Legitimation Neben das Volk als Ursprung aller Herrschaftslegitimierung tritt im demokratischen Legitimationsmodell das Legitimationsobjekt als Bezugspunkt demokratischer Legitimation. Was Gegenstand demokratischer Legitimation ist, darauf gibt Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG eine klare Antwort: alle Staatsgewalt respektive deren Ausübung. Über diese ebenso kurze wie bündige Aussage hinaus gibt Art. 20 Abs. 2 GG jedoch keinerlei Hinweise darauf, wie die Begriffe „Ausübung von Staatsgewalt" inhaltlich zu besetzen sind. Dies darf indes nicht dazu verleiten, sich dem Schweigen des Grundgesetzes anzuschließen und vor einer begrifflichen Bestimmung des Legitimationsobjektes zurückzuweichen. Vielmehr muß mit den Mitteln der klassischen Hermeneutik der Normbereich des Art. 20 Abs. 2 GG näher ausgeleuchtet und bestimmt werden. Der daher im folgenden notwendigerweise vorzunehmenden inhaltlichen Konturierung der Staatsgewalt ist dabei vorauszuschicken, daß dieser Begriff in zwei Teilelemente, ein formelles und ein materielles, zerfallt 12. Nur wenn beide Teilaspekte, sowohl das formelle als auch das materielle, erfüllt sind, kann von legitimationsbedürftiger „Staatsgewalt" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die Rede sein. Diese beiden Bausteine sollen im folgenden näher betrachtet werden. Dabei sei indes noch daraufhingewiesen, daß sich die nachfolgenden Erörterungen zumindest an dieser Stelle nur auf die unstreitig durch Art. 20 Abs. 2 GG erfaßte deutsche Staatsgewalt beziehen13.
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Zu dem Legitimationsmodell des Art. 23 Abs. 1 GG im vierten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 74 ff. (S. 318 ff). 11 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 224; ebenso W. Schmitt Glaeser, WDStRL 31 (1973), 179 (218). 12 Zu dieser Begriffsbestimmung ausführlich M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 225 ff. 13 Vgl. statt aller aus der Rechtsprechung BVerjGE 83, 60 (71 ff.); aus dem Schrifttum Ε. Γ. Emde, Die demokratische Legitimation der fünktionalen Selbstverwaltung, S. 208 ff.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 225 ff.; zu der Frage, ob darüber hinaus auch die europäische Hoheitsgewalt dem Bereich legitimationsbedürftiger „Staatsgewalt" nach Art. 20 Abs. 2 GG unterfällt, ausführlich unten im vierten Teil, Kapitel 5, S. 327 ff. 3 Brosius-Gersdorf
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
1. Staatsgewalt im formellen Sinne Das formelle Element betrifft den der „Staatsgewalt" immanenten Teilaspekt der „Staatlichkeit", das „staatliche" Moment der Herrschaftsausübung. Diesem formellen Element liegt ein organisationsrechtliches Zuordnungsmodell zugrunde. Anknüpfungspunkt der Zuordnung ist der jeweilige Rechtsträger, um dessen Legitimation es geht. Ist dieser Rechtsträger für sich genommen, also ungeachtet der rechtlichen Qualifizierung der von seinen Organen getroffenen Entscheidungen, dem Bereich institutionalisierter Staatlichkeit zuzurechnen, so ist das formelle Kriterium erfüllt 14 . Dies ist immer dann der Fall, wenn der Rechtsträger durch das Grundgesetz selbst konstituiert (unmittelbare Staatsgewalt im formellen Sinne) oder aber durch die verfassungsrechtlich kreierten Rechtsträger ins Leben gerufen wird (mittelbare Staatsgewalt im formellen Sinne). Das formelle Element der Staatsgewalt stellt also auf den Kreationsakt ab und fragt danach, ob die Bildung des jeweiligen Rechtsträgers auf einem staatlichen, nicht privaten Konstitutionsakt beruht, mithin nicht Ausdruck der freien Entfaltung einer natürlichen oder juristischen Person ist. 2. Staatsgewalt im materiellen Sinne Ging es bei dem formellen Element der Staatsgewalt um das „staatliche" Moment der Herrschaftsausübung, so geht es bei dem materiellen Aspekt um das „Gewalt"-Moment staatlichen Handelns. Das materielle Element der Staatsgewalt ist nur erfüllt, wenn der staatliche Akt eine gewisse „Gewalt"Schwelle überschreitet. Staatsgewalt im materiellen Sinne umschreibt den inhaltlich-gegenständlichen Bereich der Staatsgewalt und fragt danach, ob es sich bei dem staatlichen Tätigwerden auch im funktionell-materiellen Sinne um Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG handelt. Was im einzelnen zum inhaltlich-gegenständlichen Bereich der Staatsgewalt zählt, soll im folgenden eruiert werden. Im Anschuß daran wird der Frage nachgegangen, ob der so umrissene Kreis der Staatsgewalt im materiellen Sinne gewissen Einschränkungen und Vorbehalten unterliegt.
14 Anders dagegen M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 255 ff., insbesondere 258 f., der unter dem Begriffselement der Staatsgewalt im formellen Sinne im Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung die Art und Weise sowie die Intensität staatlichen Handelns erörtert.
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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a) Wahrnehmung von Staatsaufgaben
Einen ersten Anhaltspunkt zur inhaltlich-gegenständlichen Konturierung des materiellen Teilaspekts der Staatsgewalt bietet die Gesamtschau der verschiedenen Gewährleistungen des Art. 20 Abs. 2 GG. Gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 bedarf die Ausübung aller Staatsgewalt der Rückführbarkeit auf das Volk 15 . Aus Satz 2 ergibt sich, daß die Ausübung der Staatsgewalt ausnahmslos den drei Staatsgewalten, den Organen der Legislative, Exekutive und Judikative, obliegt. Daraus erhellt, daß sich das grundgesetzliche Erfordernis demokratischer Legitimation auf sämtliche drei Staatsfunktionen erstreckt. Alle Bereiche rechtsetzender, verwaltender und rechtsprechender Tätigkeit zählen zur Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG. Staatliche Funktionsträger werden indes nicht um ihrer selbst willen, sondern stets in Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Staatsaufgaben tätig, um derentwillen sie bestehen16. Die Funktionsausübung durch staatliche Stellen ist akzessorisch geknüpft an die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, der Staat darf gar nicht anders tätig werden als in Wahrnehmung von Staatsaufgaben. Der inhaltlich-gegenständliche Bereich der Staatsgewalt ist damit zu bestimmen als das Handeln eines Trägers staatlicher Gewalt in Wahrnehmung einer Staatsaufgabe 17. b) Einschränkungen und Vorbehalte
aa) Einschränkung nach der Art und Weise staatlichen Handelns? Zu fragen ist, ob der so umrissene inhaltlich-gegenständliche Bereich der Staatsgewalt gewissen Einschränkungen und Vorbehalten unterliegt. Eine solche Einschränkung könnte sich nach der Art und Weise staatlichen Handelns, also nach den staatlicherseits in Anspruch genommenen Handlungsformen, ergeben18. Einen ersten Anhaltspunkt zur Beantwortung dieser Frage bietet die oben vorgenommene Begriffsbestimmung des formellen Elements der Staatsgewalt. Diese hat gezeigt, daß der formelle Teilaspekt umfassend zu bestim15
Siehe dazu bereits oben, S. 30 ff. So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 248. 17 Dieser Entsprechungszusammenhang zwischen der Ausübung von Staatsgewalt und der Wahrnehmung von Staatsaufgaben entspricht - wenn auch bei unterschiedlicher methodologischer Verortung- der mittlerweile ganz herrschenden Auffassung, siehe nur N. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 82; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 233 ff.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 79; P. J. Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratiegebot, S. 80. 18 Zu der Frage der Legitimationsbedürftigkeit innerdienstlicher staatlicher Maßnahmen eingehend BVerfGE 93, 37 (68 f.). 16
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
men ist und keinerlei Einschränkungen gestattet. Ebenso ist aber auch der materielle Teilbereich der Staatsgewalt einer Begrenzung nach den Handlungsformen staatlicher Aufgabenerledigung nicht zugänglich. Staatliche Funktionswahrnehmung erweist sich grundsätzlich unabhängig davon, auf welche Art und Weise und in welchen Handlungsformen der Staat tätig wird, als legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG. So macht es im Hinblick auf das Legitimationserfordernis des Art. 20 Abs. 2 GG insbesondere keinen Unterschied, ob der Staat eingreifend oder leistend tätig wird 19 . Staatliche Funktionsausübung vollzieht sich gerade auch im Bereich der leistenden Verwaltung. Dagegen kann auch nicht der Begriff der „vollziehenden Gewalt" in Art. 20 Abs. 2 GG ins Feld geführt werden, denn diesem unterliegt nicht etwa nur der Bereich der Eingriffs-, sondern auch der Leistungsverwaltung 20 . Auch die Wahl der Organisationsform führt nicht zu einer Herausnahme aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt. Für die Frage nach der demokratischen Legitimation des Staates ist es ohne Belang, in welchen Organisationsformen er seine Aufgaben erfüllt, ob er also in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisationsgebilden tätig wird. Ansonsten hätte der Staat es in der Hand, durch die Wahl der Organisationsform über die Einschlägigkeit des Art. 20 Abs. 2 GG zu befinden und auf diesem Wege über die Legitimationsbedürftigkeit seines Handelns selbst zu entscheiden21. Eine Einschränkung des inhaltlich-gegenständlichen Bereichs der Staatsgewalt nach den staatlicherseits in Anspruch genommenen Handlungsformen muß daher ausscheiden. bb) „Gewalt"-Moment: Bagatellvorbehalte? Zum Teil wird vertreten, daß aus dem Kreis legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG solche Bereiche staatlicher Aufgabenwahrnehmung auszuklammern seien, denen kein hinreichendes Gewicht zukomme22. In diesen Fällen mangelnder Gewichtigkeit staatlichen Handelns dränge das Gebot demokratischer Legitimation nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang auf Verwirklichung. Dies treffe vor allem zu, wenn der Staat Verwal-
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M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 256. So schon der Abgeordnete v. Mangoldt im Parlamentarischen Rat zu Art. 20 GG, in: JöR 1 (1951), S. 197; ebenso Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 212. 21 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 13. 22 Zu diesen Einschränkungen des Begriffs der „Staatsgewalt" näher M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 228 f. 20
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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tungsaufgaben von „mangelnder politischer Tragweite" 23 oder von „besonders geringer Bedeutung" erfülle 24. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Diesen Bagatellvoibehalten muß die Anerkennung versagt bleiben. Dies aus zwei Gründen, einem grundsätzlichdogmatischen und einem pragmatischen. Der grundsätzlich-dogmatische Einwand beruht darauf, daß einer solchen Einschränkung des Begriffs der Staatsgewalt bereits die textliche, jede Restriktion ablehnende Fassung des Art. 20 Abs. 2 GG entgegensteht. Nach Art. 20 Abs. 2 GG unterliegt ausnahmslos jede Ausübung von Staatsgewalt ohne Rücksicht auf die Bedeutung und Tragweite der staatlichen Aufgaben dem Erfordernis demokratischer Legitimation. Bereits aus diesem Grunde vermag eine Einschränkung des materiellen Aspekts der Staatsgewalt nach der „Gewichtigkeit" staatlicher Aufgabenwahrnehmung nicht zu überzeugen25. Im übrigen verdient dieser Einschränkungsversuch im vorliegenden Zusammenhang aber auch deswegen keine weitere Beachtung - und darauf zielt der pragmatische Einwand -, weil das Handeln der Deutschen Bundesbank angesichts ihrer weitreichenden Befugnisse 26 weder als politisch bedeutungslos noch als „unwichtig" 27 bezeichnet werden kann 28 . Einen weiteren Begrenzungsversuch nehmen schließlich die Anhänger der sogenannten „Theorie der abgestuften Stringenz" vor 29 . Danach dränge das Gebot demokratischer Legitimation nicht stets auf volle Verwirklichung, sondern gelange nur mit abgestufter Stringenz zum Tragen, die sich nach der staatlichen Aufgabe und deren Staatsnähe sowie nach der Eigenart der Aufga-
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So etwa BVerfGE 9,268 ff. BVerfGE 47,253 ff; schon zurückhaltender BVerfGE 83, 60 ff.; Anhänger dieses sogenannten pagateli-Vorbehalts" sind auch G. Püttner, DVB1. 1984, 165 (167); R. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 43. 25 So zu Recht M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 250 f.; ausführlich auch ders., Der Staat 32 (1993), 29 (39 ff., insbesondere 52); ähnlich auch J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 62 f.; ders., VerwArch 81 (1990), 349 (356). 26 Zu den der Deutschen Bundesbank zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen ausführlich//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 269 ff.; H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 6 ff.; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 86 ff. 27 So das BVerfG in seinem Beschluß zu den nordrhein-westfölischen Bezirksvertretungen, E 47, 253 (274). 28 So auch E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 22; D. Hoffmann, in: Festschrift für H. Ridder, S. 53 (59); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 62. 29 Zur dogmatischen Verortung der „Theorie der abgestuften Stringenz" M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 230 f. 24
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
benerledigung und deren Gewichtigkeit bemesse30. Die Frage, ob legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vorliegt, sei anhand dieser vier Kriterien zu beurteilen, die eine Skala abgestufter Legitimationsanforderungen bildeten. Vorauszuschicken ist auch hier zunächst, daß die „Theorie der abgestuften Stringenz" im gegebenen Zusammenhang wohl kaum zu dem Ergebnis gelangen dürfte, die Funktionswahrnehmung der Deutschen Bundesbank aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG auszuklammern. Denn die der Deutschen Bundesbank obliegenden währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse sind regelmäßig sowohl hoheitlicher Natur als auch (währungs-)politisch äußerst gewichtig31; insoweit verdiente allein der Aspekt der „Staatsnähe" weitere Beachtung. Vor allem aber sind es grundsätzliche Erwägungen, die der „Theorie der abgestuften Stringenz" die Anerkennimg verwehren. Denn wie bereits dargelegt, ist das Demokratieprinzip ein Formalprinzip, das ungeachtet der staatlichen Aufgaben und Funktionen ausnahmslos jede Ausübung von Staatsgewalt dem Gebot demokratischer Legitimation unterwirft. Notwendig, aber auch hinreichend für die Legitimationsbedürftigkeit staatlichen Handelns ist nach Art. 20 Abs. 2 GG, daß staatliche Funktionsträger in Wahrnehmung von Staatsaufgaben tätig werden 32. Eine „Skala abgestufter Stringenz", die sich nach der Eigenart, Gewichtigkeit und Staatsnähe der staatlichen Aufgaben bemißt, ist Art. 20 Abs. 2 GG fremd; ihr kommt verfassungsrechtliche Valenz daher nicht zu. cc) „Gewalt"-Moment: Entscheidungsleistung als notwendiges Einschränkungskriterium Einer Einschränkung unterliegt der inhaltlich-gegenständliche Bereich der Staatsgewalt aber insofern, als der Teilaspekt der Staatsgewalt indiziert, daß eine gewisse „Gewalt"-Schwelle nicht unterschritten werden darf. Damit von Staatsgewalt im materiellen Sinne die Rede sein kann, muß staatliches Handeln ein bestimmtes „Gewalt"-Moment aufweisen. Dieses „Gewalt"-Merkmal ist nur dann gegeben, wenn die Wahrnehmung der betreffenden Sachaufgabe durch den staatlichen Funktionsträger einen gewissen Entscheidungsgehalt aufweist 33. Denn will man an der zweigleisigen Bestückung des Begriffs der
30 Diese „Theorie der abgestuften Stringenz" wurde namentlich von P. J. Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratiegebot, S. 31 ff, entwickelt. 31 Dazu bereits oben bei Fn. 27 (S. 37). 32 M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 249. 33 BVerfGE 37 (68); 47, 253 (273); 77,1 (40); 83, 60 (73); E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnrn. 12 f.; Ε. T. Emde, Die demo-
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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Staatsgewalt festhalten und diesen in ein formelles und ein materielles Element zerlegen, muß man für das Erfordernis der Gewaltausübung eine gewisse Entscheidungsleistung verlangen. Ansonsten verlöre der materielle Teilaspekt seinen eigenständigen Sinngehalt und näherte sich in seiner Bedeutung dem formellen Element an. Damit ist die Frage aufgeworfen, wie der inhaltlich-gegenständliche Bereich der Staatsgewalt unter dem Gesichtspunkt dieses „Gewalt"-Vorbehaltes einzugrenzen ist. Anders gewendet: Es geht darum, welche Formen staatlichen Handelns wegen ihrer mangelnden Entscheidungsbeiträge aus dem Begriffsfeld der Staatsgewalt im materiellen Sinne auszuscheiden sind 34 . Zur Klärung dieser Frage ist es erforderlich, das Merkmal der Entscheidung näher zu konturieren und damit das „Gewalt"-Moment mit Inhalt zu besetzen. Was indes für die Entscheidung im einzelnen zu verlangen ist und welche Formen staatlicher Funktionswahrnehmung auszuklammern sind, ist bislang nur unzureichend geklärt. Diese spezielle Einzelfrage soll jedoch an dieser Stelle - um das Abstraktionsniveau nicht ohne Notwendigkeit überzustrapazieren noch zurückgestellt und erst später vertiefend erörtert werden 35. Fest steht damit bislang nur, daß für das materielle Element der Staatsgewalt die Inanspruchnahme von Entscheidimgsbefugnissen erforderlich ist. Als vorläufiges Ergebnis ist damit festzuhalten, daß das materielle Element der Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG jede Wahrnehmung von Staatsaufgaben unter Inanspruchnahme von Entscheidungsbefugnissen erfaßt 36. IV. Verwirklichungskomponenten im Modell demokratischer Legitimation Im folgenden rücken die einzelnen Verwirklichungskomponenten im Modell demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG in das Zentrum der
kratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 214 ff.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 257 ff.; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (42); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 78 ff.; M Sachs, in: ders., (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 20. 34 Zu dem der Staatsgewalt immanenten Entscheidungsmoment im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und zur Entwicklung des Entscheidungsmerkmals aus dem ursprünglichen Bagatellvorbehalt ausführlich M Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (34 ff.). 35 Zu der inhaltlichen Konturierung des Entscheidungsmerkmals ausführlich unten im vierten Teil, Kapitel 5, S. 296 ff. 36 Im Ergebnis ebenso E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 12; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 262.
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
Betrachtung. Wie bereits oben dargelegt, ist der nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und der Staatsgewalt nur dann sichergestellt, wenn eine ununterbrochene Legitimationskette vom Souverän bis hin zu jedem mit der Wahrnehmung staatlicher Befugnisse betrauten Entscheidungsträger reicht. Mittel zur Verwirklichung dieser Legitimation sind die institutionelle, die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation. 1. Institutionelle Legitimation Zunächst zur institutionellen Legitimation. Die institutionelle Legitimationsform bezieht sich auf die Institution als solche, die sie zu legitimieren sucht. Sie wird im Hinblick darauf ausgesprochen, daß der Verfassungsgesetzgeber selbst die betreffende Institution konstituiert hat, diese also ihre Existenz unmittelbar einem verfassungsgesetzgeberischen Akt verdankt 37. Von der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation unterscheidet sich die institutionelle Legitimation dadurch, daß sie ihren Ursprung in einem anderen Legitimationssubjekt nimmt. Während die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation auf das Volk, den pouvoir constituant, zurückgehen, rührt die institutionelle Legitimation von dem Verfassungsgesetzgeber, dem pouvoir constitué, her 38 . Die Deutsche Bundesbank ist durch Art. 88 Satz 1 GG, also unmittelbar durch die Verfassung selbst konstituiert. Die institutionelle Legitimation der Bundesbank ist daher nicht zu beklagen. Ungeachtet der Frage, ob die institutionelle Legitimation als eine der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation gleichberechtigte Legitimationsform anzuerkennen ist oder ob sie - mit Blick auf die genannten Unterschiede - als eigenständige Legitimationsform ausscheiden muß 39 , steht jedoch fest, daß allein die institutionelle Legitimation nicht ausreicht, um staatlichem Handeln die nach dem Grundgesetz gebotene demokratische Rückanbindung zu vermitteln. Denn staatliches Handeln ist nicht schon deswegen legitimiert, weil es durch die Verfassimg in-
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E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 15; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 69; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 197 ff. 38 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 15; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 277; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 197. 39 So die Ansicht M Jestaedts, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 279.
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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stitutionell vorgesehen ist 40 . Die institutionelle Legitimation ersetzt in keinem Fall die konkrete Legitimation der staatlichen Amtswalter und der von ihnen getroffenen Entscheidungen; diese wird allein durch die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation vermittelt 41. 2. Personelle Legitimation Die personelle Legitimation42 gebietet eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte vom Volk bis hin zu sämtlichen mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswaltern 43. Sie bewirkt, daß die konkrete, mit der Ausübung von Staatsgewalt betraute Person ihre Berufung und ihre Entscheidung auf das Volk als Legitimationssubjekt zurückführt. Die personelle Legitimation leistet damit einen Legitimationsbeitrag im doppelten Sinne: Sie bewirkt zum einen die Legitimation jedes einzelnen Amtswalters und zum anderen die Legitimation des dem Amtswalter konkret zugewiesenen Aufgabenbereiches. Dadurch wird sowohl die individuelle Berufung des einzelnen Amtswalters als auch seine konkrete Entscheidungsleistung demokratisch legitimiert, also auf den Willen des Volkes zurückgeführt 44. Die einzelnen Funktionsträger in der staatlichen Verwaltung leiten ihre personelle Legitimation dabei nicht unmittelbar vom Volk oder vom Parlament, sondern von dem jeweiligen Ressortminister ab 45 . Es reicht eine Kette
40 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 69; in diesem Sinne auch S. Magiern, Parlament und Staatsleitung, S. 99. 41 Im Ergebnis ebenso E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 15; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 279; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 69; vgl. auch R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, S. 39, 55; E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (364). 42 Die Terminologie ist unterschiedlich: E.-W. Böckenförde (in: J. Isensee / P. Kirchhof [Hrsg.], HdbStR I, § 22 Rdnrn. 16 f.) spricht insoweit von „organisatorischpersoneller demokratischer Legitimation"; in der Terminologie von M. Jestaedt (Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 267 ff.) gewendet heißt es „personelldemokratische Legitimation". 43 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16.; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 210; ders., in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 50 ff; ablehnend dagegen B.-O. Bryde, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 305 (315). 44 R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 210; ders., in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 50-53, spricht insoweit von dem „Prinzip der individuellen Berufimg der Amtswalter durch das Volk oder durch volksgewählte Organe". 45 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 340 und 343; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 330;
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individueller Berufungsakte vom Volk als Legitimationssubjekt zu dem nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar gewählten und damit unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament46. Das vom Volk legitimierte Parlament wählt gem. Art. 63 GG den Bundeskanzler, der wiederum die Minister als Mitglieder der Regierung vorschlägt, welche nach Art. 64 Abs. 1 GG vom Bundespräsidenten ernannt werden. Dem jeweiligen Ressortminister obliegt es aufgrund seiner Personalhoheit nach Art. 65 Satz 2 GG, die einzelnen Amtswalter der ihm hierarchisch untergeordneten Exekutive auszuwählen. Die administrativen Funktionsträger leiten ihre demokratische Legitimation also unmittelbar von dem jeweiligen Ressortminister ab. Dagegen spricht auch nicht, daß die Ernennung der Bundesbeamten gem. Art. 60 Abs. 1 GG formell vom Bundespräsidenten vorgenommen wird. Denn diese Ernennung durch den Bundespräsidenten bedarf gem. Art. 58 Satz 1 GG der Gegenzeichnung durch den zuständigen Ressortminister, was deutlich macht, daß die Auswahl der Beamten sowie der übrigen exekutiven Funktionsträger der eigenständigen Machtvollkommenheit des Ressortministers obliegt und allein in dessen Personalhoheit fällt 47 . In personeller Hinsicht muß also eine ununterbrochene Kette individueller Berufüngsakte vom Volk bis hin zu jedem mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswalter fuhren. Dabei kommt es entscheidend darauf an, daß die Legitimation konkret besteht, das heißt auf jeden einzelnen Amtswalter und seinen ganz speziellen Aufgabenkreis individuell bezogen ist 48 . Der einzelne mit der Ausübung von Staatsgewalt betraute Funktionsträger muß gerade in seiner konkreten Funktion, dem Amt, von dem Träger der Staatsgewalt, dem Volk, legitimiert sein. Die personelle Legitimation muß sich also sowohl auf den Amtsträger als auch auf das ihm zugewiesene Amt beziehen. Eine bloß abstrakte, auf keinen bestimmten Amtswalter und Funk-
anders allerdings W. Krebs, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, §69 Rdnr. 80, der die Ansicht vertritt, daß die Verwaltung ihre demokratische Legitimation „nicht notwendig immer über die Regierung" erhalten müsse. 46 Dazu bei R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 76; M Kriele, WDStRL 29 (1970), 46 (63); H Meyer, WDStRL 33 (1974), 69 (80). 47 Vgl. E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 24; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 340 f.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 330 f. 48 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 269; R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, S. 39; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 210; ders., in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 50 ff; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 84.
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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tionsbereich bezogene Berufung vermag die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle demokratische Legitimation nicht zu vermitteln. Die personelle Legitimation kann dabei sowohl durch unmittelbare Volkswahl als auch durch eine mittelbare Berufung der Amtswalter hergestellt werden 49 . Grundsätzlich genügt auch ein bloß mittelbarer Legitimationszusammenhang, sofern nur im Ergebnis sichergestellt ist, daß eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte vom Volk bis hin zu jedem mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswalter reicht. Entscheidend ist allein, daß die Legitimationskette nicht durch nicht legitimierte Glieder durchbrochen wird. Die Kette individueller Berufungsakte vom Volk bis hin zu jedem Amtswalter muß lückenlos sein50. Dies darf jedoch nicht den Blick davor verstellen, daß die unmittelbare Berufung durch das Volk eine im Vergleich zur mittelbaren Berufung höhere demokratische Dignität vermittelt 51. Hieraus erhellt, daß der legitimationsvermittelnde Gehalt der personellen Legitimation mit der Länge der Kette individueller Berufungsakte, das heißt mit der zunehmenden Anzahl der zwischen das Legitimationssubjekt und den einzelnen Entscheidungsträger geschalteten Legitimationsmittler, kontinuierlich abnimmt 52 . Je kürzer die Kette ist, je weniger Berufungsakte zwischengeschaltet sind, desto höher ist die demokratische Dignität des personellen Legitimationsfaktors. Und umgekehrt: Je länger die Kette individueller Berufungsakte reicht, desto geringer ist der legitimationsvermittelnde Gehalt und damit der demokratische Wert der personellen Legitimation. Demgemäß rangiert das unmittelbar vom Volk gewählte Parlament auf dem obersten Platz in der Bedeutungsskala personeller Legitimation, gefolgt von der Regierung und beschlossen von dem auf der untersten Hierarchiestufe stehenden Amtswalter.
49 Vgl. BVerfGE 77,1 (40); 83,60 (73); 93, 37 (67); aus dem Schrifttum statt vieler R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, S. 39; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 52 f.; F. Ossenbühl, Grenzen der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 39; M Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 148; R. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 40; E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360 f.). 50 So E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16. 51 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16; siehe ferner J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume, S. 91; dagegen allerdings E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (360). 52 Vgl. statt aller E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 284.
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3. Sachlich-inhaltliche Legitimation und deren rechtstechnisches Verwirklichungsinstrumentarium Damit dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art 20 Abs. 2 GG entsprochen ist, genügt indes allein die personelle Legitimation nicht. Vielmehr muß die sachlich-inhaltliche Legitimation der staatlichen Funktionsträger hinzutreten 53, um die Herrschaftsausübung durch das Volk zu legitimieren. Es bedarf grundsätzlich dieser beiden Legitimationsstränge gemeinsam, um die nach Art. 20 Abs. 2 GG geforderte demokratische Rückanbindung der Staatsgewalt an den Willen des Volkes sicherzustellen. Während die personelle Legitimation gewährleistet, daß die Berufung jedes einzelnen Amtswalters und seines konkreten Aufgabenbereichs auf das Volk rückführbar ist 54 , besteht die Funktion der sachlich-inhaltlichen Legitimation darin, die konkreten Entscheidungen der mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Amtswalter demokratisch zu legitimieren. Sie ist darauf gerichtet, die staatlicherseits getroffenen Entscheidungen ihrem Inhalt nach vom Willen des Volkes herzuleiten 55 . In dieser Funktion tritt die sachlich-inhaltliche Legitimation im demokratischen Legitimationsmodell zu der personellen Legitimation hinzu. In ihrem Zusammenwirken stellen die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation sicher, daß die konkrete Entscheidungsleistung jedes einzelnen Amtswalters demokratisch legitimiert ist und auf diese Weise dem Gebot der Volkssouveränität des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen wird. Zur Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation steht ein umfangreiches Arsenal an Steuerungsinstrumenten zur Verfügung, die einen jeweils unterschiedlichen legitimationsvermittelnden Gehalt aufweisen 56. Insoweit lassen sich zwei verschiedene Kategorien unterscheiden: die legislatorischen Lenkungs- und Kontrollmechanismen und die exekutiven Steuerungsinstrumente. Diese sachlich-inhaltliche Legitimation stiftenden Medien sollen im folgenden näher beleuchtet werden. 53 Auch insoweit geht die Terminologie auseinander, während E.-W. Böckenförde (in: J. Isensee / P. Kirchhof [Hrsg.], HdbStR I, § 22 Rdnrn. 21 ff.) den Begriff der „sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation" verwendet, spricht M Jestaedt (Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 270 ff.) von „materieller demokratischer Legitimation". 54 Siehe dazu oben auf S. 39 f. 55 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 43; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 48. 56 Eine umfassende Darstellung der legitimationsvermittelnden Steuerungsinstrumente findet sich bei Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 66 ff.
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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a) Legislatorische Steuerungsinstrumente
Als legislatorische Steuerungsmittel stehen dem Parlament verschiedene Instrumente zur Verfügung, welche einen jeweils unterschiedlichen sachlich-inhaltlichen Legitimationswert aufweisen. Insoweit ist zu differenzieren zwischen der parlamentarischen Kontrolle einerseits und der parlamentarischen Lenkung andererseits. aa) Parlamentarische Kontrolle Sachlich-inhaltliche Legitimation wird wesentlich durch die Kontrollbefugnisse des Parlaments gegenüber der Exekutive hergestellt, welche ihrer Eigenart nach lediglich eine nachträgliche Überprüfung des Verwaltungshandelns ermöglichen. Dabei ist zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren parlamentarischen Kontrolle zu unterscheiden. Zu den Mitteln unmittelbarer parlamentarischer Kontrolle sowohl der Gubernative als auch der Administrative zählen das Recht des Bundestags, Untersuchungsausschüsse einzusetzen (Art. 44 GG), sowie das parlamentarische Budgetrecht. Als weitere Möglichkeiten unmittelbarer parlamentarischer Kontrolle der Exekutive sind das parlamentarische Recht auf Mißtrauenskundgabe (Art. 67 GG) und das Zitierund Interpellationsrecht (Art. 43 Abs. 1 GG) 57 zu nennen. Die mittelbare parlamentarische Kontrolle der Exekutive wird über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung vermittelt. Unmittelbarer Gegenstand der mittelbaren parlamentarischen Kontrolle ist alleinig die Politik der Bundesregierung. Über die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung kann das Parlament mittelbar auch die der Exekutivspitze nachgeordneten Verwaltungsträger kontrollieren. Denn aufgrund des gubernativ-hierarchischen Aufbaus der gesamten staatlichen Verwaltung 58 zeichnet die Bundesregierung nicht nur für ihr eigenes Handeln, sondern auch für das der ihr nachgeordneten Behördenzüge gegenüber den Kontroll- und Abberufungsrechten des Parlaments verantwortlich 59. Durch die unmittelbare Kontrolle der Regierung kann das Parlament somit mittelbar auch die der Regierung nachgeordnete Verwaltung kontrollieren. Diese parlamentarische Kontrollbefugnis be-
57 Dezidiert zu den parlamentarischen Kontrollinstrumenten Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 78 f.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 334 ff. 58 Dazu noch im einzelnen in Kapitel 4, S. 88 ff. 59 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; zum hierarchischen Aufbau der Ministerialverwaltung noch unten in Kapitel 4, S. 88 ff.
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steht jedoch nur insoweit, als die Regierung selbst für das Handeln der Exekutive verantwortlich zeichnet. Dies wiederum hängt davon ab, welche Steuerungs- und Lenkungsmechanismen der Gubernative gegenüber den einzelnen Verwaltungsstellen zur Verfügung stehen. Die über die unmittelbare Kontrolle der Bundesregierung vermittelte mittelbare parlamentarische Kontrolle der Verwaltung besteht also nur in dem Maße, wie die Exekutivspitze die ihr nachgeordnete Administrative selbst zu steuern in der Lage ist. Umfang und Reichweite des mittelbaren parlamentarischen Kontrollrechts gegenüber der Exekutive sind damit akzessorisch verknüpft mit den Kontroll- und Steuerungsbefugnissen der Regierung gegenüber der Verwaltung. bb) Parlamentarische Lenkung Neben der parlamentarischen Kontrolle kann sachlich-inhaltliche Legitimation auch durch die vom Parlament erlassenen Gesetze vermittelt werden 60. Während sich das Instrument der Kontrolle auf eine nachträgliche Überprüfung der Exekutivtätigkeit beschränkt, handelt es sich bei dem Gesetz um ein präventives, die Staatstätigkeit lenkendes Steuerungsmittel. Die Verwaltung ist beim Gesetzesvollzug nach Art. 20 Abs. 3 GG an die vom Parlament erlassenen Gesetze gebunden. Soweit diese Bindung der vollziehenden Gewalt an die Gesetze besteht, soweit reicht auch die Steuerungskraft des Parlaments. Dabei äußert sich in dem formellen Gesetz der Wille des durch Wahlakt unmittelbar demokratisch legitimierten Repräsentativorgans des Volkes61. Der dadurch begründete besondere demokratische Wert läßt das Gesetz zum zentralen Verbindungsstück zwischen den staatlicherseits getroffenen Entscheidungen und dem Volk avancieren62. Die Steuerungskraft und damit der legitimationsvermittelnde Gehalt des Gesetzes ist aber keineswegs stets gleichermaßen ausgeprägt, sondern differiert nach Maßgabe der inhaltlichen Regelungs-
60
E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 139; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 67 ff. und 79 ff ; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 272,273. 61 M Kriele, WDStRL 29 (1971), 46 (64): „Die Wahl vermittelt die demokratische Legitimation des Gesetzes". 62 Zur zentralen Rolle des Gesetzes im demokratischen Verfassungsstaat H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 160 ff.; R. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, S. 74 f.; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 84; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 14 Rdnrn. 502 ff; K. Stern, Staatsrecht I, S. 825 ff; E. Schmidt-Aßmann, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 24 Rdnr. 58; ders., AöR 116 (1991), 329 (357).
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dichte des Gesetzes. Dieses Problemfeld soll jedoch an dieser Stelle vorerst ausgeblendet und erst später vertiefend behandelt werden 63. b) Exekutive Steuerungsinstrumente
Neben den legislatorischen Lenkungs- und Kontrollmechanismen wird sachlich-inhaltliche Legitimation auch durch exekutive Steuerung hergestellt. Der Exekutive steht ein breites Spektrum an sachlich-inhaltlichen Steuerungsinstrumenten zur Verfügung, die es im folgenden zu analysieren gilt. Auch insoweit lassen sich zwei Kategorien unterscheiden: die abstrakten und die konkreten Steuerungsmittel. aa) Abstrakte Steuerungsmittel Zu den Möglichkeiten abstrakter exekutiver Steuerung zählen in erster Linie das Verordnungsrecht nach Art. 80 GG und die Befugnis zum Eriaß von Verwaltungsvorschriften 64. Das Verordnungsrecht der Exekutive ist eine vom Parlament abgeleitete, also derivative Rechtsetzungsbefugnis, da die Verwaltung zum Eriaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 GG stets der gesetzlichen Ermächtigung bedarf 65. Demgegenüber sind Verwaltungsvorschriften Ausdruck der originären Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive; sie entspringen der Leitungsbefugnis des jeweiligen Ressortministers in seinem Funktionsbereich. Ebenso wie bei den vom Parlament erlassenen Gesetzen hängt auch die Steuerungskraft von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften entscheidend davon ab, welche inhaltliche Regelungsdichte diese aufweisen 66. Dem Verordnungsgeber stehen dabei Regelungsspielräume nur insoweit zur Verfügung, als sie ihm durch die gesetzliche Ermächtigung zugewiesen sind. Die sachlich-inhaltliche Steuerungskraft der von der Exekutive erlassenen Rechtsverordnungen bemißt sich also danach, welche Gestaltungsspielräume der Exekutive durch die gesetzlichen Grundlagen belassen werden 67 . Insoweit ist die Steuerungskraft der exekutiven Rechtsverordnung funktional mit der der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage verschränkt. Die
63
Dazu in Kapitel 4, bei Fn. 34 - 39 (S. 97 ff.). Zu der Steuerungskraft von Verwaltungsvorschriften als Form der Selbstprogrammierung der Verwaltung H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 191 ff. 65 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 79; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 340 f. 66 So auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 79 f.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 341 f. 67 M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 341. 64
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sachlich-inhaltliche Steuerungskraft und der dadurch vermittelte legitimationsstiftende Gehalt exekutiver Rechtsverordnungen kann also nicht aus sich selbst heraus bestimmt werden, sondern differiert nach Maßgabe der inhaltlichen Regelungsdichte der betreffenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. An einer solchen funktionalen Verzahnung fehlt es dagegen bei den Verwaltungsvorschriften, die keiner Ermächtigung durch das Parlament bedürfen. Ein Zusammenhang mit den vom Parlament erlassenen Gesetzen besteht hier nur insofern, als die Exekutive beim Eriaß von Verwaltungsvorschriften die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben beachten muß und keine darüber hinausgehenden Rechtssätze erlassen darf. Insoweit ist aber nichts anderes angesprochen als der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes, der nach Art. 20 Abs. 3 GG für sämtliche Bereiche (exekutiven) staatlichen Handelns gilt. bb) Konkrete Steuerungsmittel Als Medien konkreter exekutiver sachlich-inhaltlicher Steuerung sind namentlich die Weisung und die Rechtsaufsicht zu nennen. (1) Weisung Im Gegensatz zu den abstrakten Steuerungsmitteln, die auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen bezogen sind, ist das Instrument der Weisimg darauf gerichtet, der Exekutive den Zugriff auf den konkreten Einzelfall zu ermöglichen. Die Weisungsgewalt der Exekutivspitze ermöglicht es, eine „sanktionierte demokratische Verantwortlichkeit" 68 einschließlich der dazugehörigen Kontrolle über die wahrzunehmenden staatlichen Aufgaben herzustellen. Durch das Weisungsrecht wird sichergestellt, daß sämtliches exekutive Handeln von der Administrativspitze gesteuert und damit auf den Willen des Volkes zurückgeführt wird. Dieses steuernden Einflusses der Regierung auf die Exekutive bedarf es, damit sie für das Handeln der ihr nachgeordneten Behördenzüge vom Parlament zur Verantwortung gezogen werden kann. Denn wie bereits erwähnt, setzt die Verantwortlichkeit der Regierung für die Funktionswahrnehmung durch die nachgeordneten Verwaltungsstellen voraus, daß sie diese bis auf jeden einzelnen Punkt und bis in jeden noch so fernen Schlupfwinkel dirigieren und regulieren kann. Damit die Exekutivspitze über diese
68 So sehr anschaulich E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; zu den weiteren exekutiven Steuerungsmitteln wie insbesondere den Unterrichtungs-, Kontroll- und Abberufungsrechten Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 12 ff.
Kap. 1: Modell demokratischer Legitimation
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Einflußnahmemöglichkeiten verfügt, muß sie prinzipiell mit einer entsprechenden Weisungsgewalt ausgestattet sein69. Weil das Instrument der Weisung auf die im Einzelfall konkret zu treffende Entscheidung jedes einzelnen Amtswalters bezogen ist und auf diese Weise deren Rückfiihrbarkeit auf den Willen des Volkes sicherzustellen vermag, nimmt das Weisungsrecht einen besonders hohen Stellenwert auf der Bedeutungsskala sachlich-inhaltlicher Legitimation ein. Hierin liegt der Grund dafür, daß das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturmeinung 70 das Demokratieprinzip durch „grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung" 71 charakterisiert und damit die Weisungsgewalt zum Regelinstrument innerhalb des demokratischen Legitimationsmodells erkoren hat 72 . (2) Rechtsaufsicht Neben die Weisung tritt als weiteres konkretes sachlich-inhaltliches Steuerungsmittel der Exekutive die Befugnis zur Rechtsaufsicht. Durch die Rechtsaufsicht wird sichergestellt, daß die betreffenden staatlichen Stellen bei der Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und Befugnisse in Einklang mit den geltenden Gesetzen handeln73. Mittel der Rechtsaufsicht sind zum einen präventive Steuerungsmöglichkeiten wie Anzeige- und Vorlagepflichten sowie Zustimmungsvorbehalte. Zum anderen sind als Medien exekutiver Rechtsaufsicht die Mittel der Beanstandimg, der Anordnung, des Auf hebungsrechts und der Ersatzvornahme zu nennen, welche ihrer Eigenart nach
69 Siehe hierzu E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134, 138 f.; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 67 ff. und 79 ff; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65 Rdnrn. 93 ff.; H. Lecheler, Verwaltungslehre, S. 150; P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnr. 47; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 319. 70 Vgl. statt vieler E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 21; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 343. 7 1 BVerfGE 83, 60 (72). 72 Zu der Frage der Entbehrlichkeit der Weisung im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG noch unten in Kapitel 4, S. 96 - 102. 73 A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rdnr. 806; G. Schmidt-Eichstaedt, in: G. Püttner (Hrsg.), Hdb der kommunalen Wissenschaft und Praxis DI, S. 14; E. SchmidtJortzig, Kommunalrecht, Rdnr. 80; R. Stober, Kommunalrecht, S. 252; K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnr. 212. 4 Brosius-Gersdorf
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
lediglich eine nachträgliche Steuerung staatlicher Gewaltausübung ermöglichen74. Die Bedeutung der Rechtsaufsicht auf der Skala sachlich-inhaltlicher Legitimation und damit auch ihr legitimationsstiftender Wert kann nicht aus ihr selbst heraus bestimmt werden, sondern hängt maßgeblich von der Legitimationskraft der Gesetze ab, die als Maßstab für die Rechtsaufsicht dienen75. Der legitimationsvermittelnde Gehalt der Rechtsaufsicht steht und fällt mit der Steuerungskraft der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben, deren Befolgung und Verwirklichung durch die Rechtsaufsicht sichergestellt werden sollen. Die sachlich-inhaltliche Legitimationskraft der Rechtsaufsicht differiert nach Maßgabe der inhaltlichen Regelungsdichte und der damit einhergehenden Steuerungskraft der betreffenden gesetzlichen Inhaltsvorgaben. Dieser Frage wird vertiefend noch an anderer Stelle nachgegangen76.
74
Zu den verschiedenen Mitteln der Rechtsaufsicht ausführlich A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rdnrn. 810 ff.; F.-L. Knemeyer, in: G. Püttner (Hrsg.), Hdb der kommunalen Wissenschaft und Praxis I, S. 272 ff ; E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rdnrn. 86 ff ; R. Stober, Kommunalrecht, S. 254 ff ; K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnrn. 217 ff. 75 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 84. 76 Zu der legitimationsvermittelnden Steuerungskraft von Gesetzen eingehend unten in Kapitel 4, bei Fn. 34 - 39 (S. 97 ff.).
Kapitel 2
Legitimationsniveau und Komplementarität der Legitimationskomponenten I. Ziel demokratischer Legitimationsvermittlung: „Bestimmtes Legitimationsniveau" j
Nachdem vorstehend die verschiedenen Verwirklichungsformen demokratischer Legitimation dargestellt wurden, soll im folgenden ihr Verhältnis zueinander bestimmt werden. Ausgangspunkt ist dabei abermals die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG, die den verfassungsdogmatischen Boden für die Bestimmung des maßgeblichen Legitimationsniveaus bietet (dazu unter 1. und 2.). In dieser allein auf Art. 20 Abs. 2 GG fokussierten Betrachtung erschöpft sich die Untersuchimg indes nicht. Vielmehr wird im Anschluß daran ein Vorschlag aus der Literatur in das Zentrum des Interesses gerückt: Gefragt werden soll, ob das durch Art. 20 Abs. 2 GG bestimmte Legitimationsniveau durch verfassungsrechtlich fixierte Organisationsmodelle eine Konkretisierung erfahrt (dazu unter 3.). 1. Legitimationsniveau als Zielvorgabe Wie bereits oben dargelegt, bilden die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation die zwei wesentlichen Komponenten im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG. Beide Elemente zusammen bilden das Fundament fur den verfassungsrechtlich gebotenen Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und dem staatlichen Handeln. Diese beiden Legitimationskomponenten stehen dabei nicht etwa beziehungslos und unverbunden nebeneinander, sondern sind vielmehr - funktional miteinander verzahnt auf ein und dasselbe Ziel gerichtet, nämlich darauf, alle Ausübung von Staatsgewalt demokratisch zu legitimieren1. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist mithin für die demokratische Legitimation nicht eine bestimmte Legitima-
1
BVerjüE 83, 60 (72); E.-W. Böckenförde, in: J.Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 23; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 328; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 282.
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
tionsform entscheidend, sondern vielmehr deren Effektivität 2. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG ist ein Formalprinzip, das nicht auf die Art und Weise der Legitimationsvermittlung, sondern allein auf das Legitimationsergebnis abstellt3. Entscheidend ist, daß die Gesamtheit der - personellen und sachlich-inhaltlichen - legitimationsvermittelnden Steuerungsinstrumente das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau zu erreichen in der Lage ist. Dem entspricht es, daß auch das Bundesverfassungsgericht den Gesichtspunkt der Effektivität ausdrücklich in das Zentrum seiner Konzeption zum demokratischen Legitimationsmodell stellt und ein „bestimmtes Legitimationsniveau" als maßgebliche Zielvorgabe des Art. 20 Abs. 2 GG verlangt4. 2. Gewährleistung von Volkssouveränität als maßgebliches Legitimationsniveau Kommt es demnach unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG ausschließlich darauf an, daß die Legitimationsfaktoren in ihrem Zusammenwirken der Ausübung von Staatsgewalt das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau vermitteln, so drängt sich die Frage auf, wie dieses Legitimationsniveau beschaffen sein muß, mit anderen Worten: ob und inwieweit ein bestimmtes Maß an demokratischer Legitimation zu erzielen ist. Das von Verfassungs wegen zu verwirklichende Legitimationsniveau ist bei Lichte betrachtet identisch mit dem in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG umrissenen Ziel der Volkssouveränität5. Legitimationsniveau und Volkssouveränität sind lediglich zwei Umschreibungen einer und derselben Zielvorgabe. Dem Prinzip der Volkssouveränität ist entsprochen und damit das Legitimationsniveau erreicht, wenn ein ununterbrochener Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und der Staatsgewalt besteht. Unter den Auspizien des Art. 20 Abs. 2 GG kommt es demnach entscheidend darauf an, daß jede Ausübung staatlicher Gewalt auf den Willen des Volkes rückführbar ist. Diese Rückfuhrbarkeit auf
2
BVerfGE 83,60 (72); 93, 37 (67). So explizit auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 327 f.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 284 f. 4 BVerfGE 83, 60 (72); ebenso aus dem Schrifttum E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 23; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 328 f.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 285. 5 So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 285 f. 3
Kap. 2: Legitimationsniveau
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das Volk, also die Gewährleistung von Volkssouveränität, ist das maßgebliche demokratische Legitimationsniveau6. Insoweit ist der sowohl in der Rechtsprechimg als auch in der Literatur verwandte Begriff 7 des Legitimationsw/veaw^ irreführend. Denn dieser Begriff suggeriert, daß es nach Art. 20 Abs. 2 GG eine gewisse Spannbreite gibt, innerhalb derer sich demokratische Legitimation staatlicher Herrschaflsausübung bewegen kann. Mit dem Begriff des Legitimationsniveaus assoziiert man unweigerlich die Frage, wie hoch oder niedrig dieses Niveau von Verfassungs wegen beschaffen ist. Die Suche nach der Höhe dieses Niveaus muß jedoch erfolglos bleiben. Denn nach dem Prinzip der Volkssouveränität kommt es ausschließlich darauf an, ob staatliche Gewaltausübung auf den Willen des Volkes rückführbar ist oder nicht; insoweit kann staatliches Handeln also nur entweder demokratisch legitimiert oder nicht legitimiert sein. Ein bestimmter Grad an Legitimation in dem Sinne, daß etwa ein bestimmter Legitimationswert auf einer Meßskala von eins bis zehn zu erreichen wäre, ist dem grundgesetzlichen Prinzip der Volkssouveränität fremd. Die Suche nach einem wie auch immer gearteten Niveau demokratischer Legitimation muß daher zwangsläufig in die Irre führen. Will man überhaupt von einer bestimmten Höhe des Legitimationsniveaus sprechen, dann insoweit, als das maßgebliche Legitimationsniveau nach Art. 20 Abs. 2 GG die Gewährleistung von Volkssouveränität, also die Rückführbarkeit jeder staatlichen Entscheidung auf den Willen des Volkes, ist8. Insoweit wäre es jedoch zutreffender, nicht von einer Legitimationshöhe, von einem Legitimationsniveau, sondern schlichtweg von der demokratischen Legitimation zu reden. Nochmals: Art. 20 Abs. 2 GG markiert nur das „Ob", nicht aber das „Wie" demokratischer Legitimation. Nach Art. 20 Abs. 2 GG ist erforderlich - und auch ausreichend -, daß staatliche Gewaltausübung im Ergebnis auf dem Willen des Volkes beruht, daß sie also demokratisch legitimiert ist. Aus grundgesetzlicher Sicht kommt es allein darauf an, daß der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und den mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Entscheidungsträgern besteht und nicht durch nicht legitimierte Glieder unterbrochen wird. Dagegen ist es sub specie des Art. 20 Abs. 2 GG irrelevant, auf welche Art und Weise dies geschieht oder welches Maß an demokratischer Legitimation erreicht wird, solange nur im Ergebnis sichergestellt ist, daß alle staatliche Gewaltausübung 6 Anders M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 287 f., der in Art. 20 Abs. 2 GG nur das „generelle" Legitimationsniveau verankert sieht. 7 Siehe nur R-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 23 bei Fn. 32; E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 385 f. bei Fn. 57; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 284 ff. bei Fn. 87 ff 8 So zutreffend mchH.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (23 f.).
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
auf dem Willen des Volkes beruht. Dies zeigt sich auch daran, daß es von Verfassungs wegen prinzipiell unerheblich ist, ob die gebotene Legitimation durch eine unmittelbare oder bloß mittelbare Berufung der Amtswalter vermittelt wird - wenn auch die demokratische Dignität und damit der Legitimationswert der unmittelbaren Berufung höher ist als bei der mittelbaren Berufung. Die dogmatische Begründung hierfür liegt in der maßgeblichen Zielvorgabe des Art. 20 Abs. 2 GG, wonach es ausschließlich darauf ankommt, daß im Ergebnis eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk bis hin zu den mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswaltern besteht, gleichgültig, auf welche Art und Weise diese hergestellt wird 9 . Das bedeutet jedoch nicht, daß sich die verschiedenen Bereiche staatlicher Gewaltausübung stets auf dem gleichen Legitimationsniveau bewegen und in demselben Maße demokratisch legitimiert sind. Ist vielmehr das von Verfassungs wegen gebotene demokratische Legitimationsniveau erreicht und staatliche Funktionsausübung demokratisch legitimiert, kann die demokratische Legitimation der einzelnen Gewalten durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein10. So sind sowohl das Parlament als auch der auf der unteren Stufe staatlicher Aufgabenerledigung fungierende exekutive Amtswalter demokratisch legitimiert im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG, wenngleich auch nicht auf dieselbe Weise und mit derselben demokratischen Dignität. Das Parlament entbehrt zwar jeder sachlich-inhaltlichen Legitimation, in personeller Hinsicht verfügt es aber wegen seiner unmittelbaren Berufung durch das Volk über eine besonders hohe demokratische Dignität, so daß im Ergebnis das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau erreicht wird. Demgegenüber leitet der exekutive Amtswalter seine personelle Legitimation durch eine Kette individueller Berufungsakte, also durch eine bloß mittelbare Legitimation, ab. Er ist aber - im Gegensatz zum Parlament - daneben auch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht legitimiert, dies nicht nur durch die vom Parlament erlassenen Gesetze, sondern vor allem auch durch die Weisungsgewalt der Administrativspitze 11 . In beiden Fällen ist unter dem Blickwinkel des Prinzips demokratischer Legitimation nichts zu beklagen, sowohl das Parlament als auch der exekutive Amtswalter sind demokratisch legitimiert im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG. Unterschiede bestehen aber insoweit, als die Art und Weise der Legitimationsvermittlung und der demokratische Legitimationswert differieren. Nur insoweit läßt sich also von einem unterschiedlichen Legitimationsniveau sprechen, ohne daß dies indes im Hinblick auf die demokratische Zielvorgabe des Art. 20 Abs. 2 GG von Belang wäre. Denn nochmals: In beiden Fällen ist das
9
Siehe dazu bereits oben in Kapitel 1, S. 30 ff. So auch BVerfGE 93, 37 (67). 11 Hierzu oben bei Fn. 68 - 72 (S. 48 f.). 10
Kap. 2: Legitimationsniveau
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maßgebliche Legitimationsniveau, die Gewährleistung von Volkssouveränität, erreicht und dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen. Als Essenz dieser Betrachtungen läßt sich festhalten, daß Art. 20 Abs. 2 GG an das demokratische Legitimationsniveau nur die eine Forderung stellt: Jede Ausübung staatlicher Gewalt muß auf den Willen des Volkes rückfühlbar sein. Immer dann - und nur dann -, wenn dieser Zurechnungszusammenhang besteht, ist staatliche Gewaltausübung demokratisch legitimiert und damit dem Prinzip der Volkssouveränität entsprochen. Die maßgebliche Legitimationshöhe ist allein durch diese, auf die Gewährleistung von Volkssouveränität gerichtete Zielvorgabe des Art. 20 Abs. 2 GG markiert. Das zu verwirklichende Legitimationsniveau ist die Rückführbarkeit aller staatlichen Gewaltausübung auf den Willen des Volkes. Wenn daher im folgenden von dem „Legitimationsniveau" die Rede ist, dann in dem Sinne, daß es als Synonym für die Gewährleistung von Volkssouveränität als der maßgeblichen Zielvorgabe nach Art. 20 Abs. 2 GG verwendet wird. 3· Verfassungsrechtliche Organisationsbestimmungen: Konkretisierung des Legitimationsniveaus oder Rechtfertigung von Legitimationsdefiziten? Wurde das Augenmerk bislang allein auf Art. 20 Abs. 2 GG als maßgebliche Verfassungsnorm für die Frage nach dem demokratischen Legitimationsniveau gerichtet, darf dies nicht den Blick davor verstellen, daß sich Aussagen hierzu auch in anderen Verfassungsbestimmungen finden. Während Art. 20 Abs. 2 GG nicht zwischen den verschiedenen Bereichen staatlicher Gewaltausübung differenziert, finden sich in anderen verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen auf die einzelnen Staatsfunktionen bezogene Regelungen. Beispiele für solche organisatorischen Sonderregelungen sind Art. 97 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 2 GG, die den Richtern beziehungsweise den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes verfassungsrechtliche Unabhängigkeit gewähren. Weiter seien in diesem Zusammenhang auch die in Art. 50 - 52 GG normierten Regelungen für den Bundesrat sowie die durch Gesetz vom 30. August 1994 in das Grundgesetz eingefügte Vorschrift des Art. 87f Abs. 2 GG für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation genannt, die für die darin normierten Sachbereiche bestimmte organisatorische Vorschriften enthalten12. In allen diesen Verfassungsbestimmungen finden sich auf konkrete Sachberei-
12
Hierzu sogleich ausführlich bei Fn. 28 - 38 (S. 61 ff.).
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
che bezogene Sonderregelungen zu den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG. Wie das Verhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 GG und den auf die einzelnen Staatsfunktionen zugeschnittenen verfassungsrechtlichen Organisationsnormen zu bestimmen ist, wird sowohl terminologisch als auch methodologisch unterschiedlich beantwortet. Zum Teil werden die verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen als „Modifikationen" oder Konkretisierungen" des demokratischen Regelniveaus des Art. 20 Abs. 2 GG erachtet13. Die Sonderregelungen für die einzelnen Staatsfunktionen konkretisierten die demokratische Grundnorm des Art. 20 Abs. 2 GG und reduzierten das demokratische Legitimationsniveau für den jeweiligen staatlichen Funktionsbereich, so daß an ihnen „abzulesen" sei, welches Verwirklichungsmaß und welchen Verwirklichungsmodus das verfassungsrechtliche Prinzip der Volkssouveränität für den von der Ausnahmeregelung normierten Sachbereich verlange, aber auch genügen lasse. Dementsprechend sei zwischen einem abstrakten Legitimationsniveau des Art. 20 Abs. 2 GG und einem konkreten, organisationsdeterminierten Legitimationsniveau der verfassungsrangigen Sonderbestimmungen zu unterscheiden14. Während Art. 20 Abs. 2 GG für das zu erreichende Legitimationsniveau allgemeine Forderungen aufstelle, die für jeden Bereich staatlicher Gewaltausübung gelten, sei die konkrete, auf die einzelnen Bereiche der Staatsgewalt bezogene Ausgestaltung des demokratischen Legitimationsniveaus den jeweiligen verfassungsrechtlichen Organisationsstrukturen der einzelnen Gewalten zu entnehmen15. Der Weg über das grundgesetzliche Organisationsmodell, das die Verfassung dem konkreten staatlichen Funktionsträger zuweise, führe zugleich zu dem gesuchten konkreten demokratischen Legitimationsniveau. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG rezipiere nur die verfassungsrechtlich fixierten Organisationsstrukturen der einzelnen Gewalten, so daß die verfassungsrechtliche Organisationsstruktur der staatlichen Machtausübimg zu ihrem demokratischen Legitimationsmodell avanciere16.
13 So vor allem M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 285 ff. und 301 ff.; siehe auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 31 f. 14 So vor allem Ρ. Badura, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 23 Rdnr. 28; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 245; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 337; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 287 f. und 301 f.; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (53); E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (366 f.). 15 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 337; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 287,289. 16 So explizit M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 288.
Kap. 2: Legitimationsniveau
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Einen - sowohl terminologisch als auch methodologisch - anderen Weg beschreiten diejenigen Autoren, die in den grundgesetzlichen Organisationsbestimmungen für die einzelnen Staatsfunktionen verfassungsrangige „Ausnahmebestimmungen" oder auch „Sonderregelungen" zu Art. 20 Abs. 2 GG erblicken, welche Unterschreitungen des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Legitimationsniveaus zu rechtfertigen in der Lage seien17. Danach bleibt der Anforderungsgehalt des Prinzips demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG durch die für die jeweiligen Sachbereiche normierten Sonderbestimmungen unangetastet. Diese stellen verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG dar und bieten damit den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungstitel für Unterschreitungen des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Legitimationsniveaus. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hiernach also immer dann, wenn der betreffende staatliche Funktionsbereich unter den Auspizien des Verfassungsprinzips Demokratie defizitär ausgestaltet, also das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimationsniveau unterschritten ist. Der dogmatische Unterschied zwischen den beiden genannten Konzeptionen besteht darin, daß das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau nach dem ersten Modell nicht allein unter Rekurs auf Art. 20 Abs. 2 GG, sondern erst unter Einbeziehung der organisationsrechtlichen Sonderregelungen gewonnen wird. Danach kommt für die einzelnen Staatsgewalten ein unterschiedlich hohes Legitimationsniveau zum Tragen, welches sich aus der Zusammenschau des Art. 20 Abs. 2 GG mit den jeweiligen verfassungsrechtlichen Organisationsmodellen ergibt. Insoweit wird das demokratische Regelmodell durch die Organisationsstrukturen der einzelnen Gewalten modifiziert und auf ein niedrigeres Niveau abgesenkt. Es wird eine Befreiung von dem demokratiestaatlichen Postulat erteilt, daß jede staatliche Herrschaflsausübung auf den Willen des Volkes rückführbar sein muß; damit wird die strikte Geltung des in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnden Prinzips der Volkssouveränität suspendiert. Da dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip von vornherein ein auf die einzelnen Staatsfunktionen bezogenes geringeres Anforderungsprofil zugewiesen wird und einzelne Legitimationsanforderungen aus dem Modell demokratischer Legitimation exemtiert werden, stellt sich die Frage nach der Unterschreitung dieses Legitimationsniveaus und damit auch die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung demokratischer Legitimationseinbußen regelmäßig nicht. Im Gegensatz dazu ist nach dem zweiten Modell sedes materiae des verfassungsrechtlich gebotenen Legitimationsniveaus allein
17
So vor allem J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65 f.; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 31 ff.
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG. Das maßgebliche Legitimationsniveau für sämtliche Staatsfunktionen folgt ausschließlich aus Art. 20 Abs. 2 GG. Die auf die jeweiligen Funktionsbereiche bezogenen verfassungsrechtlichen Sonderregelungen stellen lediglich Ausnahmen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG dar, welche Legitimationsdefizite verfassungsrechtlich zu rechtfertigen vermögen. Einen vermittelnden Weg zwischen diesen beiden Modellen schlägt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Mitbestimmung der Schleswig-Holsteinischen Personalvertretungen im öffentlichen Dienst nach dem Schleswig-Holsteinischen Gesetz über die Mitbestimmung der Personalräte vom 11. Dezember 1990 (MBG Schl.-H.)18 ein 19 . Darin hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage zu beschäftigen, ob die nach dem MBG Schl.-H. vorgesehene Mitbestimmung der Personalvertretungen bei innerdienstlichen Maßnahmen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, daß innerdienstliche Maßnahmen zwar legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG darstellen 20 , das Prinzip demokratischer Legitimation aber eine Mitbestimmung nicht demokratisch legitimierter Personalvertreter in gewissen Grenzen zulasse 21 . Je nachdem, ob innerdienstliche Maßnahmen schwerpunktmäßig Bedeutung für die Arbeitssituation der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hätten oder die Erfüllung des Amtsauftrages gegenüber dem Bürger beträfen, komme das Prinzip demokratischer Legitimation mit unterschiedlichem Anforderungsprofil zum Tragen. Dieses abgestufte Legitimationsmodell trage dem besonderen Charakter innerdienstlicher Maßnahmen Rechnung, welchen Bedeutung sowohl für die persönlichen Belange und Interessen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten als auch für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger zukomme. Soweit das Demokratieprinzip danach für bestimmte innerdienstliche Maßnahmen mit abgeschwächten Anforderungen zum Tragen kommt, nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus des Art. 20 Abs. 2 GG vor, welche ihren Grund in den grundrechtlich fundierten Belangen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hat 22 . In diesem Punkte ähnelt die Konzeption des Bundesverfassungsgerichts also dem 18
GVOB1. Schl.-H., S. 577. BVerf3E 93, 37; zur Kritik an diesem Judikat des Bundesverfassungsgerichts G.
i9
Kisker, PersV 1995, 529 ff.; G. Pfahl, ZBR 1996, 82 ff. 20
Anderer Auffassung dagegen - freilich ohne nähere dogmatische Begründung - T. v. Roetteken, NVwZ 1996, 552. 21 BVerfGE 93, 37 (68 ff.). 22 BVerfGE 93, 37 (69 ff.).
Kap. 2: Legitimationsniveau
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zuvor genannten ersten Modell. Jedoch spricht das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung auch davon, daß das durch die Mitentscheidungsbefugnisse der nicht demokratisch legitimierten Schleswig-Holsteinischen Personalvertretungen bewirkte Legitimationsdefizit unter grundrechtlichen, in den Interessen und Belangen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten wurzelnden Aspekten verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein könne, und verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der „Schutzzweckgrenze"23. Danach stellt sich die Janusköpfigkeit innerdienstlicher staatlicher Maßnahmen als verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip demokratischer Legitimation einerseits und den grundrechtlichen Belangen der im öffentlichen Dienst Beschäftigen andererseits dar. Insoweit drängt sich die Parallele zu dem zweiten Modell auf. Die vorstehenden Modelle machen deutlich, daß sich zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Art. 20 Abs. 2 GG und den verfassungsrechtlich fixierten Organisationsmodellen nicht nur in terminologischer 24, sondern auch in methodologischer Hinsicht in der Tat unterschiedliche Wege beschreiten lassen. Mögen diese Unterschiede auf den ersten Blick bedeutsam erscheinen, so stellen sie sich bei genauerer Betrachtung lediglich als dogmatisches Glasperlenspiel dar. Denn ungeachtet der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und methodologischen Ansätze besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, daß das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG nicht vorbehaltlos gewährleistet ist, sondern in einem Spannungsverhältnis mit anderen verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen steht. Da die in der Verfassung enthaltenen Rechtswerte in einem gegenseitigen Begrenzungs- und Beeinflussungsverhältnis stehen, ist das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG nicht absolut gewährleistet, sondern erfährt als relative Größe seine Beschränkung durch andere Verfassungsbestimmungen 25. Weiter besteht auch darüber Einvernehmen, daß eine Beschränkung des Demokratieprinzips nur durch andere Vorschriften des Grundgesetzes zulässig ist, also zum Schutze von Rechtsgütern, die - ebenso wie das Demokratieprinzip - verfassungsrechtliche Wertigkeit be-
23
BVerfGE 93, 37 (70). Hinzuweisen ist diesem Zusammenhang darauf, daß die Begriffe der „Rechtfertigung", „Modifikation", „Sonderregelung" und „Ausnahme" im einschlägigen Schrifttum keineswegs einheitlich gebraucht, sondern in ihrer Bedeutung durchaus unterschiedlich verwendet werden. 25 Siehe nur Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 320; J. Οebb ecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65 f.; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 15 f. und 19 f.; P. M. Huber, Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 24; ebenso - wenn auch nicht explizit - M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 425 ff. 24
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1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
sitzen26. Entspricht es mithin einem verfassungsrechtlichen Gemeinplatz, daß das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG seine Begrenzung durch andere Verfassungsbestimmungen findet, so macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob man die verfassungsrechtlichen Sonderregelungen von vornherein als Modifizierung des demokratischen Regelniveaus nach Art. 20 Abs. 2 GG erachtet oder darin verfassungsrangige Rechtfertigungstitel für Unterschreitungen des Legitimationsniveaus nach Art. 20 Abs. 2 GG erblickt. Und gleichwohl soll im folgenden differenziert werden zwischen dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG und den organisatorischen Sonderregelungen für die jeweiligen staatlichen Funktionsbereiche. Sinn und Zweck einer solchen isolierten Betrachtung des Demokratieprinzips auf der einen Seite und der übrigen verfassungsrangigen Organisationsbestimmungen auf der anderen Seite ist es, die hinter den jeweiligen Verfassungsnormen stehenden unterschiedlichen Schutzgüter ans Tageslicht treten zu lassen und zwischen den verschiedenen Gewährleistungen deutlich zu unterscheiden: Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG ist im Interesse der Volkssouveränität statuiert, jede staatliche Entscheidung muß auf den Willen des Volkes rückführbar sein. Im Interesse dieses Prinzips der Volkssouveränität müssen bestimmte Legitimationsanforderungen erfüllt sein, damit staatliches Handeln im Ergebnis demokratisch legitimiert ist 27 . Dagegen stehen hinter den für die einzelnen Sachbereiche normierten Sonderregelungen andere als das Demokratieprinzip betreffende Schutzgüter, die diametral zu dem Prinzip demokratischer Legitimation eine Unterschreitung des demokratischen Legitimationsniveau gebieten und aus diesem Grunde Legitimationsdefizite zu rechtfertigen vermögen. Deutlich wird die Verschiedenartigkeit der hinter den einzelnen Verfassungsbestimmungen stehenden Schutzgüter bei den bereits oben erwähnten organisationsrechtlichen Sonderregelungen der Art. 97 Abs. 1, 114 Abs. 2, 87f Abs. 2 und 50 - 52 GG. Nach Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter sowohl in personeller als auch sachlich-inhaltlicher Hinsicht unabhängig. Diese verfassungsrechtliche Sonderregelung für den Bereich der Judikative beruht auf rechtsstaatlichen Erwägungen, vor allem auf Aspekten der Kontrolle der ersten und zweiten Gewalt, welche bei einer dem Mehrheitswillen zur Verwirk-
26 Statt aller E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 87 Fn. 156; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 245; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Düng / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 33 und 49; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 286 f.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 28, 32. 27 Siehe dazu in Kapitel 1, S. 30 ff.
Kap. 2: Legitimationsniveau
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lichung verhelfenden demokratischen Organisationsstruktur der Gerichtsbarkeit nicht in jedem Falle gewährleistet wären 28. Im Interesse dieser Schutzgüter ist die Unabhängigkeit der Richter geboten. Der Verfassungsbestimmung des Art. 97 Abs. 1 GG liegen mithin solche Verfassungswerte zugrunde, die diametral zur Stoßrichtung des Prinzips demokratischer Legitimation eine Freistellung der Judikative von gubernativ-hierarchischen und parlamentarischen Einwirkungen gebieten29. Art. 97 Abs. 1 GG enthält damit einen verfassungsausdrücklichen Rechtfertigungstitel für die durch die richterliche Unabhängigkeit bewirkte Unterschreitung des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Legitimationsniveaus. Gleiches gilt für die Regelung des Art. 114 Abs. 2 GG, derzufolge den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes „richterliche Unabhängigkeit" in personeller und sachlich-inhaltlicher Hinsicht zukommt. Diese Unabhängigkeitsregelung ist im Interesse einer ordnungsgemäßen Haushalts- und Wirtschaftsführung statuiert; durch die von politischen Einflüssen freigestellte Wirtschaftsprüfung durch den Bundesrechnungshof soll der Verschwendung öffentlicher Gelder vorgebeugt beziehungsweise diese nachträglich sanktioniert werden. Mithin liegen auch der Verfassungsbestimmimg des Art. 114 Abs. 2 GG andere als das Demokratieprinzip betreffende Schutzgüter zugrunde, welche entgegen dem demokratischen Prinzip eine unabhängige Stellung der Mitglieder des Bundesrechnungshofes erfordern und die dadurch bewirkte Unterbrechung des nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderlichen demokratischen Zurechnungszusammenhangs verfassungsrechtlich rechtfertigen. Ein weiteres Beispiel für eine solche verfassungsrechtliche Ausnahmeregelung von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG ist die durch Gesetz vom 30. August 1994 in das Grundgesetz eingefügte Vorschrift des Art. 87f Abs. 2 GG 30 , wonach Dienstleistungen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und andere private Anbieter erbracht werden. Mit dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur privatwirtschaftlichen Erfüllung der Post28 Dies tibersieht H. P. Bull, ZRP 1996 335 (337 f.), der davon ausgeht, daß „die Berufung der Richter" durch die Richterwahlausschüsse „demokratisch legitimiert" sei. Angesichts der Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse aus überwiegend nicht demokratisch legitimierten Richtern muß diese Auffassung H. P. Bulls auf den Widerstand der Verfassung stoßen - denn eine Wahl durch nicht demokratisch Legitimierte steht mit den spezifischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang (dazu bereits ausführlich oben im ersten Teil, S. 30 ff.). 29 Zu der Reichweite der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 Abs. 1 GG BVerfGE 12, 67 (71); 38, 1 (21); R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dtirig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 97 Rdnrn. 22 ff.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 97 Rdnrn. 2 ff. 30 BGBl. I, S. 2245.
1. Teil: Demokratieprinzip als Organisationsprinzip
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und Telekommunikationsaufgaben wird für die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen und zu 100 % vom Bund gehaltenen Unternehmen Deutsche Post AG und Deutsche Telekom AG 3 1 eine verfassungskräftige Ausnahme von dem für die gesamte Staatsverwaltung Geltung beanspruchenden demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG statuiert. Dieser Verfassungsbestimmung liegt ein deutliches Bekenntnis zugunsten einer an kaufmännischen Leitlinien orientierten Unternehmenspolitik der Deutschen Post AG und der Deutschen Telekom AG zugrunde. Um die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung zu gewährleisten, verbietet Art. 87f Abs. 2 GG eine Eingliederung beider Unternehmen in den hierarchisch aufgebauten Verwaltungsapparat 32. Beide Unternehmen sollen dieselben wirtschaftlichen Bewegungsspielräume besitzen, die auch die anderen - im materiellen Sinne privaten Anbieter genießen. Entsprechende Auflagen und gesetzliche Verpflichtungen, die beide Unternehmen zu beachten haben, sind nicht-den Funktionsgesetzen des Prinzips demokratischer Legitimation entsprechend - in der Entscheidungsrationalität der Unternehmen selbst angelegt, sondern stellen sich als externe Determinanten eines von außen an die Unternehmen herangetragenen, ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit beschränkenden Wirtschaftsverwaltungsrechts dar 33 . Im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Unternehmenspolitik werden beide Unternehmen durch Art. 87f Abs. 2 GG von den aus dem Demokratieprinzip fließenden Organisationsanforderungen freigestellt. Das verfassungsrechtliche Spannimgsverhältnis zwischen dem Demokratieprinzip einerseits und dem Wirtschaftlichkeitsgebot andererseits wird durch Art. 87f Abs. 2 GG zugunsten der Wirtschaftlichkeit beider Unternehmen aufgelöst. Schließlich seien in diesem Zusammenhang auch die Art. 50 - 52 GG als verfassungsrechtliche Sonderregelungen zu Art. 20 Abs. 2 GG genannt. Gem. Art. 50 GG wirken die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit. Der Bundesrat setzt sich zusammen aus Mitgliedern der Regierungen der Länder (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG) 34 und trifft seine 31
Siehe das Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom 14. September 1994 (BGBl. I, S. 2325). 32 So deutlich die Amtliche Begründung zu Art. 87f Abs. 2 GG, BT-Drs. 12 / 7269, S. 5: „Das Angebot der Dienstleistungen ist in Zukunft ausschließlich private Tätigkeit, deren Wahrnehmung als Verwaltungsaufgabe in öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform ausgeschlossen wird". 33 E. Schmidt-Aßmann / H. C. Röhl, DÖV 1994, 577 (581) zu der insoweit vergleichbaren Verfassungslage nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. 34 Siehe dazu bei D. Blumenwitz, in: Bonner Kommentar, Art. 51 Rdnrn. 11 ff.; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 51 Rdnrn. 12 ff.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 51 Rdnrn. 1 ff.; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 135.
Kap. : Legitimation
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Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG) 35 . Diese verfassungsrechtlichen Regelungen über die Zusammensetzung und Mitwirkung des Bundesrates am Gesetzgebungsverfahren des Bundes beruhen auf föderalistischen Erwägungen; im Interesse der bundesstaatlichen Struktur der Bundesrepublik Deutschland ist die Mitwirkung der Länder am Gesetzgebungsverfahren des Bundes geboten36. Wie auch noch an anderer Stelle zu zeigen sein wird, entspricht die Zusammensetzung und Entscheidungsstruktur des Bundesrates jedoch nicht den nach Art. 20 Abs. 2 GG geltenden demokratischen Legitimationsanforderungen 37. Dies aus zwei Gründen: Zum einen ist der Bundesrat schon deswegen demokratiedefizitär ausgestaltet, weil er - obgleich als (Verfassungs-)Organ des Bundes konzipiert nicht über die erforderliche vom Bundesvolk ausgehende demokratische Legitimation verfügt, sondern seine Mitglieder, die Regierungsmitglieder der einzelnen Bundesländer, ihre Legitimation von den jeweiligen Landesvölkern beziehen. Und zum anderen setzt sich der Bundesrat, der seine Beschlüsse gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG nach dem Mehrheitsprinzip faßt, aus Mitgliedern zusammen, die ihre Legitimation von verschiedenen Gebietskörperschaften beziehen - eine Organisations- und Entscheidungsstruktur, die mit dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang steht38. Dieses - in gewisser Weise doppelte - Legitimationsdefizit ist aber im Interesse einer föderalistischen Staatsstruktur gerechtfertigt, es findet seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 50 - 52 GG. Kurzum: Art. 50 - 52 GG liegen bundesstaatliche Erwägungen zugrunde, welche entgegen dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG eine kollegiale Entscheidungsstruktur im Bundesrat gebieten und die damit einhergehende Unterschreitung des verfassungsrechtlich gebotenen Legitimationsniveaus rechtfertigen. Um diese unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rechtswerte deutlich hervortreten zu lassen, empfiehlt sich eine schutzgüterbezogene Differenzierung zwischen dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und den organisationsrechtlichen Sonderregelungen für die einzelnen staatlichen
35
Zu dem Mehrheitsprinzip im Bundesrat D. Blumenwitz, in: Bonner Kommentar, Art. 52 Rdnr. 33; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 52 Rdnr. 5; die konkrete Ausgestaltung der Beschlußfassung im Bundesrat findet sich in den §§ 23 - 35 der Geschäftsordnung des Bundesrates (BGBl. I, S. 2007). 36 Siehe nur Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 50 Rdnr. 1; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 9 und Art. 50 Rdnr. 1. 37 Siehe hierzu im zweiten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 22 (S. 134). 38 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Parallelproblematik bei der Organisationsstruktur kommunaler Zweckverbände, dazu noch eingehend in Kapitel 3, S. 70 ff.
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Funktionsbereiche andererseits. Eine Zusammenschau des Art. 20 Abs. 2 GG mit den verfassungsrechtlichen Organisationsmodellen, welche das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG von vornherein mit dem Regelungsgehalt der organisatorischen Sonderregelungen anreicherte, drohte die unterschiedliche Schutz- und Stoßrichtung des auf die Gewährleistung von Volkssouveränität gerichteten Demokratieprinzips und der im Interesse anderer Schutzgüter normierten verfassungsrechtlichen Ausnahmebestimmungen zu vernachlässigen. Um diese beiden Schutzebenen deutlich sichtbar werden zu lassen, soll im folgenden terminologisch und methodologisch zwischen der Gewährleistungsebene des Demokratieprinzips einerseits und der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung andererseits differenziert werden. Die Gewährleistungsebene betrifft den Prozeß der Vermittlung demokratischer Legitimation. Schutzgut ist insoweit das Prinzip der Volkssouveränität, das die Rückführbarkeit jedweder Ausübung von Staatsgewalt auf einen Willensakt des Volkes verlangt. Sofern das staatliche Organisationsrecht diesem demokratischen Prinzip nicht entspricht, fuhrt dies keinesfalls axiomatisch zu einem Verfassungsverstoß. Nochmals: Das Demokratieprinzip ist eines unter mehreren Verfassungsprinzipien. Bei der Ausgestaltung staatlicher Organisationen ist nicht nur den aus dem Demokratieprinzip folgenden Anforderungen zu genügen. Neben das Demokratieprinzip können noch weitere Verfassungsprinzipien treten, die zuweilen ein von dem Prinzip demokratischer Legitimation abweichendes Organisationsmodell einfordern. Weil das Demokratieprinzip keine absolute, sondern nur relative Wirkung entfaltet, also nicht allein, sondern nur als eines unter mehreren Verfassungsprinzipien auf Verwirklichung drängt, können Defizite im Prozeß der Vermittlung demokratischer Legitimation durch andere Rechtswerte mit Verfassungsrang gerechtfertigt werden. Damit ist die Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Legitimationseinbußen angesprochen; sie ist funktional auf den Schutz von Rechtsgütern gerichtet, die nicht der Gewährleistung von Volkssouveränität dienen. Die Rechtfertigungsebene betrifft also andere, mit dem Verfassungsprinzip Demokratie kollidierende Rechtsgüter. Unter Zugrundelegung der hier befürworteten Konzeption ergibt sich mithin das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau allein aus der Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG. Die organisationsrechtlichen Sonderregelungen stellen demgegenüber verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG dar. Sie kommen daher nur dann zum Tragen, wenn das Prinzip demokratischer Legitimation beeinträchtigt ist, also staatliche Funktionsträger nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimation verfügen und damit das durch die Gewährleistung von Volkssouveränität markierte Legiti-
Kap. : Legitimation
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mationsniveau unterschritten wird 39 . Konsequenz dieser Differenzierung ist, daß sich staatliche Funktionsträger nicht bereits dann als verfassungswidrig erweisen, wenn sie demokratiedefizitär ausgestaltet sind, also das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimationsniveau unterschreiten. Vielmehr kann ein solches Legitimationsdefizit gerechtfertigt sein durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG. Nur wenn ein solcher Rechtfertigungstitel fehlt, liegt ein Verfassungsverstoß vor. An dieser Stelle bleibt es mithin dabei, daß sich das verfassungsrechtlich gebotene demokratische Legitimationsniveau für sämtliche Ausübung von Staatsgewalt allein aus Art. 20 Abs. 2 GG ergibt. Insoweit bestimmt Art. 20 Abs. 2 GG als maßgebliche Zielvorgabe die Rückführbarkeit aller staatlichen Gewaltausübung auf den Willen des Volkes40. Diese Rückführbarkeit der Staatsgewalt auf den Willen des Volkes markiert das maßgebliche Legitimationsniveau für sämtliche Bereiche staatlicher Aufgabenerfüllung. Daran vermögen auch die auf die einzelnen Gewalten zugeschnittenen organisatorischen Sonderregelungen nicht zu rütteln; für eine Konkretisierung des demokratischen Regelniveaus des Art. 20 Abs. 2 GG durch die verfassungsrechtlichen Organisationsmodelle der einzelnen Staatsgewalten ist hier kein Raum41. Denn nach der hier zugrunde gelegten Konzeption sind die auf die einzelnen staatlichen Funktionsbereiche bezogenen Organisationsregelungen verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG. Enthalten sie - abweichend von Art. 20 Abs. 2 GG - für bestimmte Bereiche der Staatlichkeit Aussagen über ein konkretes Maß demokratischer Legitimation, über ein „konkretes Legitimationsniveau"42, so sind diese nicht Ausdruck eines bereits auf der Gewährleistungsebene des Prinzips demokratischer Legitimation reduzierten Legitimationskonzepts, sondern betreffen vielmehr andere, neben das Demokratieprinzip tretende Verfassungsaspekte und enthalten damit verfassungsrangige Rechtfertigungstitel für Unterschreitungen des demokratischen Legitimationsniveaus nach Art. 20 Abs. 2 GG.
39 Aus diesem Grunde kommt der Verfassungsbestimmung des Art. 88 GG nicht bereits an dieser Stelle, sondern erst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank Bedeutung zu, siehe dazu im dritten Teil, S. 174 ff., und im fünften Teil, S. 377 ff. 40 Hierzu bereits oben bei Fn. 9 (S. 54). 41 Ebenso im Ergebnis wohl auch M. Sachs, in: ders., (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 11. 42 So zum Beispiel die Verfassungsbestimmungen der Art. 97 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 2 GG. 5 Brosius-Gersdorf
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
I L System funktional komplementärer Legitimationsstränge 1. Kompensations- und Substitutionsverhältnis der Legitimationsformen Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß es nach dem Prinzip demokratischer Legitimation allein darauf ankommt, daß im Ergebnis ein ununterbrochener Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und den mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Entscheidungsträgern besteht. Dieses von Verfassungs wegen zu verwirklichende Legitimationsniveau vor Augen, stehen die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsform nicht unverbunden nebeneinander, sondern suchen in ihrem Zusammenwirken als Leitziel die demokratische Legitimation zu erreichen. Sie sind mithin auf ein und dasselbe Ergebnis gerichtet, nämlich darauf, den nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Zurechnungszusammenhang zwischen der staatlichen Gewaltausübung und dem Volk herzustellen. Insoweit sind sie funktional miteinander verzahnt. Kommt es somit unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG ausschließlich darauf an, daß die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsform in ihrem Zusammenwirken das gebotene Legitimationsniveau erreichen, so erhellt daraus, daß Lücken in dem einen Legitimationsstrang durch entsprechende Verstärkung des jeweils anderen kompensiert werden können, solange und soweit im Ergebnis die erforderliche Legitimation vermittelt wird 43 . Weder die personelle noch die sachlich-inhaltliche Legitimationskomponente müssen vollständig und zur Gänze verwirklicht sein, sondern können sich in einem gewissen Umfang substituieren, solange nur das gebotene Legitimationsniveau in toto erzielt wird. Fraglich ist aber, wie weit diese gegenseitige funktionale Verzahnung reicht, ob das Zusammenwirken beider Legitimationsformen über die Kompensation hinaus auch bis hin zu einer vollständigen Substitution der einen durch die andere Legitimationskomponente führen kann. Gegen eine solche Totalsubstitution wird vorgebracht, daß Sinn und Zweck des in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnden demokratischen Prinzips der vollständigen Beseitigung einer
43
Vgl. statt vieler E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 23; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 328; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 276 f.; anderer Ansicht soweit ersichtlich nur R. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 46 f., der von der unbestrittenen Eigenständigkeit beider Legitimationsformen auf die Unzulässigkeit ihrer Verzahnung schließt - eine Folgerung, deren juristische Argumentationslinie nicht so recht einzuleuchten vermag.
Kap. : Legitimation
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der beiden Legitimationsformen entgegenstünde44. Dagegen spricht jedoch, daß es den spezifischen Aussagegehalt des Art. 20 Abs. 2 GG zu verkennen hieße, wenn man diesem das Verbot einer Totalsubstitution entnehmen wollte. Denn Art. 20 Abs. 2 GG markiert allein das Legitimationsziel, läßt aber die Wege zu dessen Verwirklichung offen 45. Daraus folgt, daß nicht nur Lücken in dem einen Legitimationsstrang durch zusätzliche Legitimationselemente in der jeweils anderen Legitimationsform kompensiert werden können, sondern entgegen der wohl überwiegenden Auffassung in der Lehre im Einzelfall auch eine vollständige Substitution der einen durch die andere Legitimationsform zulässig ist, solange und soweit summa summarum das gebotene Legitimationsniveau erreicht wird 46 . Die Zulässigkeit einer solchen Totalsubstitution findet ihre Bestätigung auch am Beispiel der Legitimationsstruktur des Parlaments, bei dem wegen der unmittelbaren demokratischen Legitimation durch das Volk die personelle Komponente in vollkommener Form verwirklicht ist, während es keinerlei Lenkungs- und Steuerungsmechanismen übergeordneter Stellen unterworfen ist, so daß es einer sachlich-inhaltlichen Legitimation vollständig entbehrt. Und weiter spricht für die Zulässigkeit einer Totalsubstitution auch, daß es unter den Auspizien des Prinzips demokratischer Legitimation keinen Unterschied machen kann, ob die erforderliche Rückkoppelung staatlicher Exekutiventscheidungen durch das Weisungsrecht des jeweiligen Ressortministers oder durch dessen unmittelbare Repräsentanz in dem entsprechenden Entscheidungsgremium sichergestellt wird. Diese Beispiele lassen deutlich werden, daß die gegenseitige Verzahnung und Reziprozität der personellen und sachlichinhaltlichen Legitimationsform nicht lediglich in der Kompensationsmöglichkeit einzelner Legitimationsdefizite besteht, sondern bis hin zur vollständigen Substitution der einen durch die andere Legitimationsform reichen kann, solange und soweit im Ergebnis das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimationsniveau erreicht und Volkssouveränität gewährleistet wird. 2. Bedeutungsgefälle zwischen sachlich-inhaltlicher und personeller Legitimation? Beantwortet ist damit noch nicht, ob die sachlich-inhaltliche und die personelle Legitimationsform einander gleichgeordnet sind oder ob zwischen ihnen
44 So E.-W. Böckenförde, in: J.Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 23; ebenso Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 329 f. 45 Dazu bereits oben bei Fn. 8 f. (S. 53 f.). 46 Siehe dazu bereits oben bei Fn. 5 (S. 52).
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
ein Bedeutungsgefälle im Sinne einer Über- Unterordnung besteht. Zum Teil wird in der Literatur für eine Vorrangstellung der sachlich-inhaltlichen Legitimation plädiert. Dafür wird ins Feld geführt, daß Gegenstand demokratischer Legitimation nicht in erster Linie die Amtswalter, sondern die von ihnen getroffenen Entscheidungen seien. Die mit der Ausübimg von Staatsgewalt betrauten Amtswalter handelten nicht etwa selbstzweckhaft, sondern stets mit dem Ziel, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Da die sachlich-inhaltliche Legitimationsform auf die Legitimation der staatlichen Entscheidungen gerichtet sei, während die personelle Legitimationskomponente lediglich auf die Legitimation der Amtswalter ziele, leite sich daraus die Prävalenz der sachlich-inhaltlichen gegenüber der personellen Legitimation ab 47 . Diesem Argumentationsansatz ist zwar insoweit zuzustimmen, als Gegenstand demokratischer Legitimation fürwahr nicht die im Staate tätigen Personen, die Amtswalter als solche, sind, sondern es unter den Auspizien des Prinzips demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG maßgeblich darauf ankommt, daß sich die staatlicherseits getroffenen Entscheidungen auf den Willen des Volkes rückführen lassen48. Jedoch läßt sich daraus nicht auf eine wie auch immer geartete Vorrangstellung der sachlich-inhaltlichen vor der personellen Legitimation schließen. Denn eine solche Schlußfolgerung beruhte auf einer unzulässigen Gleichsetzung von sachlich-inhaltlicher Legitimation und staatlicher Entscheidung. Staatliche Entscheidungen weisen nicht nur einen materiellen Gehalt auf, sondern beinhalten darüber hinaus auch einen personellen Entscheidungsbeitrag. Auch die personelle Legitimationsform ist - ebenso wie die sachlich-inhaltliche - funktional darauf gerichtet, staatlichen Entscheidungen die nach dem Grundgesetz gebotene demokratische Legitimation zu vermitteln; beide haben mithin eine „dienende Funktion" für das nach Art. 20 Abs. 2 GG bestimmte Legitimationsziel, die Gewährleistung von Volkssouveränität. Sie sind daher zwei gleichgerichtete, nur im Hinblick auf
47
Vgl. etwa Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 46; siehe auch R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 48, nach dessen Ansicht die demokratische Legitimation in erster Linie darauf abzielt, „die Staatstätigkeit inhaltlich (materiell) an den Willen der unmittelbar vom Volk gewählten Staatsorgane (seil.: konkret also des Parlaments) zu binden [...]"; ähnlich auch BVerjGE 83, 60 (73): „Entscheidungen steuern die staatliche Herrschaft und müssen sich daher vom Volk herleiten". 48 E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 75; ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnrn. 17, 19; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 373; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 92; M Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 161 f.; J. Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratiegebot, S. 53 f.
Kap. : Legitimation
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den Anknüpfungspunkt verschiedene Legitimationsmittel und stehen somit als Legitimationsformen im Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG gleichwertig und -berechtigt nebeneinander. Mit dieser Zielrichtung läßt sich aber eine Vorrangstellung, ein Über- Unterordnungsverhältnis zwischen der sachlich-inhaltlichen und der personellen Legitimation nicht vereinbaren. Überdies sind der These von der Prävalenz der sachlich-inhaltlichen Legitimation dieselben Argumente entgegenzuhalten, die auch bereits gegen die Unzulässigkeit einer Totalsubstitution der Legitimationsformen ins Feld geführt wurden 49. Denn kommt es sub specie des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 GG allein darauf an, daß das gebotene Legitimationsniveau erreicht wird, muß ein Über- Unterordnungsverhältnis zwischen der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation auch aus diesem Grunde ausscheiden50.
49
Siehe dazu oben bei Fn. 44 (S. 67). Im Ergebnis ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 281 f. 50
Kapitel 3
Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation Im vorhergehenden wurde dargelegt, welche demokratischen Legitimationsanforderungen sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die institutionalisierte Staatlichkeit ergeben. Was den Regelfall staatlicher Gewaltausübimg durch monokratisch strukturierte Staatsorgane mit nur einem Entscheidungsträger anbelangt, so ist damit das Erforderliche gesagt. Die Frage nach dem Bezugspunkt demokratischer Legitimation stellt sich hier nicht. Denn in diesem Fall steht fest, daß Anknüpfungspunkt für die demokratische Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG der hoheitlich tätig werdende Amtswalter und damit das monokratisch besetzte staatliche Organ als solches ist. Die Frage nach dem Anknüpfungspunkt demokratischer Legitimation, insbesondere personeller demokratischer Legitimation1, erweist sich indes immer dann als problematisch, wenn legitimationsbedürftige Staatsgewalt durch sogenannte Kollegialorgane ausgeübt wird. Denn im Gegensatz zu monokratischen Staatsorganen bestehen Kollegialorgane nicht nur aus einem Entscheidungsträger, sondern setzen sich aus mehreren Mitgliedern zusammen, denen die Entscheidungsmacht gemeinsam obliegt2. Unverrückbar steht insoweit allein fest, daß auch Kollegialorgane Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausüben und ihr Handeln daher auf den Willen des Volkes rückführbar sein muß. Daran ändert auch nichts, daß die einzelnen im kollegialen Entscheidungsgremium vertretenen Mitglieder nicht das alleinige Entscheidungsrecht haben, sondern lediglich Mitentscheidungsbefugnisse besitzen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf die Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen auch dann der demokratischen Legitima-
1
Das Problem der demokratischen Legitimation von Kollegialorganen stellt sich in erster Linie im Hinblick auf die personelle Legitimation, weil es insoweit um die Frage geht, ob sich das Gebot demokratischer Legitimation auf sämtliche oder nur auf einige Mitglieder der Kollegialgremien bezieht. Dies betrifft aber vor allem die Auswahl und Berufung der Mitglieder und damit die personelle Legitimation. Ebenso auch M Jestaedt, Demolaratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 369 f. 2 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 369 f.
Kap. 3: Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation
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tion, wenn sie nicht vollkommen unabhängig von anderen erfolgen kann, sondern mit deren Zuständigkeiten verschränkt ist3. Ungeklärt ist indes, in welchem Umfang kollegiale Entscheidungsgremien demokratisch legitimiert sein müssen. Die entscheidende Frage lautet, welcher Teil kollegialer Entscheidungsgremien Anknüpfungspunkt für das Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG ist, plastisch: wieviele Mitglieder legitimiert sei müssen. Dieser Frage kommt im gegebenen Zusammenhang deswegen Bedeutung zu, weil es sich - soweit sei dem Ergebnis der Untersuchimg vorgegriffen - bei der Deutschen Bundesbank um ein solches Kollegialorgan handelt4. Im folgenden soll daher - im Sinne eines Nachtrags zu den vorhergehenden Ausführungen und im Sinne einer notwendigen Vorfrage für die weitere Untersuchung - geklärt werden, welche Voraussetzungen bei der organisatorischen Ausgestaltung kollegialer Entscheidungsgremien erfüllt sein müssen, damit dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen ist. Zu diesem Zwecke werden zunächst die verschiedenen Erscheinungsformen kollegialer Entscheidungsgremien dargestellt und unter dem Blickwinkel betrachtet, welche von ihnen unter den Auspizien des demokratischen Prinzips Probleme aufwerfen (dazu unter I.). Im Anschluß daran wird - unter Berücksichtigung des einschlägigen Meinungsspektrums im Schrifttum - untersucht, welche Vorgaben sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die organisatorische Ausgestaltung von Kollegialorganen gewinnen lassen (dazu unter II.). I. Erscheinungsformen kollegialer Entscheidungsgremien Kollegial besetzte staatliche Organe lassen sich in drei verschiedene Erscheinungsformen kategorisieren: Erstens: Kollegialorgane, deren Mitglieder sämtlich über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation verfügen und von einem und demselben Legitimationssubjekt legitimiert sind. Zweitens: Kollegialorgane, deren Mitglieder zwar sämtlich demokratisch legitimiert sind, ihre Legitimation aber von verschiedenen Legitimationssubjekten herleiten.
3
BVerjGE 47,253 (274); 83,60 (73). Zu den verschiedenen Organen der Deutschen Bundesbank ausführlich bei H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 245 ff.; siehe auch K. Stern, Staatsrecht Π, S. 478 ff. 4
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Drittens: Kollegialorgane, denen sowohl demokratisch legitimierte als auch nicht demokratisch legitimierte Mitglieder angehören. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, erweisen sich unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG nur die Kollegialorgane der zweiten und dritten Fallgruppe als problematisch. Kollegialorgane der ersten Fallgruppe weisen dagegen in demokratiestaatlicher Hinsicht keine Besonderheiten auf. 1. Kollegialorgane als demokratisch legitimierte Staatsorgane Zu der ersten Fallgruppe gehören Kollegialorgane, deren Mitglieder sämtlich demokratisch legitimiert sind; dabei beziehen die Mitglieder ihre Legitimation von einem und demselben Legitimationssubjekt. Als Beispiel für ein solches Kollegialorgan sei hier der Deutsche Bundestag genannt. Dessen Abgeordnete werden gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vom Bundesvolk gewählt, sie beziehen ihre demokratische Legitimation mithin alle von demselben Legitimationssubjekt, nämlich dem Bundesvolk5. Was die Beschluß- und Entscheidungsstruktur im Deutschen Bundestag anbelangt, so trifft dieser seine Entscheidungen grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 GG)6. Dies hat zur Folge, daß sich in den Entscheidungen nur die Stimmen der dafür votierenden Mehrheit niederschlagen, während die Stimmen der in der Minderheit verbleibenden Abgeordneten in der betreffenden Entscheidung nicht zum Ausdruck kommen. Die vom Bundestag getroffenen Entscheidungen entfalten aber Rechtsfolgen für das gesamte deutsche Bundesvolk, also auch für diejenigen Bürger, deren Votum für die Wahl der bei der betreffenden Entscheidung überstimmten Abgeordneten ausschlaggebend war. Gleichwohl bereitet dieser Befund in demokratiestaatlicher Hinsicht keine Probleme. Trotz dieses nach dem Mehrheitsprinzip ausgestalteten Entscheidungsprozesses im Bundestag ist dem Erfordernis demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG Rechnung getragen. Denn die die Entscheidung tragende Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag ist nicht von einzelnen Bürgern, sondern von dem gesamten Bundesvolk legitimiert. Die vom Bundestag getroffenen Entscheidungen finden ihren Ursprung im Willen des gesamten Bundesvolkes, das als Quelle demokratischer Legitimation für den Bundestag fungiert. Daher ist jede vom Bundestag - mehrheitlich - getroffene Entscheidung durch das 5
Der Bundestag nimmt jedoch insoweit eine Sonderstellung ein, als er lediglich in personeller Hinsicht vom Bundesvolk legitimiert ist; zu der Legitimationsstruktur des Bundestages bereits oben in Kapitel 2, nach Fn. 10 (S. 54). 6 Zur Bedeutung des Mehrheitsprinzips in der parlamentarischen Demokratie ausführlich H. Dreier, ZParl 17 (1986), 94 (101 ff); H. Hofmann / H. Dreier, in: H.-P. Schneider / W. Zeh (Hrsg.) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rdnrn. 1 ff., insbesondere 32 ff.
Kap. 3: Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation
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Bundesvolk demokratisch legitimiert. Aus diesem Grunde erweisen sich solchermaßen zusammengesetzte Kollegialorgane, deren Mitglieder sämtlich von einem und demselben Legitimationssubjekt legitimiert sind, auch bei einer auf dem Mehrheitsprinzip beruhenden Entscheidungsstruktur sub specie des Demokratieprinzips als unproblematisch. 2. Kollegialorgane als demokratielegitimatorisches Problem Zweifel an der demokratischen Legitimation bestehen indes im Hinblick auf Kollegialorgane der zweiten und dritten Fallgruppe. Die organisatorische Ausgestaltung kollegialer Entscheidungsgremien der zweiten Fallgruppe zeichnet sich dadurch aus, daß zwar sämtliche Mitglieder demokratisch legitimiert sind, ihre demokratische Legitimation aber von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen. Die Mitglieder fuhren ihre demokratische Legitimation auf den Willen verschiedener (Teil-) Völker zurück. Die besondere Problematik solcher Kollegialorgane besteht darin, daß sich die einzelnen Mitglieder zwar jeweils auf ihr (Teil-)Volk als Legitimationssubjekt berufen können, sie jedoch insoweit nicht demokratisch legitimiert sind, als den von ihnen getroffenen Entscheidungen auch verbindliche Wirkung für die anderen (Teil-)Völker zukommt. Um solchermaßen zusammengesetzte Kollegialorgane handelt es sich etwa bei der Europäischen Union als Staatenverbund mehrerer Mitgliedstaaten7 und den innerstaatlichen Formen interkommunaler Zusammenarbeit. Als Beispiel für eine solche Form interkommunaler Zusammenarbeit seien hier die kommunalen Zweckverbände genannt, deren Aufgabenwahrnehmung sich als verbindliches staatliches Handeln mit Entscheidungscharakter darstellt8, das damit dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG unterliegt. Kommunale Zweckverbände sind unter Beteiligung eines Kommunalverbandes gebildete öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse zu einem weiteren Kommunalverband9, die zu dem Zweck ge7 Zu der kollegialen Entscheidungsstruktur der Europäischen Zentralbank und dem daraus resultierenden personellen Legitimationsdefizit unten im vierten Teil, Kapitel 5, S. 357 ff. 8 Zu der Qualifikation der Gemeindetätigkeit als staatliches, nicht gesellschaftliches Handeln BVerfGE 73, 118 (191); 83, 37 (53 ff.); J. Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, S. 97 ff.; J. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV, § 98 Rdnr. 166; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 212 f.; K. Stern, DÖV 1975, 515 (516); zur staatstheoretischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft allgemein E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 34 ff., 209. 9 Genauer: Zu einem Kommunalverband niederer Art; siehe zu der Figur des Zweckverbandes bei A. Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rdnrn. 934 ff.; J. Οebb ecke,
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schaffen werden, bestimmte kommunale Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen 10 . Neben Gemeinden und Kreisen können sich auch sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts zu Zweckverbänden zusammenschließen11. Als Entscheidungsgremium solcher Zweckverbände fungiert die Zweckverbandsversammlung. Sie besteht aus Vertretern der Zweckverbandsmitglieder, welche regelmäßig aus der Mitte der Vertretungskörperschaft nach den Grundsätzen der Verhältniswahl (mittelbar) gewählt werden 12. Kommunale Zweckverbände sind in dem hier gegebenen Zusammenhang deswegen von besonderem Interesse, weil ihre organisatorische Ausgestaltung mit Blick auf die nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche demokratische Legitimation problematisch erscheint: Die einzelnen entscheidungsbefugten Zweckverbandsvertreter in der Zweckverbandsversammlung beziehen ihre Legitimation nur von ihrem Gemeindevolk13; von den Gemeindevölkern der übrigen Zweckverbandsmitglieder sind sie dagegen nicht legitimiert. Die jeweiligen Zweckverbandsvertreter in der Zweckverbandsversammlung leiten ihre demokratische Legitimation mithin von jeweils verschiedenen Legitimationssubjekten her. Für die nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche demokratische Legitimation ergibt sich damit folgendes Bild: Da ein Zweckverband in aller Regel aus mehreren Mitgliedern besteht, deren Vertreter jeweils regelmäßig weniger als 50 % der Stimmen auf sich vereinen, und die Zweckverbandsversammlung ihre Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip trifft 14 , verfügen die einzelnen Mitgliedsgemeinden in der Zweckverbandsversammlung nicht über die erforderliche Mehrheit, um jede einzelne Entscheidung ihrem Willen entsprechend zustande bringen oder verhindern zu können. Es ist nicht gewährleistet, daß die
Zweckverbandsbildung und Selbstverwaltungsgarantie, passim; Κ. -H. Rothe, Das Recht der interkommunalen Zusammenarbeit, S. 95 ff; E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rdnrn. 392 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 26 f.; W. Thieme, in: G. Püttner (Hrsg.), Hdb der kommunalen Wissenschaft und Praxis I, S. 147 K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnr. 86; H. J. Wolff l Ο. Bachof / R. Stober , Verwaltungsrecht Π, S. 160 ff. 10 J. Oebbecke, Zweckverbandsbildung und Selbstverwaltungsgarantie, S. 4; P. Seydel, Die kommunalen Zweckverbände, S. 11. Auf die im übrigen umstrittene Definition des Zweckverbandsbegriffs kann hier nicht näher eingegangen werden, siehe dazu bei W. Theobald, Probleme des Zweckverbandsrechts als Grundlage kommunaler Gemeinschaftsarbeit, S. 16 ff. 11 Vgl. exemplarisch § 2 Abs. 2 GkZ ShlHol. 12 Vgl. abermals exemplarisch § 9 Abs. 3 GkZ ShlHol. 13 Die folgende Darstellung beschränkt sich auf solche kommunalen Zweckverbände, deren Mitglieder verschiedene Gemeinden sind. 14 Vgl. exemplarisch § 5 Abs. 4 GkZ ShlHol i.V.m. § 39 Abs. 1 GemO ShlHol.
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einzelne Gemeinde ihren Willen im Konfliktfalle durchsetzen kann. Die von der Verbandsversammlung getroffenen Entscheidungen entfalten aber Verbindlichkeit gegenüber sämtlichen Zweckverbandsmitgliedern und damit auch gegenüber den Bürgern derjenigen Gemeinden, deren kommunale Vertreter in der Zweckverbandsversammlung überstimmt werden und deren Stimmen in der Entscheidung nicht zum Ausdruck kommen. Der dritten, in demokratiestaatlicher Hinsicht ebenfalls problematischen Fallgruppe unterfallen solche Kollegialorgane, die sich sowohl aus demokratisch legitimierten als auch aus nicht demokratisch legitimierten - gesellschaftlichen oder anderen - Mitgliedern zusammensetzen. Die Entscheidungsmacht liegt in den Händen sämtlicher Mitglieder gemeinsam, also sowohl der demokratisch legitimierten als auch der nicht demokratisch legitimierten Vertreter. Zu den Kollegialorganen dieser dritten Fallgruppe zählt der gesamte Bereich der Kondominialverwaltung, also der Partizipation Privater an staatlichen Entscheidungen15, sowie die in privatrechtlichen Organisationsformen betriebenen gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, deren Eigenkapital auf die öffentliche Hand und Private gemeinsam verteilt ist 16 . Schließlich können auch kommunale Zweckverbände dieser dritten Fallgruppe zuzurechnen sein, sofern der Zweckverbandsversammlung neben Vertretern kommunaler Körperschaften auch natürliche oder juristische Personen des Privatrechts angehören und ihnen nicht bloß unverbindliche Beteiligungsrechte zustehen17. In demokratiestaatlicher Hinsicht werfen Kollegialorgane der dritten Fallgruppe entsprechende Probleme auf wie die der zweiten Fallgruppe. Auch hier werden die Entscheidungen regelmäßig nach dem Mehrheitsprinzip getroffen, so daß die einzelnen Vertreter im Konfliktfalle nicht über die erforderliche Mehrheit verfügen, um ihren Willen durchsetzen zu können. Unproblematisch ist unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG insoweit nur der Fall, daß die Entscheidimg einstimmig von allen Vertretern getroffen wird oder daß es sich bei den überstimmten Vertretern ausschließlich um nicht demokratisch Legitimierte handelt. Denn in diesem Fall vermag jeder demokratisch legitimierte Vertreter seinen Willen durchzusetzen. Kommt die Entscheidung dagegen im umgekehrten Fall so zustande, daß sie entweder ausschließlich oder aber zumindest teilweise mit den Stimmen nicht demokratisch Legitimierter getroffen wird, kommen die Stimmen von demokratisch legitimierten Vertretern in der
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Zu diesem Begriff und den Erscheinungsformen kondominialer Verwaltung M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 76 ff. 16 Zu gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen M. Koch, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, S. 98 f.; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 377 ff. 17 Zu dieser Möglichkeit der Zusammensetzung ausdrücklich § 2 Abs. 2 GkZ ShlHol.
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Entscheidung nicht zum Ausdruck. Die getroffene Entscheidimg entfaltet jedoch Verbindlichkeit gegenüber sämtlichen Mitgliedern des Kollegialorgans, mithin auch gegenüber denjenigen (Teil-)Völkern, deren demokratisch legitimierte Vertreter im Einzelfall überstimmt wurden und ohne deren Willen die Entscheidung zustande gekommen ist. Sowohl diese Kollegialorgane als auch die der zweiten Fallgruppe bedürfen im folgenden der genaueren Betrachtung. Denn wie im weiteren Verlauf der Untersuchung zu zeigen sein wird, ist das Hauptentscheidungsgremium der Deutschen Bundesbank, der Zentralbankrat, ein solches in demokratiestaatlicher Hinsicht problematisches Kollegialorgan. I L Demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien Zu untersuchen ist, ob die beiden in Rede stehenden Erscheinungsformen kollegialer Entscheidungsgremien mit dem Gebot demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG in Einklang stehen. Sollten sie sich als demokratiedefizitär erweisen, muß nach organisatorischen Ausgestaltungsmöglichkeiten gesucht werden, die dem Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG entsprechen. Die maßgebliche Frage lautet also: Welche demokratischen Anforderungen ergeben sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die organisatorische Ausgestaltung von Kollegialorganen? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG selbst begründet. Dabei sei jedoch an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, daß im folgenden allein die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG und die aus ihr folgenden Direktiven für die demokratische Ausgestaltung kollegialer Entscheidungsgremien im Blickpunkt stehen. Außer Betracht bleibt, ob sich Erfordernisse für die Organisationsstruktur von Kollegialorganen auch aus anderen Verfassungsbestimmungen ergeben und inwieweit diese für das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau von Bedeutung sind. Selbst wenn sich daher im folgenden herausstellen sollte, daß bestimmte kollegiale Erscheinungsformen mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG kollidieren, ist damit noch kein verbindliches Urteil darüber getroffen, ob sie mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Vielmehr müßte weiter gefragt werden, ob ein solches Legitimationsdefizit durch verfassungsrangige Ausnahmeregelungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist. Nur wenn solche Ausnahmebestimmungen nicht greifen, liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor 18 .
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1. Mögliche Bezugspunkte fur die demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien Welche Direktiven sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die organisatorische Ausgestaltung von Kollegialorganen gewinnen lassen, ist in der Literatur umstritten. Dabei werden im wesentlichen zwei unterschiedliche Standpunkte vertreten. Theoretisch sind indes drei verschiedene Modelle für den Bezugspunkt demokratischer Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien denkbar. Diese drei Möglichkeiten sollen im folgenden dargestellt und - unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur - auf ihre Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip überprüft werden. Als Anknüpfungspunkt für die demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien kommen drei verschiedene Möglichkeiten in Betracht: Erstens: Das Prinzip demokratischer Legitimation verlangt die Legitimation der Mehrheit der Mitglieder des Kollegialorgans. Von den im kollegialen Entscheidungsgremium vertretenen Mitgliedern müssen also mehr als fünfzig Prozent demokratisch legitimiert sein. Ob hingegen die übrigen Mitglieder demokratisch legitimiert sind, ist sub specie des Demokratieprinzips unerheblich. Zweitens: Nach dem Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG müssen sämtliche entscheidungsbefugten Mitglieder des Kollegialorgans demokratisch legitimiert sein; es genügt jedoch, daß die im kollegialen Entscheidungsgremium vertretenen Mitglieder ihre Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen. Drittens: Das Prinzip demokratischer Legitimation verlangt die Legitimation sämtlicher im kollegialen Entscheidungsgremium vertretenen Mitglieder, wobei alle Mitglieder durch ein und dasselbe Legitimationssubjekt legitimiert sein müssen. Die Entscheidungsgewalt darf demnach ausschließlich in den Händen demokratisch legitimierter Mitglieder liegen. Die Teilnahme nicht demokratisch legitimierter Mitglieder in kollegialen Entscheidungsorganen ist nur insoweit zulässig, als diese keine (echten) Stimm- und Entscheidungsrechte, sondern lediglich unverbindliche Beteiligungsrechte besitzen.
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Zu der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung bereits oben in Kapitel 2, S. 55 ff.
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2· Stellungnahme und eigener Standpunkt Kommen demnach bei der Ausübung von Staatsgewalt durch kollegiale Entscheidungsgremien drei verschiedene Bezugspunkte für das Gebot demokratischer Legitimation in Betracht, bedürfen diese im folgenden der verfassungsrechtlichen Würdigung. a) Mitgliedermehrheit als Bezugspunkt demokratischer Legitimation
Nach dem ersten Modell soll dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG bereits dann entsprochen sein, wenn die entscheidungsberufenen Gremienmitglieder mehrheitlich über eine demokratische Legitimation verfügen. Zur Begründung hierfür wird angeführt, daß das Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG auf dem Mehrheitsprinzip beruhe und verlange, daß sich die staatlicherseits getroffenen Entscheidungen auf den Willen der demokratisch legitimierten Mehrheit zurückführen lassen. Dem aber werde entsprochen, wenn die Mitgliedermehrheit kollegialer Entscheidungsgremien demokratisch legitimiert sei; denn in diesem Fall sei gewährleistet, daß die demokratisch legitimierte Mehrheit der Mitglieder ihren Willen im Konfliktfalle durchsetzen könne19. Die Verfechter dieses Legitimationskonzepts sehen als Anknüpfungspunkt für das Gebot demokratischer Legitimation die Mehrheit der in den kollegialen Entscheidimgsgremien vertretenen Mitglieder. Damit stellen sie in erster Linie auf die demokratische Legitimation der Amtswalter selbst ab, nicht hingegen auf die Legitimation der von ihnen getroffenen Entscheidungen. Diesem methodologischen Ansatz ist entgegenzuhalten, daß es die wesentliche Aussage des Demokratieprinzips zu verkennen hieße, wollte man seinen Geltungsanspruch lediglich auf die einzelnen Personen, nämlich auf die Amtswalter erstrecken. Unter dem Blickwinkel des Verfassungsprinzips Demokratie kommt es darauf an, daß - ungeachtet der demokratischen Legitimation der Mitglie-
19 So vor allem E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 74 ff.: „potentielle Träger der Entscheidung" (S. 77); ders., in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 19; im Anschluß an E.-W. Böckenförde auch K. J. Bieback, Die Mitwirkung der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung, S. 43 ff.; A. Dickersbach, in: G. Geller / K. Kleinrahm (Hrsg.), Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 2 Anm. 6; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 329; K. Ipsen, DÖV 1971, 469 (474); B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 8; G. Püttner, Die Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, S. 64; H. P. Schneider, DÖV 1972, 598 (605); P. J. Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratieprinzip, S. 24 f. und 53 f.
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dermehrheit - auch die konkrete Entscheidungsleistung auf den Willen des Volkes rückfiihrbar ist. Das Gebot personeller Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG verlangt die demokratische Legitimation der Amtswalter nicht um ihrer selbst willen, sondern will damit sicherzustellen, daß jede einzelne von den Amtswaltern getroffene Entscheidung auf dem Willen des Volkes beruht. Mit anderen Worten: Das in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnde Gebot personeller Legitimation besteht nicht selbstzweckhaft, sondern ist vielmehr Mittel zum Zwecke der demokratischen Legitimation allen staatlichen Handelns20. Die personelle Legitimation ist funktional darauf gerichtet, staatlichen Entscheidungen die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche Rückanbindung an den Willen des Volkes zu vermitteln. Die personelle Legitimationskomponente will im Ergebnis sicherstellen, daß sämtliche hoheitlichen Entscheidungen demokratisch legitimiert sind 21 . Anknüpfungspunkt für das Gebot personeller Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG sind daher nicht nur die in dem Kollegialgremium vertretenen Personen als solche, sondern auch die von ihnen erbrachte Entscheidungsleistung22. Diesem Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG entspricht das erste Modell indes nicht. Hielte man die demokratische Legitimation der Mitgliedermehrheit kollegialer Entscheidungsgremien für ausreichend, so wäre nicht gewährleistet, daß jede einzelne Entscheidung mit den Stimmen dieser Mehrheit zustande kommt. Denn nach dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG genügt es nicht, daß die demokratisch legitimierte Mitgliedermehrheit ihren Willen in abstracto durchsetzen kann, sondern es muß sichergestellt sein,
20 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 373; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 92; aus dieser dienenden Funktion der personellen Legitimation als Form demokratischer Legitimationsvermittlung darf aber nicht fälschlicherweise auf ein Subsidiaritätsverhältnis der personellen gegenüber der sachlich-inhaltlichen Legitimation geschlossen werden, denn dabei wird verkannt, daß die zu legitimierende staatliche Entscheidung nicht mit der sachlich-inhaltlichen Legitimation gleichgesetzt werden kann; vielmehr setzt sich jede hoheitlich getroffene Entscheidung aus einem sachlich-inhaltlichen und einem personellen Entscheidungsbeitrag zusammen, siehe hierzu auch bereits in Kapitel 2, bei Fn. 48 (S. 68). 21 Vgl. E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S.75; dens., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnrn. 17, 19; M. Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 162; K. Ipsen, DÖV 1971, 469 (474); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 373; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 92; P. J. Tettinger, Mitbestimmung in der Sparkasse und verfassungsrechtliches Demokratieprinzip, S. 53 f. 22 Siehe dazu bereits oben in Kapitel 1, bei Fn. 42 - 52 (S. 41 ff.).
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daß dies im Ergebnis auch tatsächlich der Fall ist 23 . Dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG ist nur dann entsprochen, wenn jede von dem kollegialen Gremium getroffene Entscheidung tatsächlich auf dem Willen der demokratisch legitimierten Mehrheit beruht. Hierfür aber genügt allein die demokratische Legitimation der Mitgliedermehrheit nicht. Vielmehr müßte als weitere Voraussetzung hinzutreten, daß eben diese demokratisch legitimierte Mehrheit geschlossen, das heißt en bloc abstimmt24. Doch nicht in jedem Falle werden die demokratisch legitimierten Mitglieder einheitlich abstimmen. Vielmehr wird sich eine solche Willensübereinstimmung in zahlreichen Konstellationen, je nach konkreter Entscheidungslage, nicht herbeiführen lassen, mit der Folge, daß die demokratisch legitimierten Mitglieder im Ergebnis unterschiedlich abstimmen25. In diesen Fällen aber kann es dazu kommen, daß die für die Entscheidung erforderliche Mehrheit sowohl mit den Stimmen demokratisch legitimierter als auch mit den Stimmen nicht demokratisch legitimierter Mitglieder getroffen wird. Dabei werden einzelne demokratisch legitimierte Mitglieder überstimmt, so daß die Entscheidung ohne ihre Zustimmung zustande kommt. Eine auf diesem Wege getroffene Entscheidung beruht nicht auf dem Willen sämtlicher demokratisch legitimierten Mitglieder, so daß die Entscheidung im Ergebnis nicht demokratisch legitimiert ist. Dem läßt sich auch nicht mit dem Argument entgegentreten, daß nach Art. 20 Abs. 2 GG auch das sachlich-inhaltliche Steuerungsmittel der Weisung nur abstrakt bestehen müsse und es dementsprechend genüge - so die mögliche Argumentation -, daß die demokratisch legitimierte Mitgliedermehrheit in abstracto über die Möglichkeit verfügt, ihren Willen im Konfliktfalle
23 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 374 ff., insbesondere 379. 24 Als Beleg für die Unsicherheit vieler Autoren bei der Beantwortung der Frage, ob auch die konkrete Entscheidung von der Mehrheit der demokratisch legitimierten Gremienmitglieder getragen sein muß, sei hier stellvertretend E. T. Emde (Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 329) genannt, nach dessen Auffassung zwar einerseits neben dem numerischen Ubergewicht der demokratisch Legitimierten zusätzlich sichergestellt sein müsse, „daß keine Entscheidung gegen die Mehrheit der staatlich legitimierten Organwalter zustande kommen kann"; andererseits aber soll dem Prinzip materiell-demokratischer Legitimation dann nicht genügt sein, „wenn eine Entscheidung durch eine Mehrheit von staatlich nicht legitimierten Organwaltern zustande gebracht worden ist". Diese beiden Aussagen widersprechen einander, weil die erste eine abstrakt-virtuelle Entscheidungsgewalt der Mehrheit demokratisch Legitimierter genügen läßt, während die zweite eine konkret-aktuelle Entscheidungsmacht verlangt. 25 Siehe hierzu W. Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 40 f.; M. Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 162; G. Püttner, DVB1. 1984, 165 (167); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 92.
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durchzusetzen. Ein solcher Einwand vermag schon deswegen nicht zu fruchten, weil die Weisungsgewalt ihrem Inhaber nicht nur die abstrakte Möglichkeit zum Handeln gibt, sondern er seinen Willen mit Hilfe der Weisung vielmehr in jedem Einzelfall tatsächlich durchsetzen kann. Bereits aus dem Grunde vermag dieser mit der Parallele zur Weisungsgewalt begründete Einwand nicht zu verfangen. Es bleibt mithin bei dem zuvor gefundenen Ergebnis: Bei Kollegialorganen, denen sowohl nicht demokratisch legitimierte als auch - wenn auch mehrheitlich vertreten - demokratisch legitimierte Entscheidungsträger angehören, ist nicht sichergestellt, daß jede einzelne Entscheidung von der demokratisch legitimierten Mehrheit getragen wird. Zwar ist einzuräumen, daß die diesem Modell immanente Demokratieschwäche nicht bei jeder einzelnen Entscheidung auch tatsächlich durchschlagen muß. Vielmehr können im konkreten Einzelfall je nach Entscheidungslage und Abstimmungsverhalten auch Entscheidungen zustande gebracht werden, die auf dem Willen aller demokratisch legitimierten Mitglieder beruhen. In diesem Fall ist unter dem Blickwinkel des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 GG nichts zu beklagen, die Schwäche in der Legitimationsstruktur des Kollegialgremiums kommt nicht zum Tragen 26 . Nicht in jedem Fall ist aber sichergestellt, daß die demokratisch legitimierte Mehrheit en bloc abstimmt und die Stimmen sämtlicher legitimierten Mitglieder in der Entscheidung Niederschlag finden. Daraus erhellt, daß bei diesem auf die Mitgliedermehrheit bezogenen Legitimationskonzept das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel, jede staatliche Entscheidung auf den Willen des Volkes zurückzuführen, nicht mit Sicherheit gewährleistet ist. Nach diesem Legitimationskonzept werden einzelne Entscheidungen auf dem Willen aller demokratisch legitimierten Mitglieder beruhen und damit demokratisch legitimiert sein; andere Entscheidungen hingegen werden eben diese Rückanbindung und damit die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimation vermissen lassen. Dies aber läßt die systembedingte Schwäche dieses Legitimationskonzepts deutlich werden: Das Modell stellt keine institutionellen oder organisatorischen Sicherungen zur Verfügung, die die Rückführbarkeit jeder einzelnen Entscheidung auf den Willen der demokratisch legitimierten Mehrheit sicherstellen. Es ist nicht gewährleistet, daß sämtliche demokratisch legitimierten Mitglieder ihren Willen bei jeder einzelnen Entscheidung tatsächlich durchzusetzen vermögen und damit jede Entscheidung auf dem Willen des Volkes beruht. Kurzum: Die konkrete Entscheidung kann, muß aber nicht demokratisch legitimiert sein. Wollte man als Bezugspunkt demokratischer Legitimation in kollegialen Entscheidungsgremien die Mehrheit der Mitglieder ge26
Unter Rekurs auf dieses Argument erachtet M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 380, dieses Modell für grundgesetzkonform. 6 Brosius-Gersdorf
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nügen lassen, bliebe es der konkreten Entscheidungs- und Beschlußlage und damit dem Einzelfall überlassen, ob die jeweilige Entscheidung im Ergebnis legitimiert ist 27 . Das Gebot demokratischer Legitimation ist indes nicht etwa eine abdingbare verfassungsrechtliche Kann-Vorgabe, die in das Belieben des Organisationsgesetzgebers gestellt ist, sondern drängt zwingend bei jeder staatlichen Entscheidung auf Verwirklichung. Daraus erhellt, daß von Verfassungs wegen eine solche organisatorische Ausgestaltung der Legitimationsstruktur kollegialer Entscheidungsgremien erforderlich ist, welche mit Sicherheit und in jedem konkreten Einzelfall gewährleistet, daß jede staatliche Entscheidung auf dem Willen der demokratisch legitimierten Mitgliedermehrheit beruht 28. Erforderlich ist demnach eine „doppelte Mehrheit" 29: Nicht nur die Mehrheit der Mitglieder in kollegialen Entscheidungsgremien muß demokratisch legitimiert sein, sondern darüber hinaus muß auch jede einzelne Entscheidung auf dem Willen der so legitimierten Mehrheit beruhen30. Dieser zwingenden verfassungsrechtlichen Direktive des Art. 20 Abs. 2 GG ist nicht entsprochen, wenn staatliche Kollegialgremien eine Organisationsstruktur aufweisen, die es dem Einzelfall überläßt, ob die Entscheidungen mit den Stimmen der demokratisch legitimierten Mitglieder zustande kommen. Aus diesen Gründen sind Kollegialorgane, deren Mitglieder lediglich mehrheitlich demokratisch legitimiert sind (erstes Modell), mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG prinzipiell unvereinbar. Ein Stimmrecht nicht demokratisch legitimierter Mitglieder verträgt sich mit Art. 20 Abs. 2 GG nicht. Nicht demokratisch legitimierte Mitglieder dürfen kollegialen Entscheidungsgremien grundsätzlich nur angehören, wenn ihnen kein echtes Mitentscheidungsrecht zusteht. Denn nur in diesem Fall ist sichergestellt, daß ihrer Mitwirkung kein maßgebliches, entscheidungstragendes Gewicht zukommt31 und jede Ent-
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Diese modellimmanenten Schwächen sieht auch M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 380, ohne freilich hieraus das Verdikt der Verfassungswidrigkeit abzuleiten. 28 So jetzt auch BVerfGE 93, 37 (67 f. und 72); ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 374, 377; M Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 162; E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 19. 29 Vgl. zu diesem sogenannten „Prinzip der doppelten Mehrheit" E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 19 mit Fn. 25, der es in Abweichung zu seinen früheren Ausführungen (Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 74 ff.) fìlr überlegenswert hält, ob nicht auch die konkrete Entscheidung auf den Stimmen der Mehrheit der demokratisch legitimierten Mitglieder des Kollegialorgans beruhen muß; so jetzt auch BVerfGE 93, 37 (72). 3° Vgl. auch BVerfGE 93, 37 (72). 31 BVerfGE 93, 37 (72); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 377.
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Scheidung von dem Willen der demokratisch legitimierten Mehrheit getragen ist. Aus dem vorgenannten erhellt zugleich, daß die demokratische Legitimation der Mitgliedermehrheit kollegialer Entscheidungsgremien aber ausnahmsweise dann genügt, wenn erstens die demokratisch legitimierten Mitglieder ihre Legitimation von einer und derselben Gebietskörperschaft beziehen und sie zweitens nur einheitlich, das heißt en bloc abstimmen dürfen. Denn in diesem Fall ist sichergestellt, daß jede einzelne Entscheidung auf dem Willen der demokratisch legitimierten Mitgliedermehrheit beruht. Sofern solche organisatorischen Vorkehrungen dagegen fehlen, stehen keine hinreichenden Sicherungsinstrumente zur Verfügung, welche eine dem Prinzip demokratischer Legitimation entsprechende Beschlußfassung gewährleisteten32; in diesen Fällen bleibt es bei dem vorgenannten Ergebnis, daß ein echtes Stimmund Entscheidungsrecht nicht demokratisch Legitimierter mit dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang steht. b) Einstimmigkeitsprinzip als Sicherungsinstrument?
Fraglich erscheint allein, ob dieses Ergebnis zumindest in den Fällen zu korrigieren ist, in denen kollegiale Gremien Entscheidungen nicht nach dem Mehrheitsprinzip treffen, sondern als Abstimmungsmodus das Einstimmigkeitsprinzip verbindlich vorgeschrieben ist. Nach dem Einstimmigkeitsprinzip kommen Entscheidungen nur mit den Stimmen sämtlicher Mitglieder zustande, so daß sichergestellt ist, daß keine Entscheidimg gegen den Willen demokratisch legitimierter Mitglieder getroffen wird 33 . Damit erhebt sich die Frage nach dem Verwirklichungsanspruch des Prinzips demokratischer Legitimation. Eine Beschlußfassung nach dem Einstimmigkeitsprinzip würde dem Gebot demokratischer Legitimation nur dann genügen, wenn das Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG lediglich die Legitimation jeder getroffenen Entscheidung verlangte, das Nichtzustandekommen gewünschter Entscheidungen sub specie des Demokratieprinzips dagegen unbeachtlich wäre. Die Antwort auf diese Frage muß abermals unter Rekurs auf die verfassungsrechtliche Schlüsselbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG gefunden werden. Art. 20 Abs. 2 GG verlangt, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Jede Ausübung staatlicher Gewalt muß sich auf den Willen des Volkes rückführen lassen, sei es, daß die Gewaltausübung darin besteht, eine bestimmte Ent-
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Siehe dazu noch sogleich bei Fn. 34 (S. 84). So die Begründung E. T. Emdes, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 329. 33
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Scheidung zu treffen oder diese im umgekehrten Fall nicht zu treffen. Daraus erhellt, daß für das demokratische Verfassungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG nicht lediglich ein entsprechendes Veto-Recht der demokratisch legitimierten Mehrheit genügt. Vielmehr verlangt Art. 20 Abs. 2 GG eine Organisationsstruktur, die gewährleistet, daß die demokratisch legitimierten Mitglieder ihren Willen tatsächlich und in jedem konkreten Entscheidungsfall durchzusetzen vermögen. Mit anderen Worten: Dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG ist nur dann entsprochen, wenn die demokratisch legitimierten Mitglieder nicht nur die Möglichkeit haben, Entscheidungen zu verhindern, sondern diese auch herbeiführen können. Das Demokratieprinzip gebietet also nicht nur eine negative Selektionsbefugnis 34, sondern darüber hinaus auch eine positive Entscheidungsbefugnis. Dem ist aber nicht bereits dann entsprochen, wenn in Kollegialorganen das Einstimmigkeitsprinzip als Abstimmungsmodus vorgeschrieben ist. Denn nach dem Einstimmigkeitsprinzip kommen Entscheidungen nur mit den Stimmen sämtlicher Mitglieder, also sowohl der demokratisch legitimierten als auch der nicht demokratisch legitimierten Vertreter zustande. Die demokratisch legitimierte Mehrheit kann mithin Entscheidungen nicht unabhängig von dem Willen der nicht legitimierten Mitglieder zustande bringen, so daß sie ihren Willen im Konfliktfalle nicht durchzusetzen vermag. Eben dieser Durchsetzungskrafi bedarf es aber nach dem Prinzip demokratischer Legitimation. Ein Stimmrecht nicht demokratisch legitimierter Mitglieder in kollegialen Entscheidimgsgremien steht daher - sowohl unter Zugrundelegung des Mehrheits- als auch des Einstimmigkeitsprinzips - mit dem Modell demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht in Einklang. Mithin scheidet die Mitgliedermehrheit (erstes Modell) als Anknüpfungspunkt für die demokratische Legitimation von Kollegialorganen aus35. c) Mitgliedergesamtheit als Bezugspunkt demokratischer Legitimation
Zu beantworten bleibt, ob das zweite Legitimationskonzept mit dem demokratischen Prinzip vereinbar ist. Danach sind zwar - im Gegensatz zu dem ersten Modell - sämtliche im Kollegialorgan vertretenen Mitglieder demokratisch legitimiert. Sie beziehen ihre Legitimation aber von verschiedenen Legitimationssubjekten. Die besondere Problematik dieser Legitimationsstruktur
34
Siehe dazu E.-W. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 76 f., der von ,,Entscheidungsverhinderungsbefugnis" spricht; ders., in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 19; siehe ferner M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 376; M. Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften, S. 159 ff. 35 Zu der Ausnahme von diesem Grundsatz oben vor Fn. 32 (S. 83).
Kap. 3: Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation
85
besteht darin, daß sich zwar die einzelnen Mitglieder jeweils auf ihr (Teil-)Volk als Legitimationssubjekt berufen können, sie jedoch insoweit nicht demokratisch legitimiert sind, als die Entscheidungen auch verbindliche Wirkung für die anderen (Teil-)Völker beanspruchen. Die maßgebliche Frage lautet damit: Verlangt das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG eine Organisationsstruktur kollegialer Entscheidungsgremien, bei der die Mitglieder alle von einem und demselben Legitimationssubjekt legitimiert sind, oder genügt nach Art. 20 Abs. 2 GG auch eine organisatorische Ausgestaltung, bei der die Mitglieder von Kollegialorganen ihre Legitimation aus verschiedenen Quellen beziehen? Wie bereits oben dargelegt, ist bei Kollegialorganen, deren Mitglieder ihre personelle Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen, nicht gewährleistet, daß die einzelnen Mitglieder über die erforderliche Stimmenmehrheit verfügen, um ihren Willen in jedem Fall durchsetzen zu können 36 . Läßt sich eine Willensübereinstimmung nicht erzielen - was wegen der oftmals unterschiedlichen Einfluß- und Interessenlagen naheliegt -, so kommen in der Entscheidung nur die Stimmen der dafür votierenden Mehrheit zum Ausdruck. Der Wille der überstimmten Minderheit findet hingegen in der Entscheidung keinen Niederschlag. In diesem Falle ist die Entscheidung nur auf den Willen deqenigen (Teil-) Völker rückführbar, deren Vertreter im kollegialen Entscheidungsgremium dafür votiert haben. In bezug auf die übrigen (Teil-) Völker hingegen entbehrt die Entscheidung jeder demokratischen Legitimation. Denn die einzelnen (Teil-)Völker stellen unter den Auspizien des Art. 20 Abs. 2 GG verschiedene Legitimationssubjekte dar; sie stehen als unterschiedliche Legitimationsquellen nebeneinander. Aus dem Blickwinkel jedes einzelnen (Teil-) Volkes ist daher nur der von ihnen in das Kollegialorgan entsandte Vertreter demokratisch legitimiert. Die Partizipation und Mitentscheidungsbefugnisse der übrigen Mitglieder, die ihre Legitimation von anderen (Teil-)Völkern beziehen, stellt sich dagegen aus ihrer Sicht als Teilnahme nicht demokratisch legitimierter Mitglieder dar. Da das einzelne Mitglied Entscheidungen nur gemeinsam mit den Stimmen der übrigen Mitglieder treffen kann, fehlt ihm im Konfliktfalle die nach dem Prinzip demokratischer Legitimation erforderliche Durchsetzungsmacht. Ist aber nicht gewährleistet, daß die einzelnen Mitglieder ihren Willen im Konfliktfalle durchzusetzen vermögen, so ist die Entscheidung insoweit nicht demokratisch legitimiert, als sie verbindliche Wirkung auch für die (Teil-)Völker eben dieser überstimmten Mitglieder beansprucht.
36
Vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen oben bei Fn. 25.
86
1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Insofern besteht kein Unterschied zu dem ersten Modell, bei dem sowohl demokratisch legitimierte als auch nicht demokratisch legitimierte Mitglieder in den kollegialen Entscheidungsgremien vertreten sind. Denn aus der Sicht jedes einzelnen (Teil-)Volkes - und dies ist die allein maßgebliche Perspektive - sind die von den anderen (Teil-)Völkern entsandten Mitglieder nicht demokratisch legitimiert. Auch das zweite Legitimationskonzept steht somit mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang37. d) Fazit: Demokratieverträgliche Ausgestaltungsmöglichkeiten kollegialer Entscheidungsgremien
Die vorhergehende Untersuchung hat gezeigt, daß Kollegialorgane, bei denen die Entscheidungsmacht in den Händen demokratisch legitimierter und nicht legitimierter Mitglieder gemeinsam liegt (erstes Modell) und kollegiale Gremien, deren Mitglieder von verschiedenen Legitimationssubjekten legitimiert sind (zweites Modell), mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht in Einklang stehen. Daraus lassen sich nun die folgenden Bedingungen formulieren, die erfüllt sein müssen, damit dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen ist. Erstens: Sämtliche stimmberechtigten Mitglieder kollegialer Entscheidungsgremien müssen demokratisch legitimiert sein; die Teilnahme nicht demokratisch legitimierter - gesellschaftlicher oder anderer - Mitglieder ist nur insoweit zulässig, als sie keine echten Stimm- und Mitentscheidungsbefugnisse besitzen, sondern ihnen lediglich unverbindliche, konsultative Partizipationsrechte in Form von Anhörungs- oder Beratungsrechten zustehen38. Ein Stimmrecht nicht demokratisch Legitimierter in kollegialen Entscheidimgsgremien verträgt sich mit Art. 20 Abs. 2 GG nur ausnahmsweise dann, wenn mindestens 50 % der Mitglieder demokratisch legitimiert sind, ihre Legitimation von einer und derselben Gebietskörperschaft herleiten und nur einheitlich, das heißt en bloc abstimmen dürfen 39. Zweitens: Die Mitglieder kollegialer
37 So im Ergebnis auch HessStGH, DVB1. 1986, 936 (937 f., 941 f.); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 377 ff, insbesondere 379; W. Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 40, 57 ff.; ders., ZBR 1971, 65 ff.; M Ρ apenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentiich-rechtlicher Körperschaften, S. 161 ff.; G. Püttner, DVB1. 1984, 165 (167 f.); ders., DÖV 1988, 357 (359); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 92; R. Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, S. 41, 59 f. 38 So M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 379; W. Leisner, Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 40, 57 ff. 39 Siehe dazu oben bei Fn. 32 (S. 83).
Kap. 3: Kollegialorgane als Problemfall demokratischer Legitimation
87
Entscheidungsgremien müssen ihre demokratische Legitimation auf ein und dasselbe Legitimationssubjekt zurückführen. Kollegialorgane, deren Mitglieder ihre Legitimation aus verschiedenen Legitimationsquellen beziehen, stehen mit dem Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang. Nur wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, ist gewährleistet, daß jede (positive oder negative) Entscheidung auf dem Willen der demokratisch legitimierten Mitglieder beruht und damit auf den Willen des Volkes rückführbar ist. Nur unter diesen Voraussetzungen ist dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen. Dabei sei jedoch an dieser Stelle abermals darauf hingewiesen, daß damit noch kein verbindliches Urteil über die Verfassungsmäßigkeit der besagten kollegialen Entscheidungsgremien getroffen ist. Denn Unterschreitungen des verfassungsrechtlich gebotenen demokratischen Regelniveaus können durch verfassungsrangige Ausnahmeregelungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein. Nur dann, wenn solche Ausnahmebestimmungen zugunsten des betreffenden Kollegialorgans nicht eingreifen, liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor 40 .
40
Siehe dazu bereits oben in Kapitel 2 (S. 55 ff.).
Kapitel 4
Demokratische Legitimation der staatlichen Verwaltung Wurde im vorhergehenden das Modell demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG betrachtet, so wird die Aufmerksamkeit im folgenden auf die Legitimationsstrukturen in der Ministerialverwaltung gelenkt. Die Untersuchung des verfassungsrechtlichen Organisationsmodells der Ministerialverwaltung bietet sich im gegebenen Zusammenhang deswegen an, weil diese als Ausschnitt aus den grundgesetzlichen Organisationsstrukturen zugleich den Regeltypus staatlicher Verwaltung verkörpert und Auskunft darüber gibt, welcher Steuerungsinstrumente es zur Verwirklichung des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Legitimationsniveaus regelmäßig bedarf. Das Organisationsmodell der Ministerialverwaltung steht hier stellvertretend, gewissermaßen als Prototyp, für die institutionalisierte Staatlichkeit insgesamt und dient damit - da die Bundesbank unzweifelhaft Bestandteil der Bundesverwaltung ist - als Leitbild für den verfassungsrechtlichen Organisationsrahmen der Deutschen Bundesbank. Im folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über den organisatorischen Aufbau der Ministerialverwaltung gegeben, welche als Regeltypus der staatlichen Verwaltung insgesamt in Erscheinung tritt (dazu unter I.). In einem zweiten Schritt wird sodann der Blick auf die ministerielle Weisungsgewalt gelenkt. Dabei werden zunächst die verfassungsdogmatischen Grundlagen der exekutiven Weisungsbefugnis beleuchtet, um im Anschluß daran der Frage nachzugehen, ob die Weisung im Legitimationsgefüge der Ministerialverwaltung entbehrlich ist (dazu unter II.). I. Ministerialverwaltung als Regeltypus staatlicher Verwaltung Ein erster Blick auf die grundgesetzlichen Organisationsstrukturen zeigt, daß die Verfassung nur einzelne organisationsrechtliche, auf bestimmte Bereiche der Verwaltung bezogene Aussagen enthält. Dieses lückenhafte Verfassungsbild verwehrt indes nicht, ein prinzipiell vollständiges Organisationsmodell für die Verwaltung zu zeichnen und der Verfassung einen bestimmten Regeltypus administrativer Organisation zu entnehmen. Jedoch darf sich die Untersuchung, wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird, nicht in der Betrachtung der spezifisch organisationsrechtlichen Verfassungsnormen erschöpfen.
Kap. : emokratische Legitimation
89
Vielmehr läßt sich ein Organisationsmodell für die Administrative nur unter Rekurs auf das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG1 entwerfen 2. Die Ministerialverwaltung findet ihre verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 86 GG. Unter Ministerialverwaltung ist die Unterstellung von Behörden unter die Leitungsgewalt eines Ministers zu verstehen3. Typusprägendes Kennzeichen des Ministerialsystems ist der streng hierarchisch aufgebaute Verwaltungsapparat, der dem jeweiligen Ressortminister als Spitze der Verwaltung untergeordnet ist 4 . Der Minister tritt dabei als Scharnier zwischen der Gubernative und der nachgeordneten Administrative in Erscheinung. In dieser ihm zugewiesenen Doppelstellung fungiert er zum einen als integraler Bestandteil der Regierung und zum anderen als Spitze und Leiter der Verwaltung5. Diese Scharnierfunktion des Ressortministers führt zu der für das Ministerialsystem charakteristischen Verklammerung zwischen Gubernative und Administrative 6. Für die grundgesetzliche Form des parlamentarischen Regierungssystems7 ergibt sich daraus, daß die Kontrollzuständigkeit des Parlaments nicht nur auf die Tätigkeit der Regierung beschränkt ist. Vielmehr entfaltet hier die Verklammerung zwischen Gubernative und Administrative ihre spezifische Wirkkraft: Aus der parlamentarischen Bindung der Regierung ergibt sich die Kontrollbefugnis des Parlaments für die der Regierung hierar-
1
So auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 346; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 304. 2 Dazu später eingehend bei Fn. 28. 3 Vgl. statt vieler Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 337; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 308 und 790. 4 Zu der geschichtlichen Entwicklung des hierarchischen Prinzips in der Verwaltung von der Zeit des absolutistischen Fürstenstaates bis hin zur dessen Ausprägung nach dem Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland ausführlich H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 19-115. 5 Vgl. zu dieser Doppelstellung des Ressortministers E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 212; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 318; Κ Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung, S. 74. 6 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 318; W. Loschelder, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 68 Rdnrn. 27,40,43 f. 7 Allgemein zum parlamentarischen Regierungssystem P. Badura, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 23 Rdnrn. 10 ff; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 131 ff; M Friedrich, DVB1. 1980, 505 ff.; E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958) 9; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 78; S. Magiern, Parlament und Staatsleitung, passim; Η. Meyer,, WDStRL 33 (1975), 69; T. Oppermann, WDStRL 33 (1975), 7; Κ J. Partsch, WDStRL 16 (1958), 74; U. Scheuner, DÖV 1974, 433 ff ; G. Schmid , Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Zusammenspiel der staatlichen Machtverteilung.
1. Teil: Demokratiepriiizip als Organisationsprinzip
90
chisch untergeordnete Verwaltung8. Durch die Klammerfunktion des Ressortministers enden die parlamentarischen Kontrollbefugnisse also nicht bei der Regierung, sondern setzen sich gleichsam über den Ressortminister als „Verbindungsstück" zwischen Gubernative und Administrative fort bis hin zu den dem Minister nachgeordneten Verwaltungsstellen und damit bis hin zu jedem einzelnen Glied der Verwaltung9. Die parlamentarischen Kontrollrechte reichen somit flächendeckend von der Regierung über den Ressortminister bis hin zu jeder einzelnen Verwaltungsstelle. Oder anders gewendet: Durch die Unterstellung jeder Exekutivtätigkeit unter das Ressort des jeweils zuständigen Ministers ergibt sich die flächendeckende Unterordnung der Administrative unter die Gubernative und damit das umfassende, bis in jeden einzelnen Verwaltungswinkel reichende Zugriffs- und Kontrollrecht des Parlaments. Eine wesentliche Funktion der hierarchischen Gliederung der Verwaltung besteht also darin, die Kontrollzuständigkeiten und -befugnisse des Parlaments auf die Exekutive insgesamt zu erstrecken. Damit führt das Hierarchieprinzip die Legitimationskette vom Volk als demokratischem Souverän zum Parlament als Legitimationsmittler über die Regierung respektive den Ressortminister als Leitungsorgan der Exekutive und gleichsam legitimationsleitendes „Umschaltscharnier" bis hin zu jeder einzelnen Exekutivstelle und bis hinab zum letzten Glied, dem jeweiligen Amtswalter 10. Typusprägend für die Ministerialverwaltung ist also der hierarchisch gegliederte Verwaltungsaufbau 11. Das Hierarchieprinzip ist das notwendige, die gesamte staatliche Verwaltung durchziehende formal-organisatorische Gliederungsprinzip, mit welchem dem Prinzip demokratischer Legitimation entsprochen und jede Form administrativer Tätigkeit auf den Willen des Volkes zurückgeführt wird 12 . Kurzum: Die hierar-
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W. Loschelder, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΠΙ, § 68 Rdnr. 40. So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 318 f. 10 Ebenso E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 212; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 328; W. Loschelder, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΙΠ, § 68 Rdnr. 40. 11 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 121 ff.; M Friedrich, DVB1. 1980, 505 fT.; E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958), 9; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 78; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 305; S. Magiern, Parlament und Staatsleitung, passim; H. Meyer, WDStRL 33 (1975), 69; T. Oppermann, WDStRL 33 (1975), 7; K. J Partsch, WDStRL 16 (1958), 74; U. Scheuner, DÖV 1974,433 f.; G. Schmid, Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Zusammenspiel der staatlichen Machtverteilung. 12 So auch W. Loschelder, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΙΠ, § 68 Rdnrn. 3,18; kritisch zur Hierarchie als Organisationsprinzip für die Verwaltung B.-O. Bryde, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 305 (315). 9
Kap. : emokratische Legitimation
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chische Verwaltung ist „die komplementäre Figur des demokratischen Willensbildungsprozesses"13. Wurde im vorhergehenden das Bild einer flächendeckenden Unterstellung sämtlicher administrativen Funktionsbereiche unter die gubernative Leitungsmacht gezeichnet, so bedarf dies noch der weiteren dogmatischen Begründung. Die maßgebliche Frage lautet: Darf es nach dem Grundgesetz Bereiche staatlicher Verwaltungstätigkeit geben, die außerhalb der einzelnen Ressorts stehen? Sollten von Verfassungs wegen keine Bedenken gegen die Ressortfreiheit administrativer Staatstätigkeit zu erheben sein, so wäre damit zugleich auch verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Zulässigkeit parlamentsfreier Räume der Boden entzogen. Denn die Regierung kann gegenüber dem Parlament nur für etwas verantwortlich zeichnen, was sie selbst zu steuern in der Lage ist. Sind aber - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise - bestimmte Bereiche exekutiver Tätigkeit keinem Ressort zugeordnet, so kann für diese ressortfreien Staatstätigkeiten auch kein Ressortminister gegenüber dem Parlament verantwortlich gemacht werden. Insoweit fällt also das Problem der Ressortfreiheit mit dem der Parlamentsfreiheit zusammen14. Die entscheidende Frage lautet damit, ob es in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland Bereiche der Verwaltungstätigkeit geben darf, die keiner Ressortzuständigkeit eines Ministers unterfallen. Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: Indem Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG fordert, daß die Ausübung von Staatsgewalt auf den Willen des Volkes rückführbar sein muß, verlangt er zugleich die Zuordnung jeder Form administrativer Tätigkeit zu einem Ressort. Denn nur durch diese Ressortzugehörigkeit läßt sich die betreffende Materie in den Verantwortungszusammenhang zwischen Gubernative und Parlament eingliedern und auf diese Weise auf den Willen des Volkes zurückführen. Das Parlament selbst verfügt in der Regel über kein hinreichendes Steuerungsinstrumentarium, um ressortfreien Verwaltungstätigkeiten die erforderliche demokratische Legitimation vermitteln zu können15. Damit steht fest, daß die Ausübung staatlicher Verwaltungstätigkeit nur dann demokratisch legitimiert ist, wenn diese dem Ressort eines Ministers zugeordnet ist.
13 So Th. Eschenburg, Staat und Gesellschaft, S. 696; anders dagegen W. Krebs, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 69 Rdnr. 82: „Die Ambivalenz des Demokratieprinzips [...] spricht gegen ein verfassungsrechtliches Regel-Ausnahme-Prinzip zugunsten einer bestimmten Organisationsform, etwa zugunsten einer unmittelbaren hierarchisch gegliederten Staatsverwaltung [...] " 14 Dazu noch unten im zweiten Teil, Kapitel 3, S. 143 -146. 15 Siehe dazu abermals im zweiten Teil, Kapitel 3, S. 143 -146.
1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
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Ressortfreie Räume darf es demnach sub specie des Prinzips demokratischer Legitimation nicht geben - ohne daß damit indes ein Urteil darüber getroffen wäre, ob die Ressortfreiheit administrativer Staatstätigkeit ihre Rechtfertigung aufgrund anderer organisationsrechtlicher Verfassungsbestimmungen findet 16 .
II. Weisungsrecht als Regelinstrument im demokratischen Legitimationsgefuge Damit ist aber noch keine Antwort auf die Frage gefunden, welcher Steuerungsinstrumente es zur Verwirklichung des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Legitimationsniveaus bedarf. Zu klären ist insbesondere, ob die Weisung einen unentbehrlichen Baustein im Legitimationsgefüge der staatlichen Verwaltung darstellt. 1. Dogmatische Verankerung der exekutiven Weisungsbefugnis Zunächst ist der Blick auf die verfassungsdogmatischen Grundlagen der Weisungsgewalt zu richten. Was als sedes materiae der ministeriellen Weisungsbefugnis anzusehen ist, wird im Schrifttum kontrovers beurteilt. Zum Teil wird als verfassungsrechtliche Grundlage der exekutiven Weisungsgewalt die Verfassungsbestimmung des Art. 86 GG genannt17. Art. 86 GG regelt den Verwaltungstyp der bundeseigenen Verwaltung, zu deren Bestandteil unzweifelhaft auch die Deutsche Bundesbank zählt. Dabei kann hier wegen des umfassenden, sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Staatsverwaltung umschließenden Zuweisungsgehalts des Art. 86 GG 18 dahinstehen, ob die Deutsche Bundesbank dem Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung unter-
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Zu dieser Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eingehend oben in Kapitel 2, S. 55 ff. 17 So vor allem E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 344 ff; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 319 ff.; ausführlich auch J. Οebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 25 ff. 18 Vgl. hierzu statt vieler E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 338; P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnrn. 6 ff.
Kap. : emokratische Legitimation
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fällt 19 oder aber - wie es die ganz überwiegende Auffassung vertritt 20 - wegen ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit zur mittelbaren Staatsverwaltung zählt 21 . Daß die ministerielle Weisungsgewalt in Art. 86 GG dogmatisch beheimatet ist, läßt sich nicht bereits mit dem Wortlaut dieser Verfassungsvorschrift begründen. Denn allein die grammatikalische Fassung des Art. 86 GG gibt keinen Aufschluß darüber, welche Legitimationsprinzipien für die Bundesverwaltung gelten, und gibt damit auch keine Antwort auf die Frage, ob in dieser Verfassungsbestimmung die Weisungsgewalt als typusprägendes Element im Organisationsgefüge der Bundesverwaltung verankert ist. Angesichts des kargen Wortlautes des Art. 86 GG wird daher zur verfassungsrechtlichen Begründung auf weitere Verfassungsnormen und -prinzipien verwiesen und auf diese Weise der Gehalt des Art. 86 GG im Wege einer verfassungssystematischen Interpretation entsprechend angereichert. Bezug genommen wird dabei in erster Linie auf die Regelung des Art. 65 Satz 2 GG 22 . Aus dem Wesen des in dieser Verfassungsbestimmimg normierten Begriffs der „Leitung" folgt nach überwiegender Auffassung die umfassende Steuerungsbefugnis des Ressortministers. Die ministeriale Steuerungskompetenz erstrecke sich auf jede Tätigkeit der dem jeweiligen Minister nachgeordneten Verwaltung und impliziere damit das Weisungsrecht des Leitenden gegenüber der gesamten staatlichen Verwaltung 23 . Als zusätzliches Argument wird zudem auf die ratio des Art. 65 Satz 2 GG verwiesen: Da der Minister für „seinen Geschäftsbereich" verantwortlich zeichne, müsse ihn die Verfassung auch mit den erforderlichen rechtlichen
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So vor allem C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (315). Vgl. nur E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 88 Rdnr. 19; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 136; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 117; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 10; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, S. 144 f. 21 Vgl. zu dieser Frage der staatsrechtlichen Einordnung der Deutschen Bundesbank in das verwaltungsrechtliche Organisationsgefüge noch unten in Kapitel 5, bei Fn. 8 (S. 105). 22 E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 344 ff; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 319 ff; ausführlich auch J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 25 ff. 23 Vgl. statt vieler E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 144 ff., insbesondere 147; E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 344 ff.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 319 ff.; H. Loening, DVB1. 1954, 173 (176); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 24 ff., insbesondere 29; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 309. 20
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Steuerungsmitteln und insbesondere der Weisungsgewalt ausstatten, um die nachgeordneten Instanzen seinem Willen unterwerfen zu können24. Diese Deutung des Art. 65 Satz 2 GG als Garantie ministerieller Weisungsbefugnis ist freilich nicht unumstritten. Teilweise wird dagegen vorgebracht, Art. 65 Satz 2 GG erkenne die Weisungsgewalt zwar an, garantiere sie aber nicht, da diese Verfassungsbestimmung die Einschränkung der ministeriellen Weisungsgewalt durch einfaches Bundesgesetz zulasse. Zur Begründung wird vorgetragen, daß Art. 65 Satz 2 GG lediglich einen „Geschäftsbereich" voraussetze, über dessen Umfang jedoch keine Aussage treffe. Deswegen könne der Gesetzgeber über die Ausgestaltung dieses Geschäftsbereichs und damit auch über das Weisungsrecht selbst befinden 25. Für die hierzu erforderliche grundgesetzliche Ermächtigung wird wiederum verwiesen auf die Regelung des Art. 86 Satz 1 GG, wonach der Gesetzgeber befugt sei, die Organisation der Bundesverwaltung auszugestalten26. Dagegen wird jedoch eingewandt, daß sowohl der Wortlaut des Art. 86 Satz 1 GG als auch die ratio legis dieser Verfassungsnorm gegen die einfachgesetzliche Einschränkbarkeit der ministeriellen Leitungsbefugnis sprechen; denn nach Art. 86 GG sei lediglich das ministerielle Recht zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, nicht hingegen auch die Einzelweisungsbefugnis der Regierung unter Gesetzesvorbehalt gestellt 27 . Dieser Meinungsstreit über die verfassungsrechtliche Garantie und die Einschränkbarkeit der Leitungsbefugnis des Ressortministers läßt deutlich werden, daß sich sowohl Art. 65 Satz 2 GG als auch Art. 86 GG in der Tat in unterschiedlicher Weise interpretieren lassen, sofern man das hermeneutische Rüstzeug für die Verfassungsinterpretation ausschließlich aus diesen Bestimmungen zu gewinnen suchte. So ist die gesamte Diskussion über sedes materiae der Weisungsgewalt des Ressortministers durch eine einseitige Fokussierung auf diese beiden Verfassungsbestimmungen gekennzeichnet. Dadurch aber wird der systematische Zusammenhang zum Demokratieprinzip des
24 So Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 344. 25 Vgl. J. Bieback, Die Mitwirkung der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung, S. 47 ff.; H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 62 f.; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (322); P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 320; W. Müller, JuS 1985,497 (504). 26 Vgl. C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (322). 27 Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 345 f.
Kap. : emokratische Legitimation
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Art. 20 Abs. 2 GG und dessen prägende Kraft vollkommen ausgeblendet28. Die Frage, ob nicht die Begriffe der „Leitung" und des „Geschäftsbereichs" im Sinne des Art. 65 Satz 2 GG sowie der institutionelle Gesetzesvorbehalt in Art. 86 Satz 1 GG überhaupt erst im Lichte des Prinzips demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG ihre spezifische Prägung erfahren, wird nicht erörtert. Angesichts dieser verengenden, die demokratiestaatlichen Implikationen dieses Problemkreises unberücksichtigt lassenden Betrachtungsweise muß demnach das Auslegungsergebnis zu Art. 65 Satz 2 und Art. 86 Satz 1 GG notwendigerweise in die Irre führen. Zur Klärung der Frage, in welchen Verfassungsbestimmungen das Weisungsrecht des Ressortministers verankert ist, reicht eine auf die Verfassungsnormen der Art. 86 und Art. 65 Satz 2 GG reduzierte Normexegese nicht aus. Allein diese beiden Organisationsbestimmungen vermögen keine Antwort auf die hier in Rede stehende Frage nach den verfassungsdogmatischen Grundlagen der ministeriellen Weisungsbefugnis zu geben. Vielmehr setzen sie die Leitungs- und Weisungsbefugnis der Exekutivspitze voraus, ohne jedoch selbst die originäre Rechtsquelle für diese Steuerungsbefugnis zu vermitteln 29. Erst in der Gesamtschau mit anderen Verfassungsbestimmungen, konkret: mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG lassen sich die verfassungsrechtlichen Direktiven für die Organisation der Bundesverwaltung gewinnen. Mit anderen Worten: Art. 86 und Art. 65 Satz 2 GG mögen zwar die Weisungsgewalt der Ressortspitze im Verhältnis zu den nachgeordneten Verwaltungseinheiten enthalten. Sie rezipierten dann aber nur die aus dem Demokratieprinzip als originärer Rechtsquelle folgenden Organisationsprinzipien und machten sie auf diese Weise zu aus dem demokratischen Prinzip des Art. 20 GG abgeleiteten Bausteinen im Organisationsgefüge der Bundesverwaltung. Das gleiche gilt auch, sofern man das Weisungsrecht der Exekutivspitze mit dem Hierarchieprinzip 30 oder mit dem Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit 31 zu begründen suchte. Denn auch diese verfassungsrechtlichen Prinzipien und Grundsätze sind dogmatisch im Demokratieprinzip des Grundgesetzes beheimatet und können daher nicht aus sich selbst heraus, sondern nur unter den Auspizien des demokratischen Legitimationskonzepts des Art. 20 Abs. 2 GG konturiert werden.
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So zu Recht auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 345 f., der aber gleichwohl für eine Verankerung der ministeriellen Weisungsgewalt in Art. 65 Satz 2 GG plädiert, siehe S. 344 ff. 29 Vgl. in diesem Zusammenhang E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 24. 30 So P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnr. 101.
1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
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Als Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß die originäre verfassungsdogmatische Grundlage des Steuerungsinstruments der Weisung nach der hier vertretenen Konzeption das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG ist. Die verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen der Art. 86 und Art. 65 Satz 2 GG sowie andere, organisationsdeterminierte Verfassungsgrundsätze beherbergen das Instrument der Weisung allenfalls als ein aus dem Demokratieprinzip abgeleitetes Element, scheiden jedoch als originäre Rechtsquelle für die administrative Weisungsgewalt aus. 2. Weisungsrecht als unabdingbarer Baustein im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge Damit kann nun zum eigentlichen Anliegen vorgedrungen und untersucht werden, ob das Weisungsrecht der Exekutivspitze einen unerläßlichen Baustein in der Legitimationsarchitektur des Art. 20 GG darstellt. Die maßgebliche Frage lautet also, ob die Administrativspitze gegenüber den nachgeordneten Verwaltungseinheiten zwingend mit einer entsprechenden Weisungsgewalt ausgestattet sein muß, damit das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimationsniveau erreicht wird. Auch diese Frage ist abermals unter Rekurs auf die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG zu beantworten. Nach dem Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG kommt es allein entscheidend darauf an, daß das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau erreicht wird; hierbei können einzelne legitimationsstiflende Elemente verkürzt in Erscheinung treten oder ganz ausfallen, solange und soweit diese Legitimationsdefizite durch eine entsprechende Verstärkung der übrigen Steuerungsinstrumente kompensiert werden 32. Dies macht deutlich, daß die Frage nach der Entbehrlichkeit der Weisung im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge der staatlichen (Bundes-)Verwaltung maßgeblich davon abhängt, ob und inwieweit andere Legitimationsfaktoren und Steuerungsmittel zur Verfügung stehen, um das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau zu erreichen. Kommt es demnach maßgeblich auf die Steuerungskraft der übrigen sachlich-inhaltlichen Steuerungsinstrumente an, ist es erforderlich, auch ihre Leistungsfähigkeit zu beleuchten. Im Rahmen sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung stehen derweil verschiedene Steuerungsmedien zur Verfügung, die einen jeweils unterschiedlichen legitimationsstiftenden Gehalt aufweisen 33. Im folgenden wird das Au-
So etwa A Röttgen, DÖV 1954,4 (5). Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2, S. 50 ff. 33 Siehe oben in Kapitel 1, bei Fn. 56 - 76 (S. 44 - 50). 32
Kap. : emokratische Legitimation
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genmerk zunächst auf das Gesetz gelenkt und seine legitimationsvermittelnde Steuerungskraft in den Vordergrund gerückt [dazu unter a)]. Sodann wird der demokratielegitimatorische Zusammenhang zwischen dem Gesetz und der Weisungsgewalt beleuchtet [dazu unter b)]. Schließlich wird in einem letzten Schritt nach einer Antwort auf die Frage der Entbehrlichkeit der Weisung im sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodell gesucht [dazu unter c)]. a) Legitimationsstiftende Steuerungskraft des Gesetzes bei Konditional- und Zweckprogrammen
Das Gesetz erfährt seine besondere demokratische Dignität als Handlungsform des unmittelbar demokratisch legitimierten Parlaments34. Die sachlichinhaltliche Steuerungskraft und der dadurch vermittelte demokratische Wert des Gesetzes sind nicht stets unverändert gleich, sondern hängen maßgeblich von der Regelungsdichte der betreffenden gesetzlichen Inhaltsvorgabe ab 35 . Die Steuerungskraft und damit auch der demokratische Gehalt nimmt proportional zur Regelungsdichte des Gesetzes und der damit einhergehenden Verringerung der Entscheidungsspielräume des normanwendenden Amtswalters zu. Der sachlich-inhaltliche Legitimationswert des Gesetzes differiert also nach Maßgabe der inhaltlichen Regelungsdichte der gesetzlichen Inhaltsvorgaben. Die Regelungsdichte wiederum wird durch die Grundstruktur der gesetzlichen Inhaltsvorgabe bestimmt, die entweder ein Konditionalprogramm oder ein Zielprogramm beinhaltet36. Diese beiden Kategorien, die sich - dies sei zugegeben - nicht immer eindeutig auseinanderhalten lassen, sondern deren Übergang oftmals fließend ist, unterscheiden sich voneinander durch das Maß der gesetzlichen Programmierung. Regelt der Gesetzgeber die Inhaltsvorgabe in Form eines Konditionalprogrammes, so beläßt die Gesetzesregelung dem Normanwender regelmäßig nur geringe eigene Entscheidungsspielräume, die Subsumtion auf den Einzelfall ist bereits im Detail durch das Gesetz vorausbestimmt. Dem Normanwender sind detaillierte Verhaltensdirektiven vorgegeben, für ihn steht fest, daß bei Vorliegen bestimmter Umstände eine ganz bestimmte Rechtsfolge anzuordnen ist („Muß-Vorschrift") oder zumindest angeordnet werden kann („Kann-Vor-
34
Dazu oben in Kapitel 1, Fn. 60 ff. (S. 46 f.). Zu dem Gesetz als Steuerungsmedium ausführlich H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 164 ff; siehe auch aus jüngster Zeit K. Waechter, ZRP 1996,167 (168). 36 Zu diesen beiden Kategorien ausführlich aus systemtheoretischer Sicht N. Lühmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 257 ff ; siehe ferner auch M Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, S. 50 ff; W. Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 43 f. 35
7 Brosius-Gersdorf
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
schrift") 37. Die nach Maßgabe gesetzlicher Konditionalprogramme getroffenen exekutiven Entscheidungen sind damit zumindest umrißhaft durch die gesetzlichen Inhaltsvorgaben bestimmt. Trotz möglicherweise im Einzelfall noch existierender Wertungsspielräume beinhalten Konditionalprogramme eine wenigstens in den Umrissen vorherbestimmte Entscheidungsprogrammierung, so daß bereits durch das Gesetz eine strikte inhaltliche Rückanbindung der Herrschaftsausübung und damit ein hohes Maß an sachlich-inhaltlicher Legitimation erzielt wird. Demgegenüber bleibt die Regelungsdichte gesetzlicher Inhaltsvorgaben in Form von Zweckprogrammen deutlich hinter der von Konditionalprogrammen zurück 38. Zweckprogramme geben lediglich das Ziel und die äußeren Grenzen des staatlichen Handelns vor; sie enthalten nicht näher determinierte Handlungsermächtigungen und eröffnen dem exekutiven Normanwender Handlungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielräume, die es diesem erlauben, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens frei zu bewegen. Gesetzliche Zielvorgaben enthalten mithin keine auf den konkreten Einzelfall bezogene Entscheidungsprogrammierung, so daß in diesem Fall dem Normanwender die Aufgabe zufällt, die vom Gesetzgeber belassenen Lücken durch eigene Inhaltskonkretisierung zu füllen 39 . Dabei differiert die Steuerungsfähigkeit der Zielvorgaben im einzelnen wiederum nach Maßgabe des Verdichtungsgrads der jeweiligen Zielprogrammierung. Je detaillierter und ausführlicher die gesetzliche Zielvorgabe ist, desto höher ist deren Regelungsdichte und desto stärker ist die Steuerungskraft des gesetzlichen Zweckprogrammes. Ist die gesetzliche Zielvorgabe dagegen nur vage fixiert, büßt das Zweckprogramm seine Steuerungskraft weitgehend ein. b) Korrelativer Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisungsgewalt
Das parlamentarische Gesetz und die exekutive Weisungsgewalt stehen im sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodell nicht beziehungslos nebeneinander. Sie haben beide eine „dienende Funktion" für ein und dasselbe Ziel, nämlich das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau zu erreichen und al-
37 M. Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, S. 50; zu dem Gebrauch von Konditionalprogrammen in der Praxis N. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 227; W. Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, S. 43. 38 M Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, S. 53 ff.; zu den Grenzen des Gesetzes als Steuerungsmedium eingehend H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 164 ff., insbesondere 168 ff. 39 Vgl. auch G. Schuppert, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 186 (192).
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le staatliche Gewaltausübung auf den Willen des Volkes zurückzuführen 40. Gemeinsam gerichtet auf dieses Ziel besteht zwischen ihnen ein „korrelativer Zusammenhang"41. Die gegenseitige Abhängigkeit liegt darin, daß mit einem Ausfall der Weisung zugleich ein Anstieg der gesetzlich vermittelten Legitimation einhergehen muß und umgekehrt mit einer Abnahme der legislatorischen Steuerungskraft das Steuerungsinstrument der Weisung erforderlich wird, um die nach dem Grundgesetz gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation zu gewährleisten42. Daraus erhellt, daß Legitimationslücken im sachlichinhaltlichen Legitimationsgefìlge, die durch ein Fehlen eines der beiden Steuerungsinstrumente entstehen, prinzipiell durch das jeweils andere Steuerungsmittel ausgeglichen werden können, ohne daß das von Verfassungs wegen erforderliche Legitimationsniveau unterschritten wird. Das Gesetz und die Weisung verhalten sich zueinander wie zwei Waagschalen einer und derselben Waage: Verliert die eine Waagschale an Gewicht und steigt sie deswegen an, so muß die andere Waagschale an Gewicht gewinnen und dementsprechend herabsinken. Wäre proportional zum Anstieg der einen kein Absinken der anderen Waagschale zu verzeichnen, so käme die Waage aus dem Gleichgewicht, und -übertragen auf das demokratische Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG - das verfassungsrechtlich gebotene Legitimationsniveau würde nicht erreicht. Dieser korrelative Zusammenhang zwischen dem Gesetz und der Weisimg muß indes in das rechte Licht gerückt werden. Die auf den Einzelfall bezogene Weisung kann durch das Gesetz nur insoweit kompensiert werden, als dieses über eine der Einzelweisung entsprechende Steuerungskraft verfügt. Die Möglichkeit eines komplementären Legitimationsausgleichs zwischen dem Parlamentsgesetz und der Weisungsbefugnis findet ihre Schranke in der legitimationsstiftenden Steuerungskraft des Gesetzes. Die legislatorische Steuerungskraft ist indes begrenzt durch die strukturelle Eigenart des Gesetzes. Als abstrakt-generelle Regelungen sind Gesetze regelmäßig nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen, sondern verlagern die notwendigen Entscheidungen auf die Ebene des Gesetzesvollzugs. Exekutives Handeln erschöpft sich nur selten 40
Zu dem Verhältnis zwischen dem parlamentarischen Gesetz und den Steuerungsmitteln der Exekutive eingehend H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 159 ff. 41 So E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 22; ders., Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 79; siehe auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 273. 42 Siehe dazu E.-W Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 22; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 185; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 273; E. Schmidt-Aßmann, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 IV Rdnr. 184; G. Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1985, 645 ff.; W Braun, VerwArch 76 (1985), 30 (36 ff.).
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
in einem bloß automatenhaflen Vollzug der Gesetze43. Vielmehr werden den gesetzesvollziehenden Stellen durch die legislatorischen Vorgaben in aller Regel gewisse eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume belassen. Dies hat zur Folge, daß dem exekutiven Normanwender regelmäßig eigene Entscheidungsbefugnisse zumindest insoweit zukommen, als er die vom Gesetz belassenen Regelungsspielräume inhaltlich auszufüllen und die gesetzlichen Inhaltsvorgaben im Einzelfall zu konkretisieren hat 44 . Um sicherzustellen, daß eben diese Einzelfallentscheidung auf den Willen des Volkes rückführbar ist, bedarf es regelmäßig des exekutiven Weisungsrechts. Denn die administrative Weisungsbefugnis ist das spezifische Steuerungsinstrument, um eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Lenkung der exekutiven Staatstätigkeit zu ermöglichen. c) Weisung als unverzichtbares Instrument sachlich-inhaltlicher Legitimation
Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß im System der legitimationsvermittelnden Lenkungsinstrumente zwischen dem Gesetz und der Weisung ein korrelatives Beziehungsgefüge besteht, welches eine Kompensation des einen durch das jeweils andere Steuerungsmittel erlaubt. Die Frage, ob die Weisungsgewalt zur Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation zwingend erforderlich ist, hängt entscheidend von der Steuerungskraft des betreffenden Gesetzes ab. Folgt die Entscheidung bereits aus dem Gesetz, bedarf es der Weisungsbefugnis nicht. Eröffnet das Gesetz dem Normanwender hingegen entsprechende Interpretationsspielräume, muß das dadurch vermittelte Steuerungsdefizit an sachlich-inhaltlicher Legitimation durch die Weisungsbefugnis kompensiert werden; denn nur dann ist sichergestellt, daß die konkrete Entscheidung auf den Willen des Volkes rückführbar ist. Für die Notwendigkeit der Weisungsbefugnis im Modell sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung läßt sich demnach folgendes Bild zeichnen: Die Steuerungskraft legislatorischer Zweckprogrammen ist nur schwach ausgeprägt, sie vermögen für sich genommen den mit der Wahrnehmung von Staatsaufgaben betrauten Amtswaltern nicht die verfassungsrechtlich gebotene Legitimation zu vermitteln. Soweit diese Defizite nicht ausnahmsweise durch eine besondere Ausprägung des personellen Legitimationsfaktors kompensiert
43 M Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 94; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 163; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 14 Rdnr. 537; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 618; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 259. 44 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 163, 167; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 259.
Kap. : emokratische Legitimation
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werden oder andere exekutive Steuerungsinstrumente zur Verfugung stehen, die eine der Weisungsgewalt entsprechende Steuerungskraft aufweisen 45, bedarf es des Instruments der Weisung, um das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimationsniveau zu verwirklichen. In diesem Fall ist die Weisung unentbehrlich, damit den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen wird. Insoweit stellt das Steuerungsinstrument der Weisung einen unabdingbaren Baustein im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge dar, um den verfassungsrechtlich gebotenen Legitimationszusammenhang zwischen Herrschaftsgewalt und Herrschaftsunterworfenheit zu gewährleisten. Dies bedeutet indes nicht, daß von der Weisungsbefugnis in jedem konkreten Fall Gebrauch gemacht und tatsächlich eine Weisung erteilt werden muß. Vielmehr genügt es, wenn die Administrativspitze mit einer entsprechenden Weisungsgewalt ausgestattet ist, also prinzipiell über die Möglichkeit verfügt, den nachgeordneten Verwaltungsstellen Weisungen zu erteilen. Denn die Weisung ist ein Konfliktinstrument, welches nur dann zum Einsatz gelangt, wenn zwischen der weisungsberechtigten Exekutivspitze und dem exekutiven Amtswalter keine Willensübereinstimmung besteht. Die Weisungsbefugnis ermöglicht der Administrativspitze, die Funktionsausübung des Amtswalters zu steuern und auf diese Weise die konkrete Entscheidimg im Einzelfall auf den Willen des Volkes zurückzuführen. Besteht indes eine solche Konfliktlage nicht, ist es auch nicht erforderlich, von dem Weisungsrecht Gebrauch zu machen. Denn in diesem Fall ist die erstrebte Willensübereinstimmung zwischen der Exekutivleitung und dem Amtswalter bereits erreicht und eine Weisung mithin nicht notwendig. Es genügt somit, daß die Exekutivspitze prinzipiell über die Befugnis zur Einzelweisung verfügt; eine „Aktualisierung" dieses Weisungsrechtes, die Erteilung von Weisungen ist dagegen nicht in jedem Fall erforderlich. Konditionalprogramme weisen demgegenüber eine höhere inhaltliche Regelungsdichte und damit einen größeren legitimationsvermittelnden Gehalt auf. Sofern dabei die Konditionalprogramme dem Normanwender ausnahmsweise keinerlei Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume einräumen, die exekutive Entscheidung also gleichsam aus dem Gesetz folgt und damit - was nur selten der Fall sein dürfte - die Züge eines automatenhaften Normvollzugs trägt, übt der mit der Anwendung der Norm betraute Amtswalter, wie noch 45
Als exekutive Steuerungsinstrumente, die über eine der Weisungsbefugnis vergleichbare Steuerungskraft verfügen, sind Zustimmungsvorbehalte oder Selbsteintrittsrechte übergeordneter Stellen zu nennen; davon zu unterscheiden ist die Frage, ob bei Zustimmungsvorbehalten und Selbsteintrittsrechten legitimationsbedürftige Staatsgewalt ausgeübt wird - dazu unten im vierten Teil, Kapitel 5, S. 299 ff.
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
unten zu zeigen sein wird, bereits keine legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus 46 ; insoweit stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit des Weisungsrechts nicht. Sofern hingegen - wie im Regelfall- dem Normanwender bei der Vollzugstätigkeit entsprechende eigene Spielräume zustehen, bedarf es zur Verwirklichung sachlich-inhaltlicher Legitimation regelmäßig der Weisungsgewalt der Exekutive. Denn das Gesetz vermag in diesem Fall die Entscheidung nur in ihren Umrissen zu programmieren und damit nur insoweit zu legitimieren. Diejenigen Entscheidungselemente hingegen, die sich als Ausfüllung des legislatorisch belassenen Spielraums darstellen, also nicht durch das Gesetz vorausbestimmt sind, bedürfen ebenfalls der demokratischen Legitimation und damit der Rückführung auf den Willen des Volkes. Diese Rückfühibarkeit läßt sich nur dann erreichen, wenn den im hierarchischen Gefüge vorgelagerten Stellen ein auf die konkrete Entscheidung bezogenes Steuerungsmittel an die Hand gegeben wird, sie also prinzipiell mit einer entsprechenden Steuerungsgewalt ausgestattet sind. Das ermöglicht allein das Weisungsrecht, denn dieses hat die Funktion sicherzustellen, daß jede konkrete Entscheidung demokratisch legitimiert ist. Im Ergebnis steht damit fest, daß die Weisungsbefugnis einen grundsätzlich unabdingbaren Baustein im sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG darstellt. Nur wenn andere exekutive Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, die eine der Weisungsgewalt entsprechende Steuerungskraft aufweisen, oder sich - ausnahmsweise - bereits aus dem Gesetz eine auf die konkrete Entscheidung im Einzelfall bezogene Steuerung ergibt, ist die Weisung zur Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation entbehrlich.
46
Siehe dazu noch unten im vierten Teil, Kapitel 5, S. 303 ff.
Kapitel 5
Ministerialfreie Räume als zulässige Erscheinungsformen im demokratischen Legitimationsmodell? Auf dem Boden der bislang gewonnenen Erkenntnisse kann nun die Frage beantwortet werden, ob ministerialfreie Räume in der staatlichen Verwaltung mit dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art 20 Abs. 2 GG in Einklang stehen. Untersucht werden soll, ob ministerialfreie Räume zulässige Erscheinungsformen oder demokratiedefizitäre und damit rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG darstellen. In einem ersten Schritt wird zunächst eruiert, was unter dem Begriff der ministerialfreien Räume zu verstehen ist (dazu unter I.). In einem weiteren Schritt wird sodann der verfassungsrechtliche Standort der Diskussion um das Rechtsproblem ministerialfreier Räume herausgearbeitet (dazu unter II.). In einem dritten und letzten Schritt werden die in der Literatur vorgetragenen Argumentationsansätze zur Begründung der Entbehrlichkeit des Weisungsrechts im demokratischen Legitimationsmodell und damit zur Begründung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume kritisch unter dem Blickwinkel betrachtet, ob sie sich unter den Auspizien des grundgesetzlichen Demokratieprinzips als tragfähig erweisen (dazu unter III.). L Ministerialfreie Räume: Begriffsbestimmung Unter dem Begriff der ministerialfreien Räume firmieren gemeinhin die durch Weisungsfreiheit gekennzeichneten Verwaltungsbereiche, also diejenigen Tätigkeitsfelder der öffentlichen Verwaltung, die von konkreten Einzelfachweisungen der übergeordneten Administrativeinheiten freigestellt sind1. Weitere, darüber hinausgehende Freistellungen etwa von der Rechtsaufsicht 1
Siehe nur H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 134 ff, insbesondere 136; E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 357 f.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 103 f; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 7; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnr. 3; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 19 f.
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
oder von generellen, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenen Direktiven sind zwar mögliche, aber keine notwendigen, begriffsimmanenten Aspekte der Ministerialfreiheit 2. Das erforderliche und zugleich hinreichende typusprägende Element ministerialfreier Räume ist allein die Einzelweisungsfreiheit 3. So unumstritten diese durch Weisungsfreiheit gekennzeichnete Begriffsbestimmung ist, so umstritten ist die Frage nach dem konkreten Anwendungsfeld der ministerialfreien Räume. Insoweit gehen die Meinungen auseinander, ob ministerialfreie Räume nur Erscheinungsformen der unmittelbaren oder auch der mittelbaren Staatsverwaltung sind. Teilweise wird im Schrifttum für eine Restriktion des Anwendungsbereichs ministerialfreier Räume auf die unmittelbare Staatsverwaltung plädiert; die Ausübung von Staatsgewalt durch selbständige Verwaltungsträger falle nicht darunter 4. Nach der Gegenauffassung soll der Begriff des ministerialfreien Raumes dagegen in einem umfassenden Sinne zu verstehen sein und sich sowohl auf die unmittelbare als auch auf die mittelbare Staatsverwaltung erstrecken5. Entscheidend für die Zuordnung staatlicher Verwaltungsbereiche zu ministerialfreien Räumen sei einzig und allein, daß die Verwaltungsträger von den Einzelfachweisungen der Administrativspitze freigestellt seien6. Dieser umstrittenen Frage nach der begrifflichen Erstreckung ministerialfreier Räume auf die unmittelbare oder auch auf die mittelbare Staatsverwaltung käme im vorliegenden Zusammenhang deswegen Bedeutung zu, weil sich im Falle einer restriktiven Begriffsbestimmung zwangsläufig die Frage nach der staatsorganisatorischen Zuordnung der Deutschen Bundesbank stellte. Zu
2 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 136; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 357; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 104,108; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 48; W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 146 ff. 3 Vgl. auch H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 136; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 66; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (298); W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 146 fT.; W. Müller, JuS 1985,497 (498). 4 So vor allem G. Dahlgrün, in: Demokratie und Verwaltung, S. 317 f.; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 136; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (335 f.); P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 98 fT.; H. Loening, DVB1. 1954, 173 fT.; W. Müller, JuS 1985, 497 (498); M. Roller, Weisungsfreie Ausschüsse in der Verwaltung und Ministerverantwortlichkeit, S. 18 f. 5 Verfechter dieser Auffassung sind vor allem E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 18, 66, 107 f; H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 368 ff. 6 E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 66.
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
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klären wäre, ob die Deutsche Bundesbank Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung ist oder zum Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zählt7. Gegen eine Beschränkung des Anwendungsfelds ministerialfreier Räume auf die unmittelbare Staatsverwaltung ließe sich ins Feld führen, daß organisationsbezogene Entscheidungen, ob bestimmte Verwaltungsaufgaben durch den Staat selbst, also in unmittelbarer Staatsverwaltung, oder durch selbständige Verwaltungsträger, das heißt in mittelbarer Staatsverwaltung, wahrgenommen werden, häufig allein durch Zweckmäßigkeitserwägungen geleitet werden8. Hängt jedoch die organisationsrechtliche Entscheidung des Gesetzgebers über die staatsorganisatorische Einordnung von Verwaltungsträgern 9 nicht selten von rein verwaltungsökonomischen Praktikabilitätsüberlegungen ab, so ist die Zuordnung von Verwaltungsräumen zur unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung nicht selten austauschbar10 und damit mehr oder minder beliebig. Vor diesem Hintergrund vermag die thematische Beschränkung der Rechtsfigur des ministerialfreien Raumes auf die unmittelbare Staatsverwaltung so recht nicht einzuleuchten11. Im Ergebnis braucht diese Frage jedoch deswegen nicht letztverbindlich entschieden zu werden, weil die Begriffskategorie des ministerialfreien Raumes unabhängig von dem Streit wenigstens im gegebenen Zusammenhang in einem extensiven, sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Staatsverwaltung miteinbeziehenden Sinne verstanden werden soll. Der Grund hierfür ist, daß die vorliegende Arbeit zum Anliegen hat, die demokratischen Anforderungen herauszuarbeiten, die für die Organisation des Staates im allgemeinen und für die organisatorische Ausgestaltung der Deutschen Bundesbank im
7 Hierzu D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 96 ff., der für eine Zuordnung der Deutschen Bundesbank zum Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung plädiert. 8 Dazu BVerfGE 10, 89 (102 ff); P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 98; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 107; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 108; H. v. Mangoldt/ F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Vorbem. EL 2. vor Art. 83 ff.; F. Rietdorf, DÖV 1959, 671 (672); M Roller, Weisungsfreie Ausschüsse in der Verwaltung und Ministerverantwortlichkeit, S. 16. 9 Hingewiesen sei jedoch darauf, daß die staatsorganisatorische Einordnung staatlicher Verwaltungsträger der Entscheidung des Gesetzgebers oftmals entzogen ist, so zum Beispiel bei den Gemeinden, deren Zuordnung zum Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung durch Art. 28 GG verfassungsrechtlich festgeschrieben ist. 10 E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 18, 108 f.; H. v. Mangoldtl F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Vorbem. ΙΠ. 2. vor Art. 83 ff. 11 Ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 107; im Ergebnis ähnlich auch Κ Berendes, Die Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 123; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 108.
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
besonderen gelten. Insoweit gilt es an dieser Stelle zu klären, ob das Instrument der Weisung ein unverzichtbares Element im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge des grundgesetzlichen Demokratiemodells ist. Hierfür ist aber die Frage nach dem Legitimationsobjekt, konkret: die Differenzierung nach der unmittelbaren und der mittelbaren Staatsverwaltung irrelevant; denn in beiden Fällen wird legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausgeübt. Von diesem Erkenntnisinteresse geleitet wird daher jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang der Begriff des ministerialfreien Raumes in einem extensiven Sinne verstanden und auf beide Formen der Staatstätigkeit, also sowohl auf die unmittelbare als auch auf die mittelbare Staatsverwaltung erstreckt. Aus diesem Grunde bedarf hier weder der Streit um den Anwendungsbereich der Figur des ministerialfreien Raumes noch die logisch nachrangige Frage nach der organisationsrechtlichen Einordnung der Deutschen Bundesbank einer letztverbindlichen Klärung. I L Ministerialfreie Räume: Dogmatischer Standort der verfassungsrechtlichen Problemschichten In einem weiteren Schritt soll nun der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Standort des Rechtsproblems ministerialfreier Räume nachgegangen werden. Konkret gilt es zu klären, wie die im Schrifttum zur Begründimg der Zulässigkeit ministerialfreier Räume vorgetragenen Argumentationsansätze nach der hier befürworteten Konzeption einer Differenzierung zwischen der Gewährleistungsebene des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) einerseits und der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch organisatorische Sonderregelungen andererseits 12 verfassungsdogmatisch einzuordnen sind. Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert, daß die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente sämtlich unter der Rechtsfigur des ministerialfreien Raumes firmieren und ihrem äußeren Anschein und Vorbringen nach alle denselben Problemkreis betreffen. Dies kann aber nicht verbergen, daß die einzelnen Begründungsversuche jeweils unterschiedlich verfassungsrechtlich fundiert sind und sich bei Lichte betrachtet den zwei verschiedenen Argumentationskategorien zuordnen lassen, die - nach dem hier vertretenen Konzept - strikt auseinandergehalten werden. Die erste Kategorie erfaßt solche Argumentationstopoi, die das grundgesetzliche Demokratieprinzip und seine Legitimationsanforderungen selbst betreffen und diese zu konturieren versuchen. Insoweit handelt es sich um dem
12 Zu dieser Konzeption und anderen möglichen Lösungswegen oben in Kapitel 2, S. 55 ff.
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
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Demokratieprinzip immanente, dieses auf der Gewährleistungsebene inhaltlich von vornherein begrenzende Argumente, die das Regelmodell demokratischer Legitimation zu modifizieren und ein niedrigeres, um bestimmte Legitimationsanforderungen gekürztes Legitimationsniveau zu präsentieren suchen. Zu der Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung etwaiger Demokratiedefizite wird hier gar nicht vorgedrungen; denn diese Begründungsansätze weisen dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip von vornherein ein geringeres Anforderungsprofil zu, so daß eine Beeinträchtigung desselben ausscheidet. Zu dieser Kategorie gehören all diejenigen Argumentationsansätze, die die Zulässigkeit ministerialfreier Räume mit der Lückenhaftigkeit des Demokratieprinzips 13 begründen, die den Anwendungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation beschränken14 oder die in der Errichtung ministerialfreier Räume einen zulässigen Verzicht des Parlaments auf dessen Steuerungsmacht erblicken 15. Die zweite Kategorie betrifft hingegen bei genauem Hinsehen nicht die inhaltliche Ausformung des Prinzips demokratischer Legitimation, also nicht deren Gewährleistungsebene, sondern andere, außerhalb des demokratischen Legitimationsmodells stehende Verfassungswerte. Sie treten - nach der hier gewählten Konzeption - als verfassungsrangige Sonderregelungen neben das Demokratieprinzip und bieten den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für Unterschreitungen des demokratischen Legitimationsniveaus. Die dieser Kategorie immanenten Begründungsansätze lassen den Anforderungsgehalt des grundgesetzlichen Demokratieprinzips als solchen unangetastet und erkennen eine Unterschreitung des demokratischen Regelniveaus an, welches sie durch Ausnahmen vom demokratischen Legitimationsmodell auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu legitimieren suchen. Diese Kategorie enthält ein reiches Reservoir an Topoi und Argumentationssträngen, die von der Rekrutierung von spezifischem Sachverstand zur Steigerung der Verwaltungseffizienz über Aspekte der Funktionssicherung von Verwaltungsträgern 16 und der „Natur der Sache"17 bis hin zu grundrechtlich fundierten
13
So vor allem BVerfGE 9,268 (281 f.). So Η. Η. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 412 f.; ebenso Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 351 ff ; siehe zu dem Legitimationskonzept K. Waechters noch ausführlich unten, S. 121 -124. 15 So E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 190 ff. 16 Speziell zur Rechtfertigung der Weisungsfreiheit der Deutschen Bundesbank H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261 f. 17 So bei E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 24. 14
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Legitimationsversuchen für Verkürzungen demokratiestaatlicher Legitimationsstränge18 reichen. Die Debatte um die Zulässigkeit ministerialfreier Räume verdeutlicht abermals, daß sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 GG und den organisationsrechtlichen Sonderbestimmungen methodologisch auf unterschiedliche Weise beantworten läßt. Während die einen den Anwendungsbereich des demokratischen Prinzips von vornherein begrenzen und das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau erst aus der Zusammenschau des Art. 20 Abs. 2 GG mit den übrigen verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen bestimmen wollen, differenzieren die anderen zwischen dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und den organisationsrechtlichen Sonderregelungen als Ausnahmen von den Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG andererseits. Entsprechend der hier befürworteten Konzeption werden die in der Diskussion um die Zulässigkeit ministerialfreier Räume vorgebrachten Argumente im folgenden getrennt danach untersucht, ob sie die Gewährleistungsebene des Demokratieprinzips betreffen oder auf der Ebene verfassungsrechtlicher Rechtfertigung zum Tragen kommen; sie sind also gesondert danach zu erörtern, ob sie echte Modifikationen demokratischer Legitimationsanforderungen enthalten oder das Demokratieprinzip und seine verfassungsrechtlichen Anforderungen unberührt lassen und Unterschreitungen des Legitimationsniveaus durch verfassungsrechtliche Ausnahmen von den demokratischen Legitimationsanforderungen zu rechtfertigen suchen. An dieser Stelle geht es ausschließlich um das Prinzip demokratischer Legitimation sowie die daraus folgenden organisatorischen Anforderungen für den Aufbau der staatlichen Verwaltung. Die maßgebliche Frage lautet, ob das legitimationsstiftende Instrument der Weisung im Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG selbst angelegt, also ein unabdingbarer Baustein in der Architektur desselben ist, oder ob die Weisung als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument im Modell demokratischer Legitimation entbehrlich ist. Im ersten Fall stünden die durch Weisungsfreiheit gekennzeichneten ministerialfreien Räume zu dem grundgesetzlichen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG in Widerspruch - ohne sie daß dadurch freilich gleichsam verfassungswidrig wären 19 ; im zweiten Fall wären ministerialfreie Räume dagegen als zulässige Erscheinungsformen des grundgesetzlichen Demokratieprinzips zu deklarieren. 18
Vgl. hierzu M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 559 ff. 19 Dies hat seinen Grund darin, daß Kollisionen mit dem Prinzip demokratischer Legitimation durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt sein können, siehe hierzu oben in Kapitel 2, S. 55 ff.
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
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Demgemäß werden an dieser Stelle lediglich die der ersten Kategorie zuzurechnenden Argumentationsansätze beleuchtet. Die der zweiten Kategorie immanenten Begründungsstränge werden dagegen, soweit ihnen Bedeutung zukommt, erst an späterer Stelle erörtert 20. I I I . GewShrleistungsebene des Demokratieprinzips: Modifizierung des demokratischen Regelmodells? 1. Weisungsrecht als schlichtes Akzidens im demokratischen Legitimationsmodell? In den Vordergrund rücken damit die Argumentationsansätze, mittels derer die Entbehrlichkeit der Weisung im demokratischen Legitimationsmodell zu begründen versucht wird, indem dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG von vornherein ein reduziertes Anforderungsprofil zugewiesen wird. a) Der Argumentationsansatz G P. Fichtmüllers
Zur Begründung der Entbehrlichkeit der Weisung im demokratischen Legitimationsmodell wird namentlich von C. P. Fichtmüller vorgetragen, daß das Instrument der Weisung als Mittel der Staatsleitung nach der Verfassung nicht allein der Exekutivspitze zugewiesen sei 21 . Vielmehr müsse zwischen zwei verschiedenen Aufgaben- und Kompetenzbereichen unterschieden werden. Zum einen gebe es vereinzelt solche Aufgaben, die der Bundesregierung vom Grundgesetz ausdrücklich und damit zur alleinigen Wahrnehmung übertragen seien22. In diese der Bundesregierung explizit zugewiesenen Rechte regelnd einzugreifen, sei dem Parlament versagt. Alle übrigen Aufgaben lägen dagegen nicht allein in den Händen der Bundesregierung, sondern könnten auch vom Parlament wahrgenommen werden, solange das grundgesetzliche „Gewichtsverhältnis der Verfassungsorgane zueinander" nicht gestört werde. In diesen Aufgabenfeldern besitze die Bundesregierung nicht die alleinige Befugnis zur Leitung der Verwaltung, sondern müsse sich diese mit dem Parlament teilen. Wenn es jedoch dem Parlament gestattet sei, der Regierung Exekutivbefugnisse zu entziehen und die erforderlichen staatslenkenden Aufgaben an ihrer Stelle wahrzunehmen, so sei auch das Weisungsrecht der Bundesregierung
20
Dazu im dritten Teil, Kapitel 2, S. 178 ff. C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (350 ff.). 22 Als Beispiele hierfür nennt C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (352), die Initiativ- und Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung und die Notstandsrechte der Bundesregierung. 21
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
nichts anderes als ein schlichtes Akzidens im demokratischen Legitimationsmodell und damit von Verfassungs wegen als entbehrlich einzustufen 23. Diesem Ansatz C. P. Fichtmüllers ist zunächst insoweit zuzustimmen, als er auf der zutreffenden - wenngleich unausgesprochenen - Annahme beruht, daß es unter dem Blickwinkel des Prinzips demokratischer Legitimation keinen entscheidenden Unterschied macht, ob die gebotene Steuerung der Staatstätigkeit in den Händen der Legislative oder der Gubernative liegt. Legislatorische und exekutive Steuerungsinstrumente stehen in einem Verhältnis gegenseitiger Komplementarität und Substitutionalität24. Unter den Auspizien des Prinzips demokratischer Legitimation kommt es ausschließlich darauf an, daß der zwischen der Ausübung staatlicher Gewalt und dem Volk erforderliche Zurechnungszusammenhang hergestellt wird, mit anderen Worten: daß jede Form (exekutiver) Staatstätigkeit auf den Willen des Volkes zurückreicht. Dies bedeutet aber nicht - und an dieser Stelle muß die Kritik an der Argumentation C. P. Fichtmüllers ansetzen -, daß die der Legislative und der Exekutive zur Verfügung stehenden spezifischen Steuerungsmöglichkeiten beliebig austauschbar sind, mit der Folge, daß auch das Weisungsrecht der Exekutivspitze ein generell entbehrliches Instrument innerhalb des Legitimationsvermittlungsvorgangs darstellt. Das exekutive Weisungsrecht ist nur verzichtbar, solange und soweit das Gesetz eine der Einzelweisung entsprechende Steuerungskraft entfaltet. Nur in diesem Fall vermögen die Steuerungsmöglichkeiten der Legislative die administrative Weisungsbefugnis zu substituieren, ohne daß im Ergebnis das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau unterschritten wird. Eine der Weisung ebenbürtige Steuerungskraft kommt dem Gesetz jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen zu. Ein solcher Fall liegt nur bei gesetzlichen Volldeterminierungen vor, also nur dann, wenn das Gesetz selbst eine solche Regelungsdichte aufweist, daß die vom Normanwender zu treffende Entscheidung gleichsam aus dem Gesetz hervorgeht, ohne daß diesem eigene Handlungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielräume belassen werden 25. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen ist das Weisungsrecht des Exekutive indes zwingend erforderlich, um der administrativen Staatstätigkeit die von Verfassungs wegen erforderliche demokratische Legitimation zu vermitteln. Dies beruht auf der strukturellen Eigenart der legislativen Steuerungsmöglichkeiten. Das Gesetz ist als abstrakt-generelle Regelung in aller Regel nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen, sondern verlagert die notwendigen Entscheidungen auf die Ebene des Gesetzesvollzugs. Damit obliegt es dem exekutiven Normanwender, die vom Gesetz belassenen Regelungsspielräume
23 24 25
So sinngemäß C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (352 f.). Dazu bereits oben in Kapitel 4, S. 98 f. Siehe dazu oben in Kapitel 3, bei Fn. 46 (S. 102).
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
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inhaltlich auszufüllen und die gesetzlichen Inhaltsvorgaben im jeweiligen Einzelfall zu konkretisieren. Um sicherzustellen, daß eben diese Einzelfallentscheidung auf dem Willen des Volkes beruht, bedarf es regelmäßig des exekutiven Weisungsrechts26. Diese Gesamtzusammenhänge zwischen den verschiedenen sachlich-inhaltlichen Steuerungsmitteln läßt C. P. Fichtmüller unberücksichtigt, wenn er das Instrument der Weisung als generell entbehrlich einstuft. Insoweit überschätzt er die spezifischen Steuerungsmöglichkeiten, die der Legislative zur Verfügung stehen, und verkennt, daß es regelmäßig der exekutiven Weisungsgewalt bedarf, um den nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen Zurechnungszusammenhang zwischen den konkreten Einzelakten der Administrativgewalt und dem Volk sicherzustellen. Unter den Auspizien des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips erweist es sich demnach als unzulässig, das legitimationsstiftende Weisungsrecht der Exekutivspitze zu einem bloß akzidentiellen, generell entbehrlichen Baustein im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG herabzustufen. b) Der Argumentationsansatz J. Oebbeckes Einen weiteren Versuch zur Begründung der Entbehrlichkeit des Weisungsrechts im demokratischen Legitimationsmodell und damit zum Nachweis der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume unternimmt J. Oebbecke 27. Auch sein Argumentationsansatz soll im folgenden kritisch reflektiert werden. aa) Die Argumentation J. Oebbeckes J. Oebbecke untersucht die Zulässigkeit ministerialfreier Räume in der Bundesverwaltung anhand dreier verschiedener Maßstäbe: anhand der Leitungsbefugnis der Regierung, dem Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit und dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip 28. In einem ersten Schritt gelangt J. Oebbecke zu der Erkenntnis, daß die Errichtung ministerialfreier Räume die Leitungsbefugnis der Regierung beschränke, welche er verfassungsdogmatisch in Art. 65 Satz 2 GG verankert 29. Eine solche Beschränkung sei von Verfassungs wegen nur dann zulässig, wenn sie durch einen entspre-
26
Siehe dazu abermals oben in Kapitel 4, S. 96 ff. Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume. 28 Siehe dazu die Skizzierung des Untersuchungsverlaufes bei J. Oebbecke, Weisungs· und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 23 f. 29 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 25 ff. 27
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chenden Wert von Verfassungsrang gerechtfertigt werde 30. In einem zweiten Schritt wendet sich J. Oebbecke der Frage nach der Vereinbarkeit ministerialfreier Räume mit dem Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit zu 31 . Ausgehend von der Beobachtung, daß sich die parlamentarische Verantwortlichkeit als „difluser Begriff 4 darstelle und „sedes materiae der parlamentarischen Verantwortlichkeit im Grundgesetz nur schwer auszumachen" sei, kommt er zu dem Ergebnis, daß diesem Verfassungsprinzip gleichwohl die verbindliche Direktive zu entnehmen sei, grundsätzlich jede Exekutivtätigkeit über den zuständigen Minister parlamentarisch zu verantworten. Daraus folge aber nicht etwa ein Verbot ministerialfreier Räume, denn dem zuständigen Minister verblieben trotz der fehlenden Weisungsgewalt eine Reihe anderer Zuständigkeiten, deren Wahrnehmung er parlamentarisch verantworten müsse. Ministerialfreie Räume seien keineswegs freigestellt von parlamentarischer Kontrolle, sondern die Kontrolldichte sei lediglich reduziert. Mit dem grundgesetzlichen System kooperierender und sich gegenseitig beeinflussender Gewalten sei eine Totalkontrolle des Parlaments über die Exekutive nicht vereinbar 32 . In einem dritten und letzten Schritt rückt J. Oebbecke schließlich das grundgesetzliche Demokratieprinzip als Untersuchungsmaßstab für die Zulässigkeit ministerialfreier Räume in den Vordergrund 33. Zwar sei das grundgesetzliche Demokratieprinzip „so substanzschwach", daß „sich aus ihm praktikable Entscheidungslinien nicht gewinnen" ließen. Gleichwohl stelle sich die Weisungsfreiheit ministerialfreier Räume auch als „eine Frage der Beeinträchtigung der Demokratie" dar, da die durch die Weisungsfireiheit bewirkte „Auflösung des hierarchisch-monokratischen Zusammenhangs in der Demokratie besonders problematisch" sei 34 . Ministerialfreie Räume verfügten zwar über eine hinreichende personelle Legitimation, seien in sachlich-inhaltlicher Hinsicht aber wegen ihrer Unabhängigkeit von der Exekutivspitze nur eingeschränkt demokratisch legitimiert. Da es jedoch sub specie des Prinzips demokratischer Legitimation allein auf das Legitimationsergebnis, nicht hingegen auch auf die Art und Weise der Legitimationsvermittlung ankomme, sei der die weisungsfreien Räume prägende Teilausfall sachlich-inhaltlicher Legiti-
30
J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65 f. 31 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 95 ff. 32 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 123. 33 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 125 f. 34 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 67.
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mation verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn zum einen könne das gebotene Legitimationsniveau durch einen entsprechend stark ausgeprägten personellen Legitimationsfaktor erreicht werden; und zum anderen lasse sich der Ausfall der Weisung auch durch eine starke legislatorische Steuerung kompensieren35. Doch selbst in den Fällen, in denen keine das fehlende Weisungsrecht kompensierenden gesetzlichen oder anderweitigen Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, sei die Weisimg entbehrlich. Zur Begründung hierfür verweist J. Oebbecke auf die grundgesetzlichen Befugnisse des Bundespräsidenten. Die dem Bundespräsidenten von Verfassungs wegen zugewiesenen gegenzeichnungsfreien Entscheidungsbefugnisse, wie sie in Art. 63 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 4 Satz 2 und 68 Abs. 1 Satz 1 GG zum Ausdruck kommen, zeigten, daß es nach dem Grundgesetz einzelne, von gesetzlicher Programmierung freigestellte Bereiche gebe. Daraus schließt er, daß auch dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG keine verbindliche Direktive entnommen werden könne, wonach „staatliche Entscheidungen zwingend rechtlicher Vorkehrungen" für ihre sachlich-inhaltliche Rückanbindung bedürften 36. Nicht zuletzt hierin liege der Grund dafür, daß sich aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes kein Verbot ministerialfreier Räume ergebe. bb) Kritik Nach Ansicht J. Oebbeckes stellen die Leitungsbefugnis der Regierung, das Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit und das Demokratieprinzip verschiedene Verfassungsprinzipien dar. In konsequenter Fortführung dieser Konzeption erblickt J. Oebbecke hierin unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe für seine Untersuchung. Diese Verfassungsprinzipien sind jedoch bei Lichte betrachtet lediglich verschiedene Aspekte eines und desselben Verfassungsprinzips, nämlich des in Art. 20 Abs. 2 GG beheimateten Demokratieprinzips. So findet die Leitungsbefugnis der Regierung ihre grundgesetzliche Verankerung nicht in der Verfassungsbestimmung des Art. 65 Satz 2 GG, sondern hat ihren verfassungsdogmatischen Ursprung im grundgesetzlichen Demokratieprinzip. Art. 65 Satz 2 GG rezipiert die Weisungsgewalt lediglich als einen aus dem demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG abgeleiteten Baustein im Organisationsgefüge der Bundesregierung 37. Und auch der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit, dessen verfassungsdogmatischer 35
J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 125 f. 36 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 127. 37 Zu der verfassungsdogmatischen Verankerung der Weisungsgewalt oben in Kapitel 4, S. 92 ff. 8 Brosius-Gersdorf
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Standort bei J. Oebbecke nicht deutlich hervortritt 38, stellt keinen vom Demokratieprinzip verschiedenen Aspekt dar, sondern ist lediglich ein Steuerungsinstrument unter mehreren zur Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation39. Umfang und Reichweite der (mittelbaren) parlamentarischen Kontrollbefugnis gegenüber der Exekutive sind dabei akzessorisch verknüpft mit der gubernativen Leitungsbefugnis der Regierung gegenüber den nachgeordneten Verwaltungsstellen. Denn die Regierung kann für die Exekutivtätigkeit nur dann vom Parlament verantwortlich gemacht werden, wenn sie auf deren Tätigwerden steuernden Einfluß nehmen kann 40 . Verantwortung gegenüber dem Parlament setzt also die Weisungsgewalt der Regierung gegenüber der Exekutive voraus. Die gubernative Leitungsbefugnis und das Prinzip parlamentarischer Verantwortlichkeit sind mithin einzelne Elemente innerhalb des demokratischen Legitimationsmodells des Art. 20 Abs. 2 GG. Hiermit läßt sich eine Einortung der gubernativen Leitungsbefugnis und des Prinzips parlamentarischer Verantwortlichkeit als neben dem Demokratieprinzip stehende, von diesem zu unterscheidende Verfassungsprinzipien nur schwerlich vereinbaren 41. Und weiter: So sehr J. Oebbecke beizupflichten ist, daß eine Beschränkung der gubernativen Leitungsbefugnis durch kollidierende Verfassungsgüter gerechtfertigt sein kann, so sehr ist zu bedauern, daß er gleichsam auf halbem Erkenntniswege stehen bleibt: Denn offen bleibt, welche Verfassungswerte insoweit als Rechtfertigungstitel in Betracht kommen.
38
,»Allerdings ist sedes materiae der parlamentarischen Verantwortlichkeit im Grundgesetz nur schwer auszumachen", so J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 104. 39 Vgl. dazu die Darstellung der verschiedenen rechtstechnischen Verwirklichungsinstrumente sachlich-inhaltlicher Legitimation in Kapitel 1, S. 44 ff.; siehe auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 78 f.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 312 ff. 40 Zu dem Akzessorietätsverhältnis zwischen der parlamentarischen Verantwortlichkeit und der administrativen Regierungsunterstellung bereits oben in Kapitel 1 bei Fn. 59 (S. 45); zu der umstrittenen Frage des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Verantwortlichkeit und Kompetenz bei M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 314 ff.; hierzu auch bei E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958), 9 (40), der insoweit den Vorwurf der unzulässigen petitio principii erhebt; P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 309; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 102; T. Puhl, Die Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz, S. 133; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 219 f. 41 Vgl. zu dieser Kritik an J. Oebbecke auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 41.
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Soweit J. Oebbecke ministerialfreien Räumen einen Teilausfall sachlich-inhaltlicher Legitimation attestiert, ist dagegen nichts einzuwenden. Auch ist ihm insoweit zuzustimmen, als es nach Art. 20 Abs. 2 GG ausschließlich auf das Legitimationsergebnis, nicht hingegen auch auf die Art und Weise der Legitimationsvermittlung ankommt. Nur läßt sich daraus nicht der Schluß ziehen, daß das sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit ministerialfreier Räume generell durch andere Steuerungsmittel kompensiert werden könne. Denn dabei bleibt unberücksichtigt, daß den übrigen Steuerungsinstrumenten eine der Weisung vergleichbare Steuerungskraft nur in wenigen Ausnahmefällen zukommt 42 . Nur in diesem Fall ist aber die Weisung im Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG entbehrlich. Schließlich vermag auch der Verweis auf die dem Bundespräsidenten in einzelnen politischen Bereichen erteilte Befreiung von dem Erfordernis der Gegenzeichnungspflicht als Beleggrund für die generelle Entbehrlichkeit des Instruments der Weisung so recht nicht zu verfangen. Denn zum einen bleibt dabei außer acht, daß der Bundespräsident über eine besonders hohe personelle demokratische Dignität verfügt, welche den durch das fehlende Weisungsrecht bewirkten Legitimationsverlust prinzipiell kompensieren kann 43 . Und zum anderen sprechen auch verfassungssystematische Gründe gegen den Vergleich mit dem Bundespräsidenten: Daß von Verfassungs wegen in bestimmten Aufgabenfeldern von dem Erfordernis der Gegenzeichnung abgesehen wird, stellt einen grundgesetzlichen Einzelfall dar, der nicht den Schluß auf ein entsprechendes demokratisches Regelniveau für die übrigen staatlichen Aufgabenbereiche gestattet44. Oder anders gewendet: Der (partielle) verfassungsrechtliche Verzicht auf die sachlich-inhaltliche Steuerung des Bundespräsidenten ist nicht eo ipso Ausdruck eines generell auf diesem Niveau veranschlagten Legitimationskonzepts für die Exekutive45. Vielmehr ist diese für den Bundespräsidenten in bestimmten politischen Aufgabenfeldern Vorgesehene Sonderregelung eine besonders begründungsbedürftige Ausnahme von dem in Art. 58 Satz 1 GG statuierten Grundsatz der Gegenzeichnungspflicht und damit von dem Gebot der sachlich-inhaltlichen Rückanbindung jeder Funktionswahrnehmung des Bundespräsidenten. Den verfassungsrechtlichen
42 Vgl. hierzu die - insoweit entsprechenden - Kritikpunkte an der Argumentation C. P. Fichtmüllers oben bei Fn. 34 (S. 84). 43 Allgemein zu dem zwischen der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation bestehenden Kompensations- und Substitutionsverhältnis oben in Kapitel 2, S. 66 ff. 44 Vgl. zu dieser Kritik an J. Oebbecke auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 40 ff, insbesondere 43. 45 Im Ergebnis ebenso K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 42 f.
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Ausnahmecharakter der Gegenzeichnungsfreiheit dokumentiert auch die strukturelle Eigenart der in Art. 63 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 4 Satz 2 und 68 Abs. 1 Satz 1 GG geregelten Aufgabenbereiche, die sämtlich eng umgrenzte Ausnahmefälle in Zeiten besonderer Staatskrisen zum Gegenstand haben. Die partielle Befreiung des Bundespräsidenten von dem Erfordernis der Gegenzeichnung stellt sich mithin als verfassungsrangige Ausnahme von dem für die gesamte Staatlichkeit geltenden Grundsatz demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG dar. Wollte man daraus auf die generelle Entbehrlichkeit der ministeriellen Weisungsbefugnis im Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG schließen, so hieße das, dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis zu verkennen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde vermag die Argumentation J. Oebbeckes die Entbehrlichkeit der Weisung im demokratischen Legitimationsmodell nicht zu begründen. 2. Verzichtstheorie als Begrundungsversuch fur Lucken im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge? Ein weiterer Versuch zur Begründung der Entbehrlichkeit der Weisung ist in der sogenannten „Verzichtstheorie" zu erblicken. Nach dieser namentlich von E. Klein 46 entwickelten Theorie soll das Parlament auf die ihm zustehenden Kontroll- und Lenkungsbefugnisse verzichten und auf diese Weise ministerialfreie Räume selbst schaffen können47. Die Argumentation E. Kleins beruht wesentlich auf der Annahme einer Einheit von Volk und Parlament. Das Volk als solches sei weder Staatsorgan noch sonst an der Staatswillensbildung beteiligt. Es sei nicht Träger von Rechten und Pflichten, so daß es auch nicht als Subjekt von Rechtsverhältnissen in Betracht komme. Da mithin das Volk selbst handlungsunfähig sei, könne es im Staat nur „als Parlament" in Erscheinung treten, welches als aus freien und unabhängigen Wahlen hervorgegangenes Organ in die Fußstapfen desselben trete. Daraus aber ergebe sich eine „fiktive Einheit von Volk und Parlament" 48. In konsequenter Fortführung dieser Synchronisierung von Volk und Parlament gelangt E. Klein sodann zu dem Schluß, daß das Parlament gleichsam als Volk über „eigennützige", nämlich des Volkes eigene Rechte ohne weiteres in einer Weise verfugen könne, wie es
46
Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes. E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 190 ff; ebenso P. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 38 Rdnrn. 31 ff. 48 E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 197. 47
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auch das Volk vermöge, wenn es zu handeln in der Lage wäre. Kurzum: Was dem Parlament zu eigen sei, darauf könne es auch verzichten 49. Die Argumentationsführung E. Kleins steht und fällt mit seiner Grundhypothese von einer Einheit zwischen Volk und Parlament50. Diese Verschmelzung erweist sich bei Lichte betrachtet als schlichte Fiktion. Das Grundgesetz macht bereits durch Art. 20 Abs. 2 GG und durch Art. 38 GG deutlich, daß es zwischen dem Volk als Legitimationssubjekt einerseits und der Staatsgewalt als Legitimationsobjekt andererseits unterscheidet51. Das Volk ist in seiner Rolle als Aktivbürgerschaft sehr wohl mit eigenen Rechten ausgestattet und kann daher auch nicht mit dem Parlament gleichgesetzt oder gar verschmolzen werden 52. Zudem erklärt die Verfassung einem selbstzweckhaften Handeln des Parlaments oder sonstiger staatlichen Funktionsträger eine klare Absage und verlangt vielmehr eine Rückführung jedweder Ausübung von Staatsgewalt auf den Willen des Volkes53. Die den staatlichen Funktions- und Entscheidungsträgern von Verfassungs wegen zukommenden Kompetenzen und Befugnisse sind ihnen nicht nur als Betätigungsrechte, sondern zugleich auch als Wahrnehmungspflichten zugewiesen und stehen daher nicht zur Disposition der Kompetenzinhaber54. Aus diesem Grunde darf der Deutsche Bundestag nur dann auf legitimationsvermittelnde Steuerungsinstrumente verzichten, wenn er hierzu kraft einer speziellen verfassungsrechtlichen Ermächtigung be-
49
E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 199 f. 50 So auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 308; ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 351 f. 51 Dazu wurde das Erforderliche bereits an anderer Stelle gesagt, siehe Kapitel 1, S. 30 ff. 52 Statt vieler Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 308 f.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 351 f. 53 Vgl. in diesem Zusammenhang zur Unveräußerlichkeit der Staatsgewalt nach Art. 70 Abs. 1 HV HessStGH, DVB1. 1986, 936 (937). 54 Zu der Indisponibilität grundgesetzlicher Kompetenzen BVerfGE 4, 115 (139); 26, 281 (196); 32, 145 (156); 39, 96 (120); 41, 291 (311); 63, 1 (39 f.); aus dem Schrifttum D. Blumenwitz, in: Bonner Kommentar, Art. 50 Rdnr. 10; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 310 ff; M Gubelt, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 30 Rdnr. 21; J. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR IV, § 98 Rdnrn. 100, 182. M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 353; im Ergebnis ebenso P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 294; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 105 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 30 Rdnrn. 8 f.
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fugt ist 5 5 , wie dies beispielsweise in Art. 80 GG zugunsten der Exekutive oder durch die Integrations- und Öffnungsklausel in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG 56 zugunsten der Europäischen Union, genauer: zugunsten der drei Europäischen Gemeinschaften 57 und der zwei Felder gemeinsamer Politikgestaltung 58 , der Fall ist. Weiter ist gegen die Verzichtstheorie vorzubringen, daß ein Verzicht des Parlaments auch gegen die der parlamentarischen Opposition zustehenden Minderheitenrechte verstößt 59, also quasi einen unzulässigen „Vertrag zulasten Dritter" darstellt. Und nicht zuletzt ist der Verzichtstheorie entgegenzuhalten, daß ein Verzicht des Parlaments auf seine Kontrollbefugnisse mit der gubernativen Organisations- und Sachentscheidungsgewalt kollidiert 60 . Denn in dem Maße, in dem sich das Parlament seiner Kontroll- und Lenkungsrechte begibt, geht damit auch eine Beschränkung der Organisationsgewalt der Bundesregierung sowie eine Beeinträchtigung der Ressortgewalt des Ministers einher* 1. E. Klein verstrickt sich schließlich selbst in Widersprüche, indem er die Grenzen des von ihm für zulässig erklärten Parlamentsverzichts vor allem dort zieht, wo es um Entscheidungen von „politischer Tragweite" 62 geht. Abgesehen davon, daß die Bestimmung dessen, was als „hochpolitisch" anzusehen ist, wohl klarer Maßstäbe entbehren dürfte, ist dieser Vorbehalt E. Kleins nach Maßgabe des von ihm gewählten Ansatzes auch in sich nicht stimmig; denn auf der Grundlage einer fiktiven Einheit von Volk und Parlament müßten
55 N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 438; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 309 f.; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (329 f.); H. Loening, DVB1. 1954, 173 (176); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 105 f.; C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984,1 (9 f.); W. Müller, JuS 1985,497 (504). 56 Dazu noch ausführlich im vierten Teil, Kapitel 5, S. 318 ff. 57 Vgl. hierzu BVerfGE 89,155 (182 ff.). 58 Zu diesen gemeinsamen Feldern der Politikgestaltung zählen die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Innen- und Rechtspolitik, vgl. dazu BVerfGE 89,155 (176). 59 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 105; W. Müller, JuS 1985,497 (504). 60 So M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 354; ebenso P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 294; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 65 Rdnrn. 105 f.; H. Loening, DVB1. 1954, 173 (176 f.); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 105; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 790 f. 61 So Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 360. 62 E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 213 f.
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sämtliche und damit auch „hochpolitische" Aufgaben zur Disposition des Parlaments stehen63. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß sich die Verzichtstheorie außerhalb des vom Grundgesetz gezogenen Rahmens bewegt und deswegen das demokratische Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG auch nicht zu relativieren vermag. Auf das Instrument der Weisung als Bauprinzip im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge kann der Gesetzgeber mithin von Verfassungs wegen nicht verzichten. 3. „Neutralisierung" und „Selbstbeschränkung" als Begrundungsversuche fur Lücken im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge? Ein weiterer Versuch zur Begründimg der Entbehrlichkeit der Weisung im Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG wird von C. P. Fichtmüller vorgenommen, der die Ministerialfreiheit von Verwaltungsbereichen, namentlich der Deutschen Bundesbank, unter dem Gesichtspunkt der „Neutralisierung politischer Einzelaufgaben" zu legitimieren sucht64. Die Kernthese C. P. Fichtmüllers lautet, daß Verfassungsprinzipien immer dann eingeschränkt werden könnten, wenn sie zu einer „Selbstgefährdung der Demokratie" führten 65. Zur dogmatischen Begründung verweist er auf die Vorschriften der Art. 18 und Art. 79 Abs. 3 GG. Aus dem darin zum Ausdruck kommenden Gedanken einer wehrhaften Demokratie leitet er ein allgemeines, im Demokratieprinzip wurzelndes „grundgesetzliches Prinzip der Selbstbeschränkung"66 ab. Um der „Gefahr der Selbstzerstörung" der Demokratie, die vor allem auch durch eine mangelhafte politische Führung drohe, wirksam begegnen zu können, seien unter dem Gesichtspunkt der „grundgesetzlichen Selbstbeschränkung" neutralisierte, von politischer Einflußnahme freigestellte Verwaltungseinheiten verfassungsrechtlich geboten67. Mittels dieser politischen Neutralisierung - so die Argumentation C. P. Fichtmüllers sollten die betreffenden exekutiven Aufgaben dem einseitigen Zugriff politisch eingleisig geleiteter Gruppen und Parteien entzogen werden; eine solche Plu-
63 Im Ergebnis ebenso Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 312; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 356. 64 C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (345 ff.). 65 C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (347). 66 C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (348). 67 C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (347 f.).
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
ralisierung und Neutralisierung wirke nivellierend und gewaltenausgleichend68. Bereits die dogmatische Abstützung eines allgemeinen Prinzips der „grundgesetzlichen Selbstbeschränkung" auf Art. 18 und Art. 79 Abs. 3 GG erscheint wegen deren Ausnahmecharakters zweifelhaft und zumindest besonders begründungsbedürftig. Denn nach herkömmlichen methodologischen Grundsätzen sind gesetzliche Ausnahmetatbestände prinzipiell restriktiv auszulegen und grundsätzlich weder einer Analogiebildung noch einer Aufwertung zu einem allgemeinen verfassungskräftigen Rechtsprinzip zugänglich69. Zudem muß auch der Begriff der „politischen Neutralisierung" auf Kritik stoßen: Zum einen ist die Ausübung von Staatsgewalt stets in einem gewissen Maße politisch und kann daher niemals vollständig „neutralisiert" werden; und zum anderen erscheint die verfassungsdogmatische Verortung des Begriffs der „politischen Neutralisierung" zweifelbehaftet, so daß er auch aus diesem Grunde nicht geeignet scheint, das verfassungsrechtliche Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG zu modifizieren 70. Und weiter läßt sich aus dem in Art. 18 und Art. 79 Abs. 3 GG manifestierten Gebot einer wehrhaften Demokratie71 nicht eo ipso auf einen allgemeinen Verfassungsgrundsatz der „Selbstbeschränkung" schließen. Die vermeintlichen Gefahren, die von einer mangelhaften politischen Führung für das Gemeinwesen ausgehen können, rechtfertigen keine Modifizierung des demokratischen Legitimationszusammenhangs. Denn solche Gefahren sind im Wesen der Demokratie begründet72. Das Grundgesetz nimmt auch „Fehlentscheidungen unreifer Volksrepräsentanten" bewußt in Kauf und versucht den sich hier-
68
C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (348). Vgl. K. Larenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 174 f. 70 Ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 433 f. 71 Zu dem aus Art. 18 und Art. 79 Abs. 3 GG abzuleitenden Gebot einer „wehrhaften" beziehungsweise „streitbaren" Demokratie BVerfGE 25, 88 (100); 28, 36 (48); J. Becker, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VII, § 167 Rdnrn. 14 ff; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 18 Rdnr. 1; J. Lameyer, Streitbare Demokratie, S. 17 ff; ders., JöR 30 (1981), 147 (152 ff.); F. Matthey, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 18 Rdnr. 3; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 21 Rdnr. 23; K. Stern, Staatsrecht I, S. 201; weiterführend hierzu//. Dreier, JZ 1994, 741 (750 f.), der insoweit zwischen der „Werthaftigkeit" und der „Wehrhaftigkeit" differenziert: „Die Werthaftigkeit des Grundgesetzes steigert sich zur Wehrhaftigkeit". 72 BVerwGE 41, 334 (355). 69
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
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aus ergebenden Gefahren nicht dadurch zu begegnen, daß „ihnen besonders gefährliche Instrumente überhaupt genommen werden" 73. Und schließlich stellt die Konzeption C. P. Fichtmüllers keine wirksamen Sicherungsinstrumente für den Fall bereit, daß die - vermeintlich - sachverständigen Stellen in grundsätzlichen Fragen fehlerhafte Entscheidungen treffen, ohne daß diese einer Korrektur durch demokratisch legitimierte Organe unterlägen. Die von C. P. Fichtmüller vorgeschlagene Installierung politisch neutralisierter Verwaltungsträger begegnet nicht den Gefahren einer Demokratie, sondern untergräbt gerade im Gegenteil deren durch die Verfassung vorgezeichnete Fundamente. Aus diesen Gründen vermag seine Forderung nach neutralisierten, von politischer Einflußnahme freigestellten Verwaltungseinheiten eine Relativierung und Aufweichung der demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG nicht zu begründen. 4. „Treuhänderische Verantwortung44 als demokratischer Legitimationstyp? Das jüngste Konzept zur Bestimmung des demokratischen Legitimationsniveaus fiir die Exekutive und zur Begründung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume stammt aus der Feder K. Waechters 74 In seiner Untersuchung zur demokratischen Legitimation staatlicher Institutionen geht K. Waechter in einem ersten von zwei Schritten zunächst der Frage nach, ob die weisungsunabhängige Wahrnehmung von Staatsaufgaben mit dem Gebot demokratischer Legitimation in Einklang steht. Dabei bescheinigt er ministerialfreien Räumen einen Mangel an sachlich-inhaltlicher Legitimation. Auf der Suche nach einer tragfähigen Rechtfertigung für dieses Legitimationsdefizit erteilt er einem einheitlichen Demokratiemodell eine klare Absage75. Statt dessen komme für die drei Staatsgewalten ein jeweils unterschiedliches Legitimationsniveau zum Tragen. Aus dem Demokratieprinzip im Zusammenwirken mit dem Gewaltenteilungsprinzip folgten für die einzelnen Staatsfunktionen jeweils verschiedene Demokratiemodelle: Während für die Legislative das durch Weisungsfireiheit gekennzeichnete Mandatsmodell gelte, sei der Exekutive das durch strenge Weisungsgebundenheit geprägte Amtsmodell zugewiesen. Das Treuhandmodell schließlich komme von Verfassungs wegen fiir die
73
G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 300; ebenso K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 164; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 433. 74 Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen. 75 K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 43 und 67 ff.
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
Staatsfunktion der Judikative zum Tragen und zeichne sich dadurch aus, daß dem Treuhänder Herrschaftsgewalt zur eigenständigen und weisungsfreien Wahrnehmung übertragen sei 76 . Aus einem internen Funktionenvergleich gelangt K. Waechter sodann zu der Erkenntnis, daß sich der Anwendungsbereich des Mandats- und Treuhandmodells nach der Verfassung auf jegliche aktive Kontrolltätigkeit erstrecke, die „Fehlfunktionen der vorhandenen Institutionen kompensieren" solle77. Denn sowohl die Legislative als auch die Judikative hätten nach der Verfassung eine spezifische Kontrollfunktion, zu deren Wahrnehmung ihnen Weisungsunabhängigkeit verliehen sei. Aus dem Gewaltenteilungsprinzip in Verbindung mit dem Demokratieprinzip ergebe sich daher, daß staatliche Funktionsträger immer dann in den Genuß von Weisungsautonomie kämen, wenn ihre Aufgabe in einer der Judikative oder der Legislative vergleichbaren „aktiven" Kontrollfunktion bestehe. Anhand dieser Maßstäbe untersucht K. Waechter schließlich in einem zweiten, exemplarischen Teil, welche ministerialfreien Räume in den Dienst einer solchen Kontrollfunktion gestellt seien78. Im Hinblick auf die Deutsche Bundesbank gelangt er zu dem Ergebnis, daß der einfache Gesetzgeber ihr eigenständige Aufgaben zum Zwecke der Kontrolle sowohl der Legislative als auch der Exekutive übertragen habe, um Fehlfunktionen dieser beiden Staatsfunktionen abzugleichen79. In dieser, der Judikative vergleichbaren „aktiven" Kontrollfunktion der Deutschen Bundesbank liege der Grund dafür, daß für die Bundesbank nach dem Grundgesetz das Demokratiemodell der „Treuhand" zum Tragen komme, welches ihre nach § 12 Satz 2 BBankG bestehende Unabhängigkeit von den Weisungen der Bundesregierung rechtfertige. Der ministerialfreie Raum „Deutsche Bundesbank" sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich80. Grundlage der Argumentationsführung K. Waechters und Ergebnis seines ersten Untersuchungsabschnittes ist die Absage an ein einheitliches, für alle Staatsgewalten gleichermaßen geltendes Demokratiemodell. Statt dessen ent76
K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 67 ff. 77 K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 73. 78 K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 179 ff. 79 K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 197 ff., 305. 80 So explizit K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 200.
Kap. 5: Ministerialfreie Räume
123
nimmt er Art. 20 Abs. 2 GG ein von vornherein nach den einzelnen Staatsfunktionen inhaltlich unterschiedlich bemessenes Legitimationsniveau. Die Erkenntnis, daß das demokratische Prinzip ein nach den verschiedenen Gewalten differenziertes Legitimationsniveau fordert, vermag an sich noch keinen Anlaß zur Kritik zu bieten, ist es doch eine bloße Konstruktionsfrage, ob man dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip ein von vornherein abgestuftes Legitimationskonzept entnehmen will oder die auf die einzelnen Staatsfunktionen bezogenen verfassungsrechtlichen Organisationsstrukturen als Ausnahmen von dem demokratischen Prinzip erachtet81. Nur ist ein solches abgestuftes Legitimationsmodell - will man sich wie K. Waechter dem ersten Modell anschließen - nicht allein aus dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG heraus zu bestimmen, sondern vielmehr Ausdruck der auf die einzelnen Staatsfunktionen zugeschnittenen organisatorischen Sonderregelungen. Art. 20 Abs. 2 GG selbst differenziert nicht nach den einzelnen Staatsgewalten, sondern markiert ein einheitliches Legitimationsniveau für sämtliche Bereiche staatlicher Gewaltausübung82. Aus Art. 20 Abs. 2 GG allein läßt sich daher - auch nicht in Verbindung mit dem Gewaltenteilungsprinzip - ein nach den einzelnen Staatsgewalten differenziertes Legitimationsniveau nicht herleiten. Die Ermittlung eines heterogenen Legitimationskonzepts ist keine Frage der Abwägung von Verfassungsprinzipien, sondern vielmehr eine Frage der Auslegung der auf die einzelnen Staatsfunktionen bezogenen Organisationsbestimmungen. Dementsprechend muß auch einer Aufgliederung des grundgesetzlichen Demokratiemodells in die Größen Mandat, Amt und Treuhand die Zustimmung versagt blieben. Denn eine solche Dreiteilung ist dem Grundgesetz - zumal unter Abstützung auf Art. 20 Abs. 2 GG - fremd und muß sich die Frage gefallen lassen, wo die Begriffe Mandat, Amt und Treuhand ihre verfassungsdogmatische Grundlage haben. Ebenso zweifelhaft erscheint die Differenzierung zwischen einer aktiven, auf den Ausgleich von Fehlfunktionen staatlicher Institutionen gerichteten Kontrollfunktion und einer passiven Kontrolle. Auch insoweit stellt sich die prekäre Frage nach der verfassungsrechtlichen Untermauerung einer solchen Differenzierung. Zudem dürfte der Befund, daß ministerialfreien Räumen eine gewisse Kontrollfunktion zukommt, nicht genügen, um eine Strukturähnlichkeit zur Legislative oder Judikative zu begründen. Denn zum einen nehmen ministerialfreie Räume über ihre Kontrollfunktion hinaus regelmäßig auch noch andere Funktionen wahr; und zum anderen bestehen zwischen den ministerialfreien Räumen einerseits und der Legislative
81
Zu den beiden möglichen methodischen Wegen oben in Kapitel 2, S. 55 ff. Siehe dazu oben in Kapitel 2, S. 52 ff.; ebenso M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 285 f. 82
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1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
beziehungsweise Exekutive andererseits auch im Status gewichtige Unterschiede83. Was schließlich die im exemplarischen Teil vorgenommene Untersuchung der Deutschen Bundesbank anbelangt, so belegt diese nicht, daß es der Kategorie der Kontrolle bedarf, um die Weisungsfreiheit der Bundesbank zu rechtfertigen. Vielmehr findet die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 88 GG, der für die Währungs- und Notenbank geltenden organisatorischen Sonderregelung 84. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die im Zusammenhang mit der Rechtsfigur des ministerialfreien Raumes vorgetragenen Argumentationsansätze zur Begründung der Entbehrlichkeit des Weisungsrechts im demokratischen Legitimationsmodell nicht zu tragen vermögen. Die Weisungsgewalt der Administrativspitze gegenüber den nachgeordneten Verwaltungseinheiten läßt sich nicht von vornherein zu einem generell entbehrlichen Element innerhalb des demokratischen Legitimationsmodells erklären. Vielmehr bleibt es bei dem oben gefundenen Ergebnis, daß die Weisung als Mittel sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung einen grundsätzlich unabdingbaren Baustein im demokratischen Legitimationsgefüge der staatlichen Verwaltung darstellt, sofern nicht andere Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, die eine der Weisungsgewalt vergleichbare Steuerungskraft aufweisen 85.
83 Allgemein zum Vergleich zwischen der Exekutive und der Judikative Κ. A. Bettermann, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΠΙ, § 73 Rdnrn. 30 - 38. 84 Dazu noch im einzelnen im dritten Teil, S. 174 ff., sowie im fünften Teil, S. 377 ff. 85 Siehe dazu oben auf S. 100 f.
Erster Teil: Ergebnis
Faßt man die Erkenntnisse des ersten Teils der Arbeit zusammen, so läßt sich zunächst festhalten, daß das Prinzip demokratischer Legitimation seine verfassungsdogmatische Grundlage in Art. 20 Abs. 2 GG hat, der als maßgebliche demokratische Zielvorgabe die Gewährleistung von Volkssouveränität bestimmt1. Verlangt wird eine Organisationsstruktur, welche sicherstellt, daß jede staatliche Gewaltausübung2 auf den Willen des Volkes rückführbar ist 3 . Der danach gebotene Zurechnungszusammenhang zwischen der hoheitlichen Gewaltausübung einerseits und der Gewaltunterworfenheit andererseits wird durch eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Funktionsträgern und dem Volk hergestellt. Nach Art. 20 Abs. 2 GG kann staatliche Gewaltausübung nur entweder legitimiert oder nicht legitimiert sein; eine Abstufung nach einer bestimmten Höhe oder einem ganz konkreten Verwirklichungsgrad demokratischer Legitimation ist dem Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG fremd 4. Verwirklichungskomponenten im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG sind die personelle5 und die sachlich-inhaltliche Legitimation 6 . Als Mittel zur Verwirklichung sachlich-inhaltlicher Legitimation stehen verschiedene Steuerungsinstrumente zur Verfugung, die einen jeweils unterschiedlichen legitimationsvermittelnden Gehalt aufweisen 7. Nach Art. 20 Abs. 2 GG kommt es allein entscheidend darauf an, daß die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation in ihrem Zusammenwirken das maßgebliche Legitimationsniveau erreichen und dem Prinzip der Volkssouveränität entsprechend einen ununterbrochenen Zurechnungszusammenhang zwischen der
1 So zumindest nach der hier vertretenen Konzeption, siehe dazu in Kapitel 2, S. 55 ff. 2 Zum Begriff der Staatsgewalt in Kapitel 1, S. 33 ff. 3 Zum Volk als Legitimationssubjekt aller staatlichen Gewaltausübung in Kapitel 1, S. 32 f. 4 Dazu in Kapitel 2, S. 52 ff. 5 Hierzu in Kapitel 1, S. 39 ff. 6 Dazu in Kapitel 1, S. 44 ff ; zu der dritten Legitimationsform, der institutionellen Legitimation, ebenfalls in Kapitel 1, S. 39 f. 7 Hierzu in Kapitel 1, bei Fn. 56 - 76 (S. 44 - 50).
126
1. Teil: Demokratieprizip als Organisationsprinzip
staatlichen Gewaltausübung und dem Volk gewährleisten8. Dementsprechend stehen die beiden Legitimationsformen nicht unverbunden nebeneinander, sondern sind funktional miteinander verzahnt, so daß eine Verdünnung des einen durch eine entsprechende Verstärkung des anderen Legitimationsstranges kompensiert oder die eine durch die andere Legitimationsform total substituiert werden kann9. Ein Bedeutungsgefälle, ein Über- Unterordnungsverhältnis besteht dagegen zwischen den beiden Legitimationsformen nicht 10 . Das auf den konkreten Einzelfall bezogene exekutive Weisungsrecht ist zur Vermittlung sachlich-inhaltlicher Legitimation nur dann entbehrlich, wenn andere Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, die eine der Weisungsbefugnis entsprechende Steuerungskraft aufweisen. Hierin liegt der Grund dafür, daß die durch Weisungsfreiheit gekennzeichneten ministerialfreien Räume in der staatlichen Verwaltung mit dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht in Einklang stehen11. Was den Sonderfall der demokratischen Legitimation von Kollegialorganen anbelangt, so verlangt Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich eine organisatorische Ausgestaltung, welche sicherstellt, daß sämtliche entscheidungsbefugten Mitglieder demokratisch legitimiert sind und ihre Legitimation von einem und demselben Legitimationssubjekt herleiten. Die Teilnahme nicht demokratisch legitimierter Mitglieder in kollegialen Entscheidungsgremien ist nach Art. 20 Abs. 2 GG grundsätzlich nur dann zulässig, wenn diesen bloß unverbindliche Partizipationsmöglichkeiten ohne echte Mitentscheidungsbefugnisse zustehen 12 . Ihre Beteiligung ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn mindestens 50 % der Mitglieder demokratisch legitimiert sind, ihre Legitimation von einer und derselben Gebietskörperschaft herleiten und nur einheitlich, das heißt en bloc abstimmen dürfen 13.
8
Kapitel 2, S. 51 ff. Kapitel 2, S. 66 ff. 10 Kapitel 2, S. 67 fT. 11 Kapitel 5, S. 102 ff. 12 Zu der demokratischen Legitimation von Kollegialorganen ausführlich in Kapitel 3, S. 70 ff. 13 Zu dieser Ausnahme oben in Kapitel 3, vor Fn. 32 (S. 83). 9
Zweiter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1
Einführung Unter Zugrundelegung der zuvor gewonnenen Maßstäbe soll nun geprüft werden, ob die Deutsche Bundesbank nach Maßgabe ihrer derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung über die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche demokratische Legitimation verfügt. Hierbei wird sich herausstellen - insoweit sei das Ergebnis der nachfolgenden Untersuchung vorweggenommen -, daß die Bundesbank den Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG nicht entspricht. Damit ist aber noch kein Urteil darüber getroffen, ob die Deutsche Bundesbank mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Denn insoweit bildet allein die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG den Maßstab der folgenden Untersuchung. Unberücksichtigt bleibt vorerst, ob dieses Legitimationsdefizit durch verfassungsrangige Ausnahmeregelungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist1. Dieser Frage wird erst im Anschluß an den zweiten Teil der Untersuchimg nachgegangen; erst dann wird untersucht, ob das Legitimationsdefizit der Bundesbank durch organisatorische Sonderregelungen gerechtfertigt ist. Nur wenn ein solcher Rechtfertigungstitel nicht gegeben ist, liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor. Im folgenden wird also allein der Frage nachgegangen, ob die Deutsche Bundesbank mit dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG in Einklang steht. Gegenstand demokratischer Legitimation ist nach Art. 20 Abs. 2 GG alle Ausübung von Staatsgewalt. Legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG liegt nur dann vor, wenn sowohl ein formelles als auch ein materielles Element erfüllt ist. Die Deutsche Bundesbank ist nach Art. 88 Satz 1 GG staatsorganisatorisch Teil der Bundesver1
Siehe dazu bereits eingehend im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff.
128
2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
waltung2. Da die Deutsche Bundesbank unmittelbar durch das Grundgesetz konstituiert ist (Art. 88 Satz 1 GG) und damit auf einem staatlichen Konstitutionsakt des Verfassungsgesetzgebers beruht, ist der formelle Aspekt der Staatsgewalt erfüllt 3. Weil die Deutsche Bundesbank bei der Wahrnehmung der ihr obliegenden währungspolitischen Aufgaben in aller Regel - bis auf wenige Ausnahmefälle rechtsunveibindlichen Handelns - unstreitig Entscheidungsbefugnisse ausübt4, ist auch der materielle Aspekt der Staatsgewalt erfüllt 5 . Die Deutsche Bundesbank nimmt somit bei der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben und Befugnisse regelmäßig legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG wahr. Damit unterliegt sie dem Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG und muß grundsätzlich sowohl in personeller als auch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht demokratisch legitimiert sein6. Ob dies der Fall ist, gilt es im folgenden zu klären.
2 Zu dem Streit über die Einordnung der Deutschen Bundesbank als unmittelbare oder mittelbare Staatsverwaltung im ersten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 8 (S. 105). 3 Statt aller D. Hoffmann, in: Festschrift für H. Ridder, S. 54 f. 4 Zu dem Merkmal der Entscheidung noch im einzelnen im vierten Teil, Kapitel 5, S. 296 ff. 5 Zum Begriff der Staatsgewalt im ersten Teil, Kapitel 1, S. 33 ff. 6 Zu der institutionellen Legitimation der Deutschen Bundesbank bereits im ersten Teil, Kapitel 1, S. 39 f.
Kapitel 2
Personelle Legitimation der Deutschen Bundesbank Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob die Deutsche Bundesbank über die nach dem Grundgesetz erforderliche personelle Legitimation verfügt. Organe der Deutschen Bundesbank sind gem. § 5 BBankG der Zentralbankrat, das Direktorium und die Vorstände der Landeszentralbanken. Im Verhältnis dieser drei Organe zueinander nimmt der Zentralbankrat die oberste Stellung ein1. Ihm stehen gem. § 6 Abs. 1 BBankG die wichtigsten währungspolitischen Befugnisse zu; Aufgabe des Zentralbankrates ist es vor allem, die maßgeblichen währungs- und kreditpolitischen Entscheidungen zu treffen 2. Demgegenüber obliegt dem Direktorium nach § 7 Abs. 1 BBankG die Durchführung der Beschlüsse des Zentralbankrates, ihm kommt im Gegensatz zum Zentralbankrat eine rein ausführende Funktion zu3. Die Vorstände der Landeszentralbanken schließlich sind nach § 8 Abs. 2 BBankG für die Durchführung der in den Bereich ihrer Hauptverwaltung fallenden Geschäfte und Verwaltungsangelegenheiten zuständig4. Das Hauptentscheidungs- und Leitungsorgan der Deutschen Bundesbank ist demnach der Zentralbankrat. Seine personelle Legitimation soll daher im folgenden beleuchtet werden. Da dem Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank indes nach § 6 Abs. 2 BBankG neben dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank auch die weiteren Mitglieder des Direktoriums sowie die Präsidenten der Landeszentralbanken angehören, ist es erforderlich, im Rahmen der personellen Legitimation des Zentralbankrates Inzident auch die demokratische Legitimation des Direktoriums und der Landeszentralbankpräsidenten zu betrachten, um ein abschließendes Urteil über die demo-
1
H. J. Hahn, Wähningsrecht, S. 238; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 164; ders., in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (45 f.). 2 H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 239; J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (45 f.). 3 Dazu J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (45). 4 Siehe hierzu J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (44 f.). 9 Brosius-Gersdorf
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
kratische Legitimation des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank fällen zu können. I· Personelle Legitimation des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank Das Berufungsverfahren ist für die Mitglieder des Zentralbankrates unterschiedlich ausgestaltet. Während der Präsident, der Vizepräsident sowie die weiteren Mitglieder des Direktoriums nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt werden, werden die ebenfalls im Zentralbankrat vertretenen Präsidenten der Landeszentralbanken gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesrates bestellt. Während also bei der Ernennung der Direktoriumsmitglieder die Bundesregierung als Legitimationsmittler fungiert, ist in das Berufungsverfahren der Präsidenten der Landeszentralbanken der Bundesrat eingeschaltet. Die Entscheidungen des Zentralbankrates werden nach § 6 Abs. 3 Satz 2 BBankG mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen. Dabei sind sämtliche Mitglieder stimmberechtigt und verfügen jeweils über eine Stimme5. Das für die einzelnen Mitglieder des Zentralbankrates inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Berufungsverfahren legt die Vermutung nahe, daß der Zentralbankrat ein Kollegialorgan ist, das sich in demokratischer Hinsicht als problematisch erweist. Denn nach den oben entwickelten Grundsätzen verfügen Kollegialorgane dann nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene Legitimation, wenn die entscheidungsbefugten Mitglieder ihre Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen6. Bezogen auf den Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank wäre dies dann der Fall, wenn der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Direktoriumsmitglieder einerseits und die Präsidenten der Landeszentralbanken andererseits von jeweils verschiedenen Legitimationssubjekten berufen würden. Ob sich diese Vermutung als richtig erweist, soll im folgenden geklärt werden. Zu diesem Zwecke wird zunächst die personelle Legitimation der Mitglieder des Direktoriums betrachtet (dazu unter 1.) und im Anschluß daran das Berufungsverfahren der Präsi-
5 Siehe zu den Einzelheiten der Beschlußfassung des Zentralbankrates in den §§ 1 8 der Satzung der Deutschen Bundesbank, BAnz Nr. 7 vom 13. Januar 1959, abgedruckt bei H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, Anhang la; siehe dazu auch bei J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 34 m. und IV. 6 Hierzu im ersten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 36 ff. (S. 85 ff.).
Kap. :
n l l e Legitimation der Bundesbank
131
denten der Landeszentralbanken in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt (dazu unter 2.). 1. Personelle Legitimation der Direktoriumsmitglieder Das Direktorium setzt sich gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BBankG aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank sowie aus bis zu sechs weiteren Mitgliedern zusammen. Sämtliche Mitglieder des Direktoriums werden nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung bestellt, die bei ihren Vorschlägen den Zentralbankrat anhören muß. Was die demokratische Legitimation der Bundesregierung anbelangt, so reicht in personeller Hinsicht eine ununterbrochene Legitimationskette vom Bundesvolk über den Deutschen Bundestag bis hin zur Bundesregierung. Beim Bundespräsidenten gestaltet sich der Legitimationsprozeß hingegen ungleich komplexer: Zwar wird er ebenso wie die Mitglieder der Bundesregierung durch eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte ernannt. Die Besonderheit der Legitimationsvermittlung besteht allerdings darin, daß er seine Legitimation nicht ausschließlich vom Bundesvolk, sondern zu gleichen Teilen von den Landesvölkern bezieht. Der den Bundespräsidenten wählende Legitimationsmittler, die Bundesversammlung, besteht nach Art. 54 Abs. 3 GG zu gleichen Anteilen aus Mitgliedern des Bundestags und aus von den Volksvertretungen der Länder gewählten Mitgliedern. Die besondere Problematik einer solchen heterogenen Legitimationsstruktur des Verfassungsorgans Bundespräsident braucht indes im gegebenen Zusammenhang nicht weiter vertieft zu werden. Denn dem Bundespräsidenten kommt, wie noch an anderer Stelle zu zeigen sein wird, im Kreationsverfahren der Mitglieder des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank lediglich ein formelles Ernennungsrecht ohne eigene materielle Entscheidungsbefugnisse und damit ohne entscheidenden legitimationsvermittelnden Gehalt zu7. Die Entscheidung über die Berufung der Direktoriumsmitglieder liegt damit letztlich in den Händen der Bundesregierung. Da sich die Bundesregierung auf eine vom Bundesvolk abgeleitete demokratische Legitimation berufen kann, sind sowohl der Präsident und der Vizepräsident der Deutschen Bundesbank als auch die übrigen Mitglieder des Direktoriums in personeller Hinsicht durch das Bundesvolk legitimiert. Daran ändert auch das Anhörungsrecht des Zentralbankrates nichts, denn insoweit kommt dem Zentralbankrat lediglich 7 Zu der Verbindlichkeit des Vorschlags der Bundesregierung für den Bundespräsidenten noch unten bei Fn. 26 - 40 (S. 136 - 140); zu dieser Frage auch J. v. Spindler I W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7 IV. 1.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
eine beratende Funktion zu8. Die Anhörung des Zentralbankrates stellt sich damit lediglich als unverbindliche Beteiligung ohne echtes (Mit-)Entscheidungs- und Auswahlrecht dar und begründet daher für die Bundesregierung keinerlei Verbindlichkeiten9. Da die individuelle Berufung sämtlicher Mitglieder des Direktoriums der Deutschen Bundesbank durch die demokratisch legitimierte Bundesregierung erfolgt, verfügen die Direktoriumsmitglieder in personeller Hinsicht nicht nur über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation, sondern können sich insoweit sogar auf eine besonders hohe demokratische Dignität berufen. Denn als Verfassungsorgan rangiert die Bundesregierung als Legitimationsmittler auf den obersten Plätzen der Bedeutungsskala demokratischer Legitimation10 und vermittelt dem Direktorium der Deutschen Bundesbank daher ein besonderes Maß an personeller Legitimation. Im Gegensatz zu dem Kreationsverfahren ist die Abberufung der Mitglieder des Direktoriums der Bundesbank nicht explizit im Bundesbankgesetz geregelt 11 . Gleichwohl wird die Möglichkeit einer Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet12. Zur Begründung dieses ungeschriebenen Abberufungsrechtes wird dabei teilweise auf eine Analogie zum Aktienrecht 13 , auf die Grundsätze zur Kündigung von privatrechtlichen Verträgen 14
8
Statt aller H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 Κ 215; Ο. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 27; G. Prost, ÖBA 8 (1974), 259 (270); W. Schubert, BB 1957, 829 (830); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 171 f.; D. Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 45. 9 Zu der Frage nach den Rechtsfolgen einer unterbliebenen Anhörung des Zentralbankrates J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 171 ff. 10 E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 16; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 204 f. 11 Hierzu und zum folgenden//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 243 ff ; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 110 f.; siehe auch die Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs., 2. WP 1953 / Nr. 2781, S. 26, wonach der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf die Regelung einer Abberufungsmöglichkeit der Mitglieder der Organe der Deutschen Bundesbank im Bundesbankgesetz wohl eher deren Nichtabrufbarkeit festschreiben denn diese Frage offenlassen wollte. 12 L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 7 Rdnr. 21; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 110 f.; J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7IV. 3.; Ζλ Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 49 m.w.N. 13 So C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 131; J. v. Spindler I W Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7IV. 3.; O.-E. Starke, DÖV 1957, 606 (611 f.); D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 49.
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oder auf eine Analogie zum Richterrecht 15 zurückgegriffen 16. Jedoch besteht Einigkeit darüber, daß eine solche Abberufungsmöglichkeit der Direktoriumsmitglieder die im Bundesbankgesetz festgelegte sachliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank auf keinen Fall durchkreuzen darf. Eine Entlassung der Mitglieder soll - unabhängig von der umstrittenen Frage nach der dogmatischen Verortung dieses Abberufungsrechts - nur bei groben Pflichtverstößen möglich sein, nicht hingegen auch aus Gründen, die im Rahmen des der Bundesbank eingeräumten Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums liegen17. Daher ist der legitimationsvermittelnde Gehalt dieser Abberufungsmöglichkeit der Direktoriumsmitglieder ungeachtet der Frage nach der legitimationsstiftenden Kraft solcher Abberufungsrechte generell 18 allenfalls schwach ausgeprägt. Schließlich vermögen auch die Vorschriften über die Amtszeit der Mitglieder des Direktoriums keinen weiteren Beitrag zur Vermittlung personeller Legitimation zu leisten. Im Gegenteil: Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG werden die Mitglieder des Direktoriums regelmäßig für acht Jahre, mindestens aber für zwei Jahre bestellt. Da lange Amtszeiten ein wesentlicher Faktor zur Stärkung der personellen Unabhängigkeit sind 19 , wird durch § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG - stellt man auf die achtjährige Regelamtszeit ab - ein kleiner Beitrag zugunsten der personellen Unabhängigkeit der Mitglieder des Direktoriums geleistet20. Gleichwohl läßt sich im Ergebnis festhalten, daß die Mitglieder des Direktoriums in personeller Hinsicht wegen der auf das Bundesvolk zurückreichenden ununterbrochenen Legitimationskette nicht nur über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation vom Bundesvolk verfügen,
14
H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 Κ 216 und 220. So vor allem G. Prost, Die Deutsche Bundesbank im Spannungsbereich anderer unabhängiger Organe und Institutionen, S. 114. 16 Allgemein zur Abberufung der Zentralbankratsmitglieder auch J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 174 ff. 17 H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 244 f. 18 Zu der Unabrufbarkeit als Mittel personeller Unabhängigkeit Η Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 Κ 216; siehe dazu auch die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drs., 2. WP 1953 / Nr. 2781, S. 33. 19 Dazu Η Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 166; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 109 f.; siehe dazu auch den schriftlichen Bericht des Vorsitzenden des Ausschusses für Geld und Kredit Schömberg, BT-Drs. 3603/ 1953, S. 5. 20 Im Ergebnis ebenso D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 109 f. 15
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sondern wegen der Einschaltung des Verfassungsorgans Bundesregierung sogar mit besonders hoher demokratischer Dignität ausgestattet sind. 2. Personelle Legitimation der Landeszentralbankpräsidenten Ebenso wie die Mitglieder des Direktoriums werden auch die Präsidenten der Landeszentralbanken gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG formell vom Bundespräsidenten ernannt; jedoch nimmt der Bundespräsident die Bestellung - im Unterschied zu dem Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder - auf Grund eines Vorschlags des Bundesrates vor. Sowohl die demokratische Legitimation des Bundespräsidenten21 als auch die Legitimation des Bundesrates stellt sich unter den Auspizien des Demokratieprinzips des Art. 20 Abs. 2 GG als problematisch dar. Mit Blick auf dieses Berufungsverfahren erscheint die demokratische Legitimation der Landeszentralbankpräsidenten unter zwei Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen, weil als Legitimationsmittler der Bundesrat fungiert, der - obgleich er ein Verfassungsorgan des Bundes ist - über keine auf das Bundesvolk zurückreichende demokratische Legitimation verfügt 22 ; zum anderen, weil der Bundesrat seine Vorschläge gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 BBankG nur auf Grund eines Vorschlags der nach Landesrecht zuständigen Stellen der beteiligten Länder macht. Das erste angesprochene Problem, die demokratische Legitimation des Bundesrates, müßte hier nicht weiter vertieft werden, wenn der personelle Vorschlag der nach Landesrecht zuständigen Stellen für den Bundesrat verbindlich sein sollte, so daß diesem bei der Berufung der Landeszentralbankpräsidenten keine eigenen materiellen Auswahlund Entscheidungsbefugnisse verblieben. Denn in diesem Fall käme seinem Ernennungsvorschlag gegenüber dem Bundespräsidenten kein legitimationsvermittelnder Entscheidungscharakter zu. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen und damit eine Antwort darauf gefunden werden, ob der Vorschlag der nach Landesrecht zuständigen Stellen fur den Bundesrat verbindlich ist. a) Das Landesvolk als Legitimationssubjekt bei der Berufung der Landeszentralbankpräsidenten
Die nach § 8 Abs. 4 Satz 2 BBankG zuständigen Landesstellen zählen organisationsrechtlich zur Landesverwaltung und leiten ihre demokratische Legitimation von dem jeweiligen Landesvolk her. Sollte die Bestellung der Landes-
21
Siehe dazu bereits den Problemaufriß oben nach Fn. 7 (S. 131). Zu der besonderen Problematik der Legitimationsstruktur des Bundesrates auch bereits im ersten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 34 ff. (S. 62 f.). 22
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zentralbankpräsidenten maßgeblich auf dem Vorschlag der zuständigen Landesstellen beruhen, so bezögen sie ihre demokratische Legitimation letztlich von dem jeweiligen Landesvolk. Dies hätte zur Folge, daß sie als Mitglieder des Zentralbankrates insoweit nicht als Legitimationsspender in Betracht kämen, weil die Deutsche Bundesbank als Bestandteil der Bundesverwaltung ihre demokratische Legitimation ausschließlich vom Bundesvolk beziehen muß. Damit stellt sich die Frage, welchen Verbindlichkeitsgehalt die Vorschläge der zuständigen Landesstellen aufweisen. Für die Verbindlichkeit des Vorschlags der Landesstellen läßt sich zunächst der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 2 BBankG anfuhren, wonach der Bundesrat seine Vorschläge auf Grund des Vorschlags der nach Landesrecht zuständigen Stellen macht. Die Formulierung „auf Grund" legt nahe, daß der Bundesrat dem Bundespräsidenten nur solche Kandidaten vorschlagen darf, die dem Vorschlag der zuständigen Landesstellen entsprechen. Dementsprechend herrscht im Schrifttum weitgehend Einigkeit darüber, daß der Bundesrat an den Vorschlag der Landesstellen gebunden ist. Dem Bundesrat kommt ein eigener Entscheidungsspielraum nur insoweit zu, als er darüber befinden kann, ob er den Vorschlag der Landesstellen an den Bundespräsidenten weiterleitet. Er kann jedoch ohne einen entsprechenden Vorschlag der Länder dem Bundespräsidenten keinen eigenen Vorschlag unterbreiten 23. Er besitzt lediglich die negative Selektionsbefugnis, nicht aber auch die positive Entscheidungsbefugnis 24. Mithin kann der Bundesrat seine Vorschläge für die Landeszentralbankpräsidenten nicht nach eigenem, freiem Ermessen und nicht als selbständige Auswahl aus eigener Initiative machen, sondern ist an den Vorschlag der zuständigen Landesstellen der beteiligten Länder gebunden. Sachlich liegt das Vorschlagsrecht für die Präsidenten der Landeszentralbanken damit bei den Ländern, der Bundesrat fungiert nur als Vermittlungsglied und Filter zwischen den Landesstellen und dem die Landeszentralbankpräsidenten (formell) ernennenden Bundespräsidenten25. Im Ergebnis beruht die Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten somit auf einer Entscheidung der zuständigen Landesstellen. Diese aber sind organisationsrechtlich Teil der Landesverwaltung und leiten ihre demokratische Legitimation mithin von dem jeweiligen Landesvolk her. Daraus er-
23
H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 8 Κ 237; vgl. auch Nolting-Hauff.\ 181. Sitzung des Bundesrates am 19. 7. 1957, Stenobericht S. 750 Β Ziffer 5; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 166; J. v. Spindler I W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 8 V. 24 Zu diesen Begrifflichkeiten im ersten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 34 (S. 84 f.). 25 Vgl. das Protokoll des Bundestagsausschusses für Wirtschaftspolitik über die Sitzung vom 20. Mai 1957, S. 4, zu der verfassungsrechtlichen Begründung nach Art. 50 GG; im Ergebnis ebenso J. v. Spindler / W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 8 V.
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hellt, daß die personelle Legitimationskette vom jeweiligen Landesvolk über die zuständigen Landesstellen als maßgebliche Entscheidungs- und Auswahlorgane und über den Bundesrat und den Bundespräsidenten als bloße Transmissionsriemen in der Legitimationskette bis hin zu den Präsidenten der Landeszentralbanken und damit bis in den Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank reicht. Mit einem Satz: Die Präsidenten der Landeszentralbanken leiten ihre personelle Legitimation von dem jeweiligen Landesvolk her und scheiden damit als Legitimationsmittler für die Deutsche Bundesbank aus. b) Ernennung durch den Bundespräsidenten als Unterbrechung des Legitimationszusammenhangs?
Dieses Ergebnis könnte jedoch mit Blick darauf eine Korrektur erfahren, daß die Präsidenten der Landeszentralbanken nach § 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG vom Bundespräsidenten ernannt werden. Sollte sich im folgenden herausstellen, daß dem Bundespräsidenten bei diesem Ernennungsakt eine eigene materielle Entscheidungsbefugnis zukommt, so müßte die - bereits in anderem Zusammenhang aufgeworfene 26 - Frage nach der demokratischen Legitimation des Bundespräsidenten geklärt werden. Und nur wenn sich dabei zeigen sollte, daß der Bundespräsident seine demokratische Legitimation vom Bundesvolk herleitet, könnte die Bestellung durch den Bundespräsidenten den Landeszentralbankpräsidenten die erforderliche vom Bundesvolk abgeleitete personelle Legitimation vermitteln. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die besondere Problematik der Legitimationsstruktur des Bundespräsidenten braucht im gegebenen Zusammenhang deshalb nicht weiter vertieft zu werden, weil diesem bei der Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten kein eigenes materielles Entscheidungsrecht zukommt27 und seine Beteiligung die auf das Landesvolk zurückgehende Legitimationskette damit auch nicht zu unterbrechen vermag. Denn die Mitwirkung des Bundespräsidenten bei der Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten ist für den eigentlichen Auswahl- und Bestellungsakt unerheblich und läßt die inhaltliche Entscheidungsmacht der zuständigen Landesstellen gänzlich unberührt. Dieses Ergebnis bedarf indes noch der dogmatischen Begründung: Gegen eine eigene Entscheidungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Bestel26
Dazu oben bei Fn. 7 (S. 131). So H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 Κ 215; Ο. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 28 ff; J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7 IV. 1; D. Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 46 f., die von einem weitgehend freien Ermessen des Bundespräsidenten ausgehen, der selbst darüber befinden könne, ob er eine Ernennung vornimmt oder verweigert. 27
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lung der Landeszentralbankpräsidenten spricht bereits die einfachgesetzliche Auslegung des § 8 Abs. 4 BBankG. Insoweit fällt der Blick zunächst auf den Wortlaut dieser Bestimmung. Danach „werden" die Präsidenten der Landeszentralbanken vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesrates bestellt. Die Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten ist also nicht in das Belieben des Bundespräsidenten gestellt, sondern dieser muß dem Vorschlag des Bundesrates grundsätzlich nachkommen. Dieses lediglich formale Mitwirkungsrecht des Bundespräsidenten findet seine Bestätigung auch in einem Vergleich mit den dem Bundesrat und den zuständigen Landesstellen nach § 8 Abs. 4 BBankG zugewiesenen Befugnissen. Denn während nach § 8 Abs. 4 BBankG sowohl die Landesstellen (eigenständige) Vorschläge unterbreiten dürfen als auch dem Bundesrat ein (unselbständiges) Vorschlagsrecht zukommt, findet ein entsprechendes Vorschlagsrecht für den Bundespräsidenten in § 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG keine Erwähnung. Auch dies läßt deutlich werden, daß dem Bundespräsidenten bei der Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten eine bloß formale, ausführende Rolle ohne eigene Entscheidungsbefugnisse zukommt28. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der Stellung des Bundespräsidenten, die ihm nach der Verfassung bei der Berufung der Bundesrichter, Bundesbeamten und Bundesminister gem. Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 GG zukommt. Denn ebenso wie im Rahmen des § 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Bundespräsident zur Vornahme der betreffenden Ernennungen beziehungsweise Entlassungen verpflichtet ist. Diese Frage ist dabei nicht etwa gleichbedeutend mit dem formellen und materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten29. Denn dies betrifft lediglich die Problematik, inwieweit der Bundespräsident aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen berechtigt ist, die Ernennung oder Entlassung zu verweigern. Da es bei dem formellen und materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der Berufung der in Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 GG genannten Funktionsträger lediglich um das Verhältnis des Bundespräsidenten zur
28 Im Ergebnis ebenso L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 7 Rdnr. 19.; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 241 mit Fn. 31; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 171; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 490 mit Fn. 106; für eine Pflicht des Bundespräsidenten zur Ernennung der Zentralbankratsmitglieder dagegen H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 Κ 215 , Ο. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 28 ff ; J. v. Spindler / W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7IV.; D. Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 46 f. 29 So aber U. Hemmrich, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 60 Rdnr. 14.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Gubernative geht 30 , entspricht es der mittlerweile gesicherten staatsrechtlichen Erkenntnis, daß der Bundespräsident insoweit sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht zur Überprüfung berechtigt ist und dementsprechend die Ernennung beziehungsweise Entlassung im Hinblick auf rechtliche Bedenken verweigern darf 31 - eine Erkenntnis, an der auch fiir den hier in Rede stehenden Fall der Ernennung der Zentralbankratsmitglieder durch den Bundespräsidenten in keiner Weise gerüttelt werden soll 32 . Jedoch ist damit noch nichts gewonnen für die Beantwortung der Frage, ob dem Bundespräsidenten bei der Ernennung und Entlassung der Landeszentralbankpräsidenten ein politisches Ermessensablehnungsrecht zusteht. Denn diese Frage stellt sich nicht als Problematik des materiellen Prüfungsrechts dar, sondern betrifft vielmehr eine davon zu trennende Fragestellung: Hier geht es darum, ob der Bundespräsident aus eigenem Ermessen von den Vorschlägen des Bundesrates abweichen und einen anderen Kandidaten zum Präsidenten der Landeszentralbank bestellen kann. Dies betrifft die Frage nach einem inhaltlichen Ermessensablehnungsrecht des Bundespräsidenten. Doch auch insoweit läßt sich die Parallele zu der Ernennung der in Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 GG genannten Funktionsträger ziehen. Ob dem Bundespräsidenten ein solches eigenes Ermessensentscheidungsrecht bei der Berufung der Bundesrichter, Bundesbeamten und Bundesminister von Verfassungs wegen zu-
30
Im Gegensatz hierzu betrifft die Frage nach dem formellen und materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG das Verhältnis des Bundespräsidenten zu dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament. Dementsprechend wird insbesondere die Frage nach dem materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen streitig diskutiert; zum Meinungsstand ausführlich bei U. Hemmrich, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 60 Rdnr. 14; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60 Rdnr. 8 und Art. 54 Rdnrn. 75 ff.; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 60 Anm. ΙΠ. 3. und Art. 82 Anm. ΙΠ. 3.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60 Rdnr. 1 und Art. 82 Rdnr. 3; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 245 ff. 31 Vgl. nur B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60 Rdnr. 1; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64 Rdnr. 14; W.-R. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 64 Rdnrn. 9 ff, 31; E. Stein, Staatsrecht, S. 64 ff. 32 Die Kompetenz des Bundespräsidenten, die rechtlichen Voraussetzungen für die Ernennung der Zentralbankratsmitglieder zu prüfen, wird von der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum bejaht, siehe nur H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 7 K215; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 28 ff; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 169; J. v. Spindler l W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 7 IV.; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 46 f.
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kommt, ist umstritten 33. Gegen eine inhaltliche Entscheidungskompetenz des Bundespräsidenten spricht jedoch bereits der Wortlaut des Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 GG, wonach der Bundespräsident „ernennt" und nicht bloß „ernennen kann". Weiter streitet dafür auch der systematische Zusammenhang dieser beiden Verfassungsbestimmungen mit anderen Vorschriften des Grundgesetzes. Insbesondere der Vergleich mit den Art. 94 Abs. 1 Satz 2 und Art. 95 Abs. 2 GG zeigt, daß die Personalhoheit nicht beim Bundespräsidenten, sondern bei anderen Trägern der Exekutive, Legislative oder Judikative liegt 34 . Vor allem aber spricht gegen ein eigenes Entscheidungsrecht des Bundespräsidenten auch, daß eine solche Befugnis mit der in Art. 65 GG getroffenen Regelung kollidierte, die dem Bundeskanzler die Regierungsverantwortung zuweist. Diese Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers aber macht es erforderlich, daß er die Ministerposten mit Personen seiner Wahl und seines Vertrauens besetzen kann 35 . Denn nur, wenn der Bundeskanzler über die Bildung und Organisation der Bundesregierung eigenmächtig bestimmen kann, kann er für ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden 36. Hiermit ist aber ein eigenes Entscheidungsrecht des Bundespräsidenten bei der Ernennung und Entlassung der Minister nicht zu vereinbaren. Und schließlich spricht gegen ein sachlich-politisches Ermessensrecht nicht zuletzt auch die insgesamt schwache Stellung des Bundespräsidenten, dessen Machtbefugnisse und Kompetenzen nach dem Grundgesetz generell gering veranschlagt sind. Die Stellung des Bundespräsidenten im Grundgesetz wurde aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik mit der starken Machtposition des Reichspräsidenten37 bewußt schwach gehalten und sein Amt als das eines un-
33
Siehe zu diesem Streit bei Κ . Doehring, Staatsrecht, S. 153 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 18 Rdnrn. 666 ff; W. Jellinek, WDStRL 8 (1950), 3 (10 f.); Κ Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung, S. 31; H. C. F. Liesegang, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 64 Rdnr. 4; E. Menzel, DÖV 1965, 581 (594 f.); E. Stein, Staatsrecht, S. 38; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 245 ff. 34 B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60 Rdnr. 1; U. Hemmrich, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 60 Rdnr. 2. 35 H.'U. Erichsen, Jura 1985, 373 (377). 36 Zu dieser Frage der Kompetenz als Voraussetzung für Verantwortlichkeit bei M. Jestaedt, Demolaratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 314 ff ; ebenso bei E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958), 9 (40); P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 309; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 102; T. Puhl, Die Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz, S. 133; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 219 f. 37 Zu den Machtbefugnissen des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, S. 249 ff ; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz,
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selbständigen, nicht-regierenden Staatsoberhauptes ausgestaltet38. Hiermit läßt sich ein eigenes Entscheidungsrecht des Bundespräsidenten bei der Berufung der in Art. 60 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 GG genannten Personen nicht vereinbaren 39. Verfügt der Bundespräsident damit bei der Berufung der in Art. 60 Abs. 1,64 Abs. 1 GG bezeichneten staatlichen Funktionsträger über kein eigenes Ermessensentscheidungsrecht, so läßt sich ein solches auch nicht für die - wenngleich einfachgesetzlich geregelte - Ernennung der Landeszentralbankpräsidenten begründen. Damit steht im Ergebnis fest, daß dem Bundespräsidenten bei der Bestellung der Landeszentralbankpräsidenten kein eigenes Entscheidungsrecht zukommt. Vielmehr ist er grundsätzlich verpflichtet, dem Vorschlag des Bundesrates nachzukommen und die Bestellung vorzunehmen. Das maßgebliche inhaltliche Entscheidungsrecht liegt damit ausschließlich bei den nach Landesrecht zuständigen Stellen. Die Beteiligung des Bundespräsidenten erweist sich als „leere Hülse" 40 , die über den rein formalen Akt der Ernennung nicht hinausreicht und die die inhaltliche Auswahlentscheidung der zuständigen Landesstellen nicht berührt. Aufgabe des Bundespräsidenten ist es lediglich, den Willen der Landesstellen umzusetzen, er tritt gleichsam als „Vollstreckungsorgan" der zuvor durch die Landesstellen getroffenen Berufungsentscheidung auf den Plan, ohne die auf das jeweilige Landesvolk zurückgehende und über die zuständigen Landesstellen vermittelte personelle Legitimationskette zu durchbrechen. Insoweit vermag die Beteiligung des Bundespräsidenten an der Ernennung der Landeszentralbankpräsidenten an dem oben gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.
Art. 60 Rdnr. 3; H. Pohl, in: G. Anschütz / R. Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts I, S. 482 ff. 38 Dazu P. Βadura y Staatsrecht, S. 328 ff; U. Hemmrich, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 54 Rdnr. 1; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 54 Rdnrn. 1 ff.; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 197 f. 39 So auch die wohl überwiegende Auffassung, siehe nur E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958), 9 (46 ff); Κ.Ή. Hall, JZ 1965, 305 (307); B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 60 Rdnr. 1 und Art. 64 Rdnr. 1.; W.-R. Schenke, Jura 1982, 57 (63 f.); F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64 Rdnr. 1; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 64 Rdnr. 1; anderer Ansicht dagegen W. Merk, WDStRL 8 (1950), S. 60; H. Nawiasky, Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 97; ders., DÖV 1950,161 (162). 40 So sehr anschaulich M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 385.
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IL Fazit: Der Zentralbankrat der Bundesbank als nicht demokratisch legitimiertes Kollegialorgan Wie gezeigt, sind von den Mitgliedern des Zentralbankrates lediglich die Direktoriumsmitglieder personell legitimiert. Insoweit reicht eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte vom Bundesvolk bis hin zu dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und den weiteren Mitgliedern des Direktoriums. Demgegenüber beziehen die übrigen Mitglieder des Zentralbankrates, die Präsidenten der Landeszentralbanken, ihre personelle Legitimation von dem jeweiligen Landesvolk und scheiden damit als Legitimationsmittler für die Deutsche Bundesbank aus. Denn als Verwaltungsträger des Bundes muß die Deutsche Bundesbank ihre demokratische Legitimation vom Bundesvolk beziehen, eine auf das Landesvolk zurückreichende Berufungskette ist insoweit gänzlich unbeachtlich und stellt sich für die Bundesbank als fehlende demokratische Legitimation dar 41 . Damit ergibt sich für den Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank folgendes Bild: Im Zentralbankrat stehen bis zu acht demokratisch legitimierte Direktoriumsmitglieder (§ 6 Abs. 2 BBankG i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 BBankG) neun nicht demokratisch legitimierten Landeszentralbankpräsidenten (§ 6 Abs. 2 BBankG i.V.m. § 8 Abs. 1 BBankG) gegenüber. Entscheidungen trifft der Zentralbankrat nach § 6 Abs. 3 Satz 2 BBankG mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Eine solche organisatorische Ausgestaltung steht indes nach den oben entwickelten Grundsätzen zur demokratischen Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien42 mit Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang43. Denn angesichts der Stimmenübermacht der Landeszentral-
41 Dies übersieht J. Oebbecke (Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 171), der im Hinblick auf den Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG „keine Bedenken" hat und zur Begründung ausführt, daß die Mitglieder des Direktoriums der Bundesbank vom Bundesvolk legitimiert seien und die Präsidenten der Landeszentralbanken die erforderliche demokratische Legitimation vom jeweiligen Landesvolk erhielten, die über die in das Ernennungsverfahren eingeschalteten zuständigen Landesstellen vermittelt würde. 42 Siehe dazu im ersten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 36 ff. (S. 85 ff.). 43 Siehe in diesem Zusammenhang auch den im Schrifttum vielfach beschworenen „Pluralismus der Ernennungsinstanzen", durch den die personelle Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank „gesichert werde", so J. v. Spindler i W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 ΙΠ. 1., der ausdrücklich davon spricht, daß die „personelle Unabhängigkeit" der Deutschen Bundesbank „nach außen durch den Pluralismus der Ernennungsinstanzen und intern durch das Kollegialprinzip gesichert" werde; in diesem Sinne auch L. Eckert, ÖBA 1990,415 (419); C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 123; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsge-
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
bankpräsidenten vereinen die demokratisch legitimierten Direktoriumsmitglieder weniger als 50 % der Stimmen auf sich und verfügen somit nicht über die erforderliche Mehrheit, um ihren Willen im Konfliktfalle durchsetzen zu können. Es ist nicht gewährleistet, daß die demokratisch legitimierten Direktoriumsmitglieder bei jeder einzelnen Entscheidung über die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche positive Entscheidungsbefugnis und negative Selektionsbefugnis verfügen und ihrem Willen entsprechend Entscheidungen jederzeit zustande bringen oder blockieren können. Einer solchen Durchsetzungsmacht bedarf es aber, um sicherzustellen, daß jede einzelne Entscheidung des Zentralbankrates auf dem Willen der demokratisch legitimierten Direktoriumsmitglieder beruht und damit auf das Bundesvolk als Legitimationssubjekt für die Deutsche Bundesbank zurückgeht. Um dem Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG zu entsprechen, müßten vielmehr entweder sämtliche Mitglieder des Zentralbankrates ihre Legitimation vom Bundesvolk beziehen44 oder es müßte zumindest die Mehrheit der Mitglieder vom Bundesvolk legitimiert sein und nur einheitlich, das heißt en bloc abstimmen dürfen 45. Diesem Legitimationskonzept des Art. 20 Abs. 2 GG entspricht die organisatorische Ausgestaltung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank nicht. Damit steht im Ergebnis fest, daß der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation verfügt. Dabei sei jedoch auch an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, daß damit weder eine endgültige Aussage über die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank getroffen noch ein verbindliches Urteil über die Verfassungsmäßigkeit der Ausgestaltung ihres organisatorischen Rahmens gefällt ist 46 .
füge, S. 51; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 490; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 44 ff. 44 Erster Teil, Kapitel 3, S. 86 f. 45 Dazu im ersten Teil, Kapitel 3, vor Fn. 32 (S. 83). 46 Siehe hierzu bereits oben in Kapitel 1, bei Fn. 1 (S. 127).
Kapitel 3
Sachlich-inhaltliche Legitimation der Deutschen Bundesbank Im weiteren ist zu untersuchen, ob die Deutsche Bundesbank wenigstens in sachlich-inhaltlicher Hinsicht demokratisch legitimiert ist. Da es nach Art. 20 Abs. 2 GG allein darauf ankommt, daß staatliche Gewaltausübung im Ergebnis auf dem Willen des Volkes beruht, können die Defizite im personellen Legitimationsgefuge der Deutschen Bundesbank prinzipiell durch entsprechende sachlich-inhaltliche Legitimationselemente kompensiert werden1. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, besteht die Funktion der sachlich-inhaltlichen Legitimation darin, die konkreten Entscheidungen der mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Amtswalter demokratisch zu legitimieren. Hierfür stehen verschiedene legitimationsvermittelnde Steuerungsinstrumente zur Verfugung2. Im Hinblick auf diese Steuerungsmedien wird im folgenden untersucht, ob die Deutsche Bundesbank über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation verfügt. I. Parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundesbank Zunächst wird auf die Möglichkeiten und Grenzen einer parlamentarischen Kontrolle der Deutschen Bundesbank eingegangen, welche ihrer Eigenart nach lediglich eine nachträgliche Überprüfung der währungspolitischen Entscheidungen der Bundesbank erlaubt. Im Schrifttum finden sich Stimmen, die dem Deutschen Bundestag weitreichende Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Deutschen Bundesbank zusprechen, obgleich § 12 Satz 2 BBankG die Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung freistellt. Zur Begründung wird vorgetragen, daß sich die Unabhängigkeit der Bundesbank nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Satz 2 BBankG nur auf ihr Verhältnis zur Bundesregierung beziehe. Dadurch bleibe die Stellung der Bundesbank im parlamentarischen Staatsgefüge unberührt. Die Deutsche Bundesbank unterliege über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung auch
1 2
Vgl. dazu die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 2, S. 66 ff. Dazu im ersten Teil, Kapitel 1, S. 44 ff.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
der mittelbaren Kontrolle und Aufsicht des Parlaments3. Dem Bundestag stünden insoweit die allgemeinen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle zur Verfügung. So könne er nicht nur parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG einsetzen4, um auf diese Weise währungspolitische Angelegenheiten der parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen, sondern habe ferner auch die Möglichkeit, währungspolitische Fragen zum Gegenstand parlamentarischer Erörterungen zu erheben5. Unternimmt man den Versuch, diese Auffassung kritisch zu hinterfragen, so empfiehlt es sich, zwischen den beiden Formen parlamentarischer Kontrolle der Exekutivtätigkeit zu unterscheiden: der unmittelbaren und der mittelbaren Kontrolle. Unmittelbarer Gegenstand der mittelbaren Kontrolle der Deutschen Bundesbank ist die Politik der Bundesregierung. Die Reichweite einer solchen Kontrolltätigkeit bestimmt sich dabei nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen6. Danach kann die parlamentarische Kontrolle gegenüber den der Bundesregierung nachgeordneten Verwaltungsträgern und damit auch gegenüber der Deutschen Bundesbank nur insoweit bestehen, als die Regierung selbst für das Handeln der Verwaltungsstellen verantwortlich zeichnet. Dies wiederum hängt davon ab, ob die Exekutivspitze im Besitze konkreter Lenkungs- und Kontrollbefugnisse ist, mittels derer sie die Verwaltungstätigkeit zu steuern in der Lage ist. Umfang und Reichweite des mittelbaren parlamentarischen Kontrollrechts hängen somit entscheidend von den Steuerungsbefugnissen der Regierung gegenüber den nachgeordneten Verwaltungseinrichtungen ab. Im Vorgriff auf die erst unten folgenden Erörterungen ist bereits an dieser Stelle vorwegzuschicken, daß die Bundesbank nicht nur von den Weisungen der Bundesregierung freigestellt ist (§12 Satz 2 BBankG), sondern darüber hinaus über einen umfassenden Autonomiebereich in sämtlichen währungspolitischen Fragen verfügt. Die Deutsche Bundesbank soll in eigener Regie und Verantwortlichkeit alle monetären Aufgaben wahrnehmen. Sie ist insoweit weder der Lenkung noch der Kontrolle der Bundesregierung unterworfen. 3 So vor allem K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 188 f. 4 J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 186 ff. 5 Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 189; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, S. 38; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 185; W. Vitzthum, Petitionsrecht und Volksvertretung, S. 109; zu der Befugnis, diese Erörterungen durch schlichte Parlamentsbeschlüsse abzuschließen K. Stern, Staatsrecht Π, S. 48 f.; W. Vitzthum, Petitionsrecht und Volksvertretung, S. 109. 6 Vgl. dazu die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 59 (S. 45); ebenso auch J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 185.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
145
Verfügt die Bundesregierung aber über keine Möglichkeiten, steuernden Einfluß auf die Deutsche Bundesbank zu nehmen, kann sie insoweit auch nicht vom Deutschen Bundestag zur Verantwortung gezogen werden. Damit entfällt die Möglichkeit einer mittelbaren, über die Kontrolle der Bundesregierung vermittelten parlamentarischen Kontrolle der Deutschen Bundesbank7. Fraglich ist indes, ob der der Bundesbank durch das Bundesbankgesetz gewährte Autonomiebereich gleichermaßen auch der immittelbaren parlamentarischen Kontrolle einen Riegel vorschiebt. Diese Frage bemißt sich danach, ob § 12 Satz 2 BBankG eine das Verhältnis der Deutschen Bundesbank zur Bundesregierung transzendierende Bedeutung zukommt und der Bundesbank über die Weisungsfreiheit von der Bundesregierung hinaus Unabhängigkeit gegenüber sämtlichen staatlichen Stellen und damit auch gegenüber der legislatorischen Kontrolltätigkeit gewährt. § 12 Satz 2 BBankG gibt seinem Wortlaut nach für eine solche Schlußfolgerung keine Anhaltspunkte, weil er lediglich das Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesbank und der Bundesregierung regelt. Weiter führt jedoch der Blick auf die teleologische Sinnmitte des § 12 Satz 2 BBankG. Der Normgehalt des § 12 Satz 2 BBankG zielt darauf, die Deutsche Bundesbank im Interesse der Währungssicherung von gubernativen Einwirkungen freizustellen. Der Regelung des § 12 Satz 2 BBankG liegt der Gedanke zugrunde, daß eine unabhängige Bundesbank den Geldwert eher sichert als andere staatliche Stellen, deren Wirkungsmöglichkeiten und Handlungsmittel entscheidend von Geldmenge und Geldwert abhängen und die den Begehrlichkeiten interessierter politischer Kräfte unterliegen8. Im teleologischen Zentrum des § 12 Satz 2 BBankG steht daher nicht die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von der Bundesregierung, sondern die Unabhängigkeit der Bundesbank schlechthin9. Der Deutschen Bundesbank soll es durch § 12 Satz 2 BBankG ermöglicht werden, die zur Entscheidung anste-
7
So im Ergebnis die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum, vgl. nur N. Achterberg,, Parlamentsrecht, S. 438 f.; E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 24 f.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 102 f.; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefìlge, S. 34 ff ; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 185; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 506 m.w.N.; Bedenken dagegen bei H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 71; P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 338 f. 8 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Motive für die Einführung des Art. 88 Satz 2 GG, BVerfGE 89, 155 (208 f.); siehe ferner T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 90. 9 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die entsprechenden Regelungen der Art. 88 Satz 2 GG und Art. 107 EGV, welche die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ebenfalls nicht auf das Verhältnis der europäischen Währungsbank zu den Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschränken. 10 Brosius-Gersdorf
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
henden währungspolitischen Fragen in eigener Regie und eigener Verantwortung zu regeln, um auf diese Weise dem Leitziel der Währungssicherung bestmöglich dienen zu können. Zielt aber § 12 Satz 2 BBankG auf einen umfassenden Autonomiebereich der Deutschen Bundesbank bei der Erfüllung sämtlicher währungspolitischen Angelegenheiten, so muß der Normbereich gleichermaßen im Verhältnis der Deutschen Bundesbank zur Kontrolltätigkeit der Legislative auf Verwirklichung drängen. Mit anderen Worten: § 12 Satz 2 BBankG vermittelt der Deutschen Bundesbank nicht nur im Verhältnis zur Bundesregierung, sondern gegenüber sämtlichen staatlichen Stellen und damit auch gegenüber der Kontrolle der Legislative Unabhängigkeit. Das bedeutet, daß die Eigenverantwortlichkeit der Bundesbank in den ihr übertragenen währungspolitischen Fragen nicht durch eine parlamentarische Kontrolltätigkeit durchkreuzt werden darf. Jede Form parlamentarischer Kontrolle, die die Schwelle unverbindlicher Willensbekundungen überschreitet und die Dichte verbindlicher Beschlüsse und Entscheidungen erreicht, müßte gegen die der Deutschen Bundesbank nach dem Bundesbankgesetz verliehene währungspolitische Autonomie verstoßen. Angesichts dieser von Gesetzes wegen im Unverbindlichen bleibenden Kontrollbefugnis vermag die unmittelbare parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundesbank keinerlei legitimationsstiftende Effekte zu zeitigen. Oder anders gewendet: Darf die parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundesbank keine verbindlichen Züge tragen, nimmt der legitimationsvermittelnde Gehalt einer solchen Kontrolltätigkeit auf der Skala sachlich-inhaltlicher Legitimation den Wert Null ein. I I . Parlamentarische Lenkung der Deutschen Bundesbank Von der parlamentarischen Kontrolle ist die Frage zu unterscheiden, ob und inwieweit der Deutschen Bundesbank sachlich-inhaltliche Legitimation durch die vom Parlament erlassenen Gesetze vermittelt wird. Während sich das Instrument der Kontrolle auf eine nachträgliche Überprüfung der Exekutivtätigkeit beschränkt, handelt es sich bei dem Gesetz um ein präventives, die Staatstätigkeit lenkendes Steuerungsmittel. Im folgenden soll untersucht werden, welche Gesetze als legitimationsspendende Quelle für die Deutsche Bundesbank in Betracht kommen und welcher Legitimationswert ihnen dabei zukommt. 1. Legislatorische Steuerung durch das Bundesbankgesetz Zunächst wird der Blick auf das Bundesbankgesetz als legislatorisches Steuerungsinstrument gerichtet. Die maßgebliche Zielvorgabe für die Deutsche Bundesbank findet sich in § 3 BBankG, der sowohl das Aufgabenfeld als auch
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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die von der Deutschen Bundesbank anzuvisierenden Ziele umschreibt. In § 3 BBankG ist bestimmt, daß die Deutsche Bundesbank mit Hilfe der ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehenden währungspolitischen Befugnisse den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel regelt, die Währung zu sichern. Darüber hinaus hat sie auch für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Ausland zu sorgen. Zur Verwirklichung dieses in § 3 BBankG statuierten Ziels der Währungssicherung ist die Deutsche Bundesbank in erster Linie errichtet worden, in den Dienst dieser Hauptaufgabe sind ihre währungspolitischen Befugnisse gestellt10. Zu diesem Zwecke stehen der Bundesbank verschiedene währungspolitische Instrumente zur Verfügung, zu denen beispielsweise und insbesondere die Notenausgabe (§ 14 BBankG), die Diskont-, Kredit- und Offenmarktpolitik (§15 BBankG) sowie die Mindestreservepolitik (§ 16 BBankG) zählen. In sämtlichen dieser Felder der Politikgestaltung hat sich die Bundesbank von dem in § 3 BBankG verankerten Ziel der Währungssicherung leiten zu lassen. Angesichts dieser im Bereich der Währungspolitik der Bundesbank auf § 3 BBankG zentrierten Zielvorgabe wird deutlich, daß der legitimationsvermittelnde Gehalt des Bundesbankgesetzes mit der normativen Steuerungskraft des § 3 BBankG steht und fallt. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, ist die Steuerungskraft von Gesetzen und damit auch ihr Legitimationsgehalt nicht stets gleichermaßen ausgeprägt, sondern differiert nach Maßgabe der Regelungsdichte der betreffenden legislatorischen Vorgaben11. Insoweit unterscheidet man zwischen Konditional- und Zweckprogrammen. Während Konditionalprogramme eine zumindest umrißhaft feststehende Entscheidungsprogrammierung und damit einen vergleichsweise hohen Legitimationsgehalt aufweisen, enthalten legislatorische Zweckvorgaben keine auf den Einzelfall bezogene Entscheidimgsprogrammierung; sie besitzen daher eine ungleich geringere sachlich-inhaltliche Steuerungskraft 12. Mithin kommt es hier entscheidend darauf an, ob § 3 BBankG in Form eines Konditionalprogrammes oder eines Zweckprogrammes geregelt ist. § 3 BBankG bestimmt, daß die Bundesbank die ihr nach dem Bundesbankgesetz zugewiesenen währungspolitischen Befugnisse mit dem Ziel der Währungssicherung ausübt. In dieser groben Zielvorgabe erschöpft sich indes der Regelungsgehalt des § 3 BBankG. Er enthält keinerlei detaillierte Vorgaben für die Deutsche Bundesbank, etwa im Hinblick darauf, in welchen konkreten wirt-
10
Vgl. statt aller K. Stern, Staatsrecht Π, S. 480. Erster Teil, Kapitel 4, bei Fn. 41 ff. (S. 99 ff.). 12 Zu der Steuerungskraft von Konditional- und Zweckprogrammen im ersten Teil, Kapitel 4, S. 97 ff. 11
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
schafts- und währungspolitischen Konstellationen Währungsstabilität zu erreichen ist. Das Bundesbankgesetz enthält lediglich einen Katalog der zur Verfügung stehenden währungspolitischen Instrumente (§§ 14 ff. BBankG), mittels derer die Bundesbank den in § 3 BBankG statuierten Währungsauftrag zu erfüllen hat. Es fehlen konkrete, auf den währungspolitischen Einzelfall bezogene Vorgaben, welche die Entscheidungen der Bundesbank auch nur umrißhaft vorprogrammieren. Da § 3 BBankG mithin selbst keine auf den Einzelfall bezogene Entscheidungsprogrammierung enthält, fällt der Deutschen Bundesbank die Aufgabe zu, die durch das Bundesbankgesetz belassenen Lücken durch eigene Inhaltskonkretisierung zu füllen und über die zur Erreichung von Währungsstabilität geeigneten und erforderlichen Maßnahmen in eigener, freier Politikgestaltung zu befinden 13. Das Bundesbankgesetz respektive § 3 enthält somit kein in Form eines „Wenn-Dann-Satzes" formuliertes Konditionalprogramm, sondern lediglich ein Zweckprogramm, das der Deutschen Bundesbank nur das Ziel und die äußeren Grenzen ihres währungspolitischen Handelns vorgibt. Als legislatorisches Zweckprogramm verfügt § 3 BBankG über eine bloß geringe legitimationsstiftende Steuerungskraft und vermag somit für sich genommen der von den Funktionsträgern der Deutschen Bundesbank ausgehenden staatlichen Gewalt nicht die nach der Verfassung erforderliche sachlich-inhaltliche Legitimation zu vermitteln. Der legitimationsvermittelnde Gehalt des Bundesbankgesetzes läßt sich schließlich auch nicht unter Berufung auf die in § 12 Satz 1 BBankG begründete Verpflichtung der Bundesbank, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen, nennenswert erhöhen. Denn diese Unterstützungspflicht kommt, wie noch an anderer Stelle zu zeigen sein wird, nur insoweit zum Tragen, als die von der Bundesbank in eigener Regie und Verantwortung getroffenen währungspolitischen Entscheidungen dadurch nicht beeinträchtigt werden 14. Die Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG steht unter dem Vorbehalt, daß die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit den monetären Leitentscheidungen der Bundesbank kompatibel ist. Sie vermag den der Deutschen Bundesbank nach dem Bundesbankgesetz in sämtlichen währungspolitischen Angelegenheiten gewährten umfassenden Autonomiebereich nicht zu beschränken, mit der Folge, daß auch ihre legitimationsvermittelnde Steuerungskraft nur als äußerst schwach eingestuft werden kann.
13
Vgl. auch G. Schuppert, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 186
(192). 14
Vgl. dazu noch unten, S. 157 - 163.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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2. Legislatorische Steuerung durch das Stabilitätsgesetz Sachlich-inhaltliche Legitimation könnte der Deutschen Bundesbank aber durch das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft 15 (Stabilitätsgesetz) vermittelt werden. Nach § 1 Satz 1 StWG haben Bund und Länder bei ihren wirtschafts- undfinanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Diese Maßnahmen sind nach § 1 Satz 2 StWG so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. Neben den übrigen drei Komponenten gehört demnach auch das Ziel der Geldwertstabilität zu dem sogenannten magischen Viereck, dessen Teilziele für Bund und Länder bei ihrer wirtschafts- undfinanzpolitischen Politikgestaltung als verbindliche Eckpunkte zu beachten sind. Im gegebenen Zusammenhang stellt sich damit die Frage, ob auch die Deutsche Bundesbank in den Anwendungsbereich des Stabilitätsgesetzes fällt [dazu unter a)]. Da diese Frage - insoweit sei den nachfolgenden Erörterungen vorgegriffen - zu bejahen ist, muß im Anschluß daran weiter untersucht werden, welche legitimationsvermittelnde Steuerungskraft dem Stabilitätsgesetz zukommt [dazu unter b)]. a) Bindung der Deutschen Bundesbank an das Stabilitätsgesetz
Die in § 1 StWG statuierte Verpflichtung zur Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bezieht sich direkt zunächst nur auf die unmittelbare Staatsverwaltung von Bund und Ländern 16. Sie erstreckt sich aber nach § 13 Abs. 3 StWG darüber hinaus auch auf alle bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben die Ziele des § 1 StWG berücksichtigen sollen. Da die Deutsche Bundesbank in § 2 Satz 1 BBankG als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts bezeichnet ist, legt dies die Vermutung nahe, sie daß nach § 1 StWG i.V.m. § 13 Abs. 3 StWG an die Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gebunden ist 17 .
15
BGBl. 1/1967, S. 582. Statt aller A Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 Rdnr. 2; K. Stern, in: ders. / P. Münch / K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 I. 16
2.
17 So G. Berger, Bundesbank und Stabilitätsgesetz, S. 107 f.; K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 175 f.; H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 42; W. Hqffmann-Riem, Rechtsfragen der Währungsparität, S. 220; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsge-
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Gegen die Einbeziehung der Deutschen Bundesbank in den Adressatenkreis des § 13 Abs. 3 StWG wird jedoch eingewandt, daß das Stabilitätsgesetz mit den in § 1 und § 13 Abs. 3 getroffenen Bestimmungen nur die öffentliche Haushaltsführung, nicht hingegen auch die Währungspolitik der Bundesbank den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unterwerfen wollte 18 . Dies folge bereits aus der Systematik der §§ 5 bis 18 StWG, die deutlich mache, daß nach § 13 Abs. 3 StWG zur Konjunktursteuerung neben den Etats von Bund und Ländern nur die Entscheidungsträger im Hinblick auf die öffentlichen Haushalte verpflichtet seien. Zu diesem Kreis der dem öffentlichen Haushalt Verpflichteten zähle die Deutsche Bundesbank aber nicht 19 . Als weiterer Beleg für die Beschränkung der Vorschrift des § 13 Abs. 3 StWG auf die Träger öffentlicher Haushalte wird die Entstehungsgeschichte zu § 13 Abs. 3 StWG angeführt 20. Insoweit wird auf § 9 des Regierungsentwurfes zum Stabilitätsgesetz, der wortgleichen Vorlage für den späteren § 13 Abs. 3 StWG, verwiesen. Darin werde zur Begründung ausgeführt, daß unerwünschten konjunkturellen Entwicklungen durch ein möglichst gleichgerichtetes Verhalten aller öffentlichen Haushalte entgegengewirkt werden müsse21. In diesem Sinne sei auch die Begründung im allgemeinen Teil des Regierungsentwurfs zu verstehen, wenn es darin heiße, daß neben die Geld- und Kreditpolitik der Notenbank ein stärkeres Regulativ für die öffentliche Nach-
setz, § 13 Rdnr. 6; H.-J. Papier, Beiheft 5 / Der Staat 20 (1981), 109 (114); R. Schmidt, Beiheft 5 / Der Staat 20 (1981), 61 (66); K. Stern, in: ders. / P. Münch / K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 13 Π. 2., abweichend aber ders., Staatsrecht Π, S. 480 f. 18 So H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 5; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 159; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 66; noch zweifelnd, aber im Ergebnis eine Bindung der Deutschen Bundesbank an die Ziele des Stabilitätsgesetzes verneinend auch K.-H. Ladeur, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992,486 (487). 19 So vor allem//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 246; H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 5; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 47 f.; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 57; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 87 f. 20 H J. Hahn, Währungsrecht, S. 246; ders., in: Festschrift für F. A. Mann, S. 731 (737); H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 5; Ö. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 47 f.; G. Prost, WiR 1972,121 (123); ders., WiR 1973, 326 (349 f.); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 159; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 57. 21 BT-Drs. V 7 890,3(14).
Kap. 3 : Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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frage treten müsse und entsprechende Vorschriften in den §§ 2 bis 18 des Stabilitätsgesetzes enthalten seien22. Eine solche restriktive Auslegung des § 13 Abs. 3 StWG steht in erkennbarem Widerspruch zu seinem Wortlaut, der in wünschenswerter Deutlichkeit die Bindung an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auf sämtliche bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts erstreckt, zu denen nach § 2 Satz 1 BBankG auch die Deutsche Bundesbank zählt 23 . Die grammatikalische Auslegung des § 13 Abs. 3 StWG spricht somit fraglos für eine auch die Bundesbank miteinbeziehende Deutung dieser Vorschrift 24. Für eine Beschränkung des § 13 Abs. 3 StWG auf die dem öffentlichen Haushalt verpflichteten Staatsorgane kann auch nicht die Systematik der §§ 5 bis 18 StWG fruchtbar gemacht werden. Denn zum einen mag es so recht nicht einleuchten, warum gerade die in §§ 5 bis 18 StWG getroffenen Bestimmungen zur Auslegung des § 13 Abs. 3 StWG herangezogen werden, indes das systematische Zusammenspiel mit § 1 StWG, auf den § 13 Abs. 3 StWG ausdrücklich Bezug nimmt, vernachlässigt wird. Und zum anderen vermag der Verweis auf die §§ 5 bis 18 StWG auch deswegen nicht zu fruchten, weil daraus eine Beschränkung auf die dem öffentlichen Haushalt Verpflichteten nicht hervorgeht. Zwar finden sich in den §§ 5 bis 18 StWG thematisch überwiegend Regelungen über den Bundeshaushaltsplan und die Konjunkturausgleichsrücklage. Doch hieraus läßt sich nicht zwingend schließen, daß § 13 Abs. 3 StWG auf die Träger öffentlicher Haushalte beschränkt ist, denn die §§ 5 bis 18 StWG enthalten auch einzelne Regelungen über Staatsorgane, die nicht dem öffentlichen Haushalt verpflichtet sind. So nimmt zum Beispiel § 7 Abs. 1 Satz 1 StWG ausdrücklich auf die Deutsche Bundesbank Bezug und bestimmt, daß die Konjunkturausgleichsrücklage bei ihr anzusammeln ist. Von 22
BT-Drs. V / 890, 3 (9); dazu vor allem W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 57. 23 Dies anerkennt auch H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 5; zu der streitigen Frage, ob die Deutsche Bundesbank als Anstalt, „anstaltsähnliche Einrichtung" oder „Rechtspersönlichkeit sui generis" einzustufen ist H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 42 mit Fn. 132; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 96 ff; J. v. Spindler l W. Becker / O.E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 21. 24 So auch Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 175 f.; H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 42 f. mit Fn. 132 und 133; W. Hoffmann-Riem, Rechtsfragen der Währungsparität, S. 220; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 13 Rdnr. 6; H.-J. Papier, Beiheft 5 / Der Staat 10 (1981), 109 (114); K. Stern, in: ders. / P. Münch / K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 13 Π. 4.; ders., Staatsrecht Π, S. 480 f.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
einer thematischen Beschränkung der §§ 5 bis 18 StWG auf die öffentlichen Haushalte kann daher nicht die Rede sein. Aus ihnen läßt sich somit ein Argument für die Restriktion des § 13 Abs. 3 StWG auf die dem öffentlichen Haushalt verpflichteten Staatsorgane nicht gewinnen. Wenn schließlich noch die Entstehungsgeschichte als Argument dafür herangezogen wird, die Deutsche Bundesbank aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 StWG auszuklammern, so sei hierzu nur das folgende bemerkt: Der Verweis auf die Begründung zu § 9 des Regierungsentwurfes zum Stabilitätsgesetz vermag schon deswegen nicht zu verfangen, weil sich diese Begründung nicht auf § 9 Abs. 3 des Regierungsentwurfes zum Stabilitätsgesetz und damit nicht auf den späteren § 13 Abs. 3 StWG, sondern vielmehr auf den mit dem späteren § 13 Abs. 1 StWG identischen Abs. 1 des § 9 des Regierungsentwurfs bezieht. In derrichtigerweise zu nennenden Begründung zu § 9 Abs. 3 des Regierungsentwurfs heißt es statt dessen, daß „Absatz 3 die bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet, sich im Rahmen der ihnen gegebenen Möglichkeiten ebenfalls konjunkturgerecht zu verhalten" 25. Diese Textstelle bietet aber keinerlei Anhaltspunkte für eine Restriktion des § 13 Abs. 3 StWG auf die Träger öffentlicher Haushalte, sondern spricht vielmehr für eine sämtliche bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts miteinbeziehende Auslegung. Ebenso läßt sich auch die Begründung im allgemeinen Teil des Regierungsentwurfes zum Stabilitätsgesetz nicht für eine Beschränkung des § 13 Abs. 3 StWG auf die Träger öffentlicher Haushalte fruchtbar machen. Zwar heißt es darin, daß die in den §§ 2 bis 18 StWG vorgesehenen Maßnahmen neben die Geld- und Kreditpolitik der Notenbank treten sollen, um für eine stärkere Regulierung der konjunkturpolitischen Entwicklung Sorge zu tragen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Bundesbank nicht zu dem Kreis der nach § 13 Abs. 3 StWG Verpflichteten gehört. Denn diese Formulierung läßt zumindest zwei Deutungen zu: Zum einen kann damit gemeint sein, daß die Notenbankpolitik und die in §§ 2 bis 18 StWG geregelten Maßnahmen nebeneinanderstehende Instrumente sind und die Bundesbank daher nicht zu dem Kreis der nach §§ 2 bis 18 StWG Verpflichteten gehören soll; zum anderen ist aber auch die Auslegung möglich, daß allein die Geld- und Kreditpolitik der Bundesbank nicht ausreicht, um konjunkturellen Fehlentwicklungen entgegenzutreten, und daß aus diesem Grunde noch weitere Maßnahmen zur Regulierung der konjunkturpolitischen Entwicklung hinzutreten müssen, ohne damit die Notenbank aus dem Adressatenkreis der nach §§ 2 bis 18 StWG Verpflichteten auszuklammern. Nach der ersten Auslegungsmöglichkeit bezö-
2
BT-Drs. V 7 890,3(14).
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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ge sich die Präposition „neben" auf „Notenbank", während sie sich nach der zweiten Deutung auf „Geld- und Kreditpolitik" erstreckte. Dies macht deutlich, daß die Begründung zum allgemeinen Teil des Regierungsentwurfs verschiedene Auslegungsmöglichkeiten offenläßt und sich daher nicht als Beleg für die Ausklammerung der Bundesbank aus dem Kreis der nach § 13 Abs. 3 StWG Verpflichteten fruchtbar machen läßt. Nicht zuletzt sprechen schließlich auch Sinn und Zweck der in § 13 Abs. 3 StWG getroffenen Regelung für eine extensive, sämtliche Träger der mittelbaren Bundesstaatsverwaltung miteinbeziehende Auslegung des § 13 Abs. 3 StWG. Denn indem § 13 Abs. 3 StWG bestimmt, daß die bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben die Ziele des § 1 StWG berücksichtigen sollen, erweitert er den auf die unmittelbare Staatsverwaltung beschränkten Geltungsbereich des § 1 StWG und stellt klar, daß sich diese Verpflichtung auch auf die mittelbare Staatsverwaltung erstrecken soll. Durch die Regelungen der §§ 1,13 Abs. 3 StWG soll somit die gesamte, sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Staatsverwaltung an die wirtschaftspolitischen Teilziele des magischen Vierecks gebunden werden 26. Deutlich wird die Problematik einer Beschränkung des § 13 Abs. 3 StWG auf die Träger öffentlicher Haushalte schließlich auch vor dem Hintergrund des um die rechtliche Qualifikation der Deutschen Bundesbank geführten Meinungsstreits27. Wollte man die Deutsche Bundesbank zur unmittelbaren Staatsverwaltung zählen, so ergäbe sich ihre Bindung an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unzweifelhaft aus § 1 StWG. Es müßte aber verwundern, sollte die Bindung der Deutschen Bundesbank an die Teilziele des magischen Vierecks von der umstrittenen Frage ihrer rechtlichen Qualifizierung als Teil der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung abhängen. Und auf ein Letztes sei hingewiesen: Die Deutsche Bundesbank hat in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1967, also dem Jahr, in dem das Stabilitätsgesetz erlassen wurde 28, selbst erklärt, daß sie das Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten habe29.
26
A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 13 Rdnrn. 5 f. Zu dieser Frage der Einordnung der Deutschen Bundesbank als Teil der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung bereits oben im ersten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 8 (S. 105). 28 Das Stabilitätsgesetz wurde am 8. Juni 1967 im Bundesgesetzblatt I, S. 582 verkündet. 29 Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank für das Jahr 1967, S. 29; siehe hierzu auch Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politi27
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Im Ergebnis steht damit fest, daß sich die Verpflichtung des § 13 Abs. 3 StWG auch auf die Deutsche Bundesbank erstreckt und diese somit nach § 13 Abs. 3 StWG i.V.m. § 1 StWG bei der Wahrnehmung der ihr obliegenden Aufgaben an die vier Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gebunden ist. b) Sachlich-inhaltliche Steuerungskraft des Stabilitätsgesetzes
Offen ist damit nurmehr, welche sachlich-inhaltliche Steuerungskraft die in § 1 und § 13 Abs. 3 StWG getroffene Verpflichtung für die Bundesbank zur Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aufweist. Diese Frage ist abermals im Lichte der oben gewonnenen Erkenntnisse zur legislatorischen Steuerungskraft von Gesetzen zu beantworten. Danach kann diesen Bestimmungen des Stabilitätsgesetzes kein nennenswerter legitimationsvermittelnder Gehalt zuerkannt werden. Dies folgt aus drei Gründen: Erstens handelt es sich bei den in § 1 StWG festgelegten wirtschaftspolitischen Teilzielen lediglich um vage Zielvorgaben, die nur das anzuvisierende Ziel umreißen, ohne dabei freilich den Weg zu dessen Verwirklichung normativ vorzugeben. § 1 StWG ist also in Form eines Zweckprogrammes konzipiert, dessen legitimationsvermittelnder Gehalt deutlich hinter der Steuerungskraft von Konditionalprogrammen zurückbleibt 30. Zweitens enthält das Stabilitätsgesetz nicht nur das Ziel der Geldwertstabilität, sondern daneben noch drei weitere wirtschafts- undfinanzpolitische Teilziele, welche die Deutsche Bundesbank im Rahmen ihrer Währungspolitik zu berücksichtigen hat. Das Stabilitätsgesetz trifft jedoch keine Entscheidung darüber, welchem dieser Zielwerte im Falle eines Zielkonfliktes der Vorrang einzuräumen ist, sondern verlagert diese Entscheidung auf den Norminterpreten 31 , hier also: auf die Deutsche Bundesbank. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die sachlich-inhaltliche Steuerungskraft des Stabilitätsgesetzes nur schwach ausgeprägt. Und drittens ist der legitimationsvermittelnde Gehalt des Stabilitätsgesetzes auch deswegen stark eingeschränkt, weil nach dem Gesetz jede einzelne Stelle selbst darüber befindet, auf welchem Wege den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen ist. Die Definitionsmacht bei scher Autonomie, S.175 f; J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 121. 30 Dazu bereits oben im ersten Teil, Kapitel 4, Fn. 38 ff. (S. 98 f.). 31 Zu der Frage des legitimationsvermittelnden Gehalts von Zweckprogrammen, die keine Regelung für den Fall möglicher Zielkonflikte enthalten, oben im ersten Teil, Kapitel 4, nach Fn. 39 (S. 98).
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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der Konkretisierung und Umsetzung der wirtschafts- und währungspolitischen Zielvorgaben liegt bei den jeweiligen staatlichen Stellen. Angesichts der Weite der normativen Begriffsfelder muß demnach gleichsam zwingend auch die Bestimmung dessen, was unter einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht im einzelnen zu verstehen ist, unterschiedlich ausfallen. Eine einheitliche, die normative Steuerungskraft des Stabilitätsgesetzes erhöhende Interpretation dieses in höchstem Maße unbestimmten Rechtsbegriffes ist somit nicht gewährleistet. Aus diesen Gründen kommt dem Stabilitätsgesetz - ebenso wie dem Bundesbankgesetz - nur eine geringe legitimationsstiftende Steuerungskraft zu 32 . I I I . Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank Im vorgehenden wurde gezeigt, daß das Bundesbankgesetz und das Stabilitätsgesetz für sich genommen der Deutschen Bundesbank nicht die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation vermitteln. Daraus erhellt, daß es zwingend der Weisungsgewalt der Exekutivspitze gegenüber der Bundesbank bedarf, um das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau zu erreichen. Nur wenn die Deutsche Bundesbank an die Weisungen der Bundesregierung gebunden ist, kann das durch die fehlende legislatorische Steuerungskraft bewirkte Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank ausgeglichen werden 33. Dieser Frage wird im folgenden nachgegangen. 1. Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank gem. § 12 Satz 2 BBankG Das Verhältnis der Bundesbank zur Bundesregierung ist in § 12 Satz 2 BBankG geregelt. Danach ist die Bundesbank bei der Ausübung der ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehenden Befugnisse von den Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Im Hinblick auf die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank erscheint es angezeigt, die Vorschrift des § 12 Satz 2 BBankG genau auszuleuchten, um die Reichweite der darin statuierten Weisungsfreiheit der Bundesbank bestimmen zu können.
32
Im Ergebnis ebenso M Strößenreuther, Die behördeninterne Kontrolle, S. 54 in Fn. 151. 33 Zu dem korrelativen Zusammenhang zwischen Gesetz und Weisung im ersten Teil, Kapitel 4, S. 98 ff.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Unter „Weisungen" im Sinne des § 12 Satz 2 BBankG sind die auf den konkreten Einzelfall bezogenen Akte der Bundesregierung im Rahmen ihrer Exekutivaufgaben zu verstehen34. Die Bundesbank ist also von jeglichen Einzelweisungen der Bundesregierung freigestellt; in dem Maße ihrer Weisungsfreiheit unterliegt sie nicht der Fachaufsicht der Bundesregierung 35. Die Weisungsunabhängigkeit der Bundesbank besteht nach dem Wortlaut des § 12 Satz 2 BBankG aber nicht allumfassend, sondern ist bezogen auf die Befugnisse, die ihr nach dem Bundesbankgesetz zugewiesen sind 36 . Nur insoweit ist die Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung freigestellt und nimmt ihre Befugnisse eigenverantwortlich wahr. Dagegen kommt § 12 Satz 2 BBankG dann nicht zum Tragen, wenn die Deutsche Bundesbank in Ausübung von Befugnissen handelt, die ihr nach Maßgabe anderer Gesetze wie beispielsweise auf Grund des Außenwirtschaftsgesetzes 37 oder auf Grund des Kreditwesengesetzes in der Bankenaufsicht 38 zugewiesen sind. In sämtlichen dieser außerhalb des Bundesbankgesetzes geregelten Aufgabenfelder gelangt § 12 Satz 2 BBankG thematisch nicht zur Anwendung, mit der Folge, daß die Deutsche Bundesbank insoweit den Weisungen der Exekutivspitze untersteht39.
34 J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12ΙΠ. 2. 35 J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 DI. 2.; zu der strittigen Frage, ob die Bundesbank der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterliegt H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 255 mit Fn. 7, dazu auch noch später auf S. 169 ff. 36 H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 298; L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 12 Rdnr. 17;H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 255; J. v. Spindler ! W. Bekker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 ΙΠ. 2.; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 499. 37 So zum Beispiel § 28 Abs. 2 AWG vom 28. 4. 1961 (BGBl. I, S. 481), vgl. hierzu H. Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 383; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 209 ff. 38 So etwa §§ 7, 13 ff., 44 KWG, hierzu J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 205 ff.; zu weiteren Befugnissen der Bundesbank außerhalb des Bundesbankgesetzes abermals J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 205 ff. 39 So die angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 12 Satz 2 BBankG mittlerweile einhellige Literaturmeinung, statt aller E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 88 Rdnr. 25; K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 173; H. Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 383; J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12IÏÏ. 2.
Kap. 3 : Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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2. Zum Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Durchbrechung der Weisungsunabhängigkeit? Indes stellt sich die Frage, ob die der Deutschen Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG gewährte Unabhängigkeit durch § 12 Satz 1 BBankG relativiert wird. Gem. § 12 Satz 1 BBankG ist die Deutsche Bundesbank verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unter Wahrung ihrer Aufgabe zu unterstützen. Wie dieses Verhältnis von § 12 Satz 1 zu § 12 Satz 2 BBankG zu bestimmen ist, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert. Dabei stehen sich im wesentlichen zwei gegenläufige Auffassungen gegenüber, die im folgenden dargestellt und auf ihren verfassungssystematischen Begründungswert hin analysiert werden [dazu unter a) und b)]. Da sich hierbei herausstellen wird, daß keiner der Vorschläge aus der Literatur zu überzeugen vermag, wird im Anschluß daran nach einem alternativen Lösungsweg Ausschau gehalten, der das Verhältnis beider Normen treffend erfaßt [dazu unter c)]. a) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Weisungsunabhängigkeit nur bei Ausübung währungspolitischer Befugnisse?
Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß die Deutsche Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG nur insoweit von den Weisungen der Bundesregierung freigestellt sei, als sie in Vollzug der ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehenden währungspolitischen Befugnisse tätig werde 40. Demgegenüber obliege es der Bundesregierung, im Rahmen ihrer allgemeinen Wirtschaftspolitik über die Teilziele des sogenannten magischen Vierecks zu bestimmen und damit auch das Leitziel der Währungssicherung zu konkretisieren; bei einem Zielkonflikt zwischen den einzelnen Teilzielen falle der Bundesregierung die Aufgabe zu, die konkrete Gewichtung der einzelnen Ziele vorzunehmen, wirtschaftspolitische Prioritäten verbindlich festzulegen und auf diese Weise den Zielkonflikt zu entscheiden41. An diese wirtschaftspolitischen Zielvorgaben respektive die Konkretisierung währungspolitischer Zielsetzungen sei die Bundesbank nach § 12 Satz 1 BBankG gebunden. Weisungsunabhängigkeit genieße sie nach § 12 Satz 2 BBankG nur bei Vollzug dieser durch die Bundesregierung festgelegten währungspolitischen Zielvorgaben. Ausgangspunkt und Grundlage dieses Abgrenzungsversuchs beider Normbereiche ist die Überlegung, daß die Bundesregierung nach § 1 StWG an sämt40 Hierzu und im folgenden H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 13 ff. 41 H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 35.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
liehe Teilziele des magischen Vierecks gebunden ist, die sie im Rahmen ihrer allgemeinen Wirtschaftspolitik berücksichtigen muß. Da zwischen diesen vier Teilzielen ein korrelativer Zusammenhang bestehe, habe die Verwirklichung jedes einzelnen Ziels zwangsläufig Auswirkungen auf den Erreichungsgrad der übrigen Ziele. Eine einseitige Zielfokussierung müsse daher unweigerlich Konsequenzen auch für die anderen Teilziele haben. Da die Bundesregierung nach § 1 StWG an sämtliche Teilziele gebunden sei, obliege ihr auch die politische Entscheidung darüber, wie die einzelnen Teilziele zu akzentuieren seien und welchen der konfligierenden Ziele im Einzelfall Vorrang gebühre. Daher zähle es zu den Aufgaben der Bundesregierung, durch Festsetzung des Verwirklichungsgrads das Leitziel der Währungsstabilität im einzelnen zu konkretisieren. Die Bundesbank sei an diese währungspolitischen Direktiven nach § 12 Satz 1 BBankG gebunden. Im Hinblick auf diese währungspolitischen Vorgaben verfüge die Notenbank über keinerlei eigenen Gestaltungsspielraum, sondern sei insoweit den Weisungen der Bundesregierung unterworfen. Der durch § 12 Satz 2 BBankG vermittelte Autonomiebereich der Deutschen Bundesbank sei den währungspolitischen Zielvorgaben der Bundesregierung gleichsam „nachgelagert" und erstrecke sich ausschließlich auf die zur Ausführung und Verwirklichung der Zielvorgaben erforderlichen Maßnahmen. Die der Bundesbank in § 12 Satz 2 BBankG verliehene Unabhängigkeit sei daher eine um die gubernativ bestimmte währungspolitische Zielvorgabe reduzierte, auf deren Vollzug beschränkte Autonomie, kurzum: eine „planbeschränkte Autonomie"42. Diese Auffassung steht und fallt mit der Frage, ob der in § 12 Satz 2 BBankG geregelten Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank eine Aufspaltung zwischen den währungspolitischen Zielvorgaben einerseits und den zur Verwirklichung der Ziele erforderlichen währungspolitischen Befugnissen andererseits zugrunde liegt. Bei einer isolierten Betrachtung des § 12 Satz 2 BBankG könnte sich diese Schlußfolgerung in der Tat aufdrängen, weil sich die Weisungsunabhängigkeit der Bundesbank nach dem Wortlaut des § 12 Satz 2 BBankG auf die „Ausübung der Befugnisse" bezieht. Eine solche Auslegung läßt jedoch den systematischen Zusammenhang des § 12 Satz 2 zu § 3 BBankG außer acht. § 3 BBankG bestimmt, daß die Deutsche Bundesbank mit Hilfe der ihr nach dem Bundesbankgesetz zustehenden währungspolitischen Befugnisse den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel regelt, die Währung zu sichern. § 3 BBankG gibt das Leitziel
42 H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 43 ff; ebenso H.-J. Arndt, Von der politischen zur plangebundenen Autonomie, in: D. Duwendag (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bundesbank, S. 15 ff; W. Hoffmann-Riem, AöR 96 (1971), 443 ff.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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vor, das die Bundesbank bei der Wahrnehmung der ihr obliegenden währungspolitischen Befugnisse (§§ 14 ff. BBankG) zu verwirklichen hat, nämlich das Ziel der Währungssicherung. Die Währungssicherung ist also die Maxime, an der sich die Bundesbank bei ihren monetären Entscheidungen auszurichten hat. Die in §§ 14 ff. BBankG geregelten währungspolitischen Befugnisse sind der Deutschen Bundesbank damit allein zum Zwecke der Währungssicherung zugewiesen. Daraus erhellt, daß sich der unabhängigkeitsvermittelnde Normbereich des § 12 Satz 2 BBankG nicht allein auf die Ausübung der währungspolitischen Befugnisse bezieht, sondern auch auf die Konkretisierung der hiermit zu verwirklichenden währungspolitischen Ziele. Kurzum: Der Deutschen Bundesbank obliegt auch die Bestimmung und Konkretisierung des Leitziels der Währungssicherung. Damit aber stimmt es nicht überein, wenn vertreten wird, daß diese Entscheidung allein in den Händen der Bundesregierung liege und die Bundesbank deren währungspolitische Vorgaben aufgrund ihrer Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG zu exekutieren habe. Vielmehr fällt diese Entscheidungs- und Bestimmungsmacht nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 3 BBankG der Bundesbank zu. Da diese Aufgabe am Garantiegehalt des § 12 Satz 2 BBankG teilnimmt, verfügt die Deutsche Bundesbank über eine währungspolitische Bestimmungsmacht, der sich die Bundesregierung faktisch fügen muß, weil sie selbst über keinerlei monetäres Instrumentarium verfügt, um die Währung zu sichern. Für dieses Ergebnis streitet auch der Wortlaut des § 12 Satz 1 BBankG. Danach ist die Deutsche Bundesbank zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nur „unter Wahrung ihrer Aufgabe" verpflichtet. Das bedeutet, daß die Unterstützungspflicht ihre Grenze in dem währungspolitischen Auftrag der Deutschen Bundesbank findet 43 , zu dessen Erledigung ihr weitreichende Autonomie eingeräumt ist. Der Wortlaut des § 12 Satz 1 BBankG selbst geht also von einem Entscheidungsprimat der Bundesbank in allen währungspolitischen Angelegenheiten aus. Daß der Bundesbank die Entscheidungsbefugnis über die Festsetzung der währungspolitischen Leitziele zusteht und sie insoweit nicht an entsprechende Vorgaben der Bundesregierung gebunden ist, spiegelt sich auch in der Vorschrift über die Zusammenaibeit zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung wider. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BBankG haben die Mitglieder der Bundesregierung zwar das Recht, an den Beratungen des Zentralbankrates teilzunehmen; ein die währungspolitischen Entscheidungen mitbeeinflussen43
Siehe nur H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 306; H. Henckel, Beilage 7 / WM 1957, 1 (10); J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 2.; W. Schubert, BB 1957, 829 (830).
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
des Stimmrecht kommt ihnen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BBankG jedoch nicht zu. Dies läßt augenscheinlich werden, daß der Deutschen Bundesbank die währungspolitische Entscheidungsmacht frei von gubernativen Einwirkungen verliehen ist. Das Bundesbankgesetz weist also die letztverbindliche Bestimmungsmacht über sämtliche währungspolitischen Fragen der Deutschen Bundesbank zu, die insoweit über einen umfassenden, ihrer ausschließlichen Gestaltungsfreiheit unterliegenden Autonomiebereich verfügt. Und schließlich ist gegen die hier in Rede stehende Auffassung zur Reichweite des § 12 Satz 2 BBankG auch einzuwenden, daß sie gänzlich unbeantwortet läßt, worin der spezifische Sinn der Weisungsunabhängigkeit liegen soll, sofern sich diese allein auf die Wahrnehmung der währungspolitischen Befugnisse, nicht hingegen auch auf die Konkretisierung des Ziels der Währungssicherung bezöge. Ein sachlich einleuchtender Grund für eine solche Differenzierung besteht nicht. Vielmehr sind die monetären Befugnisse der Bundesbank nicht aus Selbstzweck übertragen, sondern funktional auf das Ziel der Geldwertstabilität gerichtet. Mit der Ausgliederung der Bundesbank aus dem hierarchisch aufgebauten Staatsapparat wird das Ziel verfolgt, die währungspolitischen Entscheidungen aus dem allgemeinen politischen Beziehungsgefüge herauszulösen, um auf diese Weise eine effektive Geldwertsicherung zu gewährleisten. Im Lichte dieser spezifischen Zielsetzung muß daher sowohl die Konkretisierung und als auch die Umsetzung der betreffenden währungspolitischen Entscheidungen in die Hände einer von gubernativen Weisungen entbundenen Währungsbank gelegt werden. Auch hieraus erhellt, daß der Garantiegehalt des § 12 Satz 2 BBankG nicht auf die Ausübung der währungspolitischen Befugnisse durch die Bundesbank beschränkt ist, sondern auch die Konkretisierung der währungspolitischen Zielvorgaben umfaßt. b) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Unterstützungspflicht nur im außermonetären Aufgabenbereich?
Andere Vertreter im Schrifttum bestimmen das Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG in der Weise, daß in § 12 Satz 2 BBankG der Grundsatz für die organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank verankert sei, von dem § 12 Satz 1 BBankG eine Ausnahme statuiere. Die beiden Sätze des § 12 BBankG seien gleichsam umzudrehen und in umgekehrter Reihenfolge zu lesen44. Dabei erstrecke sich die durch § 12 Satz 2 BBankG vermittelte Autonomie der Bundesbank auf die ihr nach 44 So ausdrücklich H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 296; D. Uhlenbruch Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 97.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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dem Bundesbankgesetz zum Zwecke der Währungssicherung zugewiesenen Befugnisse; die Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG betreffe den sonstigen, außerwährungspolitischen Tätigkeitskreis der Bundesbank45. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als zutreffend erkannt wird, daß sich die in § 12 Satz 2 BBankG statuierte Weisungsfreiheit der Deutschen Bundesbank auf die ihr nach dem Bundesbankgesetz zum Zwecke der Währungssicherung zugewiesenen Befugnisse bezieht. Sofern indes die Verpflichtung zur Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG auf den sonstigen, außermonetären Aufgabenbereich der Bundesbank bezogen wird, wird übersehen, daß in diesem Falle die Unterstützungspflicht der Bundesbank einzig bei der Wahrnehmung der ihr nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben sinnfällig werden könnte; denn nach dem Bundesbankgesetz darf die Bundesbank ausschließlich am Leitziel der Währungsstabilität orientierte Entscheidungen treffen (§ 3 BBankG). Bei einem solchen Verständnis des § 12 BBankG wäre jedoch die in Satz 1 getroffene Regelung überflüssig, weil sich die Bundesbank bei der Ausübung der ihr nach Maßgabe anderer Gesetze übertragenen Aufgaben ohnehin nicht auf eine Weisungsfreiheit berufen kann, sondern nach allgemeinen demokratischen Grundsätzen in den hierarchisch strukturierten Verwaltungsaufbau integriert ist. Außerdem kann sich die Unterstützungspflicht des § 12 Satz 1 BBankG verständigerweise nur auf den der Bundesbank nach dem Bundesbankgesetz überantworteten Aufgabenkreis beziehen. Soll demnach die Regelung des § 12 Satz 1 BBankG einen Sinn haben, so muß ihr ein Anwendungsbereich innerhalb des durch das Bundesbankgesetz abgesteckten und umgrenzten währungspolitischen Tätigkeitsfeldes der Deutschen Bundesbank zuerkannt werden. Dementsprechend werden im folgenden die beiden Normbereiche des § 12 BBankG in einer Weise voneinander abgegrenzt, daß sowohl der Unterstützungspflicht des § 12 Satz 1 BBankG ein Anwendungsbereich belassen als auch dem spezifischen Sinngehalt der durch § 12 Satz 2 BBankG vermittelten Autonomie der Bundesbank hinreichend Rechnung getragen wird.
45 E. Bernauer; Staat und Notenbank, S. 123; H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 70 f.; G. Rinck, Wirtschaftsrecht, S. 158; H. Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 382; J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 2.; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 102. 11 Brosius-Gersdorf
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion c) Verhältnis des § 12 Satz 2 zu § 12 Satz 1 BBankG: Unterstützungspflicht unter dem Vorbehalt mangelnder Beeinträchtigung der Währungssicherung
Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß der Deutschen Bundesbank nach dem Bundesbankgesetz die Entscheidungsbefugnis in allen währungspolitischen Angelegenheiten zukommt. Aus § 12 Satz 2 BBankG i.V.m. § 3 BBankG sowie aus § 13 Abs. 2 BBankG folgt, daß die Bundesbank im Interesse der Währungsstabilität über einen umfassenden Autonomiebereich verfügt, innerhalb dessen sie keinen gubernativen Einwirkungen unterliegt, sondern eigenbestimmt und eigenverantwortlich sowohl das Ziel der Geldwertstabilität konkretisieren als auch die hierzu erforderlichen monetären Maßnahmen frei auswählen kann. Ungeklärt ist indes, in welchem Verhältnis dieses währungspolitische Entscheidungsprimat der Bundesbank zu der in § 12 Satz 1 BBankG geregelten Unterstützungspflicht steht. Zu den Leitlinien der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, welche die Bundesbank nach dieser Vorschrift zu unterstützen verpflichtet ist, zählen sämtliche Komponenten des magischen Vierecks im Sinne des Stabilitätsgesetzes und damit auch das (Teil-)Ziel der Geldwertstabilität46. Hinsichtlich dieses Ziels liegt aber die letztverbindliche Entscheidungsmacht nach dem Bundesbankgesetz bei der Deutschen Bundesbank, so daß insoweit keine Verpflichtung zur Unterstützung der Bundesregierung besteht. Doch auch im Hinblick auf die übrigen drei Ziele des magischen Vierecks steht die Unterstützungspflicht unter einem maßgeblichen Vorbehalt: Da die vier Teilziele in vielfältiger Hinsicht miteinander verschränkt und verwoben sind, können Maßnahmen der Bundesregierung auf den Politikfeldern des Arbeitsmarktes, des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts und des Wirtschaftswachstums währungspolitische Auswirkungen haben. Ist aber dieses Feld der Währungspolitik der alleinigen Gestaltungsmacht der Deutschen Bundesbank überantwortet, erhellt daraus, daß sie ihres währungspolitischen Gestaltungsauftrags nicht unter Hinweis auf die Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG beraubt werden darf. Das sich im Bundesbankgesetz eindeutig manifestierende monetäre Entscheidungsprimat der Bundesbank prägt demnach auch die in § 12 Satz 1 BBankG geregelte Unterstützungspflicht und verleiht dieser ihre spezifische Kontur. Das bedeutet, daß die Deutsche Bundesbank zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nur insoweit verpflichtet ist, als dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Währungsstabili-
46
H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 304; J. v. Spindler ! W. Bekker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 121.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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tät möglich ist 47 . Mit anderen Worten: Die Unterstützungspflicht steht unter dem Vorbehalt der mangelnden Beeinträchtigung des Leitziels der Währungssicherung48. Sofern ein Befolgen der Parameter der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit dem von der Deutschen Bundesbank definierten und konturierten Ziel der Geldwertstabilität konfligiert oder dieses gar zu durchkreuzen droht, kommt die Unterstützungspflicht nach § 12 Satz 1 BBankG nicht zum Tragen. Sollten gleichwohl noch letzte Auslegungszweifel bestehen, lassen sich diese mit einem Blick auf den Wortlaut des § 12 Satz 1 BBankG ausräumen. Danach ist die Deutsche Bundesbank nur „unter Wahrung ihrer Aufgabe" verpflichtet, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Damit bringt der Gesetzgeber in wünschenswerter Deutlichkeit zum Ausdruck, daß die Unterstützungspflicht unter dem maßgeblichen Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit den währungspolitischen Leitentscheidungen der Deutschen Bundesbank steht49. 3. Weitere Unterstutzungs- und Kooperationspflichten der Deutschen Bundesbank Neben der in § 12 Satz 1 BBankG statuierten Unterstützungspflicht der Bundesbank bei der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung bestehen nach dem Bundesbankgesetz noch weitere Unterstützungs- und Kooperationspflichten. Auch im Hinblick auf diese Verpflichtungen der Deutschen Bundesbank ist im folgenden zu klären, ob sie die Unabhängigkeit der Bundesbank zu beschränken vermögen. a) Beratungs- und Auskunftsrecht nach § 13 Abs. 1 BBankG
Gem. § 13 Abs. 1 BBankG ist die Deutsche Bundesbank verpflichtet, die Bundesregierung in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer
47 Entsprechend nunmehr auch die in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung getroffene Regelung, wonach das Europäische System der Zentralbanken die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft unterstützt, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, hierzu noch im vierten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 207 (S. 369 f.). 48 Zutreffend daher T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 90 f. 49 Siehe nur H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 306; H. Henckel, Beilage 7 / WM 1957, 1 (10); J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 2.; W. Schubert, BB 1957, 829 (830).
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Bedeutung zu beraten und ihr auf Verlangen Auskunft zu geben50. Die Beratungspflicht besteht dabei nicht nur auf Ersuchen der Bundesregierung, sondern schließt auch das Recht zur eigenen Initiative der Bundesbank ein 51 . Diese Beratungspflicht der Bundesbank besteht nach § 13 Abs. 1 BBankG aber nicht uneingeschränkt, sondern ist auf Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung begrenzt 52. Eine Verpflichtung zur Beratung besteht also nicht in bloß untergeordneten oder außermonetären Angelegenheiten. Sinn und Zweck dieser Beschränkung ist es zu vermeiden, daß die Bundesregierung auf diesem Wege ein wirksames Kontrollinstrument gegenüber der Bundesbank erlangt 53. Die Beratungspflicht ist lediglich ein Mittel zur Koordinierung und Abstimmung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit der Währungspolitik der Bundesbank54. Sie erschöpft sich in einer reinen Konsultation und Dokumentation, ohne daß dadurch die Bundesregierung die Möglichkeit zur Beeinflussung und Steuerung der Währungspolitik der Bundesbank erhielte 55. Zwar kann prinzipiell auch unverbindlichen Beteiligungsrechten eine gewisse Steuerungs- und Kontrollfunktion und damit legitimationsvermittelnder Gehalt zukommen56. Dies jedoch nur insoweit, als sie Mittel oder Voraussetzung für die Ausübung von Steuerungsbefugnissen sind 57 . Dienen sie jedoch wie hier ausschließlich der Koordination und Information, ohne daß daraus Ingerenzrechte erwachsen können, so tendiert der legitima50 Zum Inhalt dieser Beratungs- und Auskunftspflicht der Deutschen Bundesbank nach § 13 Abs. 1 BBankG ausführlich J. v. Spindler I W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 51 Vgl. nur//. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 13 Κ 320; L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 13 Rdnr. 4; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 257; H. Fögen, Geldund Währungsrecht, S. 71; J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 52 Eine „Angelegenheit von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung" ist zum Beispiel die Änderung des Wechselkurses der D-Mark, vgl. dazu den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 1961, S. 3; dazu auch J. v. Spindler I W. Bekker I O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 53 H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 13 Κ 320; J. v. Spindler ! W. Becker I O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 54 Vgl. nur//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 256 f.; J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 55 J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 180, der darauf hinweist, daß eine Beeinflussung des Zentralbankrates durch die Mitglieder der Bundesregierung nur durch die in der Diskussion vorgetragenen Argumente, also durch argumentative Uberzeugungsleistung erfolgen könne, die jedoch maßgeblich von der persönlichen Überzeugungskraft der Regierungsmitglieder abhänge und daher in ihrer konkreten Auswirkung nur schwer einschätzbar sei. 56 Dazu M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 344; W. Loschelder, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 68 Rdnrn. 3,47,60 ff.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 18 ff, 38. 57 M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 344.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
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tionsstiftende Gehalt solcher unverbindlichen Beteiligungsrechte gegen Null 5 8 . Mithin vermag die Beratungspflicht der Deutschen Bundesbank ihre nach § 12 Satz 2 BBankG gewährte Unabhängigkeit nicht zu beschränken59. Im Gegensatz zu der Beratungspflicht besteht die Auskunftsverpflichtung der Bundesbank nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 1 BBankG nur auf ausdrückliches Verlangen der Bundesregierung. Insoweit kann die Bundesbank also nicht von sich aus, sondern nur auf Initiative der Bundesregierung tätig werden 6 0 . Ebenso wie die Beratungspflicht ist auch die Auskunftsverpflichtung nach § 13 Abs. 1 BBankG auf Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung beschränkt. Dabei hat auch dieses Beteiligungsrecht der Bundesregierung lediglich konsultative Bedeutung, ohne Verbindlichkeiten für die Bundesbank zu begründen. Ebenso wie der Beratungspflicht kommt auch der Auskunftspflicht mithin legitimationsvermittelnder Gehalt nicht zu. Auch sie vermag daher den der Deutschen Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG gewährten Autonomiebereich nicht zu durchkreuzen 61. b) Teilnahme- und Aussetzungsrecht nach § 13 Abs. 2 BBankG
Weiter ist die Bundesregierung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BBankG berechtigt, an den Beratungen des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank teilzunehmen. Dieses Teilnahmerecht umfaßt zwar nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BBankG auch die Befugnis, Anträge zu stellen. Ob der Zentralbankrat diesen Anträgen entspricht, ist indes allein in sein Ermessen gestellt; das Antragsrecht ist lediglich unverbindlicher Natur. Die Bundesregierung verfügt dadurch über keinerlei Steuerungs- und Einflußnahmemöglichkeiten im Hinblick auf die währungspolitischen Entscheidungen der Bundesbank. Ebenso wie das Beratungsund Auskunftsrecht nach § 13 Abs. 1 BBankG dient auch das Teilnahmerecht nach § 13 Abs. 2 BBankG nur der Information der Bundesregierung sowie der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung mit der Notenbank-
58
Daher stellt sich auch die - lediglich unverbindliche - Konsultation Privater an staatlichen Entscheidungsprozesssen nicht als legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG dar. 59 So explizit J. v. Spindler / W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131. 60 H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 13 Κ 321; J. v. Spindler I W. Becker / O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 13 I.; nicht eindeutig dagegen insoweit H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 257, der anscheinend sowohl bei der Beratungs- als auch bei der Auskunftspflicht von einem eigenen Initiativrecht der Deutschen Bundesbank ausgeht. 61 So ausdrücklich J. v. Spindler / W. Becker l O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 131.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
politik. Dem entspricht es auch, daß die Mitglieder der Bundesregierung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 13 Abs. 2 Satz 2 BBankG kein Stimmrecht bei den Beschlußfassungen des Zentralbankrates besitzen. Die Teilnahme der Regierungsmitglieder an den Sitzungen des Zentralbankrates vermag somit die Entscheidungsfreiheit der Bundesbankleitung nicht zu beeinträchtigen 62 und kann daher die der Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG gewährte Unabhängigkeit nicht beschränken. Daran ändert auch nichts, daß die Mitglieder der Bundesregierung nach § 13 Abs. 2 Satz 3 BBankG ein Vetorecht haben, mittels dessen die Beschlußfassung des Zentralbankrates auf ihr Verlangen bis zu zwei Wochen auszusetzen ist. Denn dadurch können Beschlüsse des Zentralbankrates nicht endgültig verhindert, sondern längstenfalls um zwei Wochen hinausgeschoben werden 63 . Ziel dieser Regelung ist es, bei Kontroversen zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung zunächst zu versuchen, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen64. Läßt sich eine solche Einigung jedoch nicht erzielen, sind die Möglichkeiten der Bundesregierung erschöpft. Nach Ablauf der Aussetzungsfrist besitzt die Bundesregierung keine weiteren Vetobefugnisse, so daß der Beschlußfassung des Zentralbankrates nichts mehr im Wege steht. Mithin gewährt auch das Aussetzungsrecht nach § 13 Abs. 2 Satz 3 BBankG der Bundesregierung im Konfliktfalle keinerlei steuernde Einflußnahme und vermag daher die der Bundesbank eingeräumte Währungsautonomie auch nicht zu beschränken. c) Sanktionsmöglichkeiten der Bundesregierung
Dieses Ergebnis wird zusätzlich dadurch erhärtet, daß der Bundesregierung nach dem Bundesbankgesetz keine Sanktionsmöglichkeiten zustehen, um die Einhaltung der Verpflichtungen der Bundesbank sicherzustellen65. Besteht beispielsweise zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank ein Dissens 62
J. v. Spindler / W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 13 Π. 63 H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 13 Κ 327; Η. J. Hahn, Währungsrecht, S. 257; W. Schubert , BB 1957, 829 (830); J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 13ΙΠ. 64 H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 13 Κ 327; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 257; J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 13 ΠΙ. 65 Deshalb wird von den Verpflichtungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 BBankG auch als „lex imperfecta" gesprochen, siehe nur H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 315; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 256; J. v. Spindlerl W. Becker! O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 3.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
167
darüber, ob der Garantiegehalt des § 12 Satz 2 BBankG Wirkkraft entfaltet oder ob eine „Angelegenheit von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung" i m Sinne des § 13 Abs. 1 BBankG vorliegt, verfügt die Bundesregierung über keinerlei Mittel, eine Klärung dieser Fragen herbeizuführen 66 . Damit ist es aber i m Ergebnis in das Ermessen der Deutschen Bundesbank gestellt, ob sie dem Ersuchen der Bundesregierung nachkommt und ihre Verpflichtungen nach dem Bundesbankgesetz erfüllt. Der Bundesregierung verbleibt nur die Möglichkeit einer „Dramatisierung des Konflikts" 6 7 , um auf diesem Wege eine Entscheidung durch die öffentliche Meinung herbeizuführen 68 . Darüber hinaus kommt allenfalls noch der Weg vor die Gerichte in Betracht, wobei umstritten ist, ob insoweit überhaupt ein Rechtsweg eröffnet und welches Gericht für Streitigkeiten zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank zuständig ist 6 9 . Im übrigen können Konflikte zwischen der Bundesbank und der
66 Siehe nur H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 315; Η. J. Hahn, Währungsrecht, S. 256; Κ. -H. Ladeur , in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 486; J. v. Spindler I W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 3. 67 So der Ausschußbericht des Abgeordneten Schömberg, BT-Drs. 3603 / 1953, S. 5. 68 Dazu H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 315; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 256; J. ν. Spindler I W. Becker I O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Π. 3. 69 Zu dem um die Rechtsschutzmöglichkeiten im Schrifttum geführten Meinungsstreit H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 308 ff; L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 12 Rdnrn. 19 ff; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 256 mit Fn. 14; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 182 ff; K. Stem, Staatsrecht Π, S. 502 f.; D. Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 73 ff Insoweit kommt für Streitigkeiten zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank zum einen eine Verfassungsbeschwerde oder ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und zum anderen eine Klage vor den Verwaltungsgerichten in Betracht. Eine Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 23, 90 ff. BVerfGG scheitert jedoch bereits an der fehlenden Parteifähigkeit der Deutschen Bundesbank. Denn parteifähig im Sinne der Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG sind nur Träger von Grundrechten. Als juristische Person des öffentlichen Rechts beurteilt sich die Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Bundesbank nach Art. 19 Abs. 3 GG. Da jedoch die Errichtung der Bundesbank auf einem staatlichen Gesetz und nicht auf einem privatautonomen Konstitutionsakt beruht, wird die Bundesbank nicht in Wahrnehmung ursprünglicher Freiheiten hinter ihr stehender natürlicher Personen, sondern aufgrund der ihr gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen tätig, so daß sie unter Zugrundelegung der im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG gebotenen anthropozentrischen Betrachtungsweise nicht Träger von Grundrechten und damit auch nicht parteifähig im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist. Jedoch kann bei Streitigkeiten zwischen der Bundesregierung und der Bundesbank ein Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 23, 63 ff. BVerfGG angestrengt werden, da die Bundesbank sowohl als „oberstes Bundesorgan" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG als auch als „anderer Beteiligter" nach § 63 BVerfGG parteifähig ist (so im Ergebnis auch L. Müller, DVB1.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
Bundesregierung nur im Wege von Gesetzesänderungen, also durch den Bundestag bereinigt werden 70. Dies aber sind allesamt Mittel, die der Bundesregierung selbst keinen unmittelbaren Einfluß gegenüber der Bundesbank gewähren. Abschließend ist damit festzuhalten, daß der Deutschen Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG i.V.m. § 3 BBankG ein umfassender Autonomiebereich in sämtlichen währungspolitischen Angelegenheiten zukommt. Die Bundesre-
1992, 1249 [1253]; ebenfalls in diese Richtung deutend P. J. Tettinger, in: M. Sachs [Hrsg.], Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 17.). Was den Begriff des obersten Bundesorgans anbelangt, so deckt sich dieser mit dem des Verfassungsorgans. Da die Deutsche Bundesbank, wie im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu zeigen sein wird, sowohl vor als auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion nach Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG (dazu im dritten Teil, S. 174 ff.) beziehungsweise nach Art. 88 Satz 2 GG (dazu im fünften Teil, S. 377 ff.) grundsätzlich mit verfassungsrechtlicher Unabhängigkeit ausgestattet und keinem anderen Organ untergeordnet ist, ist die Deutsche Bundesbank als Verfassungsorgan und damit auch als oberstes Bundesorgan im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG zu qualifizieren. Zudem ist die Deutsche Bundesbank auch als „anderer Beteiligter" parteifâhig im Organstreitverfahren; sie ist zwar nicht durch die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans, wohl aber durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet. Denn für den Zeitraum vor Beginn der dritten Stufe der Währungsunion gewährt Art. 88 Satz 1 GG der Deutschen Bundesbank die verfassungsrechtliche Befugnis, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der einfache Gesetzgeber die ihm bei der Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens gesetzten, aus Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten hat (siehe dazu im dritten Teil, S. 174 ff.). Und was den Zeitraum nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion betrifft, so ist die Deutsche Bundesbank nach Art. 88 Satz 2 GG verfassungsrechtlich unabhängig und insoweit mit eigenen Rechten ausgestattet (siehe dazu im fünften Teil, S. 377 ff.). Daher ist die Deutsche Bundesbank sowohl vor als auch nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet und somit auch als „anderer Beteiligter" parteifâhig im Organstreitverfahren. Was schließlich eine Klage vor den Verwaltungsgerichten anbelangt, so ist zumindest dann, wenn es bei der Streitigkeit um eine die Weisungsunabhängigkeit der Deutschen Bundesbank betreffende Frage geht, regelmäßig schon die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs zu verneinen. Insoweit fehlt es an der gem. § 40 Abs. 1 VwGO erforderlichen Voraussetzung der „Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art". Denn eine solche Streitigkeit wäre am Maßstab des Art. 88 GG zu bemessen, so daß es um die Anwendung und Auslegung von Verfassungsrecht und damit um eine materiell verfassungsrechtliche Streitigkeit ginge. Im Ergebnis besteht daher zumindest bei die Weisungsunabhängigkeit der Bundesbank betreffenden Streitigkeiten wohl keine Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Daran ändert auch Art. 19 Abs. IV GG nichts, denn dieser soll seiner ratio nach eine „Bastion des Bürgerschutzes" zum Schutze des Individuums sein (siehe nur BVerfGE 61, 82 (101) und setzt damit einen personalen Bezug voraus, der bei der Deutschen Bundesbank gerade fehlt. 70 Zur parlamentarischen Kontrolle der Deutschen Bundesbank bereits oben, S. 143 ff.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
169
gierung verfügt in diesem Bereich nicht über das Steuerungsmittel der Einzelweisung, um die konkreten Entscheidungen der mit der Ausübung von Staatsgewalt betrauten Mitglieder des Zentralbankrates der Bundesbank zu legitimieren.
IV. Rechtsaufsicht der Bundesregierung über die Deutsche Bundesbank Ein weiteres Medium sachlich-inhaltlicher Legitimation ist schließlich die Rechtsaufsicht der Exekutivspitze gegenüber den nachgeordneten Verwaltungseinheiten. Fraglich erscheint jedoch bereits, ob die Deutsche Bundesbank der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterworfen ist. Während Einigkeit darüber besteht, daß die Bundesbank in dem Maße ihrer Weisungsunabhängigkeit (§ 12 Satz 2 BBankG) der Fachaufsicht der Exekutivspitze entzogen ist, ist die Frage nach der Rechtsaufsicht der Bundesregierung gegenüber der Bundesbank umstritten. Für eine solche Rechtsaufsicht der Bundesregierung gegenüber der Deutschen Bundesbank wird zum Teil auf die Rechtsnatur der Bundesbank verwiesen; als Anstalt des öffentlichen Rechts sei die Bundesbank der allgemeinen Rechtsaufsicht der Exekutivspitze unterstellt 71. Dem stehe auch nicht entgegen, daß im Bundesbankgesetz Bestimmungen über die Rechtsaufsicht fehlen; denn eine gesetzliche Normierung der Rechtsaufsicht sei nicht zwingend erforderlich. Schließlich lasse sich als Argument gegen die Rechtsaufsicht der Bundesregierung auch nicht die der Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG zukommende Weisungsunabhängigkeit ins Feld führen; denn erstens befreie § 12 Satz 2 BBankG nur von der Fachaufsicht der Bundesregierung, und zweitens komme der Bundesbank Weisungsfreiheit nur im Rahmen ihres Aufgabenbereiches nach dem Bundesbankgesetz zu 72 . In eine gänzlich andere Richtung zielen dagegen diejenigen, die sich gegen die Befugnis der Bundesregierung zur Rechtsaufsicht über die Deutsche Bundesbank aussprechen73. Zur Begründung wird gleichfalls auf die Rechtsnatur
71
So vor allem K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 186 ff.; R. Breuer, WDStRL 44 (1986), 211 (239); K. Irrgang, Die Rechtsnatur der Deutschen Bundesbank, S. 97; R. Schmidt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΙΠ, § 82 Rdnr. 18; H. J. Wolff I Ο. Bachoff R. Stober, Verwaltungsrecht Π, S. 367. 72 So Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 188. 73 Als Vertreter dieser Auffassung seien vor allem genannt L. Eckert, ÖBA 1990, 415 (417); H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 103; C. A. Gaugenrieder, Die
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
der Bundesbank verwiesen, dies jedoch mit anderer Akzentuierung: Die Bundesbank sei nicht als Anstalt des öffentlichen Rechts, sondern vielmehr als anstaltsähnliche Institution oder als juristische Person sui generis zu qualifizieren und daher von der Rechtsaufsicht der Bundesregierung entbunden74. Darüber hinaus sprächen auch der Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 88 Satz 1 GG gegen eine Rechtsaufsicht der Bundesregierung über die Deutsche Bundesbank75. Ferner folge die Freistellung der Bundesbank von der Rechtsaufsicht der Bundesregierung auch aus § 29 Abs. 1 BBankG, wonach dem Zentralbankrat und dem Bundesbankdirektorium die Stellung von obersten Bundesbehörden zukomme76. Dieser Meinungsstreit läßt deutlich werden, daß die Frage, ob die Bundesregierung gegenüber der Bundesbank über das Steuerungsmittel der Rechtsaufsicht verfügt, maßgeblich von der rechtlichen Qualifizierung der Bundesbank abhängt. Die Rechtsnatur der Deutschen Bundesbank und der damit eng zusammenhängende Problemkreis, ob die Bundesbank der Rechtsaufsicht unterliegt, braucht jedoch im gegebenen Zusammenhang nicht letztverbindlich geklärt zu werden. Denn selbst wenn man für eine solche Rechtsaufsicht plädieren wollte, wäre damit noch nichts fitf die hier in Rede stehende Frage nach deren legitimationsvermittelnder Steuerungskraft gewonnen. Oder anders gewendet: Sofern man der Exekutivspitze die Befugnis zur Rechtsaufsicht gegenüber der Bundesbank gewähren wollte, wäre hiermit noch kein Urteil über den sachlich-inhaltlichen Legitimationswert der Rechtsaufsicht gefällt. Denn die Steuerungskraft und damit auch der legitimationsvermittelnde Gehalt der Rechtsaufsicht ist nicht in jedem Falle gleichermaßen ausgeprägt; vielmehr variiert die Rechtsaufsicht in ihrer Bedeutung als Mittel demokratischer Legi-
rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 114; L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 12 Rdnr. 16; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 255; F. Rittner, Wirtschaftsrecht, § 5 Rdnr. 49; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 180; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 154 f.; J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 2 I.; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 499; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 50; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 143. 74 So vor allem J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 2 I.; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 71. 75 C.-Th. Samm9 Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 180; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 50. 76 So das Argument von C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 114.
Kap. 3: Sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank
171
timationsvermittlung 77. Der Legitimationswert der Rechtsaufsicht hängt maßgeblich von der inhaltlichen Regelungsdichte der betreffenden Gesetze ab, welche den Maßstab für die Rechtsaufsicht bilden. Enthalten die Gesetze detaillierte inhaltliche Vorgaben in Form von Konditionalprogrammen, die dem Normanwender nur geringe eigene Gestaltungsspielräume belassen, so wird bereits durch das Gesetz selbst ein hohes Maß an sachlich-inhaltlicher Legitimation vermittelt. In diesem Fall verfügt die Aufsichtsbehörde mit der Rechtsaufsicht über ein Steuerungsmittel, das es ihr wegen der engmaschigen normativen Vorgaben ermöglicht, die betreffenden staatlichen Funktionsträger zu steuern78. Insoweit nimmt die Rechtsaufsicht einen nicht unbedeutenden Wert auf der Skala sachlich-inhaltlicher Legitimation ein, der dem Legitimationswert der betreffenden Gesetze entspricht. Bilden den Maßstab für die Rechtsaufsicht dagegen solche gesetzlichen Bestimmungen, die lediglich vage Zielvorgaben in Form von Zweckprogrammen enthalten, ist die Steuerungskraft der Rechtsaufsicht geringer einzuschätzen. Denn in diesem Fall wird sachlichinhaltliche Steuerung nicht auf der Ebene des Gesetzes, sondern im wesentlichen durch den exekutiven Normanwender bewirkt, dem die Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben obliegt. Mithin ist der sachlich-inhaltliche Legitimationswert der Rechtsaufsicht nur gering ausgeprägt, soweit ihr gesetzliche Regelungen in Form von Zweckprogrammen zugrunde liegen; dagegen ist er höher, wenn gesetzliche Konditionalprogramme den rechtlichen Maßstab für die Rechtsaufsicht bilden. Dies macht deutlich, daß der Legitimationsgehalt der Rechtsaufsicht nicht aus sich selbst heraus bestimmt werden kann, sondern entscheidend von der Steuerungskraft der zugrunde liegenden Gesetze abhängt. Zwischen der legitimationsvermittelnden Steuerungskraft der Rechtsaufsicht und der Steuerungskraft der betreffenden Gesetze besteht damit ein untrennbarer Zusammenhang. Daraus erhellt, daß die Frage nach dem sachlich-inhaltlichen Legitimationswert der Rechtsaufsicht bereits an anderer Stelle beantwortet wurde: Enthalten die für die Währungspolitik der Deutschen Bundesbank maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Bundesbankgesetzes und des Stabilitätsgesetzes lediglich normative Zweckprogramme und kommt ihnen deswegen nur eine geringe Steuerungskraft zu, so ist damit zugleich das Urteil über die sachlich-inhaltliche Steuerungskraft der Rechtsaufsicht gefällt, welche einen dem Legitimationsgehalt dieser Gesetze entsprechend geringen Legitimationswert
77
Zu der Rechtsaufsicht als Instrument sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung bereits im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 73 - 76 (S. 49 f.); vgl. dazu auch die Nachweise aus dem Schrifttum im ersten Teil, Kapitel 1, in Fn. 74. 78 So auch Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 84.
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2. Teil: Legitimation der Bundesbank vor der Währungsunion
einnimmt. Selbst wenn man also für eine Rechtsaufsicht der Bundesregierung gegenüber der Bundesbank plädieren wollte, wäre deren legitimationsspendender Gehalt nur schwach ausgeprägt und vermöchte daher der Bundesbank die nach dem Grundgesetz erforderliche sachlich-inhaltliche Legitimation nicht zu vermitteln. Damit steht im Ergebnis fest, daß nicht die erforderlichen Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, um den Entscheidungsträgern der Deutschen Bundesbank die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation zu vermitteln. Die Bundesbank ist somit weder in personeller noch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht demokratisch legitimiert.
Zweiter Teil: Ergebnis Der Zentralbankrat als Hauptentscheidungsgremium der Deutschen Bundesbank verfügt nach Maßgabe seiner derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung weder in personeller noch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation. Das personelle Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank hat seinen Grund darin, daß der Zentralbankrat ein Kollegialorgan ist, dessen Mitglieder ihre demokratische Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen. Während die Mitglieder des Direktoriums über eine vom Bundesvolk ausgehende personelle Legitimation verfügen, werden die Präsidenten der Landeszentralbanken von dem jeweiligen Landesvolk berufen und sind damit sub specie des Art. 20 Abs. 2 GG nicht personell demokratisch legitimiert. Das sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit beruht darauf, daß weder die erforderlichen legislatorischen Steuerungsmittel noch das exekutive Instrument der Weisung zur Verfügung stehen, um der Bundesbank die von Verfassungs wegen gebotene Legitimation zu vermitteln. So kommt der Deutschen Bundesbank nach § 12 Satz 2 BBankG i.V.m. § 3 BBankG ein umfassender Autonomiebereich in sämtlichen währungspolitischen Angelegenheiten zu; sie stellt damit einen ministerialfreien Raum im Staatsgefüge dar, welcher der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Auch an dieser Stelle sei jedoch abermals darauf hingewiesen, daß damit noch kein verbindliches Urteil darüber getroffen ist, ob die Deutsche Bundesbank mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Denn Maßstab für die Untersuchung war bislang allein die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG. Offen blieb, ob zugunsten der organisatorischen Ausgestaltung der Bundesbank verfassungsrangige Ausnahmeregelungen eingreifen, welche das Legitimationsdefizit der Bundesbank zu rechtfertigen vermögen1. Erst die Antwort auf diese Frage ermöglicht ein abschließendes Urteil über die Vereinbarkeit der Deutschen Bundesbank mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes; dies ist Gegenstand des dritten Teils.
1
Dazu eingehend im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff.
Dritter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demofr atiedefizits der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung: Verfassungsexplizite und verfassungsimplizite Ausnahmeregelungen Im folgenden ist der Frage nachzugehen, ob das im vorhergehenden herausgearbeitete Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt ist. Die Notwendigkeit einer solchen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank steht außer Frage; denn ansonsten stünde das ungleiche Paar der Deutschen Bundesbank einerseits und des Demokratieprinzips andererseits am Rande des verfassungswidrigen Abgrunds. Als Rechtfertigungstitel können dabei nur solche Verfassungsbestimmungen zum Tragen kommen, die entgegengesetzt zur Stoßrichtung des Demokratieprinzips auf eine unabhängige organisatorische Stellung der Bundesbank drängen und damit den spezifischen Anforderungen des Prinzips demokratischer Legitimation diametral entgegenstehen. Entgegen der nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderlichen regierungsnahen, durch hierarchische Eingliederung in das StaatsgefÜge geprägten Stellung der Bundesbank könnte unter einem anderen verfassungsrechtlichen Aspekt eine von staatlichen Einflüssen freigestellte, durch personelle und sachlich-inhaltliche Unabhängigkeitselemente geprägte Organisationsverfassung der Bundesbank geboten sein. Im Hinblick auf ein solches verfassungsrechtliches Unabhängigkeitsgebot soll im folgenden untersucht werden, ob das besagte Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Bevor jedoch eine Antwort auf diese Frage gefunden werden kann, ist im Sinne einer notwendigen Vorfrage zu klären, welche Verfassungsbestimmungen insoweit als Rechtfertigungstitel dienen können.
Kap. 1 : Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung
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Unter welchen Voraussetzungen Grundgesetzvorschriften als Ausnahmeregelungen von dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG in Betracht kommen, ist weitgehend ungeklärt. Einigkeit besteht lediglich darüber, daß nur solche Regelungen das Demokratieprinzip zu begrenzen vermögen, denen ebenfalls verfassungsrechtliche Valenz zukommt1. Was jedoch im einzelnen für die Rechtfertigung zu verlangen ist, welche verfassungsrechtlichen Vorschriften insoweit zum Tragen kommen können, ist bislang nur unzureichend geklärt. Zunächst gibt es Fälle, in denen die Verfassung ausdrücklich Ausnahmen von den Organisationserfordernissen des Demokratieprinzips zuläßt. Man kann insoweit von verfassungsexpliziten Rechtfertigungstiteln sprechen, die Lücken in der Baustruktur des Prinzips demokratischer Legitimation zu schließen vermögen. Prototypen solcher verfassungsexpliziten Sonderregelungen sind die Art. 97 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 2 GG, denen zufolge den Richtern beziehungsweise den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes Unabhängigkeit sowohl in personeller als auch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht zukommt2. Wie bereits oben erwähnt, zielen diese Verfassungsbestimmungen nicht auf die Herstellung von Volkssouveränität, also nicht auf die Rückführbarkeit jedweder Ausübung von Staatsgewalt auf den Willen des Volkes, sondern auf den Schutz anderer, rechtsstaatlich fundierter Verfassungsgüter. Sie umschreiben demnach nicht den Inhalt dessen, was durch das Prinzip demokratischer Legitimation an verfassungsrechtlicher Substanz gewährleistet ist, sondern dienen dem Schutze anderer, mit dem Demokratieprinzip kollidierender Rechtsgüter. Zu diesem Zwecke enthalten sie organisationsrechtliche Vorgaben, die nicht mit den Organisationserfordernissen des Prinzips demokratischer Legitimation übereinstimmen. Diesen Verfassungsbestimmungen kommt Bedeutung in doppelter Hinsicht zu: Zum einen manifestiert sich in ihnen die Relativität des Demokratieprinzips, das des Ausgleichs mit kollidierenden Verfassungsgütern nicht nur zugänglich, sondern auch bedürftig ist. Zum anderen wird durch diese verfassungsrechtlichen Rechtfertigungstitel selbst der Ausgleich zwischen den kollidierenden Verfassungsnormen geschaffen; mit
1 Statt aller E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 87 Fn. 156; W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 245; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 33 und 49; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 286 f.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 65; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 28, 32; siehe dazu auch bereits im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff. 2 Zu diesen und weiteren verfassungsexpliziten Modifikationen des demokratischen Legitimationsniveaus und den hinter ihnen stehenden Schutzgütern ausführlich oben im ersten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 28 - 38 (S. 61 - 63).
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
anderen Worten: Aus dem Verfassungstext selbst ergibt sich die Auflösung des bestehenden verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses. Schwierigkeiten bestehen indes immer dann, wenn solche ausdrücklichen Rechtfertigungstitel fehlen. Doch auch in diesen Fällen können Lücken im Legitimationsgefüge der staatlichen Verwaltung durch das Grundgesetz gerechtfertigt sein. Eine derartige Rechtfertigungsmöglichkeit ist immer dann anzuerkennen, wenn die Auslegung organisationsrechtlicher Bestimmungen des Grundgesetzes ergibt, daß zum Schutze bestimmter kollidierender Verfassungsgüter ein anderes als das dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip entsprechendes Organisationsmodell erforderlich ist. In diesen Fällen, in denen es zwar einer verfassungsexpliziten Rechtfertigung ermangelt, gleichwohl aber die Rechtfertigung von der Verfassung anerkannt ist, läßt sich von verfassungsimpliziten, im Wege der Verfassungsinterpretation zu gewinnenden Rechtfertigungstiteln sprechen. Ein solcher verfassungsimpliziter Rechtfertigungstitel liegt etwa dann vor, wenn die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber die Dispositionsbefugnis über die organisatorische Ausgestaltung staatlicher Verwaltungsträger zuweist, dem damit von Verfassungs wegen das Recht zusteht, Art und Umfang staatlich-hierarchischer Einwirkung zu bestimmen und damit über Modus und Niveau demokratischer Legitimation zu disponieren3. Exemplarisch hierfür sei nur die Regelung des Art. 88 Satz 1 GG genannt, die - wie später noch im einzelnen zu zeigen sein wird - für den einfachen Gesetzgeber einen Dispositionstitel vorhält, der es ihm erlaubt, über die organisatorische Ausgestaltung der Deutschen Bundesbank, über eine regierungsnahe oder regierungsdistanzierte Organisationsverfassung, frei zu befinden 4. Welches Schutzgut verfassungsrechtlicher Wertigkeit von diesem Dispositionstitel erfaßt ist, braucht an dieser Stelle noch nicht vertiefend behandelt zu werden. Es reicht aus, daß Art. 88 Satz 1 GG von der Existenz eines verfassungsrechtlichen Dispositionstitels implizit ausgeht und damit die Grundlage für eine von dem Organisationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG abweichende Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank schafft. Damit steht im Ergebnis fest, daß Lücken im demokratischen Legitimationsgefüge staatlicher Verwaltung sowohl durch verfassungsexplizite als auch durch verfassungsimplizite Rechtfertigungstitel geschlossen werden können.
3 So ausdrücklich M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 425 ff. und 489 f. 4 Hierzu sowie zu der Einschränkung dieses Gestaltungsspielraums durch Art. 23 Abs. 1 GG noch eingehend in Kapitel 2, S. 239 ff ; ebenso auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 434 f.
Kap. 1 : Rechtfertigung demokratiedefizitärer Staatsverwaltung
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Ob ein solcher Rechtfertigungsgrund zugunsten des Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank besteht, ist im folgenden zu untersuchen.
12 Brosius-Gersdorf
Kapitel 2
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank Die vorangegangenen Erörterungen haben den Boden für die nun folgende Untersuchung bereitet. Zu eruieren ist, ob das Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank durch - explizite oder implizite - verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen von den Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist. In einem ersten Schritt werden dabei diejenigen Argumentationsansätze auf ihre verfassungsdogmatische Begründungskraft hin beleuchtet, die sich nur schwerlich in die Riege der herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden einordnen lassen (dazu unter I.). Da sich diese als unzulässig erweisen werden, um das Demokratiedefizit der Bundesbank zu rechtfertigen, wird im Anschluß daran das tradierte hermeneutische Rüstzeug bemüht, um die Frage zu klären, ob im Grundgesetz eine verfassungsrechtliche Ausnahmeregelung für das Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank besteht (dazu unter II.). L Unzulässige Rechtfertigungsversuche fur die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank Im folgenden werden zunächst diejenigen Begründungsansätze betrachtet, die die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erheben und auf diese Weise die unabhängige Stellung der Bundesbank zu rechtfertigen versuchen1.
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Zu den im Schrifttum vorgetragenen Rechtfertigungsversuchen, welche die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank nicht zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt ihrer Rechtfertigungsversuche erheben, sondern versuchen, die der Bundesbank obliegende Aufgabe der Währungssicherung verfassungsrechtlich zu fundieren und daraus auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Bundesbank zu schließen, noch ausführlich unten auf S. 192 ff.
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1. „Sachverstand" als Begrundungsversuch fur die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank? Zum Teil wird versucht, die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank unter Verweis auf die Kategorie des spezifischen Sachverstandes verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Zur Begründung wird ausgeführt, daß die Sachaufgabe der Währungspolitik ein spezielles Sachwissen erfordere, welches nur eine unabhängige, von den Weisungen staatlicher Institutionen freigestellte Zentralbank haben könne. Die Autonomie der Bundesbank sei daher im Hinblick auf den erforderlichen währungspolitischen Sachverstand zwingend geboten2. Zwar steht außer Frage, daß ein spezifischer Sachverstand zur sachgerechten und wirksamen Erledigung der Staatsaufgaben unabdingbar ist. Auch läßt sich die Einbringung externen Sachverstands, der außerhalb des Beziehungsgefüges politischer Interessen und Einflüsse steht, nur schwerlich mit der Möglichkeit von Weisungen vereinbaren 3. Jedoch ist damit noch nicht die erforderliche argumentative Verbindung zwischen dem notwendigen Sachverstand einerseits und der unabhängigen Organisationsform der Bundesbank andererseits dargetan. In dieser Darbietung erweist sich das Sachverstands-Argument als bloße Behauptung und vermag die Autonomie der Bundesbank nicht zu begründen. Verfassungsdogmatischer Begründungswert kann der Kategorie des Sachverstandes allenfalls in dem Sinne zukommen, als diese funktional auf die Verwirklichung und Optimierung der der Bundesbank obliegenden Sachaufgabe gerichtet ist und über diesen „Umweg" einen aufgabenbezogenen unabhängigen Organisationsrahmen der Bundesbank verlangt4. Oder um es mit den Worten J. Isensees treffend zu sagen: „Die Kategorie des Sachverstandes verkörpert nur ein verfassungstechnisches Hilfsprinzip im Dienst der primären Verfassungsziele und nimmt daher lediglich eine zweitrangige Stellung in der Ordnung der Rechtswerte"5 ein. Der Sachverstandsaspekt hat bei Lichte betrachtet letztlich das Ziel der Gewährleistung von Geldwertstabilität im Auge und ist damit - als Sekundärgebot - funktional auf die Verwirklichung und 2 So U. Di Fabio , VerwArch 81 (1990), 193 (219), der das Argument des Sachverstandes in Verbindung mit dem Prinzip der Effektivität staatlichen Handelns im Rechtsstaatsprinzip verortet; so auch bereits C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (343 f.); vgl. auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 410 f., der den Sachverstand aus Gründen der Machtmißbrauchsverhinderung im Gewaltenteilungsprinzip verankert. 3 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 117; hierzu sowie zu weiteren Gründen für die Ministerialfreiheit auch W. Müller, JuS 1985, 497 (502 f.). 4 Ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 592. 5 J. Isensee, Die typisierende Verwaltung, S. 163; vgl. dazu auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 592 mit Fn. I I I .
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Optimierung des primären Verfassungsziels Geldwertstabilität gerichtet. Dieses funktionale Optimierungsgebot findet noch an anderer Stelle gebührende Beachtung6. Ohne diese Indienststellung kommt dem Sachverstandsargument Bedeutung als verfassungsrangiger Grund für das Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank nicht zu7. 2. „Effizienz 44 als Rechtfertigungsgrund fur Legitimationseinbußen? Der Begrundungsversuch G. F. Schupperts Einen weiteren Versuch zur Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank unternimmt G. F. Schuppert in seiner Untersuchung zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume8. Ausgangspunkt und Grundlage seiner Arbeit ist die These, daß der Staat seine Legitimation weitgehend aus der Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt erfahre 9. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, sei er auf die Mitwirkung unabhängiger und verselbständigter Gruppen und Institutionen zwingend angewiesen. Daraus folgert G. F. Schuppert für die von gubernativen Einzelweisungen exemtierten ministerialfreien Verwaltungseinheiten, daß diese aus Gründen der Effizienz zulässsig seien. Zwar erkennt er an, daß die Freistellung administrativer Bereiche von gubernativ-hierarchischer Bestimmungsmacht „auf Kosten des alleinigen Bestimmungsrechtes des Staates"10 gingen. Dieser in ministerialfreien Räumen bewirkte Steuerungsverlust der Exekutivspitze beschränke aber die parlamentarische Kontrollbefugnis nicht 11 , da das Parlament alternative Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten besitze, um die Funktionsausübung ministerialfreier Stellen „zu überwachen und zu beeinflussen" 12. So kämen dem Parlament Steuerungsmöglichkeiten vor allem durch die Befugnis 6
Vgl. dazu unten auf S. 197 - 226. Im Ergebnis ebenso BVerwGE 41, 334 (354); H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 590 ff; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 56 ff ; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495. 8 Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten. 9 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 251 ff. 10 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 74. 11 So sagt G. F. Schuppert explizit, daß es bei der Untersuchung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ministerialfreier Räume nicht etwa darum gehe, „den Verwaltungstyp der hierarchisch-weisungsgebundenen Ministerialverwaltung zu retten, sondern (allein) die Steuerungskraft des Parlaments", siehe G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 375. 12 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 376. 7
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zum Erlaß von Gesetzen zu. Durch die Gesetze könne das Parlament den Entscheidungsspielraum verselbständigter Verwaltungseinheiten selbst bestimmen und so seinen Einfluß sicherstellen. Ergänzend zu dieser durch das Parlamentsgesetz vermittelten Steuerungskraft träten das parlamentarische Budgetrecht, die Berichtspflichten der Regierung gegenüber dem Parlament sowie die Parlamentsausschüsse hinzu 13 . Darin erschöpfe sich indes die Bandbreite der parlamentarischen Steuerungsmöglichkeiten nicht. Vielmehr könne der durch den Wegfall gubernativ-hierarchischer Ingerenzen bewirkte Steuerungsverlust der Exekutivspitze vor allem auch durch die „Institutionalisierung von unabhängigen Wächtern des Gemeinwohls"14 wie zum Beispiel der Deutschen Bundesbank ausgeglichen werden. Solche verselbständigten Verwaltungseinheiten seien dem Einfluß von Interessenverbänden entrückt und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet, so daß ihnen „im politischen Gesamtsystem [ein] äußerst wichtiger Kontrolleffekt" 15 zukomme. Diese zahlreichen parlamentarischen Steuerungsmöglichkeiten böten den Grund dafür, daß der in ministerialfreien Räumen bewirkte Steuerungsverlust der Regierung ausgeglichen werde und daher verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Der verfassungsdogmatische Begründungswert der Argumentationsführung G. F. Schupperts soll im folgenden in gedrängter Kürze angesprochen werden. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die Überlegung, daß der Staat zur Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt auf die Mitwirkung unabhängiger, von politischen Ingerenzen entbundener Gruppen zwingend angewiesen sei 16 . Bereits der Begriff der „Wohlfahrt" läßt die erforderliche verfassungsrechtliche Abstützung vermissen und muß daher als Rechtfertigungsgrund für verselbständigte Verwaltungseinheiten ausscheiden. Die Argumentation G. F. Schupperts erweist sich aber auch aus einem weiteren Grunde als wenig tragfähig: Allein die - unbestrittene - Erkenntnis, daß eine effiziente staatliche Aufgabenerfüllung die Beteiligung von außerhalb des Beziehungsgefüges politischer Interessen und Einflüsse stehenden Kräften erforderlich macht und damit gubernativ-hierarchische Einwirkungsrechte in Form von Weisungen nur schwerlich vereinbar sind, rechtfertigt noch nicht den Ausschluß des Wei-
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G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 377 f. 14 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 382 f. 15 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 383. 16 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 251 f.
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sungsrechts in verselbständigten Verwaltungseinheiten17. Wollte man eine solche Beweisführung anerkennen, hieße dies, von der Aufgabeninadäquanz weisungsgebundener Verwaltungseinheiten auf die verfassungsrechtliche Entbehrlichkeit des Steuerungsinstruments der Weisung im administrativ-demokratischen Legitimationsmodell zu schließen18. Will man der Effizienz staatlicher Aufgabenerfüllung Bedeutung als Rechtfertigungsgrund für Legitimationsdefizite in der Organisationsstruktur staatlicher Verwaltungseinheiten beimessen, dann nur in der Gestalt, daß sie - ebenso wie die Kategorie des spezifischen Sachverstandes19 - als Sekundärgebot funktional auf die Verwirklichung und Optimierung primärer Verfassungsrechtssätze, hier also auf das verfassungsrechtliche Ziel der Geldwertstabilität20, gerichtet ist. Eine solche verfassungsdogmatische Aufbereitung aber läßt die Begründungsstrategie G. F. Schupperts vermissen. Daher muß sein Versuch, das demokratiestiftende Weisungsrecht der Exekutivspitze unter Berufung auf das Effizienzkriterium für entbehrlich zu erklären und damit das verfassungsrechtliche Demokratieprinzip und seine Direktiven für die institutionelle Staatlichkeit partiell außer Kraft zu setzen21, ins Leere gehen. Weiter vermag auch die von G. F. Schuppert befürwortete Kompensation des durch die Weisungsfreiheit ministerialfreier Räume verursachten Steuerungsverlustes der Gubernative durch die parlamentarischen Gesetze nicht zu fruchten. Denn damit reduziert er die demokratievermittelnden Steuerungsmöglichkeiten auf die legitimationsstiftende Kraft des Gesetzes. Dieses jedoch stellt nur eines unter mehreren Steuerungsinstrumenten im demokratischen Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG dar 22 und vermag der hoheitlichen Gewaltausübung für sich genommen die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche demokratische Legitimation regelmäßig nicht zu vermitteln 23. Vor allem aber muß auch eine „Institutionalisierung von unabhängigen Wächtern des Gemeinwohls" als Möglichkeit demokratischer Legitimations17
So aber G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 352 ff. 18 Zu dieser Kritik an G. F Schuppert ebenso wie hier K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 45. 19 Siehe dazu oben bei Fn. 2 - 7 (S. 179 f.). 20 Zu der verfassungsrechtlichen Fundierung des Ziels der Geldwertstabilität noch ausführlich unten, S. 204 - 220. 21 So auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 45 f.; zur Kritik an G. F. Schuppert auch K.-H. Ladeur, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992,486 (489 f.). 22 Zu den drei verschiedenen Legitimationsformen oben im ersten Teil, Kapitel 1, S. 39 - 50. 23 Hierzu ebenfalls im ersten Teil, Kapitel 4, S. 96 ff.
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Vermittlung ausscheiden. Denn geht es gerade um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eben dieser weisungsunabhängigen Stellen, so lassen sie sich wohl kaum als Rechtfertigungsgrund für die durch sie dezimierten gubernativhierarchischen Einwirkungsmöglichkeiten anführen. Die Errichtung unabhängiger Verwaltungseinheiten vermag ebensowenig wie die Beteiligung gesellschaftlicher oder anderer nicht legitimierter Kräfte an der staatlichen Aufgabenerfüllung demokratische Legitimation zu vermitteln, sondern führt vielmehr gerade im Gegenteil zu deren Reduzierung. Ein letzter Kritikpunkt muß schließlich an der von G. F. Schuppert verwendeten Kategorie der Kontrolle und Steuerung verselbständigter Verwaltungseinheiten ansetzen. Denn versteht er unter dem Begriff der „Steuerung" auch die Lenkung durch „politische Dezentralisation" und durch Partizipation gesellschaftlicher Gruppen an staatlichen Aufgaben 24, so wird damit der spezifische Sinngehalt des Begriffs der Steuerung als Mittel demokratischer Legitimationsvermittlung in sein Gegenteil verkehrt: Er wird zu einem Störfaktor im Legitimationsmodell erkoren, der den demokratischen Zurechnungszusammenhang zwischen hoheitlicher Gewaltausübung und Gewaltunterworfenheit zu durchbrechen in der Lage ist und nicht etwa zur Steuerung staatlicher Aufgabenträger beizutragen vermag. Dies offenbart zugleich die grundsätzliche Schwäche dieses Rechtfertigungsversuchs: Die Baustruktur des Verfassungsprinzips Demokratie tritt nicht deutlich hervor, die demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG werden als Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung ministerialfreier Räume weitgehend im Dunkeln belassen25. Der unter dem Aspekt der Effizienz staatlicher Aufgabenerledigung vorgenommene Begründungsversuch G. F. Schupperts vermag daher als Rechtfertigungsgrund für die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht zu tragen. 3. Verfassungsorganqualität der Deutschen Bundesbank als Beleggrund für ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit? Andere Vertreter im Schrifttum versuchen die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank unter Hinweis auf ihre Stellung als Verfassungsorgan innerhalb des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik
24 G. F. Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 359, 368 ff. und 373 ff. 25 G. F. Schuppert (Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 352) lehnt es ausdrücklich ab, die verfassungsrechtliche Problematik ministerialfreier Räume in einer Beschränkung des Verfassungsprinzips Demokratie zu erblicken; siehe dazu auch oben in Fn. 11 (S. 180).
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Deutschland zu rechtfertigen 26. Zur Begründung des notwendigen Zusammenhangs zwischen der Verfassungsorganeigenschaft und der Unabhängigkeit der Bundesbank wird darauf verwiesen, daß auch das Bundesverfassungsgericht sich einst selbst als Verfassungsorgan bezeichnet und daraus die verfassungsrechtliche Notwendigkeit seiner Weisungsunabhängigkeit von der Bundesregierung und anderen Staatsorganen abgeleitet hat 27 . Grundprämisse dieser Auffassung ist die Annahme, daß die Deutsche Bundesbank als Verfassungsorgan zu qualifizieren ist. Unter einem Verfassungsorgan versteht man gemeinhin solche Staatsorgane, die in ihrem Status und ihren wesentlichen Kompetenzen unmittelbar durch die Verfassung konstituiert, in ihrer inneren Organisation im wesentlichen frei, keinem anderen Organ untergeordnet sind und das spezifische Wesen des Staates ausmachen; sie sind eigenständige Inhaber eines nicht unwesentlichen Ausschnittes aus der verfassungsrechtlich konstituierten Staatsgewalt28. Ob die Bundesbank diese Merkmale eines Verfassungsorgans erfüllt, wird im Schrifttum kontrovers diskutiert 29 . Für die Verfassungsorganeigenschaft der Bundesbank werden im wesentlichen zwei Argumente vorgetragen: Erstens wird angeführt, daß die Bundesbank durch Art. 88 GG und damit durch die Verfassung selbst errichtet
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So vor allem C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (14); O.-E. Starke, DÖV 1957,606 (608 f.); ders., WM 1957,75 (86 ff.). 27 Vgl. die Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6 (1957), S. 144; so die Argumentation von C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (14); O.-E. Starke, DÖV 1957,606 (608 f.); dems., WM 1957,75 (86 ff.). 28 Zu dieser Begriffsbestimmung des Verfassungsorgans statt vieler Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6 (1957), S. 144; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 181; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 117 f.; F. Knöpfle, DVB1. 1966, 713 (715); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, S. 136 ff; O.-E. Starke, DÖV 1957, 606 (608); K. Stern, Staatsrecht Π, S. 42; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 76 ff; zur Entwicklung des Begriffs des Verfassungsorgans in der Literatur ausführlich bei K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 202 f., der selbst jedoch für die Definition des Verfassungsorgans abweichend von der herrschenden Begriffsbestimmung darauf abstellt, ob die erbrachte Aufgabe ,4m Rahmen der ratio der Verfassung, insbesondere der Staatsaufgaben, gefordert wird und nicht von anderen Institutionen ebenfalls erbracht wird", so auf S. 206. 29 Vgl. zu diesem Streit bei E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 88 Rdnr. 3; H.-J. Papier, Beiheft 5 / Der Staat 20 (1981), 109 (110); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 136 ff; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 153 ff ; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 42 f.; ein ausführlicher Überblick über den im Schrifttum vertretenen Meinungsstand findet sich bei K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 200 ff.
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und garantiert sei 30 . Und zweitens wird zur weiteren Begründung auf die einfachgesetzliche Rechtslage nach dem Bundesbankgesetz verwiesen: Der nach dem Bundesbankgesetz angesprochene Konflikt zwischen der Bundesbank und der Bundesregierung sei im Sinne einer Gleichordnung beider Staatsorgane gelöst worden; dies mache deutlich, daß die Bundesbank mit höchster Autorität ausgestattet und anderen Verfassungsorganen ebenbürtig, mithin selbst ein Verfassungsorgan sei 31 . Dagegen wird die Verfassungsorganeigenschaft der Bundesbank von anderen Autoren unter Hinweis darauf verneint, daß die Bundesbank ihre Rechte und Pflichten gerade nicht unmittelbar aus der Verfassung herleite, sondern es zu ihrer Errichtung eines besonderen Gesetzes bedürfe 32 . Wie im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu zeigen sein wird, ist die Deutsche Bundesbank sowohl vor als auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion von Verfassungs wegen unabhängig und keinem anderen Organ untergeordnet. Daher scheinen die besseren Gründe zumindest bei kursorischer Betrachtung für die Verfassungsorganeigenschaft der Bundesbank zu sprechen33. Diese Frage braucht jedoch an dieser Stelle nicht letztveibindlich entschieden zu werden. Denn selbst wenn man die Bundesbank als Verfassungsorgan anerkennen wollte, so ließe dies noch keinerlei Schlüsse auf ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit zu. Ein verfassungsrechtliches Postulat einer weisungsunabhängigen Stellung der Bundesbank im StaatsgefÜge läßt sich schon deswegen nicht aus ihrer Verfassungsorganeigenschaft deduzieren, weil gerade umgekehrt die autonome, von Weisungen anderer (Verfassungs-)Organe unabhängige Stellung eines Staatsorgans Wesenselement, das heißt Voraussetzung für die Zuerkennung seiner Verfassungsorganqualität ist. Mit anderen Worten: Die Weisungsunterworfenheit von Verwaltungsstellen unter die Direktionsbefugnis entsprechender übergeordneter
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H. J. Hahn, BayVBl. 1982, 70 (73); C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (13 f.); O.-E. Starke, DÖV 1957,606 (609); ders., WM 1957,75 (86 ff.). 31 So vor allem die Argumentation O.-E. Starkes, WM 1957,75 (88). 32 So zu Recht E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 3; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 262; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 6; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 93 Rdnr. 7; A. Rinken, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 93 Rdnr. 10; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 134 ff ; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 468 f.; ders, in: Bonner Kommentar, Art. 93 Rdnr. 100; dagegen K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 203. 33 Siehe dazu die Ausführungen nach Fn. 56 (S. 191 ff), sowie im fünften Teil, S. 377 ff; vgl. dazu auch bereits die Anmerkungen im zweiten Teil, Kapitel 3, in Fn. 69.
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Administrativeinheiten ist das typische Kennzeichen für deren Eingliederung in den hierarchischen Verwaltungsaufbau, welche die Verfassungsorganstellung eo ipso ausschließt34. In pointierter Verdichtung: Die Weisungsunabhängigkeit von Staatsorganen ist nicht die Folge ihrer Verfassungsorganstellung, sondern vielmehr die Voraussetzung für die Anerkennung als Verfassungsorgan. Dies wird verkannt, wenn aus der Verfassungsorganstellung der Deutschen Bundesbank auf ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit geschlossen wird 35 . Die Argumentationsführung erweist sich bei Lichte betrachtet als petitio principii und vermag daher unter methodologischen Gesichtspunkten nicht zu überzeugen. 4. Rechtsstaatsprinzip als Fundament fur die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank? Weiter wird versucht, die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank mit Hilfe des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips zu rechtfertigen. Dabei werden zwei verschiedene Aspekte angeführt. Zum einen wird aus dem grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzip ein Rationalitätsgebot gewonnen, das als Leitlinie für die Organisation der gesamten staatlichen Verwaltung diene und eine sachverständige, von politischer Einflußnahme freigestellte Verwaltung erfordere, soweit dies der Rationalität und Sachgerechtigkeit der zu treffenden Entscheidung dienlich sei 36 . Zum anderen wird argumentiert, daß die rechtsstaatliche Forderung nach Beschränkung der politischen Macht und Verhinderung von Machtmißbrauch nur erfüllt werden könne, wenn Staatsgewalt in ihrer Macht beschnitten und der wechselseitigen Kontrolle unterstellt werde 37. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Grundsatz der Gewaltenteilung setze eine Aufgliederung der Staatsgewalt in voneinander unabhängige, autonome Teilbereiche und damit Möglichkeiten konkurrierender Willensbildung voraus 38. Zur dogmatischen Bekräftigung dieser Forderung wird auf Vorschriften des Finanzverfassungsrechts verwiesen, die durch „antiparlamentarische Effekte" geprägt seien; der in Art. 113 GG vorgesehene Zustimmungsvorbehalt der Bundesregierung bei Mehrausgabenbeschlüssen, das Zustim34
Aus diesem Grunde geht auch die vom Bundesverfassungsgericht (JöR 6 [1957], S. 144) als Beleggrund für seine Verfassungsorganeigenschaft vorgetragene Begründung fehl. 35 So aber H. J. Hahn, BayVBl. 1982,70 (73); C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (13 f.); O.-E. Starke, DÖV 1957,606 (609); ders., WM 1957,75 (86 ff.). 36 So C. Ρ. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (343 f.); siehe auch H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 411 ff; U. Di Fabio , VerwArch 81 (1990), 193 (210). 37 H. Sodan, Kollegiale Funktionsträger als Verfassungsproblem, S. 410 f. 38 So ausdrücklich C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (12).
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mungserfordernis des Finanzministers für Haushaltsüberschreitungen nach Art. 112 GG und die Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrechnungshofes gem. Art. 114 Abs. 2 GG bildeten „autoritäre Gegengewichte" und legten Zeugnis ab für den Vorrang des rechtsstaatlichen gegenüber dem demokratiestaatlichen Element39. Für die Bundesbank ergebe sich daraus, daß es ihrer Unabhängigkeit von den Weisungen der Gubernative zwingend bedürfe, um dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes zu entsprechen40. Soweit auf den Rationalitäts- und Sachgerechtigkeitsaspekt als Rechtfertigungsgrund für die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verwiesen wird, bedarf dieser hier schon deswegen keiner weiteren Beachtung, weil seine verfassungsrechtliche Valenz bereits an anderer Stelle diskutiert wurde 41. Erörterungsbedürftig ist lediglich der zweite Begründungsansatz, demgemäß die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank aus dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip folge. Zuzustimmen ist diesem Vorbringen insoweit, als es auf der Annahme beruht, daß das rechtsstaatliche System von einer Verteilung der politischen Macht auf verschiedene staatliche Aufgabenträger ausgeht. Die Demokratie, wie sie nach dem Grundgesetz verfaßt ist, ist eine rechtsstaatliche Demokratie, die eine Konzentration aller staatlichen Machtbefugnisse auf das Parlament als unmittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan ausschließt. Die konkrete Ordnung der Verteilung und des Ausgleiches staatlicher Macht darf nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlicherweise abgeleiteten Gewaltenmonismus durchkreuzt werden 42. Sämtliche dieser Gesichtspunkte, die einer parlamentszentrierten und -reduzierten Legitimationsstruktur im Staatsaufbau verfassungsrechtliche Grenzen zu setzen versuchen, betreffen allerdings die verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung zwischen der Legislative und der Exekutive, die beide - wenngleich auf unterschiedlichem demokratischen Legitimationsniveau - demokratisch legitimiert sind 43 . Diese in beiden Fällen vorhandene demokratische Legitimation ist die Grundlage für eine an rechtsstaatlichen Gesichtspunkten orientierte, auf Hemmung und Mäßigung staatlicher Machtausübung gerichtete Verteilung der politischen Macht auf verschiedene Aufgabenträger.
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C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984,1 (13). C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 183; ders., in: H. J. Hahn (Hrsg.), Geldverfassung und Ordnungspolitik, 143 (160 ff); ders., Beilage 5 / WM 1984,1 (12 f.). 41 Dazu oben bei Fn. 3 - 7 (S. 179 f.). 42 So ausdrücklich BVerfGE 68,1 (86 f.). 43 So zur demokratischen Legitimation der staatlichen Exekutivgewalt BVerfGE 68, 1 (88); vgl. dazu auch bereits die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 2, nach Fn. 9 (S. 54). 40
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Dies verbietet es aber, das rechtsstaatliche Gewaltenteilungsprinzip ohne weiteres als Rechtfertigungsgrund für Lücken im demokratischen Legitimationsmodell des Grundgesetzes einzusetzen und auf diese Weise etwa die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich zu begründen. Versuchte man, mit Hilfe der rechtsstaatlichen Forderung nach Bändigung und Beschränkung der staatlichen Machtausübung die Unabhängigkeit der Bundesbank zu legitimieren, so könnte oder müßte man in konsequenter Fortführung dieses Gedankenganges auch die Autonomisierung anderer Verwaltungsträger fordern. Denn auch insoweit ließe sich argumentieren, daß eine Verteilung der politischen Macht auf mehrere, voneinander unabhängige Verwaltungsstellen zur machtbegrenzenden Pluralisierung des Staatsapparates führe und damit der rechtsstaatlichen Forderung nach Domestizierung der staatlichen Herrschaftsausübung gerecht werde. Im Ergebnis würde damit die Staatsgewalt in eine große Anzahl autonomer Verwaltungseinheiten aufgegliedert, die ihrer Tätigkeit eigenständig, eigenverantwortlich und ohne demokratische Legitimation vermittelnde Rückanbindung an Ressortspitze und Parlament nachgingen. Das bedeutet freilich nicht, daß das Rechtsstaatsprinzip als Rechtfertigungsgrund für Beschränkungen des Demokratieprinzips ausscheiden muß. Nur bedarf es insoweit stets eines besonderen Begründungsaufwandes, der das Rechtsstaatsprinzip nicht aus Selbstzweck, sondern zum Schutze besonderer hinter ihm stehender Verfassungswerte und -güter zum Einsatz bringt; so liegt es etwa bei der verfassungsrechtlich verbürgten Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit (vgl. Art. 97 GG), die dem rechtsstaatlich geforderten Gebot der Kontrolle dient, welches bei einer dem Mehrheitswillen zur Verwirklichung verhelfenden demokratischen Organisationsstruktur der Judikative nicht in jedem Falle gewährleistet wäre 44. Für sich genommen vermag das Rechtsstaatsprinzip die Autonomie staatlicher Verwaltungseinheiten jedoch nicht zu begründen und daher die unabhängige Stellung der Bundesbank auch nicht zu rechtfertigen. 5. Vorverfassungsrechtliches Gesamtbild einer unabhängigen Notenbank? Schließlich wird zur verfassungsrechtlichen Absicherung der Autonomie der Deutschen Bundesbank auf die Figur des sogenannten vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes zurückgegriffen: Der Verfassungsgesetzgeber habe bei Schaffung des Grundgesetzes das Bild einer unabhängigen Währungs- und 44
Siehe dazu im ersten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 28 (S. 61).
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Notenbank vorgefunden, welches er rezipiert und in Art. 88 Satz 1 GG verfassungsrechtlich verankert habe45. Unter der Auslegungsfigur des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes versteht man das „Zurückgehen auf die Grundvorstellungen des Verfassungsgesetzgebers", die diesem bei der Rechtsetzung vorschwebten; abzustellen ist auf den „Ideenkomplex", der Leitbild für den Verfassungsgesetzgeber war, oder auf das „Gesamtbild der zu schaffenden Ordnung" 46. Grundlage und Auslegungsfundament für die Figur des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes ist also die Rechtslage vor beziehungsweise bei Erlaß des Grundgesetzes47. Erforderlich ist demnach für eine Verfassungsinterpretation im Sinne des vorrechtlichen Gesamtbildes zweierlei: Zum einen muß zur Zeit der Schaffung des Grundgesetzes ein tatsächliches Gesamtbild bestanden haben, welches der pouvoir constitué vorgefunden hat. Zum anderen muß der Verfassungsgesetzgeber diesen vorkonstitutionellen Rechtszustand rezipiert, das heißt in seinen Willen aufgenommen und im Grundgesetz verankert haben. Es erscheint bereits fraglich, ob die Kategorie des vorverfassungsrechtlichen Gesamtbildes überhaupt als selbständige Auslegungsfigur für die Interpretation des Art. 88 Satz 1 GG anzuerkennen ist 48 . Dies aus zwei Gründen: Erstens ist zweifelhaft, ob der in dem vorkonstitutionellen Gesamtbild zum Ausdruck kommende Traditionsgedanke für sich genommen das geltende Verfassungsrecht mit inhaltlichem Leben zu füllen vermag 49 und inwiefern dar-
45 So insbesondere die Amtliche Begründung zum Entwurf des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drs., 2. WP 1953 / Nr. 2781, S. 25; ebenso auch H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, § 12 Κ 296; D. Böckmann, Die Rechtsnatur der Mindestreservefestsetzung, S. 88; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (315 f.); C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 163 ff.; O.-E. Starke, DÖV 1957, 606 (607); ders., WM 1957, 75 (85); D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 27 f. 46 Vgl. H. Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 137 f.; vgl. dazu auch J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 50; siehe zum Begriff des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes auch bei A. Blankenagel, Tradition und Verfassung, S. 134 ff; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 164 ff. 47 H. J. Hahn, Rechtsfragen der Diskontsatzfestsetzung, S. 31; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 19. 48 So aber BVerfGE 14, 197 (216 ff.); ebenso die Begründung des Regierungsentwurfes eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, BT-Drs., 2. WP 1953 / Nr. 2781, S. 25. 49 Ebenso K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 165; siehe auch die Kritik an dieser Auslegungsfigur bei M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 359 f.; kritisch gegenüber
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aus interpretatorische Anhaltspunkte für die inhaltliche Auslegung des heute geltenden Verfassungsrechts entnommen werden können50. Denn dadurch würde ein vorverfassungsrechtlicher, einfachgesetzlicher Rechtszustand konstitutionalisiert, so daß der vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundene traditionale, einfachgesetzliche Zustand zum ungeschriebenen Verfassungsrechtssatz avancierte51. Dann aber bestünde die Gefahr, daß das Verfassungsrecht nur noch nach Maßgabe der von den Grundgesetzvätern vorgefundenen einfachgesetzlichen Rechtslage gälte. Und zweitens: Wollte man das vorverfassungsmäßige Gesamtbild als selbständige Auslegungsfigur anerkennen, rückte die Frage nach ihrem Verhältnis zu den herkömmlichen Auslegungsmethoden in den Vordergrund. Bei Lichte betrachtet erscheint die Kategorie des vorverfassungsrechtlichen Gesamtbildes lediglich als Unterfall der historischen Auslegungsmethode, die den Inhalt der betreffenden Norm durch einen Rekurs auf die Grundvorstellung des Verfassungsgesetzgebers bei Eriaß der betreffenden Verfassungsnorm zu ermitteln sucht52. Mithin sprechen schon grundsätzliche Erwägungen dagegen, das vorverfassungsmäßige Gesamtbild als Interpretationsfigur zur Ermittlung des verfassungsrechtlichen Normgehaltes des Art. 88 Satz 1 GG anzuerkennen und daraus auf eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank zu schließen53. Doch selbst wenn man die Figur des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes als eigenständige Auslegungskategorie anerkennen wollte, scheiterte der Rückgriff auf das vorkonstitutionelle Gesamtbild hier auch aus einem anderen Grunde. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ein vorverfassungsrechtliches Gesamtbild einer unabhängigen Notenbank, welches der Verfassungsgesetzgeber hätte vorfinden und in Art. 88 Satz 1 GG verfassungskräftig verankern können, existiert nicht. Denn insoweit fehlt es an der notwendigen Kontinuität einer unabhängigen Zentralbankentwicklung in Deutschland. Als Beleg hier-
dem vorverfassungsrechtlichen Gesamtbild auch A. Blankenagel, Tradition und Verfassung, S. 134 ff, der diese Argumentationsfigur als „unpräzise" bezeichnet. 50 J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 50. 51 M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 360. 52 So M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 360; ebenso auch J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 51, der das „vorverfassungsrechtliche Gesamtbild" nur insofern als Interpretationsinstrument anerkennt, als sich daraus Anhaltspunkte für die Intention des Giundgesetzgebers und damit für die historische Auslegung gewinnen lassen. 53 Im Ergebnis ebenso ablehnend A. Blankenagel, Tradition und Verfassung, S. 133 ff; Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 165; L Grämlich, DVB1. 1980, 531 ff.; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 258; ders., BayVBl. 1982, 33 (35); M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 359 ff., insbesondere 361; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 49 ff., insbesondere 51.
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für sei auf die bereits an anderer Stelle skizzierte Entwicklung der Zentralbankautonomie in der Zeit vor Erlaß des Grundgesetzes von 1875 bis 1945 verwiesen54. Dieser historische Überblick macht deutlich, daß die Autonomie der Zentralbank in der Zeit vor Erlaß des Grundgesetzes keineswegs ein durchgängiges, traditionales Prinzip in Deutschland war. Vielmehr war das vom Verfassungsgesetzgeber vorgefundene Bild durch Schwankungen und Unterbrechungen in der Entwicklung des Zentralbankwesens gezeichnet. Selbst in den Zeiten ihrer Unabhängigkeit war die Notenbank nicht Ausfluß eigenständiger, selbstbestimmter deutscher Gesetzgebungsmacht, sondern beruhte auf einem Oktroi der Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg, die auf diese Weise ihren Einfluß auf die währungspolitische Entwicklung in Deutschland sicherstellen wollten 55 . Mithin hat sich nicht nur die Stellung und die organisatorische Ausgestaltung der Deutschen Reichsbank in den Jahren zwischen 1875 und 1945 mehrfach geändert, sondern vor allem beruhte ihre zeitweilige Unabhängigkeit niemals auf einer eigenständigen Entscheidung deutscher Organe, sondern war Ausdruck des Einflusses der alliierten Siegermächte. Aus diesem Grunde kann von einer kontinuierlich währenden Unabhängigkeit und damit von einem durchgängigen vorkonstitutionellen Gesamtbild nicht die Rede sein. Resümierend läßt sich festhalten, daß der Verfassungsgesetzgeber keine ununterbrochen währende Unabhängigkeit der Reichsbank und damit insoweit auch kein vorverfassungsrechtliches Gesamtbild vorgefunden hat, welches er hätte rezipieren und in Art. 88 Satz 1 GG verfassungskräftig verankern können. Eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank läßt sich somit unter Rekurs auf ein vorverfassungsmäßiges Gesamtbild -ungeachtet der methodologischen Bedenken, die gegen diese Rechtsfigur sprechen - nicht begründen56.
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Siehe dazu im ersten Teil, Einführung, S. 25 ff. Ebenso C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984, 1 (9); K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495. 56 Im Ergebnis ebenso BVerwGE 41, 334 (355 f.); K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 164 f.; L. Grämlich, DVB1. 1980, 531 ff.; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 258; ders., BayVBl. 1982, 33 (35); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 164 ff; ders., Beilage 5 / WM 1984, 1 (9); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 92 f.; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 494 ff. 55
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I I . Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank als Organisationsprinzip des Art. 88 Satz 1 GG Haben sich die vorgenannten Argumentationsansätze als unzulässig erwiesen, um die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zu rechtfertigen, so muß im folgenden nach anderen Rechtfertigungsmöglichkeiten gesucht werden. Zu diesem Zwecke werden die tradierten Auslegungsmethoden bemüht; mit ihrer Hilfe wird der Frage nachgegangen, ob die Autonomie der Bundesbank ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 88 Satz 1 GG findet. Untersucht wird, ob Art. 88 Satz 1 GG eine durch Unabhängigkeit gekennzeichnete Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank verlangt und damit gleichsam eine verfassungsrangige Ausnahmebestimmung von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG enthält. 1. Wortlaut Nach dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG errichtet der Bund eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ausdrücklich ist die Unabhängigkeit der Bundesbank in Art. 88 Satz 1 GG nicht erwähnt. Gleichwohl wird zum Teil aus dem Wortlaut dieser Verfassungsnorm auf eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Bundesbank geschlossen57. Zur Begründung wird in erster Linie auf den Begriff der „Währungs- und Notenbank" verwiesen. Aus ihm ergebe sich eine verfassungsrechtlich fundierte währungspolitische Verantwortlichkeit der Bundesbank, die ihre „Subordination" unter die Weisungen der Regierung verfassungsrechtlich ausschließe58. Die Bezeichnung als „Währungsbank" verdiene eine Zentralbank nur, wenn ihr die alleinige und eigenverantwortliche Führung der Währungspolitik obliege59. Die Bundesbank könne daher „bei unbefangener Betrachtung" nur dann als Wäh-
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So vor allem H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 104; C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 177; ders., Beilage 5 / WM 1984, 1 (11); O.-E. Starke, WM 1957, 75 (85 ff.); ders., DÖV 1957, 606 (608 f.); D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 22 ff. 58 D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 24 ff, insbesondere 26. 59 H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 104; C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; A. Köttgen, JöR 11 (1962), 173 (280); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 177; ders., Beilage 5 / WM 1984, 1 (11); D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 26.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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rungsbank bezeichnet werden, wenn sie nicht den Weisungen der Regierung unterworfen sei 60 . Der Versuch, aus dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG auf die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zu schließen, beruht bei Lichte betrachtet auf der - wenngleich unausgesprochenen - Annahme, daß die Bundesbank kraft ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit über einen entsprechenden Unabhängigkeitsstatus verfügen muß, um der Bezeichnung als „Währungsbank" gerecht zu werden. Diese Annahme erweist sich jedoch deswegen als unbegründet, weil die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Träger mittelbarer Staatsverwaltung für sich genommen nicht zu einer „Entstaatlichung", das heißt zu einer (Entscheidungs-)Autonomisierung der betreffenden Verwaltungsträger und damit auch nicht zu ihrer Herauslösung aus dem hierarchischen StaatsgefÜge führt. Denn andernfalls könnte der einfache Gesetzgeber über die Reichweite des Verfassungsprinzips Demokratie disponieren, indem er bestimmte Aufgaben auf verselbständigte Verwaltungsträger überträgt und sie damit in die von staatlichen Ingerenzen bereinigte Freiheit entläßt. Aus der eigenen Rechtspersönlichkeit der Bundesbank läßt sich daher nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsstatus schließen. Wenn schließlich vorgebracht wird, daß nur eine in eigener Regie geführte, von exekutiven Weisungen und sonstigen politischen Einflüssen unabhängige Bundesbank die Bezeichnung als „Währungs- und Notenbank" verdiene, so läßt sich dies bereits mit dem Hinweis auf die geschichtliche Entwicklung des Zentralbankwesens in Deutschland entkräften. So bezeichnete das Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 16. Juni 193961 die Vorgängerin der Deutschen Bundesbank als „deutsche Notenbank" und unterstellte diese der „uneingeschränkten Hoheit des Reiches"62. Diese textliche Parallele läßt bereits deutlich werden, daß allein aus dem Begriff der „Währungs- und Notenbank" eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Zentralbank nicht abgeleitet werden kann. Diese klare Absage an eine aus dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG deduzierte Unabhängigkeit der Bundesbank bedeutet freilich nicht, daß dem Verfassungstext keinerlei Bedeutung zukommt. Wenn aus ihm auch nicht auf einen verfassungsrechtlichen Autonomiegehalt der Bundesbank geschlossen werden kann, so besteht sein sinnstiftender Gehalt doch in der - wenngleich
60 C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 180. 61 RGBl. I, S. 1015. 62 Vgl. hierzu J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, S. 12. 13 Brosius-Gersdorf
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nur umrißhaften - verfassungsrechtlichen Umschreibung des Aufgabengebietes der Bundesbank 63 , das sich sowohl einer von den Weisungen staatlicher Institutionen abhängigen als auch einer unabhängigen Notenbank zuweisen läßt 6 4 , wie die Geschichte des deutschen Zentralbankwesens und die Verhältnisse in anderen Staaten zeigen 65 . Fest steht aber, daß sich allein aus dem semantischen Gehalt des Art. 88 Satz 1 GG nicht auf eine verfassungsrangige Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank schließen läßt 6 6 . 2. Systematik a) Systematische Stellung des Art 88 Satz 1 GG innerhalb des verfassungsrechtlichen Katalogs der Bundesverwaltung Läßt sich eine verfassungsrechtliche Aussage zugunsten der Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank nicht bereits aus dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG gewinnen, könnte sie sich indes aus verfassungssystematischen Gründen ergeben. Damit rückt die Frage in den Vordergrund, ob sich aus der systematischen Stellung des Art. 88 Satz 1 GG innerhalb des verfassungsrechtlichen Katalogs der Bundesverwaltung ein verfassungsrechtlicher Unabhängigkeitsstatus für die Bundesbank ergibt.
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Siehe hierzu noch ausführlich unten bei Fn. 101 - 107 (S. 205 ff); ebenso K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 162; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 493 f., insbesondere 495. 64 H J. Hahn, Währungsrecht, S. 261; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495; eine andere Frage ist indes, ob die effektive, das heißt die sachaufgabengerechte Währungssicherung einen bestimmten Organisationsrahmen der Bundesbank erfordert; zu dieser Frage unten auf S. 197 ff. 65 Vgl. dazu O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 53 ff.; so auch K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495. 66 So im Ergebnis die mittlerweile ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, vgl. nur BVerwGE 41, 334 (354 ff); E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 162 f.; C. P. Fichtmiiller, AöR 91 (1966), 297 (315); P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 245; H J. Hahn, Währungsrecht, S. 261; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 127 f.; H. v. Mangoldtl F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 16; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495; K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 184 ff.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der B u n d e s b a n k 1 9
Namentlich C.-Th. Samm61 hat den Versuch unternommen, die verfassungsrechtliche Autonomie der Deutschen Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung aus der systematischen Stellung des Art. 88 Satz 1 GG im Grundgesetz herzuleiten. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Feststellung, daß die Bundesbank nicht in den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltung nach Art. 87 GG aufgenommen wurde, sondern durch Art. 88 Satz 1 GG in einer gesonderten Verfassungsnorm Platz gefunden hat. Während über Art. 87 Abs. 1 GG für die Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung die organisatorischen Regelungen des Art. 86 GG und damit das hierarchische Gliederungsprinzip der Verwaltung zum Tragen kämen, fehle in Art. 88 Satz 1 GG eine entsprechende Verweisung68. Daraus zieht C.Th. Samm zwei Schlußfolgerungen: Zum einen, daß der Bund nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank zu errichten; zum anderen, daß sich aus der systematischen Stellung des Art. 88 Satz 1 GG innerhalb des verfassungsrechtlichen Katalogs der Bundesverwaltung von Verfassungs wegen die autonome Stellung der Deutschen Bundesbank ergebe69. Diesem Argumentationsansatz C.-Th. Samms ist insoweit zuzustimmen, als Art. 88 Satz 1 GG in der Tat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Bundes zur Errichtung und Unterhaltung einer Bundesbank statuiert; insoweit enthält Art. 88 Satz 1 GG eine institutionelle Garantie 70. Daß die Errichtung der Bundesbank nicht in das Belieben des Organisationsgesetzgebers gestellt ist, sondern ihm vielmehr als verfassungsrechtliche Pflichtaufgabe obliegt, erscheint bereits durch den Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG („errichtet") plausibel dargetan und entspricht demzufolge der nahezu einhelligen Auffassung 71.
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Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 179 ff; ders., Beilage 5 / W M 1984, Iff. 68 C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 180 f.; ders., Beilage 5 / WM 1984,1 (11 f.). 69 C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 181; ders., Beilage 5 / WM 1984,1 (12). 70 Vgl. nur E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 6; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 474 f.; zu der Frage der Aushöhlung der institutionellen Garantie des Art. 88 Satz 1 GG durch die Regelung des Art. 88 Satz 2 GG ausführlich D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 35 ff. 71 Siehe nur aus der Rechtsprechung BVerwGE 41, 334 (349); aus dem Schrifttum E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 4; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 3; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner
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Nur steht diese Pflicht des Bundes zur Errichtung der Bundesbank in keinem inneren inhaltlichen Zusammenhang damit, wie der institutionelle Rahmen der Bundesbank auszugestalten ist, ob also die Bundesbank von Verfassungs wegen der gubernativ-hierarchischen Bestimmungsmacht entzogen ist 72 . Eines solchen argumentativen Brückenschlages aber hätte es gerade bedurft; denn die Verfassungsbestimmung des Art. 88 GG ist verfassungssystematisch umrahmt durch Gegenstände der Bundesverwaltung nach Art. 87 GG und die Regelung der bundeseigenen Verkehrsverwaltung nach Art. 89 und Art. 90 GG. Diese Verwaltungstypen sind aber allesamt durch einen hierarchisch gegliederten Verwaltungsaufbau mit Weisungsrecht der jeweiligen Ressortspitze gekennzeichnet73. Angesichts dieser systematischen Stellung des Art. 88 GG innerhalb des verfassungsrechtlichen Katalogs der Bundesverwaltung ist nicht die Weisungsgebundenheit der Deutschen Bundesbank, sondern gerade im Gegenteil ihre Exemtion von administrativer Steuerungsgewalt von Verfassungs wegen besonders begründungsbedürftig 74. Dieses Ergebnis wird auch durch eine systematische Gesamtschau mit Art. 97 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG untermauert. Denn im Gegensatz zu diesen beiden Verfassungsbestimmungen, die der Gerichtsbarkeit beziehungsweise dem Bundesrechnungshof von Verfassungs wegen ausdrücklich Unabhängigkeit gewähren, entbehrt Art. 88 GG einer entsprechenden verfassungsexpliziten Regelung für die Bundesbank. Hätte der Verfassungsgesetzgeber auch die Bundesbankautonomie verfassungsrechtlich festschreiben wollen, so hätte er dies in Art. 88 Satz 1 GG in einer jeden Zweifel beseitigenden Weise zum Ausdruck bringen müssen75. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß
Grundgesetz, Art. 88 Anm. Π. 3.; anderer Ansicht soweit ersichtlich nur H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 1. 72 Daher zu Recht ablehnend K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 163. 73 Dazu umfassend P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnrn. 46 ff. und 101; siehe ferner S. Broß, im I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 86 Rdnr. 11; H. P. Bull, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 86 Rdnr. 20; allgemein zum hierarchischen Prinzip des Behördenaufbaus H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, passim. 74 So auch Κ. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 163; vgl. auch B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 1. 75 Ebenso BVerwGE 41, 334 (354); E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 162; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (315); P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 245; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 494 f.; G. Vorbrugg, Unab-
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die verfassungssystematische Auslegung des Art. 88 Satz 1 GG eher gegen als für einen verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeitsstatus der Deutschen Bundesbank spricht 76. b) Systematischer Zusammenhang zwischen Art 88 Satz 1 und Art 88 Satz 2 GG
Aus dem verfassungssystematischen Zusammenhang zwischen Art. 88 Satz 1 und Art. 88 Satz 2 GG kann sich eine verfassungskräftige Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank schon deswegen nicht ergeben, weil Art. 88 Satz 2 GG erst nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Regelungswirkung entfaltet. Denn ist in Art. 88 Satz 2 GG bestimmt, daß Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Europäischen (Währungs-)Union auf die - unabhängige - Europäische Zentralbank übertragen werden können, so setzt dies die Errichtung und den Arbeitsbeginn der Europäischen Zentralbank voraus. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist nach Art. 1091 Abs. 1 EGV die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion. Mithin kommt die verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie der Europäischen Zentralbank in Art. 88 Satz 2 GG erst mit Verwirklichung der dritten Stufe der Währungsunion zum Tragen, so daß sich die Frage, ob das in Art. 88 Satz 2 GG für die Europäische Zentralbank enthaltene Unabhängigkeitspostulat (mittelbare) Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank hat, erst ab diesem Zeitpunkt stellt 77 . 3. Sinn und Zweck: Funktionssicherung als Organisationsprinzip des Art 88 Satz 1 GG Ein verfassungsrangiger Rechtfertigungstitel für die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank könnte sich aber aus der ratio legis des Art. 88 Satz 1 GG ergeben. So wird im einschlägigen Schrifttum zum Teil von der Funktion und Aufgabe der Bundesbank auf ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit hängige Organe der Bundesverwaltung, S. 137 f. mit Fn. 16; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a. 76 Im Ergebnis ebenso BVerwGE 41, 334 (354); E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; Κ ν. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 162; C. P. Fichtmüller, AöR 91 (1966), 297 (315); P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 245; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 494 f.; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 137 f. mit Fn. 16; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3,. a. 77 Dazu eingehend im fünften Teil, S. 377 ff.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
geschlossen78. Dabei wird vor allem auf das „Wesen" der Deutschen Bundesbank als Währungs- und Notenbank verwiesen 79 und argumentiert, die Bundesbank könne die ihr von Verfassungs wegen zukommende Aufgabe der Währungssicherung nur dann erfüllen, wenn sie von Weisungen und sonstigen politischen Einflußnahmen staatlicher Stellen, insbesondere der Bundesregierung, freigestellt sei 8 0 . Die aus ihrer verfassungsmäßigen Funktion als Währungsbank folgende Autonomie sei daher „wesensmäßig" 81 und „essentiell" 82 notwendig. Für sich genommen vermag eine solche aus dem „Wesen" der Bundesbank abgeleitete Deduktion als Rechtfertigungsgrund für die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht zu tragen 83 . Jedoch betreffen diese aus der Funktion der
78 Vertreter einer solchen Ableitung der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit aus der Funktion und Aufgabe der Deutschen Bundesbank sind vor allem D. Böckmann, Die Rechtsnatur der Mindestreservefestsetzung, S. 88 f.; H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 105; C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 101, 107 ff, insbesondere 109; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 26 ff; W. Vocke, Gesundes Geld, S. 127. 79 So vor allem D. Böckmann, Die Rechtsnatur der Mindestreservefestsetzung, S. 88 f.; H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 105 f.; C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98 f.; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 101 f.; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 27 f., 45 ff.; W. Vocke, Gesundes Geld, S. 127. 80 So D. Böckmann, Die Rechtsnatur der Mindestreservefestsetzung, S. 88 f.; H. Fögen, Geld- und Währungsrecht, S. 105; C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 101, 109; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 26 f.; W. Vocke, Gesundes Geld, S. 127. 81 So die Argumentation D. Uhlenbrocks, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 27 f. 82 C. A. Gaugenrieder, Die rechtliche Stellung der deutschen Zentralnotenbank im StaatsgefÜge, S. 98; H. Loening, DVB1. 1954, 173 (175); H. Rauch, Die Anwendung des Demokratieprinzips auf die öffentliche Verwaltung, S. 112 f. 83 Ebenso BVenvGE 41, 334 (354 ff); K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 163 f.; H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 14; P. Füsslein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 244 f.; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 261; ders., BayVBl. 1982, 33 (34 f.); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 428 f.; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 127 f.; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 16; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 495 f.; J. Oebbecke, Weisungs· und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 299 f.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Bundesbank abgeleiteten Rechtfertigungsversuche bei genauerem Hinsehen nur die erste Argumentationsstufe eines in Wahrheit mehrstufigen Argumentationsaufbaus: Sie bezwecken nicht unmittelbar die Rechtfertigung der Bundesbankautonomie als solche, sondern zielen darauf, die der Bundesbank nach § 3 BBankG und §§ 1, 13 Abs. 3 StWG einfachgesetzlich zugewiesene Aufgabe der Währungssicherung verfassungsrechtlich zu fundieren; aus dieser verfassungsrechtlichen Aufgabengarantie wird wiederum auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Unabhängigkeit der Bundesbank geschlossen. Verfassungsdogmatischer Begründungswert kann dem Funktionsargument also nur insoweit zukommen, als er Bedeutung für die der Bundesbank obliegende Aufgabe der Währungssicherung hat und daraus auf ein verfassungsrechtliches Unabhängigkeitsgebot für die Bundesbank geschlossen wird. Ob sich dieser aus der Funktion der Deutschen Bundesbank abgeleitete Rechtfertigungsversuch als tragfähig erweist, soll im folgenden untersucht werden. Dabei wird in drei Schritten vorgegangen: In einem ersten Schritt wird gefragt, ob Art. 88 Satz 1 GG über seinen kompetenziellen Gehalt hinaus auch Bedeutung als Aufgaben- und Organisationsnorm zukommt und Art. 88 Satz 1 GG demgemäß eine bestimmte Sachaufgabe verfassungsrechtlich zu gewährleisten imstande ist. Denn dies ist die Voraussetzung dafür, daß der funktionale Gehalt des Art. 88 Satz 1 GG auch einen organisatorischen Bezug aufweist, das heißt einen entsprechenden, auf die Verwirklichung der Sachaufgabe bezogenen Organisationsrahmen verlangt [dazu unter a)]. Sollte Art. 88 Satz 1 GG ein solcher sachaufgabenbezogener Gehalt zukommen, ist im Anschluß daran in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die der Bundesbank obliegende Sachaufgabe der Währungssicherung eine mit Verfassungsrang ausgestattete Aufgabe darstellt. Denn nur wenn Art. 88 Satz 1 GG eine entsprechende auf die Gewährleistung von Währungsstabilität gerichtete materielle Zielvorgabe enthält, kann sich hieraus auch eine entsprechende formelle, die organisatorische Ausgestaltung der Bundesbank betreffende verfassungsrechtliche Direktive ergeben. Mit anderen Worten: Eine aus dem Sinn und Zweck des Art. 88 Satz 1 GG abgeleitete Forderung nach Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank kann nur dann ein formales Organisationsprinzip mit verfassungsrechtlicher Wertigkeit darstellen, wenn auch die Aufgabe, auf welche der institutionelle Rahmen der Deutschen Bundesbank bezogen ist, verfassungsrechtlich fundiert ist. Mithin gilt es also zu klären, ob die der Bundesbank obliegende Aufgabe der Währungssicherung als eine materiell-rechtliche Komponente des Art. 88 Satz 1 GG auch verfassungsrechtliche Qualität besitzt [dazu unter b)]. Schließlich wird in einem dritten und letzten Schritt der Zusammenhang zwischen Art. 88 Satz 1 GG als verfassungsrechtlicher Aufgabennorm und sei-
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nem organisationsrechtlichen Gehalt beleuchtet. Konkret ist der Frage nachzugehen, ob es zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Ziels der Geldwertstabilität von Verfassungs wegen zwingend einer durch Unabhängigkeit von staatlichen Stellen gekennzeichneten Organisationsverfassung der Deutschen Bundesbank bedarf, ob also der materielle Gehalt des Art. 88 Satz 1 GG eine entsprechende verfassungsrechtliche Direktive für die Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank nach sich zieht. Denn allein die Verfassungswertigkeit der Sachaufgabe Währungsstabilität legitimiert keineswegs eo ipso dazu, auf einen entsprechenden verfassungsrechtlich garantierten aufgabenbezogenen Organisationsrahmen zu schließen84. Vielmehr bedarf ein solcher Ableitungszusammenhang eines besonderen Begründungsaufwandes85 [dazu unter c)]. a) Dimensionen des Art 88 Satz 1 GG: Kompetenz-, Aufgaben- und Organisationsnorm
Der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 1 GG kommt zunächst Bedeutung als Kompetenzvorschrift zu, wonach dem Bund die Befugnis zur Errichtung einer Bundesbank als Währungs- und Notenbank zusteht86. In dieser kompetenziellen Dimension erschöpft sich indes der Aussagegehalt des Art. 88 Satz 1 GG nicht. Vielmehr können bundesstaatliche Kompetenzvorschriften über ihren kompetenziellen Regelungsgehalt hinaus auch eine weitere Bedeutungsschicht aufweisen, die sich auf die Ausübung der zugewiesenen Kompetenz bezieht und konkrete Vorgaben für die zu erfüllende Aufgabe und die aufgabenbezogene Organisationsform trifft 87 . Aus grundgesetzlichen Kompe84 So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 430; zu der möglichen Divergenz zwischen Aufgabenzuweisungen einerseits und Befugnissen andererseits J. Isensee, in: ders. / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΠΙ, § 57 Rdnrn. 142 f. 85 Daher weist M Jestaedt (Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 430) zu Recht daraufhin, daß allein aus der verfassungsrechtlichen Verankerung einer bestimmten Sachaufgabe noch nicht eo ipso auf einen darauf bezogenen bestimmten Organisationsrahmen geschlossen werden kann, denn eine solche Deduktion erweist sich bei Lichte betrachtet als petitio principii; daher insoweit mißverständlich K. Stern, Staatsrecht Π, S. 507: „Die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe legitimiert aber zugleich dazu, den rationalen Weg zur Verwirklichung dieser Aufgabe einzuschlagen". 86 Zu diesem kompetenziellen Gehalt des Art. 88 Satz 1 GG E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar m, Art. 88 Rdnr. 6; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 474 f. 87 Abweichend von der hier verwendeten Terminologie wird zum Teil auch von Organisations-, Aufgaben- und Ermächtigungsgehalt gesprochen, so zum Beispiel E. Schmidt-Aßmann IG. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 53 f.; in Anlehnung hieran auch M Jestaedt, Demo-
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tenzvorschriften können mithin verbindliche verfassungsrechtliche Direktiven für die organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens des betreffenden Verwaltungsträgers folgen, innerhalb dessen er die ihm obliegende Sachaufgabe zu erfüllen hat. Auch das Bundesverfassungsgericht hat schon frühzeitig erkannt, daß aus den grundgesetzlichen Kompetenznormen auch materielle Aufgaben erwachsen können; so folgten aus den verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 108 Abs. 1 GG nicht nur Zuständigkeiten im Bereiche des Finanzwesens, sondern darüber hinaus auch Finanzmonopole als besondere Form der Abgabenerhebung88. Die dogmatische Erklärung für diesen über den kompetenziellen Gehalt grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften hinausreichenden Bedeutungsgehalt liegt darin, daß verfassungsrechtliche Kompetenzvorschriften nicht um ihrer selbst willen bestehen, sondern Kompetenzen stets im Hinblick auf ganz bestimmte Sachaufgaben zugewiesen sind 89 . Jede Kompetenzzuweisung setzt zunächst einmal eine bestimmte Sachaufgabe voraus, die zugewiesen werden soll. Der Kompetenzgehalt einer Verfassungsnorm impliziert demnach notwendigerweise einen bestimmten Aufgabengehalt derselben Verfassungsnorm 90 . In der grundgesetzlichen Zuweisung von Kompetenzen liegt also zwangsläufig auch die verfassungsrechtliche Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit des betreffenden Regelungsgegenstandes sowie eine Ermächtigung für den Staat, auf dem entsprechenden Gebiet tätig zu werden 91.
kratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 447 ff; F. Ossenbühl, in: Festschrift für R. Lukes, S. 525; ähnlich auch S. Broß, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 87 Rdnr. 3.; nach wiederum anderer Terminologie wird nach Kompetenz-, Ermächtigungs- und Organisationsgehalt unterschieden, so E.-W. Böckenförde / E. G. Mahrenholz, BVerfGE 69, 57 (60 f.), Sondervotum. 88 Vgl. BVerfGE 14,105 (111); siehe auch BVerfGE 21,245 (248 f.); 41,205 (218). 89 Allgemein zur Deutung von Kompetenznormen als materielle Aufgabenverbürgungen A. Bleckmann, DÖV 1983, 129 ff; H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52 f., 152 ff; A. Menzel, DÖV 1983, 805 ff.; F. Ossenbühl, in: Festschrift für R. Lukes, S. 525 ff.; Β. Pieroth, AöR 114 (1989), 422 ff.; E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 53 ff.; M. Selk, JuS 1990, 895 ff.; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 154 ff. 90 Vgl. Η. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52 und 152 ff.; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 448 ff., der insoweit zwischen dem kompetenziellen „Primärgehalt" und dem aufgabenbezogenen „Sekundärgehalt" grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften unterscheidet; ausführlich auch P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 17; B. Mayer, Die Bundespost: Wirtschaftsunternehmen oder Leistungsbehörde, S. 73. 91 Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 73 Rdnr. 7; B. Mayer, Die Bundespost: Wirtschaftsunternehmen oder Leistungsbehörde, S. 73.
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Ein solcher verfassungsrechtlicher Aufgabengehalt kommt indes nur solchen Kompetenzvorschriften zu, die Gegenstände obligatorischer Bundesverwaltung enthalten (Art. 88 Satz 1 GG) 92 . Insoweit werden dem Bund bestimmte Aufgaben als verfassungsrechtliche Pflichtaufgaben zugewiesen, zu deren Erfüllung er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist. In diesen Fällen ist die Sachaufgabe als solche durch die Verfassung garantiert. Dagegen scheiden Kompetenznormen als verfassungsrechtliche Aufgabengarantien immer dann aus, wenn sie Gegenstände fakultativer Bundesverwaltung enthalten (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, 87c GG). In diesem Fall ist der Bund zur Wahrnehmung der betreffenden Verwaltungsaufgabe von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, sondern lediglich berechtigt. Ist aber die Erfüllung der Aufgabe durch das Grundgesetz nicht vorgeschrieben, sondern vielmehr in das Belieben des einfachen Organisationsgesetzgebers gestellt, so ist auch die Aufgabe selbst nicht durch die Verfassung garantiert. Fest steht damit allerdings bislang nur, daß grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften, die Gegenstände der obligatorischen Bundesverwaltung enthalten, und damit auch der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 1 GG ein bestimmter aufgabenbezogener Regelungsgehalt zukommt. Damit ist jedoch noch nichts für die Frage gewonnen, welche konkrete Sachaufgabe zur verfassungsrechtlichen Pflichtaufgabe erhoben und damit verfassungsrechtlich garantiert ist. Hierzu bedarf es eines besonderen, auf die jeweilige Kompetenzvorschrift bezogenen Begründungsaufwandes, welcher der betreffenden Kompetenznorm einen bestimmten verfassungsrechtlichen Aufgabengehalt beizumessen vermag. Der Nachweis kompetenzüberschießender Normgehalte ist also für jeden Sachbereich einzeln zu führen 93. Über diesen Kompetenz- und Aufgabengehalt hinaus treffen grundgesetzliche Kompetenzvorschriften schließlich teilweise auch verbindliche Anordnungen für die konkrete Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens des betreffenden Aufgabenträgers, innerhalb dessen die betreffende Sachaufgabe zu erfüllen ist. Als Beispiel hierfür sei nur die Vorschrift des Art. 87 Abs. 1 GG in seiner ursprünglichen Fassung genannt, die sowohl die Bundespost als auch die Bundeseisenbahn zum Gegenstand bundeseigener Verwaltung erhob. Un-
92 Zu dieser Unterscheidung zwischen der obligatorischen und der fakultativen Bundesverwaltung S. Broß, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 87 Rdnrn. 2 - 4 und 23; H. P. Bull, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 86 Rdnrn. 15 f.; P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 86 Rdnrn. 14 -16; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnrn. 2,4. 93 Ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 450; C. Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161 (171 f.).
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bestritten war insoweit, daß diese Vorschrift neben ihrem die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund und Ländern betreffenden kompetenziellen Gehalt auch eine sachaufgabenbezogene Garantie beinhaltete. Darüber hinaus enthielt Art. 87 Abs. 1 GG a.F. nach überwiegender Auffassung auch eine organisationsrechtliche Aussage für die genannten Verwaltungszweige mit dem Inhalt, daß zumindest der Kernbereich des jeweiligen Aufgabenbestandes durch den Bund selbst, also in bundeseigener Verwaltung geführt werden mußte94. Dies wurde vor allem aus dem Begriff der „bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F. gefolgert, der all diejenigen Verwaltungseinheiten umfaßte, „deren Träger unmittelbar der Bund und nicht eine dazwischengeschaltete, mit Rechtsfähigkeit ausgestattete juristische Person des öffentlichen Rechts ist" 95 . Letztere wurden dagegen unter dem Begriff der bundesunmittelbaren Eigenverwaltung durch juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammengefaßt und dem Topos der „bundeseigenen Verwaltung" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F. entgegengesetzt96. Speziell für die Verwaltung von Bahn und Post wurde das durch die grammatikalische Auslegung des Art. 87 Abs. 1 GG a.F. gewonnene Ergebnis auch durch die Entstehungsgeschichte dieser Norm bekräftigt, aus der hervorging, daß für diese beiden Verwaltungsaufgaben die Organisationsform der bundesmittelbaren Verwaltung ausgeschlossen werden sollte97. Die Gegenansicht, die Art. 87 Abs. 1 GG keinen bestimmten Rechtsformvorbehalt beimaß, sondern auf die rechtliche und tatsächliche Beherrschbarkeit des jeweiligen Organisationstyps abstellte98, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt, weil sie mit der den Art. 86 ff. GG zugrunde liegenden Unterscheidung zwischen bun-
94 Vgl. nur M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 448 ff ; Η. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 87 Anm. DI. 3. c; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 39; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnrn. 1 f.; E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 99 ff., insbesondere 102 ff. 95 So E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 102. 96 E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 102 f. 97 Siehe hierzu die Äußerung des Abgeordneten Laforet in der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 25. November 1948, Anlage Drs. Nr. 850, S. 37 (41); zu der Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 1 GG a.F. auch M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 458 ff.; E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 103 f. 98 So vor allem A. Dittmann, Die Verwaltung 1975,431 ff; B. Mayer, Die Bundespost: Wirtschaftsunternehmen oder Leistungsbehörde, S. 79; G. F. Schuppert, Der Staat 32 (1993), 581 (605).
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deseigener Verwaltung einerseits und bundesunmittelbarer Verwaltung durch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts andererseits brach. Im Ergebnis steht damit fest, daß grundgesetzliche Kompetenzvorschriften, die Gegenstände obligatorischer Bundesverwaltung enthalten, einen über ihre kompetenzielle Bedeutung hinausreichenden Regelungsgehalt aufweisen und ihnen über ihre Funktion als Kompetenznorm hinaus auch verfassungsrechtlicher Gehalt als Aufgabennorm zukommt, aus dem wiederum ein bestimmter Organisationsgehalt folgen kann". Demnach enthält auch Art. 88 Satz 1 GG über seinen kompetenziellen Regelungsgehalt hinaus die verfassungsrechtliche Gewährleistung einer bestimmten Sachaufgabe, aus der bestimmte organisatorische Direktiven folgen können, welche sich auf die Wahrnehmimg der in Art. 88 Satz 1 GG verankerten Sachaufgabe beziehen und hieraus ihren spezifischen Gehalt erfahren. b) Art. 88 Satz 1 GG als Aufgabennorm: Geldwertstabilität als verfassungsrechtliches Ziel
Steht damit fest, daß Art. 88 Satz 1 GG ein bestimmter verfassungsrechtlicher Aufgabengehalt zukommt, so bleibt zu klären, ob damit auch das Ziel der Geldwertstabilität, zu dessen Wahrung die Bundesbank nach § 3 BBankG und §§ 1, 13 Abs. 3 StWG 100 einfachgesetzlich verpflichtet ist, als eine verfassungsrechtlich fundierte Aufgabe in Art. 88 GG Satz 1 angelegt ist. aa) Wortlaut des Art 88 Satz 1 GG: Geldwertstabilität als verfassungsrechtliches
Ziel?
Zunächst ist zu fragen, ob sich aus dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG eine Verpflichtung der Deutschen Bundesbank zur Gewährleistung des Ziels der Währungssicherung ergibt. In diese Richtung weisen einige Stimmen aus dem Schrifttum. Unter Berufung auf den in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnden Begriff 99
So ist namentlich im Zusammenhang mit Art. 87 GG a.F. der Charakter von Kompetenzvorschriften als Aufgaben- und Organisationsnormen herausgearbeitet worden, vgl. statt vieler M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 447 f.; H. Lecheler, NVwZ 1989, 834 ff.; P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 17; F. Ossenbühl, in: Festschrift für R. Lukes, S. 525 (530 ff); E. Schmidt-Aßmann, in: Gedächtnisschrift für W. Martens, S. 249 (253); E. Schmidt-Aßmann / G. Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 53 ff.; Th. Maunz, in: Festschrift für H. U. Scupin, S. 615 ff. 100 Zu der umstrittenen Frage der Bindung der Deutschen Bundesbank an die §§ 1, 13 Abs. 3 StWG oben im zweiten Teil, Kapitel 3, Fn. 16 - 29 (S. 149 - 153).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank der „Währungsbank" wird vertreten, daß Art. 88 Satz 1 GG nicht nur einen gewissen monetären Aufgabenbestand sichere, sondern darüber hinaus auch das hierbei zu verfolgende Ziel der Währungssicherung verbindlich vorgeb e 1 0 1 . Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß das in Art. 88 Satz 1 GG verwendete Begrüfselement der Währungdoavk an den verfassungsrechtlichen Begriff des Geldes anknüpfe 1 0 2 , welches zu seiner Erfüllung „des Vertrauens der Gesellschaft" bedürfe. Dieses Vertrauen herzustellen und zu erhalten, sei der „grundlegende Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber" 103 . In der Diktion des Bundesverwaltungsgerichts gesprochen: Der Begriff der „Währungsbank" umfasse mit der „Sorge für das Geld sowohl die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geldmitteln als auch die Sicherung des Geldwertes" 104 . Zur Bewältigung dieser Aufgabe, die Stabilität der Währung zu sichern, müsse die Bundesbank mit einem gewissen Grundbestand währungspolitischer Befugnisse ausgestattet sein 1 0 5 , ohne daß Art. 88 Satz 1 GG indes ganz bestimmte monetäre Befugnisse verfassungsrechtlich festschreibe 106 . Durch Art. 88 Satz 1 GG
101 H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 266 f.; C.-Th. Samm, in: H. J. Hahn (Hrsg.), Geldverfassung und Ordnungspolitik, 159; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 219 ff. 102 Zu dem Begriff des Geldes und seiner historischen Entwicklung ausführlich J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 220 - 269; siehe hierzu auch H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 30 ff. 103 So ausdrücklich//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 267; ebenso J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 267. 104 So im Ergebnis BVerwGE 41, 334, 349; E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 10; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 116; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 266 f.; H. v. Mangoldtl F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. ΙΠ. 3. b bb; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 11; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 54; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 267; D. Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 25; kritisch zur Verankerung des Ziels der Geldwertstabilität in Art. 88 Satz 1 GG dagegen W. Hoffinann-Riem, AöR 96 (1971), 443 f. 105 BVerwGE 41, 334, 350; E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 10; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 116; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 267. 106 Zu dieser Frage, ob Art. 88 Satz 1 GG die „üblichen währungspolitischen Befugnisse" sichert oder lediglich ein „währungspolitisches Minimum" garantiert BVerwGE 41, 334 (350); S.-P. Eun 9 Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 116 f.; Η. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. ΙΠ. 7. a aa; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnrn. 11, 13; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 138; D. Uhlenbruck, Die
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sei mithin nicht nur ein gewisses währungspolitisches Instrumentarium geschützt, sondern darüber hinaus auch das hierbei zu verwirklichende Ziel der Währungssicherung verfassungsrechtlich verbindlich vorgeschrieben. Aus dem Vorstehenden wird deutlich, daß die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG maßgeblich von der grammatikalischen Auslegung dieser Verfassungsbestimmung abhängt. Dabei ist im gegebenen Zusammenhang allein entscheidend, ob Art. 88 Satz 1 GG über die Zuweisung bestimmter monetärer Aufgaben an die Bundesbank hinaus auch ihre Verpflichtung zur Verfolgung des Ziels der Währungssicherung enthält. Gegen die Verortung des Leitziels der Geldwertstabilität in Art. 88 Satz 1 GG könnte man einwenden, daß der Begriff der Währungsbank lediglich ein gewisses monetäres Instrumentarium impliziert, nicht jedoch zwingend auch das Ziel der Währungssicherung umfaßt. Art. 88 Satz 1 GG würde demnach ausschließlich einen bestimmten Aufgabenbestand garantieren, nicht aber auch das bei der Wahrnehmung dieser monetären Aufgaben zu beachtende Ziel der Geldwertstabilität enthalten. Nur die Aufgabe, nicht aber das Ziel würde an dem Gewährleistungsgehalt des Art. 88 Satz 1 GG teilnehmen. Überdies ließen sich gegen die verfassungsrechtliche Verankerung des Ziels der Geldwertstabilität in Art. 88 Satz 1 GG auch systematische Überlegungen anführen: Der weitere Begriff in Art. 88 Satz 1 GG („Notenbank") umfaßt nach einhelliger Auffassung lediglich monetäre Befugnisse 107, nicht aber auch das Ziel der Währungssicherung. Die systematische Verknüpfung von Notenbank und Währungsbank in Art. 88 Satz 1 GG könnte daher Anlaß zu der Schlußfolgerung geben, daß gleiches auch für die Auslegung des Begriffs Währungsbank gilt. Läßt sich demnach nicht mit letzter Verbindlichkeit feststellen, ob das Ziel der Währungssicherung von dem semantischem Horizont des Art. 88 Satz 1 GG erfaßt ist, so braucht dieser Problemkreis indes nicht weiter vertieft zu
verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, S. 26 und 37. 107 Siehe hieizu bei E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 11; H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, Κ 45; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 114; H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Aiternati v-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 4; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 265; H. v. Mangoldt/ F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. EL 4. b; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Heizog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 16; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 2; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 105; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 61 f.; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 217; K. Stern, Staatsrecht Π, S. 476 f.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
werden. Denn wie im folgenden zu zeigen sein wird, ist die Gewährleistung von Preisstabilität als ein wirtschaftspolitisches Teilziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG mit Verfassungsrang ausgestattet, welches die Bundesbank bei der Erfüllung ihrer monetären Befugnisse zu beachten hat. Ob daher die Sicherung des Geldwertes als ein verfassungsrechtlich fundiertes Ziel in Art. 88 GG Satz 1 selbst angelegt ist oder erst aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 88 Satz 1 GG zu Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, kann hier dahinstehen. bb) Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität Ausgangspunkt für die Frage, ob die der Bundesbank einfachgesetzlich zugewiesene Aufgabe der Geldwertsicherung als verfassungsrechtliches Ziel durch Art. 109 Abs. 2,104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt ist, ist der in diesen Verfassungsbestimmungen verankerte Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts". Insoweit, dies sei vorweggenommen, geht es lediglich darum, ob das Ziel der Geldwertstabilität verfassungsrechtlich fundiert ist; ob darüber hinaus insbesondere aus Art. 109 Abs. 2 GG auch ein individuelles Grundrecht als subjektiv-rechtliche Gewährleistung folgt, kann und muß im gegebenen Zusammenhang dahinstehen108. Gem. Art. 109 Abs. 2 GG sind Bund und Länder dazu verpflichtet, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Neben Art. 109 Abs. 2 GG findet sich der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auch in den Verfassungsbestimmungen der Art. 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG, die den Bund ermächtigen, zur Abwehr von Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bestimmtefinanzpolitische Maßnahmen zu ergreifen. Durch diese verfassungsexplizite Erwähnung hat der Verfassungsgesetzgeber das wirtschaftspolitische Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unter den ausdrücklichen Schutz des Grundgesetzes gestellt und zu einem mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswert erhoben 109.
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Zu dieser Frage bei K. Vogel, in: Bonner Kommentar, Vorbem. zu Art. 104a 115 Rdnr. 4; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 41; P. Selmer, AöR 101 (1976), 399 (432 f.). 109 Statt aller//. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 109 Rdnr. 5; H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 109 Rdnr. 10; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 4a); Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob auch das wirtschaftspolitische (Teil-)Ziel der Geldwertstabilität Verfassungsrang besitzt. Denn weder in Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG noch in sonstigen Bestimmungen des Grundgesetzes ist der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts genauer definiert. Eine Begriffsbestimmung findet sich aber in § 1 Satz 2 des im Rang unterhalb des Grundgesetzes stehenden Stabilitätsgesetzes. Nach § 1 Satz 2 StWG ist Inhalt des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die gegenseitige Beeinflussung und Förderung von Maßnahmen zugunsten einer Stabilität des Preisniveaus, eines hohen Beschäftigungsstandes, einer gesunden Außenwirtschaft und eines stetigen Wirtschaftswachstums. Danach stellt die Stabilität des Preisniveaus -neben den drei anderen wirtschaftspolitischen Zielen - ein Teilziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dar. Damit erhebt sich die Frage, inwieweit auf diese einfachgesetzliche Begriffsbestimmung zur Beantwortung der Frage zurückgegriffen werden kann, ob die der Deutschen Bundesbank nach § 3 BBankG und §§ 1, 13 Abs. 3 StWG obliegende währungspolitische Aufgabe der Geldwertsicherung Verfassungsrang besitzt. Die maßgebliche Frage lautet also, ob nur das in Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte wirtschaftspolitische (Global-)Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit Verfassungsrang ausgestattet ist oder ob auch dessen einzelne wirtschaftspolitische Teilziele respektive die Geldwertstabilität unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen und auch ihnen verfassungsrechtliche Valenz zukommt. Grundsätzlich gilt, daß einfachgesetzlich getroffene Definitionen und Begriffsbestimmungen nicht als Auslegungshilfe für Verfassungsrechtsbegriffe dienen können. Vielmehr folgt aus der Normenhierarchie und der Verbindlichkeit der Verfassung als ranghöchster Rechtsquelle110, daß das Grundgesetz den Maßstab für alle im Rang darunter stehenden einfachgesetzlichen Vorschriften bildet und also die Verfassung verbindliche Direktiven für die Auslegung einfachgesetzlicher Rechtsnormen aufstellt. Umgekehrt verbietet es sich, die einfachgesetzliche Rechtslage zum Maßstab der Verfassungsinterpretation zu erheben 111. Diese Auslegungsmaxime, die mittlerweile zum verfassungs-
(Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; R. Schmidt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 82 Rdnr. 1187. 110 Dazu bei E.-W. Böckenförde, in: Festschrift für A. Arndt, S. 74; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 6 Rdnr. 199; H.J. Koch IH. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 263 ff; K. Larenz I C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 160. 111 Statt aller R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 VI Rdnrn. 1 ff, insbesondere 3: „Das Grundgesetz geht unmißverständlich vom Bild einer Rechtsnormenpyramide aus, an deren Spit-
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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rechtlichen Gemeingut zählt, bezieht ihre Kraft als ranghöchstes Rechtsauslegungsprinzip aus dem Satz „Verfassungsrecht bricht Gesetzesrecht"112. Verfassungsrechtliche Rechtsbegriffe können, selbst wenn sie durch einfaches Recht legaldefiniert sind, nicht lediglich als ein „Konzentrat einfach-gesetzlicher Normen" verstanden werden 113 , sondern bedürfen grundsätzlich eines eigenen, spezifisch verfassungsrechtlichen Begrififsbildes. Auf einfachgesetzlich geregelte Definitionen kann zur Auslegung der Verfassung aber ausnahmsweise dann zurückgegriffen werden, wenn die Verfassung selbst einen solchen Rückgriff vorsieht oder zumindest billigt. So liegt es in dem hier in Rede stehenden Fall: Aus der Entstehungsgeschichte zu Art. 109 Abs. 2 GG folgt, daß zur Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Begriffs des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auf die in § 1 Satz 2 StWG getroffene Definition zurückgegriffen werden kann. Denn aus der Genese des Art. 109 Abs. 2 GG geht hervor, daß die Grundgesetzväter zum damaligen Zeitpunkt bewußt darauf verzichtet haben, den Inhalt dessen, was als gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht im Sinne der Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstehen sein soll, in der Verfassung zu verankern. Zwar sollte die Gewährleistung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts als solches in der Verfassung Anklang finden; es wurde jedoch bewußt davon Abstand genommen, dieses mit einer nach dem damaligen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisstand für richtig befundenen Begriffsbestimmung verfassungsrechtlich festzuschreiben, um das Grundgesetz auf diese Weise für künftige Fortentwicklungen der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse ofifenzuhalten 114. Der verfassungsrechtliche Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der einen in die Zukunft hinein offenen Vorbehalt für die Aufnahme neuer, gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften als insoweit sachkunze die Verfassung und an deren zweiter Stelle erst das formelle Gesetz stehen"; Κ Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnrn. 80 ff; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnrn. 23 f. 112 Dazu Κ. A. Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung, S. 19 f.; siehe auch U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (949); K. Stern, Staatsrecht I, S. 105 f.; R. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 ff 113 BVerfGE 67, 256 (282) unter Hinweis auf P. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 33 ff. 114 Vgl. den Bericht des Rechtssausschusses des Bundestages, Drs. V / 1686, 17. Sitzung vom 22. September 1966, Prot. S. 3 ff., 13 f., 49; siehe auch BVerfGE 79, 311 (338 f.); Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 Rdnr. 10; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 9; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 49; R. Zuck, NJW 1967,1301 (1304). 14 Brosius-Gersdorf
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diger Fachdisziplin enthält 115 . Die Aufgabe, diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, sollte dem einfachen Gesetzgeber zufallen, damit dieser das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht dem jeweiligen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechend definieren kann, ohne daß jedesmal auch die Verfassung geändert werden muß. Insoweit enthält das Grundgesetz einen verfassungsrechtlichen Auftrag an den einfachen Gesetzgeber, der ermächtigt wird, über Inhalt und Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu disponieren. Hierin liegt der Grund dafür, daß zur Definition des unbestimmten Verfassungsrechtsbegriflfs „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" im Sinne der Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG auf die einfachgesetzliche Begriffsbestimmung in § 1 Satz 2 StWG und damit auf dessen vier wirtschaftspolitische Teilziele zurückgegriffen werden kann, so daß die in § 1 StWG getroffene Definition damit zum Auslegungsmaßstab für das Grundgesetz avanciert. Auf diesem Wege wird die einfachgesetzlich festgeschriebene Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch die genannten Verfassungsbestimmungen rezipiert und mit verfassungsrechtlicher Wertigkeit versehen. Über § 1 Satz 2 StWG erhält mithin das wirtschaftspolitische Teilziel der Geldwertstabilität als Bestandteil des in Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich festgeschriebenen gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts selbst verfassungsrechtlichen Rang 116 . Gegen das Vorstehende sind zwei Einwände denkbar, zu denen hier kurz Stellung bezogen werden soll. Der erste Einwand zielt darauf, daß die in § 1 Satz 2 StWG definierten wirtschaftspolitischen Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht verbindlich festgeschrieben sind und daher auch nicht als Maßstab für die Konkretisierung des gleichlautenden Verfassungsrechtsbegriffs dienen können 117 . Dieser Einwand läßt sich mit dem folgenden Hinweis entkräften: Zwar wird in § 1 Satz 2 StWG lediglich der derzeitige wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisstand festgeschrieben, ohne daß damit der Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts endgültig und gegenüber neuen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen abschließend geregelt
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So BVerfGE 311 (338). So im Ergebnis auch BVerfGE 79, 311 (338 f.); H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 109 Rdnr. 10; J. Oebbecke, Weisungsund unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 172; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), 528 (548); K. Stern, Staatsrecht Π, S. 507; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 49; ebenso wohl auch J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rdnr. 49. 117 W. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 121; F. Klein, in: B. SchmidtBleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 9; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 49. 116
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wäre 118 . Jedoch kommt der in § 1 Satz 2 StWG getroffenen Definition zum gegenwärtigen Zeitpunkt Verbindlichkeit zu und kann daher zumindest insoweit als Auslegungsmaxime für den verfassungsrechtlichen Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts herangezogen werden 119. Die Definition in § 1 Satz 2 StWG gibt die zum Zeitpunkt des Erlasses des Stabilitätsgesetzes im Jahre 1967 maßgebende und bis heute geltende Auffassung des Bundesgesetzgebers wieder, der gem. Art. 109 Abs. 3 GG die Kompetenz hat, die Grundsätze für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft aufzustellen und damit den Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auszufüllen 120. Mithin steht die Offenheit der in § 1 Satz 2 StWG normierten Regelung dem Rückgriff des Verfassungsgesetzgebers auf die darin getroffene einfachgesetzliche Definition des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht entgegen, so daß - zumindest nach dem derzeitigen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisstand - den in § 1 Satz 2 StWG normierten wirtschaftspolitischen Teilzielen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und damit auch der Geldwertstabilität verfassungsrechtlicher Rang zukommt. Der zweite Einwand erhebt sich vor dem Hintergrund, daß die Geldwertstabilität nur eines von vier wirtschaftspolitischen Teilzielen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bildet und mithin nur einer unter mehreren Bestandteilen desselben ist 1 2 1 . Dieser Einwand ist insoweit berechtigt, als das Verhältnis der vier wirtschaftspolitischen Komponenten zueinander in der Tat ungeklärt ist. Umstritten ist dabei vor allem, ob zwischen ihnen ein Wert- und Bedeutungsgefälle besteht122, ob sie also gleichrangig nebeneinander stehen 123 oder einem der Teilziele Vorrang vor den jeweils anderen zukommt und bei wirtschaftspolitischen staatlichen Maßnahmen primär zu verfolgen 118
Siehe dazu auch Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 Rdnr. 4; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115 Rdnr. 8. 119 So die allgemeine Auffassung, vgl. nur H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 109 Rdnr. 10; Ε. A. Piduch, Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 Rdnr. 22; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 115 Rdnr. 8; K. Vogel, in: Bonner Kommentar, Art. 115 Rdnr. 8. 120 Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 25; E. A. Piduch, Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 Rdnr. 20. 121 So aberD. Hoffmann , in: Festschrift für H. Ridder, S. 53 (57). 122 Zu diesem Streit ausführlich bei Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 27. 123 So E. A. Piduch, Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 Rdnr. 22; Κ Vogel, in: Bonner Kommentar, Art. 109 Rdnr. 114.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
ist 1 2 4 . Richtig ist auch, daß die vier Teilziele in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis stehen, sie also in der Regel nicht gleichermaßen verwirklicht werden können, sondern gleichzeitig nur mit wechselseitigen Konzessionen realisierbar sind 125 . Je nach wirtschaftspolitischer Lage ist die Verwirklichung gleichgewichtiger Wirtschaftspolitik nur unter Akzentuierung des einen oder anderen Teilziels und damit unter Vernachlässigung der übrigen Teilziele möglich. Jedoch lassen sich diese Spannungen zwischen den vier Teilzielen nicht als Argument gegen ihre verfassungsrechtliche Valenz anführen. Denn auch wenn bei konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht alle Teilziele gleichermaßen und in vollem Umfang verwirklicht werden können, so steht doch fest, daß jedes dieser Ziele als solches als notwendiger Bestandteil des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verfassungsrechtlich fundiert ist. Zwar ist kein bestimmter Zielverwirklichungsgrad, kein konkretes Maß jedes einzelnen wirtschaftspolitischen Teilziels verfassungsrechtlich verbindlich festgeschrieben, weil die Verfassung insoweit lediglich die einfachgesetzliche Rechtslage rezipiert. Jedoch kommt den vier Teilzielen als solchen in ihrem grundsätzlichen Bestand verfassungsrechtlicher Schutz zu. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß zur Konkretisierung des in Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Rechtsbegriffs des gesamtwirtschaftliches Gleichgewichts auf die in § 1 Satz 2 StWG einfachgesetzlich getroffene Begriffsbestimmung zurückgegriffen werden kann. Über § 1 Satz 2 StWG besitzt die der Deutschen Bundesbank obliegende Aufgabe der Gewährleistung von Geldwertstabilität als Bestandteil des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verfassungsrechtlichen Rang. Fraglich ist, welche Bedeutung diese verfassungsrechtliche Fundierung des Leitziels der Geldwertstabilität für die Auslegung des Art. 88 Satz 1 GG hat. Zunächst ist daran zu erinnern, daß die grammatikalische Ausdeutung des Art. 88 Satz 1 GG keinen verbindlichen Aufschluß darüber gibt, ob die Deutsche Bundesbank bei der Wahrnehmimg der ihr von Verfassungs wegen zugewiesenen monetären Befugnisse an das Ziel der Geldwertstabilität gebunden ist. Dem Wortlaut des Art. 88 Satz 1 GG („der Bund errichtet") ist lediglich zu entnehmen,
124 So die Ansicht von Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 27; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 Rdnr. 12; K. Stern, in: ders. / P. Münch / K.-H. Hansmeyer (Hrsg.), Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1IV. 2. 125 Dieses Ergebnis entspricht mittlerweile der gesicherten wirtschaftspolitischen Erkenntnis, vgl. muH. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar m, Art. 109 Rdnr. 10; D. Hoffmann, in: Festschrift für H. Ridder, S. 53 (57); Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 30; A. Möller, Kommentar zum Stabilitätsgesetz, § 1 Rdnr. 4.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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daß die Bundesbank zur Ausübung gewisser währungspolitischer Aufgaben verfassungsrechtlich verpflichtet ist, kurzum: daß Art. 88 Satz 1 GG eine obligatorische Staatsaufgabe, also eine Pflichtaufgabe begründet. Bei der Wahrnehmung dieser monetären Pflichtaufgaben ist die Deutsche Bundesbank an das Ziel der Geldwertstabilität gebunden, das in Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG dogmatisch beheimatet ist. Art. 88 Satz 1 GG und die Verfassungsbestimmungen der Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG stehen damit in einem funktionalen Wirkungszusammenhang: Art. 88 Satz 1 GG weist der Bundesbank als Pflichtaufgaben bestimmte monetäre Befugnisse zu, während Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG die Bundesbank verpflichten, bei der Wahrnehmung dieser Befugnisse das Ziel der Geldwertstabilität zu verfolgen. Pointiert: Art. 88 Satz 1 GG begründet die Aufgabe, Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG enthalten dagegen das Ziel. Erst im Zusammenspiel dieser verfassungsrechtlichen Regelungen ergibt sich der vollständige, sämtliche Facetten umfassende Funktionsrahmen der Deutschen Bundesbank. Aus Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, daß sich die Deutsche Bundesbank bei der Ausübung ihrer monetären Befugnisse von dem Ziel der Geldwertstabilität leiten lassen muß. Bezogen auf den Funktionskreis der Deutschen Bundesbank ist daher der dogmatische Standort des Leitziels der Geldwertstabilität Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG. Steht demnach fest, daß die Bundesbank bei der Erfüllung ihrer monetären Befugnisse an das Ziel der Währungssicherung gebunden ist, so werden im folgenden noch weitere Begründungsansätze für eine verfassungsrechtliche Fundierung der Geldwertstabilität beleuchtet, die sich jedoch - soviel sei vorweggenommen - nicht als tragfähig erweisen werden. cc) Geldwertstabilität der Eigentumsgarantie
als Bestandteil des Art. 14 GG?
Zur weiteren verfassungsrechtlichen Abstützung der Geldwertstabilität wird zum Teil die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG herangezogen. Diese auf grundrechtliche Fundierung zielende Auffassung beruht auf der Annahme, daß der Tauschwert des Geldes von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG erfaßt ist. Dabei geht es an dieser Stelle allein um die Frage, ob das wirtschaftspolitische Ziel der Geldwertstabilität durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verfassungsrechtlich fundiert ist; ob Art. 14 GG darüber hinaus auch ein individuelles Grundrecht als subjektiv-rechtliche Gewährleistung auf Stabilität des Geldwertes und als subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gegenüber staatli-
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
chen Kaufkraftminderungen enthält, kann im gegebenen Zusammenhang dahinstehen126. Ob die Geldwertstabilität den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG genießt, ist umstritten 127. Diese Frage steht in einem engen Zusammenhang mit dem alten Streit, ob das Vermögen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt 128 . Insoweit lehnt es das Bundesverfassungsgericht in mittlerweile ständiger Rechtsprechung ab, das Vermögen als solches dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG zu unterstellen 129. Bis auf bestimmte Ausnahmefälle, in denen Geldleistungspflichten den einzelnen übermäßig belasteten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt würden 130 , sei das Vermögen nicht durch Art. 14 GG geschützt131. Auf dieser Linie liegt es, daß das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Währungswesens die Ansicht vertritt, die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG enthalte weder „eine staatliche Wertgarantie des Geldes" noch die Gewährleistung eines stabilen Geldwertes 132 . Dagegen wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, daß sowohl dem Vermögen als solchem als auch dem Tauschwert des Geldes der
126 Insoweit ablehnend BVerfGE 50, 57; bejahend dagegen H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 185; siehe zu diesem Meinungsstreit auch bei H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 232 f.; R. Schmidt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR ΠΙ, § 82 Rdnr. 12. 127 Ausführlich zu dieser Frage, aber im Ergebnis verneinend T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 205 ff, insbesondere 217 ff. 128 Vgl. zu diesem Meinungsstreit die Darstellung bei P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 213 (227 ff.); B.-O. Bryde, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 14 Rdnr. 23; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 232 ff.; H D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 12; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnrn. 160 f.; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 14 / 15 Rdnr. 125. 129 Seit BVerfGE 4,1 (17) st. Rechtsprechung, vgl. in neuerer Zeit BVerfGE 78,249 (277). 130 Zu dieser sogenannten ,£rdrosselungswirkung" BVerfGE 14, 221 (241), seither st. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 131 BVerfGE 4, 7 (17), 74, 129 (148); 78, 232 (243); 81, 108 (122); so auch BVerwGE 87, 324 (330); BFHE 163,162 (174); BGHZ 83, 190 (194 f.); BSGE 60, 134 (145); aus dem Schrifttum ebenso B.-O. Bryde, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 14 Rdnr. 23; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 12; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 161. 132 BVerfG, HFR 1969, 347.
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Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG zuteil werde 133 . Begründet wird dies namentlich mit der Funktion des Art. 14 GG, einen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Betätigung im Vermögenswerten Bereich zu gewährleisten 134 . Zur weiteren Begründung wird zudem auf die herausragende Funktion des Geldes im Wirtschaftsleben hingewiesen; gerade dem Geldwert komme nach den heute herrschenden sozialen und ökonomischen Vorstellungen vielfach existentielle Bedeutung zu, so daß der Sinngehalt des Art. 14 GG nur durch den eigentumsrechtlichen Schutz des Tauschwertes verwirklicht werden könne 135 . Dem läßt sich nicht bereits mit dem Argument begegnen, daß die Einbeziehimg der Geldwertstabilität in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie zu einer einseitigen, allein auf dieses Ziel fixierten Wirtschaftspolitik des Staates führe, in dessen Gefolge andere, damit konfligierende wirtschaftspolitische Ziele zurücktreten und daher vernachlässigt werden müßten136. Denn eine entsprechende, den Tauschwert des Geldes miteinbeziehende Schutzbereichsbestimmung des Art. 14 GG hätte keineswegs einen absoluten grundrechtlichen Schutz der Geldwertstabilität zur Folge. Vielmehr bliebe auch bei einer solchen Auslegung der Eigentumsgarantie im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sehr wohl Raum für einen sachgerechten Ausgleich zwischen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentumsschutzes einerseits und anderen widerstreitenden, Verfassungsgütern, namentlich den übrigen in § 1 Satz 2 StWG genannten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, andererseits. Diese umstrittene Frage braucht jedoch im gegebenen Zusammenhang nicht abschließend geklärt zu werden. Denn gegen eine grundrechtliche Fundierung
133 So vor allem O. Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rdnr. 62; weitere Nachweise bei J. Erdmann, DVB1. 1986, 659 (661 mit Fn. 41) und bei H. Söhn, Finanzarchiv 46 (1988), 154 (163 ff.). 134 So vor allem die Argumentation von H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnrn. 184 f.; ders., AöR 98 (1973), 528 (542); ebenso bereits H Mammitzsch, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und die Stabilität des Geldwerts, S. 81 ff; anerkennend auch P. Kirchhof, WDStRL 39 (1981), 213 (258 f.); H. H. v. Arnim, WDStRL 39 (1981), 286 (310 ff); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 172; M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 120 f.; P. Selmer, AöR 101 (1976), 399 (434). 135 So H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnrn. 184 f.; ders., AöR 98 (1973), 528 (537 f.); ähnlich H. Mammitzsch, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und die Stabilität des Geldwerts, S. 77 ff. 136 So aber J8.-0. Bryde, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 14 Rdnr. 24; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 223.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
der Geldwertstabilität durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG dürfte ins Feld zu führen sein, daß der Eigentumsschutz des Art. 14 GG auf einer Zuordnung zu einer ganz bestimmten, konkreten Vermögenswerten Position beruht. Es mag wohl sein, daß das Vermögen als solches dem Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Eigentumsgarantie zu unterstellen ist 1 3 7 . Es mag auch sein, daß der Tauschwert bestimmter Sachgüter und Gegenstände als deren konkretes Äquivalent am Eigentumsschutz des Art. 14 GG teilnimmt 138 . Sämtliche dieser Fälle sind aber durch die Zuordnung bestimmter Sach- und Rechtsherrschaften zu konkreten Gegenständen oder deren Vermögenswerten Äquivalenten gekennzeichnet. Der Geldwert als solcher hingegen läßt eine solche Zuordnung zu bestimmten Vermögenswerten Rechtsgütern vermissen 139 und kann demnach auch nicht am Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG teilhaben140. Für dieses Ergebnis spricht zudem, daß eine Einbeziehimg des Geldwertes in den Eigentumsschutz nach Art. 14 GG auch gar nicht erforderlich ist, um den einzelnen vor staatlichen Beeinträchtigungen vermögenswerter Art zu schützen. Denn der Geldwert ist ohne die eigentumsrechtliche Garantie nach Art. 14 GG keineswegs schutzlos gestellt. Der allgemeine Vermögensschutz findet seine verfassungsrechtliche Absicherung in zahlreichen Grundgesetzbestimmungen, nicht zuletzt auch in der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG 1 4 1 . Aus diesem Grunde erscheint es nicht erforderlich, der Geldwertstabilität den Schutz des Art. 14 GG angedeihen zu lassen und damit die Eigentumsgarantie auf vermögensrechtlichem Gebiet als Analogon zu der als Aufifangtatbestand konstruierten allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2
™ Vgl. dazu bei Fn. 128 ff. 138 So die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum, vgl. nur H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 235; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 162. 139 Insoweit widersprüchlich H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dtlrig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14, der einerseits die Sach- und Rechtsherrschaft zu einem ganz konkreten Gegenstand für den Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verlangt (so bei Rdnr. 162) und aus diesem Grunde sogar das Vermögen als solches aus dem grundrechtlichen Schutz der Eigentumsgarantie ausnimmt (Rdnr. 161), der andererseits aber den Tauschwert des Geldes durch Art. 14 GG als geschützt ansieht (Rdnr. 184), obwohl sich dieser keinem konkreten Vermögenswerten Rechtsgut zuordnen läßt. 140 Ebenso T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 237; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rdnr. 49. 141 Vgl. H J. Hahn, Währungsrecht, S. 234 f.; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 161; dens., DVB1. 1980,787 (790).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Abs. 1 GG auszugestalten142. Und schließlich führte eine grundrechtliche Fundierung der Geldwertstabilität durch Art. 14 GG auch dazu, daß die geringste staatlich verursachte Vermögensminderung in die Bestandsgarantie143 des Art. 14 GG eingriffe - eine Folge, die der Verfassungsgesetzgeber bei der Konzeption der Eigentumsgarantie ersichtlich nicht vor Augen haben konnte 1 4 4 . Aus diesen Gründen nimmt die Geldwertstabilität am Eigentumsschutz des Art. 14 GG nicht teil 1 4 5 . Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG scheidet daher als weiteres Element zur verfassungsrechtlichen Fundierung der der Bundesbank obliegenden Aufgabe der Währungssicherung aus. dd) Sozialstaatsprinzip als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität? Schließlich führt das Bemühen im einschlägigen Schrifttum um eine verfassungsrechtliche Abstützung der Geldwertstabilität gelegentlich zu einem Rekurs auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG 1 4 6 . Getragen wird dieser Gedankengang von der Überlegung, daß durch eine inflationäre Geldentwertung gerade die schwächeren Einkommensschichten nachhaltig betroffen
142
So H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 234 f.; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 161. 143 Zu dieser Funktion des Art. 14 GG als Bestandsgarantie H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 235; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnrn. 2 und 15. 144 So wie hier auch H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 234 f. 145 Im Ergebnis ebenso wie hier BVerfG, HFR 1969, 347; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 14 Rdnr. 24; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 223, 234 f.; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), AlternativKommentar, Art. 14 /15 Rdnr. 125; ebenso wohl auch S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 160 f.; W. Möschel, Das Wirtschaftsrecht der Banken, S. 197; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 237 mit profunder Untersuchung. 146 So vor allem P. Badura, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 367 (369); ders., DÖV 1968,446 (449); E. Benda, NJW 1967, 849 (852); H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 269; H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 109 Rdnr. 10; H. C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 61; H.-J. Papier, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 186; ders., AöR 98 (1973), 528 (548); G. Prost, in: Festschrift für H. Rittershausen, S. 110 (117, 119); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 157 f.; Β. SchmidtBleibtreu, in: ders. / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 6; Η Schüszler, NJW 1964, 951 (954); so wohl auch Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 109 Rdnr. 28.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
würden 147 . Eine unsichere, erheblich schwankende Währung tauge nicht als Kalkulationsgrundlage für wirtschaftliche Entscheidungen, so daß dadurch die Gefahr einer ungünstigen, die sozial Schwächeren benachteiligenden Wirtschaftsentwicklung beschworen werde 148 . Um diesen Gefahren zu begegnen, sei die Geldwertstabilität durch das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip „mit seinem Gebot, die sozial und wirtschaftlich Schwächeren zu schützen"149, verfassungsrechtlich verankert. In der Tat läßt sich die überragende Bedeutung eines gesunden Geld- und Währungswesens für einen sozialstaatlich verfaßten demokratischen Staat nur schwerlich bestreiten 150. Währungsstabilität ist eine Grundvoraussetzung für eine innerstaatlich ausgeglichene Sozialordnung, sie dient unbestrittenermaßen der sozialen Sicherheit und dem sozialen Frieden 151. Eine an dem Ziel der Geldwertstabilität ausgerichtete Haushaltspolitik ist daher eine wesentliche Bedingung für wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt und ist damit auch Fundament für soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit 1 5 2 . Damit ist aber noch nichts für die Frage gewonnen, ob die Geldwertstabilität verfassungsdogmatisch im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu verankern ist. Einer Verortung der Geldwertstabilität im Sozialstaatsprinzip läßt sich nicht bereits mit dem Argument entgegentreten, daß durch das einseitige Herausgreifen der Geldwertstabilität andere wirtschaftspolitische Gesichtspunkte wie namentlich das ebenfalls sozialpolitisch motivierte Ziel der Vollbeschäftigung in den Hintergrund gedrängt und dadurch zwangsläufig vernachlässigt werden müßten153. Denn eine entsprechende verfassungsrechtliche Abstüt-
147 Vgl. statt vieler R. Schmidt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 82 Rdnr. 11;//. Schüszler, NJW 1964, 951 (954); M. Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 109. 148 So vor allem H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 269; C.Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 159 f. 149 H. Schüszler, NJW 1964, 951 (954). 150 So auch H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 262; D. Hoffmann , in: Festschrift für H. Ridder, S. 53 (57); S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 134 unter Rekurs auf H. J. Hahn, ebenda. 151 Siehe nur H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 109 Rdnr. 10; C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 159. 152 H. Fischer-Menshausen, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΠΙ, Art. 109 Rdnr. 10; J. MüUer-Volbehr, JZ 1982, 132 (136); C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im VerfassungsgefÜge, S. 159. 153 So aber H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 227; siehe auch K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 165 mit Fn. 283.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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zung der Geldwertstabilität durch das Sozialstaatsprinzip hätte nicht eo ipso deren alleinige Akzentuierung zur Folge; es wäre dadurch keineswegs der Weg versperrt, daneben auch andere, dem Ziel der Geldwertstabilität gegebenenfalls widerstreitende Verfassungswerte zu berücksichtigen und sie miteinander zum Ausgleich zu bringen. Weiter vermag auch der Einwand nicht zu verfangen, daß dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip angesichts seiner inhaltlichen Weite und mangelnden Bestimmtheit keinerlei konkrete organisationsrechtliche Direktiven entnommen werden könnten und eine sozialstaatliche Fundierung der Geldwertstabilität schon aus diesem Grunde scheitern müsse154. Dem ist zwar zuzugeben, daß sich das Sozialstaatsprinzip weder durch klare Strukturen noch durch eine überschaubare Dogmatik auszeichnet155. Dies hindert jedoch nicht daran, die Sozialstaatsklausel im Wege der Auslegung mit konkretem Regelungsinhalt zu versehen und daraus verbindliche verfassungsrechtliche Direktiven für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen im Staate erwachsen zu lassen 156 . Die nach dem Verfassungstext bestehende generalklauselartige Weite teilt das Sozialstaatsprinzip mit den anderen Strukturprinzipien des Art. 20 GG 1 5 7 , wie beispielsweise mit dem Rechtsstaatsprinzip, das ebenfalls der Auslegung und Konkretisierung bedarf, um verbindliche Regelungswirkung entfalten zu können 158 . Die Unbestimmtheit des Sozialstaatsprinzips darf daher nicht dazu führen, jeder inhaltlichen Konturierung dieses Prinzips zu entsagen.
154
So aber S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 138; T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 57. 155 Zu diesem um die Rechtswirkungen des Sozialstaatsprinzips rankenden Meinungsstreit bereits bei E. Forsthoff, WDStRL 12, (1955), 8 ff. und O. Bachof, WDStRL 12 (1955), 37 ff, vgl. hierzu aus neuerer Zeit R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 VIII Rdnrn. 6,26 ff; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnrn. 72 f.; F. E. Schnapp, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar I, Art. 20 Rdnrn. 16,20. 156 Daß die Sozialstaatsklausel kein substanzloser Blankettbegriff, sondern unmittelbar geltendes, wenn auch ein der konkreten Ausgestaltung in hohem Maße zugängliches Recht ist, hat auch das Bundesverfassungsgericht schonfrühzeitig anerkannt, vgl. BVerfGE 1, 97 (105), 3, 377 (381); 6, 32 (41); 6, 132 (198); 10, 354 (370 f.); 17, 1 (23); ebenso C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefüge, S. 158 f. 157 Vgl. zu Beispielen bei C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 159 mit Fn. 44. 158 So auch C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 159.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Gleichwohl sprechen grundsätzliche methodologische Bedenken gegen eine verfassungsrechtliche Verortung des der Bundesbank obliegenden Ziels der Geldwertstabilität im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Die Bedenken rühren daher, daß das wirtschaftspolitische Ziel der Geldwertstabilität als ein Element des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne der Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG bereits durch diese Verfassungsbestimmungen mit verfassungsrechtlicher Dignität ausgestattet ist. Da die durch diese Vorschriften verfassungsrechtlich geschützten Teilziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts allesamt sozialstaatlich ambitioniert und fundiert sind, stellen die Verfassungsbestimmmungen der Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG insoweit eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG dar und gehen diesem daher nach dem allgemeinen methodologischen Grundsatz lex specialis derogat lex generalis vor 1 5 9 . Für die verfassungsrechtliche Fundierung der der Bundesbank obliegenden Zielvorgabe der Währungssicherung bedarf es mithin der Heranziehung des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG nicht 1 6 0 . Es bleibt damit bei dem oben gefundenen Ergebnis: Dogmatischer Standort für das von der Bundesbank bei der Erfüllung ihrer monetären Aufgaben zu beachtende Ziel der Währungssicherung ist Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG. Wenn im folgenden von dem verfassungsrechtlichen Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG die Rede ist, so ist damit der sich erst aus dem Zusammenspiel mit Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG ergebende Zuweisungsgehalt gemeint. Nochmals: Erst aus dem Zusammenwirken dieser Bestimmungen ergeben sich die verfassungsrechtlichen Koordinaten für den Funktionskreis der Deutschen Bundesbank, das heißt die Zuweisung monetärer Aufgaben und die Verpflichtung auf das Ziel der Geldwertstabilität. Die nachstehenden Ausführungen rekurrieren insoweit allein auf Art. 88 Satz 1 GG, ohne daß dadurch die systematische Verklammerung mit Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG außer Acht gelassen wird. 159 Zur lex-specialis-Regel K. Larenz / C.-W. Canaris , Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88. 160 Zumindest im Ergebnis ebenso K. v. Bonin, Zentralbanken zwischen funktionaler Unabhängigkeit und politischer Autonomie, S. 165 Fn. 283; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 226 f.; ders., BayVBl. 1982, 33 (35); ebenso D. Hoffmann, in: Festschrift für H. Ridder, S. 53 (57), der allerdings eine verfassungsrechtliche Fundierung der Geldwertstabilität gänzlich ablehnt; insoweit widersprüchlich S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 138, der einerseits den Versuch, die Geldwertstabilität aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleiten, wegen dessen inhaltlicher Unbestimmtheit ablehnt, aber andererseits in demselben Atemzug ausführt, daß „die unabhängige Stellung der Bundesbank auch wegen deren Bedeutung für die Geldstabilität an das Prinzip sozialer Marktwirtschaft anzupassen" sei.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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c) Art 88 Satz 1 GG als aufgabenspezifische Organisationsnorm
Konnte damit bislang festgestellt werden, daß Art. 88 Satz 1 GG über seinen kompetenziellen Gehalt hinaus auch Bedeutung als Sachaufgabennorm zukommt und die Bundesbank bei der Erfüllung ihrer monetären Befugnisse dem Ziel der Währungssicherung verpflichtet ist, so gilt es nunmehr - entsprechend dem oben skizzierten Gang der Untersuchung 161 - der Frage nachzugehen, welche Konsequenzen sich hieraus für den Organisationsrahmen der Bundesbank ergeben. Zu klären ist, ob aus dem verfassungsrechtlichen Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG auch verbindliche Anordnungen für die Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens der Deutschen Bundesbank folgen, innerhalb dessen sie die betreffende Sachaufgabe zu erfüllen hat. Dabei muß zunächst das Verhältnis zwischen dem Aufgaben- und dem Organisationsgehalt grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften generell betrachtet werden. Insoweit ist zwischen zwei grundgesetzlichen Kategorien zu differenzieren: Sofern das Grundgesetz selbst spezifische Aussagen über die organisatorische Ausgestaltung des entsprechenden Verwaltungsträgers trifft, muß sich die Wahrnehmung der Sachaufgabe nach Maßgabe und im Rahmen dieses durch die Verfassung vorgegebenen Organisationsrahmens halten. Insoweit darf sich der Aufgabengehalt grundgesetzlicher Kompetenzvorschriften nicht von seinem verfassungsrechtlichen Organisationssubstrat lösen und zu einer eigenständigen, die betreffende organisationsrechtliche Vorgabe des Grundgesetzes relativierenden oder gar beseitigenden normativen Kategorie verselbständigen. Die Sachaufgabe ist insoweit auf die vom Verfassungsgesetzgeber vorgegebene Organisationsform bezogen und kann nur im Rahmen dieser Vorgaben auf Verwirklichung drängen 162. Grundsätzlich anders stellt sich dagegen die zweite Kategorie dar. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß die Verfassung keine explizite Regelung über den Organisationstypus enthält und damit auch kein bestimmtes organisatorisches Modell verbindlich fixiert. So liegen die Dinge etwa bei Art. 88 Satz 1 GG. Der Normtext schweigt sich darüber aus, welcher organisatorische Rahmen für die Deutsche Bundesbank bei der Erfüllung der ihr obliegenden monetären Aufgaben zu wählen ist. Angesichts dieser textlichen Enthaltsamkeit
161
Siehe dazu oben nach Fn. 80 (S. 198 ff.). So war wegen der strengen organisationsrechtlichen Vorgaben des Art. 87 GG a. F. eine Organisations- und A\5gabenprivatisierung der Deutschen Bundespost unzulässig, und zwar auch dann, wenn dies einer effizienten Versorgung der Bevölkerung dienlich gewesen wäre, vgl. statt vieler P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnrn. 15 ff.; H. Lecheler, NVwZ 1989, 834 (836). 162
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
ist der Weg nicht - wie bei der ersten Kategorie - von vornherein verbaut, aus der Aufgabenzuweisung Direktiven für die Wahl einer bestimmten Organisationsform abzuleiten. Damit ist freilich umgekehrt auch noch nicht der Beweis für eine solche aufgabenbezogene und -gerechte Bestimmung des Organisationsgehalts der entsprechenden Kompetenznorm eibracht. Unternimmt man den Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist zwischen den beiden Bereichen der fakultativen und der obligatorischen Bundesverwaltung zu unterscheiden. Unproblematisch ist insoweit der Verwaltungstypus fakultativer Bundesverwaltung. Ist der Bund zur Erledigung bestimmter Verwaltungsaufgaben von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, sondern lediglich berechtigt, so vermögen die entsprechenden Kompetenzvorschriften auch keine bestimmte Sachaufgabe zu garantieren. Fehlt es aber an einem solchen Aufgabengehalt kompetenzieller Verfassungsnormen, so ist damit zugleich die Grundlage für entsprechende, der Aufgabenzuweisung entspringende Organisationsvorgaben entzogen. Anders ist indes der Bereich obligatorischer Bundesverwaltung zu beurteilen. Insoweit enthalten die Kompetenzbestimmungen, wie gezeigt, entsprechende Aufgabengarantien 163. Ist aber eine Aufgabe verfassungsrechtlich garantiert, so sind die organisatorischen Rahmenbedingungen in einer Weise auszugestalten, daß diese Aufgabe wirksam wahrgenommen werden kann. Das Organisationsrecht erfüllt keinen Selbstzweck, sondern hat gegenüber der verfassungsrechtlichen Garantie bestimmter Sachaufgaben eine dienende Funktion. Nicht die Organisationsform, sondern die wirksame Erfüllung der Sachaufgabe steht im Vordergrund. Nicht die Aufgabe hat der Organisation, sondern vielmehr umgekehrt die Organisation der Aufgabe zu dienen. Mit Blick auf diese sachaufgabenbezogene Funktion des Organisationsrechts wird man entsprechenden Aufgabengehalten grundgesetzlicher Bestimmungen zugleich auch organisationsrechtliche Bedeutung beimessen müssen. Bei der Wahl der Organisationsform und deren näherer Ausgestaltung sind diese verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Der betreffende Verwaltungsträger ist mit einem Organisationsgefüge auszustatten, das ihn in den Stand versetzt, die ihm durch das Grundgesetz übertragene Sachaufgabe wirksam erfüllen zu können 164 . Vor dem Hintergrund dieser dienenden Funktion des Organisationsrechts gegenüber der Erfüllung der betreffenden Sachaufgabe ist nunmehr zu fragen, ob es zur wirksamen Erledigung der der Deutschen Bundesbank nach Art. 88 Satz 1 GG übertragenen Aufgabe der Währungssicherung ihrer Unabhängig-
163
Dazu oben bei Fn. 92 (S. 202). Vgl. P. Lerche, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 15. 164
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
keit und dementsprechend einer autonomievermittelnden und -gewährleistenden Organisationsverfassung bedarf. Damit stellt sich die Frage, was unter der in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnden Aufgabengarantie der Geldwertstabilität zu verstehen ist. Erst die Antwort auf diese Frage ermöglicht ein verbindliches Urteil über entsprechende organisationsrechtliche Elemente des Art. 88 Satz 1 GG. Die durch Art. 88 Satz 1 GG garantierte Sachaufgabe der Geldwertstabilität ist eine verfassungsrechtliche Zielvorgabe. Dies macht es so schwierig, den Aufgabengehalt dieser Verfassungsnorm scharf zu konturieren. In den Kategorien von R. Alexy 165 gesprochen handelt es sich nicht um eine (verfassungsrechtliche) Regel, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie „nur entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden" kann 166 . Vielmehr verbirgt sich hinter der Sachaufgabe der Geldwertstabilität ein (verfassungsrechtliches) Prinzip, das als Optimierungsgebot konzipiert ist und demzufolge in unterschiedlichen Graden verwirklicht werden kann 167 . Das Ziel der Geldwertstabilität ist ein solches Prinzip, weil insoweit nicht ein bestimmtes Maß verfassungsrechtlich verbindlich vorgeschrieben ist, sondern lediglich eine gewisse Spannweite markiert ist, die mehrere monetäre Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet. Als verfassungsrechtliches Prinzip verpflichtet das Ziel der Geldwertstabilität dazu, die monetären Entscheidungen im Sinne des Optimierungsgebots zu treffen, das heißt, das Ziel der Preisstabilität bestmöglich zu verwirklichen. Für den organisationsrechtlichen Gehalt des Art. 88 Satz 1 GG folgt hieraus, daß der Gesetzgeber diejenige Organisationsform zu wählen hat, die das Ziel der Geldwertstabilität am wirksamsten zu erreichen in der Lage ist und damit dem Optimierungsgebot des Art. 88 Satz 1 GG gerecht wird. Wurde damit deutlich gemacht, daß es für die Frage, welche organisationsrechtlichen Direktiven der verfassungsrechtliche Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG nach sich zieht, darauf ankommt, welche Organisationsform den optimalen, die Geldwertstabilität bestmöglich gewährleistenden Rahmen bietet, so ist es zur Beantwortung dieser Frage erforderlich, die spezifische Leistungsfähigkeit einer unabhängigen Notenbank im Hinblick auf die Gewährleistung von Geldwertstabilität deutlich werden zu lassen. Nicht nur die historische Entwicklung in Deutschland, sondern auch die Erfahrungen und Analysen des Notenbankwesens der Welt haben gezeigt, daß eine von den Weisungen der Regierung unabhängige Notenbank regelmäßig die besseren Voraussetzungen zur Sicherung von Währungsstabilität bietet als eine in die Hierar-
165 166 167
Theorie der Grundrechte, S. 71 ff. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
chie des Staates eingebundene Zentralbank 168. Es entspricht der derzeit gesicherten wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis, daß eine unabhängige Notenbank dem Ziel der Geldwertstabilität am wirksamsten zu dienen in der Lage ist 1 6 9 . So geht auch das Bundesverfassungsgericht, das sich dieser Frage im Zusammenhang mit der nach Art. 88 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gebotenen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank angenommen hat, davon aus, daß „eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik [...] eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind" 170 . Das Bundesverfassungsgericht hat sich dabei von der Erkenntnis leiten lassen, daß die zu politischem Handeln berufenen Staatsorgane bei ihrer Politikgestaltung nicht nur das wirtschaftspolitische Ziel der Geldwertstabilität zu beachten haben, sondern darüber hinaus auch auf eine Vielzahl anderer politischer Ziele und Interessen Rücksicht nehmen müssen. Deshalb liegt es in dem spezifischen Interesse einer wirksamen Sicherung des Geldwertes, die Wahrnehmung dieser währungspolitischen Aufgabe in die Hände eines Gremiums zu legen, das solcher politischen Interessen und Rücksichtnahmen entbunden und von den Weisungen staatlicher Stellen unabhängig ist. Nach dem derzeitigen währungswissenschaftlichen Erkenntnisstand bietet mithin eine autonomievermittelnde Organisationsverfassung den optimalen Rahmen dafür, daß die Bundesbank die ihr übertragene Aufgabe der Währungssicherung bestmöglich erfüllen kann. Dem wird vereinzelt mit dem Argument entgegengetreten, daß die Bundesbank Geldwertstabilität auch im Gewände anderer organisatorischer Rahmen-
168 Vgl. dazu den Oberblick über die historische Entwicklung bei J. v. Spindler l W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, Teil I Abschnitt A; vgl. auch E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; G. Prost, in: Festschrift für H. Rittershausen, S. 110 (118); K. Stern, Staatsrecht Π, S. 497. 169 So BVerfGE 89, 155 (208) bezogen auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank; ebenso auch schon die Begründung des Regierungsentwurfs zum Bundesbankgesetz, Drs. 2. WP Nr. 2781, S. 24; siehe auch H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 142 ff, insbesondere 146; E. T. Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 87; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a bb; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 23; J. v. Spindler ! W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 2 Anm. 2 Π. 2. und Vorbem. ΙΠ. vor § 12; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 497; G. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 286. ™ BVerfGE 89, 155 (208 f.).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank bedingungen sichern könne 1 7 1 . Dies zeige der Vergleich mit den Verhältnissen i n anderen demokratischen Staaten 172 , in denen die Zentralbanken zum Teil von den Weisungen staatlicher Institutionen abhängig seien, ohne daß dies notwendig die Zerrüttung der Währung zur Folge habe 1 7 3 . Es möge zwar angehen, daß die Deutsche Bundesbank die ihr obliegende Aufgabe der Währungssicherung „besser" 1 7 4 oder sogar „besonders g u t " 1 7 5 erfüllen könne, wenn sie von den Weisungen staatlicher Stellen unabhängig sei. Dies ändere jedoch nichts daran, daß auch eine weisungsgebundene Bundesbank in der Lage sei, die Geldwertstabilität zu sichern 1 7 6 . Hinter diesem Einwand verbirgt sich bei Lichte betrachtet die Annahme, daß die i n Art. 88 Satz 1 GG verankerte Sachaufgabe der Geldwertstabilität lediglich die minimale Funktionsfähigkeit sichere 177 . Wie jedoch gezeigt, ist das verfassungsrechtliche Ziel der Geldwertstabilität als Prinzip konzipiert,
171
BVerwGE 41, 334 (355); E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 14; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54; insoweit widersprüchlich K. Stern, Staatsrecht Π, der einerseits den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (E 41, 334 [355]) beipflichtet (S. 495), andererseits jedoch erklärt, „die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe legitimierte) zugleich dazu, den rationalen Weg zur Verwirklichung dieses Auftrags einzuschlagen" (S. 507); Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 27. 172 Dabei wird in erster Linie auf die von Weisungen staatlicher Stellen abhängige Bank von England verwiesen, vgl. J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54; vgl. dazu auch die umfassende Darstellung des Ländervergleichs bei O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 70 ff. 173 So BVerwGE 41, 334 (355); E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; H. G. Dahlgrün, in: Demokratie und Verwaltung, 317 (326); L. Grämlich, DVB1. 1980, 531 (532); H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 14; H. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a bb; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54; Κ Stern, Staatsrecht Π, S. 495; Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 27. 174 So E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar m, Art. 88 Rdnr. 13; H. v. Mangoldt I F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a cc; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54. 175 So Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 27. 176 E. Bauer, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 88 Rdnr. 13; Η. v. Mangoldt / F. Klein, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 88 Anm. IV. 3. a cc; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 54; Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 27. 177 So ausdrücklich Κ Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 27. 15 Brosius-Gersdorf
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
welches als Optimierungsgebot darauf drängt, die Preisstabilität bestmöglich zu verwirklichen. Dementsprechend erfordert der Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG einen Organisationsrahmen, der die Geldwertstabilität bestmöglich zu erreichen in der Lage ist. Entscheidend ist mithin, ob es gerade im spezifischen Interesse einer wirksamen Sicherung von Geldwertstabilität liegt, die Wahrnehmung dieser währungspolitischen Aufgabe in die Hände einer unabhängigen Zentralbank zu legen. Insoweit ist es - entgegen der oben genannten Auffassung - gänzlich unerheblich, ob eine weisungsgebundene Zentralbank zu einer „Zerrüttung der Währung" führt oder Geldwertstabilität „überhaupt" gewährleisten kann. Denn für die Frage, ob die in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnde Sachaufgabe der Geldwertstabilität eine autonomiesichernde Organisationsverfassung der Bundesbank verlangt, geht es nicht um die minimale, sondern um die optimale Funktionssicherung der Deutschen Bundesbank. Damit steht im Ergebnis fest, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank das notwendige organisatorische Mittel ist, um das Normziel des Art. 88 Satz 1 GG, Geldwertstabilität zu gewährleisten, bestmöglich verwirklichen zu können. Aus dem verfassungsrechtlichen Aufgabengehalt des Art. 88 Satz 1 GG folgt daher die verbindliche Direktive zugunsten einer unabhängigen Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens der Bundesbank, innerhalb dessen sie die ihr obliegende Sachaufgabe der Währungssicherung zu erfüllen hat. Der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 1 GG kommt mithin Bedeutung als Kompetenz-, Aufgaben- und Organisationsnorm zu: Sie enthält nicht nur die Kompetenz des Bundes zur Errichtung der Bundesbank, sondern gewährleistet darüber hinaus auch die verfassungsrechtlich fundierte Sachaufgabe der Währungssicherung und verlangt schließlich einen sachaufgabenbezogenen, autonomievermittelnden Organisationsrahmen der Bundesbank. In dieser Bedeutungsschicht als funktionssicherndes Unabhängigkeitsgebot enthält Art. 88 Satz 1 GG damit für die Deutsche Bundesbank eine verfassungsrangige Ausnahmebestimmung von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG. I I I . Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 1 GG Die bisherige Untersuchimg hat ergeben, daß sich im Hinblick auf die Organisationsverfassung der Deutschen Bundesbank zwei gegenläufige Verfassungsprinzipien gegenüberstehen: zum einen das Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG und zum anderen das funktionssichernde Unabhängigkeitsgebot nach Art. 88 Satz 1 GG. Diese beiden Organisationsprinzipien gebieten eine jeweils diametral andere Ausgestaltung des institutio-
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
nellen Rahmens der Deutschen Bundesbank. Während nach dem Prinzip demokratischer Legitimation eine staatsnahe, durch Weisungsunterworfenheit gekennzeichnete Organisationsverfassung der Bundesbank erforderlich ist, verlangt Art. 88 Satz 1 GG eine unabhängige Stellung der Bundesbank im StaatsgefÜge. Aus beiden Organisationsprinzipien entspringen mithin jeweils entgegengesetzte Direktiven für die organisatorische Ausgestaltung der Bundesbank. Die Autonomie der Bundesbank stellt sich somit als Konfliktfall zwischen dem Prinzip demokratischer Legitimation einerseits und dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG andererseits dar. Die beiden Organisationsprinzipien stehen somit in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis 17*. Ein solches verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Strukturprinzipien ist keineswegs eine grundgesetzliche Besonderheit. Nicht nur im Bereich der Grundrechte bestehen verfassungsrechtliche Konfliktlagen, die zu einer Auflösung der Spannungsverhältnisse nach Maßgabe des aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit führen 179 , sondern solche verfassungsrechtlichen Spannungslagen zählen auch über diesen Bereich hinaus zum verfassungsrechtlichen Alltag. Genannt sei in diesem Zusammenhang nur die verfassungsrechtliche Kollisionslage zwischen Art. 21 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG 1 8 0 sowie das in bezug auf den Bundesrat bestehende Spannungsverhältnis zwischen dem Demokratieprinzip
178
So - bezogen auf die im Hinblick auf die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt bestehende Kollisionslage zwischen dem Demokratieprinzip und dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur europäischen Einigung - zutreffend P. M Huber, Maastricht ein Staatsstreich?, S. 24; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht Π, S. 507; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 173 f.; siehe auch C.-Th. Samm, Die Stellung der Deutschen Bundesbank im Verfassungsgefilge, S. 183; ders., Beilage 5 / WM 1984, 1 (12), der insoweit allerdings von einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip spricht. 179 Siehe dazu bei K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 6 Rdnrn. 317 ff.; H.-J. Koch / H. Rilßmann, Juristische Begründungslehre, S. 240 ff ; Κ Lorenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 230 f. 180 Ein solches Spannungsverhältnis besteht in bezug auf die Abgeordneten des Bundestags in bestimmten Fällen deswegen, weil sie auf der einen Seite Vertreter des ganzen Volkes sind (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), auf der anderen Seite aber in der Realität - zumindest bei den Listenmandaten - als Vertreter einer Partei gewählt werden (Art. 21 GG); siehe hierzu BVerfGE 2, 1 (72); 5, 85 (392); Th. Maunz, in: ders. / G. Dtlrig/ R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rdnrn. 18 ff; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rdnr. 24; anderer Ansicht dagegen H.-P. Schneider, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 38 Rdnr. 18, der ein solches Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verneint.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
und dem Bundesstaatsprinzip181. Das eigentliche Problem besteht nicht etwa darin, daß solche verfassungsrechtlichen Spannungslagen existieren, sondern vielmehr darin, wie diese im konkreten Fall aufzulösen sind, konkret: welches der Verfassungsprinzipien Vorrang vor dem jeweils anderen genießt182. Die entscheidende Frage lautet damit, wie das verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und Art. 88 Satz 1 GG andererseits aufzulösen ist, nach welchem Maßstab sich die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses also bemißt. 1· Genereller Vorrang des Demokratieprinzips? Ein Maßstab zur Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses wäre dann gefunden, wenn dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG generell Vorrang vor dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG zukäme. Sollte sich im folgenden herausstellen, daß die Deutsche Bundesbank nur nach Maßgabe und im Rahmen demokratischer Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG zur Wahrnehmung ihrer Funktion und Aufgabe berufen ist 1 8 3 , so verstieße die nach dem Bundesbankgesetz vorgesehene organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Bundesbank gegen das demokratische Prinzip des Grundgesetzes. Ein solcher genereller Vorrang des Prihzips demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG vor anderen Verfassungsprinzipien wird zum Teil aus der Verfassungsbestimmung des Art. 79 Abs. 3 GG hergeleitet. Gem. Art. 79
181
Hierzu bereits im ersten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 38 (S. 63). Insoweit sei darauf hingewiesen, daß Unterschreitungen des demokratischen Regelniveaus nicht uneingeschränkt durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt und damit für verfassungsrechtlich zulässig erklärt werden können. Das Demokratieprinzip und seine verfassungsrechtlichen Direktiven darf nicht etwa vollständig ausgehöhlt und damit in seinen Grundfesten erschüttert werden, sondern ihm muß eine gewisse Substanz verbleiben, von ihm muß „etwas übrigbleiben". So wäre es beispielsweise nicht zulässig, die Deutsche Bundesbank entgegen der Regelung des Art. 88 Satz 1 GG als privatrechtsfòrmige Einrichtung zu errichten. Vgl. in diesem Zusammenhang auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 286, der insoweit auf den Prinzipiencharakter, auf die grundsätzliche Geltungskraft des Demokratieprinzips abstellt und darin die äußerste Grenze für Restriktionen des Demokratieprinzips markiert. 183 So C. D. Classen , AöR 119 (1994), 238 (242): „Andere Verfassungsgrundsätze können sich allenfalls in seinem (seil: des Demokratieprinzips) Rahmen entfalten"; in diesem Sinne auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 431 f.; vgl. weiter zu der Frage, ob Gesichtspunkte der Verwaltungseffizienz Lücken im demokratischen Legitimationsgefìlge verfassungsrechtlich zu rechtfertigen vermögen, generell ablehnend dens., Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 590 ff. 182
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Abs. 3 GG ist eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze und damit auch das Prinzip demokratischer Legitimation berührt werden, unzulässig. Unabhängig von der umstrittenen und schwierigen Frage, wie der durch diese sogenannte Ewigkeitsgarantie 184 des Art. 79 Abs. 3 GG als unabänderlich veibürgte Gehalt des Art. 20 GG im einzelnen zu bestimmen ist 1 8 5 , wird daraus geschlossen, daß dem Demokratieprinzip gegenüber anderen Verfassungsprinzipien, die nicht unter dem besonderen Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG stehen, ein in der Hierarchie des Grundgesetzes besonders hoher und in der Autorität über den sonstigen Verfassungswerten stehender Rang zukomme186. Gegen einen solchen generellen Vorrang des Demokratieprinzips gegenüber anderen grundgesetzlichen Prinzipien spricht jedoch, daß mit dem Demokratieprinzip kollidierende Verfassungsgüter regelmäßig durch die anderen in Art. 20 GG niedergelegten Strukturprinzipien aufgefangen werden und auf diese Weise etwa rechtsstaatlich oder sozialstaatlich fundiert sind. Die einzelnen Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG stehen zueinander aber in einem Verhältnis der Gleichordnung; da jedem einzelnen der besondere Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG angedeiht, läßt sich ein Über- Unterordnungsverhältnis zwischen ihnen nicht begründen. Diesem Aspekt kommt im gegebenen Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu. Denn wie oben gezeigt, ist das der Bundesbank obliegende Ziel der Gewährleistung von Währungsstabilität auch sozialstaatlich fundiert; Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG, die der Geldwertstabilität als Teilziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verfassungsrechtlichen Schutz gewähren, sind spezielle Ausprägungen des Sozialstaatsprinzips und lex specialis gegenüber demselben187. Da aber sowohl das Sozialstaatsprinzip als auch das Demokratieprinzip am Gewährleistungsgehalt des Art. 79 Abs. 3 GG teilnehmen, läßt sich aus dieser 184 Dazu B.-O. Bryde, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 79 Rdnrn. 24 ff; G. Dürig, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79IV Rdnrn. 21 ff.; H.-U. Evers, in: Bonner Kommentar, Art. 79 Abs. 3 Rdnrn. 133 ff.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Rdnr. 5; B. Schmidt-Bleibtreu, in: ders. / F. Klein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Rdnrn. 10 ff. 185 Dabei ist insbesondere umstritten, wie die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Begriffe „Grundsätze" und „berühren" zu definieren sind und welcher Gehalt des Art. 20 Abs. 2 GG demnach als unabänderlich verbürgt ist, vgl. dazu BVerfGE 30, 1 (24); 30, 33 (38); B.-O. Bryde, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar m, Art. 79 Rdnr. 33; H.-U. Evers, in: Bonner Kommentar, Art. 79 Rdnrn. 114, 151 ff; P. M Huber, Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 22 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 79 Rdnr. 6; H. Ridder, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 79 Rdnr. 36; K. Stern, Staatsrecht I, S. 173. 186 So die Annahme P. M Hubers, Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 27. 187 Siehe dazu oben bei Fn. 146 -160 (S. 217 - 220).
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Verfassungsbestimmung ein Vorrang des Demokratieprinzips gegenüber dem auf Gewährleistung von Währungsstabilität gerichteten Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG dogmatisch nicht begründen. Gegen einen aus der Unabänderlichkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG abzuleitenden generellen Vorrang des Demokratieprinzips sprechen jedoch noch weitere, grundsätzliche Bedenken. Denn insoweit fehlt es in der Argumentationskette gleich in zweifacher Hinsicht an der notwendigen logischen Verknüpfung: Erstens ist die Schlußfolgerung, daß aus der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG ein besonders hoher Rang des Demokratieprinzips folge, keineswegs zwingend. Zwar liegt es nicht ganz fern und erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, aus diesem verfassungsrechtlichen Änderungsverbot darauf zu schließen, daß der Verfassungsgesetzgeber dem Demokratieprinzip einen besonderen verfassungsrechtlichen Stellenwert beigemessen hat. Jedoch sind andererseits auch keine unabweisbaren rechtslogischen Gründe für einen solche Deduktion ersichtlich 188. Doch selbst wenn man den in Art. 20 Abs. 2 GG niedergelegten demokratischen Grundsätzen über Art. 79 Abs. 3 GG einen besonders hohen Rang zuerkennen wollte, so ließe dies - und das ist der zweite Einwand - noch nicht den Schluß auf einen generellen Vorrang des Demokratieprinzips vor den anderen Verfassungsprinzipien zu. Denn insoweit fehlt es an der erforderlichen argumentativen Verbindung zwischen der besonderen Stellung des Demokratieprinzips und dessen generellem Vorrang vor anderen Verfassungswerten. Selbst wenn dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip durch die Unantastbarkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG erhöhte Geltungskraft zukommen sollte, ergibt sich daraus noch nicht zwingend seine Unantastbarkeit in dem Sinne, daß ihm bei einem Konflikt mit anderen Verfassungsprinzipien stets der Vorrang gebührt 189. Denn dann wäre eine Beschränkung der demokratiestaatlichen Grundsätze durch andere, mit dem Demokratieprinzip konfligierende Verfassungswerte - von verfassungsexpliziten Ausnahmebestimmungen einmal abgesehen - wegen des absoluten Vorrangs des Demokratieprinzips von vornherein ausgeschlossen. Dies aber widerspräche dem Grundsatz der Einheit der Verfassung, wonach die in der Verfassung enthaltenen Rechtswerte im Falle einer Kollision zum gerechten Ausgleich gebracht werden müssen, um im Einzelfall zu ermitteln, welchem verfassungs-
188 Ebenso R. Herzog, EuGRZ 1990,483 (485); ders, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 23; M Kriele, WDStRL 29 (1971), 46 (47 f.); in dieselbe Richtung weisend BVerfGE 30, 1 (19 ff); zu weiteren Nachweisen aus der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts bei H. Ehmke, WDStRL 20 (1963), 53 (80). 189 Im Ergebnis ebenso R. Herzog, EuGRZ 1990,483 (484 f.); ders, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnr. 22.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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rechtlichen Rechtswert Vorrang zukommt 190 . Aus der Unabänderlichkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG läßt sich somit ein genereller Vorrang des in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzips dogmatisch nicht begründen 191 . Anhaltspunkte für einen generellen Vorrang des Demokratieprinzips ergeben sich schließlich auch nicht aus der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 192. Darin hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem Zielkonflikt zwischen Verwaltungseffizienz und Bürgernähe in der Kommunalverwaltung für einen Vorrang der bürgernahen Verwaltung ausgesprochen 193 und sich damit für eine Akzentuierung des Demokratieprinzips in dem oben genannten Sinne entschieden. In dem zur Entscheidung anstehenden Konflikt zwischen einer bürgernahen Aufgabenerledigung durch die Gemeinden und einer effizienteren Aufgabenwahrnehmung durch die Kreise hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung grundsätzlich keine „Hochzonung" entsprechender Verwaltungsaufgaben von den Gemeinden auf die Kreise rechtfertigten; nur wenn ein Belassen der betreffenden Verwaltungsaufgabe bei den Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führe, sei ein Aufgabenentzug zulasten der Gemeinden und eine Übertragung auf die Kreise von Verfassungs wegen gerechtfertigt 194. Man wird allerdings dieser Entscheidung nicht den allgemeinen Verfassungsgrundsatz entnehmen können, daß sämtliche mit dem Demokratieprinzip kollidierenden Verfassungswerte nur innerhalb des demokratischen Legitimationsmodells zur Entfaltung gelangen können. Denn die Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Art. 28 GG zu sehen, der in seinem Abs. 1 Satz 2 den Vorrang dezentraler Aufgabenansiedlung selbst begründet und damit der bürgernahen, demokratischen Ausgestaltung des Kommunalrechts gegenüber Verwaltungseffizienz- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen prinzipiell Priorität einräumt.
190
Siehe auch Λ Herzog, EuGRZ 1990,483 (484 f.). Im Ergebnis ebenso R. Herzog, EuGRZ 1990,483 (485 f.); ders, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Π Rdnrn. 21 ff ; unklar dagegen K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 28 f., der zwar einerseits „einen rangmäßigen Vorrang" des Demokratieprinzips aus Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG ablehnt, aber andererseits einen „logischen Vorrang" des Demokratieprinzips bejaht; vgl. allgemein zu der Gleichrangigkeit des Prinzips der Volkssouveränität und anderen Verfassungsprinzipien M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 286. 192 BVerfGE 79,127. 193 BVerfGE 79,127 (147 ff.). 194 BVerfGE 79,127 (147 ff., insbesondere 153). 191
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Im Ergebnis steht damit fest, daß dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes kein genereller Vorrang vor dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG zukommt 195 . Im Rahmen des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses muß also das funktionssichernde Element des Art. 88 Satz 1 GG gegenüber dem demokratiestaatlichen Element des Art. 20 Abs. 2 GG nicht a priori zurücktreten. 2. Genereller Vorrang des Unabhängigkeitsgebots? Muß demnach ein genereller Vorrang des demokratischen Prinzips gegenüber dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG ausscheiden, so läßt sich umgekehrt für die Organisation der Bundesbank auch kein prinzipieller Vorrang des Unabhängigkeitsgebotes begründen. Dies aus folgenden Erwägungen: Aus dem verfassungsrechtlichen Gehalt des Art. 88 Satz 2 GG kann sich ein solcher Vorrang schon deswegen nicht ergeben, weil diese Bestimmimg, wie bereits erwähnt, erst nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Regelungswirkung entfaltet und daher die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 88 Satz 2 GG für die Europäische Zentralbank allenfalls insoweit auch (mittelbare) Regelungswirkung für die organisatorische Ausgestaltung der Deutschen Bundesbank haben kann 196 . Art. 88 Satz 2 GG läßt die verfassungsrechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Währungsunion gänzlich unberührt, so daß sich aus dieser Verfassungsnorm keine Direktiven für die derzeitige Organisationsverfassung der Bundesbank gewinnen lassen. Für einen generellen Vorrang des Unabhängigkeitsgebots nach Art. 88 Satz 1 GG scheinen aber auf den ersten Blick die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß zur Zulässigkeit devisenrechtlicher Genehmigungserfordernisse für Verfügungen über in der Bundesrepublik Deutschland belegene Guthaben von Bewohnern der Deutschen Demokratischen Republik nach dem Gesetz Nr. 53 der amerikanischen und der britischen Militärregierung über die Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs 197 (MRG Nr. 53) zu sprechen. Denn darin hat das Bundesver195
So im Ergebnis auch BVerfGE 3,225 (231 f.); F. Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 132; M. Sachs, in: ders., (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 5. 196 Vgl. dazu oben bei Fn. 77 (S. 197), sowie noch eingehend im fünften Teil, S. 377 ff. 197 Fassung vom 19. September 1949, Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Amerikanisches Kontrollgebiet - Ausgabe 0 vom 21. September 1949, S. 20 / Amtsblatt der Militärregierung - Britisches Kontrollgebiet - Nummer 39 vom 8. Oktober 1949 Teil 5 B, S. 14 / Artikel I der Verordnung Nummer 235 desfranzösischen Hohen
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
fassungsgericht ausgeführt, „daß die Deutsche Bundesbank kraft ihrer verfassungsrechtlichen unabhängigen Stellung keiner Aufsicht anderer Organe der Exekutive unterliegt" 198 . Dieses obiter dictum des Bundesverfassungsgerichts muß jedoch schon deswegen Zweifel aufwerfen, weil es der nahezu einhelligen Auffassung im Schrifttum entspricht, daß die Bundesbank wenigstens in Auftragsangelegenheiten wie der in diesem Beschluß in Rede stehenden Genehmigungserteilung nach dem MRG Nr. 53 weisungsgebunden ist 1 9 9 . Zudem relativiert sich die Bedeutung dieses bundesverfassungsgerichtlichen Judikats auch deswegen, weil die Formulierung „kraft ihrer verfassungsrechtlichen unabhängigen Stellung" grammatikalisch mehrdeutig ist 2 0 0 und zumindest zwei verschiedene Deutungen zuläßt: Das Adjektiv „verfassungsrechtlichen" kann sich wegen seiner grammatikalischen Endung sowohl auf „Unabhängigkeit" als auch auf „Stellung" beziehen. Hätte das Bundesverfassungsgericht hierbei die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Bundesbank vor Augen gehabt, so hätte es anstelle der gewählten Formulierung die Worte „kraft ihrer verfassungsrechtlich unabhängigen Stellung" verwenden müssen. So aber kann diese Textstelle auch als Aufzählung in dem Sinne zu deuten sein, daß die Stellung der Deutschen Bundesbank sowohl verfassungsrechtlich verbürgt als auch (nicht zwingend verfassungsrechtlich) unabhängig ist. Eine eindeutige Aussage in dem einen oder anderen Sinne läßt sich dieser Passage jedenfalls nicht entnehmen - mag auch der Umstand, daß zwischen den Worten „verfassungsrechtlichen" und „unabhängigen" kein Komma gesetzt ist, eher für eine enge Bindung an das Adjektiv und damit für die erste Deutungsmöglichkeit sprechen. Und schließlich ist weiter zu bemerken, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Maastricht-Urteil 201 Art. 88 Satz 2 GG als verfassungsrechtliche Modifizierung des Demokratieprinzips erachtet, ohne jedoch in diesem
Kommissars in Deutschland über die Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs vom 18. September 1949, Amtsblatt desfranzösischen Oberkommandos in Deutschland Nummer 305 vom 20. September 1949, S. 2155; siehe dazu BVerfGE 12, 281 f. m BVerfGE 62,169(183). 199 S.-P. Euri, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 57 f.; L. Grämlich, Bundesbankgesetz, § 12 vor Rdnr. 1 ,H.J. Hahn, Währungsrecht, S. 263; ders., BayVBl. 1982, 70 (72); O. Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, S. 50 f.; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 41; C.-Th. Samm, in: H. J. Hahn (Hrsg.), Geldverfassung und Ordnungspolitik, 143 ff; R. Schmidt, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR m, § 82 Rdnrn. 24 ff.; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 217 ff.; J. v. Spindlerl W. Beckerl O.-E. Starke, Kommentar zum Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 12 Anm. IH. 1.; vgl. auch den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, August 1972, S. 15 ff. 200 So auch H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 263. 201 BVerfGE 89, 155 (208 f.)
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Zusammenhang das besagte obiter dictum zu erwähnen. Dies hätte aber nahegelegen, da Art. 88 Satz 2 GG lediglich deklaratorische Bedeutung zugekommen wäre, wenn die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank - und damit wohl auch die der Europäischen Zentralbank - ohnehin verfassungsrechtlich garantiert wäre. Aus diesen Gründen läßt sich aus der besagten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit devisenrechtlicher Genehmigungserfordernisse nach dem MRG Nr. 53 ein genereller Vorrang des Unabhängigkeitsgebotes nach Art. 88 Satz 1 GG gegenüber dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG nicht herleiten 202. 3. Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses nach Maßgabe der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG Ein spezieller Maßstab für die Auflösimg des im Hinblick auf die Organisationsverfassung der Bundesbank bestehenden verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses folgt aber aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG 2 0 3 . Um den Gang der Untersuchung vorwegzunehmen: Im folgenden wird zu zeigen sein, daß sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG ein verfassungsrechtlicher Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten des einfachen Gesetzgebers ergibt, mit der Folge, daß der Ausgleich zwischen den beiden korrigierenden Organisationsprinzipien der Gestaltungsmacht des einfachen Gesetzgebers vorbehalten ist. Bevor daher im folgenden der Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG gelenkt wird [dazu unter b)], ist es zunächst erforderlich, Bedeutung und Stellenwert der historischen Auslegungsmethode für die Interpretation verfassungsrechtlicher Normgehalte hervortreten zu lassen [dazu unter a)]. a) Bedeutung der Entstehungsgeschichte als Auslegungsprinzip
Zur Ermittlung des Normgehaltes grundgesetzlicher Bestimmungen stehen die tradierten hermeneutischen Auslegungsmethoden zur Verfügung; als sol-
202 Ebenso wie hier H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 263; anderer Ansicht dagegen C.-Th. Samm, Beilage 5 / WM 1984,1 (5 f.). 203 Da damit ein spezieller Maßstab zur Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses gefunden ist, braucht hier nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob der Ausgleich kollidierender Verfassungswerte durch das Prinzip der praktischen Konkordanz vorzunehmen ist; insoweit eher ablehnend BVerfGE 79, 311 (341); 81, 310 (338); ebenso M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 431 und 582 ff. mit eingehender Begründung; zweifelnd auch K. Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen, S. 28 f.; bejahend dagegen J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 66,173 f.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
che sind die grammatikalische, aus dem Wortlaut der Norm gewonnene Auslegung, die systematische Auslegung aus dem Zusammenhang mit anderen Verfassungsbestimmungen, die teleologische Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm und die historische Auslegung aus der Entstehungsgeschichte der Norm zu nennen204. Diese vier Auslegungsmethoden sind alle auf ein und dasselbe Ziel gerichtet: Mit ihrer Hilfe ist der in der Verfassungsnorm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Verfassungsgesetzgebers zu ermitteln 205 . So grundsätzlich anerkannt diese vier Auslegungsmethoden als Mittel zur Interpretation verfassungsrechtlicher Normen sind, so ungeklärt ist indes ihr Verhältnis zueinander. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei allein von Interesse, welche Bedeutung der historischen Auslegungsmethode, also dem Zurückgehen auf die Grundvorstellungen des Verfassungsgesetzgebers bei Eriaß des Grundgesetzes, zukommt. Die maßgebliche Frage lautet, ob die Entstehungsgeschichte als eigenständige Auslegungsmethode angewandt und auf diese Weise Bedeutung und Sinngehalt von Verfassungsnormen ermittelt werden können. In dieser Frage gehen die Auffassungen auseinander. Auf der einen Seite wird vertreten, daß unter den zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden keine Vorrang vor den jeweils anderen genieße206, so daß auch keine von ihnen durch das mit ihrer Hilfe gewonnene Ergebnis unübersteigbare Grenzen für die jeweils anderen Auslegungsmethoden setzen könne 207 . Nach Auffassung anderer Stimmen in der Literatur soll den einzelnen Auslegungsmethoden dagegen ein jeweils unterschiedlicher Wert für die Verfassungsinterpretation zukommen, bestimmte Interpretationsmethoden sollen bevorzugt
204
Statt aller BVerfGE 11, 126 (130); 82, 6 (11); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnrn. 53 ff ; H.-J. Koch / H Rilßmann, Juristische Begründungslehre, S. 166 ff.; Κ Larenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 133 ff. 205 So die mittlerweile st. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur BVerfGE 1, 299 (312); 11, 126 (129 ff); 62, 1 (45); 71, 81 (106); 79, 106 (121); H Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 133; Κ Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnr. 54; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Einl. Rdnr. 3; Κ Larenz / C.-W. Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 137 ff ; ausführlich zu der subjektiven und objektiven Auslegungstheorie H.-J. Koch / H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 177 ff. 206 BVerfGE 82,6 (11); 88,145 (166 f.); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Einl. Rdnr. 4. 207 H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Einl. Rdnr. 4; siehe auch BVerfGE 35, 263 (278) unter Bezugnahme auf den Wortlaut einer Verfassungsnorm.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
und andere nur ergänzend zur Anwendimg gelangen208. So wird - unter Rekurs auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - vorgetragen, daß der historischen Auslegung im Verhältnis zu den übrigen Auslegungsmethoden keine selbständige, auslegungsbegründende Funktion zukomme, sondern auf sie nur insoweit zurückgegriffen werden könne, als sie die Richtigkeit eines mit Hilfe der anderen Auslegungsmethoden gewonnenen Ergebnisses bestätige oder dadurch verbliebene Zweifel behebe. Der Entstehungsgeschichte komme als Mittel zur Verfassungsinterpretation keine auslegungsbegründende, sondern lediglich auslegungsbestätigende Bedeutung zu 2 0 9 . Dieser kursorische Überblick zeigt bereits, daß die Frage nach der Bedeutung und dem Stellenwert der einzelnen Auslegungsmethoden und ihrem Verhältnis zueinander im Schrifttum unterschiedlich beantwortet wird. Im gegebenen Zusammenhang ist indes allein von Interesse, welche Bedeutung der genetischen Auslegung aus der Entstehungsgeschichte einer Norm als Mittel für die Verfassungsinterpretation zukommt. Daß auf die Entstehungsgeschichte einer Norm nur insoweit zurückgegriffen werden soll, als dadurch die Richtigkeit eines bereits gewonnenen Auslegungsergebnisses bestätigt wird, vermag in dieser Pauschalierung nicht zu überzeugen. Zunächst einmal sei darauf hingewiesen, daß auch das Bundesverfassungsgericht der historischen Auslegungsmethode keineswegs nur eine auslegungsbestätigende Funktion beimißt 2 1 0 , obgleich sich insoweit eine einheitliche Linie des Bundesverfassungsgerichts nicht erkennen läßt. So hat es die Entstehungsgeschichte vor allem in älteren Judikaten als subsidiär bezeichnet und darauf hingewiesen, daß entscheidend für die Auslegung der „objektivierte Wille des Gesetzgebers (sei), wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang" ergebe; die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder könne die Richtigkeit der so gewonnenen Auslegung bestätigen oder Zweifel beheben, die nach der Analyse von Wortlaut und Sinnzusammenhang verblieben 211. Dem ist jedoch mit dem Argument entgegenzutreten, daß bereits die Differenzierung zwischen einem objektiven und einem subjektiven Willen in der Verfassung bedenklich er208 füj. einen Vorrang der systematischen Auslegung R Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484); dagegen sprechen sich andere für die untergeordnete Bedeutung der teleologischen Auslegung aus, so etwa K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnr. 68; ebenso F. Müller, Juristische Methodik, S. 208. 209 So H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 133; R Herzog, EuGRZ 1990, 483 (484); K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnr. 54 unter Bezugnahme auf BVerfGE 1,299 (312); 62,1 (45). 210 So aber H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 133; Κ. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnr. 54. 211 BVerfGE 1, 229 (312); vgl. auch BVerfGE 6, 55 (75); 10, 234 (244); 36, 342 (367); 41,291 (309); 62,1 (45).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
scheint 212 . Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht den Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte nur insoweit abgelehnt, als die Gesetzesmaterialien „nicht dazu verleiten dürfen, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen"213. Zudem wies das Bundesverfassungsgericht zugleich auch darauf hin, daß der Genese einer Norm insbesondere dann ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne, wenn sich für die Auslegung der betreffenden Vorschrift noch keine festen Grundsätze herausgebildet hätten 214 . Schließlich hat sich das Bundesverfassungsgericht im Laufe seiner Rechtsprechung keineswegs strikt an diese programmatischen Ausführungen gehalten. So hat es wiederholt ausgeführt, daß unter den vier Auslegungsmethoden keine bestimmte Methode vorgegeben sei 215 , und hat sie als Mittel zur Verfassungsinterpretation gleichberechtigt nebeneinander angewandt, um mit ihrer Hilfe den in der Verfassungsnorm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Verfassungsgesetzgebers zu ermitteln 216 . Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Judikaten gerade der historischen Auslegung starke Bedeutung beigemessen und die Entstehungsgeschichte als Mittel zur Auslegung eines mit Hilfe der übrigen Auslegungsmethoden nicht zu ermittelnden Normgehaltes herangezogen217. Um nur einige Beispiele zu nennen: In der Frage, ob das Grundrecht auf Freizügigkeit auch Deutschen in der Deutschen Demokratischen Republik zugestanden habe, hat das Bundesverfassungsgericht zur Begründung ausschließlich auf die Genese des Art. 11 GG abgestellt, aus der sich „zwingend" die Geltung der Freizügigkeit auch für die Bewohner der Deutschen Demokratischen Republik in Notaufnahmelagern der Bundesrepublik Deutschland ergebe 218. Und auch für die Frage, ob aus Art. 7 Abs. 4 GG ein Anspruch der Privatschulen auf staatliche Subventionierung folge, hat das oberste Gericht maßgeblich auf die Lesungen im Parlamentarischen Rat abgestellt und einen solchen Subventionsanspruch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 4 GG verneint 219 . Und schließlich: In einem Plenarbeschluß aus dem Jahre 1980 mißt das Bundesverfas-
212
K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnr. 56; J. Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 108; so wohl auch K. Larenz l C.-W. Canaris , Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 137 ff. 213 BVerfGE 62, 1 (45) unter Bezugnahme auf BVerfGE 11, 126 (130); 13, 261 (268); 54,177 (298 f.). 214 BVerfGE 1,117 (127); 62,1 (45). 215 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 214. 216 Vgl. nur BVerfGE 88,40 (47); 88,145 (166 f.). 217 Siehe nur BVerfGE 62,1 (45 ff.); 75,40 (56 ff., insbesondere 61). 218 BVerfGE 2,266 (272,276). 219 BVerfGE 75,40 (60 f.).
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
sungsgericht den Regelungsabsichten des Gesetzgebers „erhebliches Gewicht" für die Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offenlassen, und fügt hinzu, daß die Auslegung jedenfalls bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen nicht über die erkennbare Regelungsabsicht des Gesetzgebers hinweggehen dürfe 220 . Dieser kursorische Übelblick zeigt deutlich, daß auch das Bundesverfassungsgericht der Entstehungsgeschichte von Fall zu Fall auslegungsbegründende Bedeutung für die Interpretation verfassungsrechtlicher Normgehalte zuerkennt. Wenn sich, um in den Worten des höchsten Gerichts zu sprechen, die Interpretation einer Verfassungsnorm „zwingend" aus der Entstehungsgeschichte ergeben kann, dann steht dies in deutlichem Widerspruch zu den früheren Judikaten, in denen das Bundesverfassungsgericht die Entstehungsgeschichte nur „subsidiär" zur Anwendung kommen ließ 221 . Mithin bietet auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein einheitliches Bild darüber, welche Bedeutung der genetischen Auslegung zur Ermittlung verfassungsrechtlicher Normgehalte zukommt. Hält man sich das Ziel der Verfassungsinterpretation vor Augen, die Normen des Grundgesetzes zu konkretisieren und so den objektivierten Willen des Verfassungsgesetzgebers zu ermitteln, mag es so recht nicht einleuchten, der Entstehungsgeschichte nur subsidiäre, hilfsweise Bedeutung für die Verfassungsauslegung beizumessen. Als Mittel der Verfassungsinterpretation findet die Analyse der Entstehungsgeschichte vielmehr die gleiche Berechtigung wie Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck einer Norm 222 . Dieser Problemkreis bedarf indes im gegebenen Zusammenhang keiner letztveibindlichen Klärung. Denn auf dem Boden der Karlsruher Judikatur steht zumindest fest, daß der historischen Auslegungsmethode zumindest dann auslegungsbegründende Wirkung zukommen kann, wenn sich mit Hilfe der übrigen Auslegungsmethoden kein oder zumindest kein eindeutiges Auslegungsergebnis finden läßt. Zumindest insoweit, als die grammatikalische, die systematische und die teleologische Auslegung Zweifel belassen, kann zur Ermittlung des verfassungsrechtlichen Normgehalts auf die Entstehungsge-
220
BVerfGE 54, 277 (297 f.); als weiteres Beispiel dafür, daß das Bundesverfassungsgericht aus der Entstehungsgeschichte auf den maßgeblichen Verfassungsinhalt geschlossen hat, sei nur BVerfGE 4,299 (304 f.) genannt, wo es um die Auslegung des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG ging; weitere Nachweise zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich in BGHZ 46, 74 (79 ff); siehe auch bei F. Müller, Juristische Methodik, S. 26 ff. 221 Daher zu Recht auch die Kritik von J. Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 106. 222 Ebenso J. Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 108.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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schichte zurückgegriffen werden 223. Ob und inwieweit der historischen Auslegung auch darüber hinausreichende Bedeutung zukommt, steht auf einem anderen Blatte und bedarf im gegebenen Zusammenhang keiner weiteren Vertiefung. Denn vorliegend vermögen die übrigen Auslegungsmethoden zur Beantwortung der in Rede stehenden Frage nichts beizutragen. Daher kann hier auf die Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG zurückgegriffen werden, um auf diese Weise den in dieser Verfassungsbestimmung zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Verfassungsgesetzgebers ans Licht zu bringen. b) Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses im Lichte der Entstehungsgeschichte des Art 88 Satz 1 GG
Damit steht nunmehr einer Auflösung des für die Organisationsverfassung der Deutschen Bundesbank bestehenden verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses im Lichte der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG nichts mehr im Wege. Erst der Blick auf die Genesis des Art. 88 Satz 1 GG läßt die Regelungsabsichten, die hinter der Formulierung dieser verfassungsrechtlichen Vorschrift stehen, deutlich werden. Ausgangspunkt für die Aufnahme einer Bestimmung in das Grundgesetz über die Errichtung einer Zentralbank war der mit dem Entwurf des Grundgesetzes betraute Verfassungskonvent von Herrenchiemsee im Jahre 1948 / 49. Dieser richtete am Ende seiner konstituierenden Sitzung verschiedene Unterausschüsse ein, von denen der Unterausschuß II mit Zuständigkeitsfragen auf dem Gebiet der Finanzverfassung betraut war und sich erstmalig mit der Errichtung einer Zentralbank beschäftigte. Grundlage der Arbeiten im Unterausschuß II war ein Vorschlag des Abgeordneten Kollmann über die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Verwaltung 224, der jedoch keine Bestimmungen über eine Zentralbank enthielt. Auf die Frage des Ausschußmitglieds Drexelius, wie es mit dem Problem einer Zentralbank stehe, antwortete Kollmann, daß „eine Zentralbank wohl kaum wieder in die enge Verbindung mit der Bundesverwaltung gebracht" würde, „wie das im Dritten Reich gewesen" sei. Und weiter führt er aus, daß „die Grundlage für diese Einrichtung das
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So ausdrücklich zur Anwendbarkeit der historischen Auslegungsmethode, wenn Wortlaut und Systematik einer Verfassungsnorm unergiebig sind BVerfGE 67, 299 (315); 86, 148 (221); im Ergebnis ebenso wie hier H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Einl. Rdnr. 6; J. Wieland, Die Freiheit des Rundfbnks, S. 108 f.; so wohl auch S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 94. 224 Abgedruckt in: P. Bucher, Der Parlamentarische Rat Π, S. 239 ff.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Währungsgesetz" sei, das hier vollständig freie Hand" habe 225 . Diese Gespräche führten zu einer Überarbeitung des Kollmannschen Vorschlags, als deren Ergebnis im Abschlußbericht des Verfassungskonvents in Art. 116 Abs. 4 folgende Formulierung aufgenommen wurde: „Außerdem besteht eine Bundeswährungsbank" 226. Diese im Abschlußbericht des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee gefundene Formulierung diente sodann als Fundament für die Arbeiten des Parlamentarischen Rates. Betraut mit dieser Frage wurde zunächst der Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzungen. Als Ergebnis seiner Beratungen wurde auf Anraten des Ausschußvorsitzenden, der bemängelte, daß der Satz „so verloren im Weltall" dastehe227, die folgende Fassung beschlossen: „Der Bund errichtet eine Währungsbank" 228. Eine erneute Änderung dieser Formulierung in „Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank"229 erfolgte auf Initiative des Allgemeinen Redaktionsausschusses, der damit die Berechtigung der zu errichtenden Zentralbank zur Notenausgabe in einer jeden Zweifel beseitigenden Weise im Verfassungstext verankern wollte 230 . Ihre endgültige Gestalt fand die Bestimmung über die Zentralbank schließlich in der dritten Lesung des Grundgesetzentwurfes im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates, dem mehrere, gleichlautende und mit der heutigen Fassung des Art. 88 Satz 1 GG übereinstimmende Vorschläge des Allgemeinen Redaktionsausschusses231 und des Fünferausschusses 232 vorlagen. Diese Vorschläge, die sich von der vorherigen Fassung des Art. 116 Abs. 4 des Grundgesetzentwurfes nur durch den Zusatz „als Bundesbank" unterschieden, wurden schließlich in der vierten Lesung vom Hauptausschuß233 und vom Plenum des Parlamentarischen Ra225
10. Sitzung des Unterausschusses Π am 19. August 1948, Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Verfassungskonvent von Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, Protokolle der Sitzungen der Unterausschüsse, Unterausschuß Π, S. 335. 226 Abgedruckt bei P. Bucher, Der Parlamentarische Rat Π, S. 264. 227 Abgedruckt bei W. Werner, Der Parlamentarische Rat ΙΠ, S. 272, wo es jedoch „gehe" statt „stehe" heißt; dabei dürfte sich aber wohl ein Druckfehler eingeschlichen haben. 228 Abgedruckt bei W. Werner, Der Parlamentarische Rat m, S. 272,299 ff. 229 Parlamentarischer Rat, Drs. 332, abgedruckt in; Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), S. 32. 230 So die Abgeordneten Hoch und Laforet in der 16. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 3. Dezember 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Stenographische Berichte, S. 198. 231 Abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), S. 117 ff., 154. 232 Abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Entwürfe), S. 173 ff, 187. 233 Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 765.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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tes 2 3 4 als Art. 88 in der heute gültigen Fassung des Art. 88 Satz 1 GG verabschiedet. Damit erhebt sich die entscheidende Frage, welche Schlüsse aus der Genese des Art. 88 Satz 1 GG für die Auflösung des hier in Rede stehenden verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zu ziehen sind. Der Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG läßt deutlich werden, daß der Verfassungsgesetzgeber einerseits an die organisatorische Regelung und Ausgestaltung der Reichsbank unter der Weimarer Reichsverfassung anknüpfen, andererseits aber keine bestimmte Organisationsverfassung der zu errichtenden Bundesbank verfassungsrechtlich festschreiben wollte, sondern dem einfachen Gesetzgeber Ausgestaltungsbefugnisse und -möglichkeiten offenhalten und die konkrete organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der zu errichtenden Bundesbank in die Hände des einfachen Gesetzgebers legen wollte 235 . Die Beratungen im Parlamentarischen Rat waren von dem Bestreben geleitet, dem einfachen Gesetzgeber keine allzu detaillierten Vorgaben zu machen, sondern die konkrete Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens der neu zu konstituierenden Bundesbank seiner freien Gestaltungsmacht zu überantworten 236. Dies zeigt bereits die Äußerung des Abgeordneten Kollmann, wonach Grundlage für die Errichtung einer Zentralbank ein späteres Währungsgesetz sei, das „hier vollständig freie Hand" haben sollte 237 . Als Beleg für diese communis opinio im Parlamentarischen Rat sei weiter auch die Debatte der Abgeordneten in der sechsten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 30. September 1948 genannt, in der über mögliche künftige Organisationsformen der späteren Zentralbank diskutiert wurde. Insoweit wurde es sowohl für denkbar gehalten, „daß die Bundeswährungsbank als Aktiengesellschaft aufgezogen" würde 238 , als auch, daß sie in die Hierarchie der bundesei-
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Parlamentarischer Rat, Stenographischer Bericht, S. 185,238. H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 258 ff.; ders., BayVBl. 1982, 33 (35); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 434 f.; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 102; O.-E. Starke, WM 1957, 75 (84 f.); anderer Auffassung soweit ersichtlich wohl nur H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 4. 236 Zu den Beratungen im Parlamentarischen Rat dezidiert S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 97 ff ; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 258 ff. 237 Siehe dazu bereits oben bei Fn. 225 (S. 240). 238 So der Abgeordnete Laforet in der sechsten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 30. September 1948, abgedruckt bei: W. Werner, Der Parlamentarische Rat ΙΠ, S. 272. 235
16 Brosius-Gersdorf
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
genen Verwaltung eingegliedert würde 239 . Eine endgültige Entscheidung über die Organisationsform der Zentralbank sollte jedoch nicht getroffen, sondern dem einfachen Gesetzgeber überlassen werden. Aus diesem Grunde wurde diese Frage offengelassen und Art. 88 GG als „Programmsatz" formuliert 240 . Gegen die Offenheit des Art. 88 GG spricht auch nicht, daß der Zusatz „als Bundesbank" nach den Worten des Abgeordneten Höpker-Aschoff deswegen aufgenommen wurde, „um gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß die zu errichtende Bundesnotenbank nach dem Muster der Reichsbank geschaffen werden sollte". Denn dieser Zusatz beruhte auf einem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses und des Fünferausschusses im Parlamentarischen Rat, der aber nicht begründet war und ohne Diskussion vom Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates angenommen wurde 241 . Auf welchen Erwägungen der Zusatz „als Bundesbank" also beruhte, geht aus den Beratungen im Parlamentarischen Rat nicht hervor und läßt sich rückschauend auch nicht mehr ermitteln 242 . Und ferner ist der Hinweis auf die Vorgängerin der Bundesbank auch deswegen nicht aussagekräftig, weil er zu pauschal gehalten ist, als daß erkennbar wäre, an welchen der oben geschilderten Abschnitte in der Entwicklung der Reichsbankgeschichte243 insoweit angeknüpft werden sollte 2 4 4 . Als weiterer Beleg für die Offenheit des Art. 88 GG zeugt schließlich auch die Äußerung des Abgeordneten Katz in der Ausschußsitzung für die Organisation des Bundes vom 27. Oktober 1948. Darin führt er in bezug auf die Vorgängerin der Zentralbank aus, er nehme an, „daß die Bundesregierung nicht
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So abermals der Abgeordnete Laforet in der sechsten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 30. September 1948, abgedruckt bei: W. Werner, Der Parlamentarische Rat ΠΙ, S. 272. 240 So ausdrücklich der Abgeordnete Laforet in der sechsten Sitzung des Zuständigkeitsausschusses vom 30. September 1948, abgedruckt bei: W Werner, Der Parlamentarische Rat ΠΙ, S. 272. 241 Vgl. dazu B. Dennewitz, in: Bonner Kommentar, Einl., S. 88; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 101. 242 Ebenso S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 113; H. Faber, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Art. 88 Rdnr. 4; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 101. 243 Siehe zu den verschiedenen zeitlichen Abschnitten in der Entwicklung der Unabhängigkeit der Reichsbank im ersten Teil, Einführung, S. 25 ff; siehe dazu auch oben beiFn. 55 (S. 191). 244 Ebenso J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 101; anders, freilich ohne nähere Begründung, S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 113.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
vorgesetzte Behörde dieser Bank deutscher Länder" werde 245 . Und weiter erklärt er, daß er diese Frage aber nicht in das Grundgesetz hineinschreiben wolle, sondern „das als selbstverständlich" betrachte. Wörtlich heißt es: „Wie späterhin die Zuständigkeiten zwischen Bundesregierung und dieser Bank deutscher Länder sich regeln werden, ist eine Frage für sich. Ob wir auf Dauer den jetzigen Zustand hinnehmen können, daß hier eine Bankinstitution geschaffen wird, die gänzlich außerhalb der Zuständigkeit aller deutschen Stellen steht, ist mir zweifelhaft; aber wir können dieses sehr schwierige Problem im Augenblick gar nicht anschneiden"246. Und auf die anschließende Frage des Ausschußvorsitzenden Lehr, ob er mit ihm der Ansicht sei, daß „später ein Spezialgesetz ergehen" müsse, „ein Bundesbankgesetz", antwortete er: „Ja, in irgendeiner Form. Das wird nötig sein, um die Zentralbank einmal sicherzustellen vor Zugriffen der Regierung, zum andern, um sie einzugliedern in den verfassungsmäßigen Aufbau" 247 . Im Parlamentarischen Rat herrschte mithin Einigkeit darüber, daß die organisatorische Ausgestaltung der zu errichtenden Währungsbank nicht vom Verfassungsgesetzgeber selbst festgelegt, sondern mit Blick auf künftige Entwicklungen dem einfachen Gesetzgeber übertragen werden sollte. Art. 88 Satz 1 GG ist somit nach dem erkennbaren Willen des Verfassungsgesetzgebers als offene Regelung konzipiert, die für den einfachen Gesetzgeber einen Dispositionstitel enthält, über Art und Umfang staatlicher Steuerung der Bundesbank zu befinden. Art. 88 Satz 1 GG räumt dem einfachen Gesetzgeber bei der Organisation der Bundesbank einen Gestaltungsspielraum ein, der es ihm anheimstellt, zwischen einer „staatsnahen" und einer „staatsfernen" Organisationsform und damit zwischen einer in das hierarchische Verwaltungsgefüge eingegliederten und einer unabhängigen Bundesbank frei zu wählen 248 . In seine Dispositionsbefugnis ist es von Verfassungs wegen gestellt, über die Eingliederung der Zentralbank in das hierarchische StaatsgefÜge zu entscheiden und damit über den Ausgleich zwischen dem demokratischen Prinzip des 245
Ausschuß für die Organisation des Bundes, 18. Sitzung, 27. Oktober 1948, Stenoprotokoll, S. 20. 246 Ausschuß für die Organisation des Bundes, 18. Sitzung, 27. Oktober 1948, Stenoprotokoll, S. 20. 247 1 8. Sitzung, 27. Oktober 1948, Stenoprotokoll, S. 21. 248 Im Ergebnis ebenso W. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 245; D. Czybulka, Die Legitimation der öffentlichen Verwaltung, S. 145 mit Fn. 230; S.-P. Eun, Die rechtliche Stellung der Deutschen Bundesbank und Währungsstabilität, S. 114; H. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, S. 54; H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 268; ders., BayVBl. 1982, 33 (36); M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 435; Th. Maunz, in: ders. / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 19; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 102; O.-E. Starke, WM 1957,75 (84 f.).
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Art. 20 Abs. 2 GG und dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG zu befinden. 4. Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art 88 Satz 1 GG im Lichte des Art 23 Abs. 1 GG Dieser aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG gewonnene Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers könnte jedoch mit Blick auf die Art. 107, 108 EGV im Lichte des Art. 23 Abs. 1 GG einzuschränken sein. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, daß gem. Art. 107 EGV weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank bei der Wahrnehmung der ihnen durch den EG-Vertrag und die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB-Satzung) übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen dürfen. Art. 108 EGV bestimmt weiter, daß jeder Mitgliedstaat sicherstellen muß, daß seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) mit dem EG-Vertrag in Einklang stehen249. Nach europäischem Gemeinschaftsrecht muß daher die Deutsche Bundesbank spätestens im Zeitpunkt der Errichtung des ESZB weisungsunabhängig organisiert sein. Würde der einfache Gesetzgeber in Ausübung seines nach Art. 88 Satz 1 GG bestehenden Gestaltungsspielraums die Bundesbank in das hierarchische StaatsgefÜge eingliedern und sie den Weisungen der Exekutivspitze unterstellen, so hielte er sich zwar innerhalb seiner Dispositionsbefugnis nach Art. 88 Satz 1 GG; eine solche Regelung verstieße jedoch ersichtlich gegen Art. 107,108 EGV. Das in Art. 107,108 EGV verankerte Unabhängigkeitsgebot gilt dabei nicht erst mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 250, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten gem. Art. 108 EGV bereits ab dem Zeitpunkt der Errichtung des ESZB zu einer auf Unabhängigkeit beruhenden Ausgestaltung des organisatorischen Rahmens der nationalen Zentralbanken 251.
249
Zu den bereits vorgenommenen Anpassungen in den Mitgliedstaaten ausführlich im Jahresbericht des Europäischen Währungsinstitutes 1994, S. 99 ff; zu den erforderlichen Änderungen des Bundesbankgesetzes G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 388. 250 Daß die Regelung des Art. 107 EGV nach Art. 109e Abs. 3 Satz 2 EGV erst mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion gilt, steht dem nicht entgegen. Denn damit ist lediglich der späteste Zeitpunkt markiert, ab dem die Zentralbanken von nationalen und europäischen Stellen unabhängig sein müssen. 251 Auf diese Regelung des Art. 108 EGV nimmt Art. 109e Abs. 5 EGV Bezug und bestimmt, daß jeder Mitgliedstaat in der zweiten Stufe der Währungsunion - die seit
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
Das ESZB wird gem. Art. 1091 Abs. 1 EGV unmittelbar nach Ernennung des Direktoriums und dieses wiederum unmittelbar nach dem Beschluß des Rates über den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe der Währungsunion errichtet. Dieser Zeitpunkt wurde durch Beschluß des Europäischen Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs 252 in Madrid am 15. und 16. Dezember 1995 bestimmt und der Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion auf den 1. Januar 1999 festgesetzt 253. Zugleich wurde auch der Zeitpunkt für die Errichtung des ESZB festgelegt. Danach soll der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Jahre 1998 darüber entscheiden, welche Mitgliedstaaten die notwendigen Voraussetzungen für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion erfüllen. Unmittelbar nach dieser Entscheidung über den Kreis der Teilnehmerstaaten werden die Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank ernannt und daran anschließend die Europäische Zentralbank und das ESZB errichtet 254. Mithin sind die nationalen Zentralbanken mit der Errichtung des ESZB im Jahre 1998 zur Unabhängigkeit verpflichtet. Damit steht fest, daß dem einfachen Gesetzgeber nach Art. 88 Satz 1 GG eine organisatorische Gestaltungsfreiheit zukommt, welche ihm nach Art. 107, 108 EGV - ab dem Zeitpunkt der Errichtung des ESZB - gerade verwehrt ist. Da die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank vorliegend ausschließlich unter verfassungsrechtlichen Aspekten beleuchtet wird, kommt es hier allein darauf an, ob dieser Inkongruenz zwischen dem Gestaltungsspielraum in Art. 88 Satz 1 GG und den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Art. 107, 108 EGV verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Die maßgebliche Frage lautet damit: Ist der nach Art. 88 Satz 1 GG bestehende Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers mit Blick auf die Art. 107, 108 EGV von Verfassungs wegen einzuschränken? Hierauf soll im folgenden eine Antwort gefunden werden.
dem 1. Januar 1994 währt (Art. 109e Abs. 1 EGV) - das Verfahren nach Art. 108 EGV einleitet, mit dem die Unabhängigkeit seiner Zentralbank herbeigeführt wird. 252 Vgl. auch Art. 109j Abs. 3 EGV. 253 Siehe den Beschluß des Europäischen Rates vom 15. und 16. Dezember 1995, Bull. 8 / 1996, S. 61; dazu auch noch ausführlich im vierten Teil, Kapitel 3, in Fn. 20 (S. 279). 254 Bull. 8 / 1996, S. 73 f.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion a) Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art. 88 Satz 1 GG: Gemeinschaftsrecht und nationales Recht als monistische Rechtsordnung?
Eine - am Prinzip der Einheitlichkeit des Verfassungsrechts orientierte Einschränkung des in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnden Ausgestaltungsvorbehalts läßt sich nicht bereits unter Hinweis darauf begründen, daß durch eine Verletzung der Art. 107, 108 EGV auch zugleich gegen Art. 23 Abs. 1 GG verstoßen werde. Denn nicht jeder Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht stellt eo ipso auch eine Verletzung nationalen (Verfassungs-)Rechts dar. Eine solche Annahme ließe sich nur auf der Grundlage einer monistischen Konzeption255, das heißt einer Verschmelzung von europäischem Gemeinschaftsrecht mit nationalem (Verfassungs-)Recht dogmatisch begründen; denn nach der monistischen Theorie stellt jede Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts auch zugleich einen Verstoß gegen nationales Recht dar 2 5 6 . Nur wenn die auf der Ebene der Europäischen Union bestehende Rechtsordnung nicht mehr als die Summe aller nationalen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wäre und beide Rechtsordnungen als Bestandteil eines einheitlichen Rechtskreises anzusehen wären, könnte sich die Annahme, aus einem Verstoß gegen Art. 107, 108 EGV eo ipso auf eine Verletzung des Art. 23 Abs. 1 GG zu schließen, als richtig erweisen. Ein solcher Ansatz verkennte jedoch das Wesen der Europäischen Union und das Verhältnis der europäischen Rechtsordnung zu den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. Zwar wirkt die Bundesrepublik Deutschland
255
Begründer und Hauptvertreter dieser ursprünglich für die Frage des Verhältnisses des Völkerrechts zum innerstaatlichen Recht entwickelten, gerade in neuerer Zeit, mit fortschreitender Integration und zunehmenden Harmonisierungsbemühungen wieder verstärkt vertretenen monistischen Theorie sind H. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 328 ff. und - in der Form des gemäßigten Monismus - A. Verdross, Völkerrecht, S. 111 ff; C. D. Classen , NJW 1995, 2457 (2463); siehe zu der monistischen Theorie auch bei A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, S. 167 ff; dems., Europarecht, Rdnrn. 347 ff, insbesondere Rdnr. 359 f.; U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (949); H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 268 ff; W. Kahl, Die Verwaltung 29 (1996), 341 (376); Κ Stern, Staatsrecht I, S. 477 ff., 544; R. Stettner, AöR 111 (1986), 537 (540); W. Wengler, Völkerrecht I, S. 84 ff.; Vertreter eines sogenannten qualifizierten monistischen Ansatzes, der auf einer differenzierenden Betrachtungsweise beruht, ist W. Kahl, Die Verwaltung 29 (1996), 341 (376 ff.). 256 Selbst, sofern man der monistischen Theorie folgen und die beiden Rechtsordnungen als Bestandteil eines einheitlichen Rechtskreises ansehen wollte, müßte dennoch nicht jeder Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht per se auch nationales (Verfassungs-)Recht verletzen; dies wird - unabhängig von den grundsätzlich-dogmatischen Bedenken gegen die monistische Konzeption - verkannt, wenn mit Hilfe der monistischen Theorie versucht wird zu begründen, daß mit jeder Verletzung europäischer Rechtsvorschriften auch gegen nationales (Verfassungs-)Recht verstoßen wird.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG am europäischen Einigungsprozeß mit und kann zu diesem Zwecke nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen und damit ihre Rechtsordnimg für europäisches Gemeinschaftsrecht öffnen. Dies bedeutet aber nicht, daß das europäische Gemeinschaftsrecht und das nationale ( Verfassungs-)Recht zu einer einheitlichen Rechtsordnung verschmelzen und bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht stets auch nationales (Verfassungs-)Recht verletzt wird. Denn die Europäische Union ist kein eigenständiger Staat, sondern ein Staatenverbund unabhängiger und souveräner Mitgliedstaaten 257 . Die Europäische Union ist weder ein Bundesstaat, als dessen Teilstaaten die Mitgliedstaaten fungierten 258 , noch verfügt sie sonst über Eigenschaften eines Staates 259 . Mangels eigenständiger Staatsqualität der Europäischen Union ist das europäische Gemeinschaftsrecht kein Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen, sondern bildet ein eigenständiges Rechtssystem, das aus einer autonomen Rechtsquelle fließt 2 6 0 . Zwar 257 Diese Erkenntnis entspricht der mittlerweile ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, siehe nur BVerfGE 89, 155 (188 f.); aus dem Schrifttum statt vieler B. Beutler / R. Bieber / J. Pipkorn / J. Streit, Die Europäische Gemeinschaft, S. 109 f.; U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (950 f.); U. Everting, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 61 (63); G. Nicolaysen, Europarecht I, S. 30; M Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 212 ff; zu dem um die Rechtsnatur der Europäischen Union geführten früheren Streit, der von der Einordnung als Staat über einen supranationalen Zweckverband und einen Staatenverbund bis hin zur rechtlichen Qualifizierung als Union sui generis reichte, H.-J. Blanke, DÖV 1993, 412 (414 f.); R. Breuer, NVwZ 1994, 417 (418, 423 f.); M. Hilf, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 75 ff.; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 196 ff; ders., EuR 1987, 195 (202 f.); B. Kahl, Der Staat 33 (1994), 241 ff.; P. Kirchhof, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 11 (12 f.); E. Klein, WDStRL 50 (1991), 56 (60 f.); W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 45 f., 66; E.-J. Mestmäcker, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 113 (114 f.); T. Oppermann, Europarecht, Rdnrn. 789, 791 ff; ders, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 87 (90 ff); A. Riklin, Die Europäische Gemeinschaft im System der Staatenverbindungen, S. 329 ff, insbesondere 357 ff; Κ Scholz, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 32; H Steinberger, WDStRL 50 (1991), 9 (16 ff). 258 Dazu υ pt ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 273 ff; vgl. auch BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 271 (277 f.); 73, 338 (368); zu der Frage, ob die Integrations- und Öffiiungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG die Gründung eines Europäischen Bundesstaates erlaubt, M Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 122 ff. 259 So ausdrücklich BVerfGE 37,271 (277 f.). 260 Vgl. hierzu nach Maßgabe des alten EWG-Vertrags BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 271 (277 f.); 73, 338 (368); statt vieler aus dem Schrifttum B. Beutler/R. Bieber / J. Pipkorn / J. Streit, Die Europäische Gemeinschaft, S. 110; U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (950 f.); G. Nicolaysen, Europarecht I, S. 30; aus jüngster Zeit C. Koenig, NVwZ 1996, 549.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
wurde die politische Gestaltungsmacht der Europäischen Union ursprünglich von den Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge" vertraglich festgelegt 261, so daß bei der Kreation und Gründung der Europäischen Union Verknüpfungen zwischen den nationalen Rechtsordnungen und der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung bestanden262. Jedoch sind „Inhalt und Wesen einer Ordnung das eine, ihre Entstehungsgrundlage das andere" 263. Mit der Wirksamkeit der Gemeinschaftsverträge erfuhren diese eine Veränderung 264, die sie in den Rang von Grundnormen einer eigenständigen Rechtsordnung erhob 265 . Das Gemeinschaftsrecht hat dadurch eine neue, eigene Autorität erhalten, es stellt eine von den nationalen Rechtsordnungen verschiedene, eigene Rechtsquelle dar, kurzum: Es hat eine interpositio auctoritas stattgefunden 266. Zwischen dem europäischen Gemeinschaftsrecht und dem nationalen Recht besteht „kein Rechtsband der Ableitung oder der Abhängigkeit mehr" 267 , sondern beide Rechtskreise beanspruchen unabhängig voneinander und nebeneinander Geltung 268 . Das Gemeinschaftsrecht bildet mithin im Verhältnis zum nationalen Recht eine mit eigener Hoheitsgewalt ausgestattete autonome Rechtsordnung, sie ist von den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unabhängig und aus sich selbst heraus wirksam 269 . Gegen ein solches dualistisches Verständnis, das die europäische Gemeinschaftsrechtsordnung als autonome Rechtsquelle ansieht 270 , kann auch nicht das in Art. 23 Abs. 1 GG (vormals: Art 24 GG) in Verbindung mit dem Zu-
261
Vgl. BVerfGE 89, 155 (188 ff., insbesondere 190); C. Koenig, NVwZ 1996, 549. D. Grimm, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995, 509 (514 f.).; K. Stern, Staatsrecht I, S. 541. 263 So der von H. P. Ipsen, in: Festschrift für U. Scheuner, S. 221, zitierte, treffende Ausspruch A. Haenels. 264 K. Stern, Staatsrecht I, S. 541 spricht insoweit von „Mutation". 265 C. Koenig, NVwZ 1996, 549; Κ Stern, Staatsrecht I, S. 541. 266 So Κ Stern, Staatsrecht I, S. 541. 267 Η. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 220. 268 BVerfGE 37,271 (278); ebenso M Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 53. 269 So im Ergebnis die mittlerweile überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, vgl. nur BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 271 (277 f.); 73, 338 (368); aus dem Schrifttum B. Beutler / R. Bieber / J. Pipkorn / J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft, S. 88 f.; A. Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 359; U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (950 f., insbesondere 952); R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 1 Rdnr. 12 und Art. 5 Rdnr. 1; D. Grimm, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995, 509 (514); H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 260 f.; G. Nicolaysen, Europarecht I, S. 30; Κ Stern, Staatsrecht I, S. 541 f.; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnrn. 72 f. 270 Siehe zu diesem dualistischen Ansatz auch W. Kahl, Die Verwaltung 29 (1996), 341 (376). 262
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
stimmungsgesetz zum EG-Vertrag (vormals: EWG-Vertrag) wurzelnde Prinzip vom Vorrang europäischen Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht ins Feld geführt werden 271. Grundlage und Ausgangspunkt eines solchen Einwandes ist, daß die europäische und die nationale Rechtsordnung - trotz der Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung - in vielfältiger Hinsicht aufeinander bezogen und miteinander verwoben sind und nicht etwa unverbunden nebeneinander stehen. Die beiden - jeweils autonomen - Rechtskreise stehen in einem wechselseitigen Beziehungsgefüge zueinander, zwischen ihnen bestehen mannigfache Verflechtungen und Verknüpfungen 272. Aus diesem Grunde sind Konflikte zwischen dem europäischem Gemeinschaftsrecht und dem nationalem Recht unausweichlich, ja geradezu hausgemacht. Die Lösung solcher Konflikte erfolgt durch das in Art. 23 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem entsprechenden Zustimmungsgesetz wurzelnde Vorrangprinzip. Das Vorrangprinzip, mittlerweile gemeinschafts- 273 und verfassungsrechtliches Gemeingut, besagt, daß nationales Recht im Falle einer Kollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht grundsätzlich unanwendbar ist 2 7 4 . Dieser grundsätzliche und unbestrittene Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts läßt sich jedoch nicht als Argument gegen die dualistische Konzeption ins Feld führen, die auf einer Autonomie der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung fußt. Insbesondere kann nicht geltend gemacht werden, daß dem Vorrangprinzip bei Lichte betrachtet hinsichtlich der Normanwendung ein monistisches Verständnis zugrunde liege, während die Frage des Geltungsvonmgs zwischen 271
Zum Vorrangprinzip BVerfGE 31, 145 (173 ff.); 73, 339 (375); 75, 223 (244 f.); 85, 191 (204); U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (950 ff); A. Gerber, in: Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, S. 77 (82 ff); H. Gersdorf, DVB1. 1994, 674 (677); G. Hirsch, NJW 1996,2457 (2458 ff.); H P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 277 ff.; W. Kahl, Die Verwaltung 29 (1996), 341 (375 f.); C. Langenfeld, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 173 ff; R. Stettner, AöR 111 (1986), 537 (540 ff.); R. Streinz, Bundesverfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz und europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 113; ders., in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 59; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnrn. 75 ff. 272 BVerfGE 73, 338 (368); U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (951); H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 261; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnr. 73; siehe zu den wechselseitigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten auch G. F. Schuppert, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 35 (57 ff.). 273 Gemeinschaftsrechtlich ist das Vorrangprinzip in Art. 5 Abs. 2,189 EGV verankert, siehe dazu R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 5 Rdnr. 18. 274 Statt aller BVerfGE 31, 145 (173 ff.); 73, 339 (375); 75, 223 (244 f.); 85, 191 (204); U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (950 ff.); H. Gersdorf, DVB1. 1994, 674 (677); H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 277 ff; R. Stettner, AöR 111 (1986), 537 (540 ff); R. Streinz, Bundesverfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz und europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 113; ders., in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 59; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnrn. 75 ff.
3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
den beiden Rechtsordnungen aus den oben dargelegten Gründen im Sinne der dualistischen Konzeption beantwortet würde 275 . Denn das Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts ist lediglich eine Kollisionsregel, die nur das Ergebnis des durch Art. 23 Abs. 1 GG geforderten Ausgleichs zwischen den Notwendigkeiten der europäischen Integration einerseits und dem gebotenen Schutz nationaler Bestimmungen andererseits darstellt 276. Es drängt daher nur insoweit auf Verwirklichung, als die Derogation der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung zur Verwirklichung integrationspolitischer Belange erforderlich ist, also nur dann, wenn eine Kollisionslage zwischen europäischem und nationalem Recht besteht. Muß sich demnach das Gemeinschaftsrecht nur im Konfliktfalle - und nur das gebietet das Vorrangprinzip - gegenüber nationalem Recht durchsetzen können, so erhellt daraus, daß das Vorrangprinzip als Kollisionsregel lediglich die Frage des Anwendungsvorrangs des europäischen Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht betrifft, ohne dadurch auch die oben beschriebene Frage des Geltungsvorrangs zu berühren 277. Eines solchen, normtheoretisch wesentlich weiterreichenden Geltungsvorrangs bedarf es für die im Vorrangprinzip wurzelnde Antwort auf die Frage nach der Auflösung von Konflikten zwischen europäischem und nationalem Recht nicht. Daher läßt sich das Vorrangprinzip auch nicht als Argument gegen die - ausschließlich den Geltungsvorrang betreffende - dualistische Konzeption ins Feld führen 2 7 8 . Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die monistische Theorie, auf deren Grundlage das Verhältnis zwischen nationalem Recht und europäischem Gemeinschaftsrecht als Verschmelzung beider Rechtsordnungen zu bestimmen ist, das Wesen der Europäischen Union als Staatenverbund unabhängiger und souveräner Mitgliedstaaten verkennt und aus diesem Grunde nicht zu verfangen vermag. Vielmehr sind beide Rechtsordnungen - wenn auch wegen des Vorrangprinzips mit prävalenter Stellung des Gemeinschaftsrechts - voneinander unabhängig und beanspruchen als jeweils autonome Rechtsordnungen nebeneinander Geltung. Das europäische Gemeinschaftsrecht stellt im Verhältnis zum nationalen Recht eine mit eigener Hoheitsgewalt ausgestattete autonome 275
So die provozierende Frage R. Stettners, AöR 111 (1986), 537 (539 f.). H. Gersdorf, DVB1. 1994,674 (679). 277 Zu dieser Unterscheidung zwischen dem Anwendungs- und dem Geltungsvorrang auch M Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 53. 278 Im Ergebnis ebenso U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (951); in dieser Richtung auch C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnr. 75: ,Jm Kern handelt es sich um ein Kollisions-, nicht um ein Rangproblem"; so wohl auch R. Stettner, AöR 111 (1986), 537 (540), der dieses Ergebnis jedoch in Frageform formuliert: „Oder ist das, was der EuGH mit der Vorrangkürzel belegt, in Wahrheit nur eine Kollisionsnorm, welche das dualistische Verhältais bestehen läßt?". 276
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Rechtsordnung dar. Daher läßt sich ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 GG nicht bereits unter Hinweis darauf begründen, daß die Weisungsabhängigkeit der Deutschen Bundesbank gegen Art. 107, 108 EGV verstoße. Eine - am Prinzip der Einheitlichkeit des Verfassungsrechts orientierte - Einschränkung des verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsspielraums in Art. 88 Satz 1 GG läßt sich also nicht bereits unter diesem Aspekt begründen. b) Einschränkung des Ausgestaltungsspielraums in Art 88 Satz 1 GG: Verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung
Eine Begrenzung des dem einfachen Gesetzgeber nach Art. 88 Satz 1 GG zustehenden Gestaltungsspielraums erscheint jedoch unter einem anderen Aspekt geboten. Insoweit lassen sich in dogmatischer Hinsicht zwei verschiedene Wege beschreiten. Zum einen könnte der in Art. 88 Satz 1 GG enthaltene Ausgestaltungsspielraum durch ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung einzuschränken sein. Ein solches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationalen Rechts könnte in Parallele zu dem im Verhältnis zwischen einfachem Gesetzesrecht und nationalem Verfassungsrecht bestehenden Gebot verfassungskonformer Auslegung anzuerkennen sein. Zum anderen erscheint eine Einschränkung des in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnden Gestaltungsauftrags aber auch aufgrund einer gewissen „Vorwirkung" des Vorrangprinzips möglich; in diesem Fall wäre für ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung kein Platz. Ob der in Art. 88 Satz 1 GG enthaltene Gestaltungsspielraum durch ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung oder durch das Vorrangprinzip im Lichte des Art. 23 Abs. 1 GG einzuschränken ist, soll im folgenden untersucht werden. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, was als sedes materiae einer solchen Einschränkung nationaler Normspielräume im Lichte des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist [dazu unter aa)]. Im Anschluß daran werden mögliche Einwände gegen die Anerkennung eines solchen Auslegungsgebots diskutiert [dazu unter bb)]. aa) Sedes materiae der Einschränkung nationaler Normspielräume: Verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung oder Vorrangprinzip? Im folgenden ist die Frage zu beantworten, ob von Verfassungs wegen auch im Verhältnis zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem (Verfassungs-)Recht ein entsprechendes Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung besteht oder ob eine Einschränkung nationaler Normspielräume im
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Lichte des Gemeinschaftsrechts verfassungsdogmatisch durch das Vorrangprinzip zu begründen ist. Gemeinschaftsrechtlich wird ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung aus Art. 5 EGV hergeleitet 279. Aus der in Art. 5 Satz 3 EGV enthaltenen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrags gefährden könnten, zu unterlassen, folge die Verpflichtung nationaler Stellen, Kollisionen nationaler Rechtsnormen mit europäischem Gemeinschaftsrecht zu verhindern und drohende Konflikte durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu unterbinden 280. Da es vorliegend jedoch ausschließlich um die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank geht, kommt es hier allein darauf an, ob ein solches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung auch verfassungsrechtlich fundiert ist 2 8 1 . Als sedes materiae eines verfassungsrechtlichen Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung kommt dogmatisch Art. 23 Abs. 1 GG in Betracht. Gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, bei der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken; zu diesem Zwecke kann sie nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen. Diese verfassungsrechtliche Integrations- und Öffhungsklausel berechtigt die Bundesrepublik Deutschland nicht nur, sondern verpflichtet sie auch, am europäischen Einigungsprozeß mitzuwirken. Art. 23 Abs. 1 GG erteilt der Bundesrepublik Deutschland einen verfassungsrechtlichen Auftrag, durch die Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Union zur Verwirklichung eines vereinten Europas beizutragen 282. Im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Union verpflichtet Art. 23 Abs. 1 GG die Bundesrepublik Deutschland, am europäischen Integrationspro279
So EuGH, Slg. 1984, 1891 (1909); vgl. auch den Schlußantrag des Generalstaatsanwalts G. Reischl, EuGH, Slg. 1978, 651; E. Klein, Der Staat 33 (1994), 39 (46); ebenso A. Bleckmann, in: H. v. d. Groeben / J. Thiesing / C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 5 Rdnrn. 3 ff., insbesondere 13; W. Kahl, in: A. Haratsch / D. Kugelmann / U. Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 9 (24); G. Ress, DÖV 1994, 489 ff.; E. SchmidtAßmann, DVB1. 1993, 924 (932); M Zuleeg, WDStRL 53 (1994), 154 (165 ff.). 280 A. Bleckmann, in: H. v. d. Groeben / J. Thiesing / C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 5 Rdnrn. 11,13. 281 Zu dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung G. C. R. Iglesias! Κ Riechenberg, in: Festschrift für U. Everling Π, S. 1213 ff.; zu dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue auch M. Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 115. 282 Zum Regelungsgehalt der Integrations- und Öffhungsklausel noch ausführlich im vierten Teil, Kapitel 5, S. 325 ff.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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zeß mitzuwirken. Dieser Funktionssicherungsgedanke kommt auch in dem in Art. 23 Abs. 1 GG (i.V.m. dem entsprechenden Zustimmungsgesetz) wurzelnden Vorrangprinzip zum Ausdruck, wonach nationales Recht im Falle einer Kollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht unanwendbar ist, soweit es zur Funktions-283 und Effizienzsicherung 284 der Gemeinschaften eines solchen Vorrangs bedarf 285 . Insoweit stellt sich die Frage, ob es zur Sicherung eben dieser Funktionsfähigkeit der Europäischen Union geboten ist, aus Art. 23 Abs. 1 GG ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationaler Rechtsvorschriften herzuleiten. Ein solches Gebot verlangte - entsprechend dem Prinzip verfassungskonformer Auslegung im nationalen Recht-, nationale Rechtsnormen im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen und von mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, die also zu einem gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis fuhrt. Auf diese Weise wären die nationalen Stellen gehalten, von den nach nationalem Recht bestehenden Handlungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräumen in einer Weise Gebrauch zu machen, daß eine Kollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht vermieden wird. Ein Unterschied zu der nationalen Auslegungskategorie der verfassungskonformen Auslegung bestünde jedoch insoweit, als durch die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht die Nichtigkeit, sondern lediglich die Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnorm abgewendet würde. Denn im Falle einer Kollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht wäre nationales Recht nicht nichtig 286 , sondern lediglich unanwendbar287. Demgegenüber wird mit dem durch die verfassungskonforme Auslegung bewirkten Einklang zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht 288 die einfachgesetzliche 283
Siehe zum Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 200, 280 ff; dazu auch R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 5 Rdnr. 20. 284 Zu dem Effektivitätsgebot im Europäischen Gemeinschaftsrecht EuGH, Slg. I 1991, 415 (540), wonach „das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit Gemeinschaftsrecht anzuwenden hat, dessen volle Wirksamkeit sicherzustellen" habe; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 280; T. Oppermann, Europarecht, Rdnr. 442; E. Schmidt-Aßmann, DVB1. 1993, 924 (930 ff.). 285 Zum Vorrangprinzip bereits oben, bei Fn. 273 (S. 249). 286 So aber E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, S. 1966. 287 Zur Wirkung des Vorrangprinzips ausführlich H. Gersdorf, DVB1. 1994, 674 (677 ff.); P. M Huber, AöR 116 (1991), 210 (223 f.); U. Scheuner, AöR 100 (1975), 30 (40 ff.); H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 277 ff; R. Stettner, AöR 111 (1986), 537 (540 ff); R. Streinz, Bundesverfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz und europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 113; C. Tomuschat, in: Bonner Kommentar, Art. 24 Rdnrn. 75 ff.; siehe dazu auch bereits oben bei Fn. 274 (S. 249). 288 Grundsätzlich zu dieser Auslegungsregel K.-A. Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung; J. Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Rechtsnorm vor der Nichtigkeit bewahrt 289. Zudem - und dies wäre ein weiterer Unterschied - träte die Unanwendbarkeit der nationalen Rechtsvorschrift im Konfliktfalle nur im Verhältnis zu den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten ein; ihre Anwendbarkeit gegenüber Inländern bliebe dagegen unberührt 290 . Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung käme also immer dann zum Tragen, wenn eine nationale Rechtsvorschrift Handlungs-, Beurteilungs- oder Ermessensspielräume eröffnete. Insoweit wären die mit dem Vollzug der Rechtsnorm betrauten nationalen Stellen nach dem Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung gehalten, diejenige Auslegungsmöglichkeit zu wählen, die zu einem gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis führt, um auf diese Weise eine Kollision mit europäischem Gemeinschaftsrecht zu verhindern. Der nach nationalem Recht bestehende Auslegungsspielraum wäre insoweit also durch das Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eingeschränkt. Ebenso wie die verfassungskonforme Auslegung nach nationalem Recht könnte auch ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nur dort zur Anwendung gelangen, wo nationale Rechtsvorschriften Auslegungsspielräume eröffnen. Enthalten nationale Rechtsvorschriften dagegen einen verbindlichen Rechtsanwendungsbefehl, wäre für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung kein Platz; in diesem Fall wäre die Kollision mit entgegenstehendem europäischen Gemeinschaftsrecht vorgezeichnet. Ein solches verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ist aber mit dem Anwendungsfeld des - ebenfalls in Art. 23 Abs. 1 GG wurzelnden - Vorrangprinzips auszuloten. Nach dem Vorrangprinzip ist nationales Recht im Konfliktfalle mit europäischem Recht unanwendbar. Das Vorrangprinzip ist eine Kollisionsregel, die immer dann auf Verwirklichung drängt, wenn sich das Recht der Mitgliedstaaten und das Gemeinschaftsrecht widersprechen. Insoweit könnte man dem Vorrangprinzip einen über diese Funktion hinausgehenden Anwendungsbereich zuerkennen und ihm eine gewisse Vorwirkung in dem Sinne beimessen, daß Kollisionen nationaler RechtsRdnrn. 79 ff; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 23a; C. Pestalozza, NJW 1981, 2081 ff; K. Stern, Staatsrecht m, S. 1316 ff. 289 Vgl. nur BVerfGE 88, 145 (166); 2, 266 (282); 69, 1 (55); 86, 288 (320 f.); R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 VI Rdnr. 12; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 2 Rdnrn. 80 f., 83; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 23a; K. Stern, Staatsrecht ΙΠ, S. 1361 f. 290 Vgl. H. D. Jarass, NJW 1990,2420 (2421).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Vorschriften mit europäischem Gemeinschaftsrecht von vornherein verhindert und die nach nationalem Recht bestehenden Normspielräume bereits im Vorfeld von Konflikten gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden müssen291. Wollte man dem Vorrangprinzip eine solche Vorwirkung zuerkennen und es gleichsam als „Sammelprinzip" für bestehende und bevorstehende Kollisionslagen gleichermaßen verwenden, so veibliebe für die Rechtsfigur einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung kein eigenes Anwendungsfeld. Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß sich eine Verkürzung nationaler Normspielräume im Lichte des Gemeinschaftsrechts dogmatisch auf unterschiedliche Weise begründen läßt, nämlich sowohl durch ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung als auch durch eine Vorwirkung des Vorrangprinzips. Wie man nun die Einschränkung nationaler Auslegungsspielräume zu begründen sucht, ist nicht nur im Ergebnis irrelevant - zumal beide Lösungswege dogmatisch in derselben Weise fundiert sind, ihre verfassungsrechtliche Heimat nämlich in dem Funktionssicherungsgebot des Art. 23 Abs. 1 GG finden -, sondern insoweit fehlt es auch an rechtslogisch zwingenden, unverrückbaren Maßstäben. Für eine Vorwirkung des Vorrangprinzips ließe sich ins Feld führen, daß das Vorrangprinzip mittlerweile sowohl gemeinschafts- als auch verfassungsrechtliches Gemeingut darstellt, während ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung erst aus der Taufe gehoben werden müßte. Wollte man das Vorrangprinzip nicht als starre Kollisionsregel verstehen und ihm im Interesse der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften bereits eine gewisse Vorwirkung als „Kollisionsverhinderungsregel" zuerkennen, so verbliebe für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung kein Raum. Für ein extensives Verständnis des Vorrangprinzips ließe sich weiter anfuhren, daß ihm auch bislang nicht nur Bedeutung als Kollisionsregel zukam, sondern in bestimmten Fällen die Direktive entnommen wurde, drohende Konflikte mit europäischem Gemeinschaftsrecht abzuwenden. So wurde dem Vorrangprinzip das Verbot entnommen, nationale Rechtsnormen zu erlassen, die europäischen Rechtsvorschriften widersprächen 292. Dem Vorrangprinzip wurde damit verbindliche Regelungswirkung bereits im Vorfeld drohender Kollisionen zuerkannt. Zudem würde der Anwendungsbereich des Vorrangprinzips entsprechend beschränkt, wollte man die Verkürzung nationaler Normspielräume im Lichte des Gemeinschaftsrechts mittels eines verfassungsrechtlichen Gebots gemeinschafts-
291 So im Ergebnis apodiktisch auch K.-P. Sommermann, DÖV 1994, 596 (602), der den Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung als mit dem aus Art. 23 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts „verwandt" bezeichnet, dies allerdings ohne nähere Erläuterung. 292 Vgl. nur Λ Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 5 Rdnrn. 22,24.
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
rechtskonformer Auslegung begründen; denn für das Vorrangprinzip verbliebe daneben ein eigenes Anwendungsfeld nur insoweit, als nationale Rechtsnormen keine Auslegungsspielräume eröffneten, sondern verbindliche Rechtsfolgen vorschrieben, so daß für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung kein Platz wäre. Aus diesen Gründen könnte man dafür plädieren, die Lösung sämtlicher - auch drohender - Kollisionen nationaler Rechtsvorschriften mit Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts dem Vorrangprinzip zuzuweisen. Im Ergebnis scheinen jedoch die besseren Argumente für die Rechtsfigur der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung als Mittel zur Lösung drohender Konflikte zwischen nationalem und europäischem Recht zu sprechen. Dies vor allem aus einem Grunde: Für die Anerkennung eines verfassungsrechtlichen Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung läßt sich der Vergleich zu der nationalen Kategorie der verfassungskonformen Auslegung anführen. In beiden Fällen geht es um die Auflösung von Kollisionen unterrangiger Normen mit höherrangigem Recht. Angesichts dieser parallelen Züge sprechen im Ergebnis wohl die besseren Gründe dafür, sedes materiae der Auslegung nationaler Normspielräume im Lichte des Gemeinschaftsrechts in dem verfassungsrechtlichen Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung zu erblicken 293. Ob sich indes aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen Einwände gegen die Anerkennung eines solchen verfassungsrechtlichen Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung erheben, ist damit noch nicht gesagt. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden. bb) Einwände gegen das verfassungsrechtliche Prinzip gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung Der verfassungsrechtlichen Existenz eines Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung läßt sich nicht bereits mit dem Argument begegnen, daß dessen Anerkennung ein monistisches Verhältnis zwischen der europäischen und der nationalen Rechtsordnung voraussetzte; denn - so die Argumentation nur innerhalb eines einheitlichen Rechtskreises könnten die europäische und
293 So im Ergebnis ansatzweise, allerdings ohne dogmatische Begründung BVerfGE 75,223 (237); im Ergebnis ebenso W. Kahl, in: A. Haratsch / D. Kugelmann / U. Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 9 (24); bezogen auf ein gemeinschaftsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung aus Art. 5 EGV A. Bleckmann, in: H. v. d. Groeben / J. Thiesing / C.-D. Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 5 Rdnrn. 11, 13, 26; R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 5 Rdnr. 4; ablehnend dagegen U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (953).
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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die nationale Rechtsordnung in einem hierarchisch strukturierten Über- Unterordnungsverhältnis zueinander stehen, was aber Voraussetzung für die Anerkennung eines solches Auslegungsgebotes sei 294 . Diesem Argumentationsansatz ist insoweit zuzustimmen, als die Anerkennung eines Gebotes gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung in der Tat ein solches Über- Unterordnungsverhältnis zwischen der europäischen und der nationalen Rechtsordnung voraussetzt; dies jedoch nur insoweit, als es um den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts geht. Die Frage des grundsätzlichen Geltungsvorrangs bleibt dadurch unberührt 295. Auch zwei voneinander unabhängige, autonome Rechtsordnungen können einander hierarchisch zugeordnet sein 296 . Daß eine solche Hierarchie zwischen der europäischen und der nationalen Rechtsordnung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts besteht, spiegelt sich schon in dem ihr Verhältnis prägenden Vorrangprinzip wider; denn der Anwendungsvorrang europäischer Rechtsnormen vor nationalem Recht kann nur auf der Grundlage einer hierarchischen Unterordnung der nationalen unter die europäische Rechtsordnung bestehen. Einer monistischen Konzeption, das heißt einer Verschmelzung von europäischem Gemeinschaftsrecht mit nationalem (Verfassungs-)Recht bedarf es hierfür nicht 297 . Zum Teil wird gegen die Anerkennung eines (verfassungsrechtlichen) Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung auch vorgebracht, daß dieses mit dem Gebot verfassungskonformer Auslegung konfligieren und dadurch Wertungswidersprüche heraufbeschwören könnte 298 . Kollidierte eine nationale Rechtsnorm sowohl mit europäischem Gemeinschaftsrecht als auch mit nationalem Verfassungsrecht, so müßte sie nicht nur gemeinschaftsrechtskonform, sondern auch verfassungskonform ausgelegt werden. Widersprächen sich die beiden Auslegungsergebnisse, so müßte angesichts der Hierarchie zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem nationalen Recht das Verfassungsrecht selbst gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, was in der Konsequenz „zu einer schrittweisen, nur schwer zu kontrollierenden Durchdringung der nationalen Rechtsordnung von oben her" führe 299 . Eine solche 294 In diesem Sinne U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (949: „Sofern es zutrifft, daß das EG-Recht nicht länger Außenrechtsphänomen mit vereinzelten, klar umgrenzten Durchgriffskompetenzen ist, drängt sich der Gedanke auf, daß auch eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nationaler Umsetzungsgesetze besteht"). 295 Zu dieser Unterscheidung zwischen dem Anwendungsvorrang und dem Geltungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts ausführlich U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (949 ff.). 296 So U. Di Fabio, NJW 1990, 947 (951). 297 Zu den Bedenken gegen die monistische Theorie bereits oben bei Fn. 255 ff. (S. 246 ff.). 298 So aber U. Di Fabio , NJW 1990,947 (949). 299 So U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (949 f.). 17 Brosius-Gersdorf
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Argumentation vermag indes nicht zu verfangen. Dies aus zwei Gründen: Erstens wäre eine Kollision zwischen den beiden Auslegungsmaximen nach der Vorrangregel zu lösen, so daß der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung im Konfliktfalle in der Tat Vorrang gegenüber der verfassungskonformen Auslegung zukäme und auch Verfassungsrecht gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden müßte. Angesichts des uneingeschränkten Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht müßte es im Gegenteil verwundern, wollte man die Auslegungskategorie der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung auf die Auslegung einfachen Rechts beschränken und Verfassungsrecht hiervon ausnehmen. Und zweitens käme der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationaler Rechtsnormen nur Wirkung im Verhältnis zu den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten zu; die verfassungskonforme Auslegung derselben Rechtsnorm im innerstaatlichen Bereich bliebe dadurch unberührt. Gegen die Existenz eines Gebotes gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung läßt sich schließlich auch nicht die im Jahre 1992 eingeführte Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG 3 0 0 anführen, durch die das (aktive und passive) kommunale Wahlrecht für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft eingeführt wurde. Grundlage dieser Grundgesetzänderung war eine entsprechende Bestimmung in Art. 8b EGV, der ein kommunales Wahlrecht für Unionsbürger in dem Mitgliedstaat vorsieht, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Aus dieser Neuregelung des Art. 28 Abs. 1 GG könnte man nun schließen, daß für ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung kein Platz ist. Denn existierte eine solche Auslegungsmaxime, hätte - so die Argumentation - ein kommunales Unionsbürger-Wahlrecht auch ohne die Grundgesetzänderung bestanden; insoweit hätte man die maßgeblichen Vorschriften der Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 GG a.F. gemeinschaftsrechtskonform auslegen und auch die Unionsbürger in den Genuß des Wahlrechts miteinbeziehen müssen. Einer solchen Argumentation läßt sich jedoch mit dem Argument entgegentreten, daß die Änderung des Art. 28 Abs. 1 GG auch rein deklaratorische Bedeutung gehabt haben konnte oder aus Gründen der Rechtssicherheit vorgenommen wurde, ohne daß dies zwingend der Existenz eines Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung entgegenstünde301. Zudem setzt eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung stets voraus, daß die betreffenden Rechtsvorschriften Auslegungsspielräume eröffnen; dies aber erscheint angesichts des strikten Regelungsgehalts der Vorschriften der Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 GG a.F. zumindest zweifelhaft. Mithin läßt sich die Neuregelung des Art. 28 Abs. 1 GG nicht als Argument gegen ein verfassungsrecht-
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Grundgesetzänderung vom 21. Dezember 1992, BGBl. I, S. 2086. Die Begründung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe liefert keine Hinweise auf die Motive dieser Grundgesetzänderung. 301
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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liches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung anführen. Entsprechendes gilt auch für die Einfügung des Satzes 2 in Art. 88 GG, der der Europäischen Zentralbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit gewährt. Diese Vorschrift ist das verfassungsrechtliche Pendant zu Art. 107 EGV. Für diese Verfassungsänderung lassen sich dieselben Gründe anführen, die auch für die Änderung des Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG genannt wurden. Zu einem letzten möglichen Einwand: Ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung wäre nur dann anzuerkennen, wenn dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union erforderlich wäre. Das Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union zielt darauf, die Existenz der Europäischen Union als solche zu schützen und ihre Wirksamkeit zu sichern 302. Durch diesen die Verfassungsbestimmung des Art. 23 Abs. 1 GG prägenden Gedanken der Funktionssicherung der Europäischen Union ist ein Ausgleich zwischen den Notwendigkeiten der europäischen Integration einerseits und dem gebotenen Schutz nationaler Rechtsvorschriften andererseits erforderlich. Daher kann ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nur insoweit auf Verwirklichung drängen, als es zur Durchsetzung und Wahrung integrationspolitischer Belange erforderlich ist. In diesem - auch das Vorrangprinzip prägenden 303 - Erforderlichkeitsaspekt liegt auch der Grund dafür, daß im Kollisionsfalle zwischen nationalem und europäischem Recht ersteres nicht nichtig, sondern lediglich unanwendbar ist; eine Folge, die für die nationalen Mitgliedstaaten von besonderer Bedeutung ist, denn dadurch bleibt die innerstaatliche Anwendbarkeit der betreffenden nationalen Rechtsnorm unberührt und kann etwa im Verhältnis der Inländer zueinander weiterhin Anwendung finden 304 .
302 Zu dem Prinzip der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union ausführlich H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 200, 280 ff ; zu der Verwendung des Prinzips der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ders., S. 280 in Fn. 57. 303 Dazu//. Gersdorf, DVB1. 1994,674 (679 f.). 304 So zuletzt in dem kürzlich vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall „Bosman" (NJW 1996, 505), in dem der Europäische Gerichtshof die Fußball-Transferregelungen für unvereinbar mit dem in Art. 48 EGV verankerten Grundsatz der Freizügigkeit erklärt hat; in diesen Transferbestimmungen war geregelt, daß Berufsfußballspieler ihre Tätigkeit nur dann bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen neuen Verein ausüben durften, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transferentschädigung zahlte, deren Höhe zwischen den beiden Vereinen vereinbart oder gemäß den Vorschriften der Sportverbände bestimmt wurde; wegen der dem Vorrangprinzip immanenten Unanwendbarkeitsfolge und der lediglich auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbaren Regelung des Art. 48 EGV sind die betreffenden Transferregelungen nur insoweit unanwendbar, als es um den Wechsel von Fußballspielern zu einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat geht; dagegen bleiben die Transferre-
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3. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits vor der Währungsunion
Die entscheidende Frage lautet damit, ob ein verfassungsrechtliches Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung zur Verwirklichung integrationspolitischer Belange, also zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union erforderlich ist. Dagegen könnte sprechen, daß dem Verwirklichungsanspruch des europäischen Gemeinschaftsrechts bereits hinreichend durch das Vorrangprinzip Rechnung getragen wird. Denn das Vorrangprinzip stellt sicher, daß sich europäisches Gemeinschaftsrecht im Falle der Kollision mit nationalen Rechtsvorschriften durchsetzt. Dem Verwirklichungsanspruch des Gemeinschaftsrechts wird also „spätestens" dann entsprochen, wenn es zu einem entsprechenden Konflikt mit nationalem Recht kommt. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung träte lediglich eine Stufe eher, nämlich bereits im Vorfeld drohender Konflikte auf den Plan und verhinderte eine Kollision der nationalen Vorschrift mit der europäischen Rechtsnorm. Der prägende Unterschied zwischen dem Vorrangprinzip einerseits und der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung andererseits besteht also lediglich darin, daß erstere als Kollisionsregel und letztere als „Kollisionsverhinderungsregel" (drohende) Konflikte zwischen nationalem und europäischem Recht löst. Damit erhebt sich die Frage, ob dem Verwirklichungsanspruch des Gemeinschaftsrechts bereits durch das Vorrangprinzip entsprochen ist, oder anders gewendet: ob es zur Funktions- und Effizienzsicherung einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung nationaler Rechtsvorschriften bedarf 305 . Insoweit könnte eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung weder aus nationaler noch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht erforderlich sein: aus nationaler Perspektive deswegen nicht, weil die Kollision nationaler Rechtsvorschriften mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht - wie nach deutschem Recht- zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Norm führt; und aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht deshalb nicht, weil dem Verwirklichungsanspruch des Gemeinschaftsrechts durch das Vorrangprinzip hinreichend Rechnung getragen wird. Ausnahmen bestünden nur in solchen Fällen, in denen dem Verwirklichungsanspruch des Gemeinschaftsrechts durch das Vorrangprinzip nicht genügt würde, weil etwa die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften die „Tragweite und Wirksamkeit des EG-
gelungen wirksam, wenn ein Vereinswechsel innerhalb eines und desselben Mitgliedstaates ansteht - eine Unterscheidung die in der Fußballpraxis von erheblicher Bedeutung ist und zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten führt; siehe dazu auch EuGH, NJW 1996, 505 (509); EuGH - Saunders -, Slg. 1979, 1129 Tz. 11; EuGH - Moser -, Slg. 1984,2539; hierzu auchM Hilf IE. Pache, NJW 1996,1169 (1174). 305 Im Ergebnis ablehnend U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (951:„Für die Effizienz des mit unmittelbarem Geltungsanspruch ausgestatteten Gemeinschaftsrechts ist ein Anwendungsvorrang - auch vor einzelnen Grundrechtsbestimmungen - nötig, aber auch ausreichend.").
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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Rechts beeinträchtigte" und damit die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts „praktisch unmöglich" machte306. Eine solche, die Erforderlichkeit der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung bestreitende Argumentation vermag jedoch bei Lichte betrachtet nicht zu überzeugen. Denn andernfalls könnten die mit dem Vollzug nationalen Rechts betrauten Stellen gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsakte erlassen, die nicht eo ipso durch das Vorrangprinzip wieder aus der Welt geschaffen würden. Denn solange die entsprechenden Rechtsakte nicht im Wege eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens aufgehoben würden, bestünde der nationale Rechtsakt und damit auch der Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin fort. Die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Gemeinschaftsrechts und damit die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften, deren Schutz durch die Integrations- und Öfftiungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG eine ausdrückliche Absicherung erfahren hat, wären gefährdet. Zudem würde auch die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, am europäischen Integrationsprozeß mitzuwirken, in eklatanter Weise verletzt, wenn es nationalen Stellen gestattet wäre, gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsakte zu erlassen. Aus diesen Gründen muß das Gemeinschaftsrecht schon bei der Auslegung der durch die nationalen Rechtsvorschriften eröffneten Handlungs-, Wertungs- und Ermessensspielräume beachtet und ihm von vornherein durch gemeinschaftsrechtskonforme Entscheidungen Rechnung getragen werden. Schließlich besteht auch aus nationaler Sicht kein schutzwürdiges Interesse, das sich gegen eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung anführen ließe. Denn müßte nationales Recht nicht im Einklang mit dem (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrecht ausgelegt werden und könnten nationale Stellen demgemäß gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsakte erlassen, so würden diese regelmäßig eine juristische Sekunde später durch das Vorrangprinzip für unanwendbar erklärt und auf diese Weise der durch Art. 23 Abs. 1 GG geforderte Einklang zwischen dem nationalen und dem europäischen Recht herbeigeführt. Letzten Endes käme den nationalen Stellen also nur ein formaler Gestaltungsspielraum zu: Die zunächst gewährten Entscheidungsbefugnisse würden ihnen in einem zweiten Schritt aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben wieder genommen. Erlassen die deutschen Stellen (gemeinschaftsrechtswidrige) Rechtsakte, so üben sie zwar insoweit deutsche Staatsgewalt aus; diese wird aber eine juristische Sekunde später durch das Vorrangprinzip für unanwendbar erklärt. Mithin bestehen auch aus nationaler Sicht keine schutz-
306 So bezogen auf Art. 5 EGV EuGH, Slg. 1983, 2633 (2666 f.); hierzu auch E. Klein, Der Staat 33 (1994), 39 (44 f.).
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würdigen Interessen, die sich gegen ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nationaler Normspielräume anführen lassen. Wurden damit grundsätzliche Einwände gegen die Existenz eines verfassungsrechtlichen Gebots gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung ausgeräumt, so steht im Ergebnis fest, daß die nationalen Stellen gem. Art. 23 Abs. 1 GG verpflichtet sind, die nach nationalem Recht bestehenden Normspielräume gemeinschaftsrechtskonform auszulegen und auf diese Weise dem (primären und sekundären) europäischen Gemeinschaftsrecht bereits im Vorfeld drohender Konflikte Rechnung zu tragen 307 . Nur wenn eine solche verfassungsrechtliche Auslegungsmaxime besteht, kann die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften sichergestellt und dem Gebot des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG entsprochen werden. Damit gelangt man für den hier in Rede stehenden Problemkreis zu folgendem Ergebnis: Der nach dem ursprünglichen Willen des Verfassungsgesetzgebers in Art. 88 Satz 1 GG wurzelnde Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten des einfachen Gesetzgebers ist durch das in Art. 23 Abs. 1 GG verankerte Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eingeschränkt. Mit Blick auf die in Art. 107, 108 EGV getroffenen Regelungen ist der für die Organisation der Deutschen Bundesbank bestehende Gestaltungsspielraum ab dem Zeitpunkt der Errichtung des ESZB insoweit verkürzt, als es dem einfachen Gesetzgeber danach verwehrt ist, die Bundesbank in das hierarchische StaatsgefÜge einzugliedern und den Weisungen nationaler (oder europäischer) Stellen zu unterwerfen. Insoweit ist der einfache Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet, das im Hinblick auf die Organisationsverfassimg der Bundesbank bestehende verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG andererseits zugunsten des letzteren aufzulösen. Soweit dagegen andere Organisationselemente in Frage stehen, enthält das europäische Gemeinschaftsrecht keine verbindlichen Vorgaben; insoweit ist der einfache Gesetzgeber frei, über die organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Bundesbank nach eigenem Ermessen zu befinden. An die Grenzen dieses ihm von Verfassungs wegen zukommenden Gestaltungsspielraums hat sich der einfache Gesetzgeber gehalten und in § 12 Satz 1 BBankG die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung festgeschrieben. Das durch die Unabhängigkeit der Deut307 Ein solches Gebot verneinend U. Di Fabio , NJW 1990, 947 (953), unter Hinweis darauf, daß ein Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung „die Unterwerfung unter einen Geltungsvorrang des Gemeinschaftsrechts unter Hintanstellung des gesamten nationalen Rechts" bedeute.
Kap. 2: Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Bundesbank
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sehen Bundesbank bewirkte Demokratiedefizit ist mithin durch Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Als zentrales Ergebnis dieses dritten Teils der Untersuchung läßt sich damit festhalten, daß die Autonomie der Deutschen Bundesbank im StaatsgefÜge ab dem Zeitpunkt der Errichtung des ESZB nicht nur einfachgesetzlich gewährleistet ist, sondern ihre Autonomie von den Weisungen nationaler und europäischer Stellen auch von Verfassungs wegen garantiert ist.
Dritter Teil: Ergebnis Das nach Maßgabe der derzeitigen Rechtslage bestehende Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank findet seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG. Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern sogar von Verfassungs wegen geboten. Der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 1 GG kommt über seinen kompetenziellen Regelungsgehalt hinaus auch Bedeutung als Aufgaben- und Organisationsnorm zu. Er begründet nicht nur die Pflicht des Bundes zur Errichtung der Bundesbank, sondern enthält darüber hinaus (i.V.m. Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 Satz 2 GG) auch die verfassungsrechtlich fundierte Sachaufgabe der Gewährleistung von Geldwertstabilität und verlangt schließlich einen sachaufgabenbezogenen, durch Unabhängigkeit gekennzeichneten Organisationsrahmen der Bundesbank. In dieser Bedeutungsschicht als Unabhängigkeitsgebot enthält Art. 88 Satz 1 GG für die Bundesbank eine verfassungsrangige Ausnahmebestimmung von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG1. Der Schlüssel zur Auflösung des im Hinblick auf die Organisationsverfassung der Bundesbank bestehenden verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und Art. 88 Satz 1 GG andererseits liegt in der Entstehungsgeschichte zu Art. 88 Satz 1 GG begründet. Aus der Genese des Art. 88 Satz 1 GG geht hervor, daß Art. 88 Satz 1 GG nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers als offene Verfassungsnorm konzipiert ist und für den einfachen Gesetzgeber einen Dispositionstitel vorhält, welcher ihn ermächtigt, über die konkrete organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Deutschen Bundesbank frei zu entscheiden2. Dieser aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG gewonnene Ausgestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers ist jedoch durch das in Art. 23 Abs. 1 GG wurzelnde Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eingeschränkt: Mit Blick auf die in Art. 107, 108 EGV getroffenen Regelungen ist es dem einfachen Gesetzgeber ab dem Zeitpunkt der Errichtung des 1
Kapitel 2, S. 177 ff. 2 Kapitel 2, S. 234 ff.
3. Teil: Ergebnis
265
ESZB versagt, die Bundesbank den Weisungen nationaler oder europäischer Stellen zu unterwerfen 3. Die unabhängig Stellung der Deutschen Bundesbank im StaatsgefÜge ist damit von Verfassungs wegen garantiert.
3
Der einfache Gesetzgeber hat die Grenzen dieses verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums gewahrt und in § 12 Satz 1 BBankG die Unabhängigkeit der Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung festgeschrieben, siehe hierzu in Kapitel 2, S. 244 ff.
Vierter
Teil
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1
Problemaufriß und Untersuchungsgang Im folgenden wird der Frage nachgegangen, ob das nach Maßgabe der derzeitigen Rechtslage bestehende - wenngleich verfassungsrechtlich gerechtfertigte - Demokratiedefizit der Deutschen Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion1 in einem anderen Lichte erscheint. Untersucht wird, ob die Europäische Währungsunion Auswirkungen auf die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank hat. Grundlage und Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, daß mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion die Aufgabe der Währungspolitik aus dem nationalen Zuständigkeitsbereich herausgelöst und auf die europäische Ebene, konkret: auf das Europäische System der Zentralbanken verlagert wird, das sowohl aus der Europäischen Zentralbank als auch aus den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten besteht2. Diese währungspolitische Zuständigkeitsverlagerung könnte Auswirkungen auf die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank haben. Ob sich diese Überlegung bewahrheitet, soll im nachfolgenden eruiert werden. Die Untersuchung erfolgt dabei in mehreren Schritten: Zunächst wird ein kurzer Überblick über die Entstehung der Europäischen Währungsunion gegeben (dazu in Kapitel 2) 3 ; im Anschluß daran werden die einzelnen Stufen zur Verwirklichung der Währungsunion dargestellt (dazu in Kapitel 3) 4 . Sodann wird der Aufbau und die Zuständigkeitsverteilung im Europäischen System
1 Zu den einzelnen Stufen der Europäischen Währungsunion sogleich in Kapitel 3, S. 275 ff. 2 Dazu noch ausführlich unten in Kapitel 4, S. 282 ff. *S. 267 ff. 4 S. 274 ff.
Kap. 1: Problemaufriß
267
der Zentralbanken beleuchtet (dazu in Kapitel 4) 5 . In einem weiteren Schritt werden die theoretischen Grundlagen für ein Demokratiegebot der europäischen Einrichtungen und Organe herausgearbeitet und an diesem Maßstab die demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank abgelesen6. Auf der Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse wird schließlich eine Antwort auf die Frage gefunden, ob die Eingliederung der Deutschen Bundesbank in das Europäische System der Zentralbanken Auswirkungen auf die demokratische Legitimation der Bundesbank hat (dazu in Kapitel 5) 7 .
5 6 7
S. 282 ff. S. 317 ff. S. 291 ff.
Kapitel 2
Entstehung und Hintergründe der Europäischen Währungsunion Die Europäische Währungsunion wurde durch den am 7. Februar 1992 von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten unterzeichneten Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1 (EG-Vertrag), den sogenannten Maastricht-Vertrag, als ein Bestandteil der Europäischen Union gegründet2. Die Währungsunion ist indes keine neue, erst durch den EG-Vertrag ins Leben gerufene Erscheinung, sondern vielmehr das Ergebnis eines jahrzehntelangen Entwicklungsprozesses. Über die Geschichte und Hintergründe der Europäischen Währungsunion soll im folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden, bevor im Anschluß daran auf die inhaltliche Ausgestaltung der Europäischen Währungsunion nach dem EG-Vertrag eingegangen wird. Die Anfänge des Europäischen Währungssystems (EWS) gehen zurück auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 in Rom (EWG-Vertrag) 3. Die währungspolitischen Regelungen des EWG-Vertrags hatten aber insgesamt eher fragmentarischen Charakter, er enthielt nur einige wenige Regelungen über die Integration des Währungswesens in die Gemeinschaft 4. So wurden vor allem wirtschaftspolitische Kooperationspflichten zwischen den Mitgliedstaaten begründet5 und die Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten zu einer Angelegenheit von gemeinsamem Interesse erklärt 6. Dagegen fehlten im EWG-Vertrag Regelungen über Maßnahmen zur Verwirklichung dieser währungspolitischen Zielsetzungen7.
»BGBl. Π / 1992, S. 1251. Der neue EG-Vertrag ist am 1. November 1993 in Kraft getreten, vgl. Bekanntmachung vom 19. 10. 1993, BGBl. Π S. 1947. 3 BGBl. Π/1957, S. 753. 4 Vgl. Art. 104 ff. EWGV; hierzu auch H J. Hahn / J. Siebelt, DÖV 1989, 233 (234); D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 19 f.; M Seidel, in: H.-E. Scharrer / W. Wessels (Hrsg.), Das Europäische Währungssystem, S. 467 ff. 5 Vgl. Art. 104 EWGV. 6 So die Bestimmung in Art. 107 EWGV. 7 H J. Hahn / J. Siebelt, DÖV 1989,233 (234). 2
Kap. 2: Entstehung und Hintergründe der Währungsunion
269
Erst Ende der sechziger Jahre wurde die Debatte um den Ausbau und die Weiterentwicklung einer europäischen Wirtschafts- und Währungspolitik verstärkt. Vor dem Hintergrund des in den sechziger Jahren vollzogenen Übergangs zur Zollunion und des Zusammenbruchs des zum Ende des zweiten Weltkrieges errichteten Weltwährungssystems setzte sich die Einsicht durch, daß eine Vertiefung der wirtschafts- und währungspolitischen Zusammenarbeit notwendig und hierfür weitere Integrationsschritte erforderlich seien8. Infolgedessen beschlossen die Staats- und Regierungschefs am 1. und 2. Dezember 1969 auf der Gipfelkonferenz in Den Haag die stufenweise Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)9. Der zu diesem Zwecke ausgearbeitete Plan des luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner sah die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen bis 1980 vor 10 . In der Endstufe sollten die einzelnen Währungen der Mitgliedstaaten durch eine gemeinsame Währung ersetzt und die Geld- und Kreditpolitik in der Gemeinschaft zentral gesteuert werden; außerdem waren die vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs sowie ein gemeinsamer Kapitalmarkt vorgesehen 11 . Die Umsetzung des Werner-Plans erwies sich jedoch bereits in der ersten Stufe als aussichtslos; sie scheiterte vor allem daran, daß die Mitgliedstaaten an einer eigenständigen Wirtschaftspolitik festhielten. Der Werner-Plan wurde daher niemals verwirklicht 12 . Weitere währungspolitische Schritte in Richtung der Europäischen Währungsunion wurden indes bereits im Jahre 1972 unternommen. Geschaffen wurde ein Europäischer Wechselkursverbund 13, die sogenannte „Schlange"14,
8 Hierzu bei H J. Hahn, Währungsrecht, S. 180; R. Strohmeier, Das Europäische Währungssystem, S. 4 ff., 51 ff.; R. Streinz, Europarecht, S. 263 f. Rdnr. 849. 9 Vgl. Ziff. 8 des AbschluBkommuniqués, Abi. EG 1970 Nr. C 13, S. 15 (16); siehe hierzu auch bei D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 20. 10 Zu dem „Werner-Plan" ausführlich bei H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 28 f.; siehe dazu ferner U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 28 ff; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 21; J. Siebelt , in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (52). 11 Dazu bei H Tietmeyer, in: Festschrift für U. Everling Π, S. 1575 (1568 f.) W. Nölling, Unser Geld, S. 50 f.; R. Streinz, Europarecht, S. 264 Rdnr. 849. 12 R. Streinz, Europarecht, S. 264 Rdnr. 849. 13 Der Europäische Wechselkursverbund beruhte auf der Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 21. März 1972 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, Abi. Nr. C 38, sowie auf dem am 10. April 1972 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft getroffenen Abkommen über die Verringerung der Bandbreiten zwischen den Währungen der Gemeinschaft (abgedruckt in: Europäische
270
4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
der die Mitglieder der Gemeinschaft zur Einhaltung bestimmter Wechselkursmargen verpflichtete 15 und in dessen Rahmen auch der Europäische Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) errichtet wurde 1 6 . A m 19. März 1973 führten die Mitglieder der Gemeinschaft das sogenannte „Blockfloating" e i n 1 7 ; hierbei handelte es sich um einen währungspolitischen Stabilisierungsversuch, der die europäischen Währungen gemeinsam gegenüber dem amerikanischen Dollar floaten ließ und untereinander, also innerhalb des EWS, stabile Wechselkurse schaffen sollte 18 . Damit war die Ablösung des vorherigen Bretton-Woods-Systems 19, das ein System fester Wechselkurse der einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber dem amerikanischen US-Dollar auf Goldbasis beinhaltete 20 , eingeläutet 21 .
Gemeinschaften, Währungsausschuß, Kompendium von Gemeinschaftstexten im Bereich der Währungspolitik, 1974, S. 58). 14 Dieses Währungsgebilde wurde nach innen auch „Schlange im Turm" genannt und nach außen als ,31ockfloating" bezeichnet, siehe dazu H. J. Hahn, Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche Übereinkunft, S. 21 ff ; H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 30 ff; J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (52); W. Nölling, Unser Geld, S. 54. 15 Hierzu i/. J. Hahn, Währungsrecht, S. 180. 16 Die Errichtung des Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit beruhte auf der Verordnung des Europäischen Rates vom 3. April 1973, EWG Nr. 902 / 73, Abi. Nr. L 89 vom 5. 4. 1972, S. 2 (abgedruckt in: Textsammlung zum Europäischen Währungssystem, S. 67); hierzu auch bei H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 181. 17 Zu diesem sogenannten ,31ockfloating" O. Emminger, in: H. J. Hahn (Hrsg.), DMark, Dollar, Währungskrisen, S. 228 f., insbesondere 240 ff; H J. Hahn, Geldmarkt und Währungsrecht, S. 739 ff.; ders., Währungsrecht, S. 176 f., 180; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 109 ff. 18 Siehe dazu die Mitteilung des Bundesfinanzministers über das Ergebnis der Ratstagung der Europäischen Gemeinschaft, Bull. 1973, S. 256, worin es heißt: „Die Zentralbanken sind nicht mehr dazu verpflichtet, zur Aufrechterhaltung der Bandbreiten des US-Dollar zu intervenieren"; hierzu auch bei J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 109 ff. 19 Das Bretton-Woods-System beruhte auf einem Übereinkommen über den internationalen Währungsfonds, das am 22. Juni 1944 in Bretton Woods unterzeichnet wurde und ein System stabiler Wechselkurse vorsah, welches die Mitgliedstaaten verpflichtete, eine bestimmte Parität ihrer Währungen gegenüber dem Dollar festzulegen; siehe dazu H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 174; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 21; H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 30; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 108 f.; dens., in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (51 f.); T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 138 f. 20 Dazu W. Nölling, Unser Geld, S. 53; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 108.
Kap. 2: Entstehung und Hintergründe der Währungsunion
271
Am 4. und 5. Dezember 1978 kam es zur Entschließung des Europäischen Rates über die Errichtung des Europäischen Währungssystems22, das am 13. März 1979 in Kraft trat 23 . Das EWS 24 war als regionales Fixkurssystem geplant 25 , dessen erklärtes Ziel in erster Linie war, für Währungsstabilität in der Europäischen Gemeinschaft Sorge zu tragen 26; es sollte zu einer „stabilen Währungszone in Europa" führen 27. Die Gründimg des EWS 28 erfolgte dabei nicht in einem einheitlichen Rechtsakt, sondern beruhte auf verschiedenen Er-
21
So auch//. J. Hahn, Währungsrecht, S. 180. Abgedruckt in: Textsammlung zum Europäischen Währungssystem, S. 13 ff; zum Scheitern der vorherigen währungspolitischen Stabilisierungsversuche J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 110; R. Streinz, Europarecht, S. 264 Rdnr. 850; R. Strohmeier, Das Europäische Währungssystem, S. 4 ff., 51 ff. 23 Kommuniqué des Europäischen Rates vom 12. März 1979 in Paris über die Inkraftsetzung des Europäischen Währungssystems, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 18 vom 16. März 1979. Ursprünglich war in der Entschließung des Europäischen Rates über die Errichtung des Europäischen Währungssystems vorgesehen, daß das Europäische Währungssystem bereits am 1. Januar 1979 in Kraft treten sollte. Die Einhaltung dieses Termins scheiterte jedoch an Vorbehalten Frankreichs, das wegen Unstimmigkeiten über die sogenannten Währungsausgleichsbeträge im EG-Agrarmarkt einen Aufschub forderte, der eine termingerechte Einführung des Europäischen Währungssystems unmöglich machte. Erst nachdem diese Vorbehalte im Agrarministerrat am 5. / 6. März 1979 in Brüssel ausgeräumt werden konnten, beschloß der Europäische Rat auf seiner Tagung am 12. / 13. März 1979 in Paris die Inkraftsetzung des Europäischen Währungssystems zum 13. März 1979, vgl. dazu das Kommuniqué des Europäischen Rates vom 12. 3. 1979 in Paris über die Inkraftsetzung des Europäischen Währungssystems, in: EurArch. 1979, 170; dazu auch H. J. Hahn, EuR 1979,337 (338); W. Harbrecht, Europa auf dem Wege zur Wirtschafts- und Währungsunion, S. 145. 24 Dieses auf Europa begrenzte Währungssystem beruhte wesentlich auf der politischen Initiative des damaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Giscard d xEstaing, zur Vorgeschichte des Europäischen Währungssystems H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 180 f.; ders., EuR 1979, 337 f.; R. Hellmann, Das Europäische Währungssystem, S. 11 ff.; R. Strohmeier, Das Europäische Währungssystem, S. 70 ff. 25 H J. Hahn, Währungsrecht, S. 181; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 25. 26 Vgl. Ziffer 6.3 der Entschließung des Europäischen Rates vom 5. Dezember 1978 über die Errichtung des Europäischen Währungssystems; hierzu auch J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (52 f.). 27 Ziffer 1.1 der Entschließung vom 5. Dezember 1978 über die Errichtung des Europäischen Währungssystems; hierzu abermals D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 25; J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (52 f.). 28 Hierzu eingehend bei D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 24; J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 115 f. 22
2 7 2 4 .
Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
klärungen, Rechtsakten und Beschlüssen, einem „mixtum compositum"29 des Tätigwerdens verschiedener Organe der Europäischen Gemeinschaft und nationaler Währungsbehörden 30. Als die beiden wesentlichen Rechtsgrundlagen sind zwei Verordnungen des Europäischen Rates zu nennen, die am 18. Dezember 1978 verabschiedet wurden 31. Sie enthielten vor allem Bestimmungen über den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit als für die Verwaltung des EWS zuständige Institution und sahen eine Europäische Währungseinheit (ECU) als Rechnungseinheit für finanzielle Transaktionen im EWS vor 32 . Inhaltlich war das EWS aus drei einander ergänzenden Säulen konstruiert: Es beinhaltete erstens ein System fester Wechselkurse und Interventionsmechanismen, zweitens die Einführung einer neuen Europäischen Währungseinheit sowie drittens ein umfassendes System von Kreditmechanismen 33 . Mit Hilfe dieser drei währungspolitischen Neuerungen sollte das oberste Ziel des EWS verwirklicht, die Stabilität der Währung in Europa gewährleistet werden. Das EWS war indes nicht die Endstufe der währungspolitischen Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, sondern stellte lediglich deren erste Anlaufphase und institutionellen Beginn dar. Die Entschließung des Europäischen Rates vom 4. / 5. Dezember 1978 über die Errichtung des EWS sah für spätestens zwei Jahre danach eine zweite Phase der Europäischen Währungsunion vor, in der die währungspolitische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Europäischen Gemeinschaft weiter ausgebaut werden sollte34. Zur Verwirklichimg dieser zweiten Stufe ist es jedoch nie gekommen35. Statt dessen wurde das EWS erst 1986 durch die Schaffung 29
So H. Burgard, in: H. J. Hahn (Hrsg.), Integration und Kooperation im europäischen Währungswesen, S. 46. 30 Dazu J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (52). 31 Verordnung EWG Nr. 3180/ 78, Abi. EG 1978 Nr. L 379, S. 1; Verordnung EWG Nr. 3181 / 78, Abi. EG 1978 Nr. L 379, S. 2; siehe hierzu auch bei D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 24. 32 H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 181; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 24. 33 t f . J. Hahn, Währungsrecht, S. 183; W. Harbrecht, Europa auf dem Wege zur Wirtschafts- und Währungsunion, S. 146; G. Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 182; T. Oppermann, Europarecht, S. 335; J. Schwarze, in: ders. (Hrsg.), Kredit und Währung im Lichte des internationalen Rechts, 137 (147); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 109 ff. 34 Siehe dazu Ziffer 1.4 der Entschließung des Europäischen Rates vom 5. Dezember 1978 über die Errichtung des Europäischen Währungssystems; hierzu auch H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 186. 35 Dies, obwohl die Staats- und Regierungschefs dazu „fest entschlossen" waren, siehe Ziffer 1.4 der Entschließung vom 5. Dezember 1978; zu den Gründen für die
Kap. 2: Entstehung und Hintergründe der Währungsunion
273
der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 36 , der ersten Änderung der Römischen Verträge, weiter ausgebaut und forciert. In der EEA, dem Ergebnis mehrjähriger vorausgegangener Reformdiskussionen in der Europäischen Gemeinschaft 37, legten sich die Mitgliedstaaten auf das Ziel der Europäischen Währungsunion vertraglich fest und regelten Maßnahmen zu deren schrittweiser Verwirklichung. So war in Art. 20 der EEA unter der Überschrift „Währungspolitische Befugnisse" bestimmt, daß in den EWG-Vertrag ein neuer Artikel 102a eingeführt werden sollte, der die Mitgliedstaaten zur Kooperation verpflichtete, um die zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft erforderliche wirtschafts- und währungspolitische Konvergenz zu erzielen 38. Eine weitere wichtige Regelung in der EEA war zudem die rechtliche Absicherung des damaligen Systems der währungspolitischen Zusammenarbeit in Europa, indem monetäre Grundsätze und bestehende währungspolitische Kompetenzen festgelegt wurden 39. Durch das in der EEA festgelegte Ziel der schrittweisen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion war der Weg zur Europäischen Währungsunion vorgezeichnet. Am 27. und 28. Juni 1988 richteten die Staats- und Regierungschefs anläßlich der Tagung des Europäischen Rates40 einen nach seinem Vorsitzenden J. Delors benannten Ausschuß41 ein, der die konkreten Voraussetzungen zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion prüfen und Vorschläge zu deren Realisierung erstellen sollte42. Als Ergebnis mangelnde Realisierung der zweiten Phase siehe den 27. Tätigkeitsbericht des Währungsausschusses der Europäischen Gemeinschaften vom September 1986, S. 14, worin es heißt, daß der Eintritt in die zweite Phase deswegen nicht erfolgt sei, weil es an dem dafür erforderlichen institutionellen Rahmen gefehlt habe, für den nach Auffassung mehrerer Mitgliedstaaten die politischen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. 36 BGBl. Π / 1986, S. 1104. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte wurde die erste Änderung der Römischen Verträge vom 25. März 1957 vorgenommen; siehe dazu auch J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 123 ff. 37 P.-W. Schlüter, in: W. Weidenfeld / W. Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1985, 126 (134); J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 124; W. Weidenfeld, in: ders. / W. Wessels (Hrsg.), Wege zur Europäischen Union, S. 28. 38 Siehe hierzu J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 128 f. 39 J. Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 129 f. 40 Tagung des Europäischen Rates am 27. / 28. Juni 1988 in Hannover. 41 Der Ausschuß wurde nach seinem Vorsitzenden, dem Präsidenten der Kommission Jaques Delors, benannt. 42 Stein des Anstoßes für die Errichtung des Ausschusses waren Äußerungen des französischen Finanzministers Ende 1987, der in der Öffentlichkeit wiederholt die Auffassung vertrat, daß die Möglichkeit der Schaffung einer Europäischen Zentralbank zur Verwaltung einer gemeinsamen Währung geprüft werden solle (abgedruckt bei H.18 Brosius-Gersdorf
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
seiner Prüfung legte der Delors-Ausschuß am 17. April 1989 einen Abschlußbericht 43 vor, der die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen vorsah. Dieser Bericht wurde vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Madrid am 26. und 27. Juni 1989 einhellig gebilligt 44 . Zugleich bestimmten die Staats- und Regierungschefs als Zeitpunkt für die Einleitung der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion den 1. Juli 1990 und legten am 27. und 28. Oktober 1989 den Beginn der zweiten Stufe auf den 1. Januar 1994 fest 45. Auf der Grundlage des Delors-Berichtes legte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft am 10. Dezember 1990 im Hinblick auf die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion einen Entwurf zur Änderung des EWGVertrags vom 25. März 1957 vor 46 . Entsprechend diesem Entwurf haben die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf ihrem Gipfeltreffen vom 9. bis 11. Dezember 1991 in Maastricht eine Reform des EWG-Vertrags vereinbart. Dieses Vertragswerk, der neue Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, wurde am 7. Februar 1992 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet und ist am 1. November 1993, nach Unterzeichnimg durch die Außen- und Finanzminister der Mitgliedstaaten, in Kraft getreten.
E. Scharrer, Integration 1988, S. 95). Diese Äußerungen wurden von dem damaligen deutschen Außenminister H.-D. Genscher aufgegriffen, der sich ebenfalls für die Schaffung einer Europäischen Zentralbank aussprach und vorschlug, zu diesem Zwekke einen Ausschuß einzusetzen, der die Voraussetzung für diese institutionellen Veränderungen prüfen sollte, siehe H.-D. Genscher, Memorandum für die Schaffung eines europäischen Währungsraumes und einer Europäischen Zentralbank vom 26. Februar 1988. 43 ,3ericht zur Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Gemeinschaft", abgedruckt in: EuR 1989,274 ff. 44 Siehe dazu den Tagungsbericht des Europäischen Rates, abgedruckt in: EuR 1989,291. 45 Zum Delors-Bericht ausführlich H. J. Hahn / U Hade, in: Festschrift für U. Everling I, S. 381 (383 f.); U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 32 f.; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 27 f.; J. Siebelt, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 43 (57 ff.). 46 U. Häde, EuZW 1992,171.
Kapitel 3
Der Weg zur Europäischen Währungsunion nach dem EG-Vertrag Wurde im vorhergehenden ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Europäischen Währungsunion gegeben, so werden im folgenden die inhaltlichen Vorgaben des neuen EG-Vertrags für die schrittweise Verwirklichung der Europäischen Währungsunion betrachtet.
I. Erste Stufe der Europäischen Währungsunion Die Europäische Währungsunion vollzieht sich gem. Art. 105 ff. EGV in drei Stufen. Die erste Stufe zur Verwirklichimg der Wirtschafts- und Währungsunion begann aufgrund des Ratsbeschlusses vom 26. / 27. Juni 1989 bereits vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags am 1. Juli 1990 und dauerte bis zum 31. Dezember 1993 (Art. 109e Abs. 1 EGV). Währungspolitisches Ziel dieser ersten Stufe, auch Konvergenzstufe genannt1, war vor allem die schrittweise Annäherung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedstaaten durch eine Verbesserung der wirtschafts- und währungspolitischen Kooperation in Europa. Hierzu sollte der gemeinsame Binnenmarkt vollendet, ein einheitlicher Banken- und Finanzmarkt geschaffen sowie die währungspolitische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten intensiviert werden2. Ein weiteres wesentliches Ziel der ersten Stufe der Währungsunion war die vollständige Liberalisierung des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Um dieses Ziel zu erreichen, waren die Mitgliedstaaten nach Art. 109e Abs. 2 EGV verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und nationale Regeln des Kapitalverkehrs und der Haushaltsfinanzierung den Bestimmungen des EG-Vertrags anzupassen; auf diese Weise sollte vor Beginn der zweiten Stufe sichergestellt werden, 1
So zum Beispiel H. Beisse, BB 1992,645. W. Harbrecht, Integration 1988,162 (171); U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 35; H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 29; G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 19; ders., Europarecht Π, S. 374;M Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 367; A. Weber, JZ 1994, 53 (54); siehe zu den drei Stufen der Währungsunion auch S. Hobe, JA 1993, 229 ff. 2
2 7 6 4 .
Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
daß die in Art. 73b EGV aufgestellten Verbote über Beschränkungen des Kapital» und Zahlungsverkehrs eingehalten wurden3. Die erste Stufe diente damit wesentlich als Vorbereitungsphase zur Koordinierung der mitgliedstaatlichen Währungspolitik für die beiden nachfolgenden Stufen 4. Während dieser ersten Phase verblieb die monetäre Zuständigkeit und Verantwortlichkeit bei den Mitgliedstaaten5. Auch institutionell wurde der bestehende währungspolitische Rahmen beibehalten, die Verwirklichung der ersten Stufe vollzog sich in dem in den Mitgliedstaaten vorhandenen institutionellen Rahmen6. Als europäische Währungseinrichtung wurde auf der Grundlage des Art. 105 Abs. 1 EWGV lediglich ein Ausschuß aller Zentralbankpräsidenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gebildet. Dieser Ausschuß war zwar zur Abgabe von Stellungnahmen und Empfehlungen zur Währungspolitik gegenüber den Mitgliedstaaten berechtigt. Ihnen kam jedoch lediglich eine beratende Funktion zu, ohne daß sich dadurch Verbindlichkeiten für die Mitgliedstaaten begründen ließen7.
II. Zweite Stufe der Europäischen Währungsunion Die zweite Stufe der Europäischen Währungsunion begann entsprechend dem Beschluß des Europäischen Rates vom 27. / 28. Oktober 1989 am 1. Januar 1994 (Art. 109e Abs. 1 EGV), ohne daß es insoweit der Verwirklichung bestimmter Konvergenzkriterien oder anderer Voraussetzungen bedurfte 8. Erklärtes Ziel dieser zweiten Stufe ist die Vorbereitung zum Übergang in die dritte Stufe und damit zur Vollendung der Währungsunion. Zu diesem Zwecke soll vor allem die weitere Konvergenz in den wirtschaftlichen Entwicklungen
3
Dazu auch R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 109e Rdnrn. 3f. B. Beutler ! R. Bieber! J. Pipkorn! J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft, S. 157 f.; H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 29. 5 H. J. Hahn, Währungsrecht, S. 192; H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156; G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 19; T. Oppermann, Europarecht, S. 340;M Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 367. 6 H J. Hahn, Währungsrecht, S. 192; W Harbrecht, Integration 1988,162 (171); D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 29; G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 19; T. Oppermann, Europarecht, S. 340;M Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 367. 7 R. Smits, in: H. v. d. Groeben / J. Thiesing / C.-D. Ehlermann (Hrsg,), Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 107 Rdnr. 60. 8 Art. 109e Abs. 1 EGV; siehe auch D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 30; G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 375; A. Weber, JZ 1994, 53 (54). 4
Kap. 3: Der Weg zur Europäischen Währungsunion
277
der Mitgliedstaaten hergestellt werden9. Mit Beginn der zweiten Stufe sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die wirtschaftspolitischen und haushaltsrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrags zu beachten. So erlangen nach Art. 109e Abs. 3 EGV ab der zweiten Stufe die Art. 104 bis 104c EGV Geltung, wonach die Kommission die Haushaltslage und die Höhe des öffentlichen Schuldenstandes im Hinblick auf die Feststellung schwerwiegender Fehler überwacht. Zudem sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 109e Abs. 4 EGV verpflichtet, sich zu bemühen, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. Die Gewährung kurzfristiger Kassenkredite für öffentliche Einrichtungen, wie sie § 20 Abs. 1 BBankG noch bis vor kurzem vorsah, ist den nationalen Zentralbanken nach Art. 104 Abs. 1 EGV untersagt10. In einem weiteren Schritt zur Angleichung der wirtschaftspolitischen Entwicklungen in den Mitgliedstaaten wurden zum Beginn der zweiten Stufe sämtliche Beschränkungen des Kapitalverkehrs aufgehoben. Und schließlich ist nach Art. 108 EGV jeder Mitgliedstaat verpflichtet sicherzustellen, daß spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit dem EG-Vertrag sowie mit der Satzung des ESZB übereinstimmen11. Als institutionelle Neuerung wurde zu Beginn der zweiten Stufe gem. Art. 109f Abs. 1 EGV ein Europäisches Währungsinstitut (EWI) als Vorstufe für die spätere Europäische Zentralbank errichtet 12, das gem. Art. 109f Abs. 1 und 2 EGV aus den Präsidenten der nationalen Zentralbanken besteht. Zu den Aufgaben des EWI gehört nicht nur, Stellungnahmen und Empfehlungen zur Währungssituation gegenüber den Mitgliedstaaten abzugeben (Art. 109f Abs. 4 EGV), sondern ihm kommt nach Art. 109f Abs. 2 EGV auch die Funktion zu, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken zu intensivieren sowie die Koordinierung der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten mit dem
9
H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156; G. Meolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 19; ders., Europarecht Π, S. 375. 10 Darin liegt der Grund dafür, daß die ursprüngliche Regelung des § 20 Abs. 1 BBankG durch Gesetz vom 8. Juli 1994 (BGBl. I., S. 1465) aufgehoben und durch die jetzige Fassimg ersetzt wurde. 11 Hierzu bereits oben im dritten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 249 (S. 244 f.). 12 Zu der Rechtsstellung und den Aufgaben des EWI im einzelnen H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156 f.; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 30; H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 49 ff; B. Wahlig, in: L. Grämlich / A. Weber / F. Zehetner (Hrsg.), Auf dem Wege zur Europäischen Währungsunion, S. 37 (41 f.); siehe auch U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 36 f.; G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 375 f.; P. J. Tettinger, Beilage 3 /RIW 1992,1 (2); A Weber, JZ 1994, 53 (54).
2 7 8 4 .
Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Ziel zu verstärken 13, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten 14. Zur Vorbereitung der dritten Stufe der Währungsunion hat das EWI darüber hinaus auch eine Reihe weiterer Aufgaben, zu denen beispielsweise nach Art. 109f Abs. 3 EGV gehört, die Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die zur Durchführung einer einheitlichen Währungspolitik in der dritten Stufe erforderlich sind. Zudem muß das EWI bis zum 31. Dezember 1996 den währungspolitischen Rahmen festlegen, den das ESZB zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt (Art. 109f Abs. 3 EGV). Und schließlich überwacht das EWI nach Art. 109f Abs. 2 EGV die technischen Vorarbeiten für die geplante einheitliche Europäische Währung 15. Trotz dieser weitreichenden währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse des EWI verbleibt die Währungshoheit in der zweiten Stufe der Währungsunion ebenso wie in der ersten Stufe bei den Zentralbanken der Mitgliedstaaten 16 . Dies ist in Art. 3.1. der Satzung des EWI, die in einem dem EG-Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt ist, ausdrücklich klargestellt. Das EWI selbst besitzt demnach keine eigenen monetären Entscheidungsbefugnisse 17. Seine Stellungnahmen und Empfehlungen gegenüber den Mitgliedstaaten (Art. 109f Abs. 4 EGV) begründen für diese keinerlei Verpflichtungen, sondern sind lediglich unverbindlicher Natur 18 .
III. Dritte Stufe der Europäischen Währungsunion Der zeitliche Rahmen für den Eintritt in die dritte und letzte Stufe der Europäischen Währungsunion ist in Art. 109j Abs. 3 EGV festgelegt. Danach be-
13
Eine ausführliche Darstellung der Aufgaben des EWI findet sich bei H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 51 ff; siehe dazu auch bei G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 375 f.; P. J. Tettinger, Beilage 3 / RIW 1992,1 (2). 14 D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 30; R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 109f Rdnr. 1; G. Nicolaysen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 19; J. Stark, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 143 (148); P. J. Tettinger, Beilage 3 / RIW 1992,1 (2). 15 Am 15. und 16. Dezember 1995 haben die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Treffen in Madrid beschlossen, daß die einheitliche Europäische Währung den Namen „Euro" erhalten soll, siehe Bull. 8 / 1996, S. 61. 16 H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 156; W. Schill, in: C. O. Lenz (Hrsg.), Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 109e Rdnr. 5; A. Weber, JZ 1994, 53 (54). 17 W. Schill, in: C. O. Lenz (Hrsg.), Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 109f Rdnr. 3. 18 Art. 15.2. EWI-Satzung; siehe hierzu auch B. Beutler / R. Bieber / J. Pipkorn / J. Streil, Die Europäische Gemeinschaft, S. 158; U. Häde, EuZW 1992, 171; R. Streinz, Europarecht, S. 267 Rdnr. 861.
Kap. 3: Der Weg zur Europäischen Währungsunion
279
ginnt die dritte Stufe der Währungsunion frühestens am 1. Januar 1997 und spätestens am 1. Januar 199919. Über den genauen Zeitpunkt des Eintritts in die dritte Stufe entscheidet gem. Art. 109j Abs. 3 EGV der Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Dieser Zeitpunkt wurde durch Beschluß des Europäischen Rates in Madrid am 15. und 16. Dezember 1995 auf den 1. Januar 1999 festgelegt 20 und auf der Tagung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 1996 in Florenz bestätigt. Grundlage für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion und Maßstab für die Entscheidung über den Teilnehmerkreis bilden die Konvergenzkriterien nach Art. 109j Abs. 1 EGV 21 . Danach müssen die Mitgliedstaaten folgende vier Kriterien erfüllen, um an der dritten Stufe der Währungsunion teilnehmen zu können22: Erstens müssen sie einen hohen Grad an Preisstabilität erreichen. Jeder Mitgliedstaat muß eine anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene durchschnittliche Inflationsrate aufweisen, die um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der Inflationsrate der höchstens drei Mitgliedstaaten mit dem besten Ergebnis liegt. Zweitens darf kein Mitgliedstaat über ein übermäßiges Defizit in seinen öffentlichen Haushalten verfügen. Drittens müssen die Mitgliedstaaten in den letzten beiden Jahren vor der Prüfung am Wechselkursmechanismus des EWS teilgenommen und die normalen Bandbreiten von 2,25 Prozent ohne starke
19
Dazu bei A Weber, JZ 1994,53 (56 f.). Siehe den Beschluß des Europäischen Rates vom 15. und 16. Dezember 1995, Bull. 8 / 1996, S. 61, worin die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nicht nur den Zeitpunkt für den Beginn der dritten Stufe der Währungsunion bekräftigt, sondern auch einen genauen Zeitplan für den Übergang und die Verwirklichung der Europäischen Währungsunion aufgestellt haben, in welchem die im einzelnen erforderlichen Maßnahmen Är den Zeitraum von Dezember 1995 bis zum Jahre 2002 genau festlegt sind, siehe dazu die Übersicht in der Anlage des Bulletins, S. 74 f. 21 Zu dem im EG-Vertrag für den 1. Januar 1999 vorgesehenen spätesten Zeitpunkt des Beginns der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion und der Möglichkeit der Verschiebung dieses Termins A. Dittmann, in: R. Caesar / R. Ohr (Hrsg.), Maastricht und Maastricht Π, 39 (44 f.); siehe auch U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 38 f.; G. Nicolay sen, Europarecht Π, S. 377 f. 22 Eine ausführliche Erörterung der vier Konvergenzkriterien findet sich bei U. Hüde, EuZW 1992, 171 (173); H. J. Hahn / U Hüde, in: Festschrift für U. Everling I, S. 381 (387 f.); U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 39 f.; H. Hesse, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 307 (309 f.); D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 31 f. und 160 ff; A. Kees, in: L. Grämlich / A. Weber / F. Zehetner (Hrsg.), Auf dem Wege zur Europäischen Währungsunion, S. 19 (30 ff); H. Kortz, Die Entscheidung über den Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion, S. 78 ff ; G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 21 ff; dems., Europarecht Π, S. 378 ff; I. Pernice, in: Festschrift für U. Everling Π, S. 1057 (1064 ff.); A. Weber, JZ 1994, 53 (55 f.). 20
2 8 0 4 .
Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Spannungen eingehalten haben23. Und viertens muß jeder Mitgliedstaat eine Dauerhaftigkeit der von ihm erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus des EWS aufweisen. Nur wer sämtliche vier Konvergenzkriterien erfüllt, darf an der dritten Stufe der Währungsunion teilnehmen 24 . Mit der Einführung der dritten Stufe der Währungsunion erlangen zahlreiche Vorschriften des Maastrichter Vertragswerkes Geltung. So wird nach Art. 1091 Abs. 1 Satz 1 und 3 EGV unmittelbar nach der Beschlußfassung des Rates über den Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte Stufe das Direktorium der Europäischen Zentralbank ernannt sowie das ESZB und die Europäische Zentralbank mit allen ihren Befugnissen errichtet. Sowohl das ESZB als auch die Europäische Zentralbank nehmen ihre Befugnisse gem. Art. 1091 Abs. 1 Satz 4 EGV vom ersten Tag der dritten Stufe an in vollem Umfang wahr 25 . Unmittelbar nach Errichtung der Europäischen Zentralbank wird gem. Art. 1091 Abs. 2 EGV das EWI liquidiert und durch die Europäische Zentralbank ersetzt, die sämtliche seiner Aufgaben übernimmt 26. Daneben wird nach Art. 109c Abs. 2 Satz 1 EGV ein Wirtschafts- und Finanzausschuß eingesetzt, der an die Stelle des bis dahin agierenden Währungsausschusses tritt (Art. 109c Abs. 2 Satz 2 EGV). Im Hinblick auf die Einführung der einheitlichen Europäischen Währung bestimmt der Rat gem. Art. 1091 Abs. 4, 109g EGV die Umrechnungskurse für die Währungen der beteiligten Mitgliedstaaten und legt die Kurse unwiderruflich fest, zu denen die nationalen Währungen durch die europäische Währungseinheit ersetzt werden 27. Danach wird die europäische Währungseinheit, die den Namen EURO tragen soll 28 , gem. Art. 1091 Abs. 4 Satz 1 EGV zur eigenständigen Währung 29.
23
Diese Bandbreiten von 2,25 % sind für sämtliche Mitgliedstaaten außer für Spanien und Großbritannien vorgesehen, für die derzeit noch erweiterte Bandbreiten von 6% gelten; siehe dazu U. Häde, EuZW 1992,171 (173 mit Fn. 22). 24 Vgl. zu den Ausnahmeregelungen für einzelne Mitgliedstaaten Art. 109k EGV; siehe hierzu auch bei U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 45 f.; R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 109k Rdnrn. 1 ff; G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 384 f. 25 H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 157 f. 26 Zu den Aufgaben und Befugnissen der Europäischen Zentralbank im einzelnen H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 158 ff. 27 Hierzu R. v. Borries / R. Repplinger-Hach, NJW 1996, 3111 (3112 f.). 28 So der Beschluß des Europäischen Rates vom 15. /16. Dezember 1995, Bull. 8 / 1996, S. 61; siehe hierzu auch R. v. Borries / R. Repplinger-Hach, NJW 1996, 3111 (3116). 29 Dazu auch L. Gleske, in: L. Grämlich / A. Weber / F. Zehetner (Hrsg.), Auf dem Wege zur Europäischen Währungsunion, S. 99 (105 ff.); P. J. Tettinger, Beilage 3 / RIW 1992,1 (3); A Weber, JZ 1994, 53 (57 f.).
Kap. 3: Der Weg zur Europäischen Währungsunion
281
Inhaltlich und kompetenziell ist die dritte Stufe der Währungsunion somit durch den Übergang zu unwiderruflich festen Wechselkursen und die uneingeschränkte Übertragung der monetären Kompetenzen von den Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaftsorgane gekennzeichnet30. Mit Beginn der dritten Stufe geht die nationale Währungshoheit auf das ESZB über 31, das gem. Art. 106 Abs. 1 EGV aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten besteht32. Die derzeit noch in den Händen der nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten liegende Währungspolitik wird damit aus der nationalen Zuständigkeitsordnung herausgehoben und auf das ESZB übertragen.
30
W. Harbrecht, Integration 1988,162 (171); P. M. Huber, Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 36; M Schweitzer / W. Hummer, Europarecht, S. 367. 31 Vgl. Art. 105 Abs. 2 EGV; siehe dazu auch U. Hartmann, Europäische Union und die Budgetautonomie der deutschen Länder, S. 42. 32 Dazu auch W. Harbrecht, Integration 1988, 162 (171); R. Streinz, Europarecht, S. 268 Rdnrn. 857 ff.
Kapitel 4
Aufbau und Organisation des ESZB Nachdem im vorhergehenden die historische Entwicklung der Europäischen Währungsunion sowie die Stufen zu ihrer Verwirklichung dargestellt wurden, wird das Augenmerk im folgenden auf den Aufbau und die Organisation des ESZB gerichtet. Dabei wird vor allem die Zuständigkeitsverteilung im ESZB zwischen der Europäischen Zentralbank einerseits und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten andererseits beleuchtet. Erst auf der Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse kann die maßgebliche Frage beantwortet werden, ob die mit dem Übergang in die dritte Stufe der Währungsunion bewirkte Eingliederung der Deutschen Bundesbank in das ESZB Auswirkungen auf ihre demokratische Legitimation hat1.
I. Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung im ESZB Einzelne Bestimmungen über die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung im ESZB finden sich in Art. 105 ff. EGV sowie in der ESZB-Satzung, die dem EG-Vertrag gem. Art. 106 Abs. 4 EGV als Protokoll beigefügt und nach Art. 239 EGV Bestandteil desselben ist. Zwar wird die endgültige Entscheidung über die Aufgabenverteilung im ESZB gem. Art. 1091 Abs. 1 EGV i.V.m. Art. 106 Abs. 6 EGV erst nach den Vorbereitungsarbeiten des EWI vom Rat der Europäischen Zentralbank (EZB-Rat) getroffen 2. Dies verwehrt indes nicht, ein prinzipiell durchgängiges Bild der Kompetenz- und Aufgabenverteilung im ESZB zu zeichnen und dem primären und sekundären Gemeinschaftsrecht eine bestimmte Struktur dieses Europäischen Verbundsystems zu entnehmen. Gem. Art. 106 Abs. 1 EGV, Art. 1.2. ESZB-Satzung besteht das ESZB aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten. Geleitet wird das ESZB gem. Art. 106 Abs. 3 EGV, Art. 9.3. ESZB-Satzung von den Beschlußorganen der Europäischen Zentralbank, dem
1
Dazu in Kapitel 5, S. 292 ff. Siehe hierzu W. Schill, in: C. O. Lenz (Hrsg.), Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 105 Rdnr. 6. 2
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
283
EZB-Rat und dem Direktorium. Der EZB-Rat und das Direktorium fungieren damit als Beschlußorgane sowohl des ESZB als auch der Europäischen Zentralbank. Während der EZB-Rat für die währungspolitischen Grundsatzentscheidungen zuständig ist, obliegt dem Direktorium die Ausführung der Geldpolitik und die tägliche Geschäftsabwicklung gemäß den Vorgaben des EZBRates3. Für die Frage nach der Zuständigkeitsverteilung innerhalb des ESZB ist von entscheidender Bedeutung, daß das ESZB selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, sondern nur einen „Dachverband" für die ihm angehörenden Institutionen bildet, ohne indes selbst mit Rechtssubjektqualität ausgestattet zu sein4. Demgemäß liegen die währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse (Art. 105 Abs. 2 EGV) innerhalb des ESZB entweder bei der Europäischen Zentralbank oder bei den nationalen Zentralbanken oder in den Händen beider gemeinsam. Wie die Aufgaben dabei im einzelnen verteilt sind, soll im folgenden dargestellt werden. Ein Aufgabenkatalog für das ESZB findet sich in Art. 105 Abs. 2 EGV. Danach gehört zu den grundlegenden Aufgaben des ESZB, die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte in Einklang mit Art. 109 EGV durchzuführen, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten sowie das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern 5. Die wichtigste Aufgabe ist die Geldpolitik der Gemeinschaft (Art. 105 Abs. 2 EGV)6. Hierfür ist nach Art. 105a Abs. 1 Satz 1 EGV ausschließlich die Europäische Zentralbank zuständig, ihr obliegt es, die Ausgabe von Banknoten in der Gemeinschaft zu genehmigen7. Mitwirkungsrechte kommen den nationalen Zentralbanken auf diesem Sektor der Po3 D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 111 f.; G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 25 f.; M Potacs, EuR 1993,23 (33); T. Steinemann, Währungskooperation und Europäische Währungsunion, S. 92; H. Tietmeyer, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, S. 29 f 4 Zu der fehlenden Rechtspersönlichkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken noch ausführlich unten bei Fn. 7 (S. 294 f.); im Gegensatz dazu genießt der Vorgänger der Europäischen Zentralbank, das EWI, eigene Rechtspersönlichkeit, siehe hierzu bei R. Streinz, Europarecht, Rdnr. 861. 5 Zu dem Aufgabenkatalog nach Art. 105 Abs. 2 EGV auch R. Geiger, Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 105 Rdnrn. 5 ff; U. Häde, EuZW 1992, 171 (175 f.); G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 28 f.; W. Nölling, Unser Geld, S. 144 f.; M. Potacs, EuR 1993, 23 (31 f.); W. Schill, in: C. O. Lenz (Hrsg.), Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 105 Rdnrn. 2 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdnr. 862. 6 H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 166 ff; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 179 ff. 7 So auch U. Häde, EuZW 1992, 171 (175); R. Streinz, Europarecht, S. 268 Rdnr. 862; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 180.
2 8 4 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
litikgestaltung nur insofern zu, als sie nach Art. 105a Abs. 1 Satz 2 EGV - neben der Europäischen Zentralbank - zur Ausgabe von Banknoten berechtigt sind. Die Ausgabe der Noten steht jedoch stets unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Zentralbank8. Darüber hinaus sind die nationalen Notenbanken gem. Art. 105a Abs. 2 Satz 1 EGV auch für die Münzausgabe zuständig; allerdings ist auch diese Befugnis insoweit eingeschränkt, als der Umfang der Münzausgabe wiederum der Genehmigung durch die Europäische Zentralbank unterliegt. Die maßgebliche Bestimmungsmacht liegt damit insofern allein bei der Europäischen Zentralbank. Ein wichtiges Feld monetärer Gestaltungsmacht ist ferner die internationale Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit anderen Staaten. Gem. Art. 109 Abs. 4 EGV befindet der Rat der Europäischen Gemeinschaft auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung der Europäischen Zentralbank über den währungspolitischen Standpunkt der Gemeinschaft auf internationaler Ebene zu Fragen, die von besonderer Bedeutung für die Wirtschaftsund Währungsunion sind, sowie über die Vertretung der Gemeinschaft 9. An diesen währungspolitischen Standpunkt sind die vertretungsberechtigten Organe auf internationaler Ebene gebunden. Wird die Vertretung der Gemeinschaft in die Hände des ESZB gelegt, so obliegt innerhalb des ESZB der Europäischen Zentralbank gem. Art. 6.1. ESZB-Satzung die Entscheidungsbefugnis darüber, wie das ESZB vertreten wird. Die Befugnis zum Abschluß von Offenmarkt- und Kreditgeschäften steht gem. Art. 18 ESZB-Satzung sowohl den nationalen Zentralbanken als auch der Europäischen Zentralbank zu. Dabei stellt die Europäische Zentralbank gem. Art. 18.2. ESZB-Satzung allgemeine Grundsätze sowohl für ihre eigenen Oflfenmarkt- und Kreditgeschäfte als auch für die der nationalen Zentralbanken auf. Den nationalen Notenbanken verbleibt nur die Möglichkeit, innerhalb dieser allgemeinen Grundsätze tätig zu werden. Insoweit ist spätestens mit der Einführung der einheitlichen Europäischen Währung ein zinspolitischer Spielraum für die nationalen Zentralbanken nicht mehr zu erwarten 10. Ihre Funktion wird sich daher auf die Umsetzung und den Vollzug der allgemeinen
8
W. Schill, in: C. O. Lenz (Hrsg.), Kommentar zum EG-Vertrag, Art. 105a Rdnr. 1. Zu der Frage der systematischen Auslegung der in Art. 109 Abs. 4 EGV verwandten Formulierung „auf internationaler Ebene", insbesondere dazu, ob darunter die „Vertretung bei Verhandlungen über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge" oder die „Vertretung in internationalen Organisationen" zu verstehen ist, M Potacs, EuR 1993,23 (36). 10 Vgl. D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 181; M Potacs, EuR 1993,23 (35). 9
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
285
Grundsätze beschränken, ohne daß ihnen dabei ein nennenswerter eigener währungspolitischer Handlungsspielraum verbleiben dürfte. Ein weiteres Aufgabenfeld ist die Mindestreservepolitik der Gemeinschaft. Insoweit sind sowohl die nationalen Notenbanken als auch die Europäische Zentralbank zur Unterhaltung von Mindestreserven befugt (Art. 19 ESZB-Satzung). Dabei hat gem. Art. 19.1. Satz 2 ESZB-Satzung der EZB-Rat die Befugnis zum Erlaß von Verordnungen über die Berechnung und Bestimmung des Mindestreservezolls. Rechtlich wäre es insoweit zwar möglich, daß den nationalen Zentralbanken durch die Verordnungen ein gewisser Spielraum bei der Festsetzung der Mindestreservesätze belassen wird 11 . Tatsächlich ist jedoch auch hier zu erwarten, daß der EZB-Rat strikte Regelungen erlassen wird, um die Einheitlichkeit der Mindestreservepolitik in der Gemeinschaft sicherzustellen12. Als währungspolitische Befugnis steht den nationalen Zentralbanken neben der Europäischen Zentralbank auch das Recht zum Abschluß bestimmter Geschäfte mit Drittstaaten und internationalen Organisationen zu (Art. 23 ESZBSatzung). Jedoch können die nationalen Notenbanken auch diese Aufgabe nicht eigenverantwortlich, sondern nur im Rahmen und nach Maßgabe der Vorgaben des Rates der Europäischen Gemeinschaft wahrnehmen; dies insoweit, als der Rat berechtigt ist, völkerrechtliche Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für die europäische Währung gegenüber Drittlandswährungen zu treffen (Art. 109 Abs. 1 EGV) und „allgemeine Orientierungen" für die Wechselkurspolitik gegenüber Drittlandswährungen aufzustellen (Art. 109 Abs. 2 EGV). Eine weitere Aufgabenregelung findet sich in Art. 5.1. ESZB-Satzung, wonach die Europäische Zentralbank zur Wahrnehmung der Aufgaben des ESZB mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken die erforderlichen statistischen Daten einholt. Diese Aufgabe soll gem. Art. 5.2. ESZB-Satzung soweit wie möglich von den nationalen Notenbanken ausgeführt werden. Eine Bastion ausschließlich nationaler Zuständigkeit bilden schließlich die in Art. 24 und Art. 14.4. ESZB-Satzung geregelten Aufgaben. Nach Art. 24 ESZB-Satzung sind die nationalen Notenbanken befugt, Geschäfte für ihren eigenen Betrieb und für ihre Bediensteten zu tätigen. Art. 14.4. ESZB-Satzung bestimmt weiter, daß die nationalen Notenbanken andere als die in der ESZB-
11
Zu der Wirkung von EG-Verordnungen und deren Geltungskraft in den Mitgliedstaaten noch unten bei Fn. 18 (S. 288). 12 Vgl. D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 182; M. Potacs , EuR 1993,23 (36).
2 8 6 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Satzung festgelegten Aufgaben wahrnehmen können, sofern der EZB-Rat nicht feststellt, daß diese mit den Zielen und Aufgaben des ESZB unvereinbar sind 13 . Ergeht ein solcher Beschluß nicht, werden die betreffenden Aufgaben von den nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung wahrgenommen und gelten nicht als Aufgaben des ESZB. Einfluß auf die Gestaltung der Währungspolitik können die nationalen Zentralbanken schließlich noch durch ihre Mitwirkung im EZB-Rat gewinnen. Im EZB-Rat sind jedoch gem. Art. 109a Abs. 1 EGV, Art. 10.1. ESZB-Satzung nicht nur die Präsidenten der nationalen Zentralbanken, sondern darüber hinaus auch die Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank vertreten. Insoweit sind die nationalen Zentralbankpräsidenten also nur Teil eines aus mehreren Mitgliedern zusammengesetzten Organs, dessen Entscheidungsmacht auf verschiedene Träger verteilt ist (vgl. Art. 10.2. Satz 4 ESZB-Satzung). Hierin liegt der Grund dafür, daß die Einflußnahmemöglichkeiten der einzelnen nationalen Notenbanken im EZB-Rat im Konfliktfalle nur gering einzustufen sein dürften. Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß die nationale Währungshoheit mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion auf das ESZB übergeht, innerhalb dessen die maßgebliche währungspolitische Bestimmungsmacht bei der Europäischen Zentralbank liegt 14 . In ihren Händen liegen die wichtigsten monetären Aufgaben und Befugnisse. Sofern den nationalen Zentralbanken im ESZB überhaupt Aufgaben zur Erledigung verbleiben, unterliegen sie hierbei den währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank. Die Vorgaben der Europäischen Zentralbank reichen von dem Eriaß allgemeiner Grundsätze und Orientierungen bis hin zu Verordnungsrechten und Genehmigungsvorbehalten. Welche Steuerungsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank im einzelnen zustehen, ist Gegenstand der nachfolgenden Erörterungen.
13 Auf der Grundlage dieser Bestimmungen können die nationalen Zentralbanken etwa zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Rahmen der Bankenaufsicht ermächtigt werden, siehe dazu M Potacs, EuR 1993,23 (38). 14 Ebenso G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 391; B. Wahlig, in: L. Grämlich / A. Weber / F. Zehetner (Hrsg.), Auf dem Wege zur Europäischen Währungsunion, S. 37 (50 f.).
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
287
II. Steuerungsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank im ESZB Die Europäische Zentralbank verfügt im ESZB über ein umfangreiches Arsenal an Instrumenten, die eine jeweils unterschiedliche Steuerungskraft aufweisen. Neben den bereits erwähnten Möglichkeiten sind weitere Steuerungsmittel der Europäischen Zentralbank in Art. 108a EGV genannt. Danach kann die Europäische Zentralbank zur Erfüllung der Aufgaben des ESZB Verordnungen und Entscheidungen erlassen sowie Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben. Das Recht zum Erlaß von Entscheidungen erstreckt sich dabei auf sämtliche Aufgaben, die dem ESZB nach dem EG-Vertrag und der ESZBSatzung zur Erfüllung übertragen sind. Demgegenüber kommt der Europäischen Zentralbank das Verordnungsrecht nicht uneingeschränkt zu, sondern nur in den in Art. 3.1., 19.1., 22 und 25.2. ESZB-Satzung bestimmten Fällen. Unter anderem zählen dazu die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik der Gemeinschaft, die Mindestreservepolitik, die Bereitstellung von Verrechnungs- und Zahlungssystemen in der Gemeinschaft sowie die Aufsicht über Kredit- und Finanzinstitute. Damit erstreckt sich das Verordnungsrecht der Europäischen Zentralbank auf einen ganz umfangreichen Ausschnitt und wesentlichen Aufgabenbereich im ESZB. Darüber hinaus ist der EZB-Rat nach Art. 12.1. Satz 1 ESZB-Satzung berechtigt, Leitlinien und Entscheidungen zu erlassen, die notwendig sind, um die Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben zu gewährleisten. Daran anknüpfend bestimmt Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung, daß der EZB-Rat die Geldpolitik der Gemeinschaft festlegt und hierzu gegebenenfalls Entscheidungen in bezug auf geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld trifft sowie die für ihre Ausführung notwendigen Leitlinien erläßt. Die Ausführung der Geldpolitik - sowie durch Beschluß des EZB-Rates noch weitere Aufgaben - gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates obliegt nach Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung dem Direktorium der Europäischen Zentralbank. Hierzu erteilt das Direktorium den nationalen Zentralbanken gem. Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung die erforderlichen Weisungen. Die Weisungsbefugnis der Europäischen Zentralbank gegenüber den nationalen Zentralbanken ist ausdrücklich auch in Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung genannt, wonach die nationalen Notenbanken als integraler Bestandteil des ESZB gemäß den Leitlinien und Weisungen der Europäischen Zentralbank handeln. Um die Einhaltung der Leitlinien und Weisungen sicherzustellen, trifft der EZB-Rat gem. Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung die notwendigen Maßnahmen und kann verlangen, daß ihm hierzu alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden.
288
4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Die Steuerungsmöglichkeiten der Europäischen Zentralbank gegenüber den nationalen Notenbanken reichen damit von bloßen Stellungnahmen und Empfehlungen über Verordnungen und Leitlinien bis hin zum Eriaß von Entscheidungen und Weisungen. Die Steuerungskraft dieser Instrumente ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Insoweit muß zwischen den einzelnen Steuerungsmitteln differenziert werden. Empfehlungen und Stellungnahmen sind gem. Art. 108a Abs. 2 Satz 3 EGV unverbindlicher Natur 15 . Demgegenüber entfalten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank nach Art. 108a Abs. 2 Satz 4 EGV verbindliche Regelungswirkung für die Adressaten16. Entscheidungen ermöglichen dabei ebenso wie Weisungen eine auf den konkreten Einzelfall bezogene inhaltliche Steuerung der betreffenden Aufgabe 17. Dieselbe Steuerungskraft kommt auch dem Genehmigungsrecht der Europäischen Zentralbank zu; da es ebenso wie Entscheidungen und Weisungen auf den konkreten Einzelfall bezogen ist, ermöglicht es eine bis in jeden einzelnen Punkt und jede konkrete währungspolitische Frage hineinreichende Steuerung. Soweit die Europäische Zentralbank dagegen in bestimmten Feldern der Politikgestaltung allgemeine Grundsätze erläßt, geben diese regelmäßig nur die grobe Richtung vor. Die Ausfüllung und Umsetzung dieser Zielvorgaben obliegt dann den nationalen Zentralbanken. Verordnungen kommt nach Art. 108a Abs. 2 Satz 1 und 2 EGV allgemeine und unmittelbare Geltung in jedem Mitgliedstaat zu 18 . Im Regelfall bedürfen sie zu ihrer Verbindlichkeit daher keines weiteren Umsetzungsaktes durch die Mitgliedstaaten. Nur selten sehen EG-Verordnungen vor, daß ergänzende na-
15 Wegen des insoweit gleichlautenden Wortlautes des Art. 189 EGV ist die Regelung in Art. 108a Abs. 2 Satz 1 und 2 EGV rein deklaratorisch. 16 Auch insoweit ist Art. 108a Abs. 2 Satz 4 EGV wegen der gleichlautenden Regelung des Art. 189 EGV nur deklaratorischer Natur. 17 Zu der Wirkung von Entscheidungen EuGH, Slg. 1963,213 (238); Slg. 1965, 547 (556); Slg. 1971, 411 (422); Slg. 1978, 1019 (1030); E.-W. Fuß, NJW 1964, 945 (948 ff.); S. Magiern, Jura 1989, 595 (600); A. Scherzberg, in: H. Siedentopf (Hrsg.): Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 17 (21 ff); M. Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 116; zu der legitimationsvermittelnden Steuerungskraft der Weisung oben im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 68 ff. (S. 48 f.); zur Abhängigkeit zwischen der Weisung und dem Gesetz ebenfalls im ersten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 41 ff. (S. 99 ff.). 18 Zu der Wirkung von EG-Verordnungen EuGH, Slg. 1970,205 (210 f.); Slg. 1979, 3467 (3485 f.); Slg. 1980, 1949 (1961); Slg. 1982, 1129 (1143 f.); E.-W. Fuß, NJW 1964, 945 (948 ff.); H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 168 f.; S. Magiern, Jura 1989, 595 (600); A. Scherzberg, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung, S. 17 (21 ff. und 33 ff.); M. Schweitzer! W. Hummer, Europarecht, S. 116.
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
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tionale Gesetze erlassen werden 19 oder nationale Vollzugsakte ergehen. Ob und inwieweit Verordnungen der Europäischen Zentralbank der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, hängt somit im Einzelfall davon ab, ob sie detaillierte Vorgaben ohne Möglichkeit nationaler Wertungen enthalten oder ob sie sich auf richtungsweisende Vorgaben beschränken, die den nationalen Stellen eigene Handlungsspielräume belassen. Schließlich ist als weiteres währungspolitisches Steuerungsmittel der Europäischen Zentralbank gegenüber den nationalen Notenbanken die Befugnis zum Erlaß von Leitlinien zu nennen. Leitlinien sind vergleichbar mit den Verwaltungsvorschriften respektive Richtlinien nach deutschem Recht20. Sie sollen die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Verwaltungsvollzugs innerhalb des ESZB gewährleisten. Im Gegensatz zu Verordnungen sind sie also nicht auf Außenwirkung gegenüber den Mitgliedstaaten gerichtet, sondern entfalten lediglich innerhalb des - wenn auch durch hierarchische Gliederung gekennzeichneten21 - ESZB Regelungswirkung. Anders als Weisungen ermöglichen Leitlinien keine auf den konkreten Einzelfall bezogene, detailgenaue Steuerung. Vielmehr differiert die Steuerungskraft von Leitlinien nach Maßgabe ihrer inhaltlichen Regelungsdichte22. Enthalten Leitlinien detaillierte Inhaltsvorgaben, die den nationalen Zentralbanken nur geringe eigene Gestaltungsspielräume belassen, kommt ihnen ein hoher Steuerungswert zu. Beschränkt sich die Europäische Zentralbank dagegen darauf, lediglich vage Zielvorgaben zu treffen, die erst noch der Konkretisierung und Umsetzung durch die nationalen Zentralbanken bedürfen, büßen die Leitlinien ihre Steuerungskraft in weitem Maße ein. Da Leitlinien indes ihrem Wesen nach darauf gerichtet sind, durch verwaltungsinterne Vorgaben die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Verwaltungsvollzugs zu gewährleisten, werden sie den nationalen Zentralbanken nennenswerte eigene Gestaltungsspielräume regelmäßig nicht belassen.
19
Wegen der unmittelbaren Geltung von EG-Verordnungen sind entsprechende nationale Ausführungsakte allerdings nur ausnahmsweise erforderlich, vgl. dazu A. Gerber, in: Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, S. 77 (102 ff); R. Riegel, DVB1. 1979,245 ff. 20 Siehe zu den Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht M Beckmann, DVB1. 1987, 611 (615 ff); siehe dazu auch bei H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rdnrn. 1 ff; F. Ossenbühl, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rdnrn. 30 ff; H. J. Wolff / 0. Backoff R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 24 Rdnrn. 21 ff. 21 Dazu noch sogleich bei Fn. 24 - 28 (S. 290 f.). 22 Siehe dazu die entsprechenden Ausführungen zur Steuerungskraft von Parlamentsgesetzen im ersten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 34 - 39 (S. 97 ff). 19 Brosius-Gersdorf
2 9 0 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Damit läßt sich festhalten, daß die Europäische Zentralbank über ein umfangreiches Steuerungsinstrumentarium verfügt, welches es ihr ermöglicht, die Erfüllung der den nationalen Zentralbanken übertragenen Aufgaben zu lenken und zu kontrollieren 23. Die währungspolitischen Spielräume der nationalen Zentralbanken werden dabei um so geringer sein, als die Europäische Zentralbank Vorgaben in Form von Genehmigungen, Weisungen oder Entscheidungen trifft, und um so größer, als sie lediglich allgemeine Grundsätze und Orientierungen erläßt. Sofern die Europäische Zentralbank Leitlinien und Verordnungen erläßt, differiert der den nationalen Zentralbanken belassene Handlungsspielraum nach Maßgabe deren inhaltlicher Regelungsdichte. Empfehlungen und Stellungnahmen schließlich sind für die nationalen Notenbanken unverbindlich.
III. Hierarchischer Aufbau des ESZB Für die Rolle der Europäischen Zentralbank und der nationalen Notenbanken im ESZB ergibt sich damit folgendes Bild: Das ESZB zeichnet sich durch ein streng hierarchisch strukturiertes Verwaltungssystem aus, innerhalb dessen die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken institutionell und funktionell miteinander verklammert sind. Innerhalb dieses Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken liegt die maßgebliche währungspolitische Leitungsfünktion bei der Europäischen Zentralbank. Ihr obliegt es, die wesentlichen monetären Entscheidungen für die Geldpolitik der Gemeinschaft zu treffen 24. Die nationalen Notenbanken nehmen innerhalb des hierarchisch strukturierten Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken den Platz auf der unteren Vollzugsstufe ein. Die Europäische Zentralbank verfügt im ESZB über kein eigenes gemeinschaftsrechtliches Vollzugsinstrumentarium, sondern bedient sich zur Ausführung ihrer währungspolitischen Vorgaben der Organe der Mitgliedstaaten in Form der nationalen Zentralbanken25. Die Funktion der
23
Siehe auch G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 390. Diese Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank wird auch dokumentiert durch die Regelung des Art. 9.2. ESZB-Satzung, wonach der Europäischen Zentralbank die Aufgabe zufällt sicherzustellen, daß die dem ESZB nach Art. 105 Abs. 2, 3 und 5 des EGV übertragenen Aufgaben entweder durch ihre eigene Tätigkeit oder durch die nationalen Zentralbanken erfüllt werden; siehe auch H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 160 f.; G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 390. 25 Zu diesem sogenannten indirekten Verwaltungsvollzug eingehend A. Gerber, in: Staatsrechtliche Auswirkungen der Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften, S. 77 (116 ff.); C. Hauschild, in: H. Siedentopf (Hrsg.), Europäische Integration 24
Kap. 4: Aufbau und Organisation des ESZB
291
nationalen Notenbanken beschränkt sich im wesentlichen auf den Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Vorgaben 26 . In nahezu sämtlichen Feldern ihrer Politikgestaltung können die nationalen Notenbanken nur im Rahmen und nach Maßgabe der währungspolitischen Direktiven der Europäischen Zentralbank tätig werden 27. Eigene währungspolitische Entscheidungsbefugnisse verbleiben ihnen damit nur insoweit, als sie ihnen die Europäische Zentralbank beläßt. Zur Charakterisierung dieser währungspolitischen Zuständigkeitsverteilung zwischen der Europäischen Zentralbank einerseits und den nationalen Zentralbanken andererseits bietet sich die für den nationalen Bereich der Bundesauftragsverwaltung prägende begriffliche Unterscheidung zwischen der Sachkompetenz und der Wahrnehmungskompetenz an 28 : Der Europäischen Zentralbank kommt im ESZB die maßgebliche währungspolitische Entscheidungsmacht und damit die monetäre Sachkompetenz zu; die nationalen Zentralbanken besitzen dagegen lediglich die Wahrnehmungskompetenz für den Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Vorgaben.
und nationalstaatliche Verwaltung, S. 155 (165 ff); W. Kahl, Die Verwaltung 29 (1996), 341 (346 ff); J. Schwarze, in: ders. (Hrsg.), Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 123 (148 ff.). 26 So auch D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 189. 27 Eine Ausnahme bilden lediglich die in Art. 24 und Art. 14.4. ESZB-Satzung genannten Aufgaben; nur innerhalb dieses engen Rahmens können die nationalen Zentralbanken im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken eigenständig und eigenverantwortlich handeln. 28 So die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts zur Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 GG, siehe BVerfGE 81, 310 (333).
Kapitel 5
Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Auf der Grundlage der zuvor gewonnenen Erkenntnisse läßt sich nun die Frage beantworten, ob die Deutsche Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion über die nach dem Grundgesetz gebotene demokratische Legitimation verfügt 1. Da die Bundesbank mit Verwirklichung der dritten Stufe der Währungsunion Teil eines Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken wird, innerhalb dessen die maßgebliche währungspolitische Bestimmungsmacht bei der Europäischen Zentralbank liegt, könnten damit - im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage - weitere Legitimationsverluste für die Bundesbank verbunden sein. Dabei sei jedoch auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß im folgenden ausschließlich das Demokratieprinzip des Grundgesetzes als Maßstab für die Untersuchung dient. Da sich hierbei herausstellen wird - insoweit sei das Ergebnis vorweggenommen -, daß die Deutsche Bundesbank auch nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion demokratiedefizitär ausgestaltet ist, ist in einem weiteren Schritt zu fragen, ob dieses Legitimationsdefizit durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, verstößt die organisatorische Ausgestaltung der Bundesbank nach der dritten Stufe der Währungsunion gegen das Grundgesetz2.
I. Legitimationsobjekt: Die Deutsche Bundesbank als legitimationsbedurftige Staatsgewalt im ESZB Zunächst stellt sich die Frage, ob die Deutsche Bundesbank auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion noch Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausübt. Bei der Bestimmung dessen, was als „Ausübung von Staatsgewalt" anzusehen ist, kann auf die im ersten Teil der Arbeit vorgenommenen Ausführungen verwiesen werden3. Danach ist von ei-
1
Diese Frage wirft auch D. Janzen (Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 59 f., 134 ff.) auf. 2 Siehe dazu eingehend oben im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff. 3 Erster Teil, Kapitel 1, S. 33 - 39.
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
293
nem zweigliedrigen Begriff der Staatsgewalt auszugehen, der sowohl ein formelles als auch ein materielles Element aufweist, die beide vorliegen müssen, damit von legitimationsbedürftiger Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die Rede sein kann.
1. Deutsche Bundesbank als Staatsgewalt im formellen Sinne Zunächst wird der formelle Aspekt der Staatsgewalt in den Vordergrund gerückt und der Frage nachgegangen, ob die Bundesbank im ESZB deutsche Staatsgewalt im formellen Sinne ausübt. Das formelle Element des Begriffs der Staatsgewalt erfaßt jeden Rechtsträger, dessen Errichtung auf einem staatlichen, das heißt nicht privaten Konstitutionsakt beruht und der damit dem Bereich institutionalisierter deutscher Staatlichkeit zuzurechnen ist 4 . Zwar wird die Deutsche Bundesbank unmittelbar durch das Grundgesetz konstituiert (Art. 88 Satz 1 GG) und beruht damit auf einem staatlichen Konstitutionsakt des Verfassungsgesetzgebers 5. Gleichwohl bestehen Zweifel an der Zuordnung der Deutschen Bundesbank zum Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG. Diese Zweifel gründen sich darauf, daß die Deutsche Bundesbank nach dem Beginn der dritten Stufe der Währungsunion institutionell in das ESZB eingebunden und gem. Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung integraler Bestandteil desselben ist. Fraglich ist, was sich hinter diesem Begriff „integraler Bestandteil" des ESZB verbirgt. Von maßgeblicher Bedeutung ist hier allein, ob die nationalen Notenbanken respektive die Deutsche Bundesbank durch ihre Eingliederung in das ESZB Teil einer supranationalen Zuständigkeitsordnung werden und auf diese Weise ihre Qualität als nationale Verwaltungsträger und damit die Zuordnung zum Bereich deutscher institutionalisierter Staatlichkeit einbüßen. Ein solcher institutioneller Übergang in die supranationale Zuständigkeitsordnung ließe sich in dogmatischer Hinsicht nur dann begründen, wenn eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt wäre: Zum einen, wenn die nationalen Notenbanken durch die Einbindung in das ESZB selbst die Qualität eines europäischen Rechtsträgers erhielten; zum anderen, wenn das ESZB eigene Rechtspersönlichkeit besäße und durch die nationalen Zentralbanken respektive die Deutsche Bundesbank als seine Organe handelte. Zum ersten Begründungsversuch: Daß den nationalen Notenbanken innerhalb des ESZB keine eigene europäische Rechtssubjektivität zukommt, folgt
4 Zum Begriff der Staatsgewalt im formellen Sinne oben im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 14 (S. 34 f.). 5 Siehe bereits im zweiten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 3 (S. 128).
2 9 4 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
bereits aus dem Umkehrschluß aus Art. 106 Abs. 2 EGV. Gem. Art. 106 Abs. 2 EGV besitzt die Europäische Zentralbank Rechtspersönlichkeit6. Die nationalen Notenbanken werden durch das primäre Gemeinschaftsrecht hingegen nicht mit eigener europäischer Rechtssubjektivität ausgestattet. Einer solchen ausdrücklichen Anordnung durch das primäre Gemeinschaftsrecht hätte es aber gerade bedurft, um die nationalen Zentralbanken als juristisch» Personen des europäischen Gemeinschaftsrechts qualifizieren zu können. Denn „Herren der Gemeinschaftsverträge" 7 sind ausschließlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sie allein legen den institutionellen Rahmen für das gesamte supranationale Recht der Europäischen Gemeinschaften fest 8. Solange und soweit die Mitgliedstaaten die nationalen Zentralbanken nicht durch Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts in den Status einer europäischen Rechtsperson erhoben haben, genießen diese im Gegensatz zu der Europäischen Zentralbank, die nach Art. 106 Abs. 2 EGV Rechtspersönlichkeit besitzt, selbst keine Rechtssubjektivität. Zum zweiten Begründungsansatz: Auch das ESZB besitzt aus denselben Erwägungen keine eigene Rechtspersönlichkeit, so daß die nationalen Notenbanken auch nicht als seine Organe fungieren können. Denn ebensowenig wie die nationalen Zentralbanken ist auch das ESZB durch das primäre Gemeinschaftsrecht mit Rechtssubjektqualität ausgestattet. Insoweit fehlt es an einer Art. 106 Abs. 2 EGV entsprechenden Vorschrift, welche neben der Europäischen Zentralbank auch das ESZB als eigene Rechtsperson anerkennt. Das ESZB ist vielmehr ein von den Europäischen Gemeinschaften und ihren Organen gesondertes, gleichsam autonomes institutionelles System9. Es ähnelt in seiner Konstruktion den gemeinsamen Politiken auf den Feldern der Außenund Sicherheitspolitik (Titel V, Art. J bis J. 11. EUV) sowie der Justiz- und Innenpolitik (Titel 6, Art. Κ bis K.9. EUV), die zwar Gegenstände europäischer Zusammenarbeit im Rahmen der Europäischen Union sind, gleichwohl aber von den Vertragsstaaten bewußt nicht in die supranationale Zuständigkeitsordnung der Europäischen Gemeinschaften eingegliedert wurden 10. Das ESZB 6
Hierzu H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 164; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 100 ff. 7 Vgl. nochmals BVerfGE 89,155 (190). 8 Dementsprechend gilt das in Art. 4a EGV verankerte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung auch für das Europäische System der Zentralbanken, siehe BVerfGE 89, 155(193). 9 1. Pernice , in: Festschrift für U. Everling Π, S. 1057 (1059); zu der Stellung des Europäischen Systems der Zentralbanken im Verhältnis zu den Gemeinschaftsorganen H.-D. Hoppe, Der Rechtsschutz gegen Akte der Währungspolitik, S. 162; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 103 ff. 10 Vgl. zur rechtlichen Qualifizierung dieser Felder gemeinsamer Politikgestaltung unter dem Dach der Europäischen Union BVerfGE 89,155 (176).
Kap. : Legitimation der Bundesbank im ESZB
295
besitzt ebenso wie diese Felder gemeinsamer Politikgestaltung keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie unterscheiden sich aber insoweit, als es sich bei diesen gemeinsamen Politiken um eine Form intergouvernementaler Zusammenarbeit unter dem Dach der Europäischen Union handelt, die dem Zusammenwirken der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Völkerrechtssubjekten auf der Ebene des herkömmlichen völkerrechtlichen Verkehrs vergleichbar ist 11 . Im Gegensatz dazu bildet das ESZB ein eigenes Dach 12 , ein „Unterdach" unter dem Gesamtdach der Europäischen Union. Unter diesem „Unterdach" des ESZB wirken die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken zusammen, wobei der Europäischen Zentralbank innerhalb dieses Verbundsystems die zentrale Leitungsfunktion in allen wesentlichen währungspolitischen Angelegenheiten zukommt, während den nationalen Notenbanken primär der Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen Vorgaben obliegt. Obgleich insoweit also Unterschiede zwischen dem intergouvernementalen Zusammenwirken auf den Feldern gemeinsamer Politikgestaltung im Rahmen der Europäischen Union einerseits und der Einbettung der nationalen Notenbanken in das ESZB andererseits bestehen, stimmen diese beiden Teilbereiche gemeinschaftsrechtlicher Politik unter dem Gesamtdach der Europäischen Union in einem entscheidenden Punkt überein: Weder die intergouvernementale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Gebieten der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Justizund Innenpolitik noch die nationalen Notenbanken innerhalb des ESZB gehen ihrer nationalen Provenienz verlustig. Oder anders gewendet: Sofern nationale Stellen der Bundesrepublik Deutschland auf diesen Feldern europäischer Integrationspolitik tätig werden, üben sie keine europäische Hoheitsgewalt, sondern nach wie vor deutsche Staatsgewalt im formellen Sinne aus. Die Mitwirkung der nationalen Notenbanken innerhalb des Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken weist demnach deutliche Parallelen zu dem nationalen Verwaltungstypus der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) auf. Bei der Bundesauftragsverwaltung führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrag des Bundes aus. Als unentziehbares Recht steht ihnen insoweit nur die Wahrnehmungskompetenz, also die Zuständigkeit für den Vollzug der Bundesgesetze zu. Gleichwohl handelt es sich insoweit nicht um eine spezifische Ausprägung der Bundesverwaltung. Vielmehr üben die Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung auch weiterhin Landesstaatsgewalt aus, und zwar selbst dann, wenn der Bund von seiner ihm zustehenden Befugnis
11
BVerfGE 89, 155 (177 f.). Siehe auch G. Nicolaysen, Europarecht Π, S. 387: „Das ESZB ist das überwölbende Dach [...]". 12
296
4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Gebrauch macht und die Sachkompetenz an sich zieht. Die Landesbehörden handeln insoweit nicht als Bundes-, sondern als Landesorgane13. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß die Einbettung der Deutschen Bundesbank in das ESZB nichts an ihrer institutionellen Zuordnung zum Bereich deutscher Staatsgewalt ändert. Auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion übt die Bundesbank weiterhin deutsche Staatsgewalt im formellen Sinne aus. 2. Deutsche Bundesbank als Staatsgewalt im materiellen Sinne Neben dem formellen Element muß weiter auch der materielle Aspekt der Staatsgewalt erfüllt sein, damit von legitimationsbedürftiger Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die Rede sein kann. Der materielle Aspekt bezeichnet den inhaltlich-gegenständlichen Bereich der Staatsgewalt. Darunter fällt jede Wahrnehmung von Staatsaufgaben unter Inanspruchnahme von Entscheidungsbefugnissen 14. Jedoch blieb bislang unbeantwortet, was im einzelnen unter der Inanspruchnahme von Entscheidungsbefugnissen zu verstehen ist. Diese Frage ist im gegebenen Zusammenhang deswegen von besonderer Bedeutung, weil an der Zuordnung der Bundesbank zum Bereich materieller Staatsgewalt Zweifel bestehen. Die Zweifel gründen sich darauf, daß die Bundesbank mit dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion ihre wesentlichen währungspolitischen Kompetenzen verliert und nur noch als Teil eines europäischen Verbundsystems für den Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen monetären Entscheidungen zuständig ist 15 . Für die Frage, ob die Bundesbank auch im ESZB weiterhin Staatsgewalt im materiellen Sinne ausübt, ist es daher erforderlich, das dem materiellen Aspekt der Staatsgewalt immanente Entscheidungsmerkmal inhaltlich zu konturieren. a) Entscheidungsbefugnis bei rechtsunverbindlichem Handeln?
Unproblematisch sind aus dem Bereich materieller Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die rechtsunverbindlichen Staatstätigkeiten auszuklammern. Sofern sich die Wahrnehmung von Staatsaufgaben in einer rechtsunverbindlichen Wirkung erschöpft, ist der Entscheidungscharakter zu verneinen 16. 13
Hierzu ausführlich BVerfGE 81, 310 (331 ff); siehe auchÄ Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 85 Rdnr. 2. 14 Vgl. dazu oben im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 33 (S. 38). 15 Zu der Aufgabenverteilung im ESZB oben in Kapitel 4 (S. 282 ff.). 16 So die ganz herrschende Meinung, vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 47, 253 (273); 83, 60 (74); aus dem Schrifttum E.-W. Böckenförde, in: J. Isensee / P. Kirchhof
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
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Zu diesem Bereich staatlicher Wirkungsweisen ohne Rechtsverbindlichkeit zählen par exemple alle beratenden, konsultativen und vorbereitenden Maßnahmen staatlicher Aufgabenträger. Vereinzelt wird gegen die Ausklammerung rechtsunverbindlicher Betätigungen der öffentlichen Hand aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt eingewandt, daß sich das Gebot demokratischer Legitimation umfassend auf sämtliche Felder staatlicher Gewaltausübung und damit auch auf rechtsuriverbindliche Wirkungsweisen erstrecke 17. Dagegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG, der mit dem Begriff der Staatsgewalt nahelegt, daß es hierfür eines gewissen Maßes an Entscheidung bedarf 18. Vor allem streitet hierfür aber auch die teleologische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG: Das in Art. 20 Abs. 2 GG verankerte Prinzip der Volkssouveränität verlangt einen ununterbrochenen Legitimationszusammenhang zwischen der staatlichen Gewaltausübung und der Herrschaftsunterworfenheit durch das Volk. Diese Gewaltunterworfenheit des Volkes besteht jedoch nur dann, wenn Hoheitsträger Entscheidungen mit verbindlicher Wirkung für das deutsche Volk treffen. Eine die Legitimationsbedürftigkeit auslösende Betätigung des Staates liegt also nur dann vor, wenn diese rechtsverbindliche Wirkung gegenüber dem Volk beansprucht19. Erschöpft sich staatliches Handeln dagegen im Rechtsunverbindlichen, fehlt es an dem legitimationsbegründenden Entscheidungsmoment. In diesem Fall liegt legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nicht vor 20 .
(Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rdnr. 13; Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 214 f.; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 258 f.; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 81; M. Sachs, in: ders., (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 20. 17 So vor allem D. Ehlers, JZ 1987,218 (219). 18 Siehe dazu oben im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 33 (S. 38). 19 So jetzt ganz deutlich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Mitbestimmung der Personalvertretungen nach dem Schleswig-Holsteinischen Mitbestimmungsgesetz vom 11. Dezember 1990 (E 93, 37 [68 ff.]), wonach das Prinzip demokratischer Legitimation nur dann zur Anwendung gelange, wenn die mit der Ausübung staatlicher Gewalt betrauten Amts- und Organwalter verbindliche Entscheidungen mit Wirkung für den Bürger treffen. 20 Eine andere Auffassung vertrat das Bundesverfassungsgericht dagegen in früheren Judikaten. In seinem Urteil zur Volksbefragung [E 8, 104 (114 f.)] stellte es fest, daß Verfassungsorgane nicht nur dann Staatsgewalt ausüben, „wenn sie rechtsverbindliche Akte setzen, sondern auch, wenn sie von Befugnissen Gebrauch machen, die nicht unmittelbar verbindliche Wirkungen hervorrufen" (zur Kritik an dieser Judikatur ausführlich M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 260 f.); von dieser Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht jedoch in neuerer Rechtspre-
2 9 8 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, daß rechtsunverbindlichen, insbesondere beratenden und entscheidungsvoibereitenden staatlichen Tätigkeiten ein erhebliches faktisches Gewicht zukommen und auf diese Weise politischer Druck ausgeübt werden kann. Daran soll hier gar nicht gezweifelt werden 21 . Jedoch ist die faktische Bedeutung staatlicher Maßnahmen sub specie des Verfassungsprinzips Demokratie unbeachtlich; insoweit kommt es ausschließlich auf die rechtliche Wirkung der staatlichen Betätigung an 22 . Damit steht im Ergebnis fest, daß das dem materiellen Aspekt der Staatsgewalt immanente Entscheidungsmoment nur dann erfüllt ist, wenn staatliche Wirkungsweisen in Rechtsverbindlichkeit erwachsen23. Für die Deutsche Bundesbank gelangt man damit zu folgendem Ergebnis: Dem Bereich materieller Staatsgewalt ist die Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion nur dann zuzuordnen, wenn sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben rechtsverbindlich tätig wird. Sofern sich ihr Handeln dagegen im Rechtsunverbindlichen erschöpft, übt sie legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nicht aus. Zu diesem Bereich rechtsunverbindlicher Wirkungsweisen zählt zum einen die Informationsweitergabe der Bundesbank an den EZB-Rat nach Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung und zum anderen die Erhebung statistischer Daten durch die Bundesbank zur Erfüllung der dem ESZB obliegenden Aufgaben nach Art. 5.1. und Art. 5.2. ESZB-Satzung. Die statistische Datenerhebung durch die Bundesbank hat entweder konsultativen Charakter, wenn sie der bloßen Information und Auskunft dient, oder ist vorbereitender Natur, sofern auf der Grundlage der übermittelten Daten Entscheidungen getroffen werden. In beiden Fällen kommt der Datenerhebung durch die Bundesbank rechtsverbindliche Wirkung nicht zu.
chung abgerückt und vertritt nunmehr ebenfalls, daß rechtsunverbindliche staatliche Maßnahmen aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt herausfallen. 21 Zu dem faktischem Druck und der tatsächlichen Bedeutung rechtsunverbindlicher konsultativer staatlicher Maßnahmen ausführlich H. Dreier, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1993,647 ff, der zu Recht darauf hinweist, daß in der Praxis gerade auf dem Gebiet rein konsultativen, informellen Verwaltungshandelns oft bedeutsame Tätigkeit ausgeübt wird. 22 Ebenso M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 261; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 82; daran vermag auch die gesetzliche Regelung solcher rechtsunverbindlichen Beteiligungsrechte nichts zu ändern, denn allein deren gesetzliche Verankerung vermag rechtlich verbindliche Rechtsfolgen nicht zu begründen. 23 Im Ergebnis ebenso E. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 215; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 258; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 81.
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
299
b) Entscheidungsbefugnis bei Ingerenzvorbehalten?
Fraglich erscheint weiter, ob und inwieweit staatliche Maßnahmen, die unter dem Vorbehalt der Ausübung von Ingerenzrechten durch übergeordnete staatliche Funktionsträger stehen, den für den materiellen Aspekt der Staatsgewalt erforderlichen Entscheidungsgehalt aufweisen. Insoweit soll zunächst die eigene Position dargestellt werden [dazu unter aa)], bevor im Anschluß daran ein Judikat des Bundesverfassungsgerichts betrachtet wird, das sich ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt hat [dazu unter bb)]. aa) Eigener Standpunkt: Einzelfallbezogene
Differenzierung
Die maßgebliche Frage lautet, ob Ingerenzbefugnisse zugunsten übergeordneter staatlicher Stellen den Entscheidungscharakter staatlicher Wirkungsweisen berühren. Solche Ingerenzrechte bestehen vor allem in Form von Zustimmungsvorbehalten, Aufhebungs-, Abänderungs- und Widerspruchsbefugnissen sowie Selbsteintrittsrechten und Vetobefugnissen 24. Insoweit wird im Schrifttum mehrheitlich die Auffassung vertreten, daß das bloße Bestehen von Ingerenzbefugnissen übergeordneter Funktionseinheiten den Entscheidungscharakter staatlicher Maßnahmen unberührt lasse25. Sofern staatliche Maßnahmen sich nicht im Rechtsunverbindlichen erschöpften, komme ihnen ungeachtet des Bestehens etwaiger Ingerenzbefugnisse Entscheidungsgehalt zu. Dem kann zumindest in dieser Verallgemeinerung nicht zugestimmt werden. Die Frage, ob die Ingerenzbefugnisse übergeordneter Stellen den Entscheidungsgehalt staatlicher Maßnahmen berühren, läßt sich nicht mit einem schlichten „Ja" oder „Nein" beantworten. Vielmehr muß in zweifacher Hinsicht differenziert werden: zum einen nach den verschiedenen Arten der Ingerenzmittel und zum anderen danach, ob die übergeordnete Stelle von ihrer Ingerenzbefugnis Gebrauch macht oder nicht.
24 Zu dieser Aufzählung auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 258. 25 So vor allem Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 215; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 258; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (40); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 81 f.; E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342); ebenso BVerfGE 47, 253 (272 f.) am Beispiel des Widerspruchsrechts des Oberbürgermeisters beziehungsweise des Bezirksvorstehers gegenüber Beschlüssen der nordrhein-westfôlischen Bezirksvertretung gem. § 13b Abs. 5 GO NW a.F.
3 0 0 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Zunächst zu den Zustimmungsvorbehalten. Staatlichen Maßnahmen kann nicht bereits unter Hinweis darauf der Entscheidungscharakter abgesprochen werden, daß sie unter dem Vorbehalt der Zustimmung übergeordneter Stellen stehen. Vielmehr muß insoweit unterschieden werden. Sofern die Zustimmung erteilt wird, entfaltet die betreffende Maßnahme verbindliche Regelungswirkung. Die Maßnahme wird dabei mit dem von dem Amtswalter auf der unteren Stufe bestimmten Inhalt wirksam. Die inhaltliche Entscheidungsbefugnis liegt also bei dem die Maßnahme erlassenden Amtswalter. In diesem Fall übt der betreffende Amtswalter daher legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus. Versagt die übergeordnete Stelle dagegen die erforderliche Zustimmung, so erlangt die betreffende staatliche Maßnahme regelmäßig von vornherein keine Wirksamkeit 26. In diesem Fall fehlt es an dem legitimationsbegründenden Entscheidungsmoment, so daß materielle Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nicht vorliegt. Insoweit läßt sich der Vergleich zu der zuvor genannten Kategorie ziehen, den vorbereitenden rechtsunverbindlichen Maßnahmen, die ebenfalls nicht dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG zuzuordnen sind 27 . Sofern die Aufgabenerfüllung der Deutschen Bundesbank im ESZB also unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Europäische Zentralbank steht, wie dies gem. Art. 105a Abs. 1 Satz 2 und Art. 105a Abs. 2 Satz 1 EGV der Fall ist 28 , übt sie legitimationsbedürftige Staatsgewalt nur insofern aus, als die Europäische Zentralbank ihre Zustimmimg erteilt. Entsprechend ist auch bei Selbsteintrittsrechten übergeordneter Stellen zu differenzieren. Macht die übergeordnete Stelle von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch und zieht sie die betreffende Entscheidung an sich, so tritt sie an die Stelle des an sich zuständigen Amtswalters. Der Amtswalter wird quasi außer Funktion gesetzt, ihm wird die Entscheidungsbefugnis für diesen konkreten Fall entzogen. In seine Rolle schlüpft die vorgesetzte Stelle und erläßt die maßgebliche Entscheidung selbst. Legitimationsbedürftige Staatsgewalt wird in diesem Fall allein durch die übergeordnete Stelle ausgeübt. Anders ist es dagegen zu beurteilen, wenn von dem Selbsteintrittsrecht kein Gebrauch gemacht wird. In diesem Fall verbleibt die maßgebliche Entscheidungsbefugnis bei dem Amtswalter auf der unteren Stufe; erläßt er in Ausübung seiner Ent-
26 So zum Beispiel bei der fehlenden Genehmigung einer gemeindlichen Satzung, die in diesem Fall - vorbehaltlich etwaiger Heilungsvorschriften - regelmäßig von vornherein nichtig ist, siehe dazu bei K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnr. 204. 27 Siehe dazu oben auf S. 296 ff. 28 Dazu oben in Kapitel 4, bei Fn. 8 (S. 284).
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
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scheidungsbefugnis rechtsverbindliche Maßnahmen, so nimmt er legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG wahr 29 . Die dritte Fallgruppe bilden schließlich die Kassations- und Abänderungsbefugnisse. Unproblematisch ist insoweit der Fall, daß die übergeordnete Stelle von ihrem Aufhebungs- beziehungsweise Abänderungsrecht keinen Gebrauch macht, so daß der betreffende Willensäußerungsakt des Amtswalters in Rechtsverbindlichkeit erwachsen kann. Denn in diesem Fall verbleibt die maßgebliche Entscheidungsbefugnis - ebenso wie beim Selbsteintrittsrecht - bei dem Amtswalter auf der unteren Stufe, der damit legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausübt30. Problematisch ist dagegen der umgekehrte Fall, daß die übergeordnete Stelle die betreffende Maßnahme nachträglich aufhebt oder abändert. Insoweit, so ließe sich argumentieren, könnte der Maßnahme der Entscheidungscharakter deswegen abzusprechen sein, weil dem Amtswalter die betreffende Aufgabe von vornherein nur unter dem Vorbehalt ihrer späteren Aufhebung beziehungsweise Abänderung zugewiesen ist. Zwar kann er zunächst in Ausübung seiner Entscheidungsbefugnis rechtsverbindliche Maßnahmen erlassen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen entfällt jedoch regelmäßig im nachhinein, wenn die übergeordnete Stelle diese nachträglich aufhebt oder abändert. Daraus ließe sich schlußfolgern, daß der Maßnahme des Amtswalters auf der unteren Stelle Entscheidungscharakter nur insoweit zukommt, als diese nicht nachträglich aus der Welt geschaffen, also aufgehoben oder abgeändert wird. Eine solche Argumentation vermag jedoch bei genauerer Betrachtung nicht zu verfangen. Denn insoweit wird verkannt, daß der Entscheidungscharakter staatlicher Maßnahmen nicht rückwirkend dadurch entfällt, daß sie im nachhinein aufgehoben werden. Entfalten staatliche Wirkungsweisen rechtsverbindliche Wirkung, so wird diese durch ihre spätere Aufhebung oder Abänderung nicht mehr berührt. Denn im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme wurde der Amtswalter in Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben unter Inanspruchnahme seiner Entscheidungsbefugnisse tätig. Durch die nachträgliche Aufhebung der Maßnahme wird lediglich ihre endgültige Wirksamkeit beseitigt, ohne daß sie jedoch dadurch ihren ursprünglichen Entscheidungscharakter verlöre. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß staatliche Maßnahmen durch die nachträgliche Aufhebung oder Änderung ihre Wirksamkeit nicht in jedem Fall
29 30
In diesem Sinne auch BVerfGE 83,60 (73). Siehe abermals BVerfGE 83,60 (73).
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
einbüßen31. Denn insoweit müssen die besonderen Anforderungen beachtet werden, die für die Aufhebung staatlicher Maßnahmen gelten. So können begünstigende Verwaltungsakte nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der §§ 48 Abs. 1 Satz 2, 49 Abs. 2 VwVfG aufgehoben werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Behörde die Aufhebung des betreffenden Verwaltungsaktes versagt, mit der Folge, daß dieser weiterhin verbindliche Regelungswirkung zeitigt. Doch auch in den Fällen, in denen die Wirksamkeit staatlicher Maßnahmen nachträglich ganz oder teilweise beseitigt wird, kommt ihnen im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtsverbindliche Wirkung zu 32 . Mithin vermag die nachträgliche Aufhebung oder Abänderung staatlicher Maßnahmen an ihrem Entscheidungscharakter nichts zu ändern. bb) Bundesverfassungsgericht: Kompensation fehlender Entscheidungsbefugnisse durch „ wertende Gesamtschau " Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Ausländerwahlrecht zu den hamburgischen Bezirksversammlungen 33 eine andere Betrachtungsweise gewählt, welche sich mit der hier vertretenen Auffassung einer einzelfallbezogenen Differenzierung nicht deckt. In diesem Judikat hat das Bundesverfassungsgericht zur Beurteilung der Frage, ob Ingerenzbefugnisse übergeordneter Stellen den Entscheidungscharakter staatlicher Maßnahmen berühren, eine wertende Gesamtschau zugrunde gelegt. Die Frage, ob staatlichen Aufgabenträgern Entscheidungsbefugnisse zukommen, sei anhand einer Gesamtsaldierung zwischen den dem Aufgabenträger zugewiesenen Aufgaben einerseits und den bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben bestehenden Ingerenzmöglichkeiten übergeordneter Stellen andererseits zu beurteilen. Anhand einer solchen wertenden Gesamtschau sei zu ermitteln, ob dem betreffenden Aufgabenträger im Ergebnis hinreichend eigene Entscheidungsbefugnisse verbleiben34.
31 Die Rechtsfolgen der Ausübung der Ingerenzbefugnisse richten sich nach der Art der betreffenden Maßnahme; siehe dazu bei Λ. Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rdnrn. 812 ff; E. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rdnrn. 86 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 255; K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnrn. 204 ff. 32 Im Ergebnis ebenso Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 215; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 258; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (40); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 81 f.; E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342); ebenso BVerfGE 47,253 (272 f.). * BVerfGE 83,60 ff. 34 Vgl. BVerfGE 83,60 (76 ff.); ebenso auch BremStGH, DÖV 1992, S. 164 ff.
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Gegen diesen methodologischen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts spricht jedoch, daß Gegenstand des Prinzips demokratischer Legitimation nicht der mit der Ausübung staatlicher Gewalt betraute Amtswalter als solcher ist, also nicht der Entscheidende, sondern die von ihm getroffene Entscheidung. Legitimationsbedürftig im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ist jede einzelne Wahrnehmung staatlicher Entscheidungsbefugnisse. Anknüpfungspunkt für das Gebot demokratischer Legitimation ist die konkrete Entscheidung des Amtswalters, nicht hingegen eine Gesamtschau aller dem Amtswalter zugeordneten Aufgaben und Befugnisse 35. Die staatlichen Stellen im übrigen zugewiesenen Kompetenzen können den fehlenden Entscheidungscharakter einzelner Maßnahmen nicht kompensieren. Ob legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausgeübt wird oder nicht, läßt sich nicht im Wege einer Addition sämtlicher Aufgaben und Befugnisse ermitteln, die dem betreffenden Funktionsträger zugewiesen sind. Pointiert: „Kompetenzielle Quantität kann nicht in legitimationsrelevante Qualität umschlagen"36. Eine wertende Gesamtschau der den staatlichen Funktionsträgern insgesamt zugewiesenen Aufgaben muß daher zur Beurteilung der Frage nach dem Entscheidungsgehalt staatlicher Maßnahmen ausscheiden. c) Entscheidungsbefugnis bei inhaltlicher Programmierung?
Schließlich stellt sich die Frage, ob der für den materiellen Aspekt der Staatsgewalt erforderliche Entscheidungsgehalt zu bejahen ist, wenn sich die Betätigung der öffentlichen Hand auf die Ausführung gesetzlicher Volldeterminierungen oder den Vollzug detaillierter Weisungen beschränkt. Diesem Problemfeld kommt im gegebenen Zusammenhang deswegen besondere Bedeutung zu, weil sich das währungspolitische Betätigungsfeld der Deutschen Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion zu einem wesentlichen Teil darauf beschränkt, monetäre Vorgaben der Europäischen Zentralbank zu vollziehen, ohne daß ihr insoweit nennenswerte eigene Handlungs-, Wertungs- und Ermessensspielräume verbleiben37. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Vollständig vorprogrammierte Maßnahmen sind aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG auszuklammern. Dies aus folgendem Grunde: Sind staatliche Maßnahmen - durch gesetzliche Volldeterminierungen oder detaillierte
35
Ebenso M Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (41 f.). So M Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (43). 37 Zu den währungspolitischen Aufgaben der nationalen Zentralbanken nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion im ESZB und zur währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank bereits oben in Kapitel 4, S. 282 ff. 36
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Weisungen - in umfassender Weise vorherbestimmt, bedarf es keines eigenen Willensentschließungsaktes des mit dem Vollzug betrauten Amtswalters mehr. Sein Handeln beschränkt sich darauf, eine bereits getroffene Entscheidung auszuführen. Seine Funktion erschöpft sich in dem automatenhaften Vollzug bereits getroffener Entscheidungen, er wird zum Vollzugswerkzeug eines bereits gebildeten Willens degradiert und sinkt damit zum bloßen Subsumtionsautomaten herab 38. Weisen aber die von dem Amtswalter erlassenen Maßnahmen keine Willensbildungselemente auf, die nicht bereits in dem Programmierungsakt enthalten sind, so nimmt er insoweit eigene Entscheidungsbefugnisse nicht wahr 39 . In diesen Fällen fehlt es an dem legitimationsbegründenden Merkmal der Entscheidimg40. Dagegen spricht auch nicht, daß sowohl beim Vollzug gesetzlicher Vollprogramme als auch in den Fällen detaillierter Weisungen die konkrete Maßnahme in der Gestalt eines Verwaltungsaktes ergehen kann. Um nur ein Beispiel zu nennen: Sofern im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung der Bund von seiner Sachkompetenz Gebrauch macht und den mit dem Vollzug von Bundesgesetzen betrauten Landesstellen Weisungen erteilt, ist die typische Handlungsform der Landesstellen der Verwaltungsakt, dem verbindliche Regelungswirkung gegenüber dem Bürger zukommt. Der Verwaltungsakt hat die Funktion, ein verwaltungsrechtliches Verhältnis zwischen dem mit der Wahrnehmung von Staatsaufgaben betrauten Amtswalter und dem einzelnen und damit eine Rechtsquelle im Einzelfall zu begründen. Darin liegt die den Verwaltungsakt typusprägende Regelungswirkung. Das Prinzip demokratischer Legitimation zielt hingegen darauf, die Inhalte der Entscheidungen auf den Willen des Volkes zurückzuführen. Anknüpfungspunkt für das Prinzip demokratischer Legitimation ist demnach nicht die Rechtsquelle im Einzelfall, sondern der Ursprung der die Entscheidung tragenden materiellen Elemente. Verfügt der Amtswalter auf der unteren Stufe über Handlungs-, Wertungs- oder
38 So auch M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 259; damit setzt er sich allerdings in Widerspruch zu seinen vorhergehenden Ausführungen, wonach das bloße Bestehen von Weisungsbefugnissen den Entscheidungscharakter von Maßnahmen unberührt lassen soll (S. 258); insoweit übersieht er, daß inhaltliche Programmierung gerade auch durch Weisungen erfolgen kann. 39 Der Grund hierfür liegt letztlich im Hierarchieprinzip, das als Organisationsprinzip grundsätzlich dem gesamten Aufbau der staatlichen Verwaltung zugrunde liegt, vgl. dazu bereits ausführlich oben im ersten Teil, Kapitel 4, S. 87 ff; allgemein und umfassend zur hierarchisch gegliederten Verwaltung H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, passim. 40 Im Ergebnis ebenso M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 259; ders., Der Staat 32 (1993), 29 (40); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 80 f.; ders., VerwArch 81 (1990), 349 (357); G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 287.
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
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Ermessensspielräume, begründet er mit dem Verwaltungsakt nicht nur rein formal ein verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis, sondern bestimmt zugleich auch die dieses kennzeichnenden materiellen Elemente; insoweit übt er legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus. Sofern der Normanwender dagegen beim Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder detaillierter Weisungen Verwaltungsakte erläßt, bestimmt er selbst nicht über den - das Erfordernis demokratischer Legitimation auslösenden - materiellen Gehalt dieses Verwaltungsrechtsverhältnisses. Der Verwaltungsakt entfaltet zwar Regelungswirkung gegenüber dem einzelnen, weil er ein Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten mit konstituierender Wirkung begründet. Legitimationsbedürftige Staatsgewalt liegt insoweit aber nicht vor, denn die bereits von anderen Stellen - dem Parlament oder weisungserteilenden Exekutivorganen - getroffenen Entscheidungen werden lediglich auf den Einzelfall bezogen, ohne daß insoweit eine eigene, die Legitimationsbedürftigkeit auslösende Entscheidung getroffen wird. In den Fällen gesetzlicher Vollprogrammierungen oder beim Vollzug detaillierter Weisungen wird legitimationsbedürftige Staatsgewalt mithin nicht ausgeübt. Jedoch darf, um Mißverständnissen vorzubeugen, diese Erkenntnis nicht etwa zu der Annahme verleiten, daß damit die gesamte untere Stufe der hierarchisch gegliederten staatlichen Verwaltung, die sich auf den Vollzug gesetzlicher Programme oder exekutiver Einzelweisungen beschränkt, aus dem Anwendungsbereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG herausfällt 41. Denn vollziehende Verwaltung erschöpft sich regelmäßig nicht in dem automatenhaften Vollzug gesetzlicher oder exekutiver Vollprogramme, sondern nimmt regelmäßig auch gewisse eigene Entscheidungsbefugnisse wahr. Insbesondere die Gesetzesanwendung und -konkretisierung ist regelmäßig ein Akt wertender, rechtsschöpfender Erkenntnis. Eine detailliert gesetzesprogrammierte staatliche Verwaltung dürfte daher eher die Ausnahme sein42.
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Anderer Auffassung dagegen M Sachs, in: ders. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 20. 42 So auch M Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 94; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 163; Κ Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 14 Rdnr. 537; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 618; M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 259; E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 42; W. Krebs, DVB1. 1984, 109 (111 f.); J. Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 80 f.; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 189; U. Scheuner, DÖV 1969, 585 (591); G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 286 ff. 20 Brosius-Gersdorf
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Für die Deutsche Bundesbank ergibt sich damit folgende Beurteilung: Sofern die Bundesbank im ESZB mit der Ausführung der von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Vorgaben betraut ist, nimmt sie regelmäßig materielle Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG wahr. Nur wenn sich ihr Handeln in dem Vollzug vollständig programmierter Maßnahmen, insbesondere detaillierter Weisungen oder Entscheidungen der Europäischen Zentralbank erschöpft, ohne daß ihr - noch so geringe - eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben, übt sie selbst Entscheidungsbefugnisse nicht mehr aus43. Nur in diesen Fällen, in denen die Bundesbank zum bloßen Vollzugswerkzeug der Europäischen Zentralbank herabsinkt, unterfällt ihr Handeln nicht dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt und damit auch nicht dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. Anknüpfungspunkt für die demokratische Legitimation ist in diesem Fall das Handeln der Europäischen Zentralbank, die insoweit sowohl für die von ihr getroffenen Vorgaben als auch für deren Ausführung durch die Deutsche Bundesbank verantwortlich zeichnet44 aa) Entscheidung durch faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln? Bislang haben sich die Ausführungen darauf beschränkt, Argumente zu bemühen, die für eine Ausklammerung gesetzes- oder weisungsprogrammierter staatlicher Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt sprechen. Jedoch läßt sich eine abschließende Beurteilung dieses Problemkreises nicht vornehmen, ohne zumindest auch solche Argumente zu berücksichtigen, die möglicherweise gegen eine Restriktion des inhaltlich-gegenständlichen Bereichs der Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG sprechen könnten. Gegen die Exemtion entscheidungsarmer staatlicher Vollzugstätigkeit aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt wird vereinzelt vorgetragen, daß sich das Gebot demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG umfassend auf sämtliche Handlungsweisen des Staates erstrecke und daher für ein nicht legitimationsbedürftiges Reservat staatlichen Wirkens kein Raum sei. Auch solche staatlichen Maßnahmen, die inhaltlich vollständig programmiert
43 Zu der Steuerungskraft der einzelnen währungspolitischen Instrumente der Europäischen Zentralbank ausführlich in Kapitel 4, S. 287 - 290. 44 Zu der Einbeziehung europäischer Hoheitsgewalt in den Kreis legitimationsbedürftiger Gewaltausübung nach Art. 20 Abs. 2 GG noch eingehend unten, S. 327 ff.
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sind, seien nicht belanglos und müßten daher als legitimationsbedürftige Gewaltausübung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG qualifiziert werden 45. Eine solche Argumentation ließe sich unter den Auspizien des Demokratieprinzips nur dann aufrechterhalten, wenn man es für das dem Begriff der Staatsgewalt immanente Entscheidungsmoment genügen lassen wollte, daß der gesetzes- oder weisungsgebundene Amtswalter auf der unteren Stelle über die faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln verfügt. Mit anderen Worten: Wegen der tatsächlichen Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln lägen legitimationsauslösende Entscheidungselemente auch dann vor, wenn sich die staatliche Verwaltungstätigkeit auf den automatenhaften Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder Weisungen beschränkte. Dogmatisch ließe sich dies nur begründen, wenn man das dem Begriff der Staatsgewalt immanente Entscheidungsmerkmal weit faßte und darunter auch die faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln verstünde, ohne indes eine entsprechende rechtliche Entscheidungsbefugnis zu verlangen. Für ein solches Verständnis des Entscheidungsmerkmals ließe sich anführen, daß ansonsten diejenige staatliche Verwaltung, die sich auf den Vollzug detaillierter Weisungen oder gesetzlicher Volldeterminierungen beschränkt, aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt herausfiele und damit nicht der demokratischen Rückanbindung an den Willen des Volkes bedürfte. Zwar handelt es sich insoweit nur um einen eng umgrenzten Bereich staatlicher Verwaltung 46. In diesem Feld der Staatstätigkeit läge aber legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nicht vor und käme das Gebot demokratischer Legitimation nicht zum Tragen. In diesen Fällen könnten also zur Aufgabenerledigung nicht demokratisch legitimierte, gesellschaftliche oder andere Kräfte herangezogen werden, die - mangels personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation - nicht der Steuerung durch staatliche Stellen unterlägen. Machten aber die mit der Aufgabenerledigung betrauten Kräfte von ihrer faktischen Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln Gebrauch, so stünden nicht die erforderlichen Steuerungs- und Sanktionsmechanismen zur Verfügung, um dieses rechtswidrige Handeln zu unterbinden. Wegen dieser faktischen Machtvollkommenheit zum Rechtsbruch könnte man gewogen sein, legitimationsbedürftige Staatsgewalt auch beim Vollzug detaillierter Weisungen sowie in den Fällen gesetzlicher Volldeterminierungen anzuerkennen.
45 46
D. Ehlers, JZ 1987,218 (219). Dazu bereits oben im ersten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 43 (S. 100).
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Gegen eine solche Ausweitung des Begriffsmerkmals der Entscheidung ist jedoch einzuwenden, daß dieses sinnentleert würde und damit dem Aspekt der Staatsgewalt im materiellen Sinne kein eigenständiger Gehalt mehr zukäme, wollte man hierfür eine rechtliche Entscheidungsbefugnis nicht verlangen. Allein die faktische Möglichkeit, rechtswidrig zu handeln, vermag eine Entscheidungsbefugnis nicht zu begründen. Die Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln ist in dem gesamten Bereich der Staatstätigkeit gegeben, die rechtmäßige Umsetzung und Durchführung exekutiver oder legislatorischer Vorgaben ist nicht in jedem Fall gewährleistet. Nur begründet dieses Fehlerrisiko kein für das Merkmal der Entscheidung rechtlich relevantes Kriterium, sondern ist lediglich tatsächlicher Natur. Insoweit ist allein entscheidend, daß eine Rechtspflicht zu rechtmäßigem Handeln besteht. Rechtlich sind die vollziehenden staatlichen Stellen verpflichtet, in Einklang mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen zu handeln und die durch Gesetz oder Weisung getroffenen Vorgaben zu erfüllen. Will man an dem Merkmal der Entscheidung als Begrififselement der Staatsgewalt im materiellen Sinne festhalten, so muß man diesem einen eigenständigen Sinngehalt belassen und dafür eine eigene Willensbetätigung, einen selbständigen Entschließungsakt im Sinne einer rechtlichen Entscheidungsbefugnis verlangen; die faktische Machtvollkommenheit zu rechtswidrigem Handeln genügt hierfür nicht. Das durch die Ausklammerung weisungs- oder gesetzesprogrammierter staatlicher Maßnahmen aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt bewirkte Verantwortlichkeitsdefizit der vollziehenden Stellen läßt sich dadurch kompensieren, daß an ihre Stelle die Verantwortlichkeit der übergeordneten Verwaltungseinheiten tritt. Diese sind nicht nur für die von ihnen getroffenen Vorgaben, sondern auch für den Vollzug dieser Vorgaben durch die unteren Stellen verantwortlich und können, soweit erforderlich, für deren (rechtswidriges) Handeln zur Verantwortung gezogen werden. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, daß es für die Verantwortlichkeit der übergeordneten Stellen an der notwendigen Steuerungsbefugnis gegenüber den Verwaltungsstellen auf der unteren Stufe fehlt. Ein solcher Einwand beruhte auf dem Akzessorietätsverhältnis zwischen Kompetenz und Verantwortlichkeit: Verantwortlich gemacht werden kann nur, wer über entsprechende Steuerungsbefugnisse gegenüber dem zu verantwortenden Sachbereich verfügt 47. Nur in dem Umfang ihrer Kompetenzen können staatliche Funktionsträger zur Verantwortung gezogen werden 48. Allenfalls kann die Kompetenz den Ver47
M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 315 f. Zu der umstrittenen Frage des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Verantwortlichkeit und Kompetenz bei M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 314 ff; siehe hierzu auch bei E. Friesenhahn, WDStRL 16 (1958), 9 (40); P. Füßlein, Ministerialfreie Verwaltung, S. 309; J. Oebbecke, Weisungs- und unterrich48
Kap. 5: Legitimation der Bundesbank im ESZB
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antwortlichkeitsbereich überschreiten, jedoch keinesfalls umgekehrt eine Verantwortlichkeit für kompetenzlose Aufgabengebiete bestehen. Dieses einseitige Abhängigkeitsverhältnis läßt indes nicht den Schluß zu, daß Verantwortlichkeit von den übergeordneten Stellen nur dann eingefordert werden kann, wenn diese die vollziehenden Stellen sowohl in personeller als auch sachlich-inhaltlicher Hinsicht zu steuern in der Lage sind. Denn Voraussetzung für die Ausklammerung vollziehender Verwaltung aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt und damit Bedingung für die Verantwortlichkeit der übergeordneten Stelle ist gerade, daß die unteren staatlichen Stellen gesetzlichen oder exekutiven Volldeterminierungen unterliegen und über keine eigenen Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verfügen. Nur wenn eine solche strikte sachlich-inhaltliche Steuerung gegeben ist, fehlt es an dem legitimationsauslösenden Entscheidungsmoment und liegt somit legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nicht vor. Insoweit wird das Axiom von Verantwortlichkeit und Kompetenz also nicht durchkreuzt. Mithin vermag die faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln legitimationsauslösende Entscheidungselemente nicht zu begründen. Es bleibt damit bei dem zuvor gefundenen Ergebnis: Erschöpfen sich staatliche Wirkungsweisen - ausnahmsweise - in dem bloßen automatenhaften Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder detaillierter Weisungen, ohne daß den Verwaltungsstellen eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume zukommen, fehlt es an dem legitimationsauslösenden Entscheidungsmoment. Legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG liegt in diesen Fällen nicht vor. bb) Modifizierung des Legitimationsniveaus als Folge inhaltlicher Aufgabenprogrammierung? Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Ausländerwahlrecht zu den hamburgischen Bezirksversammlungen 49 abermals einen dogmatisch anderen Weg beschritten hat. Darin hat es die inhaltliche Vollprogrammierung staatlicher Wirkungsweisen nicht im Hinblick darauf diskutiert, ob es sich insoweit um legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG handelt. Vielmehr hat es die problembehaftete Rechtsfigur gesetzes- und weisungsdeterminierter staatlicher Maßnahmen als Frage der Modifikation des Legitimations-
tungsfreie Räume in der Verwaltung, S. 102; T. Puhl, Die Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz, S. 133; G. Vorbrugg, Unabhängige Organe der Bundesverwaltung, S. 219 f. 49
BVerfGE 83,60 ff.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
niveaus, als Absenkung der regulären Anforderungen des Prinzips demokratischer Legitimation erörtert 50. Erschöpfe sich der Gestaltungsspielraum vollziehender Verwaltung in der „meßbar richtigen Plan- oder Gesetzesdurchführung" und weisen staatliche Wirkungsweisen dementsprechend einen besonders geringen Entscheidungsgehalt auf, seien diese nicht etwa aus dem Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt auszuklammern, sondern insoweit könnten lediglich einzelne Elemente der im übrigen erforderlichen demokratischen Legitimation zurücktreten 51. Diesem methodologischen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts liegt bei Lichte betrachtet ein Verzicht auf das materielle Entscheidungsmerkmal der Staatsgewalt zugrunde. Dem braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden, da bereits an anderer Stelle deutlich gemacht wurde, daß das Entscheidungsmoment ein notwendiges Erfordernis für die Zuordnung staatlicher Wirkungsweisen zum Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt ist 52 . Zudem bleibt bei diesem Konzept des Bundesverfassungsgerichts aber auch unberücksichtigt, daß die Frage nach dem demokratischen Legitimationsniveau dem Begriff der Staatsgewalt logisch nachrangig ist. Zwischen dem Begriff der Staatsgewalt und dem Legitimationsniveau besteht ein unumkehrbarer einseitiger Ableitungszusammenhang in dem Sinne, daß die Ausübung von Staatsgewalt das Erfordernis demokratischer Legitimation auslöst und nicht umgekehrt. Anders gewendet: Das Prinzip demokratischer Legitimation drängt immer dann - und nur dann - auf Verwirklichung, wenn staatliche Wirkungsweisen als Ausübung von Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG zu qualifizieren sind. Liegt legitimationsbedürftige Staatsgewalt vor, so kommt das Gebot demokratischer Legitimation indes uneingeschränkt, das heißt in vollem Umfang zum Tragen. Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG ist ein Formalprinzip, das weder nach den einzelnen Bereichen der Staatsgewalt noch nach dem konkreten Entscheidungsgehalt staatlicher Maßnahmen differenziert. Kommt das Gebot demokratischer Legitimation zur Anwendimg, so
50
Zur Kritik an diesem dogmatischen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts auch M Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (51 ff). 51 So BVerfGE 83, 60 (74); insoweit weicht das Bundesverfassungsgericht von seinem früheren Beschluß zum kommunalen Ausländerwahlrecht zu den nordrhein-westfölischen Bezirksvertretungen ab, worin es das Entscheidungsmerkmal noch als Element des Begriffs der Staatsgewalt angesehen hat (vgl. BVerfGE 47, 253 [274]); darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, daß das Bundesverfassungsgericht diese Abweichung ausdrücklich bestreitet und sich statt dessen um eine nachträglich korrigierende Auslegung seiner früheren Rechtsprechung bemüht, vgl. BVerfGE 83, 60 (74); zu dieser Entscheidung und ihrer Einordnung in die Gesamtschau der bundesveifassungsgerichtlichen Judikatur ebenfalls dezidiertM Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (34 ff.). 52 Siehe dazu oben im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 33 (S. 38).
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drängt es ohne Wenn und Aber auf Verwirklichung 53. Angesichts dieser Baustruktur des demokratischen Prinzips verwundert es nicht, daß das Bundesverfassungsgericht die Antwort auf die Frage schuldig bleibt, welche Legitimationselemente in den Fällen gesetzes- oder weisungsdeterminierten staatlichen Handelns im einzelnen entbehrlich sein sollen54; denn dies erweist sich unter den Auspizien des Prinzips demokratischer Legitimation als unlösbares Unterfangen. Fazit: Gesetzes- und weisungsvollziehende programmierte staatliche Tätigkeit ist keine Frage der Modifikation des Legitimationsniveaus, sondern betrifft allein die begriffliche Zuordnung der betreffenden staatlichen Maßnahmen zum Bereich legitimationsbedürftiger Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG. I L Personelle Legitimation der Deutschen Bundesbank Nachdem sich im vorhergehenden erwiesen hat, daß die Deutsche Bundesbank auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion regelmäßig legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ausübt, ist nun zu prüfen, ob sie dabei über die von Verfassungs wegen gebotene demokratische Legitimation verfügt. Die nachfolgende Untersuchung wird sich dabei um einen Vergleich bemühen, welcher die demokratische Legitimation der Bundesbank vor und nach der dritten Stufe der Währungsunion gegenüberstellt55. Da sich im Hinblick auf die demokratischen Legitimationsanforderungen personelle und materielle Elemente unterscheiden lassen, werden diese Bauprinzipien im folgenden getrennt beleuchtet. Was insoweit die Grundlegung für diese beiden Bausteine im Modell demokratischer Legitimation anbelangt, so sei auf die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit verwiesen56, an die im folgenden angeknüpft wird.
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So treffend M Jestaedt, Der Staat 32 (1993), 29 (52). Vgl. BVerfGE 83, 60 (74), wo es nur heißt, daß „einzelne Legitimationselemente zurücktreten" könnten, aber offen bleibt, um was für Legitimationsbausteine es sich dabei handeln soll. 55 Zu dem Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der aktuellen Rechtslage eingehend oben im zweiten Teil, S. 127 ff. 56 Erster Teil, Kapitel 1, S. 39 ff. 54
3 1 2 4 . Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
1. Berufung der Mitglieder des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank In personeller Hinsicht muß gem. Art. 20 Abs. 2 GG eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte vom Volk bis hin zu sämtlichen mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswaltern der Deutschen Bundesbank bestehen57. Im Hinblick auf die Bestellung der Mitglieder des Zentralbankrates der Bundesbank als maßgeblichem Leitungsorgan ergeben sich nach Verwirklichung der dritten Stufe der Währungsunion nur geringfügige Änderungen. Weder die Art. 105 ff. EGV noch die ESZB-Satzung enthalten Bestimmungen über das Berufungsverfahren der Entscheidungsträger der nationalen Zentralbanken. Die Bestellung der Mitglieder der nationalen Notenbanken bleibt damit auch nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion eine Angelegenheit der Mitgliedstaaten und bestimmt sich somit für die Deutsche Bundesbank nach den §§ 5 ff. BBankG. Davon abweichende Regelungen hätten der ausdrücklichen Anordnung durch das (primäre oder sekundäre) Gemeinschaftsrecht bedurft, weil allein die Mitgliedstaaten als „Herren der Gemeinschaftsverträge" 58 den institutionellen Rahmen für das supranationale Recht der Europäischen Gemeinschaften festlegen. Solange und soweit das Gemeinschaftsrecht entsprechende Vorschriften über das Berufungsverfahren der nationalen Notenbankmitglieder nicht enthält, bleibt es für die Bundesbank bei den in §§ 5 ff. BBankG getroffenen Bestimmungen. Abweichende Regelungen enthalten die Vorschriften des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts lediglich im Hinblick auf die Länge der Amtszeit und die Möglichkeit der Abberufung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Hierauf wird im folgenden eingegangen. 2. Amtszeit der Präsidenten der nationalen Zentralbanken nach Art 14.2. Satz 1 ESZB-Satzung In Art. 14.2. Satz 1 ESZB-Satzung ist abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG bestimmt, daß in den Satzungen der nationalen Zentralbanken für die Präsidenten der jeweiligen Zentralbank eine Amtszeit von mindestens fünf Jahren vorzusehen ist. Im Vergleich zu der derzeitigen Rechtslage wird damit die Amtszeit des Bundesbankpräsidenten um drei Jahre verlängert (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG). Da die Amtsdauer ein wesentlicher Faktor zur Siche-
57 58
Vgl. dazu die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 1, S. 39 ff. Vgl. nochmals BVerfGE 89, 155 (190).
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rung der persönlichen Unabhängigkeit der Amtsinhaber ist 59 , wird damit ein - im Vergleich zur aktuellen Rechtslage - zusätzlicher kleiner Baustein zur Stärkung der personellen Unabhängigkeit des Bundesbankpräsidenten gelegt. 3. Abberufung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken nach Art 14.2· Satz 2 ESZB-Satzung Eine weitere Änderung sieht schließlich auch die Vorschrift des Art. 14.2. Satz 2 ESZB-Satzung vor. Während im Bundesbankgesetz Vorschriften über die Abberufung der Bundesbankmitglieder fehlen, regelt Art. 14.2. Satz 2 ESZB-Satzung die Voraussetzungen für die Entlassung der Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Diese können danach nur entlassen werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Ausübung ihres Amtes nicht mehr erfüllen oder eine schwere Verfehlung begangen haben. Gegen ihre Entlassung können die Präsidenten der nationalen Zentralbanken und der EZB-Rat wegen Verletzung des EG-Vertrags oder anderer von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigender gemeinschaftsrechtlicher Rechtsnormen gem. Art. 14.2. Satz 3 ESZBSatzung Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben. Im Bundesbankgesetz fehlt es dagegen an einer entsprechenden Regelung über die Abberufung des Bundesbankpräsidenten. Insoweit ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen seine Entlassung möglich ist 60 . Dabei herrscht jedoch - unabhängig von der Frage nach den einzelnen Voraussetzungen der Abberufung und ihrer dogmatischen Verortung - Einigkeit darüber, daß die Entlassung des Bundesbankpräsidenten nur bei groben Pflichtverstößen möglich ist. Insoweit gelten also nach nationalem Recht für die Abberufung des Bundesbankpräsidenten entsprechende - wenn auch ungeschriebene - Voraussetzungen. Die Regelung des Art. 14.2. Satz 2 ESZB-Satzung weicht mithin von der derzeitigen Rechtslage nach dem Bundesbankgesetz nicht nennenswert ab. Ein Unterschied besteht lediglich insofern, als die Vorschrift des Art. 14.2. Satz 2 ESZB-Satzung einen Gewinn an Rechtssicherheit bedeutet. Denn darin hat der Gesetzgeber - im Unterschied zu dem insoweit lückenhaften Bundesbankgesetz - in wünschenswerter Deutlichkeit die Voraussetzungen für die Abberufung der nationalen Zentralbankpräsidenten ausdrücklich festgeschrieben 61.
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Dazu bei H. Beck, Kommentar zum Bundesbankgesetz, E 166, § 7 Κ 216 und M 431; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 109 f. 60 Dazu bereits oben im zweiten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 11 -18 (S. 132). 61 Dadurch dürfte sich wohl der im nationalen Rechtskreis geftlhrte Meinungsstreit über die Voraussetzungen fiir die Abberufung der Bundesbankmitglieder nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion erledigen.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Im Ergebnis läßt sich damit festhalten, daß das personelle Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion nahezu unverändert bestehen bleibt. Insoweit kann für das Berufungsverfahren der Mitglieder des Zentralbankrats auf die Ausführungen im zweiten Teil der Arbeit verwiesen werden 62. Danach ist der Zentralbankrat der Bundesbank ein Kollegialorgan, dessen Mitglieder ihre demokratische Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen; die Deutsche Bundesbank verfügt demnach auch nach Verwirklichimg der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation63. Ein Unterschied zu der derzeitigen Rechtslage ergibt sich lediglich insoweit, als durch den EG-Vertrag und die ihm beigefügte ESZB-Satzung die Mindestamtszeit des Präsidenten der Deutschen Bundesbank um drei Jahre erhöht und die Voraussetzungen für seine Abberufung explizit geregelt werden. I I I . Sachlich-inhaltliche Legitimation der Deutschen Bundesbank In den Vordergrund rückt damit das zweite Element demokratischer Legitimationsvermittlung. Geprüft werden soll, ob die Deutsche Bundesbank bei der Erfüllung der ihr obliegenden währungspolitischen Aufgaben im ESZB über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation verfügt. Die nachfolgende Untersuchung bezieht sich dabei freilich nur auf diejenigen Aufgabenfelder der Bundesbank, in denen sie legitimationsbedürftige Staatsgewalt ausübt und in denen das Gebot demokratischer Legitimation demnach überhaupt zum Tragen kommt 64 . Das derzeitige sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit der Bundesbank könnte sich nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion in einem anderen Lichte darstellen. Grundlage dieser Überlegung ist die mit dem Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion einhergehende Neugestaltung der währungspolitischen Kompetenz- und Aufgabenverteilung in Europa. Wie bereits dargelegt, wird die Deutsche Bundesbank mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion Teil eines Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken, innerhalb dessen die maßgebliche währungspolitische Bestimmungs-
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Insoweit gelten die Ausführungen im zweiten Teil, Kapitel 2, S. 129 ff, entsprechend. 63 Zu der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Legitimationsdefizits bereits im zweiten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 1 (S. 173), sowie im ersten Teil, Kapitel 2 (S. 55 ff.). 64 Zu dieser Frage ausführlich oben auf S. 292 - 311.
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macht bei der Europäischen Zentralbank liegt 65 . Während der Deutschen Bundesbank vor Beginn der dritten Stufe der Währungsunion ein umfassender Autonomiebereich in allen währungspolitischen Angelegenheiten zukommt, ist sie nach diesem Zeitpunkt Teil der unteren Vollzugsstufe eines hierarchisch gegliederten Europäischen Verbundsystems. Ihre Aufgabe und Funktion erschöpft sich im wesentlichen darin, die von der Europäischen Zentralbank getroffenen monetären Entscheidungen auszuführen. Mit dieser Eingliederung der Bundesbank in das hierarchisch strukturierte Europäische System der Zentralbanken könnten im Vergleich zu der derzeitigen Rechtslage weitere sachlich-inhaltliche Legitimationsverluste für die Bundesbank verbunden sein. Dies deswegen, weil sie im ESZB der Steuerung der Europäischen Zentralbank unterworfen ist, deren demokratische Legitimation zweifelhaft erscheint. Insoweit könnte sich der bestimmende Einfluß der Europäischen Zentralbank auf die Deutsche Bundesbank in demokratiestaatlicher Hinsicht in demselben Maße als problematisch erweisen, wie sich die Mitbestimmungs- und Ingerenzrechte nicht demokratisch legitimierter gesellschaftlicher oder anderer Gruppen sub specie des Demokratieprinzips darstellen66. Damit ist deutlich geworden, daß die sachlich-inhaltliche Legitimation der Bundesbank maßgeblich von der Frage der demokratischen Legitimation der Europäischen Zentralbank abhängt. Doch auch unter einem weiteren Gesichtspunkt erscheint die demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank erörterungswürdig. Wie gezeigt, übt die Bundesbank im ESZB auf bestimmten Feldern der Politikgestaltung keine legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus, mit der Folge, daß sie insoweit für ihr Handeln nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. An die Stelle der fehlenden demokratischen Verantwortlichkeit der Bundesbank tritt in diesen Fällen die Verantwortlichkeit der Europäischen Zentralbank sowohl für ihre eigenen währungspolitischen Entscheidungen als auch für deren Ausführung durch die Bundesbank. Diese Verantwortungsverlagerung von der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank vermöchte nur dann seine spezifische demokratische Sinnfälligkeit zu entfalten, wenn auch die Europäische Zentralbank als Teil der europäischen Hoheitsgewalt dem Gebot demokratischer Legitimation unterläge und demnach sowohl in personeller als auch sachlich-inhaltlicher Hinsicht der Rückführbarkeit auf den Willen des deutschen Volkes bedürfte. Denn nur in diesem Fall bestünden die notwendigen demokratischen Bindungen der 65
Vgl. dazu die eingehende Darstellung der Zuständigkeitsverteilung zwischen den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank im ESZB in Kapitel 4, S. 282 ff. 66 Zur demokratischen Legitimation von Kollegialorganen im ersten Teil, Kapitel 3, S. 70 ff.
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Europäischen Zentralbank, um sie für das Handeln der Bundesbank zur Verantwortung ziehen zu können. Zweifelhaft erscheint die Legitimationsbedürftigkeit der Europäischen Zentralbank aber deswegen, weil sie Teil eines europäischen Verwaltungsapparates ist und nach Art. 106 Abs. 2 EGV Rechtspersönlichkeit als europäischer Rechtsträger genießt. Ist es demnach erforderlich, auf die demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank einzugehen, so soll im Sinne einer notwendigen Vorfrage geklärt werden, welche demokratischen Anforderungen für europäische Einrichtungen und Organe von Verfassungs wegen zum Tragen kommen. In einem ersten Schritt werden daher zunächst die Grundlagen eines Demokratiegebotes für die europäische Hoheitsgewalt herausgearbeitet; dabei geht es allein um die verfassungsrechtlichen Grundlagen für ein Gebot verfassungsrechtlicher, auf das deutsche Staatsvolk zurückgehender demokratischer Legitimation der Europäischen Union 67 (dazu unter 1.- 4.). In einem weiteren Schritt wird sodann der Frage nachgegangen, welches demokratische Legitimationsniveau für die europäische Hoheitsgewalt nach der Verfassung gilt. Konkret ist zu beantworten, ob die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union denselben demokratischen Anforderungen unterliegen, wie sie nach dem Grundgesetz für die Ausübung deutscher Staatsgewalt gelten68, oder ob insoweit ein anderes demokratisches Gewährleistungsprofil zum Tragen kommt 69 (dazu unter 5.). Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wird in einem dritten Schritt untersucht, ob die Europäische Zentralbank über die nach dem Grundgesetz gebotene demokratische Legitimation verfügt (dazu unter 6.). Da sich hierbei herausstellen wird, daß die Europäische Zentralbank defizitär demokratisch legitimiert ist, wird schließlich in einem vierten und letzten Schritt gefragt, ob und inwieweit dieses Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank Auswirkungen auf die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken hat (dazu unter 7).
67 Zu dieser Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes noch sogleich bei Fn. 73 (S. 317). 68 Zu den demokratischen Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG für die Ausübung deutscher Staatsgewalt ausführlich oben im ersten Teil, S. 30 ff. 69 Wenn daher im folgenden von demokratischer Legitimation die Rede ist, so läßt dieser Begriff noch keine Schlüsse darauf zu, welche demokratischen Legitimationsanforderungen für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt gelten.
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1. Dogmatische Grundlage des Gebots verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union Zunächst stellt sich also die Frage, ob von Verfassungs wegen ein Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation für die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union besteht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Maastricht-Urteil ausdrücklich klargestellt, daß auch europäische Institutionen der demokratischen Legitimation bedürfen, da die Bundesrepublik Deutschland mit dem Beitritt zur Europäischen Union deren Entscheidungsgewalt unterworfen werde 70. Die Einräumung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union habe zur Folge, daß diese verbindliche Entscheidungen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland und damit für das deutsche Volk treffe. Aus diesem Grunde müsse gewährleistet sein, daß der Europäische Staatenverbund demokratisch legitimiert ist 71 . Daran ändere auch nichts, daß die Bundesrepublik Deutschland nur als einer unter mehreren gleichberechtigten Mitgliedstaaten in der Europäischen Union mitzuwirken berechtigt sei und dementsprechend nicht die alleinige Entscheidungsgewalt, sondern lediglich Mitentscheidungsbefugnisse besitze. Zwar sei die Bundesrepublik Deutschland dadurch an die Beschlüsse der Europäischen Union unabhängig davon gebunden, ob sich diese gerade auf ihre eigene Beteiligung zurückführen ließen. Jedoch bedürfe die Ausübung von Entscheidungsbefugnissen auch dann der demokratischen Legitimation, wenn sie nicht vollkommen unabhängig von anderen erfolgen könne, sondern mit deren Zuständigkeiten verschränkt sei 72 . Steht somit nach der Karlsruher Judikatur fest, daß die Ausübung von Hoheitsgewalt durch Organe und Einrichtungen der Europäischen Union der demokratischen Legitimation bedarf, so ist damit noch nicht geklärt, was sedes materiae eines solchen Demokratiegebots ist. Dieses kann sich prinzipiell aus verschiedenen, nebeneinanderstehenden Rechtsquellen ergeben. Insoweit kommen das Völkerrecht, das Europäische Gemeinschaftsrecht und das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten in Betracht 73. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird lediglich der zuletzt genannte Aspekt herausgegriffen und untersucht, ob nach dem Grundgesetz eine auf das deutsche Volk zurückreichende demokratische Legitimation der Europäischen Union erforderlich ist. Ob und inwieweit 70
BVerfGE 89, 155(182). BVerfGE 89,155 (181 ff). 72 BVerfGE 89, 155 (183); so auch bereits BVerfGE 47,253 (274); 83,60 (73). 73 Zu (Uesen verschiedenen Rechtsquellen als Grundlage für ein Demokratiegebot in Europa A Randelzhofer, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 39 (40 ff); P. M Huber, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 349 (350 f.); ders., in: Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft 1992/93,179 (180 f.). 71
3 1 4 .
Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
daneben von Verfassungs oder von Gemeinschafts wegen auch eine gemeinschaftsrechtliche, von den Unionsbürgern ausgehende Legitimation geboten ist, würde den Rahmen der Arbeit sprengen und muß daher außer Betracht bleiben. Von Interesse ist hier also allein, ob nach dem Grundgesetz ein Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation für die Europäische Union besteht. Im folgenden wird das Augenmerk zunächst auf Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG gerichtet und der Frage nachgegangen, ob sich aus dieser verfassungsrechtlichen Vorschrift verbindliche Direktiven für eine demokratische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Europäischen Union ergeben [dazu unter a)]. Hierbei wird sich zeigen, daß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG allein das Erfordernis gemeinschaftsrechtlicher demokratischer Legitimation aufstellt und damit als sedes materiae einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Europäischen Union ausscheidet. Daher muß im Anschluß daran nach anderen Wegen für eine verfassungsrechtliche Fundierung eines solchen Demokratiegebotes Ausschau gehalten werden; in diesem Zusammenhang wird die Verfassungsbestimmung des Art. 20 Abs. 2 GG in das Zentrum der Überlegungen rücken [dazu unter b)]. a) Art 23 Abs. 1 Satz 1 GG als Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union?
Der frühere Art. 23 GG enthielt ursprünglich Regelungen zum räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes. Er wurde anläßlich des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrags über die Europäische Union aufgehoben und durch die heutige Fassung ersetzt74. Nunmehr regelt Art. 23 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union sowie die Beteiligung bundesdeutscher Staatsorgane an der Willensbildung in der Europäischen Union 75 . Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, daß die Euro-
74 Art. 23 GG wurde vor allem deswegen eingeführt, weil man der Auffassung war, daß das im Vertragswerk von Maastricht niedergelegte Integrationsstadium über das Stadium einer „zwischenstaatlichen Einrichtung", wie es in Art. 24 GG a.F. hieß, hinausgehe und im Verhältnis zu dieser ein aliud darstelle; zu dieser Frage ausführlich D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 44 ff.; A. Randelzhof er, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 200; eingehend zu dem neuen Art. 23 GG auch U. Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 ff. 75 Vgl. dazu H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnrn. 1 f.
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päische Union erhebliche Rückwirkungen auf die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland hat 76 . Gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Daran knüpft der zweite Satz des Art. 23 Abs. 1 GG an und bestimmt, daß der Bund hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen kann. Damit markiert Art. 23 Abs. 1 GG die Grenzen der zulässigen Übertragung deutscher Hoheitsrechte auf die Europäische Union 77 . In formeller Hinsicht ist hierfür ein Bundesgesetz erforderlich, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf 78. In materieller Hinsicht knüpft Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG die Hoheitsrechtübertragung unter anderem an die Bedingung, daß die Europäische Union demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist 79 . Damit ist klargestellt, daß die Europäische Union über eine demokratische Baustruktur verfügen muß, damit ihr die Bundesrepublik Deutschland Hoheitsrechte übertragen darf. Offen ist hingegen die Frage, wie die Begriffe „demokratische Grundsätze" auszulegen sind, mit anderen Worten, ob damit auf ein gemeinschaftsrechtliches oder (auch) auf ein verfassungsrechtliches Demokratieprinzip Bezug genommen wird. Der Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG liefert fiir die Beantwortung dieser Frage keine Anhaltspunkte. Die Wendung „demokratische Grundsätze" ist neutral gehalten und läßt beide Auslegungsmöglichkeiten zu.
76 Zu der vor Inkrafttreten des Art. 23 GG n.F. gem. Art. 24 Abs. 1 GG a.F. bestehenden Möglichkeit der Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen ausführlich L. Grämlich, Europäische Zentralbank und Art. 24 Abs. 1 GG. 77 Zu den Grenzen zulässiger Übertragungen von Hoheitsrechten auf die Europäische Union auch A. Dittmann, in: R. Caesar / R. Ohr (Hrsg.), Maastricht und Maastricht Π, 39(42). 78 Zu den formellen Voraussetzungen für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG im einzelnen H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnrn. 7 ff; O. Rojahn, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 23 Rdnrn. 41 ff.; R. Scholz, NJW 1992,2593 (2596). 79 Vgl. zu den weiteren materiellen Grenzen für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
aa) Systematische Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Als hilfreich erweist sich jedoch der systematische Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gewährleistungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG knüpft die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union an die Bedingung, daß diese demokratischen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und über einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz verfügt 80. Was den Grundsatz der Subsidiarität anbelangt, so konkretisiert Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG insoweit das Subsidiaritätsprinzip des EG-Vertrags (Art. 3b Abs. 2 EGV), das allein für die Europäischen Gemeinschaften Geltung beansprucht und die Regelungskompetenzen im Verhältnis der drei Gemeinschaften zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft. Dem Grundsatz der Subsidiarität nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG kommt damit ein ausschließlich gemeinschaftsbezogener Gehalt zu. Die systematische Stellung zu diesem allein gemeinschaftsbezogenen Strukturprinzip läßt auch die demokratischen Grundsätze, die als weitere Verpflichtung für die Europäische Union in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG festgeschrieben sind, als ein der Europäischen Union wesenseigenes, also gemeinschaftsrechtliches Fundamentalprinzip erscheinen. Entsprechende Rückschlüsse lassen sich auch aus dem weiteren in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verwendeten Begriff des „Grundrechtsschutzes" ziehen. Die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG getroffene Formulierung, wonach die Europäische Union über einen Grundrechtsschutz verfügen muß, der dem des deutschen Grundgesetzes im wesentlichen vergleichbar ist, macht deutlich, daß es sich insoweit um einen eigenständigen, von dem grundgesetzlichen Grundrechtsstandard zu trennenden gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutz handelt; der erforderliche Grundrechtsschutz muß durch europäische Grundrechte vermittelt werden. Durch den Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist somit klargestellt, daß die Europäische Union über einen europäischen Grundrechtsstandard verfügen muß 81 . Der Grundrechtsschutz, auf den Art. 23 Abs. 1 80
Diese Bedingung des im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes der Europäischen Union, an die Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union knüpft, stellt eine Konkretisierung der Solange IiEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts [E 73, 339 (378)] dar, ebenso P. Kirchhof, NJW 1996,1497 (1501); A. Randelzhofer, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 202; P. Wilhelm, BayVBl. 1992, 705 (707); anderer Ansicht dagegen U. Everling, FAZ vom 15. 10. 1992, S. 8, der insoweit die Auffassung vertritt, daß diese Forderung über die höchstrichterliche Judikatur des Bundesverfassungsgerichts im Solange Π-Beschluß hinausgehe. 81 Im Ergebnis ebenso H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 10; zu dem - insoweit eine Parallelfrage behandelnden -
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Satz 1 GG Bezug nimmt, ist also ein gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsschutz82. Da mithin der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene Begriff des „Grundrechtsschutzes" im Sinne eines europäischen Grundrechtsschutzes zu lesen ist, können mit den „demokratischen Grundsätzen" nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verständigerweise auch nur die gemeinschaftsrechtlichen demokratischen Grundsätze gemeint sein. Die systematische Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, genauer: die Gesamtschau der drei Gewährleistungen dieser Verfassungsbestimmung hat damit ergeben, daß die Europäische Union gemeinschaftsrechtlichen demokratischen Grundsätzen verpflichtet ist. Die durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verbindlich vorgeschriebene demokratische Legitimation der Europäischen Union muß sich daher aus gemeinschaftsrechtlichen, nicht aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen speisen. bb) Teleologische Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Konträr zu diesem im Wege der systematischen Auslegung gewonnenen Ergebnis könnte die ratio legis des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG eine die gemeinschaftsrechtliche Färbung des Begriffs „demokratische Grundsätze" transzendierende Deutung dieser Verfassungsvorschrift gebieten. Die durch Art. 23 Abs. 1 GG geforderte demokratische Legitimation der Europäischen Union könnte neben der gemeinschaftsrechtlichen auch der grundgesetzlichen Legitimationsquelle entspringen. Danach ließe Art. 23 Abs. 1 GG als Legitimationssubjekt für die Europäische Union sowohl die Unionsbürger als auch das deutsche Staatsvolk zu 83 . Die gemeinschaftsrechtliche und die verfassungsrechtliche Legitimationsfigur stünden nebeneinander und wären funktional auf dasselbe Ziel gerichtet: auf eine demokratisch legitimierte Europäische Union.
Streit, wie die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Verpflichtung der Europäischen Union zuföderativen Grundsätzen auszulegen ist, konkret, ob diese Verpflichtung nur auf die Gliederung im Inneren der Bundesrepublik Deutschland oder auch auf den inneren Aufbau der Europäischen Union bezogen ist, R. Breuer, NVwZ 1994,417 (425); P. Kunig, in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 591 (595); A. Randelzhofer, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 241 Rdnr. 202. 82 Zu dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutz im einzelnen M. Zuleeg, in: U. Battis / E. G. Mahrenholz / D. Tsatsos (Hrsg.), Das Grundgesetz im internationalen Wirkungszusammenhang der Verfassungen, S. 229 (236 ff). 83 Zu der Unionsbürgerschaft als Ursprung gemeinschaftsrechtlicher Legitimation BVerfGE 89, 155 (184 ff.); siehe dazu auch C. D. Classen , ZRP 1993, 57 (59); H J. Hahn, Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche Übereinkunft, S. 135 f. 21 Brosius-Gersdorf
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Zur Ermittlung des Normziels des Art. 23 Abs. 1 GG erscheint es angezeigt, insoweit zwischen der sogenannten Struktursicherungsklausel und der Integrations- und öffhungsklausel dieser Verfassungsbestimmung zu differenzieren 84. Beide Gewährleistungen sollen im folgenden auf ihren Regelungszweck hin untersucht werden; in ihrem Lichte soll die hier in Rede stehende Frage beantwortet werden, ob zu den „demokratischen Grundsätzen" im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG neben den gemeinschaftsrechtlichen auch die verfassungsrechtlichen demokratischen Grundsätze zählen. (1) Regelungsziel der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG aufgestellte Verpflichtung zur demokratischen Ausgestaltung der Europäischen Union ist ein Element der sogenannten Struktursicherungsklausel 85. Die Struktursicherungsklausel ist ein wesentlicher Baustein in der Gesamtarchitektur des Art. 23 Abs. 1 GG. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, am Prozeß der Europäischen Integration mitzuwirken (Integrationsklausel). Der zweite Satz des Art. 23 Abs. 1 GG berechtigt den Bund, zu diesem Zwecke Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen und damit die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die Europäische Union im innerstaatlichen Bereich zu ermöglichen (Öffhungsklausel). Dabei macht das Grundgesetz die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Mitwirkung am europäischen Integrationsprozeß und die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union von bestimmten Bedingungen abhängig, die im einzelnen in der sogenannten Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG genannt sind. Diese Struktursicherungsklausel soll sicherstellen, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nicht zu einem „ E i n b r u c h in das Grundgefüge der Bundesrepublik Deutschland, in die sie konstituierenden Strukturen" 86 führt. Die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zielt demnach ihrer spezifischen Regelungsintention entsprechend auf die Wahrung der we84
Zu dieser Terminologie R. Scholz, NJW 1992,2593 (2598: ,Jntegrationsöf5iungsklausel"); ders., in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 5; siehe auch D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 63 ff. 85 Zu dieser Begrifflichkeit abermals R. Scholz, NJW 1992, 2593 (2598); siehe ferner M Meißner, Die Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften, S. 125; F. Ossenbühl, DVB1. 1993,629 (633); H.-P. Schneider, NJW 1994, 558 (559); R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 15. 86 BVerfGE 73, 339 (375 f.); siehe dazu auch Λ Scholz, NJW 1992,2593 (2598).
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sentlichen Strukturprinzipien des Grundgesetzes, des unverzichtbaren, zum Grundgefüge der geltenden Verfassungsordnung gehörenden Essentiales87. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG markiert damit die Ziellinie der Gewährleistung bestimmter Strukturelemente unserer Verfassungsordnung - wozu auch das Demokratieprinzip zählt -, diesseits derer der Bundesrepublik Deutschland die Mitwirkung am Europäischen Integrationsprozeß und die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union von Verfassungs wegen, konkret: durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG untersagt ist. Das Ziel der Beachtung des Prinzips demokratischer Legitimation durch die Europäische Union ist demnach in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG unverrückbar festgelegt. Über diese Zielbestimmimg hinaus bestimmt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch auch verbindliche Direktiven, auf welche Weise diesem Ziel entsprochen werden soll. Mit anderen Worten: Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG regelt auch das Mittel zur Erreichung des Normziels, nämlich zur Verwirklichung einer demokratischen Grundsätzen entsprechenden Europäischen Union, indem sie die Europäische Union eigenen, gemeinschaftsrechtlichen demokratischen Grundsätzen unterwirft 88. Das bedeutet aber nicht, daß daneben andere Mittel zur Verwirklichung des durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG vorgegebenen Normziels von vornherein ausscheiden müßten. Dafür, daß das in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG aufgeführte Mittel den Kreis der normativen Verwirklichungsinstrumente abschließend regelt, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dies hat zur Folge, daß auch andere, nämlich verfassungsrechtliche Sicherungsinstrumente von der ratio legis der Struktursicherungsklausel erfaßt sein können, sofern diese dem Normziel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zur Verwirklichung zu verhelfen in der Lage sind. Bezogen auf das demokratische Element der Struktursicherungsklausel bedeutet dies, daß neben den gemeinschaftsrechtlichen auch verfassungsrechtliche Legitimationsquellen herangezogen werden können, sofern sie der Europäischen Union die durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verbindlich vorgeschriebene demokratische Legitimation vermitteln, also das Ziel erreichen können89. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG begründet indes derartige zusätzliche Struktursicherungsinstrumente nicht. Vielmehr besagt diese Verfassungsbestimmung lediglich, daß solche Struktursicherungsmittel, sofern sie denn aufgrund anderer verfassungsrechtlicher Vorschriften bestehen, in den Anwendungsbereich der 87
BVerfGE 73, 339 (376). So auch R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnrn. 16 f. 89 Im Ergebnis ebenso H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 16; ablehnend dagegen R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 87. 88
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Struktursicherungsklausel miteinbezogen werden können, weil sie ebenso wie entsprechende gemeinschaftsrechtliche Grundsätze dem Normziel zu dienen geeignet sind. Eine Einbeziehung verfassungsrechtlicher Legitimationsquellen in den Gewährleistungsbereich der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist damit nach der ratio legis dieser Verfassungsbestimmung durchaus möglich. Allerdings setzt dies voraus, daß die Europäische Union dem Anwendungsfeld des Prinzips verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation im Sinne des Grundgesetzes unterfällt. Insoweit kommt als dogmatische Grundlage allein Art. 20 Abs. 2 GG in Betracht, der noch an anderer Stelle erörtert wird 90 . Dieses Auslegungsergebnis findet seine Parallele in dem weiteren, den grundrechtlichen Schutz in der Europäischen Union betreffenden Strukturprinzip des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG. Danach muß die Europäische Union einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleisten. Die Europäische Union muß also über einen eigenen, das heißt gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandard verfügen 91. Dies bedeutet freilich nicht, daß neben den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten die Grundrechte des Grundgesetzes keine Anwendung finden, also die Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe nicht am Maßstab der verfassungsrechtlichen Grundrechte überprüft werden können. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht den räumlichen Anwendungsbereich der deutschen Grundrechte und die Vergleichsperspektive bei deren Anwendung auf die europäische Hoheitsgewalt erweitert 92, wobei die Grundrechte insoweit freilich nicht ihre vollständige Schutzwirkung entfalten und nur ausnahmsweise zu einer Unabwendbarkeitserklärung sekundären Gemeinschaftsrechts durch deutsche Gerichte legitimieren 93. Die Gemeinschaftsgrundrechte und die Grundrechte des Grundgesetzes nehmen also ebenso wie die gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Legitimationsmöglichkeiten am Gewährleistungsgehalt der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG teil.
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Siehe dazu unten auf S. 327 ff. Dazu bereits oben bei Fn. 81 (S. 320). 92 BVerfGE 89,155(174). 93 So BVerfGE 89, 155 (175), wonach der Europäische Gerichtshof und die nationalen Gerichte bei der Verwirklichung grundrechtlichen Rechtsschutzes in einem „Kooperationsverhältnis" stehen, in dem primär dem Europäischen Gerichtshof die Aufgabe der Grundrechtssicherung zukommt, während die nationalen Gerichte Grundrechtsschutz nur subsidiär und nur beschränkt auf den „unabdingbaren Grundrechtsstandard" gewährleisten; zur Kritik an dieser vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Konzeption//. Gersdorf, DVB1. 1994, 674 ff; C. Tietfe, JuS 1994, 197 (200 ff); aus jüngster Zeit auch A Gern, NVwZ 1996, 532 (533). 91
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(2) Regelungsziel der Integrations- und öffhungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG Im folgenden ist der Frage nachzugehen, ob die Regelungsintention, die der Integrations- und öffhungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG zugrunde liegt, eine weite Bestimmung des normativen Gehalts der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG gebietet, welche neben der gemeinschaftsrechtlichen Legitimationsform auch die verfassungsrechtliche Legitimation der Europäischen Union miteinbezieht. Die sogenannte Integrationsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG berechtigt die Bundesrepublik Deutschland nicht nur, sondern verpflichtet sie auch, zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken; zu diesem Zwecke kann die Bundesrepublik Deutschland nach der öffhungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen. Damit greift Art. 23 Abs. 1 GG die bereits in der Präambel des Grundgesetzes getroffene Grundsatzentscheidung auf 94 und erteilt der Bundesrepublik Deutschland einen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Verwirklichung eines vereinten Europas durch die Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Union 95 . In diesem Verfassungsauftrag kommt die bewußte Abkehr des Parlamentarischen Rates von der Idee des geschlossenen Nationalstaates und das Bekenntnis zur Integrationsoffenheit der Bundesrepublik Deutschland zum Ausdruck 96. Zusätzlich erlangt dieser Integrationsauftrag dadurch besonderen verfassungsrechtlichen Stellenwert 97 , daß der Unionsartikel in die Fußstapfen des bisher geltenden Art. 23 GG a.F. getreten ist, was deutlich werden läßt, daß der Verfassungsgesetzgeber die Verwirklichung eines vereinten Europas auf dieselbe Stufe stellt wie
94 Vgl. dazu BVerfGE 47, 377 (382); BVerwGE 87, 237 (239); A. Dittmann, in: R. Caesar / R. Ohr (Hrsg.), Maastricht und Maastricht Π, 39 (40); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 1; O. Rojahn, in: I. v. Münch (Hrsg.), Grundgesetzkommentar ΙΠ, Art. 24 Rdnr. 1; C. Tomuschat, in: J. Isensee / P. Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VII, § 172 Rdnr. 1 ff. 95 BT-Drs. 12 / 3338, S. 6; so auch A. Dittmann, in: R. Caesar / R. Ohr (Hrsg.), Maastricht und Maastricht Π, 39 (40 f.); H. Hofmann , in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995, 155 (164); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 3; R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 10. 96 A. Dittmann, in: R. Caesar / R. Ohr (Hrsg.), Maastricht und Maastricht Π, 39 (40). 97 BVerfGE 73, 339 (386); H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Präambel Rdnr. 4; M. Zuleeg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Alternativ-Kommentar, Präambel Rdnr. 60.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
das ursprüngliche, mit der Verwirklichung der innerstaatlichen Einheit obsolet gewordene Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands. Die Integrations- und öffhungsklausel zielt demnach auf eine aktive Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am europäischen Integrationsprozeß. Die Mitwirkung wird aber an bestimmte Kautelen gebunden, die in der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zum Ausdruck kommen. Sofern die Europäische Union den dort aufgestellten Anforderungen nicht genügt, ist es der Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen verwehrt, sich am europäischen Integrationsprozeß zu beteiligen und hierzu Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen. Mit Blick auf das Normziel der Integrations- und öffhungsklausel ist die Struktursicherungsklausel in einer Weise auszulegen, die ihrer Regelungsintention entsprechend einen umfassenden Schutz der dortigen Verfassungsgüter gewährleistet, ohne dabei den grundgesetzlichen Integrationsauftrag zu beschränken. Anders gewendet und das verfassungsrechtliche Spannimgsverhältnis zwischen der Integrations- und öffhungsklausel einerseits und der Struktursicherungsklausel andererseits in einem das Gebot praktischer Konkordanz wahrenden Sinne auflösend: Nur solange und soweit ein Mitwirkungs- und Öffnungsverbot für die Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung der in der Struktursicherungsklausel enthaltenen Schutzgüter erforderlich ist, kann es nach der Verfassung Wirkung entfalten. Mithin ist von mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, welche die Sperrwirkung der Struktursicherungsklausel nur dann zur Entfaltung gelangen läßt, wenn dies zum Schutz der einzelnen Struktursicherungselemente erforderlich ist. Wie gezeigt, läßt die demokratische Komponente der Struktursicherungsklausel zwei verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu. Zum einen kommt als Legitimationsquelle ausschließlich die gemeinschaftsrechtliche in Betracht, zum anderen die gemeinschaftsrechtliche und die verfassungsrechtliche. Bei der ersten Interpretation entfaltete die Sperrwirkung der Struktursicherungsklausel bereits dann ihre Wirkkraft, wenn die Europäische Union über keine eigene, gemeinschaftsrechtliche Legitimation verfügte. Im zweiten Fall hingegen käme das Mitwirkungs- und Übertragungsverbot erst dann zum Tragen, wenn sich die Europäische Union weder auf eine gemeinschaftsrechtliche noch auf eine verfassungsrechtliche Legitimation berufen könnte. Da der Integrations- und Öffnungsauftrag des Grundgesetzes im ersten Fall ungleich stärker beschränkt würde, folgt aus dem Sinn und Zweck der Integrations- und Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, daß die Struktursicherungsklausel im Sinne der zweiten Auslegungsmöglichkeit zu lesen ist. Denn nur dann, wenn die Europäische Union weder gemeinschaftsrechtlich noch verfassungsrechtlich demokratisch legitimiert ist, ist ein verfassungsrechtliches Mit-
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wirkungs- und Übertragungsverbot erforderlich und vermag die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Sperrwirkung zu entfalten. b) Art 20 Abs. 2 GG als Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen Union
Die Ausführungen zum normativen Gehalt des Art. 23 Abs. 1 GG haben deutlich werden lassen, daß sich das darin vorgegebene Ziel einer demokratischen Grundsätzen entsprechenden Europäischen Union auf unterschiedlichen Wegen erreichen läßt: Als Legitimationsquellen, also als Mittel der Legitimationsstiftung, kommen sowohl die gemeinschaftsrechtliche als auch die verfassungsrechtliche demokratische Legitimation in Betracht. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG selbst begründet dabei für die Europäische Union nur die Verpflichtung zur gemeinschaftsrechtlichen Legitimation. Daneben läßt diese Verfassungsvorschrift aber noch andere, weitere Mittel der Legitimationsvermittlung zu, nämlich eine auf verfassungsrechtlichen Grundlagen beruhende demokratische Legitimation der Europäischen Union, ohne dabei freilich sedes materiae für eine solche Legitimation zu sein. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG begründet demnach nicht mit konstitutiver Wirkung das Gebot verfassungsrechtlicher Legitimation der Europäischen Union, sondern vermag dieses Legitimationskonzept, das seinen dogmatischen Ursprung in anderen, neben Art. 23 Abs. 1 GG stehenden Verfassungsbestimmungen findet, lediglich in seinen Gewährleistungsbereich mitaufzunehmen. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG rezipiert also nur ein nach anderen Vorschriften des Grundgesetzes bestehendes Gebot verfassungsrechtlicher Legitimation der Europäischen Union; dies setzt aber voraus, daß eine solche Verpflichtung der Europäischen Union zur verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimation nach anderen Verfassungsbestimmungen besteht. Als eine solche die verfassungsrechtliche demokratische Verpflichtung der Europäischen Union auslösende Grundgesetzvorschrift kommt allein Art. 20 Abs. 2 GG in Betracht. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob die Europäische Union dem Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG und damit dem Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation unterfällt. aa) Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG
Gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Eine die europäische Hoheitsgewalt ausschließende Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG scheint zunächst der Teilbegriff der „Staatsgewalt" nahezulegen98. Denn 98
So apodiktisch C. D. Classen , AöR 119 (1994), 238 (241).
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danach ist der Kreis tauglicher Legitimationsobjekte insofern näher umgrenzt, als legitimationsbedürftig nur die Ausübung staatlicher Gewalt ist. Bei der Europäischen Union fehlt es jedoch an diesem Merkmal". Eine nach der DreiElementen-Lehre definierte Staatlichkeit im Sinne einer Alleinzuständigkeit hoheitlichen Wirkens, einer Kompetenz-Kompetenz und einer umfassenden Gebiets- und Personalhoheit wird der Europäischen Union allgemein abgesprochen 100. Sie besitzt keine eigene Kompetenz zur Erweiterung ihrer Zuständigkeiten101, sondern ihre Aufgaben sowie die zu ihrer Wahrnehmimg eingeräumten Befugnisse werden nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung102 von den Mitgliedstaaten festgelegt. Ausschließlich die Mitgliedstaaten sind als „Herren der Gemeinschaftsverträge" befugt, Inhalt und Umfang der Tätigkeitsfelder der Europäischen Union zu bestimmen103. Die Europäische Union ist daher kein eigenständiger Staat, sondern ein europäischer Staatenveibund, zu dem sich mehrere unabhängige und souveräne Staaten zusammengeschlossen haben, um einige ihrer Befugnisse und einen Teil ihrer Souveränität gemeinsam auszuüben104. Diese Erkenntnis könnte einer Einbeziehung der europäischen Hoheitsgewalt in den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG von vornherein einen verfassungsrechtlichen Riegel vorschieben. Ist in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG nur von Staatsgewalt, nicht jedoch auch von Hoheitsgewalt, die von einem europäischen Staatenverbund ausgeht, die Rede, so scheint der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG wegen der prägenden Unterschiede zwischen der Staatlichkeit einerseits und einem Staatenverbund andererseits einer Geltungs-
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Zur Rechtsnatur der Europäischen Union H. Lecheler, in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 383 ff. 100 Vgl. nur BVerfGE 75, 223 (242); 89, 155 (181); H.-J. Blanke, DÖV 1993, 412 (414 f.); Ρ. M. Huber, AöR 116 (1991), 210 (221 f.); ders., in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 349 (351 f.); siehe auch dens., in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 349 (353 f.); vgl. abermals dens., Maastricht ein Staatsstreich?, S. 29 ff; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 187 ff, 197 f.; P. Kirchhof, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 11 (12 f.); R. Scholz, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 11; zu den Begriffsmerkmalen eines Staates ausführlich A. Verdross / B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 379; siehe auch H.J. Blanke, DÖV 1993,412 (414). 101 Dazu P. M. Huber, in: Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft 1992/93,179 (183 ff.), ders., Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 29 ff. 102 Vgl. Art. 3b EGV; dazu auch P. M. Huber, Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 29 f., 43 f.; R. Scholz, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 19. 103 BVerfGE 75,223 (242); siehe ferner BVerfG, NJW 1993, 3047 (3052). 104 Zu der Qualifizierung der Europäischen Union als Staatenverbund bereits eingehend im dritten Teil, Kapitel 2, bei und in Fn. 257 (S. 247).
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erweiterung des Gebots demokratischer Legitimation auf die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt entgegenzustehen. Eine solche grammatikalische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bezöge sich jedoch lediglich auf das Teilelement der Staatlichkeit. Der hier maßgebliche Begriff der „Staatsgewalt" umfaßt aber darüber hinaus auch ein Gewaltmoment. Kennzeichnend für das Gewaltmerkmal ist jede verbindliche hoheitliche Entscheidimg, die mit Wirkung für das deutsche Volk getroffen wird 1 0 5 . Da die drei Europäischen Gemeinschaften mit eigener Hoheitsgewalt ausgestattet sind, die Verbindlichkeit und Geltungskraft auch im innerstaatlichen Bereich beansprucht, übt sie (Hoheits-)Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG aus. Rückt man in das Zentrum der grammatikalischen Interpretation des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG das Gewaltmoment, so müßte der Begriff der Staatlichkeit (Staatsgewalt") in einem über die Drei-ElementenLehre hinausgehenden, funktionalen Sinne verstanden werden, der jede mit der Ausübung von Hoheitsgewalt betraute staatliche, supranationale oder sonstige Einrichtung dem Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG unterstellt 106. Diese Auslegung des Wortlautes des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG beruht freilich auf einer besonderen Akzentuierung des Gewaltmerkmals, welches damit zum Ausgangspunkt der begrifflichen Konturierung des weiteren Elements der Staatlichkeit avanciert. Mit anderen Worten: Das Moment der Staatlichkeit wird im Lichte des Gewaltelements bestimmt, das Gewaltmoment also gegenüber dem Begriffselement der Staatlichkeit stärker gewichtet. Und genau an dieser Stelle läßt sich ein möglicher Einwand anbringen. Setzt sich der Begriff der Staatsgewalt aus den Elementen „Staat" und „Gewalt" zusammen, so könnte man umgekehrt auch das Moment der Staatlichkeit besonders hervorheben und dieses zurrichtungsweisenden Voraussetzung für die Auslegung des Gewaltaspekts erklären. Danach stünden beide Begriffselemente in einem Stufenverhältnis zueinander, welches das Element der Staatlichkeit dem der Gewalt voranstellte. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses wäre das Gewaltmerkmal nicht im Sinne der Ausübung von Hoheitsgewalt, sondern als eine von staatlichen Stellen wahrgenommene Gewaltausübung zu verstehen. Da die Europäische Union als Staatenverbund selbst nicht die Begriffsmerkmale der Staatlichkeit erfüllt, fiele sie demnach nicht in den Anwendungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG.
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Vgl. dazu oben auf S. 296 ff. Zu den verfassungsrechtlichen Ermächtigungen, Hoheitsrechte auf fremde Einrichtungen zu übertragen, noch unten vor Fn. 110. 106
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Ob die Europäische Union dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG unterfällt, hängt demnach von der näheren Bestimmung und Akzentuierung dieser beiden Begriffsmerkmale der „Staatsgewalt", der Staatlichkeit einerseits und des Gewaltmoments andererseits ab. Eine verbindliche und zwingende Aussage über das Verhältnis dieser beiden Teilaspekte der Staatsgewalt läßt sich aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG nicht gewinnen. Daher vermag die grammatikalische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG keine eindeutige Antwort auf die hier in Rede stehende Frage zu geben, ob die Europäische Union dem Geltungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG unterliegt und deshalb ihre demokratische Legitimation auch aus nationalen Legitimationsquellen, also vom deutschen Staatsvolk beziehen kann. bb) Systematischer Gesamtzusammenhang des Art 20 Abs. 2 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen Läßt sich aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 GG zumindest keine zwingende Aussage für eine Einbeziehung der europäischen Hoheitsgewalt in den Anwendungsbereich des Legitimationsprinzips des Art. 20 Abs. 2 GG gewinnen, so könnten bei der Normexegese systematische Überlegungen weiterführen. (1) Systematischer Zusammenhang zwischen den Begriffen „Staatsgewalt" und „Volk" in Art. 20 Abs. 2 GG Eine auf die deutsche Staatsgewalt bezogene Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG könnte sich aus der systematischen Verknüpfung zwischen dem Begriff der Staatsgewalt als Objekt demokratischer Legitimation und dem Begriff des Volkes als Legitimationssubjekt staatlichen Handelns ergeben. Das in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegte Prinzip der Volkssouveränität, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wird durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG konkretisiert. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG knüpft an den vorhergehenden Satz an und bestimmt, daß die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechimg ausgeübt wird. Das Volk, von dem die Staatsgewalt ausgeht, ist das deutsche Volk. Dies ergibt sich nicht nur aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 2 GG zur Präambel des Grundgesetzes, sondern auch aus der Systematik zu den Verfassungsbestimmungen der Art. 33 Abs. 1 und 2, 56, 64 Abs. 2, 116 und 146 GG, die an die Zugehörigkeit zum deutschen Volk anknüpfen 107. Da mithin der in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG enthaltene Begriff des „Volkes" im Sinne des deutschen Staatsvolkes zu
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lesen ist und also allein das deutsche Staatsvolk Legitimationssubjekt und Ausgangspunkt aller Staatsgewalt ist, legt dies nahe, daß auch mit dem Begriff der „Staatsgewalt" nach Art. 20 Abs. 2 GG die deutsche Staatsgewalt gemeint ist. Die systematische Auslegung der beiden in Art. 20 Abs. 2 GG enthaltenen Begriffe „Volk" und „Staatsgewalt" ergibt damit, daß unter „Staatsgewalt" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die deutsche Staatsgewalt zu verstehen ist - ohne daß damit bereits ein abschließendes Urteil über die Reichweite des Normgehaltes des Art. 20 Abs. 2 GG getroffen wäre. (2) Systematik des Art. 20 Abs. 2 zu Art. 38 Abs. 1 GG Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung auch in dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 2 zu Art. 38 Abs. 1 GG. Gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vollzieht sich die Ausübung der Staatsgewalt wesentlich in Wahlen und Abstimmungen. Mit den Wahlen sind in erster Linie die Wahlen zum Deutschen Bundestag gemeint. Deren nähere Ausgestaltung findet sich in Art. 38 Abs. 1 GG geregelt. Danach werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestags nach bestimmten Wahlrechtsgrundsätzen gewählt. Aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 2 zu Art. 38 Abs. 1 GG ergibt sich daher, daß die nach Art. 20 Abs. 2 GG legitimationsbedürftige Staatsgewalt vom deutschen Volk durch die Wahlen zum Deutschen Bundestag ausgeübt wird. Der Deutsche Bundestag ist aber Teil der deutschen Staatsgewalt. Das systematische Zusammenspiel zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 1 GG gibt mithin deutlich zu erkennen, daß Art. 20 Abs. 2 GG den Begriff der Staatsgewalt zumindest seiner ursprünglichen Ausrichtung entsprechend als deutsche Staatsgewalt versteht und damit wenigstens in erster Linie die deutsche Staatsgewalt dem Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation unterwirft. (3) Systematischer Zusammenhang zwischen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG Ausschlaggebend für die - zumindest ursprüngliche - Begrenzung des Prinzips demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG auf die deutsche
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Zu der Begründung, warum als „Volk" im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nur das deutsche Staatsvolk anzusehen ist, unter Rekurs auf den systematischen Zusammenhang mit den genannten Verfassungsnormen ausführlich BVerfGE 83, 37 (50 ff); siehe auch BVerfGE 83, 60 (81); zu dem auf das deutsche Staatsvolk beschränkten Begriff des Volkes nach Art 20 Abs. 2 GG auch H.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (24); P. M. Huber, DÖV 1989, 531 (532 ff.).
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Staatsgewalt erscheint schließlich der systematische Zusammenhang zwischen Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Gem. Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Bundesstaat. Damit wird deutlich, daß das Demokratieprinzip als Strukturmerkmal seinem räumlichen Anwendungsbereich nach auf den Staat Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist. Diese Strukturentscheidung des Art. 20 Abs. 1 GG zugunsten einer demokratischen Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland wird durch Art. 20 Abs. 2 GG näher konkretisiert 108. Durch Art. 20 Abs. 2 GG wird die in Abs. 1 getroffene verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung für die demokratische Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland dahingehend ausgeformt, daß das Volk Ausgangspunkt aller Staatsgewalt ist. Art. 20 Abs. 2 GG knüpft an die verfassungsrechtliche Strukturentscheidung in Art. 20 Abs. 1 GG an und erklärt das Prinzip der Volkssouveränität zum Fundament des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips, ohne indes dadurch etwas an dem durch Art. 20 Abs. 1 GG festgelegten, auf die Bundesrepublik Deutschland räumlich begrenzten Geltungsbereich des Demokratieprinzips zu ändern. Aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ergibt sich damit, daß legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland, mithin die deutsche Staatsgewalt ist. Als Ergebnis der bisherigen systematischen Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG zu anderen Verfassungsbestimmungen, insbesondere zu Art. 20 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 GG, läßt sich mithin festhalten, daß der Begriff der Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG primär als deutsche Staatsgewalt zu verstehen ist und damit zuvörderst die deutsche Staatsgewalt dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG unterfällt. Damit ist jedoch noch keine verbindliche Entscheidung darüber getroffen, ob daneben auch die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt in den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG miteinzubeziehen ist. Ob dies der Fall ist, läßt sich letztverbindlich nur im Wege einer teleologischen Bestimmung der Reichweite des Art. 20 Abs. 2 GG ermitteln. Dazu im folgenden.
108
Zum Verhältnis von Art. 20 Abs. 1 GG als Grundnorm zu Art. 20 Abs. 2 GG als Konkretisierung Ε. T. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, S. 39; R. Herzog, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 I Rdnr. 52; M Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 155; B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rdnr. 1.
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cc) Teleologische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG Die ratio legis des Art. 20 Abs. 2 GG könnte in Abweichung zu dem im Wege der systematischen Auslegung gewonnenen Ergebnis eine Einbeziehung der Europäischen Hoheitsgewalt in den Anwendungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation gebieten. Das Prinzip demokratischer Legitimation ist Ausfluß des in Art. 20 Abs. 2 GG niedergelegten Prinzips der Volkssouveränität, das das Volk zum eigentlichen Träger der Ausübung jedweder staatlichen Hoheitsgewalt erhebt. Danach muß sichergestellt sein, daß die Wahrnehmung von hoheitlichen Befugnissen auf den Willen des Volkes rückfühlbar ist. Jede hoheitliche Entscheidung, die verbindliche Geltungskraft für das deutsche Volk erlangt, muß von ihm legitimiert sein, das heißt seinen legitimatorischen Ursprung im Willen des deutschen Volkes nehmen109. Das Prinzip der demokratischen Legitimation zielt darauf, einen (ununterbrochenen) Zurechnungszusammenhang zwischen der Ausübung hoheitlicher Gewalt einerseits und der Gewaltunterworfenheit des deutschen Volkes andererseits zu gewährleisten, um auf diese Weise dem in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnden Prinzip der Volkssouveränität zu entsprechen. Demnach wird die Legitimationsdürftigkeit nach dem spezifischen Sinngehalt des Art. 20 Abs. 2 GG immer dann ausgelöst, wenn hoheitliche Befugnisse mit verbindlicher Wirkung für das deutsche Staatsvolk wahrgenommen werden. Mit der Ausübung solcher legitimationsbedürftigen Hoheitsgewalt sind im Regelfall staatliche Funktionsträger der Bundesrepublik Deutschland betraut. Daher entfaltet das Prinzip demokratischer Legitimation seine spezifische Kraft - wenigstens bislang - in erster Linie bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch nationale Stellen. Hierauf kann sich jedoch der Anwendungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation nicht beschränken. Der Grund für eine Erweiterung seines Geltungsbereichs liegt in den verfassungsrechtlichen Ermächtigungen (Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 24 Abs. 1, 24 Abs. la GG und Art. 88 Satz 2 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG), Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland auf supranationale, zwischenstaatliche oder grenznachbarschaftliche Einrichtungen sowie auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. In allen diesen Fällen gestattet das Grundgesetz, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu öffnen und die Ausübung fremder Hoheitsgewalt im innerstaatlichen Bereich zu ermöglichen 110. Wird von dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht und Hoheitsgewalt auf fremde, nichtstaatliche, außerhalb der Bundesrepublik
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So ganz deutlich BVerfGE 93, 37 (68 ff.). BVerfGE 37,271 (280); 58,1 (28); 59,63 (90); 68,1 (90); 73, 339 (374); 89, 155(182). 110
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Deutschland stehende Einrichtungen übertragen, unterliegt das deutsche Volk dieser fremden Hoheitsgewalt, die verbindliche Entscheidungen mit Wirkung für das deutsche Volk treffen kann 111 . Der nach dem Prinzip demokratischer Legitimation erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen der Ausübung hoheitlicher Gewalt einerseits und der Gewaltunterworfenheit des Volkes andererseits kann in diesem Fall nur dann sichergestellt werden, wenn die fremde Hoheitsgewalt in den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG miteinbezogen wird. Das Prinzip demokratischer Legitimation wird also auch dann sinnfällig, wenn fremde Hoheitsträger mit der Ausübung hoheitlicher Entscheidungsmacht betraut werden, die - ebenso wie die von nationalen Stellen getroffenen Entscheidungen - für das deutsche Volk verbindlich ist. Da diese fremden Einrichtungen Recht mit Wirkung auch für das Volk der Bundesrepublik Deutschland zu setzen befugt sind, erstreckt sich das Prinzip demokratischer Legitimation seinem spezifischen Sinngehalt entsprechend auch auf die Wahrnehmung dieser fremden Hoheitsgewalt. Die Einbeziehung der mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt betrauten fremden Einrichtungen in den durch Art. 20 Abs. 2 GG zu gewährleistenden Zurechnungszusammenhang ist demnach die von Verfassungs wegen notwendige Kehrseite der grundgesetzlichen öffiiungsklauseln. Kurzum: Die verfassungsrechtlichen Öflnungsklauseln und das Prinzip demokratischer Legitimation stehen in einem korrelativen Zusammenhang. Die teleologische Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG hat damit ergeben, daß der Begriff der Staatsgewalt nicht auf die deutsche Staatsgewalt beschränkt ist, sondern auch die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt mit Wirkung für das deutsche Volk erfaßt 112. Damit haben sich die durch die grammatikalische und die systematische Auslegung verbliebenen Zweifel an der Reichweite des Prinzips demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG ausräumen lassen. Das Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG erfaßt demnach seinem spezifischen Sinngehalt entsprechend jede Ausübung hoheitlicher Befugnisse, die verbindliche Geltungskraft für das deutsche Volk erlan-
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Für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union BVerfGE 89, 155(181 f.). 112 Im Ergebnis ebenso P. M. Huber, in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 349 (362, 364 f.); anderer Auffassung dagegen C. D. Classen, AöR 119 (1994), 238 (241 f.), der Art. 20 Abs. 2 GG unter Berufung auf den Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung nur Bedeutung für die deutsche Staatsgewalt beimißt; ebenso auch G. F. Schuppert, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1994, 35 (53), der den Anwendungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG auf die von einem Staat ausgeübte Gewalt beschränkt und dementsprechend davon ausgeht, daß sich die Legitimationsproblematik der Europäischen Union nur dann stellte, wenn sie als Staat zu qualifizieren wäre.
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gen, gleich, ob diese durch nationale staatliche Stellen oder durch nichtstaatliche, fremde Einrichtungen ausgeübt werden. 2. Doppelte Legitimationsbasis der Europäischen Union Die bisherigen Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß sich die Europäische Union auf zwei verschiedene Legitimationsquellen stützen kann und damit über eine doppelte Legitimationsbasis verfügt 113 : Zum einen über eine gemeinschaftsrechtliche demokratische Legitimation, auf welche die Verfassungsbestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Bezug nimmt; zum anderen über eine auf Art. 20 Abs. 2 GG beruhende verfassungsrechtliche Legitimation. Die gemeinschaftsrechtliche Legitimation findet ihren Ursprung in der Aktivbürgerschaft der Europäischen Union und setzt sich fort über das Europäische Parlament bis hin - wenngleich nicht lückenlos - zu den mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Einrichtungen und Organen der Europäischen Union 114 . Die verfassungsrechtliche Legitimation dagegen geht vom deutschen Volk aus und wird über den Deutschen Bundestag vermittelt 115 . Dieser duale, verschiedenen Legitimationsquellen entspringende Zurechnungszusammenhang in der Europäischen Union ist die Konsequenz der Baustruktur der Europäischen Union, die zwar rechtlich autonom ist, aber als Staatenverbund stets ein von den Mitgliedstaaten abgeleitetes, aus diesen bestehendes Gebilde bleibt. Diese doppelte Legitimationsgrundlage für die Europäische Union findet ihre Entsprechung darin, daß auch nationale Stellen, soweit sie in Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts tätig werden, sich sowohl auf eine verfassungsrechtliche als auch auf eine gemeinschaftsrechtliche demokratische Legitimation berufen können. Da die Europäischen Gemeinschaften, von wenigen Ausnahmen abgesehen, selbst über keine Vollzugsorgane verfügen, sondern die 113 Im Ergebnis ebenso, allerdings ohne nähere dogmatische Begründung BVerfGE 89, 155 (182 ff, insbesondere 184); siehe auch Club von Florenz, Europa: Der unmögliche Status quo, S. 63 f.; H.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (37 f.); U. Everling, DVB1. 1993, 936 (944); D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 65 f.; C. Kirchner / A. Schwarze, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995, 183 (199 f.); W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 13, 87; P. M. Schmidhuber, in: Festschrift für U. Everling Π, S. 1265 (1271 ff.); R. Scholz, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 57; J. Schwarze, JZ 1993, 585 (588 f.); J. Wolf JZ 1993, 594 (598). 114 Zur gemeinschaftsrechtlichen Legitimation der Europäischen Union umfassend W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 67 ff ; zu den Voraussetzungen einer europäischen Demokratie D. Grimm, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995,509 (520 ff.). 115 Vgl. hierzu BVerfGE 89,155 (182 ff.).
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Ausführung sekundären Gemeinschaftsrechts in der Regel den Mitgliedstaaten der Europäischen Union obliegt, kommt diesem Legitimationsdualismus nationaler Stellen maßgebliche Bedeutung zu. In personeller Hinsicht leiten die nationalen Stellen in diesem System dualer Legitimationszusammenhänge ihre Legitimation ausschließlich vom deutschen Volk ab. In sachlich-inhaltlicher Hinsicht tritt die gemeinschaftsrechtliche Legitimation hinzu, die in ihrer Intensität und Bedeutung nach Maßgabe der Steuerungskraft der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben differiert. Mag diese doppelte Legitimationsbasis sowohl der Europäischen Union als auch nationaler Stellen beim Vollzug sekundären Gemeinschaftsrechts auf den ersten Blick als staatsrechtliches Novum anmuten, so finden sich bei Lichte betrachtet vergleichbare Strukturen auch im innerstaatlichen Verfassungsgefilge der Bundesrepublik Deutschland116. Als Beispiel hierfür sei abermals die Bundesauftragsverwaltung genannt. Bei diesem Verwaltungstypus leiten die zuständigen Landesstellen ihre nach Art. 20 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gebotene demokratische Legitimation in personeller Hinsicht ausschließlich vom Landesvolk her. Dagegen wird ihnen sachlich-inhaltliche Legitimation, sofern der Bund die Sachkompetenz an sich zieht, vom Bundesvolk vermittelt 117 . Auch insoweit besteht also ein System dualer Legitimationszusammenhänge, in dem die mit der Ausübung von Hoheitsgewalt betrauten Stellen ihre demokratische Legitimation aus verschiedenen Legitimationsquellen beziehen118. 3. Zusammenspiel zwischen Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Art 20 Abs. 2 GG: Wechselseitige Komplementarität gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Legitimation Beruht demnach das Legitimationsmodell der Europäischen Union auf zwei verschiedenen Legitimationsquellen, so erhellt hieraus, daß sowohl die ge-
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Dieser für die kommunale Selbstverwaltung von E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (359 f.), geprägte Begriff der doppelten Legitimationsbasis bietet sich auch für die Charakterisierung des LegitimationsgefÜges der Europäischen Union und nationaler, mit dem Vollzug europäischen Gemeinschaftsrecht betrauten Stellen an. 117 Entsprechend dem oben entwickelten Modell demokratischer Legitimation verfügen die Landesstellen in diesem Fall nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG gebotene demokratische Legitimation. Dieses Legitimationsdefizit dürfte aber im Interesse bundesstaatlicher Erwägungen (Art. 20 Abs. 1 GG) gerechtfertigt und damit von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sein. 118 Ein weiteres Beispiel für duale Legitimationszusammenhänge in der nationalen staatlichen Verwaltung bildet die Kommunalverwaltung im übertragenen Aufgabenkreis, hierzu E. Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (359 f.).
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meinschaftsrechtliche als auch die verfassungsrechtliche Legitimation auf ein und dasselbe Ziel gerichtet sind, nämlich auf die Verwirklichung einer demokratischen Grundsätzen entsprechenden Europäischen Union 119 . Ebenso wie im verfassungsrechtlichen Legitimationsgefüge die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsform in einem Verhältnis der Komplementarität stehen, bestehen auch im Verhältnis der gemeinschaftsrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Legitimation vergleichbare funktionale Korrelative 120 . Beide Legitimationsformen sind funktional darauf gerichtet, dem Prinzip demokratischer Legitimation in seinem jeweiligen Anwendungsfeld zur Verwirklichung zu verhelfen. Diese funktionale Verzahnung beider Legitimationsketten hat Bedeutung sowohl für das Legitimationsgefüge der Europäischen Union als auch für die Legitimationsstruktur nationaler Stellen, sofern sie in Vollzug sekundären Gemeinschaftsrechts tätig werden: Defizite in der gemeinschaftsrechtlichen Legitimationsstruktur europäischer Einrichtungen und Organe können durch eine entsprechende Verstärkung verfassungsrechtlicher Legitimationselemente kompensiert werden und umgekehrt 121. Ebenso können verfassungsrechtliche Legitimationsdefizite der mit dem Vollzug europäischer Vorgaben betrauten nationalen Stellen durch eine entsprechend stark ausgeprägte gemeinschaftsrechtliche Legitimation ausgeglichen werden. Stehen demnach sowohl im Legitimationsmodell der Europäischen Union als auch im Legitimationsgefüge nationaler Stellen beim Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts die gemeinschaftsrechtliche und die verfassungsrechtliche Legitimation in einem Verhältnis wechselseitiger Komplementarität, so ist damit noch nicht geklärt, ob zwischen diesen beiden Legitimationsformen ein Rangverhältnis besteht, mit anderen Worten: ob die gemeinschaftsrechtliche oder die verfassungsrechtliche Legitimation Vorrang gegenüber der jeweils anderen genießt122.
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Zu der Ziel- und Mittelvorgabe des Art. 23 Abs. 1 GG oben bei Fn. 88 (S. 323). Zur Komplementarität der gemeinschaftsrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Legitimationsform BVerfGE 89, 155 (182 ff., insbesondere 184). 121 So wohl auch Λ Breuer, NVwZ 1994,417 (424). 122 Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Maastricht-Urteil (E 89, 155 [184]), wonach die Europäische Union „zuvörderst" von den Staatsvölkern der Mitgliedstaaten demokratisch legitimiert sein müsse und nur „ergänzend" eine demokratische Abstützung der Politik der Europäischen Union auf die von den Unionsbürgern ausgehende und über das Europäische Parlament vermittelte Einflußnahme hinzutrete, beziehen sich lediglich auf die derzeitige, tatsächliche Situation, in der die Europäische Union noch über keine ausreichende eigene (gemeinschaftsrechtliche) demokratische Legitimation verfügt. Ein von Verfassungs wegen bestehender Vorrang der verfassungsrechtlichen vor der gemeinschaftsrechtlichen demokratischen Legitimation läßt sich hieraus nicht ableiten. 120
22 Brosius-Gersdorf
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Für die Beantwortung dieser Frage könnte abermals die Verfassungsbestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Anhaltspunkte liefern. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG markiert das Ziel einer demokratischen Ausgestaltung der Europäischen Union. Als Mittel der Legitimationsstiftung kommen dabei sowohl die gemeinschaftsrechtliche als auch die verfassungsrechtliche Legitimation der Europäischen Union in Betracht 123. Indes regelt Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG selbst lediglich die Verpflichtung der Europäischen Union zur gemeinschaftsrechtlichen Legitimation. Hieraus könnte man die Schlußfolgerung ziehen, daß der Verfassungsgesetzgeber der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation gegenüber der verfassungsrechtlichen Legitimationsmöglichkeit der Europäischen Union Vorrang eingeräumt, also die gemeinschaftsrechtliche Legitimation zum verfassungsrechtlichen Regelfall im Prozeß demokratischer Legitimationsvermittlung erkoren hat. Dagegen läßt sich jedoch anführen, daß für die einseitige Fokussierung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG auf die gemeinschaftsrechtliche Legitimationsmöglichkeit ein spezifischer Grund besteht: Da die Verpflichtung der Europäischen Union zur gemeinschaftsrechtlichen Legitimation nicht bereits aus anderen Bestimmungen des Grundgesetzes folgt, bedurfte es zu deren Begründung der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 getroffenen Anordnung. Das Grundgesetz hat insoweit mit konstitutiver Wirkung ein entsprechendes Gebot gemeinschaftsrechtlicher Legitimation für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt begründet. Diese Verpflichtung tritt neben das in Art. 20 Abs. 2 GG verankerte, seit jeher bestehende, Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation, das immer dann auf Verwirklichung drängt, wenn Hoheitsgewalt mit verbindlicher Wirkung für das deutsche Staatsvolk ausgeübt wird, unabhängig davon, ob es sich insoweit um nationale Stellen oder um kraft nationalen Übertragungsakts mit der Ausübung von Hoheitsgewalt betraute europäische Einrichtungen und Organe handelt. Allein darin liegt der Grund für die einseitige Ausrichtung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG auf die gemeinschaftsrechtliche Legitimation der Europäischen Union. Daß nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zwischen den beiden Mitteln der Legitimationsverwirklichung der Europäischen Union ein Rangverhältnis zugunsten der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation besteht, erscheint außerdem auch deswegen ausgeschlossen, weil die in dieser Verfassungsbestimmimg verankerte Struktursicherungsklausel beide Legitimationsquellen in ihren Gewährleistungsbereich miteinbezieht, also neben der unmittelbar in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG wurzelnden gemeinschaftsrechtlichen Legitimation auch die verfassungsrechtliche Legitimation aus Art. 20 Abs. 2 GG rezipiert.
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Vgl. hierzu nochmals oben bei Fn. 88 (S. 323 f.).
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4. Fazit: Legitimationsanforderungen fur die Deutsche Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Aus den im vorhergehenden gewonnenen Erkenntnissen lassen sich für die Deutsche Bundesbank im ESZB folgende Legitimationserfordernisse ableiten: (1) Handelt die Deutsche Bundesbank in Wahrnehmung eigener, nicht durch die Europäische Zentralbank vorausbestimmter währungspolitischer Entscheidungsbefugnisse 124, besteht für sie insoweit uneingeschränkt das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. Eine Kompensation nationaler Demokratiedefizite durch eine gemeinschaftsrechtliche Legitimation scheidet aus. (2) Wird die Deutsche Bundesbank im ESZB in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl noch eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume und damit eigene Entscheidungsbefugnisse 125, kommt für sie nach Art. 20 Abs. 2 GG das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation zum Tragen. Defizite in der verfassungsrechtlichen Legitimationsstruktur der Bundesbank können aber durch eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Legitimation ausgeglichen werden. (3) Erschöpft sich die Funktionswahrnehmung der Deutschen Bundesbank im ESZB in dem automatenhaften Vollzug vollständig programmierter Vorgaben der Europäischen Zentralbank 126, ohne daß ihr eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben, nimmt sie keine legitimationsbedürftige Staatsgewalt wahr und unterliegt damit insoweit auch nicht dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG 1 2 7 . An die Stelle der fehlenden demokratischen Verantwortlichkeit der Bundesbank tritt in diesen Fällen die Verantwortlichkeit der Europäischen Zentralbank sowohl für ihre eigenen währungspolitischen Entscheidungen als auch für deren Ausführung durch die Bundesbank. Für die Europäische Zentralbank besteht insoweit sowohl das Gebot gemeinschaftsrechtlicher Legitimation nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG als auch das Erfordernis verfassungsrechtlicher Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. Dabei können Defizite in der gemeinschaftsrechtlichen Le124
Dies betrifft in erster Linie den eng umgrenzten Bereich der in Art. 14.4. und Art. 24 ESZB-Satzung geregelten Aufgaben, siehe dazu oben in Kapitel 4, bei Fn. 13 (S. 286). 125 Dies wird regelmäßig beim Vollzug von Leitlinien oder allgemeinen Grundsätzen der Fall sein. 126 So beim Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder detaillierter Weisungen und Entscheidungen. 127 Dazu oben auf S. 303 ff.
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gitimationsstruktur der Europäischen Zentralbank durch eine entsprechende Verstärkung verfassungsrechtlicher Legitimationselemente kompensiert werden und umgekehrt. 5. Zur Frage nach dem verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau der Europäischen Union Wurden im vorhergehenden die dogmatischen Weichen gestellt und gezeigt, daß für die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelt, so bleibt nunmehr zu untersuchen, welches Legitimationsniveau insoweit nach der Verfassung zum Tragen kommt. Konkret ist zu klären, ob für die europäischen Einrichtungen und Organe dieselben demokratischen Anforderungen gelten 128 , wie sie sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die Ausübung deutscher Staatsgewalt ergeben, oder ob Art. 20 Abs. 2 GG insoweit ein anderes demokratisches Gewährleistungsprofil zugrunde liegt. Dabei beschränkt sich die nachfolgende Untersuchung, wie bereits erwähnt, auf die Frage nach dem verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau für die Europäische Union. Welche Anforderungen dagegen nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG an die gemeinschaftsrechtliche Legitimation der Europäischen Union zu stellen sind, bleibt außer Betracht 129. Zu beachten bleibt freilich, daß die gemeinschaftsrechtliche und die verfassungsrechtliche Legitimation in einem Verhältnis wechselseitiger funktionaler Komplementarität stehen. Unter den Auspizien der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG normierten Zielsetzung einer demokratischen Grundsätzen entsprechenden Europäischen Union kommt es allein darauf an, daß die beiden Legitimationsformen entweder für sich genommen oder aber - was naheliegen mag - in ihrem Zusammenwirken im Ergebnis der Europäischen Union das erforderliche Maß an demokratischer Legitimation zu vermitteln in der Lage sind. Da in der vorliegenden Untersuchung die Frage nach der konkreten gemein-
128
Zu den aus Art. 20 Abs. 2 GG folgenden Legitimationsanforderungen für die Ausübung deutscher Staatsgewalt ausführlich im ersten Teil, S. 30 ff. 129 Zur Klärung dieser Frage wäre es, um nur ein Beispiel zu geben, erforderlich, die unterschiedlichen Verfassungstraditionen der einzelnen Mitgliedstaaten zu beleuchten; dies würde indes den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen; siehe zu dieser Frage bei U. Everling, DVB1. 1993,936 (944); W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 44 ff; siehe dazu auch BVerfGE 89, 155 (184 f.), wo es heißt, daß für eine von den Unionsbürgern ausgehende (seil.: gemeinschaftsrechtliche) demokratische Legitimation der europäischen Institutionen bestimmte tatsächliche, vorrechtliche Voraussetzungen bei den Mitgliedstaaten erfüllt sein müssen.
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schaftsrechtlichen Legitimationsdichte der Europäischen Zentralbank ausgeblendet bleibt 130 , muß auch außer Betracht bleiben, ob im Ergebnis ein geringeres Maß verfassungsrechtlicher Legitimation genügt, weil das Fehlen entsprechender verfassungsrechtlicher Legitimationskomponenten durch gemeinschaftsrechtliche Legitimationselemente kompensiert werden kann 131 . Für die Frage, ob sich aus Art. 20 Abs. 2 GG für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt ein im Vergleich zur Legitimationsdichte der deutschen Staatsgewalt abweichendes Legitimationsniveau ergibt, kommen zwei verschiedene Legitimationsmodelle in Betracht: (1) Art. 20 Abs. 2 GG beinhaltet ein identisches Legitimationsniveau, das für die Ausübung deutscher Staatsgewalt und europäischer Hoheitsgewalt gleichermaßen gilt. Demnach kämen die für die Wahrnehmung deutscher Staatsgewalt entwickelten personellen und sachlich-inhaltlichen Legitimationsanforderungen auch für die von europäischen Organen ausgehende Hoheitsgewalt zum Tragen 132 . In beiden Fällen müßte eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen der Ausübung hoheitlicher Gewalt und dem deutschen Staatsvolk bestehen, um auf diese Weise den nach dem Prinzip demokratischer Legitimation erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen hoheitlicher Gewaltausübung und Gewaltunterworfenheit herzustellen. Bezogen auf die Europäische Zentralbank bedeutete dies, daß sie in personeller und sachlichinhaltlicher Hinsicht dem für die institutionalisierte deutsche Staatlichkeit entwickelten Anforderungsprofil demokratischer Legitimation entsprechen müßte. (2) Art. 20 Abs. 2 GG verlangt für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt ein im Vergleich zur Wahrnehmung staatlicher Befugnisse geringeres Maß an demokratischer Legitimation. Sowohl personell als auch sachlich-inhaltlich müßte für die Europäische Union nicht die Legitimationsdichte erreicht werden, die für die Ausübung deutscher Staatsgewalt sub specie des Demokratieprinzips gilt. Dementsprechend wäre die Europäische Zentralbank
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Hierzu noch unten bei Fn. 170 (S. 357). Dies erscheint indes in Anbetracht des viel beklagten Demokratiedefizits der Europäischen Union zweifelhaft, siehe hierzu BVerfGE 89,155 (207 f.); aus dem Schrifttum Club von Florenz, Europa: Der unmögliche Status quo, S. 51 f.; D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 59; E. Klein, in: WDStRL 50 (1991), 56 (75); W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 12 ff; /. v. Münch, Staatsrecht I, Rdnr. 972; G. Ress, in: Gedächtnisschrift für K. W. Geck, S. 625; F. L. Staufenberg, in: 59. Deutscher Juristentag Hannover 1992, S. 33; R. Streinz, Europarecht, Rdnr. 281. 132 Vgl. dazu die Grundlegung im ersten Teil der Arbeit, Kapitel 1, S. 30 ff. 131
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nach Art. 20 Abs. 2 GG einem im Verhältnis zur Deutschen Bundesbank niedrigeren demokratischen Gewährleistungsprofil unterworfen. Im folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, welches der beiden vorgestellten Legitimationsmodelle von Verfassungs wegen gilt, ob also die Europäische Zentralbank nach Art. 20 Abs. 2 GG im Vergleich zu nationalen Stellen über eine identische oder eine geringere Legitimationsdichte verfugen muß 133 . a) Systematischer Zusammenhang zwischen Art 20 Abs. 2 und Art 23 Abs. 1 Satz 1 GG als Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus?
Aufschluß über die hier in Rede stehende Frage nach dem normativen Gehalt des Art. 20 Abs. 2 GG könnte sein systematischer Zusammenhang zu Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG geben. Wie bereits gezeigt, ist das Prinzip verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG neben der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) ein Mittel zur Verwirklichung des in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG niedergelegten Ziels der auf demokratischen Grundsätzen beruhenden Ausgestaltung der Europäischen Union. Sofern die Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG nähere Anhaltspunkte für die normative Reichweite des in dieser Verfassungsbestimmung verankerten Ziels liefern sollte, sich also aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ein bestimmtes Maß an demokratischer Legitimation für die Europäische Union ergäbe, würde dieses Ergebnis maßgeblichen Einfluß auch auf die Frage nach dem erforderlichen verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau des Art. 20 Abs. 2 GG haben. Denn sofern das Maß an demokratischer Legitimation durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG selbst bestimmt und markiert wäre, könnte Art. 20 Abs. 2 GG insoweit keine abweichende Legitimationsdichte für die Europäische Union beinhalten.
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Ein von diesen beiden Modellen verschiedenes Legitimationskonzept schlägt K. Waechter (ZRP 1996,167 [168]) für die europäische Institution Europol vor, indem er ein nach dem Umfang und der Art der Aufgaben und Befugnisse bemessenes, für die verschiedenen europäischen Einrichtungen unterschiedlich hohes Legitimationsniveau verlangt. So sei das „Legitimationsniveau bei Europol als reiner Verwaltungsstelle höher anzusetzen als bei der Kommission, die teilweise Aufgaben der Kontrolle und der Zuarbeit" leiste. Dieses von K. Waechter vorgeschlagene Legitimationsmodell beruht auf seinem für die Ausübung deutscher Staatsgewalt entwickelten „Treuhandmodell", zu dem das Erforderliche bereits an anderer Stelle gesagt wurde [siehe dazu im ersten Teil, Kapitel 5, bei Fn. 74 - 85 (S. 121 -124)]; insoweit sind dieselben Argumente, die gegen das - auf die Ausübung deutscher Staatsgewalt bezogene - Treuhandmodell K.
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Für die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ein bestimmtes Maß an demokratischer Legitimation für die Europäische Union vorgibt, könnte sich der systematische Zusammenhang zwischen den beiden Elementen der Struktursicherungsklausel, den „demokratischen Grundsätzen" einerseits und der grundrechtlichen Schutzklausel andererseits, alsfruchtbar erweisen. Als grundrechtlichen Standard innerhalb der Europäischen Union gebietet die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG „einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz" 134. Aus der Formulierung „im wesentlichen vergleichbar" erhellt, daß die Verfassung damit einen im Vergleich zum grundgesetzlichen Grundrechtsstandard geringeren europäischen Grundrechtsschutz genügen läßt. Entsprechendes könnte nun für die demokratische Komponente der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG gelten; auch insoweit könnten von Verfassungs wegen im Vergleich zum grundgesetzlichen Demokratiestandard geringere demokratische Anforderungen an die Europäische Union zu stellen sein. Dagegen spricht jedoch bereits der textliche Befund des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG. Denn im Gegensatz zu dem grundrechtlichen Struktursicherungsmerkmal enthält die demokratische Komponente dieser Struktursicherungsklausel dem Wortlaut nach keine Einschränkung auf ein im wesentlichen vergleichbares Maß an demokratischer Legitimation der Europäischen Union. Eine Reduzierung des nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG maßgeblichen demokratischen Standards ließe sich allenfalls aus dem Begriff der „Grundsätze" herleiten; damit könnten für die Europäische Union lediglich die Essentiale des für nationale Stellen entwickelten demokratischen Anforderungsprofils verfassungsrechtlich vorgeschrieben sein. Eine solche Deutung erweist sich indes keinesfalls als zwingend. Denn der Begriff der „Grundsätze" ist vielschichtig interpretierbar und läßt durchaus auch eine Auslegung im Sinne des
Waechters vorgebracht wurden, auch seinem für die Europol entwickelten Legitimationsmodell entgegenzuhalten. 134 Die Frage, ob die in der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene Verpflichtung zu einem gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandard den vom Bundesverfassungsgericht in der Solange D-Entscheidung aufgestellten Forderungen entspricht oder ob Art. 23 Abs. 1 Satz 1 insoweit darüber hinaus geht, ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Solange D-Entscheidung gefordert, daß der europäische Grundrechtsschutz „dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im wesentlichen gleichkommen" muß (BVerfGE 73, 339 [376]); für eine Übereinstimmung A. Randelzhofer, in: Th. Maunz / G. Dürig / R. Herzog / R. Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 24 Rdnr. 202; ebenso P. Wilhelm, BayVBl 1992,705 (707); anderer Ansicht dagegen U. Everling, FAZ vom 15. 10. 1992, S. 8, der insoweit die Auffassung vertritt, diese Forderung ginge über die vom Bundesverfassungsgericht im Solange Π-Beschluß formulierten Bedingungen hinaus.
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
fiir die deutsche Staatsgewalt herausgebildeten verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsstandards zu. Doch selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG sich zum Maß demokratischer Legitimation der Europäischen Union äußert und insoweit vergleichsweise geringere Legitimationsanforderungen aufstellt - was angesichts der soeben genannten Argumente freilich nur schwer vertretbar erscheint -, beruhte eine solche Reduzierung des demokratischen Legitimationsstandards nach der hier befürworteten Konzeption135 nicht auf Gesichtspunkten, die im Demokratieprinzip selbst wurzelten und dieses zu modifizieren in der Lage wären. Vielmehr erfolgte eine solche Absenkung - ebenso wie in dem vergleichbaren Fall der grundrechtlichen Schutzklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG - im Interesse der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union. Die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union wäre nicht gewährleistet, wenn jeder Mitgliedstaat die Mitwirkung am europäischen Einigungsprozeß davon abhängig machte, daß seine ihn prägenden verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien gewahrt bleiben. Alle diese Erwägungen zielen aber auf die Verwirklichung des europäischen Integrationsprozesses ab und betreffen nicht das aus dem Prinzip demokratischer Legitimation folgende Gebot der Rückführbarkeit jedweder Hoheitsgewalt auf den Willen des Volkes. Kurzum: Der Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Europäischen Union, der Einbußen bestimmter verfassungsrechtlicher Strukturelemente wie etwa des Prinzips demokratischer Legitimation notwendig zur Folge hat, vermag das Demokratieprinzip, wie es der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zugrunde liegt, nach dem hier vertretenen Konzept nicht zu modifizieren, sondern allein den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für entsprechende Defizite im demokratischen Legitimationsgefüge zu liefern. Mithin ergeben sich aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 20 Abs. 2 zu Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG keine Anhaltspunkte dafür, daß das Prinzip verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG für die europäische Hoheitsgewalt im Vergleich zur Ausübung deutscher Staatsgewalt geringere Anforderungen enthält. b) Art 88 Satz 2 GG als Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus?
Weiterhelfen bei der Bestimmung des demokratischen Anforderungsprofils des Art. 20 Abs. 2 GG speziell für die Europäische Zentralbank könnte aber 135
Hierzu im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff.
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die Verfassungsvorschrift des Art. 88 Satz 2 GG. Gem. Art. 88 Satz 2 GG können Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Europäischen Union auf die Europäische Zentralbank übertragen werden, die unabhängig und dem vorrangigen Ziel der Sicherung von Preisstabilität 136 verpflichtet ist. Art. 88 Satz 2 GG knüpft die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Zentralbank also an die Bedingung, daß diese unabhängig ist 1 3 7 . Dadurch ist die für die Europäische Zentralbank in Art. 107 EGV niedergelegte Weisungsunabhängigkeit von Organen und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft oder nationalen Stellen der Mitgliedstaaten auch verfassungsrechtlich festgeschrieben 138. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, ist die Weisungsgewalt ein grundsätzlich unverzichtbares Steuerungsinstrument im sachlich-inhaltlichen Legitimationsgefüge nationaler Stellen 139 ; der Weisungsbefugnis bedarf es regelmäßig, damit das nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimationsniveau erreicht wird. Umgekehrt bewirkt die fehlende Weisungsgewalt - wie oben am Beispiel der Deutschen Bundesbank gezeigt140 - eine Lücke im sachlich-inhaltlichen Legitimationsstrang und führt damit zu einer Unterschreitung des verfassungsrechtlich erforderlichen Legitimationsstandards. Macht aber Art. 88 Satz 2 GG die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank zur ausdrücklichen Bedingung dafür, daß Hoheitsrechte auf sie übertragen werden können, könnte sich aus Art. 88 Satz 2 GG für die Europäische Zentralbank ein im Vergleich zu nationalen Stellen geringeres Maß an demokratischer Legitimation, konkret: eine Modifizierung des nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen demokratischen Legitimationsniveaus ergeben. Danach wäre die Europäische Zentralbank im Verhältnis zur Deutschen Bundesbank geringeren demokratischen Legitimationsanforderungen unterworfen. Eine solche Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus würde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 88 Satz 2 GG allerdings nur für die Europäische Zentralbank gelten, ließe jedoch das für die übrigen europäischen Einrichtungen und Organe geltende Legitimationsniveau nach Art. 20 Abs. 2 GG unberührt.
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Zu diesem Ziel der Gewährleistung von Preisstabilität D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 151 ff. 137 Zu dem Begriff der Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG ausführlich D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 89 ff. 138 Zu dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Inkrafttreten des EG-Vertrags respektive des Art. 107 und dem Eriaß des Art. 88 Satz 2 GG, durch den die Weisungsunabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auch grundgesetzlich festgeschrieben werden sollte, T. Weikart, NVwZ 1993, 834 ( 840). 139 Erster Teil, Kapitel 4, bei Fn. 32 ff. (S. 96 ff); zum korrelativen Zusammenhang zwischen der Weisung und dem Gesetz ebenfalls im ersten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 41 ff. (S. 99 ff.). 140 Zweiter Teil, Kapitel 3, S. 142 ff.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
Die Deutung des Art. 88 Satz 2 GG als Modifizierung des demokratischen Legitimationsniveaus für die Europäische Zentralbank ließe sich nach der hier vertretenen Konzeption jedoch nur dann begründen, wenn diese Verfassungsbestimmung einer dem Demokratieprinzip immanenten, dieses auf der Gewährleistungsebene begrenzenden Verfassungskategorie zuzurechnen wäre. Entsprechend dieser verfassungsdogmatischen Differenzierung zwischen Modifikationen demokratischer Legitimationsanforderungen einerseits und bloßen Exemtionen, also verfassungsrangigen Ausnahmen von dem demokratischen Regelniveau, andererseits soll auch im gegebenen Zusammenhang streng zwischen der Gewährleistungsebene des Demokratieprinzips und der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung unterschieden werden. Indes stößt man recht schnell darauf, daß der Regelung des Art. 88 Satz 2 GG - ebenso wie in dem vergleichbaren Fall der grundrechtlichen Schutzklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG 1 4 1 - andere als das Prinzip demokratischer Legitimation betreffende Aspekte zugrunde liegen. Die Verpflichtung zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wurde allein im Interesse der Wahrung von Geldwertstabilität statuiert, weil eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik eher sichert als Hoheitsorgane, die in ihren Handlungsmöglichkeiten auf die Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind 142 . Bei einer von politischen Stellen und Interessen abhängigen Zentralbank wäre ihr Auftrag, Geldwertstabilität zu gewährleisten, gefährdet. Dieses Ergebnis unterstützt auch der Blick auf die weitere Verpflichtung des Art. 88 Satz 2 GG, wonach die Europäische Zentralbank dem vorrangigen Ziel der Sicherung von Preisstabilität verpflichtet ist. In den Dienst dieses Primats der Preisstabilität ist die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nach Art. 88 Satz 2 GG gestellt. Diese Gründe zielen aber ausschließlich auf die Sicherung eines stabilen Geldwertes ab und betreffen nicht das aus dem Prinzip demokratischer Legitimation folgende Gebot der Rückführbarkeit hoheitlicher Gewaltausübung auf den Willen des Volkes. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und damit die Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus wurde also allein im Interesse der Geldwertsicherung statuiert. Dieser der Regelung des Art. 88 Satz 2 GG zugrunde liegende Gesichtspunkt der Geldwertstabilität hat zwar Einbußen verfassungsrechtlicher Legitimationsanforderungen im Modell demokratischer Legitimation notwendig zur Folge, vermag jedoch das Prinzip demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG für die Europäische Zentralbank nach der hier vertretenen Konzeption nicht zu modifizieren, sondern
141
Dazu oben bei Fn. 134 f. (S. 343 f.). BVerfGE 89, 155 (208 f.); vgl. auch T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (840); dazu auch bereits ausführlich im dritten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 168 ff. (S. 224 f.). 142
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allein den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für entsprechende Defizite im demokratischen Legitimationsgefüge der Europäischen Zentralbank zu liefern 143 . Gegen die hier vertretene dogmatische Einordnung des Art. 88 Satz 2 GG spricht auch nicht, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem MaastrichtUrteil Art. 88 Satz 2 GG als „Modifikation des Demokratieprinzips" bezeichnet hat 1 4 4 . Denn diese Formulierung muß in dem systematischen Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gelesen werden. So spricht das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle davon, daß die unabhängige Stellung der Europäischen Zentralbank eine „Einschränkung" des Prinzips demokratischer Legitimation darstelle und das „Demokratieprinzip berühr(e)". Und weiter heißt es, daß „diese Modifikation des Demokratieprinzips" im Interesse der Sicherung der Geldwertstabilität „vertretbar sei", weil es der erprobten und bewährten Erfahrung Rechnung trage, daß eine unabhängige Zentralbank den Geldwert eher sichere als politisch abhängige und weisungsgebundene Hoheitsorgane145. Hält man sich diese verschiedenen Formulierungen vor Augen, so bleibt offen, ob das Bundesverfassungsgericht in Art. 88 Satz 2 GG eine Modifikation des demokratischen Regelniveaus nach Art. 20 Abs. 2 GG erblickt oder Art. 88 Satz 2 GG als Ausnahmebestimmung zu Art. 20 Abs. 2 GG ansieht. Festzuhalten ist damit, daß Art. 88 Satz 2 GG nach der hier befürworteten Konzeption keine Modifizierung des demokratischen Anforderungsprofils für die Europäische Zentralbank bewirkt, sondern lediglich als verfassungsrechtlicher Rechtfertigungsgrund für Einbußen im Legitimationsgefüge der Europäischen Zentralbank zum Tragen kommt 146 . Die Frage nach dem verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau des Art. 20 Abs. 2 GG für die europäische Hoheitsgewalt ist also weiter offen. c) Supranationalität der Europäischen Union als spezifìscher Grund für ein geringeres Legitimationsniveau?
Eine Absenkung der demokratischen Legitimationsanforderungen nach Art. 20 Abs. 2 GG für die europäische Hoheitsgewalt könnte sich aber aus dem Wesen der Europäischen Union als supranationaler Zusammenschluß mehre-
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Hierzu eingehend im fünften Teil, S. 377 ff. BVerfGE 89,155 (208). BVerfGE 89,155 (208 f.). Dazu im fünften Teil, S. 377 ff.
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
rer Staaten zu einem Staatenverbund ohne Staatsqualität ergeben 147. Ihre charakteristische Prägung erhält die Europäische Union dadurch, daß sich mehrere (Mitglied-)Staaten unter dem gemeinsamen Dach der Europäischen Union zusammenschließen und diese Hoheitsgewalt mit verbindlicher Wirkung für die Mitgliedstaaten ausübt148. Die Einräumung und Abtretung von Hoheitsbefugnissen der Mitgliedstaaten auf die Europäische Union hat zur Folge, daß diese verbindliche Entscheidungen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland und damit für das deutsche Volk trifft, ohne daß sich diese Entscheidungen in jedem Fall auf die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland zurückführen lassen149. Denn die Bundesrepublik Deutschland besitzt in der Europäischen Union als ein Mitgliedstaat unter mehreren nicht die alleinige Entscheidungsgewalt, sondern lediglich Mitentscheidungsbefugnisse; ihre Entscheidungsbefugnisse sind mit denen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verschränkt. Konsequenz dieser im Wesen der Europäischen Union begründet liegenden gemeinsamen Entscheidungsmacht aller Mitgliedstaaten ist also, daß die Europäische Union Entscheidungen mit Wirkung für das deutsche Volk auch unabhängig von dem Willen der Bundesrepublik Deutschland zu treffen in der Lage ist 1 5 0 . Damit verbunden sind Legitimationsverluste beim deutschen Volk; die Rückführbarkeit der in der Europäischen Union getroffenen Entscheidungen auf den Willen des deutschen Volkes ist nicht in jedem Falle gewährleistet 151. Legt das Grundgesetz in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 ein deutliches Bekenntnis zugunsten der Europäischen Union ab, deren Entscheidungsstrukturen durch ein kollegiales Zusammenwirken mehrerer Mitgliedstaaten gekennzeichnet sind, so könnte man daraus schließen, daß die demokratische Baustruktur der Europäischen Union von Verfassungs wegen Lücken aufweisen darf, die auf der Eigenart und den Besonderheiten des supranationalen Staatenverbundes beruhen. Denn ist mit der Übertragung von Hoheitsrechten
147
Siehe hierzu bereits eingehend im dritten Teil, Kapitel 2, bei und in Fn. 257 (S. 247). 148 Vgl. BVerfGE 89, 155 (182). 149 BVerfGE 89, 155 (183). 150 Insoweit macht es wegen der spezifischen Anforderungen des Prinzips demokratischer Legitimation keinen Unterschied, ob die Entscheidungen in der Europäischen Union nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden, wie es dem Regelfall entspricht (siehe nur Art. 10.2. Satz 5 ESZB-Satzung, wonach der EZB-Rat vorbehaltlich anderer Bestimmungen in der ESZB-Satzung Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit trifft), oder das Einstimmigkeitsprinzip als Abstimmungsmodus gilt (hierzu im ersten Teil, Kapitel 3, S. 83 ff.); insoweit verwirrend M Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1071), der davon spricht, daß auch bei Mehrheitsentscheidungen stets eine Einigung unter mehreren Staaten erforderlich sei. 151 Zum Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank unten auf S. 355 - 371.
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auf die Europäische Union notwendig ein solcher Legitimationsverlust verbunden, könnte das verfassungsrechtliche Legitimationsmodell dem Rechnung tragen und auf eben diese Legitimationselemente für die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union verzichten. Mit anderen Worten: Für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt könnte Art. 20 Abs. 2 GG eine Reduzierung im Legitimationsniveau verlangen, die ihren spezifischen Grund im Wesen, das heißt in der Supranationalität der Europäischen Union hat, zu der sich Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG deutlich bekennt 152 . Unternimmt man nun den Versuch, dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen und zu klären, ob das für die Europäische Union nach Art. 20 Abs. 2 GG zu entwerfende Legitimationskonzept mit Blick auf deren supranationalen Charakter Abweichungen gegenüber dem nationalen Legitimationsmodell enthält, muß man sich das Spezifikum der Ausübung europäischer Hoheitsgewalt vor Augen führen. Diese unter Gesichtspunkt demokratischer Legitimation bestehende Besonderheit liegt darin, daß die Ausübung von Hoheitsgewalt durch die Europäische Union nicht allein das deutsche Volk, sondern daneben auch die Völker der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft. In der Terminologie der zu Art. 20 Abs. 2 GG entwickelten Dogmatik gewendet: Ein und dasselbe Legitimationsobjekt, nämlich die Europäische Union, genauer: die drei Europäischen Gemeinschaften, übt Hoheitsgewalt mit Wirkung für mehrere Legitimationssubjekte, nämlich für die Völker der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aus. Diese Baustruktur weicht von dem Regelfall des Modells demokratischer Legitimation ab. Art. 20 Abs. 2 GG geht in erster Linie von einer bipolaren, das Verhältnis zwischen einem und demselben Legitimationsobjekt und einem und demselben Legitimationssubjekt betreffenden Rechtsbeziehung aus. In dieses Bild eines bipolaren Beziehungsgefüges läßt sich die Europäische Union nicht einfügen. Denn die von ihr ausgeübte Hoheitsgewalt betrifft nicht nur das deutsche Volk, sondern mehrere Legitimationssubjekte in der Gestalt sämtlicher Völker der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Legitimationsstränge verlaufen demnach sternförmig: Sie haben ihren Ursprung in den verschiedenen Legitimationssubjekten der einzelnen Mitgliedstaaten und münden allesamt in einem und demselben Legitimationsobjekt. Die entscheidende Frage ist also, ob sich diese unterschiedlichen Legitimationsstrukturen auf das Legitimationskonzept, das Art. 20 Abs. 2 GG zugrunde liegt, auswirken. Die maßgebliche Frage lautet: Bestehen für die bipolare sowie für die sternförmige Legitimationsarchitektur ein und dieselben 152
In diesem Sinne wohl H.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (25 ff, insbesondere 27, 30 f.), der insoweit von einer „systembedingten Ausprägung des Demokratieprinzips" spricht (S. 42) und Art. 20 Abs. 2 GG lediglich die Verpflichtung entnimmt, daß der von der Bundesrepublik Deutschland entsandte Vertreter demokratisch legitimiert sein muß, nicht jedoch die europäischen Organe und Einrichtungen als solche.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
oder unterschiedliche Maßstäbe? Muß sich also die Europäische Union mit ihrem sternförmigen Legitimationsaufbau an den für die Ausübung deutscher Staatsgewalt entwickelten verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 GG messen lassen, die auf einem bipolaren Legitimationsverhältnis beruhen? Auf die hier in Rede stehende Frage gibt es zwei mögliche Antworten, die gänzlich unterschiedliche Legitimationskonzepte nach sich ziehen. Sofern man die sternförmige und die bipolare Legitimationsstruktur nach denselben Maßstäben beurteilte, also die Europäische Union denselben Legitimationsanforderungen unterstellte, wie sie nach Art. 20 Abs. 2 GG für die nationale Staatlichkeit gelten, so wäre zwar einerseits der durch Art. 20 Abs. 2 GG herzustellende Zurechnungszusammenhang zwischen der Ausübung europäischer Hoheitsgewalt und dem deutschen Volk gewährleistet; andererseits aber würde dem deutschen Volk die alleinige Befugnis zur Steuerung europäischer Politik zugewiesen. In diesem Konzept bliebe unberücksichtigt, daß die legitimationsbedürftige europäische Hoheitsgewalt eben nicht nur das deutsche Volk, sondern auch die Legitimationssubjekte der übrigen Mitgliedstaaten betrifft. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG wäre demnach bezogen auf das Legitimationskonzept für die Europäische Union wie folgt zu lesen: „Alle Ausübung europäischer Hoheitsgewalt geht vom deutschen Volke aus" 153 . Sofern man hingegen - und dies ist die zweite Möglichkeit der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 GG die sternförmige Legitimationsstruktur der Europäischen Union nach anderen Maßstäben beurteilen und sie damit einem vergleichsweise geringeren Legitimationsstandard unterwerfen wollte, wäre nicht sichergestellt, daß jede auf europäischer Ebene getroffene, die Legitimationsbedürftigkeit auslösende Entscheidimg auf den Willen des deutschen Volkes rückfühlbar ist. Anders gewendet: Der Zurechnungszusammenhang zwischen hoheitlicher Gewaltausübung einerseits und Gewaltunterworfenheit andererseits könnte nicht in jedem Fall hergestellt werden. Die zuletzt genannte Erwägung betrifft bereits den Kernbereich, auf dem das Prinzip demokratischer Legitimation beruht, und die daher -auf der Grundlage der hier vertretenen Konzeption einer Unterscheidung zwischen den demokratischen Legitimationsforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG einerseits und den übrigen verfassungsrechtlichen Organisationsbestimmungen andererseits 154 - zum Ausgangspunkt für die Lösung der in Rede stehenden Problematik avanciert. Unter den Auspizien des Prinzips demokratischer Legiti153 Vgl. H.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (26 f.), der unter Berufung hierauf für ein abgestuftes, der Europäischen Union als Staatenverbund Rechnung tragendes Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG plädiert. 154 Hierzu im ersten Teil, Kapitel 2, S. 55 ff.
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mation nach Art. 20 Abs. 2 GG kommt es entscheidend darauf an, daß alle Hoheitsgewalt, sei es nationale oder europäische, auf den Willen des deutschen Volkes rückfühlbar ist. In der teleologischen Sinnmitte des Art. 20 Abs. 2 GG steht das Prinzip der Volkssouveränität, das die verfassungsrechtliche Legalität und die staatstheoretische Legitimität hoheitlicher Gewaltausübung davon abhängig macht, daß diese Gewaltausübung dem deutschen Volk zurechenbar ist. Diese Zurechenbarkeit ist aber nur dann sichergestellt, wenn die vom Volk gewählten und ihm gegenüber verantwortlichen staatlichen Funktionsträger über die zur Gewährleistung dieser Verantwortlichkeit erforderlichen Steuerungsinstrumente verfügen. Insoweit ist Bezugspunkt für die demokratische Legitimation nicht der nationale Beitrag, also nicht der deutsche Auswahlund Berufungsakt, sondern der europäische Funktionsträger als solcher, der Hoheitsgewalt mit verbindlicher Wirkung für das deutsche Volk ausübt155. Erforderlich ist demnach ein Zurechnungszusammenhang zwischen der hoheitlichen Gewaltausübung einerseits und der Gewaltunterworfenheit andererseits, welcher erst durch eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Funktionsträgern und dem deutschen Volk hergestellt wird. Diese ununterbrochene Legitimationskette ist die spezifische Substanz und Forderung des Prinzips demokratischer Legitimation. Nur solange und soweit diese Legitimationskette (ununterbrochen) besteht, ist der nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen Gewaltausübung und Gewaltunterworfenheit gewährleistet, und nur dann ist dem Prinzip der Volkssouveränität Rechnung getragen. Mit anderen Worten: Das Prinzip demokratischer Legitimation verträgt keine Herauslösung einzelner Glieder aus der legitimationsvermittelnden Kette zwischen den mit der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse betrauten Stellen und dem deutschen Volk. Jede Lücke in dieser Kette läßt die demokratische Legitimation insgesamt entfallen. Bezogen auf die Europäische Union bedeutet dies, daß zwischen den mit europäischer Hoheitsgewalt ausgestatteten Einrichtungen und Organen und dem deutschen Volk ein ununterbrochener Zurechnungszusammenhang bestehen muß. Die Rückführbarkeit der Ausübung europäischer Hoheitsgewalt auf den Willen des deutschen Volkes ist also der Inhalt dessen, was durch Art. 20 Abs. 2 GG sichergestellt sein muß. Die Frage nach einem Mehr oder Weniger an demokratischer Legitimation stellt sich demnach sub specie des Art. 20 Abs. 2 GG nicht. Europäische Hoheitsgewalt kann nicht ein bißchen mehr
155
Insoweit besteht kein Unterschied zu anderen kollegial verfaßten Aufgabenträgem, vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere die Ausführungen zu den nationalen Zweckverbänden im ersten Teil, Kapitel 3, S. 70 ff.
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
oder ein bißchen weniger demokratisch legitimiert, sondern nur entweder legitimiert oder nicht legitimiert sein. Daß die europäische Hoheitsgewalt neben dem deutschen Volk auch andere Legitimationssubjekte betrifft, ist - zumindest für das durch Art. 20 Abs. 2 GG konturierte demokratische Zurechnungsmodell - unerheblich und vermag keine Reduzierung des demokratischen Legitimationsniveaus zu bewirken. Denn nach Art. 20 Abs. 2 GG kommt es allein darauf an, daß die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt auf den Willen des deutschen Volkes rückfühlbar ist. Insoweit stellt sich nicht die Frage nach einer bestimmten Dichte des Legitimationsniveaus, sondern ausschließlich die Frage nach der Legitimation oder Nicht-Legitimation. Die Europäische Union kann aus Sicht des deutschen Volkes nur demokratisch legitimiert oder nicht legitimiert sein; ersteres nur dann, wenn eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen jedem mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Organ der Europäischen Union und dem deutschen Volk besteht; letzteres immer dann, wenn eine solche Legitimationskette nicht existiert. Ob daneben auch eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den mit europäischer Hoheitsgewalt betrauten Entscheidungsträgern der Europäischen Union und den Völkern der übrigen Mitgliedstaaten besteht, ist unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG unbeachtlich. Da die auf europäischer Ebene ergangenen Entscheidungen nur einheitlich, mit Wirkung für den gesamten Bereich der Europäischen Union getroffen werden können, entfalten sie regelmäßig Wirkung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und müssen daher vom deutschen Volk legitimiert sein. Diese demokratische Legitimation setzt aber voraus, daß das für den innerstaatlichen Bereich entwickelte Legitimationskonzept auf die Europäische Union übertragen wird. Die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt muß daher grundsätzlich sowohl in personeller als auch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht auf den Willen des deutschen Volkes rückführbar sein. Daß das deutsche Staatsvolk damit als Legitimationssubjekt für sämtliche Entscheidungen der Europäischen Union fungiert und deren Rückführbarkeit auf den Willen des deutschen Volkes auch insoweit verlangt wird, als die Entscheidungen mit Wirkung auch für die Völker der übrigen Mitgliedstaaten getroffen werden, ist die notwendige Folge der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit europäischer Entscheidungen156. Da diese Entscheidungen zumindest auch verbindliche Geltung für das deutsche Volk haben und die verfassungsrechtliche demokratische Legitimation nur durch eine
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So auch O. Rojahn, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar Π, Art. 23 Rdnr. 29; R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 18.
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auf das deutsche Volk zurückreichende ununterbrochene Legitimationskette hergestellt werden kann, ist dieser „überschießende" Legitimationsanteil die unvermeidbare (Neben-)Folge des demokratischen Erfordernisses des Art. 20 Abs. 2 GG, den Legitimationszusammenhang zwischen der europäischen Hoheitsgewalt und dem deutschen Volk herzustellen. Das bedeutet aber nicht, daß die in dem supranationalen Charakter der Europäischen Union wurzelnden Besonderheiten für die Frage nach dem verfassungsrechtlich geforderten demokratischen Legitimationsniveau der Europäischen Union gänzlich unberücksichtigt bleiben. Sie berechtigen - nach der hier vertretenen Konzeption- nur nicht dazu, den Gewährleistungsbereich des Prinzips demokratischer Legitimation mit seinem demokratischen Anforderungsprofil zu modifizieren und von vornherein eine im Vergleich zur Ausübung deutscher Staatsgewalt geringere Legitimationsdichte zu veranschlagen 157 . Die genannten, auf der Eigenart und den Besonderheiten des supranationalen Staatenverbundes beruhenden Erwägungen betreffen aber die Integrationsoffenheit des Grundgesetzes und damit andere, außerhalb des Prinzips demokratischer Legitimation stehende Verfassungswerte. Sie treten neben das Demokratieprinzip und bieten den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsgrund für entsprechende Beschränkungen des demokratischen Prinzips. Dieses verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidung für die Europäische Union einerseits und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes andererseits findet seine Auflösung zugunsten der Europäischen Union unmittelbar durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG 1 5 8 . Für die Europäische Zentralbank kommt insoweit ein spezieller verfassungsrechtlicher Rechtfertigungstitel (Art. 88 Satz 2 GG) zum Tragen. Hierauf wird an späterer Stelle noch ausführlich eingegangen159.
157
Dies erkennt zutreffend P. M. Huber, in: ders. / W. Mößle / M. Stock (Hrsg.), Zur Lage der parlamentarischen Demokratie, S. 105 (118 f.); anders dagegen H.-J. Cremer, EuR 1995, 21 (26 f., 30 f.), der zwar zu Recht daraufhinweist, daß es in der Eigenart der Europäischen Union als supranationalem Staatenverbund begründet liegt, daß Entscheidungen auf der Ebene der Europäischen Union nicht allein vom Willen eines Mitgliedstaates abhängen, sondern von sämtlichen der Europäischen Union angehörenden Mitgliedstaaten gemeinsam getroffen werden, und daß lediglich der deutsche Vertreter vom deutschen Volk legitimiert sein kann, während die Vertreter der anderen Mitgliedstaaten ihre demokratische Legitimation von dem Volk ihres jeweiligen Mitgliedstaates herleiten; hieraus zieht er aber die Schlußfolgerung, daß Art. 20 Abs. 2 GG von vornherein ein reduziertes, lediglich auf den deutschen Vertreter bezogenes demokratisches Anforderungsprofil enthält. 158 R. Streinz, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 26; vgl. dazu auch BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 159 Dazu im fünften Teil, S. 377 ff. 23 Brosius-Gersdorf
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
An dieser Stelle ist damit festzuhalten, daß Art. 20 Abs. 2 GG nach der hier vertretenen Konzeption ein einheitliches Legitimationsmodell zugrunde liegt, nach dem die für den innerstaatlichen Bereich entwickelten demokratischen Legitimationsanforderungen für die deutsche Staatlichkeit und für die Europäische Union gleichermaßen gelten. Ebenso wie die deutsche Staatsgewalt ist auch die europäische Hoheitsgewalt also nur dann legitimiert, wenn eine ununterbrochene Legitimationskette bis hin zu jedem mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betrauten Entscheidungsträger reicht. d) Konklusion: Europäische Union und demokratische Legitimation
Hat sich im vorhergehenden erwiesen, daß das für die Ausübung deutscher Staatsgewalt konturierte Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG gleichermaßen auch für die europäische Hoheitsgewalt zum Tragen kommt, so erhellt recht schnell, daß die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union diesen Legitimationsanforderungen - zumindest in personeller Hinsicht - regelmäßig nicht zu entsprechen vermögen. Der Grund hierfür liegt in der strukturellen Eigenart der Europäischen Union als eine von mehreren Mitgliedstaaten abgeleitete supranationale Einrichtung begründet. Da die verfassungsrechtliche demokratische Legitimationsform ihrer spezifischen Stoßrichtung nach nur den deutschen Anteil in europäischen Einrichtungen und Organen erfassen kann, entziehen sich die Beiträge der übrigen Mitgliedstaaten der Legitimation durch das deutsche Staatsvolk. Sind aber der verfassungsrechtlichen Legitimationsform von vornherein bestimmte Grenzen gesetzt, so läßt dies nicht nur die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung entsprechender Legitimationsdefizite deutlich werden, sondern führt vor allem auch das Erfordernis einer eigenen, gemeinschaftsrechtlichen Legitimation der Europäischen Union vor Augen 160 , will man nicht die Zielvorgabe des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verfehlen und die Sperrwirkung der Struktursicherungsklausel zum Leben erwecken 161. Ist indes im Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts davon die Rede, daß die durch die Staatsvölker der Mitgliedstaaten vermittelte verfassungsrechtliche demokratische Legitimation der Europäischen Union gleichberechtigt neben der Möglichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation stehe und mit zunehmendem Ausbau der Aufgaben und Befugnisse in der Europäischen Union lediglich eine „ergänzende demokratische Abstützung der Politik der Europäischen Union" durch die gemeinschafts-
160 Die Notwendigkeit einer eigenen, gemeinschaftsrechtlichen Legitimation betont auch D. Grimm, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 1995, 509 (517 f.). 161 Zu den Voraussetzungen des Mitwirkungs- und Übertragungsverbotes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG oben auf S. 325 ff.
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rechtliche Legitimation erforderlich sei 162 , so beruht diese Gleichstellung auf einer Verkennung der der verfassungsrechtlichen Legitimationsform immanenten Grenzen. Vielmehr muß aus den genannten Gründen die gemeinschaftsrechtliche Legitimation der Europäischen Union zwingend ausgebaut werden. Gemeinschaftsrechtliche Legitimationsdefizite in der Europäischen Union können durch verfassungsrechtliche Legitimationselemente nur in begrenztem Umfang kompensiert werden, oder anders gewendet: Die verfassungsrechtliche demokratische Legitimation kann nur ergänzend neben die gemeinschaftsrechtliche Legitimation der Europäischen Union treten. 6. Demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank Wurde im vorhergehenden der verfassungsrechtliche Maßstab gefunden, an dem sich die Europäische Zentralbank messen lassen muß, so wird nun im folgenden untersucht, ob die Europäische Zentralbank den nach Art. 20 Abs. 2 GG für die Ausübimg europäischer Hoheitsgewalt geltenden demokratischen Legitimationsanforderungen entspricht und das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau erreicht 163. a) Legitimationsobjekt
Was die Einbeziehung der Europäischen Zentralbank in den Kreis der nach Art. 20 Abs. 2 GG legitimationsbedürftigen Hoheitsträger anbelangt, so wurde bereits dargelegt, daß der Gewährleistungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GG funktional zu bestimmen ist und seinem spezifischen Sinngehalt entsprechend jede Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse erfaßt, die verbindliche Geltungskraft für das deutsche Volk erlangen, gleich, ob diese durch nationale staatliche Stellen oder durch nichtstaatliche, fremde Einrichtungen ausgeübt werden 164. Insoweit läßt sich die im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 GG für den Begriff der „Staatsgewalt" entwickelte zweigliedrige Betrachtungsweise auch auf die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt übertragen. Europäische Hoheitsgewalt im
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Vgl. BVerfGE 89, 155 (184). Dabei soll an dieser Stelle noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden, daß es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausschließlich um die Frage geht, ob die Europäische Zentralbank über die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche verfassungsrechtliche demokratische Legitimation vom deutschen Staatsvolk verfügt. Ob sie daneben auch in einer der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Weise gemeinschaftsrechtlich legitimiert ist und verfassungsrechtliche Legitimationsdefizite insoweit durch gemeinschaftsrechtliche Legitimationselemente kompensiert werden können, wird dagegen nicht untersucht. 164 Siehe dazu die Ausführungen oben auf S. 333 ff. 163
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formellen Sinne liegt dementsprechend immer dann vor, wenn der betreffende Rechtsträger seine Errichtung einem Konstitutionsakt der „Herren der Gemeinschaftsverträge", also der Mitgliedstaaten, verdankt und dem Bereich institutionalisierter europäischer Hoheitsgewalt zuzurechnen ist 1 6 5 . Dagegen ist der materielle Aspekt der europäischen Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG immer dann gegeben, wenn europäische Einrichtungen und Organe die ihnen obliegenden Aufgaben unter Inanspruchnahme von Entscheidungsbefugnissen mit verbindlicher Wirkung (auch) für das deutsche Volk wahrnehmen 166 . Bezogen auf die Europäische Zentralbank ergibt sich damit folgendes Bild: Die Europäische Zentralbank wird unmittelbar durch primäres Gemeinschaftsrecht (Art. 106 EGV) konstituiert und beruht somit auf einem Konstitutionsakt der Mitgliedstaaten. An der Zuordnung der Europäischen Zentralbank zum Bereich institutionalisierter europäischer Hoheitsgewalt bestehen mithin keinerlei Zweifel. Und auch das materielle Element der europäischen Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG ist bei der Europäischen Zentralbank regelmäßig erfüllt. Nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion geht die Währungshoheit von den nationalen Notenbanken auf das ESZB über, innerhalb dessen der Europäischen Zentralbank die maßgebliche monetäre Bestimmungsmacht zukommt 167 . Ihr obliegt es, die wesentlichen währungspolitischen Entscheidungen mit verbindlicher Geltung (auch) für das deutsche Volk zu treffen. Sofern sich die Funktionswahrnehmung der Europäischen Zentralbank im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken nicht ausnahmsweise in einer rechtsunverbindlichen Wirkung erschöpft, wie dies beispielsweise bei Empfehlungen und Stellungnahmen nach Art. 108a Abs. 1, 3. Alt. EGV i.V.m. Art. 108a Abs. 2 Satz 3 EGV der Fall ist, ist das dem materiellen Aspekt der Hoheitsgewalt immanente Entscheidungsmoment regelmäßig erfüllt und übt die Europäische Zentralbank mithin legitimationsbedürftige Hoheitsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus 168 . Damit drängt das
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Zu diesem formellen Aspekt oben im ersten Teil, Kapitel 1, S. 34 f. Zu dem materiellen Teilaspekt oben im ersten Teil, Kapitel 1, S. 34 - 39, und im vierten Teil, Kapitel 4, S. 296 ff. 167 Zu der mit dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion einhergehenden Zuständigkeitsverlagerung von den nationalen Zentralbanken auf die Europäische Zentralbank ausführlich oben in Kapitel 4, S. 282 ff ; siehe in diesem Zusammenhang auch die ausdrückliche Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Zentralbank in Art. 88 Satz 2 GG. 168 Vgl. nur BVerfGE 89, 155 (207 ff.); P. Kirchhof, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 11 (20); G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 28; J. Stark, in: P. Hommelhoff / P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 143 (148). 166
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Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG für die Europäische Zentralbank auf Verwirklichung. b) Legitimationssubjekt
Als Einrichtung der Europäischen Union verfügt die Europäische Zentralbank prinzipiell über eine doppelte Legitimationsbasis; zum einen besteht die Möglichkeit der vom deutschen Staatsvolk ausgehenden verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimation (Art. 20 Abs. 2 GG); zum anderen kann sie sich prinzipiell auch auf eine gemeinschaftsrechtliche, von den Unionsbürgern vermittelte demokratische Legitimation berufen (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) 1 6 9 . Da es jedoch vorliegend ausschließlich um die verfassungsrechtliche demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank geht, kommt hier als Legitimationssubjekt allein das deutsche Staatsvolk in Betracht. Denn nach dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG kommt es darauf an, daß sich die Ausübung (deutscher oder europäischer) Hoheitsgewalt auf den Willen des deutschen Volkes zurückführen läßt 170 ; ob daneben auch eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den mit europäischer Hoheitsgewalt betrauten Entscheidungsträgern und den Völkern der übrigen Mitgliedstaaten besteht, ist sub specie des Art. 20 Abs. 2 GG unerheblich. Ob ein solcher ununterbrochener Legitimationszusammenhang zwischen den Funktionsträgern der Europäischen Zentralbank und dem deutschen Staatsvolk besteht, soll im folgenden untersucht werden. Dabei wird - entsprechend dem oben konturierten Legitimationsmodell - zwischen den beiden Legitimationsformen der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimation unterschieden. Insoweit kommen für die Europäische Zentralbank dieselben demokratischen Legitimationsanforderungen zum Tragen, wie sie nach Art. 20 Abs. 2 GG auch für die deutsche Staatsgewalt gelten 171 . c) Personelle Legitimation der Europäischen Zentralbank
Zunächst zur personellen Legitimation der Europäischen Zentralbank. Beschlußorgane der Europäischen Zentralbank sind nach Art. 106 Abs. 3 EGV der EZB-Rat und das Direktorium. Während der EZB-Rat für die Bestimmung 169
Zu der doppelten Legitimationsbasis der Europäischen Union oben auf S. 335 ff. Zum Begriff des deutschen Volkes als Legitimationssubjekt nach Art. 20 Abs. 2 GG im ersten Teil, Kapitel 1, S. 32; siehe zu dem Begriff des Volkes im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG auch die Ausführungen oben bei Fn. 107 (S. 331). 171 Zu den Legitimationsanforderungen nach Art. 20 Abs. 2 GG oben im ersten Teil, S. 30 ff. 170
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der Richtlinien der Geldpolitik zuständig ist und die maßgeblichen währungspolitischen Entscheidungen trifft, kommt dem Direktorium der Europäischen Zentralbank eine bloß exekutive Funktion zu; ihm obliegt die Umsetzung und Ausführung der Geldpolitik und die tägliche Geschäftsabwicklung gemäß den Vorgaben des EZB-Rates172. Die maßgebliche währungspolitische Leitungsmacht liegt mithin in den Händen des EZB-Rates; seine personelle Legitimation gilt es daher im folgenden zu untersuchen. Der EZB-Rat besteht gem. Art. 109a Abs. 1 EGV, Art. 10.1. ESZB-Satzung aus den Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Um ein verbindliches Urteil über die personelle Legitimation des EZB-Rates fällen zu können, ist es somit erforderlich, sowohl die personelle Legitimation der Mitglieder des Direktoriums zu untersuchen [dazu unter aa)] als auch das Berufungsverfahren der Präsidenten der nationalen Zentralbanken auf seinen demokratischen Legitimationsgehalt hin zu beleuchten [dazu unter bb)]. aa) Personelle Legitimation des Direktoriums (1) Berufung der Direktoriumsmitglieder Das Direktorium der Europäischen Zentralbank besteht nach Art. 109a Abs. 2a) EGV, Art. 11.1. Satz 1 ESZB-Satzung aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Sämtliche Mitglieder des Direktoriums werden gem. Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. ESZB-Satzung von den Regierungen der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs einvernehmlich ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Empfehlung des Rates, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört. Als Legitimationsmittler für die Mitglieder des Direktoriums fungieren mithin die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Der Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland, der Bundeskanzler (Art. 62, 65 Satz 1 GG), ist durch eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte legitimiert, die ihren Ursprung in dem Wahlakt des deutschen Volkes nimmt und über den unmittelbar demokratisch legitimierten Deutschen Bundestag vermittelt wird (Art. 63 Abs. 1 GG). Der am Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder beteiligte Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland ist mithin vom
172 Insoweit zeigt sich deutlich die Parallele zur Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Zentralbankrat und dem Direktorium der Deutschen Bundesbank; zu der Ausrichtung des ESZB am Vorbild des deutschen Rechts H. Tietmeyer, Die Europäische Wirtschafts· und Währungsunion, S. 25 ff., insbesondere 27.
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deutschen Volk legitimiert und verfügt insoweit wegen der Einschaltung des auf der obersten Stufe der Bedeutungsskala demokratischer Legitimation rangierenden Deutschen Bundestags173 sogar über eine besonders hohe demokratische Dignität. Anders stellt sich indes aus grundgesetzlicher Sicht die Beteiligung der übrigen Staats- und Regierungschefs an dem Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder dar. Diese mögen zwar über eine demokratische Legitimation von ihrem Staatsvolk verfügen. Von dem deutschen Staatsvolk sind sie jedoch nicht legitimiert. Nach dem Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG kommt indes als Quelle demokratischer Legitimationsvermittlung ausschließlich das deutsche Staatsvolk in Betracht 174. Es ist erforderlich, daß eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den in das Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder eingeschalteten Staats- und Regierungschefs und dem deutschen Volk besteht. Ob die Staats- und Regierungschefs daneben auch von den Völkern der übrigen Mitgliedstaaten legitimiert sind, ist unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG unbeachtlich. An diesem durch Art. 20 Abs. 2 GG geforderten Zurechnungszusammenhang zwischen den Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedstaaten und dem deutschen Volk fehlt es jedoch gerade. Mithin ist bei der Berufung der Direktoriumsmitglieder der Europäischen Zentralbank nur der deutsche Auswahl- und Entscheidungsbeitrag des Bundeskanzlers verfassungsrechtlich demokratisch legitimiert; die Beteiligung der Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedstaaten läßt eine solche Legitimation dagegen vermissen. Damit ergibt sich für die personelle Legitimation der Direktoriumsmitglieder der Europäischen Zentralbank folgendes Bild: Die Mitglieder des Direktoriums werden gem. Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. Satz 1 ESZB-Satzung einvernehmlich von allen Staats- und Regierungschefs ausgewählt und ernannt. Wegen des insoweit geltenden Einstimmigkeitsprinzips als Abstimmungsmodus bedarf es für die Ernennung der Direktoriumsmitglieder der Stimmen sämtlicher Staats- und Regierungschefs. Die Berufung der Direktoriumsmitglieder obliegt mithin dem demokratisch legitimierten Bundeskanzler und den sub specie des Art. 20 Abs. 2 GG nicht demokratisch legitimierten übrigen Staats- und Regierungschefs gemeinsam. Eine solche Auswahl- und Entscheidungsstruktur bei der Berufung der Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank steht indes nach den oben entwickelten Grundsät173 Die besondere demokratische Dignität des Deutschen Bundestags beruht auf seiner Stellung als unmittelbar vom deutschen Volk gewähltes Staatsorgan, hierzu bereits im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 61 (S. 46). 174 So zutreffend P. M Huber, in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 349 (365).
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zen zur demokratischen Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien175 mit dem Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang 176 ; allein die demokratische Legitimation des deutschen Auswahl- und Berufungsakts genügt hierfür nicht 177 . Denn insoweit ist nicht gewährleistet, daß jede einzelne (positive oder negative) Berufungsentscheidung auf dem Willen des demokratisch legitimierten Bundeskanzlers beruht. Zwar ist wegen des für die Berufung der Direktoriumsmitglieder nach Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. ESZB-Satzung vorgeschriebenen Einstimmigkeitsprinzips sichergestellt, daß bei der Berufung der Direktoriumsmitglieder keine Entscheidung gegen den Willen des deutschen Regierungschefs getroffen wird. Jedoch vermag eine solche negative Selektionsbefugnis für sich genommen nicht den nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen demokratischen Legitimationszusammenhang herzustellen. Vielmehr ist darüber hinaus auch die positive Entscheidungsbefugnis erforderlich, also die Möglichkeit, Entscheidungen unabhängig von dem Willen der nicht demokratisch Legitimierten zustande bringen zu können 178 . Da jedoch der Bundeskanzler bei der Berufung der Direktoriumsmitglieder in seiner Auswahl und Entscheidung von den übrigen Staats- und Regierungschefs abhängig ist, verfügt er nicht über die erforderliche positive Entscheidungsmacht 179 . Einer solchen Durchsetzungsmacht des einzig demokratisch legitimierten deutschen Regierungschefs bedürfte es aber, um den nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotenen ununterbrochenen Legitimationszusammenhang zwischen den Direktoriumsmitgliedern einerseits und dem deutschen Staatsvolk andererseits in jedem Falle sicherzustellen. Zwar muß die diesem Beruf ungsverfahren immanente Demokratieschwäche nicht bei jeder Ernennungsentscheidung auch tatsächlich zum Tragen kommen. Sofern bei der Berufung der Direktoriumsmitglieder keine (positive oder negative) Entscheidung gegen den Willen des demokratisch legitimierten Bundeskanzlers getroffen wird, ist unter dem Blickwinkel des Art. 20 Abs. 2 GG nichts zu beklagen; in diesem Fall bleibt die Schwäche in der Legitimationsstruktur bei der Berufung der Direktoriumsmitglieder im Verborgenen. Sofern dagegen in Konfliktfällen der deutsche Regierungschef nicht die Möglichkeit
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Zu der demokratischen Legitimation von Kollegialorganen sei auf die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 3, S. 70 ff. verwiesen. 176 Dies erkennt zutreffend P. M Huber, in: J. Ipsen / H.-W. Rengeling (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, S. 349 (365); siehe auch dens., in: ders. / W. Mößle / M. Stock (Hrsg.), Zur Lage der parlamentarischen Demokratie, S. 105 (113 f., 115 f.); vgl. abermals dens., Maastricht - ein Staatsstreich?, S. 23 f., 28 f. 177 Siehe hierzu bereits oben bei Fn. 155 (S. 351). 178 Dazu im ersten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 33 ff. (S. 83 ff.). 179 Dies übersieht P. M Huber, in: ders. / W. Mößle / M. Stock (Hrsg.), Zur Lage der parlamentarischen Demokratie, S. 105 (115 f.).
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hat, seinen Willen durchzusetzen und Ernennungen zustande zu bringen, er also über die nach Art. 20 Abs. 2 GG erforderliche positive Entscheidungsbefugnis nicht verfügt, ist dem verfassungsrechtlichen Demokratiegebot nicht entsprochen. Mithin ist bei dem Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder nicht mit Sicherheit gewährleistet, daß jede einzelne Ernennungsentscheidung auf dem Willen des demokratisch legitimierten Bundeskanzlers beruht; das nach Art. 20 Abs. 2 GG vorgegebene Legitimationsziel, die Rückführbarkeit jeder Berufungsentscheidung auf den Willen des deutschen Volkes ist nicht in jedem Falle sichergestellt. Dies läßt die systembedingte Schwäche dieses Legitimationskonzepts deutlich werden: Das Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder stellt keine institutionellen oder organisatorischen Sicherungen zur Verfügung, welche die Rückführbarkeit jeder einzelnen Entscheidung auf den Willen des demokratisch legitimierten deutschen Regierungschefs gewährleisteten. Kurzum: Die Direktoriumsmitglieder können, müssen aber nicht demokratisch legitimiert sein; dies bleibt dem Einzelfall überlassen. Da die personelle Legitimation indes eine zwingende verfassungsrechtliche Vorgabe im demokratischen Legitimationsmodell ist und bei jeder hoheitlichen Entscheidung auf Verwirklichung drängt, bedarf es einer Legitimationsstruktur, die die Rückführbarkeit jeder einzelnen Entscheidung auf den Willen des deutschen Volkes zu gewährleisten in der Lage ist. Dieser zwingenden verfassungsrechtlichen Direktive des Art. 20 Abs. 2 GG entspricht das Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder der Europäischen Zentralbank nicht. Es steht mithin mit dem Gebot demokratischer personeller Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang. (2) Personeller Legitimationsbeitrag durch Beteiligungsrechte nach Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. ESZB-Satzung? Dieses personelle Legitimationsdefizit des Direktoriums der Europäischen Zentralbank wird auch nicht durch die in Art. 109a Abs. 2b) EGV, Art. 11.2. ESZB-Satzung vorgesehene Verfahrensregelung kompensiert, wonach die Auswahl und Ernennung der Direktoriumsmitglieder erst auf Empfehlung des Rates erfolgt, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört. Zwar wird solchen Empfehlungs- und Anhörungsrechten in der Regel ein gewisses politisches Gewicht zukommen180. Jedoch sind politisch-faktische Ingerenzen sub specie des Prinzips demokratischer Legitimation unbeachtlich, sofern diese nicht die Dichte rechtlich verbindlicher Willensbekundungen er-
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So auch W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 75 für den gemeinschaftsrechtlichen demokratischen Legitimationswert von Anhörungsrechten des Europäischen Parlaments.
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reichen. Davon kann jedoch bei den bloß unverbindlichen Empfehlungsrechten des Rates und Anhörungsrechten des Europäischen Parlaments und des EZB-Rates nicht die Rede sein. Die Staats- und Regierungschefs werden dadurch in ihrer Auswahl- und Berufungsentscheidung in keiner Weise rechtlich eingeschränkt oder gebunden181. Aus diesem Grunde kann hier die Frage dahingestellt bleiben, ob diese in das Berufungsverfahren eingeschalteten europäischen Organe, der Rat und das Europäische Parlament, demokratisch legitimiert sind und damit als Legitimationsmittler im Berufungsverfahren der Direktoriumsmitglieder überhaupt in Betracht kommen. (3) Amtszeit und Abberufung der Direktoriumsmitglieder Das personelle Legitimationsdefizit des Direktoriums der Europäischen Zentralbank wird zusätzlich dadurch verstärkt, daß die Mitglieder des Direktoriums nach Art. 109a Abs. 2b) Satz 2 EGV, Art. 11.2. Satz 2 ESZB-Satzung für acht Jahre ohne Möglichkeit der Wiederwahl ernannt werden 182 und ihre vorzeitige Abberufung nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 11.4. ESZB-Satzung möglich ist, wenn sie entweder die Voraussetzungen für die Ausübung ihres Amtes nicht mehr erfüllen oder eine schwere Verfehlung begangen haben. Die Länge der Amtszeit sowie die restriktiven Möglichkeiten der Abberufung der Direktoriumsmitglieder stellen einen weiteren unabhängigkeitsvermittelnden Baustein im personellen Legitimationsgefüge der Direktoriumsmitglieder dar und tragen damit maßgeblich zur personellen Unabhängigkeit des Direktoriums der Europäischen Zentralbank bei 1 8 3 . Im Ergebnis steht damit fest, daß das Direktorium der Europäischen Zentralbank nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation vom deutschen Volk verfügt. bb) Personelle Legitimation der Präsidenten der nationalen Zentralbanken
Neben den Mitgliedern des Direktoriums gehören dem EZB-Rat gem. Art. 109a Abs. 1 EGV, Art 10.1. ESZB-Satzung auch die Präsidenten der nationalen Zentralbanken an. Das Procedere des Auswahl- und Ernennungsverfahrens des Präsidenten der Deutschen Bundesbank wurde bereits an anderer 181
Ebenso G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 28. Vgl. in diesem Zusammenhang die in § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG geregelten Amtszeiten für die Direktoriumsmitglieder der Deutschen Bundesbank; dazu oben im zweiten Teil, Kapitel 2, nach Fn. 18 (S. 133). 183 So auch D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 113 f.; H. Tietmeyer, Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, S. 27; T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (840). 182
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Stelle beschrieben184. Dabei konnte festgestellt werden, daß der Präsident der Deutschen Bundesbank in personeller Hinsicht durch eine ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte vom Bundesvolk legitimiert ist und sich dabei - wegen der Einschaltung der Bundesregierung in das Ernennungsverfahren - sogar auf eine besonders hohe demokratische Dignität berufen kann 185 . Insoweit ist aus demokratiestaatlicher Sicht nichts zu beklagen. Anders stellt sich jedoch unter den Auspizien des Art. 20 Abs. 2 GG die Legitimation der Zentralbankpräsidenten der anderen Mitgliedstaaten dar, die im EZB-Rat als weitere Mitglieder neben dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind. Ihre Berufung entspricht nicht dem durch Art. 20 Abs. 2 GG konturierten Zurechnungsmodell. Denn insoweit fungiert nicht das deutsche Staatsvolk als Quelle demokratischer Legitimationsvermittlung, sondern allenfalls die jeweiligen Staatsvölker der anderen Mitgliedstaaten. Wenn auch die Zentralbankpräsidenten der übrigen Mitgliedstaaten über eine auf ihr Staatsvolk zurückreichende personelle Legitimation verfügen mögen, so fehlt es jedenfalls an einer entsprechenden Legitimation vom deutschen Volk. Nur darauf kommt es aber nach dem - für die Ausübung deutscher Staatsgewalt und europäischer Hoheitsgewalt gleichermaßen geltenden- Prinzip demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG an 1 8 6 ; allein das deutsche Volk fungiert nach Art. 20 Abs. 2 GG als Quelle verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimationsvermittlung. Nur eine auf den Willen des deutschen Volkes rückführbare Kette individueller Berufungsakte vermöchte den Zentralbankpräsidenten die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation zu vermitteln. Ob daneben auch eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen den Zentralbankpräsidenten und den Völkern der übrigen Mitgliedstaaten besteht, ist nach Art. 20 Abs. 2 GG irrelevant 187. Die Zentralbankpräsidenten der anderen Mitgliedstaaten verfügen mithin nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation vom deutschen Staatsvolk. Ihre Mitwirkung im EZB-Rat stellt sich daher - ebenso wie die der Direktoriumsmitglieder - als Mitwirkung nicht demokratisch Legitimierter dar.
184 Siehe zu der Berufung des Präsidenten der Deutschen Bundesbank nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG im zweiten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 7 -18 (S. 131 -133). 185 Zu den Änderungen im Hinblick auf die Länge der Amtszeit und die Möglichkeit der Abberufung des Präsidenten der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion oben auf S. 312 ff. 186 Zu dem verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimationsniveau nach Art. 20 Abs. 2 GG für die europäische Hoheitsgewalt ausführlich oben bei Fn. 128 159 (S. 340 - 353). 187 Vgl. dazu die Ausführungen oben nach Fn. 152 (S. 349 ff).
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
cc) Fazit: Der EZB-Rat als nicht demokratisch legitimiertes Kollegialorgan Für die personelle Legitimation des EZB-Rates ergibt sich damit folgendes Bild: Von den Mitgliedern des EZB-Rates, dem nach Art. 109a Abs. 1 EGV, Art. 10.1. ESZB-Satzung sowohl die Mitglieder des Direktoriums als auch die Präsidenten der nationalen Zentralbanken angehören, verfügt nur der Präsident der Deutschen Bundesbank über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation vom deutschen Staatsvolk. Dagegen sind weder die Zentralbankpräsidenten der anderen Mitgliedstaaten noch die Mitglieder des Direktoriums verfassungsrechtlich demokratisch legitimiert. Gem. Art. 10.2. Satz 5 ESZB-Satzung trifft der EZB-Rat seine Beschlüsse vorbehaltlich abweichender Bestimmungen mit einfacher Mehrheit. Dabei besitzt nach Art. 10.2. Satz 4 ESZB-Satzung grundsätzlich jedes Mitglied des EZB-Rates eine Stimme 1 8 8 . Eine solche Entscheidungsstruktur kollidiert indes mit den für die demokratische Legitimation kollegialer Entscheidungsgremien entwickelten Grundsätzen, wonach prinzipiell sämtliche mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Mitglieder demokratisch legitimiert sein müssen189. Denn insoweit ist nicht sichergestellt, daß jede einzelne Entscheidung des EZB-Rates auf dem Willen des demokratisch legitimierten Mitglieds, des Bundesbankpräsidenten, beruht. Da dem Bundesbankpräsidenten die Entscheidungsmacht im EZB-Rat nur gemeinsam mit den vierzehn weiteren Zentralbankpräsidenten der anderen Mitgliedstaaten und den sechs Direktoriumsmitgliedern übertragen ist, welche ausnahmslos nicht über die verfassungsrechtlich gebotene demokratische Legitimation vom deutschen Volk verfügen, besitzt er nicht die erforderliche Stimmenmehrheit, um seinen Willen im Konfliktfalle durchsetzen zu können. Es ist nicht gewährleistet, daß er bei jeder einzelnen Entscheidung über die nach dem Modell demokratischer Legitimation erforderliche positive Entscheidungsbefugnis und negative Selektionsbefugnis verfügt 190 . Daran ändert sich auch nichts, wenn im Einzelfall von der Regelung des Art. 10.2. Satz 5 ESZB-Satzung abweichende Bestimmungen zum Tragen
188 Eine andere Stimmenverteilung besteht gem. Art. 10.2. Satz 4 ESZB-Satzung nur in den in Art. 10.3. und Art. 11.3. ESZB-Satzung geregelten Fällen; danach wird gem. Art. 10.3. ESZB-Satzung für Beschlüsse in bestimmten Kapitalangelegenheiten nach Art. 28 ff ESZB-Satzung eine nach den Anteilen der nationalen Zentralbanken am gezeichneten Kapital der Europäischen Zentralbank ausgerichtete Stimmenverteilung vorgenommen sowie gem. Art. 11.3. ESZB-Satzung die Beschäftigungsbedingungen für die Mitglieder des Direktoriums von einem eigens dafür eingerichteten Ausschuß festgelegt. 189 Siehe dazu im ersten Teil, Kapitel 3, S. 70 ff. 190 Hierzu im ersten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 34 (S. 84).
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kommen und der EZB-Rat seine Beschlüsse nach dem Einstimmigkeitsprinzip trifft; denn dadurch wäre lediglich sichergestellt, daß die Beschlüsse nicht gegen den Willen des demokratisch legitimierten Bundesbankpräsidenten getroffen werden; die erforderliche positive Entscheidungsmacht wäre jedoch nicht gewährleistet 191. Nochmals: Nur wenn sämtliche entscheidungsbefugten Mitglieder kollegialer Gremien demokratisch legitimiert sind, ist dem verfassungsrechtlichen Legitimationsgebot des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen; Stimmrechte nicht demokratisch Legitimierter sind hiermit grundsätzlich unvereinbar 192. Im Ergebnis steht damit fest, daß der EZB-Rat nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene personelle Legitimation vom deutschen Staatsvolk verfügt. d) Sachlich-inhaltliche Legitimation der Europäischen Zentralbank
Zu untersuchen bleibt, ob der EZB-Rat bei der Erfüllung der ihm obliegenden währungspolitischen Aufgaben in sachlich-inhaltlicher Hinsicht den für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt geltenden Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG entspricht 193. Da es nach Art. 20 Abs. 2 GG für die europäische Hoheitsgewalt ebenso wie für die deutsche Staatsgewalt allein darauf ankommt, daß sie im Ergebnis auf dem Willen des deutschen Volkes beruht, könnte das personelle Legitimationsdefizit des EZB-Rates prinzipiell durch eine entsprechende sachlich-inhaltliche Legitimationsstruktur kompensiert sein 194 . Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, stehen zur Verwirklichung der von Verfassungs wegen gebotenen sachlich-inhaltlichen Legitimation verschiedene Steuerungsinstrumente zur Verfügung; insoweit lassen sich legislatorische Kontroll- und Lenkungsinstrumente und exekutive Steuerungsmittel unterscheiden195. Im Hinblick auf diese legitimationsvermittelnden Steuerungsinstrumente soll im folgenden untersucht werden, ob die Europäische Zentralbank über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation vom deutschen Staatsvolk verfügt.
191 Siehe dazu oben bei Fn. 178 (S. 360) und bereits im ersten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 33 ff. ( S. 83 ff.). 192 Zu der Ausnahme von diesem Grundsatz im ersten Teil, Kapitel 3, vor Fn. 32 (S. 83). 193 Zur sachlich-inhaltlichen Legitimation als Erfordernis des Prinzips demokratischer Legitimation im ersten Teil, Kapitel 1, S. 44 ff. 194 Vgl. dazu die Ausführungen im ersten Teil, Kapitel 2, S. 66 ff. 195 Zu der sachlich-inhaltlichen Legitimationsform und ihren Verwirklichungsinstrumenten im ersten Teil, Kapitel 1, S. 44 ff.
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
aa) Parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank Zunächst werden die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten beleuchtet, welche ihrem Wesen entsprechend lediglich die Möglichkeit zur nachträglichen Kontrolle der Europäischen Zentralbank bieten. Insoweit ist zwischen der mittelbaren und der unmittelbaren parlamentarischen Kontrollbefugnis zu unterscheiden 196. Die mittelbare parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank wird über die Bundesregierung als zentrales Verbindungsstück zwischen dem Deutschen Bundestag und der Europäischen Zentralbank hergestellt. Sie kann also nur insoweit bestehen, als die Bundesregierung die Funktionswahrnehmung der Europäischen Zentralbank zu steuern in der Lage ist. Jedoch ist die Europäische Zentralbank - insoweit sei das Ergebnis der nachfolgenden Untersuchung vorweggenommen - weder der Lenkung noch der Kontrolle der Bundesregierung unterworfen. Da die Europäische Zentralbank sowohl von den Weisungen europäischer als auch nationaler Stellen unabhängig ist (Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung), verfügt die Bundesregierung über keinerlei Möglichkeiten, steuernden Einfluß auf die Europäische Zentralbank zu nehmen197. Ebenso wie die Deutsche Bundesbank vor der dritten Stufe der Währungsunion besitzt auch die Europäische Zentralbank einen umfassenden Autonomiebereich in sämtlichen währungspolitischen Fragen. Da mithin der Bundesregierung keine Steuerungsmöglichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank zur Verfügung stehen, fehlt es an dem kontrollvermittelnden Verbindungsstück für eine mittelbare parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank durch den Deutschen Bundestag, die somit als Instrument sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung ausscheiden muß. Der der Europäischen Zentralbank gewährte Autonomiebereich schließt weiter auch ihre unmittelbare parlamentarische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag aus. Art. 107 EGV und Art. 7 ESZB-Satzung kommt nach ihrem spezifischen Sinngehalt eine über die Weisungsunabhängigkeit von nationalen und europäischen Stellen hinausreichende Bedeutung zu; sie gewähren der Europäischen Zentralbank Unabhängigkeit gegenüber sämtlichen staatlichen Stellen und damit auch gegenüber der legislatorischen Kontrolltätigkeit. Denn nach dem Normgehalt der Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung soll der Europäischen Zentralbank Unabhängigkeit im Interesse der Währungssicherung zukommen, weil eine unabhängige Zentralbank den Geldwert regelmäßig eher sichert als andere staatliche Stellen, die den Begehrlichkeiten
196
Zur parlamentarischen Kontrolle als Steuerungsinstrument sachlich-inhaltlicher Legitimation im ersten Teil, Kapitel 1, S. 45 f. 197 Siehe dazu sogleich unten bei Fn. 205 ff. (S. 369 f.).
. : Legitimation der Bundesbank i
interessierter politischer Kräfte unterliegen 198. Im teleologischen Zentrum der Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung steht mithin die währungspolitische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank schlechthin. Dieses Ergebnis wird auch unterstützt durch den Wortlaut der Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung, wonach die Europäische Zentralbank Weisungsunabhängigkeit nicht nur gegenüber den Regierungen der Mitgliedstaaten, sondern gegenüber sämtlichen nationalen (und europäischen) Stellen genießt. Im Ergebnis steht damit fest, daß Art. 107 EGV und Art. 7 ESZB-Satzung der Europäischen Zentralbank Unabhängigkeit nicht nur im Verhältnis zur Bundesregierung, sondern gegenüber sämtlichen staatlichen Stellen und damit auch gegenüber der unmittelbaren Kontrolltätigkeit der Legislative gewähren 199. Die der Europäischen Zentralbank im Interesse der Geldwertstabilität gewährte Unabhängigkeit darf mithin nicht durch eine parlamentarische Kontrolle durchkreuzt werden. Eine die Züge verbindlicher Willensbekundungen tragende unmittelbare Kontrolle durch den Bundestag verstieße gegen die der Europäischen Zentralbank verliehene währungspolitische Unabhängigkeit. Angesichts dieser von Gesetzes wegen im Unverbindlichen verbleibenden Kontrollbefugnis vermag die unmittelbare parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank keinerlei legitimationsstiftende Effekte zu zeitigen 200 . bb) Parlamentarische Lenkung der Europäischen Zentralbank Neben der parlamentarischen Kontrolle wird sachlich-inhaltliche Legitimation auch durch die vom Parlament erlassenen Gesetze vermittelt. Als Mittel legislatorischer Lenkung kommen hier die in Art. 105 ff. EGV und der ESZBSatzung für die Europäische Zentralbank getroffenen Ziel- und Aufgabenbestimmungen in Betracht. Zwar handelt es sich dabei um Vorschriften des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts. Durch das Zustimmungsgesetz des Deutschen Bundestags (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG) zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft haben dieser und mittelbar 201 auch
198
Zu den Gründen für die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nach Art. 88 Satz 2 GQ BVerfGE 89, 155 (208 f.); siehe ferner T. Weikart, Geldwert und Eigentumsgarantie, S. 90. 199 Im Ergebnis ähnlich D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 134 f., der davon spricht, daß eine direkte parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank durch den Bundestag „weitgehend ausgeschlossen" sei. 200 Zu der parallelen Fragestellung im Hinblick auf die parlamentarische Kontrolle der Deutschen Bundesbank oben im zweiten Teil, Kapitel 3, S. 143 -146. 201 Mittelbar deswegen, weil sekundäres Gemeinschaftsrecht durch das deutsche Zustimmungsgesetz zum EG-Vertrag keine unmittelbare innerstaatliche Geltung erlangt, sondern dadurch lediglich die Europäische Union ermächtigt wird, sekundäres Gemeinschaftsrecht mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland zu erlassen.
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
das davon abgeleitete sekundäre Gemeinschaftsrecht aber innerstaatliche Geltung in der Bundesrepublik Deutschland erlangt 202 und stehen daher als Mittel verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimationsvermittlung zur Verfügung. Zu fragen ist also, ob die in Art. 105 ff. EGV und der ESZB-Satzung getroffenen Regelungen der Europäischen Zentralbank die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation zu vermitteln in der Lage sind. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, differiert die Steuerungskraft von Gesetzen und damit auch die durch sie vermittelte sachlich-inhaltliche Legitimation nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungsdichte. Die Regelungsdichte wird wiederum durch die Grundstruktur der gesetzlichen Inhaltsvorgabe bestimmt, die entweder ein Konditional- oder ein Zweckprogramm enthält 203 . Die maßgebliche Zielvorgabe für die Europäische Zentralbank findet sich in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung. Danach ist als vorrangiges Ziel des ESZB die Gewährleistung von Preisstabilität festgeschrieben. Zu diesem Zwecke sind der Europäischen Zentralbank währungspolitische Aufgaben und Befugnisse nach Art. 105 ff. EGV übertragen. Die entscheidende Frage lautet damit, ob Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung eine Inhaltsvorgabe in Form eines Konditional- oder eines Zweckprogrammes enthalten. Insoweit erhellt recht schnell, daß es sich bei dem in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung festgelegten Ziel der Preisstabilität lediglich um eine vage Zielvorgabe handelt. Diese Vorschriften geben der Europäischen Zentralbank mit der Gewährleistung von Preisstabilität lediglich ein grob umrissenes währungspolitisches Ziel vor, ohne konkrete Vorgaben für dessen Verwirklichung aufzustellen. Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV und Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung beinhalten damit eine Zielvorgabe in Form eines gesetzlichen Zweckprogrammes, dessen legitimationsvermittelnder Gehalt deutlich hinter der Steuerungskraft von Konditionalprogrammen zurückbleibt 204. Der legitimationsvermittelnde Gehalt dieser Bestimmungen des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts ist mithin nur schwach ausgeprägt und vermag daher der Europäischen Zentralbank für sich genommen die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation nicht zu vermitteln.
202
Siehe dazu BVerfGE 89,155 (190). Zu der Steuerungskraft gesetzlicher Konditionalprogramme einerseits und legislatorischer Zweckprogramme andererseits ausführlich im ersten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 34 - 39 (S. 97 ff.). 204 Dazu bereits im ersten Teil, Kapitel 4, Fn. 38 ff. (S. 98 f.). 203
. : Legitimation der Bundesbank i
cc) Weisungsunabhängigkeit
der Europäischen Zentralbank
Die unzureichende legislatorische Kontrolle und Lenkung wäre von Verfassungs wegen nur dann nicht zu beklagen, wenn die Europäische Zentralbank den Weisungen der Exekutivspitze unterstellt wäre und das durch die mangelnde gesetzliche Steuerungskraft bewirkte Legitimationsdefizit auf diese Weise kompensiert würde 205 . Denn insoweit besteht zwischen den legislatorischen Steuerungsinstrumenten und der exekutiven Weisungsbefugnis ein Verhältnis wechselseitiger Komplementarität 206. An einer solchen Weisungsbefugnis der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Zentralbank fehlt es jedoch gerade. Denn gem. Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung darf weder die Europäische Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane bei der Wahrnehmung der ihnen durch den EG-Vertrag und die ESZB-Satzung übertragenen Aufgaben und Befugnisse Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, von den Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Europäische Zentralbank genießt also nicht nur Unabhängigkeit von Weisungen der Gemeinschaftsorgane, sondern auch von nationalen Stellen, insbesondere von den Regierungen der Mitgliedstaaten. Die Weisung scheidet damit als Instrument sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung für die Europäische Zentralbank aus. dd) Sachlich-inhaltlicher Legitimationsbeitrag durch Unterstützungspflicht nach Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung? In Parallele zu der im Hinblick auf die Deutsche Bundesbank diskutierten Frage 207 ist auch in dem vorliegenden Zusammenhang zu erörtern, ob der der Europäischen Zentralbank nach dem EG-Vertrag gewährte Autonomiebereich durch die in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung begründete Verpflichtung der Europäischen Zentralbank zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft eingeschränkt wird. Eine solche Einschränkung ist indes zu verneinen. Dies aus zwei Gründen: Erstens muß eine Beschränkung des monetären Autonomiebereichs der Europäischen Zentralbank bereits deswegen ausscheiden, weil sich die Unterstützungspflicht nach Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung nur auf die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft, nicht jedoch auch auf die na-
205
Zu dem Instrument der Weisung als konkretes Steuerungsmedium sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung im ersten Teil, Kapitel 1, bei Fn. 68 - 71 (S. 48 f.). 206 Dazu im ersten Teil, Kapitel 4, S. 98 f. 207 Zu der Problematik des Verhältnisses zwischen § 12 Satz 1 und 2 BBankG ausführlich im zweiten Teil, Kapitel 3, S. 157 ff. 24 Brosius-Gersdorf
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
tionaler Einrichtungen und Organe bezieht. Und zweitens vermag die durch diese Vorschriften begründete Unterstützungspflicht der Europäischen Zentralbank ihre Unabhängigkeit auch deswegen nicht zu beschränken, weil sie - im Gegensatz zu der entsprechenden Regelung in § 12 Satz 1 BBankG 208 unter dem ausdrücklichen Vorbehalt steht, daß dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist. Sofern ein Befolgen der Parameter der Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft mit dem von der Europäischen Zentralbank festgelegten Ziel der Preisstabilität konfligiert oder dieses gar zu durchkreuzen droht, entfaltet die in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV, Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung normierte Unterstützungspflicht keine Wirkkraft. Damit hat der Gesetzgeber in wünschenswerter Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die Verpflichtung der Europäischen Zentralbank, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft zu unterstützen, unter dem maßgeblichen Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit den währungspolitischen Leitentscheidungen der Europäischen Zentralbank steht. Auch aus diesem Grunde vermag die in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV und Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung begründete Unterstützungspflicht der Europäischen Zentralbank ihren währungspolitischen Autonomiebereich nicht zu beschränken. ee) Sachlich-inhaltlicher Legitimationsbeitrag durch Unterstützungs- und Kooperationspflichten nach Art. 109b EGV? Zu untersuchen bleibt schließlich, ob der der Europäischen Zentralbank gewährte währungspolitische Autonomiebereich durch die in Art. 109b EGV geregelten Unterstützungs- und Kooperationspflichten eine Einschränkung erfährt 209 . Verpflichtungen bestehen für die Europäische Zentralbank nach Art. 109b EGV unter drei Aspekten: Erstens besitzen der Ratspräsident und der Kommissionspräsident gem. Art. 109b Abs. 1 Satz 1 EGV die Befugnis, ohne Stimmrecht an den Sitzungen des EZB-Rates teilzunehmen, wobei der Ratspräsident nach Art. 109b Abs. 1 Satz 2 EGV auch berechtigt ist, Anträge im EZB-Rat zu stellen. Zweitens ist die Europäische Zentralbank nach Art. 109b Abs. 3 EGV verpflichtet, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission regelmäßig Jahresberichte vorzulegen. Und drittens können der Präsident der Europäischen Zentralbank und die anderen Mitglieder des Direktoriums gem. Art. 109b Abs. 3 Satz 3 EGV auf Ersuchen des Europäischen Parlaments angehört werden.
208 Insoweit ist § 12 Satz 1 BBankG aber entsprechend auszulegen, siehe hierzu im zweiten Teil, Kapitel 3, S. 157 ff. 209 Zu der entsprechenden Problematik nach dem Bundesbankgesetz oben im zweiten Teil, Kapitel 3, bei Fn. 50 ff. (S. 164 ff).
. : Legitimation der Bundesbank i
Diese Kooperationspflichten der Europäischen Zentralbank vermögen jedoch ihre Autonomie - ebenso wie die in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV begründete Unterstützungspflicht - schon deswegen nicht zu durchkreuzen, weil sie lediglich gegenüber Gemeinschaftsorganen zum Tragen kommen und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank gegenüber nationalen Einrichtungen und Organen unberührt lassen. Zudem kommt ihnen - ungeachtet der Frage nach der verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimation der gem. Art. 109b EGV beteiligungsberechtigten Gemeinschaftsorgane - auch deswegen keinerlei legitimationsvermittelnder Gehalt zu, weil sie lediglich unverbindlicher Natur sind, ohne dadurch die Möglichkeit einer Lenkung und Kontrolle der Europäischen Zentralbank zu gewähren. Aus diesen Gründen vermögen die in Art. 109b EGV begründeten Unterstützungspflichten der Europäischen Zentralbank ihren währungspolitischen Autonomiebereich nicht zu beschränken 210. Die Untersuchung hat damit gezeigt, daß die Europäische Zentralbank weder in personeller noch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht den für die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt geltenden Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG entspricht 211. Das nach Art. 20 A b i 2 GG gebotene verfassungsrechtliche demokratische Legitimationsniveau, die Rückführbarkeit hoheitlicher Gewaltausübung auf den Willen des deutschen Volkes, wird mithin nicht erreicht. Insoweit sei jedoch an dieser Stelle abermals daraufhingewiesen, daß damit noch keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Organisationsverfassung der Europäischen Zentralbank getroffen ist; denn offen ist, ob das Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank durch verfassungsrangige Ausnahmeregelungen von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist. Diese Frage findet noch an anderer Stelle gebührende Berücksichtigung 212. Zu beachten bleibt freilich, daß wegen der doppelten Legitimationsmöglichkeit der Europäischen Zentralbank und der wechselseitigen Komplementarität zwischen der verfassungsrechtlichen und der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation ein letztverbindliches Urteil über die demokratische Legitimation der Europäischen Zentralbank nicht gefällt werden konnte. Denn offen bleiben
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So ausdrücklich G. Nicolaysen, Rechtsfragen der Währungsunion, S. 28: „Die Verfahren des Art. 109b EGV beeinträchtigen die Unabhängigkeit der EZB nicht". 211 Anderer Auffassung D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 136 ff, insbesondere 140 f., der unter Berufung darauf, daß die Europäische Zentralbank hinreichend „in die demokratischen Legitimationsketten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten eingebunden" sei, zu dem Ergebnis gelangt, daß die Europäische Zentralbank dem „Kerngehalt des Demokratieprinzips" entspreche. 212 Dazu sogleich im fünften Teil, S. 377 ff.
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
mußte, ob die Europäische Zentralbank über eine - den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG entsprechende - gemeinschaftsrechtliche Legitimation verfügt 213 , welche ihre fehlenden verfassungsrechtlichen Legitimationselemente zu kompensieren in der Lage ist. Indes erscheint eine solche gemeinschaftsrechtliche Legitimation der Europäischen Zentralbank schon deswegen zweifelhaft, weil das sekundäre Gemeinschaftsrecht nicht nur verschiedene Regelungen zur Sicherung der personellen Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank enthält, sondern die Europäische Zentralbank nach Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung auch von den Weisungen gemeinschaftsrechtlicher Einrichtungen und Organe unabhängig ist. 7« Auswirkungen des Legitimationsdefizits der Europäischen Zentralbank auf die Legitimation der Deutschen Bundesbank Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich für die demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank folgendes Bild: Mit dem Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion verliert die Deutsche Bundesbank ihre souveränen monetären Entscheidungsbefugnisse und Kompetenzen an das ESZB, das sich durch eine streng hierarchisch gegliederte Verwaltungsstruktur auszeichnet. Innerhalb dieses Europäischen Verbundsystems besitzt die Europäische Zentralbank die maßgebliche währungspolitische Entscheidungsmacht (Sachkompetenz), während der Deutschen Bundesbank eine rein exekutive Funktion als Teil der unteren (Vollzugs-)Stufe zukommt; die Funktion der Deutschen Bundesbank erschöpft sich im wesentlichen darin, die von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Entscheidungen auszuführen (Wahrnehmungskompetenz). Die Europäische Zentralbank verfügt aber, wie gezeigt, weder in personeller noch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation. Die Deutsche Bundesbank ist mithin nach Beginn der dritten Stufe der Währungsunion der Bestimmungsmacht einer nicht (verfassungsrechtlich) demokratisch legitimierten europäischen Einrichtung unterworfen und kann ihre währungspolitische Funktion nur nach Maßgabe und im Rahmen der von dieser getroffenen Entscheidungen wahrnehmen. Diese Abhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den währungspolitischen Vorgaben der nicht legitimierten Europäischen Zentralbank ist unter dem Blickwinkel des Prinzips demokratischer Legitimation ebenso unzulässig wie die Mitbestimmungs- und Ingerenzrechte nicht demokratisch legitimierter 213
Zu der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation der Europäischen Union ausführlich W. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, insbesondere S. 67 ff.
. : Legitimation der Bundesbank i Gruppen i n staatlichen Kollegialgremien 214 . Denn mit dem demokratischen Legitimationsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG sind Mitbestimmungs- und Einflußnahmerechte nicht demokratisch legitimierter Stellen grundsätzlich unvereinbar 2 1 5 . Die Bestimmungsmacht der nicht legitimierten Europäischen Zentralbank gegenüber der Deutschen Bundesbank führt somit zu weiteren Legitimationsverlusten für die Bundesbank. Zu dem bereits vor der dritten Stufe der Währungsunion bestehenden, durch die Weisungsunabhängigkeit von der Bundesregierung bewirkten Legitimationsdefizit tritt ein weiteres, durch die Weisungsabhängigkeit von der Europäischen Zentralbank verursachtes Legitimationsdefizit hinzu. Nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion ist die Deutsche Bundesbank damit in zweifacher Hinsicht defizitär demokratisch legitimiert: Zum einen dadurch, daß sie von den Weisungen der demokratisch legitimierten Bundesregierung unabhängig ist; zum anderen dadurch, daß sie von den währungspolitischen Vorgaben der nicht demokratisch legitimierten Europäischen Zentralbank abhängig ist. Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den Weisungen der demokratisch legitimierten Bundesregierung und ihre Abhängigkeit von den währungspolitischen Direktiven der nicht demokratisch legitimierten Europäischen Zentralbank
214 Diese Bindung der nationalen Zentralbanken respektive der Deutschen Bundesbank an die Weisungen der Europäischen Zentralbank stellt keinen Verstoß gegen Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung dar, wonach die nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung der ihnen durch den EG-Vertrag und die ESZB-Satzung übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten keine Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft entgegennehmen oder einholen dürfen. Demi dieses Weisungsverbot bezieht sich seinem spezifischen Sinngehalt entsprechend nur auf solche europäischen Stellen, die in das hierarchisch-demokratische StrakturgefÜge der Europäischen Union eingebunden sind, nicht dagegen auf solche, die - wie die Europäische Zentralbank außerhalb der demokratischen Steuerungsmöglichkeiten stehen. Dies findet seine Bestätigung auch in dem systematischen Zusammenhang zwischen Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung einerseits und Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV, Art. 2 Satz 1 ESZB-Satzung andererseits, woraus sich ergibt, daß die in Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung für die Europäische Zentralbank festgelegte Unabhängigkeit im Interesse der bestmöglichen Gewährleistung von Preisstabilität statuiert ist und aus diesem Grunde die Währungspolitik des ESZB dem Einfluß solcher Einrichtungen und Organe entzogen sein soll, die in das hierarchisch-demokratische Legitimationsgefüge eingebunden und anderen politischen Zielen als ausschließlich dem Ziel der Preisstabilität unterworfen sind. Aus diesem Grunde erstreckt sich das Weisungsverbot in Art. 107 EGV, Art. 7 ESZB-Satzung nicht auf das Verhältnis der nationalen Zentralbanken zur Europäischen Zentralbank. 215 Vgl. dazu die Ausführungen zur demokratischen Legitimation von Kollegialorganen im ersten Teil, Kapitel 3, S. 70 ff
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Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
stellen sich sub specie des Prinzips demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG als gleichermaßen unzulässig d a r 2 1 6 .
216 Zu der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Legitimationsdefizits sogleich im fünften Teü, S. 377 ff.
Vierter Teil: Ergebnis Im vierten Teil der Albeit wurde gezeigt, daß die Deutsche Bundesbank mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion ihre souveränen monetären Entscheidungsbefugnisse verliert und Teil eines hierarchisch strukturierten Europäischen Systems der Zentralbanken wird, dem neben der Europäischen Zentralbank auch die nationalen Notenbanken der Mitgliedstaaten angehören. Innerhalb dieses Europäischen Verbundsystems besitzt die Europäische Zentralbank die maßgebliche währungspolitische Entscheidungsmacht (Sachkompetenz), während die nationalen Zentralbanken im wesentlichen darauf beschränkt sind, als untere (Vollzugs-)Stufe des Verbundsystems die von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Entscheidungen auszufuhren (Wahrnehmungskompetenz)1. Trotz dieses Verlustes der nationalen Währungshoheit ist die Funktionswahrnehmung der Deutschen Bundesbank im ESZB nicht nur uneingeschränkt als Staatsgewalt im formellen Sinne zu qualifizieren 2, sondern stellt sich regelmäßig auch als Staatsgewalt im materiellen Sinne dar. Materielle Staatsgewalt übt die Deutsche Bundesbank nur dann nicht aus, wenn ihr Handeln keine rechtsverbindlichen Folgen zu zeitigen vermag3, ihre Funktionsausübung unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Zentralbank steht4 und diese ihre Zustimmung versagt oder sich ihr Handeln in dem automatenhaften Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder detaillierter Weisungen der Europäischen Zentralbank erschöpft 5. Weiter wurde gezeigt, daß sowohl die Europäische Union als auch nationale Stellen beim Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts über eine doppelte Legitimationsbasis verfügen 6: Demokratische Legitimation kann ihnen sowohl
1
Kapitel 4, beiFn. 28 (S. 291). Dazu oben in Kapitel 5, bei Fn. 4 ff. (S. 293 f.). 3 So bei der Informationsweitergabe an den EZB-Rat nach Art. 14.3. Satz 2 ESZBSatzung und bei der statistischen Datenerhebung nach Art. 5.1. und Art. 5.2. ESZBSatzung, dazu oben in Kapitel 5, nach Fn. 23 (S. 298). 4 So in den Fällen der Art. 105a Abs. 1 Satz 2 und Art. 105a Abs. 2 Satz 1 EGV, hierzu oben in Kapitel 5, bei Fn. 28 - 27 (S. 300 f.). 5 Kapitel 5, S. 303 ff. 6 Kapitel 5, S. 335 ff. 2
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4. Teil: Legitimation der Bundesbank nach der Währungsunion
durch eine gemeinschaftsrechtliche, von den Unionsbürgern ausgehende, als auch durch eine verfassungsrechtliche, auf das deutsche Staatsvolk zurückgehende Legitimation vermittelt werden. Zwischen der gemeinschaftsrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Legitimation besteht dabei ein Verhältnis wechselseitiger Komplementarität: Gemeinschaftsrechtliche Legitimationsdefizite können durch verfassungsrechtliche demokratische Legitimationselemente kompensiert werden und umgekehrt. Während sedes materiae der gemeinschaftsrechtlichen Legitimation Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist 7 , wurzelt das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation in Art. 20 Abs. 2 GG8. Insoweit kommt das für den innerstaatlichen Bereich entwickelte Konzept demokratischer Legitimation gleichermaßen auch für die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union zum Tragen9. Schließlich hat sich gezeigt, daß die Europäische Zentralbank weder in personeller noch in sachlich-inhaltlicher Hinsicht vom deutschen Staatsvolk legitimiert ist und daher dem Gebot demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG nicht entspricht. Dieses Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank hat Auswirkungen auf die Legitimation der Deutschen Bundesbank 10 : Zu dem bereits vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion vorhandenen sachlich-inhaltlichen Legitimationsdefizit der Bundesbank, das in ihrer Unabhängigkeit von den Weisungen der demokratisch
legitimierten
Bundesregierung besteht, tritt ein weiteres Legitimationsdefizit hinzu, das durch ihre Abhängigkeit von den Vorgaben der nicht verfassungsrechtlich demokratisch legitimierten Europäischen Zentralbank bewirkt wird 11 . Ob dieses - doppelte - Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank indes durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt ist, ist dem nachfolgenden Untersuchungsabschnitt vorbehalten.
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Kapitel 5, S. 318 ff. Kapitel 5, S. 327 ff. 9 Kapitel 5, S. 340 ff. 10 Zu dem - im wesentlichen unverändert fortbestehenden - personellen Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank in Kapitel 5, S. 311 ff. 11 Kapitel 5, S. 355 ff. 8
Fünfter
Teil
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Demokratiedefizits der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Kapitel 1
Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art. 88 Satz 2 GG als verfassungskräftige Unabhängigkeitsgarantie Zu untersuchen bleibt, ob das nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion bestehende Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, ob also zu seinen Gunsten verfassungsexplizite oder verfassungsimplizite Ausnahmetatbestände von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG eingreifen 1. Wie im vorhergehenden gezeigt wurde, ist die Deutsche Bundesbank nach Verwirklichung der dritten Stufe der Währungsunion in zweifacher Hinsicht defizitär legitimiert, zum einen durch ihre Unabhängigkeit von den Weisungen der Bundesregierung und zum anderen durch ihre Abhängigkeit von den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank2. Diese beiden Legitimationsdefizite der Bundesbank finden ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung zwar in einer und derselben Verfassungsbestimmung. Gleichwohl werden sie im folgenden aus noch ersichtlichen Gründen getrennt behandelt. Zunächst wird auf die Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des personellen und sachlich-inhaltlichen Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank eingegangen, welches nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion unverändert fortbesteht 3. Insoweit könnte dieses Legitimationsdefizit - anders als nach Maßgabe der derzeitigen Rechtslage - verfassungsunmittelbar durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt sein. Vorausset1
Vgl. dazu die Ausführungen im dritten Teil, Kapitel 1, S. 174 ff. Dazu im vierten Teil der Arbeit, S. 266 ff. 3 Zu diesem Legitimationsdefizit der Bundesbank ausführlich oben im vierten Teil, Kapitel 5, S. 292 ff. 2
378
5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
zung dafür wäre, daß das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG nicht nur für die Europäische Zentralbank Geltung beansprucht, sondern über diesen unmittelbaren Regelungsgehalt hinaus mittelbar auch die unabhängige Stellung der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich festschreibt. Eine solche mittelbare verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank läßt sich nicht bereits unter Hinweis darauf begründen, daß „Anlaß und sachliche Basis für die Anforderungen der Unabhängigkeit" in Art. 88 Satz 2 GG „gerade die Aufrechterhaltung der diesbezüglichen Rechtstradition in der Bundesrepublik Deutschland" gewesen sei und daher die Anfügung des Satzes 2 in Art. 88 GG auch Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Positionsbestimmung der Deutschen Bundesbank haben müsse4. Denn dies hieße, die Rechtstradition an die Stelle juristischer Argumentation treten zu lassen. Die (mittelbare) verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsstellung der Bundesbank läßt sich auch nicht unter Hinweis auf die entsprechende Regelung des Art. 107 EGV begründen, wonach die Deutsche Bundesbank Unabhängigkeit gegenüber sämtlichen Einrichtungen und Organen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten genießt. Denn wollte man aus der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 107 EGV eo ipso auf einen entsprechenden verfassungsrechtlichen Gehalt des Art. 88 Satz 2 GG schließen, so ließe sich dies nur auf der Grundlage einer monistischen Konzeption, das heißt einer Verschmelzung der nationalen mit der europäischen Rechtsordnung dogmatisch begründen. Nur wenn man beide Rechtsordnungen als Bestandteil eines einheitlichen Rechtskreises ansähe und das europäische Gemeinschaftsrecht nicht mehr als die Summe der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wäre, könnte sich ein solcher Argumentationsansatz als tragfähig erweisen. Einer monistischen Konzeption muß jedoch aus den bereits genannten Gründen die Zustimmung versagt bleiben5. Vielmehr sind die nationale und die europäische Rechtsordnung als voneinander unabhängige, autonome Gebilde anzusehen, so daß die in Art. 107 EGV verankerte Unabhängigkeitsregelung keine unmittelbaren Folgen für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland hat6 und sich aus ihr eine entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung nach Art. 88 Satz 2 GG nicht herleiten läßt.
4
So P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 15. 5 Siehe dazu eingehend im dritten Teil, Kapitel 2, bei Fn. 255 - 278 (S. 246 - 250). 6 Zu der mittelbaren -über Art. 23 Abs. 1 GG vermittelten - Bedeutung der Art. 107, 108 EGV für die nationale Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland bereits oben im dritten Teil, Kapitel 2, S. 251 ff.
Kap. 1: Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits
379
Für die Erstreckung des Regelungsgehalts des Art. 88 Satz 2 G auch auf die Deutsche Bundesbank könnte aber sprechen, daß es zumindest auf den ersten Blick widersprüchlich anmutet, Unabhängigkeit von Verfassungs wegen für die Europäische Zentralbank zu verlangen, ohne dieses Postulat zugleich auch an die Deutsche Bundesbank heranzutragen. Denn beiden Notenbanken gemeinsam obliegt - wenngleich unter der Vormachtstellung der Europäischen Zentralbank - die währungspolitische Gestaltungsmacht innerhalb des Europäischen Verbundsystems der Zentralbanken. Daher mag es so recht nicht einleuchten, die Übertragung der nationalen Währungshoheit auf die Europäische Zentralbank an die Voraussetzung zu knüpfen, daß diese unabhängig organisiert ist, ohne diese Kautele auch zu einem verfassungsrechtlich fundierten Organisationsprinzip für die Deutsche Bundesbank zu erheben. Soll also durch Art. 88 Satz 2 GG die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank verfassungsrechtlich festgeschrieben werden, kann, so ließe sich argumentieren, die rechtliche Ausgestaltung der Organisationsverfassung der Bundesbank nicht in die Hände des einfachen Gesetzgebers gelegt werden. Ob sich diese Annahme als richtig erweist und durch Art. 88 Satz 2 GG (mittelbar) auch die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich festgeschrieben ist, soll im folgenden mit Hilfe der traditionellen Auslegungsmethoden eruiert werden.
L Grammatikalische Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG Von aufschlußgebender Bedeutung für die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Regelungsgehalt des Art. 88 Satz 2 GG könnte sich der Blick auf den Wortlaut dieser durch verfassungsänderndes Gesetz vom 21. Dezember 19927 in das Grundgesetz eingefügten Vorschrift erweisen. Zusammen mit der Verabschiedimg des neuen Art. 23 GG sollten durch die Ergänzung des Art. 88 GG um den Satz 2 die innerstaatlichen Voraussetzungen für den zukünftigen Übergang der nationalen Währungshoheit auf das Europäische System der Zentralbanken geschaffen werden8. In Art. 88 Satz 2 GG heißt es, daß Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Europäischen Union auf die Europäische Zentralbank übertragen werden können, die unabhängig und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet ist. Damit hat der Verfassungsgesetzgeber klargestellt, daß die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank zum einen ausschließlich im Rahmen der Europäischen
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BGBl. I, S. 2086. T. Weikart,, NVwZ 1993,834.
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
Union erfolgen darf 9 und zum anderen an die Bedingung geknüpft ist, daß die Europäische Zentralbank unabhängig von politischen Instanzen und dem Ziel der Sicherung von Geldwertstabilität verpflichtet ist 10 . Wie der Blick auf den Wortlaut zeigt, regelt Art. 88 Satz 2 GG explizit nur die Stellung der Europäischen Zentralbank und verpflichtet ausdrücklich nur die Europäische Währungsbank zur Unabhängigkeit. Gegen eine auch die verfassungsrechtliche Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank miteinbeziehende Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG spricht schließlich auch die Analyse der Satzstellung in dieser Verfassungsbestimmung, bezieht sich doch der zur Unabhängigkeit verpflichtende Relativsatz in Art. 88 Satz 2 GG ausschließlich auf die Europäische Zentralbank, nicht jedoch auch auf die Deutsche Bundesbank11.
IL Systematische Stellung des Art. 88 Satz 2 zu Art. 23 Abs. 1 GG Für einen über diese unmittelbare Aussage hinausreichenden Regelungsgehalt des Art. 88 Satz 2 GG spricht aber der folgende Gesichtspunkt, der die systematische Stellung des Art. 88 Satz 2 zu Art. 23 Abs. 1 GG betrifft. Die Mitwirkung am europäischen Einigungsprozeß ist nach 23 Abs. 1 Satz 1 GG an bestimmte struktursichernde Bedingungen geknüpft 12. Art. 23 Abs. 1 GG ist im Lichte der - zu Art. 24 GG a.F. ergangenen - Rechtsprechimg des Bundesverfassungsgerichts zu lesen, wonach das Grundgesetz nicht dazu ermächtige, über die Einräumung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen „die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in das Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen, aufzugeben" 13. Diese Vorgaben hat die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG übernommen14 und die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union daran gebunden, daß die wesentlichen verfassungsrechtlichen Grundstrukturen der Bundesrepublik Deutschland gewahrt bleiben. Indem Art. 88 Satz 2 GG die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank ermöglicht, wird insofern eine für die Währungspolitik bereichsspezifische Öflhungsklau9
Zu dieser Voraussetzung nach Art. 88 Satz 2 GG D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 74 ff. 10 So auch Γ. Weikart, NVwZ 1993,834. 11 Ebenso D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 174 f.; T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (840). 12 Zu der Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG bereits ausführlich im vierten Teil, Kapitel 5, S. 322 ff. 13 BVerfGE 73, 339 (375 f.); dazu auch T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (837 f.). 14 Vgl. hierzu abermals Λ Scholz, NJW 1992,2593 (2598).
Kap. 1: Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits381
sei geregelt 15. Entscheidend ist im gegebenen Zusammenhang, ob Art. 88 Satz 2 GG über diesen Regelungsgehalt als Öffhungsklausel hinaus auch eine dem Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG entsprechende Struktursicherungsklausel enthält. Die deutlichen, nicht übersehbaren textlichen Parallelen beider Verfassungsnormen legen einen solchen Schluß nahe16. Denn die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG getroffene Regelung, wonach die Europäische Union bestimmten, elementaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen „verpflichtet ist", findet ihre textliche Entsprechung in Art. 88 Satz 2 GG, demzufolge die Europäische Zentralbank, sollen Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank auf sie übertragen werden, „unabhängig" und dem vorrangigen Ziel der Sicherung von Preisstabilität „verpflichtet" ist. Setzt also die Übertragung von Hoheitsrechten der Bundesrepublik Deutschland auf die Europäische Union nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG die Wahrung eines sich in der Bundesrepublik Deutschland herausgebildeten Kernbestands verfassungsrechtlicher Strukturen und Grundsätze voraus, so legt dies nahe, daß auch Art. 88 Satz 2 wegen der insoweit auffälligen textlichen Parallele implizit davon ausgeht, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich verbürgt ist und deswegen dieses Strukturprinzip auch bei der Übertragung von währungspolitischen Hoheitsrechten auf die Europäische Zentralbank gewahrt bleiben muß.
III. Verfassungsgesetzgeberischer Wille bei Eriaß des Art. 88 Satz 2 GG In eine andere Richtung deutet aber die Entstehungsgeschichte zu Art. 88 Satz 2 GG. Die Ergänzung des Art. 88 GG um den Satz 2 stand in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Ratifizierungsverfahren des EG-Vertrags 17. In diesem Zusammenhang hatte sich die Bundesregierung stets für einen unabhängigen Status der neu zu konstituierenden Europäischen Währungsbank ausgesprochen, um dadurch den Gefahren für die Geldwertstabilität, die von einer weisungsgebundenen Zentralbank drohten, wirksam begegnen zu können18. Diese Forderung hat schließlich Eingang in
15
Τ Weikart, NVwZ 1993, 834 (839 f.). Unter Berufung auf den Wortlaut des Art. 88 Satz 2 GG ablehnend D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 175 f. 17 Zu der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 2 GG ausführlich D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 80 ff.; R. Scholz, NJW 1992, 2593 (2594 f.). 18 Insofern ist die Annahme P. J. Tettingers, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 15, zutreffend, daß Anlaß und sachliche Basis für die Unabhängigkeitsforderung nach Art. 88 Satz 2 GG die Aufrechterhaltung der diesbezüglichen Rechtstradition in der Bundesrepublik Deutschland war, zur Genesis des Art. 88 16
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
Art. 107 EGV gefunden. Vor diesem Hintergrund ist Art. 88 Satz 2 GG zu sehen. Durch die Ergänzung des Art. 88 GG um den Satz 2 wurde verfassungsrechtlich die Umsetzung der im EG-Vertrag vorgesehenen Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ermöglicht19. Diese Grundgesetzänderung diente nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers allein dem Ziel, den durch den MaastrichterVertrag begründeten Unabhängigkeitsstatus für die Europäische Zentralbank durch einen entsprechenden Zusatz in Art. 88 GG auch verfassungsrechtlich abzusichern20. Dementsprechend wurde in der Amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Art. 88 GG festgestellt, „daß die im Zusammenhang mit der Europäischen Union geschaffene Europäische Zentralbank unabhängig [...] sein muß. Damit wird einem wesentlichen politischen Anliegen der deutschen Seite [...] Rechnung getragen" 21. Art. 88 Satz 2 GG wurde demnach ausschließlich fiir den institutionellen Rahmen der Europäischen Zentralbank konzipiert. Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung auch in dem Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)", in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die Einführung des Art. 88 Satz 2 GG „keine Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank"22 habe; diese Sichtweise wurde kurze Zeit später, bei der Änderung des Art. 88 GG, vom verfassungsändernden Gesetzgeber übernommen23. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 2 GG geht damit zweifelsfrei hervor, daß Art. 88 Satz 2 GG nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers ausschließlich Bedeutung für die Europäische Zentralbank haben, die Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank dagegen gänzlich unberührt lassen sollte24.
Satz 2 GG bei R. Scholz, NJW 1992, 2593 (2594 f.); T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (835). 19 Siehe dazu W. Fischer, ZParl 24 (1993), 32 (47); S. Röhn / R. Sannwald, ZRP 1994,65 (67). 20 So auch T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (840); vgl. des weiteren B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 4. 21 BT-Drs. 12 / 3896, S. 22. 22 BT-Drs. 12 / 3896, S. 22. 23 Siehe dazu T. Weikart, NVwZ 1993, 834 (840). 24 Im Ergebnis ebenso W. Fischer, ZParl 24 (1993), 32 (47); B. Pieroth, in: H. D. Jarass / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 4; S. Röhn / R. Sannwald, ZRP 1994,65 (67); T. Weikart, NVwZ 1993,834 (840).
Kap. 1: Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits
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IV. Teleologische Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG: Verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Entgegen der Entstehungsgeschichte zu Art. 88 Satz 2 GG gebietet die teleologische Interpretation eine gänzlich andere Auslegung dieser Verfassungsbestimmung. Sie erkennt Art. 88 Satz 2 GG über ihren unmittelbaren Regelungsgehalt hinaus mittelbar auch Bedeutung für die Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank zu 25 . Dies aus folgendem Grunde: Der spezifische Sinngehalt des Art. 88 Satz 2 GG kann nur dann zur vollen Verwirklichung gelangen, wenn nicht nur die Europäische Zentralbank, sondern auch die Deutsche Bundesbank unabhängig ist. Denn die durch Art. 88 Satz 2 GG geforderte unabhängige Aufgaben- und Funktionswahrnehmung der Europäischen Zentralbank läßt sich nur dann sicherstellen, wenn auch die zur Ausführung der währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank berufene Bundesbank keinerlei Weisungen nationaler oder europäischer Stellen unterliegt. Der Grund hierfür liegt in der institutionellen und funktionellen Verklammerung der Europäischen Zentralbank mit den nationalen Notenbanken im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken26. Das ESZB ist ein streng hierarchisch gegliedertes Verwaltungssystem, dem sowohl die Europäische Zentralbank als auch die nationalen Zentralbanken angehören; beiden gemeinsam obliegt es, die Währungspolitik in der Gemeinschaft zu gestalten. Dabei stehen die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken im Europäischen Zentralbankensystem nicht beziehungslos und unverbunden nebeneinander, sondern sind in vielfältiger Hinsicht miteinander verflochten und verwoben. Während der Europäischen Zentralbank die maßgebliche währungspolitische Leitungsfunktion zukommt (Sachkompetenz), sind die nationalen Zentralbanken im wesentlichen darauf beschränkt, als untere Vollzugsstufe im Europäischen System der Zentralbanken die von der Europäischen Zentralbank getroffenen währungspolitischen Vorgaben auszuführen (Wahrnehmungskompetenz)27.
25 Dies übersehen D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 175 f. und T. Weihart, NVwZ 1993, 834 (840). 26 So P. Badura, in: Festschrift für H. Schambeck, S. 887 (904); in Anlehnung an P. Badura ebenso P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 15 f. 27 Zu der Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung im ESZB oben im vierten Teil, Kapitel 4, S. 282 ff.
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
In dieser institutionellen und funktionellen Verklammerung der Europäischen Zentralbank mit den nationalen Zentralbanken liegt der Grund dafür, daß sich eine Beschränkung der Unabhängigkeitsgarantie in Art. 88 Satz 2 GG auf die Europäische Zentralbank nicht rechtfertigen läßt. Vielmehr muß auch die Deutsche Bundesbank in den Genuß verfassungsrechtlicher Unabhängigkeit gelangen, damit Art. 88 Satz 2 GG seinen spezifischen Sinngehalt entfalten kann und die unabhängige Funktionswahrnehmung der Europäischen Zentralbank sichergestellt ist. Denn Art. 88 Satz 2 GG verlangt die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht um ihrer selbst willen, sondern im Interesse einer wirksamen Währungssicherung. Dieses Ziel wäre aber gefährdet, wollte man Art. 88 Satz 2 GG nur eine Unabhängigkeitsgarantie für die Europäische Zentralbank entnehmen, diese aber nicht auch auf die Deutsche Bundesbank erstrecken. Denn die Europäische Zentralbank verfugt im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken über kein eigenes, gemeinschaftsrechtliches Vollzugsinstrumentarium, sondern bedient sich zur Ausführung ihrer währungspolitischen Vorgaben der Organe der Mitgliedstaaten in Form der nationalen Zentralbanken28. Daraus erhellt, daß der unabhängige, nicht ausschließlich währungspolitischen Aspekten verhaftete Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen monetären Vorgaben nicht gewährleistet und damit das Regelungsziel des Art. 88 Satz 2 GG gefährdet wäre, wenn nur die Europäische Zentralbank, nicht hingegen auch die Deutsche Bundesbank über verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG verfügte. Die Deutsche Bundesbank genießt nach Art. 88 Satz 2 GG mithin nicht im Interesse ihres eigenen Kompetenzbereiches Unabhängigkeit, sondern ihr kommt Unabhängigkeit ausschließlich im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank, genauer: im Interesse der Gewährleistung von Geldwertstabilität durch die Europäische Zentralbank, zu. Kurzum: Art. 88 Satz 2 GG hat über seinen unmittelbaren Regelungsgehalt für die Europäische Zentralbank hinaus mittelbar auch Bedeutung für die Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank und schreibt auch ihre Unabhängigkeit zum Zwecke der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank verfassungsrechtlich fest 29. Indes ließe sich gegen diese Deutung des Art. 88 Satz 2 GG anführen, daß der Regelungsintention dieser Vorschrift, das Leitziel der Geldwertstabilität in der Europäischen Union zu gewährleisten, auch durch das Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts entsprochen werden könne, ohne daß es inso28
Zu diesem indirekten Verwaltungsvollzug ausführlich im vierten Teil, Kapitel 4, beiFn. 25 (S. 290). 29 Im Ergebnis ebenso P. Badura, in: Festschrift für H. Schambeck, S. 887 (904); P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnrn. 15 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch das Handelsblatt vom 2. Dezember 1992, S. 5: „Das Stabilitätsziel und die Unabhängigkeit erhalten damit Grundgesetz-Qualität".
Kap. 1: Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits385
weit einer verfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank bedürfte. Der Einwand könnte lauten, daß das Ziel der Währungssicherung auch dadurch erreicht werden könne, daß bei einem Konflikt zwischen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten dem Gemeinschaftsrecht ohnehin Vorrang zukomme und deshalb die Währungsstabilität nicht gefährdet sei. Zunächst einmal ist zu diesem Einwand anzumerken, daß nach dem hier vertretenen Verständnis des Vorrangprinzips dieses Prinzip nicht nur eine Kollisionsregel zwischen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Hoheitsakten ist, sondern bereits im „Vorfeld" solcher Konflikte sinnfällig wird, das heißt darauf zielt, entsprechende Konflikte zwischen beiden Rechtsordnungen zu verhindern 30. Doch letztlich kommt es auf die Reichweite des Vorrangprinzips an dieser Stelle nicht an. Entscheidend ist ein anderer Gesichtspunkt: Die Argumentation, das Vorrangprinzip lasse die Notwendigkeit eines - im Interesse der Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank - unabhängigen Status der Deutschen Bundesbank und damit einer erweiternden, die nationale Notenbank miteinbeziehenden Auslegung des Art. 88 Satz 2 GG entfallen, könnte nur dann verfangen, wenn das Vorrangprinzip seinen Sitz insoweit außerhalb dieser Verfassungsbestimmung hätte. Genau an dieser Stelle zeigt sich jedoch, daß diesem Einwand die Grundlage entzogen ist. Denn in sämtlichen, die Europäische Zentralbank betreffenden währungspolitischen Angelegenheiten ressortiert das Vorrangprinzip nicht in Art. 23 Abs. 1 GG, sondern in der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 2 GG. Insoweit ist Art. 88 Satz 2 GG die bereichsspezifischere Norm und verdrängt die allgemeine Norm des Art. 23 Abs. 1 GG. Wie bereits oben dargelegt, beruht Art. 88 Satz 2 GG auf derselben Baustruktur, die auch Art. 23 Abs. 1 GG zugrunde liegt 31 . Dies betrifft sowohl die Möglichkeit der Übertragung von Hoheitsrechten als auch die hierfür vorgesehenen verfassungsunmittelbaren Sicherungsmaßnahmen. Demnach wurzelt das Vorrangprinzip für den gesamten Bereich der europäischen Währungspolitik in der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 88 Satz 2 GG, Hoheitsrechte auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. Damit erkennt diese Verfassungsbestimmung die Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank an, welche wiederum die dogmatische Basis für die Vorrangregel bietet. Ist nach alledem im europäischen Währungsbereich sedes materiae des Vorrangprinzips Art. 88 Satz 2 GG, so deckt sich bei Lichte betrachtet der hier in Rede stehende Einwand mit der besagten funktionalen, erweiternden Deutung des Art. 88 Satz 2 GG. Denn in beiden Fällen geht es darum, im Interesse der verfassungsrechtlich geforderten Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auch die Deutsche Bundesbank als integralen Bestandteil des ESZB an dieser verfassungs30 31
Dazu im dritten Teil, Kapitel 2, S. 251 ff. Dazu oben bei Fn. 16 (S. 381).
25 Brosius-Gersdorf
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
rechtlichen Unabhängigkeit teilhaben zu lassen, um auf diese Weise dem Ziel der Geldwertstabilität in der Europäischen Union bestmöglich entsprechen zu können. Der besagte Einwand vermag mithin an der Deutung des Art. 88 Satz 2 GG als (mittelbare) Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank nichts zu ändern. Es bleibt mithin bei dem zuvor gefundenen Ergebnis, daß Art. 88 Satz 2 GG im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank auch die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich gewährleistet. Insoweit deckt sich das Ergebnis der teleologischen Auslegung nicht mit dem subjektiven Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, wie er in der Amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Art. 88 GG zum Ausdruck gekommen ist. Denn danach sollte zwar die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank verfassungsrechtlich festgeschrieben werden, die Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank hingegen unberührt bleiben. Dieser Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers ist jedoch in sich widersprüchlich, er läßt sich - wie die teleologische Auslegung gezeigt hat nicht uneingeschränkt verwirklichen. Denn insofern kann nur entweder der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank oder aber keiner der beiden Zentralbanken verfassungsrechtliche Unabhängigkeit verliehen werden. Die Autonomie der Europäischen Währungsbank kann nicht gewährleistet werden, ohne daß zugleich auch die Deutsche Bundesbank Unabhängigkeit genießt. Die subjektive Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers, wonach nur die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, nicht aber die der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich abgesichert werden sollte, läßt sich demnach objektiv nicht erreichen. Diesen Widerspruch hat die teleologische Auslegung aufgelöst und zugunsten der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit beider Währungsbanken entschieden. Ein - der näheren Ausleuchtung bedürftiger - Konflikt zwischen der historischen und der teleologischen Auslegung besteht insofern nicht; denn die historische Interpretation vermag für sich genommen ein objektiv mögliches Auslegungsergebnis nicht zu erzielen. Insofern handelt es sich also bei der grammatikalischen Fassung des Art. 88 Satz 2 GG, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank regelt, um eine Art Redaktionsversehen, dem der verfassungsändernde Gesetzgeber unterlegen ist. Im Ergebnis steht damit fest, daß Art. 88 Satz 2 GG nicht nur unmittelbar die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank festschreibt, sondern mittelbar, im Interesse einer wirksamen Währungssicherung durch die Europäische Zentralbank, auch die Autonomie der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich garantiert. Aus dieser Zielsetzung des Art. 88 Satz 2 GG, eine von politischen Interessen und Einflußnahmen unabhängige währungspolitische Funktionswahrneh-
Kap. 1 : Rechtfertigung des unveränderten Legitimationsdefizits
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mung der Europäischen Zentralbank zu gewährleisten, erhellt zugleich, daß der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nur dann zukommt, wenn diese zur Erfüllung des Regelungsziels des Art. 88 Satz 2 GG geboten ist. Daraus folgt, daß die Deutsche Bundesbank Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG nur insoweit genießt, als sie im Europäischen Zentralbankensystem mit der Ausführung der währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank betraut ist. Kurzum: Nur soweit die gemeinschaftsrechtliche Steuerungskraft der währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank reicht, drängt das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG für die Deutsche Bundesbank auf Verwirklichung 32. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank läßt sich also nicht mit einem kategorischen „Ja" oder „Nein" beantworten, sondern insoweit ist zu differenzieren: (1) Wird die Deutsche Bundesbank in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, ohne daß ihr eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben, kommt der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG uneingeschränkt zu. Allerdings fehlt es insoweit bereits an dem legitimationsauslösenden Merkmal der Staatsgewalt, so daß sich hier die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bei Lichte betrachtet nicht stellt 33 . (2) Wird die Deutsche Bundesbank zwar in Wahrnehmung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl noch eigene Entscheidungsbefugnisse 34, drängt das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG nur so weit auf Verwirklichung, wie die Steuerungskraft der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben reicht. Verfassungsrechtliche Unabhängigkeit kommt der Deutschen Bundesbank in diesem Fall nur insoweit zu, als die währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank auch die entsprechenden nationalen Ausführungsakte der Bundesbank transzendieren. Entsprechendes gilt, soweit die Deutsche Bundesbank zwar eigene Aufgaben wahrnimmt, diese aber unter dem Vorbehalt der währungspolitischen Entscheidungsmacht der Europäischen Zentralbank stehen. In diesem Fall kommt das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG nur zum Tragen, sofern die Europäische Zentralbank von ihrer Entscheidungsbefugnis Gebrauch macht und verbindliche währungspolitische Vorgaben für die Deutsche Bundesbank trifft. Verzichtet die Europäische Zentralbank dagegen 32 Diese Differenzierung lassen unberücksichtigt P. Badura, in: Festschrift für H. Schambeck, S. 887 (904); P. J. Tettinger, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnrn. 15 f. 33 Hierzu bereits im vierten Teil, Kapitel 5, S. 296 - 311. 34 Siehe dazu abermals im vierten Teil, Kapitel 5, S. 296 -311.
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
auf die Ausübung ihrer Sachkompetenz, kommt die Bundesbank nicht in den Genuß verfassungsrechtlicher Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG 35 ; insoweit kommt als Rechtfertigungsgrund für das Legitimationsdefizit der Bundesbank Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG zum Tragen. (3) Nimmt die Deutsche Bundesbank ausschließlich eigene Aufgaben und Befugnisse wahr, die nicht der verbindlichen währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegen 36, kommt ihr verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG nicht zu. Auch insoweit bleibt es bei der Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Bundesbank aus Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG. Soweit die Deutsche Bundesbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG genießt, beinhaltet Art. 88 Satz 2 GG nicht nur einen verfassungsimpliziten Rechtfertigungstitel für das Legitimationsdefizit der Bundesbank, sondern trifft zugleich auch die verfassungsrechtliche Wertentscheidung darüber, wie das im Hinblick auf ihre Organisationsverfassung bestehende Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 2 GG aufzulösen ist. Insoweit enthält Art. 88 Satz 2 GG nicht nur eine Ausnahme von den demokratischen Legitimationserfordernissen des Art. 20 Abs. 2 GG, sondern trifft zugleich die verbindliche Entscheidung, das verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zugunsten des Unabhängigkeitsgebotes des Art. 88 Satz 2 GG aufzulösen. Kommt der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG dagegen nicht zu, so verbleibt es für das Legitimationsdefizit der Bundesbank - ebenso wie vor der dritten Stufe der Währungsunion - bei der Rechtfertigung nach Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG 37 .
35 Zu der Differenzierung zwischen der währungspolitischen Sach- und Wahrnehmungskompetenz im ESZB oben im vierten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 28 (S. 291). 36 Siehe dazu im vierten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 13 (S. 286). 37 Zur Herleitung dieses Unabhängigkeitsgebotes aus Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG im dritten Teil, S. 174 ff.
Kapitel 2
Rechtfertigung des hinzutretenden Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank: Art. 88 Satz 2 GG als verfassungsrechtlicher Rechtfertigungstitel Zu untersuchen bleibt, ob auch das nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion hinzutretende sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Diese zusätzliche Lücke im demokratischen Legitimationsgefüge der Bundesbank wird dadurch hervorgerufen, daß die Bundesbank mit dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion in das hierarchisch strukturierte Europäische System der Zentralbanken eingegliedert und der währungspolitischen Leitungsmacht der Europäischen Zentralbank unterstellt wird, die selbst nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation vom deutschen Staatsvolk verfügt 1. Um auch hier das Ergebnis vorwegzunehmen: Dieses durch die Eingliederung in das ESZB bewirkte Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank ist -ebenso wie das unverändert fortbestehende Legitimationsdefizit- verfassungsunmittelbar durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt. Denn von der verfassungsrechtlichen Ermächtigung des Art. 88 Satz 2 GG wird auch die Eingliederung der Deutschen Bundesbank in das ESZB und ihre Unterordnung unter die währungspolitische Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank gedeckt. Zwar berechtigt Art. 88 Satz 2 GG seinem Wortlaut nach nur dazu, Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. Jedoch muß Art. 88 Satz 2 GG über diesen verfassungsexpliziten Regelungsgehalt hinaus auch die verfassungsrechtliche Ermächtigung zur Eingliederung der Bundesbank in das ESZB entnommen werden. Denn andernfalls verfügte die Europäische Zentralbank im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken über keine Vollzugsstellen und könnte ihre währungspolitischen Aufgaben und Befugnisse nicht funktionsgerecht wahrnehmen. Dann aber wäre dem Regelungsziel des Art. 88 Satz 2 GG, die Funk-
1
Zu der fehlenden verfassungsrechtlichen demokratischen Legitimation der Europäischen Zentralbank im vierten Teil, Kapitel 5, S. 355 ff.
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
tionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank im Interesse der Gewährleistung von Geldwertstabilität zu sichern2, nicht entsprochen. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank nach Art. 88 Satz 2 GG nur „im Rahmen der Europäischen Union" auf die Europäische Zentralbank übertragen werden dürfen 3. Der Begriff der Europäischen Union knüpft an den am 1. November 1993 in Kraft getretenen Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 an4. Diese in Art. 88 Satz 2 GG enthaltene Formulierung „im Rahmen der Europäischen Union" ist weit zu verstehen und schließt sämtliche mit der Europäischen Union im Zusammenhang stehenden Formen der Zusammenarbeit5 und damit auch die Europäische Währungsunion ein. Die in Art. 88 Satz 2 GG enthaltenen Begriffe „im Rahmen der Europäischen Union" sind damit also auch als „im Rahmen der Europäischen Währungsunion" zu lesen. Daraus folgt, daß die nationale Währungshoheit nach Art. 88 Satz 2 GG nur innerhalb der Europäischen Währungsunion und der sie prägenden Strukturen auf die Europäische Zentralbank übertragen werden darf. Kernstück der Europäischen Währungsunion ist das hierarchisch strukturierte Europäische System der Zentralbanken, innerhalb dessen sowohl der Europäischen Zentralbank als auch den nationalen Notenbanken - wenn auch unter der Vormachtstellung der Europäischen Zentralbank - währungspolitische Gestaltungsmacht zukommt. Auf dieses Europäische Verbundsystem nimmt Art. 88 Satz 2 GG Bezug und gestattet die Übertragung von Hoheitsrechten nur innerhalb dieses Währungssystems. Art. 88 Satz 2 GG enthält mithin nicht nur die Ermächtigung, sondern zugleich auch die Verpflichtung, die im Rahmen des ESZB geltenden Strukturen zu beachten und dementsprechend die Deutsche Bundesbank in dieses europäische Verbundsystem einzugliedern. Damit verbunden sind notwendig Legitimationsverluste für die Deutsche Bundesbank, die dadurch bewirkt werden, daß sie im ESZB der währungspolitischen Leitungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegt, welche selbst nicht über die verfassungsrechtlich gebotene demokratische Legitimation vom deutschen Staatsvolk verfügt. Im Ergebnis steht damit fest, daß Art. 88 Satz 2 GG einen verfassungsimpliziten Rechtfertigungstitel für das durch den Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion bewirkte sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank enthält. Anders als bei dem unverändert fortbestehenden 2
Siehe hierzu ausführlich oben nach Fn. 26 (S. 383 ff.). Zu dieser Voraussetzung des Art. 88 Satz 2 GG D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 74 ff. 4 BGBl. Π, S. 1947. 5 D. Janzen, Der neue Artikel 88 Satz 2 des Grundgesetzes, S. 78; H. D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 6. 3
Kap. : Rechtfertigung des
nreten
Legitimationsdefizits
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Demokratiedefizit der Bundesbank stellt sich hier nicht die Frage nach der Reichweite des Gewährleistungsgehalts des Art. 88 Satz 2 GG. Denn insoweit ist es gerade Voraussetzung für das Legitimationsdefizit, daß die Bundesbank der währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegt und die ihr obliegenden Aufgaben nur nach Maßgabe und im Rahmen der Vorgaben der Europäischen Zentralbank erfüllen kann. Insoweit läßt sich aber auch hier differenzieren: (1) Wird die Deutsche Bundesbank in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, ohne daß ihr eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben, nimmt sie keine legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG wahr. Insoweit kommt das Legitimationserfordernis für die Deutsche Bundesbank schon gar nicht zum Tragen, so daß sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung hier nicht stellt6. (2) Wird die Deutsche Bundesbank in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl eigene Entscheidungsbefugnisse7, so ist das durch die Eingliederung in das ESZB bewirkte Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt. Insoweit enthält Art. 88 Satz 2 GG nicht nur einen verfassungsimpliziten Rechtfertigungstitel für das Legitimationsdefizit der Bundesbank, sondern trifft darüber hinaus auch die verbindliche verfassungsrechtliche Entscheidung, das im Hinblick auf die Organisationsverfassung der Bundesbank bestehende Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 2 GG zugunsten des letzteren aufzulösen. (3) Soweit die Deutsche Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken eigene Aufgaben wahrnimmt, die nicht der währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegen, fehlt es an der das Legitimationsdefizit begründenden Voraussetzung. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hier nicht. Das gleiche gilt, sofern die währungspolitische Sachkompetenz der Bundesbank unter dem Vorbehalt ihrer Inanspruchnahme durch die Europäische Zentralbank steht, diese aber von ihrer Entscheidimgsbefugnis keinen Gebrauch macht8. Zieht die Europäische Zentralbank die Sachkompetenz dagegen an sich und erläßt
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Siehe dazu oben im vierten Teil, Kapitel 5, S. 296 ff. So regelmäßig in den Fällen, in denen die Europäische Zentralbank währungspolitische Vorgaben in Form von Leitlinien oder allgemeinen Grundsätzen erläßt, dazu im vierten Teil, Kapitel 4, nach Fn. 17 (S. 288 f.). 8 Zu dieser Terminologie der währungspolitischen Sach- und Wahrnehmungskompetenz im ESZB oben im vierten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 28 (S. 291). 7
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
sie verbindliche währungspolitische Vorgaben fiir die Deutsche Bundesbank, ohne daß dieser eigene Entscheidungsbefugnisse verbleiben, so fehlt es an dem legitimationsauslösenden Aspekt der Staatsgewalt; das Problem der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hier ebenfalls nicht.
ter Teil: Ergebnis Als wesentliche Erkenntnis dieses letzten Teils der Untersuchung läßt sich festhalten, daß nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion sowohl die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung von Verfassungs wegen garantiert ist als auch die Abhängigkeit der Bundesbank von den währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Das Demokratiedefizit der Deutschen Bundesbank nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion ist verfassungsunmittelbar durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt. Insoweit ist zwischen dem bereits vor der dritten Stufe der Währungsunion bestehenden und dem danach hinzutretenden Legitimationsdefizit der Bundesbank zu unterscheiden: Ersteres findet seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in der Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 2 GG nur insoweit, als die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank geboten ist1. Die Deutsche Bundesbank genießt nach Art. 88 Satz 2 GG nicht im Interesse ihres eigenen Kompetenzbereiches Unabhängigkeit, sondern ausschließlich zum Zwecke der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank, genauer: zum Zwecke der Gewährleistung von Geldwertstabilität durch die Europäische Zentralbank. Nur sofern es zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank erforderlich ist, garantiert Art. 88 Satz 2 GG nicht nur unmittelbar die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, sondern schreibt darüber hinaus mittelbar auch die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich fest 2. Soweit die Deutsche Bundesbank dagegen nicht an der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantie des Art. 88 Satz 2 GG teilnimmt, verbleibt es bei der Rechtfertigung ihres Legitimationsdefizits nach Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG3. Das mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion hinzutretende sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit der Bundesbank findet seine 1
Zu den (mittelbaren) Regelungswirkungen des Art. 88 Satz 2 GG für die verfassungsrechtliche Rechtsstellung der Deutschen Bundesbank oben in Kapitel 1, S. 377 ff. 2 Zu der erforderlichen Differenzierung in Kapitel 1, nach Fn. 32 (S. 387 f.). 3 Zu dem Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG oben im dritten Teil, S. 174 ff.
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5. Teil: Rechtfertigung des Demokratiedefizits nach der Währungsunion
verfassungsrechtliche Rechtfertigung ebenfalls in Art. 88 Satz 2 GG, der insoweit uneingeschränkt als Rechtfertigungstitel Anwendung findet. Soweit die Deutsche Bundesbank im Europäischen System der Zentralbanken mit dem Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank betraut ist, ist das dadurch bewirkte Legitimationsdefizit der Bundesbank durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt 4.
4
Hierzu auf S. 389 ff.
Gesamtergebnis und Schlußbetrachtung Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung ist in ernüchternder Kürze dargetan: Die Deutsche Bundesbank verfügt weder vor noch nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion über die nach dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes gebotene demokratische Legitimation. Dieses Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank ist jedoch sowohl vor als auch nach dem Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion durch verfassungsrangige Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt. Die Autonomie der Bundesbank ist damit nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern sogar von Verfassungs wegen geboten. Als zentrales Ergebnis dieser Untersuchung bleibt damit die folgende Erkenntnis: Die Deutsche Bundesbank genießt Unabhängigkeit nicht nur nach Maßgabe einfachgesetzlicher Bestimmungen, sondern ihre Autonomie von den Weisungen nationaler und europäischer Stellen ist auch von Verfassungs wegen garantiert. Entsprach es der bislang ganz überwiegenden Auffassung, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zwar nicht verfassungsrechtlich verboten, aber auch nicht verfassungsrechtlich geboten ist, wurde mit der vorliegenden Studie das Gegenteil erwiesen: Nach der derzeitigen Rechtslage ist die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich durch Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG garantiert; der nach dem ursprünglichen Willen des Verfassungsgesetzgebers in Art. 88 Satz 1 GG im Hinblick auf die Organisation der Bundesbank enthaltene Ausgestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers ist durch den EG-Vertrag, konkret: durch Art. 107 EGV eingeschränkt. Danach darf die Deutsche Bundesbank weder die Weisungen europäischer noch nationaler Stellen einholen oder entgegennehmen. Über Art. 23 Abs. 1 GG, genauer: über das darin wurzelnde Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung genießt die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank auch verfassungsrechtlichen Schutz. Und was den Zeitpunkt nach dem Übergang in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion anbelangt, so ist die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtlich durch Art. 88 Satz 2 GG garantiert: Art. 88 Satz 2 GG enthält über seinen unmittelbaren, auf die Europäische Zentralbank bezogenen Regelungsgehalt hinaus mittelbar auch eine Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank. Der Deutschen Bundesbank kommt danach verfassungsrechtliche Unabhängigkeit zwar nicht im Interesse ihres eigenen Kompetenz-
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Gesamtergebnis und Schlußbetrachtung
bereiches, wohl aber im Interesse der Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank, konkret: zum Zwecke der Gewährleistung von Geldwertstabilität durch die Europäische Zentralbank zu. Läßt sich damit das Ergebnis dieser Studie in nur wenigen Worten zusammenfassen, so war der Weg dorthin doch mühsam und gelegentlich recht steinig. Die Steine, die sich so manches Mal auf den Weg rollten und diesen bisweilen zu versperren drohten, erschienen in Gestalt der Europäischen Währungsunion, genauer: der Europäischen Zentralbank. Die Untersuchimg der demokratischen Legitimation der Europäischen Zentralbank hat gezeigt, daß auch ihre organisatorische Verfassung mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes nicht in Einklang steht. Jedoch ist auch dieses Legitimationsdefizit durch die Verfassungsbestimmung des Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt und daher von Verfassungs wegen nicht zu beklagen. Abschließend sei noch die folgende Bemerkung erlaubt: Die Verfasserin gibt sich nicht der Illusion hin, daß in der Praxis anderes als allein das Ergebnis dieser Studie Aufmerksamkeit erwecken dürfte. Die - und dies sei eingeräumt - verschlungenen Pfade der dogmatischen Herleitung dieses einfachen, weil in wenigen Federstrichen dargetanen Ergebnisses werden dem einen oder anderen zuweilen recht mühsam vorkommen (müssen). Gleichwohl bleibt die Hoffnung, mit dieser Studie Licht in das Dunkel der Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion gebracht zu haben. Ob dieses wissenschaftliche Vorhaben gelungen ist, müssen andere beurteilen.
Zusammenfassung in Thesen I. Thema 1. Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob die Deutsche Bundesbank mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes in Einklang steht. 2. Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. In dem ersten Teil wird das grundgesetzliche Demokratieprinzip in seine einzelnen Bausteine zerlegt1. Im zweiten Teil wird gefragt, ob die Deutsche Bundesbank nach Maßgabe ihrer derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung demokratisch legitimiert ist 2 . Da sich hierbei herausstellen wird, daß die Bundesbank über ein Legitimationsdefizit verfügt, wird in einem dritten Teil untersucht, ob dieses Legitimationsdefizit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist3. In dem daran anschließenden vierten Teil wird der Frage nachgegangen, ob die Deutsche Bundesbank nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion über die nach dem Grundgesetz gebotene demokratische Legitimation verfügt 4. Da die Bundesbank auch insoweit defizitär demokratisch legitimiert ist, wird im fünften Teil der Untersuchung eruiert, ob auch dieses Legitimationsdefizit der Bundesbank verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist 5 .
II. Legitimationssubjekt und Legitimationsobjekt im Modell demokratischer Legitimation 1. Normative Grundlage des Prinzips demokratischer Legitimation ist Art. 20 Abs. 2 GG. Legitimationssubjekt ist nach Art. 20 Abs. 2 GG das deutsche Volk; Legitimationsobjekt ist jede Ausübung deutscher Staatsgewalt6.
1
Erster Teil, S. 30 ff. Zweiter Teil, S. 127 ff. 3 Dritter Teil, S. 174 ff. 4 Vierter Teil, S. 266 ff 5 Fünfter Teil, S. 377 ff. 6 Erster Teil, Kapitel 1, S. 31 f.; zu der Einbeziehung der Europäischen Hoheitsgewalt in den Bereich legitimationsbedürftiger „Staatsgewalt" nach Art. 20 Abs. 2 GG unten in These IX., bei Fn. 29 (S. 404). 2
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Zusammenfassung in Thesen
2. Der Begriff der Staatsgewalt zerfällt in ein formelles und ein materielles Element, die kumulativ vorliegen müssen, damit legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vorliegt. Der formelle Aspekt der Staatsgewalt erfaßt jeden Rechtsträger, dessen Errichtung auf einem staatlichen, das heißt nicht privaten Konstitutionsakt beruht7. Dem materiellen Aspekt der Staatsgewalt unterfällt jede Wahrnehmung von Staatsaufgaben unter Inanspruchnahme von Entscheidungsbefugnissen. Das Entscheidungsmoment fehlt bei rechtsunveibindlichem Handeln, bei dem automatenhaften Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen oder detaillierter Weisungen und bei Zustimmungsvorbehalten und Selbsteintrittsrechten übergeordneter Stellen, sofern diese ihre Zustimmung versagen beziehungsweise von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen8.
III. Verwirklichungskomponenten demokratischer Legitimation 1. Verwirklichungskomponenten im demokratischen Organisationsmodell sind die institutionelle, die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsform, die in ihrem Zusammenwirken den gebotenen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Volk und der Ausübung von Staatsgewalt zu erreichen suchen9. 2. Die personelle Legitimation gebietet eine ununterbrochene Kette individueller Beruf ungsakte vom Volk bis hin zu jedem einzelnen mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswalter. Dabei genügt grundsätzlich sowohl ein unmittelbarer als auch ein mittelbarer Legitimationszusammenhang10. 3. Die sachlich-inhaltliche Legitimation verlangt die Rückführbarkeit jeder konkreten Entscheidung der mit der Hoheitsgewalt betrauten Amtswalter auf den Willen des Volkes. Als Mittel zur Verwirklichung sachlich-inhaltlicher Legitimation stehen die unmittelbare und die mittelbare legislatorische Kontrolle, das legislatorische Lenkungsinstrument des Parlamentsgesetzes sowie die exekutiven Steuerungsmittel der Weisungsbefugnis und der Rechtsaufsicht zur Verfügung 11. Die Weisungsbefugnis ist zur Verwirklichung sachlich-inhaltlicher Legitimation nur dann entbehrlich, wenn andere exekutive Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen, die eine
7
Erster Teil, Kapitel 1, S. 34 f. Erster Teil, Kapitel 1, S. 34 ff., und dritter Teil, Kapitel 4, S. 296 ff. 9 Erster Teil, Kapitel 1, bei Fn. 7 (S. 32). 10 Erster Teil, Kapitel 1, S. 39 ff. 11 Erster Teil, Kapitel 1, S. 44 ff. 8
Zusammenfassung in Thesen
der Weisungsbefugnis entsprechende Steuerungskraft aufweisen, oder sich ausnahmsweise aus dem Gesetz eine auf die konkrete Entscheidung im Einzelfall bezogene Steuerung ergibt 12. 4. Bei dem Sonderfall kollegialer Entscheidungsgremien müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit dem Gebot demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG entsprochen ist: Erstens müssen sämtliche entscheidungsbefugten Mitglieder demokratisch legitimiert sein. Zweitens müssen alle Mitglieder ihre Legitimation von einem und demselben Legitimationssubjekt beziehen. Ein Stimmrecht nicht demokratisch Legitimierter ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Mitglieder zumindest mehrheitlich demokratisch legitimiert sind, ihre Legitimation von einer und derselben Gebietskörperschaft herleiten und nur einheitlich, das heißt en bloc abstimmen dürfen 13.
IV. Art und Maß demokratischer Legitimation 1. Gem. Art. 20 Abs. 2 GG müssen die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimation in ihrem Zusammenwirken das gebotene Legitimationsniveau erreichen und die Rückfühibarkeit jeder staatlichen Gewaltausübung auf den Willen des Volkes gewährleisten. Insoweit kann Staatsgewalt nur legitimiert oder nicht legitimiert sein; eine Spannweite, innerhalb derer sich demokratische Legitimation bewegen kann, ist dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG fremd 14. 2. Die personelle und die sachlich-inhaltliche Legitimationsform stehen im Verhältnis gegenseitiger Kompensation und Substitution. Defizite in der einen Legitimationsform können durch eine entsprechende Verstärkung der anderen Legitimationsform kompensiert und ein Ausfall an Legitimation substituiert werden, solange nur im Ergebnis das von Verfassungs wegen gebotene Legitimationsniveau erreicht wird. Ein Bedeutungsgefälle, ein Über- Unterordnungsverhältnis, besteht zwischen der personellen und der sachlich-inhaltlichen Legitimationsform nicht 15 .
12 13 14 15
Erster Teil, Kapitel 4, S. 96 ff. Erster Teil, Kapitel 3, S. 70 ff. Erster Teil, Kapitel 2, S. 51 ff. Erster Teil, Kapitel 2, S. 66 ff.
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Zusammenfassung in Thesen
V. Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 1. Personelles Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank: Der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank ist ein kollegiales Entscheidungsgremium, dessen Mitglieder ihre demokratische Legitimation von verschiedenen Legitimationssubjekten beziehen. Während die Mitglieder des Direktoriums über eine vom Bundesvolk ausgehende personelle Legitimation verfügen, werden die Präsidenten der Landeszentralbanken von dem jeweiligen Landesvolk berufen und scheiden damit als Legitimationsmittler für die Deutsche Bundesbank aus. Der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank ist daher ein nicht personell demokratisch legitimiertes Kollegialorgan 16 . 2. Sachlich-inhaltliches Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank: Sachlich-inhaltliche Legitimation wird der Deutschen Bundesbank weder durch eine mittelbare noch durch eine unmittelbare parlamentarische Kontrolle vermittelt. Auch der Legitimationsgehalt der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des § 3 BBankG und der §§ 1, 13 Abs. 3 StWG ist lediglich schwach ausgeprägt. Schließlich scheidet auch die exekutive Weisungsbefugnis als Mittel sachlich-inhaltlicher Legitimationsvermittlung aus, weil die Bundesbank von den Weisungen der Bundesregierung unabhängig ist. Die Deutsche Bundesbank verfügt daher nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation17.
VI. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Bundesbank vor der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 1. Das Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt durch Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG 18 . Die Autonomie der Bundesbank genießt damit Verfassungsrang. 2. Art. 88 Satz 1 GG kommt über seinen kompetenziellen Regelungsgehalt hinaus auch Bedeutung als Aufgaben- und Organisationsnorm zu: Neben der Verpflichtung des Bundes zur Errichtung einer Bundesbank enthält Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 109 Abs. 2, 104a Abs. 4 und 115 Abs. 1 16
Zweiter Teil, Kapitel 2, S. 128 ff. Zweiter Teil, Kapitel 3, S. 143 ff. 18 Zu dem Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nach Art. 23 Abs. 1 GG sogleich bei Fn. 21 (S. 401). 17
Zusammenfassung in Thesen
Satz 2 GG auch die verfassungsrechtlich fundierte Sachaufgabe der Gewährleistung von Geldwertstabilität und verlangt schließlich zur wirksamen Erfüllung dieser Aufgabe einen unabhängigkeitsvermittelnden Organisationsrahmen der Bundesbank. In dieser Bedeutungsschicht als Unabhängigkeitsgebot enthält Art. 88 Satz 1 GG eine verfassungsrangige Ausnahmebestimmung von den demokratischen Legitimationsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 GG 19 . 3. Das im Hinblick auf die Organisationsverfassung der Bundesbank bestehende verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 1 GG findet seine Auflösung in der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG. Nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers ist Art. 88 Satz 1 GG als offene Verfassungsnorm konzipiert und hält für den einfachen Gesetzgeber einen Dispositionstitel vor, welcher ihn ermächtigt, über die konkrete organisatorische Ausgestaltung des institutionellen Rahmens der Bundesbank zu befinden. Dem einfachen Gesetzgeber kommt damit nach Art. 88 Satz 1 GG ein organisatorischer Gestaltungsspielraum zu, der die Auflösung des verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses in seine Hände legt 20 . 4. Der aus der Entstehungsgeschichte des Art. 88 Satz 1 GG gewonnene Ausgestaltungsvoibehalt des einfachen Gesetzgebers ist durch das in Art. 23 Abs. 1 GG wurzelnde Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung eingeschränkt: Mit Blick auf die in Art. 107, 108 EGV getroffenen Regelungen ist es dem einfachen Gesetzgeber ab dem Zeitpunkt der Errichtung des ESZB versagt, die Bundesbank den Weisungen nationaler oder europäischer Stellen zu unterwerfen 21. Die Deutsche Bundesbank genießt damit verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG.
VII. Aufgaben- und Kompetenzverflechtung im ESZB 1. Mit dem Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion geht die Währungshoheit von den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten auf das Europäische System der Zentralbanken über, dem sowohl die Europäische Zentralbank als auch die nationalen Notenbanken angehören22.
19 20 21 22
Dritter Teil, Kapitel 2, S. 177 ff. Dritter Teil, Kapitel 2, S. 234 ff. Dritter Teil, Kapitel 2, S. 244 ff. Vierter Teil, Kapitel 3, S. 278 ff.
26 Brosius-Gersdorf
Zusammenfassung in Thesen
402
2. Das ESZB zeichnet sich durch einen hierarchisch strukturierten Verwaltungsaufbau aus, innerhalb dessen die Europäische Zentralbank und die nationalen Notenbanken institutionell und funktionell miteinander verklammert sind. Während die Europäische Zentralbank die maßgebliche währungspolitische Entscheidungsmacht besitzt (Sachkompetenz), sind die nationalen Zentralbanken im wesentlichen auf den Vollzug der von der Europäischen Zentralbank getroffenen Entscheidungen beschränkt (Wahrnehmungskompetenz). Die Europäische Zentralbank hat kein eigenes, gemeinschaftsrechtliches Vollzugsinstrumentarium, sondern bedient sich zur Ausführung ihrer monetären Vorgaben der Organe der Mitgliedstaaten in Form der nationalen Zentralbanken. Dabei verfügt die Europäische Zentralbank gegenüber den nationalen Notenbanken über ein umfangreiches Arsenal an Steuerungsmöglichkeiten, das von bloßen Stellungnahmen und Empfehlungen über allgemeine Grundsätze, Leitlinien und Verordnungen bis hin zu Genehmigungs-, Weisungs- und Entscheidungsbefugnissen reicht 23.
VIII. Die Deutsche Bundesbank als legitimationsbedürftige Staatsgewalt im ESZB 1. Die Deutsche Bundesbank übt im ESZB uneingeschränkt deutsche Staatsgewalt im formellen Sinne aus. Trotz ihrer Eingliederung in das ESZB bleibt sie institutionell Teil der nationalen staatlichen Verwaltung. Denn insoweit erhält sie weder selbst europäische Rechtspersönlichkeit noch besitzt das ESZB die Qualität eines europäischen Rechtsträgers, als dessen Organ die Bundesbank handeln könnte24. 2. Die Deutsche Bundesbank übt im ESZB auch regelmäßig Staatsgewalt im materiellen Sinne aus. Nur in den folgenden Fällen fehlt es an dem legitimationsauslösenden Entscheidungsmoment25: -
bei der Informationsweitergabe an den EZB-Rat nach Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung und der statistischen Datenerhebung nach Art. 5.1. und Art. 5.2. ESZB-Satzung, sofern diese nur rechtsunverbindliche Wirkung entfalten;
23 24 25
Vierter Teü, Kapitel 4, S. 282 ff. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 293 f. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 296 ff.
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-
bei den Genehmigungsvorbehalten nach Art. 105a Abs. 1 Satz 2 und Art. 105a Abs. 2 Satz 1 EGV, sofern die Europäische Zentralbank ihre Zustimmung versagt;
-
bei dem automatenhaften Vollzug gesetzlicher Volldeterminierungen und detaillierter Weisungen oder Entscheidungen der Europäischen Zentralbank, sofern der Deutschen Bundesbank keine eigenen Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben und sie zum bloßen Subsumtionsautomaten herabsinkt.
3. Soweit die Deutsche Bundesbank im ESZB keine Staatsgewalt im materiellen Sinne ausübt, unterliegt sie nicht dem Gebot demokratischer Legitimation des Art. 20 Abs. 2 GG. In diesen Fällen ist Anknüpfungspunkt für die demokratische Legitimation die Europäische Zentralbank, die insoweit sowohl für ihr eigenes Tätigwerden als auch für das der Deutschen Bundesbank verantwortlich zeichnet26.
IX. Verfassungsrechtliche Grundlagen fur die demokratische Legitimation der Europäischen Union 1. Sowohl die Europäische Union als auch nationale Stellen beim Vollzug europäischen Gemeinschaftsrechts verfügen über eine doppelte Legitimationsbasis: Demokratische Legitimation kann ihnen sowohl durch eine gemeinschaftsrechtliche, von den Unionsbürgern ausgehende Legitimation als auch durch eine verfassungsrechtliche, auf das deutsche Staatsvolk zurückgehende Legitimation vermittelt werden. Zwischen der gemeinschaftsrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Legitimation besteht dabei ein Verhältnis wechselseitiger Komplementarität: Gemeinschaftsrechtliche Legitimationsdefizite können durch verfassungsrechtliche demokratische Legitimationselemente kompensiert werden und umgekehrt. Nur wenn die Europäische Union weder gemeinschaftsrechtlich noch verfassungsrechtlich demokratisch legitimiert ist, kommt das verfassungsrechtliche Mitwirkungs- und Übertragungsverbot zum Tragen und entfaltet die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Sperrwirkung 27. 2. Die gemeinschaftsrechtliche demokratische Legitimation der Europäischen Union wurzelt in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG 28 . Sedes materiae des Gebots verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation der Europäischen
26 27 28
Vierter Teil, Kapitel 5, bei Fn. 44 (S. 306). Vierter Teil, Kapitel 5, S. 318 - 327. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 318 ff.
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Union ist dagegen Art. 20 Abs. 2 GG. Insoweit kommt das für den innerstaatlichen Bereich entwickelte Modell demokratischer Legitimation gleichermaßen auch für die Einrichtungen und Organe der Europäischen Union zum Tragen 29.
X. Konkrete Legitimationserfordernisse für die Deutsche Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion Sofern die Deutsche Bundesbank im ESZB währungspolitische Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt, lassen sich drei verschiedene Kategorien bilden, die jeweils unterschiedliche Legitimationserfordernisse nach sich ziehen 30 : (1) Nimmt die Deutsche Bundesbank eigene Aufgaben und Befugnisse wahr, die nicht den verbindlichen währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank unterliegen 31, besteht für die Deutsche Bundesbank insoweit uneingeschränkt das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. Eine Kompensation nationaler Demokratiedefizite durch eine gemeinschaftsrechtliche Legitimation scheidet aus. (2) Wird die Deutsche Bundesbank bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl noch eigene Entscheidungsbefugnisse 32, kommt für sie nach Art. 20 Abs. 2 GG das Gebot verfassungsrechtlicher demokratischer Legitimation zum Tragen. Defizite in der verfassungsrechtlichen Legitimationsstruktur der Bundesbank können aber prinzipiell durch eine entsprechend stark ausgeprägte gemeinschaftsrechtliche Legitimation ausgeglichen werden. (3) Erschöpft sich die Funktionswahrnehmung der Deutschen Bundesbank in dem automatenhaften Vollzug vollständig programmierter Vorgaben der Europäischen Zentralbank, ohne daß ihr eigene Entscheidungsbefugnisse 29
Vierter Teil, Kapitel 5, S. 327 ff. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 339 ff. 31 Dies betrifft in erster Linie den eng umgrenzten Bereich der in Art. 14.4. und Art. 24 ESZB-Satzung geregelten Aufgaben, dazu im vierten Teil, Kapitel 4, bei Fn. 13 (S. 286). 32 So vor allem in den Fällen, in denen die Europäische Zentralbank währungspolitische Vorgaben in Form von Leitlinien oder allgemeinen Grundsätzen erläßt, dazu im vierten Teil, Kapitel 4, nach Fn. 17 (S. 288 f.). 30
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verbleiben, übt sie insoweit keine legitimationsbedürftige (materielle) Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG aus33. In diesem Feld unterliegt sie nicht dem Erfordernis demokratischer Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. An die Stelle der fehlenden demokratischen Verantwortlichkeit der Deutschen Bundesbank tritt die Verantwortlichkeit der Europäischen Zentralbank sowohl für ihre eigenen währungspolitischen Entscheidungen als auch für deren Ausführung durch die Bundesbank. Für die Europäische Zentralbank besteht insoweit sowohl das Gebot gemeinschaftsrechtlicher Legitimation nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG als auch das Gebot verfassungsrechtlicher Legitimation nach Art. 20 Abs. 2 GG. Dabei können Defizite in der gemeinschaftsrechtlichen Legitimationsstruktur der Europäischen Zentralbank durch eine entsprechende Verstärkung verfassungsrechtlicher Legitimationselemente kompensiert werden und umgekehrt.
XL Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank 1. Die Europäische Zentralbank übt im Europäischen Verbundsystem der Zentralbanken europäische Hoheitsgewalt im formellen und im materiellen Sinne aus34. 2. Personelles Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank: Der EZBRat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Lediglich der Präsident der Deutschen Bundesbank ist personell demokratisch legitimiert. Weder die Direktoriumsmitglieder noch die Zentralbankpräsidenten der anderen Mitgliedstaaten verfügen über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene demokratische Legitimation vom deutschen Staatsvolk. Der EZB-Rat ist damit ein Kollegialorgan, dessen Zusammensetzung mit dem Legitimationsmodell des Art. 20 Abs. 2 GG nicht in Einklang steht35. 3. Sachlich-inhaltliches Legitimationsdefizit der Europäischen Zentralbank: Die Europäische Zentralbank unterliegt weder der mittelbaren und der unmittelbaren parlamentarischen Kontrolle durch den Deutschen Bundestag noch wird ihr die gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation durch die Art. 105fif. EGV und die ESZB-Satzung vermittelt. Schließlich ist sie auch
33
Vierter Teil, Kapitel 5, S. 296 ff. Europäische Hoheitsgewalt im materiellen Sinne liegt nur ausnahmsweise dann nicht vor, wenn sich die Funktionswahrnehmung der Europäischen Zentralbank in bloß rechtsunverbindlichen Wirkungsweisen erschöpft (so bei Stellungnahmen und Empfehlungen nach Art. 108a Abs. 1, 3. Alt. EGV i.V.m. Art. 108a Abs. 2 Satz 3 EGV). 35 Vierter Teil, Kapitel 5, S. 357 ff. 34
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von den Weisungen nationaler (und europäischer) Stellen unabhängig (Art. 107 EGV). Die Europäische Zentralbank verfügt daher nicht über die nach Art. 20 Abs. 2 GG gebotene sachlich-inhaltliche Legitimation36.
XII. Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 1. Personelles Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank: Das personelle Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank besteht nach Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion grundsätzlich unverändert fort. Ihre personelle Unabhängigkeit wird lediglich insofern verstärkt, als der Präsident der Deutschen Bundesbank gem. Art. 14.2. Satz 1 ESZB-Satzung für mindestens fünf Jahre im Amt ist 37 . 2. Sachlich-inhaltliches Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank: Die Deutsche Bundesbank ist nach dem Übergang in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion in zweifacher Hinsicht defizitär sachlich-inhaltlich legitimiert: Zu dem bereits vor der dritten Stufe der Währungsunion vorhandenen sachlich-inhaltlichen Legitimationsdefizit der Bundesbank, das in ihrer Unabhängigkeit von den Weisungen der demokratisch
legiti-
mierten Bundesregierung besteht, tritt ein weiteres Legitimationsdefizit hinzu, das durch ihre Abhängigkeit von den währungspolitischen Vorgaben der nicht verfassungsrechtlich
schen Zentralbank bewirkt wird 38 .
demokratisch legitimierten
Europäi-
XIII. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der Deutschen Bundesbank nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion 1. Unverändertes Legitimationsdefizit: Das mit dem Eintritt in die dritte Stufe der Europäischen Währungsunion unverändert fortbestehende Legitimationsdefizit der Deutschen Bundesbank findet seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 88 Satz 2 GG, dies allerdings nur insoweit, als die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentralbank, genauer: zur Gewährleistung von Geldwertstabilität durch die Europäische Zentralbank erforderlich ist. Sofern es zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Europäischen Zentral36 37 38
Vierter Teil, Kapitel 5, S. 365 ff. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 311 ff. Vierter Teil, Kapitel 5, S. 372 ff.
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bank geboten ist, garantiert Art. 88 Satz 2 GG nicht nur unmittelbar die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, sondern enthält mittelbar auch eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie für die Deutsche Bundesbank. Insoweit ist zu differenzieren 39: (1) Wird die Deutsche Bundesbank im ESZB in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, ohne daß ihr eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume zustehen, kommt ihr verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach 88 Satz 2 GG uneingeschränkt zu. Allerdings fehlt es insoweit bereits an dem legitimationsauslösenden Merkmal der Staatsgewalt, so daß sich hier die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bei Lichte betrachtet nicht stellt. (2) Wird die Deutsche Bundesbank zwar in Wahrnehmung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl noch eigene Entscheidungsbefugnisse, drängt das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG für die Bundesbank nur so weit auf Verwirklichung, wie die Steuerungskraft der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben reicht. Verfassungsrechtliche Unabhängigkeit genießt die Bundesbank in diesem Fall nur insofern, als die währungspolitischen Vorgaben der Europäischen Zentralbank auch die entsprechenden nationalen Ausführungsakte der Bundesbank transzendieren. Entsprechendes gilt, soweit die Deutsche Bundesbank zwar eigene Aufgaben wahrnimmt, diese aber unter dem Vorbehalt der währungspolitischen Entscheidungsmacht der Europäischen Zentralbank stehen. In diesem Fall kommt das Unabhängigkeitsgebot des Art. 88 Satz 2 GG nur zum Tragen, sofern die Europäische Zentralbank von ihrer Sachkompetenz Gebrauch macht und verbindliche monetäre Vorgaben für die Deutsche Bundesbank erläßt. Verzichtet die Europäische Zentralbank dagegen auf die Ausübung ihrer Sachkompetenz, kommt der Deutschen Bundesbank verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG nicht zu; insoweit bleibt es bei der Rechtfertigung ihres Legitimationsdefizits nach Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG. (3) Nimmt die Deutsche Bundesbank im ESZB ausschließlich eigene Aufgaben und Befugnisse wahr, die nicht der verbindlichen währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegen, kommt ihr verfassungsrechtliche Unabhängigkeit nach Art. 88 Satz 2 GG nicht zu. Auch insoweit findet das Legitimationsdefizit der Bundesbank seine Rechtfertigung in Art. 88 Satz 1 GG i.V.m. Art. 23 Abs. 1 GG.
39
Fünfter Teil, Kapitel 1, S. 377 ff.
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Zusammenfassung in Thesen
2. Hinzutretendes Legitimationsdefizit: Das mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion hinzutretende sachlich-inhaltliche Legitimationsdefizit der Bundesbank, das durch ihre Eingliederung in das hierarchisch strukturierte ESZB bewirkt wird, findet seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ebenfalls in Art. 88 Satz 2 GG. Dabei ist auch hier zu differenzieren 40: (1) Wird die Deutsche Bundesbank in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, ohne daß ihr eigene Handlungs-, Wertungs- oder Ermessensspielräume verbleiben, nimmt sie keine legitimationsbedürftige Staatsgewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG wahr. Insoweit kommt das Gebot demokratischer Legitimation für die Bundesbank nicht zum Tragen, so daß sich hier die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nicht stellt. (2) Wird die Deutsche Bundesbank in Vollzug währungspolitischer Vorgaben der Europäischen Zentralbank tätig, verbleiben ihr aber gleichwohl eigene Entscheidungsbefugnisse, so ist das durch die Eingliederung in das ESZB bewirkte Legitimationsdefizit der Bundesbank durch Art. 88 Satz 2 GG gerechtfertigt. (3) Soweit die Deutsche Bundesbank im ESZB eigene Aufgaben wahrnimmt, die nicht der währungspolitischen Bestimmungsmacht der Europäischen Zentralbank unterliegen, fehlt es an der das Legitimationsdefizit begründenden Voraussetzung. Das Problem der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hier nicht. Das gleiche gilt, sofern die währungspolitische Sachkompetenz der Bundesbank unter dem Vorbehalt ihrer Inanspruchnahme durch die Europäische Zentralbank steht, diese aber von ihrer Entscheidungsbefugnis keinen Gebrauch macht. Zieht die Europäische Zentralbank die Sachkompetenz dagegen an sich und erläßt sie verbindliche währungspolitische Vorgaben für die Deutsche Bundesbank, ohne daß dieser eigene Entscheidungsbefugnisse verbleiben, fehlt es an dem legitimationsauslösenden Aspekt der Staatsgewalt; die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hier ebenfalls nicht.
Fünfter Teil, Kapitel , S. 3
ff.
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Sachregister Abberufung - der Mitglieder des Direktoriums der Bundesbank 132 f. - der Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 362 f. - des Präsidenten der Bundesbank 312 f. - und Kette individueller Berufungsakte 41 f. - und personelle Legitimation 41 ff., 132 f., 313, 362 f., 383 f. Administrative s. Exekutive Änderungsbefugnisse 301 ff. Amt 42 f., 121 ff, 139 - und personelle Legitimation 42 f. Amtswalter - personelle Legitimation s.a. dort 41 ff, 78 ff. - sachlich-inhaltliche Legitimation s.a. dort 44 ff, 78 f. - und inhaltliche Entscheidungsbefugnis 303 ff. - und institutionelle Legitimation s.a. dort 40 f. - und Kollegialgremien s.a. dort 71, 78 ff - und Ministerialverwaltung s.a. dort 90 Amtszeit - der Mitglieder des Direktoriums der Bundesbank 133 - der Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 362 - der Präsidenten der nationalen Zentralbanken 312 f. Aufgabennorm 204 ff, 221 ff, 264, 400 f. - und Kompetenznorm s.a. dort 204 ff, 221 ff, 264,400 f. - und Organisationsnorm s.a. dort 204 ff, 221 ff, 264,400 f. Ausgestaltungsspielraum s. Gestaltungsspielraum
Ausländerwahlrecht 302 f., 309 ff Auslegung - historische Auslegung s.a. dort 188 ff, 239 ff - Verhältnis der Auslegungsmethoden zueinander 234 ff. Autonomie s. Unabhängigkeit Autonomiegesetz 25 f. Bagatellvorbehalt 36 ff. Bank deutscher Länder 26 f., 243 Berufung - der Landeszentralbankpräsidenten 134 ff - der Mitglieder des Direktoriums der Bundesbank 131 ff. - der Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 358 ff. - der Mitglieder des EZB-Rates 358 ff, 364 ff - der Mitglieder des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank 130 ff, 141 f. - der Präsidenten der nationalen Zentralbanken 362 f. - und Kette individueller Berufungsakte 41 ff, 54, 131, 141, 312, 358, 363 - und personelle Legitimation 41 ff. - unmittelbare und mittelbare 43, 54 - Wahl s. dort Bestellung s. Berufung Blockfloating 269 f. mit Fn. 14 Bosman-Urteil 259 Fn. 304 Bretton-Woods-System 270 Bundesauftragsverwaltung - doppelte Legitimationsbasis 336 - Sachkompetenz s. a. dort 295 f., 304, 336 - und Landesstaatsgewalt 295 f. - Wahrnehmungskompetenz s. a. dort 295 f., 304
Sachregister Bundesbank - Abhängigkeit von der Europäischen Zentralbank 290 f., 372 ff., 393,406 - als ministerialfreier Raum s.a. dort 173 - als Staatsgewalt s.a. dort 127 f., 292 ff, 402 f. - als Verfassungsorgan s.a. dort 167 Fn. 69, 183 ff. - Aufgaben und Befugnisse 37 Fn. 26, 282 ff. - Auskunftspflicht 163 ff. - Beratungspflicht 163 ff. - Berufung der Mitglieder des Zentralbankrates 5. Berufung - Demokratiedefizit s.a. dort 172 f., 372 ff, 400,406 - demokratische Legitimation nach der Währungsunion 266 ff. - demokratische Legitimation vor der Währungsunion 127 ff. - Direktorium s. dort - funktionale Verklammerung mit der Europäischen Zentralbank 383 ff. - im Europäischen System der Zentralbanken 290 ff, 383 ff - Landeszentralbankpräsidenten s. dort - Legitimationsanforderungen nach der Währungsunion 339 f. - parlamentarische Kontrolle s.a. dort 143 ff. - parlamentarische Lenkung s.a. dort 146 ff. - personelle Legitimation s. dort - Rechtsnatur 169 ff. - Rechtsschutzmöglichkeiten 167 Fn. 69 - sachlich-inhaltliche Legitimation s. dort - und Europäische Währungsunion s.a. dort 282 ff - und unmittelbare / mittelbare Staatsverwaltung 92 f., 104 ff. - und Weisungsfreiheit 155 ff. - Unterstützungspflicht der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung 157 ff. - verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der B. 28,263 ff, 383 ff, 393 ff, 400 f., 406 - Wahrnehmungskompetenz im ESZB 291,372, 375, 383,402 - Zentralbankrat s. dort 29 Brosius-Gersdorf
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Bundesbankautonomie - als Organisationsprinzip des Art. 88 Satz 1GG 197 ff. - Art. 88 Satz 2 GG als Unabhängigkeitsgarantie 377 ff - historische Entwicklung 25 ff, 190 f., 239 ff. - und Geldwertstabilität 204 ff. - verfassungsrechtliche B. 28,263 ff, 383 ff, 393 ff, 400 f., 406 - verfassungsrechtliche Rechtfertigung der B. s. Rechtfertigung Bundesbankgesetz - legislatorische Steuerungskraft 146 ff - Unterstützungs- und Kooperationspflichten nach dem B. 157 ff, 163 ff. - Verhältnis des § 12 Satz 1 zu §12 Satz 2 157 ff. - von 1875 26 f. - Weisungsunabhängigkeit 155 ff Bundeskanzler 42,139, 358 ff - als Legitimationsmittler für das Direktorium der Europäischen Zentralbank 358 ff - demokratische Legitimation 358 f. Bundespost 61 f., 202 Bundespräsident - als Legitimationsmittler für das Direktorium der Bundesbank 131 f. - demokratische Legitimation 131 f., 134, 136 - Ermessensentscheidungsrecht 136 ff - Gegenzeichnungspflicht 42,113 ff - rechtliche Prüfungskompetenz 138 Fn. 30 - und Berufungsverfahren der Landeszentralbankpräsidenten s. Berufung Bundesrat - als Legitimationsmittler für die Landeszentralbankpräsidenten 134 ff. - demokratische Legitimation 62 f., 131 - Zusammensetzung 62 Bundesrechnungshof - demokratische Legitimation 61,175 f. - Unabhängigkeit 61,175 f. Bundesregierung - als Legitimationsmittler für das Direktorium der Bundesbank 131 f.
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Sachregister
- Aussetzungsrecht bei Beschlüssen des Zentralbankrates 165 f. - demokratische Legitimation 132 - Rechtsaufsicht über die Bundesbank 169 ff. - Ressortminister s. dort - Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Bundesbank 166 ff. - Teilnahmerecht an Beratungen des Zentralbankrates 165 f. - und parlamentarische Verantwortung 45 f. Bundestag s. Parlament Bundesverwaltung - fakultative 202 ff., 222 - obligatorische 202 ff., 222 ff. Dawes-Plan 26 Delors-Ausschuß 273 Delors-Bericht 273 f. Demokratie - treuhänderische s.a. Treuhandmodell 121 ff. -wehrhafte 119 f. Demokratiedefizit - Auswirkungen des Demokratiedefizits der Europäischen Zentralbank auf die Legitimation der Bundesbank 372 ff. - der Bundesbank vor der Währungsunion 172 f., 400 - der Bundesbank nach der Währungsunion 373 ff., 406 - der Europäischen Zentralbank 371, 405 f. - der Landeszentralbankpräsidenten 136, 400 - der Präsidenten der nationalen Zentralbanken 362 f., 405 - des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 361,405 - des EZB-Rates 364 f., 405 - und verfassungsrechtliche Rechtfertigung s. Rechtfertigung - von Zweckverbänden 73 ff. Demokratiegebot - des Art. 20 Abs. 2 GG 30 ff., 327 ff. - des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG 318 ff. - für die deutsche Staatsgewalt 30 ff.
- für die europäische Hoheitsgewalt 317 ff. - gemeinschaftsrechtliches 317 ff. - verfassungsrechtliches 317 ff. Demokratieprinzip - als Formalprinzip 38, 52,310 - „demokratische Grundsätze" i.S.d. Art. 23 Abs. 1 GG 319 ff. - des Grundgesetzes 30 ff. - Dogmatik des D. 30 ff., 55 ff., 317 ff. - Effektivität 5. dort - Gewährleistungsebene des D. 64 f., 106 ff, 346 f. - Kernbereich 350 f. - Legitimation s. dort - Modifizierung des D. 60 ff, 109 ff, 233 f. - Relativität 59 f., 64,175 ff. -Schutzgüter 60 ff. - und andere Verfassungsprinzipien 60 ff, 175 ff. - und Art. 79 Abs. 3 GG228 ff. - und bipolare Legitimationsstruktur 349 f. - und Staatsgewalt 33 ff, 292 ff. - und sternförmige Legitimationsstruktur 349 f. - und verfassungsrangige Organisationsnormen 60 ff. - und verfassungsrechtliche Rechtfertigung s.a. Rechtfertigung 60 ff, 175 ff - und Volkssouveränität s.a. dort 30 ff, 52 ff, 330 ff, 351 ff - Verwirklichungskomponenten 39 ff - Vorrang vor anderen Verfassungsprinzipien 228 ff. Demokratische Legitimation - Bedeutungsgefälle zwischen sachlichinhaltlicher und personeller Legitimation 67 ff. - der Bundesbank nach der Währungsunion 266 ff, - der Bundesbank vor der Währungsunion 127 ff. - der Europäischen Zentralbank 355 ff - der Landeszentralbankpräsidenten 134 ff. - der Präsidenten der nationalen Zentralbanken 362 ff.
Sachregister - des Direktoriums der Bundesbank 131 ff. - des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 358 ff. -des EZB-Rates 364 f. - des Zentralbankrates der Bundesbank 141 f. - dogmatische Grundlagen einer d. L. der Europäischen Union 317 ff. - Grenzen 59 ff. - institutionelle s. dort - Komplementarität der Legitimationsformen 66 ff. - Legitimationsniveau s. dort - personelle s. dort - sachlich-inhaltliche s. dort - Substitutional^ der Legitimationsformen 66 ff. - Theorie der abgestuften Stringenz s. dort - und Kollegialgremien s. dort - und Ministerialverwaltung s.a. dort 88 ff. - und Volkssouveränität s.a. dort 30 ff, 52 ff, 330 ff, 351 ff. - und Weisungsfreiheit 96 ff. - von Zweckverbänden 73 ff. Deutsche Bundesbank s. Bundesbank Deutsche Post AG - demokratische Legitimation 61 f. - verfassungsrechtliche Rechtfertigung 61 f. Deutsche Telekom AG - demokratische Legitimation 61 f. - verfassungsrechtliche Rechtfertigung 61 f. Dispositionstitel - i n Art. 88 Satz 1 GG 239 ff. - Einschränkung des D. in Art. 88 Satz 1 GG 244 ff. Direktorium der Bundesbank - Abberufung 132 f. -Berufung 131 ff. - demokratische Legitimation 131 ff Direktorium der Europäischen Zentralbank - Abberufung 362 f. - als Kollegialgremium 359 ff. - Amtszeit 362 f.
- Berufung 358 ff. - demokratische Legitimation 358 ff. Doppelte Legitimationsbasis s. Legitimationsbasis Doppelte Mehrheit 82 Drei-Elementen-Lehre 328 Dualistische Theorie - und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 251 ff. - und monistische Theorie 246 ff. Effektivität - und Demokratieprinzip 31, 52 f. Effizienz - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 180 ff. - als sekundärer Rechtswert 182 Eigentumsgarantie - als verfassungsrechtliche Gewährleistung von Geldwertstabilität 213 ff Einheitliche Europäische Akte 272 f. Einstimmigkeitsprinzip - bei der Europäischen Zentralbank 359 f., 365 - in Kollegialgremien s.a. dort 75, 83 f. Einzelweisung s. Weisung Empfehlungen - der Europäischen Zentralbank 287 f., 290, 356 - des Europäischen Währungsinstituts 276 f. - Steuerungskraft 290, 356 Entscheidung - Begriff 38 f., 296 ff - der Europäischen Zentralbank 287 f., 309 - in Kollegialgremien s.a. dort 70 ff. - Mitentscheidung 59,70, 82, 85 f., 317, 348 - Steuerungskraft 309 - Teilbarkeit 352 - und faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln 306 ff - und Ingerenzbefugnisse 299 ff. - und inhaltliche Programmierung 303 ff. - und personelle Legitimation 68 ff - und rechtsverbindliches Handeln 296 ff - und sachlich-inhaltliche Legitimation 44 ff.
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Sachregister
- und Selbsteintrittsrecht 300 f. - und Staatsgewalt 38 f., 296 ff. - und Vorschlagsrecht 134 f. - und Zustimmungsvorbehalt s.a. Genehmigungsvorbehalt 300 f. - Vollprogrammierung 303 ff - wertende Gesamtschau 302 f. Entscheidungsbefugnis - abstrakt-virtuelle 80 Fn. 24 - konkret-aktuelle 80 Fn. 24 - negative 84, 87,135, 142, 360 f., 364 - positive 84,87,135, 142, 360 f., 364 Entstehungsgeschichte - als Auflösungsmaßstab für das Spannungsverhältnis zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 1 GG 239 ff - Bedeutung als Auslegungsmethode 234 ff. -des Art. 23 Abs. 1 GG 318 f. - des Art. 88 Satz 1 GG239 ff. -des Art. 88 Satz2GG381 f. - Verhältnis zu anderen Auslegungsmethoden 234 ff. Erforderlichkeit - als Element des Art. 23 Abs. 1 GG 326 f. - als Element des Vorrangprinzips 250, 259 ff Ernennung s. Berufung EURO s. a. Europäische Währungseinheit 280 Europäische Hoheitsgewalt - als Legitimationsobjekt nach Art. 20 Abs. 2 GG 327 ff. - als Legitimationsobjekt nach Art. 23 Abs. 1 GG 318 ff. Europäische Union - als Legitimationsobjekt nach Art. 20 Abs. 2 GG 327 ff. - als Legitimationsobjekt nach Art. 23 Abs. 1 GG 318 ff. - als Staatenverbund 73,247,250, 317, 328 f., 335 - Baustruktur 349 f. - Demokratiedefizit 354 f. - dogmatische Grundlagen eines Demokratiegebotes für die E. U. 318 ff - doppelte Legitimationsbasis 335 f. - Einstimmigkeitsprinzip s. dort
-
Funktionssicherung 251 ff. Legitimationsniveau s.a. dort 340 ff. Mehrheitsprinzip 348 Fn. 150 Rechtfertigung des Demokratiedefizits 354 f. - Rechtsnatur 73,247,250, 317, 328 f., 335 - sternförmige Legitimationsstruktur 349 f. - Supranationalität 347 ff. - Übertragung von Hoheitsrechten auf die E. U. 317 - und gemeinschaftsrechtliche demokratische Legitimation 317 ff - und verfassungsrechtliche demokratische Legitimation 317 ff. Europäische Währungseinheit s. a EURO im Europäische Währungsunion -dritte Stufe 278 ff. - Entstehung und Hintergründe 268 ff. - erste Stufe s.a. Konvergenzstufe 275 f. - Gründung 268 ff - monetärer Zuständigkeitsübergang 281 - und Bundesbank 282 ff - und Europäisches Währungssystem 268 ff. - und Legitimationsverluste für die Bundesbank 374 f. - zweite Stufe 276 ff Europäische Zentralbank - als Legitimationsobjekt nach Art. 20 Abs. 2 GG 327 ff - als Legitimationsobjekt nach Art. 23 Abs. 1 GG 318 ff. - Aufgaben und Befugnisse 282 ff - Autonomie 366 ff - Berufung der Mitglieder des EZB-Rates s. Berufung - Beschlußorgane 282 f. - Demokratiedefizit s.a. dort 371,405 f. - demokratische Legitimation s. dort - Direktorium s. dort - Empfehlungen 287 f., 290, 356 - Entscheidungen 287 f., 309 - EZB-Rat s. dort - Funktionsfähigkeit 384 ff. - Genehmigungsvorbehalte s.a. dort 283 f., 286,288,290, 300 f.
;ister -Leitlinien 287 ff. - Mmdestreservepolitik 285,287 - Offenmarkt- und Kreditgeschäfte 284 - parlamentarische Kontrolle 366 f. - parlamentarische Lenkung 367 f. - personelle Legitimation s.a. dort 357 ff - Rechtfertigung des Demokratiedefizits 377 ff. -Richtlinien289, 358 - Sachkompetenz 291, 372, 375, 383,402 - sachlich-inhaltliche Legitimation s.a. dort 365 ff. - Stellungnahmen 287 f., 290, 356 - Steuerungsinstrumente 287 ff. - und deutsches Staatsvolk 330 f. - und Europäisches System der Zentralbanken 282 ff. - und nationale Zentralbanken s.a. dort 282 ff. - Unterstützungs- und Kooperationspflichten 369 ff. - Verordnungen 285 ff. - Vertretung der Gemeinschaft 284 - völkerrechtliche Vereinbarungen 285 - Weisungen 287 f. - Weisungsautonomie 369 ff. Europäischer Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit 270,272 Europäischer Rat 245,274,279 f., 284 f. Europäischer Wechselkursverbund s.a. Schlange 269 f. Europäisches Gemeinschaftsrecht - als autonome Rechtsordnung 246 ff, 257 - Anwendungsvorrang 250,257 - dualistische Theorie s. dort - Geltungsvorrang 250,257 - Kollision mit nationalem Recht 246 ff, 251 ff. - monistische Theorie s. dort - und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 251 ff. - und Ausgestaltungsvorbehalt in Art. 88 Satz 1GG 244 ff. - Verwirklichungsanspruch 260 ff - Vorrangprinzip s. Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts Europäisches Parlament 335,358, 361 f.
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Europäisches System der Zentralbanken - als Dachverband 283 - Aufgaben- und Kompetenzverflechtung im ESZB 282 ff, 290 f. - Bundesbank im ESZB 282 ff, 383 ff. - Europäische Zentralbank im ESZB 282 ff, 290 f., 383 ff. - funktionelle Verklammerung der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank im ESZB 383 ff. - hierarchischer Aufbau 290 f. - nationale Zentralbanken im ESZB 282 ff - Organe 282 f. - Rechtspersönlichkeit 283,293 ff - Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung 282 ff Europäisches Währungsinstitut 277 f., 280 Europäisches Währungssystem - Entwicklung zur Europäischen Währungsunion 268 ff. Europol - demokratische Legitimation 342 Fn. 133 Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG - und Demokratieprinzip 228 ff. Exekutive - Legitimationsniveau 54 f. - Ministerialverwaltung s. dort Exekutive Steuerung s.a. Steuerung -abstrakte 47 f. - konkrete 48 ff. - Rechtsaufsicht s.a. dort 49 f. - Rechtsverordnung s.a. dort 47 f. - und demokratische Legitimation 47 ff. - Verwaltungsvorschriften s.a. dort 48 - Weisung s.a. dort 48 f. EZB-Rat - als Kollegialgremium s.a. dort 364 f. - Beschlußfassung 364 f. - demokratische Legitimation 357 ff - Zusammensetzung 358 Fachaufsicht - der Bundesregierung 156,169 Freizügigkeit 259 Fn. 304
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Sachregister
- als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität 207 ff. - als Verfassungswert 207 ff. - und Bundesbank 207 ff. - und magisches Viereck s. dort Geldwertstabilität - und Stabilitätsgesetz s.a. dori 208 ff. - als Bestandteil der Eigentumsgarantie - wirtschaftspolitische Teilziele 207 ff 213 ff. Gesellschaft - als verfassungsrechtliches Ziel 204 ff - und Staat 73 Fn. 8 - und Bundesbank 204 ff. Gesetz - und gesamtwirtschaftliches Gleichge- Konditionalprogramme s.a. dort 97 ff wicht 207 ff. - Legitimationswert 46 f., 97 ff. - und Sozialstaatsprinzip s.a. dort 217 ff - Regelungsdichte 97 ff. - und Stabilitätsgesetz 208 ff. - Steuerungskraft 97 ff Gemeinschaftsrecht s. Europäisches - und sachlich-inhaltliche Legitimation Gemeinschaftsrecht 46 f., 97 ff. Gemeinschaftsrechtliche Legitimation - und Weisung s.a. dort 96 ff. - der Europäischen Zentralbank 317 ff, - Vollprogrammierung 303 ff. 335 ff. - Zweckprogramme s.a. dort 97 ff. - nationaler Stellen 335 ff. Gestaltungsspielraum in Art. 88 Satz 1 - und verfassungsrechtliche Legitimation GG 317 ff, 335 ff. - des einfachen Gesetzgebers 239 ff Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung - Einschränkung des G. durch Art. 23 - als gemeinschaftsrechtliches Gebot 252 Abs. lGG244ff. - als verfassungsrechtliches Gebot 251 ff. - gemeinschaftsrechtskonforme Ausle-Erforderlichkeit 259 ff. gung des G. 244 ff. - sedes materiae 251 ff. - und Art. 107,108 EGV 244 ff. - und Einschränkung nationaler NormGewährleistungsebene spielräume 251 ff. - des Demokratieprinzips s.a. dort 64 f., - und Funktionssicherung der Europäi106 ff, 346 f. schen Union 259 ff. - Modifizierung 60 ff, 109 ff, 233 f. - und verfassungskonforme Auslegung - und Rechtfertigung s.a. dort 64 f., 257 f. 106 ff, 346 f. - und Vorrangprinzip 251 ff s.a. Prinzip Gewaltenteilung vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts- als Rechtfertigungsgrund für die Gemeinwohl Bundesbankautonomie 121 ff, 186 ff. - als Rechtfertigungsgrund für die BunGrundrechte desbankautonomie 181 ff. - und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG 320 f., Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen 358,361 f. 75 - und Demokratieprinzip 320 f., 358, Genehmigungsvorbehalte 361 f. - der Europäischen Zentralbank 283 f., Grundsatz der Subsidiarität 320 286,288,290, 300 f. Gubernative - Steuerungskraft 288 - Leitungsmacht 88 ff. - und Entscheidung 300 f. - Ressortminister s. dort Gerichtsbarkeit s. Judikative Gesamtbild s. vorverfassungsrechtliches Hierarchie Gesamtbild - hierarchischer Aufbau des ESZB 290 ff. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht
Funktionssicherung - als Organisationsprinzip des Art. 88 Satz 1GG 192 ff. - der Europäischen Zentralbank 383 ff.
447 - in der nationalen staatlichen Verwaltung 88 ff. Historische Auslegung s. a. Auslegung - Bedeutung 234 ff. - und vorverfassungsrechtliches Gesamtbild 188 ff. - Verhältnis zu anderen Auslegungsmethoden 234 ff. Hoheitsgewalt - deutsche 33 ff, 292 ff. - europäische 327 ff. - und Art. 20 Abs. 2 GG 33 ff, 327 ff. Hoheitsrechte - Grenzen der Übertragung 319 - Übertragung auf die Europäische Union 318 f. - und Bundesbank 379 ff. Ingerenzvorbehalte - und Staatsgewalt s.a. dort 299 ff. Inhaltliche Programmierung s. Vollprogrammierung Institutionelle Legitimation 40 f. - der Bundesbank 40 f. Integrationsklausel - Regelungsziel 325 ff. - und Demokratieprinzip 325 ff. - und Öffhungsklausel s.a. dort 325 ff. - und Struktursicherungsklausel s.a. dort 326 f. Interkommunale Zusammenarbeit - und Demokratieprinzip 73 ff - Zweckverbände 73 ff. Judikative - demokratische Legitimation 60 f. - Legitimationsniveau 60 f. - Unabhängigkeit 60 f. - verfassungsexplizite Rechtfertigung 60 f., 175 Kollegialgremien 70 ff. - Bezugspunkt demokratischer Legitimation 77 ff. - demokratiekonforme Ausgestaltungsmöglichkeiten 86 f. - Deutscher Bundestag 72 f. - doppelte Mehrheit 82 - Einstimmigkeitsprinzip 75, 83 f.
- Erscheinungsformen 71 ff. - Kondominialverwaltung 75 - Legitimation der Mitgliedergesamtheit 84 ff. - Legitimation der Mitgliedermehrheit 78 ff. - positive Entscheidungsbefugnis 84, 87, 135,142, 360 f., 364 - negative Selektionsbefugnis 84,87, 135, 142, 360 f., 364 - unverbindliche Partizipation Privater 86 f. - verschiedene Legitimationssubjekte 71, 73 ff. - Zweckverbände 73 ff. Kommunales Ausländerwahlrecht 302 f., 309 ff. Kompensation - fehlender Gesetzesbindung durch Weisungsgewalt 98 ff. - personeller Legitimationsdefizite durch sachlich-inhaltliche Legitimation (und umgekehrt) 66 ff. Kompetenz - Sachkompetenz der Europäischen Zentralbank 291, 372, 375, 383,402 - und Verantwortlichkeit 308 f. - Wahrnehmungskompetenz der Bundesbank 291, 372, 375, 383,402 Kompetenznorm 201 ff, 221 ff, 264, 400 f. - und Aufgabennorm s.a. dort 204 ff, 221 ff, 264,400 f. - und Organisationsnorm s.a. dort 204 ff, 222 ff, 264,400 f. Komplementarität - zwischen gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Legitimation 336 ff. - zwischen hierarchischer Verwaltung und demokratischer Willensbildung 90 f. - zwischen Parlamentsgesetz und Weisung 98 ff. - zwischen personeller und sachlich-inhaltlicher Legitimation 66 f. Konditionalprogramme s.a. Gesetz - Kann-Vorschrift 97 f. - Muß-Vorschrift 97 - Steuerungskraft 97 ff.
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Sachregister
- und sachlich-inhaltliche Legitimation 97 ff. - und Weisung 98 ff. - und Zweckprogramme s.a. dort 97 ff Kondominialverwaltung 75 Konsultation - und Entscheidung 86 f., 297 f. Kontrolle s. parlamentarische Kontrolle Konvergenzkriterien 279 f. Konvergenzstufe 275 Landesverwaltung 134 ff. Landeszentralbankpräsidenten - Berufung 134 ff. - demokratische Legitimation 134 ff - Ernennung durch Bundespräsidenten 136 ff. - Landesvolk als Legitimationssubjekt 134 ff. Legislative s. Parlament Legitimation s. demokratische Legitimation Legitimationsbasis - der Europäischen Union 317 ff. - der Europäischen Zentralbank 357 ff - doppelte 335 f. - nationaler Verwaltungsstellen beim Vollzug von Gemeinschaftsrecht 335 f. - und Bundesauftragsverwaltung 336 Legitimationsdefizit s. Demokratiedefizit Legitimationskette - ununterbrochene 41 ff, 54,131,141, 312,358, 363 Legitimationsmodell - für die deutsche Staatsgewalt 30 ff - für die europäische Hoheitsgewalt 317 ff. Legitimationsniveau - abgestuftes bei exekutiver oder gesetzlicher Vollprogrammierung 309 ff - abstraktes 56 ff. - als Zielvorgabe 51 ff. - Begriff 51 ff - bestimmtes 51 ff. - der Exekutive 54 f. - der Judikative 60 f. - der Legislative 54 f. - für die Europäische Union 340 ff - Höhe 53 ff.
- Kompensation der Legitimationsformen 66 f. - konkretes 56 ff. - Modifizierung des L. 60 ff, 109 ff, 233 f. - Substitution der Legitimationsformen 66 ff. -undArt. 23 Abs. 1 GG342 ff. - und Art. 88 Satz 2 GG 344 ff. -und Effektivität 51 f. - und Supranationalität der Europäischen Union 347 ff. - und verfassungsrechtliche Organisationsnormen 55 ff. - und Volkssouveränität s.a. dort 52 ff Legitimationsobjekt s. Staatsgewalt Legitimationsstruktur - bipolare L. der deutschen Staatsgewalt 350 ff. - sternförmige L. der europäischen Hoheitsgewalt 350 ff Legitimationssubjekt s. Volk Legislatorische Steuerung -derBundesbank 143 ff. - der Europäischen Zentralbank 366 ff. - parlamentarische Kontrolle s. dort - parlamentarische Lenkung s. dort Leitlinien - der Europäischen Zentralbank 287 ff - Steuerungskraft 289 f. Lenkung s. parlamentarische Lenkung Maastricht-Urteil 233, 317, 347, 354 Mandat 121 ff. magisches Viereck 149,153,157 f., 162 Maßnahme - innerdienstliche 58 f. Mehrheitsprinzip - doppelte Mehrheit 82 - in der Europäischen Union 348 Fn. 150 - und Kollegialorgane 72 ff. Minister s. Ressortminister Ministerialfreie Räume - Ansatz C. P. Fichtmüllers 109 ff. - Ansatz J. Oebbeckes 111 ff. -Begriff 103 ff. - dogmatischer Standort 106 ff - Neutralisierung und Selbstbeschränkung 119 ff.
Sachregister - Treuhandmodell K. Waechters 121 ff. - und Demokratieprinzip 103 ff. - und unmittelbare / mittelbare Staatsverwaltung 104 ff. - und Weisung 103 ff. - Verzichtstheorie 116 ff. Ministerialfreiheit s. ministerialfreie Räume Ministerialverwaltung - als Regeltypus staatlicher Verwaltung 88 ff. - Begriff 88 ff - Exekutive s. dort - Gubernative s. dort - hierarchischer Aufbau 88 ff. - Legitimationsstrukturen 88 ff. - ministerialfreie Räume s. dort - personelle Legitimation 89 ff. - Ressortminister s. dort - sachlich-inhaltliche Legitimation 89 ff. - und Ressortfreiheit 91 ff. - und Weisungsrecht 89 ff. - verfassungsrechtliche Grundlagen 88 ff. Mitbestimmung - im öffentlichen Dienst 58 f. - in Kollegialgremien s. dort Modifizierung - des Demokratieprinzips 60 ff, 109 ff, 233 f. - und verfassungsrechtliche Rechtfertigung 60 ff. Monistische Theorie - und dualistische Theorie 246 ff. - und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 256 f. - und Völkerrecht 246 Fn. 255 Nationale Zentralbanken - als europäische Rechtsträger 293 ff. - als Vollzugsstufe im ESZB 282 ff., 290 f. - Aufgaben der η. Z. im ESZB 282 ff. - Präsidenten der n. Z. s. dort - Verklammerung mit der Europäischen Zentralbank 290 f., 383 ff. - Wahrnehmungskompetenz 291 Natur der Sache - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 107 f.
Neutralisierung und Selbstbeschränkung - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 119 ff. Öffentlicher Dienst - und Mitbestimmung 58 f. Öffhungsklausel - Regelungsziel 325 f. - und Demokratieprinzip 325 ff. - und Integrationsklausel s.a. dort 325 ff - und Struktursicherungsklausel s.a. dort 326 f. Offene Verfassungsnorm - Art. 88 Satz 1 GG als ο. V. 239 ff Organisationsnorm - als Konkretisierung des Legitimationsniveaus 55 ff. - aufgabenspezifische 221 ff. - Organisationsgehalt von Verfassungsnormen 200 ff. - und Aufgabennorm s.a. dort 204 ff, 221 ff., 264,400 f. - und Kompetenznorm s.a. dort 204 ff, 222 ff., 264,400 f. Parlament - als Legitimationsmittler 41 ff. - demokratische Legitimation 54 f. - Kontrollverzicht s. Verzichtstheorie - Legitimationsniveau 54 f. - parlamentarische Kontrolle s. dort - parlamentarische Lenkung s. dort - und Gesetz s. dort - und Regierung 41 ff., 89 ff. - und Verwaltung 41 ff., 89 ff -und Volk 41 ff., 54 f. - Wahl zum P. 42 Parlamentsgesetz s. Gesetz Parlamentarische Kontrolle - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 45 f. - der Bundesbank 143 ff. - der Europäischen Zentralbank 366 f. - unmittelbare und mittelbare 45 f., 143 ff., 366 f. Parlamentarische Lenkung s.a. Gesetz - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 46 f. - der Bundesbank 146 ff.
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Sachregister
- der Europäischen Zentralbank 367 f. - und Bundesbankgesetz s.a. dort 146 ff. -und EG-Vertrag 367 f. - und Konditionalprogramme s.a. dort 98 ff. - und Stabilitätsgesetz s.a. dort 149 ff - und Weisung s.a. dort 105 ff. - und Zweckprogramme s.a. dort 98 ff, 146 ff, 367 f. Parlamentarischer Rat 237,241 ff. Parlamentarisches Regierungssystem - und Ministerialverwaltung 88 ff. Parlamentsfreiheit - und Ressortfreiheit 91 ff. Partizipation s. Mitbestimmung Personalvertretungsentscheidung 58 f. Personelle Legitimation 41 ff. - als verfassungsrechtliche Muß-Vorgabe
82
- der Bundesbank 129 ff. - der Europäischen Zentralbank 357 ff. - der Landeszentralbankpräsidenten 134 ff. - der Präsidenten der nationalen Zentralbanken 362 f. - des Amtes 41 ff. - des Amtswalters 41 ff - des Direktoriums der Bundesbank 131 ff. - des Direktoriums der Europäischen Zentralbank 358 ff. -des EZB-Rates 364 f. - des Zentralbankrates der Bundesbank 141 f. - Legitimationswert 41 ff. - und institutionelle Legitimation 40 f. - und Kollegialgremien s.a. dort 70 ff - und Legitimationsniveau 51 ff. - und sachlich-inhaltliche Legitimation 51 ff. - und unmittelbare / mittelbare Berufung 43, 54 - ununterbrochene Legitimationskette 41 ff, 54, 131, 141, 312, 358, 363 Präsidenten der Landeszentralbanken s. Landeszentralbankpräsidenten Präsidenten der nationalen Zentralbanken - Abberufung 312 f. - Amtszeit 312 f.
- Berufung 362 ff. - personelle Legitimation 362 f. Preisstabilität s. Geldwertstabilität Prinzip der praktischen Konkordanz 234 Fn. 203,326 - als Auflösungsmaßstab verfassungsrechtlicher Spannungsverhältnisse 234 Fn. 203 Prinzip der Verhältnismäßigkeit - als Auflösungsmaßstab verfassungsrechtlicher Spannungsverhältnisse 227 Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts - als Kollisionsregel 249 f., 254 ff. - als Kollisionsverhinderungsregel 255 f. - sedes materiae 249 - und Art. 88 Satz 1 GG251 ff. - und Einschränkung nationaler Normspielräume 251 ff. - und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 251 ff. - und Unanwendbarkeit des nationalen Rechts 259 mit Fn. 304 - und Vorwirkung 254 ff. Prüfungsrecht des Bundespräsidenten - politisch-inhaltliches 136 ff. - rechtliches 138 Fn. 30 Rastede-Entscheidung 231 Rationalität - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 186 ff. - und Rechtsstaatsprinzip 186 ff. Rechtfertigung - aus der Natur der Sache 107 f. - des Demokratiedefizits der Bundesbank nach der Währungsunion 377 ff. - des Demokratiedefizits der Bundesbank vor der Währungsunion 174 ff. - des Demokratiedefizits der Europäischen Zentralbank 389 ff. - grundrechtliche 58 -undArt. 23 Abs. 1 GG354f. - und Art. 88 Satz 1 GG 192 ff. - und Art. 88 Satz 2 GG 377 ff. - und Demokratieprinzip 60 ff, 175 ff -und Effizienz 180 ff. - und Funktionssicherung der Bundesbank 192 ff
Sachregister - und Funktionssicherung der Europäischen Zentralbank 383 ff. - und Legitimationsniveau 60 ff. - und Rechtsstaatsprinzip 186 ff. - und Sachverstand 179 f. - und sekundäre Verfassungsgebote 179, 182 - verfassungsexplizite und verfassungsimplizite 174 ff. - und Verfassungsorganqualität der Bundesbank 167 Fn. 69,183 ff. - und vorverfassungsrechtliches Gesamtbild 188 ff. - verfassungsunmittelbare 377 f., 389, 393 - Voraussetzungen der R. demokratiedefizitärer Staatsverwaltung 174 ff. Rechtsaufsicht - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 49 f. - der Bundesregierung über die Bundesbank 169 ff. - Legitimationswert 49 f., 169 ff. - und Gesetz 169 ff. Rechtsprechung s. Judikative Rechtsstaatsprinzip - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 186 ff. Rechtsunverbindliches Handeln - der Bundesbank 128 - der Europäischen Zentralbank 356 - und Staatsgewalt 296 ff. Rechtsverordnung - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 47 f. - der Europäischen Zentralbank 285, 288 f. - Steuerungskraft 47 f. Regierung s. Bundesregierung Ressortfreiheit s. Ministerialfreiheit Ressortminister - als legitimationsvermittelnde Umschaltstelle 90 - als Teil der Gubernative 89 ff. - als Spitze der Exekutive 89 ff. - Doppelstellung 90 f. - Leitungsbefugnis 89 ff. - Scharnierfunktion 90 f. - und Verwaltung 89 ff.
Römische Verträge 290 Sachkompetenz - der Europäischen Zentralbank 291, 372, 375,383,402 - in der Bundesauftragsverwaltung 295 f., 304, 336 - und Wahrnehmungskompetenz s.a dort 291,372, 375,383,402 Sachlich-inhaltliche Legitimation - der Bundesbank 143 ff, 314 ff. - der Europäischen Zentralbank 365 ff. - der konkreten Entscheidung 44 ff. - Skala sachlich-inhaltlicher Legitimation 49 f., 53,132,146,171 - und Bundesbankgesetz s. dort - und institutionelle Legitimation 40 f. - und Konditionalprogramme s.a. dort 98 ff. - und Legitimationsniveau 51 ff. - und parlamentarische Kontrolle 45 f. - und parlamentarische Lenkung 46 f. - und personelle Legitimation 51 ff. - und Stabilitätsgesetz s. dort - und exekutive Weisung 48 f., 96 ff. - und exekutives Verordnungsrecht 47 f. - und Verwaltungsvorschriften 47 f. - und Zweckprogramme 98 ff. Sachverstand - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 179 ff. - als sekundäres Verfassungsgebot 179, 182 „Schlange" s.a. Europäischer Wechselkursverbund 269 f. Sekundäres Verfassungsgebot - und Effizienz 182 - und Sachverstand 179,182 Selbsteintrittsrecht - und Entscheidung 300 f. Selektionsbefugnis - und demokratische Legitimation 84, 87, 135,142, 360 f., 364 - und Entscheidungsbefugnis 84,87,135, 142, 360 f., 364 Solange Π-Entscheidung 320 Fn. 80 Sozialstaatsprinzip - als verfassungsrechtliches Ziel der Geldwertstabilität 217 ff.
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Sachregister
- und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 217 ff. Spannungsverhältnis s. verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis Staatenverbund 73,247,250, 317, 328 f., 335 Staatsaufsicht - Fachaufsicht s.a. dort 156,169 - Rechtsaufsicht s.a. dort 49 f., 169 ff Staatsgewalt - Änderungsbefugnisse 301 ff - Bagatellvorbehalte 36 ff - Begriff 33 ff, 292 ff. - deutsche 33 ff, 292 ff, 327 ff. - Einschränkung nach der Art und Weise staatlichen Handelns 35 f. - „Gewalt"-Moment 38 f. - im formellen Sinne 34,293 ff. - im materiellen Sinne 34 ff, 296 ff - Ingerenzvorbehalte 299 ff. - inhaltliche Vollprogrammierung 303 ff - und Bundesbank 127 f., 292 ff, 402 f. - und demokratische Legitimation 33 ff, 392 ff - und Entscheidungsbefugnis 38 f., 296 ff. - und europäische Hoheitsgewalt 317 ff - und Europäische Zentralbank 355 ff. - und faktische Möglichkeit zu rechtswidrigem Handeln 306 ff. - und innerdienstliche Maßnahmen 58 f. - und rechtserhebliches Handeln 296 ff - und Selbsteintrittsrechte 300 f. -und Volk33 ff, 327ff. - und Wahrnehmung von Staatsaufgaben 33 ff, 296 ff. - und „wertende Gesamtschau" des Bundesverfassungsgerichts 302 f. - und Zustimmungsvorbehalte s.a. Genehmigungsvorbehalte 300 f. Staatsverwaltung - Bundesbank 92 f., 104 ff - mittelbare / unmittelbare 92 f., 104 ff Staatsvolk s. Volk Stabilitätsgesetz - Bindung der Bundesbank an das S. 149 ff. - Entstehungsgeschichte des S. 150 ff. - legislatorische Steuerungskraft 154 f.
-OffenheitdesS. 210ff - und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht s.a. dort 208 ff. - und Verfassungsrecht 208 ff. Stellungnahmen - der Europäischen Zentralbank 287 f., 290, 356 - Steuerungskraft 287 f., 290, 356 Steuerung - exekutive 47 ff. - legislatorische 45 ff. - personelle 41 ff. - sachlich-inhaltliche 44 ff. Steuerungskraft - des Bundesbankgesetzes s.a. dort 146 ff. - des EG-Vertrags 367 f. - des Stabilitätsgesetzes s.a. dort 154 f. - von Empfehlungen s.a. dort 290, 356 - von Entscheidungen s.a. dort 309 - von Gesetzen s.a. dort 97 ff. - von Konditionalprogrammen s.a. dort 98 ff. - von Rechtsverordnungen 47 f. - von Stellungnahmen 290, 356 - von Weisungen 48 f., 96 ff - von Zweckprogrammen s.a. dort 98 ff Struktursicherungsklausel - als Gebot gemeinschaftsrechtlicher Legitimation der Europäischen Union 318 ff. - als Gebot verfassungsrechtlicher Legitimation der Europäischen Union 318 ff. - Regelungsinhalt 320 ff - Regelungsziel 322 ff - Sperrwirkung 326 f., 354 - und Demokratieprinzip 318 ff - und Grundrechtsschutz 320 f., 358, 361 f. - und Grundsatz der Subsidiarität 320 - und Integrationsklausel s.a. dort 326 f. - und Öffhungsklausel s.a. dort 326 f. Substitution - der Legitimationsformen 60 ff. Supranationalität - als Rechtfertigungsgrund für das Demokratiedefizit der Europäischen Union 347 f. - der Europäischen Union 347 ff
Sachregister - und demokratische Legitimation der Europäischen Union 347 ff. Teilvolk - und Gemeindevolk 74 f. - und Landesvolk 336 - und Europäische Union 350 ff. - und Kollegialorgane s.a. dort 74 ff. - und Zweckverbände s.a. dort 73 f. Theorie der abgestuften Stringenz 37 f. Totalsubstitution s. Substitution Treuhandmodell -Kritik am T. 122 ff. -und Europol 342 Fn. 133 - und ministerialfreie Räume 129 ff. - von K. Waechter 121 ff., 342 Fn. 133 Unabhängigkeit - der Bundesbank 28,263 ff., 383 ff., 393 ff., 400 f., 406 - der Europäischen Zentralbank 371 ff. - mittelbare U. der Bundesbank 401 ff. Unabhängigkeitsgebot - des Art. 88 Satz 1 GG 192 ff. - des Art. 88 Satz2 GG 377 ff. - Vorrang vor dem Demokratieprinzip 232ff Verantwortung - der Europäischen Zentralbank für die Bundesbank 306, 315 f., 339 f. - der Regierung 41 ff., 89 ff. - des Parlaments 41 f. - und Kompetenz 308 f. Verfassungskonforme Auslegung - und gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 257 f. Verfassungskonvent von Herrenchiemsee 239 ff. Verfassungsnormen - als Aufgabennormen s.a. dort 204 ff, 221 fT., 264,400 f. - als Kompetenznormen s.a. dort 201 ff., 221 ff., 264,400 f. - als Organisationsnormen s.a. dort 204 ff., 221 fT., 264,400 f. Verfassungsorgan -Begriff 167Fn. 69,183 fT. - und Bundesbank 167 Fn. 69, 183 ff
- und Bundesbankautonomie 183 ff. Verfassungsrechtliche demokratische Legitimation s. demokratische Legitimation Verfassungsrechtliche Organisationsnorm s. Organisationsnorm Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 5. Rechtfertigung Verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis - Auflösung des v. S. zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 1 GG 226 ff. - Auflösung des v. S. zwischen Art. 20 Abs. 2 und Art. 88 Satz 2 GG 377 ff., 390 fr. - und Prinzip praktischer Konkordanz s. a. dort 234 Fn. 203, 326 Verwaltung s.a. Exekutive - Bundesauftragsverwaltung s. dort - Exekutive s. dort - Gubernative s. dort - Ministerialverwaltung s. dort - und exekutive oder gesetzliche Vollprogramme 303 ff. - und Gesetzesbindung 46 f. - und Parlament 46 f. - und Regierung 89 ff. Verwaltungsvorschrift - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 47 f. - Steuerungskraft 47 f. Verzichtstheorie 116 ff. Volk - als Legitimationssubjekt für die Bundesbank 128 - als Legitimationssubjekt für die europäische Hoheitsgewalt 317 ff - als Legitimationssubjekt für die Europäische Zentralbank 357 - als Legitimationssubjekt für die deutsche Staatsgewalt 32 f. - Teilvolk 5. dort - und Kollegialorgane s. dort - und Parlament 41 ff, 54 f. - und Staatsgewalt 33 ff, 327 ff Volkssouveränität - als maßgebliche Zielvorgabe 52 ff - als Sinnmitte des Art. 20 Abs. 2 GG 30 ff, 52 ff, 350 f.
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Sachregister
- und demokratische Legitimation s.a. dort 30 ff., 52 ff., 350 f. - und deutsche Staatsgewalt 33 ff, 327 ff. - und europäische Hoheitsgewalt 327 ff - und Legitimationsniveau 51 ff. Vollprogrammierung - und Gesetz s.a. dort 303 ff. - und Entscheidung s.a. dort 303 ff. - und Weisung s.a. dort 98 ff, 303 ff. Vorschlagsrecht - der Länder bei der Berufung der Landeszentralbankpräsidenten 134 f. - und demokratische Legitimation 134 ff Vorrangprinzip s. Prinzip vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts Vorverfassungsrechtliches Gesamtbild - als Rechtfertigungsgrund für die Bundesbankautonomie 188 ff. -Begriff 188 f. - Kritik am v. G. 189 f. - und Zentralbankautonomie 188 ff. Währungsunion s. Europäische Währungsunion Wahl - und Berufung s.a. dort 43 - und personelle Legitimation 43 - unmittelbare und mittelbare 43, 54 Wahlrecht - kommunales W. für Unionsbürger 302 f., 309 ff. Wahrnehmungskompetenz - der nationalen Zentralbanken 291 - in der Bundesauftragsverwaltung 295 f., 304 - und Sachkompetenz s.a. dort 291, 372, 375, 383,402 Weimarer Reichsverfassung 241 Weimarer Republik 139 Weisung - als notwendiges Steuerungsinstrument 96 ff. - als sachlich-inhaltliches Steuerungsinstrument 48 f., 96 ff. - der Exekutivspitze 48 f., 96 ff
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der Europäischen Zentralbank 287 f. dogmatische Verankerung 92 ff. Steuerungskraft 48 f., 96 ff. und Gesetz s.a. dort 98 ff und hierarchische Verwaltung 88 ff und Konditionalprogramme s.a. dort 98 ff. - und parlamentarische Verantwortlichkeit 111 ff. - und Verzichtstheorie s.a. dort 116 ff - und Vollprogrammierung 98 ff, 303 ff - und Zweckprogramme s.a. dort 98 ff. Weisungsfreiheit s. a. ministerialfreie Räume - der Bundesbank 155 ff - der Europäischen Zentralbank 369 ff. Werner-Plan 269 Wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse 209 ff. Zentralbankrat der Bundesbank - als Kollegialorgan 141 f. - als Leitungsorgan der Bundesbank 129 f. - personelle Legitimation 141 ff. - sachlich-inhaltliche Legitimation 143 ff - Zusammensetzung 129 f. Zustimmungsvorbehalt s. Genehmigungsvorbehalt Zweckprogramme s.a. Gesetz - Steuerungskraft 97 ff. - und Bundesbankgesetz s.a. dort 146 ff - und Konditionalprogramme s.a. dort 97 ff - und sachlich-inhaltliche Legitimation 97 ff. - und Stabilitätsgesetz s.a. dort 154 f. -und Weisung 98 ff. - und Zielprogrammierung 98 f. Zweckverbände - als Kollegialorgane 73 ff - demokratische Legitimation 74 f. - und Mehrheitsprinzip 74 f. - Zusammensetzung 73 f. - Zweckverbandsversammlung 74