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German Pages 319 Year 2002
HELMAR HENTSCHKE
Der Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen
Schriften zum Strafrecht Heft 137
Der Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen
Von
Helmar Hentschke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duocker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-10749-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur fanden Berücksichtigung bis zum 31. Dezember 2001, nur sehr vereinzelt noch darüber hinaus. Das Vorwort einer Monografie bietet dem Autor die Gelegenheit zur Danksagung. Meinem verehrten Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Uwe Hellmann, bin ich für die von ihm vermittelte Ausbildung dankbar. Insbesondere wäre die Arbeit ohne seine gezielten Anregungen und seine konstruktive Kritik in der vorliegenden Fassung nicht zustande gekommen. Ferner habe ich die Freiheit, mit der ich mein Dissertationsthema wählen und bearbeiten konnte, sehr geschätzt. Herrn Prof. Dr. Rolf Steding bin ich dafür verbunden, dass er das Zweitgutachten in kurzer Frist erstellt und somit den zügigen Abschluss des Promotionsverfahrens ermöglicht hat. Besonderer Dank gebührt meinen Eltern. Sie haben mich geprägt, zu jeder Zeit an mich geglaubt, in jeglicher Hinsicht unaufdringlich gefördert und bei allen wichtigen Entscheidungen mit ihrem Rat begleitet. Ich danke ihnen auch für die großzügige finanzielle Unterstützung während des Studiums und im Hinblick auf die Druckkosten zu dieser Schrift. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Berlin, im Juli 2002
Helmar Hentschke
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Bedeutung und Entwicklung der Vor-GmbH . . . . .. . .. . . .. .. . .. .. .. . .. .. . . ..
28
2. Strafrechtliche Relevanz der Insolvenz der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
3. Relevante Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
4. Der bisherige Meinungsstand zum Schutz der Vorgesellschaft durch § 266 StGB vor einverständlichen Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
a) Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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bb) Herrschende Lehre . . .. . . . . . .. . . . .. . . . .. . . .. . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . .. . .
34
b) Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH durch die Gegenauffassung in der Literatur . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . . . . .. . . .. . . .
36
II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teill Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
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§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen bei Insolvenz der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
I. Gründerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
l. Ältere Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2. Strafrechtliche Konsequenzen aus der mangelnden Kompensation von Vermögensverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3. Neuere zivilrechtliche Entwicklung der Gründerhaftung bei der Vorgesellschaft ................... .. ..................... . .. . ...................... ..
44
a) Konzeption der gänzlichen Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
b) Außenhaftungskonzept . . .. .. .. . . .. . . .. . . . . . . .. . . .. .. . . .. . . .. . . . . . . .. . ..
44
c) Innenhaftungskonzept .. . . . .. .. .. . .. . . . . .. . . . .. . .. . . .. . .. . . .. . . . .. . .. . ..
46
aa) Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
10
Inhaltsverzeichnis bb) Fehlende hinreichende Kompensation nach dem Innenhaftungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Fehlen gesamtschuldnerischer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
(2) Gefährdung der Anspruchsdurchsetzung durch mangelnde Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
(3) Beweisprobleme bei den vom BGH zugelassenen Ausnahmefällen........ . . .. . ............. . ... .. .. . . . .............. . . . . . . ..
50
(4) Langwierigkeil der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
(5) Verzögerungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
(6) Möglichkeit der Verschleierung von Privatvermögen . . . . . . . . . . .
52
4. Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
II. Handelndenhaftung . .. . . .. . . . . . .. .. .. .. . . .. . . .. .. . . . . . .. . . . .. . . . . .. . .. .. . . .. ..
53
I. Bedenken gegen die Handelndenhaftung wegen Funktionslosigkeit des § 11 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
a) Wandel des Verständnisses der Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
b) § 11 Abs. 2 GmbHG und das EG-Recht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
56
c) Ausgleichsfunktion der Handelndenhaftung.. . .. . . . .... .. ...... . ... . ... .
57
2. Konzepte zur A~wicklung der Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
a) Unmittelbare Haftung der Gründer gegenüber den Handelnden . . . . . . . . . .
58
b) Einlagenhaftung der Gründer gegenüber den Handelnden . . . . . . . . . . . . . . .
59
c) Haftung der Vor-GmbH gegenüber den Handelnden........ . ... .. .. . ... .
60
3. Strafrechtliche Konsequenzen aus der Betrachtung der Handelndenhaftung
61
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
I. Bankrott, § 283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
l. Sonderdeliktscharakter des § 283 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
2. Unanwendbarkeit des § 14 StGB auf die Organe der Vor-GmbH . . . . . . . . . . .
64
a) § 14Abs.1 Nr. 1 StGB .. .. .. ..... .. ..... .. ........... .... ...... .. .. .. ..
65
b) Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf die Vor-GmbH . . . . . . .
65
aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit auf die Insolvenz von Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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bb) Keine Geltung für den Geschäftsführer der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . .
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cc) Rechtsnatur der Vor-GmbH . . .. . .. . .. . . . . .. .. .. .. . . . . .. . . .. .. . .. .. ..
67
(1) Vor-GmbH als Gebilde sui generis . . . .. . . . . .. . . . .. .. . .. . . . .. . . ..
67
Inhaltsverzeichnis (2) Möglichkeit der Fremdorganschaft
11
69
(a) Fremdorganschaft bei der Vor-GmbH................. . .. . ..
69
(b) Unzulässigkeit der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
(aa) Neutralität der gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . .
71
(bb) Gesellschafterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
(cc) Verkehrsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
(dd) Abspaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
(ee) Grundsatz der Verbandssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
(ff) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
(gg) Vereinbarkeit mit dem Recht der EWIV? . . . . . . . . . . . . . .
75
(hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
c) § 14 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
II. Verletzung der Insolvenzantragspflicht, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG . . . . . . . . . . .
76
1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
2. Stellung des Geschäftsführers der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
3. Ablehnung der unmittelbaren Anwendung des § 64 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
a) Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
b) Sinn und Zweck der Vorschrift............ . ... .. .............. . ... . . ... .
79
c) Systematischer Zusammenhang . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. .
79
d) Sicht des historischen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. . . . . . . . . . . . .
80
e) Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4. Anwendung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH als Verstoß gegen das Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
a) Tatbestandscharakter des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
b) Rechtsfindung praeter Iegern und Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
III. Vereiteln der Zwangsvollstreckung, § 288 StGB
83
1. Sanktionierung der Vermögensverlagerungen
84
2. Sanktionierung der Verschleierung von Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
a) Gesellschafter als Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
b) Geschäftsführer als Täter .. .. .. .. .. .. .. . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . .
86
IV. Ergebnis des ersten Teils . . . . . . .. .. . . . . .. . . . .. . . .. . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . . ..
86
12
Inhaltsverzeichnis
Tei/2
Untreueschutz der eingetragenen GmbH
89
§ 3 Verlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen als Problem der Untreue . . . . . .
89
I. Untreuerelevanz der Vermögensverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
II. Unbrauchbarkeit des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . .
90
III. Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
IV. Vermögensverlagerungen als Treubruch gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt StGB . . . .
93
§ 4 Die Vermögensinhaberschaft der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
I. Wirtschaftliche Betrachtungsweise .
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II. Bestimmung der Vermögensinhaberschaft nach gesellschaftsrechtlichen Vorgaben oooooooo···oooo····oo····oooo ··oo···oo····· ····oo····oo···oo·· ··· . . . oo . .
96
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit ··oo····oo··oo·•·oo···oooo •·····oo· ···oo·•·oo··· . . . . . oo . . . oooo ··oooo... ... . .. . .
97
I. Stellung der Gesellschaftergesamtheit im Kompetenzgefüge der GmbH . . . . . . .
97
II. Zustimmung und Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
1. Relevanz für das Merkmal der "Pflichtwidrigkeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
a) Tatbestandsausschließendes Einverständnis und rechtfertigende Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
b) Zustimmung als tatbestandsausschließendes Einverständnis . . . . . . . . . . . . . 101 c) Wirksamkeitsvoraussetzungen des Einverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Rechtsgutsinhaberschaft ....
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...... .. ..
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00 . . . . . . . . . .
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00.00
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102
(I) Gesellschafter als Organ des Rechtsgutsinhabers.. . .. .... .. . ... . 102 (2) Unbeachtlichkeit von§ 228 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Keine Kundgabe nach außen erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Beachtlichkeit von Willensmängeln .. ... . ..
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104
dd) Relevanz der Einsichtsfähigkeit . . . . .. .. . . . .. . . . .. . .. .. . . . .. . . . . . . . . 104 2. Tatbestandsmerkmal "Nachteil" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Reichweite der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit . . . . . . . . . . . . 108 1. Unbeschränktheil der Dispositionsbefugnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Inhaltsverzeichnis
13
2. Schranken der Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Kapitalerhaltungsvorschrift als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Funktion des§ 30 Abs. 1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Zivilrechtliche Rechtsprechung .. . . . . . .. . . . .. . .. . . .. .. .. . . . .. .. .. . .. 110 bb) Zivilrechtliche Literatur .. .. . . .. .. .. .. .. . .. .. . .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. 112 cc) Strafrechtliche Rechtsprechung . . .. . . . .. . .. . . .. . . .. . .. . . . . .. . .. .. . . . 114 dd) Strafrechtliche Literatur zum Bestandsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 ee) Stellungnahme . .. . .. . . .. .. .. .. .. . .. . . . .. . . .. .. .. . . .. . .. . . . .. . .. .. .. 115 c) Regelungsinhalt des§ 30 Abs. 1 GmbHG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 117 aa) Begriff des Stammkapitals . .. .. .. .. . . . . .. . .. . .. .. . .. . .. . . . .. . . .. . . .. 117 bb) Voraussetzung für das Eingreifen des Auszahlungsverbots . . . . . . . . . . 119 (1) Begriff der Unterbilanz .. .. . . . . . .. . .. . .. . .. . . .. . .. . . . . .. . .. . . . .. 119 (2) Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHG bei Überschuldung . . . . 119 cc) Feststellen der Unterbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (1) Maßgeblicher Zeitpunkt .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 120 (2) Bilanzierungsgrundsatz .. .. . . .. . .. .. . .. .. . .. .. . . .. . . .. .. .. . . .. .. 121 (3) Bewertungsgrundsätze . . .. . . .. . . .. . . . . . . .. . . . . . .. . . . .. . .. .. . . .. 122 (a) Aktivseite .. .. . . .. . .. .. .. .. . . . .. . . .. . . .. . . .. .. .. . . . . .. .. . . .. 122 (b) Passivseite . . . . .. .. . .... . .. . . . . . . .. . . .. .. .. . .. . . .. .. .. . . .. .. 123 dd) Feststellen der Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 ee) Verbotene Auszahlungen .. .. .. .. . .. .. .. . . .. .. .. . . .. .. .. . . .. . . .. .. .. 126 3. Ergebnis .. .. .. . .. . . . .. . . .. .. . . . .. . . . .. .. . .. . . .. . . .. . . .. . .. . .. . . . .. . . .. . . . .. 128 IV. Weitere Grenzen der Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 128 I. Existenz- und Liquiditätsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
a) Unbegründbarkeit eines eigenständigen Verbots der Existenz- und Liquiditätsgefährdung..... .. ......... .. .. . . .. . . . . . .. . . .. . . .. . .. . . .. .. .. .. .. .. 129 b) Berücksichtigung der Existenz- und Liquiditätsgefährdung bei der Bilanzierung . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . .. .. . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . 132 2. Verletzung der Buchführungspflicht .. .. . . .. . . .. . .. . .. . . . .. . .. . . .. .. . . . .. .. . 133 3. Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Sittenwidrigkeit der Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5. § 32 a GmbHG .. . . . . . . .. . . . . .. . . .. .. . .. . . . . . . . .. . . .. .. .. .. . . .. . . .. . .. .. . . . 135 6. Unterkapitalisierung . . . . .. .. . .. .. . .. .. . .. . . . . . . . .. .. . . .. .. . .. . .. . .. .. . . .. . . 136 7. Ergebnis . . .. .. . .. . . .. . . . .. .. . .. .. .. .. .. .. . . .. .. . .. . .. . . .. .. .. . .. . .. . . . .. .. . 136
14
Inhaltsverzeichnis
§ 6 Gesellschafter als Täter der Untreue . . .. .. . . .. .. . . . .. . . .. .. . . .. .. .. .. . . . . . . . .. .. 136
I. Maßgeblichkeit der Vermögensbetreuungspflicht für die Strafbarkeit der Gesellschafter . . . . .. . . . . . .. . . .. . . .. .. .. . . .. . . . . .. . . .. .. . . .. .. . . . .. . . . . .. . .. . . . 136 II. Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Verhaltenspflichten aus dem GmbH-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
2. § 30 Abs. 1 GmbHG .. .. . . .. . . . .. .. . . .. . . . .. .. . . . .. . . . .. . . .. .. . . .. .. . . . .. . . 138 3. Die Treuepflicht gemäߧ 242 BGB . . .. . . . .. . . . . .. . . . . .. .. .. .. . . . . .. . .. . . . . 140 4. Die Mitgliedschaft gemäߧ 45 GmbHG . . . .. . . . .. .. . . .. .. . . .. . . . .. . . .. .. . . 142
5. Tatsächliches Treueverhältnis als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 III. Vermögensbetreuungspflicht bei Gesellschaftern mit Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Unterscheidung von Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . 143
2. Begriff des faktischen Organs . . . . . .. . .. .. . . . . . .. . . . .. .. .. . . . . . .. . . . . . . . .. .. 144 a) Der Grundsatz .. .. .. .. . . .. . . . .. .. . . .. .. .. .. . . . .. .. . .. .. . . .. . . . .. .. . .. .. . 144 b) Besonderheiten des§ 266 StGB.. . ....... . ... . ................ .. ... . .... 146 3. Zwischenergebnis . . . . . . . .. . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . 147 IV. Ergebnis des zweiten Teils . . . .. . . .. . .. . . .. .. . . . .. . .. .. . .. . . . . . . .. . . .. . . . .. .. . . 147
Teil3
Anwendbarkeit des § 266 StGB auf einverständliche Schädigungen des Vor-GmbH-Vermögens
148
§ 7 Tätereigenschaft des Geschäftsführers und der Gesellschafter der Vor-GmbH 148
I. Geschäftsführer als Täter . . . .. . . .. .. . . .. . . .. .. .. .. . . . .. .. . . .. .. . .. .. . . . .. . .. . . 149 II. Gesellschafter als Täter . .. . . . . .. . .. . .. . .. . .. . . . . .. . .. .. . . .. .. . .. .. . . .. .. . . .. .. 149 § 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH . .. .. .. . . .. . .. .. . . .. . . .. .. . .. . . . .. . . . 150
I. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Erfordernis der eigenen Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
a) Rechtsprechung . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. .. .. .. .. . . .. .. . . .. .. . . 150 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Inhaltsverzeichnis 2. Forderung nach einer eigenen Haftungsmasse des Vermögensträgers
15 153
a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Die Auffassung von Nelles zur Vermögenssubjekteigenschaft . . . . . . . . . . . . . . 154
li. Charakterisierung des Vermögenssubjekts nach dem Wortlaut des§ 266 StGB
155
1. ,,Fremde Vermögensinteressen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Trennung vonVermögensträger-und Vermögenssubjekteigenschaft . . . . . . . . 156 III. Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH......... . .. . ... . ............. .. . ... . ... 157 1. Untauglichkeit der Zwecksetzungsbefugnis zur Bestimmung des Vermögensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Geschäftsunfähige oder betreute Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Eingetragene GmbH . . . . . . .. .. .. .. .. . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. . .. . . .. . . .. 160 2. Bestimmung des Vermögensträgers nach rechtlichen Kriterien . . . . . . . . . . . . . 163 3. Zuordnung von Rechten als Voraussetzung für die Vermögensträgerschaft . . 165 a) Natürliche undjuristische Personen. . .... ... . . .... .... .. .... . ..... .. . . .. 165 b) Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Anerkennung einer Teilrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Zuordnung von Rechten durch Anerkennung selbstständiger Rechtsträger..... .. .... .. ........ .. .......... .. . . .. .... . .. .. .. ...... .. ... . . 167 cc) Zuordnung von Rechten durch Anerkennung von Personifikationen 168 dd) Verwendung des Begriffs Rechtsträger . . . .. . . . .. . .. . . . . . .. .. . . . .. . . . 170 ee) Konsequenzen für die Anwendbarkeit des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Vor-GmbH als Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5. Ausschluss der Vermögensträgerschaft bei der Gesamtbandszuordnung . . . . 173 a) Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Traditionelle Gesamtbandslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Einheitslehre . .. .. . . . . .. .. .. .. . .. . . . . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . 175 cc) "Auflösungsthese"? .. . . . . . .. .. . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . .. . . .. . . . .. .. . . . 177 b) Aufhebung des Gesamthandsprinzips? . . . . . . .. . . . .. . . .. .. . . .. . .. . . . .. . . . 178 aa) Unmöglichkeit der Gleichsetzung mit der juristischen Person . . . . . . . 179
16
Inhaltsverzeichnis ( 1) Gemeinsamkeiten . .. . . . . .. . . .. . . . . . . . . .. . . . . .. .. .. . . . .. . . . . .. .. 179 (a) Existenz mehrerer Haftungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (b) Ähnlichkeit von Gesellschaftsvertrag und Satzung . . . . . . . . . . 179 (c) Treuepflichten .. . . .. . . . .. . . .. . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . .. . .. . . . 179 (2) Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (a) Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (b) Unmöglichkeit der Fremdorganschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (c) Unzulässigkeit der Einmannbeteiligung bei der Personengesellschaft .. .. . .. . . . . .. . . . .. . . .. . . . . .. .. . . .. . . .. . . . . .. . . .. 181 (aa) Entgegenstehendes Gesamtbandsverständnis . . . . . . . . . . 181 (bb) Entgegenstehende gesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . 182 (cc) Erbrechtliche Konstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (dd) Rechtslage bei der EWIV .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 185 (ee) Firmenrecht des HGB . . . . .. . . .. .. .. . .. .. .. .. .. . . .. . . .. 186 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 bb) Konsequenzen des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 cc) Beibehaltung des Gesamtbandsprinzips trotz Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR. .. .. . ..................... . .... 189 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 6. Vermögenszuordnung bei Körperschaften ohne Rechtspersönlichkeit . . . . . . . 190 a) Organisationsstruktur und Vermögenszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Vor-GmbH als Körperschaft .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 191 aa) Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Möglichkeit der Fremdorganschaft... .. ... . ..................... . ... 192 cc) Geltung des Mehrheitsprinzips... . ....... . . .......... . ...... . ... . ... 192 dd) Eigenständige Vermögenszuordnung .. . . .. . . . . . .. . . . .. . . .. . . . . . .. . . . 192 c) Ausschluss der Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften nach dem Vielheitsgedanken............. . ... . .. ........ . ... . ... .. .... . . 193 d) Ablehnung einer gesamthändensehen Vermögenszuordnung bei Körperschaften nach modernem Gesamtbandsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Organisationsstruktur Personengesellschaft und der Vermögenszuordnung nach dem Gesamthandsprinzip am Beispiel der BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (1) BGB-Gesellschaft als "Urfigur" der Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . 194
(2) Zwingende Geltung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Personengesellschaft .. .. .. . . . .. . .. .. . .. .. . .. .. . .. . . . . . .. .. . 196 (3) Konsequenzen der Anerkennung einer Innengesellschaft? . . . . . . 197
Inhaltsverzeichnis
17
bb) Vermögenszuordnung bei Körperschaften am Beispiel des nichtrechtsfähigen Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (1) Eingeschränkte Anwendbarkeit des Personengesellschaftsrechts auf den nichtrechtsfähigen Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (a) Notwendigkeit der Korrektur der gesetzgebensehen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (b) Unanwendbarkeit des Personengesellschaftsrechts auf den nichtrechtsfähigen Idealverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (c) Beschränkte Anwendung des Personengesellschaftsrechts auf den wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Verein . . . . . . . . . 202 (aa) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (bb) Konsequenzen der körperschaftlichen Struktur für die Anwendbarkeit des § 54 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (cc) Ablehnung der Rechtsformzwangthese . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (dd) Geltung des Außenrechts der Personengesellschaft . . . . 206 (2) Abgrenzung von Personengesellschaften und Körperschaften unter Berücksichtigung körperschaftlich strukturierter Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (a) Gemeinsamkeiten von körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften und Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (b) Unterschiede zwischen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften und Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Identität von unvollendeter, werdender und vollendeter juristischer Person......... . ...................... . ... . ................ . ... . .. . . 211 (1) Identitätsverständnis bei der unvollendeten juristischen Person am Beispiel des nichtrechtsfähigen Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Werdende juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 e) Mangelnde Erforderlichkeit der Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
7. Unvereinbarkeit der Gesamtbandsthese mit der Zulassung von Einmanngründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Vermögenszuordnung bei der Einmann-Vor-GmbH . .. .. .. . .... . ....... . 217 aa) Ablehnung einer Einmann-Gesamthand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Unzulänglichkeit der Verfügungsbeschränkungsthese, der Treuhandlösung und der Vermögensinhaberschaft des Gründers . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Einmann-Vor-GmbH kein Sondervermögen eigener Art .... . . . . . .. . . 220 b) Anerkennung einer verselbstständigten Einmann-Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . 220 IV. Zwischenergebnis 2 Hentschke
222
18
Inhaltsverzeichnis
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
I. Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG als Ausdruck des Vermögensinteresses der Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Inhalt der Vermögensinteressen im Sinne des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Definition der Vermögensinteressen . . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. .. . . . . . .. . .. . . . 222 b) Bestimmung der Vermögensinteressen durch den Zwecksetzungsbefugten ... .. ..... . ....... .. . . ... .. . . . ..... ...... . ... ...... . . ..... .. .. . .. ..... 224 c) Beschränkung der Zwecksetzungsbefugnis durch Gesetz als Ausdruck eigenständiger Vermögensinteressen . .. . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . .. . . . . .. . . .. . 224 2. Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Rechtsanwendung bei der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Sonderrechtsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Rechtsfortbildung bei der Vor-GmbH . . . . .. . . .. . . . . .. .. .. .. .. . . . . . . . 227 (1) Methodisches Vorgehen ......... . ...................... ..... .. . 227 (2) Lückenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Mögliche Art der Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (b) Analogie als Mittel der Lückenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (c) Charakterisierung der Lücke nach herkömmlicher Einteilung . . .. . ... . ................ .. ... . ... . ............. . ... . ... 230 (3) Lückenausfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (4) Analogie zu den Vorschriften des GmbH-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHG im Stadium der Vor-GmbH . . . . 232 aa) Ablehnende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Befürwortende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Unbrauchbarkeit der Gründungsvorschriften als Kapitalsicherung . . ... . ... . ... . . . .. .. .. . .. . . ......... ...... . . . . . . . ... . ... . ... 233 (2) Bedeutung der Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (3) Kapitalerhaltung als Existenzberechtigung der Vor-GmbH . . . . . . 235 (4) Kapitalerhaltung aus Gründen des mittelbaren Gläubigerschutzes ....... .. . .. .. ................. . .. . . . ................ . ... .. .. 235 (5) Wertungswiderspruch bei fehlender Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . 236 (6) Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG wegen Sicherstellung der Vermögenstrennung .. . . .. .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. . .. 236 (7) Keine Entwertung des EintTagungszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Inhaltsverzeichnis cc) Zeitpunkt der Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHG
19 237
(I) Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHGerstab Anmeldung?... 237
(2) Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG schon mit Errichtung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Zulässigkeil der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Strafrecht
239
1. Inhalt des Analogieverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Abgrenzung von Auslegung und Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Normtheoretische und verfassungsrechtliche Grundlagen des strafrechtlichen Analogieverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Folgerungen für die Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Begriff und Reichweite des Garantietatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Berücksichtigung formal außerstrafrechtlicher Regelungen im Strafrecht 245 b) Bestimmung des Strafgesetzbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Übertragung des in § 2 Abs. 3 StGB verwendeten Strafgesetzbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 ( 1) Verfassungsrang des Milderungsgebots in § 2 Abs. 3 StGB . . . . . 248 (2) Identität der in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und § 2 Abs. 3 StGB verwendeten Gesetzesbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (a) Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (b) Wechselseitige Abhängigkeit des Bestimmtheilsgebots und des Rückwirkungsverbots I Milderungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . 250 (c) Nichtberücksichtigung von Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Inhalt des Strafgesetzbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 ( 1) Formeller Strafgesetzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (2) Rechtsgutstheoretischer Strafgesetzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (3) Normtheoretischer Strafgesetzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (4) Materieller Strafgesetzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (5) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 cc) Materieller Strafgesetzbegriff und Reichweite des Analogieverbots 257
(1) Anwendung des Analogieverbots bei Blankettstrafgesetzen . . . . . 257 (a) Begriff des Blankettstrafgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (b) Bedeutung der Blankettstrafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (c) Ausfüllungsnorm als Bestandteil des Strafgesetzes . . . . . . . . . 258
20
Inhaltsverzeichnis (2) Analogieverbot bei normativen Tatbestandsmerkmalen
260
(a) Begriff des normativen Tatbestandsmerkmals.... . .. . .. . . ... 261 (b) Reichweite des Analogieverbots bei normativen Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (c) Abgrenzung von Blankettstrafgesetzen und normativen Tatbestandsmerkmalen . . . .. . . . .. . . . .. . . .. .. . . .. . . .. . . . .. . .. 267 (3) Anwendung des Analogieverbots bei Fällen indirekter Akzessorietät ...... . ...................... .. . . ................. .. ....... 269
(a) BegriffskJärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (b) Reichweite des Analogieverbots bei der indirekten Akzessorietät ..... . .................. . ... . .. . ........ .. .... . .. .. . ... 269 3. Zulässige analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Tatbestandsstruktur des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
aa) Ausschluss des Blankettcharakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bb) "Pflichtwidrigkeit" und "Nachteil" als normative Tatbestandsmerkmale ... .... ....... .. ............ .. .... .. . . ................. ... . .... . 271 (1) Bindung des Einverständnisses an Merkmale des Tatbestandes.. 271 (2) ,,Pflichtwidrigkeit" als normatives Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . 272 (3) "Nachteil" als normatives Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
b) Ergebnis .. ..... . . .. .. .. .. . . . ..... ...... . . . ..... . .. . .. ........ .......... . 274
§ 10 Untreueschutz der Einmann-Vor-GmbH und der unechten Vor-GmbH . . . . . . . 274 I. Vermögenssubjekt Einrnann-Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
II. Vermögenssubjekteigenschaft der unechten Vor-GmbH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Kriterien für die unechte Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Aufnahme uneingeschränkter Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Fehlende Ernsthaftigkeit des Betreibens der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Ablehnung der Lehre von der unechten Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Verhinderung des Dauerzustandes der Vor-GmbH durch Umwandlung zur OHG ..... .. .. . ....... . ... . ...... . ........... . .. .. .. .... ........ . .. . .... . .. 277 4. Ablauf der Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5. Konsequenzen für die Anwendung des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Ergebnis des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Zusammenfassung .. . ......... . .... . .. .. . . .. . ... .. .... . ... . .... .. . . . ..... . ... . . .. .. ... 281 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachwortregister .. . .. .. . .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . .. .. . . .. .. .. . . . . .. . . .. . .. . . 317
Abkürzungsverzeichnis A.A./a.A.
Anderer Ansicht
ABI.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
ADHGB
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861
a.E.
amEnde
a.F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft
AK
Alternativ - Kommentar
AktG
Aktiengesetz
allg.
allgemein
Alt.
Alternative
Art.
Artikel
AT
Allgemeiner Teil
BAG
Bundesarbeitsgericht
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayObLGSt
Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen
BB
Betriebsberater
Bd.
Band
Beschl.
Beschluss
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BK
Bonner Kommentar zum Grundgesetz
BR
Bürgerliches Recht
BSG
Bundessozialgericht
Bsp.
Beispiel
BStBI.
Bundessteuerblatt
BT
Bundestag
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
22
Abkürzungsverzeichnis
bzw.
beziehungsweise
d.
der
DB
DerBetrieb
ders.
derselbe
DJ
Deutsche Justiz
d. h.
das heißt
DM
Deutsche Mark
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
Drucks.
Drucksache
DStR
Deutsches Steuerrecht
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt
EC
eurocheque
EG
Europäische Gemeinschaft
EGinsO
Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung
EStG
Einkommenssteuergesetz
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
e.V.
eingetragener Verein
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
EWIV
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung
EWIV-AusfG
EWIV-Ausfiihrungsgesetz
EWIV-VO
Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung
f.
folgende
FamR
Familienrecht
ff.
fort folgende
FGG
Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit
Fn.
Fußnote
FS GA
Festschrift Goltdarnmer's Archiv für Strafrecht
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GemK
Gemeinschaftskommentar
GenG
Genossenschaftsgesetz
GesR GG
Gesellschaftsrecht Grundgesetz
GK
Großkommentar
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH-Rundschau
grds.
grundsätzlich
GrundK
Grundkurs
GS
Gedächtnisschrift
Abkürzungsverzeichnis HGB
Handelsgesetzbuch
HK
Heidelberger Kommentar
h.M.
herrschende Meinung
HRV
Handelsregisterverfügung
HWiStR i.Gr.
in Gründung
Handbuch für Wirtschaftsstrafrecht
InsO
Insolvenzordnung
i. S. d.
im Sinne des
i.V.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter
JR JuMiG
Juristische Rundschau
Jur. Fak.
Juristische Fakultät
JurA
Juristische Analysen
Jura
Juristische Ausbildung
JurBl
Juristische Blätter
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KO KStG
Konkursordnung
KTS
Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen
LAG
Landesarbeitsgericht
Lehrb.
Lehrbuch
LG
Landgericht
lit. LK
Iitera Leipziger Kommentar
LSG
Landessozialgericht
MDR
Monatszeitschrift Deutsches Recht
Justizmitteilungsgesetz
Körperschaftsteuergesetz
MiZi
Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen
MüKo
Münchener Kommentar
m. w.N. Nr.
mit weiteren Nachweisen Nummer
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
NJW- Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht
NZA
Neue Zeitschrift flir Arbeitsrecht
NZG OHG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft
OLG
Oberlandesgericht
23
Abkürzungsverzeichnis
24 OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PartGG
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz
Rdnr.
Randnummer
RegE
Regierungsentwurf
RG
Reichsgericht
RGBL
Reichsgesetzblatt
RGRK
Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung, des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RsprEinhG
Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes
S.
Seite
SAE
Sammlung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen
SehR
Schuldrecht
SK
Systematischer Kommentar
sog.
so genannte
StÄndG
Strafrechtsänderungsgesetz
StGB
Strafgesetzbuch
StrafR
Strafrecht
StrafR-BT
Strafrecht Besonderer Teil
StV
Strafverteidiger
u. a.
unter anderem
UmwG
Umwandlungsgesetz
usw.
und so weiter
u.U.
unter Umständen
V.
vom
VerwArch
Verwaltungsarchiv
vGA
verdeckte Gewinnausschüttung
vgl.
vergleiche
Vor-GmbH
Vorgesellschaft mit beschränkter Haftung
Vorb.
Vorbemerkungen
WiB
Wirtschaftsrechtliche Beratung
wistra
Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht
WM
Wertpapiermitteilungen
Wpg.
Die Wirtschaftsprüfung
WRV
Weimarer Reichsverfassung
z. B. ZfP
zum Beispiel Zeitschrift für Politik
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZlnsO
Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht
Abkürzungsverzeichnis ZIP zit. ZPO ZStW
zvs ZZP
25
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, bis 1982 Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zwangsvollstreckungsrecht Zeitschrift für Zivilprozess
Einführung I. Die Problematik "Die jüngst vollzogene Wende der zivilrechtliehen Judikatur zu den Haftungsverhältnissen bei der Vor-GmbH (Stichwort: Von der beschränkten Außenhaftung zu deren unbeschränkter Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft) sollte Anlass sein, strafrechtlich erneut über Vermögensinhaberschaft und Vermögensdispositionsbefugnis der Vorgesellschaft nachzudenken" 1. Rechtsprechung2 und Literatur3 lehnen bisher einen Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen durch ihre Organe (Geschäftsführer, Gründungsgesellschaftergesamtheit) in erster Linie wegen der Struktur der Vor-GmbH ab. Jedoch erscheint angesichts der jüngsten Rechtsprechungsentwicklung zum Haftungsrecht4 bei der Vorgesellschaft und der allgemeinen rechtlichen Entwicklung der Vor-GmbH im Gesellschaftsrecht der letzten Jahrzehnte, die durch die GmbH-Gründungswelle5 hervorgerufen wurde, ein Wandel des Verständnisses der Vor-GmbH hin zu einer Verselbstständigung möglich, die auch auf strafrechtlichem Gebiet bei den Vermögensdelikten nicht vernachlässigt werden darf. Das geringe Interesse der strafrechtlichen Literatur an der Untersuchung untreuespezifischer Schädigungen der Vor-GmbH überrascht indes, weil schon in den Jahren 1983 und 1984 der Anteil unseriöser Gründungen von Gesellschaften auf 10 bis 14% geschätzt wurde, wobei die Rechtsform der GmbH in 92% dieser Fälle gewählt worden ist6 . Zwar ist die Vomahme schädigender Handlungen bei unserlösen Gründungen nicht immer zugleich mit der Verwirklichung des Tatbestandes der Untreue gemäß § 266 StGB durch die Verantwortlichen der Vor-GmbH verbunden, die Zahlen lassen aber vermuten, dass dem Problem der Untreue im Stadium der Vor-GmbH nicht nur theoretische Relevanz zukommt. Radtke, GmbHR 1998,311,312. BGHSt 3, 23, 25; BGH, wistra 1991 , 24 ff., näher dazu in der Einführung unter I. 4. a) aa). 3 So z. B. Gribbohm, ZGR 1990, 1, 6; Kohlmann, in Geerds-FS, 675 ff.; a. A. nur Schäfer, GmbHR 1993, 717 ff., dessen Begründung nicht überzeugt; nähere Ausführungen zu diesen Ansichten in der Einführung unter I. 4. a) bb), b). 4 Siehe unten § l. 5 Vgl. Hansen, GmbHR 1998, 582, 583. 6 Dazu die vom Verband der Verein Creditreform e.V. herausgegebene Untersuchung "Onseriöse Unternehmensgründungen in der BR Deutschland", maschinenschriftlich Neuss 1984 u. 1985, S. 6 bzw. 7 zit. bei Krause, DB 1988, 96 [Fn. 8]. Neuere Zahlen zu unserlösen Unternehmensgründungenexistieren leider nicht. Auf Anfrage wurde mitgeteilt, dass die Untersuchung vom Verein für Creditreform nicht fortgeführt worden ist. I
2
28
Einführung
1. Bedeutung und Entwicklung der Vor-GmbH
Die allgemeine Bedeutung der Vor-GmbH zeigt sich darin, dass bis Ende 2001 7 die Anzahl der Gesellschaften mit beschränkter Haftung etwa 850.000 betrug und jährlich ungefähr 35.000 bis 40.000 GmbH-Gründungen8 zu verzeichnen sind. Diese Neugründungen durchlaufen bis zur Eintragung der GmbH als juristische Person notwendig das Stadium der Vor-GmbH. Es erstreckt sich vom Abschluss des Gesellschaftsvertrages bis zur Eintragung in das Handelsregister bzw. anderweitigen Beendigung der Vorgesellschaft Der historische Gesetzgeber hatte jedoch das "Phänomen" der Vorgesellschaft ignoriert9 . Die konsequente Ablehnung der Kontinuität zwischen Vor-GmbH und eingetragener GmbH führte zum sog. Vorbelastungsverbot, das grundsätzlich keine Belastungen der fertigen GmbH aus dem Gründungsstadium zuließ 10• Geschäfte der noch nicht eingetragenen GmbH sollten durch die Regelung des § 11 Abs. 2 GmbHG (Handelndenhaftung) unterbunden werden, die der Vorschrift des § 179 BGB ähnelt. Absicht war, mit diesen Instrumenten die Anerkennung der Vorgesellschaft zu verhindern. Ein erster Wandel zeigte sich bei der Ablösung des Konzessionssystems 11 durch das Normativsystem 12 am Ende des 19. Jahrhunderts. Die damit verbundene Aufgabe der Staatsgenehmigung zugunsten bestimmter von den Gesellschaftern bereits im Gründungsstadium zu erfüllender Normativbestimmungen wies der Gründervereinigung erstmals Funktionen in der Gründungsphase zu, wie etwa die Entgegennahme der auf das Stammkapital zu leistenden notwendigen MindestzahHansen, GmbHR 2002, 148. s Zu den Schätzungen im Hinblick auf die Neugriindungen vgl. Hansen, GmbHR 1998, 582. Die Angaben beruhen nur auf Hochrechnungen, weil in der amtlichen Statistik die Daten über die Kapitalgesellschaften aus Kostengriinden gestrichen worden sind. Als Grundlage für Hochrechnungen kann daher nur die Umsatzsteuerstatistik dienen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass eine Tendenz zur Untererfassung der Griindungen möglich ist, weil der wirtschaftliche Beginn und der Beginn der Voranmeldepflicht nicht notwendig zusammenfallen müssen. Jedoch sieht mittlerweile das Statistikregistergesetz (BGBI. I 1998, S. 1300) vor, dass Daten der Bundesanstalt für Arbeit, der Finanzbehörden, der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern von den statistischen Ämtern für das von der EU angeordnete Unternehmensregister genutzt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass damit mittelfristig eine Verbesserung bei der Erfassung von Unternehmensdaten eintritt. 9 K. Schmidt, GmbHR 1987, 77 f. 10 Zum Vorbelastungsverbot näher unten § 1 I. 1. mehr. II Das Konzessionssystem galt im 19. Jahrhundert für die Errichtung juristischer Personen. Danach war die Entstehung einer juristischen Person von der Erteilung einer staatlichen Genehmigung abhängig, auf die es keinen Rechtsanspruch gab. 12 Die Normativbestimmungen im Verbandsrecht sind diejenigen gesetzlichen Vorschriften, deren Einhaltung Voraussetzung für die Eintragung in ein öffentliches Register ist. Durch die Normativbestimmungen ist ein Mindestinhalt der Satzung bzw. Griindungsvereinbarung vorgeschrieben, ohne den die Satzung nicht als Grundlage zur Eintragung dienen kann. 7
Einführung
29
Iungen, und wertete demnach die Gründervereinigung auf. Dennoch wurde die Geschäftstätigkeit der Vor-GmbH nur in sehr beschränktem Maße und auch nur bei Sachgründungen zugelassen. Dies änderte sich mit dem Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahre 1981 13 , mit dem die Rechtsprechung endgültig das Vorbelastungsverbot aufgab. Seit dem ist die Zulässigkeil der Unternehmenstätigkeit der Vor-GmbH anerkannt. Das Abrücken vom Vorbelastungsverbot wurde auch deshalb notwendig, weil die teilweise langwierigen Eintragungsverfahren die Aufnahme der Geschäftstätigkeit bereits im Gründungsstadium erforderlich machten 14. 2. Strafrechtliche Relevanz der Insolvenz der Vor-GmbH Mit der Zulassung der Unternehmenstätigkeit der Vorgesellschaft wurde zugleich die Problematik der Insolvenz relevant, zumal der BGW 5 davon abgekommen war, die Vor-GmbH als reine Personenhandelsgesellschaft zu betrachten. Schon frühzeitig, noch vor der Aufgabe des Vorbelastungsverbots, sprach das BayObLG16 der Vorgesellschaft die Konkursfähigkeit (heute Insolvenzfähigkeit) zu. Mittlerweile ist die Insolvenzfähigkeit der Vor-GmbH allgemein anerkannt 17• Mit der Insolvenzfähigkeit der Vorgesellschaft gewinnt die Frage an Bedeutung, ob die Insolvenz der Vorgesellschaft mit strafbaren Handlungen in Zusammenhang steht. Häufig wird die Insolvenz einer Gesellschaft Anlass zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geben, um zu klären, ob es im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Gesellschaft zu strafbaren Handlungen gekommen ist. Dies beruht zum einen darauf, dass die Gläubiger erst im Falle der Insolvenz einer Gesellschaft ihre Interessen gefährdet sehen und dann die Vorkommnisse den Strafverfolgungsbehörden mitteilen werden 18• Das Motiv wird dabei wegen der insolvenzbedingten Nichtzahlung auf bestehende Forderungen nicht so sehr die Aussicht auf Befriedigung ihrer Ansprüche durch die Einschaltung der Staatsanwaltschaft sein, als vielmehr ein gewisses Genugtuungsbedürfnis, dass durch die Verurteilung des Verantwortlichen zufrieden gestellt werden soll. BGHZ 80, 129 ff. Zur Dauer der EintTagungsverfahren vgl. die Untersuchungsauswertung bei Klein, Rückgriffsanspruch, S. 1 -3. 15 BGHZ 21,242, 246. 16 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257 (für die Vor-AG; das Urteil erlangt aber durchaus Geltung für alle Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften). 17 Bart/, in HK-GmbHG, § 11 Rdnr. 18 a; Haas, DStR 1999, 985; Hueck/Fastrich, in Baumbach I Hueck, § 11 GmbHG Rdnr 16; RittnerI Schmidt-Leithoff, in Rowedder, § 11 GmbHG Rdnr. 79; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 35; Ulmer; in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 50. 18 Weyand, lnsolvenzdelikte, Rdnr. 138. 13
14
30
Einführung
Zum anderen werden Strafverfahren wegen Insolvenzdelikten infolge von Meldungen der Zivilgerichte eingeleitet. Das Justizmitteilungsgesetz 19 verpflichtet die Amtsgerichte in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungs- und Insolvenzgerichte, die Staatsanwaltschaft über verschiedene Maßnahmen zu informieren, so zum Beispiel über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, die Ablehnung eines Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse e.t.c. Damit werden schädigende Handlungen meist nur im Falle der Insolvenz der Vorgesellschaft den Strafverfolgungsbehörden bekannt. Da die Anwendung der Insolvenzdelikte im engeren Sinne auf die Vor-GmbH zweifelhaft ist, wird die Frage relevant, ob es im Zusammenhang mit der Insolvenz der Vorgesellschaft zu Schädigungen deren Vermögens gekommen ist, die sich möglicherweise auch bei einverständlichem Zusammenwirken der Organe der VorGmbH als Untreue im Sinne des § 266 StGB darstellen. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht daher die Untreue, die zu Insolvenzstraftaten im weiteren Sinne gehört20, weil darunter jedes Verhalten fallt, das im Zusammenhang mit einem Unternehmenszusammenbruch steht und durch diesen bedingt, zur Verwirklichung eines strafrechtlichen Tatbestandes führt21 • Zu einem Strafverfahren wegen Untreue gegen Vertreter der Vor-GmbH wird es wie bei der eingetragenen GmbH22 häufig erst mit dem Zusammenbruch des U ntemehmens kommen. 3. Relevante Fallgestaltungen Als vermögensschädigende Handlungen der Organe der Vor-GmbH im Zusammenhang mit deren Insolvenz kommen dabei vor allem Manipulationen zur "Rettung von Vermögenswerten" in Betracht, um sie so dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen 23 . Den Minderungen des Gesellschaftsvermögens, welche die Substanz der Gesellschaft angreifen, wird der Wunsch der Griindungsgesellschafter zugrunde liegen, nach einer Insolvenz der Gesellschaft nicht mit "leeren Händen" da zu stehen. Dabei weist die Vor-GmbH eine Anfälligkeit für Krisensituationen insbesondere deshalb auf, weil die Griindungsgesellschafter schon im Vorgesellschaftsstadium häufig beginnen, ihre Geschäftsidee umzusetzen und in diesem Stadium bereits erkennen können, dass diese nicht die erhofften Friichte trägt. Bei Scheitern ihrer Geschäftsidee liegt dann der Gedanke der Griindungsgesellschafter nahe, zu19 JuMiG BGBI. I 1997, S. 1430; vgl. dazu auch Wollweber, NJW 1997, 2488. Vor Inkrafttreten des Jusitzmittei1ungsgesetzes galt die "Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi); vgl. dazu Baumgarte, wistra 1991, 171 ff. Die MiZi war jedoch als untergesetzliches Recht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG (E 65, 1 ff.) zum Recht auf inforrnationelle Selbstbestimmung wegen der Grundrechtsrelevanz nicht mehr haltbar. 20 Weyand, Insolvenzdelikte, Rdnr. 14. 21 Tiedemann, lnsolvenzstrafrecht, vor § 283 StGB Rdnr. 2. 22 Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, 1080, 1081. 23 Krause, DB 1988, 96.
Einführung
31
mindest ihre Einlage wertmäßig durch Abzug aus dem bereits vorhandenen Gesellschaftsvermögen wiederzuerlangen. Die faktischen Möglichkeiten, dem Gesellschaftsvermögen Bestandteile zu entziehen, sind dabei wie bei der eingetragenen GmbH sehr vielfältig. Die strafrechtlich relevanten Vermögensverlagerungen auf Gesellschafter oder nahestehende Dritte können im wesentlichen in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe der Vermögensverlagerungen betrifft den Bereich der offenen Ausschüttungen, die in den krisenhaften Situationen der Gesellschaft besonders "beliebt" sind, um die wertmäßige Sicherung der Einlagen der Gesellschafter vor dem Zugriff der Gläubiger zu erreichen. Zu den offenen Ausschüttungen zählen Fälle, in denen der Geschäftsführer mit Zustimmung der Gesellschafter der Gesellschaftskasse Bargeld entnimmt oder Geld vom Konto der Gesellschaft abhebt, um es an die Gesellschafter zu verteilen. Ferner sind als offene Ausschüttungen auch die Fälle anzusehen, in denen Gegenstände der Vorgesellschaft mit Zustimmung der Griindungsgesellschafter veräußert werden und der Veräußerungserlös unter den Gesellschaftern aufgeteilt wird. Neben den offenen Verlagerungen des Gesellschaftsvermögens kann es auch zu verdeckten Vermögensverlagerungen kommen. Im Gegensatz zu den offenen Ausschüttungen erfolgt die Zuwendung des Vermögensvorteils durch ein verschleierndes Austauschgeschäft Im Rahmen dieses Geschäfts übersteigt der Wert der Leistung der Gesellschaft den Wert der Leistung des Gesellschafters. Die verdeckten Vermögensverlagerungen werden bei der eingetragenen GmbH unter dem Stichwort verdeckte Gewinnausschüttung behandelt. Diese Terminologie erweist sich jedoch wegen ihrer steuerrechtliehen Prägung für die Umschreibung der Untreueproblematik als nicht brauchbar24. Im Rahmen der Bearbeitung wird deshalb als Terminus für strafrechtlich relevante Schädigungen des Vor-GmbH-Vermögens der Begriff der Vermögensverlagerungen verwandt. Praktische Beispiele für die verdeckten Vermögensverlagerungen bei eingetragenen Kapitalgesellschaften enthält Abschnitt 31 111 der Körperschaftsteuerrichtlinie 199025 . Diese Beispiele lassen sich auch auf die Vor-GmbH übertragen, zumal deren Körperschaftsteuerpflicht anerkannt wird26. Als Beispiele werden u. a. genannt: 1. Der Gesellschafter erhält als Arbeitnehmer oder Geschäftsführer der Gesellschaft ein unangemessen hohes Gehalt. Vgl. dazu§ 3 II. Vom 14. 03. 1991; BStBI. 1991 I, Sondernummer 1, S. 29 f.; ähnliche Fallbeispiele für Kapitalgesellschaften auch bei Döllerer; vGA, S. 38. 26 BFH, BB 1981, 1449, 1450; WM 1983, 689, 690; wobei die Rechtsprechung allerdings fordert, dass die GmbH später auch eingetragen wird. Dagegen wenden sich Teile des Schrifttums, die eine nachfolgende Eintragung nicht verlangen, vgl. Crezelius, Steuerrecht II, § 14 Rdnr. 11; Knobbe-Keuk, Untemehmenssteuerrecht, § 15 II. 1.; Streck, BB 1972, 263, 265; Ulmer; in Hachenburg, § 11 GrnbHG Rdnr. 125. 24
25
32
Einführung
2. Der Gesellschafter erhält von der Gesellschaft ein zinsloses oder zinsverbilligtes Darlehen. 3. Der Gesellschafter veräußert an die Gesellschaft Waren zu einem überhöhten Preis. 4. Die Gesellschaft veräußert Waren an den Gesellschafter zu einem niedrigen Preis. 5. Der Gesellschafter gibt der Gesellschaft ein Darlehen zu einem überhöhten Zins. 6. Die Gesellschaft verzichtet gegenüber dem Gesellschafter auf die Geltendmachung von Rechen. Für Vermögensverlagerungen bietet sich bei der Vor-GmbH auch deshalb die Möglichkeit, weil nach der Anmeldung der Gesellschaft, also gerade im kritischen Zeitraum zwischen der Anmeldung und der Eintragung in das Handelsregister eine Überprüfung der vorhandenen Vermögenswerte durch das Registergericht aus Gründen der Praktikabilität nicht gefordert wird27 .
4. Der bisherige Meinungsstand zum Schutz der Vorgesellschaft durch § 266 StGB vor einverständlichen Schädigungen Die wenigen zum Untreueschutz der Vorgesellschaft vor einverständlichen Schädigungen vorliegenden Ausführungen ergeben auf Seiten der Rechtsprechung ein einheitliches Bild, während innerhalb der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. a) Herrschende Meinung
aa) Rechtsprechung Der BGH äußerte sich bisher nur in zwei Entscheidungen zum Schutz der Vorgesellschaft durch den Untreuetatbestand des§ 266 StGB. Die erste Entscheidung zu dieser Thematik bezog sich noch auf die alte Regelung des § 81 a GmbHG, der eine spezielle Vorschrift der "GmbH-rechtlichen" Untreue enthielt. In dieser Entscheidung hob der BGH hervor, dass Untreue nach Eintragung einer Gesellschaft in das Handelsregister auch bei Einverständnis der Gesellschafter 27 Maurer, BB 2001, 2537, 2540; vgl. dazu auch Ehses, Gründerhaftung, S. 32; ferner Ulmer, ZGR 1981,593,607, der sich, wie Priester (ZIP 1982, 1141, 1143 [Fn. 41)) meint, nicht
zweifelsfrei dabei auf BGHZ 80, 129 stützen kann, weil dieser Aspekt nicht eindeutig aus dem Urteil hervorgehe.
Einführung
33
möglich sei. Anders gestalte sich die Situation vor der Eintragung. Bis zur Eintragung seien wegen der fehlenden Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft ausschließlich die Gesellschafter Träger der Rechte und Pflichten28 • Ihr Einverständnis lasse daher die von der Untreue vorausgesetzte Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers entfallen. Die Herbeiführung eines Nachteils für die Gläubiger begriinde allein keine Strafbarkeit des Geschäftsführers wegen Untreue29 . In einem weiteren, im Jahre 1991 entschiedenen Fall30 hatte der Angeklagte seine Ehefrau drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von je 100.000,- DM griinden lassen. Die Ehefrau eröffnete für die Gesellschaften je ein Konto und erteilte ihrem Ehemann Kontovollmacht Des Weiteren vereinbarte sie mit der Landesgirokasse eine persönliche Mithaftung für eventuelle Verbindlichkeiten der Gesellschaften bis zur Eintragung. Der Angeklagte fungierte als Generalbevollmächtigter der Gesellschaften. Er transferierte verschiedene Summen zwischen Konten der Gesellschaften und hob schließlich fast die gesamten eingezahlten Summen wieder ab und belastete zudem die Konten durch die Einlösung von Euroschecks und Abhebungen an EC-Automaten. Dies geschah zu privaten Zwecken. Nur bei einer der gegriindeten Gesellschaften war es zur Eintragung gekommen. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen- fortgesetzter31 -Untreue zum Nachteil der Vorgesellschaften und zum Nachteil der Ehefrau verurteilt. Der BGH riigte in erster Linie die Annahme des LG, dass eine Untreue zum Nachteil der Vorgesellschaften gegeben sei. Geschädigter im Sinne des § 266 StGB könne nur ein mit dem Täter nicht identischer Träger fremden Vermögens sein, unabhängig davon, ob es sich bei dem Vermögensträger um eine natürliche oder juristische Person handele. Vor der Eintragung in das Handelsregister bestehe die GmbH als solche nicht (§ 11 Abs. 1 GmbHG). Damit komme der Vor-GmbH wegen § 11 Abs. 1 GmbHG keine eigene Rechtspersönlichkeit zu, die aber bei der Annahme einer Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB vorausgesetzt werden müsse. Die Vorgesellschaft sei damit kein Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB. An der fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit ändere es auch nichts, dass die Vorgesellschaft als eigene Vermögensmasse am Wirtschaftsleben teilnehme und durch Geschäfte verpflichtet werden kann. Vor der Eintragung sei der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen rechtlich noch nicht zuzuordnen. Vielmehr bestehe bei einer Mehrpersonengesellschaft Gesamthandsvermögen, dessen Träger letztlich nur die Gesellschafter sein könnten. Zur Möglichkeit einer Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers verweist der BGH auf seine Rechtsprechung zur Kommanditgesellschaft, so dass § 266 StGB nur vorliege, wenn gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter bzw. des Alleingesellschafters beriihrt wird. Inszs BGHSt 3, 23, 25. 29 BGHSt 3, 23, 25. 30 BGH, wistra 1991, 24 f., ebenfalls veröffentlicht in StV 1992,465. 31 Der sog. Fortsetzungszusammenhang gilt heute seit dem Beschluss des BGH (St 40, 138 ff.) aus dem Jahre 1994 als überwunden. 3 Hentschke
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Einführung
gesamt hebt der BGH hervor, dass das Landgericht den Schutz der Vorgesellschaft in den Vordergrund stellt und die Zuordnung der Vermögensmassen vernachlässigt. Eine Untreue zu Lasten der Vorgesellschaft sei folglich abzulehnen. Im zu entscheidenden Fall wurde nur deshalb eine Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers angenommen, weil der BGH eine Benachteiligung der Ehefrau wegen Vermögensgefährdung infolge der bei Eintragung (eine der Gesellschaften wurde, wie erwähnt, eingetragen) einsetzenden Differenzhaftung32, annahm. Des Weiteren bejahte der BGH einen Nachteil wegen der persönlichen Mithaftung der Ehefrau. Letztlich bleibt zu resümieren, dass der BGH weiterhin die Untreue zum Nachteil der Vor-GmbH ablehnt und daher konsequent einen Schutz der Vorgesellschaft vor einverständlichen Schädigungen durch Griinder und Geschäftsführer durch den Untreuetatbestand des § 266 StGB verneint. Die trotz der zahlreichen Möglichkeiten von Manipulationen geringe Zahl von Entscheidungen zur Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes auf einverständliche Vermögensschädigungen der Vorgesellschaft in der strafrechtlichen Rechtsprechung ist vermutlich darauf zuriickzuführen, dass die Staatsanwaltschaften mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH die schädigenden Handlungen nicht anklagen werden. Betont sei jedoch, dass die Staatsanwaltschaften nach zutreffender Auffassung33 auch dann Anklage erheben dürfen, wenn sie entgegen der Rechtsauffassung der Gerichte die schädigenden Verhaltensweisen für strafbar halten. bb) Herrschende Lehre Die in der Literatur überwiegend vertretene Meinung 34 verneint mit Verweis auf die Rechtsprechung ebenfalls die Möglichkeit einer Untreuestrafbarkeit der Organe der Vor-GmbH bei einverständlichem Handeln. Zwar wird der Thematik eine erhebliche praktische Bedeutung beigemessen, die Vor-GmbH sei aber eben nicht als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzuerkennen. Wie der BGH stützt sich diese Ansicht darauf, dass die GmbH vor der Eintragung nicht bestehe (§ 11 Abs. 1 GmbHG) und keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze. Vielmehr sei trotz 32 Im Rahmen der Differenzhaftung müssen die Gründer bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister den Betrag, hinter dem das Vermögen der Gesellschaft gegenüber der angegebenen Stammkapitalziffer zurückbleibt, in Geld ausgleichen. 33 Beulke, Strafprozeßrecht, Rdnr. 89; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II § 1 Rdnr. 27; Krey, Strafverfahrensrecht I, Rdnr. 358 f.; a.A. Kühne, Strafprozeßrecht, Rdnr. 143. 34 Gribbohm, ZGR 1990, 1, 6; Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 678; ders., strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rdnr. 195; ders., in Hachenburg, Vor§ 82 GmbHG Rdnr. 206; ders. , JA 1980, 228, 234; Schmid, in Müller/Gugenberger, § 31 Rdnr. 68; Tiedemann, in Scholz, Vor §§ 82 GmbHG Rdnr. 17; wohl auch Lenckner/Perron, in Schönke/Schröder, § 266 StOB Rdnr. 21.
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einer zivilrechtliehen Annäherung der Vor-GmbH an die eingetragene GmbH den Gesellschaftern das vorhandene Vermögen unstreitig (!) in Gesamthand zuzuordnen. Dieses Vermögen sei eben "nur" als Gesamtbandsvermögen geschützt, dessen Schädigung dann strafrechtliche Relevanz im Sinne des § 266 StGB erlange, wenn dadurch gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter bzw. des Alleingesellschafters verletzt werde35 • In Anbetracht der gesamthändensehen Vermögenszuordnung liege für die Gründungsgesellschafter kein fremdes Vermögen im Sinne der § 266 StGB vor. Damit könnten die Gründer unbeschränkt nach dem schon geltenden Mehrheitsprinzip gemäß § 47 GmbHG über das Vermögen verfügen. Bestätigung finde diese Sichtweise durch die Nichtanwendbarkeit der Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 30 ff. GmbHG auf die Vor-GmbH36, die eines der Hauptwesensmerkmale der Vermögensverselbstständigung bei der eingetragenen GmbH seien. Für die Anwendbarkeit des § 266 StGB könnten auch keine Schutzzweckerwägungen angeführt werden. Die zivilrechtliche Verselbstständigung der Vor-GmbH diene vor allem deren Handlungsfähigkeit Etwaige Haftungsrisiken, die mit dieser Handlungsfähigkeit verbunden seien, würden sowohl durch die Vorbelastungsbzw. Unterbilanzhaftung als auch durch die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG hinreichend kompensiert 37 • Diese Haftungssituation stelle gleichzeitig einen hinreichenden Gläubigerschutz dar, dem bei der "GmbH-rechtlichen" Untreue aufgrund des Schutzes des Haftungsfonds der eingetragenen GmbH ohnehin nur mittelbare Bedeutung zukomrne38 . Die Annahme eines Schutzes der Vor-GmbH vor einverständlichen Vermögensschädigungen durch Gründer und Geschäftsführer sei zudem abzulehnen, weil sie dazu führe, dass nur eine Verletzung der Vermögensfürsorgepflichten, die unzweifelhaft schon die (geschäftsführenden) Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Vor-GmbH träfen, unter Strafe gestellt würde. Damit würde verkannt, dass geschütztes Rechtsgut des § 266 StGB allein das dem Täter anvertraute Fremdvermögen sei und infolge der Gesamthandsvermögenszuordnung die Schädigung eines eigenständigen Vermögens der Vor-GmbH nicht möglich see9 . Eine Bestrafung des Geschäftsführers bei einverständlichen Vermögensschädigungen der VorGmbH wegen Untreue gemäß § 266 StGB verstieße in Anbetracht der nicht gegebenen Verletzung täterfremden Vermögens gegen das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG40 •
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36 37 38 39 40
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Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 679. Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 682. Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 683. Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 682. Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 681. Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 683.
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b) Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH durch die Gegenauffassung in der Literatur
Die Gegenmeinung in der Literatur befürwortet hingegen einen Schutz der VorGmbH vor einverständlichen Schädigungen durch den Untreuetatbestand des § 266 StGB41 . Dabei wird zum Teil der Ausgangspunkt der herrschenden Meinung akzeptiert, dass die Vorgesellschaft nicht als Träger des schon vorhandenen Vermögens anzusehen sei42 . Zwar sei eine der eingetragenen GmbH vergleichbare Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH vor Vermögenszugriffen durch Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer wegen deren zivilrechtlicher Haftung nicht gegeben, weshalb auch der reflexartige Gläubigerschutz durch § 266 StGB ein nicht so drängendes Problem wie bei der eingetragenen GmbH darstelle43 • Als ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 266 StGB könne aber betrachtet werden, dass der Geschäftsführer bereits im Stadium der Vor-GmbH dieselbe Vermögensbetreuungspflicht besitze, die ihm dann auch im Rahmen seiner Tatigkeit zugunsten der eingetragenen GmbH auferlegt werde. Infolge der Identität dieser Pflichten sei nicht einzusehen, warum letztlich die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers vom Zeitpunkt der Eintragung und damit quasi vom Zufall abhinge44, wie dies in dem- bereits oben45 dargestellten- vom BGH46 im Jahre 1991 entschiedenen Fall festzustellen sei. Eine Entscheidung über die Strafbarkeit des Geschäftsführers allein in Abhängigkeit zum Eintragungszeitpunkt treffen zu wollen, stelle sich als nicht nachvollziehbar dar47• Das vorgenannte Hauptargument, die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers könne allein auf die Identität der Pflichtenbindung gestützt werden, ist bereits an dieser Stelle als nicht überzeugend zurückzuweisen. Die Bejahung des Untreueschutzes der Vor-GmbH ohne gleichzeitige Anerkennung der Vor-GmbH als selbstständiger Vermögensträger ist nicht möglich48 . Allein auf die Identität der Pflichtenbindung abzustellen, widerspräche dem Charakter des § 266 StGB, der nach ganz herrschender Meinung49 in erster Linie dem Schutz fremden Vermögens zu dienen bestimmt ist. Zwar ist für den Nichtgesellschafter-Geschäftsführer (sog. Fremdgeschäftsführer) das von der Rechtsprechung angenommene "klassische" 41 Schäfer. GmbHR 1993, 717, 720; wohl auch Hübner; in LK 10, § 266 StGB Rdnr. 87; in Ansätzen: Grunst, BB 2001, 1537, 1540. 42 Schäfer, GmbHR 1993, 717,720 43 Schäfer, GmbHR 1993, 717, 721. 44 Schäfer, GmbHR 1993,717,720. 45 In der Einführung I. 4. a) aa). 46 BGH, wistra 1992, 24, 25. 47 Schäfer, GmbHR 1993,717,720. 48 Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 678. 49 Kühl, in Lackner I Kühl, § 266 StGB Rdnr. 1, Lenckner I Perron, in Schönke I Schröder, § 266 StGB Rdnr. 1; Schünemann, in LK11 , § 266 StGB Rdnr. 1; Tröndle/Fischer, § 266 StGB Rdnr. Ia.
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Gesamtbandsvermögen auch fremdes Vermögen, aber die Gesellschafter könnten darüber frei verfügen. Das würde allerdings nur gelten, wenn die Annahme der Rechtsprechung zuträfe, dass bei der Vor-GmbH ein Gesamtbandsvermögen vorläge. Daher ist ein Untreueschutz der Vor-GmbH nur möglich, wenn sie selbst Vermögensträger ist.
II. Gang der Untersuchung Nach alldem ist zunächst das Argument der mangelnden Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen wegen der vermeintlichen Kompensation von Vermögenseingriffen durch Gründer- und Handelndenhaftung einer Überprüfung zu unterziehen (§ 1). Danach erfolgt eine Betrachtung der Lücken des Strafrechtsschutzes im insolvenzrechtlichen Bereich der Vorgesellschaft (§ 2). Um Folgerungen für den Untreueschutz der Vor-GmbH ziehen zu können, wird anschließend im zweiten Teil der Untreueschutz der eingetragenen GmbH behandelt. Zu Beginn des dritten Teils (§ 8) werden dann die Voraussetzungen der Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB erarbeitet und gleichzeitig die Einordnung der Vorgesellschaft vorgenommen. Da sich erweisen wird, dass die Vor-GmbH Vermögensträger ist, wird im Folgenden untersucht, ob die Grenzen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter, die bei der eingetragenen GmbH für tauglich befunden wurden, auf die Vor-GmbH übertragbar sind. Dadurch wird geklärt, ob die anerkannten Grenzen das Vermögensinteresse der Vorgesellschaft zum Ausdruck bringen und sie zum Vermögenssubjekt im Sinne von § 266 StGB werden lassen (3. Teil unter § 9). Abschließend ist zu erörtern, ob der Untreuetatbestand auch auf die Einmann-Vorgesellschaft und die sog. "unechte" Vor-GmbH anwendbar ist.
Teil]
Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH § 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation
von Vermögensverlagerungen bei Insolvenz der Vor-GmbH
Beide zur Anwendbarkeit des § 266 StGB auf die Vor-GmbH vertretenen Auffassungen 1 gehen von einem hinreichenden Schutz im Falle von Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen durch die Gründer- und Handelndenhaftung aus und verneinen daher eine Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH und die Notwendigkeit eines mittelbaren Gläubigerschutzes. Ob diese Auffassung zutrifft, bedarf jedoch erst des Nachweises. Die Untersuchung der Gründerhaftung und der Handelndenhaftung wird verdeutlichen, dass keinesfalls von einer hinreichenden Kompensation der Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen ausgegangen werden kann, sondern dass vor dem Hintergrund der Haftungssituation bei der Vor-GmbH deren strafrechtliche Schutzbedürftigkeit anzunehmen und eine Anwendung des § 266 StGB auch aus Griinden des reflexartigen Gläubigerschutzes angebracht ist.
I. Gründerhaftung 1. Ältere Rechtsprechung Der Beginn der Entwicklung der Vorgesellschaft war durch die Lehre vom sog. Vorbelastungsverbot2 geprägt. Ziel dieser Lehre war, die GmbH bei ihrer Eintragung nicht mit den Verbindlichkeiten aus der Zeit ihrer Errichtung zu belasten. Zum Eintragungszeitpunkt sollte zum Schutze der Gläubiger ein gegenständlich 1 Vgl. nur Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 681 f. einerseits und Schäfer, GmbHR 1993, 717, 721 andererseits. 2 RGZ 83, 370, 373; 105, 228, 229; 134, 121, 122; 141, 204, 209; 149, 293, 303; 151, 86, 91; 17, 385, 390 f. für die eingetragene Genossenschaft; BGHZ 53, 210, 212; 65, 378, 383; Kuhn, WM 1955 Beilage 5, S. 4.
§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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unangetastetes Stammkapital vorhanden sein. Die Erreichung dieses Ziels wurde durch Nichtzulassung einer Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft ermöglicht, die mittels einer Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers auf sog. notwendige Geschäfte bzw. wirtschaftlich notwendige Geschäfte3 realisiert werden sollte. An diese Begrenzung der zulässigen Geschäftstätigkeit knüpften frühzeitig die Kritiker4 an und stellten fest, dass eine Abgrenzung zwischen notwendigen und nicht notwendigen Geschäften wegen mangelnder tauglicher Kriterien kaum möglich sei. Die Zweckbegrenzung auf reine zur Gründung notwendige Geschäfte wurde besonders bei Sachgründungen zu Recht als unpraktikabel und nicht interessengerecht empfunden, denn bei Einbringung eines schon bestehenden Handelsunternehmens kann sich die Geschäftstätigkeit nicht auf bloße Erhaltungsmaßnahmen beschränken. Daher hatte bereits das Reichsgericht5 eine satzungsmäßige Erweiterung des Zwecks der Vorgesellschaft anerkannt. Der BGW war dem gefolgt und hatte die Fortführung eines bestehenden Handelsunternehmens zugelassen. Letztere lässt sich auch am ehesten mit den Grundsätzen der Kapitalaufbringung und -erhaltung vereinbaren, denn diese erfordern gerade den Abschluss derjenigen Geschäfte, die einem wertmindernden Verfall der Sacheinlagen vor der Eintragung entgegenwirken7 . Aufgrund dessen konnte für das Vorbelastungsverbot der Aspekt der Zweckbegrenzung zumindest für Sachgründungen nicht mehr angeführt werden. Das Vorbelastungsverbot hatte nur noch für Bargründungen und den Übergang der Verbindlichkeiten Bedeutung. Für den Übergang von Verbindlichkeiten wurde das Vorbelastungsverbot in der Weise konkretisiert, dass nur solche Verbindlichkeiten auf die eingetragene GmbH übergehen, die "auf Gesetz oder Satzung beruhen" 8 • Zutreffend ist dieser Auffassung jedoch entgegengehalten worden, dass eine Umgehung des Vorbelastungsverbots durch die Gründer in der Weise erfolgen konnte, dass sie in die Satzung die Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft aufnahmen9 . Des Weiteren sollten bei stringentem Verständnis des Vorbelastungsverbots die Aktiva der Vorgesellschaft auf die eingetragene GmbH übergehen, während die Passiva 3 Wirtschaftlich notwendige Geschäfte waren im Zusammenhang mit Sachgründungen bedeutsam. Um eine Sachgründung handelt es sich, wenn die Gesellschafter als Einlagen andere gegenständliche Vermögenswerte als Geldzahlungen einbringen. Das Einbringen von Sacheinlagen ist bei der GmbH durch §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 3, 9 GmbHG ausdrücklich zulässig. 4 Binz, Haftungsverhältnisse, S. 52; Dilcher, JuS 1966, 89, 93; Flume, in Gess1er-FS, 3, 40; Ulmer, in Ballerstedt-FS, 279, 291 f. s RGZ 58, 55, 56. 6 BGHZ 45, 338, 343. 7 M. Scholz, Haftung, S. 14. s Meister, in Wemer-FS, 521, 523. 9 M. Scholz, Haftung, S. 111.
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
bei der Vorgesellschaft verblieben. Zu Recht wurde in diesem Zusammenhang festgestellt10, dass es nicht einleuchtet, warum die Körperschaft aus gegenseitigen Verträgen nur die "Rosinen" erwerben soll. Der Übergang der Aktiva und der Nichtübergang der Passiva erschien insbesondere deshalb fragwürdig, weil diese willkürliche Spaltung eines einheitlichen Vermögens die Gläubiger in zwei Gruppen teilte. Wahrend den Neugläubigem das unbelastete und daher unversehrte Aktivvermögen zur Verfügung stand, mussten sich die Altgläubiger mit dem fragwürdigen Ersatz der Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG begnügen. Diese unterschiedliche Gläubigerbehandlung war nicht gerechtfertigt. Die Folge dieser Situation war in der Praxis eine Umkehrung des "Rangverhältnisses" derart, dass die Geschäftsführer, die darauf bedacht waren, eine Handelndenhaftung zu vermeiden, die vertragliche Schuldübernahme für Verbindlichkeiten aus der Gründungsphase durch die fertige GmbH regelten 11 . Damit konnten sie die Altgläubiger vorab befriedigen und sich so der Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG entziehen. Wegen dieser Umgehungsmöglichkeiten wurde dem Vorbelastungsverbot die Effizienz abgesprochen 12 . Damit einher ging jedoch nicht die Aufgabe des Grundsatzes der Unversehrtheil des Stammkapitals, der besagt, dass der registergerichtlich vermerkte Haftungsfond zumindest bei der Eintragung der Gesellschaft den Gläubigem unversehrt zur Verfügung gestanden haben muss. Dem Unversehrtheitsgrundsatz wurde lediglich, in Abweichung vom Vorbelastungsverbot, kein gegenständliches, sondern ein wertmäßiges Verständnis 13 zugrunde gelegt. Das aufgebrachte Stammkapital müsse zum Zeitpunkt der Eintragung lediglich wertmäßig vorhanden sein. Aus diesen Erkenntnissen der Literatur zog auch die Rechtsprechung die Konsequenz. In seinem Grundsatzurteil vom 09. 03. 1981 leitete der BGH 14 eine neue "Ära" in der Diskussion um die Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft ein. Mit dieser Entscheidung gab der BGH endgültig seine Rechtsprechung zum Vorbelastungsverbot auch bei Bargründungen 15 auf, wie er dies de facto durch die Zulassung wirtschaftlich notwendiger Geschäfte (für die es keine Abgrenzung gab) schon für die Sachgründungen getan hatte 16 . Er erkannte nunmehr den Wertungswiderspruch zwischen dem Übergang des Aktivvermögens und dem Nichtübergang des Passivvermögens an und betonte, dass seine derartige frühere Annahme auch dem Rechtsgedanken des § 419 BGB 17 sowie den Geboten des VerkehrsWiedemann, JurA 1970,431,451. Dilcher, JuS 1966, 89, 93. 12 M. Scholz, Haftung, S. 120. 13 M. Scholz, Haftung, S. 120. 14 BGHZ 80, 129 ff. 15 BGHZ 80, 129, 140. 16 BGHZ 65, 378, 382; BGHZ 72, 45, 48. 17 Die Vorschrift ist am 01. 01. 1999 im Zuge der Insolvenzrechtsreform außer Kraft getreten. JO
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schutzes und der Gerechtigkeit widerspräche. Der BGH zog deshalb die Konsequenz, dass von einem Übergang sämtlicher Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft auf die eingetragene Gesellschaft, auch soweit sie aus nicht durch die Satzung gedeckten Geschäften stammen, auszugehen sei 18 • Zudem stellte er heraus 19, dass, soweit beim Übergang der Wert der übernommenen Stammeinlagen nicht erreicht werde, die Gesellschafter diesen Fehlbetrag in Geld auszugleichen hätten. Im Ergebnis gelangte der BGH somit zu der Erkenntnis, dass der Unversehrtheilsgrundsatz nicht gegenständlich, sondern wertmäßig verstanden werden müsse20. Die Ausgestaltung der Haftung der Gründer, die eine wertmäßige Aufbringung des Stammkapitals gewährleisten soll, erfolgte im wesentlichen nach den Grundsätzen, die der BGH in früheren Entscheidungen21 zu den Sachgründungen herausgearbeitet hatte. Danach mussten die Gesellschafter bei Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister den Betrag, hinter dem das Vermögen der Gesellschaft zurückbleibt, in Geld ausgleichen (sog. Differenzhaftung). Vom Umfang her war diese Differenzhaftung unbeschränkt, weil z. B. eine Überschuldung der einzutragenden Gesellschaft verhindert werden sollte22 • Diese Differenzhaftung, die auch als Unterbilanzhaftung bezeichnet wird, griff aber nur bei der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ein. Zwischen Anmeldung und Eintragung, insbesondere bei Nichteintragung der Gesellschaft, sollten die Gesellschafter dagegen nur beschränkt auf die Erbringung ihrer Stammeinlage haften 23 • Dies sei, so der BGH24, geboten, weil der Rechtsverkehr durch das Auftreten unter der Firmierung "GmbH" oder "GmbH i.Gr." nur mit einer beschränkten Haftung rechne. Die Haftungsbeschränkung liege im Interesse der Gründer, die schließlich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gründen wollten. Ob diese Haftung eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigem sei oder als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet werden sollte, ließ der BGH25 im Übrigen offen. In Teilen der Literatur26 fand der BGH Gefolgschaft. Die Literaturstimmen betonten ebenfalls, dass durch die beschränkte Gründerhaftung den Interessen der Beteiligten am ehesten Rechnung getragen werde27 • Die Haftung wurde als ts BGHZ 80, 129, 140. 19 BGHZ 80, 129, 140. 2o BGHZ 80, 129, 140. 21 BGHZ 65, 378, 382; 68, 191, 196; 72, 45, 48. 22 BGHZ 80, 129, 141. 23 BGHZ 65, 378, 382; 45, 48; 80, 129, 141; bestätigt durch BGHZ 91, 148, 152; ebenso BayObLG, DB 1986, 106; OLG Harnburg, DB 1985,2554 f. 24 BGHZ 80, 129, 144 f. 25 BGHZ 80, 129, 144 f. 26 Fleck, GrnbHR 1983, 5, 7 f.; Hüffer. JuS 1983, 161, 168; Maulbetsch, DB 1984, 1561, 1562; Ulmer. ZGR 1981, 593,596,611 ff. Neuerdings geht Bälz, in Zöllner-FS, 35, 61 wieder von einer beschränkten Gründerhaftung aus. 27 Hüffer. JuS 1983, 161, 168.
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
Äquivalent für das noch ungesicherte Gesellschaftsvermögen empfunden, wobei deren Beschränkung den Willen der Gründer, die als Gesellschaftsform eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt haben, berücksichtigen sollte. Letztlich ist diese Auffassung aber den endgültigen Nachweis schuldig geblieben, dass die Interessenahwägung in dieser Art ausfallen musste und den Gläubigem im Falle der Nichteintragung der Gesellschaft durch die Haftungsbeschränkung das Verlustrisiko zugewiesen werden sollte. Darauf bezogen sich auch die Kritiker, die eine Haftungsbeschränkung erst mit Eintragung der Gesellschaft annehmen, wie dies auch § 11 Abs. 1 GmbHG zu entnehmen ist28 • Darüber hinaus sprach gegen die Sicht des BGH und der ihm folgenden Literatur, dass zwar der Interessenwiderstreit zwischen Alt- und Neugläubigem bei Eintragung der Gesellschaft durch die eingreifende Differenzhaftung beigelegt war, jedoch durch einen neuen Interessenwiderstreit ersetzt wurde. Wegen der beschränkten Haftung bei Nichteintragung der Gesellschaft hätten die Gesellschafter bei einem ungünstigen Geschäftsverlauf inuner auf eine Nichteintragung gedrängt, um so einer unbeschränkten Haftung zu entgehen, währenddessen die Geschäftsführer zur Vermeidung der Inanspruchnahme aus der Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG die Eintragung angestrebt hätten. Die Handelndenhaftung endet nämlich mit der Eintragung29 • Dieser Interessenwiderspruch stellte zugleich einen Wertungswiderspruch dar30, weil die Gesellschafter gerade bei Erreichung des Ziels einer Vorgesellschaft, der Eintragung in das Handelsregister, einer unbeschränkten Haftung ausgesetzt waren, während sie bei Verfehlung der Zielstellung mit einer Haftungsbeschränkung "belohnt" worden wären. Des Weiteren war das Konzept der beschränkten Haftung der Gründer bei Nichteintragung insofern inkonsequent, als die Gesellschafter ohnehin von der Gesellschaft unbeschränkt im Rahmen der Regressansprüche der Geschäftsführer als Folge der Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG in Anspruch genonunen werden konnten 31 . In Anbetracht der aufgezeigten Schwächen stellte das frühere Konzept der Rechtsprechung des BGH für die Gründerhaftung keine überzeugende Lösung dar.
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Lieb, in Stimpel-FS, 397, 412; Stimpel, in Fleck-FS, 345, 354 f. K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 118. Meister, in Werner-FS, 521, 548. Roth, ZGR 1984, 597, 621.
§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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2. Strafrechtliche Konsequenzen aus der mangelnden Kompensation von Vermögensverlagerungen
Aus der Betrachtung der älteren Rechtsprechung folgt, dass - entgegen der Behauptung der strafrechtlichen Literatur32 - keine hinreichende Kompensation für die Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der Vor-GmbH durch die Gründerhaftung festzustellen und die Vorgesellschaft deshalb strafrechtlich schutzbedürftig ist. Ihre Situation kann aufgrund der angenommenen Haftungsbeschränkung auf die Einlagenleistung im Falle des Scheiteros der Eintragung mit deljenigen bei der eingetragenen GmbH, die richtigerweise des Schutzes ihres Vermögens vor einverständlichen Schädigungen durch§ 266 StGB bedarf33 , verglichen werden. Bei der eingetragenen GmbH können sich die Gläubiger auch nur aus dem Gesellschaftsvermögen (das u.U. wertmäßig nur noch in Höhe des Stammkapitals vorhanden ist) befriedigen und es erfolgt keine Befriedigung, sobald dieses aufgebraucht ist. Ähnlich ist es bei der Vor-GmbH, da die Rechtsprechung früher gerade in den kritischen Fällen des Scheiteros der Eintragung der Vorgesellschaft eine auf die Erbringung der Einlage beschränkte Haftung der Gründer annahm, so dass Vermögen wertmäßig auch nur in Höhe des Stammkapitals vorliegt und deshalb keine hinreichende Kompensation der dariiber hinaus gehenden Verlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH erfolgt. Sollte die VorGmbH als eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzusehen sein, wäre folglich das ihr entzogene Vermögen durch die unzulängliche Gründerhaftung nicht wieder aufgefüllt. Die Vor-GmbH ist also durch die Griinderhaftung vor Vermögensaushöhlungen durch ihre Organe nicht geschützt. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht sich ihre strafrechtliche Schutzbedürftigkeit Letztere ist selbst dann anzunehmen, wenn das Zivilrecht einen Ausgleich zur Verfügung stellt, denn die Ausgleichsfunktion wird bei schädigenden Handlungen einen ersatzbereiten und finanzkräftigen Täter nicht von Eingriffen abhalten 34. Die Schutzbedürftigkeit muss deshalb erst recht dann bejaht werden, wenn das Zivilrecht keinen hinreichenden Ausgleich zur Verfügung stellt. Zudem sind die Gläubiger im Falle des Scheiteros der Eintragung der Gesellschaft erheblich der Gefahr ausgesetzt, aufgrund der Haftungsbeschränkung ihre Anspruche nicht befriedigen zu können. Das Zivilrecht schützt sie also nicht hinreichend. Deshalb ist ein reflexartiger strafrechtlicher Gläubigerschutz durch § 266 StGB ebenfalls geboten. Unter Zugrundelegung der beschränkten Haftung ist es angesichts der Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH angebracht, sich der Untersuchung der Anwendbarkeit des § 266 StGB auf einverständliche Schädigungen der Vorgesellschaft zu widmen. 32 Schäfer; GmbHR 1993, 717, 721. Grundsätzlich auch Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 681 , der allerdings durch die Bezugnahme auf die Verlustdeckungshaftung dieneuere zivilrechtliche Entwicklung zum Haftungsrecht der Vorgesellschaft zu berücksichtigen scheint. 33 Vgl. dazu ausführlich im Teil 2. 34 Baumann/Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 3 Rdnr. 10.
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Teil I: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
3. Neuere zivilrechtliche Entwicklung der Gründerhaftung bei der Vorgesellschaft Zu keiner Änderung dieser Bewertung führen im Übrigen die neueren zur Gründerhaftung vertretenen Haftungskonzepte. Auch nach ihnen kann eine hinreichende Kompensation der Vermögensverlagerungen nicht festgestellt werden, so dass die Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH weiterhin besteht und ein reflexartiger Gläubigerschutz ebenfalls geboten ist. a) Konzeption der gänzlichen Haftungsbeschränkung
Ein Teil der Literatur35 stellt die Interessen der Gründungsgesellschafter in den Vordergrund und lehnt deren Haftung grundsätzlich ab. In Anbetracht der bereits bei Anmeldung gezahlten Einlage und der bestehenden Einlageforderung gegen die Gründer sei bei der Vor-GmbH eine mit der eingetragenen GmbH vergleichbare Finanzausstattung gegeben. Das Ergebnis der Haftungsfreistellung lasse sich durch eine vorgezogene analoge Anwendung des§ 13 Abs. 2 GmbHG auf die VorGmbH erreichen. Für bestimmte Konstellationen sollen allerdings Ausnahmen gelten. So wollen einige beim Scheitern der Eintragung eine unmittelbare Außenhaftung eingreifen lassen, um so wieder einen effektiven Gläubigerschutz zu erreichen36. Andere wiederum wollen die Nichthaftung der Gründer durch die Handelndenhaftung der Geschäftsführer ausgleichen 37 . Die Vemeinung der Haftung der Gründer schließt eine Kompensation der Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen aus, so dass die Vor-GmbH und deren Gläubiger schon nach diesem theoretischen Grundkonzept bei Vermögensverlagerungen aus dem eingebrachten Vermögen als schutzbedürftig anzusehen sind. b) Außenhaftungskonzept
Um den Interessen der Gläubiger gerecht zu werden, schlägt ein Teil der Literatur38 eine unmittelbare Außenhaftung der Gründungsgesellschafter im Gründungs35 Derwisch-Ottenberg, Haftungverhältnisse, S. 65; Huber; in Fischer-FS, 263, 290 ff.; Knoche, Gründerhaftung, S. 128; Kusserow, Einmanngründungen, S. 134; Priester; ZIP 1982, 1141, 1151; M. Scho[z, Haftung, S. 81; Weimar; GmbHR 1988, 289, 294; einschränkend Schultz, JuS 1982, 732, 738; neuerdings ebenfalls einschränkend Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 130. 36 Knoche, Gründerhaftung, S. 78 ff.; auch Schultz, JuS 1982, 732, 738. 37 Derwisch-Ottenberg, Haftungverhältnisse, S. 67. 38 Cebulla, NZG 2001, 972, 977 f.; Ehses, Gründerhaftung, S. 62 ff.; Flume, in v. Caemmerer-FS, 517, 519; ders., NJW 1981, 1753, 1756; lohn, BB 1982, 505, 511; ders., JZ 1984,
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stadium nach dem Vorbild der Haftung bei den Personenhandelsgesellschaften gemäß § 128 HGB vor. Nur eine unmittelbare Außenhaftung der Gründungsgesellschafter sei mit dem Grundsatz zu vereinbaren, dass jede Geschäftsaufnahme zu einer unbeschränkten persönlichen Haftung ihrer Betreiber führen müsse. Solange eine Haftungsbeschränkung, die bei der Vor-GmbH wegen der entgegenstehenden Vorschriften der§§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 2 GmbHG ausscheidet, nicht ausdrücklich angeordnet sei, müsse eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter angenommen werden39. Darüber hinaus sei eine unmittelbare Außenhaftung zwingend, weil die Kapitalausstattung der Vorgesellschaft hinter derjenigen der eingetragenen GmbH zurückbleibe. Überdies stelle die Handelndenhaftung kein ausreichendes Äquivalent dar, denn diese sei wegen der Nichterfassung gesetzlicher Ansprüche der Gläubiger unvollständig und bürde den Funktionären unberechtigt das Unternehmensrisiko aut0 . Eine ausreichende Kompensation für die Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen ergibt sich aber auch nach dem Außenhaftungskonzept nicht. Zwar ist entsprechend dem theoretischen Grundkonzept wegen der Unbeschränktheit der Haftung und der Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer durch die Gläubiger ein hinreichender Ausgleich denkbar, jedoch muss bei der Beurteilung des Ausgleichs die praktische Durchsetzbarkeit der Gläubigeransprüche berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist dem Außenhaftungskonzept entgegenzuhalten, dass es nicht in dem Umfang die Gläubigerinteressen berücksichtigen kann, wie dies seine Vertreter glaubhaft machen wollen. Probleme bei der Anspruchsdurchsetzung bei Anwendung des Außenhaftungskonzepts ergeben sich aus der mangelnden Publizität der Vor-GmbH, denn schließlich liegt noch keine Eintragung der Gesellschaft als GmbH im Handelsregister vor. Verhandeln die Gläubiger mit einem oftmals bereits vorhandenen (Fremd-) Geschäftsführer, werden sie aufgrund der mangelnden Publizität die Gesellschafter nicht kennen, zumal auch keine Gesellschafterlisten eingesehen werden können. Eine Klage wäre wegen der Unkenntnis der Gesellschafter schon
945 f.; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 124 ff.; K. Schmidt, ZHR 156 [1992], 93, 116; ders., NJW 1981, 1345, 1347; Theobald, Vor-GmbH, S. 115; WH. Roth, ZGR 1984, 597, 626, der allerdings die Gründer nur subsidiär haften lassen will. Die Gläubiger sollten nach seiner Auffassung zuerst die Vorgesellschaft in Anspruch nehmen müssen. Rechtstechnisch will er dies durch die Zubilligung einer Einrede der " Vorausklage" nach dem Vorbild des§ 771 BGB erreichen. Nunmehr Altmeppen, NJW 1997, 3272, 3274 f.; ders., in Roth/ Altmeppen, § 11 GmbHG Rdnr. 51 ; Beuthien, ZIP 1996, 305, 318; ders., BB 1996, 1337, 1340; ders., GmbHR 1996, 309, 315; Ensthaler, BB 1997, 257; Flume, DB 1998, 45, 48; Kleindieck, ZGR 1997, 427, 436 ff.; Michalski/Barth, NZG 1998, 525, 527 ff.; Raiser/Veil, BB 1996, 1344; Wilhelm, DStR 1998, 457 ff.; ders., in Knobbe-Keuk-GS, 321, 357; ders., Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 187. 39 Cebulla, NZG 2001, 972, 978. 40 Flume, in Geßler-FS, 3, 34; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 124; Theobald, Vor-GmbH, S. 117.
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formal erfolglos. Darüber hinaus bringt auch das Außenhaftungskonzept keine Garantie für die Solvenz der Griindungsgesellschafter. Die Zulassung des unmittelbaren Durchgriffs infolge der Außenhaftung schafft folglich nicht die behauptete Effizienz bei der Anspruchsdurchsetzung. Demzufolge kann unter praktischen Gesichtspunkten von einer hinreichenden Kompensation der Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht ausgegangen werden. c) Innenhaftungskonzept
aa) Entwicklung in Rechtsprechung und Literatur Ein Teil der Literatur hat im Interesse an einem GmbH-nahen Haftungskonzept das Modell der unbeschränkten Innenhaftung entwickelt41 • Danach haben im Falle der Eintragung die Griinder unbeschränkt die Unterbilanz (Unterbilanzhaftung) oder bei Nichteintragung den Verlust durch anteilige Leistung (sog. Pro-rata-Haftung) jeweils unbeschränkt auszugleichen, der zur Begleichung der Gesellschaftsverbindlichkeiten notwendig ist (Verlustdeckungshaftung)42 . Mit der Verlustdeckungshaftung im Falle der Nichteintragung sei ein gleichwertiges Äquivalent für die unbeschränkte Differenz-(Unterbilanz-)haftung bei Eintragung geschaffen. Diese unbeschränkte Haftung der Griinder ist aber nicht als Außenhaftung gegenüber den Gläubigem ausgestaltet, sondern als Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Vorgesellschaft konzipiert. Die Konzeption der unbeschränkten Innenhaftung der Griinder herlieksichtige die Interessen der Beteiligten, weil ihre Unbeschränktheit den Gläubigem zugute komme und der interne Charakter den Grundern dienlich sei, da letztere nicht unmittelbar durch die Gläubiger in Anspruch genommen werden könnten. Die neuere Rechtsprechung43 ist diesem Innenhaftungskonzept im Wesentlichen gefolgt. Sie sieht es nun ebenfalls als Widerspruch an, dass die Griinder bei Nicht41 Erste Ansätze bei Meister; in Wemer-FS, 521, 550; ferner Lieb, in Stimpel-FS, 397, 414; Stimpel, in Fleck-FS, 345, 358 ff.; Ulmer; in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 64 ff.; aus neuerer Zeit: Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 82, 91; Gehrlein, DB 1996, S61, S67; ders., NJW 1996, 1193; Goette, DStR 1996, 517 ff.; ders., DStR 1998, 179, 180; Gummen, DStR 1997, 1007, 1008 f.; Hartmann, WiB 1997, 66, 70; Hautkappe, Gründerhaftung, S. 235 ff., 274; Kort, ZIP 1996, 109, 115; ders., EWiR 2000, 1055, 1056; Lutter; JuS 1998, 1073, 1077; Sdii1ti, GmbHR 1996, 727, 732 ff.; Ulmer, ZIP 1996, 733, 738; Wilken, EWiR 1996, 359, 360. 42 Stimpel, in Fleck-FS, 345, 363. 43 BGH, ZIP 1996, 390 ff.; bestätigt durch BGHZ 134, 333, 339; BAG, BB 1997, 1208, 1209; BAG, NJW 1998, 628, 629; BSG, Beschl. 31. 05. 1996-2 S (U) 3/96, mitgeteilt in ZIP 1996, 1549. Ausgangspunkt für die neue Rechtsprechungsentwicklung zur Haftungslage bei der Vor-GmbH waren die Vorlagebeschlüsse des BAG (ZIP 1995, 1892 ff.) und zweiten Zivilsenats des BGH (ZIP 1996, 390 ff., die von der Rechtsprechung des BSG (ZIP 1986, 645 ff.) abweichen wollten, an den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des
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eintragung einer beschränkten Haftung unterliegen sollten (sog. Liquidationsprivileg), während sie im Falle der Eintragung einer unbeschränkten Haftung ausgesetzt sein sollen. Eine Haftung der Gründer nur gegenüber der Vorgesellschaft sei auch deshalb angebracht, um im Falle der Insolvenz der Vorgesellschaft eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicherzustellen 44 und einen Wettlauf unter ihnen zu verrneiden45 . Mit dieser Art der Haftung werde ferner das Ziel eines GmbHnahen Haftungskonzepts erreicht. Die Gründer würden grundsätzlich nicht in die Außenverhältnisse der Vorgesellschaft einbezogen und nicht laufend mit den Angelegenheiten der Vorgesellschaft behelligt. Inhaltlich sei die unbeschränkte Innenhaftung der Gründungsgesellschafter als sog. Pro-rata-Haftung auszugestalten46 • Danach hätten die Gesellschafter für die Anlaufverluste im Verhältnis zu ihren Anteilen zu haften. Die unbeschränkte Innenhaftung gelte zudem als stichtagsbezogene Haftung. Daher entstehe der Anspruch aus der Unterbilanzhaftung mit der Eintragung der Gesellschaft und der Verlustdeckungsanspruch mit dem Scheitern der Eintragung47 . Eine laufende Auffüllung des Stammkapitals, wie sie teilweise in der Literatur48 gefordert wird, müsse als unpraktikabel und rechtlich nicht geboten abgelehnt werden. Die Unpraktikabilität beruhe zum einen auf dem enormen Buchführungsaufwand49 und zum anderen darauf, dass sich theoretisch der Gründungszeitraum in Monats-, Wochen- oder gar Tagesperioden aufsplitten ließe, für die entsprechend angefallene Verluste oder Gewinne festgestellt werden müssten. Bundes. Das BSG hatte sich in seinem Urteil für eine unbeschränkte Außenhaftung der Gründer für gesetzliche Verbindlichkeiten ausgesprochen. Hingegen wollte das BAG eine beschränkte Außenhaftung für gesetzliche Verbindlichkeiten durchsetzen, währenddessen der zweite Zivilsenat des BGH von einer unbeschränkten Innenhaftung der Gründer ausgegangen ist. Das Verfahren vor dem Obersten Senat der Gerichtshöfe des Bundes ist gemäß § 14 RsprEinhG eingestellt worden (vgl. dazu die Mitteilung in ZIP 1996, 1548 f.), weil sich sowohl das BAG (ZIP 1996 1548) als auch das BSG (Beschl. 31. 05. 1996-2 S (U) 3/96, mitgeteilt in ZIP 1996, 1549) der Auffassung des zweiten Zivilsenats des BGH angeschlossen haben. Abweichend von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung lehnen das LAG Köln, NZA-RR 1997, 375, 376 (nicht rechtskräftig) und das LSG Baden Württemberg, ZIP 1997, 1651, 1652 (nicht rechtskräftig) das Innenhaftungskonzept ab und befürworten eine unmittelbare Außenhaftung der Gründungsgesellschafter der Vor-GmbH. 44 Bei Anwendung des Außenhaftungskonzepts auf die Vor-GmbH bestimmt sich deren Insolvenzfähigkeit nach § ll Abs. 2 InsO. Dann stellt die Regelung des § 93 InsO die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger sicher, denn nach ihr kann die persönliche Haftung der Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Die Vorschrift soll dadurch Sondervorteile einzelner Gläubiger durch schnelleren unmittelbaren Zugriff auf die persönlich haftenden Gesellschafter verhindem (SchmidtRänsch, § 93 InsO Rdnr. 2). Insgesamt zu den Regelungen der §§ 92, 93 InsO, K. Schmidt, ZGR 1996, 209 ff. 45 BGHZ 134, 333, 340 f. 46 BGHZ 134, 333, 339. 47 BGHZ 134, 333, 339. 48 Meister, in Wemer-FS, 521, 547; ferner Schütz, Verlustdeckungshaftung, S. 165; ders., GmbHR 1996, 727,733. 49 Monhemius, GmbHR 1997, 384, 388 [Fn 25].
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Darüber hinaus bliebe bei Bejahung einer laufenden Auffüllung des Stammkapitals offen, wie die Teilperioden für die Feststellung der Gewinne oder Verluste richtigerweise bemessen werden sollten. Wird aber auf das Ende der Gründungsphase (Eintragung, Scheitern der Eintragung) abgestellt, rechtfertige dies die Stichtagsfestlegung50. Ein ähnlich sachlicher Grund lasse sich für den Verlauf der Gründungsphase nicht finden. Vielmehr erscheine jegliche Festlegung bestimmter Termine während des Gründungsstadiums eher willkürlich51 . Folglich könne die stichtagsbezogene Haftung sachlich gerechtfertigt werden, selbst wenn sie mit Nachteilen verbunden sei52. Ausnahmen von diesem internen Regress seien nur in den Fällen der masselosen Insolvenz und bei Einmanngründungen zuzulassen53 . In diesen Fällen könnten nicht dieselben Abwicklungsschwierigkeiten bei der Gläubigerbefriedigung wie bei den übrigen Fällen befürchtet werden. bb) Fehlende hinreichende Kompensation nach dem Innenhaftungskonzept Jedoch ergibt sich auch nach dem Innenhaftungskonzept keine hinreichende Kompensation der Verlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH. Diese Feststellung gilt zwar nicht für problemlose Gründungen, bei denen es zur Eintragung der Gesellschaft kommt, aber für die Fälle, in denen eine Eintragung zum Beispiel wegen der Insolvenz der Vor-GmbH unterbleibt. Die Zweifel an der hinreichenden Kompensation beruhen dabei nicht auf dem theoretischen Grundkonzept der Innenhaftung wegen ihrer Unbeschränktheit, sondern auf den praktischen Schwierigkeiten der Anspruchsdurchsetzung für die Gläubiger. Die praktischen Durchsetzungsschwierigkeiten belegen die folgend zu behandelnden Gesichtspunkte. (1) Fehlen gesamtschuldnerischer Haftung
Die Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung resultieren zunächst aus der nachteiligen Verwehrung des gesamtschuldnerischen Zugriffs zugunsten der Pro-rata-Haftung54. Nach dieser haften die Gesellschafter nur entsprechend ihren Anteilen, und die Gläubiger sind dadurch gezwungen, entsprechend viele TeilbeiMonhemius, GmbHR 1997,384, 388. Monhemius, GmbHR 1997, 384, 388. 52 Zur Darstellung der Nachteile vgl. § 1 I. 3. c) bb). 53 BGHZ 134, 333, 341; BAG, NJW 2000, 2915, 2917. 54 Die Pro-rata-Haftung kritisieren auch Beuthien, GmbHR 1996, 309, 311 , 316; Ensthaler, BB 1997, 257, 259; K. Schmidt, ZIP 1996, 593, 594; ders. , ZIP 1997, 671, 673; Wilhelm, in Knobbe-Keuk-GS, 321 , 357. 50 51
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träge einzufordern, nach dem sie sich die Verlustdeckungsansprüche der VorGmbH haben überweisen lassen. Dies ist umständlich, mühselig und risikoreich55 . Überdies stellt sich die Pro-rata-Haftung deshalb als unbefriedigend dar56, weil durch diese Art der Haftung den Gläubigern in unzumutbarer Weise das Risiko der richtigen Verteilung der anteiligen Haftung auferlegt wird, zumal sie sich mangels Publizität nicht über die inneren Verhältnisse der Gesellschaft informieren können. Als besonders gravierend erweist sich die Situation beim einstweiligen Rechtsschutz, denn dort müssten die Gläubiger zunächst gegen die Vor-GmbH vorgehen, um eine Teilforderung gegen die Gründer zu erlangen, womit eine Zeitverzögerung verbunden ist. Letzteres stellt sich dann als besonders prekär dar, wenn sich - salopp gesagt- auch der letzte Gründer auf dem Weg ins Ausland befindet57 . Die Unzulänglichkeit der Pro-rata-Haftung besteht darüber hinaus auch bei Zulassung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer im Falle der Vermögenslosigkeit der Vorgesellschaft58 . Soweit eingewandt wird, bei der unmittelbaren Inanspruchnahme müsse nach der Rechtsprechung - wegen zu bevorzugender gesamtschuldnerischer Haftung der Gründer -eine Pro-rata-Haftung verneint werden59, so überzeugt dies nicht. Eine derartige Interpretation der Rechtsprechung ist abzulehnen, da ansonsten von deren Billigkeitsargument - der nicht zurnutbaren gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme der Vorgesellschafter - nichts übrig bliebe60. Zudem hat sich die Rechtsprechung61 mittlerweile ausdrücklich für eine Prorata-Haftung in den Fällen einer Zulassung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer ausgesprochen. Mithin haften die Gründer nach der Rechtsprechung auch im Falle ihrer unmittelbaren Inanspruchnahme nur anteilig. Somit wirkt sich bei dieser ebenfalls die mangelnde Publizität der Vor-GmbH aus, da die Gläubiger das Maß der Beteiligung der Gesellschafter nicht kennen. Die Klage gegen die Gesellschafter gestaltet sich deshalb schon formal sehr schwierig. Gerade bei der Leistungsklage muss der geforderte Geldbetrag grundsätzlich genau beziffert sein62, damit dem Erfordernis der Bestimmtheit des Antrages gemäß § 253 Abs. 2 Beuthien, GmbHR 1996, 309, 311. K. Schmidt, ZIP 1997, 671, 673. 57 K. Schmidt, ZIP 1997,671,673. 58 Zur Pro-rata-Haftung in den Fällen der Zulassung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer vgl. BAG, BB 1997, 1208, 1209; BAG, GmbHR 2001, 919. Zwar hat das BAG (NJW 1998, 628, 629) in einer weiteren Entscheidung eine Pro-rata-Haftung abgelehnt, doch diese Entscheidung bezog sich auf den Fall der unechten Vor-GmbH, die dann vorliegen soll, wenn nach Aufgabe der Eintragungsahsicht der begonnene Geschäftsbetrieb fortgeführt werde. Deshalb kann die Annahme der Pro-rata-Haftung in den relevanten Durchgriffsfällen nicht als aufgegeben betrachtet werden. 59 Ensthaler, BB 1997,257, 259. 60 K. Schmidt, ZIP 1997, 671, 673; so auch Kleindieck, ZGR 1997, 427, 439. 61 BAG, GmbHR 2001, 919. 62 BGH, NJW 1994, 3102, 3103; Hamnann, in Baumbach/Lauterbach/ Albers /Hartmann, § 253 ZPO Rdnr. 49. 55
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Nr. 2 ZPO entsprochen wird. Bei der Pro-rata-Haftung dürfte dem wegen der mangelnden Publizität schwer zu entsprechen sein. (2) Gefährdung der Anspruchsdurchsetzung durch mangelnde Publizität
Die Anspruchsdurchsetzung ist, wie bereits angedeutet, nicht nur durch die Ausgestaltung der Gründerhaftung als Pro-rata-Haftung gefährdet, sondern auch durch die mangelnde Publizität der Vorgesellschaft Da keine Gesellschafterlisten eingesehen können, kann nicht festgestellt werden, mit welchen Anteilen die Gesellschafter beteiligt sind63 . Wegen dieser undurchsichtigen Verhältnisse erscheint die Anspruchsdurchsetzung schon formal fast aussichtslos64 . (3) Beweisprobleme bei den vom BGH zugelassenen Ausnahmefällen
Selbst in den Fällen, in denen der BGW5 ausnahmsweise die unmittelbaren Inanspruchnahme der Gesellschafter nach Durchgriffsgesichtspunkten66 zulässt, stehen die Gläubiger bei der Anspruchsdurchsetzung vor weiteren Problemen. Gegen die Annahme der einen Ausnahme, nämlich im Fall der masselosen Insolvenz der Vor-GmbH, wird schon eingewandt, dass er gar nicht eintreten könne, da es zur Insolvenzreife der Vorgesellschaft wegen der auf der Aktivseite zu beAltmeppen, NJW 1997, 3272, 3274; Ehses, Gründerhaftung, S. 77. Raiser/Veil, BB 1996, 1344, 1348. 65 BGH, NJW 1997, 1507 ff. 66 Zwar spricht der BGH von unmittelbarem Zugriff, jedoch geht Ulmer (ZIP 1996, 733, 737), auf den der BGH in seinem Urteil Bezug nimmt, von einer unmittelbaren Inanspruchnahme nach Durchgriffsgesichtspunkten aus. Der Begriff Durchgriff ist bei der rechtlichen Behandlung der eingetragenen GmbH entwickelt worden. Dort herrscht grds. das Trennungsprinzip, nach dem Gesellschaftsvermögen u. Privatvermögen verschiedenen Rechtsubjekten zugeordnet sind. Inwieweit dieser Grundsatz bei der Vorgesellschaft Geltung erlangt, wird zu Beginn des dritten Teils (§ 8) noch zu klären sein. Der Durchgriff gilt als Ausnahme vom Trennungsprinzip und ist besonders bei der sog. Durchgriffshaftung bedeutsam. Der BGH (Z 22, 226, 230, dort Bezugnahme auf RGZ 99, 232, 234) lässt die persönliche unmittelbare Haftung der Gesellschafter in Anlehnung an die sog. institutionelle Durchgriffshaftung zu, wenn der Durchgriff geboten ist, weil die Verwendung der Unternehmensform GmbH derer einer juristischen Person im konkreten Fall nicht entspricht, also vor allem wenn die Form missbraucht wird oder die Berufung auf das Trennungsprinzip gegen Treu und Glauben verstoßen würde (vgl. dazu Hueck, GesR, § 36 II. 5.) und wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsache es dem Richter gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbstständigkeit hintaostehen zu lassen. Im Hinblick auf das Trennungsprinzip ergibt sich insofern eine Vergleichbarkeit, als in den vom BGH zugelassenen Ausnahmefailen der Schutz der Gesellschafter hinter den Gläubigerinteressen zurückzustellen ist und eine Anwendung der Grundsätze der Innenhaftung nicht gerechtfertigt erscheint. 63
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rucksichtigenden Verlustdeckungsanspruche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter nicht käme67 • Aber selbst diejenigen, die den Eintritt der masselosen Insolvenz für möglich halten, erkennen das Problem, dass die Gläubiger das Vorliegen des Ausnahmefalls beweisen müssten, um die Grundungsgesellschafter unmittelbar in Anspruch nehmen zu können68 . Dass diese Befürchtung nicht unbegrundet ist, zeigt eine Entscheidung des BAG69 , in der das Gerichttrotz der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse(!) eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter nicht zugelassen hatte, weil die Beklagte (die Gesellschafterin) das Vorliegen von Betriebsvermögen hervorbrachte70. Dies beweist, dass der Gläubigerschutz nach dem Innenhaftungskonzept infolge der Beweisschwierigkeiten als wenig effektiv angesehen werden kann. Ferner ist auch die Zulassung des zweiten Ausnahmefalles von der Innenhaftung, die direkte Inanspruchnahme des Grunders bei Einmanngrundungen, zweifelhaft, da der Gläubiger angesichts fehlender Publizität nicht weiß, wie viele Gesellschafter an der Vor-GmbH beteiligt sind, wenn er vielleicht nur mit dem Geschäftsführer verhandelt hat71 . (4) Langwierigkeif der Rechtsdurchsetzung
Außerdem folgen die Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung für die Gläubiger aus dem komplizierten und vor allem langwierigen Weg der Rechtsverfolgung, der sich folgendermaßen nachzeichnen lässt72 : - Klage gegen die Vor-GmbH; - bei mangelnder Befriedigung, Pfändung und Überweisung der Verlustdeckungsanspruche; - bei Nichtzahlung der Gesellschafter, Erhebung der Drittschuldnerklage; - anschließend Versuch der Vollstreckung des Urteils; - bei Nichtbefriedigung Geltendmachung der Ausfallhaftung gemäß § 24 Satz 2 GmbHG analog gegen die anderen Gesellschafter. Vor dem Hintergrund dieses langwierigen Weges der Rechtsdurchsetzung wird klar, dass vor allem Gläubigern mit kleineren Forderungen faktisch die Möglich67 68 69 70
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Altmeppen, NJW 1997, 1509, 1510; ders., NJW 1997, 3272, 3273. Müther; MDR 2001,366, 368; Raiser/Veil, BB 1996, 1344, 1348. BAG, BB 1997, 1208, 1209. Ensthaler, BB 1997, 1209, 1210. Altmeppen, NJW 1997,3272, 3274; Ehses, Gründerhaftung, S. 84 f. Müther, MDR 2001, 366, 368; Schöpflin, JR 1998, 106, 107.
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keit der Anspruchsdurchsetzung genommen ist, weil der Aufwand nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Forderung steht73 . Im Endeffekt nimmt die neuere Rechtsprechung den Gläubigem im Gründungsstadium zwar das Verlustrisiko ab, erlegt ihnen aber zugleich die Rückgrifflast auf. Folglich kann von einem effektiven Gläubigerschutz nicht gesprochen werden. (5) Verzögerungsrisiko
Probleme bei der Anspruchsdurchsetzung bringt überdies die Stichtagsbezogenheit74 der Innenhaftung mit sich. Der Anspruch aus der Unterbilanzhaftung entsteht nämlich erst zum Zeitpunkt der Eintragung und der Anspruch aus der Verlustdeckungshaftung zum Zeitpunkt des Scheiteros der Gründung. Die Stichtagsbezogenheit ist zwar, wie bereits angedeutet75 , nachvollziehbar begründet worden, verzögert jedoch den Zugriff auf das Privatvermögen der Gründungsgesellschafter erheblich. (6) Möglichkeit der Verschleierung von Privatvermögen
Schließlich besteht auch gerade wegen des Entstehungszeitpunktes des Verlustdeckungsanspruchs die Möglichkeit der Verschleierung von privaten Vermögenswerten. Das Innenhaftungskonzept begünstigt unseriöse Gründungen76, denn das späte Entstehen des Verlustausgleichsanspruchs bietet einen Anreiz für "windige" Geschäftsleute, eine GmbH zu gründen und schon im Gründungsstadium Verpflichtungen einzugehen, deren Erfüllung sie sich höchstwahrscheinlich - etwa durch Übertragung von Vermögenswerten auf nahestehende Verwandte - zu Lasten der Gläubiger entziehen können77 • 4. Strafrechtliche Konsequenzen
Wie schon eingangs erwähnt78, ergibt sich gegenüber der Betrachtung der älteren Konzeption zur Gründerhaftung im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH und der Gläubiger keine Änderung. Lediglich die Begründung ist etwas anders akzentuiert. War unter Zugrundelegung des älteren GründerhaftungsSchöpjlin, JR 1998, I 06, 107. Gegen eine Stichtagsbezogenheit schon Meister; in Wemer-FS, 521, 547; Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 165. 75 § I I. 3. c) aa). 76 Schöpjlin, JR 1998, 106, 107. 77 Raiser/Veil, BB 1996, 1344, 1348. 78 § II. 3. am Anfang. 73
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modells schon nach dem theoretischen Grundkonzept keine hinreichende Kompensation für die Vermögensverlagerungen aus dem eingebrachten Vermögen möglich, ist dieser Mangel zwar nach den neueren Konzepten zur Gründerhaftung - zumindest nach dem Außenhaftungs- und dem Innenhaftungsmodell - behoben. Sowohl Außen- als auch Innenhaftungsmodell sind nach ihrem theoretischen Grundkonzept als unbeschränkte Haftungen ausgestaltet. Die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger und der Vor-GmbH ergibt sich aber aus den Problemen bei der Durchsetzung der Gläubigeransprüche wegen der Ausgestaltung der Haftung sowie der Eigenart der Vor-GmbH. Die aufgezeigten faktischen Durchsetzungsprobleme bei den Gläubigeransprüchen verdeutlichen, dass auch unter Zugrundelegung der neueren Haftungskonzepte - entgegen der übereinstimmenden Sichtweise in der strafrechtlichen Literatur - nicht von einer hinreichenden Kompensation der Vermögensverlagerungen auszugehen ist. Deshalb ist ein strafrechtlicher Schutz der Gläubiger und der Vor-GmbH vor Eingriffen der Gründer und des Geschäftsführers in das eingebrachte Vermögen zu gewähren, zumal eine Schutzbedürftigkeit von Rechtsgütern auch bei faktischer Unzulänglichkeit zivilrechtlicher Ausgleichsmöglichkeit nicht entfallt79 • Gerade weil die zivilrechtliche Ausgleichsfunktion hier nicht greift, besteht nach Betrachtung der Gründerhaftung eine Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH mit den Mitteln des Strafrechts. Die strafrechtliche Sanktionierung der Vermögensverlagerungen könnte dazu beitragen, die Zahl der unseriösen Gründungen wegen der von der Sanktionierung ausgehenden Präventionswirkungen zu verringern80.
II. Handelndenhaftung Als hinreichende Kompensationsmöglichkeit für Verlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH könnte aber die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift haften die Handelnden, die vor Eintragung im Namen der Gesellschaft tätig geworden sind, persönlich und solidarisch. Der Haftung des § 11 Abs. 2 GmbHG unterliegen nach der Rechtsprechung81 nur Geschäftsführer und wie Geschäftsführer handelnde Personen, wobei diese Haftung nur an die rechtsgeschäftliche Betätigung anknüpft. Die Randelndenhaftung gilt nicht für gesetzliche Ansprüche82 und solche, die aus rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen resultieren 83 . Des Weiteren ist wesentlich, dass die Haftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG ausschließlich gegenüber Dritten und nicht gegenüber den Gesellschaftern besteht84. Zu letzterem Aspekt Lampe, GA 1987, 241,244 f. Raiser/Veil, BB 1996, 1344, 1348. 81 BGHZ 47, 25, 28; BGHZ 65, 378, 381; BGHZ 91, 148, 152. 82 Rittner/Schmidt-Leithoff, in Rowedder, § 11 GmbHG Rdnr. 107; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 106. 83 So aber OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958. 79
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Eine Mindermeinung im Schrifttum85 sieht unter Ablehnung der Gründerhaftung als Kompensationsmöglichkeit für Verluste des Gesellschaftsvermögens der Vor-GmbH ausschließlich die Handelndenhaftung an. Demzufolge könnte die Handelndenhaftung als Ausgleich für Auskehrungen aus dem Vermögen der Vorgesellschaft in Betracht kommen.
1. Bedenken gegen die Handelndenhaftung wegen Funktionslosigkeit des § 11 Abs. 2 GmbHG Jedoch gab und gibt es Bestrebungen, auf die Handelndenhaftung gänzlich zu verzichten86. Aufgrund des Wandels in der rechtlichen Beurteilung der VorGmbH87 würden sich die der Handelndenhaftung vom Gesetzgeber zugedachten Funktionen nicht mehr als einschlägig erweisen. Die Anwendung der Handelndenhaftung führe unter den derzeit bestehenden Verhältnissen zu keinem sinnvollen Ergebnis88. Methodisch könne auf § 11 Abs. 2 GmbHG durch die uneingeschränkte Anwendung des Satzes "cessante ratione legis cessat Iex ipsa" verzichtet werden89. Dem durch die Nichtanwendung dieser Regelung vernachlässigten Gläubigerschutz, etwa in Fällen, in denen der Geschäftsführer ohne Vertretungsmacht handelt, sei entweder durch § 179 Abs. 1 BGB90 oder eine vorzeitige Anwendung von § 37 Abs. 2 GmbHG91 Rechnung zu tragen.
a) Wandel des Verständnisses der Handelndenhaftung Die Handelndenhaftung ist ein Überbleibsel des Konzessionssystems92 , das inzwischen durch das Normativsystem93 abgelöst wurde. § 11 Abs. 2 GmbHG geht wie § 41 AktG im Wesentlichen unverändert auf die Regelung des Art. 211 ADHGB zurück, die der Gesetzgeber im Jahre 1892 kommentarlos in das GmbH84 Rittner/Schmidt-Leithoff, in Rowedder, § 11 GmbHG Rdnr. 113; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 108. 85 Derwisch-Ottenberg, Haftungsverhältnisse, S. 67. 86 Z. B. Weimar, GmbHR 1988, 289, 298, der die Handelndenhaftung als antiquiertes Gebilde bezeichnet; ähnlich Lieb, in Stimpel-FS, 399, 405, der sie als Fremdkörper oder .,Störenfried" ansieht, ders. schon in, DB 1970, 961, 967; ähnliche Erwägungen auch bei Brock, Haftungssituation, S. 99. 87 Vgl. dazu in der Einführung unter I. 1. 88 Brock, Haftungssituation, S. 102. 89 Brock, Haftungssituation, S. 111 f.; ihm folgend Weimar, GmbHR 1988, 289, 298. 90 So Weimar, GmbHR 1988,289,298. 91 So Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 125. 92 Zum Begriff vgl. oben Fn. 11 in der Einführung. 93 Zum Begriff vgl. oben Fn. 12 in der Einführung.
§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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Gesetz übernommen hatte. Im Wesentlichen kamen der Handelndenhaftung nach dem Modell des Konzessionssystems folgende drei Funktionen zu : 1. Da die Existenz der Vorgesellschaft geleugnet wurde, sollte jedes vorzeitige Handeln für die erst entstehende GmbH durch Anwendung unbeschränkter Haftung unterbunden werden (sog. Straffunktion). 2. Weiterhin sollte die Handelndenhaftung die Gründer zur Beschleunigung des Einttagungsverfahrens und zur Vermeidung überflüssiger Geschäfte anhalten (sog. Druckfunktion). 3. Wegen des Bestreitens der Existenz der Vor-GmbH wollte man dem Gläubiger durch die Handelndenhaftung in der Person der Funktionäre wenigstens einen Schuldner zur Verfügung stellen (Sicherungsfunktion). Diese Funktionen erfüllt die Handelndenhaftung nach heutigem Verständnis nicht mehr. Die Straffunktion trägt nicht mehr, weil aus § 11 Abs. 1 GmbHG e contrarius kein Argument für das Nichtbestehen der Gesellschaft folgt94. Ferner kommt der Handelndenhaftung nunmehr auch keine Druckfunktion zu. Zum einen ist die Eignung der Handelndenhaftung dazu ohnehin fraglich, weil sich der Druck gegen die falschen Personen richtet95 • Zwar ergibt sich aus § 78 GmbHG die Zuständigkeit des Geschäftsführers für die Eintragung der Gesellschaft, jedoch sind für die nach § 8 Abs. 1 GmbHG beizubringenden Unterlagen fast ausnahmslos die Gründer verantwortlich. Letztere sieht aber der BGH96 nicht mehr als Handelnde i. S. d. § 11 Abs. 2 GmbHG an. Zum anderen wird es vielfach nicht gänzlich in der Macht der Gründer liegen, eine zügige Eintragung zu bewirken, da das Tempo der Eintragung häufig maßgeblich vom Registergericht abhängt. Darüber hinaus stellt sich die Druckfunktion der Handelndenhaftung auch deshalb als zweifelhaft dar, weil die Haftung unter Umständen zugleich denjenigen treffen kann, der für eine zügige Eintragung gesorgt hat. Ebenfalls nicht mehr zu akzeptieren ist die Sicherungsfunktion. Seit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots und der damit verbundenen Anerkennung der Vorgesellschaft als Unternehmensträger ist die Vorgesellschaft selbst Haftungsobjekt, also Schuldnenn der im Gründungsstadium eingegangenen Verbindlichkeiten97 • Damit droht den Gläubigem nicht mehr die Gefahr, ohne Schuldner dazustehen.
94 95 96 97
Klein, Rückgriffsanspruch, S. 18. Klein, Rückgriffsanspruch, S. 19 f. BGHZ 47, 25, 29. Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 117.
Teil I: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
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b) § 11 Abs. 2 GmbHG und das EG-Recht Der Wegfall der Funktionen, die § 11 Abs. 2 GmbHG ursprünglich zugedacht waren, spricht für dessen Nichtanwendung. In der Literatur werden indes dagegen Bedenken erhoben98 . Der Anwendung des Satzes "cessante ratione legis cessat Iex ipsa" auf § 11 Abs. 2 GmbHG stünde Art. 7 der Ersten Gesellschaftsrechts-EGRichtlinie zur Koordinierung der Schutzbestimmungen99 entgegen. Diese Richtlinie lautet : "Ist im Namen einer in Gründung befindlichen Gesellschaft gehandelt worden, ehe diese die Rechtsfabigkeit erlangt hat, und übernimmt die Gesellschaft die sich aus diesen Handlungen ergebenden Verpflichtungen nicht, so haften die Personen, die gehandelt haben, aus diesen Handlungen unbeschränkt als Gesamtschuldner, sofern nichts anderes vereinbart worden ist."
Der nationale Gesetzgeber müsse den Regelungsinhalt der Richtlinie beachten100, da die Richtlinie einen Mindeststandard an Gläubigerschutz sichere. Die Nichtanwendung des § 11 Abs. 2 GmbHG verstoße daher gegen die Richtlinie. Nach zutreffender anderer Auffassung 101 ist eine Nichtbeachtung des§ I 1 Abs. 2 GmbHG dagegen mit der Richtlinie vereinbar. Keine Zustimmung verdient zwar die Behauptung 102, die Vor-GmbH sei bereits eine Rechtsperson, weil dem schon die Regelungen der§§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 2 GmbHG entgegenstehen. Im Übrigen ist die Argumentation der letztgenannten Ansicht aber überzeugend. Es fehlt nämlich an einer durch die Richtlinie vorausgesetzten Übernahme der Verpflichtungen, da bei der Vor-GmbH die Rechte und Pflichten ohne besonderen Übertragungsakt auf die eingetragene GmbH 103 übergehen 104. Infolge des übertragungsaktslosen Übergangs von Rechten und Pflichten von der Vorgesellschaft auf die eingetragene Gesellschaft ist darüber hinaus die von der Richtlinie unterstellte Wahlmöglichkeit bei der Übernahme der Verpflichtungen nicht gegeben 105 . Überdies treten entsprechend der Richtlinie die Haftungsauswirkungen erst nach der Eintragung ein, da nur dann feststeht, ob die Verpflichtungen aus dem Gründungsstadium übernommen wurden oder nicht. Bei der Vor-GmbH erlischt hingegen nach herrschender Meinung 106 die Handelndenhaftung nach der Eintragung. 98 Derwisch-Ottenberg, Haftungsverhältnisse, S. 43; Hautkpappe, Gründerhaftung, S. 75 f.; Klein, Rückgriffsanspruch, S. 31; Schäfer-Gölz, Vorbelastungsverbot, S. 174. 99 Vgl. ABI. EG L Nr. 65 vom 14. 03. 1968; S. 8, 11. 100 Hautkpappe, Gründerhaftung, S. 75 f.; Klein, Rückgriffsanspruch, S. 31 ; Schneider; Vorbelastungshaftung, S. 50.
101 102
Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 125; Weimar; GmbHR 1988, 289,298. Weimar; GmbHR 1988, 289,298.
104
Zur Identität und Kontinuität im einzelnen unter § 8 III. 6. d) cc) (2). Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 125.
105
Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 125.
103
§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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Deshalb kann die Vor-GmbH in Anbetracht ihrer Entwicklung nicht mit der von der Richtlinie vorausgesetzten Gesellschaftsform verglichen werden. Die Richtlinie ist somit nicht auf die Vor-GmbH anzuwenden und steht einem Verzicht auf die Anwendung des § 11 Abs. 2 GmbHG nicht entgegen. c) Ausgleichsfunktion der Handelndenhaftung
Der Verzicht auf die Anwendung des § 11 Abs. 2 GmbHG wäre aber nur dann möglich, wenn die Vorschrift unter Zugrundelegung der heutigen Verhältnisse keinen anderen, vernünftigen Zweck zu erfüllen vermag 107 . § 11 Abs. 2 GmbHG müsste also gänzlich funktionslos geworden sein. Zwar besitzt die Regelung heute nicht mehr die ihr vom Gesetzgeber ursprunglieh zugedachten Funktionen. Der Handelndenhaftung kommt aber aus heutiger Sicht die sog. Ausgleichsfunktion zu. Diese Aufgabe resultiert aus der mangelnden Publizität der Vor-GmbH. Die Gläubiger kennen aufgrund der zumeist mit den Geschäftsführer geführten Verhandlungen infolge der fehlenden Publizität weder den Gesellschaftsvertrag noch die Gesellschafter. Das Risiko dieses Informationsdefizits darf nicht dem Rechtsverkehr auferlegt werden 108 . Daher ist den Gläubigern in Form der Handelndenhaftung ein Ausgleich für die fehlende Publizität der Vor-GmbH zu gewähren 109• Die gegen die Anerkennung einer Ausgleichsfunktion von Teilen der LiteraturliD vorgebrachten Bedenken greifen nicht durchlll. Die Ablehnung der Ausgleichsfunktion mit der Begriindung, eine Priifung der Finanzgrundlagen und der Wirtschaftlichkeit der geplanten Tätigkeit finde nicht statt und eine persönliche Gesellschafterhaftung sei anerkannt 112, verfängt nicht, weil sich die Ausgleichsfunktion nicht auf die fehlende registergerichtliche Kontrolle des Vor-GmbH-Vermögens, sondern vielmehr auf die fehlende Publizität der Vor-GmbH bezieht. Gerade die fehlende Publizität erfordert die Anerkennung der Ausgleichsfunktion der Handelndenhaftung. Damit ist die Handelndenhaftung keineswegs funktionslos, so dass die Anwendung des Satzes "cessante ratione legis cessat Iex ipsa" auf § 11 Abs. 2 GmbHG ausscheidet.
106 BGHZ 69, 95, 103 f. ; 70, 132, 139 ff.; 80, 182; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 118. 107 Larenz, Methodenlehre, S. 351; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 171. lOS Derwisch-Ottenberg, Haftungsverhältnisse, S. 61. 109 BGHZ 80, 182, 184; so auch Lutter, JuS 1998, 1073, 1078. uo Weimar, GmbHR 1988, 289, 297. 111 Knoche, Griinderhaftung, S. 39 f. 112 Brock, Haftungssituation, S. 105 f.
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2. Konzepte zur Abwicklung der Handelndenhaftung
Aus der weiterhin erforderlichen Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 GmbHG ergibt sich das Problem der praktischen Handhabbarkeit der Handelndenhaftung, insbesondere der Abwicklung im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer, Gründungsgesellschaftem und Vorgesellschaft nach Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Handelndem durch die Gläubiger. Konkret geht es darum, ob dem Handelnden neben dem unstreitig gegebenen Rückgriffsanspruch gegen die Vorgesellschaft113 auch eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gründungsgesellschafter zu gewähren ist. Bei der Lösung des Problems sind zwei Gesichtspunkte zu beachten. Zum einen muss verhindert werden, dass es zu einem Widerspruch zum Innenhaftungskonzept der Rechtsprechung zur Gründerhaftung kommt. Daher stellt sich diese Frage als Fortführung der Auseinandersetzung um die Innen- und Außenhaftung der Gründer dar114. Zum anderen muss sich die Lösung des Problems der unmittelbaren Haftung der Gründer gegenüber den Handelnden daran orientieren, dass § 11 Abs. 2 GmbHG den Geschäftsführern als bloßen Repräsentanten der Vorgesellschaft das wirtschaftliche Risiko der Startphase nicht auferlegen darf. Die wirtschaftliche Position der (Fremd-) Geschäftsführer darf nicht mit dem Erfolg oder Misserfolg der Gründung verknüpft sein 115 • Die Geschäftsführer verbindet mit dem Verband schließlich kein eigenes Anlage- und Investitionsinteresse 116• Die Risiko- und Verlusttragung der Organe würde sich als Anomalie darstellen 117 . § 11 Abs. 2 GmbHG beinhaltet folglich keine endgültige Verlustrisikozuweisung an die Handelnden. a) Unmittelbare Haftung der Gründer gegenüber den Handelnden
Wie die eben benannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Ein Teil der Literatur 118 geht von einer unmittelbaren Haftung der Gründer gegenüber den Handelnden aus. Danach kann der Geschäftsführer seine Regressansprüche unmittelbar gegen die Gründer geltend machen. Zum Teil wird dieser Weg jedoch mit der Begründung abgelehnt, zwischen den Geschäftsführern und den Gründem bestünden keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen, zumal der Anstellungsvertrag, der als Rechtsgrundlage eines Regressanspruchs in Betracht käme, zwischen der Vorgesellschaft und dem Geschäftsführer geschlossen werde 119. Diesem Einwand setzen sich die Befiirworter einer unmittelbaren Inan113 114
115 116 117
118 119
Vgl. nur Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 34m. w. N. K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 115. Roth, ZGR 1984,597, 621. Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 33. Lieb, in Stimpel-FS, 399, 403. Flume, NJW 1981, 1753, 1755; Meister, in Werner-FS, 521, 551. LutterI Hommelhoff, § II GmbHG Rdnr. 17.
§ 1 Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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spruchnahme der Gründer durch die Handelnden aber nicht aus, weil sie den Innenregress zwischen Geschäftsführer und Gründer mittels Schuldbefreiungszusage120 bewältigen wollen. Dabei brauche die Schuldbefreiungszusage nicht ausdrücklich zu erfolgen, sondern sie könne auch konkludent durch die Anweisung der Gründer erfolgen, eine werbende Tätigkeit aufzunehmen 121 . Diese Auffassung wird zwar der Vorgabe der nicht angebrachten Verlustrisikozuweisung an die Handelnden gerecht. Eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gründer durch die Handelnden kommt aber nur unter Zugrundelegung des Außenhaftungskonzepts bei der Gründerhaftung in Betracht. Auf der Grundlage des Modells der Innenhaftung ist eine unmittelbare Inanspruchnahme dagegen abzulehnen. Sie widerspräche dem Innenhaftungskonzept zur Gründerhaftung, weil eine Regressmöglichkeit der Geschäftsführer gegen die Gründungsgesellschafter bestünde und damit im Ergebnis zu deren unmittelbaren Außenhaftung führen würde, indem die Rückgriffsansprüche der Geschäftsführer dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger unterlägen und nach Pfändung und Überweisung(§§ 829, 835 ZPO) gegen die Gründer geltend gemacht werden könnten 122.
b) Einlagenhaftung der Gründer gegenüber den Handelnden Die Rechtsprechung 123 hat unter Geltung ihrer früheren Ansicht zur beschränkten Gründerhaftung (bei Nichteintragung) zwar einen unmittelbaren Regress der Handelnden gegenüber den Gründungsgesellschaftern zugelassen, dabei aber die Haftung der Gründer konsequent auf die Einlageerbringung beschränkt. Die eine GmbH gründenden Gesellschafter wollten schließlich kein größeres Risiko als die Erbringung der statuarisch festgelegten Einlagen eingehen. Daraus sei die Konsequenz zu ziehen und eine Schadloshaltung der Geschäftsführer nur in Höhe der Einlageerbringung anzunehmen. Eine derartige Sichtweise führt nach ihrem theoretischen Grundkonzept wegen der Beschränktheit der Haftung zur endgültigen Verlustrisikozuweisung an die Handelnden, die es gerade zu vermeiden gilt. Sie überzeugt daher nicht. Offen bleibt aber, wie die Rechtsprechung nach Geltung des im Jahre 1996 herausgearbeiteten Innenhaftungskonzepts die Regressfrage beurteilt. Sie hat zu diesem Punkt noch nicht Stellung bezogen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Rechtsprechung konsequenterweise zur Verneinung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer gelangen würde. 12o Erfolgt die Veranlassung des Geschäftsführers zur Aufnahme eines Geschäftsbetriebes im Stadium der Vor-GmbH und wird damit das Risiko der Handelndenhaftung in Kauf genommen (im Falle nicht hinreichender Deckung des Stammkapitals), so liegt darin eine neben dem Anstellungsvertrag bestehende Schuldbefreiungszusage der Gründungsgesellschafter persönlich gegenüber dem Geschäftsführer (vgl. dazu Knoche, Gründerhaftung, S. 116 f.). 121 Knoche, Gründerhaftung, S. 117. 122 Meister, in Werner-FS, 521, 552. 123 BGHZ 86, 122, 126.
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c) Haftung der Vor-GmbH gegenüberden Handelnden
Die Konsequenz der strikten Einhaltung des Innenhaftungskonzepts ist die Nichtzulassung der Regressansprüche der Geschäftsführer gegen die Gründer. Daher verbliebe es bei den Ansprüchen der Geschäftsführer gegen die Vorgesellschaft Die Beschränkung des Innenregresses auf die Vorgesellschaft trägt der Forderung nach einem stimmigen Haftungskonzept im Hinblick auf Gründer- und Handelndenhaftung hinreichend Rechnung und würde nach dem theoretischen Grundkonzept auch nicht zu einer endgültigen Verlustrisikozuweisung an die Handelnden führen, weil ein Ausgleich mittels der Gründerhaftung erfolgt, soweit eine Unterbilanz oder ein Verlust besteht 124 . Zu bedenken ist aber aus praktischer Sicht, dass in den problematischen Gründungsfallen die Gefahr eines Ausfalls der Gesellschafter als Haftungssubjekte infolge der Stichtagsbezogenheit der Gründerhaftung besteht, etwa weil es zu Verschleierungen des Privatvermögens gekommen ist. Es sind daher bei Vemeinung der unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer dieselben Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung wie bei der Gründerhaftung zu verzeichnen. Das Verlustrisiko würde damit letztlich faktisch doch wieder den Handelnden auferlegt werden. Dieses ,,Szenario des Totalausfalls" aller Gründer und die damit verbundene Verlusttragung durch die Handelnden wird in der Literatur 125 als im Sinne des Sicherungszwecks der Handelndenhaftung und als Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Gläubigerschutzes angesehen. Dieser Sicht muss jedoch widersprochen werden. Zum einen ist die Sicherungsfunktion der Handelndenhaftung bereits abgelehnt worden. Zum anderen ist die endgültige Verlustrisikozuweisung an die Handelnden eben auch nicht erwünscht. Um der endgültigen Verlustrisikozuweisung an die Handelnden zu entgehen, wird vorgeschlagen 126, die Handelndenhaftung dann auszuschließen, wenn den Gläubigem sämtliche Gründungsgesellschafter bekannt sind. Die Geschäftsführer sollen also die Handelndenhaftung dadurch abwenden können, dass sie den Vorgesellschaftsgläubigern die Namen und ladungsfahigen Anschriften der Gründer mitteilen. Für diesen Vorschlag spricht, dass der Zweck der Handelndenhaftung (Ausgleichsfunktion) in dieser Konstellation entfallt. Jedoch findet er im Gesetz keine Grundlage, so dass ein solcher Ausschluss der Handelndenhaftung nicht durchsetzbar erscheint. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Anspruchsdurchsetzung ist deshalb eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gründer durch die Handelnden abzulehnen, weil 124 Anders Schütz, Verlustausgleichsansprüche, S. 35, der davon ausgeht, dass nur die Haftungsmasse des gegenständlich eingebrachten Gesellschaftsvermögens zur Verfügung steht. 125 Wiedenmann, ZIP 1997,2029, 2036. 126 Beuthien, ZIP 1996, 360, 367.
§ I Unzureichende zivilrechtliche Kompensation von Vermögensverlagerungen
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es ansonsten zu Unstimmigkeiten mit dem Innenhaftungsmodell kommt, da letzteres eben gerade keine unmittelbare Haftung der Gründer zulässt. 3. Strafrechtliche Konsequenzen aus der Betrachtung der Handelndenhaftung
Welcher Sichtweise zur Inanspruchnahme der Gründer durch die Handelnden auch gefolgt wird, eine hinreichende Kompensation für die Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen ergibt sich nach ihnen nicht, weil die Handelndenhaftung nur für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschlägig ist und die gesetzlichen Ansprüche der Gläubiger nicht erfüllt werden. Ferner ist die Handelndenhaftung als Instrument einer angemessenen Kompensation ungeeignet, weil die Vermögensverhältnisse der Geschäftsführer, insbesondere der Fremdgeschäftsführer, eine Befriedigung der Gläubiger häufig nicht zulassen werden 127 • Zudem ist der Handelndenhaftung, wie dies der BGol 28 schon früher angedeutet hat, nur ein Notcharakter beizulegen, so dass von einer geringen praktischen Relevanz auszugehen ist 129• Dies belegen auch die jüngsten Entscheidungen der Zivilgerichte 130, die sich ausschließlich mit der Gründerhaftung beschäftigen und der Handelndenhaftung keine Aufmerksamkeit widmen. Wegen des Notcharakters der Handelndenhaftung 131 werden sich die Gläubiger zunächst an die Gründer und bei Erfolglosigkeit dieses Unterfangens an die Handelnden wenden. Dadurch besteht für letztere die Möglichkeit der Verschleierung von Privatvermögen. Deshalb ist die Handelndenhaftung, insbesondere bei problematischen Gründungen, unabhängig von der Zulassung einer unmittelbaren Inanspruchnahme der Gründer durch die Handelnden - entgegen der einhelligen Auffassung in der strafrechtlichen Literatur - kein geeignetes Instrument, um die Verlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH zu kompensieren, so dass sowohl eine strafrechtliche Schutzbedürftigkeit der Vor-GmbH als auch der Vorgesellschaftsgläubiger anzunehmen ist.
Ulmer, ZGR 1981, 593, 612. BGHZ 80, 129, 136. 129 Ulmer, ZGR 1981,593,612. no Vgl. die zur Gründerhaftung besprochenen Urteile oben unter§ 11. 3. c) aa). 131 Theoretisch besteht zwar im Hinblick auf die Anwendung des § 11 Abs. 2 GmbHG kein Verzögerungsrisiko. Dennoch ist aber faktisch ein solches möglich, wenn die Geltendmachung der Handelndenhaftung wegen deren Notcharakters erst nach der erfolglosen Inanspruchnahme der Gründer erfolgt. 127
12s
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte
auf die Vor-GmbH?
Da sich die zivilrechtliehen Reaktionsmöglichkeiten auf Verlagerungen von Vermögensbestandteilenaus dem Vermögen der Vor-GmbH in das der Gesellschafter als unzureichend erwiesen haben, ist zu klären, ob das Strafrecht die Gläubiger und die Vor-GmbH vor solchen Manipulationen schützt. Die nähere Betrachtung zeigt, dass die eigentlichen Insolvenzdelikte nicht eingreifen.
I. Bankrott,§ 283 StGB Unanwendbar im Zusammenhang mit der Insolvenz der Vor-GmbH ist zunächst der Tatbestand des Bankrotts gemäß § 283 StOB. 1. Sonderdeliktscharakter des§ 283 StGB
Bei den Insolvenzdelikten der §§ 283-283 c StGB handelt es sich um echte Sonderdelikte. Das folgt aus der objektiven Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StOB, nach der nur dezjenige als Täter in Betracht kommt, der die Zahlungen eingestellt hat oder über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist 132• Aus der Fassung des § 283 Abs. 6 StOB wird deutlich, dass als Täter der Insolvenzdelikte der §§ 283283 c StOB nur der Schuldner in Betracht kommt 133 . Es ist deshalb zu klären, wer Schuldner der Verbindlichkeiten ist, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Vor-GmbH begründet wurden. Die unmittelbare Anwendung des § 283 StOB käme nur dann in Betracht, wenn deren Organe (Gründungsgesellschafter, Geschäftsführer) als Schuldner im Sinne des § 283 Abs. 6 StOB anzusehen wären. Dies ist jedoch zu verneinen. Eindeutig abzulehnen ist eine Schuldnereigenschaft des Fremdgeschäftsführers im Sinne des § 283 Abs. 6 StGB. Er kann zwar im Rahmen der Handelndenhaftung von den Gläubigem in Anspruch genommen werden. Jedoch ist er nicht in der Aufzählung des § 11 InsO enthalten, der die Schuldner im Insolvenzverfahren bestimmt. Auch die Gründungsgesellschafter sind nicht Schuldner. Unzweifelhaft gilt dies bei Anwendung des Innenhaftungskonzepts des BGH 134 und dem Konzept des 132 Tröndle/Fischer, vor§ 283 StGB Rdnr. 20; Maurach/Schroeder/Maiwald, StratR-BT 1, § 48 Rdnr. 19. 133 Kühl, in Lackner/Kühl, § 283 StGB Rdnr. 2; Tiedemann, NIW 1977,777,779. 134 BGH, ZIP 1996, 590, 592; bestätigt durch BGHZ 134, 333, 339.
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH?
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gänzlichen Haftungsverzichts. Nach diesen Ausgestaltungen der Gründerhaftung kommt als Schuldner für die Ansprüche der Gläubiger und damit als Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren nur die Vorgesellschaft selbst in Betracht. Konsequenterweise bestimmt sich die Insolvenzfähigkeit der Vor-GmbH dann nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO, da sie aufgrundihrer körperschaftlichen Struktur 135 im Hinblick auf die Insolvenzfähigkeit dem nichtrechtsfähigen Verein gleichgestellt werden kann 136. Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren deshalb nur die VorGmbH137. Die unmittelbare Anwendung des § 283 StGB scheidet aber auch bei Annahme einer Außenhaftung der Gründungsgesellschafter aus. Eindeutig muss die alleinige Anwendung des § 283 StGB wiederum im Falle des Fremdgeschäftsführers verneint werden, weil diesem aus den oben genannten Gründen eindeutig keine Schuldnereigenschaft zukommt. Aber auch auf die Gründungsgesellschafter kann § 283 StGB nicht unmittelbar angewendet werden. Da die Außenhaftung auf eine analoge Anwendung des§ 128 HGB gestützt wird 138, ist in diesem Punkt eine Gleichstellung mit der Personenhandelsgesellschaft feststellen. Deshalb richtet sich die Insolvenzfähigkeit der VorGmbH dann nach § 11 Abs. 2 Ins0 139, der u. a. die Insolvenzfähigkeit der Personenhandelsgesellschaften regelt. In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass Schuldner im Insolvenzverfahren die Personenhandelsgesellschaft selbst ist. Im Entwurf140 wird ausgeführt: "Schuldner" im Sinne des Entwurfs der Insolvenzordnung können also nicht nur natürliche Personen und juristische Personen sein, sondern auch der nichtrechtsfähige Verein und die in Abs. 2 genannten Gesellschaften und Sondervermögen, ohne dass deren Rechtspersönlichkeit dadurch präjudiziert wird.
Damit hat der Gesetzgeber der Personenhandelsgesellschaft zwar keine Rechtspersönlichkeit verliehen, sie aber insolvenzrechtlich als Schuldner behandelt. WeZur näheren Begründung vgl. § 8 III. 6. b ). Kirchhof, in HK-InsO, § II Rdnr. 10; ebenfalls für eine Anwendung von § II Abs. I lnsO Hueck/ Fastrich, in Baumbach I Hueck, § 11 GmbHG Rdnr. 16. 137 Eine Anwendung von § 93 lnsO, der im Falle einer Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigem die Abwicklung der Ansprüche durch den Insolvenzverwalter regelt, scheidet aus. Nur bei Zugrundelegen des Außenhaftungskonzept besitzt § 93 InsO auch Bedeutung für die Vor-GmbH. Mit der Abwicklung der Ansprüche über den Insolvenzverwalter und der gleichzeitigen Verweigerung des Zugriffs auf das Gesellschaftervermögen in der Insolvenz wird dann durch § 93 InsO ebenfalls die Gemeinschuldnereigenschaft der VorGmbH deutlich. 138 Knoche, Gründerhaftung, S. 194; Theobald, Vor-GmbH, S. 80. 139 Vor dem Hintergrund der alten Rechtslage nach § 209 KO für die insolvenzrechtliche Behandlung der Vor-GmbH als Personenhandelsgesellschaft, Altmeppen, ZIP 1997,273, 274, der jedoch seine Sicht auch darauf stützt, dass generell eine Haftung der Gründungsgesellschafter besteht. 140 RegE lnsO, BT-Drucks. 12/2443 v. 15.4. 1992, S. 113 zu§ l3 ElnsO (= § ll InsO) a.E. 135
136
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
gen dieser insolvenzrechtlichen Eigenständigkeit ist die Personenhandelsgesellschaft selbst Gemeinschuldner im Insolvenzverfahren 141 . Die Gesellschafter sind damit nicht mehr, wie unter Geltung der Konkursordnung als Gemeinschuldner anzusehen 142. Eine von der insolvenzrechtlichen Eigenständigkeit der Vor-GmbH zu unterscheidende Frage ist die der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter. Dafür stellt § 93 InsO klar, dass diese Haftung im Insolvenzverfahren nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Soweit vertreten wird 143 , dass sich an der Gemeinschuldnerposition der Gesellschafter unter Geltung der Insolvenzordnung nichts geändert habe, kann dem aufgrund der eindeutigen Gesetzesbegrundung nicht gefolgt werden. Somit besitzt die Vor-GmbH die Gemeinschuldnereigenschaft auch auf der Grundlage des Außenhaftungskonzepts.
2. Unanwendbarkeit des§ 14 StGB auf die Organe der Vor-GmbH Da somit eine unmittelbare Anwendung des § 283 StGB auf die Griindungsgesellschafter und die Geschäftsführer ausscheidet und die Vor-GmbH selbst als Täter nicht in Betracht kommt, da das deutsche Strafrecht eine natürliche Person als taugliches Tatsubjekt voraussetzt, können die für die Vor-GmbH handelnden Personen nur unter Anwendung des § 14 StGB strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. § 14 StGB "überwälzt" besondere persönliche Merkmale, die bei juristischen Personen, Personenhandelsgesellschaften oder Inhabern von Betrieben vorliegen, auf deren Vertreter. In unserem Zusammenhang bedeutet dies, dass die Schuldnereigenschaft, die ein besonderes persönliches Merkmal des § 283 StGB darstellt 144, auf die Vertreter der Vor-GmbH nach Maßgabe des§ 14 StGB übertragen werden müsste 145 • Allerdings setzt die Überwälzung des § 14 StGB auf die 14 1 Moosmayer; lnsolvenzstrafrecht, S. 68; unter Geltung der alten Rechtslage schon für die insolvenzrechtliche Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft Baumann, Konkurs, S. 75; K. Schmidt, Untemehmensinsolvenz, S. 31 und 142 ff. 142 Zur alten Rechtslage, nach der die Gesellschafter die Gemeinschuldner waren, vgl. BGHZ 34,293, 297; Baur/Stürner; ZVS II, § 33 Rdnr. 33.6. 143 Aus strafrechtlicher Sicht Grub, insolvenzrechtliche Verantwortlichkeit, S. 32 und 165; für das Zivilrecht Armbruster; Stellung der Gesellschafter, S. 22. 144 Lenckner/Perron, in Schönke/Schröder, § 14 StGB Rdnr. 10, 11; Maurach/Schroeder!Maiwald, StrafR-BT 1, § 48 Rdnr. 19. 145 Für die eingetragene GmbH vgl. nur BGHSt 28, 371, 373; BGHSt 30, 127, 128. A.A. Labsch, wistra 1985, 1, 4, der sich gegen die Anwendung des § 14 StGB auf die eingetragene GmbH mit der Begründung wendet, sie verstoße gegen das strafrechtliche Analogieverbot Da § 283 Abs. 6 StGB auf den Täter abstelle, müsse der Wortlaut auch ernst genommen werden. Täter kann nach deutschem Strafrecht mangels Handlungsfähigkeit nicht die juristische Person sein (vgl. dazu Cramer I Heine, in Schönke I Schröder, Vorb. § 25 StGB Rdnr. 119). Daher würde die Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB nie auf die juristische Person zutreffen. Eine Gleichstellung von Täter und Schuldner, um so eine Anwendbarkeit des § 283
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH?
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Organe der Vor-GmbH voraus, dass die Vor-GmbH vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst wird. Das ist jedoch nicht der Fall.
a) § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB
Eine Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB scheidet jedenfalls aus, weil die Vor-GmbH gemäß § 11 Abs. 1 GmbHG noch keine juristische Person ist.
b) Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf die Vor-GmbH
Ein Teil der Literatur 146 will jedoch § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf die vertretungsberechtigten Organe der Vor-GmbH anwenden. Dies ist jedoch zu verneinen.
aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit auf die Insolvenz von Personenhandelsgesellschaften Wegen der sich nach der Insolvenzordnung ergebenden neuen Rechtslage im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Behandlung von Personengesellschaften ist § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB allerdings heute- anders als früher- für die Anwendung des Bankrotttatbestandes notwendig. Vor dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung bedurfte es des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB in unserem Zusammenhang nicht 147, da wegen der persönlichen und unmittelbaren Haftung gegenüber den Gläubigern die Gesellschafter nach alter Rechtslage Gemeinschuldner im Konkursverfahren waren148. Somit lagen die besonderen persönlichen Merkmale (Schuldnereigenschaft) gerade nicht beim Vertretenen, sondern von vornherein beim Vertreter vor. Der persönlich unmittelbar gegenüber den Gläubigern verpflichtete Gesellschafter war damit unmittelbarer Normadressat der §§ 283-283 c StGB und daher tauglicher Täter. Diese Wertungen konnten auf die Vor-GmbH übertragen werden, wenn das Außenhaftungskonzept zugrunde gelegt wurde, denn danach haften die Gesellschafter Abs. 6 StOB herbeizuführen, verstoße wegen Überschreitung_der Wortlautgrenze gegen das Analogieverbot Daher sei der Gesetzgeber aufgerufen, eine Anderung dieser Vorschrift herbeizuführen. Diese Sichtweise von Labsch ist jedoch abzulehnen. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 283 StOB ergibt sich nämlich, dass Täter nur der Schuldner sein kann. Insofern lässt sich die Regelung interpretatorisch ausweiten, ohne dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot vorliegt. Damit kann die Schuldnereigenschaft § 283 Abs. 6 StOB zugrunde gelegt werden, die dann mittels§ 14 StOB auf den Vertreter überwälzt wird. 146 Bieneck, in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 77 Rdnr. 9; Bittmann!Pikarski, wistra 1995,91,93. 147 Lenckner, in Schönke/Schröder25 , § 14 StGB Rdnr. 21; Richter, GmbHR 1984, 137, 143; Roxin, in LK 10, § 14 StOB Rdnr. 26; Winkelbauer, wistra 1986, 17, 18. 148 Vgl. BGHZ 34,293, 297; Baur/Stümer, ZVS II, § 33 Rdnr. 33.6. 5 Hentschke
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der Vor-GmbH unmittelbar nach § 128 HGB analog 149 gegenüber den Gläubigem der Vorgesellschaft Daher waren sie ebenso wie die Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft im Konkursverfahren als Gemeinschuldner anzusehen. Sie erfüllten deshalb die objektive Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB selbst, ohne dass die Anwendung des§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB erforderlich war. Gleichwohl wurde der Vorschrift vereinzelt 150 eine deklaratorische Bedeutung zugesprochen. Da die nach außen haftenden Gesellschafter aber ohnehin Tater der §§ 283 ff. StGB waren, kam der Regelung des§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht einmal ein klarstellender Charakter zu, sondern ihre Anwendung war schlichtweg nicht erforderlich. Keine Zustimmung verdiente eine weitere Ansicht151 , die § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB als notwendige Vorschrift ansah, um die Strafbarkeit vertretungsberechtigter Gesellschafter annehmen zu können. Diese nicht näher begrundete Meinung berief sich entweder auf die bloße Existenz der Vorschrift 152 oder darauf, dass sie dem Wortlaut nach einen einschlägigen Sachverhalt zu erfassen scheint 153 . Nunmehr bedarf es wegen der insolvenzrechtlichen Eigenständigkeit der Personenhandelsgesellschaft durch Verleihung der Gemeinschuldnereigenschaft im Insolvenzverfahren der Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf deren vertretungsberechtigte Gesellschafter 154. § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist also durch die Insolvenzordnung zwar ein Sinn zugekommen, seiner Anwendung auf die Vor-GmbH stehen jedoch andere unüberwindliche Hindernisse entgegen. bb) Keine Geltung für den Geschäftsführer der Vor-GmbH Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB kämen als Adressaten der Regelung nur die vertretungsberechtigten Gesellschafter in Betracht, nicht dagegen der Fremdgeschäftsführer (Geschäftsführer der nicht zugleich Gesellschafter ist), so dass die Vorschrift nur die Strafbarkeit des Gesellschaftergeschäftsführers wegen Bankrotts begrunden könnte. Wegen der von der Gesellschaftereigenschaft unabhängigen Stellung des Geschäftsführers der Vor-GmbH wäre es ein zumindest merkwürdiges Ergebnis, wenn die Strafbarkeit eines Geschäftsführers von einer eventuellen Gesellschafterstellung abhinge. Aber auch gegen die Anwendung des Knoche, Griinderhaftung, S. 196; Theobal.d. Vor-GmbH, S. 80. Demuth/Schneider, BB 1970,642, 643; für die gleichlautende Vorschrift des§ 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG Rebmann/Roth/Hermann, § 9 OWiG Rdnr. 19. 151 Bieneck, in Müller-Gugenberger2 , § 64 Rdnr. 23; Schünemann, in LK 11 , § 14 StGB Rdnr. 46; Tröndle/Fischer, § 14 StGB Rdnr. 3. 152 Bieneck, in Müller-Gugenberger2 , § 64 Rdnr. 23. 153 Schünemann, in LK 11 , § 14 StGB Rdnr. 46; Tröndle/ Fischer, § 14 StGB Rdnr. 3. 154 Bieneck, in Müller-Gugenberger, § 77 Rdnr. 9 a.E.; Moosmayer, Insolvenzstrafrecht, s. 69. 149
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§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf den Gesellschaftergeschäftsführer der Vor-GmbH sprechen mehrere Gründe. cc) Rechtsnatur der Vor-GmbH § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB wäre auf die Vor-GmbH nur anwendbar, wenn es sich bei der Vorgesellschaft um eine Personenhandelsgesellschaft handeln würde. (I) Vor-GmbH als Gebilde sui generis Über die Rechtsnatur der Vor-GmbH gehen die Ansichten auseinander. Zuzustimmen ist dem BGH 155 , der in Anlehnung an die Schreiber156-Feine 157Formel die Vorgesellschaft als "eine Organisation, die einem Sonderrecht untersteht, das aus den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der eingetragenen GmbH, soweit es die Eintragung nicht voraussetzt, besteht", betrachtet. Die Vor-GmbH ist also ein Gebilde sui generis, das sich nicht einem der klassischen Verbandstypen zuordnen lässt. Dieser Formel ist grundsätzlich zu folgen, weil sie der Eigenart der Vor-GmbH als künftige GmbH am ehesten gerecht wird, auch wenn sie Detailfragen unbeantwortet lässt. Die Vor-GmbH ist damit eine Gesellschaft sui generis und keine Personenhandelsgesellschaft, wie dies von§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorausgesetzt wird. Abzulehnen ist damit die Auffassung des Reichsgerichts 158, das die Vorgesellschaft als eine Gelegenheitsgesellschaft des bürgerlichen Rechts ansah, deren Zweck sich darin erschöpfe, die Eintragung der Gesellschaft herbeizuführen. Diese Auffassung lässt sich nämlich nicht mit dem Funktionswandel der Vorgesellschaft hin zur werbenden Vor-GmbH vereinbaren. Ebenfalls nicht gefolgt werden kann einer auf dieser Sichtweise aufbauenden Ansicht 159, die in Fällen, in denen die Vorgesellschaft einen Geschäftsbetrieb aufnimmt, diese als OHG ansieht. Auf den vollen Geschäftsbetrieb abzustellen ist schon deshalb verfehlt, weil nach herrschender Meinung 160 für den Geschäftsbeginn i. S. d. § 123 Abs. 2 HGB jedwedes Vorbereitungsgeschäft genügt und somit jede Vorgesellschaft, die sich nicht allein auf die Korrespondenz mit dem RegisterBGHZ 21, 242, 246; 45, 338, 347; 80, 212, 214. Schreiber, Kommanditgesellschaft auf Aktien, S. 36, 56 f., 65. 157 Feine, GmbH, S. 196 ff., 201. 158 RGZ 58, 55, 56; 87, 246, 249; 151, 86, 91; für die Einstufung der Vor-GmbH als GbR auch Baur, JZ 1951,209, 211; Schlossbauer, BB 1951, 54; Skrotzki, KTS 1962, 136, 138 f. 159 OLG Frankfurt, NJW 1947 I 48, 429; LAG Baden (Mannheim), JZ 1952, 436; Haberkorn, BB 1962, 1408, 1411;Merkert, BB 1951,322,323. 160 Baumbach/Hopt, § 123 HGB Rdnr. 10; Emmerich, in Heymann, § 123 HGB Rdnr. 14; K. Schmidt, in Schlegelberger, § 123 HGB Rdnr. 9. 155
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gericht beschränkt, konsequenterweise zur OHG werden müsste. Bereits aus diesem Grund erweist sich diese Ansicht als unzutreffend 161 . Dariiber hinaus ist die These von der Vorgesellschaft als OHG auch deshalb als unrichtig zu verwerfen, weil sich die Haftungslagen bei der Vor-GmbH einerseits und der OHG andererseits unterschiedlich darstellen. Während die Haftung der Vor-GmbH sich nach herrschendem Rechtsprechungsverständnis als Innenhaftung 162 darstellt, gilt nach ganz herrschender Meinung 163 für die OHG die eine Außenhaftung beinhaltende Akzessorietätstheorie, die ihren gesetzlichen Ausdruck in § 128 HGB gefunden hat. Dies bedeutet, dass die Verbindlichkeiten der OHG auch gleichzeitig Verbindlichkeiten ihrer Mitglieder darstellen. Diese äußerliche Akzessorietät führt in der Konsequenz auch zur sog. Erfüllungstheorie 164, nach der die Gesellschaftsschuld und die Gesellschafterschuld als inhaltsgleich angesehen werden. Danach können die Gläubiger die Gesellschafter auf die geschuldete Leistung grundsätzlich selbst in Anspruch nehmen. Die Erfüllungstheorie komplettiert also das Außenhaftungskonzept der OHG, das in § 128 HGB seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Des Weiteren sind die Verhältnisse bei der Vertretung der Gesellschaften so unterschiedlich, dass sich die Behandlung der Vor-GmbH als OHG verbietet 165 • Daher ist die Vor-GmbH ihrer Rechtsnatur nach keine OHG. Ferner erweist sich die Auffassung 166, bei der Vor-GmbH handele es sich um einen nichtrechtsfähigen Verein, als unzutreffend. Diese Einordnung ist mit dem eigentümlichen Charakter der Vor-GmbH unvereinbar167• Die Vor-GmbH ist weder auf Dauer noch auf eine ständige Vermehrung ihrer Mitglieder angelegt. Des Weiteren würde sich § 54 Satz 2 BGB wegen des gleichen Regelungsinhalts in § 11 Abs. 2 GmbHG als überflüssige Vorschrift erweisen. Die Einstufung der Vor-GmbH als nichtrechtsfähiger Verein wird, obwohl beide über eine Körperschaftsstruktur verfügen, dariiber hinaus dem Umstand nicht gerecht, dass die Vorgesellschaft keine fertige Organisationsform ist und daher gerade nicht als GbR oder nicht rechtsfähiger Verein eingeordnet werden kann, weil diese als fertige und endgültige Organisationsformen gedacht und geregelt Binz, Haftungsverhältnisse, S. 154. Siehe dazu § 1 I. 3. c) aa). 163 Beuthien, DB 1975, 725; Gessler, ZGR 1978, 251,256 f.; Flume, Personengesellschaft, S. 298 ff.; Hüffer, GesR, S. 66; Kühne, ZHR 133 [1970], 149, 161 f.; Roth, ZHR 155 [1991], 24, 33; K Schmidt, in Schlegelberger, § 128 HGB Rdnr. 16; Schwark. in Heinsius-FS, 753, 763; Wiedemann, GesR, § 5 IV 1 c; ders., in Kellermann-FS, 529, 542. A.A. die Theorie von der Doppelverpflichtung, vgl. zu ihr Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 85; Thielmann, ZHR 136 [1972], 397, 400; Ulmer, in Fischer-FS, 785, 794 f. 164 BGHZ 23, 302, 305 f.; 73, 217, 221; BGH, NJW 1987, 2367, 2369; Beuthien, DB 1976, 725; Hadding, JuS 1978,23,25 f.; Hüffer, GesR, S. 166; K. Schmidt, in Schlegelberger, § 128 HGB Rdnr. 24. 165 Im einzelnen dazu§ 2 I. 2. b) cc) (2) (b). 166 Bayer, JZ 1952, 551, 552; Fabricius, in Kastner-FS, 85, 111, Heber/ein, Griindungsgesellschaft, S. 29 ff. 167 Binz, Haftungsverhältnisse, S. 156. 161
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sind 168. Überdies wird der Wille der Gründer nicht berücksichtigt, die keine GbR und keinen nichtrechtsfähigen Verein, sondern eine GmbH ins Leben rufen wollen. Die Vor-GmbH ist also ihrer Rechtsnatur entsprechend weder GbR, OHG noch nichtrechtsfähiger Verein, sondern ein Organisationsgebilde sui generis. Somit steht die Rechtsnatur der Vor-GmbH der Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB entgegen. (2) Möglichkeit der Fremdorganschaft
Die Anwendung von§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB wäre allenfalls dann denkbar, wenn trotz der Befürwortung der Sui-generis-Formel gleichzeitig das Vorliegen einer OHG möglich erscheint 169• Eine solche Art "Parallelgesellschaftsthese" 170 ließe sich aber nur halten, wenn keine wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen Vor-GmbH und OHG festzustellen sind. Die Parallelgesellschaftsthese wäre jedoch schon dann abzulehnen, wenn bei der Vor-GmbH das Fremdorganschaftsprinzip gelten, das Recht der Personengesellschaft dagegen zwingend vom Verbot der Fremdorganschaft beherrscht würde. Wegen der Unmöglichkeit der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften wären die strukturellen Unterschiede zwischen Vor-GmbH und OHG so erheblich, dass sich die gleichzeitige Annahme einer OHG verböte. (a) Fremdorganschaft bei der Vor-GmbH §§ 7, 8 GmbHG regeln die Frage der Organschaft im Gründungsstadium. Diese Vorschriften sind eine der wenigen Regelungen des GmbH-Gesetzes, die sich mit dem Gründungsstadium beschäftigen. Die Geschäftsführer sind danach zur Anmeldung der Gesellschaft und damit auch für alle damit zusammenhängenden Geschäfte im Gründungsstadium berufen. Die verantwortlichen Geschäftsführer müssen folglich bereits im Gründungsstadium bestellt sein. Das Gesetz kennt mithin keinen Unterschied zwischen der Geschäftsführung im Gründungsstadium und nach der Eintragung. Da § 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG bei der GmbH von der Zulässigkeit der Fremdorganschaft ausgeht, folgt daraus deren Zulässigkeit bei der VorGmbH.
Flume, in Gessler-FS, 3, 24. So der Ansatz von Deutscher/ Körner, wistra 1996, 5, 9; auch Bittmann I Pikarski, wistra 1995,91, 93, befürworten das gleichzeitige Vorliegen einer Personenhandelsgesellschaft. 170 Eine Parallelgesellschaftsthese wurde in ähnlicher Form für die AG von Würdinger, Aktien- und Konzemrecht, S. 100 ff. vertreten. 168 169
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(b) Unzulässigkeit der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften Ob die Fremdorganschaft auch bei Personengesellschaften zulässig ist, ist umstritten. Die Rechtsprechung 171 und die herrschende Meinung in der Literatur 172 lehnen die Fremdorganschaft bei Personengesellschaften ab, so dass die VorGmbH schon aus diesem Grund nicht gleichzeitig als OHG angesehen werden könnte. Im Recht der Personengesellschaften ist danach das Selbstorganschaftsprinzip zwingend mit der Folge, dass nur Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft führen und diese auch nach außen vertreten können. Jedoch wird die zwingende Geltung der Selbstorganschaft bei Personengesellschaften von einem Teil der Literatur 173 bestritten und eine Fremdorganschaft für zulässig gehalten. Der Zulassung einer Fremdorganschaft bei Personengesellschaften stünden im geltenden Recht keine Hinderungsgründe entgegen 174. Für die Zulassung der Fremdorganschaft bei der Personengesellschaft gäbe es ein praktisches Bedürfnis, denn es bestehe ein Interesse an der Überlassung der Leitung der Personengesellschaft an qualifiziertes Führungspersonal, ohne dass diese Personen zugleich eine Gesellschafterstellung inne haben und einer persönlichen Haftung unterliegen müssten 175 . Die Beteiligung Außenstehender könne dabei durch umfassende Vollmachten, Generalvollmachten oder Prokura nicht in gleicher Weise wie durch die Zulassung der Fremdorganschaft bewerkstelligt werden 176. Nur bei einer Fremdorganschaft sei eine eigenverantwortliche Unternehmensführung durch Topmanager unabhängig von der ständigen Mitwirkung der Gesellschafter gewährleistet. Der Zulassung der Fremdorganschaft bei der Personengesellschaft stünden aus rechtlicher Sicht weder das Abspaltungsverbot, der Grundsatz der Verbandssouveränität177, die gesetzlichen Vorschriften 178, das Wesen der Personengesellschaft 171 BGHZ 26, 330, 333; 33, 105, 108; 36, 292, 295; 41, 367, 369; 51, 198, 200; BGH,
NJW 1982, 1817; BGH, WM 1994,237,238.
172 Baumbach/Hopt, § 114 HGB Rdnr. 24; Buchwald, DB 1957, 109; Ensthaler; in GemK, § 109 HGB Rdnr. 9; Flume, Personengesellschaft, S. 244; Huber; Vermögensanteil, S. 32 f., 35; ders., in Lutter-FS, 107, 114; lohn, Rechtsperson, S. 286; Martens, in Schlegelberger, § 109 HGB Rdnr. 5 und§ 114 HGB Rdnr. 50 f.; Nitschke, Personengesellschaft, S. 214 ff.; K. Schmidt, GesR, § 14 II. 2.; Schopp, Der Deutsche Rechtspfleger 1963, 186, 188 f.; Stegmann, Rechtsfolgen, S. 123 ff.; Werra, Selbstorganschaft, S. 18 ff., 132; Wiedemann, Übertragung, 372,376. 173 Barbasch, KG, S. 254; Bürck, Selbstorganschaft, S. 4 ff.; Dellmann, in HengelerFreundesgabe, S. 65 ff.; Heidemann, Personengesellschaft, S. 159 ff.; Helm/Wagner; BB 1979, 225, 226 f.; 0/denburg, Fremdgescbäftsfübrung, S. 7 ff.; Reinhardt/Schultz, GesR, Rdnr. 167 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 446; Wetter; BB 1968, 734, 735; Zinn, Selbstorganschaft, S. 91; vgl. zum Streitstand auch die zusammenfassende Darstellung von Werra, Selbstorganschaft, S. 76 m. w. N. 174 Barbasch, KG, S. 254; Bürck, Selbstorganschaft, S. 88 f.; Hess, Drittorganschaft, s. 91 f. 175 Zinn, Selbstorganschaft, S. 14. 176 Zinn, Selbstorganschaft, S. 14. 177 Barbasch, KG, S. 265.
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noch die Gesichtspunkte des Gesellschafter 179- oder Verkehrsschutzes entgegen. Vielmehr zeige das Beispiel der EWIV, dass eine Fremdorganschaft dem Recht der Personengesellschaft nicht fremd sei 180. Diese Argumente können jedoch nicht überzeugen. (aa) Neutralität der gesetzlichen Regelungen Zunächst muss zugestanden werden, dass ein zwingender Charakter des Prinzips der Selbstorganschaft dem Wortlaut der§§ 105, 114, 125 Abs. 1-3, 126 Abs. 1, 2, 146 sowie§ 170 HGB nicht entnommen werden kann. Die Nichterwähnung von Nichtgesellschaftern in diesen Vorschriften spricht nicht eindeutig gegen die Zulässigkeil der Fremdorganschaft (bb) Gesellschafterschutz Maßgebend steht aber der Aspekt des Gesellschafterschutzes einer Zulässigkeit der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften entgegen. Das Fremdorgan der juristischen Person übt seine Macht nur für das in der Organisation befangene Vermögen aus. Eine Drittorganschaft bei der Personengesellschaft würde hingegen bedeuten, dass der Dritte angesichts der persönlichen Haftung der Gesellschafter auch eine Herrschaft gegenüber einzelnen Personen inne hat. Eine privatautonome Begrundung einer derartig weitgehenden Herrschaft unterliegt erheblichen rechtsgrundsätzliehen Bedenken 181 und stellt sich nicht nur als überflüssige Zwangsfürsorge 182 für die Gesellschafter dar. Wegen der umfangreichen Herrschaftsbefugnis und des großen Unternehmerischen Ermessensspielraums ist es nicht geboten, einen Nichtgesellschafter ohne persönliche Haftung mit Vertretungs- und Geschäftsführungsaufgaben zu betrauen. Ein persönlich haftender Vertreter wird sich wegen seiner eigenen Mithaftung grundlieh überlegen, riskante Unternehmensentscheidungen zu treffen, was folglich zu einem Schutz der Mitgesellschafter führt. Die Gesellschafter wären bei der Fremdorganschaft genauso schutzbedürftig wie gegenüber einem Generalbevollmächtigten. Letzterer kann gemäß § 52 HGB jederzeit durch den Vertretenen abberufen werden. Diese Sicherung ist bei der Fremdorganschaft nicht möglich, weil die Regelungen der§§ 117, 127 HGB die für die Verstärkung der notwendigen Handlungsorganisation erforderliche Autonomisierung des Geschäftsführers und Vertreters vorsehen. Dieser Auto178 Barbasch, KG, S. 254; Bürck, Selbstorganschaft, S . 88 f. ; Heidemann, Personengesellschaft, S. 179 f., 185; Hess, Drittorganschaft, S. 91 f. 179 Zinn, Selbstorganschaft, S. 75. 180 Zinn, Selbstorganschaft, S. 94. 181 Flume, Personengesellschaft, S. 244. 182 So aber Heidemann, Personengesellschaft, S. 188; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S . 120; ähnlich Horst, Geschäftsführung, S . 128.
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nomisierung entspricht eine Widerruflichkeit nur unter erschwerten Bedingungen183. Die Zulassung der Fremdorganschaft ist ferner deshalb als gefährlich anzusehen, weil der einzelne Gesellschafter nicht die Möglichkeit des Widerrufs besitzt, sondern auf die Zustimmung der übrigen Gesellschafter angewiesen ist 184. Dies erscheint angesichts der persönlichen Haftung als nicht hinnehmbar. Die persönliche Haftung stellt das notwendige Gegenstück zur Möglichkeit der persönlichen Verpflichtung der unbeschränkt haftenden Gesellschafter dar. Bei der Zulassung der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften würde dies fehlen, woraus sich deren Unzulässigkeit ergibt. Diesen Erwägungen zum Gesellschafterschutz kann nicht entgegengehalten werden, dass ein Gesellschafter bei Vereinbarung des Mehrheitsprinzips 185 an Mehrheitsentscheidungen gebunden wird, Entscheidungen in Geschäftsführungs- und Vertretungsangelegenheiten also auch unter Ausschluss einzelner Gesellschafter getroffen werden könnten und der Gesellschafter deshalb in der vergleichbaren Situation der Fremdorganschaft nicht unzulässig in seinen Rechten beschränkt sein soll 186. Die Mehrheitsentscheidungen werden nämlich bei Vereinbarung des Mehrheitsprinzips von persönlich haftenden Gesellschaftern getroffen, womit wiederum eine rechtliche Sicherung für den einzelnen Gesellschafter vorhanden ist, die bei der Fremdorganschaft nicht gegeben wäre. Auch der weitere Einwand, dass alle Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane, welche die persönlich haftenden Gesellschafter verpflichten können, nicht zwingend zugleich Gesellschafter sein müssen, greift nicht durch. Unabhängig davon, ob damit ein zwingend wirtschaftsrechtlicher Grundsatz des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung kolportiert wird, dient der Grundsatz der Selbstorganschaft der Sicherung der Gesellschafter, deren Notwendigkeit nach den vorstehenden Ausführungen nicht Frage gestellt werden kann. Die Zulässigkeit der Drittorganschaft folgt zudem nicht daraus, dass z. B. der Geschäftsführer einer GmbH, die Gesellschafter einer OHG ist, die übrigen unbeschränkt haftenden natürlichen Personen als Gesellschafter verpflichten kann, ohne selbst zu haften 187 . In solchen Fällen ist nämlich nichts darüber ausgesagt, dass die anderen persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Sollte dies der Fall sein, müsste wiederum die Zulässigkeit der Fremdorganschaft bewiesen werden, so dass dieses Argument nicht für die Zulässigkeit der Drittorganschaft spricht.
John, Rechtsperson, S. 285. Dies erkennen zum Teil auch die Befürworter der Fremdorganschaft (vgl. Helm/Wagner, BB 1979,225, 233) an, kommentieren diesen Punkt aber nicht weiter. 185 Zu dieser Möglichkeit bei Personengesellschaften vgl. Sprau, in Palandt, Vorbem. v. § 709 BGB Rdnr. 10. 186 Zinn, Selbstorganschaft, S. 75. 187 Barbasch, KG, S. 271, Dellmann, in Hengeler-Freundesgabe, S. 65, 70. 183
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(cc) Verkehrsschutz Zudem ist aus Verkehrsschutzgesichtspunkten das Selbstorganschaftsprinzip im Recht der Personengesellschaft notwendig, weil es zur Sicherung einer verantwortlichen Unternehmensleitung beiträgt. Ein persönlich haftender Gesellschafter wird im eigenen Interesse und damit zugleich zum Vorteil der Gläubiger darauf hinwirken, dass die Gesellschaft nur solche Verbindlichkeiten eingeht, die seine private Existenz nicht gef3hrden 188• Die persönliche Haftung der Organe ist deshalb notwendige Voraussetzung für eine verantwortliche Unternehmensleitung bei Personengesellschaften. Soweit dem widersprochen wird 189, weil eine ordnungsgemäße Unternehmensleitung und damit die Begrenzung der Gefahren für den Rechtsverkehr, insbesondere für die Gläubiger, auch bei der Drittorganschaft gewährleistet sei und eine persönliche Einstandspflicht des Vertreters und Geschäftsführers nicht allein eine seriöse Unternehmensleitung sichere, stößt dies auf Bedenken. Zwar mag es zutreffen, dass der Einsatz eines Fremdorgans nicht mit einer unserlösen Geschäftspolitik gleichgesetzt werden kann, bei misslicher Geschäftsleitung hilft die bloße Hoffnung auf die mangelnde Risikobereitschaft des Fremdorgans aber nicht weiter. Vielmehr geht es darum, die rechtliche Sicherung für die Gesellschafter wegen ihrer persönlichen Haftung zu gewährleisten. Dies kann nur die persönliche Haftung des Vertreters. Im Falle der Zulassung der Fremdorganschaft bei der Personengesellschaft wären dagegen die systematisch erforderlichen Sicherungskorrektive "persönliche Haftung" und "freie Widerruflichkeit" nicht gegeben. (dd) Abspaltungsverbot Darüber hinaus verstößt die Fremdorganschaft bei Personengesellschaften gegen das im Personengesellschaftsrecht anerkannte Abspaltungsverbot. Es untersagt die Abspaltung einzelner gesellschaftlicher Verwaltungsrechte vom Gesellschaftsanteil durch Übertragung auf Dritte 190• Zu diesen Verwaltungsrechten gehören auch die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse 191 . Mit einem Dritteinfluss durch Zulassung einer Fremdorganschaft wäre dies nicht zu vereinbaren, weil das Geschäftsführungs- und das Vertretungsrecht gerade einem Nichtgesellschafter überlassen werden müssten. Damit würde jedoch der Schutz der Gesellschafter, den das Abspaltungsverbot bezweckt, vor einem zu weitgehendem Dritteinfluss beeinträchtigt. Wenn gleichwohl behauptet wird 192, dass bei der Fremdorganschaft keine
188 189 190 191 192
K. Schmidt, GesR, § 14 II. 2. Heiderrumn, Personengesellschaft, S. 201. BGHZ 3, 354, 357; Kübler, GesR, S. 287; Westennann, Vertragsfreiheit, S. 382 f. Ensthaler, in GemK, § 109 HGB Rdnr. 20; Kraft/ Kreuz, GesR, S. 122. Zinn, Selbstorganschaft, S. 57.
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Übertragung bestehender Befugnisse der Gesellschafter erfolge, sondern die Schaffung einer neuen Gesellschaftsorganisation durch Begründung eines Geschäftsführungs- und Vertretungsrechts für einen Dritten, kann dem nicht gefolgt werden. Schließlich geht es bei der Fremdorganschaft um die eigenständige Wahrnehmung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse durch einen Nichtgesellschafter. Diese Eigenständigkeit ist nur gewährleistet, wenn der Nichtgesellschafter unabhängig agieren kann und nicht Einzelweisungen der Gesellschafter unterworfen ist. Würde nur eine Neubegründung von Befugnissen stattfinden, wären die Gesellschafter nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen und könnten dem Nichtgesellschafter als Fremdorgan Anweisungen erteilen. Die Neubegründung würde also dem Wesen der Fremdorganschaft wegen der mangelnden Eigenständigkeit des Fremdorgans zuwiderlaufen. (ee) Grundsatz der Verbandssouveränität Ferner spricht der als Schranke der gesellschafterliehen Gestaltungsfreiheit anerkannte Grundsatz der Verbandssouveränität 193 gegen die Fremdorganschaft bei Personengesellschaften. Er verbietet es, das Schicksal eines Verbandes von außenstehenden Personen abhängig zu machen. Dritte dürfen daher nicht übermäßigen Einfluss auf die Gesellschaftergeschicke nehmen. Eine derartige Einflussnahme wäre bei der Fremdorganschaft infolge der Möglichkeit der Verpflichtung der unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafter gegeben. Darin läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verbandssouveränität Daher kann denen nicht gefolgt werden, die in der Zulassung der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften keinen Verstoß gegen diesen Grundsatz sehen, weil der Dritteinfluss durch hinreichende Kontrolle seitens der Gesellschafter vorhersehbar begrenzt werden könnte 194. Eine Kontrolle bewirkt nämlich nicht die notwendige Einflussnahme auf das Drittorgan. Diese Einflussnahme ließe sich nur durch Einzelweisungen und jederzeitige freie Widerruflichkeit des Fremdorgans herstellen. Dann könnte aber von einer Fremdorganschaft nicht mehr gesprochen werden. (ff) Gesetzessystematik
Zudem zeigt ein Blick auf die Gesamtgesetzeslage, dass dem deutschen Recht bei der unbeschränkten Haftung von natiirlichen Personen eine Drittorganschaft ohne eigene persönliche Haftung des Drittorgans fremd ist. Bei der Vor-GmbH ist, wie dargelegt 195, eine Fremdorganschaft zugelassen und als Sicherung für die unbeschränkt haftenden Gründungsgesellschafter die Handelndenhaftung gemäß § 11 193 Zur Anerkennung dieses Grundsatzes vgl. Flume, Personengesellschaft, S. 240; Wiedemann, in Schilling-FS, 105, 111. 194 Barbasch, KG, S. 265. 195 § 2 I. 2. b) cc) (2) (a).
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Abs. 2 GmbHG vorgesehen. Eine solche Handelndenhaftung existiert ebenfalls in § 54 Satz 2 BGB, der eine persönliche Haftung des Vertreters des nichtrechtsfähigen Vereins, der nicht notwendig Vereinsmitglied sein muss, als Sicherung für die Vereinsmitglieder vorsieht, die - zumindest bei nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereinen - persönlich für dessen Verbindlichkeiten haften. Da die Annahme einer Fremdorganschaft bei Personengesellschaften nicht mit einer persönlichen Haftung des Drittorgans verbunden ist, entfällt die Möglichkeit der Fremdorganschaft auch aus diesem Grund. (gg) Vereinbarkeil mit dem Recht der EWIV ? Gegen die Unzulässigkeil kann zudem nicht, wie dies zum Teil geschieht 196, die Rechtslage bei der EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung) angeführt werden. Zwar verzichtet § 7 EWIV-AusfG auf die Geltung des Grundsatzes der Selbstorganschaft, obwohl gemäߧ 1 EWlV-AusfG grundsätzlich Personengesellschaftsrecht anzuwenden ist. Aus diesem Verzicht können aber keine Rückschlüsse auf die Möglichkeit einer Drittorganschaft bei den Personengesellschaften gezogen werden, denn wegen der engen Zweckbegrenzung der EWIV ist das Risiko für den Rechtsverkehr und die Mitglieder nicht mit den Gefahren für die Gesellschafter und den Rechtsverkehr bei den Personengesellschaften im Falle der Zulassung der Fremdorganschaft vergleichbar 197 . (hh) Zwischenergebnis Die Selbstorganschaft hat sich somit unter Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte als zwingendes Prinzip des Personengesellschaftsrechts erwiesen. Da die Vorgesellschaft bereits vom Prinzip der Fremdorganschaft beherrscht wird 198, ist die gleichzeitige Annahme einer OHG wegen der in diesem Punkt gegebenen strukturellen Unterschiede nicht möglich. Mithin lässt sich die Vor-GmbH nicht als Personenhandelsgesellschaft im Sinne des§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StOB einstufen mit der Folge, dass sich diese Vorschrift auf die Vor-GmbH nicht anwenden lässt.
c) § 14 Abs. 2 StGB Auf die vertretungsberechtigten Organe der Vor-GmbH kann im Übrigen auch § 14 Abs. 2 StOB nicht angewendet werden.
196
197 198
Zinn, Abschied von der Selbstorganschaft, S. 94.
Werra, Selbstorganschaft, S. 131. Vgl. unter§ 2 I. 2. b) cc) (2) (a).
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Zum einen zählen zu den Normadressaten des§ 14 Abs. 2 StGB nur gewillkürte Stellvertreter199, nicht dagegen von Gesetzes wegen vorgesehene Organe wie der Geschäftsführer oder die Gesellschaftergesamtheit der Vor-GmbH. Zum anderen betrifft die Erstreckung der Verantwortlichkeit nach § 14 Abs. 2 StGB nur betriebsbezogene Pflichten, zu denen nicht die allgemeine Pflicht zur Erhaltung der Insolvenzmasse bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gehört200. Daher können die sog. Substituten im Sinne des § 14 Abs. 2 StGB nicht Täter des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Falle von Vermögensverlagerungen sein.
3. Ergebnis Die Anwendung des § 283 StGB auf die Organe der Vor-GmbH scheitert nach allem daran, dass die erforderliche Überwälzung der Schuldnereigenschaft, die nach Maßgabe des § 14 StGB zu erfolgen hätte, nicht möglich ist. Deshalb ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe einer Vor-GmbH wegen Bankrotts nicht möglich.
II. Verletzung der Insolvenzantragspflicht, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG Trotz der oben201 festgestellten Insolvenzfähigkeit der Vor-GmbH erweist sich auch § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, der es mit Strafe bedroht, dass der Geschäftsführer der GmbH den Insolvenzantrag bei Vorliegen der Insolvenzgründe verspätet oder überhaupt nicht gestellt hat, als nicht anwendbar.
1. Streitstand Diese Sichtweise entspricht jedenfalls der herrschenden Meinung202, nach der die Anwendung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer im Stadium der Vor-GmbH gegen das Analogieverbot im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verstoßen würde. Vereinzelt wird jedoch203 die Anwendbarkeit des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH bejaht. Schließlich sei auf zivilrechtlicher EheLenckner/Perron, in Schönke/ Schröder, § 14 StOB Rdnr. 28. Binz, NJW 1978, 802; Schünemann, in LK11 , § 14 StOB Rdnr. 64; a.A. Fleischer, NJW 1978,96, 97. 2o1 In der Einführung unter I. 2. 202 Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 91, 92; Deutscher/Körner, wistra 1996, 8, 11; Fuhrmann/Schaal, in Rowedder, § 84 GmbHG Rdnr. 24; Kohlmann, in Geerds-FS, 675, 685; Pfeiffer, in Rowedder-FS, 347, 364; 1iedemann, in Scholz, § 84 GmbHG Rdnr. 87. 203 Schäfer, GmbHR 1993,717,721 f. 199
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ne dessen Insolvenzantragspflicht anerkannt204• Dem müsse auch durch die Strafbewehrung des Unterlassens der Insolvenzantragspflicht Rechnung getragen werden. Die Annahme einer Strafbarkeit des Geschäftsführers verstoße nicht gegen das Analogieverbot, weil keine faktische Geschäftsführung vorliege - wie dies einige Vertreter der herrschenden Meinung205 behaupten -, sondern bei der VorGmbH eine echte Geschäftsführung gegeben sei. Aus diesem Grund scheide eine verbotene Analogie aus206.
2. Stellung des Geschäftsführers der Vor-GmbH Zutreffend ist der Einwand, dass eine faktische Geschäftsführung bei der VorGmbH nicht vorliegt. Grundvoraussetzung für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung ist nämlich, dass sich entweder die Bestellung eines Geschäftsführers als rechtsunwirksam darstellt oder dass die Bestellung absichtlich unterblieben ist oder unterbleiben musste, etwa weil die Ausschlussgründe des § 6 Abs. 2 GmbHG vorliegen, der Betreffende aber dennoch die Geschäfte der GmbH leitet207 . Beim Geschäftsführer der Vor-GmbH ist jedoch schon die Grundvoraussetzung der faktischen Geschäftsführung nicht gegeben. Im Rahmen der Gründung bzw. Errichtung der Gesellschaft, die mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages einhergeht, erfolgt vielfach zugleich die Bestellung des Geschäftsführers208 • Dieser Schritt ist auch notwendig, weil die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes (besonders § 8 GmbHG) das Vorhandensein eines Geschäftsführers voraussetzen. Die Stellung 204 Vgl. nur K. Schmidt, in Scholz, § 64 GmbHG Rdnr. 2; a.A. Altmeppen, ZIP 1997, 273, 274; ihm folgend Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 196. Altmeppen und Wilhelm setzen schon früher an und verneinen bereits die Anwendbarkeit von § 64 GmbHG auf die VorGmbH. Sie gehen davon aus, dass wegen des Vorhandenseins von solventen Vorgesellschaftern die Ansprüche der Vorgesellschaft gegen die Gesellschafter auf Verlustausgleich auf der Aktivseite berücksichtigt werden müssten. Damit wäre der Insolvenzgrund der Überschuldung zu verneinen. Würde die Berücksichtigung der Verlustausgleichspflicht verneint, dann müsste der Geschäftsführer, so Altmeppen, die Gesellschaft erst in die Insolvenz treiben, damit die Verlustausgleichspflicht ausgelöst wird (zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Verlustausgleichspflicht vgl. oben § 1 I. 3. c) aa)). Die Insolvenz der Vorgesellschaft sei deshalb nur wegen Zahlungsunfabigkeit möglich, dem einzigen Insolvenzgrund bei natürlichen Personen und Personengesellschaften. Systematisch gehöre die Vorgesellschaft daher zu dieser Gruppe der Gemeinschuldner. Bei diesen gäbe es aber keine Insolvenzantragspflicht (vgl. §§ 17, 19 lnsO, Art. 40 Nr. 4 a EGinsO). Die Situation entspreche deshalb nicht der des § 64 GmbHG, da zur Haftung des Verbandes im Gläubigerinteresse die persönliche Haftung hinzutritt. 205 Fuhrmann/Schaal, in Rowedder, § 84 GmbHG Rdnr. 24; Tiedemann, in Scholz, § 84 GmbHG Rdnr. 87. 206 Schäfer, GmbHR 1993,717,721 f. 207 Zu den Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung vgl. im einzelnen § 6 III. 2. 2os Balser/Bokelmann/Piorreck, GmbH, Rdnr. 166.
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des Geschäftsführers entspricht dabei exakt derjenigen bei der eingetragenen GmbH. Ein Bestellungsakt liegt deshalb vor. Damit wird ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer bereits im Stadium der Vor-GmbH tätig, so dass er eben nicht als faktischer Geschäftsführer angesehen werden kann. Deshalb stellt sich ein Problem verbotener Analogie im Zusammenhang mit der Insolvenzantragspflicht des § 84 Abs. l Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH nicht unter dem Gesichtspunkt einer faktischen Geschäftsführung209 •
3. Ablehnung der unmittelbaren Anwendung des § 64 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH Dennoch stellt die Anwendung des § 84 Abs. l Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH eine verbotene Analogie im Sinne der Art. l 03 Abs. 2 GG, § I StGB dar. § 64 Abs. 1 GmbHG, auf den § 84 Abs. 1 :-.lr. 2 GmbHG Bezug nimmt, erfasst die Vor-GmbH nämlich nicht, da diese nicht unter den in den genannten Vorschriften verwendeten Begriff der "Gesellschaft" fallt. a) Gesetzeswortlaut
Mit dem Wortlaut210 des § 64 Abs. 1 GmbHG ist es allerdings vereinbar, die Vor-GmbH als "Gesellschaft" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, denn die VorGmbH ist eine notwendige Erscheinungsform der GmbH und kann deshalb sprachlich als "Gesellschaft"211 i. S. d. § 64 Abs. 1 GmbHG bezeichnet werden. 209 Gleichwohl hat der BGH (St 31, 118, 122) im Falle faktischer Geschäftsführungtrotz fehlenden Bestellungsakts einen Verstoß gegen das Analogieverbot verneint und die Strafbarkeit des Geschäftsführers wegen (damals noch) Konkursverschleppung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG angenommen. Die Möglichkeit einer Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers gemäߧ 84 Abs. 1 ~r. 2 GmbHG wird auch von K. Schmidt (Rebmann-FS, 419, 432) bejaht. Er bezweifelt zwar, ob mit einer faktischen Betrachtungsweise noch dem strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt genüge getan werde. Jedoch entnimmt er § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ein Verbot der Unternehmensfortführung insolventer Gesellschaften und begründet so die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers. Gegen die letztgenannten Auffassungen wenden sich andere Ansichten in der Literatur und bejahen einen Verstoß gegen das Analogieverbot bei faktischer Geschäftsführung. So sieht Joerden (wistra 1990, 1, 3) nur den formellen Geschäftsführer als ~ormadressaten des § 84 Abs. 1 ~r. 2 GmbHG an. In grundsätzlicher Weise lehnt Tiedemann (~JW 1977, 777, 779) eine faktische Betrachtungsweise ab, in dem er die Bindung des Strafrechts an die rechtlichen Formen des Privatrechts im Sinne der Rechtssicherheit hervorhebt. Er betont, dass diese Bindung nicht im Kampf gegen das Verbrecherturn aus teleologischen Gründen abgestreift werden dürfe. 210 Von Scheffler (Jura 1995, 505, 509) als "erster Filter" bezeichnet. m Dabei ist .,Gesellschaft" aber nicht im typologischen Sinne, als Personengesellschaft zu verstehen.
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Jedoch stellt der Wortlaut bei der Abgrenzung zwischen Auslegung und unzulässiger Analogie nur einen sogenannten blinden Filter dar, weil der Wille des Gesetzgebers sowie der Sinn und Zweck der Vorschrift nicht berücksichtigt werden212. Allein auf den Wortlaut kann daher bei dieser Abgrenzung nicht abgestellt werden. Vielmehr ist das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung anband der anderen Auslegungsmethoden zu überprüfen, um ein sicheres Auslegungsergebnis zu erzielen213 .
b) Sinn und Zweck der Vorschrift
Der Sinn und Zweck des § 64 Abs. 1 GmbHG besteht primär darin, den Gläubigerschutz zu gewährleisten und zu verhindern, dass überschuldete oder nicht liquide Gesellschaften weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen. Diese Zielsetzung scheint auf den ersten Blick auch für die Vor-GmbH wegen der Anerkennung ihrer lnsolvenzfähigkeit214 zuzutreffen. Allerdings besteht die Schwäche der teleologischen Auslegungsmethode darin, dass der Rechtsanwender Gefahr läuft, sein eigenes Rechts- und Wertempfinden an die Stelle der eigentlich maßgebenden Wertentscheidungen des Gesetzgebers zu setzen215 . Daher muss das Ergebnis der teleologischen Auslegung in den Kontext zu anderen Auslegungsmethoden gesetzt werden216.
c) Systematischer Zusammenhang
In der Literatur217 wird das Erscheinungsbild der werdenden juristischen Person und damit der Vor-GmbH dadurch systematisiert, dass der Entstehungsprozess in drei Teile untergliedert wird. Den ersten Teil bilde der Entstehungsprozess, die Errichtung im engeren Sinne. Der Gesetzgeber hat sich auch nur auf das bloße "Werden" konzentriert. Daher beziehen sich die Regelungen des GmbH-Gesetzes, die sich mit dem Gründungsstadium beschäftigen, ausschließlich auf die Errichtung im engeren Sinne. Wie oben218 dargelegt, beschränkt sich die Entwicklung der Vor-GmbH aber nicht auf die bloße Errichtung, sondern es ist anerkannt, dass das Gründungssta212 213 214 215 216 217 218
Scheffler, Jura 1995, 505, 509. Lackner, in FS-Jur. Fak. Heidelberg, 38, 56. Siehe dazu oben die Nachweise in Fn. 16 in der Einführung. Looschelders/Roth, Methodik, S. 195. Looschelders/Roth, Methodik, S. 195. Rittner, juristische Person, S. 100. Vgl. die Einführung unter I. l.
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dium nicht nur die Errichtung der GmbH, sondern auch den Zeitraum 219 zwischen Errichtung, Anmeldung und Eintragung umfasst. Die zweite Phase der Vor-GmbH wird als "Daseinsseite" charakterisiert220• Ihr hat jedoch der historische Gesetzgeber keine Beachtung geschenkt, weil er die Existenz der Vor-GmbH leugnete221 . Er wollte ursprünglich den Betrieb der Vorgesellschaft überhaupt verhindern. Wegen der Zulassung der Unternehmenstätigkeit existiert aber eine Dasseinsseite der Vor-GmbH. Das hat der Novellierungsgesetzgeber bei der teilweisen Neugestaltung des GmbH-Gesetzes im Jahre 1980 im Übrigen erkannt, aber bewusst davon abgesehen, Regelungen des Rechts der Vorgesellschaft einzuführen. Er hielt es für zweckmäßiger, die Klärung der Streitfragen der Wissenschaft und der Rechtsprechung zu überlassen222 • Eine gesetzliche Regelung der Daseinsseite der Vorgesellschaft wurde vom Gesetzgeber also nicht vorgenommen. Systematisch bildet daher die Regelung des § 11 GmbHG die Schnittstelle zwischen den Vorschriften über die Errichtung und dem Recht der eingetragenen Gesellschaft. Folglich wird die Daseinsseite der Vorgesellschaft von den Vorschriften des GmbH-Gesetzes außerhalb der Gründungsvorschriften grundsätzlich nicht unmittelbar geregelt. Die letzte Entwicklungsphase ist die "Übergangsseite"223 , die mit der Eintragung endet. Die Übergangsseite ist aber gerade aus der Sicht der Insolvenz der Vorgesellschaft irrelevant und muss folglich an dieser Stelle nicht näher behandelt werden. Die Insolvenz der Vor-GmbH ist systematisch deren Daseinsseite zuzuordnen, so dass die Vor-GmbH von§ 64 Abs. 1 GmbHG nicht unmittelbar erfasst wird. Gerade wegen der bewusst unterlassenen Regelung der Daseinsseite der Vorgesellschaft durch den Gesetzgeber kann auch aus teleologischer Sicht224 die Erfassung der Vorgesellschaft durch § 64 GmbHG nicht in die Regelung hineingelesen werden. Im Kontext mit der systematischen Auslegung scheidet deshalb die Anwendung von § 64 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH aus teleologischer Sicht ebenfalls aus. d) Sicht des historischen Gesetzgebers
Aufgrund der Intention des historischen Gesetzgebers 225 , nämlich die Existenz der Vorgesellschaft zu leugnen, ist auch aus historischer Sicht die Subsumtion der Vorgesellschaft unter § 64 Abs. 1 GmbHG zu verneinen. Zur Länge des Zeitraums vgl. Klein, Rückgriffanspruch, S. l -3. Rittner, juristische Person, S. 99. 221 Dazu bereits oben in der Einführung unter I. 1. Dies wird auch in BGHZ 80, 129, 134 hervorgehoben. 222 BT-Drucks. 7/253 S. 96 zu§ 22 Abs. 1. 223 Rittner, juristische Person, S. 105 ff. 224 Zwischen Teleologie und Systematik besteht nämlich ein verschwommener Übergang (so Höpfel, JurBl1979, 505, 510), so dass erstere nicht allein zugrunde gelegt werden kann. 225 Vgl. dazu bereits in der Einführung unter I. 1. 219 22o
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e) Auslegungsergebnis
Die zum Teil divergierenden Auslegungsergebnisse werfen das Problem auf, nach welcher Methode sich das Gesamtergebnis der Auslegung richtet. Da die einzelnen Interpretationsmethoden fehleranfällig sind und deshalb vielfach nur mit einem mehr oder weniger hohen Grad an Wahrscheinlichkeit eine zutreffende Aussage über den Inhalt des Gesetzes ermöglichen, ist es erforderlich, sich bei der Auslegung eines Gesetzes nicht auf eine einzelne Auslegungsmethode zu stützen, sondern die verschiedenen Auslegungsmethoden miteinander zu kombinieren226 , wie dies in der vorgenommen Auslegung zum Teil schon geschehen ist. Es gilt also die Pflicht zum "kumulativen Methodeneinsatz" 227 . Danach ist das Auslegungsergebnis um so stringenter, je mehr die verschiedenen Methoden zu einander unterstützenden Resultaten kommen, und um so zweifelhafter, je widersprüchlicher sich die Einzelresultate darstellen228 . Für unsere Frage bedeutet dies, dass angesichts der nicht möglichen Subsumtion der Vor-GmbH unter § 64 Abs. I GmbHG nach der systematischen, der teleologischen sowie der historischen Auslegung auf der einen Seite und der Möglichkeit der Erfassung der Vor-GmbH durch § 64 GmbHG nach dessen Wortlaut auf der anderen Seite, die Vorgesellschaft nicht unter diese Vorschrift zu subsumieren ist, weil drei Auslegungsmethoden zu einander unterstützenden Resultaten gelangen und das Ergebnis die Grenze des Wortlauts weder über- noch unterschreitet. Eine einseitige Bevorzugung des Sprachgebrauchs würde zu Wortlautüberinterpretation und Formalismus, den "Todfeinden" der Rechtswissenschaft führen229. Deshalb der Wortlaut allein nicht maßgeblich. Im Ergebnis stellt sich die hier vorgenommene Auslegung ohnehin nur als Konkretisierung des Wortlauts dar. Die VorGmbH wird folglich nicht unmittelbar von § 64 Abs. I GmbHG erfasst.
4. Anwendung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH als Verstoß gegen das Analogieverbot Die Auslegung des § 64 Abs. I GmbHG führt dazu, dass die Annahme einer Strafbarkeit des Geschäftsführers der Vor-GmbH wegen Insolvenzverschleppung im Sinne des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gegen das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § I StGB verstößt, weil § 64 Abs. 1 GmbHG als Teil des Strafgesetzes230, nämlich des § 84 Abs. I Nr. 2 GmbHG anzusehen ist. 226 BGHZ 46, 74, 76; 49, 221, 223; Gern, VerwArch 1989, 415, 434; Loschelders/Roth, Methodik, S. 196. 227 Gern, VerwArch 1989,415,434. 228 Loschelders!Roth, Methodik, S. 196. 229 Nipperdey, in Enneccerus/Nipperdey, AT-BGB, §56 IV. 230 Zu den einzelnen Strafgesetzbegriffen vgl. § 9 II. 2. b) bb).
6 Hentschke
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a) Tatbestandscharakter des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG
§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ist nämlich als Blankettstrafgesetz zu charakterisieren. Nach zutreffender Auffassung in Rechtsprechung 231 und Literatur232 sind bei Blankettstrafgesetzen die durch die eigentliche Strafnorm in Bezug genommenen Vorschriften Bestandteile des Strafgesetzes und deshalb nach strafrechtlichen Maßstäben auszulegen. Daher sind Strafblankett und Ausfüllungsvorschrift als ein Strafgesetz anzusehen. Folglich unterliegen auch die Ausfüllungsvorschriften dem strafrechtlichen Analogieverbot der Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. Zwar ist § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG nicht als echte Blankettvorschrift anzusehen. Ein echtes Blankettstrafgesetz liegt nämlich nur dann vor, wenn "der Tatbestand und die Strafdrohung derart getrennt sind, dass die Ergänzung der Strafdrohung durch einen dazugehörigen Tatbestand von einer anderen Stelle und zu einer anderen Zeit selbständig vorgenommen wird"233 • Bei § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG sind demgegenüber Tatbestand und Strafandrohung in demselben Gesetz geregelt. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ist aber eine unechte Blankettvorschrift234 . Um eine solche handelt es sich, wenn für den Verbotsinhalt ausdriicklich auf eine Ergänzungsnorm verwiesen wird, die von derselben legislativen Instanz in demselben oder einem anderen Gesetz erlassen worden ist235 • Dies trifft wegen der Regelung des § 64 Abs. 1 im GmbH-Gesetz auf§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zu. Für die Beachtung des Analogieverbots ergeben sich aus dieser Charakterisierung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG jedoch keine abweichenden Bewertungen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG. Auch bei den unechten Blankettvorschriften unterliegen die Ausfüllungsvorschriften dem strafrechtlichen Analogieverbot, zumal es Aufgabe des Strafrechts ist, die Konstituierung von Handlungspflichten vorzunehmen. Die Regelung des § 64 Abs. 1 GmbHG wird durch die blankettartige Bezugnahme in § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG zu einem Teil des Strafgesetzes. Daher findet das Analogieverbot auf § 64 Abs. 1 GmbHG uneingeschränkte Anwendung. 231 BGHSt 20, 177, 181; bestätigt durch BGH, wistra 1982, 108; anders noch in BGHSt 7, 294, 295 f.; ferner: BVerfGE 47, 285, 309 f.; BVerfGE 48, 55; BayObLGSt 53, 116; BayObLGSt 59, 46; BayObLGSt 61, 149. 232 Arndt, JuS 1979,784 f.; Baumann/Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 8 Rdnr. 100; Brugger, VerwArch 1987, 1, 4; Cramer/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 15 StGB Rdnr. 100; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 26 [Fn. 3]; Herschel, NJW 1968, 617, 620; Jakobs, StrafR-AT, Abschn. 8 Rdnr. 47; Lenckner, in Engisch-FS, 490, 495; Ossenbühl, DVBI. 1967, 401, 402; Warda, Abgrenzung, S. 36 ff.; zur näheren Begründung dieser Auffassung vgl. § 9 Il. 2. b) cc) (1). 233 Der BGH (St 6, 30,40 f.) verwendet den Begriff Blankettstrafgesetz im engeren Sinn. 234 Baumann!Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 8 Rdnr. 102; für diese Begrifflichkeil auch Gribbohm, in LKu, § 1 StGB Rdnr. 34. Der BGH (St 6, 30, 41) spricht von gesetzestechnischer Vereinfachung. 235 Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 20 ff.
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH?
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b) Rechtsfindung praeter Legern und Analogieverbot
Das Auslegungsergebnis im Hinblick auf § 64 Abs. 1 GmbHG führt dazu, dass die Anwendung der Vorschrift auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH den Bereich der Rechtsfindung secundum Iegern überschreitet. Sobald eine unmittelbare Anwendung des Gesetzes nicht erfolgen kann, handelt es sich nämlich nicht mehr um Rechtsfindung secundum legem236• Damit ist der Bereich des strafrechtlichen Analogieverbots betroffen. Dieses aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitete Verbot untersagt dem Richter, den Bereich der Rechtsfindung secundum Iegern für die Strafbegründung zu verlassen237 . Für die Feststellung eines Verstoßes gegen das Analogieverbot ist deshalb nicht erforderlich, die Rechtsanwendung als Rechtsfindung praeter Iegern zu qualifizieren. Der Bereich dieser Rechtsfortbildung ist eröffnet, wenn es um die ergänzende Lückenausfüllung von Gesetzen geht. Die Feststellung der Art der Rechtsfortbildung für die Daseinsseite der Vor-GmbH muss an dieser Stelle noch nicht erfolgen, sondern sie wird im Rahmen des dritten Teils238 getroffen. Hier genügt für die Annahme eines Verstoßes gegen das strafrechtliche Analogieverbot, dass mit der Anwendung des § 64 Abs. 1 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH keine Rechtsfindung secundum Iegern mehr vorliegt. Im Ergebnis behält die herrschende Meinung recht. Die Anwendung des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH verstößt gegen das strafrechtliche Analogieverbot der Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. Damit scheidet die Möglichkeit der Strafbarkeit des GmbH-Geschäftsführers im Stadium der VorGmbH wegen lnsolvenzverschleppung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG aufgrund der Nichtanwendbarkeit dieser Vorschrift aus.
111. Vereiteln der Zwangsvollstreckung,§ 288 StGB Bei der Untersuchung der zivilrechtliehen Reaktionsmöglichkeiten auf Verlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der Vor-GmbH wurde auf die Möglichkeit der Verschleierung von Privatvermögen infolge der stichtagsbezogenen Gründerhaftung hingewiesen 239 • Solche Handlungen könnten als Vereitelung der Zwangsvollstreckung im Sinne des§ 288 StGB strafbar sein. Ebenso wie die bereits untersuchten Insolvenzdelikte vermag aber auch § 288 StGB keinen hinreichenden strafrechtlichen Schutz gegen Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu gewährleisten.
238
Krey, Studien, S. 27. Krey, Studien, S. 27. Unter § 9 I. 2. a).
239
§ 1 I. 3. c) bb) (6).
236 237
6*
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Das gilt sowohl für Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen als auch für Verschleierungen des Privatvermögens. 1. Sanktionierung der Vermögensverlagerungen
Der Anwendung des § 288 StGB auf Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen stehen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Da die Vor-GmbH, wie oben 240 festgestellt, insolvenzfähig ist, nimmt die eingebrachte Vermögensmasse, die Gegenstand der Vermögensverlagerungen ist, auch am Insolvenzverfahren teil. Für das Insolvenzverfahren ist aber § 283 StGB heranzuziehen241. § 288 StGB betrifft dagegen die Einzelzwangsvollstreckung, die für das eingebrachte Vermögen gerade nicht durchgeführt wird. Folglich können sowohl die Strafbarkeit des Geschäftsführers der Vor-GmbH als auch die der Gesellschafter für die Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht auf § 288 StGB gestützt werden. 2. Sanktionierung der Verschleierung von Privatvermögen a) Gesellschafter als 1äter
Wegen des in der Praxis meist höheren wirtschaftlichen Potentials der Griinder gegenüber den (Fremd-)Geschäftsführern werden Verschleierungen des Privatvermögens vorwiegend bei den Griindern eine Rolle spielen. Daher stellt sich hier die Frage nach einer strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeit dieser Verschleierungen durch § 288 StGB. Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 288 StGB ist zunächst, dass die Gesellschafter als taugliche Täter in Betracht kommen. Tauglicher Täter ist derjenige, dem die Zwangsvollstreckung droht, mithin derjenige, der Schuldner der Forderung ist. Die Geltendmachung der anteiligen Verlustdeckungshaftung bei Scheitern der Eintragung gegen die Griinder erfolgt durch die Gläubiger durch Pfändung und Überweisung des Verlustdeckungsanspruchs der Vor-GmbH gegen die Griinder und anschließender Drittschuldnerklage, also im Wege der Einzelzwangsvollstreckung. Das scheint für die Schuldnereigenschaft der Griindungsgesellschafter zu sprechen. Jedoch setzt die Regelung des§ 288 StGB voraus, dass zum Tatzeitpunkt bereits ein Anspruch entstanden ist. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil nur wegen eines Anspruchs die Zwangsvollstreckung drohen kann242 . 240 241 242
In der Einführung unter I. 1. Eser/Heine, in Schönke/Schröder, § 288 StGB Rdnr. 3. RGSt 63, 341, 342; Geppert, Jura 1987,427, 428.
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH?
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Nach dem Innenhaftungskonzept des BGH243 entsteht der Verlustdeckungsanspruch jedoch erst im Zeitpunkt des Scheiteros der Eintragung. Die Verschleierung des Privatvermögens werden die Gründer aber bereits dann vornehmen, wenn sich andeutet, dass ihre Geschäftsidee nicht die erhofften Früchte trägt. Dies wird in der Regel vor dem Zeitpunkt des Scheiteros der Eintragung der Fall sein. Daraus folgt, dass zum Tatzeitpunkt mangels eines entstandenen Anspruchs die Gründer noch nicht als Schuldner in Betracht kommen. Zwar erfasst § 288 StOB bestimmte erst noch entstehende Ansprüche. Jedoch ist notwendig, dass es sich zumindest um einen aufschiebend bedingten Anspruch handelt oder eine Verdichtung zu einem Anwartschaftsrecht erfolgt ist, denn der Tatbestand des § 288 StOB trifft auch eine Wertentscheidung zwischen der wirtschaftlichen Freiheit des Schuldners und dem Schutz der Gläubigerinteressen 244. Die Verlustausgleichspflicht erfüllt diese Anforderungen nicht. Die Gläubiger der Vor-GmbH haben im Hinblick auf den Anspruch aus der Verlustdeckungspflicht weder ein Anwartschaftsrecht inne, noch handelt es sich dabei um einen aufschiebend bedingten Anspruch. Des Weiteren besteht zwar bei der Forderungspfandung sowie bei der Abtretung im Zwangsvollstreckungsrecht die Möglichkeit der Pfandung zukünftiger Forderungen245. Dabei muss aber bereits eine Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner gegeben sein246. Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Schuldner (Vorgesellschaft) und Drittschuldner (Gründungsgesellschafter) besteht sogar, dennoch scheidet die Anwendung des § 288 StOB auf die Gesellschafter aus. Die Vorschrift ist nämlich nicht auf Drittschuldner, auch wenn diese einmal Vollstreckungsschuldner werden, anwendbar, weil § 288 StOB zwingend nur den Vollstreckungsschuldner als Tater erfasst247 . Zum Zeitpunkt der schädigenden Verhaltensweisen sind die Gesellschafter trotz der Möglichkeit der Prandung künftiger Forderungen nun gerade Drittschuldner und nicht Vollstreckungsschuldner. Die Gesellschafter werden erst durch die Erhebung der Drittschuldnerklage zu Vollstreckungsschuldnem und zu diesem Zeitpunkt werden die Verschleierungen des Privatvermögens bereits vollzogen worden sein, so dass eine Anwendbarkeit des § 288 StOB auf die Gesellschafter wegen Verschleierungen von Privatvermögen unter Geltung des Innenhaftungskonzepts zu verneinen ist. Allenfalls nach dem Außenhaftungskonzept könnten die Gesellschafter Tater des § 288 StOB sein. Als Grundlage für die Außenhaftung der Gesellschafter wird§ 128 HGB analog herangezogen248 . Danach haften die Gesellschafter den Gläubigem für die Erfül243
BGHZ 134, 333 ff.
Geppert, Jura 1987,427, 428; Schäfer, in LK 10, § 288 StGB Rdnr. 6. Brox/Walker, ZVS, Rdnr. 509; ThoiTUJs!Putzo, § 829 ZPO Rdnr. 10 i.V.m. § 259 ZPO Rdnr. 3. 246 Brox/Walker, ZVS, Rdnr. 509. 247 RGSt 68, 108, 109. 248 Knoche, Gründerhaftung, S. 194, Theobald, Vor-GmbH, S. 80. 244 245
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
lung der Verbindlichkeiten unmittelbar. Den Gläubigem steht es somit frei, ob sie die Gesellschaft, die Gesellschafter oder einen einzelnen Gesellschafter verklagen249 und auch in dieser Weise vollstrecken wollen. Nach dem Außenhaftungskonzept können die Gesellschafter, trotz der Gemeinschuldnerrolle der Vor-GmbH im Insolvenzverfahren, als Vollstreckungsschuldner und damit taugliche Täter des § 288 StOB angesehen werden. Fraglich ist allerdings, ob § 288 StOB eine hinreichende strafrechtliche Sanktionierung der schädigenden Verhaltensweisen ermöglicht. Dies ist angesichts einer Höchststrafandrohung von 2 Jahren Freiheitsstrafe aus kriminalpolitischer Sicht zumindest erheblich zweifelhaft. Des Weiteren wäre eine alleinige Sanktionierung durch § 288 StOB auch deshalb bedenklich, weil nach dieser Regelung schwere Fälle keine Berücksichtigung finden.
b) Geschäftsführer als Tciter Bei der Handelndenhaftung wurde bereits auf die Möglichkeit der Verschleierungen von Privatvermögen durch den Geschäftsführer hingewiesen, um sich der Inanspruchnahme durch die Gläubiger zu entziehen 250. Daher gilt es zu klären, ob die Geschäftsführer als taugliche Täter im Sinne des § 288 StOB angesehen werden können. Da die Handelndenhaftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG eine akzessorische Haftung wie bei der OHG in § 128 HGB begründet251 , ist auch der Geschäftsführer gegenüber den Gläubigem Vollstreckungsschuldner, so dass er folglich tauglicher Täter im Sinne des § 288 StOB ist. Allerdings stellt sich die strafrechtliche Sanktionierung durch § 288 StOB hier aus denselben Gründen wie bei den Gesellschaftern, sobald das Außenhaftungskonzept zugrunde gelegt wird, als nicht ausreichend dar.
IV. Ergebnis des ersten Teils Die Betrachtungen im ersten Teil haben gezeigt, dass den Gläubigem bei Insolvenz der Vor-GmbH weder das Zivilrecht noch die Insolvenzstraftatbestände hinreichenden Schutz gewähren. Außer Betracht geblieben ist jedoch die Möglichkeit der strafrechtlichen Sanktionierung von schädlichen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Insolvenz der Vor-GmbH durch die Anwendung des Untreuetatbestandes gemäß § 266 StOB. Zwar ist die Untreue kein Gläubigerschutz249 250 251
Baumbach/Hopt, § 128 HGB Rdnr. 39. Siehe oben § 1 II. 3. K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 113.
§ 2 Anwendbarkeit der Insolvenzdelikte auf die Vor-GmbH?
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delikt, denn vorrangig schützt § 266 StGB den Vermögensinhaber vor Aushöhlungen seines Vermögens von innen. Jedoch werden die Gläubiger durch den Erhalt des Vermögens beim Vermögensinhaber zumindest ,,reflexartig" geschützt252. Demnach würde die Anerkennung der Vor-GmbH als ein von § 266 StGB geschützter Vermögensinhaber den Gläubigem zumindest mittelbar zugute kommen. Sollte sich über den Schutz der Vor-GmbH durch § 266 StGB ein mittelbarer Gläubigerschutz ergeben, bleibt letzterer zwar hinter dem zurück, der durch die Insolvenzdelikte generell möglich ist, denn das durch den Untreuetatbestand geschützte Vermögen der Vor-GmbH umfasst möglicherweise wertmäßig nur das Stammkapital. Das im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG gebundene Kapital ist wegen der geforderten (Mindest-) Kapitalautbringung in Höhe von 25.000,- Euro nämlich nur in sehr eingeschränktem Maße in der Lage, in der Insolvenz der VorGmbH einen Mindesthaftungsfonds zur Verfügung zu stellen253. Die präventive Schutzfunktion der Kapitalsicherung darf aber nicht unterschätzt werden, zumal sie ein gewisses Finanzpolster, wenn auch in beschränktem Umfang, bietet und in erster Linie den Bestand der Gesellschaft sichern wi11254. Dass die Sanktionierung von Vermögensverlagerungen im Zusammenhang mit der Insolvenz einer Gesellschaft durch § 266 StGB nicht ungewöhnlich ist, zeigt die Rechtsprechung des BGH255 zur Anwendung der Insolvenzdelikte auf die eingetragene GmbH. Wie oben256 dargelegt, kann § 283 Abs. 1 StGB wegen mangelnder Tätereigenschaft der GmbH nur nach Maßgabe der Überwälzungsvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf den Geschäftsführer angewendet werden. Dieser muss aber "als" solcher tätig werden. Der BGH257 vertritt die "lnteressentheorie", nach welcher der Geschäftsführer nur dann als Organ der GmbH handelt, wenn die Bankrotthandlungen zumindest auch im Interesse der GmbH liegen. Handelt er hingegen ausschließlich im eigenen Interesse, dann kommt nach Auffassung des BGH nur eine Bestrafung wegen Untreue gemäß § 266 StGB in Betracht. Aber auch ein Blick auf die Ansichten, die in der Literatur im Zusammenhang mit der Anwendung von § 283 Abs. 1 StGB in der Insolvenz der eingetragenen GmbH vertreten werden, lässt deutlich werden, welche Bedeutung § 266 StGB in diesem Bereich besitzt.
Ulmer; in Pfeiffer-FS, 853, 860. Diesen Aspekt betonen für die eingetragene GmbH Fleck, in FS-100 Jahre GmbHG, 391, 392; Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 21 f. 254 Zu dieser Funktion vgl. § 5 III. 2. 255 BGHSt 28, 371, 373; 30, 127, 128. 256 § 2 I. 1. 257 BGHSt 28, 371, 373; 30, 127, 128. 252 253
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Teil 1: Notwendigkeit der Anwendung des § 266 StGB auf die Vor-GmbH
In der Literatur258 wird die Sicht des BGH kritisiert, weil die in § 283 StGB beschriebenen Handlungen kaum im Interesse des schuldnerischen Unternehmens lägen und deshalb die §§ 283 ff. StGB zur Bedeutungslosigkeit verurteilt würden. Zudem bliebe bei der Anwendung des § 266 StGB der Strafrechtsschutz im Hinblick auf den Versuch und die Fahrlässigkeit hinter dem der §§ 283 ff. StGB zurück. Deshalb soll der Geschäftsführer immer dann als vertretungsberechtigtes Organ handeln und wegen Bankrotts strafbar sein, wenn er bei seinen Handlungen die sich aus seiner rechtlichen und faktischen Stellung heraus ergebenden Möglichkeiten ausnutzt oder in Ausführung seiner ihm zustehenden Verrichtungsmöglichkeiten handelt und nicht nur bei Gelegenheit. Zum Tei1 259 wird jedoch zu Recht bei einem Einverständnis der Gesellschafter das Geschäftsführerverhalten der GmbH immer zugerechnet. Daraus folgt, dass der Geschäftsführer bei einem Vorliegen des Einverständnisses der Gesellschafter im Falle des Beiseiteschaffens von Vermögensgegenständen im eigenen Interesse immer nach § 283 Abs. 1 Nr. l StGB strafbar ist, wenn die Zustimmung der Gesellschafter nicht gegen § 30 GmbHG verstößt. Liegt hingegen ein Einverständnis der Gesellschafter vor, das gegen § 30 GmbHG verstößt und handelt der Geschäftsführer im eigenen Interesse, dann kann der GmbH das Einverständnis nicht zugerechnet werden und es greift § 266 StGB ein. Diese Literaturmeinungen belegen, dass die Anwendung von § 266 StGB im Falle der Insolvenz keineswegs fernliegend erscheint. Jedoch nicht nur Gläubigerschutzgesichtspunkte erfordern die strafrechtliche Sanktionierung durch § 266 StOB zugunsten der Vor-GmbH. Die Vor-GmbH selbst, sollte sie sich als eigenständiger Vermögensträger qualifizieren lassen, ist nämlich wegen der mangelnden Kompensation des eingebrachten Vermögens durch Gesellschafter- und Handelndenhaftung schutzbedürftig. Da somit die Anwendung des § 266 StGB erforderlich erscheint, um einen Schutz der Vor-GmbH und einen reflexartigen Gläubigerschutz zu erreichen, ist zu klären, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
258 Labsch, wistra 1985, 59, 60; Schäfer; wistra 1990, 81, 84; Tiedemann, in LK 11 , vor § 283 StGB Rdnr. 81 ff.; Wehleit, Abgrenzung, S. 70 f. 259 Flum, Schutz d. GmbH, S. 143.
Tei/2
Untreueschutz der eingetragenen GmbH Die Untersuchungen im ersten Teil haben ergeben, dass sich ein Schutz des Gesellschaftsvermögens der Vor-GmbH, sollte sie Vermögensträger sein, und ein mittelbarer Gläubigerschutz nur durch die Anwendung des Tatbestandes der Untreue gemäß § 266 StGB erreichen lassen. Bevor jedoch die Anwendbarkeit des § 266 StGB auf die Vor-GmbH bei Vermögensschädigungen mit Zustimmung der Gesellschafter geprüft werden kann, sind die Voraussetzungen der sogenannten "GmbHrechtlichen Untreue" bei der eingetragenen GmbH darzulegen. Dieser Untersuchung bedarf es, weil die Vor-GmbH vereinfacht als GmbH minus Eintragung charakterisiert werden kann. Wäre schon bei der eingetragenen GmbH in den Zustimmungsfallen eine Anwendbarkeit des § 266 StGB zu verneinen, so müsste dies erst recht für die Vor-GmbH gelten.
§ 3 Verlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen als Problem der Untreue
I. Untreuerelevanz der Vermögensverlagerungen Die Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen und die damit verbundene Minderung des GmbH-Vermögens werfen nämlich die Frage auf, ob sie zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Gesellschaftsorgane der GmbH führen können oder ob ihnen im Umgang mit dem GmbH-Vermögen keine Grenzen gesetzt sind. Letzteres widerspräche jedoch den zivilrechtliehen Vorgaben des GmbH-Gesetzes. Das GmbH-Gesetz stattet die GmbH in § 13 Abs. 1 GmbHG mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit aus mit der Folge, dass der GmbH zivilrechtlich auch das Gesellschaftsvermögen zugeordnet und dieses von den Vermögensmassen der Gesellschafter getrennt wird. Daher stellt sich der Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen für die Gesellschaftsorgane zivilrechtlieh als Behandlung von Fremdvermögen dar, für das sie aufgrund ihrer Stellung als Gesellschaftsorgane allerdings verantwortlich sind. Wegen dieser zivilrechtliehen Eigenständigkeit der GmbH und der Stellung der Gesellschaftsorgane liegt es nahe, die einverständlichen Zuwendungen als Untreue zu bestrafen. Untreue ist nämlich die vorsätzliche Verletzung der Pflicht zur Betreuung fremder Vermö-
Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
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gensinteressen durch Benachteiligung des zu Betreuenden 1• Zwar repräsentiert die Gesellschaftergesamtheit als oberstes Willensbildungsorgan2 der für sich handlungsunfähigen GmbH grundsätzlich deren Willen, § 30 Abs. 1 GrnbHG verbietet aber zur Sicherung des Gesellschaftsvermögens der GmbH Auszahlungen an die Gesellschafter, soweit das Vermögen zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist. Die Vorschrift setzt der Willensbildung der Gesellschafter somit unmittelbar durch Gesetz auf zivilrechtlichem Gebiet Grenzen, die sich in Anbetracht der Weisungsgebundenheit auch auf die Kompetenzen des Geschäftsführers in diesem Umfang auswirken. Unter zivilrechtliehen Aspekten liegt es nahe, zumindest § 30 Abs. 1 GrnbHG als Ausdruck eines Vermögens- bzw. Bestandsinteresses der GmbH anzusehen. Ob sich darüber hinaus aus dem GmbH-Gesetz weitere Beschränkungen für die Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit ableiten lassen, wird zu klären sein3 . Mag sich damit unter Würdigung der zivilrechtliehen Vorgaben eine Untreuestrafbarkeit der Gesellschaftsorgane der GmbH gemäß § 266 StGB noch relativ einfach begründen lassen, so ist damit noch nicht das eigentliche Problern der Übertragbarkeit der zivilrechtliehen Vorgaben auf das Strafrecht geklärt. Zu untersuchen ist, ob die Gesellschaftsorgane aufgrund ihrer Organstellung als taugliche Täter im Sinne des § 266 StGB anzusehen sind4 • Ferner ist darzulegen, ob das GmbH-Vermögen auch auf strafrechtlichem Gebiet für die Gesellschaftsorgane als Fremdvermögen anzusehen ist5 • Darüber hinaus muss herausgearbeitet werden, ob die zivilrechtliehen Grenzen der Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit auf strafrechtlichem Gebiet ebenfalls Geltung erlangen können. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt es ab, ob eine .,GmbH-rechtliche" Untreue bei der eingetragenen GmbH anzuerkennen ist.
II. Unbrauchbarkeit des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung Bei der eingetragenen Gesellschaft wird das Problern der .,GmbH-rechtlichen Untreue" seit den achtziger Jahren unter dem Stichwort .,verdeckte Gewinnausschüttung" diskutiert. Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung erweist sich jedoch für die Lösung der Problematik als unbrauchbar. Die Definition der verdeckten Gewinnausschüttung wurde von Teilen der strafrechdichen6 und zivilrechtlichen7 Literatur sowie der zivilrechtliehen RechtspreI
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Rengier, StrafR-BT 1, § 18 Rdnr. 2.
Zu dieser Stellung näher unter § 5 I. Vgl. § 5 IV. § 3 III., § 6 .
Näheres dazu unter § 4. Meilicke, BB 1988, 1261; Reiß, wistra 1989, 81.
§ 3 Verlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen als Problem der Untreue
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chung des BGH8 dem Steuerrecht nahezu wörtlich entnommen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs9 lag eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) dann vor, wenn eine GmbH einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie (durch ihre Organe) bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Dieser Vermögensvorteil muss außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugewendet worden sein. Inzwischen hat der BFH jedoch seine Rechtsprechung geändert. Die vGA definiert er heute nicht mehr als Zuführung oder Zuwendung von Vermögensvorteilen an Gesellschafter, sondern als Vermögensminderung der Kapitalgesellschaften, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit der offenen Ausschüttung steht 10• Die Änderung der Definition verdeutlicht nunmehr besser die Zielrichtung des steuerlichen Begriffs der vGA. Es ist für den Steueranspruch des Staates nämlich das Einkommen der Kapitalgesellschaft maßgeblich 11 • Im Steuerrecht geht es folglich um die zutreffende Ermittlung des Gewinns bzw. des Einkommens. Dagegen ist im Gesellschaftsrecht entscheidend, ob die Zuwendungen der GmbH an die Gesellschafter außerhalb der Gewinnverteilung zulässig sind. Damit wird die unterschiedliche Zielrichtung des Begriffs der vGA aus steuer- und gesellschaftsrechtlicher Sicht klar. Die veränderte inhaltliche Begriffsbildung bei der vGA gibt denjenigen Vertretern 12 der gesellschaftsrechtlichen Literatur recht, die schon immer gegen die Übernahme des steuerrechtliehen Begriffs plädiert haben. Des Weiteren bietet sich eine Begriffsunterscheidung bei der vGA auch deshalb an, weil es aus steuerrechtlicher Sicht irrelevant ist, ob ein Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften vorliegt. Hingegen sind im Gesellschafts- und Strafrecht besonders die Fälle von Interesse, in denen kein ausschüttbarer Gewinn erzielt wurde und die Zuwendungen gerade aus dem für die Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen erfolgt sind 13 . Folglich ist der steuerrechtliche Begriff der vGA zur Kennzeichnung unserer Problematik ungeeignet und sollte in den Fällen der Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Gesellschafts- und Strafrecht nicht verwendet werden 14• Aus 7 Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 29 GmbHG Rdnr. 68; Schulze-Osterloh, in Stimpel-FS, 487,497. s BGH, NJW 1987, 1194, 1195. 9 BFH, GmbHR 1987, 323. w BFH, GmbHR 1989, 307,308. 11 Tries, vGA, S. 25. 12 Hager, ZGR 1989, 71, 74; Schneider, ZGR 1985, 279, 280; Winter, Treubindung, § 13 I. 2. 13 Schneider, ZGR 1985,279, 284; Winter, Treubindung, § 13 I. 2. 14 So auch Stimpel, in FS-100 Jahre GmbHG, 335, 341, der davon spricht, dass die ,,Fehlbezeichnung" verdeckte Gewinnausschüttung unausrottbar zu seien scheint, obgleich es handelsrechtlich nicht um Gewinne geht.
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Teil2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
gesellschaftsrechtlicher und strafrechtlicher Sicht sind nur solche Ausschüttungen, welche die Vermögenssubstanz der Gesellschaft betreffen (sog. Substanzausschüttungen 15), relevant. Zutreffenderweise muss daher im Gesellschafts- und Strafrecht von verdeckten Zuwendungen 16 oder verdeckten Vermögensverlagerungen gesprochen werden, um zu zeigen, dass es nicht um den Gewinn oder die Gewinnausschüttung geht, sondern um Substanzausschüttungen. Im Folgenden wird daher generell, wie schon im ersten Teil dargestellt, der Begriff Vermögensverlagerung 17 verwendet.
111. Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers Wegen des Sonderdeliktscharakters des§ 266 StGB ist zu klären, welche Personen taugliche Täter der Untreue sein können. § 266 StGB stellt nur die untreuerelevanten Handlungen desjenigen unter Strafe, der Inhaber einer Vermögensbetreuungspflicht ist18 . Diese erfordert eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verpflichtung des Täters zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Vermögensinhabers. Die Verpflichtung zur Vermögenssorge muss auch wesentlicher Bestandteil des Aufgabenbereichs des Täters sein, wobei ihm in der Regel ein gewisser Ermessensspielraum für eigene Entscheidungen, die wirtschaftlich für den Vermögensinhaber von Bedeutung sein können, zustehen muss 19. Inhaber der von § 266 StGB vorausgesetzten Vermögensbetreuungspflicht ist jedenfalls der Geschäftsführer der GmbH. Die Rechtsstellung des Geschäftsführers im Kompetenzgefüge der GmbH folgt aus den Regelungen der §§ 6, 35, 37 GmbHG. Aus dieser, auf eine gewisse Dauer angelegten Position folgt u. a. auch die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Beachtung der Vermögensinteressen 15 Zutreffend Hellmann, wistra 1989, 214 [Fn 3], der jedoch den Begriff der vGA aus dem Steuerrecht übernimmt. 16 Winter, Treubindung, § l3 I. 2. 11 Zu den praktischen Fallgruppen vgl. in der Einführung. 18 Die Missbrauchsalternative setzt nach zutreffender Auffassung (BGHSt 24, 386, 387; Birnbaum, wistra 1991, 253, 255; Kühl, in Lackner/Kühl, § 266 StGB Rdnr. 4; Meier; Jura 1991, 142, 146 f.; Nelles, Untreue, S. 218, 220; Rengier, StrafR-BT I; § 18 Rdnr. 2, 8; Wessels/Hillenkamp, StratR-BT 2, Rdnr. 750) wie die Treubruchalternative eine Vermögensbetreuungspflicht voraus. Die Gegenauffassung (Miehe, JuS 1980, 261, 262; Otto, GrundK-Delikte, § 56 Rdnr. 7 ff.; Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 11 ff.), die für die Missbrauchsalternative keine Vermögensbetreuungspflicht verlangt, überzeugt nicht. Die Formulierung "dem, dessen Vermögen er zu betreuen" gilt für beide Tatbestandsalternativen. Dariiber hinaus wird mit dem Verlangen nach einer Vermögensbetreuungspflicht bei der Missbrauchsalternative einer ausufernden Anwendung von § 266 StGB entgegenwirkt. 19 Krey, StrafR-BT 2, Rdnr. 566; Mitsch, StratR-BT 211, § 8 Rdnr. 42; Samson/Günther, in SK, § 266 StGB Rdnr. 24, 29, Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 58 f.
§ 3 Verlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen als Problem der Untreue
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der GmbH. Diese Verpflichtung stellt einen wesentlichen Bestandteil des Aufgabenbereichs des Geschäftsführers dar. Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung, die also ebenfalls die Berücksichtigung der Vermögensinteressen der GmbH umfasst, besitzt der Geschäftsführer einen gewissen Ermessensspielraum für eigene Entscheidungen, die wirtschaftlich für die Gesellschaft von Bedeutung sein können. Aufgrund dessen ist der Geschäftsführer als Inhaber einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB anzusehen20. Ob auch die Gesellschafter als Tater in Betracht kommen, wird unter § 6 zu klären sein.
IV. Vermögensverlagerungen als Treubruch gemäß § 266 Abs. 1, 2. Alt StGB Die in unserem Zusammenhang relevanten Verlagerungen aus dem Vermögen der GmbH mit Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit unterfallen, wenn eine Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes bei eingetragenen GmbH überhaupt anzuerkennen sein sollte, der Treubruchsalternative des § 266 StGB. Die Missbrauchsalternative wäre nur dann einschlägig, wenn der Tater seine Befugnis zu einer nach außen wirksamen Verfügung ausübt, die nach der im Innenverhältnis bestehenden Rechtsbeziehung rechtswidrig ist21 . Ein Missbrauch liegt also in der Überschreitung der im Innenverhältnis einzuhaltenden Grenzen des rechtlichen Dürfens im Rahmen des rechtsverbindlich wirkenden Könnens im Außenverhältnis22. Diese Alternative scheidet bei Vermögensverlagerungen mit Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit zum einen häufig schon deshalb aus, weil es sich oft um Entnahmen handelt, die nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln bewirkt werden. Sie sind mit dem "Griff in die Kasse" zu vergleichen, welcher der Treubruchvariante wegen des mangelnden rechtsgeschäftliehen Charakters dieser Manipulation unterfällt Der Missbrauchstatbestand greift zum anderen aber auch dann nicht ein, wenn Vermögensverlagerungen durch rechtsgeschäftliches Handeln, z. B. durch Begleichung überhöhter oder fingierter Rechnungen erfolgen. Wegen der Zustimmung der Gesellschafter sind die Handlungen des Geschäftsführers im Innenverhältnis nicht rechtswidrig, denn die Befugnis dazu wird ihm gerade durch die Zustimmung eingeräumt23 . Aus diesem Grund sind Verlagerungen aus dem Vermögen der GmbH der Treubruchalternative zu unterstellen.
BGHSt 6, 314, 315; Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 125. 21 Krey, StrafR-BT 2, Rdnr. 545; Kühl, in Laclcner I Kühl, § 266 StGB Rdnr. 6; Samsonl Günther, in SK, § 266 StGB Rdnr. 17; Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 32. 22 Krey, StrafR-BT 2, Rdnr. 545; Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 32; Wessels/ Hillenkamp, StratR-BT 1, Rdnr. 753. 23 Hellmann, wistra 1989, 214, 215. 20
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Teil2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
§ 4 Die Vermögensinhaberschaft der GmbH Die Treubruchalternative scheint somit auf den Geschäftsführer grundsätzlich anwendbar zu sein. Weitere Voraussetzung für einen Schutz der GmbH vor der· Verminderung des Vermögens durch § 266 StGB ist jedoch, dass sie auch strafrechtlich als eigenständiger Vermögensinhaber angesehen werden kann. Die Vermögensinhaberschaft ist deshalb von Bedeutung, weil bei einem Einverständnis des Vermögensinhabers zu den schädigenden Handlungen eine Untreuestrafbarkeit generell ausscheidet24. Aus zivilrechtlicher Sicht ist die selbstständige Zuordnung des Gesellschaftsvermögens zur GmbH eindeutig. Da§ 13 Abs. 1 GmbHG die GmbH als juristische Person mit eigenen Rechten und Pflichten ausstattet, ist sie aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit als Vermögensinhaber anzusehen. Strittig ist aber, ob diese Vermögenszuordnung in das Strafrecht übertragen werden kann.
I. Wirtschaftliche Betrachtungsweise Eine in der Literatur vertretene Auffassung25 nimmt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor und ordnet das Gesellschaftsvermögen nicht der GmbH selbst, sondern vielmehr den Anteilseignern, also den GmbH-Gesellschaftern zu. Diese seien als wirtschaftliche Eigentümer Inhaber des Vermögens der GmbH. Begründet wird diese Sicht damit, dass die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH nur eine haftungsrechtliche Konstruktion sei, der Schutz des Vermögens der GmbH also in erster Linie den Gläubigern der Gesellschaft zugute komme. Ein derartiger Gläubigerschutz laufe jedoch dem Schutzzweck des § 266 StGB zuwider. § 266 StGB sei schließlich keine Gläubigerschutzvorschrift, sondern diene ausschließlich dem Schutz des Vermögensinhabers26. Zudem werde die Trennung zwischen der Rechtspersönlichkeit der Gesellschafter und derjenigen der GmbH nicht immer konsequent durchgehalten, weil in Aus-
Schäfer; GmbHR 1993,780,788. Labsch, JuS 1985, 602, 604; ders., wistra 1985, I, 7; Lenckner/Perron, in Schönke/ Schröder, § 266 StOB Rdnr. 21; Muhler; wistra 1994, 283, 287. Auch die Auffassung von Nelles, Untreue, S. 492, wird man in Anbetracht ihres Ergebnisses (Gesellschaftergesamtheit = Vermögensinhaber) diesem Meinungsspektrum zurechnen müssen, auch wenn sie ihre Sichtweise nicht mit einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründet. Sie entwickelt vielmehr eigene Merkmale für den Vermögensinhaber, aus denen sich ergeben soll, dass die Gesellschaftergesamtheit Vermögensinhaber ist. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Argumentation von Nelles erfolgt im 3. Teil, unter§ 8 111. 1. 26 Labsch, JuS 1985, 602, 604. 24
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§ 4 Die Vermögensinhaberschaft der GmbH
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nahmefällen ein Haftungsdurchgriff27 auf die Gesellschafter zugelassen wird. Deshalb lasse sich auch eine eindeutige Vermögenszuordnung des Gesellschaftsvermögens zur GmbH nicht durchführen. Diese Argumente überzeugen jedoch nicht. Die Hervorhebung des - nur in Ausnahmefällen zugelassenen - Haftungsdurchgriffs verkennt dessen Zielstellung, denn er entgegnet dem Missbrauch der Haftungsfreistellung durch die Gesellschafter. Durch diese Sanktion soll das Trennungsprinzip gestärkt und die beschränkte Haftung der Gesellschafter, also ein Charakteristikum der GmbH, gesichert werden28• Der Sinn des Haftungsdurchgriffs besteht folglich in der Sicherung der durch das Zivilrecht gegebenen Vermögensstruktur der GmbH und hebt daher die Rechtspersönlichkeit der GmbH eher hervor, als dass er sie in Frage stellt. Der Einwand, die GmbH sei eine haftungsrechtliche Konstruktion, greift an dieser Stelle ebenfalls nicht durch. Der Schutz des GmbH-Vermögens durch das GmbH-Gesetz betrifft die Vermögensbindung und nicht die Vermögenszuordnung. Daher ist der Gesichtspunkt des Schutzes des Gesellschaftsvermögens auch erst bei der Behandlung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit relevant29. Dort wird dann geklärt, ob die Vermögensbindung tatsächlich in erster Linie zugunsten der Gläubiger besteht und die Anwendbarkeit des Tatbestandes der Untreue ausschließt30. Vorzugswürdig ist eine zivilrechtlich orientierte Sichtweise bei der strafrechtlichen Zuordnung des Gesellschaftsvermögens der GmbH. Die Konstruktion des § 266 StGB knüpft unmittelbar an Normen außerhalb des StGB an. Dies zeigt insbesondere die Vermögensbetreuungspflicht, die das Bindeglied zwischen dem Treupflichtigen und dem Vermögensinhaber darstellt. § 266 StGB setzt nämlich eine durch Gesetz, behördlichen Auftrag, Rechtsgeschäft oder ein Treueverhältnis begründete Pflicht zur Wahrnehmung von Vermögensinteressen voraus. Die Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers der GmbH ist, wie oben31 gesehen, das Gesetz32• Die gesetzlich begründete Vermögensbetreuungspflicht ist nicht gegenüber der Gesellschaftergesamtheit begründet, denn schließlich stellt § 13 Abs. I GmbHG die GmbH als juristische Person mit eigenen Rechten und Pflichten heraus. Damit ist die GmbH diejenige, gegenüber der die Rechte und Pflichten bestehen, so dass auch die Vermögensbetreuungspflicht ihr gegenüber existiert. Infolge dieser Bezugnahme des § 266 StGB auf das Zivilrecht und der Verknüpfungsfunktion der Vermögensbetreuungspflicht ist eine zivilrechtlieh orientierte Vermögenszuordnung als zutreffend anzusehen33 . 27 28 29
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Zum Begriff der Durchgriffshaftung Fn. 66 im 1. Teil. So aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Winter, Treubindung, § 12 II. 4. b) bb) [Fn. 105]. Ähnlich Wodicka, Untreue, S. 201; ferner Brammsen, DB 1989, 1609, 1610. Unter § 5 III. 2. a), b ). § 3 III. §§ 6, 35, 37 GmbHG.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
Die Anerkennung der zivilrechtliehen Verselbstständigung der Gesellschaft im Rahmen des Untreuetatbestandes ist zudem wegen des (fast) völligen Ausschlusses eines wirtschaftlichen Risikos für die natürlichen Personen angebracht. Schließlich schafft erst die Verselbstständigung durch die Trennung der Vermögensmassen die Möglichkeit der Unternehmerischen Tätigkeit unter weitgehender Ausschaltung des wirtschaftlichen Risikos. Vor diesem Hintergrund erscheint es nur konsequent, die Daseinsberechtigung einer solchen Möglichkeit auf strafrechtlichem Gebiet durch einen Schutz der zivilrechtlich verselbstständigten Vermögensmasse zu stärken34. Als weiterer Aspekt muss der bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise existierende Wertungswiderspruch zwischen Strafrecht und Zivilrecht angeführt werden. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise stellt die Existenzberechtigung der GmbH als juristische Person in Frage. Es bleibt unklar, was die zivilrechtliche Anerkennung einer GmbH als juristischer Person noch wert ist, wenn man ihr auf strafrechtlichem Gebiet letztlich den Schutz versagt. Die zivilrechtliche Anerkennung als juristische Person wäre unbedeutend, wenn im Ergebnis Vermögensschädigungen derselben unsanktioniert blieben. Die wirtschaftliche Betrachtung widerspricht somit dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung. Zu Recht wird im Zusammenhang mit diesem Prinzip hervorgehoben, dass die rechtliche Verselbstständigung auf allen Rechtsgebieten anzuerkennen ist, weil sonst die gesetzliche Regelung des § 13 Abs. 1 GmbHG völlig unterlaufen würde35 . Es darf nicht ignoriert werden, dass die GmbH als juristische Person ein real existierendes Sozialgebilde darstellt. Die GmbH unterliegt folglich als Vermögensinhaberin strafrechtlichem Schutz.
II. Bestimmung der Vermögensinhaberschaft nach gesellschaftsrechtlichen Vorgaben Aus diesen Gründen ist der herrschenden Meinung36 zu folgen, die entsprechend den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben das Gesellschaftsvermögen der GmbH als eigenständiger juristischer Person im Sinne des GmbH-Gesetzes zuordnet. Diese Auffassung beachtet das die GmbH charakterisierende Trennungsprinzip37, nach So auch Flum, Schutz d. GmbH, S. 101. Diesen Aspekt hebt auch Radtke, GmbHR 1998, 361, 362 hervor. 35 Brammsen, DB 1989, 1609, 1610. 36 BGHSt 34, 379, 384; 35, 333, 337, BGH, wistra 2000, 18, 19; Achenbach, in Festgabe50 Jahre Bundesgerichtshof, 593, 598; Birkholz, Untreuestrafbarkeit, S. 114 ff.; Brammsen, DB 1989, 1609, 1610; Gehrlein, NJW 2000, 1089, 1090; Gribbohm, ZGR 1990, 1, 11; Kaufmann, Organuntreue, S. 14; Kohlmann, in Wemer-FS, 387, 397; Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, 1080, 1082; Radtke, GmbHR 1998,361, 362; Schäfer, GmbHR 1993, 780, 789; Tröndle/Fischer, § 266 StGB Rdnr. 14 a, 20; Wodicka, Untreue, S. 203. 37 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 I. 2. b ). 33
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welchem klar zwischen dem Vermögen der GmbH und dem der Gesellschafter differenziert wird. Aus der Entscheidung für die zivilrechtlich orientierte herrschende Meinung bei der Vermögensinhaberschaft der Gesellschaft folgt aber noch nicht die Befürwortung eines Untreueschutzes der GmbH vor einverständlichen Schädigungen. In Anbetracht der Handlungsunfähigkeit der GmbH als solcher muss die Frage geklärt werden, wie weit die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen reicht. Nur bei einer Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit als oberstem Willensbildungsorgan der GmbH bliebe die Möglichkeit eines selbstständigen Schutzes der eingetragenen Gesellschaft vor einverständlich vorgenommenen untreuerelevanten Handlungen.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit Bevor die untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit geklärt werden kann, müssen die allgemeinen Kompetenzen der Gesellschaftergesamtheit im gesellschaftsrechtlichen Gefüge der GmbH aus zivilrechtlicher Sicht festgestellt werden.
I. Stellung der Gesellschaftergesamtheit im Kompetenzgefüge der GmbH Die Gesamtheit der Gesellschafter stellt ein notwendiges Organ der GmbH dar38 und zwar, wie bereits angedeutet 39, deren oberstes Willensbildungsorgan. Die Gesamtheit der Gesellschafter wird auch vereinfacht als Gesellschafterversammlung bezeichnet40• Die Willensbildung vollzieht sich innerhalb der GmbH durch Beschlussfassung der Gesamtheit der Gesellschafter, wobei es - bis auf einige Ausnahmen - zur Beschlussfassung nicht notwendig einer förmlichen Einberufung der Gesellschafterversammlung bedarf 1• Die Beschlussfassung ist auch außerhalb der Gesellschafterversammlung zulässig. Diese Erleichterung dient der Beweglichkeit der Gesellschaft, da die Gesellschafter die Unternehmenspolitik bestimmen und eine förmliche Gesellschafterversammlung für jede Beschlussfassung zu umständlich wäre.
38 39 40 41
K. Schmidt, in Scholz, § 45 GmbHG Rdnr. 5. § 3 I. Klauss/Birle, GmbH, Rdnr. 334. Klauss/Birle, GmbH, Rdnr. 334.
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Außerhalb der Gesellschafterversammlung vollzieht sich die Beschlussfassung bei Einverständnis der Gesellschafter schriftlich. Eine solche schriftliche Beschlussfassung ohne förmliche Gesellschafterversammlung ist dann unzulässig, wenn das Gesetz zwingend, wie bei der Einforderung von Nachschüssen (§ 26 GmbHG), bei Satzungsänderungen (§ 53 GmbHG), bei der Beschlussfassung über die Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Nr. 2 GmbHG) und bei Ernennung sowie Abberufung der Liquidatoren (§ 66 GmbHG), eine förmlichen Einberufung und Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung vorschreibt. Die Gesamtheit der Gesellschafter kann alle Zuständigkeiten an sich ziehen, soweit dem nicht Gesetz oder Satzung (Gesellschaftsvertrag) entgegenstehen. Insbesondere besitzt die Gesellschaftergesamtheit das Recht, in Geschäftsführungsangelegenheiten mittels Weisungen einzugreifen42 • Macht die Gesellschaftergesamtheit von der Vertragsfreiheit keinen Gebrauch und regelt sie ihre Zuständigkeit nicht im Gesellschaftsvertrag, dann kommt für die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der Katalog des§ 46 GmbHG zur Anwendung43 . Der Beschluss der Gesellschaftergesamtheit ist gemäߧ 47 GmbHG immer das Ergebnis einer Abstimmung. In der Regel wird dabei die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden. Selbstverständlich kann der Gesellschaftsvertrag auch qualifizierte Mehrheiten vorsehen. Bei der Beschlussfassung muss die Gesellschaftergesamtheit die Satzung beachten. Die Satzung unterliegt weitestgehend der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter, es sei denn, es würden zwingende Regelungen des GmbH-Gesetzes außer Kraft gesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Untreueproblematik geht es bei der Zustimmung aller Gesellschafter darum, inwieweit der GmbH die Erklärung ihrer Gesellschafter in deren Organeigenschaft als eigene Erklärung zugerechnet werden kann. Die Willensbildung der Gesellschafter ist relevant, weil die GmbH keinen eigenen Willen entwickeln kann, sondern der Wille der juristischen Person durch deren Organe gebildet wird44.
II. Zustimmung und Untreuetatbestand Bei Vorliegen einer Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit zu einer konkreten vermögensrelevanten Handlung des Geschäftsführers ist fraglich, ob dieser die Treubruchalternative verwirklichen kann oder ob eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ausscheidet. Zu klären ist daher, ob die Gesellschaftergesamtheit zu der konkreten Zustimmung befugt ist. Dabei ist zu beachten, dass wegen der Ver42
43 44
Klauss I Birle, GmbH, Rdnr. 335. Klauss/Birle, GmbH, Rdnr. 339. Ackermann, Strafbarkeit juristischer Personen, S. 50.
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mögensinhaberschaft der GmbH die Gesellschaftergesamtheit nicht als Rechtsgutsinhaber in Betracht kommt, sondern nur als Organ für den Rechtsgutsinhaber GmbH handelt. Ob der Zustimmung Grenzen gesetzt sind, wird unten45 geklärt. An dieser Stelle muss zunächst eine strafrechtsdogmatische Einordnung der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit im Zusammenhang mit§ 266 StGB erfolgen. 1. Relevanz für das Merkmal der "Pflichtwidrigkeit" a) Tatbestandsausschließendes Einverständnis und rechtfertigende Einwilligung
Die dogmatische Einordnung der Zustimmung eines Rechtsgutsinhabers zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen ist strittig. Die Unterscheidung des tatbestandsausschließenden Einverständnisses und der rechtfertigenden Einwilligung nimmt die herrschende Meinung46 nach der Struktur der einzelnen Straftatbestände vor. Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis soll danach bei den Delikten gegeben sein, deren Tatbestand entweder ausdrücklich (wie bei § 248 b StGB) oder entsprechend ihrer Struktur ein Handeln gegen oder ohne den Willen des Rechtsgutsinhabers (wie z. B. bei§§ 123, 177,239,240, 242 StGB) voraussetzen. In allen übrigen Fällen sei die Zustimmung des Rechtsgutsinhabers zur Rechtsgutsverletzung als rechtfertigende Einwilligung zu verstehen. Relevanz besitzt diese Unterscheidung, weil an die rechtsfertigende Einwilligung strengere Anforderungen gestellt werden als an das Einverständnis. So ergeben sich Differenzierungen bei der Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit, des FehJens von Willensmängeln, der Relevanz von § 228 StGB, der Kundgabe der Zustimmung, der Kenntnis des Täters und der irrtümlichen Annahme einer nicht vorhandenen Zustimmung47 , da diese Merkmale beim Einverständnis grundsätzlich keine Rolle spielen. Die Gegenauffassung48 nimmt bei einem Einverstandensein des Rechtsgutsinhabers generell einen Tatbestandsausschluss an. Eine auf das Individuum bezogene Rechtsgutslehre verlange einen Tatbestandsausschluss bei Vorliegen der Zustim§ 5 III., IV. Baumann/Weber/Mitsch, StratR-AT, § 17 Rdnr. 95; Geerds, GA 1954, 263 ff.; ders., ZStW 72 [1960], 42, 43; Geppert, ZStW 83 [1971], 947, 968; Hirsch, in LK 11 , vor§ 32 StGB Rdnr. 98, Tröndle/Fischer, vor § 32 StGB Rdnr. 3 a, 3 b; Wessels/Beulke, StrafR-AT, Rdnr. 363. 47 Vgl. dazu im einzelnen Roxin, StrafR-AT, § 13 Rdnr. 5 ff. 48 Kaufmann, in Klug-FS, 277, 282; Kient:zy, Mangel arn Straftatbestand, S. 32 ff.; Maurach/Zipf, StrafR-AT, § 17 Rdnr. 30, 39; Roxin, StrafR-AT, § 13 Rdnr. 11 ff., ders., ZStW 85 [1973], 76, 100; Schmidhäuser, in Engisch-FS, 433, 452; Schlehofer, Einverständnis und Einwilligung, S. 4; Weigend, ZStW 98 [1986], 44, 61. 45
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mung zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen49 • Die Rechtsgüter dienten der freien Entfaltung des Einzelnen. Daher verletze eine Handlung das geschützte Rechtsgut dann nicht, wenn diese auf einer Disposition des Rechtsgutsträgers beruht und somit seine freie Entfaltung nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil deren Ausdruck ist50. Eine Tatbestandsverwirklichung sei wegen der Ausübung der verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die als Verzicht auf Rechtsgüterschutz bewertet werden müsse, unmöglich51 . Gegen eine Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund spreche zudem, dass eine, den Rechtfertigungsgründen immanente, Interessenahwägung fehle 52 • Im Übrigen gebe es für eine Zweiteilung in Einverständnis und Einwilligung keine einleuchtende Begründung, weil eine Abgrenzung erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringe. Dieser Sichtweise kann indes nicht gefolgt werden. Zunächst spricht gegen eine Tatbestandsbezogenheit schon der Wortlaut der betroffenen Straftatbestände. Zu Recht wird gefragt, welches Tatbestandsmerkmal beispielsweise entfallen solle, wenn der Hauseigentümer in die Zerstörung einer Fensterscheibe seines Hauses einwilligt53 . Schließlich liegt auch die Beschädigung oder Zerstörung einer Sache vor, wenn der Eigentümer selbst die Sache in ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt. Zudem ist das subjektive Rechtsgutsverständnis der tatbestandsbezogenen Auffassung nicht mit den Wertungen des StGB zu vereinbaren. Nach ihr wären nämlich nicht der Körper, das Eigentum, die Bewegungsfreiheit e.t.c. als geschützte Rechtsgüter anzusehen, sondern eher der Wille zur Wahrung dieser Werte54. Dies widerspricht aber dem positivrechtlichen Rechtsgutsverständnis des § 34 StGB. Weiterhin trifft das Argument nicht zu, eine Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund verbiete sich deshalb, weil es an der den Rechtfertigungsgründen immanenten Interessenahwägung fehle. Vielmehr findet auch bei der Einwilligung eine, wenn auch "interne", Interessenahwägung statt. Der Rechtsgutsinhaber fallt seine Einwilligungsentscheidung nach Abwägung der Vor- und Nachteile55. Es liegt also ein den Rechtfertigungsgründen typischer Konflikt vor. Schließlich spricht gegen eine generelle Tatbestandsbezogenheit der Einwilligung der Wortlaut des § 228 StGB. Nach ihm entfällt bei einer gegen die guten Sitten verstoßenden Einwilligung nicht etwa der Tatbestand, sondern ausdrücklich die Rechtswidrigkeit Daher ist zu Recht an der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund festzuhalten. 49
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Roxin, StrafR-AT, § 13 Rdnr. 12. Weigend, ZStW 98 [1986], 44, 61. Maurach/Zipf, StrafR-AT, § 17 Rdnr. 36 ff. Roxin, StrafR-AT, § 13 Rdnr. 20 f. Baumann/Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 17 Rdnr. 95. Zutreffend Hirsch, in LK 11 , vor § 32 StGB Rdnr. 98. Baumann/Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 17 Rdnr. 95.
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Die Unterscheidung von tatbestandsausschließendem Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung verdient deshalb Zustimmung56. Ausgehend von dieser grundsätzlichen Zweiteilung ist die Einordnung der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit zu Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der GmbH vorzunehmen. b) Zustimmung als tatbestandsausschließendes Einverständnis
Eine Auffassung57 bewertet die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit zu Vermögensverlagerungen aus dem GmbH-Vermögen im Zusammenhang mit dem Untreuetatbestand ohne nähere Begründung als rechtfertigende Einwilligung. Dem ist aber mit der ganz herrschenden Meinung58 zu widersprechen. Die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit beseitigt die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers, so dass die Tatbestandsmäßigkeit entfällt. Dies ergibt sich aus dem Tatbestandsbezug, den die Zustimmung durch die tatbestandliehe Handlungsumschreibung gewinnt. So liegt bei einer Zustimmung durch den Inhaber des Vermögens kein Missbrauch vor. Die Zustimmung ist nichts anderes als die Erweiterung der dem Vermögensbetreuungspflichtigen eingeräumten Befugnis. Im Falle der Zustimmung liegt gerade kein intern unerlaubter Gebrauch der eingeräumten Befugnis vo~ 9 . Bei einer Zustimmung des Vermögensinhabers scheidet zudem eine Verletzung der Treuepflicht aus. In solchen Fällen verhält sich der Vermögensbetreuungspflichtige gerade treugemäß, wenn er entsprechend der Zustimmung des Inhabers des betreuten Vermögens handelt. Mithin ist die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit der GmbH als tatbestandsausschließendes Einverständnis anzusehen, soweit die Gesellschafter über das Vermögen der GmbH disponieren können. c) Wirksamkeitsvoraussetzungen des Einverständnisses
An die Wirksamkeit des Einverständnisses der Gesellschafter sind allerdings besondere Anforderungen zu stellen. Aus der Struktur des Untreuetatbestandes erge56 Obwohl im Einzelfall eine Abgrenzung zwischen tatbestandsausschließendem Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung schwierig ist; vgl. dazu Roxin, StrafR-AT, § 13 Rdnr. 22 ff. 57 BGH, GmbHR 1954, 75; BGHSt 9, 203, 216; Schwinge/Siebert, Untreue, S. 38 f.; wohl auch Gribbohm, ZGR 1990, I, 19. 58 Arloth, NStZ 1990, 570, 573; Brammsen, DB 1989, 1609, 1614; Flum, Schutz d. GmbH, S. 72; Kohlmann, in Werner-FS, 387,402 f.; Labsch, Jura 1987, 411, 415; Lenckner/ Perron, in Schönke/ Schröder, § 266 StGB Rdnr. 21 (Mißbrauch), Rdnr. 38 (Treubruch); Tröndle/Fischer, § 266 StGB Rdnr. 13 a.E.; Wessels/Beulke, StrafR-AT, Rdnr. 365; Wessels /Hillenkamp, StrafR-BT 2, Rdnr. 758; Wodicka, Untreue, S. 331. 59 Labsch, Jura 1987,411, 415.
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ben sich Besonderheiten für die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Einverständnisses60. Der Untreuevorwurf leitet sich nämlich nicht- wie bei den "klassischen" Delikten, bei denen das Einverständnis tatbestandsausschließende Wirkung hat - aus der Verletzung eines entgegenstehenden Willens ab, sondern vielmehr aus der Pflichtverletzung des Vermögensbetreuungspflichtigen. Bei der Zustimmung kommt es folglich nicht allein auf deren Vorliegen an. Wegen ihrer regelnden Wirkung im Rahmen des Innenverhältnisses im Hinblick auf die Vermögensbetreuungspflicht besitzt die Zustimmung einen normativen Charakter. Diesem muss durch besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen Rechnung getragen werden, die denen der rechtfertigenden Einwilligung angenähert sind. aa) Rechtsgutsinhaberschaft Erste Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Rechtsgutsinhaberschaft des Zustimmenden. Ein Einverständnis kann nur dann wirksam erklärt werden, wenn er auch über das Rechtsgut, um dessen Beeinträchtigung es geht, disponieren kann. Bei der "GmbH-rechtlichen" Untreue sind deshalb zwei Fragen zu beantworten, und zwar zum einen, welche Bedeutung die fehlende Rechtsgutsinhaberschaft der Gesellschaftergesamtheit der GmbW 1 hat, und zum anderen, ob § 228 StGB auch bei einer Zustimmung zu Vermögensbeeinträchtigung zu beachten ist.
(1) Gesellschafter als Organ des Rechtsgutsinhabers Die Prüfung der Rechtsgutsinhaberschaft kann in der Regel mit der Feststellung der Disponibilität des Rechtsguts abschlossen werden. Bei der GmbH ist darüber hinaus jedoch zu berücksichtigen, dass sie eine nicht selbst handlungsfähige juristische Person ist, die nur durch ihre Organe die Handlungsfähigkeit erlangt. Wie dargelegt62, ist die Gesellschaftergesamtheit das oberste Willensbildungsorgan der GmbH, so dass sie folglich für diese entscheidet. In unserem Zusammenhang ist zu klären, ob der Willensbildung der Gesellschaftergesamtheit auch Grenzen gesetzt sind und wenn ja, welche. Diese Fragen werden unten63 geklärt.
(2) Unbeachtlichkeit von§ 228 StGB Fraglich ist weiterhin, ob eine gegen die guten Sitten verstoßende Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit die Voraussetzungen des Einverständnisses entfallen lassen. 60 61 62 63
Wessels/Beulke, StrafR-AT, Rdnr. 365; Wesseist Hillenkamp; StrafR-BT 2, Rdnr. 758. Zur Vermögensinhaberschaft vgl. § 4 II. Unter § 5 I. § 5 III., IV.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 103
Ein Teil der Literatur64 will die guten Sitten durch die Geltung des § 228 StGB über den Bereich der Körperverletzungsdelikte hinaus berücksichtigen. § 228 StGB sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zu entnehmen65 . Damit stünde die Straflosigkeit von Vermögensschädigungen, die mit Zustimmung des Vermögensinhabers begangen werden, unter dem Vorbehalt, dass die Zustimmung nicht sittenwidrig sein darf. Die herrschende Meinung66 lehnt eine derartige Interpretation des § 228 StGB jedoch zutreffend ab, da die Vorschrift auf höchstpersönliche Rechtsgüter zugeschnitten ist. Der Grund für die Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Rechtsgutsinhabers bei höchstpersönlichen Rechtsgütern liegt in der Tangierung der Menschenwürde, auf deren Schutz der Inhaber nicht generell verzichten kann und an deren Wahrung ein öffentliches Interesse besteht. Zu diesem Regelungsziel passt die Erstreckung auf die Vermögensdelikte nicht. Außerdem würde eine solche Ausdehnung des § 228 StGB zu einer nicht angemessenen Einschränkung der Privatautonomie führen. Die Entscheidungsfreiheit des Verletzten sollte nur dort eingeschränkt werden, wo der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet hat67 • Gegen die erweiterte Anwendung des § 228 StGB spricht zudem, dass Eingriffe in andere Individualrechtsgüter als Leben und körperliche Unversehrtheit kaum vergleichbar schwer und irreversibel sein können68 . Darüber hinaus wird die Beachtung der guten Sitten von einem speziell gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatz als Wirksamkeitsvoraussetzung des Einverständnisses bei § 266 StGB angesehen. Dieser Lösungsansatz soll wegen des Zusammenhanges mit der Befugnis der Gesellschaftergesamtheit erst unten69 behandelt werden. bb) Keine Kundgabe nach außen erforderlich Teilweise wird in Anlehnung an die Wirksamkeitsvoraussetzung der rechtfertigenden Einwilligung die Auffassung vertreten, dass auch beim Einverständnis im Rahmen des § 266 StGB die Erklärung des Rechtsgutsinhabers gegenüber dem Handelnden vorliegen müsse, um die tatbestandsausschließende Wirkung entfalten zu können70• 64 Geerds, GA 1954, 262, 268; We[zel, StrafR, § 14 VII. 2. c); wohl auch Jakobs, StrafRAT, Abschn. 14 Rdnr. 9. 65 Geerds, GA 1954,262,268. 66 Hirsch, in LK 11 , vor§ 32 StGB Rdnr. 124; Jescheck/Weigend, StrafR-AT, § 34 III. 4; Kühl, in Lackner/Kühl, vor§ 32 StGB Rdnr. 18; Lenckner; in Schönke/Schröder, vor§ 32 StGB Rdnr. 37; Noll, ZStW 77 [1965], 1, 21; Stratenwerth, StrafR-AT, § 9 Rdnr. 21. 67 Jescheck/Weigend, StrafR-AT, § 34 III. 4. 68 Stratenwerth, StrafR-AT, § 9 Rdnr. 21. 69 Unter § 5 IV. 4. 10 Hirsch, in LK 11 , vor§ 32 StGB Rdnr. 102.
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Zu Recht wird dem aber entgegengehalten, dass es bei einem tatbestandsausschließenden Einverständnis nur um die Änderung der Einstellung des Dispositionsbefugten zum Rechtsgut geht71 • Es kann mithin nur auf das ankommen, was die Beziehung zwischen dem Dispositionsbefugten und dem Rechtsgut in diesen Fällen trägt, und dies ist der innere Wille. Folglich kann die Kundgabe des Einverständnisses nicht, auch nicht bei § 266 StGB, als Wirksamkeitsvoraussetzung angesehen werden. cc) Beachtlichkeit von Willensmängeln Bei der Beachtlichkeit von Willensmängeln stellt sich die Frage, wie sich solche auf das Vorliegen der Wirksamkeitsvoraussetzungen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses auswirken. Bei den Tatbeständen, die ein Handeln gegen den Willen voraussetzen, sind Willensmängel grundsätzlich unbeachtlich 72. Jedoch entfällt bei einer Zustimmung im Rahmen des § 266 StGB ein bloßer entgegenstehender Wille des Rechtsgutsinhabers nicht. Vielmehr leitet die Zustimmung des Rechtsgutsinhabers ihre tatbestandsausschließende Wirkung aus dem Entfallen der Pflichtwidrigkeit ab. Die Zustimmung verändert damit die Pflichtenstellung des Vermögensbetreuungspflichtigen, die auf Gesetz, Rechtsgeschäft, behördlichem Auftrag oder tatsächlichem Treueverhältnis beruht, und besitzt damit einen regelnden Charakter. Wegen des regelnden Charakters des Einverständnisses im Hinblick auf das Pflichtverhältnis ist zu fordern, dass die Zustimmung der Gesellschafter frei von Willensmängeln erklärt worden ist. " Der Geschäftsführer hat daher in diesem Zusammenhang gerade bei in wirtschaftlichen Belangen unerfahrenen Gesellschaftern eine umfassende Aufklärungspfliche4 • Bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung liegt eine Treuepflichtverletzung vor, weil der Geschäftsführer die Gesellschafter in Kenntnis ihrer Unerfahrenheit zu einem Einverständnis in u.U. höchst unsichere Unternehmungen veranlasst hat. dd) Relevanz der Einsichtsfähigkeit Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für das tatbestandsausschließende Einverständnis im Rahmen des § 266 StGB ist die Einsichtsfähigkeit des Erklärenden. Die natürliche Willensfähigkeit genügt nicht. Welche Anforderung an die Einsichtsfähigkeit zu stellen sind, wird indes unterschiedlich beurteilt. 71
Z. B. Jakobs, StratR-AT, Abschn. 7 Rdnr. 115; Wodicka, Untreue, S. 333.
n Zu dieser Konsequenz aus der Unterscheidung zwischen tatbestandsausschließendem
Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung vgl. Lenckner, in Schönke/ Schröder, vor §§ 32 StGB Rdnr. 32, 47. 73 So zu Recht Wodicka, Untreue, S. 333. 74 So auch Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rdnr. 335.
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Einige fordern75 , dass der Zustimmende die volle Geschäftsfähigkeit besitzen oder eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegen muss. Andere76 lassen eine ausreichende Verständnis- und Urteilsfähigkeit genügen, damit der Zustimmende die Beeinträchtigung seiner Interessen voll erfassen kann. Bei der einverständlichen Schädigung des Gesellschaftsvermögens der GmbH hat dieser Streit aber keine Bedeutung. Findet die Beschlussfassung der Gesellschaftergesamtheit unter Beteiligung minderjähriger Gesellschafter statt, ist die Ausübung des Stimmrechts durch die gesetzlichen Vertreter vorgesehen77 • Beteiligt sich dennoch ein nicht voll geschäftsfähiger Gesellschafter an der Beschlussfassung, liegt infolge einer nicht ordnungsgemäßen Stellvertretung kein wirksames Einverständnis vor78 . Die Problematik der Einsichtsfähigkeit wird im Rahmen der einverständlichen Schädigung des Gesellschaftsvermögens der GmbH damit nicht relevant. Abschließend kann daher festgestellt werden, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen für ein tatbestandausschließendes Einverständnis der Gesellschafter weitgehend geklärt worden sind. Eine gesonderte Betrachtung verlangt nur die Reichweite der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen der GmbH. Ob und welche Beschränkungen sich für die Gesellschafter aus der Eigenständlichkeit der GmbH aus strafrechtlicher Sicht ergeben, wird unten79 zu untersuchen sein. 2. Tatbestandsmerkmal "Nachteil"
Bei der einverständlichen Schädigung des GmbH-Vermögens durch Geschäftsführer und Gesellschafter ist zudem das Tatbestandsmerkmal des Nachteils relevant80. Ein Nachteil, d. h. ein Vermögensschaden81 , scheidet aus, wenn die Vermögensverlagerungen kompensiert werden, so dass nach einer Saldierung kein negativer Einfluss auf das GmbH-Vermögen festzustellen ist. Als eine solche Kompensa75 Lenckner. in Schönke I Schröder, vor §§ 32 StGB Rdnr. 32, 39; Tröndle I Fischer. vor § 32 StGB Rdnr. 3 b. 76 Jescheck/Weigend, StrafR-AT, § 34 IV. 1.; Kühl, in Lackner I Kühl, vor § 32 StGB Rdnr. 16; Labsch, Jura 1987, 415, 416. 77 Lutter/ Hommelhoff, § 2 GmbHG Rdnr. 4. 78 Zutreffend Wodicka, Untreue, S. 334. 79 § 5 III., IV.
80 BGHSt 35, 333, 336. Unklar ist aber, warum der BGH dabei von der Relevanz des "rechtswidrigen Nachteils" spricht. Zutreffend wird betont (Hellmann, wistra 1989, 214, 215), dass der Tatbestand der Untreue als Taterfolg keinen rechtswidrigen Nachteil kenne, sondern nur einen Nachteil. Die Rechtswidrigkeit des Nachteils kann nur die Frage betreffen, ob der Nachteil auch unter Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht herbeigeführt wurde. 81 Lenckner/Perron, in SchönkeiSchröder, § 266 StGB Rdnr. 40 f.; Samson/Günther, in SK, § 266 StGB Rdnr. 41.
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tionsmöglichkeit könnte bei Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der GmbH das allgemeine Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG eingreifen. Durch die Vermögensverlagerungen könnte das GmbH-Vermögen nämlich im gleichen Zug wegen der Minderung des Anspruchs der Gesellschafter auf den Überschuss des Jahresergebnisses positiv beeinflusst werden, wodurch eine Minderung der Passiva eintreten würde. Der BGH82 sieht das allgemeine Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter als kompensationsfähiges Gegenrecht an. In der Literatur83 wird der Bezugnahme auf das Gewinnbezugsrecht durch den BGH grundsätzlich zugestimmt, jedoch zu Recht eine Begründung hierfür gefordert. Begründet werden müsse nämlich, ob das allgemeine Gewinnbezugsrecht als Vermögensposition angesehen werden kann und ob dieses Recht ausgleichsfaltig erscheint. In der Tat erfordert der allgemeine Verweis auf das Gewinnbezugsrecht gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG eine eingehendere Erörterung der beiden vorgenannten Punkte. Das allgemeine Gewinnbezugsrecht gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG enthält eine Vermögensposition für die Gesellschafter84, weil dadurch ein Anspruch auf den Jahresgewinn gewährt wird. Zwar wird der Gewinnanspruch erst einklagbar, nachdem die Gesellschafter einen Feststellungs- oder Gewinnverteilungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG gefasst haben, aber aus strafrechtlicher Sicht ist- wie der BGH85 zutreffend betont - die Nichteinhaltung dieser Förmlichkeit unbedeutend. Vielmehr kommt es auf das Bestehen des Anspruchs überhaupt an. Klärungsbedürftig bleibt aber die Ausgleichsfähigkeit des allgemeinen Gewinnbezugsrechts. Im Zivilrecht86 wird bei der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens zwischen Vorabschüttungen und Entnahmen unterschieden. Vorabschüttungen sind Vorauszahlungen an die Gesellschafter auf den zu erwartenden Jahresgewinn87. Diese Vorabschüttungen stehen unter dem Vorbehalt, dass das Jahresergebnis zu ihrer Deckung ausreicht und die Auszahlung sich somit im Rahmen des § 29 Abs. 1 GmbHG bewegt88 . Anderenfalls zieht eine solche Vorabschüttung einen Rückzahlungsanspruch nach Bereicherungsrecht nach sich89. Es ist damit festzustellen, dass bei zu erwartendem Gewinn der Gewinnbezugsanspruch der Gesellschafter im Hinblick auf Vorabschüttungen ausgleichsfähiges Gegenrecht ist. BGHSt 35, 333, 336. Schäfer, GmbHR 1993,780,794. 84 Schäfer, GmbHR 1993, 780, 794; nach Goerdeler I Müller, in Hachenburg, § 29 GmbHG Rdnr. 6 ist das Recht auf Gewinnverteilung ein bedeutsames Mitgliedschaftsrecht vermögensrechtlicher Natur. 85 BGHSt 35, 333, 337; Zustimmung bei Hel/mann, wistra 1989, 214, 215. 86 Vonnemann, BB 1989, 877; vgl. ferner G. Hueck, ZGR 1975, 133 ff. 87 Emmerich, in Scholz, § 29 GmbHG Rdnr. 156. 88 Vonnemann, BB 1989, 877, 878. 89 RGZ 85, 43, 45; Hueckl Fastrich, in Baumbach I Hueck, § 29 GmbHG Rdnr. 61. 82
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§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 107
Allerdings sind Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens nicht notwendig den Beschränkungen des § 29 Abs. 1 GmbHG unterworfen. Vielmehr sind den Gesellschaftern Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen auch außerhalb des Regelungsbereiches des§ 29 GmbHG gestattet90• Unter Entnahme ist dabei jede Vermögenszuwendung an die Gesellschafter mit Ausnahme des Aufwendungsersatzes zu verstehen91 • Zu den Entnahmen gehören somit auch Vermögensverlagerungen und verdeckte Zuwendungen (nach herkömmlichem Terminus vGA), da diese nicht als Vorabschüttungen oder Gewinnvorauszahlungen gedacht sind92 • Diese Entnahmen stehen insbesondere nicht unter dem Vorbehalt, dass sie von der Höhe des Jahresergebnisses gedeckt sein müssen93 . Deshalb stellt es sich als fragwürdig dar, ob bei derartigen Entnahmen auch ein kompensationsfähiges Gegenrecht anerkannt werden kann. Problematisch ist dies, weil eben gerade keine Beschränkung auf einen zu erwartenden Gewinn erfolgt. Unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann aber hier ein kompensationsfähiges Gegenrecht in dem wiederkehrenden zukünftigen Anspruch auf Ausschüttung des jährlichen Reingewinns anerkannt werden94• Die Eignung des Anspruchs als kompensationsfähiges Gegenrecht lässt sich mit Hilfe des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs belegen, nach dem auch einer "Befreiung" von künftigen Ansprüchen ein aktueller und realer Vermögenswert zuzuschreiben ist95, also eben auch dem wiederkehrenden Gewinnanspruch. Eine Schranke für die Entnahmen der Gesellschafter bildet aus zivilrechtlicher Sicht jedoch die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG. Sobald das Stammkapital wertmäßig durch die Vermögensverlagerungen angegriffen worden ist, kommt eine Kompensation letzterer durch das Gewinnbezugsrecht nicht in Betracht. In diesen Fällen ist ein Gegenrecht nicht vorhanden, weil selbst ein Gewinnverwendungsbeschluss wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG nichtig wäre96, wobei dies auch für den künftigen Anspruch auf Gewinn gilt. Ist folglich in den Fällen, in denen ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregelung des § 30 Abs. 1 GmbHG vorliegt, das Eingreifen eines Gegenrechts ausgeschlossen, so tritt keine Kompensation ein. In diesen Fällen liegt mithin ein Nachteil der GmbH vor.
Falkenstein, Entnahrnerechte, S. 50; G. Hueck, ZGR 1975, 133, 141 f. Baumbach I Hopt, § 122 HGB Rdnr. I. 92 Ähnlich G. Hueck, ZGR 1975, 133, 143. 93 Vonnemann, BB 1989, 877, 878. 94 So auch Schäfer, GrnbHR 1993, 780, 794. 95 Ähnlich Schäfer, GrnbHR 1993, 780, 794. 96 BGHZ 95, 188, 192; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 GrnbHG Rdnr. 19; Raiser, in Hachenburg, Anh. § 47 GrnbHG Rdnr. 48; Zöllner, in Baurnbach/Hueck, Anh. § 47 GrnbHG Rdnr. 24. 90
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
111. Reichweite der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit Das Vorliegen eines Vermögensnachteils wegen der Stammkapitalverletzung muss aber noch nicht zwingend zur Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers führen. Beachtung findet in diesem Zusammenhang die Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit zu den vorgenommenen Vermögensverlagerungen. Die Gesellschafter sind als Organ der GmbH Vertreter des Rechtsgutsinhabers. Folglich könnte die Strafbarkeit des Geschäftsführers wegen der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit und damit entfallender Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ausscheiden. In Anbetracht der Betonung der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH ist damit die Frage nach der Reichweite der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter für das Gesellschaftsvermögen der GmbH angesprochen.
1. Unbeschränktheil der Dispositionsbefugnis?
Teile der Literatur97 vertreten die Ansicht, dass die Zustimmung der Gesellschafter als Organ der Gesellschaft zu Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen ohne weiteres der GmbH zurechenbar sei98 . Der Gesellschaftergesamtheit stehe eine unbeschränkte Dispositionsbefugnis über das Gesellschaftsvermögen der GmbH zu. Begründet wird diese Sicht mit dem Argument, dass eine Berufung auf das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. I GmbHG als Grenze bei der Bestimmung der Dispositionsbefugnis nur den Gläubigerinteressen zugute kommen würde. Das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG diene ausschließlich dem Gläubigerinteresse. Daher sei eine solche Grenzbestimmung mit dem Schutzzweck des § 266 StGB unvereinbar99• Des Weiteren führe eine Anerkennung des § 30 Abs. I GmbHG als Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit zu einer Ungleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen, denn schließlich könnte die natürliche Person ihr Vermögen solange selbst schädigen, bis eine Bankrottstrafbarkeit nach § 283 StGB eingreift 100. Folglich bewirke § 30 Abs. I GmbHG als Beschränkung der Dispositionsbefugnis eine zu weite Vorverlagerung der Strafbarkeit bei juristischen Personen.
97 Arloth, NStZ 1990, 570, 574 f.; Labsch, JuS 1985, 602, 605; Reiß, wistra 1989, 81, 85; Samson/Günther, in SK, § 266 StGB Rdnr. 48; wohl auch Eisele, GA 2001, 377, 391 f. 98 Labsch, JuS 1985, 602, 605. 99 Samson/Günther, in SK, § 266 StGB Rdnr. 48. IOO Reiß, wistra 1989, 81, 83.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 109
Ferner wird behauptet, dass es bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Zustimmung nicht auf die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses, die nach § 241 Nr. 3 AktG analog angenommen werde 101 , ankommen kann. Die entsprechende Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG im GmbH-Recht stelle aus strafrechtlicher Sicht eine unzulässige Analogie dar 102• 2. Schranken der Dispositionsbefugnis a) Kapitalerhaltungsvorschrift als Grenze
Überwiegend wird jedoch die fehlende Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das von § 30 Abs. 1 GmbHG geschützte Stammkapital als maßgebend angesehen, ohne dass es auf die zivilrechtliche Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses ankäme 103 . Dies ist auch zutreffend, denn es kann aus der zivilrechtliehen Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses nicht grundsätzlich auf dessen Unwirksamkeit im Strafrecht geschlossen werden, da insoweit keine Abhängigkeit besteht 104• So kann Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses aus der Sittenwidrigkeit resultieren, ohne dass die strafrechtliche Wirksamkeit berührt wird 105 . Die These von der Ungleichbehandlung von juristischen Personen und natürlichen Personen erweist sich ebenfalls als unrichtig, denn sie verkennt die unterschiedlichen Situationen bei beiden. Während bei der natürlichen Person die persönliche Haftung als Druckmittel vorhanden ist, fehlt diese bei der juristischen Person. Ein Ersatz wurde durch den Kapitalerhaltungsgrundsatz geschaffen. Er sichert der juristischen Person ein bestimmtes Kapital. Die Außerachtlassung dieses Grundsatzes würde zu einer nicht gerechtfertigten Gleichbehandlung mit der natürlichen Person führen, durch die ein erheblich verminderter Schutz der juristischen Person zu befürchten ist. Als Rechtfertigung einer Vorverlagerung der Strafbarkeit bei der GmbH als juristischer Person könnte § 30 Abs. I GmbHG eingreifen. Jedoch kann das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. I GmbHG nur dann die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit beschränken, wenn es nicht nur den Gläubigerinteressen zu dienen bestimmt ist. Besäße § 30 Abs. 1 GmbHG ausschließlich eine gläubigerschützende Funktion, wäre eine Anwendbarkeit der Vorschrift im Rahmen des § 266 StGB in Frage zu stellen, weil diese Regelung unmittelbar keine gläubigerschützende Funktion entfaltet. 101 Vonnemann, GmbHR 1988, 329, 331; zur analogen Anwendung des§ 241 Nr. 3 AktG vgl. Lutter!Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG Rdnr. 16. 102 Labsch, JuS 1985, 601,605. 103 Vgl. nur Schäfer, GmbHR 1993, 780, 790 m. w. N. 104 Schäfer, GmbHR 1993, 780, 790. 105 Vg1.§51V.4.
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Teil2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
b) Funktion des § 30 Abs. 1 GmbHG
Es ist somit zu klären, ob § 30 Abs. 1 GmbHG Ausdruck eines von den Interessen der Gesellschaftergesamtheit zu unterscheidenden eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH ist. Dabei geht es aber nicht nur um die Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG, sondern darüber hinaus um die Frage, ob aus einem Bestandsinteresse der GmbH ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung hergeleitet werden kann. Ob dies der Fall ist und ob eines solches Verbot auch im Strafrecht begründet werden kann, wird unten 106 auszuführen sein. Über die Existenz eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH gehen die Auffassungen im Zivilrecht und im Strafrecht auseinander. aa) Zivilrechtliche Rechtsprechung Ausgangspunkt für die Diskussion um ein eigenständiges Bestandsinteresse der GmbH war für den BGH die Problematik der Anerkennung einer Treuepflicht der Gesellschafter. Indem der BGH 107 eine Treuepflicht der Mehrheitsgesellschafter gegenüber den Minderheitsgesellschaftern anerkennt und damit einer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft selbst eine Absage erteilt, verweigert er einem eigenen Bestandsinteresse der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern die Anerkennung. Diese Sichtweise hat er in einer späteren Entscheidung 108 noch einmal bestätigt und festgestellt, dass die Gesellschafter - vorbehaltlich des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften - grundsätzlich dazu befugt seien, das übrige Gesellschaftsvermögen auf sich zu übertragen. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass der BGH den Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes nur eine gläubigerschützende Funktion zuerkennt. Eine andere Sichtweise vertritt der BGH 109 aber im Zusammenhang mit der Behandlung des faktischen GmbH-Konzerns 110. Das Gericht erkennt zwar ein eigenes Bestandsinteresse der abhängigen GmbH an, hebt in diesem Zusammenhang aber hervor, dass "es nicht leicht zu begründen" sei, weshalb im Konzernverhältnis beim Fehlen eines Minderheitsgesellschafters eine Pflicht des herrschenden Unternehmens bestehe, für das Vermögen der abhängigen GmbH nachteilige Maßnah§ 5 IV. l. BGHZ 65, 15, 21. 10s BGH, NJW 1984, 1037. 109 BGHZ 95, 330, 340. 110 Drei Merkmale müssen erfüllt sein, damit ein faktischer GmbH-Konzern vorliegt. Es muss eine GmbH vorliegen, sowie ein anderes Unternehmen vorhanden sein. Die GmbH muss von diesem Unternehmen ohne Beherrschungsvertrag abhängig sein. Das Unternehmen wird zumindest Mehrheitsgesellschafter, wenn nicht Alleingesellschafter der GmbH sein. Vgi. dazu K. Schmidt, GesR, § 39 111. I . 106 101
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 111
men zu unterlassen 111 • In den Folgeentscheidungen stellte der BGH 112 nicht auf eine Treuepflicht des Alleingesellschafters gegenüber der abhängigen GmbH ab. In seinem zum sog. qualifiziert faktischen GmbH-Konzern herausgearbeiteten Haftungskonzept über die analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG verlangte er aber, dass "die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausgeübt wird, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen GmbH nimmt" 113 • Nunmehr hat der BGH 114 jedoch davon Abstand genommen, haftungsrechtlich auf den sog. qualifiziert faktischen GmbH-Konzern abzustellen und das aktienrechtliche Konzernhaftungsrecht anzuwenden. Der Schutz der abhängigen GmbH sei auf die Erhaltung des Stanunkapitals beschränkt, der eine angemessene Rücksicht auf die Eigenbelange der GmbH erfordereu 5 • Eine derartige Rücksicht fehle, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne 116• Die Konzernhaftung ist also nur noch bei einem bestandsvernichtenden Eingriff gegeben. Der BGH will diese Rechtsprechung jedoch nur auf den GmbH-Konzern beschränkt sehen. Dies kommt zum einen dadurch zum Ausdruck, dass er auf den Schutz der abhängigen GmbH abstellt 117• Zum anderen betont der BGH in zwei zur unverbundenen GmbH ergangenen Entscheidungen 118, dass - insbesondere bei der Einmanngesellschaft - ein vom Willen der Gesellschafter abweichender Wille der Gesellschaft nicht anzuerkennen sei. Ausdrucklieh offengelassen hat der BGH aber die Frage, ob die Beurteilung in diesen Fällen anders ausfallen könne, wenn die Gesellschaft durch die nachteiligen Maßnahmen in ihrer Existenz bedroht werde. Festzuhalten bleibt daher, dass die zivilrechtliche Rechtsprechung ein eigenständiges Bestandsinteresse der Gesellschafter nur in Konzernverhältnissen anerkennt, im Übrigen aber ablehnt. Daher sei auch kein eigenständiges Bestandsinteresse der Gesellschaft im Rahmen des § 30 GmbHG anzuerkennen, obwohl die Kapitalerhaltungsvorschrift als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter angesehen wird. Diese Vorschrift soll aber dem reinen Gläubigerschutz dienen. BGHZ95, 330,340. Insbesondere im sog. TBB-Urteil BGH, NJW 1993, 1200, 1203. 113 So der Leitsatz in BGH, NJW 1993, 1200. 114 BGH, ZIP 2001, 1874, 1875 ("Bremer Vulkan"); vgl. zu dieser Entscheidung auch die Besprechung von Decher, ZlnsO 2002, 113 ff. m. w. N. 115 BGH, ZIP 2001 , 1874, 1875 ("Bremer Vulkan"). 116 BGH, ZIP 2001, 1874, 1875 ("Bremer Vulkan"). 117 Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2023, 2027. Ob der BGH auch künftig die Anerkennung des Bestandsinteresses einer GmbH ausschließlich auf Konzernlagen beschränkt, bleibt abzuwarten. Der Vorsitzende Richter des II. Senats des BGH, der für das Gesellschaftsrecht zuständig ist und somit im Falle "Bremer Vulkan" entschieden hat, Röhricht führte nämlich in einem Festschriftenbeitrag (FS-50 Jahre BGH, 83, 118 ff.), der die Entscheidung "Bremer Vulkan" vorbereitete, aus, dass ein Bestandsinteresse ebenfalls außerhalb von Konzernlagen zum Schutze der unverbundenen GmbH vor existenzvernichtenden Eingriffen anzunehmen sei. 118 BGH, NJW 1993, 193; BGH, ZIP 1993,917. 111
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
bb) Zivilrechtliche Literatur Das Meinungsbild in der zivilrechtliehen Literatur zur Anerkennung eines von der Gesellschaftergesamtheit zu unterscheidenden Bestandsinteresses ist sehr gespalten. Es werden im Wesentlichen drei Meinungen vertreten. Eine Auffassung 119 steht der Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH ablehnend gegenüber. Eine Treuepflicht sei nur im Verhältnis der Gesellschafter untereinander gegeben. Ein eigenständiges Bestandsinteresse der GmbH und eine dementsprechende Treuepflicht wie bei der Aktiengesellschaft könne nicht anerkannt werden, denn anders als bei der AG bestehe bei der GmbH eine schwächere Vermögensbindung und eine umfassende Entscheidungsmacht der Gesellschaftergesamtheit im Hinblick auf die Vermögensinteressen 120• Des Weiteren stehe einem auf Bestandserhaltung gerichteten Eigeninteresse der GmbH die uneingeschränkte Auflösungskompetenz der Gesellschaftergesamtheit im Hinblick auf die Gesellschaft entgegen 121 • Ferner dürfe die Begrenzung der Gesellschafterbefugnisse durch die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht zu einer Anerkennung eines Eigeninteresses der GmbH verleiten, zumal diese ausschließlich den Interessen der Gläubiger dienten. Die Umfunktionierung des Gläubigerschutzes in einen Gesellschaftsschutz sei daher nicht möglich 122• Fraglich sei zudem, wer als Vertreter eines eigenständigen Verbandsinteresses in Betracht komme. Der Geschäftsführer, der von Weisungen der Gesellschaftergesamtheit abhängig ist, könne nicht Vertreter eines eigenständigen Verbandsinteresses sein 123 • Insgesamt müsse aus diesen Gründen ein eigenständiges Bestandsinteresse der GmbH, auch soweit es um die Stammkapitalerhaltung im Rahmen des § 30 Abs. I GmbHG geht, abgelehnt werden.
It9 Altmeppen, Konzern, S. 48; ders., ZIP 2001, 1837, 1842; ders., NIW 2002, 321, 322, Flume, juristische Person, S. 59 ff.; Koppensteiner, in Rowedder, § 43 GmbHG Rdnr. 5; Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Rehbinder, AG 1986, 85, 90; Reuter, in MüKo, vor § 21 BGB Rdnr. 44; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, Rdnr. 159, 300; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 86 f.; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 114 f.; Zöllner, in Baumbach/ Hueck 16, Anh. Konzernrecht, Rdnr. 100; ders.; Schranken, S. 21 ff. Grundsätzlich steht auch Semler, in Goerdeler-FS, 551, 558 f. einem Bestandsinteresse ablehnend gegenüber, jedoch scheint er im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG ein Bestandsinteresse bejahen zu wollen. 12o Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, Rdrn. 300; Flume, juristische Person, S. 59 ff., sieht bei der AG wegen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes ein Eigeninteresse als gegeben an. Die Aktionäre bestimmten nicht in gleicher Weise wie die GmbH-Gesellschafter das Unternehmensinteresse. Bei der AG sind die Beteiligten bei Vermögensverlagerungen auf den erzielten Gewinn angewiesen, während bei der GmbH Vermögensverlagerungen nur den Beschränkungen des § 30 Abs. I GmbHG unterworfen sind. 121 Zöllner, in Baumbach/Hueck 16, Anh. Konzernrecht, Rdnr. 100. 122 Lutter, ZIP 1985, 425, 428; Zöllner, in Baumbach/Hueck 16, Anh. Konzernrecht, Rdnr. 100. 123 Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, Rdnr. 159.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 113
Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt die Organhaftungslehre 124• Sie beruft sich auf die rechtliche Verselbstständigung der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern und folgert daraus, dass die Gesellschafter mit dem ihnen fremden Vermögen der GmbH nicht wie mit eigenem Vermögen verfahren könnten. In Anbetracht der Fremdheit des Vermögens seien sie bloße Verwalter des Gesellschaftsvermögens der GmbH. Aus der Stellung als Verwalter folge die Pflichtgebundenheit fremder Machtausübung. Die Gesellschafter seien folglich zum ordnungsgemäßen Umgang mit dem GmbH-Vermögen verpflichtet, was insbesondere dazu führe, dass sie alle nachteiligen Maßnahmen zu unterlassen hätten. Daher habe die GmbH ein umfassendes, über die Grenzen der Stammkapitalerhaltung hinausgehendes, eigenes Bestandsinteresse. Insbesondere die Kapitalerhaltungsvorschriften sollen den eigenen Interessen der GmbH zu dienen bestimmt sein. In ähnlicher Weise wie die Organhaftungslehre argumentiert eine andere Auffassung. Sie folgert ein eigenständiges Bestandsinteresse aus der Sonderverbindung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und bejaht deshalb einen Schutz der Gesellschaft vor existenzgefährdenden Eingriffen 125 • Einen Mittelweg geht eine dritte Auffassung 126 • Wegen der im Vergleich zum Aktienrecht schwächeren Vermögensbindung sei bei der GmbH zwar von einer weitgehenden Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit auszugehen. Eine Ausnahme gelte aber für existenzgefährdende Eingriffe. Aus dem Verbot existenzgefährdender Eingriffe wird in diesem Umfang ein eigenständiges vom Gesellschafterwillen unabhängiges Bestandsinteresse der GmbH hergeleitet. Differenzierungen ergeben sich innerhalb dieser Auffassung für den Geltungsbereich eines solchen eigenständigen Bestandsinteresses. So wollen einige 127 ein Bestandsinteresse der GmbH nur im faktischen Konzern anerkennen, während andere 128 eine solche Beschränkung auf die konzernierte GmbH nicht vornehmen, sondern auch bei der unverbundenen GmbH ein eigenständiges Bestandsinteresse befürworten. Die letztgenannte Sichtweise müsste konsequenterweise innerhalb der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG ein eigenständiges Bestandsinteresse der GmbH anerkennen. 124 Wilhelm, Rechtsforrn, S. 330 ff.; ders., DB 1986,2113, 2114; tendenziell auch SchulzeOsterloh, ZGR 1983, 123, 158 f. 12s K. Schmidt, GesR, § 37 III. 7.; ders. , ZIP 1986, 146, 148; ders., ZIP 1988, 1497, 1505; ders., ZIP 1990, 69, 78; ders., ZIP 1993, 549, 551 f. 126 Emmerich, in Scholz, Anh. Konzernrecht Rdnr. 89; Fleck, ZHR 149 [1985], 387, 394 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062; Priester, ZIP 1989, 1301, 1303; ders. , ZGR 1993, 512, 521 ff.; Roth, ZGR 1985, 429; U.H. Schneider, in Scholz, § 37 GmbHG Rdnr. 52; Winter, Treubindung, § 12 II. 4. 121 Assmann, JZ 1986, 928, 931; ders., jetzt anders in FS 100-Jahre GmbHG, 657, 704 ff.; Ulmer, ZHR 148 [1984], 391, 416 ff.; ders. , ZIP 2001, 2021 , 2023, 2027; wohl auch Emmerich, in Scholz, Anh. Konzernrecht Rdnr. 167. 12s Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062, Priester, ZIP 1989, 1301, 1303; ders. , ZGR 1993, 512, 521 ff.; Röhricht, FS-50 Jahre BGH, 83, 118 ff.; Roth, ZGR 1985, 429; Winter, Treubindung, § 12 II. 4. b) bb).
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Tei12: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
cc) Strafrechtliche Rechtsprechung Die Strafsenate des BGH heben bei ihren Entscheidungen 129 zur "GmbH-rechtlichen" Untreue die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH hervor. Weder der Geschäftsführer noch die Gesellschafter hätten die Befugnis, das Vermögen der juristischen Person GmbH willkürlich preiszugeben. Mit dieser Begrundung wurde die Reichweite der Befugnisse der GmbH-Gesellschafter im Laufe der Zeit immer stärker begrenzt. Wahrend friiher 130 - zumindest hilfsweise - auf die Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften abgestellt wurde, werden heute an die Begrenzungen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter andere Anforderungen gestellt. So ging der BGH in der Entscheidung aus dem Jahre 1987 131 davon aus, dass die Vermögensverschiebungen zugunsten der Gesellschafter schon dann untreuerelevant seien, wenn sie gegen die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmannes verstoßen oder unter Missachtung der Buchführungsvorschriften herbeigeführt wurden. In einer weiteren Entscheidung nimmt der BGH 132 - ohne sich in ausdruckliehen Widerspruch zu der Entscheidung aus dem Jahre 1987 zu setzen- jedoch an, dass die Entnahmen aus dem Vermögen der GmbH nur dann als Untreue zu bestrafen seien, wenn dadurch die Existenz oder die Liquidität der Gesellschaft gefährdet würden. Nunmehr stellt der BGH 133 zwar grundsätzlich auf die Existenzund Liquiditätsgefährdung ab, betont dabei aber den Bezug zur Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG wieder. Letztlich lässt sich trotz der über den Kapitalerhaltungsgrundsatz hinausgehenden Begrenzungen der Rechtsprechung für die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit feststellen, dass nach ihr wegen der Respektierung der eigenen Rechtspersönlichkeit ein eigenständiges Bestandsinteresse erst recht im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG anzuerkennen ist. dd) Strafrechtliche Literatur zum Bestandsinteresse In der strafrechtlichen Literatur 134 wird § 30 Abs. 1 GmbHG überwiegend als Vorschrift zum Schutze des Bestandes der GmbH verstanden. Ihr komme daher keine reine gläubigerschützende Wirkung zu. Die Kapitalerhaltungsvorschrift des 129 Vgl. z. B.: BGHSt 3, 39 f.; 9, 203, 216; BGH, NStZ 1984, 118, 119; BGHSt 34, 379, 384; 35, 333, 335; BGH, NJW 1997,66, 69; BGH, wistra 2000, 18, 19. 130 BGHSt, 3, 39 f.; 9, 203, 216. 131 BGHSt, 34, 379, 384. m BGHSt, 35, 333, 337; BGH, NJW 1997, 66, 69. 133 BGH, wistra 2000, 18, 19. 134 Brammsen, DB 1989, 1609, 1610; Flum, Schutz d. GmbH, S. 147; Hel/mann, wistra 1989, 214, 217; Kaufmann, Organuntreue, S. 78 ff.; Schäfer, GmbHR 1993,780, 794; Radtke, GmbHR 1998, 361, 364; Vonnemann, GmbHR 1988, 329,333.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 115
§ 30 Abs. 1 GmbHG schütze die Gläubiger nur ,,reflexartig" 135 • § 30 Abs. 1 GmbHG komme wie jede Vorschrift des GmbH-Gesetzes letztlich den Gesellschaftsgläubigern zugute, dieser Schutz erfolge aber nur mittelbar, denn die Regelung schütze primär das Stammkapital der GmbH vor der Ausplünderung durch ihre Gesellschafter 136. ee) Stellungnahme Die Unterschiedlichkeit der Maßstäbe, die in der strafrechtlichen und der zivilrechtlichen Rechtsprechung angelegt werden, kann nicht hingenommen werden. Problematisch ist, dass die strafrechtliche Rechtsprechung entgegen der zivilrechtlichen Rechtsprechung ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung anerkennt, denn dies führt dazu, dass ein aus zivilrechtlicher Sicht rechtmäßiges Handeln dennoch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach sich zieht. Damit ist ein erheblicher Wertungswiderspruch begrundet, der die Einheit der Rechtsordnung in Frage stellt. Ob tatsächlich aus strafrechtlicher Sicht ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefahrdung begrundbar ist, wird noch zu klären sein 137 . Auch die unterschiedlichen Sichtweisen in der zivil- und strafrechtlichen Rechtsprechung zu § 30 Abs. 1 GmbHG begrunden eine erhebliche Skepsis gegenüber der Ansicht der Zivilgerichte. § 266 StGB ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anerkannt 138. Entsprechend der Auffassung der strafrechtlichen Rechtsprechung, wäre dann bei einem durch Vermögensverlagerungen herbeigeführten Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG eine Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers zu bejahen. Die zivilrechtliche Rechtsprechung müsste, da die strafrechtliche Rechtsprechung für die Interpretation des Schutzgesetzes zuständig ist, eine Schadenersatzpflicht annehmen, obwohl eine solche nach ihrer Auffassung wegen der Gläubigerschutzfunktion des § 30 Abs. 1 GmbHG und der damit verbunden notwendigen Verneinung des§ 266 StGB abzulehnen wäre 139 • Angesichts der Divergenz zwischen strafrechtlicher und zivilrechtlicher Rechtsprechung ist deshalb für den als Schnittstelle zwischen Zivilrecht und Strafrecht fungierenden Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB ein Grundkonsens herzustellen. Ausgangspunkt für eine Annäherung zwischen strafrechtlicher und zivilrechtlicher Rechtsprechung kann dabei nur die Anerkennung eines eigenständiges Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG sein, um das bestehende Dilemma zu beenden 140• Dies dürfte aus der Sicht der zivilrecht135 136 137 138 139
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s•
Ulmer, in Pfeiffer-FS, 853, 860. Flum, Schutz d. GmbH, S. 136. Unter§ 5 IV. 1. BGHZ 100, 190, 192. So auch Gribbohm, ZGR 1990, 1, 4. Gehrlein, NJW 2000, 1089, 1090.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
liehen Rechtsprechung nicht allzu schwer fallen, weil sie letztlich die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG auch als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit ansieht. Die geforderte Annäherung zwischen der strafrechtlichen und der zivilrechtliehen Rechtsprechung ist dabei schon insoweit zustande gekommen, als auf der einen Seite der BGH in Zivilsachen 141 mittlerweile einen Schadenersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung des Schutzgesetzes § 266 StGB im Falle der Beeinträchtigung des durch § 30 GmbHG geschützten Stammkapitals bejaht und auf der anderen Seite der BGH in Strafsachen 142 bei der Bestimmung der Existenz- und Liquiditätsgefährdung wieder stärker auf die Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG Bezug nimmt. Bei zutreffendem Verständnis des § 30 Abs. 1 GmbHG kann ein Bestandsinteresse der GmbH nicht abgelehnt werden. Der Sinn der Kapitalerhaltung besteht nämlich in erster Linie in der Sicherung der Existenzberechtigung der juristischen Person GmbH 143. Schließlich ermöglicht die Schaffung des obligatorischen Mindestkapitals erst die Eigenständigkeil der GmbW 44 • Das Vorhandensein eines Mindestkapitals zählt zu den notwendigen Voraussetzungen einer Kapitalgesellschaft145. Bestätigung findet die Richtigkeit dieser Sichtweise in der Systematik des GmbH-Gesetzes. Die Kapitalerhaltung ist in den Abschnitt eingestellt, der das Verhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern regelt. Die Gläubiger werden in diesem Zusammenhang überhaupt nicht angesprochen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass die Stammkapitalerhaltung auch den Gläubigem zugute kommt. Von der Systematik her ist das GmbH-Gesetz aber auf einen indirekten Gläubigerschutz durch einen unmittelbaren Schutz des Stammkapitals der GmbH angelegt. Der wertmäßige Schutz des Gesellschaftsvermögens der GmbH in Höhe des Stammkapitals ist dem Gläubigerschutz quasi vorgelagert und ermöglicht ihn erst. Damit wird auch die in der strafrechtlichen Literatur vertretene Auffassung bestätigt, die einen reflexartigen Gläubigerschutz annimmt. Eine Anerkennung des eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG ist ferner nur die Konsequenz aus der durch das Zivilrecht geschaffenen eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH auf anderen Rechtsgebieten. Das Bestandsinteresse folgt aus der Rechtspersönlichkeit Die Annahme eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH kann deshalb nicht auf Konzernlagen beschränkt werden, weil auch bei der unverbundenen GmbH das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG beachtet werden muss.
141 BGH, NJW 1999,2817,2818. 142 BGH, wistra 2000, 18, 19. 143 144
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Flume, ZHR 144 [1980], 18; Röhrkasten, GmbHR 1974, 36. Kleffner, Kapita1erhaltung, S. 18. Westermann, in Scholz, § 30 GmbHG Rdnr. l.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 117
In diesem Zusammenhang greift allerdings die Organhaftungslehre 146 zu weit, weil das GmbH-Gesetz eine derart weitreichende Vermögensbindung nicht vorsieht und somit die vorgeschlagene Begrenzung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit den Wertungen des GmbH-Gesetzes zuwiderlaufen würde. Ob aus dem GmbH-Gesetz darüber hinaus ein Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung folgt und ob dies auf das Strafrecht übertragbar ist, wird noch zu klären sein 147. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle jedenfalls, dass ein eigenständiges Bestandsinteresse der GmbH im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG angenommen werden muss. § 30 Abs. 1 GmbHG fungiert damit als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit über das Gesellschaftsvermögen der GmbH. Verstößt die Gesellschaftergesamtheit gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, ergibt sich für den die Vermögensverlagerungen tätigenden GmbH-Geschäftsführer eine Strafbarkeit wegen Untreue 148.
c) Regelungsinhalt des § 30 Abs. 1 GmbHG
Mit der Charakterisierung des § 30 Abs. 1 GmbHG als Vorschrift zum Schutz des Bestandsinteresses der GmbH ist jedoch noch nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen diese Regelung eingreift. aa) Begriff des Stammkapitals § 30 Abs. 1 GmbHG schreibt eine Vermögensbindung in Höhe des vertraglich festgelegten Stammkapitals vor. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 GmbHG regeln, dass im Gesellschaftsvertrag ein festes Stammkapital in Höhe von mindestens 25.000,- Euro festzulegen ist. Die Zusammensetzung des Stammkapitals erfolgt aus der Summe der von den Gesellschaftern übernommenen Stammeinlagen, § 5 Abs. 3 GmbHG. Als Stammeinlagen kommen dabei sowohl Bar- als auch Sacheinlagen der Gesellschafter in Betracht. Die Höhe des Stammkapitals ist in das Handelsregister einzutragen(§ 10 Abs. 1 Satz l GmbHG). Das Gesetz verpflichtet die Gesellschafter nicht zu einer angemessenen Kapitalausstattung149, es steht ihnen allerdings frei, ein über den gesetzlichen Mindesthaftungsfond hinausgehendes Stammkapital zu vereinbaren.
146 Vgl. dazu§ 5 III. b) bb). 147 § 5 IV. 1. 148 Zur Strafbarkeit der Gesellschafter siehe § 6. 149 Ulmer, in Hachenburg, Anh. § 30 GmbHG Rdnr. 10.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
Die notwendige Autbringung dieses gegenständlichen Kapitals darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass das Gesellschaftsvermögen der GmbH mit dem Stammkapital gleichzusetzen ist. Vielmehr ist es vom Gesellschaftsvermögen zu unterscheiden 150. Während das Gesellschaftsvermögen als "Ist-Größe" für die Vermögenslage der Gesellschaft zu umschreiben ist, stellt das Stammkapital die "SollGröße" dar 151 . Das Gesellschaftsvermögen als ,,Ist- Größe" ist je nach Gewinn oder Verlust Schwankungen unterworfen. Insbesondere durch Umsatzgeschäfte treten laufend Änderungen ein. Die vorzunehmende Unterscheidung von Stammkapital und Gesellschaftsvermögen bedeutet aber nicht, dass beide Größen beziehungslos nebeneinander stehen. Die Beziehung zwischen dem Stammkapital und dem Gesellschaftsvermögen wird über die Bilanz hergestellt 152. Die Höhe des Stammkapitals ist dabei als unveränderlicher Passivposten in die Bilanz (§§ 42 GmbHG, 266 Abs. 3 HGB) einzustellen153. Je nach Vermögenslage wird das Stammkapital gedeckt oder nicht. Eine Deckung des Stammkapitals liegt vor, wenn die echten Passiva durch die Aktiva ausgeglichen werden und darüber hinaus ein Aktivvermögen in Höhe des Starnmkapitals vorhanden ist. Es wird folglich in Höhe des Stammkapitals Aktivvermögen gebunden. Als Schutzobjekt des § 30 Abs. l GmbHG kann folglich der Überschuss der Aktiva über die echten Passiva bis zur Höhe des Stammkapitals angesehen werden 154. Demzufolge schützt § 30 Abs. l GmbHG streng genommen nicht das Stammkapital, sondern "das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft"155. Diese Sicherung ist aber nicht als umfassende Garantie eines Mindesthaftungsfonds zu verstehen. §§ 30, 31 GmbHG können nur stammkapitalschädliche Eingriffe der Gesellschafter abwehren 156. In Anbetracht der nötigen Kapitalerhaltung können Auszahlungen an die Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen nur bei Vorhandensein genügender ungebundener Mittel vorgenommen werden.
ISO
!51 !52 153 154 155 156
Joost, ZHR 148 [1984], 27 f., ders., GrnbHR 1983, 285, 286. Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 19. Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 19. Fleck, in FS-100 Jahre GrnbHG, 391,393. Fleck, in FS-100 Jahre GrnbHG, 391, 393. Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 27. Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 21.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 119
bb) Voraussetzung für das Eingreifen des Auszahlungsverbots (1) Begriff der Unterbilanz
Das Auszahlungsverbot gemäߧ 30 Abs. 1 GmbHG greift bei Vorliegen 157 oder Herbeiführen 158 einer Unterbilanz ein. Letztere ist gegeben, wenn das Reinvermögen nicht mehr das Stammkapital deckt. Als Reinvermögen wird die Summe aller bilanzierten Aktiva abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten, einschließlich der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, verstanden. Bei der Feststellung der Unterbilanz sind nur die "echten" Passiva zu berücksichtigen, weil die Passivseite auch Rücklagen oder Eigenkapitalposten beinhalten kann 159, die das Reinvermögen für die Berechnung gemäß § 30 Abs. l GmbHG nicht mindern. Infolge der Maßgeblichkeit der bilanziellen Erfassung ist eine gleichwertige Gegenleistung des Gesellschafters für das ihm Zugewandte als Ausgleich zu berücksichtigen. Die Auszahlung ist zulässig, da Gesellschaftsvermögen zwar um die Ausschüttung vermindert, gleichzeitig aber durch die Gegenleistung erhöht wird und aufgrunddessen rechnerisch unverändert bleibt 160• Als Gegenleistung kann auch der verminderte Gewinnanspruch in Betracht kommen, da dadurch das Gesellschaftsvermögen nicht mehr belastet wird. (2) Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHG bei Überschuldung
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG auch bei Herbeiführen oder Bestehen der Überschuldung gilt. Um eine Überschuldung handelt es sich, wenn die Verbindlichkeiten (echte Passiva) die zum Verkehrswert angesetzten Aktiva übersteigen, wobei auch stille Reserven aufgedeckt werden dürfen. Der BGH in Zivilsachen 161 vertrat früher die Auffassung, dass im Falle der Überschuldung die§§ 30, 31 GmbHG nicht unmittelbar anwendbar seien, weil die Auszahlu~g dann faktisch eine Zahlung aus Fremdmitteln statt - wie von § 30 Abs. l GmbHG vorausgesetzt - aus dem Gesellschaftsvermögen darstellen würde. 157 Altmeppen, in Roth/ Altmeppen, § 30 GmbHG Rdnr. 6; Bart/, in HK-GmbHG, § 30 Rdnr. 2; Goerdeler/Müller, in Hachenburg, § 30 GmbHG Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 4, 7; Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 89; Rowedder, in Rowedder, § 30 GmbHG Rdnr. 4. 158 Altmeppen, in Roth/ Altmeppen, § 30 GmbHG Rdnr. 6; Bartl, in HK-GmbHG, § 30 Rdnr. 2; Goerdeler/Müller, in Hachenburg, § 30 GmbHG Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 4, 7; Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 89; Lutter/Hommelhoff, § 30 GmbHG Rdnr. 13. 159 Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 8. 160 Bartl, in HK-GmbHG, § 30 Rdnr. 2; Hueck!Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHGRdnr. 7. 161 BGH, NJW 1973, 1036, 1038.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
Die unmittelbare Anwendung sei zudem abzulehnen, weil die übrigen Gesellschafter nach § 31 Abs. 3 GmbHG einer Mithaftung unterlägen, die bei einer uneingeschränkten unmittelbaren Anwendung auf die Überschuldung nicht kalkulierbar wäre. Die Gesellschafter müssten wegen der bei der GmbH grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung von solchen unkalkulierbaren Risiken freigestellt werden. Dem wurde entgegengehalten, dass die Einschränkung des § 31 Abs. 3 GmbHG eine Begünstigung der Gesellschafter zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger darstelle, die wegen der den Gläubigem zustehenden Fremdmittel, um deren Auszahlung es bei der Überschuldung geht, nicht angebracht sei 162. Nunmehr geht auch der BGH 163 von einer unmittelbaren Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG für den Fall der Überschuldung aus. Dies ist zutreffend, denn schließlich fehlt jeglicher Anlass, die Übertragung von Vermögen bei fehlender Überschuldung, aber drohender Unterbilanz zu verbieten und bei eingetretener Überschuldung nicht zu untersagen 164. Vielmehr muss erst recht bei vorhandener Überschuldung jede Vermögensübertragung auf Gesellschafter unterbunden werdeni65. Auch aus strafrechtlicher Sicht ist die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Situation der Überschuldung anerkannt. Der BGW 66 hat die Verurteilung eines GmbH-Geschäftsführers wegen Untreue bei Entnahmen trotz Vorliegens der Überschuldung ausdrücklich auf die Verletzung des § 30 Abs. 1 GmbHG gestützt. Folglich ist bei Verursachen oder Vorliegen der Überschuldung ebenfalls die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG zu bejahen.
cc) Feststellen der Unterbilanz
(1) Maßgeblicher Zeitpunkt Über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Feststellung der Unterbilanz werden unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Nicht zu folgen ist der Auffassung, die dafür auf die Jahresbilanz zurückgreifen will 167. Zwar sind Auszahlungen an Gesellschafter grundsätzlich nicht an das Vorliegen einer förmlichen Zwischenbilanz gebunden168, es bedarf aber dennoch zur Überprüfung des Vorliegens der Unterbilanz
163
Fabritius, ZHR 144 [1980), 628, 635. BGH, NJW 1990, 1730, 1732.
164
Joost, GmbHR 1983,285, 287; Rowedder; in Rowedder, § 30 GmbHG Rdnr. 12.
162
165 Flum, Schutz d. GmbH, S. 151; Kaufmann, Organuntreue, S. 94.
166 167 168
BGH, wistra 1990, 79.
Rowedder; in Rowedder, § 30 GmbHG Rdnr. 8. Hueck/ Fastrich, in Baumbach I Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 6.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 121
einer Bilanzierung für den Zeitpunkt der Auszahlung. Nur die bilanzielle Feststellung zu diesem Zeitpunkt gewährleistet eine wirksame Kontrolle der Kapitalerhaltung. Zudem kann entgegen der Ansicht des BGH 169 nicht völlig auf die Erstellung einer Bilanz in Anbetracht einer "relativ großen Entnahme", die in "absehbarem" zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenz der GmbH steht, verzichtet werden. Die Verurteilung des Geschäftsführers der GmbH nach § 266 StGB verlangt nämlich den Nachweis, dass eine Auszahlung bei vorliegender Unterbilanz vorgenommen wurde oder eine solche herbeigeführt hat. Dies lässt sich nur eindeutig durch eine Bilanzierung zum Zeitpunkt der Auszahlung ermitteln 170. Letztlich würde der Verzicht auf eine Bilanzierung und das Abstellen auf einen Zusammenhang mit der Insolvenz der Gesellschaft zu einem Anscheinsbeweis führen, der angesichts der komplexen wirtschaftlichen Vorgänge zum einen wenig aussagekräftig ist171 und zum anderen strafprozessualen Beweisanforderungen nicht genügt. Auf das Erfordernis der Bilanzierung könnte nur dann verzichtet werden, wenn ein vom Auszahlungsverbot unabhängiges selbstständiges Verbot der Existenzund Liquiditätsgefahrdung angenommen werden könnte 172. Ob ein solches Verbot auf strafrechtlichem Gebiet Geltung erlangen kann, wird noch zu klären sein 173 . Daher kommt es für das Vorliegen einer Unterbilanz entscheidend auf den Zeitpunkt der Auszahlung an. (2) Bilanzierungsgrundsatz
Zu der für die Feststellung der Unterbilanz anzuwendenden Bilanzierungsmethode gibt der Wortlaut des § 30 Abs. I GmbHG kein Aufschluss. Daraus, dass der historische Gesetzgeber nur die Jahresbilanz kannte, kann nicht schon der Schluss auf deren Maßgeblichkeit gezogen werden. Heute ist nämlich anerkannt 174 , dass die verschiedenen Bilanzaufgaben auch zu unterschiedlichen Bilanzierungsregeln führen, so dass nicht mehr automatisch auf die Bilanzierungsgrundsätze der Jahresbilanz zurückgegriffen werden kann. Daher muss entsprechend dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 1 GmbHG festgestellt werden, nach welchen Grundsätzen zu bilanzieren ist. Dies gilt vor allem für die grundlegende Frage, ob die Bilanzerstellung unter Annahme der Beendigung der Unternehmenstätigkeit oder unter ihrer Fortführung zu erfolgen hat. Fraglich ist demnach, ob nach Zerschlagungs- bzw. Liquidationswerten oder nach Fortführungswerten zu bilanzieren ist. BGHSt, 35, 333, 338. no So zu Recht Hellmann, wistra 1989, 214, 218. 171 Hellmann, wistra 1989, 214, 218. 172 Ähnlich Wodicka, Untreue, S. 125. m Unter§ 5 IV. 1. 174 Lutter/Hommelhoff, § 64 GmbHG Rdnr. 14; in der Sache ebenso BGH, WM 1973, 307; BGH, WM 1978, 1044. 169
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
Unter Liquidationswert ist der Wert zu verstehen, der sich bei einer fiktiven Veräußerung des Gesellschaftsvermögens ergeben würde 175 . Bei der Bewertung der Aktiva nach Fortführungswerten ist von einem Fortbestand des Unternehmens auszugehen (going-concern-princip), so dass auch auf die künftigen Erlöse des Unternehmens (Ertragswert) abgestellt werden kann 176• Es wurde bereits dargelegt 177, dass§ 30 Abs. 1 GmbHGAusdruck des Bestandsschutzes der GmbH ist. Daher kann vom Schutz einer lebenden Gesellschaft ausgegangen werden. Deshalb ist bei § 30 Abs. 1 GmbHG eine Bilanzierung zum Auszahlungszeitpunkt vorzunehmen, die sich an den Anforderungen der Jahresbilanz (§ 42 GmbHG) orientiert 178 . Somit ist also bei der Bilanzierung grundsätzlich von der Unternehmensfortführung auszugehen. (3) Bewertungsgrundsätze
Bei der Bewertung der Bilanzposten ist- wie auch bei der Aufstellung der Jahresbilanz - der Grundsatz der Vorsicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 30 Abs. 1 GmbHG, der - wie dargelegt - das Bestandsinteresse und reflexartig die Gläubigerinteressen schützt. Diese Interessen gebieten eine vorsichtige Bilanzierungsvorgehensweise. Folglich sind die Werte der Aktiva im Zweifel niedriger und die Werte der Passiva im Zweifel höher anzusetzen, damit sich nicht erst nach der Auszahlung herausstellt, dass mit letzterer bereits das Stammkapital angegriffen worden ist 179• (a) Aktivseite In der aufzustellenden Bilanz, die gemäß § 242 HGB eine Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva darstellt, zählen zur Aktivseite das Anlagevermögen (also z. B. Sachanlagen und Finanzanlagen) und das Umlaufvermögen (z. B. Vorräte, sonstige Vermögensgegenstände, Guthaben bei Banken und Kreditinstituten) sowie Forderungen. Im Einzelnen dürfen wegen der Geltung des Vorsichtsprinzips schwebende Geschäfte und Dauerschuldverhältnisse nur insoweit berücksichtigt werden, wie dies nach den Bilanzierungsgrundsätzen der Handelsbilanz vorgeschrieben ist, mithin 175 176 111
Tiedemann, in LK 11 , vor§ 283 StOB Rdnr. 156. Tiedemann, in LK 11 , vor § 283 StOB Rdnr. 157. § 5 III. 2. b) ee).
178 BGH, NJW 1988, 139; BGH, WM 1989, 14, 16; Goerdeler/Müller; in Hachenburg, § 30 GmbHG Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 6, Westermann, in Scholz, § 30 GmbHG Rdnr. 14. 179 Kleffner; Kapitalerhaltung, S. 33.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 123
auf der Aktivseite nur Vorleistungen der Gesellschaft 180• Zudem bleiben alle Werte außer Ansatz, die nicht aktiviert werden dürfen, wie etwa der selbst geschaffene Geschäfts- oder Firmenwert (§ 255 Abs. 4 HGB). Dies gilt selbst dann, wenn diese Werte bei einer Unternehmensveräußerung entgolten würden. Weiterhin müssen auch Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes und für dessen Erweiterung ( § 269 Satz 1 HGB) auf der Aktivseite unberücksichtigt bleiben. Zu aktivieren sind hingegen sämtliche noch ausstehende Gesellschaftereinlagen. Strittig ist die Behandlung stiller Reserven. Solche entstehen aufgrund handelsrechtlicher Bewertungsvorschriften, so wenn der Wert eines Wirtschaftsgutes über die Anschaffungs- und Herstellungskosten ansteigt (§ 253 Abs. 1 HGB), im Falle des Übersteigens des Werts der Abschreibung gegenüber dem des Wertverlustes (§ 253 Abs. 2 HGB) oder bei Schätzungen im Bereich der Rückstellungen. Nach einer Minderansicht181 unterliegen die stillen Reserven nicht dem Schutz des § 30 Abs. 1 GmbHG. Sie seien daher in der Bilanz gewinnerhöhend aufzulösen. Damit könnten die stillen Reserven zur Auszahlung freigegeben werden. Für eine derartige Sichtweise spricht, dass die stillen Reserven wegen ihrer Funktion als zusätzliches Finanzpolster mit den offenen Rücklagen vergleichbar sind, die ohne Beschränkung durch § 30 Abs. 1 GmbHG an die Gesellschafter ausgeschüttet werden dürfen. Dem ist aber mit der herrschenden Meinung 182 dennoch zu widersprechen. Die Vorschriften, auf deren Grundlage stille Reserven gebildet werden, wollen den Ausweis von Gewinnen verhindern, die unter Umständen gar nicht entstanden sind. Dies zeigt, dass diese Regelungen Gewinnausweisungen abwenden wollen, deren Existenz und Höhe höchst zweifelhaft sind. Aufgrund des anzuwendenden Vorsichtsprinzips ist es daher angebracht, auch die stillen Reserven vor Auszahlungen zu schützen und sie daher in der Bilanz nicht gewinnerhöhend aufzulösen 183 • (b) Passivseite Auf der Passivseite werden das Eigenkapital (Stammkapital [gezeichnetes Kapital], Rücklagen, Gewinne [Jahresüberschuss]), Rückstellungen und das Fremdkapital aufgeführt. Nach dem handelsrechtliehen Gliederungsschema (§ 266 Abs. 3 lit. C HGB) sind auf der Passivseite zudem sämtliche Verbindlichkeiten der GmbH mit ihrem aktuellen Nennwert anzusetzen 184• Zu diesen Verbindlichkeiten zählen BGH, GmbHR 1989, 153, 154. Meister, WM 1980, 390, 394; Sonnenhol/Stützle, DB 1979,925,928. 182 Fiedler, Vermögensverlagerungen, S. 16 f.; Goerdeler/Müller, in Hachenburg, § 30 GmbHG Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rdnr. 6; Westernumn, in Scholz, § 30 GmbHG Rdnr. 14. 183 Eine Ausnahme ist nur für stille Reserven zuzulassen, die auf steuerrechtliehen Bewertungsgrundsätzen beruhen; vgl. dazu Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 35 f. 184 BGH, WM 1985, 194. 180 181
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
z. B. auch die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen oder Verbindlichkeiten mit Rangrücktrittsvereinbarung oder Verbindlichkeiten an die Gesellschafter (Ausschüttungen vereinbarter Dividenden). Überdies sind auf der Passivseite die in der Bilanz zu bildenden Rückstellungen zu berücksichtigen (§ 266 Abs. 3 lit. B HGB). Bei den Sonderposten mit Rücklagenanteil ist nur der Rückstellungsanteil herauszurechnen und in Abzug zu bringen. Soweit herabzusetzendes Aktivvermögen nicht auf der Aktivseite abgeschrieben worden ist, muss auf der Passivseite eine entsprechende Wertberichtigung gebildet werden. Sollte sich entsprechend diesen Grundsätzen eine Unterbilanz ergeben oder durch die Vermögensverlagerungen eine solche herbeigeführt werden, greift das unten dargestellte 185 Auszahlungsverbot ein.
dd) Feststellen der Überschuldung Wie schon erörtert 186, ist die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG nicht nur bei Bestehen oder Herbeiführung der Unterbilanz, sondern auch bei verursachter oder vorliegender Überschuldung anwendbar. Daher stellt sich die Frage, wann eine solche Überschuldung gegeben ist. Die vereinfachte Definition der Überschuldung, wonach diese vorliegt, wenn die Verbindlichkeiten (echte Passiva) die zum Verkehrswert angesetzten Aktiva übersteigen, hilft nicht weiter, weil damit noch keine Aussage über eine brauchbare Bewertungsmethode für die Feststellung der Überschuldung getroffen ist. Letztere gilt es zu finden. Die Feststellung der Überschuldung spielt vor allem bei der Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers einer GmbH gemäß § 64 Abs. l GmbHG eine Rolle. Welcher Bewertungsmethode in diesem Zusammenhang der Vorzug zu geben ist, war im Zivilrecht heftig umstritten. So wollte eine Auffassung 187 die Feststellung der Überschuldungsbilanz auf der Grundlage von Liquidationswerten vornehmen. Liquidationswert ist der Wert, der sich bei einer fiktiven Veräußerung des Schuldnervermögens ergeben würde. Dem wurde jedoch zu Recht entgegengehalten, dass eine derartige Vorgehensweise den Gläubigerschutz übermäßig in den Vordergrund stelle und einen großen Teillebensfähiger Unternehmen in die Krise führen würde188. Deshalb ist vorgeschlagen worden 189, den Überschuldungsstatus ausschließlich nach Fortführungswerten zu bestimmen, also die Fortführung des Unterneh-
185 186
§ 5 III. 2. c) ee). § 5 III. 2. c) bb) (2).
187 Dahl, GmbHR 1964, 112, 113; Drukarczyk, ZGR 1979, 553, 581; Mayer-Landrut, in GK-AktG, § 92 AktG Rdnr. 7. 188 Egner/Wolff, AG 1978,99, 105; Kühn, DB 1970, 549, 550. 189 Bilo, GmbHR 1981,73, 75; Herget, AG 1974, 137, 138.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 125
mens zu unterstellen, so dass auch die künftigen Erlöse zu berücksichtigen sind. Die alleinige Feststellung der Überschuldung auf der Grundlage der bilanzierten Fortführungswerte bevorzugt allerdings einseitig die Unternehmensinteressen und benachteiligt die Gläubiger. Deshalb ist ein alleiniges Zugrundelegen von bilanzierten FortfUhrungswerten wegen des erhöhten Gläubigerschutzes bei der Überschuldung - anders als bei der Feststellung der Unterbilanz - abzulehnen. Nach einer dritten Ansicht 190 soll für die Feststellung der Überschuldung sowohl auf Liquidations- als auch auf Fortführungswerte abgestellt werden. Eine Überschuldung sei immer dann anzunehmen, wenn nach einer der beiden Bewertungsmethoden eine Überschuldung vorliege. Dieses Vorgehen führt jedoch meist zur Feststellung der Überschuldung auf der Grundlage der Liquidationswerte und weist deshalb die gleichen Schwächen wie die erstgenannte Methode auf. Sie ist daher - wie diese abzulehnen. Ferner wurde angenommen 191 , dass eine Überschuldung nur vorläge, wenn sie nach allen einschlägigen betriebswirtschaftliehen Bewertungsmethoden feststehe. Dies ist jedoch nicht nachvollziehbar 192, weil es keine einschlägigen betriebswirtschaftlichen Methoden für die Bestimmung des rechtlichen Überschuldungsstatus gibt. Weil die genannten Methoden wegen der aufgezeigten Schwächen nicht zu überzeugen vermögen, wird von anderen zur Bewertung des Vermögens bei der Feststellung der Überschuldung vorgeschlagen, die Bilanzierung nach Liquidationsoder Fortführungswerten daran zu orientieren, ob das Unternehmen eine Überlebenschance besitzt oder nicht 193 • Liquidationswerte seien nur bei negativer Fortbestehensprognose anzulegen. Dieser Vorgehensweise wurde entgegengehalten, dass nach ihr regelmäßig auf der Grundlage dieser Prognose die Entscheidung über die Überschuldung falle 194• Die Fortbestehensprognose und der Wertansatz ließen sich im Übrigen methodisch nicht sauber trennen. Daher entwickelte ein Teil 195 der zivilrechtliehen Literatur einen neuen Überschuldungsbegriff, der die rechnerische und die rechtliche Überschuldung unterscheidet. Bei der rechnerischen Überschuldung sei grundsätzlich von Liquidationswerten auszugehen 196. Ist rechnerisch eine Überschuldung festgestellt, so führt sie jedoch nicht zwangsläufig zur rechtlichen Überschuldung. Diese Überschuldung liege nur dann vor, wenn bei Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung auch 190
191 192 193 194
195
196
Schmidt/Goerdeler, in Hachenburg6 , § 63 GmbHG Rdnr. 5 bunter cc. Tiedemann, in Scholz, § 84 GmbHG Rdnr. 47. Kohlmann, in Hachenburg, § 84 GmbHG Rdnr. 33. Auler, DB 1976, 2170; Pribilla, KTS 1958, 7; Zilias, WPg. 1977,445,448. Ulmer, in Hachenburg, § 63 GmbHG Rdnr. 33. K. Schmidt, JZ 1982, 765, 768. Ulmer; KTS 1981,469,478.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
eine nicht ertrags-und nicht lebensfähige GmbH gegeben ist197• Nur bei negativer Fortbestehungsprognose wird bei der Feststellung der Überschuldung auf die rechnerisch ermittelten Liquidationswerte abgestellt. Es handelt sich also um einen zweistufigen Überschuldungsbegriff. Gegen diese Methode zur Feststellung der Überschuldung bestehen allerdings aus strafrechtlicher Sicht Bedenken. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gebietet gerade ein umgekehrtes Vorgehen. Das grundsätzliche Abstellen auf die Liquidationswerte stellt den Angeklagten schlechter als die Bilanzierung zu Fortführungswerten. Ist zweifelhaft, ob das Unternehmen überlebensfähig ist, muss in konsequenter Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zu Fortführungswerten bilanziert werden. Nur wenn sich mit der notwendigen Gewissheit ex ante sagen lässt, dass das Unternehmen nicht lebensfähig ist, sind der Bilanzierung Liquidationswefte zugrunde zu legen. Ferner spricht die Verteilung der Beweislast gegen die Übernahme des zweistufigen Überschuldungsbegriffs in das Strafrecht. Im Zivilrecht trägt ausschließlich der Geschäftsführer die Beweislast dafür, dass bei feststehender rechnerischer Überschuldung eine positive Fortbestehensprognose bestanden hat 198• In das Strafrecht kann diese Beweislastregelung wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 244 Abs. 2 StPO nicht übernommen werden. Zustimmung verdient deshalb die Auffassung, die zur Ermittlung der Überschuldung zunächst eine Fortbestehensprognose anstellt und danach die Auswahl der Bewertungsgrundsätze vornimmt 199. Nur bei ex-ante eindeutiger Feststellung mangelnder Überlebensfähigkeit des Unternehmens sind die Liquidationswerte anzulegen. Diese Methode entspricht im Übrigen nunmehr den gesetzlichen Vorgaben des § 19 Abs. 2 Satz 2 Ins0200.
ee) Verbotene Auszahlungen Liegt Unterbilanz oder Überschuldung vor, oder können diese durch Entnahmen herbeigeführt werden, greift das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG ein, das der Kapitalerhaltung dient. Der Begriff der Auszahlungen in § 30 Abs. 1 GmbHGerfasst nicht nur Geldzahlungen, sondern auch rechtsgeschäftliche und tatsächliche Zuwendungen aller Art, insbesondere Sachleistungen201 . Es fallen nicht nur offene, sondern auch verdeckte Ulmer; KTS 1981,469, 478. Ulmer, in Hachenburg, § 63 GmbHG Rdnr. 37. 199 Franzheim, NJW 1980, 2500, 2501; Pfeiffer, in Rowedder-FS, 347, 361; Schäfer, GmbHR 1993, 780, 785; Schlüchter, wistra 1984,41,43. 2oo So auch Reck, GmbHR 1999, 267, 272; ferner Uhlenbruck, wistra 1996, 1, 6. 201 Kleffner, Kapita1erha1tung, S. 44. 197 198
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 127
Zuwendungen unter § 30 Abs. I GmbHG. Entscheidend ist die wertmäßige Verringerung des Gesellschaftsvermögens. Zu beachten ist jedoch, dass als Auszahlung nur die Vermögensverschiebung zwischen den Vermögensmassen der Gesellschaft und der Gesellschafter angesehen werden kann. Es muss folglich eine Vermögensminderung bei der Gesellschaft und eine Vermögensmehrung bei den Gesellschaftern 202 eingetreten sein. Daher werden Vorgänge, die sich ausschließlich in der Schädigung des Gesellschaftsvermögens erschöpfen und nicht zugleich zu einer Vermögensmehrung bei einem Gesellschafter führen, nicht erfasst. Problematisch ist, ob für die Beurteilung des Vorliegens der Auszahlung eine bilanzorientierte Sichtweise203 zu bevorzugen ist, oder es grundsätzlich auf den realen Vermögensabfluss204 ankommt. Für eine bilanzorientierte Sichtweise scheint die Verwendung des Begriffs "erforderlich" im Zusammenhang mit der Erhaltung des Stanunkapitals in § 30 Abs. 1 GmbHG zu sprechen, weil die Deckung des Stammkapitals bilanziell festgestellt wird und deshalb bilanzunwirksame Auszahlungen unberücksichtigt bleiben. Dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. I GmbHG widerstrebt jedoch eine bilanzorientierte Auslegung, denn danach ist der Gesellschaft im Interesse ihres Bestandes ein Kapital zu erhalten. Damit ist es nicht zu vereinbaren, dass die Gesellschafter bei vorliegender Unterbilanz oder Überschuldung Vermögenswerte aus der Gesellschaft ziehen und dadurch eine Aushöhlung der GmbH bewirken. Deshalb soll der Entzug von Kapital durch privaten Zugriff der Gesellschafter möglichst vermieden werden205 . Daher ist es zutreffend, wenn bei Unterschreitung der Schwelle zum Verbotsbereich (Unterbilanz I Überschuldung) von einer handelsbilanziellen Betrachtungsweise zu realen Wertansätzen urnzuschwenken206. Für eine derartige Betrachtung spricht im Übrigen auch, dass der Begriff "ausgezahlt" im Rahmen des § 30 GmbHG keinen handelsbilanziellen Bezug erkennen lässt207 . Zudem ist bei 202 Bei der Vermögensmehrung auf Seiten des Gesellschafters ist aber eine erweiterte Auslegung angebracht, die auch Leistungen an einen Dritten erfasst, die indirekt dem Gesellschafter zugute kommen. Als Beispiel lässt sich die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber einem Dritten nennen (vgl. Kleffner; Kapitalerhaltung, S. 80). Des Weiteren sind Auszahlungen an Gesellschafter i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG auch Leistungen, ohne dass diese als Erfüllung einer Verbindlichkeit gelten, an solche Dritte gleichgestellt, die aufgrund verwandtschaftlicher oder wirtschaftlicher Verbundenheit dem Gesellschafter besonders nahe stehen oder für seine Rechnung handeln, sog. "qualifizierte Nähe" (vgl. Fleck, in FS 100-Jahre GmbHG, 391, 408 ff.); näher dazu Altmeppen, in Roth/ Altmeppen, § 30 GmbHG Rdnr. 17 ff. 203 Lutter!Hommelho.ff, § 30 GmbHG Rdnr. 2. 204 Goerdeler/Müller; in Hachenburg, § 30 GmbHG Rdnr. 41; Stimpel, in FS-100 Jahre GmbHG, 335, 340 ff. ; Tries, vGA, S. 36 f. 205 Ähnlich Stimpel, in FS-100 Jahre GmbHG, 335, 340. 206 Stimpel, in FS-100 Jahre GmbHG, 335, 340. 2o1 Stimpel, in FS-100 Jahre GmbHG, 335, 340.
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Teil2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
bestimmten Vorgängen, die sich real negativ auf das Gesellschaftsvermögen auswirken, unklar, ob sie bilanziell Auszahlungsvorgänge darstellen. Das gilt z. B. für Verpflichtungsgeschäfte mit Dritten im Interesse des Gesellschafters, weil bei diesen Rechtsgeschäften die Gesellschaft gegenüber den Dritten kein Leistungsverweigerungsrecht zum Schutz der Stammkapitaldeckung besitzt, für Zuwendungen von Vermögensgegenständen, die einem Aktivierungsverbot unterliegen, für Zuwendungen stiller Reserven, für die Inanspruchnahme von Sicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen208 , für die Hingabe von Darlehen oder die Stundung von Forderungen ohne ausreichende Sicherheiten und angemessene Verzinsung sowie für die Aufrechnung gegen nicht vollwerthaltige Forderungen des Gesellschafters. Deshalb ist grundsätzlich auf den realen Vermögensabfluss abzustellen. Eine Ausnahme wird jedoch dann zuzulassen sein, wenn eine Vermögensgefährdung im Vorfeld des realen Vermögensabflusses vorliegt. Eine solche Vermögensgereihrdung ist gegeben, wenn die Gesellschaft keinen Einfluss mehr darauf nehmen kann, ob die Gefahr zum Eintritt des realen Vermögensabflusses führt209 • In einem solchen Fall ist dann ein realer Vermögensabfluss zulässig. Es darf also weder bei Vorliegen noch bei Gefahr der Unterbilanz oder Überschuldung Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausgekehrt werden.
3. Ergebnis Als Ergebnis der Betrachtung ist festzuhalten, dass den Gesellschaftern aus strafrechtlicher Sicht keine grenzenlose Dispositionsbefugnis bei Verlagerungen von Vermögensbestandteilen der GmbH eingeräumt ist210• Die Grenze bildet die Kapitalerhaltungsvorschrift des§ 30 Abs. 1 GmbHG. Diese Vorschrift schützt den Haftungsfond des Stammkapitals und sichert damit den Bestand der GmbH. Mithin muss das Gesellschaftsvermögen der GmbH im Wert des Stammkapitals vor Einwirkungen der Gesellschafter und des Geschäftsführers geschützt werden.
IV. Weitere Grenzen der Dispositionsbefugnis Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob der Untreueschutz der GmbH auf die Stammkapitalerhaltung begrenzt ist oder dariiber hinausgeht. 2os Die bloße Bestellung von Sicherheiten kann grundsätzlich nur bei dinglichen Sicherheiten als Auszahlung angesehen werden. Bei schuldrechtlichen Sicherheiten liegt in der Bestellung nur dann eine Auszahlung, wenn der Sicherungsnehmer ein Dritter im Interesse des Gesellschafters ist; insofern gelten die gleichen Grundsätze wie bei Verpflichtungsgeschäften. 209 Kleffner, Kapitalerhaltung, S. 50. 210 Gribbohm, ZGR 1990, 1, 20; Kohlmann, in Werner-FS, 387, 397; Schäfer, GmbHR 1993, 780, 789; Ulmer, in Pfeiffer-FS, 853, 860.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 129
1. Existenz- und Liquiditätsgefährdung Die Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG scheint dafür zu sprechen ein selbstständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung für die Gesellschaftergesamtheit anzunehmen. Die strafrechtliche Rechtsprechung211 und ein Teil der strafrechtlichen Literatur212 folgert aus diesem Verbot die maßgebliche Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter. Diese Sicht lehnt sich an eine im zivilrechtliehen Schrifttum213 vertretene Auffassung an, die ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung befürwortet. Die Notwendigkeit eines solchen Verbots ergebe sich daraus, dass § 30 Abs. 1 GmbHG für die Fälle Lücken im Kapitalschutz aufweist, in denen Auszahlungen nicht an Gesellschafter oder ihnen nahestehenden Personen erfolgen, denn selbst bei weiter Auslegung214 werden nicht alle Auszahlungen erfasst, welche die Existenz der GmbH gefährden können. Ferner ist es denkbar, dass der Entzug von liquiden Mitteln zwar nicht gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstößt, aber die Existenz der Gesellschaft wegen eingetretener temporärer, aber nicht dauernder Zahlungsunfähigkeit gefährdee 15. Insofern kann von einer selbstständigen Bedeutung der Existenz- und Liquiditätsgefahrdung ausgegangen werden. a) Unbegründbarkeit eines eigenständigen Verbots der Existenz- und Liquiditätsgefährdung
Ein Teil der zivilrechtliehen Literatur216 leitet ein ungeschriebenes eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefahrdung aus dem Zusammenhang und Zweck der Kapitalerhaltungsvorschriften her. Mit anderer Begrundung gelangt ein anderer Teil der Literatur217 zu demselben Ergebnis. Den Kapitalerhaltungsvorschriften lasse sich zwar keine Aussage darüber entnehmen, dass aus den normativen Vorgaben des GmbH-Gesetzes weitergehende Schranken für die aktive Einflussnahme der Gesellschafter entwickelt werden könnten. Ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefahrdung folge aber aus den Liquidationsvorschriften des GmbH-Gesetzes, die nur das "Ob" BGHSt 35,333, 338; BGH, JR 1997, 336, 339. D. Geerds, in F. Geerds-FS, 689, 709; Gribbohm, ZGR 1990, 1, 18; Wodicka, Untreue, S. 251; wohl auch Gehr/ein, NJW 2000, 1089, 1090. 213 Fleck, ZGR 1990, 31, 36 ff.; Priester, ZIP 1989, 1303; ders., ZGR 1993, 512, 521 ff.; Winter, Treubindung, § 12 II 4; ders. , ZGR 1994, 570, 586. 214 Zur Auslegung bei § 30 Abs. 1 GmbHG vgl. Fn. 202 im zweiten Teil. 215 Flum, Schutz d. GmbH, S. 130. 216 Fleck, ZGR 1990, 31, 37 f. 217 Winter, ZGR 1994, 570, 586; ders., Treubindung, § 12 II. 4. 211
212
9 Hentschke
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der Auflösung der Gesellschaft in das freie Ermessen der Gesellschaftergesamtheit stellen, die Art und Weise der Liquidation jedoch den zwingenden Formvorschriften der §§ 65 ff. GmbHG unterwerfe. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung der Formvorschriften eine "Liquidation auf kaltem Wege" gerade verhindern wollen. Im Übrigen ergebe sich auch aus der Möglichkeit der Gesellschaftergesamtheit, den Gesellschaftszweck grundlegend zu verändern, keine Befugnis, die Gesellschaft zu ruinieren218 . Ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung ist jedoch weder aus zivil- noch auch aus strafrechtlicher Sicht trotz Erforderlichkeit überzeugend zu begründen. Gegen die Annahme eines solchen Verbots spricht unter zivilrechtliehen Gesichtspunkten die Regelung des § 43 Abs. 3 GmbHG. Danach haftet der Geschäftsführer bei Weisungen der Gesellschafter nur dann, wenn die Weisung Gesellschaftsvermögen auszuschütten, eine Beeinträchtigung des Stammkapitals bewirkt. Mit dieser Wertung des GmbH-Gesetzes ist es nicht verträglich, eine Haftung des Geschäftsführers auch bei Weisungen anzunehmen, die den Bestand der Gesellschaft gefährden, ohne dass diese gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen219. Daher ist dem BGH in Zivilsachen220 zuzustimmen, der davon ausgeht, dass alle Geschäftsführungsmaßnahmen - vorbehaltlich der Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften - der vollen Disposition der Gesellschaftergesamtheit unterliegen. Darüber hinaus würde das selbstständige Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung den vom GmbH-Gesetz vorgesehenen Ausschluss der persönlichen Haftung der Gesellschafter erheblich in Frage stellen. Die Annahme eines derartigen Verbots zöge nämlich eine Treuepflicht der Gesellschafter nach sich, durch deren Verletzung eine Schadenersatzpflicht der Gesellschafter gegenüber der GmbH begründet wäre. Dies würde dann zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter für eine- auch nur fahrlässige -unrichtige Unternehmenspolitik führen, die den Wertungen des GmbH-Gesetzes zuwider liefe, die nur bei Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen eine persönliche Haftung vorsehen. Die Annahme einer solchen Haftung würde die grundsätzliche Beschränkung der Haftung des Gesellschafters auf das Gesellschaftsvermögen aushöhlen. Auch aus strafrechtlicher Sicht ergeben sich Zweifel an der Begründbarkeit eines eigenständigen Verbots der Existenz- und Liquiditätsgefährdung. Zwar liegen die Vorzüge der Anerkennung eines solchen Verbots WlZWeifelhaft im Bereich des prozessualen Nachweises der Strafbarkeitsvoraussetzungen. Beweisprobleme können nämlich insbesondere bei der Feststellung des Vorsatzes auftreten, wenn sich der Geschäftsführer darauf beruft, nicht erkannt zu haben, dass sein Verhalten das Stammkapital beeinträchtigt habe. Der flexiblere Maßstab 21s 219 22o
K. Schmidt, ZIP 1988, 1497, 1506; Winter, ZGR 1994, 570, 587. Vgl. dazu Flum, Schutz d. GmbH, S. 132. BGH, NJW 1984, 1037.
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 131
der Existenz- und Liquiditätsgefährdung erleichtert dann den Nachweis des Tatbestandsvorsatzes. Die Feststellung eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, der eine Bilanzierung - bei der zudem Unsicherheiten im Hinblick auf den Zeitpunkt bestehen221 -erfordert, ist dagegen schwerer zu führen. Einlassungen des Geschäftsführers, er habe von der Schädlichkeit der Maßnahmen nichts gewusst, sind wegen der nicht erforderlichen Bilanzierung einfacher zu widerlegen. Entscheidend spricht gegen eine strafrechtliche Begründbarkeil eines eigenständigen Verbots der Existenz- und Liquiditätsgefährdung jedoch, dass es keine tragfähige zivilrechtliche Grundlage besitzt. Überdies birgt dieses Kriterium ein hohes Maß an Unbestimmtheit in sich. Es ist völlig ungeklärt, welcher Gefährdungsgrad für den Bestand der GmbH erreicht sein muss, damit eine Existenzgefährdung vorliegt, die eine tatbestandsausschließende Wirkung des Einverständnisses der Gesellschafter entfallen lässt222. Aus der Realisierung der Gefahr, also der Bestandsvernichtung der GmbH, kann jedenfalls nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer zeitlich vorausgegangenen Gefährdung geschlossen werden. Dies wäre allenfalls möglich, wenn sich die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit auf die konkrete bestandsgefährdende Maßnahme zurückführen ließe. Dieser Kausalitätsnachweis ist aber nahezu unmöglich, wenn das Vorliegen der Existenzgefährdung ohne Aufstellung einer Bilanz223 festgestellt werden soll224• Die Annahme eines eigenständigen Verbots der Existenz - und Liquiditätsgefährdung führt dazu, wirtschaftliche Entscheidungen der Gesellschaftsorgane nachträglich durch die Strafgerichte einer Angemessenheitskontrolle zu unterziehen und so Handlungsfreiheiten zu beschneiden, die vom Zivilrecht her eröffnet sind225 • Ferner haben die Erwägungen zum Nachteil bereits gezeigt, dass ausschließlich im Falle der Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG ein kompensationsfähiges Gegenrecht in Form des Gewinnbezugsrechts fehlt226. In allen anderen Fällen ist das Vorliegen eines Vermögensnachteils zu verneinen. Daher ist auch aus der strafrechtlichen Sicht ein eigenständiges Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung nicht begründbar.
221 222 223 224 22s
226
9*
§ 5 III. 2. c) cc) (1). Radtke, GmbHR 1998, 361, 365. Darauf verzichtet der BGH in BGHSt 35, 333, 338. Radtke, GmbHR 1998, 361, 365. Radtke, GmbHR 1998, 361,365. Schäfer, GmbHR 1993,780, 794.
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
b) Berücksichtigung der Existenz- und Liquiditätsgefährdung bei der Bilanzierung
Die existenz- oder liquiditätsgefährdende Wirkung der konkreten Vermögensverlagerung könnte, auf den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 GmbHG beschränkt, relevant werden, indem diese Wirkung bei der Bilanzierung berücksichtigt wird. So wird in der Literatur227 vorgeschlagen, die Existenzgefährdung durch Wertberichtigungen auf der Aktivseite (Bewertung nach Liquidationswerten) und durch Bildung von Rücklagen zur Abdeckung der mit einem Zusammenbruch des Unternehmens verbundenen Zusatzbelastung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage der Liquidationswerte wird dann eine Fortbestehungsprognose erstellt. Nur wenn diese negativ ausfallt, sei auf die Liquidationswerte zurückzugreifen. Für die Anwendung dieser Methode spreche, dass mit der Berücksichtigung einer Existenz- und Liquiditätsgefährdung ein ähnlicher Zweck wie in § 64 Abs. 1 GmbHG verfolgt werde. Diese Vorschrift besitze heute die Funktion, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab welchem die Fortführung des Unternehmens ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig ist. Die Feststellung der Überschuldung auf der Grundlage von Fortführungswerten im Rahmen des§ 64 Abs. 1 GmbHG trage den Unternehmensinteressen angemessen Rechnung. Diese Interessenübereinstimmung rechtfertige eine Übernahme der dortigen Bewertungsmethode, mit deren Hilfe es kaum Fälle gäbe, in denen bei existenzgefährdenden Maßnahmen das Verbot des § 30 Abs. 1 GmbHG nicht eingreife. Der Vorteil dieser Bewertungsmethode läge ferner darin, dass im Grenzbereich zwischen § 266 StGB und § 283 StGB Strafbarkeilslücken vermieden würden. Gegen diese modifizierte Bilanzierungsmethode bestehen dieselben Bedenken, die schon gegen den zweistufigen Überschuldungsbegriff vorgetragen worden sind228 . Selbst wenn grundsätzlich eine positive Fortbestehensprognose gestellt würde, ergibt sich wegen der Beweislast des Geschäftsführers für das Vorliegen der positiven Fortbestehensprognose ein Verstoß gegen den Grundsatz in "dubio pro reo'' und den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 244 Abs. 2 StPO. Daraus folgt gleichwohl nicht, dass die Existenz- und Liquiditätsgefahrdung der GmbH bei der Bilanzierung gänzlich unberücksichtigt bleibt. Vielmehr ist die h.M., die grundsätzlich von der Bilanzierung zu Fortführungswerten entsprechend der Jahresbilanz ausgeht229, nur konsequent anzuwenden. Dies betrifft insbesondere die Regelung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Danach ist dann nicht mehr zu Fortführungswerten zu bilanzieren, wenn der Unternehmensfortführung tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Als eine derartige Gegebenheit ist die existenz- und liquiditätsgefcihrdende Auszahlung an227 22s 229
Ulmer; in Pfeiffer-FS, 853, 869. § 5 III. 2. c) dd). Vgl. § 5 III. 2. c) cc) (2).
§ 5 Untreuestrafrechtliche Relevanz der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit 133
zusehen. Konsequenz des Abweichens von der Bilanzierung zu Fortführungswerten sind dann die Wertberichtigungen auf der Aktivseite und die Bildung von Rückstellungen auf der Passivseite, die sich nach der modifizierten Bilanzierungsmethode ergeben. Dies entspricht der hier bevorzugten Methode bei der Feststellung der Überschuldung und ist mit den strafrechtlichen Grundsätzen vereinbar. Insofern ist der Existenz- und Liquiditätsgefährdung der Gesellschaft infolge der Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der GmbH durch eine konsequente Bilanzierung im Ergebnis fast in demselben Maße zu begegnen wie nach der modifizierten Bilanzierungsmethode. Im Ergebnis wird der Existenz- und Liquiditätsgefährdung durch Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen dadurch entsprochen, dass durch konsequente Bilanzierung eine Unterbilanz früher entsteht und somit der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 GmbHG eher eröffnet wird. 2. Verletzung der Buchführungspflicht
Fraglich ist, ob darüber hinaus aus der Verletzung der Buchführungspflicht eine weitere Begrenzung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit folgt. Sehr weit ging der dritte Senat des BGH230, indem er eine Strafbarkeit des Geschäftsführers wegen Untreue trotz Zustimmung der Gesellschafter bejahte, wenn Vermögensverschiebungen unter Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 41 GmbHG vorgenommen wurden und die Gesellschafter mit ihrer Zustimmung gegen die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns verstießen. Diese Feststellung wurde nicht von einer Gefährdung der Liquidität oder einer Inanspruchnahme des Stammkapitals der GmbH abhängig gemacht. Die Literatur231 lehnt diese Rechtsprechung zu Recht ab. Gegen sie spricht, dass ein Verstoß gegen die Buchführungspflicht nicht gleichzeitig eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers darstellen kann232, weil diese beiden Pflichten unterschiedliche Schutzrichtungen besitzen. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung dient primär dem öffentlichen Interesse, während die Vermögensbetreuungspflicht ausschließlich dem Schutz der Vermögensinteressen der Gesellschaft zugute kommt. Daraus ist zutreffend der Schluss zu ziehen233 , dass die Verletzung der Buchführungspflicht für sich allein keine selbstständige Bedeutung bei der Bestimmung der Vermögensinteressen der Gesellschaft besitzt. Dies hat derselbe Senat des BGH234 inzwischen in der Sache erkannt, obwohl er BGHSt 34, 379, 389. Brammsen, DB 1989, 1609, 1613; Hellmann, wistra 1989, 214, 216; Lipps, NJW 1989, 502, 504; Meilicke, BB 1988, 1261. 232 Brammsen, DB 1989, 1609, 1613. 233 Flum, Schutz d. GmbH, S. 120. 234 BGHSt 35, 333, 336. 230 231
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sich nicht ausdrücklich in Widerspruch zu der früheren Entscheidung gesetzt hat, indem er § 266 StGB bei alleiniger Verletzung der Buchführungspflicht ablehnte. Die Verletzung der Buchführungspflichten ist also kein geeignetes Eingrenzungskriterium für die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter.
3. Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes Im Zusammenhang mit der Annahme der Verletzung der Buchführungspflicht als Grenze der Dispositionsbefugnis stellte der BGH in der bereits zuvor zitierten Entscheidung235 zudem darauf ab, dass eine Zustimmung der Gesellschafter dann unbeachtlich sei, wenn sie den Grundsätzen eines ordentlichen Geschäftsmannes zuwiderläuft. Dieser Behauptung ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Sorgfaltsmaßstab des ordentlichen Geschäftsmannes im GmbH-Recht gemäß § 43 GmbHG nicht für die Gesellschafter, sondern für den Geschäftsführer gilt236. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird zwar vereinzelt237 vertreten, dass auch die Gesellschafter der GmbH an den Grundsatz der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gebunden seien, weil sie die Geschicke der GmbH leiten und unternehmensbezogene Macht ausüben. Diese Organhaftungslehre wurde oben238 aber bereits abgelehnt, weil die Gesellschafter als oberstes Willensbildungsorgan der Gesellschaft nur an den Sorgfaltsmaßstab gebunden sind, den sie in eigenen Angelegenheiten einzuhalten pflegen239. Dies hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er den Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG grundsätzlich von der Haftung befreit hat, wenn er die Weisungen der Gesellschafter befolgt240• Ferner ergeben sich gegen die Zugrundelegung der Grundsätze des ordentlichen Geschäftsmannes zur Bestimmung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit Bedenken wegen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes, da es sich um eine "konturenlose Leerformel"241 handelt. Mithin ist dieser Maßstab ebenfalls nicht geeignet, die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit zu beschränken.
235 236 237 238 239 240 241
BGHSt 34, 379, 389. Flum, Schutz d. GmbH, S. 123. Wilhelm, Rechtsform, S. 356. § 5 III. 2. b) ee). Siehe auch Flum, Schutz d. GmbH, S. 123; Vonnemann, GmbHR 1988,329,332. Flum, Schutz d. GmbH, S. 123. Hellrrumn, wistra 1989, 214, 216.
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4. Sittenwidrigkeit der Gesellschafterbeschlüsse Zum Teil wird als Grenze für die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit die Sittenwidrigkeit von Gesellschafterbeschlüssen in Betracht gezogen242. Diese Sicht knüpft daran an, dass die Sittenwidrigkeit ein anerkannter Nichtigkeitsgrund für Gesellschafterbeschlüsse sei und der Geschäftsführer einem solchen nichtigen Gesellschafterbeschluss nicht zu folgen brauche. Diese Art der Grenzziehung unterliegt jedoch erheblichen Bedenken. Die Strafbarkeit des Geschäftsführers scheidet zwar bei einem verbindlichen Gesellschafterbeschluss aus. Daraus lässt sich jedoch nicht einfach der Umkehrschluss ziehen243 , dass generell bei einem unverbindlichen oder fehlenden Gesellschafterbeschluss eine Strafbarkeit des Geschäftsführers anzunehmen sei. Die Anerkennung solcher Nichtigkeitsgründe birgt die Gefahr, Umstände für § 266 StGB zu berücksichtigen, die mit dem Schutz des Vermögens nichts zu tun haben. Es ist daher nicht allgemein auf die Sittenwidrigkeit abzustellen, sondern darauf, ob die Folge der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen den Schutz des Gesellschaftsvermögens bezweckt oder nicht244. Wird der Schutz des Gesellschaftsvermögens berücksichtigt, dann ist letztlich wieder § 30 Abs. 1 GmbHG der ausschlaggebende Maßstab für die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit245 . Mithin ist die Sittenwidrigkeit des Gesellschafterbeschlusses kein geeignetes Beschränkungskriterium.
5. § 32 a GmbHG Vereinzelt246 wird in Anlehnung an § 32 a GmbHG behauptet, dasjenige Kapital sei für die Gesellschafter unantastbar, welches ein ordentlicher Kaufmann in der jeweiligen tatsächlichen Situation der GmbH zur Verfügung gestellt bzw. ihr belassen hätte. Diese Auffassung knüpft an eine erweiterte Auslegung des § 32 a GmbHG an, nach der diese Regelung nicht nur eine Rückzahlungssperre für eigenkapitalersetzende Darlehen enthält, sondern über den Wortlaut hinaus die Pflicht der Gesellschafter, die GmbH mit einem angemessenen Stammkapital auszustatten. Die Vermögensbindung wird dann aber über den vom GmbH-Gesetz vorgegebenen Rahmen hinaus ausgedehnt. Letztlich würde eine solche Beschränkung der Dispositionsbefugnis vorwiegend einem effektiven Gläubigerschutz dienen247 . 242
243 244 245 246 247
Fleck, EWiR § 29 GmbHG 2/87, 987, 988. Flum, Schutz d. GmbH, S. 129. Flum, Schutz d. GmbH, S. 124; ähnlich Fleck, ZGR 1990, 31 , 45 [Fn. 58]. Vonnemann, GmbHR 1988, 329, 331 [Fn 19]. Richter, GmbHR 1984, 137, 145. Kaufmann, Organuntreue, S. 104 ff.
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Dem Gläubigerschutz dient § 266 StGB jedoch gerade nicht. Des Weiteren steht eine derartige Beschränkung im Widerspruch zum geltenden GmbH-Recht, denn dieses verlangt nur eine Stammkapitalautbringung von mindestens 25.000,- Euro, nicht dagegen eine angemessene Kapitalausstattung durch die Gesellschafter. Die Forderung nach einer angemessenen Kapitalausstattung würde im Übrigen die Privatautonomie verletzen. Daher ist diesem Vorschlag nicht zu folgen. 6. Unterkapitalisierung
Weiterhin wird angenommen, dass sich gegebenenfalls im Zusammenhang mit einer Unterkapitalisierung der GmbH, die eine Durchgriffshaftung248 auf die Gesellschafter auslösen kann, im Umkehrschluss ergebe, dass die Gesellschafter nur oberhalb der Grenze eines dem Geschäftsgegenstand und dem Unternehmenszweck entsprechenden Kapitals disponieren dürfen249 . Diese Auffassung weist dieselben Schwächen auf, wie der vorangegangene Vorschlag. Er ist mithin abzulehnen. 7. Ergebnis
Die Betrachtung hat ergeben, dass neben § 30 Abs. 1 GmbHG keine weiteren Grenzen der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit existieren. Folglich kann die Gesellschaftergesamtheit bis zur Grenze des Stammkapitals über das Gesellschaftsvermögen der GmbH verfügen.
§ 6 Gesellschafter als Täter der Untreue I. Maßgeblichkeil der Vermögensbetreuungspflicht für die Strafbarkeit der Gesellschafter Wegen des Sonderdeliktscharakters des§ 266 StGB250 kann nur derjenige Täter sein, der die dort vorausgesetzte Vermögensbetreuungspflicht inne hat. Anders als die frühere Regelung der "GmbH-rechtlichen" Untreue in§ 81 a GmbHG a.F., die als taugliche Täter den Geschäftsführer, Liquidator, Mitglieder eines Aufsichtsrats oder eines ähnlichen Organs der Gesellschaft ausdrücklich nannte, fehlt bei § 266 StGB eine solche Konkretisierung des Täterkreises. Die Gesellschafter müssten, 248 Diese Sichtweise ist schon deshalb Zweifeln ausgesetzt, weil der BGH (Z 68, 312, 319) in den Fällen der Unterkapitalisierung eine Durchgriffshaftung ablehnt. 249 Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 402 ff. 250 BGHSt 13,330, 332; Samson/Günther; in SK, § 266 StGB Rdnr. 51; Tröndle /Fischer; § 266 StGB Rdnr. 15.
§ 6 Gesellschafter als Täter der Untreue
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um als Täter in Betracht zu kommen, die in § 266 StGB vorausgesetzte Vermögensbetreuungspflicht besitzen. Auf die Täterschaft der Gesellschafter kommt es besonders dann an, wenn eine Teilnahme wegen des Fehlens einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat des Geschäftsführers ausscheidet. Letzteres ist dann gegeben, wenn der Geschäftsführer einem vorsatzausschließendem Irrtum unterliegt, z. B. weil ihn die Gesellschafter derart über die Vermögenslage täuschen, dass er die Beeinträchtigung des Stammkapitals nicht erkennt und deshalb von der Wirksamkeit des Einverständnisses ausgeht. Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat scheidet auch dann aus, wenn sich der Geschäftsführer auf eine rechtfertigende Zwangslage berufen kann. Diese wird in den Fällen zu bejahen sein, in denen die Gesellschafter dem Geschäftsführer bei Nichtausführung der Weisung mit Kündigung drohen und daher § 34 StGB eingreift, denn die Bestellung des Geschäftsführers ist gemäß § 38 Abs. l GmbHG jederzeit widerruflich 251 • Die Gesellschafter wären in diesen Konstellationen also ohne Nachweis des Innehabens einer Vermögensbetreuungspflicht straflos. Bedeutung hat die Feststellung der Vermögensbetreuungspflicht und damit der Täterschaft der Gesellschafter zudem für die Strafzumessung. Die Strafe würde nämlich im Falle der Teilnahmestrafbarkeit erheblich geringer ausfallen als bei Annahme einer Täterschaft der Gesellschafter. Wäre eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter zu verneinen, würden diese nämlich im Falle der Anstiftung oder Beihilfe von der obligatorischen Strafmilderung des § 28 Abs. l StGB profitieren. Die Vermögensbetreuungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB 252, der nach h.M. 253 auch im Rahmen des § 266 StGB Anwendung findet. Wegen der Anwendbarkeit des § 28 StGB tritt im Falle der Beihilfe sogar eine doppelte Strafmilderung gemäߧ§ 27 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1 StGB ein254. Somit hat die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht und damit der Täterschaft der Gesellschafter sowohl für deren Bestrafung überhaupt als auch für die Strafmessung erhebliche Relevanz.
Vgl. dazu Tiedemann, in Scholz, vor§§ 82 GmbHG Rdnr. 23. Schünemann, Jura 1980, 568, 576. 253 BGH, wistra 1985, 190, 191; BGH, wistra 1997, 100; Roxin, in LK 11 , § 28 StGB Rdnr. 60; Tröndle I Fischer; § 266 StGB Rdnr. 15. 254 BGH, wistra 1985, 190, 191; Lackner; in Lackner/Kühl, §50 StGB Rdnr. 5; Tröndle/ Fischer, § 50 StGB Rdnr. 3. Als Ausnahme gilt der Fall, in dem die Einstufung des Handelnden als Gehilfen nur auf seiner Täteruntauglichkeit wegen mangelnder Vermögensbetreuungspflicht beruht (vgl. dazu BGHSt 26, 53, 54). Anders Roxin, in LK 10, § 28 StGB Rdnr. 60, der diese Ausnahme nicht gelten lassen will und eine doppelte Strafmilderung in diesem Fall ebenfalls befürwortet. 251
252
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Teil 2: Untreueschutz der eingetragenen GmbH
II. Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung Der Gesellschafter einer GmbH muss sich nicht notwendig auf seine Stellung als Anteilseigner beschränken, sondern kann selbst bestellter Geschäftsführer sein. Zudem lenkt der Gesellschafter in nicht seltenen Fällen faktisch die Geschäftsführung der Gesellschaft, ohne zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Deshalb ist bei der Untersuchung der Vermögensbetreuungspflicht vorab zwischen Gesellschaftern mit und ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung zu trennen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Pflichtenstellung als Geschäftsführer mit der als Gesellschafter vermengt wird, obwohl die Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers nach dem Kompetenzgefüge der GmbH aus anderen Quellen als die möglicherweise bestehende Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter stamme55 • Zunächst ist deshalb zu untersuchen, ob den Gesellschafter ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung eine Vermögensbetreuungspflicht für das Gesellschaftsvermögen der GmbH trifft. Als Grundlage für eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter kommen nur das Gesetz und ein tatsächliches Treueverhältnis in Betracht. 1. Verhaltenspflichten aus dem GmbH-Gesetz
Die Pflichten des Gesellschafters aus dem GmbH-Gesetz begründen keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StOB. Die wenigen Verhaltenspflichten der Gesellschafter betreffen überwiegend das Gründungsstadium und den Fall der Kapitalerhöhung. So regeln z. B. §§ 7 Abs. 2, 19 GmbHG die Pflichten zur Einzahlung der Stammeinlagen, § 7 Abs. 3 GmbHG die Erbringung der Sacheinlage. Diese Vorschriften haben ausschließlich die Verpflichtung zur Leistung an die Gesellschaft zum Gegenstand, sie sind deshalb nicht auf die Wahrnehmung von Vermögensinteressen der GmbH gerichtet256. 2. § 30 Abs. 1 GmbHG Als gesetzliche Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht könnte aber das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG in Betracht gezogen werden. Wie schon dargestellt257 , begrenzt die Vorschrift die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen der GmbH. Fraglich ist aber, ob diese Re255 256 257
Radtke, GmbHR 1998, 361, 367. Flum, Schutz d. GmbH, S. 229. Unter § 5 III.
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gelung darüber hinaus eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter begründet. Eine in der Literatur258 vertretene Auffassung lehnt dies sowohl aus zivil- als auch aus strafrechtlichen Gründen ab. Aus zivilrechtlicher Sicht scheide eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter aus, da sie nicht Adressaten, sondern nur Zahlungsempfänger im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG sind. Daher könne § 30 Abs. 1 GmbHG schon deshalb keine Grundlage für eine Vermögensbetreuungspflicht sein. Zudem lasse sich die Annahme einer strafrechtlichen Pflicht der Gesellschafter zur Betreuung des Vermögens der GmbH nicht begründen. Die Gesellschafter seien als Anteilseigner die Herren der Gesellschaft und bestimmten daher nicht nur die Richtlinien der Unternehmenspolitik, sondern entschieden auch im Einzelfall mit bindender Wirkung für den Geschäftsführer. Demzufolge lenkten die Gesellschafter die Unternehmenspolitik aus eigenem, auf Gewinnerzielung gerichtetem Interesse. Der Kapitalerhaltungsgrundsatz beschränke lediglich die Freiheit der Gesellschafter zur Bestimmung der Unternehmenspolitik auf das im Gläubigerinteresse erforderliche Maß. Diese Beschränkung der Befugnisse könne nicht mit der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen gleichgesetzt werden. Deshalb sei nach allen zur Bestimmung des Inhalts der Vermögensbetreuungspflicht vertretenen Auffassungen eine Vermögensbetreuungspflicht abzulehnen. Nach h. M. 259 ist erforderlich, dass die Vermögensbetreuungspflicht den wesentlichen oder typischen Inhalt des Treueverhältnisses bildet. Die Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals sei jedoch keine Hauptpflicht Auch unter Zugrundelegen der Auffassung260, die ein fremdnützig typisiertes Schuldverhältnis fordert, sei eine auf Erhaltung des Stammkapitals bezogene Vermögensbetreuungspflicht zu verneinen, weil aus der Beschränkung der Eigennützigkeit keine Fremdnützigkeit folge. Die strafrechtliche Argumentation überzeugt zwar nicht, aus den genannten zivilrechtlichen Gründen scheidet § 30 Abs. 1 GmbHG aber dennoch als Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter aus. Die Herleitung einer Vermögensbetreuungspflicht aus § 30 Abs. 1 GmbHG scheitert unter strafrechtlichen Gesichtspunkten nämlich nicht an der mangelnden Fremdnützigkeit, denn diese Sicht ignoriert die Selbstständigkeit der GmbH als juristischer Person261 . § 30 Abs. 1 GmbHG ist wesentlicher Bestandteil der Verselbstständigung der juristischen Person. Es wurde bereits dargelegt262, dass auch im Strafrecht die eine GmbH prägenden Grundsätze der Vermögenstrennung und Kapitalerhaltung beachtet werden müssen. Die Annahme der Fremdnützigkeit Flum, Schutz d. GmbH, S. 230 f. Kühl, in Lackner/Kühl, § 266 StGB Rdnr. 9; Mitsch, StrafR-BT 211, § 8 Rdnr. 41; Tröndle I Fischer. § 266 StGB Rdnr. 8. 260 Hübner. in LK 10, § 266 StGB Rdnr. 27; Lenckner/Perron, in Schönke/ Schröder, § 266 StGB Rdnr. 23 a. 261 In diese Richtung auch Radtke, GrnbHR 1998, 361, 367. 262 § 4 II., § 5 III. 2. b) ee). 258
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stellt daher nur die Konsequenz aus der Bejahung eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG dar. Des Weiteren wäre auch die Vermögensbetreuungspflicht ein wesentlicher Inhalt des Treueverhältnisses, weil der Stammkapitalerhaltungsgrundsatz wegen seines essentiellen Charakters die Existenz der GmbH als juristischer Person zumindest mitstatuiert und die Gesellschafter an dieser juristischen Person beteiligt sind263 . Entscheidend gegen die Herleitung einer Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter unmittelbar aus § 30 Abs. 1 GmbHG sprechen jedoch zivilrechtliche Erwägungen. Zwar kommen nach Auffassung des BGH in Zivilsachen264 auch die Gesellschafter als Adressaten des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 GmbHG in Betracht. Diese Rechtsprechung ist aber in der Literatur265 zu Recht auf Kritik gestoßen. Zutreffend ist die Adressateneigenschaft der Gesellschafter im Hinblick auf § 30 Abs. 1 GmbHG abgelehnt worden, weil diese nur als Zahlungsempfänger anzusehen sind. Das Verbot der Auszahlung richtet sich nämlich nach seinem Wortlaut nur an die GmbH selbst und damit an den für sie handelnden Geschäftsführer66. Gegen eine Erfassung der Gesellschafter als Adressaten des Auszahlungsverbots streitet zudem § 31 Abs. 6 GmbHG. Danach hat der in Anspruch genommene Mitgesellschafter einen Anspruch gegen den Geschäftsführer, der die Zahlung unter Verstoß gegen die Geschäftsführerpflichten geleistet hat. Daraus wird ersichtlich, dass das Auszahlungsverbot an das Tätigwerden des Geschäftsführers anknüpft. Demzufolge kann § 30 Abs. I GmbHG als unmittelbare Grundlage für eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter nicht herangezogen werden. Aus der fehlenden Benennung als Normadressaten durch § 30 Abs. 1 GmbHG folgt allerdings nicht ohne weiteres, dass eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Erhaltung des Stammkapitals insgesamt abzulehnen wäre267. Die Beschreibung des Adressatenkreises in § 30 Abs. 1 GmbHG ist vielmehr einzig und allein die Konsequenz aus der Aufteilung der GmbH-gesetzlichen Kompetenzen zwischen den Organen Gesellschaftergesamtheit und Geschäftsführer. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafter aus anderen Gründen zur Erhaltung des Stammkapitals verpflichtet sind. 3. Die Treuepflicht gemäß § 242 BGB
Eine Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter könnte sich aus der Treuepflicht der Gesellschafter, die schon im Rahmen der Diskussion um das Bestands263 264
265 266
267
Vgl. unter § 5 III. BGH, WM 1985, 194 f. Ulmer; ZGR 1985, 598, 602. Zutreffend Ulmer; ZGR 1985, 598, 601. So zu Recht Radtke, GmbHR 1998, 361, 367.
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interesseder GmbH angesprochen wurde268, ergeben, als deren gesetzliche Grundlage § 242 BGB in Betracht käme. Jedoch wird zum Teil eine solche Treuepflicht als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter schon aus zivilrechtliehen Gründen verneint269, denn die Treuepflicht bestehe bei der mehrgliedrigen GmbH nur für die Mehrheitsgesellschafter gegenüber den Minderheitsgesellschaftern zu deren Schutz. Demzufolge müsse bei der mehrgliedrigen GmbH eine Treuepflicht der Gesellschaftergesamtheit abgelehnt werden, weil die Gesellschafter, begrenzt durch die Pflicht zum Erhalt des Stammkapitals, grundsätzlich über den Gesellschaftszweck verfügen könnten. Dariiber hinaus bestehe nach der Rechtsprechung270 auch keine Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber der GmbH im Falle der Einmanngesellschaft. Für die Fälle der einverständlichen Schädigung erlange die Treuepflicht der Gesellschafter daher keine Relevanz. Mangels gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht scheide eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB aus. Die Argumentation dieser Auffassung ist jedoch nicht schlüssig, da sie mit der von ihr anerkannten Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Vermögen der GmbH, dem Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbHG, in Konflikt gerät271 . Wer auf der einen Seite wegen der angenommenen rein gläubigerschützenden Funktion der Kapitalerhaltungsvorschrift eine Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der GmbH ablehnt, kann auf der anderen Seite diesen angenommenen gläubigerschützenden Charakter des § 30 Abs. 1 GmbHG bei der Betrachtung der Grenzen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter nicht völlig außer acht lassen272. Die Konsequenz der Annahme der rein gläubigerschützenden Funktion des § 30 Abs. 1 GmbHG wäre nämlich, dass diese Vorschrift die Befugnisse der Gesellschaftergesamtheit im Rahmen des § 266 StGB gerade nicht beschränken könnte, da letztere Regelung nicht dem Gläubigerschutz dient. Zur Ablehnung der Treuepflicht der Gesellschafter wegen der angenommenen gläubigerschützenden Wirkung der Kapitalerhaltungsvorschrift würde es somit nur passen, eine unbeschränkte Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit über das Gesellschaftsvermögen der GmbH anzunehmen und damit einen Untreueschutz der GmbH generell abzulehnen. Soweit die Möglichkeit des Untreueschutzes der GmbH aufgrund der Beschränkung der Gesellschafterbefugnis im Hinblick auf das Stammkapital aber bejaht wird, ist dies nur über die Anerkennung eines Be-
268
§ 5 111. 2. b).
Flum, Schutz d. GmbH, S. 232. Zur Treuepflicht im Zusammenhang mit der unverbundenen Einmann-GmbH vgl. BGH, NJW 1993, 193; BGH, ZIP 1993,917. 271 Flum, Schutz d. GmbH, S. 171. 272 So aber Flum, Schutz d. GmbH, S. 136. 269 270
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Standsinteresses der GmbH273, wenn auch ausschließlich im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschriften, möglich. Als Konsequenz folgt deshalb aus der Anerkennung eines Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG eine entsprechende Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der mit einem eigenen Bestandsinteresse ausgestatteten GmbH. Dieser Treuepflicht ist die Fremdnützigkeit nicht abzusprechen, weil sonst wieder die Vermögenstrennung und die zu fordernde Respektierung der GmbH als eigenständiger juristischer Person in Abrede gestellt würde. Diese Treuepflicht ist nicht nur Nebenpflicht, sondern Hauptpflicht der Gesellschafter. Insofern erfüllt die Treuepflicht die Kriterien einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB. Zweifelhaft erscheint jedoch, ob als gesetzliche Grundlage dieser Treuepflicht § 242 BGB anzusehen ist.
4. Die Mitgliedschaft gemäß § 45 GmbHG Zu Recht lehnt ein Teil der zivilrechtliehen Literatur274 diese Herleitung der Treuepflicht der Gesellschafter der GmbH aus § 242 BGB ab, weil diese Konstruktion überflüssig und für die allgemeine Charakterisierung der Gesellschaftersteilung ohne spezifischen Aussagegehalt ist. Aus methodischer Sicht ist nämlich zu bedenken, dass Einzelentscheidungen der Rechtsprechung275 die Treuepflicht aus § 242 BGB als Gewohnheitsrecht nicht begründen, sondern nur konkretisieren können. Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter der GmbH ergäben sich allein aus der Mitgliedschaft in der juristischen Person. Als gesetzliche Grundlage der Treuepflicht der Gesellschafter kann deshalb nur deren Mitgliedschaft in der GmbH gemäß § 45 GmbHG anerkannt. Aus dieser folgt die Respektierung der Kapitalerhaltungsvorschrift des§ 30 Abs. 1 GmbHG. Aus der Treuepflicht gemäß § 45 GmbHG resultiert zugleich eine strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht, denn die Mitgliedschaft bringt zum einen den Aspekt der Fremdnützigkeit zum Ausdruck, da von den Gesellschaftern das verselbstständigte GmbH-Vermögen zu betreuen ist, und zum anderen ergibt sich aus der Mitgliedschaft die Wesentlichkeil der Pflicht zur Stamrnkapitalerhaltung, weil diese der Allzuständigkeit der Gesellschaftergesamtheit und den essentialia der GmbH als eigenständiger juristischer Person zugehörig ist.
Vgl. § 5 III. 2. b) ee). Flume, juristische Person, S. 258 ff.; ders. , ZIP 1996, 161, 164; wohl auch Altmeppen, in Roth/ Altmeppen, § 13 GmbHG Rdnr. 47 f. 275 Vgl. BGHZ 9, 157 ff.; 14, 25 ff.; 65, 15 ff. 273
274
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5. Tatsächliches Treueverhältnis als Grundlage einer Vermögensbetreuungspflicht Da sich für den Gesellschafter ohne Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben bereits eine gesetzliche Grundlage für eine Vermögensbetreuungspflicht gefunden hat, bedarfes-wie jedoch vereinzelt vorgeschlagen wird276 - der Herleitung aus einem tatsächlichen Treueverhältnis nicht, weil dieses nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine Auffangfunktion hat277 • Es gelangt im Treubruchtatbestand nur dann zur Anwendung, wenn kein anderer - in § 266 StGB genannter Entstehungsgrund eingreift. 6. Zwischenergebnis Der Gesellschafter ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung besitzt daher eine Vermögensbetreuungspflicht aus der Mitgliedschaft gemäß § 45 GmbHG.
111. Vermögensbetreuungspflicht bei Gesellschaftern mit Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung Der Gesellschafter, der zugleich bestellter Geschäftsführer ist, hat zusätzlich die Vermögensbetreuungspflicht nach Maßgabe der oben 278 dargestellten Grundsätze inne. Fraglich ist, ob das ebenfalls gilt, wenn ein Gesellschafter einer GmbH, ohne bestellter Geschäftsführer zu sein, die Geschäftsführung der Gesellschaft aktiv übernimmt. Möglicherweise resultiert dann aus der faktischen Einwirkung auf die Geschäftsführung eine Vermögensbetreuungspflicht. 1. Unterscheidung von Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung Mit der aktiven Einflussnahme maßt sich der Gesellschafter eine Position an, die ihm nach dem Kompetenzgefüge der GmbH nicht zukommt, denn die §§ 6, 35, 37 GmbHG gelten nur für den bestellten Geschäftsführer. Führt der Gesellschafter gleichwohl faktisch die Geschäfte der GmbH, so ist nicht auf die aus seiner Gesellschafterstellung folgende Vermögensbetreuungspflicht zurückzugreifen, da ansonsten die unterschiedlichen Pflichtenstellungen als Gesellschafter und Geschäftsführer vermengt würden. Überhaupt scheiden bei angemaßter Geschäftsführung gesetzliche Grundlagen für eine Vermögensbetreuungspflicht aus. Der faktische Geschäftsführer könnte allenfalls aus einem tatsächlichen Treueverhältnis zur 276 277
278
Flum, Schutz d. GmbH, S. 234 ff. Schünemann, in LK11 , § 266 StOB Rdnr. 62. Unter § 3 III.
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Betreuung des Vermögens der GmbH verpflichtet sein. Ein solches ist - wegen der zuvor schon beschriebenen Auffangfunktion - in den Fällen anzunehmen, in denen nicht bereits ein anderer Entstehungsgrund für eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB eingreift. Für die Annahme eines Treuverhältnisses tatsächlicher Art sind drei Fallgruppen entwickelt worden279. Demnach kommt ein Treueverhältnis in Betracht, wenn ein Rechtsverhältnis vermögensfürsorglicher Art erloschen ist, aber einverständlich fortgeführt wird sowie bei einem rechtsunwirksamen Rechtsverhältnis und schließlich bei unsittlichen, rechtswidrigen Rechts verhäl tnissen280. 2. Begriff des faktischen Organs a) Der Grundsatz
Der Gesellschafter, der sich die Geschäftsführung anmaßt, könnte der Kategorie des tatsächlichen Treueverhältnisses aus einem rechtsunwirksamen Rechtsverhältnis unterfallen. Dann müsste dieser Gesellschafter als faktisches Organ anzusehen sein, das die Position eines Geschäftsführers eingenommen hat. Über die rechtliche Behandlung des faktischen Organ bestehen unterschiedliche Ansichten. Im Strafrecht wird die Problematik vor allem bei der Insolvenzantragspflicht des Geschäftsfiihrers der GmbH gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG relevant. Die oben281 bereits angesprochene Problematik der faktischen Geschäftsführung ist nunmehr eingehender zu behandeln. Unproblematisch ist der Fall, dass ein förmlicher Bestellungsakt vorliegt, der jedoch zivilrechtlich unwirksam ist. Für die Organhaftung bestimmt § 14 Abs. 3 StGB, dass es auf die zivilrechtliche Unwirksamkeit nicht ankommt, wenn der Betreffende mit der Bestellung als Geschäftsführer einverstanden ist und sein Amt tatsächlich wahrgenommen hat282 . An der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des "faktischen" Geschäftsführers bestehen in dieser Konstellation keine Bedenken. Schwieriger sind die Fälle zu beurteilen, in denen es an einem Bestellungsakt fehlt, der Betroffene aber dennoch die Geschäfte der GmbH leitet. Der BGH283 hat die strafrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers bejaht, wenn der Täter die Geschäftstätigkeit aufgenommen hat. Diese Voraussetzung liege vor, wenn der faktische Geschäftsführer sowohl unternehmensintern als auch nach außen alle Dispositionen tätigt und auf sämtliche Geschäftsvorgänge maßgeblichen Einfluss nimm~. Die Vomahme einzelner- dem Geschäftsführer vorbehaltener 279
280 281 282 283 284
Vgl. dazu Schünerrumn, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 62- 64. Flum, Schutz d. GmbH, S. 228. § 211. 2. Löffeler, wistra 1989, 121, 123. BGHSt31 , 118,121. Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rdnr. 14.
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145
-Tätigkeiten seien dagegen allenfalls Beweisanzeichen, und nur eine Gesamtschau lasse den Schluss auf eine entsprechende Stellung als faktischer Geschäftsführer zu285 , so dass es entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht des Betroffenen ankomme286 . Nicht ausreichend sei jedoch, dass dem Betroffene umfangreiche Vollmachten eingeräumt wurden, weil darin nicht die erforderliche Übernahme der gesamten Leitung des Unternehmens zu sehen sei. Selbst wenn der Betroffene zweimal gegenüber anderen Unternehmen als Geschäftsführer genannt wurde, genüge dies nicht für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung. Belanglos sei die Bezeichnung der Tätigkeit des Betroffenen in einem eventuell abgeschlossenen Anstellungsvertrag287 . Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit eines faktischen Geschäftsführers wird jedoch nur angenommen, wenn er mit Einverständnis der Gesellschafter diese Position eingenommen hat und Einfluss auf das Unternehmen ausübt288. Eine einseitige Anmaßung genüge dagegen nicht289. Im Zivilrecht vertritt der Bundesgerichtshorz90 hingegen die Auffassung, dass bereits die Übernahme einzelner Maßnahmen der Geschäftsführung für die faktische Organhaftung genüge. Unklar ist, ob nach Auffassung der Zivilgerichte schon eine bestimmte Art der Einflussnahme auf den bestellten Geschäftsführer ausreicht291. Der BGH292 hat diese Frage offengelassen. Die unterschiedlichen Sichtweisen im Strafrecht und Zivilrecht belegen, dass es keinen einheitlichen Begriff des faktischen Organs gibt293 . Aufgrund dessen wird zutreffend betont294, dass "das faktische Organ kein Rechtsinstitut, sondern ein Normanwendungsproblem" ist. Daher gilt es für § 266 StGB herauszufinden, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit der Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmende Gesellschafter als Inhaber der Vermögensbetreuungspflicht angesehen werden kann. Die Übernahme der Voraussetzungen, die für § 84 Abs. I Nr. 2 GmbHG im Zusammenhang mit der faktischen Geschäftsführung gelten, ist dabei aber nicht ohne weiteres möglich.
BGHSt 31, 118, 121. BGHSt 31, 118, 121. 287 BGHSt 31, 118, 121. 288 Kohlmann, strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rdnr. 15. 289 Löffeler, wistra 1989, 121, 124. 290 BGHZ 65, 15; BGHZ 75, 106 f. 291 So wird teilweise BGHZ 65, 15 interpretiert; siehe z. B. K. Schmidt, JZ 1978, 661, 666; ders., in Scholz, § 64 GmbHG Rdnr. 35. 292 BGHZ 104, 44 ff. 293 Stein, faktisches Organ, S. 198. 294 Flum, Schutz d. GmbH, S. 238. 285
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b) Besonderheiten des § 266 StGB
Es müssen nämlich die Besonderheiten des § 266 StGB gegenüber der Behandlung des faktischen Organs bei § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG berücksichtigt werden. Der Klärung bedarf insbesondere, wann das faktische Organ sich eine Befugnis anmaßt, die für das geschützte Vermögen die von § 266 StGB geforderte Risikoerhöhung mit sich bringt. Teilweise295 wird von einer derartigen Risikoerhöhung ausgegangen, wenn der Gesellschafter starken Einfluss auf die Unternehmenspolitik nimmt und letztlich die Entscheidungen trifft. Gegen diese Sicht spricht aber, dass die Gesellschafter generell auf die Unternehmenspolitik durch die Stimmrechtsausübung Einfluss nehmen können, ohne dadurch zum faktischen Geschäftsführer zu werden. Bedenken ergeben sich ferner aus dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, weil das Maß der Einflussnahme kein hinreichend sicheres Kriterium für eine Abgrenzung darstellt296. Zutreffenderweise sind die Kriterien, die bei § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG die faktische Geschäftsführung aus strafrechtlicher Sicht begründen, zu berücksichtigen. Allerdings muss im Zusarnrnenhang mit§ 266 StGB wegen der erforderlichen Risikoerhöhung für das geschützte Vermögen durch Befugniseinräumung eine etwas andere Akzentuierung erfolgen. So ist auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Anmaßung der Geschäftsführung, das bei § 84 Abs. l Nr. 2 GmbHG eine maßgebliche Rolle spielt, zu verzichten, denn die Risikoerhöhung kann auch bei einer einmaligen Einflussnahme erfolgen. Zudem ist keine völlige Verdrängung des bestellten Geschäftsführers - anders als bei § 84 Abs. I Nr. 2 GmbHG297 - erforderlich, weil bereits die Umgehung des Geschäftsführers die Risikoerhöhung für das Vermögen der GmbH mit sich bringen kann. Des Weiteren ist ein Tätigwerden im Außenverhältnis nicht zu fordern, da dies den Aspekt der Risikoerhöhung für das geschützte Vermögen nicht berührt298. Die Annahme eines tatsächlichen Treueverhältnisses des GmbH-Gesellschafters, der Geschäftsführungsaufgaben wahrnimmt, ist deshalb an folgende Voraussetzungen zu knüpfen: Zum einen muss der Geschäftsführer als Kontrollinstanz zum Schutz der GmbH übergangen worden sein299. Dieser hat nämlich daftir Sorge zu tragen, dass nichtinede11Ul11T1, in Scholz, vor §§ 82 GmbHG Rdnr. 17 und 25. Ähnlich Flum, Schutz d. GmbH, S. 243. 297 Bei dem echten Unterlassungsdelikt des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG kann sich nämlich der faktische Geschäftsführertrotz seiner Einflussnahme in gewissem Umfang darauf verlassen, dass der bestellte Geschäftsführer seiner Pflicht zur Stellung des lnsol venzverwalters nachkommt. Deshalb genügt dort die Umgehung des bestellten Geschäftsführers nicht, sondern es ist dessen völlige Verdrängung zu fordern, vgl. Flum, Schutz d. GmbH, S. 243. 298 Flum, Schutz d. GmbH, S. 242. 299 Flum, Schutz d. GmbH, S. 242. 29S
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ge und anfechtbare, rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse nicht ausgeführt werden. Durch das Übergehen des Geschäftsführers als Kontrollinstanz droht der GmbH Schaden, und es tritt die von § 266 StGB vorausgesetzte Risikoerhöhung für das GmbH-Vermögen ein. Zum anderen ist wegen der vom Untreuetatbestand geforderten Schädigung aus dem eigenen Lager des Geschädigten ein Einverständnis der übrigen Gesellschafter zu fordern. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist ein tatsächliches Treueverhältnis des Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmenden Gesellschafters anzunehmen. 3. Zwischenergebnis Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich für den Gesellschafter ohne Geschäftsführungsaufgabenwahrnehmung eine Vermögensbetreuungspflicht aus seiner Treuepflicht ergibt, deren gesetzliche Grundlage das Mitgliedschaftsrecht in der GmbH gemäß § 45 GmbHG darstellt. Für den Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmenden Gesellschafter folgt eine Vermögensbetreuungspflicht aus einem tatsächlichen Treueverhältnis zur GmbH. Der Gesellschafter kann damit tauglicher Täter des Untreuetatbestandes gemäß
§ 266 StGB sein.
IV. Ergebnis des zweiten Teils Die Untersuchung der "GmbH-rechtlichen" Untreue bei der eingetragenen GmbH hat ergeben, dass die GmbH selbst Inhaber des Gesellschaftsvermögens ist, einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise also nicht gefolgt werden kann. Ferner ist das Gesellschaftsvermögen der GmbH durch die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG vor Einwirkungen der Gesellschafter und des Geschäftsführers geschützt. Dariiber hinausgehende Grenzen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter können nicht anerkannt werden. Taugliche Täter der "GmbH-rechtlichen" Untreue sind nicht nur die Geschäftsführer der GmbH, sondern auch die Gesellschafter, und zwar sowohl, wenn sie -faktisch - Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen, als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist. Mit der Befürwortung des Untreueschutzes der GmbH ist der Grundstein für die Untersuchung gelegt, ob die Begründung für die Untreuestrafbarkeit von Geschäftsführern und Gesellschaftern bei einverständlichen Manipulationen zum Nachteil der eingetragenen GmbH auf entsprechende Handlungen zum Nachteil der Vor-GmbH übertragen werden kann.
10*
Teil3
Anwendbarkeit des § 266 StGB auf einverständliche Schädigungen des Vor-GmbH-Vermögens Auf der Grundlage der im vorstehenden Teil gefundenen Ergebnisse kann nunmehr geklärt werden, ob einverständliche Verlagerungen von Vermögensbestandteilen der Vor-GmbH die Voraussetzungen des § 266 StGB erfüllen. Es ist insbesondere zu prüfen, ob die Vor-GmbH als Vermögensinhaber in Betracht kommt 1 und ob die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter auch bei der Vor-GmbH fungieren kann2 • Unterschiede zur Situation bei der eingetragenen GmbH ergeben sich daraus, dass bei der Untersuchung der Vermögensinhaberschaft nicht maßgeblich auf die Rechtspersönlichkeit abgestellt werden kann und bei der Bestimmung der Grenze, innerhalb derer die Gesellschafter im Rahmen des § 266 StGB zur Disposition über Vermögensbestandteile der Vor-GmbH befugt sind, nicht mehr die Tauglichkeit des § 30 Abs. l GmbHG, sondern dessen zulässige Anwendbarkeit auf die Vor-GmbH zu klären ist.
§ 7 Tätereigenschaft des Geschäftsführers und der Gesellschafter der Vor-GmbH Zum Teil ergeben sich keine Unterschiede gegenüber der Rechtslage bei der eingetragenen GmbH im Hinblick auf§ 266 StGB. Bei der Vor-GmbH ist ebenfalls der Treubruchtatbestand einschlägig. Die Tatbestandsmerkmale des Nachteils und der Pflichtwidrigkeit sind für die Strafbegründung maßgeblich. Die Zustimmung der Gesellschafter ist auch als tatbestandsausschließendes Einverständnis anzusehen und lässt die Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführerverhaltens entfallen. Näher zu untersuchen ist dagegen, ob - wie bei der eingetragenen GmbH - der Geschäftsführer und die Gesellschafter als Tater in Betracht kommen.
I 2
Unter§ 8. Unter§ 9.
§ 7 TateTeigenschaft des Geschäftsführers und der Gesellschafter der Vor-GmbH
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I. Geschäftsführer als Täter Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers sind bei der eingetragenen GmbH die §§ 6, 35, 37 GmbHG. Bei § 6 GmbHG handelt es sich um eine Gründungsvorschrift, so dass die Regelung auf die Vor-GmbH unmittelbar anwendbar ist. Die §§ 35, 37 GmbHG sind dagegen unter systematischen Gesichtspunkten auf den ersten Blick der Daseinsseite der Vor-GmbH zuzuordnen. Das scheint gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit im Gründungsstadium zu sprechen3 . Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass bereits bei der Entstehung der Gesellschaft - zumindest zum Anmeldungszeitpunkt, der auch dem Gründungsstadium im engeren Sinne zuzurechnen ist - ein Geschäftsführer vorhanden sein muss, der gemäß § 8 GmbHG die Anmeldung beim Handelsregister vorzunehmen hat, und die gleichen Rechte und Pflichten wie der Geschäftsführer bei der eingetragenen Gesellschaft besitzt. Daher ist von einer Identität der Pflichtenbindung auszugehen4 . Da die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes das Vorhandensein eines Geschäftsführers voraussetzen und dessen Pflichtenstellung bereits im Entstehungszeitraum der Gesellschaft vorhanden ist, können die §§ 35, 37 GmbHG trotz ihrer systematischen Stellung im Gesetz nicht ausschließlich der Daseinsseite der Vor-GmbH zugeordnet werden, sondern sie sind wegen ihres Bezuges zu den Gründungsvorschriften ohne weiteres unmittelbar auf die VorGmbH anwendbar. Zwischen der Rechtslage bei der eingetragenen GmbH und der Vor-GmbH bestehen somit im Hinblick auf die Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers keine Unterschiede. Sowohl bei der Vorgesellschaft als auch bei der eingetragenen GmbH folgt dessen Vermögensbetreuungspflicht unmittelbar aus §§ 6, 35, 37 GmbHG.
II. Gesellschafter als Täter Bei der Feststellung der Tätereigenschaft der Gesellschafter der Vor-GmbH ergeben sich dann keine Abweichungen zur Rechtslage bei der eingetragenen GmbH, wenn auf § 242 BGB als Grundlage der Vermögensbetreuungspflicht der Gesellschafter abgestellt würde5 , da diese Regelung auf alle Stadien der Gesellschaft unmittelbar anwendbar ist. Eine Divergenz zur Lage bei der eingetragenen GmbH könnte sich aus systematischen Gründen - ähnlich wie beim Geschäftsführer- bei der hier vertretenen Anwendung des § 45 GmbHG als Grundlage der VerIm einzelnen zur Rechtsanwendung bei der Vor-GmbH vgl. unter § 9 I. 2. a). Schäfer, GmbHR 1993, 717, 720. Insoweit liegt es bei der Vermögensbetreuungspflicht anders als bei der Insolvenzantragspflicht gemäß §§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG (vgl. zu ihr § 2. II.), weil sich die Insolvenzantragspflicht eindeutig nur auf die Daseinsseite der Vor-GmbH bezieht. 5 Vgl. dazu§ 6 II. 3. 3
4
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
mögensbetreuungspflicht6 ergeben. Indes muss berücksichtigt werden, dass bereits die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes, insbesondere die §§ 2, 3, 5, 9 a GmbHG, das Vorhandensein von Gesellschaftern voraussetzen, deren Stellung nicht von derjenigen bei der eingetragenen GmbH abweicht. § 45 GmbHG kann deshalb ebenfalls nicht ausschließlich der Daseinsseite der Vor-GmbH zugerechnet werden, sondern die Vorschrift ist - unabhängig von der systematischen Stellung auch als Gründungsvorschrift im weiteren Sinne anzusehen und unmittelbar anwendbar. Demnach unterscheidet sich die Rechtslage hinsichtlich der Tätereigenschaft der Gesellschafter der Vor-GmbH nicht von der Situation bei der eingetragenen GmbH.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob die Vor-GmbH ebenso wie die eingetragene GmbH als Vermögensträger anzusehen ist. Die Anerkennung der GmbH als Vermögenssubjekt beruht maßgeblich auf ihrer Rechtspersönlichkeit7 • Diese Begründung trägt indes, wie bereits angedeutet8, bei der Vor-GmbH nicht, denn sie ist gemäß § ll Abs. 1 GmbHG keine juristische Person und folglich nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Die Anerkennung der Vor-GmbH als Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Vermögenssubjekteigenschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit nicht zwingend voraussetzt.
I. Streitstand 1. Erfordernis der eigenen Rechtspersönlichkeit a) Rechtsprechung
Der BGH lehnt die Anwendung des § 266 StGB in Fällen einverständlicher Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen bei Personengesellschaften und der Vor-GmbH mit dem Argument ab, dass diese nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Bei untreuerelevanten Schädigungen im Zusammenhang mit Personengesellschafren sei § 266 StGB nur einschlägig , wenn dadurch das Vermögen der Gesellschafter nachteilig betroffen ist9 . Bei Zustimmung der Gesellschafter sei Untreue Vg1.§611.4. § 4. s Zu Beginn von Teil 3. 9 BGHSt 19, 174, 175; BGH, wistra 1984, 71; BGH, wistra 1984, 226; BGH, wistra 1992, 24, 25. 6
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§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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dagegen ausgeschlossen. Geschädigter i. S. d. § 266 StGB könne nur ein mit dem Täter nicht identischer Träger fremden Vermögens sein. Dies sei nur bei einer natürlichen oder juristischen Person gegeben. Die fehlende Rechtspersönlichkeit werde auch nicht durch die Anerkennung des Gesellschaftsvermögens als weitgehend eigenständige Vermögensmasse ersetzt 10. In einigen Entscheidungen hat der BGH 11 allerdings nicht auf die eigene Rechtspersönlichkeit abgestellt, sondern das Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB nur funktional bezeichnet. Zu diesen Entscheidungen muss aber angemerkt werden, dass sie keine einverständlichen Vermögensverlagerungen betrafen. Bei fehlender Zustimmung kann auf die Bezeichnung des Vermögenssubjekts verzichtet werden, da in jedem Fall die Gesellschafter der Personengesellschaft oder die Mitglieder von Vereinigungen als mögliche geschädigte Vermögensträger einzustufen sind 12• Hingegen ist in den Zustimmungsfällen die genaue Bezeichnung des Vermögensträgers notwendig, weil eine Untreuestrafbarkeit des Handelnden zu Lasten der Gesellschafter der Personengesellschaft oder der Mitglieder von Vereinigungen infolge der vorgenommenen Vermögensverlagerungen wegen deren Zustimmung ausscheidet, da das Einverständnis die Pflichtwidrigkeit entfallen lässt. Geschädigte Vermögenssubjekte können in diesen Konstellationen nur die Personengesellschaften oder Vereinigungen selbst sein, soweit sie eine hinreichende Eigenständigkeil gegenüber ihren Gesellschaftern oder Mitgliedern besitzen. Deshalb trifft der Vorwurf der Inkonsequenz 13 auf die Rechtsprechung im Hinblick auf die unterschiedliche Bestimmung des Vermögenssubjekts nicht zu. Somit bleibt festzuhalten, dass die Rechtsprechung für die Anerkennung als Vermögenssubjekt eine eigene Rechtspersönlichkeit fordert, die nur bei natürlichen und juristischen Personen gegeben sei.
b) Literatur
Diese Rechtsprechung wird in der Literatur 14 vielfach kommentarlos übernommen und ohne jegliche Begründung für zutreffend befunden. Nur vereinzelt 15 wird dieses Ergebnis mit dem Argument belegt, dass die Annahme einer Vermögenssubjekteigenschaft der Personengesellschaft in der Handels- und Zivilrechtsdogmatik BGH, wistra 1992,24,25. BGHSt 2, 324; 8, 254, 255. 12 BGHSt 8, 254, 255. 13 So aber Nelles, Untreue, S. 171. 14 Grub, insolvenzstrafrechtliche Verantwortlichkeit, S. 141 ; Kohlmann, in Hachenburg, Vor§ 82 GmbHG Rdnr. 207; Lenckner!Perron, in Schönke/Schröder, § 266 StGB Rdnr. 21; Schmid, in Müller-Gugenberger, § 31 Rdnr. 69. 15 Schulte, NJW 1984, 1671. IO
II
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
keine hinreichende Stütze finde. Einer - angeblich festzustellenden - "gefährlichen" Tendenz der Zuerkennung einer eigenständigen strafrechtlichen Vermögenssubjekteigenschaft müsse im Interesse der Einheit mit dem Gesellschaftsrecht entgegengetreten werden 16. Zwar finde bei der Bildung des Gesamtbandsvermögens eine gewisse Ablösung von der Rechtssphäre eines jeden Gesellschafters statt, aber dieser Ablösungsprozess reiche nur soweit, wie das Gesamtbandsprinzip Geltung erlangt. Weder das klassische Gesamthandsverständnis 17 noch dieneuere Gesamthandslehre18 befürworten eine vollständige Vermögenstrennung zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftsvermögen, die zu einer Anerkennung der Personengesellschaft als eigenständigem Vermögensträger führe 19. Nach klassischem Gesamtbandsverständnis seien die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Träger des Sondervermögens20. Nur die Gesellschafter könnten aufgrund ihrer Rechtspersönlichkeit Träger von Vermögen sein, wobei sie aber aufgrund des Gesamtbandsprinzips als Einzelpersonen Verfügungsbeschränkungen unterlägen. Aber auch nach neuerer Gesamtbandslehre müsse die Vermögenssubjekteigenschaft der Personengesellschaft verneint werden21 . Zwar sei die Personengesellschaft Zurechnungssubjekt, es unterscheide sich aber dadurch von der juristischen Person, dass sie nicht von ihren Mitgliedern verselbstständigt sei, sondern durch die Gruppe ihrer Gesellschafter gebildet werde. Daher besitze die Personengesellschaft nach der neueren Gesamtbandslehre ebenfalls keine eigene Rechtspersönlichkeit, und sie sei kein eigenständiges Vermögenssubjekt
Schulte, NJW 1984, 1671. Beuthien/Emst, ZHR 156 [1992], 227,231 ff.; Boin, GmbHR 2001,513, 515; Buchner; AcP 169 [1969], 483 ff.; Fikentscher; SehR, Rdnr. 964; Heil, NZG 2001, 300, 302 ff.; G. Hueck, GesR, § 3 II.; Huber; Vermögensanteil, S. 61 ff., 89 ff.; Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 44; Schulze-Osterloh, Gesamthandsprinzip, S. 8 ff., 34 ff.; Weber-Grellet, AcP 183 [1983], 316 ff.; Wiedemann, GesR, § 5 I. 1., 2.; ders., WM 1975, Sonderbeilage 4, S. 27 ff. ; Zöllner; in Gemhuber-FS, 563, 567; 577 f. 18 Fabricius, Relativität, S. 139 ff.; Flume, ZHR 136 [1972], 177, 193 ff.; ders., Personengesellschaft, S. 50 ff., S. 68 ff.; Grunewald, GesR, Rdnr. 95 ff.; Habersack, JuS 1990, 179, 182; Hennecke, Sondervermögen, S. 61 ff.; Lindacher; JuS 1981, 431, 433 ff.; K. Schmidt, GesR, § 8 III.; Schünemann, Grundprobleme, S. llO ff.; Teichmann, AcP 179 [1979], 475, 480; Ulmer; Gesellschaft,§ 705 BGB Rdnr. 130; ders., AcP 198 [1998], 113, 133 ff.; Wiedemann, in Kellermann-FS, 529 ff.; ders., WM 1994, Sonderbeilage 4, S. 4 ff. 19 Zu den Gesamthandslehren im einzelnen vgl. unter§ 8 III. 5. aa), bb). 20 Schulte, NJW 1984, 1671. 21 Schulte, NJW 1984, 1671, 1672. 16
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2. Forderung nach einer eigenen Haftungsmasse des Vermögensträgers a) Rechtsprechung
Zum Teil wird auf eine eigene Rechtspersönlichkeit als Voraussetzung für die Anerkennung der Vermögenssubjekteigenschaft im Sinne des § 266 StGB jedoch verzichtet. So ordnete das LG Bonn22 die KG als Vermögenssubjekt ein. Der zu entscheidende Fall betraf zwar eine GmbH & Co. KG, das Gericht stellte aber klar, dass das Gesellschaftsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft für jeden einzelnen Gesellschafter ein Fremdvermögen darstelle. Diese Folgerung ergebe sich aus der weitgehenden Annäherung der Gesamthand an die juristische Person, die in§§ 124, 129 Abs. 4, 161 Abs. 2 HGB zum Ausdruck komme. b) Literatur
Mit ähnlicher Begründung nimmt eine in der Literatur vertretene Auffassung23 die Vermögenssubjekteigenschaft von Personengesellschaften an. Nach §§ 124, 161 Abs. 2 HGB könne die Personenhandelsgesellschaft unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Darüber hinaus finde gemäß § 124 Abs. 2 HGB die Zwangsvollstreckung in das "Vermögen der Gesellschaft" statt. Infolgedessen sei jedenfalls eine gesonderte Haftungsmasse vorhanden, die zwar primär im Interesse der Gläubiger bestehe, aber auch Auswirkungen auf die Gesellschafter habe. Diese dürften die Haftungsmasse nicht frei schmälern24. Mit anderer Argumentation gelangt eine weitere Meinung25 ebenfalls zur Annahme der Vermögenssubjekteigenschaft von Personengesellschaften. Ohne zu den Streitigkeiten über die Gesamthand und die Personengesellschaft als Rechtsträger Stellung zu nehmen, stellt diese Ansicht fese 6 , dass nach der bestehenden Gesetzeslage ein Gesellschafter weder allein über Gegenstände des Gesamtbandsvermögens noch über seinen daran bestehenden Anteil am Gesamtbandsvermögen (§ 719 Abs. 1 BGB) verfügen könne. Das Gesamtbandsvermögen stelle deshalb für jeden Gesellschafter zumindest "auch fremdes" Vermögen dar. Dies führe zu der Frage, ob die Vermögensdelikte das "auch fremde" Vermögen schützen. Diese Frage sei LG Bonn, NJW 1981, 469. Schäfer; NJW 1983, 2850, 2851 ; vgl. auch Grunst, BB 2001, 1537, 1539, die zudem maßgeblich darauf abstellt, dass der BGH in Zivilsachen (NJW 2001, 1056 ff.) der GbR die Rechtsfähigkeit zuerkannt hat und deshalb die Vermögensträgerschaft der Personengesellschaft angenommen werden müsse. 24 Grunst, BB 2001, 1537, 1539 f.; Schäfer; NJW 1983, 2850, 2851. 25 Schultz. BB 1988, 572 ff. 26 Schultz, BB 1988, 572, 574. 22 23
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
zu bejahen, da die Eigentumsdelikte einen Schutz des Gesamtbandseigentums bewirken27 und dies konsequenterweise ebenfalls für die Vermögensdelikte bei "auch fremdem" Vermögen angenommen werden müsse. Grundsätzlich könne daher die Personengesellschaft als solche geschädigt werden, ohne dass es auf die Rechtspersönlichkeit als Merkmal zur Bestimmung des Vermögensträgers ankomme. Auf die Schädigung eines Gesellschafters müsse für die Annahme einer Untreue nicht abgestellt werden, da hierfür die Feststellung des Negativsaldos am Gesamthandsvermögen nach Entnahmen genüge. Zwar greife die Untreue bei Zustimmung aller Gesellschafter der Personengesellschaft zu den Vermögensverlagerungen nicht ein. Das beruhe aber darauf, dass wegen des Einverständnisses der Gesellschafter eine Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers ausscheide28.
3. Die Auffassung von Nelles zur Vermögenssubjekteigenschaft Einen anderen Ansatz zur Bestimmung der Vermögenssubjekteigenschaft im Sinne des § 266 StGB wählt Nelles 29. Sie sieht nur den Menschen unzweifelhaft als gesichertes Vermögenssubjekt an, wobei sie aus der Beziehung zwischen dem Vermögensobjekt und dem Menschen die Kriterien für die generelle Bestimmung des Vermögenssubjekts gewirmt. Diese Beziehung sei durch die Zuordnung charakterisiert, deren bestimmender Faktor die Macht sei. Nur demjenigen lasse sich ein Vermögensobjekt zuordnen, dessen (Zugriffs-) Macht es unterliege. Diese Macht sei beim Menschen dann gegeben, wenn er ein Vermögensobjekt zur Erreichung der selbst definierten Ziele einsetzen könne. Daher sei die Macht im Hinblick auf die Zuordnungssituation auch als Zieldefinitionsmacht (Dispositionsmacht) zu umschreiben. Diese Dispositionsmacht gelte aber nicht unbeschränkt. Als einschränkende Bedingung trete das Verhältnis zu einem "anderen" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG hervor. Folglich müsse die Ausübung der Dispositionsmacht im Verhältnis zu einem anderen ein "Recht" darstellen. Daher könne auch die Dispositionsbefugnis grundsätzlich als ein Zuordnungskriterium angesehen werden. Wegen der Einschränkung des Kriteriums der Macht könne die jemanden rechtlich zustehende Zieldefinitionsmacht (Dispositionsbefugnis zusammengesetzt aus den Elementen der Macht und des Rechts) nur die autonome Zwecksetzungsbefugnis sein. Daher seien Vermögensobjekte denjenigen natürlichen Personen zuzuordnen, "die die Macht und das Recht haben, die Zwecke des Vermögenseinsatzes autonom und verbindlich zu definieren" (Zwecksetzungsbefugnis) 30 .
27
2s 29 30
Vgl. Hoyer, in SK, § 242 StGB Rdnr. 11. Schultz, BB 1988, 572, 575. Nelles, Untreue, S. 156 ff., 472 ff. Nelles, Untreue, S. 461.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
155
Die Zwecksetzungsbefugnis als entscheidendes Merkmal für die Vermögensfähigkeit von natürlichen Personen sei der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Entwicklung der Kriterien, nach denen sich ein Vermögensinhaber bestimme31 • Die Zwecksetzungsbefugnis sei für sich genommen jedoch für die Bestimmung der Vermögenssubjekteigenschaft von Personenmehrheiten nicht genügend operabel. Deshalb seien weitere Kriterien erforderlich, nämlich die Handlungsfähigkeit, die Haftungsfähigkeit und die lndividualisierbarkeit. Die rechtliche Handlungsfähigkeit liege vor, wenn Vermögenssubjekten menschliches Handeln sowohl gegenüber Dritten als auch hinsichtlich der eigenen Willensbildung zivilrechtlich als eigenes Handeln zugerechnet werden könne32• Haftungsfähigkeit sei gegeben, wenn die dem Vermögenssubjekt zugeordneten Vermögenspositionen wegen der gegen das Subjekt gerichteten Forderungen der Zwangsvollstreckung unterliegen 33 • Weiterhin müssten sich Vermögenssubjekte als Personenvereinigungen von den für sie handelnden Personen abheben, also individualisierbar sein. Somit sei die Vermögenssubjekteigenschaft danach zu bestimmen, ob das Subjekt rechtlich handlungsfähig ist, haftungsfähig sowie individualisierbar ise4 • Ferner müsse das Vermögenssubjekt selbst über den Zweck des Einsatzes seines Vermögens bestimmen oder eine Definition des Vermögenseinsatzes durch Gesetz erfolgen. Liegen diese Voraussetzungen vor, sei ein Schützenswertes Vermögenssubjekt und damit - wegen Gleichsetzung von Vermögensträgerschaft und dem Innehaben von Vermögensinteressen - gleichzeitig auch ein Vermögensinhaber im Sinne des § 266 StGB gegeben. Die Anwendung dieser Sicht auf unsere Konstellation ergibt, dass die VorGmbH zwar die rechtliche Handlungsfähigkeit besitzt, haftungsfähig und individualisierbar ist. Die Zwecke des Vermögenseinsatzes werden aber durch die Griindungsgesellschafter bestimmt. Es fehle jedoch eine Zwecksetzung durch Gesetz und damit einer eigenständigen Zwecksetzung für die Vor-GmbH. Nelles erkennt eine solche durch § 30 Abs. I GmbHG nicht einmal für die eingetragene GmbH an. Das gelte dann erst recht für die Vor-GmbH. Die Vermögenssubjekteigenschaft der Vor-GmbH ist somit nach dem Konzept von Nelles abzulehnen.
II. Charakterisierung des Vermögenssubjekts nach dem Wortlaut des § 266 StGB Bevor zu dem Problem über die Vermögenssubjekteigenschaft der Vor-GmbH Stellung bezogen werden kann, ist zu untersuchen, welche Kriterien § 266 StGB zu deren Beschreibung verwendet. Die Formulierungen "fremde Vermögensinte31 32 33
34
Nelles, Untreue, S. 488. Nelles, Untreue, S. 479. Nelles, Untreue, S. 479. Nelles, Untreue, S. 478 f.
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ressen" und "dem, dessen Vermögensinteressen" für die Charak:terisierung desjenigen, bei dem der Vermögensnachteil eingetreten sein muss, geben die Anforderungen vor, die an ein schädigungsfähiges Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB zu stellen sind. 1. "Fremde Vermögensinteressen" § 266 StGB kann auf einverständliche Vermögensverlagerungen bei der VorGmbH nur angewendet werden, wenn ein vom Tätervermögen zu unterscheidendes Fremdvermögen vorliegt35 • Das folgt unzweifelhaft aus der Verwendung des Begriffs "fremde Vermögensinteressen". Der Tatbestand fordert zudem die Befugnis, "über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten". Damit muss sich das vorhandene Gesellschaftsvermögen für Geschäftsführer und Gründungsgesellschafter als fremdes Vermögen darstellen.
Darüber hinaus erfolgt die Charak:terisierung des Vermögenssubjekts durch die Beschreibung des Taterfolges. Der Vermögensnachteil muss bei "dem, dessen Vermögensinteressen" der Täter wahrnimmt eingetreten sein. § 266 StGB bezieht die Vermögensträgerschaft und das Innehaben von Vermögensinteressen auf dasselbe Subjeke6 . Mit dem Personalpronomen "dem" stellt der Gesetzgeber fest, dass es sich bei dem Geschädigten um ein Subjekt handeln muss, das fähig ist, Vermögen haben zu können. Der attributive Relativsatz, der mit dem Possessivpronomen "dessen" eingeleitet wird, stellt für die Anerkennung der Vermögensubjekteigenschaft die Forderung auf, dass die Fähigkeiten zur Vermögensträgerschaft und zum Innehaben von Vermögensinteressen vorhanden sein müssen37 . Abzulehnen ist damit eine in der Literatur vertretene Auffassung38, welche die Fähigkeit zum Innehaben von Vermögensinteressen nicht als maßgeblich für die Vermögenssubjekteigenschaft ansieht. Nach dieser Ansicht erfolge bei § 266 StGB keine Bindung der Vermögensinteressen an das Vermögenssubjekt An einem Vermögen könnten unterschiedliche, selbst gegensätzliche Interessen bestehen. § 266 StGB lässt schon nach seinem Wortlaut jedoch die Loslösung der Vermögensinteressen von der Vermögenssubjektseigenschaft nicht zu. 2. Trennung von Vermögensträger- und Vermögenssubjekteigenschaft
Die Feststellung, dass die Vermögenssubjekteigenschaft grundsätzlich sowohl die Fähigkeit zur Vermögensträgerschaft als auch die zum Innehaben von Vermö35 36 37 38
Nelles, Untreue, S. 279. Nelles, Untreue, S. 280. Nelles, Untreue, S. 280; vgl. auch Kargt, ZStW 113 [2001], 565, 579. Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 69.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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gensinteressen erfordert, darf aber nicht zu dem Schluss verleiten, nur derjenige, der zur Bestimmung von Vermögensinteressen in der Lage sei, könne Vermögensträger sein39. Damit würde nämlich die Fähigkeit zur Vermögensträgerschaft von vornherein ausschließlich auf natürliche Personen begrenzt, weil sie allein einen natürlichen Willen bilden und damit Interessen verfolgen können. Um dies zu vermeiden, ist eine Unterscheidung zwischen Vermögensträgerschaft ("dem") und dem Innehaben von Vermögensinteressen ("dessen Vermögensinteressen") erforderlich. Deshalb ist in einem ersten Prüfungsschritt festzustellen, ob der, dem offenbar ein Nachteil zugefügt wurde, auch tatsächlich eigenständiger Vermögensträger ist. Anschließend gilt es dann zu prüfen, ob dieser Vermögensträger auch im Stande ist, Vermögensinteressen inne zu haben, die verletzt werden können. Somit liegt ein Schützenswertes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB nur dann vor, wenn es sowohl Vermögensträger ist als auch über eigenständige Vermögensinteresse verfügt. Rein begrifflich kann nämlich nur derjenige Vermögensinteressen besitzen, der Vermögen hat oder fähig ist, welches zu haben. Die Vermögensträgerschaft ist also Voraussetzung für das Innehaben von Vermögensinteressen. Ehe Vermögensinteressen beurteilt werden können, muss somit zunächst die Vermögensinhaberschaft eines bestimmten Gebildes feststehen. Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet dies, dass sich das schädigungsfähige, verselbstständigte Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB durch die Fähigkeiten zur Vermögensträgerschaft und zum Innehaben von Vermögensinteressen auszeichnet. Zur Beurteilung der Vermögenssubjekteigenschaft der Vor-GmbH im Sinne des
§ 266 StGB ist folglich zunächst der Nachweis ihrer Vermögensträgerschaft zu
führen, und anschließend zu klären, ob die Vor-GmbH über eigenständige Vermögensinteressen verfügt.
111. Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH 1. Untauglichkeit der Zwecksetzungsbefugnis zur Bestimmung des Vermögensträgers Die Bestimmung des Vermögensträgers kann nicht nach dem Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis erfolgen. Dieses von Nelles bevorzugte Kriterium führt dazu, dass bei Personenmehrheiten die dahinterstehenden natürlichen Personen, welche die Zwecke des Vermögenseinsatzes bestimmen, als Vermögensträger erscheinen. Dies resultiert daraus, dass - anders als nach dem hier vertretenen Ansatz - von der Fähigkeit zum Innehaben von Vermögensinteressen auf die Fähigkeit zur Vermögensträgerschaft geschlossen wird. Eine derartige Vorgehensweise ist aus den soeben dargelegten Gründen abzulehnen. Darüber hinaus führt die Bestim39
So im Ergebnis aber Nelles, Untreue, S. 471,488 ff.
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
mung des Vermögensträgers nach dem Charakteristikum der Zwecksetzungsbefugnis zu einem Widerspruch mit der Rechtswirklichkeit, indem sich diese Sicht über zivilrechtliche Wertungen hinweggesetzt. Die Untauglichkeit des Merkmals der Zwecksetzungsbefugnis belegen die folgenden drei Beispiele. a) Geschäftsunfähige oder betreute Menschen
Das Kriterium der Zwecksetzungsbefugnis stellt sich zunächst im Falle des geschäftsunfabigen oder betreuten Menschen als unbrauchbar dar, weil die geschäftsunfahigen oder betreuten Menschen nicht selbst über den Einsatz ihres Vermögens bestimmen (Fall defekter Autonomie). Das Gesetz spricht diesen Personen jeglichen rechtsgeschäftlich bedeutsamen Willen ab. Ihre rechtliche Handlungsfabigkeit wird durch die gesetzliche Vertretung (§§ 1626, 1629 BGB), die Vormundschaft(§§ 1773, 1793 BGB), die Pflegschaft(§§ 1909 ff. BGB) oder Betreuung (§§ 1896, 1902 BGB) sichergestellt. Würde die Zwecksetzungsbefugnis als maßgebliches Merkmal der Vermögensträgerschaft fungieren, wären nicht die geschäftsunfahigen oder betreuten Menschen Vermögensträger, sondern ihre Vertreter, Vormünder oder Betreuer. Dies verstößt eindeutig gegen zivilrechtliche Wertungen, denn§§ 1626, 1629 BGB stellen bei der gesetzlichen Vertretung,§§ 1773, 1793 BGB bei der Vormundschaft, §§ 1909 ff. BGB bei der Pflegschaft und §§ 1896, 1902 BGB bei der Betreuung nur die rechtliche Handlungsfahigkeit der geschäftsunfahigen oder betreuten Menschen her, lassen jedoch die Wirkung der Handlungen des Vertreters oder Betreuers bei den geschäftsunfahigen oder betreuten Menschen eintreten, weil letztere rechtsfähig und damit auch Vermögensträger sind. Dass geschäftsunfahige natürliche Personen Vermögensträger sein können, sieht selbstverständlich auch Nelles40. Sie vermeidet die sich aus ihrer Auffassung ergebende Konsequenz dadurch, dass sie in den Fällen der defekten Autonomie an die Stelle der Zwecksetzungsbefugnis die Zwecksetzung durch das Gesetz treten lässt. Letztere sei unveränderlich festgelegt, in dem die Handlungsorganisation ausschließlich und zum Nutzen des geschäftsunfabigen oder betreuten Menschen tätig werden muss(§§ 1626 ff., 1793 BGB). Daranhabe sich die Handlungsorganisation zu orientieren. b) Insolvenz
Aber nicht nur in den Fällen der unmündigen bzw. geschäftsunfabigen Personen ist eine Störung der autonomen Zwecksetzungsbefugnis zu verzeichnen. In den Fällen der Insolvenz entzieht § 80 InsO dem Gemeinschuldner auch die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über sein Vermögen und überträgt sie dem In40
Untreue, S. 460.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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solvenzverwalter. Diesem würde also, der Argumentation von Nelles folgend, die Zwecksetzungsbefugnis zustehen, und er wäre als Vermögenssubjekt bzw. Vermögensträger anzusehen. Folglich wäre der Insolvenzverwalter auch Gemeinschuldner und müsste demzufolge die Forderungen gegenüber den Gläubigem erfüllen. Diese Konsequenz zieht das Gesetz freilich nicht, weil es in § 35 InsO den Gemeinschuldner weiterhin als Vermögensinhaber ansieht. Folglich unterstreicht die Situation der Insolvenz, dass eine Bestimmung des Vermögensträgers nach dem Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis der Rechtswirklichkeit widerspricht. Von anderen wird im Zusammenhang mit der Insolvenz wegen der bei ihr gegebenen Fremdverwaltung in angeblich ausschließlichem Gläubigerinteresse eine Änderung der strafrechtlichen Vermögenszugehörigkeit vorgenommen41 . Danach sei derjenige Vermögensträger, in dessen Interesse die zuzuordnende Vermögensmasse bestehe. Bei der Insolvenz hätten nur die Gläubiger Interesse an der Insolvenzmasse und seien deshalb als Vermögensträger anzusehen. Dem sind jedoch zwei Argumente entgegenzuhalten. Auf der einen Seite lässt sich das Vermögen in den Insolvenzfällen nicht nach den Vermögensinteressen der Gläubiger zuordnen. Haltbar wäre eine derartige Zuordnung aufgrund des Vertretens fremder Vermögensinteressen nur dann, wenn der Insolvenzverwalter als Vertreter der Gläubiger anzusehen wäre. Die sog. Gläubigervertretungstheorie42 stützte sich darauf, dass der Insolvenzverwalter primär im Interesse der Gläubiger handelt. Dabei steht diese Auffassung in engem Zusammenhang mit der Lehre vom Pfandrecht der Insolvenzgläubiger an der Insolvenzmasse. Die heute h.M43 lehnt aber ein solches Pfandrecht zutreffenderweise ab. Ein Generalpfandrecht aller Gläubiger an der Insolvenzmasse würde nämlich von den Grundsätzen der Entstehung von Pfandrechten so erheblich abweichen, dass es einer besonderen Erwähnung dieses Entstehungsaktes im Gesetz bedurft hätte. Selbst wenn von einer haftungsrechtlichen Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger durch den Insolvenzbeschlag ausgegangen wird, so verschafft dies der Gläubigervertretungstheorie keine tragfähige Grundlage. Der Insolvenzverwalter hat bei seiner Tätigkeit vielmehr die Interessen aller Beteiligten, also auch die des Gemeinschuldners zu beriicksichtigen. § 60 InsO legt deshalb die Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters gegenüber allen Beteiligten fest. Die Ablehnung der Gläubigervertretungstheorie stützt ferner der Vergleich mit der Einzelzwangsvollstreckung, da der Gerichtsvollzieher44 - wie der Insolvenzverwalter - nicht als Vertreter der Gläubiger anzusehen ist, weil er auch die Belange des Vollstreckungs41 Von einer Zuordnung zu den Gläubigem geht Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 70 aus. Eine Vermögenszuordnung zum Insolvenzverwalter nehmen RGSt 39, 414, 416 und Tröndle I Fischer, § 266 StGB Rdnr. 17 vor. 42 Vertreten u. a. von F. Hel/mann, Lehrb. d. Konkursrechts, S. 632 ff.; Kahler, Leitfaden d. Konkursrechts, S. 212 ff.; Seuffert, Konkursprozeßrecht, S. 157 ff. 43 Vgl. nur KuhniUhlenbruck, § 3 KO Rdnr. 1. 44 Jaeger I Henckel, § 6 KO Rdnr. 5.
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schuldners berücksichtigen muss. Daher wird die einseitige Vertretung der Gläubiger überwiegend45 abgelehnt und statt dessen die Vertretung aller beteiligten Interessen durch den Insolvenzverwalter angenommen. Damit lässt sich eine einseitige Zuweisung von Vermögen nach den Vermögensinteressen nicht vereinbaren, so dass eine Vermögenszuordnung nach dem Vermögensinteresse im Falle der Insolvenz schon deshalb nicht möglich ist. Auf der anderen Seite spricht gegen die Zuordnung des Vermögens nach Vermögensinteressen die völlige Ignorierung der rechtlichen Vorgaben. Die Vertreter dieser Auffassung müssten sich nämlich konsequenterweise ablehnend gegenüber jeglicher Bestimmung des Vermögensträgers nach rechtlichen Gesichtspunkten verhalten und die Vermögenszuordnung allein nach Interessenlagen vornehmen. Diese Konsequenz ziehen die Verfechter dieser Sicht jedoch gerade nicht. Bei der eingetragenen GmbH soll zum Beispiel ausschließlich ein rechtlicher Gesichtspunkt, nämlich deren Rechtspersönlichkeit ausschlaggebend sein46. Die Insolvenzfalle belegen somit, dass die Bestimmung des Vermögensinhabers weder nach dem Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis noch nach den Vermögensinteressen möglich ist. c) Eingetragene GmbH
Darüber hinaus kann die von Nelles vorgenommene Vermögenszuordnung bei der eingetragenen GmbH - nicht nur im Hinblick auf das Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis - nicht überzeugen. Bei der eingetragenen GmbH sei nicht die Gesellschaft als solche Vermögensträger, sondern die Gesellschaftergesamtheit als Inhaber der Zwecksetzungsbefugnis, weil sie über den Einsatz des Gesellschaftsvermögens bestimme47. Gegen diese Sicht ergeben sich Zweifel aus dem von Nelles herangezogenen Kriterium der Haftungsfähigkeit Nach der Definition der Haftungsfähigkeit müsste der Vermögensträger wegen der gegen ihn gerichteten Forderungen der Zwangsvollstreckung unterliegen. Dies ist bei der Gesellschaftergesamtheit jedoch gerade nicht der Fall, da ein Titel gegen die GmbH als juristische Person selbst erforderlich ist. Damit würde die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensinhaber ausscheiden, weil sie einer der von Nelles aufgestellten Voraussetzung nicht genügt48 • Dann ist jedoch fraglich, wer überhaupt Vermögensinhaber des Gesellschaftsver45 Sog. Amtstheorie, z. B. vertreten von BGHZ 24, 393, 394 ; 49, 11, 16; Linke, KTS 1966, 193, 217; bzw. Organtheorie, vertreten von Bötticher, Z:Z.P 71 [1958], 314,318 f. ; ders., Z:Z.P 77 [1964], 55 ff.; Erdmann, KTS 1967, 87, 88; Stümer, Z:Z.P 94 [1981], 263, 296; in modifizierter Form folgt ihr K. Schmidt, KTS 1984, 345, 360 ff. 46 Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 125; Tröndle/Fischer, § 266 StGB Rdnr. 20. 47 Nelles, Untreue, S. 492. 48 Schäfer, GmbHR 1992, 509,511 [Fn. 4].
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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mögens sein soll. Die GmbH selbst könnte es nicht sein, weil ihr keine Zwecksetzungsbefugnis zukommt, die Gesellschaftergesamtheit aber ebenfalls nicht, weil sie nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt. Ferner überzeugt die Einordnung der Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträger wegen der Handlungsfähigkeit nicht. Diese sei gegeben, wenn dem Vermögenssubjekt menschliches Verhalten sowohl gegenüber Dritten als auch im Hinblick auf die eigene Willensbildung zivilrechtlich als eigenes Handeln zugerechnet werden könne. Bei Anwendung dieses Kriteriums bleibt unklar, warum die Gesellschaftergesamtheit als Vermögensträger Organ ihrer selbst sein soll49. Die Gesellschaftergesamtheit setzt sich aus natürlichen Personen zusammen, die von sich aus handlungsfähig sind. Zur Herstellung der Handlungsfähigkeit bedarf es des Abstellens auf die Gesellschaftergesamtheit nicht. Der Gesichtspunkt der Handlungsfähigkeit belegt somit ebenfalls die Unstimmigkeit des Konzepts von Nelles. Des Weiteren lässt sich die von ihr vorgenommene Vermögenszuordnung bei der eingetragenen GmbH aus der Perspektive der Identifizierbarkeit nur bei der Mehrpersonengesellschaft durchführen, weil sich dort die Gesellschaft von den für sie handelnden Personen unterscheiden lässt. Das Kriterium der Identifizierbarkeit ist dagegen im Falle der Einmann-GmbH unbrauchbar. Deshalb wäre es bedenklich, das Gesellschaftsvermögen und das Gesellschaftervermögen ein und derselben Person wegen des Merkmals der Zwecksetzungsbefugnis zuzuordnen. Die Konsequenz wäre dann eine umfassende Zwecksetzungsbefugnis des Alleingesellschafters50. Er könnte deshalb beliebig Vermögen im Wert des Stammkapitals in eigenes Vermögen umwandeln. Dann ließe sich aber die Haftungsbeschränkung auf den Wert des eingezahlten Vermögens nicht mehr rechtfertigen. Dariiber hinaus ist die Vermögenszuordnung nach dem Vorschlag von Nelles unter Zugrundelegung der zutreffenden Anerkennung des eigenständigen Bestandsinteresses der eingetragenen GmbH nicht frei von Widersprüchen. Würde allein die Zwecksetzungsbefugnis bei Personenmehrheiten für die Vermögensinhaberschaft ausschlaggebendes Kriterium sein, so ließe sich die Vermögenszuordnung bei zutreffender Einordnung der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG wegen der Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses der eingetragenen GmbH51 nicht widerspruchslos durchführen. In konsequenter Fortführung des Ansatzes von Nelles wäre dann nämlich § 30 Abs. I GmbHG Ausdruck einer Zwecksetzung durch das Gesetz, wie sie Nelles insbesondere für geschäftsunfähige oder betreute natürliche Personen befürwortet. Insofern ist die Situation der juristischen Person mit der eines unmündigen Menschen vergleichbar, da die GmbH nicht autonom handlungsfähig ist. Ihr Interesse (Bestandsinteresse) wird aber durch § 30 Abs. 1 GmbHG geschützt, und dies ist auch von 49
50
51
Schäfer; GmbH 1992,509, 5ll [Fn. 4]. Wodicka, Untreue, S. 246. Vgl. dazu ausführlich§ 5 III. 2. b).
II Hentschke
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
der Gesellschaftergesamtheit, wie dargelegt52, zu respektieren. Zwar können die Gesellschafter die Gesellschaft liquidieren, dies wäre aber nur unter Einhaltung der vom Gesetz vorgeschriebenen Formvorschriften (§§ 65 ff. GmbHG) möglich. Eine Liquidation unter Verletzung der Kapitalerhaltungsvorschriften ist dagegen nicht zulässig. Die Kapitalerhaltungsvorschriften können daher als gesetzliche Zwecksetzung aufgefasst werden. § 30 Abs. 1 GmbHG würde in seinem Anwendungsbereich dann die Zwecksetzungsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit beschränken. Nelles53 sieht dies auch, lehnt jedoch diese Konsequenz im Ergebnis wegen der angeblich ausschließlich gläubigerschützenden Funktion des § 30 Abs. 1 GmbHG ab.
Vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 1 GmbHG stellt sich gleichwohl die Frage nach der Bewältigung der Vermögenszuordnung. Bei stringenter Anwendung des Kriteriums der Zwecksetzungsbefugnis wären die Gesellschafter als Zwecksetzungsbefugte bis zur Grenze der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG als Vermögensinhaber anzusehen, ab dieser Grenze infolge der Bestimmung der Zwecksetzungsbefugnis durch das Gesetz, dagegen die GmbH selbst. Unklar bliebe, wie die Vermögenszuordnung sich vollziehen ließe. Nelles weicht dieser Frage aus, indem sie sich auf eine Diskussion um die Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses überhaupt nicht einlässt54 • Die Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses der GmbH im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG stellt nämlich ihre gesamte Konzeption der Vermögenszuordnung in Frage. Unklar bleibt zudem, weshalb zwar im Falle des geschäftsunfähigen oder betreuten Menschen die Ablehnung einer Vermögenszuordnung zu seinem Vertreter, Vormund oder Betreuter unter anderem zur Vermeidung eines Widerspruchs zu den zivilrechtliehen Regeln angebracht sein so1155 , bei der GmbH diese zivilrechtliehen Regeln aber außer acht bleiben sollen. Wie schon betont56 bedarf die durch § 13 Abs. 1 GmbHG anerkannte Rechtspersönlichkeit der GmbH als juristischer Person des strafrechtlichen Schutzes. Im Ergebnis kann deshalb die Zwecksetzungsbefugnis bei der GmbH nicht als taugliches Kriterium für die Bestimmung der Vermögensträgerschaft angesehen werden. Sie ist deshalb insgesamt zur Bestimmung der Vermögensträgerschaft untauglich.
52 53 54
55 56
Vgl. § 5 III. 2. b) ee). Untreue, S . 547. Untreue, S. 548. Nelles, Untreue, S. 457. Unter § 4 II.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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2. Bestimmung des Vennögensträgers nach rechtlichen Kriterien
Da sich damit die Zwecksetzungsbefugnis als unbrauchbares Merkmal zur Bestimmung des Vermögensträgers erwiesen hat, ist nach den tauglichen Kriterien zu fragen. Nelles ist insofern zuzustimmen, als der Ausgangspunkt der Suche nach einer Antwort in der Zuordnung von Vermögensobjekten besteht. Bei der Zuordnung ist der Faktor der Macht zunächst als maßgebend zu betrachten57 . Nur wem die Macht des Zugriffs auf ein Vermögen zusteht, dem kann es auch zugeordnet werden. Allerdings muss im Verhältnis zu anderen die rechtliche Erlaubtheit hinzukommen. Die Macht hat sich also im Verhältnis zu einem "anderen" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG als Recht darzustellen 58• Mit der Betonung der rechtlichen Komponente ist das Ziel der Zuordnung angesprochen. Sie dient in erster Linie dazu, die Vermögenssphären einzelner voneinander abzugrenzen. Insofern kann nicht allein die Macht der einzig bestimmende Faktor für die Zuordnung von Vermögensobjekten sein59, sondern dem Recht kommt letztlich die entscheidende Rolle bei der Zuweisung von Macht an einzelne Subjekte zu. Das Recht ist Voraussetzung für die Anerkennung der Macht, weil letztere durch das Recht verteilt wird. Dem Recht als maßgebendes Kriterium für die Zuordnung muss deshalb auf der Seite des Vermögensträgers Rechnung getragen werden. Der Vermögensträger muss somit die Fähigkeit zum Innehaben von Rechten besitzen. Demzufolge hat die Bestimmung des Vermögensträgers nach rechtlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Die Machtzuweisung durch das Recht darf nämlich nicht dazu verleiten, den Organen von handlungsunfähigen Gebilden das Vermögen zuzuordnen, weil ihnen das Recht die Willensbildung und somit auch die Macht über den Vermögenseinsatz bei der juristischen Person bis zu einem gewissen Punkt einräumt. Der von den Organen gebildete Wille ist der Wille der juristischen Person, nicht der Wille der Organe. Schließlich ist bei der Bestimmung der Zuordnungskriterien betont worden, dass -wie dargelegt- die Macht gegenüber einem "anderen" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG Recht zu sein hat60. Dieser Vorbehalt gilt nicht nur zugunsten von "anderen" im Sinne der natürlichen Personen6 \ denn Art. 19 Abs. 3 GG erkennt die Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen an. Dies macht die Bedeutung der juristischen Person im Rechtsleben deutlich und spricht für deren Respektierung als eigenständige Rechtsperson, die in allen Rechtsgebieten zu erfolgen hat. Deshalb Nelles, Untreue, S. 450. ss Nelles, Untreue, S. 456. 59 Nelles, Untreue, S. 453. 60 Nelles, Untreue, S. 450, S. 453 ff. 61 So aber Nelles, Untreue, S. 492 ff. 57
II*
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
muss die Macht, über Vermögensobjekte zu verfügen, auf ein "Recht" gegenüber der juristischen Person zurückzuführen sein. Das gilt nicht nur für Außenstehende, sondern auch für die Mitglieder der juristischen Person, so dass letztere ebenfalls die Vermögenssphäre "ihrer" juristischen Person zu berücksichtigen haben. Die juristische Person ist in diesem Kontext deshalb als "anderer" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG anzuerkennen. Die These, die Gesamtheit der Gesellschafter sei im Ergebnis die juristische Person, lässt die gebotene Anerkennung der juristischen Person als eigenständiger Rechtsperson außer acht. Diese Sichtweise weicht nicht nur terminologisch von der allgemeinen Personenlehre ab62 , sondern sie läuft auf die lgnorierung der juristischen Person als Rechtsperson hinaus. Insgesamt sind damit die rechtlichen Gesichtspunkte für die Bestimmung des Vermögensträgers ausschlaggebend. Davon ist jedoch die Frage zu trennen, ob die Forderung entsprechend der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung, für die Vermögensträgerschaft sei zwingend eine Rechtspersönlichkeit notwendig, zutrifft63 . Aus alldem folgt allerdings nicht, dass das Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis gänzlich unbrauchbar wäre. Es besitzt nämlich Bedeutung im Rahmen der Bestimmung der Fähigkeit zum Innehaben von Vermögensinteressen64. Sollte sich ergeben, dass Organe vollumfänglich die Vermögensinteressen eines Gebildes, das als selbstständiger Vermögensträger anerkannt wurde, bestinunen65 , so spräche dies dafür, letztlich eigenständige Vermögensinteressen des Gebildes zu verneinen. Ihm könnten dann im Ergebnis keine eigenständigen Vermögensinteressen zugesprochen werden, weil es vollends von der Einflussnahme ihrer Organe abhängig wäre. Konsequenterweise müsste dieses handlungsunfähige Gebilde - trotz Vermögensträgerschaft - als Schützenswertes verselbstständigtes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB wegen des Fehlens eigenständiger Vermögensinteressen ausscheiden. Sollte sich dagegen bei Betrachtung eigen-ständiger Vermögensinteressen eines handlungsunfähigen Gebildes herausstellen, dass dessen Organen oder Vertretern die Bestinunung der Vermögensinteressen nicht vollumfänglich zusteht, sondern vielmehr ein Bereich verbleibt, der dem Einflussbereich der Organe oder Vertreter entzogen ist, so spräche dies für eigenständige Vermögensinteressen des handlungsunfähigen Gebildes. Es wäre dann als Schützenswertes verselbstständigtes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB anzusehen.
62 63 64
65
So aber Nelles, Untreue, S. 488. Dazu unten§ 8 III. 3. b), § 8 111. 6. e). Vgl. § 9 I. 1. Zum Inhalt der Vermögensinteressen vgl. § 9.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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3. Zuordnung von Rechten als Voraussetzung für die Vermögensträgerschaft
Sind damit rechtliche Gesichtspunkte für die Bestimmung des Vermögensträgers maßgeblich, ist zu fragen, welche Subjekte flihig sind, Rechte und Pflichten inne zu haben und deshalb als Vermögensträger angesehen werden können. a) Natürliche undjuristische Personen
Eindeutig kommen die anerkannten Rechtspersonen, also die natürlichen und juristischen Personen als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB in Betracht. Ihnen können eigenständig Rechte und Pflichten zugeordnet werden. Mit der Anerkennung eines Gebildes als juristische Person ist nämlich ein Grad an Eigenständigkeit erreicht, der eine selbstständige Zuordnung von Rechten und Pflichten unabhängig von den Mitgliedern der juristischen Person ermöglicht. Die eigene Rechtspersönlichkeit ist damit hinreichende Voraussetzung für die Anerkennung als Vermögensträger im Sinne von § 266 StGB. b) Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit
Die eigene Rechtspersönlichkeit ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB. Der zwingende Charakter der eigenen Rechtspersönlichkeit wird von der allgemeinen Personenlehre propagiert, die nur natürliche und juristische Personen als Träger von Rechten und Pflichten ansieht66• Im Zivilrecht ist aber mittlerweile anerkannt, dass neben den Rechtspersonen auch Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht kommen können. Damit scheint die Möglichkeit gegeben zu sein, diese Personenmehrheiten als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzuerkennen. Für die Anerkennung von Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit als Träger von Rechten und Pflichten werden unterschiedliche Begrundungen angeführt. aa) Anerkennung einer Teilrechtsfähigkeit Zum Teil wird die Zuordnung von Rechten und Pflichten zu Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit auf die Möglichkeit der Teilrechtsfähigkeit oder relativen Rechtsflihigkeit gestützt67 • Mit der Anerkennung der Teilrechtsfä66 67
Scho/z, Haftung, S. 46 für den Aspekt der eigenen Rechtszuordnung. Grundlegend Fabricius, Relativität, S. 111 f.
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higkeit von Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit soll das strenge Verständnis der allgemeinen Personenlehre aufgelöst werden, nach dem nur Rechtspersonen Inhaber von Rechten und Pflichten sein können. Diese Auffassung knüpft zum einen an die Rechtslage beim nichtrechtsfahigen Verein68 und zum anderen an die beim nasciturus an, denen das bürgerliche Recht Rechte zuweist, ohne dass deren Anerkennung als Rechtspersonen erfolgt. § 50 Abs. 2 ZPO verleiht dem nichtrechtsfähigen Verein die passive Parteifähigkeit und § 735 ZPO lässt gegen ihn die Vollstreckung zu. Das BGB behandelt den nasciturus in gewissem Umfang als Erben(§ 1923 Abs. 2 BGB; ferner§§ 2108,2176,2178 BGB). Im Bürgerlichen Recht müsse deshalb eine Differenzierung zwischen Vollrechtsfahigkeit und Teilrechtsfähigkeit erfolgen. Als Vollrechtsfähigkeit69 wird die Fähigkeit bezeichnet, sich als ein in der Rechtsordnung befindlichem Zuordnungssubjekt generell rechtswirksam zu verhalten70 • Die Vollrechtsfähigkeit wird nur Rechtspersonen im Sinne der allgemeinen Personenlehre zugestanden. Teilrechtsfähigkeit71 sei dagegen die durcheine oder mehrere einzelne Normen oder ein Teilgebiet der Rechtsordnung vermittelte Fähigkeit eines Zuordnungssubjekts zu rechtlich wirksamem Verhalten. Der ausdrücklichen Erwähnung der Teilrechtsfähigkeit im Gesetz bedürfe es nicht, da das Gesetz jeweils nur die besondere Subjektbezeichnung angeben müsse. Es erfolge also die Bezeichnung detjenigen Beziehungen, in denen teilrechtsfähige Subjekte stehen können72. Als weiteres Argument für die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit wird angeführt, dass selbst den juristischen Personen, deren Rechtsfähigkeit anerkannt ist, nicht alle Rechte zugeordnet werden können, die der natürlichen Person zustehen. Der Begriff der Rechtsfahigkeit sei deshalb immer ein relativer73 , sie müsse jeweils aus dem einzelnen Rechtssatz gewonnen werden. Demzufolge sei es möglich, dass auch Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit Rechte zugeordnet werden können, sobald die Personenmehrheiten als teilrechtsfähig anzuerkennen sind74, weil sie in vom Gesetzgeber bezeichneten Beziehungen stehen können. Wegen der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit liegt es nahe, diese Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit grundsätzlich auch als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzuerkennen. 68 Fabricius, Relativität, S. 10, der den nichtrechtsfähigen Verein als "Schulfall" der teilrechtsfähigen Vereinigung bezeichnet. 69 Auch Rechtsfähigkeit im engeren Sinne genannt, Pawlowski, AT-BGB, Rdnr. 98, 98 a. 70 Fabricius, Relativität, S. 60, ebenso Pawlowski, AT-BGB, Rdnr. 98 ff., Rdnr. 109 ff. 71 Fabricius, Relativität, S. 61; die Teilrechtsfähigkeit wird auch als Rechtsfähigkeit im weiteren Sinne bezeichnet; vgl. Pawlowski, AT-BGB, Rdnr. 109. 72 Fabricius, Relativität, S. 111. 73 Müller-Freienfels, AcP 156 [1957], 522 ff. 74 Fabricius, Relativität, S. 111 ff.
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Tenninologisch abweichend nimmt eine in der Literatur75 vertretene Auffassung, die sich speziell mit der rechtlichen Situation des nichtrechtsfähigen Vereins beschäftigt, eine Trennung zwischen rechtstechnischer und rechtstheoretischer Rechtsfähigkeit vor. Sie versteht unter rechtstechnischer Rechtsfähigkeit die Rechtsfähigkeit im Sinne der allgemeinen Personenlehre. Den Begriff der rechtstheoretischen Rechtsfähigkeit bezieht sie auf alle von der Rechtsordnung nicht generell mit einer Rechtsfähigkeit ausgestatteten Gruppierungen, denen aber dennoch Rechte und Pflichten zugeordnet werden können. Sachliche Unterschiede gegenüber der zuvor genannten Auffassung ergeben sich nicht, da die rechtstheoretische Rechtsfähigkeit der Teilrechtsfähigkeit entspricht. bb) Zuordnung von Rechten durch Anerkennung selbstständiger Rechtsträger Diese Sicht ist allerdings nicht unstreitig76. So wird behauptet, dass der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit zwar ein gewisser Darstellungswert zukomme, sie jedoch den Begriff der Rechtsfähigkeit mit zu vielen Einzelproblemen belaste. Zudem bestehe die Gefahr der Zergliederung des Begriffs der Rechtsfähigkeit bis zur Unbrauchbarkeit77 . Darüber hinaus kenne das Gesetz, wie § 1 BGB belege, den Begriff der Teilrechtsfähigkeit nicht. Ein Teil der Literatur78 wendet sich mit anderer Begründung ebenfalls gegen die Teilrechtsfähigkeit Sowohl das BGB (§§ 21, 54 BGB) als auch das GmbH-Gesetz (§§ 11, 13 GmbHG) äußerten sich zur Teilrechtsfähigkeit nicht. Daher sei eine scharfe Trennung zwischen Rechtsfähigkeit und Nichtrechtsfähigkeit vorzunehmen. Ferner führe die Anerkennung einer Teilrechtsfähigkeit auch dazu, die fraglichen Vereinigungen gleich zu behandeln, wodurch die vorhandenen Unterschiede zwischen ihnen dann unberechtigterweise nicht berücksichtigt werden79• Die Ablehnung der Teilrechtsfähigkeit bedeute jedoch nicht, dass nur den Personen im Sinne der allgemeinen Personenlehre Rechte und Pflichten zugeordnet werden könnten. Vielmehr müsse in dem Dualismus von Rechtsfähigkeit und Nichtrechtsfähigkeit der letztere Begriff nur zutreffend ausgelegt werden. Er beinhalte lediglich die Negativbeschreibung, dass die Rechtsfähigkeit, wie sie den natürlichen oder juristischen Personen zukomme, fehle. Daraus folge aber nicht, dass die nichtrechtsfähigen Gebilde völlig rechtsunfähig seien. Vielmehr ergebe sich beiSchulz, Parteifahigkeit, S. 13 f. Albach, Einmanngründungen, S. 150 ff.; Flume, Personengesellschaft, S. 90 f.; K. Schmidt, GesR, § 8 V. 1. 77 K. Schmidt, GesR, § 8 V. 1.; die Brauchbarkeit des Begriffs der Teilrechtsfähigkeit wird ebenfalls abgelehnt von Timm, NJW 1995, 3209, 3211. 78 Albach, Einmanngründung, S. 150 ff. 79 Albach, Einmanngründung, S. 157. 75
76
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spielsweise aus§ 124 HGB, dass die OHG selbst und nicht ihre Gesellschafter als Träger von Rechten und Pflichten in Frage käme, obwohl die OHG keine juristische Person und damit nicht rechtsfähig sei80. Die Lösung der Problematik lasse sich durch die Anerkennung der Rechtsträgerschaft finden. Dadurch könnten die individuellen Gegebenheiten der nicht- (voll-) rechtsfähigen Personenmehrheiten berücksichtigt werden81 . Die Anerkennung selbstständiger Rechtsträger eröffne die Möglichkeit, rechtlich anerkannten Personenmehrheiten ohne Rechtspersönlichkeit eigene Rechte und Pflichten zuzuordnen. Ein anerkannter Rechtsträger kann deshalb wegen seiner Fähigkeit zum Innehaben von Rechten grundsätzlich als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB in Betracht kommen. cc) Zuordnung von Rechten durch Anerkennung von Personifikationen Eine andere Auffassung82 lehnt es ab, bei anderen, nicht als Rechtspersonen anzusehenden Gebilde, lediglich die Zuordnung von Rechten und Pflichten, also vom subjektiven Recht her, vorzunehmen. Für die Anerkennung dieser Gebilde als Zurechnungsendpunkt von Rechten und Pflichten sei nämlich die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erforderlich. Die allgemeine Personenlehre sei aus objektiver Sicht zu einer Lehre von den Personifikationen zu erweitern. Personifikation bedeute in diesem Zusammenhang Verselbstständigung. Faktoren für die Verselbstständigung und damit Elemente der Personifikation seien die auch bei Rechtspersonen vorliegende Handlungsorganisation, der Haftungsverband und die Identitätsausstattung. Die Handlungsorganisation wird an dem Bild der Rechtsperson als Handlungseinheit orientiert. Entscheidungsträger rechtlich relevanter Entscheidungen seien bei den natürlichen, mündigen Personen diese selbst. Allerdings müsse bei Unmündigen, Geisteskranken und juristischen Personen die Entscheidungslast auf andere Menschen bzw. Menschen überhaupt übertragen werden. Diese Entscheidungsträger stellten die Handlungsorganisation dar83 • Die Handlungsorganisation ist folglich diejenige Einrichtung oder Vorkehrung, die es der Rechtsperson in ihrer Funktion als selbstständige Handlungseinheit ermöglicht, rechtswirksam zu handeln84.
80 81
82 83 84
Albach, Einmanngründung, S. 163. Albach, Einmanngründung, S. 157. lohn, Rechtsperson, S. 72 ff. lohn, Rechtsperson, S. 73. lohn, Rechtsperson, S. 76.
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Da die Folgen der rechtlich wirksamen Handlung die Rechtsperson träfen, müsse sie über einen Haftungsverband verfügen. Der Haftungsverband sei daher das zweite Element einer Personifikation85 . Darüber hinaus müsse die Personifikation ihre Identität bzw. Individualität im sozialen Kontext zum Ausdruck bringen. Nur dann erscheine die Personifikation als verselbstständigte Wirkungseinheit Die Individualisierung einer Personifikation erfolge durch den Namen und ergänzend durch den Wohnsitz bzw. Sitz. Die Identitätsausstattung sei als drittes Merkmal der Personifikation anzusehen 86• Die Anwendung dieser Merkmale auf eine Vielzahl von Erscheinungen im Rechtsleben ergebe ein System von abgestuften Personifikationen. Dieses System sei fähig, die graduelle Verschiedenheit bei im Rechtsverkehr auftretenden Personengruppen entsprechend der unterschiedlich starken Ausprägung der benannten Merkmale zum Ausdruck zu bringen. Bei den Personenmehrheiten sei die juristische Person die am weitesten ausgebildete Personifikation. Sie wird daher als Rechtsperson bezeichnet. Sonstige Personenmehrheiten seien dagegen Personifikationen, weil sie nicht mit der juristischen Person gleichgestellt werden könnten. Die Verselbstständigung des Vermögens sei kein eigenständiger Umstand, sondern sei eine Konsequenz des Systems der Personifikationen87 . Das Vorhandensein eines Haftungsverbandes spreche für die Vermögensverselbstständigung. Problematisch sei dies allerdings, wenn bei einer Personifikation, wie z. B. einer Personenhandelsgesellschaft, mehrere Haftungsverbände vorhanden sind. Zweifel an der Vermögensverselbstständigung könnten sich daraus ergeben, dass die juristische Person grundsätzlich als Mittel zur Haftungsbeschränkung angesehen wird88 und es daher nahe liege, bei Hinzutreten eines oder mehrerer Haftungsverbände anderer Rechtspersonen eine solche Verselbstständigung abzulehnen. Obwohl die Einzigkeit des Haftungsverbandes als wichtiger Schritt einer rechtsorganisatorischen Verselbstständigung angesehen werden müsse, sei diese im Ergebnis bei Vorhandensein mehrerer Haftungsverbände aber nicht in Frage gestellt89, sondern es sei nur ein geringerer Grad an Verselbstständigung anzunehmen90• So liege es z. B. bei den Personenhandelsgesellschaften91 , bei denen eine "Trennwand" zwischen dem Haftungsverband der Gesellschaft und den Haftungsverbänden der Gesellschafter bestehe, die zwar unvollständig sei, die Verselbstständigung aber nicht beseitigen könne92• Die Unvollständigkeit ergebe sich in erster Linie aus§ 128 HGB, wonach die Gläubiger der Gesellschaft auch auf die Gesellschafter zurückgreifen 85
86 87
88 89 90
91 92
lohn, Rechtsperson, S. 81. lohn, Rechtsperson, S. 92. lohn, Rechtsperson, S. 240. Pawlowski, AT-BGB, Rdnr. 130. lohn, Rechtsperson, S. 91. lohn, Rechtsperson, S. 91. lohn, Rechtsperson, S. 142 ff. l ohn, Rechtsperson, S. 145.
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könnten. Die Verselbstständigung werde dadurch aber nicht beseitigt, weil die Privatgläubiger der Gesellschafter grundsätzlich nicht in den Haftungsverband der Personenhandelsgesellschaft vollstrecken dürften. Ein Zugriff auf die mitgliedschaftliche Beteiligung des Gesellschafters sei zwar möglich, aber nur unter Aufhebung der Verselbstständigung der Personenhandelsgesellschaft93 . Dies stelle folglich den undurchlässigen Teil der beschriebenen Trennwand dar. Damit bestätige sich, dass eine Verselbstständigung trotz Vorhandenseins mehrerer Haftungsverbände bestehe, wenn auch in geringerem Maße als bei der juristischen Person, die grundsätzlich nur über einen Haftungsverband verfügt. Als Konsequenz folgt aus dieser Auffassung für die vorliegende Untersuchung, dass bei Vorliegen der vorgestellten Kriterien ein hinreichender Grad an Verselbstständigung anzunehmen ist, der für die Anerkennung eines Vermögensträgers ausreicht. dd) Verwendung des Begriffs Rechtsträger Trotz der argumentativen Unterschiede der eben dargestellten Lehren kann als deren gemeinsamer Nenner die Aufweichung der strengen Sicht der allgemeinen Personenlehre festgestellt werden. Somit kommen nicht nur Personen im Sinne dieser Lehre als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht, sondern auch rechtlich anerkannte Personenmehrheiten, die keine juristischen Personen sind. Die Erkenntnisse dieser Lehren lassen sich mittlerweile auch nicht mehr bestreiten, weil der Gesetzgeber in den§§ 14 Abs. 2, 1059 a Abs. 2, 1059 e, 1061 Satz 2, 1092 Abs. 3, 1098 Abs. 3 BGB den Terminus der rechtsfähigen Personengesellschaft eingeführt hat. Damit verdeutlicht er, dass auch solchen Personenmehrheiten Rechte und Pflichten zugeordnet werden können, die eben keine juristischen Personen sind. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der rechtsfähigen Personengesellschaft allerdings nicht immer, sondern gebraucht an anderer Stelle (§ 1 Abs. 1 UmwG) den Terminus Rechtsträger für die angesprochenen Personenmehrheiten. Dieser Begriff scheint sich in der gesetzgebensehen Praxis immer mehr durchzusetzen, wenn es um Regelungen für Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit geht. Dies zeigt ein Blick auf das PartGG, weil der Gesetzgeber für die Partnerschaft in der Gesetzesbegründung94 klarstellt, dass es sich bei ihr um einen ,,rechtsfähigen, nicht der Körperschaftssteuer unterliegenden Untemehmensträger" handelt. Der Begriff des rechtsfähigen Unternehmensträgers kann dabei mit dem des Rechtsträgers gleichgesetzt werden.
93 94
l ohn, Rechtsperson, S. 144. BT-Drucks. 12/7642, S. 11.
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Die Gesetzeslage verdeutlicht, dass die Rechtsfähigkeit eben nicht mehr nur den Personen im Sinne der allgemeinen Personenlehre zukommen kann, für die Rechtsfähigkeit mithin keine Rechtspersönlichkeit mehr erforderlich ist95 . Dennoch können die als Rechtsträger in Betracht kommenden Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit auch weiterhin nicht mit den juristischen Personen gleichgesetzt werden. Dies veranschaulicht die Betrachtung des § 11 Abs. 2 InsO, der ausdrücklich klarstellt, dass z. B. den Personengesellschaften keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Damit erfolgt die Unterscheidung zwischen juristische Personen und als Rechtsträger anerkannten Personenmehrheiten nicht anhand des Kriteriums der Rechtsfähigkeit, sondern der Rechtspersönlichkeit96. Zur Unterscheidung der juristischen Person von rechtlich anerkannten Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit empfiehlt es sich deshalb den Begriff des Rechtsträgers zu verwenden, statt mit dem Begriff der Rechtsfähigkeit zu operieren97. Zudem würden mit der Bezeichnung der rechtsfähigen Personengesellschaften die Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, denen Rechte und Pflichten zugeordnet werden können, nicht erfasst.
ee) Konsequenzen für die Anwendbarkeit des§ 266 StGB Die Fähigkeit zum Innehaben von Rechten legt es nahe, die als Rechtsträger anerkannten Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzusehen. Jedoch steht der Anerkennung vieler rechtlich anerkannter Personenmehrheiten als eigenständige Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB die Struktur der Rechtszuordnung entgegen. Bei der überwiegenden Zahl dieser Personenmehrheiten, vor allem bei den Personengesellschaften, erfolgt eine Gesamthandsvermögenszuordnung98, die eine Verselbstständigung als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB nicht zulässt. Jedoch trifft die Gesamthandsvermögenszuordnung nicht auf alle Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu99. So nunmehr auch der BGH, NJW 2001, 1056 ff. für die GbR. Der Unterschied zwischen der Rechtsfähigkeit und der Rechtspersönlichkeit wird auch von Huber, in Lutter-FS, 107, 110 und Peifer, NZG 2001, 296, 297 sowie Wertenbruch, Haftung, S. 211 f. herausgestellt. 97 Zwar hat der BGH (NJW 2001, 1056 ff.) in einerneueren Entscheidung die Rechts- und Parteifähigkeit der GbR anerkannt. Zugleich stellte er jedoch klar, dass die Personengesellschaft über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Um eine Gleichstellung mit den Rechtspersönlichkeiten (natürlichen und juristischen Personen) zu vermeiden, wird für die Personenmehrheiten ohne Rechtspersönlichkeit hier der Terminus des Rechtsträgers verwandt und nicht der Begriff der Rechtsfähigkeit, der diese Unterscheidung nicht erkennen lässt. 98 Zu näheren Begründung unter§ 8 111. 5. a) aa), bb). 99 Vgl. § 8 111. 6. 95
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Festzuhalten bleibt jedoch, dass für das Innehaben von Rechten und Pflichten eine eigene Rechtspersönlichkeit nicht zwingend erforderlich ist, sondern auch rechtlich anerkannte Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit als Inhaber von Rechten und Pflichten in Betracht kommen. Für die Anwendung des § 266 StGB folgt daraus, dass als eigenständige Vermögensträger ebenfalls solche Personenmehrheiten in Betracht kommen, bei denen die Möglichkeit der Rechtszuordnung, auch ohne Anerkennung als Rechtsperson, besteht. Dies stellt aber nur die Grundvoraussetzung für die Vermögensträgerschaft dar. In einem zweiten Schritt ist dann nämlich die Gesamthandsvermögenszuordnung auszuschließen, da diese der Anerkennung einer Personenmehrheit als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB entgegensteht. Das System der Personifikationen kann der weiteren Betrachtung nicht zugrunde gelegt werden, weil es die Gesamthand als das geltende Recht noch beherrschendes Phänomen völlig ignoriert.
4. Vor-GmbH als Rechtsträger Die Grundvoraussetzung für die Qualifizierung einer Personenmehrheit als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB, nämlich Rechtsträger zu sein, ist für die Vor-GmbH mittlerweile anerkannt 100. Die Vor-GmbH ist kontofähig 101 , grunderwerbsfähig 102, im Zivilprozess sowohl ak:tiv 103 als auch passiv 104 parteifähig, insolvenzfähig 105 , beteiligtenfähig im FGG-Verfahren 106 sowie wechsel- und scheckfähig 107 • Außerdem besteht für die Vor-GmbH die Möglichkeit der Unternehmensträgerschaft 108 . Weiterhin ist es BGHZ 117,323, 326; BGH, ZIP 1998, 109. BGHZ 45, 338, 347; ll7, 323, 326; OLG München, GmbHR 1991, 63; Albach, Einmanngründungen, S. 21; Priester, EWiR 1991,581. 102 BGHZ ll7, 323, 326; OLG München, GmbHR 1991, 63; Priester, EWiR 1991, 581; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 48. 103 BGH, ZIP 1998, 109, 110. 104 Autenrieth, JA 1981, 395; v. Bismarck, Rechtsnatur, S. 87; Brock, Haftungssituation, S. 56; Meyer-Landruth, in Meyer-Landrut/Miller/Niehus, § 11 GmbHG Rdnr. 6; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 26 Rdnr. 105; Ulmer in Hachenburg, § II OmbHG Rdnr. 50. 105 Ganßmüller, GmbHR 1955, 210 f.; Haas, DStR 1999, 985; Hüffer, in Stimpel-FS, 165, 185 f.; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 26 Rdnr. 105; Rittner/Schmidt-Leithoff, in Rowedder, § ll GmbHG Rdnr. 79. 106 BGHZ 117, 323, 327; Lutter/ Hommelhoff, § 11 GmbHG Rdnr. 3. 107 Eckardt, Vor-GmbH, S. 50; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § ll GmbHG Rdnr. 14; Raiser, Kapitalgesellschaftsrecht, § 26 Rdnr. 106; Weimar, GmbHR 1988,283,291. 108 Flume, in Gessler-FS, 3, 36 f.; Meyer-Landrut, in Meyer-Landrut/Miller /Niehus, § 11 GmbHG Rdnr. 6; Theobald, Gründerhaftung, S. 20. 10o 101
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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der Vor-GmbH möglich, Gesellschafterin sowohl einer Personengesellschaft 109 als auch einer GmbH 110 zu sein, wobei sie dort auch an deren Griindung beteiligt sein kann. Insgesamt ist somit die Vor-GmbH vollwertiger Teilnehmer im Rechtsverkehr111 . 5. Ausschluss der Vermögensträgerschaft bei der Gesamtbandszuordnung
Trotz der Rechtsträgerschaft würde die Vor-GmbH als Vermögensträger ausscheiden, wenn das Vermögen den Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehen würde. a) Herrschende Meinung
Die wohl herrschende Meinung 112 nimmt bei der Vor-GmbH eine Gesamtbandsvermögenszuordnung vor, indem sie das Gesamtbandsprinzip auf die Rechts- und damit Vermögenszuordnung bei allen Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit anwendet 113 • Das Gesamtbandsprinzip sei immer dann heranzuziehen, wenn es um die Vermögenszuordnung bei Personenmehrheiten geht, die nicht als juristische Personen anerkannt werden. aa) Traditionelle Gesamtbandslehre Die sog. traditionelle Gesamthandslehre 114, der auch die strafrechtlichen Auffassungen zur Vermögensstruktur von Personenmehrheiten ohne eigene Rechtsper-
109 BGHZ 80, 129, 132; Hüffer, JuS 1980, 487; Lutter!Hommelhoff, § 11 GmbHG Rdnr. 7; K. Schmidt, ZHR 145 [1981], 540, 561; Schultz, JuS 1982, 740. lto Binz, GmbHR 1976, 29, 35; lohn, BB 1985, 627; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 31. 111 K. Schmidt, GesR, § 34 III. 3. b) bb) (a.E.). 112 OLG Dresden, NZG 1998, 311, 312; Autenrieth, JA 1981, 391, 395; Flume, in GesslerFS, 3, 31; Hadding, in Soergel, Vor§ 21 BGB Rdnr. 42; Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 159; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rdnr. 7; Kießling, Vorgesellschaft, S. 111; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 45. 113 So die Vermutung bei lohn, BB 1982,505,509. 114 Beuthien/Emst, ZHR 156 [1992], 227, 231 ff.; Boin, GmbHR 2001, 513, 515; Buchner, AcP 169 [1969], 483 ff.; Fikentscher, SehR, Rdnr. 964; Heil, NZG 2001, 300, 302 ff.; G. Hueck, GesR, § 3 II.; Huber, Vermögensanteil, S. 61 ff., 89 ff.; Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 44; Schulze-Osterloh, Gesamthandsprinzip, S. 8 ff., 34 ff.; Weber-Grellet, AcP 183 [1983], 316 ff.; Wiedemann, GesR, § 5 I. 1., 2.; ders., WM 1975, Sonderbeilage 4, S. 27 ff.; Zöllner, in Gernhuber-FS, 566, 577 f.
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
sönlichkeit zuneigen 115 , orientiert sich bei der Vermögenszuordnung noch an dem Verständnis der allgemeinen Personenlehre, nach dem nur Rechtspersonen als mögliche Träger von Rechten und Pflichten in Betracht kommen. Bei Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit seien nur deren einzelne Mitglieder Träger von Rechten und Pflichten, wenn auch in ihrer gesamthändensehen Verbundenheit. Aus der Ignorierung des Personenzusammenschlusses für die Zuordnung von Rechten und Pflichten resultiert die These, dass das Gesamtbandsprinzip nur ein Vermögenszuordnungsprinzip sei und keine weitere Aussage enthalte 116• Mithin sei die Gesamthand als gesamthändefisch gebundene Vielheit zu charakterisieren. Nur diese Sicht sei mit dem Gesetz vereinbar, da dem BGB eine Zuordnung von Rechten und Pflichten an andere als natürliche oder juristische Personen fremd sei. Dies gelte auch für die Vorschriften über die Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) 117 • Charakteristisch für das Prinzip zur gesamten Hand sei - als einzige gemeinsame Eigentümlichkeit aller vom BGB anerkannten gesamthändefisch organisierten Gemeinschaften- der Ausschluss der Sonderverfügung (§§ 719, 1419, 2033 Abs. 2 BGB), der dazu führe, dass ein Gesamtbänder weder über seinen Anteil am Gesamthandsvermögen noch über die einzelnen Gegenstände des Gesamtbandsvermögens verfügen könne. Zudem sei er nicht berechtigt, Teilung zu verlangen 118 • Dem Merkmal des Ausschlusses der Sonderverfügung komme die Funktion zu, das gemeinschaftliche Vermögens ungeschmälert zu erhalten, damit es dem Zweck und der Bestimmung der Gesamtbandsgemeinschaft entsprechend eingesetzt und genutzt werden kann119 • Diese Charakterisierung erlaube auch eine eindeutige Abgrenzung von der Bruchteilsgemeinschaft und der juristischen Person. Kennzeichnend für die Bruchteilsgemeinschaft sei, dass jeder Teilhaber frei über seinen Anteil verfügen könne. Hingegen würden bei der juristischen Person die Gegenstände nicht den Teilhabern, sondern der von ihnen getrennten Rechtsperson zugeordnet. Die Gesamthand stehe folglich zwischen der Bruchteilsgemeinschaft und der juristischen Person. Aus der Charakterisierung des Gesamtbandsprinzips durch das Merkmal des Ausschlusses der Sonderverfügung folge, dass nur die einzelnen Teilhaber als Träger von Rechten und Pflichten erscheinen und darin die gebundene Vielheit zum Ausdruck komme. Zweck der gesamthändefisch organisierten Gemeinschaften sei es, trotz der angenommenen mehrheitlichen Zuständigkeit ein vom indivim BGHSt 3, 23, 25; BGH, wistra 1991, 24 f.; Gribbohm, ZGR 1990, 1, 6; Kohl1TU1nn, in Geerds-FS, 675, 678; ders., strafrechtliche Verantwortlichkeit, Rdnr. 195; ders., in Hachenburg, Vor§ 82 GmbHG Rdnr. 206; ders., JA 1980, 228, 234; Schmid, in Müller/Gugenberger, § 31 Rdnr. 69; Tiedemann, in Scholz, Vor§§ 82 GmbHG Rdnr. 17; wohl auch Lenckner/ Perron, in Schönlee I Schröder, § 266 StGB Rdnr. 21. 116 Wiede1TUlnn, GesR, § 5 I. I. a). 117 Weber-Greller, AcP 183 [1983], 316, 324. 118 Weber-Greller, AcP 183 [1983], 316, 325. 119 Weber-Greller, AcP 183 [1983], 316, 327.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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duellen Willen des Einzelnen unabhängiges Sondervermögen zu schaffen und zu erhalten 120. Über die rechtstechnische Konstruktion der propagierten Vielheit wird zwar gestritten. Die Bandbreite der dazu vertretenen Lehren umfasst insbesondere die Auffassung vom gebundenen Miteigentum an den einzelnen Vermögensgegenständen (Theorie der geteilten Mitberechtigung) 121 , die Lehre von der personenrechtlich überlagerten Rechtsgemeinschaft 122, die Lehre von der Rechtsgemeinschaft als Oberbegriff für Rechtsgemeinschaft und Gesamthand 123 , sowie die Auffassung von der Mitberechtigung der Gesamtbänder für das gesamte Sondervermögen (Theorie der ungeteilten Mitberechtigung) 124, alle Auffassungen gelangen aber zu dem Ergebnis, dass ein selbstständiges, von den Gesamtbändern getrenntes Gesamthandsvermögen nicht vorliege, sondern dieses den Gesamthändern, wenn auch unter Beschränkung der Sonderverfügung, zustehe. Es liegt auf der Hand, dass ein Schutz des Vermögens der Personenmehrheiten ohne Rechtspersönlichkeit, die einer Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen, durch den Untreuetatbestand bei Anwendung dieser Sicht wegen der Zuordnung des Vermögens zu den Gesamtbändern ausscheidet, weil neben der Personenmehrheit kein eigenständiger Vermögensträger vorhanden wäre. bb) Einheitslehre Auch auf der Grundlage des modernen Gesamthandsverständnisses 125 muss eine eigenständige Vermögensträgerschaft von Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die einer Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen, abgelehnt werden. Die sog. Einheitslehre bzw. Gruppenlehre knüpft an die deutschrechtliche Gesamthandslehre 126 an, die nicht das Gesamthandsvermögen, sondern Weber-Greller, AcP 183 [1983], 316,328. Joerges, ZHR 49 [1900], 140 ff.; Kohler; Bürgerliches Recht, § 20 S. 55 f.; Laband, ZHR 31 [1885], 1, 40 ff.; Nagler; Sächs. Archiv für BR Bd. 10 [1900], 695, 723 ff.; aus neuerer Zeit: Buchner; AcP 169 [1969], 383 ff.; Schulze-Osterloh, Gesarnthandsprinzip, S. 14 ff. 122 Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, Vorb. 4 c 1 vor§ 705; Sohm, in Festgabe für Degenkolb, S. 62. 123 Engländer; regelmäßige Rechtsgemeinschaft, S. 33. 124 Geiler; in Düringer/Hachenburg, S. 30 ff.; v. Tuhr; BR, S. 80 f.; wohl auch RGZ 56, 206, 209. 125 Fabricius, Relativität, S. 139 ff.; Flume, ZHR 136 [1972], 177, 193 ff.; ders., Personengesellschaft, S. 50 ff.; S. 68 ff.; Grunewald, GesR, Rdnr. 95 ff.; Habersack, JuS 1990, 179, 182; Hennecke, Sondervermögen, S. 61 ff.; Lindacher; JuS 1981, 431, 433 ff.; K. Schmidt, GesR, § 8 III.; Schünemann, Grundprobleme, S. 110 ff.; Teichmann, AcP 179 [1979], 475, 480; Ulmer; Gesellschaft, § 705 BGB Rdnr. 130; ders., AcP 198 [1998], 113, 133 ff.; jetzt auch Wiedemann, in Kellermann-FS, 529 ff.; ders., WM 1994, Sonderbeilage 4, S. 4 ff., S. 139 ff. 126 Vgl. dazu Buchda, Gesarnthandslehre, S. 166 ff. 12o 121
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
die Gesamthand als Personengemeinschaft zum Ausgangspunkt ihrer Lösung nahm. Nach dem modernen Gesamtbandsverständnis besitzt das Prinzip der gesamten Hand im Gegensatz zur traditionellen Auffassung nicht nur einen vermögensrechtlichen Aussagewert, sondern darüber hinaus einen personenrechtlichen Aspekt 127. Wegen der Anerkennung der Zuordnung von Rechten und Pflichten zu Personenmehrheiten ohne Rechtspersönlichkeit handele es sich um überindividuelle Wirkungseinheiten, für die Rechte und Pflichten begründet werden können. Die vermögensrechtliche Verselbstständigung der Gesamthand vom Privatvermögen der Gesamtbänder sei nur die Folge der Rechtszuordnung an die Personenmehrheit128. Die Gesamthand als Gruppe der sie bildenden Gesamtbänder müsse deshalb als Bezugspunkt aller Rechtsbeziehungen der Gesamthand angesehen werden, so dass die Rechtsbeziehungen nicht - wie bei der traditionellen Lehre - mit den einzelnen Gesamthändern, sondern mit der Gesamthand als Gruppe bestehen. Daher sei der Gesamtbänder nur über seine Mitgliedschaft an den Rechtsbeziehungen der Gesamthand beteiligt. Die Besonderheit des Gesamtbandsvermögens auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet bestehe demzufolge nicht darin, dass es ein Vermögen besonderer Art sei, sondern sie liege in der Rechtszuständigkeit Die Vermögensgegenstände seien nicht einer Einzelperson zugeordnet, sondern eben einer Personenmehrheit 129• Wegen der Charakterisierung der Gesamthand als überindividuelle Wirkungseinheit sei eine Abgrenzung von der grundsätzlich als Körperschaft anzusehenden juristischen Person erforderlich, die ebenfalls eine überindividuelle Wirkungseinheit darstelle. Der Unterschied zwischen der in der Regel körperschaftlich strukturierten juristischen Person und der Gesamthand sei in der unterschiedlichen Organisationsform zu sehen. Während die Gesamthand als kollektive Einheit, d. h. als Gruppe der in ihr vereinigten Personen zu verstehen sei, werde die körperschaftlich strukturierte juristische Person als Person verabsolutiert 130. Bei der Gesamthand bildeten die Mitglieder die Gruppe, wohingegen bei der körperschaftlich strukturierten juristischen Person die Mitglieder als funktioneller Teil der Organisation verstanden werden, die ihnen gegenüber verselbstständigt ist. Die Gesamthand existiert nach diesem Verständnis somit durch die Gruppe ihrer Mitglieder. Zum Teil 131 wird dies auf den kurzen Nenner gebracht, dass die juristische Person als Verbandsperson, die Gesamthand als Personenverband zu qualifizieren sei.
127 128 129 130
131
Flume, Personengesellschaft, S. 68 ff.; Habersack, JuS 1990, 179, 180 ff. Flume, Personengesellschaft, S. 68. Flume, Personengesellschaft, S. 74. Flume, Personengesellschaft, S. 94. Schönfeld, in FestgabeRG II, 191, 226.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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Nach der Einheitslehre erscheinen im Übrigen die Gesamtbänder als Inhaber der Handlungshoheit, während bei der körperschaftlich strukturierten juristischen Person die Handlungshoheit durch deren Organe ausgeübt wird. Das Gruppenverständnis bei der Gesamthand führt jedoch nicht zu einer eigenständigen Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB, da es zwar die Gruppe von dem einzelnen Gesamtbändern unterscheidet, wodurch ein neues Zuordnungssubjekt entsteht, das allerdings nicht gegenüber den Mitgliedern verselbstständigt ist. Die Gesamtbänder stellen nämlich als Gruppe das Zuordnungssubjekt dar. Demzufolge existiert keine von den Gesamtbändern gänzlich verselbstständigte Vermögensmasse 132, so dass danach ebenfalls keine eigenständige Vermögensträgerschaft von Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die einer Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen, im Sinne des § 266 StGB anzunehmen ist. cc) "Auflösungsthese"? Möglicherweise folgt jedoch aus einem mittlerweile veränderten Gesamthandsverständnis, vor allem unter Einfluss der Verselbstständigungsdiskussion, ein anderer Grad an Selbstständigkeit der Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die einer Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen. Da in dem dogmatischen Streit um die Struktur der Gesamthand kein Konsens erzielt wurde, ist vereinzelt gefordert worden 133, auf jegliche Prinzipienbildung zu verzichten. Dieser Vorschlag wird aber zu Recht abgelehnt, weil er nichts anderes als die Kapitulation der Theorie vor der Fülle von praktischen Einzelfragen darstellt134. Andere schlagen deshalb eine Auflösung des Gegensatzes von Einheits- und Vielheitslehre vor135. Diese "Auflösungsthese" vergleicht die verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften des BGB und gelangt zutreffend zu dem Schluss, dass der Rechtskreis der Gesamthand gegenüber der Vermögenssphäre ihrer einzelnen Mitglieder je nach Gesamtbandsgemeinschaft unterschiedlich stark abgegrenzt werden kann 136. §§ 719, 1410,2033 BGB enthalten ein offenes Rechtsprinzip, dass Ableitungen nach beiden Richtungen (also sowohl entsprechend der Einheits- als auch entsprechend der Vielheitslehre) zulässt. So ist beispielsweise anerkannt 137 , 132 So aus zivilrechtlicher Sicht zutreffend Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 108; wohl auch Wertenbruch, Haftung, S. 211 f. 133 Blomeyer, JR 1971, 397, 401. 134 K. Schmidt, GesR, § 8 III. 2. 135 Breuninger, Rechtssubjekt, S. 108 f.; K. Schmidt, GesR, § 8 III. 3.; Roth, ZHR 155 [1991], 24, 34; Wiedemann, GesR, § 5 I. l. b). 136 Wiedemann, GesR, § 5 I. l. b ). 137 Gemhuber/Coester-Waltjen, FamR, § 38 II.
12 Hentschke
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
dass das Gesamtgut bei der Gütergemeinschaft nur ein Sondervermögen der Ehegatten darstellt. Dies entspricht der Vielheitslehre, die den Sondervermögenscharakter der Gesamthand hervorhebt. Anders zu beurteilen ist die Situation bei den Personengesellschaften, die als Träger von Rechten und Pflichten anerkannt sind. Bei ihnen steht die Gruppe der Gesamthänder im Vordergrund. Deshalb ist hier der Einheitsgedanke der Gesamthand eher einschlägig. Insgesamt ist nach geltendem Recht somit zwar kein Einheitsmodell der Gesamthand gegeben 138, einer Gesamthandsvermögenszuordnung kann aber nur entweder das Einheits- oder das Vielheitsheitsverständnis zugrunde gelegt werden. Ein anderer Verselbstständigungsgrad wird deshalb durch die Auflösungsthese bei den verschiedenen Gesamtbandsgemeinschaften jedenfalls nicht erreicht, so dass letztere auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als von ihren Mitgliedern verselbstständigte Vermögensträger i. S. d. § 266 StGB in Betracht kommen.
b) Aufhebung des Gesamthandsprinzips? Neue Bestrebungen in der Literatur 139 gehen jedoch dahin, die Gesamthand auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts aufzugeben. Die Personengesellschaften müssten als juristische Personen behandelt werden. Die Aufgabe des Gesamtbandsverständnisses sei insbesondere bei Berücksichtigung eines neuen gemeineuropäischen Privatrechts geboten 140, weil andere europäische Rechtsordnungen, z. B. Art. 1842 Abs. 1 des französischen Code Civil, die Gesamthand nicht kennen und die Personengesellschaften als juristische Personen ansehen. Eine Gleichsetzung der Personengesellschaften mit den juristischen Personen sei gerechtfertigt, weil zum einen zwischen den Personengesellschaften (als Gesamthandsgesellschaften verstanden) und den juristischen Personen keine gravierenden Unterschiede mehr bestünden und zum anderen wegen der Möglichkeit der identitätswahrenden Umwandlung der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft die Personengesellschaften dem Recht der juristischen Personen unterstellt werden müssten. Konsequenz dieser Sichtweise wäre die Anerkennung der Personengesellschaften als Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB kraft Rechtspersönlichkeit Das Vermögen müsste wegen der Verselbstständigung der Personengesellschaft zur juristischen Person dieser selbst zugeordnet werden. Eine Gesamthandsvermögenszuordnung wäre dann auch bei der Vor-GmbH nicht mehr möglich. Sie müsste wie die Personengesellschaften dem Recht der ju138 Daranknüpft auch die Kritik von lohn, Rechtsperson, S. 221 f. an, der deshalb sogar am Darstellungswert der Gesamthand überhaupt zweifelt. 139 Raiser; AcP 194 [1994], 495, 500; ders., in Zöllner-FS, 469, 489; Timm, ZGR 1996, 247, 251 ff.; einschränkend für Außengesellschaften Bälz, in Zöllner-FS, 35, 41,47 ff. 140 Raiser; AcP 194 [1994], 495, 500.
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ristischen Person unterstellt werden und würde eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB sein. Die nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass diesen Begründungsansätzen nicht zu folgen, mit dieser These also die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH im Sinne des § 266 StGB nicht überzeugend zu begründen ist. aa) Unmöglichkeit der Gleichsetzung mit der juristischen Person Die Gesamtbandsgesellschaften weisen zwar einige Gemeinsamkeiten mit den juristischen Personen auf, die dennoch festzustellenden erheblichen strukturellen Unterschiede verbieten jedoch eine Gleichsetzung. (1) Gemeinsamkeiten
(a) Existenz mehrerer Haftungsfonds Grundsätzlich verfügen juristische Personen nur über einen einzigen Haftungsfond. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos, so dass darin kein Merkmal zu finden ist, dass die juristische Person von der Gesamthand unterscheidet. Die KGaA verfügt nämlich über einen persönlich haftenden Komplementär und ist dennoch als juristische Person anerkannt. Somit ist wie bei den Gesamtbandsgesellschaften angesichts der persönlichen Haftung eines Gesellschafters ein weiterer Haftungsfond vorhanden. (b) Ähnlichkeit von Gesellschaftsvertrag und Satzung Ferner unterscheidet sich die Gesamtbandsgesellschaft von der juristischen Person nicht dadurch, dass jene einen Gesellschaftsvertrag voraussetzen, während diese eine Satzung erfordert 141 • Auch die juristischen Personen des Handelsrechts (GmbH, AG) gehen aus Gesellschaftsverträgen ihrer Gründer hervor, die in der Regel ohne inhaltliche Änderung über die Verleihung der Rechtspersönlichkeit hinaus fortbestehen und deshalb keine andere Rechtsqualität besitzen. (c) Treuepflichten Auch die Treuepflichten können nicht als Merkmal für eine Differenzierung zwischen den Gesamtbandsgesellschaften und den juristischen Personen herangezogen werden. Bei den juristischen Personen des Handelsrechts (GmbH, AG) erkennt die Rechtsprechung 142 Treuepflichten der Mitglieder untereinander an, die eigentlich als strukturbildendes Merkmal der Gesamtbandsgesellschaften galten. 141
Raiser; AcP 194 [1994], 495, 507.
142
Für die GmbH vgl. BGHZ 65, 15, 21; für die AG vgl. BGHZ 103, 184, 194.
12*
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
(2) Unterschiede
(a) Bestandsschutz Unterschiede zwischen den Gesamtbandsgesellschaften und denjuristischen Personen ergeben sich jedoch beim Bestandsschutz. Grundsätzlich endet die Gesamthandsgesellschaft mit dem Tod oder dem Ausscheiden eines Gesellschafters (§ 727 BGB), während der Bestand der juristischen Person wegen der eigenen Rechtspersönlichkeit vom Ausscheiden oder Tod eines Mitgliedes unberiihrt bleibt. Allerdings sieht das Gesetz bei der Gesamtbandsgesellschaft auch im Falle des Todes oder Ausscheidens eines Mitglieds die Möglichkeit der Vereinbarung einer Fortsetzbarkeit der Gesellschaft vor (§§ 736 ff. BGB, § 139 HGB). Der dadurch bewirkte Bestandsschutz der Gesamtbandsgesellschaft ist jedoch nicht mit dem der juristischen Person gleichzustellen. Bei der Gesamthand ist es für die Fortführung der Gesellschaft ohne den ausscheidenden Gesellschafter notwendig, dass dieser eine Abfindung erhält. Dem kann zwar entgegnet werden, dass bei der GmbH als juristischer Person dem ausscheidenden Gesellschafter ebenfalls ein Abfindungsanspruch gegen die GmbH zusteht 143 . Gleichwohl darf dabei nicht verkannt werden, dass die Zwecke der Abfindungsanspruche bei der Gesamtbandsgesellschaft und bei der GmbH nicht übereinstimmen. Sicherlich steht bei beiden im Vordergrund, dass dem ausscheidenden Gesellschafter sein Geschäftsanteil quasi durch die Abfindung zuriickerstattet wird. Bei der Gesamthand hat die Abfindung aber dariiber hinaus den Sinn, die Fortführung der Gesamtbandsgesellschaft zu sichern. Denn § 738 Abs. I Satz 2 BGB sieht die Abfindung als Notwendigkeit für die Fortführung der Gesamtbandsgesellschaft an 144. Bei der Gesamtbandsgesellschaft ist also in wesentlichen Beziehungen die Personalisierung nicht abdingbar145 • Darin kommt ihre Abhängigkeit von den Gesamtbändern zum Ausdruck. Bei der GmbH hat der Abfindungsanspruch dagegen wegen ihrer Einordnung als Körperschaft keine bestandssichernde Funktion. Somit können Gesamtbandsgesellschaft und juristische Person im Hinblick auf den Bestandsschutz nicht gleichgestellt werden. Dariiber hinaus wird mit dem Hervorheben des Bestandsschutzes bei der Gesamthandsgesellschaft der Eindruck erweckt, die Möglichkeit der Vereinbarung von körperschaftlichen Elementen im Gesellschaftsvertrag entspräche ihrem gesetzlichen Leitbild. Damit wird jedoch das Ziel einer der Systematisierung dienenden Abgrenzung von Gesamthand und juristischer Person verkannt. Bei der Systematisierung geht es um die idealtypische Gegenüberstellung von Gesamthand und juristischer Person, wobei vom gesetzlichen Regelfall auszugehen ist, nach dem ein gravierender Unterschied im Bestandsschutz von Gesamthand und juristischer 143 Zum Abfindungsanspruch des ausscheidenden GmbH-Gesellschafters vgl. Kraft/ Kreuz, GesR, S. 384. 144 Flume, in Raiser-FS, 27, 50. 145 So auch Flume, in Raiser-FS, 27, 49.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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Person, wie dargelegt, festzustellen ist. Die Gleichsetzung der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft mit der gesetzlichen Grundform der Personengesellschaft führt im Endeffekt zu der Auflösung von Grundtypen und zur Unmöglichkeit jeglicher Systematisierung. Dies entspricht nicht dem Bestand juristischer Methodik. Ein solches methodisches Vorgehen würde zum Beispiel dazu führen, wegen der Möglichkeit des Mietkaufs oder des Leasings die Aufteilung zwischen Kaufrecht und Mietrecht im besonderen Schuldrecht aufzugeben 146. Dies ist jedoch nicht geboten. Die Möglichkeit der Vereinbarung körperschaftlicher Elemente bei der Personengesellschaft ist seit langem anerkannt 147 und kein Anlass, die herkömmliche Systematisierung aufzugeben. (b) Unmöglichkeit der Fremdorganschaft Zudem stellt die Unmöglichkeit der Fremdorganschaft bei den Gesamtbandsgesellschaften ein eindeutiges Merkmal zur Unterscheidung der Gesamtbandsgesellschaft von der juristischen Person dar. Zwar ist für einige juristische Personen gesetzlich die Selbstorganschaft vorgeschrieben. So können bei der Genossenschaft nur Genossen zum Vorstandsmitglied bestellt werden (§ 24 Abs. 2 GenG) und die KGaA nur von Komplementären geführt und vertreten werden. Maßgebend ist jedoch, dass bei den Gesamtbandsgesellschaften die Fremdorganschaft nicht zugelassen werden kann 148 . (c) Unzulässigkeit der Einmannbeteiligung bei der Personengesellschaft Ferner kommt als Unterscheidungsmerkmal zwischen der Gesamthand und der juristischen Person die Unzulässigkeit einer Einmann-Personengesellschaft, die eine Einmann-Gesamthand wäre, in Betracht. Wahrend die juristische Person mit nur einem Mitglied existieren kann, ist die Einmann-Personengesellschaft mit der zutreffenden herrschenden Meinung 149 nicht anzuerkennen. (aa) Entgegenstehendes Gesamtbandsverständnis Mit der Zulassung der Einmann-Personengesellschaft wäre die Anerkennung einer Einmann-Gesamthand verbunden. Dies ist jedoch nicht mit dem dogmatischen Zu diesem Vergleich Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 122. Vgl. dazu insbesondere die ausführliche Untersuchung zur körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft bei Nitschke, Personengesellschaft, S. 31 ff. 148 Vgl. dazu die ausführliche Diskussion oben unter§ 2 I. 2. b) cc) (2) (b). 149 BGHZ 65, 79, 83; 71 , 296, 300; BGH, ZIP 1990, 505, 506; Flume, Personengesellschaft, S. 99 ff.; Huber, Vermögensanteil, S. 104 f.; Hueck, GesR, § 13 I. 3. (a.E.); Keßler; in Staudinger 12, vor§ 705 BGB Rdnr. 36; Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 87; Ulmer; in Staub, § 105 HGB Rdnr. 69. 146 147
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Gesamtbandsverständnis zu vereinbaren. Nach der Vielheitslehre 150 fehlt nämlich die gesamthändensehe Verbundenheit. Die Einheitslehre 151 erkennt die Gesamthand zwar als Rechtsträger an. Der Rechtsträger Gesamthand entsteht aber erst durch die Gruppe der Gesamthänder. Würde die Gesamthand durch die Zulassung der Einmann-Gesamthand nicht mehr als Gruppe existieren, würde der Gesamthand die sie bildende Substanz fehlen. Zwar wird vereinzelt vorgeschlagen 152, bei der Gesamthand auf ein Gruppenverständnis zu verzichten und somit die Einmann-Gesamthand anzuerkennen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dies nicht allein auf der Grundlage von deren Rechtsträgerschaft möglich ist, weil sie sonst mit der juristischen Person gleichgestellt würde. Diese Gleichstellung missachtet das dogmatische Verständnis der Gesamthand und stellt zudem ein Verstoß gegen das Normativsystem dar, nachdem juristische Personen nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen anzuerkennen sind. Mit dem dogmatischen Verständnis des Gesamtbandsprinzips ist die Annahme einer Einmann-Gesamthand somit nicht vereinbar. (bb) Entgegenstehende gesetzliche Regelungen Gegen die Zulassung der Einmanl)-Personengesellschaft sprechen zudem die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen 153• § 142 HGB a.F. wollte zwar die Geschäftsübernahme durch den einzig verbliebenen Gesellschafter ermöglichen und die Liquidation des bisher betriebenen Unternehmens verhindern 154. Für die Fortführung sah die Vorschrift beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aber lediglich die Möglichkeit eines einzelkaufmännischen Unternehmens vor.§ 142 HGB a.F. setzte folglich voraus, dass die Gesellschaft bei Reduzierung auf einen Gesellschafter zum Erlöschen kommt. Der Wortlaut des§ 142 HGB a.F. verdeutlichte dies, indem er beim Übrigbleiben eines Gesellschafters die Übernahme des Unternehmens, nicht jedoch die Fortbestand der Gesellschaft vorsah. Dies wurde auch aus dem Zusammenhang mit§ 140 HGB a.F. deutlich, der den Ausschluss eines Gesellschafters nur dann zuließ, wenn mehr als ein Gesellschafter übrig blieb. Nach § 140 HGB n.F. gilt nichts anderes. Zwar ist die Übernahmemöglichkeit durch den verbleibenden Gesellschafter gemäߧ 142 HGB a.F. durch das HandelsOben § 8 III. 5. a) aa). Oben§ 8 III. 5. a) bb). 152 Pfister, Einmann-Personengesellschaft, S. 130 ff. 153 Dies gesteht auch Raiser, AcP 194 [1994], 495,509 ein, der eine Einmann-Personengesellschaft ebenfalls als unzulässig ansieht, obwohl er im Übrigen die Personengesellschaft der juristischen Person gleichstellt. 154 Fett/Brand, NZG 1999,45, 48. 150 151
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rechtsreformgesetz 155 abgeschafft und durch§ 140 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. ersetzt worden, der die Ausschlussklage auch bei Verbleib eines einzelnen Gesellschafters zulässt. Damit ist aber keine Rechts-, sondern eine Folgeänderung verbunden 156• Durch den Ausschluss des vorletzten Gesellschafters entsteht nicht etwa eine Einmann-Personengesellschaft, sondern es kommt zum Übergang des Vermögens mit Aktiva und Passiva auf den Verbleibenden 157 . § 140 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. setzt die Unmöglichkeit der Einmann-Personengesellschaft voraus. Dies hebt auch die Gesetzesbegründung 158 hervor, in der sich die Entwurfsverfasser gegen die Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft aussprechen. Damit ist die Gegenauffassung 159 abzulehnen, die sich für die Zulassung einer Einmann-Personengesellschaft auf den Zweck des § 142 HGB a.F. beruft, der nach ihrer Sicht nicht darin bestanden habe, beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters die Umwandlung der Personengesellschaft in ein einzelkaufmännisches Unternehmen und damit das liquidationslose Erlöschen der Gesellschaft zwingend vorzusehen 160, denn die Regelung hätte es dem verbleibenden Gesellschafter freigestellt, einen Übernahmeantrag zu stellen. § 142 a.F. HGB hätte folglich keinen automatischen Erlöschungstatbestand für die Personengesellschaft geschaffen. Dafür habe auch gesprochen, dass diese Vorschrift abdingbar gewesen sei 161 . Aus der Disponibilität des § 142 HGB a.F. folgte jedoch keineswegs die Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft, sondern sie brachte nur zum Ausdruck, dass die Gesellschafter die angebotene Option vernichten konnten. War diese Fortführungsmöglichkeit abbedungen, konnte das Unternehmen mit nur einem Gesellschafter nicht fortgeführt werden 162 • Darüber hinaus bot das Übernahmewahlrecht des verbleibenden Gesellschafters kein Argument für die Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft Der Letztgesellschafter bewirkte nämlich erst durch den Übernahmeantrag das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters. Dies stellte einen nicht aufspaltbaren, rechtsgestaltenden Vorgang dar, mit dem die Liquidation des Unternehmens durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters verhindert werden sollte. Die Übernahmemöglichkeit spricht deshalb nicht für die Anerkennung der EinmannPersonengesellschaft
BGBI. I 1998, S. 1474 ff. Schaefer, DB 1998, 1269, 1274. 157 Schaefer, DB 1998, 1269, 1274. 158 BT-Drucks. 13/8444, S. 67. 159 Baumann, BB 1998, 225 ff.; Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaften, S. 15 ff., 44; Weimar, ZIP 1997, 1769 ff. 160 Weimar, ZIP 1997, 1769, 1774. 161 Baumann, BB 1998, 225, 230. 162 Ähnlich Fett/ Brand, NZG 1999, 45, 48. 155 156
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(cc) Erbrechtliche Konstruktionen Zudem ist eine Einmann-Personengesellschaft bei erbrechtliehen Konstellationen nicht anzuerkennen 163 . Der BGH 164, der zwar grundsätzlich die Einmann-Personengesellschaft ablehnt, erkennt allerdings eine Ausnahme von diesem Grundsatz an, wenn der vorletzte Gesellschafter einer OHG als Erblasser den verbleibenden Gesellschafter als Vorerben einsetzt und für die Nacherbschaft eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist. In diesem Falle soll die Gesellschaft trotz der Vereinigung der Gesellschaftsanteile in der Person des Vorerben im Verhältnis zum Nacherben Weiterexistieren 165 . Zwar ist bei dieser erbrechtliehen Konstruktion nicht zu verkennen, dass eine Divergenz zwischen dem Gesellschaftsrecht und dem Erbrecht besteht. Da sich im Vorerbfall die Anteile in der Hand des einzig verbliebenen Gesellschafters vereinigen, müsste dies nach Gesellschaftsrecht die Personengesellschaft zum Erlöschen bringen. Diese gesellschaftsrechtliche Konsequenz widerspricht jedoch dem Erbrecht. Danach steht dem Vorerben als Gesellschafter der geerbte Anteil nur für die Dauer der Vorerbschaft zu. Anschließend tritt der Nacherbe an die Stelle des Vorerben. Mit dieser erbrechtliehen Wirkung sei aber nicht vereinbar, dass beide Gesellschaftsanteile zusammenfließen und die Gesellschaft somit erlösche. Deshalb wird vorgeschlagen, dass die Gesellschaft zum Schutz des Nacherben ihm gegenüber als Einmann-Personengesellschaft bei Aufrechterhaltung des vererbten Gesellschaftsanteils in der Person des Vorerben weiterexistieren soll 166• § 2143 BGB sei nicht einschlägig, da nach dieser Vorschrift das erloschene Rechtsverhältnis bei Eintritt der Nacherbschaft nur wieder auflebt. Diesem Vorschlag ist aber nicht beizupflichten. Es ist nämlich schon fraglich, ob der überlebende Gesellschafter zugleich als Eigengesellschafter und VorerbenGesellschafter agieren soll 167 , weil der Vorerben-Gesellschaftsanteil erhalten bleiben muss. Zudem lässt sich die Problematik auch ohne Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft befriedigend lösen. Bei Eintritt des Vorerbfalls erlischt die Personengesellschaft und lebt gemäß § 2143 BGB bei Anfall der Nacherbschaft wieder auf. Der Vorerbe ist während der Zeit der Vorerbschaft aber verpflichtet, trotz der Beendigung der Gesellschaft für die Vorerbschaft die Rechnung so weiter zu fUhren, als hätte die Beteiligung bestanden 168. Die Nutzungen der Beteiligung stehen selbstverständlich dem Vorerben zu. Die Fälle der Zwangsverwal-
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A.A. Weimar. ZIP 1997, 1769, 1772; ähnlich Pfister. Einmann-Personengesellschaft,
s. 139. 164
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BGHZ65, 79, 83; 71,296,300. BGH, ZIP 1986,912. Baur/Grunsky, ZHR 133 [1970], 209,221 f. Flume, Personengesellschaft, S. 101. Flume, Personengesellschaft, S. 102.
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tung lassen sich durch eine analoge, auf die Dauer der Zwangsverwaltung zeitbeschränkte Anwendung des§ 2143 BGB befriedigend lösen. Einer Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft bedürfen auch nicht die Fälle der Testamentsvollstreckung. Bei diesen stellt sich das Problem nämlich nicht, da für den vererbten Gesellschaftsanteil trotz der wirtschaftlichen Eigentümerstellung des Vorerben aufgrund der Testamentsvollstreckung auf verfügungsrechtlicher Ebene zwei Personen handeln, nämlich der Testamentsvollstrecker und der übrig gebliebene Gesellschafter (=Vorerbe). Somit ist von einer Mehrpersonengesellschaft auszugehen. Dafür spricht insbesondere die selbstständige Stellung des Testamentsvollstreckers, der eben kein Vertreter des (Vor-) Erben ist. 169 Insgesamt ist demnach aus erbrechtlicher Sicht die Anerkennung einer Einmann-Personengesellschaft nicht notwendig. (dd) Rechtslage bei der EWIV Des Weiteren gebietet die Rechtslage bei der EWIV, die wegen der in § 1 EWIV-AG geregelten Anordnung der Geltung von OHG-Recht als Personengesellschaft behandelt wird 170, ebenfalls keine Zulassung der Einmann-Personengesellschaft171. Die Gegenauffassung 172 folgert gleichwohl die Möglichkeit der Einmann-Personengesellschaft aus dem Liquidationsrecht der EWIV. Diese müsse zwar bei FehJen der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 EWIV-V0 173 gemäß Art. 31 Abs. 3 EWIV-VO aufgelöst werden. Der Umkehrschluss aus Art. 31 Abs. 3 EWIV-VO ergebe jedoch, dass die EWIV nicht automatisch erlösche, sondern nur bei Beschluss (besser: Entschluss) des verbleibenden Mitgliedes. Solange diese Entscheidung nicht gefallen sei, bestehe die EWIV als Einmann-Personengesellschaft fort, wobei es für die Entscheidung des verbleibenden Mitgliedes kein zeitliches Limit gebe174. Ferner müsse die Einmann-EWIV als Einmann-Personengesellschaft auch im Sinne der Arbeitnehmerinteressen fortgeführt werden 175. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Die Rechtslage bei der EWIV bietet keine tragfahige Grundlage für die Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft Gemäß Art. 31 Abs. 3, 4 Abs. 2, 32 Abs. 1 EWIV-VO muss das Gericht auf Antrag der Behörde die Auflösung der EWIV aussprechen, wenn der Mangel des Zur Stellung des Testamentsvollstreckers vgl. RGZ 56, 327, 330; BGHZ 25, 275, 279. Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaften, S. 16. m Fett/Brand, NZG 1999,45,49. 172 Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaften, S. 16 ff.; dem folgend Pfister. Einmann-Personengesellschaft, S. 161 f., 175; Weimar/ Delp, Wpg 1989, 89, 95. 173 Es müssen mindestens zwei Mitglieder aus zwei Staaten der EU beteiligt sein. 174 Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaft, S. 17. 11s Weimar, ZIP 1997, 1769, 1775. 169
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Vorhandenseins eines Mitgliedes nicht behoben wird 176. Das behauptete Fehlen eines zeitlichen Limits für die Fortführung der EWIV als Einmann-Personengesellschaft besagt folglich nichts, denn die Vereinigung existiert bei Verbleib eines Gesellschafters nicht weiter 177 . Auf den Schutz der Arbeitnehmerinteressen kann sich die Gegenauffassung nicht berufen, weil das Unternehmen in Form eines Einzelunternehmens fortgeführt und nicht etwa liquidiert wird 178 • Damit sind die Arbeitnehmerinteressen hinreichend geschützt. (ee) Firmenrecht des HGB Überdies steht der Anerkennung der Einmann-Personengesellschaft das Firmenrecht des HGB entgegen. So hat nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 HGB die Firma der OHG das Vorhandensein mehrerer Gesellschafter durch einen Zusatz anzudeuten. Dem Einzelkaufmann spricht§ 18 Abs. 2 HGB das Verbot aus, bei nur einem persönlich Haftenden einen Zusatz anzufügen, der das Vorhandensein mehrerer persönlich Haftender vortäuscht. Aus dem Zusammenhang der Regelungen der §§ 18, 19 HGB wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Firmenrechts entweder vom Einzelkaufmann oder von der Mehrpersonengesellschaft ausgegangen ist179. Eine Einmann-Personengesellschaft ist nicht vorgesehen. (3) Zwischenergebnis
Insgesamt bestehen daher zwischen der Gesamtbandsgesellschaft und der juristischen Personen so erhebliche strukturelle Unterschiede, dass die Gesamtbandsgesellschaft nicht einfach dem Recht der juristischen Person unterstellt werden kann 180. Das gilt auch für die Vor-GmbH, so dass sie jedenfalls nicht als Vermögensträger kraft Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 266 StGB gelten kann. bb) Konsequenzen des UmwG Dieser Befund hat auch nach dem lokrafttreten des Umwandlungsgesetzes 1994 181 Bestand. In der Literatur 182 wird gleichwohl behauptet, das GesamthandsFett/ Brand, NZG 1999, 45,49 [Fn. 65]. Fett/Brand, NZG 1999,45,49 [Fn. 65]. 178 Fett/Brand, NZG 1999, 45,49. 179 Fett/Brand, NZG 1999,45,49. 180 Dies gilt auch nach Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR durch den BGH (NJW 2001, 1056 ff.), denn er hat zugleich die Einordnung der GbR als juristische Person zu Recht klar verneint (NJW 2001 , 1056, 1058). 181 Gesetz vom 28. 10. 1994, BGBI. 1994 I, S 3210 ff. berichtigt BGBI. 1995 I, S. 428. 182 Raiser, AcP 194 [1994], 495, 498 ff. ; ders., in Zöllner-FS, 469, 486; Tlmm, NJW 1995, 3209, 3210; ders., ZGR 1996, 247, 251 ff.; Zürbig, Formwechsel, S. 51 f.; ansatzweise !76 177
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verständnis bei Personengesellschaften sei aufzugeben, weil §§ 191, 201 Abs. 1 Nr. 1 UmwG- im Gegensatz zum Umwandlungsgesetz von 1969- die Möglichkeit der identitätswahrenden Umwandlung einer Personengesellschaft (Gesamthandsgesellschaft) in eine Kapitalgesellschaft und umgekehrt vorsehen. Der Rechtsträger besteht nach den Anordnungen des Gesetzes in der neuen Form weiter, dessen Identität bleibt also erhalten. Diese Regelung lasse sich nur erklären, wenn die Personengesellschaft, insbesondere die GbR, nicht nur generell als Rechtsträger183 anerkannt, sondern dem Recht der juristischen Person unterstellt werde 184. Demzufolge führe die gesetzlich angeordnete Identität von Personengesellschaften und juristischen Personen in Form der Kapitalgesellschaften zur Aufgabe der bisherigen Systematik des Gesellschaftsrechts, nach der Gesamtbandsgesellschaften und juristische Personen gegenüber zu stellen sind 185 . Eine Gesamthandsvermögenszuordnung finde bei den Personengesellschaften nicht mehr statt, weilletztere dem Recht der juristischen Person unterstellt werden müssten 186. Nach diesem Ansatz wären die Personengesellschaft und auch die Vor-GmbH als eigenständige Vermögensträger im Sinne des § 266 StOB anzusehen. Dieser Sichtweise ist indes nicht zu folgen, weil ihr der gegenwärtige Stand des Personengesellschaftsrechts entgegensteht. Das Recht der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft verweist auf das Recht der BOB-Gesellschaft. Letzteres ist aber noch nicht modernisiert, weshalb auf die strukturelle Gleichartigkeit von offener Handelsgesellschaft und Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rücksicht genommen werden muss 187 • Da dem Recht der GbR ein Gesamthandverständnis zugrunde liegt, kommt eine Aufgabe der Gesamthand für Personengesellschaften insgesamt nicht in Betracht. Zudem stellt bei Personengesellschaften die steuerrechtliche Figur der Mitunternehmerschaft (§ 15 EStG), so kritisch man sie einschätzen mag, einstweilen ein Hemmnis für die Aufgabe der Anwendung des Gesamtbandsprinzips dar 188 . In§ 15 EStG sind ausdrücklich die Gesellschafter der GbR, OHG und KG als Unternehmer angesprochen. Die gesetzlichen Grundregeln über die Personengesellschaften müssten dieser neuen Umwandlungsrechtssituation erst angepasst werden, bevor bereits Lutter, ZGR 1990, 392, 395; generell für die Aufgabe der Gesamthand und für die Anerkennung der BOB-Außengesellschaft als juristische Person Bälz, in Zöllner-FS, 35, 42; anders Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 62 ff., der aus dem UmwG die Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft folgert, aber offen lässt, ob sie zugleich als juristische Personen anzusehen sind. 183 Timm, NJW 1995, 3209, 3218. 184 So jetzt Timm, ZGR 1996, 247, 251 ff.; für die Personenhandelsgesellschaften zieht Raiser. AcP 194 [1994], 495,504 diese Konsequenz. 185 Timm, NJW 1995,3209, 3210; Zürbig, Formwechsel, S. 52. 186 Raiser, in Zöllner-FS, 469, 480; Timm, ZGR 1996, 247, 251 ff.; Zürbig, Formwechsel, S. 51 f.; ansatzweise bereits Lutter, ZGR 1990, 392, 395. 187 So zu Recht K. Schmidt, GesR, § 8 I. 3. b). 188 K. Schmidt, GesR, § 8 I. 3. b).
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solche weitreichenden Folgen für das Personengesellschaftsrecht angenommen werden können. Der Aufgabe der Gesamthand und der damit verbundenen Anerkennung der Personengesellschaft als juristische Person stehen ferner die an anderer Stelle vorgenommenen Gesetzesänderungen entgegen. Zwar spricht z. B. § 1059 a Abs. 2 BGB von der Gleichstellung von juristischer Person und rechtsfähiger Personengesellschaft Die Notwendigkeit der gesetzlichen Anordnung einer Gleichbehandlung verdeutlicht aber, dass Personengesellschaften eben noch nicht als juristische Personen anzusehen sind. Vielmehr wird durch die Verwendung des neuen Begriffs der rechtsfähigen Personengesellschaft, der sich auch in den§§ 14 Abs. 2, 1059 e, 1061 Satz 2, 1092 Abs. 3, 1098 Abs. 3 BGB findet, klar, dass der Gesetzgeber in Konsequenz zu § 124 HGB die Zuordnung von Rechten und Pflichten zu Personengesellschaften anerkannt hat. Die Einordnung als juristische Person ist damit gleichwohl nicht verbunden. Überdies wird durch § 11 Abs. 2 InsO sichtbar, dass die Personengesellschaften trotz der Anerkennung einer Rechtsfähigkeit nicht zugleich als juristische Personen anzusehen sind, weil ihnen keine eigene Rechtspersönlichkeit zugebilligt wird. Die Anerkennung der Personengesellschaft als juristische Person würde auch gegen das geltende Normativsystem verstoßen. Zwar wäre der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert, durch eine Gesamtkodifikation des Gesellschaftsrechts die Personen- und Kapitalgesellschaft als spezifische Ausprägungen der juristischen Person des Privatrechts zu regeln 189• Ein solches Regelungsziel ist jedoch nach dem gegenwärtigen Rechtszustand nicht, auch nicht im UmwG zu erblicken 190• Mit einer Gleichstellung von Gesamthandgesellschaften und juristischen Personen wäre das UmwG weit über das gesetzliche Ziel hinaus gegangen, denn eine derartige Gleichstellung hätte quasi das System der freien Körperschaftsbildung eingeführt. Ziel des UmwG ist jedoch nur, eine in der Rechtspraxis handhabbare Lösung für die Unternehmensfortführung der Personengesellschaft als Kapitalgesellschaften zu finden, dagegen nicht, in die Dogmatik des Personengesellschaftsrechts einzugreifen und die Gesamthand abzuschaffen 191 • Anzuerkennen ist aber, dass sich die Identität von Gesamtbandsgesellschaften und juristischen Personen beim Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz ohne Anerkennung der Personengesellschaft als juristische Personen dogmatisch nicht nachvollziehen lässt, denn der Übergang des Vermögens von der Gesamtbandsgesellschaft auf die juristische Person wäre mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden. Deshalb ist es zutreffend, dass die identitätswahrende Umwandlung der Gesamthand in eine juristische Person als "etwas Gewaltsames" bezeichnet wird 192 • Die formwechselnde Umwandlung, bei der ein Wechsel des Rechtsträgers nicht 189
190 191 192
Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 120f. Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 120f. Seibert, JZ 1996, 785; ebenso Bemdt/Boin, NJW 1998, 2854, 2857. Zöllner, in Gemhuber-FS, 563, 566.
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stattfindet, ist dogmatisch nur unter Gesellschaften gleichen Strukturtyps möglich 193 und deshalb eben nicht zwischen Gesamthandgesellschaft und juristischer Person in Form der Kapitalgesellschaft anzuerkennen. Jedoch lässt sich die Problematik in der Weise auflösen, dass die identitätswahrende Umwandlung der Personengesellschaft in eine juristische Person in Gestalt der Kapitalgesellschaft als zulässige gesetzliche Fiktion angesehen wird 194, die der Verwirklichung des Regelungsziels des Umwandlungsgesetzes, nämlich einen Wechsel der Unternehmensform ohne besondere Schwierigkeiten und Kosten zu ermöglichen 195 , dient. Es ist sowohl rechts- als auch wettbewerbspolitisch geboten, den Unternehmen zu gestatten, sich durch einen Wechsel ihrer Rechtsform den veränderten wirtschaftlichen Rahmendaten anzupassen 196. Deshalb ist es durch die Fiktion der Identität zwischen altem und neuem Rechtsträger als gesetzlicher Technik möglich, eine Kontinuität des Unternehmens zu bewirken, ohne damit eine Gesamtkodifikation des übrigen Gesellschaftsrechts zu schaffen 197. cc) Beibehaltung des Gesamtbandsprinzips trotz Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR Wegen der im vorhergehenden Punkt beschriebenen Rechtslage kann die Personengesellschaft, vor allem die GbR als deren Grundform, nicht als juristische Person angesehen werden. Auch der BGH 198 hat sich bei der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR deutlich gegen deren Qualifizierung als juristische Person ausgesprochen. Somit gilt das Gesamtbandsprinzip weiterhin für die Personengesellschaft199• Habersack, JuS 1990, 179, 182. Hennrichs, ZIP 1995, 794, 795; Peifer, NZG 2001, 296, 299; Streck/Mack/Schwedhelm, GmbHR 1995, 161, 171; Ulmer, in MüKo, § 705 BGB Rdnr. 8; Zöllner, in ClaussenFS, 423, 436; ähnlich Bärwaldt/Schabacker, ZIP 1998, 1293, 1298; Kallmeyer, GmbHR 1993, 461, 463; nach Wertenbruch, Haftung, S. 271 f. bezieht sich die Identität des Formwechsels nicht auf die innere Struktur, sondern nur auf die Rechtsbeziehungen nach außen, so dass auch die Personengesellschaft wie die juristische Person rechtsfähig ist. 195 Hennrichs, ZIP 1995, 794, 795. 196 Hennrichs, ZIP 1995,794, 795. 197 Ähnlich Zöllner, in Claussen-FS, 423,430. 198 BGH, NJW 2001, 1056, 1058; dem folgend Habersack, BB 2001, 477, 478; Peifer, NZG 2001, 296, 299; Ulmer, ZIP 2001, 585, 588; für die Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR schon Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 62 ff. und Wertenbruch, Haftung, s. 211 ff. 199 Gesmann-Nuissl, WM 2001, 973, 974; Goette, DStR 2001, 315; Peifer, NZG 2001, 296, 299; Ulmer, ZIP 2001 , 585, 587; Wiedemann, JZ 2001 , 661, 663. Zwar sieht ein Teil der Literatur (K. Schmidt, NJW 2001, 993, 996; K. St. Scholz, NZG 2002, 153, 157; wohl auch Hadding, ZGR 2001, 712, 743) wegen der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR deren Einordnung als juristische Person als diskussionsbedürftig an, lässt dies im 193 194
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
c) Ergebnis
Demzufolge ist die Gesamthand im Gesellschaftsrecht beizubehalten. Für die hier zu untersuchende Untreueproblematik bedeutet dies, dass bei den rechtlich anerkannten Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die der Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen, kein gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigter Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anerkannt werden kann. Die weitere Geltung der Gesamthand im Gesellschaftsrecht scheint dafür zu sprechen, dass die überwiegende Ansicht, die bei der Vor-GmbH von einer Gesamthandsvermögenszuordnung ausgeht, zutrifft. 6. Vermögenszuordnung bei Körperschaften ohne Rechtspersönlichkeit a) Organisationsstruktur und Vermögenszuordnung
Die vorstehenden Erwägungen gelten jedoch nur für Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die keine Körperschaften sind. Bei Körperschaften ist dagegen eine Gesamthandsvermögenszuordnung generell ausgeschlossen, da ihnen selbst, unabhängig von ihren Mitgliedern, eigene Rechte zugeordnet werden, so dass sie als eigenständige Vermögensinhaber anzusehen sind. Deshalb stellen Körperschaften unabhängig von der Rechtspersönlichkeit eigenständige Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB dar. Zwischen der Organisationsstruktur eines Gebildes und der Vermögenszuordnung besteht nämlich ein Zusammenhang200, der dagegen spricht, bei Körperschaften - und zwar auch bei Fehlen der Rechtspersönlichkeit - eine Gesamthandsvermögenszuordnung vorzunehmen. Für die Anerkennung der Vermögensträgerschaft kommt es danach nicht zwingend auf die eigene Rechtspersönlichkeit an, sondern auf die Möglichkeit der Rechtszuordnung (Rechtsträgerschaft) und die Struktur eines Gebildes. In der Literatur wird allerdings die Auffassung201 vertreten, zwischen Organisationsstruktur und Vermögenszuordnung bestehe kein Zusammenhang, sondern es handele sich um zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige Kategorien, so dass körperschaftliche Struktur und Gesamthandvermögenszuordnung miteinander vereinbar seien. Als Beispiel dafür wird der nichtrechtsfähige Verein genannt, bei Ergebnis aber offen. Zugleich wird zutreffend hervorgehoben, dass hierzu wohl die Überarbeitung der gesetzlichen Vorschriften über die GbR erforderlich ist (K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1003). 200 Für einen Zusammenhang zwischen Organisationsstruktur und Vermögenszuordnung Albach, Einmanngründung, S. 142; Büttner, Identität, S. 112. 201 Kießling, Vorgesellschaft, S. 108 [Fn. 267]; M. Scholz, Haftung, S. 34/35.
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dem trotz einer körperschaftlichen Organisationsstruktur nach hergebrachter Auffassung eine gesamthändensehe Zuordnung des Vermögens stattfinde. Dementsprechend müsse die Zuordnung des Vermögens an die einzelnen Vereinsmitglieder erfolgen, da nur sie als Rechtspersonen Inhaber von Rechten und Pflichten und somit von Vermögen seien könnten. Diese Begründung wird sich jedoch als nicht überzeugend erweisen202. b) Vor-GmbH als Körperschaft
Falls Körperschaften generell Vermögensträger sind, diese oben203 aufgestellte These gilt es im folgenden zu überprüfen, und die Vor-GmbH eine Körperschaft ist, so müsste sie aufgrund ihrer Rechtsträgereigenschaft204 als eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anerkannt werden. Für die Charakterisierung der Vorgesellschaft als Körperschaft ist nicht erforderlich, dass sie eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Nach allgemeiner Auffassung205 ist nämlich die Rechtspersönlichkeit keine notwendige Bedingung für die Anerkennung als Körperschaft.
aa) Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand Voraussetzung für die Anerkennung als Körperschaft ist dagegen, dass das jeweilige Gebilde unabhängig vom eigenen Mitgliederbestand ist. Die Einstufung der Vor-GmbH als Körperschaft ist strittig, weil bei der Vorgesellschaft in gewissem Umfang der Mitgliederbestand nicht wechselbar ist. Ein Gesellschafterwechsel im Stadium der Vor-GmbH ist nämlich nur aufgrund einer Neufeststellung des Gesellschaftsvertrages in der Form des § 2 GmbHG möglich. Der mit den neuen Gründungsgesellschaftern geschlossene Vertrag würde anderenfalls nicht der Form der §§ 2, 3 GmbHGentsprechen und daher unwirksam sein. Dies wird von einem Teil der Literatur206 zum Anlass genommen, die körperschaftliche Struktur der Vorgesellschaft abzulehnen, weil ein wesentliches Merkmal der Körperschaft, die Unabhängigkeit vom Mitgliederwechsel, fehle. Die Vorgesellschaft sei deshalb zwar als Gebilde eigener Art anzusehen, wegen der angeblich fehlenden Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand aber mit den Personenge2o2 203
Vgl. dazu im einzelnen§ 8 111. 6. d). § 8 111 6. a).
Dazu bereits unter § 8 111. 4. Büttner. Identität, S. 77; Dregger. Haftungsverhältnisse, S. 70; M. Sclwlz, Haftung, S. 31, 36. 206 Nitschke, Personengesellschaft, S. 144; F. Scholz, JW 1938, 3149, 3150; M. Scholz, Haftung, S. 55. 204 205
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sensehaften zu vergleichen und insofern als Mischgebilde zu bezeichnen207 , bzw. ihr sei eine Zwitterstellung208 zuzuschreiben. Dem ist aber zutreffend209 entgegengehalten worden, dass das Wesensmerkmal der Körperschaft nicht die Freiheit des Mitgliederwechsels, sondern lediglich die Unabhängigkeit vom jeweiligen Mitgliederbestand ist. Dieses Erfordernis erfüllt die Vorgesellschaft, da sie nach allgemeiner Auffassung210 vom Tod oder der Insolvenz eines Gründers nicht berührt wird. Somit weist die Vor-GmbH eine Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand auf und erfüllt diese Voraussetzung der Körperschaft. bb) Möglichkeit der Fremdorganschaft Ferner gilt bei der Vor-GmbH, wie bereits oben dargelegt211 , der Grundsatz der Fremdorganschaft Die Vor-GmbH besitzt also insoweit ebenfalls eine körperschaftliche Struktur. cc) Geltung des Mehrheitsprinzips Weiterhin gilt im Stadium der Vor-GmbH bei der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen gemäߧ 47 GmbHG212 das Mehrheitsprinzip, das für Körperschaften typisch ist213 . dd) Eigenständige Vermögenszuordnung Da somit die Vor-GmbH wegen der Geltung des Mehrheitsprinzips, der Zulässigkeit der Fremdorganschaft und der Unabhängigkeit ihrer Existenz vom Mitgliederbestand eine körperschaftliche Verfassung aufweist und ihr- wie dargelegt214 eigene Rechten und Pflichten zugeordnet werden, ist die Vor-GmbH als eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB anzusehen. Bestätigung findet diese Einordnung durch die Rechtsprechung des BGH215 in Zivilsachen und eines Nitschke, Personengesellschaft, S. 147. So die Bezeichnung beiM. Scholz. Haftung, S. 55. 209 Dregger, Haftungsverhältnisse, S. 70; ähnlich Kühler, GesR, § 3 II. 5. 210 Vgl. nur Dregger, Haftungsverhältnisse, S. 70; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 40. 211 § 2 I. 2. b) cc) (2) (a). 212 Zur Geltung des Mehrheitsprinzip vgl. BGHZ 80, 212, 214 f.; K. Schmidt, GmbHR 1987' 78, 82. 213 Zum Mehrheitsprinzip als Charakteristikum der Körperschaften vgl. die Einteilung bei Steding. GesR, S. 45. 214 Unter § 8 111. 4. 21s BGHZ 117,323, 326; BGH, ZIP 1998, 109, 110. 207
208
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Teils der zivilrechtliehen Literatur216, die der Vor-GmbH- entgegen der wohl herrschenden Meinung - ebenfalls auf zivilrechtlichem Gebiet zutreffend eine eigenständige Vermögensinhaberschaft zuschreibt, auf die Vor-GmbH also nicht das Gesamtbandsprinzip anwendet. c) Ausschluss der Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften nach dem Vielheilsgedanken
Die Richtigkeit der These, dass bei Körperschaften, die als Rechtsträger anerkannt sind, eine Gesamthandsvermögenszuordnung nicht möglich ist, ergibt sich eindeutig dann, wenn eine gesamthändensehe Vermögenszuordnung nach der Vielheilslehre zugrunde gelegt würde. Das Gesamtbandsverständnis der Vielheitslehre erweist sich nämlich im Gesellschaftsrecht als unpassend. Ihr liegt eine vermögensrechtliche Sicht zugrunde217 , welche die Gesamthand nur als ein Sondervermögen der Gesamthänder, wenn auch in ihrer Verbundenheit, ansieht. Mit diesem Vielheilsverständnis von der Gesamthand lässt sich eine Vermögenszuordnung bei Körperschaften nach Gesamtbandsgesichtspunkten nicht vereinbaren. Wegen der Struktur der Körperschaften findet eine Verselbstständigung des Zusammenschlusses gegenüber den Mitgliedern statt. Die Körperschaft ist also eine überindividuelle Wirkungseinheit, so dass die Rechtspersönlichkeit der Mitglieder für die Vermögenszuordnung nicht ausschlaggebend sein kann. Mit der Anerkennung als überindividueller, von der Rechtspersönlichkeit der Mitglieder losgelöster Wirkungseinheit wäre es nicht vereinbar, wenn mit der Vielheitslehre die Rechtspersönlichkeit der einzelnen Mitglieder für die Vermögenszuordnung maßgeblich sein sollte. Zwar ist das vermögensrechtliche Verständnis von der Gesamthand nicht gänzlich abzulehnen. Bei der Gütergemeinschaft vermag eine Gesamtbandsvermögenszuordnung nach Vielheitsgesichtspunkten zu überzeugen, nur steht dort nicht das Tätigwerden als überindividueller Wirkungseinheit im Vordergrund. Folglich kann für die Körperschaften keine Gesamtbandsvermögenszuordnung nach vermögensrechtlichem Verständnis erfolgen.
d) Ablehnung einer gesamthänderischen Vermögenszuordnung bei Körperschaften nach modernem Gesamthandsverständnis
Auch die Anwendung des Gesamtbandsverständnisses der sog. Einheitslehre scheidet für die Vermögenszuordnung bei Körperschaften aus. Für die Ablehnung 216 Bälz, in Zöllner-FS, 35, 60; Kallmeyer, in GmbH-Handbuch, Teil I Rdnr 845; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 28. 217 A.A. Wiedemann, WM 1975, Sonderbeilage 5, 1, 4 ff., nach ihm sind das vermögensrechtliche Verständnis von der Gesamthand und der Vielheitsgedanke unterschiedliche Kategorien.
13 Hentschke
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dieser Gesamthandsvermögenszuordnung streiten mehrere Gesichtspunkte. So existiert zwischen der Personengesellschaft und der Gesamthandsvermögenszuordnung ein so enges Abhängigkeitsverhältnis, das es befremdlich erscheinen lässt, auch bei Körperschaften das Vermögen nach gesamthändensehen Gesichtspunkten zuzuordnen218 . Darüber hinaus steht die Struktur der Körperschaften einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei ihnen entgegen, was sich schon anhand von deren Grundform - dem nichtrechtsfähigen Verein - belegen lässt219 . Zudem ist eine Identität von unvollendeter bzw. werdender und vollendeter juristischer Person festzustellen, die einen Rechtsträgerwechsel, wie er zwischen gesamthänderisch strukturierten Gebilden und vollendeten juristischen Personen erfolgt, gerade ausschließt220. Unter Beriicksichtigung der eben genannten Aspekte ist eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften abzulehnen.
aa) Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Organisationsstruktur Personengesellschaft und der Vermögenszuordnung nach dem Gesamtbandsprinzip am Beispiel der BOB-Gesellschaft
( 1) BGB-Gesellschaft als "Urfigur" der Gesamthand Gegen eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften unabhängig von deren Rechtspersönlichkeit spricht der enge Zusammenhang zwischen der Organisationsform der Personengesellschaft und der Vermögenszuordnung nach dem Gesamthandsprinzip 221 . Wegen dieses Zusammenhangs auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet wirkt es befremdlich, auch bei Körperschaften, selbst wenn sie nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind, eine Gesamtbandsvermögenszuordnung vorzunehmen. Die enge Verbindung von Personengesellschaft und Gesamthand ergibt sich aus dem personenrechtlichen Verständnis der Gesamthand im Gesellschaftsrecht Letzterem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Gesamthand das Bestehen der Gesellschaft voraussetzt. Das Gesamthandsvermögen, das aus den Beiträgen der Teilhaber entstanden ist, kann sich nicht selbst vermehren, sondern ist das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Zusanunenwirkens222. Zudem setzt die Bildung von Gesamthandsvermögen bei der Gesellschaft die Anerkennung der gesellschaftsvertraglich verbundenen Personenmehrheit als eigenständiges, wenn auch nicht von den Mitgliedern losgelöstes Zuordnungssubjekt dinglicher Rechte voraus223 • Somit 218 219 220 221 222 223
Nähere Begründung unter § 8 III. 6. d) aa). Im einzelnen unter§ 8 III. 6. d) bb). Vgl. dazu§ 8 III. 6. d) cc). Ebenfalls für einen derartigen Zusammenhang Schünemann, Grundprobleme, S. 177. Flume, Personengesellschaft, S. 2. Ulmer. in Flume-FS II, 301 , 308.
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geht der Zuordnung als Gesamtbandsvermögen gedanklich voraus, dass die Gesellschaft sich aus der Gruppe der Beteiligten zusammensetzt und diese Gruppe Partner aller rechtlich relevanten Vorgänge ist. Mit dem Abschluss des Vertrages über die Personengesellschaft entsteht in der Regel das Gesamthandsvermögen, weil der Gesellschaftsvertrag die Ansprüche der Gesellschaft auf Erbringung der Förderungspflicht entstehen lässt. Die BOB-Gesellschaft wird daher zutreffend als "Urfigur" der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand angesehen224• §§ 705 ff. BGB verlangen also grundsätzlich eine Gesamthandsvermögenszuordnung. Diese verschafft der Personengesellschaft erst die notwendige Verselbstständigung, um im Rechtsverkehr als Organisationseinheit aufzutreten. Durch die Konstituierung eines Gesamtbandsvermögens ist die Gesellschaft nicht mehr als bloßes Schuldverhältnis anzusehen, sondern sie muss als Organisationseinheit aufgefasst werden. Nur dadurch gelingt es, die Gesellschaft von der römisch-rechtlichen societas, die als bloßes Schuldverhältnis ausgestaltet war, abzugrenzen225 • Diese Abgrenzung stellt sich als notwendig dar, weil nach dem zweiten Entwurf zum BGB gerade nicht die societas den Regelungen der §§ 705 ff. BGB zugrundegelegt wurde226. Der Gesetzgeber wollte den durch einen gemeinsamen Zweck verbundenen Gesellschaftern die Personengesellschaft als enge Verbindung des Zusammenwirkens zur Verfügung stellen227 , die sich nur durch eine Organisationseinheit realisieren lässt. Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft ist daher zu Recht nicht den Schuldverträgen zuzuordnen, sondern als Organisationsvertrag anzusehen, dessen Inhalt die Schaffung der Gesellschaft als Organisationseinheit ist. Er erschöpft sich demzufolge nicht in der Begründung von schuldrechtlichen Beziehungen, sondern besitzt vielmehr - anders als in der römisch-rechtlichen societas - eine wesentliche gemeinschaftsbildende Komponente. Wegen des Charakters des Gesellschaftsvertrages als Organisationsvertrag sind Gesellschafts- und Gesamtbandsbegriff nicht unabhängig, sondern es besteht eine Strukturaffinität zwischen Gesellschaft und Gesamthand228 . Einerseits macht erst das Gesamtbandsprinzip die Gesellschaft zu einer Organisationseinheit, andererseits existiert die gesellschaftsrechtliche Gesamthand nicht um ihrer selbst Willen, sondern sie setzt die Existenz einer Personengesellschaft voraus229. Demzufolge ist das Gesamtbandsprinzip als Verbandsprinzip und nicht als bloßes Vermögensprinzip anzuerkennen. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesamthand macht das personenrechtliche Verständnis der Gesamthand ausreichend transparent, so dass die Behauptung, es sei "unklar und letzten Endes nichtssagend'm0 , nicht zutrifft. 224 225 226 221 228 229 230
13*
Flume, Personengesellschaft, S. 2. Flume, Personengesellschaft, S. 61. Vgl. Protokolle II, S. 429 f. Vgl. Protokolle li, S. 430. Begrifflichkeit bei Schünemann, Grundprobleme, S. 179. Schünemann, Grundprobleme, S. 180. So aber Westennann, Vertragsfreiheit, S. 19 ff.
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Das personenrechtliche Gesamtbandsverständnis ist im Übrigen mit dem Gesetz vereinbar. Aus der Entstehungsgeschichte der §§ 705 ff. BGB folgt, dass der Gesetzgeber den Streit um die Rechtsnatur der Gesamthand nicht entscheiden wollte231 . Dem Gesetzestext lässt sich deshalb nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Konstruktion der Gesamthand präferiert hätte232• (2) Zwingende Geltung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Personengesellschaft
Die Verknüpfung von Personengesellschaft und Gesamthand wird nicht durch die vermögenslose Gesellschaft oder die Möglichkeit der Vereinbarung von Bruchteilseigentum in Frage gestellt. Zwar nimmt ein Teil der Literatur an, § 718 Abs. 1 BGB, der die Bildung des Gesamtbandsvermögens regelt, sei disponibel233 . Träfe diese Sicht zu, so könnten die Gesellschafter die Bildung von Gesamtbandsvermögen ausschließen oder auch die Geltung der§§ 741 ff. BGB, also Bruchteilseigentum, vereinbaren234• Dieser Auffassung ist jedoch zu widersprechen, weil mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages eine Zweckförderungspflicht als "Sozialanspruch" entsteht, die einen essentiellen Bestandteil der Gesellschaft und ihres Gesamtbandsvermögens bildet. Die ausschließliche Vereinbarung von Bruchteilseigentum ist bei der Personengesellschaft deshalb nicht möglich. Sobald die Bildung von Gesamtbandsvermögen ausgeschlossen wird, existiert die Personengesellschaft als Organisationseinheit nicht mehr235 . Die Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 741 ff. BGB ist nämlich gerade kein Zusammenschluss der Beteiligten zur einer Organisationseinheit, denn bei ihr bleibt die Vereinzelung der beteiligten Personen vollständig erhalten. Mit der Vereinbarung von Bruchteilseigentum würde folglich keine Personengesellschaft entstehen, da dadurch keinen eigener, wenn auch nicht von Gesellschaftern unabhängiger, Zuordnungsträger geschaffen würde. Die gegenteilige Annahme beruht maßgeblich auf dem für die Gesellschaft abzulehnenden vermögensrechtlichen Verständnis des Gesamtbandsprinzips auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, das die Personengesellschaft nicht als Organisationseinheit sieht. Nicht ausgeschlossen ist dagegen, dass außerhalb des Gesellschaftsverhältrlisses für ein bestimmtes Rechtsobjekt die Geltung der§§ 741 ff. BGB vereinbart werden kann236 • Dies stellt das Vorliegen einer Personengesellschaft aber nicht in Frage.
231 232 233 234 235 236
Mugdan II, S. 990. Ebenso Breuninger; Rechtssubjekt, S. 11. Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255; Westermann, in Erman, § 718 BOB Rdnr. 2. Ballerstedt, JuS 1963, 253, 255; Westermann, in Erman, § 718 BOB Rdnr. 2. Ähnlich Schünemann, Grundprobleme, S. 181. Schünemann, Grundprobleme, S. 181 [Fn. 148].
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Da § 718 Abs. 1 BGB nach zutreffender Auffassung für die Personengesellschaft nicht disponibel ist, kann die Fähigkeit der Gesellschaft zur Bildung von Gesamtbandsvermögen somit vertraglich nicht ausgeschlossen werden 237.
(3) Konsequenzen der Anerkennung einer Innengesellschaft? Das Abhängigkeitsverhältnis von personengesellschaftlicher Struktur und Gesamthand erscheint auch dann nicht zweifelhaft, wenn die Innengesellschaft berücksichtigt wird. Letztere wird als Personengesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB angesehen 238. Sie soll nach Rechtsprechung239 und überwiegender Auffassung in der Literatur240 jedoch zum einen durch mangelnde Teilnahme am Rechtsverkehr241 und zum anderen durch den Verzicht auf das Gesamtbandsvermögen gekennzeichnet sein. Für das Vorliegen von Gesamtbandsvermögen müssten notwendig Außenbeziehungen geschaffen werden, die bei der Innengesellschaft eben nicht vorlägen242 . Im Übrigen belege § 736 ZPO, dass die Innengesellschaft über kein Gesamtbandsvermögen verfügen könne. Bei Zulassung von Gesamtbandsvermögen würden nämlich die Gläubiger maßgeblich benachteiligt, da sie auf das Gesellschaftsvermögen mangels Titels gegen den verdeckten Gesellschafter nicht zugreifen könnten. Der Verzicht auf das Gesamtbandsvermögen bei der Innengesellschaft würde gegen die hier vertretene These sprechen, dass die Personengesellschaft zwingend über ein Gesamtbandsvermögen verfügt. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Schon die vollstreckungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. § 736 ZPO bestimmt nämlich nur, wie die Vollstreckung zu erfolgen hat, wenn ein Gesamtbandsvermögen besteht243, nicht dagegen, dass eine bestimmte Vermögensmasse gewissen Gläubigem als Zugriffsobjekt zur Verfügung stehen muss244. Deshalb ist § 736 ZPO weder ein Schutzgesetz für die
A. Hueck, OHG, S. 217. BGH, NJW 1960, 1851. 239 BGHZ 12, 308, 314; BGHZ 126, 226, 234. 240 Geiler, in Düringer/Hachenburg 1111; S. 30; Hadding, in Soergel 11 , vor§ 705 BGB Rdnr. 28; Keßler, in Staudinger, vor § 705 BGB Rdnr. 91 f. 241 Dementsprechend sollen die Vertretungsregelungen im Gesellschaftsvertrag fehlen. 242 Hueck, GesR, § 2 III. 243 Vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 736 ZPO ("gegen alle Gesellschafter") erweist sich die Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR durch den BGH (NJW 2001, 1056 ff.) als problematisch, weil danach ein Titel gegen die GbR als solche ausreicht, um in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken zu können. Für die GbR fehlt jedoch eine dem § 124 Abs. 2 HGB vergleichbare Vorschrift; vgl. dazu auch Peifer, NZG 2001, 296, 300; sehr kritisch Heil, NZG 2001, 300, 302 f. § 736 ZPO ist aber bei der Vollstreckung in das Gesarnthandsvermögen der GbR weiterhin anwendbar, da der BGH hierfür auch einen Titel gegen alle Gesellschafter ausreichen lässt. 244 Steckhan, lnnengesellschaft, S. 83. 237
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Gesellschaftsgläubiger noch schränkt die Vorschrift die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter bei der Regelung ihrer Innenbeziehungen ein245 • Es trifft zudem nicht zu, dass erst durch die Offenlegung des Gesellschaftsverhältnisses ein Gesamtbandsvermögen entsteht. Gemäߧ 718 Abs. 2 BGB wird ein Gegenstand durch Surrogation Teil des Gesamthandsvermögens, ohne dass dazu irgendeine Art von Offenlegung des Gesellschaftsverhältnisses notwendig wäre. Demzufolge kann der Terminus Innengesellschaft grundsätzlich nicht durch das Fehlen von Gesamtbandsvermögen geprägt sein246 • Gegen die Ablehnung von Gesamtbandsvermögen bei der Innengesellschaft spricht im Übrigen auch die Struktur der Sozialanspriiche. Mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages entstehen derartige Anspruche, für die eine Zuständigkeit aller Gesellschafter als Gruppe besteht247• Die Möglichkeit der Bildung von Gesamtbandsvermögen ergibt sich aus der Subjektivität der Innengesellschaft Die Anerkennung der Personengesellschaft als Organisationseinheit erfolgt nämlich nicht erst durch das aktuelle Auftreten im Rechtsverkehr, sondern schon wegen der potentiellen Subjektivität der Personengesellschaft, die das Auftreten im Rechtsverkehr ermöglicht. Diese potentielle Subjektivität liegt bei der Innengesellschaft ebenfalls vor und sie ist es auch, die das Verhältnis des Subjekts zu anderen Rechtssubjekten bestimmt. Damit wirkt die Innengesellschaft durch die ihr gegebene Subjektivität nach außen248 und besitzt die Fähigkeit Gesamtbandsvermögen zu bilden. Für die Vermögenszuordnung ist der Terminus Innengesellschaft somit ohne Bedeutung, da er lediglich die äußere Form des Auftretens der Gesellschaft bezeichnet249• Die Innengesellschaft ist deshalb ebenfalls als Organisationseinheit zu verstehen. Anders liegt es bei der stillen Gesellschaft gemäß §§ 230 ff. HGB. Sie gilt als Unterfall der lnnengesellschaft, weil sie unter anderem auch durch das mangelnde Auftreten nach außen charakterisiert und als Personengesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB einzuordnen sein soll250• Das Wesen der stillen Gesellschaft besteht darin, dass der stille Gesellschafter sich mit einer Vermögenseinlage am Vermögen des Hauptgesellschafters beteiligt. Daraus folgt, dass die Gesellschaft selbst kein Vermögen inne hat, weil durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages kein gesamthänderisch gebundenes Vermögen entsteht, sondern die Einlage des stillen Gesellschafters voll in das Vermögen des Hauptgesellschafters übergeht. Es liegt somit auch kein Vermögen der stillen Gesellschaft in Form von Bruchteilseigentum vor, denn dies würde zur Beseitigung der Gesellschaft, selbst der atypischen,
245
246 247 248 249 250
Königs, Stille Gesellschaft, S. 337 -339; Steck/um, Innengesellschaft, S. 83 f. Schünemann, Grundprobleme, S. 185; Ulmer, in MüKo, § 705 BGB Rdnr. 234. Ähnlich Westennann, in Erman, § 718 BGB Rdnr. 2. Schünemann, Grundprobleme, S. 184. Schünemann, Grundprobleme, S. 185. BGHZ 3, 75, 81; BGHZ 4, 364, 366; BGHZ 7, 378, 382.
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führen 251 . Aus der Typisierung der stillen Gesellschaft folgt also gerade ihre Vermögenslosigkeit. Wird dagegen die Entstehung von Gesellschaftsvermögen vereinbart, dann liegt keine stille Gesellschaft im Sinne des § 230 HGB vor252 . Die Vermögenslosigkeit der stillen Gesellschaft stellt deshalb den Grundsatz der zwingenden Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Personengesellschaft nicht in Frage. Sobald eine Personengesellschaft allerdings ein eigenes Vermögen hat, kann dies nur ein Gesamtbandsvermögen sein. Die stille Gesellschaft ist daher zutreffend als atypische Gesellschaftsform zu bezeichnen, weil kein gleichrangiges Wirken zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks wie bei den übrigen Personengesellschaften erfolgt. Nach allem ist also davon auszugehen, dass bei der Personengesellschaft zwingend eine Gesamthandsvermögenszuordnung erfolgt. Dies spricht dagegen, zugleich bei Körperschaften diese Vermögenszuordnung vorzunehmen. bb) Vermögenszuordnung bei Körperschaften am Beispiel des nichtrechtsfähigen Vereins Aber auch die gegenüber der Personengesellschaft anders geartete Struktur der Körperschaften steht einer Anwendung des Gesamtbandsprinzips bei ihnen entgegen253. Dies lässt sich anhand des Prototyps der Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, dem nichtrechtsfähigen Verein 25:, zeigen. Die herrschende Meinung255 geht allerdings beim nichtrechtsfähigen Verein von einer Gesamthandsvermögenszuordnung aus. Dieser Ansicht liegt der Gedanke zugrunde, dass bei allen Personifikationen unterhalb der Stufe der Rechtsperson das Gesamtbandsprinzip anzuwenden sei 256. Dem ist jedoch wegen der im Folgenden aufzuzeigenden typologischen bzw. strukturellen Unterschiede zwischen der Körperschaft und der Gesellschaft bzw. Gesamthand nicht zu folgen.
Vgl. dazu bereits eben schon unter§ 8 III. 6. d) aa) (2). So zu Recht Klauss/Mittelbach, Stille Gesellschaft, Rdnr. 103. 253 So auch Büttner, Identität, S. 112. 254 Vgl. nur Larenz/Wolf, AT-BGB, § 11 Rdnr. 2. 255 Brox, BGB-AT, Rdnr. 724; Westermann, in Erman, § 54 BGB Rdnr. 8; so auch Heinrichs, in Palandt, § 54 BGB Rdnr. 7, der eine Gesamthandsvermögenszuordnung nach der Gruppenlehre befürwortet. 256 So die Befürchtung auch bei l ohn, BB 1982, 505, 508. 251 252
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( 1) Eingeschränkte Anwendbarkeit des Personengesellschaftsrechts auf den nichtrechtsfähigen Verein § 54 Satz I BGB, der den nichtrechtsfähigen Verein auf das Recht der BOB-Gesellschaft verweist, das, wie schon dargelegt257 , eng mit dem Gesamtbandsprinzip verbunden ist, scheint jedoch für eine Gesamthandsvermögenszuordnung zu sprechen. Die Regelung ist aber wegen der strukturellen Unterschiede zwischen Körperschaft und Personengesellschaft auf den nichtrechtsfähigen Verein nicht uneingeschränkt anzuwenden.
(a) Notwendigkeit der Korrektur der gesetzgebensehen Entscheidung Zu Recht wurde bereits in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts gefordert, die Systemgerechtigkeit vor die Gesetzestreue zu stellen258 . Dem Gesetzgeber ist im Zusammenhang mit § 54 Satz I BGB unter anderem "naive List"259 und "bewußt tendenziöse Vergewaltigung der Rechtswirklichkeit" 260 zu unterstellen. Er hat den grundlegenden Strukturunterschied zwischen einer Personengesellschaft und dem als Körperschaft anerkannten nichtrechtsfähigen Verein bewusst missachtet, um eine freie Körperschaftsbildung zu verhindern. Letztere knüpft nämlich für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit an die Einhaltung der gestellten Normativbestimmungen an, so dass die Rechtsfähigkeit auf anderem Wege praktisch nicht erlangt werden sollte261 . Die Geltung des strengen Gesellschaftsrechts sollte die Gründung nichtrechtsfähiger Vereine, vor allem von Gewerkschaften, erschweren. Seit der Einführung der Vereinigungsfreiheit durch Art. 124 WRV sind diese vereinspolizeilichen Vorbehalte des Gesetzgebers aber nicht mehr vertretbar, mit der gemäß Art. 9 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Vereinigungsfreiheit sind sie vollends unvereinbar. Der historische BOB-Gesetzgeber hat sich folglich mit der Schaffung des§ 54 Satz l BGB schlichtweg "verplant" 262 . Das Recht des nichtrechtsfähigen Vereins ist deshalb durch gesetzesübergreifende Rechtsfortbildung an die veränderten Umstände anzupassen. Die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung ergibt sich aus dem Gedanken der Verfehlung der Natur der Sache263 . Die Rechtsprechung264 verneint daher seit langem die uneingeschränkte Geltung des Gesellschaftsrechts für den nichtrechtsfähigen Verein, soweit die Anwendung als verfehlt erscheint. 2S7
258 259
260 261 262 263 264
Vgl. § 8 lß. 6. d) aa). Zu den einzelnen Ansätzen vgl. K. Schmidt, OHG, S. 210. Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 101. Boehmer; Grundlagen 11/2, S. 168. Reuter; in MüKo, § 54 BGB Rdnr. I. Brox, AT-BGB, Rdn. 720 f.; K. Schmidt, OHG, S. 220. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 239. RGZ 63, 62, 64; RGZ 143, 212, 213; BGH, NJW 1979, 2304,2305.
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(b) Unanwendbarkeit des Personengesellschaftsrechts auf den nichtrechtsfähigen Idealverein Die Geltung des Personengesellschaftsrechts und damit die Möglichkeit einer Gesamthandsvermögenszuordnung über § 54 Satz l BGB wird beim nichtrechtsfähigen Idealverein nach dem Grundsatz "cessante ratione legis cessat Iex ipsa" richtigerweise umfassend abgelehnt265 , weil es nicht gerechtfertigt erscheint, den nichtrechtsfähigen Verein nur mit negativen Folgen, wie etwa der passiven Parteifahigkeit (§ 50 Abs. 2 ZPO), der Vollstreckungsfahigkeit (§ 735 ZPO) oder der Insolvenzfähigkeit (§ 11 Abs. I Satz 2 InsO), zu belasten266. An die Stelle der gesetzlichen Regelung tritt ein Sonderrecht, das sich im Wesentlichen an dem Recht des eingetragenen rechtsfähigen Vereins gemäß §§ 21 ff. BGB orientiert, mit Ausnahme der Vorschriften, die eine Eintragung voraussetzen267. Die Rechtsangleichung geht soweit, dass beim nichtrechtsfähigen Idealverein - wie beim eingetragenen Verein bürgerlichen Rechts- die Haftung für Verbindlichkeiten auf das Vereinsvermögen beschränkt ist268 . Die persönliche Haftung der Vereinsmitglieder ist somit beim nichtrechtsfähigen Idealverein ausgeschlossen. Damit lässt sich die Auffassung, dass eine Vermögenszuordnung nach Gesamthandsgesichtspunkten vorzunehmen sei269, nicht vereinbaren. Zudem sind die für das Gesamtbandsvermögen geltenden Vorschriften auf den nichtrechtsfähigen Idealverein nicht anwendbar, so dass bei diesem von einer Vermögensverselbstständigung gegenüber den Mitgliedern wie beim eingetragenen rechtsfähigen Verein bürgerlichen Rechts gemäß §§ 21 ff. BGB auszugehen ist270 • Das Vereinsvermögen unterliegt wegen des fehlenden Auseinandersetzungsanspruchs gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB nämlich nicht dem Zugriff der Gläubiger der Vereinsmitglieder271 . Darüber hinaus treten beim nichtrechtsfähigen Idealverein - anders als bei der Personengesellschaft -die Rechtsfolgen der An- und Abwachsung bei dem Ausscheiden eines Mitglieds gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ein, so dass der Mitgliederwechsel die Zusammensetzung des Vereinsvermögens nicht berührt. Zudem findet § 859 Abs. I Satz 1 ZPO, der die Pfandung von Gesamtbandsanteilen regelt, keine Anwendung272 . Entgegen der herrschenden Meinung273 ist der nichtrechts265 v. Beseler. Miniaturen, S. 139 [Fn. 1]; Reuter. in MüKo, §54 BGB Rdnr. 4; Wieacker. in E.R. Huber-FS, 339, 377 f.; a.A. Flume, ZHR 148 [1984], 503, 512 ff. 266 Reuter. in MüKo, § 54 BGB Rdnr. 14. 267 Reuter. in MüKo, §54 BGB Rdnr. 4; ferner Nitschke, Personengesellschaft, S. 141. 268 Flume, in Raiser-FS, 27, 28; Heinrichs, in Palandt, § 54 BGB Rdnr. 12; Jauemig, in Jauernig, § 54 BGB Rdnr. 8. 269 Brox, BGB-AT, Rdnr. 724; Westermann, in Errnan, § 54 BGB Rdnr. 8. 270 Flume, in Raiser-FS, 27, 28; Stoltenberg, MDR 1989, 494, 495. 271 BGHZ 50, 325, 329. 272 Hadding, in Soergel, §54 BGB Rdnr. 20; Stoltenberg, MDR 1989,494,495. 273 OLGZweibrücken, NJW-RR 1986, 181;Flume, ZHR 148 [1984],503,510;Larenz/Wolf, AT-BGB; § 11 Rdnr. 10; K. Schmidt, Verbandszweck, S. 52 f.; wohl auch BGHZ 43, 316, 320.
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fähige Idealverein nach zutreffender Auffassung auch als grundbuchfahig anzusehen274. Die Anerkennung der Grundbuchfabigkeit ist geboten, weil der bei Eintragung vorhandene Mitgliederbestand wegen des jederzeit möglichen und üblichen Mitgliederwechsels kein verlässliches Mittel zur Identifizierung des Vereins darstellt. Mit dieser Rechtslage beim nichtrechtsfähigen Idealverein ist eine Gesamthandsvermögenzuordnung nicht vereinbar. (c) Beschränkte Anwendung des Personengesellschaftsrechts auf den wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Verein (aa) Das Problem Nicht nur beim nichtrechtsfähigen Idealverein, sondern auch beim wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Verein findet das Personengesellschaftsrecht trotz § 54 Satz 1 BGB keine umfassende Anwendung, so dass auch beim ihm eine Gesamthandsvermögenszuordnung ausscheidet. Die Begründung für die beschränkte Geltung des Personengesellschaftsrechts ist beim wirtschaftlichen Verein wegen der wirtschaftlichen Betätigung aber komplizierter als beim nichtrechtsfähigen Idealverein. Gegen eine vollständige Anwendung des Vereinsrechts spricht, dass sie das geltende Normativsystem, das für andere wirtschaftliche Vereine im weiteren Sinne gilt (GmbH, AG), unterlaufen würde. Zudem kann die Haftung der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten nicht wie beim nichtrechtsfähigen Idealverein auf das Vereinsvermögen beschränkt werden, denn diese Haftungsbefreiung erscheint nicht gerechtfertigt, da sie kein Vereinsvermögen aufbringen müssen. Das Recht des eingetragenen rechtsfähigen Vereins bürgerlichen Rechts enthält nämlich aufgrund seiner grundsätzlich nicht wirtschaftlichen Ausrichtung keine Vorschriften über die Kapitalaufbringung. Die Nichthaftung der Mitglieder des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins würde deshalb dem im Gesellschaftsrecht geltenden Grundsatz von Herrschaft und Haftung widersprechen. Um einen Haftungsausschluss der Vereinsmitglieder zu vermeiden, unterstellt die überwiegende Auffassung in der Literatur den wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Verein mit unterschiedlichen Begründungen uneingeschränkt dem Recht der Personengesellschaften. Folge dieser Anwendung wäre allerdings, dass der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein einer Gesamthandsvermögenszuordnung unterliegen würde. Dies widerspräche der hier aufgestellten These, dass bei Körperschaften, unabhängig von ihrer Rechtspersönlichkeit, eine Gesamthandsvermögenszuordnung abzulehnen ist. Die Begründungsansätze der überwiegenden Ansicht in der Literatur überzeugen jedoch nicht. 274 Hadding, Soergel, § 54 BGB Rdnr. 18; Heinrichs, in Palandt, § 54 BGB Rdnr. 8; Reuter; in MüKo, §54 BGB Rdnr. 26 f. ; Stoltenberg, MDR 1989,494,497.
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(bb) Konsequenzen der körperschaftlichen Struktur für die Anwendbarkeit des § 54 Satz 1 BGB Nach einem Teil der Literatur275 erfolgt die umfassende Anwendung des Personengesellschaftsrechts über§ 54 Satz 1 BGB, so dass auch das Gesamtbandsprinzip anwendbar wäre. Als Konsequenz ergäbe sich dann eine Gleichsetzung der Körperschaft mit der Personengesellschaft276. Diese Sichtweise lässt sich aber weder mit den gesetzlichen Regelungen, die für den nichtrechtsfähigen Verein gelten, noch mit den bestehenden Unterschieden zwischen Personengesellschaften und Körperschaften vereinbaren. So scheitert die umfassende Anwendung des § 54 Satz 1 BGB schon an der bereits oben277 festgestellten Geltung der §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO, 11 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 1 Abs. 1 KStG, die sowohl auf den nichtrechtsfähigen Idealverein als auch auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein zugeschnitten sind278 . Zudem würde die Geltung des § 54 Satz 1 BGB für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein die grundlegenden typologischen bzw. strukturellen Unterschiede zwischen Personengesellschaften und Körperschaften missachten. Eine gravierende Differenz zwischen beiden zeigt sich schon bei der Vertretung. Im Personengesellschaftsrecht gilt - wie bereits dargelegt279 - zwingend der Grundsatz der Selbstorganschaft Diese ist beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein dagegen nicht zwingend vorgeschrieben280, sondern es kann auch ein Nichtvereinsmitglied als Vorstand des nichtrechtsfähigen Vereins bestellt werden, weil die Vorschriften über den Vorstand des rechtsfähigen Vereins (§§ 26-28 BGB) entsprechend anwendbar sind281 . Die Zulässigkeil der Fremdorganschaft beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein ergibt sich daraus, dass § 54 Satz 2 BGB als Korrektiv für die Möglichkeit der Verpflichtung der persönlich haftenden Vereinsmitglieder die Haftung der Handelnden vorsieht282. Mit der Zulässigkeil der Fremdorganschaft lässt sich die Geltung des Gesamtbandsprinzips nicht vereinbaren, weil dieses die Handlungshoheit der vermeintlichen Gesamtbänder voraussetzt. Ein struktureller Unterschied zwischen Personengesellschaft und Körperschaft ist zudem beim Bestandsschutz zu konstatieren. Die Personengesellschaft endet 275 Flume, in Raiser-FS, 27, 28. 276 Flume, in Raiser-FS, 27, 28. 277 Vgl. § 8 III. 6. d) bb) (1) (b). 278 Reuter; in Semler-FS, 931,932. 279 § 2 I. 2. b) cc) (2) (b). 280 K. Schmidt, GesR, § 25 II. 2. b); Steffen, in RGRK, §54 BGB Rdnr. 8; Weick, in Staudinger13, §54 BGB Rdnr. 34; a.A. Reuter; in MüKo, §54 BGB Rdnr. 41. 281 Hadding, in Soergel, § 54 BGB Rdnr. 12; Heinrichs, in Palandt, § 54 BGB Rdnr. 6. 282 Vgl. zu diesem Aspekt schon§ 2 I. 2. b) cc) (2) (b) (ff).
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grundsätzlich 283 mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters, während die Existenz der Körperschaft vom Ausscheiden eines Mitglieds unberührt bleibt. Eine weitere Differenz besteht im Hinblick auf die Entscheidungsfindung. Bei der Personengesellschaft werden Entscheidungen grundsätzlich nach dem Einstimmigkeitsprinzip284 gefasst, bei der Körperschaft herrscht dagegen das Mehrheitsprinzip285. Diese Gesichtspunkte, die beim nichtrechtsfähigen Idealverein als Gründe für die Ablehnung der Verweisung auf das Gesellschaftsrecht anerkannt sind286, gelten in gleicher Weise für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein. Er ist schließlich nicht weniger Körperschaft als der nichtrechtsfahige Idealverein 287. Somit verbietet sich unter Zugrundelegung der gesetzlichen Grundformen eine Gleichsetzung von Personengesellschaft und Körperschaft, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Anwendung von § 54 Satz 1 BGB und damit eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Körperschaft als verfehlt erscheint. (cc) Ablehnung der Rechtsformzwangthese Wegen der vorstehend festgestellten typologischen Unterschiede zwischen Personengesellschaften und Körperschaften ist auch die in der Literatur vertretene Auffassung288 abzulehnen, nach der vollkaufmännische nichtrechtsfähige Wirtschaftsvereine generell unzulässig seien, weil der Rechtsformzwang es erfordere, den vollkaufmännischen Wirtschaftsverein dem Recht der OHG zu unterstellen. § 22 BGB besage zwar nur, dass wirtschaftliche Vereine die Rechtsfahigkeit als Verein bürgerlichen Rechts nicht durch die Eintragung in das Vereinsregister, sondern "in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften" nur "durch staatliche Verleihung" erlangen können. Zweck dieser Regelung sei aber der Gläubigerschutz289, der dadurch bewirkt werde, dass der Verein die Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen nur dann erlange, wenn er eine für wirtschaftliche Zusammenschlüsse bereitgestellte Rechtsform wählt. Deshalb sei das in § 22 BGB geregelte Verfahren gegenüber der Möglichkeit einer Erlangung der Rechtsfähigkeit nach dem Prinzip der Normativbestimmungen subsidiär290. Der Zweck des Zur Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft sogleich unter § 8 III. 6. d) bb) (2). Sprau, in Palandt, Vorbem v § 709 BGB Rdnr. 10. 285 Zum Mehrheitsprinzip als Charakteristikum der Körperschaften vgl. die Einteilung bei Steding, GesR, S. 45. 286 Flume, in Raiser-FS, 27, 28. 287 Reuter, ZGR 1981, 364, 367; die Vergleichbarkeit im organisatorischen Aufbau betont auch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 26. 288 A. Hueck, OHG, S. 15; Nitschke, Personengesellschaft, S. 116; Reiff, Haftungsverfassungen, S. 93 f.; K. Schmidt, OHG, S. 231; Schulze v. Lasaulx, in Schu1tze-FS, 1, 30. 289 K. Schmidt, OHG, S. 222. 290 K. Schmidt, OHG, S. 227. 283
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§ 22 BGB würde aber nur erreicht, wenn die Vorschrift - entgegen ihrem Wortlaut - nicht den Zugang zur Rechtsform ,,rechtsfähiger Wirtschafts-BOB-Verein" regele, sondern ihn versperre291 . Diese Sperrfunktion folge insbesondere aus dem Fehlen von Kapitalautbringungsvorschriften. Dem vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein könne nicht etwas gewährt werden, was dem rechtsfähigen Wirtschaftsverein untersagt sei, nämlich die Beschränkung der Haftung. Aus § 22 BGB folge ein numerus clausus der Handelsgesellschaften 292, der die Wahl einer der wirtschaftlichen Tätigkeit angemessenen Rechtsform fordere. Der vollkaufmännische Wirtschaftsverein unterliege daher einem Rechtsformzwang. Jedoch wirft die propagierte Anwendung des Rechts der OHG im Zuge des Rechtsformzwanges die Frage auf, wie dieser praktiziert werden soll. Eine Auffassung293 erklärt den vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein schlichtweg zur OHG. Zwar sei der Verein aufgrund seiner körperschaftlichen Struktur keine Gesellschaft, die Erklärung des vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsvereins zur OHG könne jedoch auf die vereinsrechtliche Vorschrift des § 22 BGB gestützt werden. Dem kann indes wegen der bereits festgestellten typologischen Unterschiede zwischen Personengesellschaft und Körperschaft nicht gefolgt werden, da es insoweit nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Verein, ohne Gesellschaft zu sein294, doch zur OHG erklärt werden kann. Im Übrigen müsste die Behandlung des vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsvereins als OHG auch bei den übrigen wirtschaftlichen Vereinen, die kein Handelsgewerbe betreiben, konsequent in der Weise erfolgen, dass sie zu BOB-Gesellschaften werden295 . Diese Konsequenz wird freilich nicht gezogen. Im Gegenteil wird gerade § 54 Satz 1 BGB im Hinblick auf seine Verweisung auf das Recht der BOB-Gesellschaft für unpassend gehalten296. Deshalb ist die Behandlung des vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsvereins als OHG nicht überzeugend. Sofern behauptet wird, die typologische Unterschiede zwischen Gesellschaft und Körperschaft könnten bei der Anwendung des Rechts der OHG auf den Wirtschaftsverein ebenfalls gewahrt werden, weil nach§ 109 HGB die OHG an das Innenrecht des vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsvereins angepasst werden könne297, überzeugt dies nicht. Dem steht schon entgegen, dass bei der Personengesellschaft, also auch bei der OHG, der Grundsatz der Selbstorganschaft
291 292 293 294 295 296 297
Reif!, Haftungsverfassungen, S. 87. K. Schmidt, OHG, S. 227. A. Hueck, OHG, S. 15; Reif!, Haftungsverfassungen, S. 93 f.; K. Schmidt, OHG, S. 201. Großfeld, Gestaltungsaufgabe, S. 52 m. w. N. Ähnlich Reuter, in Semler-FS, 931, 938. K. Schmidt, OHG, S. 220 f. So aber Reif!, Haftungsverfassungen, S. 90.
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zwingend gilt und deshalb die beim nichtrechtsfähigen Verein zulässige Drittorganschaft nicht vereinbart werden kann. Demzufolge kann der vollkaufmännische nichtrechtsfähige Wirtschaftsverein nicht durch einen Rechtsformzwang zu einer OHG werden. Daher erweist sich auch unter Betrachtung dieses Aspekts eine Gesamtbandszuordnung bei Körperschaften als nicht möglich. (dd) Geltung des Außenrechts der Personengesellschaft Vorzugswürdig ist es, den vollkaufmännischen nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein nur für die persönliche Haftung der Mitglieder dem Personengesellschaftsrecht zu unterstellen298 , denn diese Vorgehensweise beriicksichtigt die typologischen Unterschiede zwischen Personengesellschaft und Körperschaft. Dadurch wird das Innenrecht des eingetragenen rechtsfähigen Vereins bürgerlichen Rechts auch auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein angewandt299• §54 Satz 1 BGB ist danach eine Rechtsfolgenverweisung300 auf das Außenrecht der OHG, insbesondere das Haftungsrecht, die eine Einordnung als Gesellschaft nicht voraussetzt. Durch die Anwendung des OHG-Außenrechts bleibt die Struktur des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins unberiihrt, so dass schon gar keine Einordnung als OHG zu erfolgen braucht. Somit unterliegt der nichtrechtsfähige Verein auch keiner Gesamthandsvermögenszuordnung, sondern ist eigenständiger Vermögensträger. Die Vermögensverselbstständigung bei den Körperschaften wird durch die persönliche Haftung der Vereinsmitglieder aufgrund der analogen Anwendung des§ 128 HGB nicht in Zweifel gezogen. Diese ist nämlich mit einer Vermögensverselbstständigung des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins durchaus vereinbar. Dies belegt schon der Vergleich mit der Vor-GmbH, bei der die Vertreter des Außenhaftungsmodells301 die Verselbstständigung der Vorgesellschaft auch nicht in Frage stellen. Zudem wird durch das für § 128 HGB vertretene Akzessorietätsmodell302 die Vermögensverselbstständigung nicht angetastet. Nach diesem Modell werden allein Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft begriindet. Für diese VerbindKomjührer, Verein, S. 28 f.; Wieacker, in E.R. Huber-FS, 338, 378. Wieacker, in E.R. Huber-FS, 338, 378. 300 Schumann, Vereine, S. 25; Stall, in RG-Festgabe II, 49, 71 ; Wiedemann, GesR I, S. 93 f. ; im Ergebnis auch Komjührer, Verein, S. 28 f.; Stoltenberg, MDR 1989, 494, 498; Würdinger, Gesellschaften I, S. 105. 301 Vgl. dazu nur K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 28. 302 Beuthien, DB 1975, 725; Gessler, ZGR 1978, 251,256 f.; Flume, Personengesellschaft, S. 283 ff.; Kühne, ZHR 133 [1970], 149, 161 f.; Roth, ZHR 155 [1991], 24, 33; K. Schmidt, in Schlegelberger, § 128 HGB Rdnr. 16; Schwark, in Heinsius-FS, 753, 763, 769; Wiedemann, GesR I, § 5 IV. 1. c); ders., in Kellerrnann-FS, 529, 542; für die Personenhandelsgesellschaft Hüffer, GesR, S. 166. 298
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lichkeiten müssen die Gesellschafter gemäß § 128 HGB aufgrund ihrer persönlichen Einstandspflicht haften. Die Begründung von Verbindlichkeiten allein für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein steht seiner Verselbstständigung gegenüber den Mitgliedern nicht entgegen. Die analoge Anwendung von § 128 HGB bedeutet nämlich nicht, dass der nichtrechtsfähige Verein als OHG und folglich Gesamthand anzusehen ist. Mit der Analogie zu§ 128 HGB wird keine Aussage über die Struktur des nichtrechtsfähigen Vereins getroffen, sondern ausschließlich die Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten des Vereins geregelt. Deshalb ist der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein aufgrund seiner Eigenschaft als Körperschaft selbst keine OHG303 . Er wird im Hinblick auf die Haftung seiner Mitglieder nur wie eine Personengesellschaft behandelt. Die Haftung der Vereinsmitglieder führt also nicht zur Anwendung des Gesamthandsprinzips auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein. Die hier vertretene Lösung gewährleistet im Übrigen Ziel und Zweck des § 22 BGB 304. Die gläubigerschützende Funktion des § 22 BGB wird nämlich durch die analoge Anwendung der Haftungsregelung des § 128 HGB hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus liegt keine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit vor, die ebenfalls vorn Schutzzweck des § 22 BGB umfasst ist. Zwar darf nicht verkannt werden, dass die Rechtssicherheit wegen der mangelnden Publizität des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins nicht vollständig gewährleistet ist. Jedoch ergibt sich durch die Anwendung des OHG-Haftungsrechts auf den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein gegenüber der Rechtsformzwangthese diesbezüglich kein Nachteil, denn sowohl nach der hier bevorzugten Lösung als auch nach der Rechtsformzwangthese ist keine Publizität305 des nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Vereins gegeben. Er und seine Mitglieder werden in kein öffentliches Register eingetragen. Nach § 106 Abs. 2 HGB sind zwar die Namen der Gesellschafter der OHG in das Handelsregister einzutragen, um den Gläubigern die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Gesellschafter zu sichern. Jedoch soll sich der Rechtsformzwang vom nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein in eine OHG genau wie der Formzwang von GbR in eine OHG vollziehen, wenn die GbR ein Handelsgewerbe betreibe306 . Dieser Formzwang hänge nur vom Betreiben des Handelsgewerbes ab, ohne dass dieser Vorgang in ein Register einzutragen wäre307 • Somit ist bei ZuStoltenberg, MDR 1989, 494, 498. V gl. dazu nur Nitschke, Personengesellschaft, S. 116. 305 Gegen das Auftreten des nichtrechtsfähigen Vereins unter seinem Namen kann, anders als bei der Vor-GmbH (vgl. dazu unter § 10 li. 4.), trotz wirtschaftlicher Tätigkeit auch nicht von registergerichtlicher Seite vorgegangen werden. Die Regelungen des § 37 HGB und der §§ 140, 132 ff. FGG sind nicht anwendbar, weil der nichtrechtsfähige Verein unter keiner der dort vorausgesetzten Firmen fungiert. 306 K. Schmidt, OHG, S. 231. 307 Reift, Haftungsverfassungen, S. 243. 303
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grundelegung der Rechtsformzwangthese, die als Hauptargument § 22 BGB heranzieht, eine Publizität ebenfalls nicht gewährleistet. Damit ergibt sich unter Publizitätsgesichtspunkten kein Nachteil ftir die hier vertretene Lösung. (2) Abgrenzung von Personengesellschaften und Körperschaften unter Berücksichtigung körperschaftlich strukturierter Personengesellschaften
Auch bei Berücksichtigung der Möglichkeit, körperschaftliche Merkmale bei der Personengesellschaft zu vereinbaren 308, bleibt der auf den typologischen Unterschieden beruhende Gegensatz zwischen ihr und der Körperschaft, auf dem die Ablehnung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei letzterer beruht, bestehen und eine Abgrenzung zwischen beiden möglich. Im Falle der Vereinbarung körperschaftlicher Merkmale im Gesellschaftsvertrag erfolgt zwar insofern eine Annäherung der Personengesellschaft an die Körperschaft. Jedoch nimmt die Übernahme von körperschaftlichen Merkmalen bei der Personengesellschaft nie den Umfang an, dass sie als Körperschaft anzusehen ist. Sie gilt daher auch bei Übernahme körperschaftlicher Merkmale weiterhin als Personengesellschaft309. Deshalb scheidet eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften auch bei Berücksichtigung der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft aus. (a) Gemeinsamkeiten von körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften und Körperschaften Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass zwischen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften und Körperschaften Gemeinsamkeiten bestehen. So ist eine begriffliche Unterscheidung zwischen beiden unter Zugrundelegung der Definition des Reichsgerichts 310 nicht möglich, wonach der nichtrechtsfähige Verein "eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks ist, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist". Zudem ist anzuerkennen, dass mittlerweile im Hinblick auf Treuepflichten, die Möglichkeit der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips, die mangelnde Unterscheidung von Satzung und Gesellschaftsvertrag zwischen Körperschaften und körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften keine Abweichungen vorhanden sind. 308 Vgl. dazu insbesondere Nitschke, Personengesellschaft, S. 122- 136; ferner Sack, ZGR 1974, 179, 190. 309 Offenbar anders Nitschke, Personengesellschaft, S. 3, wobei er jedoch auf Seite 404 davon spricht, dass trotz der Übernahme körperschaftlicher Merkmale die Personengesellschaft gewisse Eigentümlichkeiten behält und als solche zu behandeln ist. 310 RGZ 143, 212, 213.
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(b) Unterschiede zwischen körperschaftlich strukturierten Personengesellschaften und Körperschaften Jedoch bleiben trotz der Übernahme von körperschaftlichen Elementen bei der Personengesellschaft, ähnlich wie bei der Differenzierung zwischen Gesamthand und juristischer Person311 , bestimmte Merkmale der Körperschaft übrig, welche die Gesellschafter der Personengesellschaft nicht vereinbaren können. Darüber hinaus sind auch bei Übernahme von körperschaftlichen Kriterien Abweichungen zur Körperschaft festzustellen. Die typologischen Unterschiede werden zunächst, genau wie bei der juristischen Person, daran sichtbar, dass das bei den Körperschaften typische Prinzip der Fremdorganschaft312 bei der Personengesellschaft keiner Vereinbarung zugänglich ist313 . Darüber hinaus bestehen Unterschiede im Hinblick auf den Bestandsschutz. Die für die Personengesellschaften anwendbare Regelung des § 738 BGB ist auf den nichtrechtsfähigen Verein als Grundform der Körperschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit unabhängig von seiner Zweckverfolgung nach zutreffender herrschender Auffassung314 nicht anwendbar. Wegen der körperschaftlichen Verfassung des nichtrechtsfähigen Vereins passt diese Regelung nicht, da der Verein unabhängig von seinem Mitgliederwechsel besteht und deshalb eine An- und Abwachsung als Folge des Abfindungsanspruchs gemäß § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Soweit eingewandt wird315, wegen der Unternehmerischen Tätigkeit des wirtschaftlichen nichtrechtsfähigen Vereins müsse die wirtschaftliche Beteiligung eines Mitgliedes bei dessen Ausscheiden durch den Abfindungsanspruch gemäß § 738 BGB kompensiert werden, kann dem nicht gefolgt werden. Sicherlich ist anzuerkennen, dass die wirtschaftliche Beteiligung bei Ausscheiden des Mitgliedes ausgeglichen werden sollte. Jedoch ist dies angesichts der damit verbundenen Folgen (An- und Abwachsung) nicht durch die Anwendung des
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§ 8 III. 5. b) aa).
Vgl. dazu die Einteilung bei Steding, GesR, S. 45. Deshalb ist die Auffassung von Nitschke, Personengesellschaft, insofern zweifelhaft, der einerseits im Zusammenhang mit dem nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein von einer körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft spricht (S. 122), andererseits aber den Grundsatz der Selbstorganschaft auch bei der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft für unverzichtbar hält (S. 238), jedoch die Fremdorganschaft für den nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein zulässt (S. 245). (vgl. zur Ablehnung der Fremdorganschaft bei Personengesellschaften ausführlich§ 2 I. 2. b) cc) (2) (b). 314 BGHZ 50, 325, 329; Hadding, in Soergel, §54 BOB Rdnr. 20; ähnlich Enneccerus, in Enneccerus/Nipperdey, AT-BOB, § 116 IV. 2. c); wohl auch Larenz/Wolf, AT-BOB, § 11 Rdnr. 5. 315 Nitschke, Personengesellschaft, S. 141; Westennann, in Erman, § 54 BOB Rdnr. 4; wohl auch Weick, in Staudinger13, §54 BOB Rdnr. 49. 312 313
14 Hentschke
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
§ 738 BGB möglich. Es ist allenfalls denkbar, ähnlich wie bei der eingetragenen GmbH, einen Abfindungsanspruch aus dem Mitgliedschaftsrecht als solchem zu gewähren, der dann aber nicht aus § 738 BGB resultiert. Die An- und Abwachsungsfolgen des § 738 BGB passen nämlich nicht zu der körperschaftlichen Verfassung des nichtrechtsfähigen Vereins. Deshalb ist der Bestandsschutz der Personengesellschaft nicht mit dem der Körperschaften vergleichbar. Der Abfindungsanspruch bei der Personengesellschaft dient deren Weiterbestehen mit der damit verbundenen Anwachsung des Anteils des ausscheidenden Gesellschafters zu den Anteilen der übrigen Gesellschafter. Bei den Körperschaften würde ein Abfindungsanspruch nur für einen Ausgleich der wirtschaftlichen Beteiligung und nicht zur Aufrechterhaltung des Bestehens der Körperschaft erforderlich sein, da die Körperschaften schon in ihrer Natur auf die Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand angelegt sind.
Ferner unterscheiden sich die Personengesellschaften auch von Gebilden, die den Körperschaft nahe stehen, wie der Einmann-Vor-GmbH, denn bei letzterer ist die Beteiligung nur einer Person316 möglich. Die Beteiligung nur eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft ist aber wegen der Unmöglichkeit der Einmann-Personengesellschaft317 nicht zulässig. Zwar ist bei einer Einmann-Beteiligung, die zumindest bei der Einmann-VorGmbH zulässig ist, keine Körperschaft gegeben, jedoch ist die Einmann-VorGmbH dem Recht der Körperschaften zuzuordnen 318. Nach allem bestehen die eben benannten Unterscheidungskriterien nicht nur für das Verhältnis zwischen juristischer Person und Gesamthand (Personengesellschaft)319, sondern sie sind auch für die Gegenüberstellung von Personengesellschaft und Körperschaft einschlägig. Daher ist zwischen letzteren ebenfalls eine typologische Differenzierung möglich und zwar sogar dann, wenn die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft mit in die Betrachtung einbezogen wird. Diese Differenzierung belegt, dass eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Körperschaft generell ausscheidet, weil sie mit deren Struktur nicht vereinbar ist. Damit wird eine Bezeichnung des nichtrechtsfahigen wirtschaftlichen Vereins als körperschaftlich strukturierter Personengesellschaft seinem Charakter als Körperschaft nicht gerecht, weil die Körperschaft nicht über Gesamtbandsvermögen verfügt.
316 Dies gilt aber nicht für den nichtrechtsfähigen Verein, bei dem mindestens zwei Personen vorhanden sein müssen; vgl. Heinrichs, in Palandt, §54 BGB Rdnr. 14. 317 Zu ihr ausführlich schon unter§ 8 III. 5. b) aa) (2) (b). 318 Vgl. dazu im einzelnen noch§ 8 lll. 7. c). 319 Vgl. dazu bereits§ 8 III. 5. b) aa).
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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(3) Zwischenergebnis
Die Analyse der Rechtslage beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein hat gezeigt, dass die typologischen Unterschiede zwischen Körperschaft und Personengesellschaft zu achten sind. Deshalb kann insgesamt festgestellt werden, dass aufgrund der engen Verknüpfung der Personengesellschaft mit dem Gesamthandsprinzip und wegen der typologischen Unterschiede zwischen Personengesellschaft und Körperschaft eine Gesamthandsverrnögenszuordnung bei Körperschaften nach der Einheitslehre ausgeschlossen ist. Dieses Ergebnis gilt auch für die Vor-GmbH, da sie als Körperschaft anzusehen ist. cc) Identität von unvollendeter, werdender und vollendeter juristischer Person Bestätigung findet die Ablehnung einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit in der herrschenden Meinung, die eine Identität von unvollendeten, werdenden und vollendeten juristischen Personen annimmt. (1) Identitätsverständnis bei der unvollendeten juristischen Person am Beispiel des nichtrechtsfähigen Vereins
Nach Auffassung des BGH320 kann sich der nichtrechtsfähige (Dauer-) Verein unter Wahrung seiner Identität in einen Vorverein und dann in einen rechtsfähigen Verein bürgerlichen Rechts verwandeln, ohne dass ein Rechtsträgerwechsel stattfindet. Der rechtsfähige Verein bürgerlichen Rechts ist aber Vermögensträger321 . Mit dem Identitätsgedanken wäre es nicht vereinbar, wenn für den nichtrechtsfähigen Verein eine Gesamthandsvermögenszuordnung vorgenommen werden würde, denn eine "Verwandlung" des nichtrechtsfähigen Vereins zum Vorverein und schließlich zum rechtsfähigen Verein wäre dann mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden. Dies ist nach dem dogmatischen Verständnis der Rechtsprechung aber gerade nicht der Fall. Darüber hinaus erscheint die Annahme lebensfremd322, dass mehrere Personen als Vereinigungsform eine Körperschaft wählen, in ihrer Rechtszuständigkeit aber gleichwohl gemeinschaftlich betroffen sein wollen. 320
BGH, WM 1978, 115, 116.
321
Brox, AT-BGB, Rdnr. 682, 684 f.
322
Albach, Einmanngründung, S. 141.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Der nichtrechtsfähige Dauerverein ist deshalb eine unvollendete juristische Person, der eigenständig, d. h. unabhängig von den Mitgliedern, das Vermögen zugeordnet wird. (2) Werdende juristische Personen
Der Identitätsgedanke ist nicht nur auf den nichtrechtsfähigen Verein, sondern auch auf die werdende juristische Person anwendbar. Dies belegt das Beispiel der Vor-GmbH. Die herrschende Meinung323 nimmt an, dass vor und nach der Eintragung dieselbe Gesellschaft vorhanden ist. Demnach existiert sie schon vor ihrer Eintragung als GmbH im Handelsregister324. Nach der Gegenauffassung325 sollen allerdings die Rechte und Pflichten der Vor-GmbH im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die GmbH bei deren Eintragung in das Handelsregister übergehen. Die Vor-GmbH erlösche mit der Eintragung und deren Rechte und Pflichten würden sich bei der GmbH fortsetzen. Es sei also lediglich eine Kontinuität zwischen Vor-GmbH und GmbH gegeben. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Auch der BGH326 erkennt mittlerweile an, dass die Rechte und Pflichten der Vor-GmbH ohne weiteres zu solchen der GmbH werden, ohne dass ein Übertragungsakt erforderlich wäre. Die automatische Fortgeltung der Rechte und Pflichten der Vor-GmbH nach Eingetragung der GmbH vermag demnach nur die Identitätstheorie zu erklären. Es handelt sich allerdings nicht um eine vollständige Identitäe27 , denn dann würde der Vor-GmbH schon die Rechtspersönlichkeit zugesprochen, die ihr erst durch die Eintragung verliehen wird. Deshalb ist der Identitätsgedanke durch den Gedanken der Kontinuität zu ergänzen. Wegen der Identität kommt es zu keinem Wechsel des Rechtssubjekts und durch die Kontinuität setzen sich die Rechtsverhältnisse der Vor-GmbH bei der eingetragenen GmbH fort328• Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Gesellschaft erst mit der Eintragung zur vollendeten juristischen Person wird und der Zeitpunkt der Eintragung somit die gebotene Bedeutung behält. Der Kontinuitätsgedanke verdeutlicht zudem, dass der Entwicklungsschritt vom vorläufigen Gründungsstadium zur eingetragenen juristischen Person nur vollzogen ist, wenn zuvor das Eintragungsverfahren ordnungsgemäß verlaufen ist329• Somit ist die 323 Dilcher, JuS 1966, 87, 92; Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 103; K. Schmidt, GmbHR 1987, 77, 78; ders., in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 132; Schneider, Vorbelastungshaftung, s. 27. 324 K. Schmidt, GmbHR 1987, 77, 78. 325 Hadding, in Soergel, v. § 21 BGB Rdnr. 72; Kühler, GesR, § 24 II. 2. c); Ulmer, ZGR 1981, 593,602. 326 BGHZ 80, 129, 140. 327 Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 103. 328 Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 104. 329 Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 107.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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Identität der Vor-GmbH und der GmbH im Sinne einer vollständigen Kontinuität der Rechtsverhältnisse zu verstehen 330. Mit diesem Identitätsverständnis ist eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Vor-GmbH nicht zu vereinbaren, denn sonst wäre mit der Eintragung der GmbH ein Rechtsträgerwechsel verbunden331 . Daher findet die selbstständige Vermögenszuordnung zur Vor-GmbH durch den Identitätsgedanken Bestätigung, zumal zwischen diesem und der Bestimmung des Vermögensträgers eine enge Verbindung festzustellen ise 32. Somit ist auch einer neueren Auffassung in der Literatur333 nicht zu folgen, nach der die Identität trotz einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Vor-GmbH gegeben sei. Dem steht entgegen, dass die Gesamthandsgesellschaft gegenüber ihren Gesamthändern nicht völlig verselbstständigt334 ist und deshalb bei Eintragung der Vor-GmbH ein Rechtsträgerwechsel stattfände. Eine weitere Ansicht335 , die eine personalistische Struktur der Vor-GmbH mit Hilfe des Identitätsverständnisses zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz von 1994 in §§ 191 Abs. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG erklären will, überzeugt ebenfalls nicht. Gegen diese Sichtweise spricht schon, dass sie die Gründung der EinmannGmbH nicht erklären kann, sondern lediglich, wie selbstverständlich, die Möglichkeit einer Einmann-Personengesellschaft behaupter336. Als solche müsse die VorGmbH eingeordnet werden. Die Einmann-Personengesellschaft ist jedoch, wie bereits erörtert337, nicht zulässig. Dieser Sicht ist zudem entgegenzuhalten, dass die Identität der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft im Falle der Umwandlung auf einer gesetzlichen Fiktion beruht338 . Der Übergang von der Vorgesellschaft zur GmbH vollzieht sich dagegen nicht durch Formwechsel im Sinne der §§ 190 ff. UmwG, sondern die GmbH kommt durch ihre Gründung zustande 339 Schließlich gehört die Vor-GmbH nicht zu den nach§§ 3, 124, 191 UmwG umwandlungsfähigen Rechtsträgern340. 330 Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 103; K. Schmidt, GmbHR 1987, 77, 78; Schneider, Vorbe1astungshaftung, S. 27. 331 Büttner, Identität, S. 139; Rittner, juristische Person, S. 325 f. K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 24. 332 Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 107. 333 Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 123; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 145. 334 Dazu bereits § 8 III. 5. a) bb). 335 Kießling, Vorgesellschaft, S. 324 ff. 336 Kießling, Vorgesellschaft, S. 2. 337 Vgl. § 8 III. 5. b) (2) (c). 338 Dazu bereits § 8 III. 5. b) bb). 339 K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 21. 340 Ehses, Griinderhaftung, S. 10; K. Schmidt, in Zöllner-FS, 521, 524.
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Das Identitätsverständnis des Umwandlungsgesetzes für die Dogmatik des Gründungsvorganges dennoch heranzuziehen und damit eine Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Vor-GmbH zu begründen, erscheint ferner deshalb nicht plausibel, weil gerade das Identitätsverständnis des Umwandlungsgesetzes zu der Diskussion um die Aufgabe des Gesamtbandsverständnisses geführt hae41 . Folglich ist die Identität nur mit der vollständigen Verselbstständigung der VorGmbH gegenüber ihren Mitgliedern zu erklären. Insgesamt belegt also die herrschende Auffassung zur Identität von Vor-GmbH und eingetragener GmbH, dass eine Gesamthandsvermögenszuordnung mangels Rechtsträgerwechsels bei der Eintragung der GmbH nicht möglich erscheint. e) Mangelnde Erforderlichkeif der Rechtspersönlichkeit
Mit der Ablehnung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist als wesentliche Erkenntnis der vorstehenden Untersuchung festzuhalten, dass es für eine eigenständige Vermögenszuordnung maßgeblich auf die Struktur eines Gebildes ankomrnt342, soweit es als Rechtsträger anerkannt werden kann. Das gilt zum einen, weil sich die Verselbstständigung als Körperschaft eben auch auf das vermögensrechtliche Gebiet bezieht, und zum anderen, da die Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit wegen ihrer Rechtsträgereigenschaft Vermögensträger sind, zumal die Rechtsträgerschaft das herausragende Prinzip der Vermögenssonderung darstelle43 . Deshalb ist eine eigene Rechtspersönlichkeit für eine eigenständige, von den Mitgliedern unabhängige Vermögenszuordnung nicht zwingend erforderlich. Der körperschaftlich verfasste Verband existiert schon vor der Erlangung der eigenen Rechtspersönlichkeit, denn die fehlende Vollrechtsfähigkeit darf nicht zu dem Schluss verleiten, dass dadurch der Verband nicht existiert344• Die Annahme einer Körperschaft ist niemals mit der Eintragung oder Verleihung verknüpft. Ausschlaggebender Punkt für das Vorliegen der Körperschaft ist der organisatorische Aufbau345 • Demzufolge gehören Rechtspersönlichkeit und Körperschaft nicht notwendig zusammen. Die Rechtspersönlichkeit betrifft vor allem die Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr. Nicht nur sie bewirkt die Verselbstständigung eines Gebildes, denn eine solche wird auch durch die körperschaftliche Verfassung eines Verbandes herbei341 342 343 344
345
Vgl. schon§ 8 III. 5. b). Jäger; Gesellschafterhaftung, S. 99. Hennecke, Sondervermögen, S. 45. So auch K. Schmidt, Verbandszweck, S. 20. K. Schmidt, Verbandszweck, S. 15.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
215
geführt. Demnach sind auch als Rechtsträger anerkannte Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit selbstständige Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB. Sie können vereinfacht auch als unvollendete juristische Personen bezeichnet werden. Dieser Begriff verdeutlicht grundsätzliche die strukturelle Gleichartigkeit der als Rechtsträger anerkannten Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit der juristischen Person und bekräftigt zudem die Ablehnung der Gesamthandsvermögenszuordnung346. Die Annahme, dass diese unvollendeten juristischen Personen eigene Rechte und Pflichten zugeordnet werden können, unterläuft das geltende Normativsystem nicht, denn dessen Zweck besteht darin, den Ausschluss der persönlichen Haftung der Mitglieder und die uneingeschränkte Handlungsmöglichkeit im Rechtsverkehr ohne registergerichtliche Kontrolle zu verhindern. Die persönliche Haftung ist auch nach dem hier vertretenen Konzept gegeben. Zudem ist zwar bei den Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit durch die Annahme der Rechtsträgerschaft die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr gegeben, denn der nichtrechtsfähige Verein ist nämlich selbst Partner eines Rechtsverhältnisses347. Dies wird aber durch Rechtsfortbildung - etwa beim nichtrechtsfähigen Verein - ermögliche48, so dass ein Verstoß gegen das Normativsystem ausscheidet. j) Ergebnis Damit ist insgesamt zu resümieren, dass zwischen der Organisationsstruktur einer Körperschaft und der eigenständigen Vermögenszuordnung ein Zusammenhang besteht, weil ersterer Struktur nur eine eigenständige, von den Mitgliedern verselbstständigte Vermögenszuordnung und eben keine Gesamtbandszuordnung folge 49.
346 Diese Konsequenz denkt auch Rittner, juristische Person, S. 264 an, verwirft sie aber mit der Begründung, dass der nichtrechtsfähige Verein eine körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft sei. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, weil bei der körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft das Verbot der Fremdorganschaft gilt, das beim nichtrechtsfähigen Verein gerade keine Anwendung findet (vgl. Nitschke, Personengesellschaft, s. 238, 245). 347 So für den nichtrechtsfähigen Verein als Grundform der Körperschaft ohne Rechtspersönlichkeit aber mit Rechtsträgereigenschaft K. Schmidt, GesR, § 25 II. I. a). 348 Albach, Einmanngriindung, S. 154. 349 Die Ablehnung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei den mit Rechtsträgereigenschaft ausgestatteten Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit lässt eine Literaturmeinung (K. Schmidt, GesR, §§ 8 III. 4. c), 11 IV. 3., 25 li. 1. a) als inkonsequent erscheinen, die einerseits bei den Vorgesellschaften (Vor-GmbH, Vor-AG) eine Gesamtbandszuordnung ausdrücklich ablehnt (K. Schmidt, GesR, § 11 IV. 3.) und andererseits beim nichtrechtsfähigen Verein eine Gesamthandvermögenszuordnung vornehmen will (K. Schmidt, GesR, § 8 III. 4. c), wobei jedoch unter§ 25 II. 1. a) keine Rede mehr von einer Gesamthandsvermögenszuordnung ist). Die Vorgesellschaften sind aber mit dem nichtrechtsfähigen Verein, ohne als solcher eingestuft zu werden, vergleichbar, weil ihre Endstufen als Vereine im weiteren Sinne anerkannt
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Die Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB ist daher im Ergebnis den Rechtspersonen kraft ihrer Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen, darüber hinaus aber auch den Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, weil sie Rechtsträger sind. Damit ist die Rechtspersönlichkeit keine zwingende Voraussetzung einer Vermögensverselbstständigung im Sinne des § 266 StGB. Es ist lediglich das Entstehen eines verselbstständigten Zuordnungsträgers, dem eigenständig Rechte zugeordnet werden, erforderlich. Das zwingt zur Aufgabe der These, dass bei allen unter der Rechtsperson stehenden Personifikationen eine Gesamthandsvermögenszuordnung vorzunehmen sei, denn diese Sicht missachtet die strukturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Personifikationen. Die Anerkennung der Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die als Rechtsträger gelten, als eigenständige Vermögensträger, bestätigt auch die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH im Sinne des § 266 StGB wegen ihres Charakters als Körperschafeso und aufgrund ihrer Rechtsträgerschafe 51 • Deshalb ist die wohl herrschende Meinung352, die von einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Vor-GmbH ausgeht, abzulehnen. 7. Unvereinbarkeit der Gesamtbandsthese mit der Zulassung von Einmanngründungen
Der Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Vor-GmbH steht ferner die Zulässigkeit von GmbH-Einmanngründungen entgegen, die der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des GmbH-Gesetzes von 1980353 ausdrücklich akzeptiert hat.
sind (vgl. die Einordnung bei K. Schmidt, GesR, § 3 I. 2. a). Insoweit liegen zwischen den Vorgesellschaften und dem nichtrechtsfähigen Verein letztlich in der Sache keine so großen Unterschiede vor, die eine unterschiedliche Vermögenszuordnung rechtfertigen würde. 350 Vgl. dazu§ 8 III. 6. b). 351 Vgl. dazu§ 8 III. 4. 352 OLG Dresden, NZG 1998, 311; 312; Autenrieth, JA 1981, 391, 395; Flume, in GesslerFS, 3, 31; Hadding, in Soergel, Vor § 21 BGB Rdnr. 42; Haupt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, S. 159; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rdnr. 7; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 45. 353 Vgl. dazu RegE, BR-Drcks. 404177, S. 4.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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a) Vermögenszuordnung bei der Einmann-Vor-GmbH
aa) Ablehnung der Einmann-Gesamthand Damit stehen die Befürworter354 einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Mehrpersonengründung vor dem Problem, die Einmann-Gründung in dieses Konzept einzupassen. Beispielhaft zeigt dies eine ältere Entscheidung des BGH355 , in der die Einmann-Vor-GmbH als ein Gebilde bezeichnet wird, das rechtstheoretisch zwar nicht überzeugend begründbar, das aber gewohnheitsrechtlich anerkannt sowie volkswirtschaftlich unschädlich sei und für das ein praktisches Bedürfnis bestehe. Außer begrifflichen Bedenken könnten keine durchgreifenden Argumente gegen die Zulassung geltend gemacht werden. Konsequenterweise müsste das Einmann-Vor-GmbH-Vermögen Gesamthandsvermögen sein. Eine Einmann-Gesamthand existiert jedoch nicht. Zwar wird neuerdings von einigen356 behauptet, die Einmann-Gesamthand sei bei Anwendung der neuen Lehre 357 , welche die Gesamthand als Zuordnungsendpunkt von eigenen Rechten und Pflichten betrachtet, möglich, weil für die Gesamthand die Personenmehrheit keine Voraussetzung sei 358 . Deshalb könne wegen der Gleichbehandlung von Mehrpersonen-Vor-GmbH und Einmann-Vor-GmbH letztere auch über gesamthänderisches Vermögen verfügen359, dass als Sondervermögen des einzelnen Gründers anzusehen sei, wodurch die gemäß § 7 GmbHG notwendige Aussonderung aus dem Privatvermögen erfolge. Dem ist aber zu widersprechen. Allein die Einordnung der Gesamthand als Zuordnungsendpunkt von eigenen Rechten und Pflichten bewirkt, wie oben360 bereits festgestellt, keine Verselbstständigung des Vermögens gegenüber den Gesamthändern. Zudem sind die strukturellen Gesichtspunkte zu beachten. Der Gesamthand würde durch das Fehlen der Gruppe bei der Zulassung einer Einmann-Gesamthand 354 Fezer; JZ 1981, 608, 616; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 11 GmbHG Rdnr. 7; Hüffer; ZHR 145 [1981], 521, 526; M. Scholz, Haftung, S. 50; Ulmer; BB 1980, 1001, 1002 f.; Ulmer; in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 15. 355 BGHZ 21, 378,384. 356 Pfister; Einmann-Personengesellschaft, S. 130 ff.; Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaft, S. 41; Weimar; ZIP 1997, 1769, 1772. 357 Vertreter dieser neueren Gesamtbandslehre sind u. a. Fabricius, Relativität, S. 139 ff.; Flume, ZHR 136 [1972], 177, 193 ff.; ders., Personengesellschaft, S. 50 ff.; S. 68 ff.; Grunewald, GesR, Rdnr. 95 ff.; Habersack, JuS 1990, 179, 182; Hennecke, Sondervermögen, S. 61 ff.; Lindacher; JuS 1981, 431, 433 ff.; K. Schmidt, GesR, § 8 III.; Schünemann, Grundprobleme, S. 110 ff.; Teichmann, AcP 179 [1979], 475, 480; Ulmer; Gesellschaft,§ 705 BGB Rdnr. 130; ders., AcP 198 [1998], 113, 133 ff.; jetzt auch Wiedemann, in Kellermann-FS, 529 ff.; ders., WM 1994, Sonderbeilage 4, S. 4 ff. 358 Weimar; ZIP 1997, 1769, 1772. 359 Th. Schmidt, Einmann-Personengesellschaft, S. 41. 360 § 8 III. 5. a) bb).
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
die Substanz fehlen. Soweit für die Zulässigkeit der Einmann-Gesamthand auf die Einordnung als Sondervermögen des einzelnen Gesellschafters gestützt wird, sind damit verschiedene Aspekte in die Diskussion eingebracht worden, die sich so nicht miteinander vereinbaren lassen. Wird bei der Einordnung als Sondervermögen das neuere Gesamtbandsverständnis (Einheitslehre) zugrunde gelegt, fehlt, wegen der mangelnden Gruppe von Gesamthändern, der Gesamthand die Substanz. Sobald bei der Einordnung als Sondervermögen die vermögensrechtliche Seite der Gesamthand angesprochen ist, kann daraus nicht die nötige Verselbstständigung folgen, die von § 7 GmbHG für die GmbH-Gründung vorausgesetzt wird. Schließlich resultiert das vermögensrechtliche Verständnis aus der Vielheitslehre, die den einzelnen Gesamtbänder als Zuordnungsendpunkt von Rechten und Pflichten ansieht. Zudem findet bei einer vermögensrechtlichen Sichtweise auch deren spezifisches Merkmal, der Ausschlusses der Sonderverfügung über das Gesamtbandsvermögen (§ 719 BGB), keine Berücksichtigung, weil dieses eine Personenmehrheit voraussetzt. Somit bleibt wie bei der Einmann-Personengesellschaft festzuhalten, dass sich die Annahme einer Einmann-Gesamthand nicht mit der Dogmatik des Gesamthandsprinzips vereinbaren lässt. Daher ist bei der Einmann-Vor-GmbH die Möglichkeit der Einmann-Gesamthand zu verneinen.
bb) Unzulänglichkeit der Verfügungsbeschränkungsthese, der Treuhandlösung und der Vermögensinhaberschaft des Gründers Um jedoch die Annahme der Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Mehrpersonengründung aufrecht erhalten zu können, wird verschiedentlich wegen der nicht möglichen Gesamthandsvermögenszuordnung das Vorhandensein einer Einmannvorgesellschaft mit eigenständiger Vermögenszuordnung geleugnet. Dementsprechend soll nach einem Teil des Schrifttums361 der Einmanngründer bis zur Eintragung der Gesellschaft alleiniger Rechtsinhaber der geleisteten Einlagen bleiben. Die erforderliche Vermögenssonderung lasse sich dadurch erreichen, dass der Gründer in der Verfügung über diese Rechte beschränkt sei. Eine derartige Verfügungsbeschränkung könne auch ausnahmsweise als zulässig betrachtet werden, da die Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes eine gesetzliche Ausnahme des§ 137 Satz 1 BGB seien. Eine andere Auffassung362 nimmt an, dass die notwendige Trennung von Privatvermögen und geleisteten Einlagen wegen der Unmöglichkeit einer Vorgesellschaft die Einschaltung eines Treuhänders erfordere. Bei Sachgründungen sei jedoch die Möglichkeit der Einschaltung eines Treuhänders zu verneinen, da dies ge361 362
Fezer; JZ 1981, 608, 616. Hüffer; ZHR 145 [1981], 521, 534.
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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gen die Zielrichtung des Gesetzes verstoße. Hier sei bei Einbringung eines Grundstücks die Eintragung einer Vormerkung erforderlich, wie dies auch im Regierungsentwurf vorgesehen war363 • Bei anderen Sacheinlagen müssten in entsprechender Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG Sicherheiten gestellt werden. Eine dritte Ansicht364 sieht die geleisteten Einlagen als Sondervermögen des Gründers an. Da jedoch wegen der fehlenden Gesamtbandszuordnung eine (Teil-) Rechtsfähigkeit wie bei der Mehrpersonengesellschaft nicht in Betracht komme, weil letztere im deutschen Zivilrecht nur natürlichen Personen, gesetzlich anerkannten juristischen Personen und Gesamtbandsgemeinschaften zukomme, sei eine Änderung der dinglichen Rechtszuordnung bei der Einlagenerbringung im Rahmen der Einmanngründung nicht möglich. Vielmehr müsse der Gründer auch nach der "Leistung" der Einlagen als Rechtsinhaber angesehen werden 365 . Die vorgenannten Lösungen vermögen allesamt nicht zu überzeugen, weil sie mit den Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes nicht vereinbar sind. Diese Ansätze haben nämlich die Konsequenz, dass die Einlagenleistungen nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise erbracht würden. Für die Bareinlagen, die vor der Eintragung geleistet werden müssen, schreibt das Gesetz deren Einzahlung vor. Der Begriff "Einzahlung" macht deutlich, dass die Leistungen in das Gesellschaftsvermögen erfolgen, also der dingliche Vollzug vorliegen muss366. Zudem wäre bei Leugnung der Vorgesellschaft die durch § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG vorgeschriebene Sicherung für Resteinlagen gefährdet, weil es sich dann nämlich um die Sicherung von künftigen Forderungen einer noch inexistenten Gesellschaft handeln würde. Es bliebe nur die völlig unpraktische Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren367• Darüber hinaus ließen sich die Sacheinlagen nicht in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise bewirken. Gemäß § 7 Abs. 3 GmbHG sind Sacheinlagen derart an die Gesellschaft zu leisten, dass sie endgültig zur freien Verfügung des Geschäftsführers stehen. Der Gesetzgeber ist also von einem dinglichen Vollzug ausgegangen368. Die Nichtanerkennung der Einmann-Vorgesellschaft würde dazu führen, dass z. B. bei der Mobiliarsacheinlage jede Möglichkeit fehlt, die vom Gesetz geforderte Rechtsübertragung vor der Eintragung zu bewirken. Der Ablehnung der Einmann-Vor-GmbH kann daher insgesamt nicht gefolgt werden.
363 364 365 366 367 368
In§ 7 b Abs. 2 GmbHG, der aber wieder gestrichen worden ist. Ulmer; in Hachenburg, § ll GmbHG Rdnr. 17; ders.,BB 1980, 1001, 1002 f. Ulmer; in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 17; ders., BB 1980, 1001, 1002. So zu Recht K. Schmidt, ZHR 145 [1981], 540, 551. Dies wird zutreffend auch von K. Schmidt, ZHR 145 [1981], 540, 551 betont. K. Schmidt, ZHR 145 [1981], 540, 551.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
cc) Einmann-Vor-GmbH kein Sondervermögen eigener Art Da die bestehenden Gründungsvorschriften eine Gleichstellung der EinmannVor-GmbH mit der Mehrpersonen-Vor-GmbH anordnen, in dem die geschuldeten Einlagen bereits vor Eintragung der Gesellschaft zu leisten sind, wurde nach Lösungen gesucht, die den Anforderungen des GmbH-Gesetzes gerecht werden. So wird vorgeschlagen 369, die einzuzahlenden Einlagen als Sondervermögen eigener Art zu betrachten, das nach den Gründungsvorschriften der Satzung und des Gesetzes sowie dem Recht der eingetragenen Gesellschaft, soweit dies die Eintragung nicht voraussetzt, zu behandeln sei. Somit könne der schon vorhandene Geschäftsführer für das Sondervermögen Rechte und Pflichten erwerben, wie dies bei der Mehrpersonengründung mit Wirkung für die Gesamthand geschehe370. Dieser Ansatz ist jedoch abzulehnen. Zwar kann dieser Sichtweise nicht entgegengehalten werden 371 , dass nach ihr keine ausreichende Trennung zwischen dem Vermögen des Gründers und den von ihm zu erbringenden Einlagen vorliege, denn der Eigenart der Vorgesellschaft wird durch die Einordnung der Vor-GmbH als Sondervermögen hinreichend Rechnung getragen. Das von dieser Auffassung angenommene Sondervermögen ist nämlich gegenüber dem Gründer hinreichend verselbstständigt. Die von dem Gesellschafter zu erbringende Stammeinlage kann in dieses Sondervermögen geleistet werden. Mit dieser Möglichkeit der Leistungsbewirkung ist dem gesetzlichen Erfordernis des § 7 GmbHGausreichend genüge getan. Diese Auffassung führt aber zu einer Ungleichbehandlung der Gründungsarten, weil bei Einmann-Gründungen ein Sondervermögen, bei der Mehrpersonengründung dagegen ein Gesamtbandsvermögen vorläge. Dem Gesetz ist eine solche Differenzierung jedoch fremd. Zudem würde die Eintragung der Einmann-Vor-GmbH bei Annahme eines Sondervermögens zu einer Gesamtrechtsnachfolge beim Übergang der Aktiva und Passiva führen, die sich nicht mit der Identität zwischen Vor-GmbH und GmbH vereinbaren lässt372. b) Anerkennung einer verselbstständigten Einmann-Vor-GmbH
Zutreffenderweise ist deshalb von der Existenz der GmbH - und zwar auch der Einmann-GmbH - bereits vor ihrer Eintragung auszugehen, ohne dass damit eine gegen das geltende Normativsystem verstoßende - Anerkennung als juristische Person373 verbunden wäre. Flume, DB 1980, 1781, 1783, ders.,juristische Person, S. 174, 175. Flume, DB 1980, 1781, 1783. 371 Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 17. 372 Vgl. zur Identitätstheorie § 8 111. 6. d) cc) (2). 373 So aber Kusserow, Einmanngründungen, S. 102.
369 370
§ 8 Die Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH
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Nur diese Sichtweise wird dem Gesetz, das in § 7 GmbHG eine hinreichende Trennung der Vermögensmassen der Gründer I des Gründers von eingebrachten Stammeinlagen fordert, sowie der ldentitätstheorie, die keinen Rechtsträgerwechsel bei der Eintragung der GmbH, sondern nur die Erlangung der Rechtspersönlichkeit vorsieht, gerecht. Die Einmann-Vor-GmbH ist somit als eigenständiger, von dem Gründer verselbstständigter Rechtsträger anzuerkennen. Die Existenz einer Vorgesellschaft bei der Einmann-GmbH lässt sich angesichts der gesetzlichen Situation nicht überzeugend bestreiten. Die Ablehnung der Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Einmann-VorGmbH bestätigt wegen der gesetzlichen Gleichbehandlung von Einmann- und Mehrpersonengründung auch die Ablehnung einer Gesamthandsvermögenszuordnung bei der Mehrpersonen-Vor-GmbH. Die Verselbstständigung, insbesondere die des Vermögens, beruht bei Einmanngründungen allerdings nicht auf rein körperschaftlichen Gesichtspunkten, denn der Körperschaftsbegriff kann nur im Falle einer Mehrheit von Personen angewandt werden374. Die Einmann-Vorgesellschaft ist aber als ein nach körperschaftlichen Regeln zu behandelndes Substrat anzuerkennen, dem schon im Gründungsstadium verselbstständigt eigene Rechte und Pflichten zugeordnet werden können375 . Auf sie trifft die Bezeichnung werdende juristische Person376 zu, weil dadurch deutlich wird, dass die juristische Person nicht erst durch den Akt der Eintragung entsteht, sondern schon vorher errichtet ist und existiert, nur eben nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit. Von der oben377 beschriebenen unvollendeten juristischen Person unterscheidet sich die werdende juristische Person dadurch, dass sie die Eintragung und damit die Anerkennung als vollendete juristische Person erstrebt. Im Hinblick auf die Einmann-Vor-GmbH ist die hier für die Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StGB verwandte Terminologie, nach der neben den Personen im Sinne der allgemeinen Personenlehre auch die unvollendeten juristischen Personen als Vermögensträger anerkannt werden, jedoch zu konkretisieren. Da die unvollendete juristische Person in der Regel als Körperschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit, aber mit Rechtsträgerschaft zu umschreiben ist, kann darunter zwar die Mehrpersonen-Vor-GmbH gefasst werden, nicht dagegen die Einmann-VorGmbH, da sie keine Körperschaft darstellt. Neben der unvollendeten juristischen Person ist aber auch die werdende juristische Person als Vermögensträger anzuerkennen. Wegen der gesetzlichen Gleichbehandlung der Gründungsarten soll deshalb auch für die Mehrpersonen-Vor-GmbH der Begriff der werdenden juristischen Person verwendet werden. Sachliche Unterschiede zu der unvollendeten juristiNitschke, Personengesellschaft, S. 57. Albach, Einmanngründung, S. 170; Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 199; K. Schmidt, ZHR 145 [1981], 540, 557 f.; wohl auch Schröder, Einmann-Vorgesellschaft, S. 161; für die Einmann-Vor-AG Bachmann, NZG 2001, 961,962. 376 Ritmer, juristische Person, S. 321 ff. m § 8 III. 6. d) bb). 374 375
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
sehen Person ergeben sich aber nicht, weil sowohl die werdende juristische Person (auch die Einmann-Vor-GmbH) als auch die unvollendete nach körperschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Differenzierungen zwischen beiden ergeben sich hinsichtlich des von ihnen verfolgten Zwecks, weil die werdende juristische Person auf die Erlangung der Rechtspersönlichkeit angelegt ist. Sachliche Unterschiede für die Beurteilung der Vermögensträgerschaft im Sinne des § 266 StOB folgen daraus aber nicht. Die Einmann-Vor-GmbH ist nach allem als eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StOB anzuerkennen.
IV. Zwischenergebnis Insgesamt bleibt als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Rechtspersönlichkeit keine zwingende Voraussetzung für die Anerkennung als Vermögensträger im Sinne des § 266 StOB ist. Es genügt das Vorliegen einer Körperschaft, die als Rechtsträger anerkannt ist. Da der Vor-GmbH die letztgenannten Eigenschaften zukommen, ist sie eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StOB.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen
der Vor-GmbH
Nachdem der Nachweis der Vermögensträgerschaft der Vor-GmbH erbracht wurde, gilt es nun zur Vervollständigung ihrer Vermögenssubjekteigenschaft, entsprechend der oben378 vorgenommenen Merkmalsanalyse zu belegen, dass die Vorgesellschaft über eigenständige Vermögensinteressen verfügt.
I. Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG als Ausdruck des Vermögensinteresses der Vor-GmbH 1. Inhalt der Vermögensinteressen im Sinne des § 266 StGB a) Definition der Vermögensinteressen
Zu diesem Zweck ist zunächst der Inhalt des Begriffs der Vermögensinteressen zu bestimmen. Dieses Merkmal besitzt einen eigenständigen Gehalt, denn § 266 StOB unterscheidet zwischen Vermögen und den Vermögensinteressen des Inha378
§ 8 11.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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bers379. Das Gesetz benutzt daher den Begriff der Vermögensinteressen nicht als Synonym für Vermögen380, weil ansonsten die gewählte Fassung des Relativsatzes weder sprachlich noch konstruktiv sinnvoll wäre. Grundlage für die Gewinnung der Definition der Vermögensinteressen ist die allgemeine Betrachtung des Begriffs "lnteresse"381 . Unter psychologischen Gesichtspunkten wird darunter eine "Disposition, durch die das Verhalten eines Individuums mit erhöhter Aufmerksamkeit auf bestimmte Ziele gerichtet wird, die subjektiv als besonders wichtig empfunden werden und den Bedürfnissen komplementär sind"382, verstanden. Unter Berücksichtigung soziologischer Zusammenhänge bewirkt ein Interesse schließlich das "zweckgerichtete Streben von einzelnen oder kollektiven Subjekten"383 . Die Definitionen unter psychologischen und soziologischen Gesichtspunkten sind auf das Vermögen zu beziehen384. Demnach ist das "Interesse" als Anteilnahme, Neigung, Aufmerksamkeit an einem Nutzen oder Vorteil aus einem Vermögen zu verstehen385 . Damit wird der Einsatz des Vermögens umschrieben, der sich als Ergebnis eines Entscheidungsprozesses im Umgang mit Vermögen darstellt. Die einzelnen Punkte wie Anteilnahme, Neigung, Aufmerksamkeit, Nutzen oder Vorteil beschreiben die Zwecke des Vermögenseinsatzes. Mit diesen Zwecken des Vermögenseinsatzes lässt sich das Vermögensinteresse eines Vermögenssubjekts charakterisieren386• Folglich ist als Vermögensinteresse die vom Vermögenssubjekt autonom - im Falle defekter Autonomie die für es gesetzlich - definierten Zwecke des Vermögenseinsatzes im Rahmen der Rechtsordnung zu verstehen387 . Mit der eben vorgenommenen Bestimmung der Vermögensinteressen eines Vermögenssubjekts ist den Aussagen388 in der Literatur nicht zu folgen, die den Begriff des Vermögensinteresses derart verstehen, dass er nicht auf gegenwärtiges, sondern nur auf künftiges Vermögen, also die Gewinnung von Vermögen gerichtet ist. Mit einer derartigen Charakterisierung ist ein Zirkelschluss begründet, denn durch die maßgebliche Einbeziehung künftigen Vermögens bei der Bestimmung des Inhalts der Vermögensinteressen wäre das Merkmal des Vermögensinteresses als Interesse an einem Interesse an Vermögen anzusehen 389. 379 Frank, Nachtrag, § 266 StGB Anm. II B; ferner Hübner, in LK 10, § 266 StGB Rdnr. 21; Schünerrumn, in LK 11 , § 266 Rdnr. 69; dem folgend Nelles, Untreue, S. 463. 380 Nelles, Untreue, S. 462. 381 Vgl. dazu Nelles, Untreue, S. 467. 382 Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 10, Stichwort "Interesse". 383 Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 10, Stichwort "Interesse". 384 Nelles, Untreue, S. 468. 385 Nelles, Untreue, S. 468. 386 So zu Recht das Ergebnis bei Nelles, Untreue, S. 469. 387 Nelles, Untreue, S. 469. 388 Eser, Strafrecht IV, Fall17 A 55; Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 69. 389 Nelles, Untreue, S. 466.
Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
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Sollten die Ausführungen zur Bestimmung der Vermögensinteressen ferner auf die Einbeziehung von künftigem Vermögen in den Schutzbereich des § 266 StGB gerichtet sein, so ist dem zu widersprechen. Eine solche Sichtweise390 läuft dem Gesetz zuwider, weil § 266 StGB zumindest in seiner ersten Variante existentes Vermögen voraussetzt, indem die Tathandlung in einer Verfügung über Vermögen besteht, und stellt dariiber hinaus eine gesetzwidrige Ausdehnung des Vermögensbegriffs dar. In der Konsequenz müsste nach dieser Ansicht § 266 StGB insoweit anders gefasst werden, nämlich .,dessen Vermögen oder Interessen der Tater zu betreuen hat"391 .
b) Bestimmung der Vermögensinteressen durch den Zwecksetzungsbefugten Mit der Definition des Inhalts der Vermögensinteressen ist aber noch nichts darüber ausgesagt, wer die Zwecke des Vermögenseinsatzes bestimmt. Damit ist das von Nelles 392 entwickelte Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis angesprochen. Danach bestimmt derjenige, dem die Zwecksetzungsbefugnis zusteht, über den Einsatz des Vermögens. Jedoch hat entgegen dem Ansatz von Nelles das Merkmal der Zwecksetzungsbefugnis keinen Einfluss auf die Bestimmung des Vermögensinhabers393, weil dieser nach rechtlichen Gesichtspunkten bestimmt wird. Die Zwecksetzungsbefugnis besitzt ausschließlich Bedeutung für das Merkmal Vermögensinteresse. Grundsätzlich stellen nämlich die vom Zwecksetzungsbefugten festgelegten Zwecke des Vermögenseinsatzes die Interessen des Inhabers dar. Dies bereitet dann keine Probleme, wenn, wie in der Regel bei natürlichen Personen, eine Identität zwischen Vermögensinhaber und dem Zwecksetzungsbefugtem besteht. Aber selbst bei natürlichen Personen treten Schwierigkeiten auf, wenn die Identität zwischen Vermögensinhaber und Zwecksetzungsbefugtem nicht besteht, so zum Beispiel bei der Betreuung gemäߧ§ 1896 ff. BGB. Dann wird die Zwecksetzungsbefugnis des Betreuers durch Gesetz beschränkt. Diese Beschränkung bewirkt, dass die vom Gesetz benannten Zwecke des Vermögenseinsatzes die eigenständigen Vermögensinteressen des Inhabers repräsentieren.
c) Beschränkung der Zwecksetzungsbefugnis durch Gesetz als Ausdruck eigenständiger Vermögensinteressen Eine fehlende Identität von Vermögensträger und Zwecksetzungsbefugtem ist auch bei handlungsunfähigen Gebilden, wie zum Beispiel den juristischen Personen gegeben, die nicht autonom, sondern erst durch ihre Organe handlungsfahig 390 391 392 393
Labsch, Untreue, S. 190. Nelles, Untreue, S. 465. Nelles, Untreue, S. 469. Vgl. dazu bereits oben § 8 I. 3 .• 8 III. 1.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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sind. Um diese handlungsunfähigen Gebilde als Vermögenssubjekte anerkennen zu können, ist der Nachweis erforderlich, dass die Zwecksetzungsbefugnis der Organe durch Gesetz beschränkt ist. Existiert eine solche Beschränkung nicht, dann können die Organe die ihnen zustehende Zwecksetzungsbefugnis allein und umfassend ausüben, so dass keine eigenständigen Vermögensinteressen des handlungsunfähigen Gebildes vorliegen und daher eine Anerkennung als Vermögenssubjekt nicht erfolgen kann. Beispiel für die Nichtanerkennung eigenständiger Vermögensinteressen ist der nichtrechtsfähige Verein. Er ist zwar mangels eigener Rechtspersönlichkeit keine juristische Person, aber eine handlungsunfähige Körperschaft, die erst durch ihre Organe handlungsfähig wird. Bei ihm bestimmt das Gesetz jedoch nicht die Zwecke des Vermögenseinsatzes. Die Mitglieder und der Vorstand können unbeschränkt über das Vereinsvermögen verfügen. Damit sind beim nichtrechtsfähigen Verein keine eigenständigen Vermögensinteressen anzuerkennen. Er kann deshalb trotz seiner Vermögensträgerschaft nicht als ein von den Mitgliedern verselbstständigtes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB qualifiziert werden. Ein Schutz des nichtrechtsfähigen Vereins vor einverständlichen Schädigungen durch seine Mitglieder und Organe entfällt daher. Bei Vermögensbeeinträchtigungen ohne Vorliegen eines Einverständnisses durch die Mitglieder liegt jedoch Untreue gemäß § 266 StGB vor, da dann die durch die Mitglieder für den nichtrechtsfähigen Verein bestimmten Vermögensinteressen als verletzt anzusehen sind. Anders liegt es im Falle der eingetragenen GmbH, die als juristische Person ebenfalls nicht autonom, sondern erst durch ihre Organe handlungsfähig wird. Bei ihr erfolgt jedoch eine Zwecksetzung durch das Gesetz in Form des § 30 Abs. 1 GmbHG wegen der Anerkennung eines eigenständigen Bestandsinteresses394, wodurch die grundsätzlich den Gesellschaftern zustehende Zwecksetzungsbefugnis beschränkt wird. Die Begrenzung dieser Befugnis der Gesellschaftergesamtheit durch § 30 Abs. 1 GmbHG bestimmt innerhalb seines Anwendungsbereichs die Zwecke des Vermögenseinsatzes der GmbH und repräsentiert insoweit ein eigenständiges Vermögensinteresse der GmbH, so dass die Gesellschaft als verselbstständigtes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB anzusehen ist. Wegen der Anerkennung eines eigenständigen Vermögensinteresses der GmbH durch § 30 Abs. 1 GmbHG ist nach der Übertragbarkeit der Vorschrift auf die ebenfalls nicht autonom handlungsfähige Vor-GmbH zu fragen. 2. Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH Sollte die Regelung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vor-GmbH anwendbar sein, wäre dies Ausdruck eines eigenständigen Vermögensinteresses der Vorgesellschaft 394
Vgl. dazu oben§ 5 III. 2. b) ee).
15 Hentschke
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Bei der eingetragenen GmbH ist die Dispositionsbefugnis395 der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen durch die Kapitalerhaltungsvorschrift gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG begrenzt396. Sollte sich diese Beschränkung auf die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter der Vor-GmbH übertragen lassen und im Strafrecht zulässig sein, wäre ein Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen zu bejahen. Bevor über die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG entschieden werden kann, bleibt allerdings zu klären, wie sich die Rechtsanwendung bei der Vorgesellschaft generell vollzieht. Die Notwendigkeit dieses Schritts ergibt sich aus der oben397 bei der Auslegung des § 64 Abs. 1 GmbHG getroffenen Feststellung, dass sich die Daseinsseite der Vor-GmbH nicht durch eine unmittelbare Anwendung des GmbH-Gesetzes regeln lässt. a) Rechtsanwendung bei der Vorgesellschaft
Das GmbH-Gesetz beschäftigt sich im Rahmen der Gründungsvorschriften
(§§ 1-11 GmbHG) nur mit der Errichtung im engeren Sinne.
Keine Hilfestellung bei der Rechtsanwendung im Hinblick auf die Vorgesellschaft bietet die bereits398 geführte Diskussion um deren Rechtsnatur. Schließlich wurde die Einstufung der Vorgesellschaft als Gebilde sui generis befürwortet. Diese Einstufung gibt aber keine Antwort auf die methodische Frage nach der Rechtsanwendung. aa) Sonderrechtsformel Die Einstufung der Vor-GmbH als Gebilde sui generis wurde durch eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1956 bestätigt, in der das Geriche99 für die Rechtsanwendung feststellt, dass die Vor-GmbH "eine Organisation [sei], die einem Sonderrecht untersteht, das aus den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der rechtsfähigen GmbH, soweit es die Eintragung nicht voraussetzt, besteht".
395 Der Begriff der Dispositionsbefugnis beschreibt eine Voraussetzung des Einverständnisses. Er ist identisch mit dem Begriff der Zwecksetzungsbefugnis, der für den Nachweiseigenständiger Vermögensinteressen im Sinne des § 266 StOB Bedeutung besitzt. Es bestehen folglich zwischen beiden Begriffen keine sachlichen, sondern nur terminologische Unterschiede. 396 Unter § 5 III. 3. 397 § 2 11. 3. e). 398 § 21. 2. b) cc) (1). 399 BGHZ 21, 242, 246.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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Diese Auffassung lehnt sich an die oben400 dargestellte Schreiber-Feine-Formel an, nach der die noch nicht eingetragene GmbH eine GmbH abzüglich der Eigenschaften, die erst durch Eintragung erworben werden, ist. Die Formel des BGH enthält zwar mit der Erwähnung des GmbH-Gesetzes die Quelle, der die Rechtsanwendung zu entnehmen ist401 . Sie trifft aber keine konkrete Aussage über die Rechtsgewinnung der Daseinsseite der Vorgesellschaft402, weil nicht exakt dargelegt wird, welche Operationen bzw. Methoden bei der Gewinnung des Rechts der Vor-GmbH eigentlich auszuführen sind. Eine solche Konkretisierung fehlt noch immer. Die Formel des BGH gibt nur die Richtung vor, in der eine Lösung zu finden ist403 . bb) Rechtsfortbildung bei der Vor-GmbH ( 1) Methodisches Vorgehen
Ausgangspunkt der Überlegungen in der Literatur404 war, dass es sich bei der rechtlichen Erfassung der werdenden juristischen Person (damit auch der VorGmbH) um ein Lückenproblem handelt. Diese Aussage bezieht sich primär auf die Lückenfeststellung, während für die Lückenausfüllung und damit für die Rechtsanwendung bei der werdenden juristischen Person die Frage aufgeworfen wurde, ob eine Lückenschließung mit Hilfe der Analogie möglich erscheint. Durch den Vergleich der werdenden mit der vollendeten juristischen Person wird darauf eine positive Antwort gefunden. Diese Vorgehensweise geht mit der überwiegend zur rechtswissenschaftliehen Methodik vertretenen Auffassung405 konform, dass die Analogie ein Mittel der Lückenausfüllung sei. Demgegenüber ist von einem Teil des methodischen Schrifttums406 aber zutreffend nachgewiesen worden, dass die Analogie als logisch teleologisches Schlussverfahren nicht nur Mittel der Lückenausfüllung ist, sondern - zumindest bei den teleologischen Lücken - bereits zur Lückenfeststellung heranzuziehen ist. Die Grundlage dieses Ergebnisses ist die Einteilung der Lücken in "Anordnungs- und
§ 2 I. 2. b) cc) (1). Rittner, juristische Person, S. 135. 402 Rittner, juristische Person, S. 135. 403 Zutreffend Rittner, juristische Person, S. 142. 404 Rittner, juristische Person, S. 8. 405 Bartholomeyczik, Gesetzesauslegung, S. 81 ff.; Engisch, Einführung, S. 146; Heck, Rechtsgewinnung, S. 129 ff.; Nipperdey, in Enneccerus/Nipperdey, AT-BGB, §58 II.; Regelsberger, Pandektenrecht, S. 156 ff.; Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 80 ff.; v. Tuhr; BR, S. 41; Wächter, Pandekten I, S. 123. 406 In erster Linie von Canaris, Feststellung, S. 72; in Ansätzen Bierling, Prinzipienlehre, S. 404; Herrfahrdt, Lücken im Recht, S. 37; ferner Larenz, Methodenlehre, S. 291. 400
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15*
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Rechtsverweigerungslücken", "teleologische" Lücken und "Prinzip- oder Wertlücken"407. Eine Rechtsverweigerungslücke liegt vor, wenn das positive Recht eine Rechtsfrage aufwirft, die Antwort jedoch schuldig bleibt. Die Notwendigkeit der Ergänzung des Gesetzes ergibt sich bei den Rechtsverweigerungslücken aus dem Geltungsanspruch der Anordnungen des positiven Rechts, weil sich anderenfalls einzelne Normen nicht verwirklichen ließen408 • Eine Rechtsverweigerungslücke ist somit gegeben, wenn das Vorliegen einer Rechtsfrage feststeht und nur die rechtliche Antwort offen ist409. Die Analogie stellt bei den Rechtsverweigerungslücken nur ein Mittel zur Lückenausfüllung dar410. Hingegen dient, wie eben erwähnt, die Analogie bei den teleologischen Lücken bereits als Mittel zur Lückenfeststellung411 . Gekennzeichnet sind die teleologischen Lücken dadurch, dass bei ihrer Feststellung und Ausfüllung die Wertungen des Gesetzes zu beriicksichtigen sind412 . Für die Erkenntnis, dass die Analogie bereits ein Mittel der Lückenfeststellung darstellt, wird auf das wesentliche Merkmal der Lücke zuriickgegriffen, nämlich die Unvollständigkeit des Gesetzes, die wiederum Voraussetzung für dessen Ergänzungsbedürftigkeit ist413 . Die Unvollständigkeit des Gesetzes lässt sich nur mit Hilfe des Gleichheitssatzes und den Wertungen des Gesetzes ermitteln. Es ist als unvollständig und damit lückenhaft anzusehen, wenn der aus dem Gerechtigkeitsprinzip folgende Gleichheitssatz wegen der Rechtsähnlichkeit mit dem gesetzlich nicht geregelten Fall dessen Regelung erfordert414. Da fUr die Lückenfeststellung auch die Planwidrigkeit der Unvollständigkeit des Gesetzes feststehen muss, ist die Analogie als Verfahren für die Lückenfeststellung bereits in diesem Stadium anzuerkennen415 . In der Regel erfolgen Feststellung und AusfUllung durch ein und denselben Vorgang416. In Ausnahmefallen können jedoch auch bei den teleologischen Lücken Feststellung und Ausfüllung teilweise auseinanderfallen, so dass die Analogie bei beiden eine eigenständige Funktion besitzt417. Eine solche Ausnahme liegt zum Beispiel in den Fällen der Selbstaufopferung im Straßenverkehr vor, in denen der Kraftfahrer sich selbst schädigt, um einen anderen vor dem Überfahrenwerden zu Canaris, Feststellung, S. 139 ff. Canaris, Feststellung, S. 69. 409 Canaris, Feststellung, S. 145. 410 Canaris, Feststellung, S. 146. 411 Canaris, Feststellung, S. 73, 75. 412 Canaris, Feststellung, S. 71. 413 Canaris, Feststellung, S. 17. 414 Canaris, Feststellung, S. 72. 415 Canaris, Feststellung, S. 73, 75. 416 Canaris, Feststellung, S. 148. 417 Canaris, Feststellung, S. 149. 407 408
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retten. Der BGH418 billigt dem Kraftfahrer in analoger Anwendung des § 670 BGB, der unmittelbar nur den Ersatz von Aufwendungen regelt, grundsätzlich einen Ersatz für entstandene Schäden zu, wobei allerdings auf der Rechtsfolgenseite die Einschränkung gemacht wird, dass nur ein angemessener Ersatz zu leisten ist. Neben den "Anordnungs- und Rechtsverweigerungslücken" und "teleologischen" Lücken existieren, wie bereits konstatiert, die "Prinzip- und Wertlücken". Die "Prinzip- und Wertlücken" sind dahin zu charakterisieren, dass in allen sie betreffenden Fällen das Fehlen einer gesetzlichen Regelung nur deshalb als vom Standpunkt der Gesamtrechtsordnung aus planwidrig anzusehen ist, weil ein allgemeines Rechtsprinzip Verwirklichung fordert und zu einer bestimmten Lösung drängt419. In diesen Fällen sind Rechtsprinzipien für die Lückenfeststellung und -ausfüllung verantwortlich. (2) Lückenfeststellung
Um für die Vor-GmbH die Feststellung einer Lücke im GmbH-Gesetz vornehmen zu können, gilt es zunächst, deren mögliche Art zu bestimmen. (a) Mögliche Art der Lücke Ausgeschlossen ist im Hinblick auf die Vor-GmbH zunächst eine Rechtsverweigerungslücke. Die Vorschriften des GmbH-Gesetzes lassen sich auch ohne Regelungen der Daseinsseite der Vor-GmbH realisieren. Die GmbH kann auch ohne solche Vorschriften entstehen, und die Notwendigkeit einer Regelung der Daseinsseite der Vor-GmbH ist erst durch Ermöglichung einer Unternehmenstätigkeit infolge der Entwicklung der Vorgesellschaft festzustellen. Ferner ist eine "Prinzip- und Wertlücke" zu verneinen, da kein allgemeines Rechtsprinzip eine Regelung der Daseinsseite der Vor-GmbH fordert. Somit könnte nur noch eine teleologische Lücke vorliegen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, lässt sich nur unter Heranziehung der Analogie als teleologisch logisches Schlussverfahren klären. Die methodischen Schwierigkeiten der Analogie bestehen in der Ermittlung der ratio legis und ihrer "Anwendung" auf den gleichzustellenden Fall. Problematisch ist konkret, die "Ähnlichkeit" des gleichzustellenden Falls herauszuarbeiten. Dabei gilt es zu beweisen, dass das Fehlen einer bestimmten Regelung nicht nur vom Rechtssuchenden oder -anwender subjektiv als unbefriedigend empfunden wird, sondern vom Standpunkt der Gesamtrechtsordnung aus objektiv eine planwidrige Unvollständigkeit darstellt420 . Nur die Gesamtrechtsordnung und nicht das Rechtsgefühl des Einzelnen ist entscheidend. 418 419 420
BGHZ 38, 270, 277 ff. Canaris, Feststellung, S. 113. Canaris, Feststellung, S. 73.
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(b) Analogie als Mittel der Lückenfeststellung Demzufolge ist fraglich, ob zwischen der Vor-GmbH und der eingetragenen GmbH eine derartige Ähnlichkeit besteht, dass vom Standpunkt der Gesamtrechtsordnung eine planwidrige Unvollständigkeit des GmbH-Gesetzes hinsichtlich der Daseinsseite der Vor-GmbH gegeben ist. Die obigen421 Betrachtungen belegen eine Ähnlichkeit zwischen der eingetragenen GmbH und der Vor-GmbH, die für die Feststellung einer Analogie ausreicht. Zwar sind, wie dargelegt422 , Vor-GmbH und GmbH nicht vollständig identischdann bedürfte es auch keiner Analogie -, aber die Vor-GmbH ist ebenso wie die eingetragene GmbH als Körperschaft anzusehen. Deshalb bleibt die Struktur der Vor-GmbH bei Vollendung ihrer Entwicklung zur eingetragenen GmbH erhalten. Zu dieser strukturellen Gleichartigkeit zwischen Vor-GmbH und GmbH tritt hinzu, dass die Vor-GmbH genau wie die eingetragene GmbH im Rechtsverkehr selbstständige Trägerio von Rechten und Pflichten ist423 . Unterschiede bestehen nur insoweit, als die Vor-GmbH nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Zudem profitieren die Gesellschafter noch nicht von der Haftungsbeschränkung. Die beiden letztgenannten Gesichtspunkte stellen die im Übrigen bestehende Gleichartigkeit jedoch nicht in Frage. Diese Entwicklung der körperschaftlichen Vor-GmbH zur Rechtsträgerio durch Zulassung einer Daseinsseite führt zu einer Annäherung an die eingetragene GmbH und bewirkt eine planwidrige Unvollständigkeit des GmbH-Gesetzes. Das hatten auch die Verfasser des Entwurfs424 der GmbH-Novelle von 1980 gesehen, indem sie die Existenz einer Vor-GmbH anerkannten. Eine teleologische Lücke liegt demnach vor. (c) Charakterisierung der Lücke nach herkömmlicher Einteilung Nach herkömmlicher Einteilung425 handelt es sich um eine anfängliche, bewusste, offene Gebietslücke426. Zwar hatte der historische Gesetzgeber des GmbH-Gesetzes, anders als der Novellierungsgesetzgeber, die Vorgesellschaft bewusst geleugnet427 , so dass auf den ersten Blick eine nachträgliche Lücke vorzuliegen scheint, die erst durch die Annäherung der Vor-GmbH an die GmbH entstand. Jedoch wurde im Verfahren zur Novellierung des GmbH-Gesetzes428 das Problem der Daseinsseite der Vor42t 422 423 424 425 426 427 428
§ s m. § 8 III. 6. d) cc) (2). § 8 III. 4. Vgl. BT I Drucks. 71253, S. 96 zu § 22. Siehe dazu Canaris, Feststellung, S. 134 ff. Rittner, juristische Person, S. 8. V gl. in der Einführung unter I. 1. BT I Drucks. 71253 , S. 96 zu § 22.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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GmbH erkannt und auf eine Regelung verzichtet. Stattdessen überließ der Novellierungsgesetzgeber die Klärung der Behandlung der Vor-GmbH der Wissenschaft und Rechtsprechung, so dass es sich nicht nur um eine anfängliche, sondern darüber hinaus auch um eine bewusste Lücke handelt. Ferner ist die festgestellte Lücke eine offene. Eine solche liegt nämlich vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe - hier für die Vor-GmbH - keine Regelung enthält, obgleich eine solche nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes erforderlich wäre429 . Zudem stellt die Unvollständigkeit des GmbH-Gesetzes eine Gebietslücke430 dar, weil mit der Daseinsseite der Vor-GmbH ein innerlich zusammenhängendes Gebiet ungeregelt geblieben ist und folglich ein Komplex von Normen fehlt. (3) Lückenausfüllung
Eingangs wurde bereits ausgeführt, dass in der Regel mit der Lückenfeststellung durch Analogie zugleich die Lücke ausgefüllt ist. Es sind allerdings Ausnahmefälle denkbar, in denen eine weitere Analogie bei den teleologischen Lücken für die Lückenausfüllung erforderlich ist431 . Dieser Ausnahmefallliegt vor, wenn sich die Rechtsähnlichkeit nicht auf alle regelungsbedürftigen Punkte erstreckt. Schließlich darf jede Analogie nur so weit gehen, wie ihr Grund, die Rechtsähnlichkeit des gesetzlich geregelten mit dem gesetzlich nicht geregelten Fall, reicht432. Um einen solchen Ausnahmefall könnte es sich bei der Vor-GmbH handeln. Aus der Sonderrechtsformel geht hervor, dass ein Ausnahmefall vorliegt, weil "die Vorschriften des GmbH-Gesetzes Anwendung finden, soweit sie die Eintragung nicht voraussetzen"433. Die Unterscheidung zwischen eintragungsahhängigen und einttagungsunabhängigen Vorschriften ist mittlerweile jedoch auf Kritik gestoßen. Es sei keine überzeugende Begründung dafür zu finden, dass die Übertragung von Vorschriften des GmbH-Gesetzes auf die Vor-GmbH nicht zulässig sein so11434. Vielmehr müsse von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regelungen des GmbH-Gesetzes ausgegangen werden. Folglich bedürfe nicht die Anwendbarkeit der Vorschriften einer Rechtfertigung, sondern nur ihre Nichtanwendbarkeit bei einem Entgegenstehen von Besonderheiten der Vor-GmbH435 .
429
430 431 432
433 434 435
Larenz, Methodenlehre, S. 377. Zum Begriff vgl. Canaris, Feststellung, S. 137. Canaris, Feststellung, S. 149. Nipperdey, in Enneccerus-Nipperdey, AT-BGB, § 58 II. 3. BGHZ 21 , 242, 246. Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 68 f. Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 70.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Selbst diese Feststellung bringt aber keine Änderung des Befundes, dass die Analogie eine selbstständige Bedeutung für die Ausfüllung der teleologischen Lücke bei der Vor-GmbH besitzt. Es müsste nämlich trotz der Rechtsähnlichkeit der Vor-GmbH und der GmbH das Vorliegen eines Ausnahmefalles überprüft werden, so dass von einer Identität des Vorgangs der Lückenfeststellung und der -ausfüllung nicht ausgegangen werden kann. Damit besitzt die Analogie bei der Vor-GmbH auch Bedeutung für die Lückenausfüllung, so dass für die einzelnen Vorschriften des GmbH-Gesetzes - natürlich mit Ausnahme der Vorschriften, die sich auf die Errichtung im engeren Sinne beziehen(§§ l-ll GmbHG)- zu prüfen wäre, ob sie auf die Vor-GmbH übertragen werden können. Bei Zugrundelegen des abweichenden Ansatzes ist hingegen umgekehrt zu untersuchen, ob ausnahmsweise die Vorschriften des GmbH-Gesetzes als nicht anwendbar erscheinen. Im folgenden wird die der Sonderrechtsformel entsprechende Vorgehensweise zugrunde gelegt, weil die Daseinsseite der Vor-GmbH durch das GmbH-Gesetz nicht geregelt worden ist, so dass es nicht ohne weiteres auf die Vor-GmbH angewandt werden kann, sondern die Anwendung einer besonderen Rechtfertigung bedarf. (4) Analogie zu den Vorschriften des GmbH-Gesetzes
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass das Recht der Vor-GmbH durch analoge Anwendung der Vorschriften des GmbH-Gesetzes bestimmt wird, soweit diese keine Eintragung voraussetzen.
b) Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG im Stadium der Vor-GmbH
Es ist deshalb zu klären, ob die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. GmbHG an die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister anknüpft. aa) Ablehnende Auffassung Der BGH436 verneint ohne nähere Begründung die Anwendbarkeit des § 30 Abs. l GmbHG auf die Vor-GmbH, weil diese Vorschrift die Eintragung der Gesellschaft erfordere. Die strengen Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes sind danach nicht unmittelbar und uneingeschränkt auf die Vorgesellschaft übertragbar. 436
BGH, WM 1980,955, 956; BGHZ 80, 129, 133.
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Dem folgt ein Teil der Literatur437 mit der Begründung, dass es anderenfalls zu einer Entwertung des Einttagungszeitpunktes käme, dem dann nur eine formelle Bedeutung zukäme438 . Darüber hinaus sei eine Anwendung des § 30 Abs. l GmbHG auch gar nicht notwendig, da alle Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens durch die zum Einttagungszeitpunkt einsetzende Differenzhaftung (im Falle des Scheitems der Eintragung der Verlustdeckungshaftung) der Gesellschafter ausgeglichen würden439 . Die Differenzhaftung verdränge quasi § 30 Abs. 1 GmbHG440. Eine Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschrift wäre nur geboten, wenn die Haftung der Gesellschafter im Stadium der Vorgesellschaft beschränkt wäre. Eine Haftungsbeschränkung sei aber abzulehnen441 . An die Stelle der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG träten die Vorschriften über die Kapitalaufbringung der§§ 7 Abs. 2, 3; 8 Abs. 2 GmbHG, die nach ihrem Sinn und Zweck für die Mindesteinzahlungen zum Anmeldungszeitpunkt auch kapitalsichernd wirkten. Dadurch sei gewährleistet, dass die eingezahlten Einlagen nicht wieder ausgeschüttet werden442 • bb) Befürwortende Auffassung Dieser Sicht hält die überwiegende Meinung in der Literatur443 jedoch überzeugend entgegen, dass § 30 Abs. 1 GmbHG bereits im Stadium der Vorgesellschaft anwendbar ist. ( 1) Unbrauchbarkeit der Gründungsvorschriften als Kapitalsicherung
Eine sinngemäße Anwendung der §§ 7 Abs. 2, 3; 8 Abs. 2 GmbHG quasi als Ersatz für die vermeintlich fehlende Kapitalsicherung verkennt die Regelungswirkung der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. l GmbHG. Läge § 30 Abs. l 437 Bälz, in Zöllner-FS, 35, 60; Fleck, GrnbHR 1983, 5, 10; Stimpel, in Fleck-FS, 345, 354; Theobald, Vor-GmbH, S. 105 ff.; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GrnbHG Rdnr. 9. 438 Fleck, GrnbHR 1983, 5, 10; Stimpel, in Fleck-FS, 345, 354. 439 Fleck, GrnbHR 1983, 5, 10. 440 Theobald, Vor-GmbH, S. 105. 441 Stimpel, in Fleck-FS, 345, 354. 442 Ulmer, in Hachenburg, § 11 GrnbHG Rdnr. 9; ferner Theobald, Vor-GmbH, S. 110. 443 Brock, Haftungssituation, S. 70; Büttner, Identität, S. 73; Burckert, GmbH, S. 58; Crezelius, DStR 1987, 743, 745; Derwisch-Ottenberg, Haftungsverhä1tnisse, S. 50; Flume, ZHR 146 [1982], 205, 209; Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 168; Knoche, Gründerhaftung, S. 165 ff.; S. 172 ff. ; Kusserow, Einrnanngründung, S. 146; Meister, in Wemer-FS, 521 , 551; Priester, ZIP 1982, 1141, 1147; Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 823; v. Rössing, Sachgründung, S. 143; Roth, ZGR 1984, 597, 616; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GrnbHG Rdnr. 53; Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 115; Schultz, JuS 1982, 732, 736; Weimar, GrnbHR 1988, 289,295.
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GmbHG das gleiche Verständnis wie den Kapitalautbringungsvorschriften zugrunde, müsste die Kapitalerhaltung in der GmbH gegenständlich, d. h. als Verbot der Einlageruückgewähr, zu verstehen sein. Oben444 wurde jedoch bereits dargelegt, dass der Kapitalerhaltung bei der GmbH ein wertmäßiges Verständnis zugrunde liegt. Diese Funktion können die §§ 7 Abs. 2, 3; 8 Abs. 2 GmbHG wegen ihrer gegenständlichen Regelungswirkung nicht erfüllen445 . (2) Bedeutung der Gesellschafterhaftung
Des Weiteren greift das Argument, die Anwendung des § 30 Abs. l GmbHG sei entbehrlich, nicht durch, weil die Differenz- bzw. Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter nicht den gleichen Regelungsbereich wie die Kapitalerhaltungsvorschrift umfasst. Die Haftung bietet nämlich lediglich einen Ausgleich für Verluste aus der Geschäftstätigkeit, während § 30 Abs. l GmbHG verhindem soll, dass durch die Auszahlungen das Gesellschaftsvermögen unter die Stammkapitalziffer absinkt. Folglich kann die Differenz- bzw. die Verlustdeckungshaftung kein entscheidendes Argument gegen die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG liefem446. Die Gegenauffassung447 erkennt im Übrigen an, dass die Gesellschafterhaftung § 30 Abs. l GmbHG nicht zwingend verdrängt. Die ablehnende Haltung gegenüber der Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschrift scheint zum Tei1448 darauf zu beruhen, dass daraus ein Haftungsausschluss der Gesellschafter für die Anlaufverluste im Vorgesellschaftsstadium zu folgen scheint. Diese Befürchtung liegt zwar auf den ersten Blick nicht fern, weil sich der Haftungsausschluss der Gesellschaftergesamtheit durch die Kapitalerhaltung rechtfertigt. Sie ist aber angesichts der unterschiedlichen Regelungsbereiche von Haftung und Kapitalerhaltung keine notwendige Konsequenz. Im Übrigen entfaltet die Kapitalerhaltung bereits im Stadium der Vorgesellschaft teilweise ihre Funktion. Nach dem Innenhaftungskonzept449 ist die Gesellschafterhaftung im Stadium der Vor-GmbH als stichtagsbezogene Haftung ausgestaltet. Deshalb besteht in dem unter Umständen doch recht langen Stadium des Bestehens der Vor-GmbH450 trotz ihrer Geschäftstätigkeit quasi eine Haftungsbeschränkung, die es den Gesellschaftern ermöglicht, unter Ausschluss des persönlichen Risikos und ohne Kapitalgrundlage werbend durch die Vor-GmbH tätig zu werden. Der zeitlich beschränkte völlige Ausschluss wirtschaftlichen Risikos widerspräche dem Gesellschaftsrecht, das keine Geschäftstätigkeit ohne Haftungsgrundlage kennt. Infolgedessen ist es angebracht und gebo444 445 446 447 448 449
450
§ 5 111. 2. c) aa). Knoche, Gründerhaftung, S. 172. Ebenso Knoche, Gründerhaftung, S. 174; ferner Schütz, Verlustdeckungspflicht, S. 114. Theobald, Vor-GmbH, S. 106. Fleck, GmbHR 1983,5, 10; Stimpel, in Fleck-FS, 345, 354. § 1 I. 3. c). V gl. dazu die Untersuchung bei Klein, Rückgriffsanspruch, S. 1-3.
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ten, § 30 Abs. 1 GmbHG bereits im Stadium der Vor-GmbH anzuwenden. Damit wird zumindest zum Teil das wirtschaftliche Risiko der werbenden Tätigkeit der Vorgesellschaft durch Vorhandensein einer Kapitalgrundlage verringert451 . (3) Kapitalerhaltung als Existenzberechtigung der Vor-GmbH
Der durch § 30 Abs. 1 GmbHG bereits gesicherte Haftungsfond stellt die Existenzberechtigung der werbenden Vorgesellschaft dar, ohne den deren Tätigkeit unter Geltung eines stichtagsbezogenen Innenhaftungskonzepts nur schwer vorstellbar ist. Aus der Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG als Ausdruck der Existenzberechtigung der werbenden Vorgesellschaft folgt in diesem Umfang ein Bestandsinteresse der Vor-GmbH452. Zwar verfügt die Vor-GmbH nicht über eine Rechtspersönlichkeit, so dass die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG und damit ein Bestandsinteresse der Vorgesellschaft nicht auf diesen Aspekt gestützt werden kann. Gleichwohl ist ein vorwirkender Bestandsschutz der GmbH auf das Stadium der Vor-GmbH anzuerkennen, weil letztere ebenfalls als eigenständiger, von den Gesellschaftern verselbstständigter Vermögensträger anzusehen ist. Zudem ist die Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschrift zur Unterstützung eines GmbH-nahen, stichtagsbezogenen Haftungskonzepts erforderlich. (4) Kapitalerhaltung aus Gründen des mittelbaren Gläubigerschutzes
Mit dem Aspekt der Haftung ist der mittelbare Gläubigerschutz angesprochen. Die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG bewirkt reflexartig den Schutz der Gläubiger. Ihnen steht damit bereits im Stadium der Vor-GmbH eine Haftungsgrundlage zur Verfügung. Dies ist auch angebracht, denn bei Berücksichtigung der bei Beendigung der Vor-GmbH durch Eintragung, Insolvenz oder Aufgabe der Eintragungsahsicht bestehenden Schwierigkeiten453 bei der Durchsetzbarkeit der persönlichen Haftung der Gesellschafter454 ist aus Gründen des mittelbaren Gläubigerschutzes eine Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG geboten455 . Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 115. Zur Anerkennung eines Bestandsinteresses im Rahmen des § 30 Abs. 1 GmbHG bei der eingetragenen GmbH vgl. bereits§ 5 III. 2. b) ee). 453 Vgl. dazu bereits oben§ 1 II. c) bb). 454 Auf die bestehenden Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Gläubigeransprüche weist Kusserow, Einmanngründungen, S. 148 hin. Es könnte auch hier eingewandt werden, dass bei der Einforderung der Einlagen gegenüber den Gründern dieselben Schwierigkeiten wie bei der Durchsetzung der Differenzhaftung bestünden und deshalb die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG wirkungslos bliebe. Jedoch muss beachtet werden, dass § 30 Abs. 1 GmbHG vorgeschaltet einen Schutz vor gegenständlichen Auszahlungen bewirkt. Folglich greifen derartige Bedenken nicht durch. 455 Roth, ZGR 1984, 597, 616; in Ansätzen ferner Schultz, JuS 1982, 732, 736; aus Gründen des Gläubigerschutzes für eine Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG Reinhardt/Schultz, GesR, Rdnr. 823; Weimar, GmbHR 1988,289,295. 451
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
(5) Wertungswiderspruch beifehlender Kapitalerhaltung
Es überzeugt überdies nicht, dass auf der einen Seite die Gesellschafter mittels der persönlichen Gründerhaftung für die Anlaufverluste der Vorgesellschaft durch die werbende Tätigkeit aufkommen müssten, auf der anderen Seite Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen dagegen unsanktioniert blieben456• Es erscheint widersprüchlich, Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen unterhalb der Stammkapitalziffer zu erlauben, den Gesellschaftern dann aber eine Auffüllung des Stammkapitals für Anlaufverluste abzuverlangen457 • Näher liegt es, derartige Rückzahlungen bzw. Auszahlungen an die Gesellschafter gleich durch die Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG zu verbieten458 • (6) Anwendung des§ 30 Abs. I GmbHG wegen Sicherstellung der Vermögenstrennung
Die Zulassung von Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter unterhalb der Stammkapitalgrenze liefe auch dem Sinn und Zweck des Systems der Kapitalaufbringung und -erhaltung zuwider. Schließlich dient die Kapitalsicherung der für die juristische Selbstständigkeit der GmbH erforderlichen Vermögenstrennung, die wegen des doch teilweise recht langen Zeitraums bis zur Eintragung nicht erst mit dieser beginnt. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des gesetzlichen Systems der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, wenn die geschaffene Vermögenstrennung durch Rückzahlungen wertmäßig wieder aufgehoben werden könnte459 • Folglich entfaltet § 30 Abs. 1 GmbHG seine Funktion schon während des Stadiums der Vor-GmbH. Dies bestätigt die These460, dass die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung als geschlossenes System das gesamte Leben einer Kapitalgesellschaft prägen. Da die Existenz der Kapitalgesellschaft, wie bereits festgestellt461 , nicht mit deren Eintragung, sondern mit ihrer Errichtung beginnt, ist die Kapitalerhaltung ein prägender Grundsatz des Rechts der Vor-GmbH. Nur die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG gewährleistet im Stadium der Vor-GmbH einen optimalen Kapitalschutz462. Mithin ist von einer Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschrift auf die Vor-GmbH auszugehen.
Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 115. Kusserow, Einmanngriindung, S. 146; Priester, ZIP 1982, 1141, 1147; Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 115. 458 Priester, ZIP 1982, 1141, 1147. 459 Kleffner, Kapita1erha1tung, S. 44. 460 Dilcher, JuS 1966, 89, 93; auch betont von Schultz, JuS 1982,732,736. 461 § 8 111 4, § 8 111. 6. b). 462 v. Rössing, Sachgründung, S. 143. 456 457
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
237
(7) Keine Entwertung des Eintragungszeitpunktes
Durch die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG wird der Zeitpunkt der Eintragung nicht entwertet, zumal dieser entscheidende Bedeutung für das Einsetzen der Differenzhaftung besitzt und ab diesem Zeitraum die GmbH erst ihre vollständige eigene Rechtspersönlichkeit entfaltet. cc) Zeitpunkt der Anwendbarkeit des§ 30 Abs. 1 GmbHG Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ab welchem Zeitpunkt § 30 Abs. 1 GmbHG anwendbar ist. Darüber gehen die Meinungen auseinander. ( 1) Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG erst ab Anmeldung?
Einige463 wollen § 30 Abs. 1 GmbHG erst mit der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister anwenden. Eine Anwendung ab Errichtung könne nicht angenommen werden, da die Kapitalerhaltung ohne Kapitalaufbringung nicht denkbar sei. Infolge des gegenständlichen Verständnisses der Kapitalaufbringung und des Vorliegens der Einlageleistung zum Anmeldungszeitpunkt könne nur die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister der maßgebliche Zeitpunkt für die Kapitalsicherung sein464. Die Gesellschafter dürften daher nicht in ein Stammkapitalkorsett gezwängt werden, obwohl ihnen vor der Anmeldung die Kapitalausstattung freigestellt wird. (2) Anwendung des§ 30 Abs. 1 GmbHG schon mit Errichtung der Gesellschaft
Die vorgenannten Argumente können jedoch nicht überzeugen. Von einem anderen Teil der Literatur wird ausdrücklich ab Errichtung465 oder ohne jegliche Differenzierung für das gesamte Stadium der Vorgesellschaft466, also auch ab Errichtung, die Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschrift befürwortet.
463 Jäger, Gesellschafterhaftung, S. 168; Kusserow, Einmanngründung, S. 146 ff.; Priester, ZIP 1982, 1141, 1147; v. Rössing, Sachgründung, S. 143 f.; Schultz, JuS 1982,732,736. 464 Kusserow, Einmanngründung, S. 146. 465 Knoche, Gründerhaftung, S. 160 ff., 172 ff.; offenbar auch Winter, in Scholz6 , § 11 GmbHG Rdnr. 10. 466 Brack, Haftungssituation, S. 70; Büttner, Identität, S. 73; Burckert, GmbH, S. 58; Crezelius, DStR 1987, 743, 745; Flume, ZHR 146 [1982], 205, 209; Meister, in Wemer-FS, 521 , 551; Reinhardt/Schulz, GesR, Rdnr. 823; Roth, ZGR 1984, 597, 616; K. Schmidt, in Scholz, § 11 GmbHG Rdnr. 53; Schütz, Verlustausgleichspflicht, S. 115; Weimar, GmbHR 1988, 289, 295.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Einer Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ab Errichtung der Vor-GmbH ist zuzustimmen. Zwar mag es wegen des grundsätzlich gegenständlichen Verständnisses von der Kapitalaufbringung auf den ersten Blick befremdlich anmuten, eine Kapitalsicherung vor einer Kapitalaufbringung zuzulassen. Die Pflicht zur Sicherung des Kapitals ab Errichtung der Gesellschaft ist aber die Konsequenz aus dem zutreffenden, wertmäßigen Verständnis der Kapitalerhaltung467 • Es findet also keine Bindung an ein gegenständlich aufgebrachtes Kapital statt468. Daraus folgt, dass auch die noch ausstehenden Gesellschaftereinlagen rechnungstechnisch Vermögensgegenstände darstellen und bilanziell bereits als Aktiva behandelt werden. Die Stammkapitalbindung ist eine Aktivabindung, die ebenfalls die noch offenen Einlageforderungen umfasst. Mit dieser Aktivabindung besitzt die Kapitalaufbringung - trotz ihrer gegenständlichen Wirkung bei der Leistungserbringung - eine wertmäßige Vorwirkung, so dass sie ihre Funktion, die Gewährleistung der Vermögenstrennung, auch schon im Stadium der Vor-GmbH entfalten kann. Die Pflicht zur Kapitalaufbringung wird nämlich mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und damit zum Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft begründet. Die Kapitalaufbringung und -erhaltung beherrschen als geschlossenes System somit das gesamte Leben der Kapitalgesellschaft. Das spricht für eine Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHGab Errichtung der Gesellschaft. Ferner ist die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG als Ausdruck der Existenzberechtigung der Vor-GmbH als eine Voraussetzung für deren Auftreten im Rechtsverkehr geboten. Der Glaube an das Vorhandensein eines Haftungsstocks bei der errichteten Gesellschaft ist nicht erst ab dem Anmeldungszeitpunkt gegeben, denn schließlich folgt der Anmeldung nach außen hin keine Pflicht zur Publikation der Vor-GmbH. Würde § 30 Abs. 1 GmbHG erst ab der Anmeldung der Gesellschaft gelten, so würde die Kapitalerhaltungspflicht zu einem von außen nicht zu erkennenden Zeitpunkt einsetzen. Die Annahme einer Pflicht zur Kapitalerhaltung mit Errichtung ist wegen des Ziels der Gesellschafter, die Eintragung der Gesellschaft zu erlangen, und des Auftretens der Vor-GmbH im Rechtsverkehr gerechtfertigt. Der Einwand, die Gesellschafter würden unberechtigt in ein Korsett der Kapitalbindung gezwängt, ist nicht berechtigt. Den Gesellschaftern bleibt es nämlich unbenommen "ihre" Vor-GmbH nach außen offen (also durch Publikation im Handelsregister) in eine OHG- was natürlich mit strukturellen Veränderungen verbunden ist - umzuwandeln, sobald sie ihre Eintragungsahsicht aufgeben, um sich damit von einer Kapitalerhaltung bei der Gesellschaft tmd einer strengen Vermögenstrennung zu lösen469. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass im gesamten Stadium der VorGmbH, also von Errichtung der Gesellschaft an, die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG anwendbar ist. 467 468 469
§ 5 III. 2. c) aa). Knoche, Gründerhaftung, S. 166. Näher dazu § 10 II. 3., 4.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
239
Mit der Befürwortung der Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ist jedoch nicht die methodische Frage nach der Rechtsanwendung beantwortet. Zumeist470 wird nur die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG einfach befürwortet, ohne die methodische Anwendung zu klären. Ein anderer Teil der Literatur471 stellt jedoch zutreffend klar, dass es sich hierbei um analoge Rechtsanwendung handelt, zumal die Daseinsseite der Vorgesellschaft keiner unmittelbaren Anwendbarkeit der Vorschriften des GmbH-Gesetzes unterliegt. Die vorstehenden Erwägungen zur Rechtsanwendung bei der Vor-GmbH472 bestätigen diesen Befund. Es geht bei der Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vorgesellschaft nämlich ebenfalls wie bei der eingetragenen GmbH um deren Existenzberechtigung und es gibt keine unmittelbare Regelung für die Kapitalerhaltung bei der Vor-GmbH im GmbH-Gesetz, so dass eine Lücke vorliegt. Diese kann auch wegen der eben aufgezeigten Parallelen bei der Kapitalerhaltung der Vor-GmbH und der eingetragenen GmbH mit Hilfe der Analogie ausgefüllt werden, da § 30 Abs. 1 GmbHG zudem nicht die Eintragung der Gesellschaft voraussetzt.
II. Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Strafrecht Wie dargelegt, verkörpert § 30 Abs. 1 GmbHG ein eigenständiges Vermögensinteresse der Vor-GmbH. Zu bedenken ist allerdings, dass dieses Ergebnis durch eine analoge Anwendung im Zivilrecht erzielt wurde. Die Übertragung in das Strafrecht zur Feststellung der tatbestandliehen Voraussetzungen des § 266 StGB könnte deshalb gegen das strafrechtliche Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verstoßen. Die Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit durch eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG würde sich strafbegründend für den Tater auswirken, denn erst dessen Anwendbarkeit führt, wie bereits bei der Untersuchung zur Untreue bei der eingetragenen GmbH gezeigt473 , zur Annahme einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und des Nachteils. Es ist deshalb zu klären, ob das verfassungsrechtliche Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG die Übertragung dieses Ergebnisses, das durch eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Zivilrecht gewonnen wurde, in das Strafrecht untersagt.
470 So etwa bei Knoche, Gründerhaftung, S. 172 ff.; Priester; ZIP 1982, 1141, 1147; Weimar; GmbHR 1988,289,295, die nur die Frage der Anwendbarkeit klären, aber keine metho-
dische Rechtsanwendung vornehmen. 471 Büttner; Identität, S. 65, 73; Rittner; juristische Person, S. 340. 472 § 9 I. 2. a). 473 § 5.
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
1. Inhalt des Analogieverbots Bevor die Zulässigkeil einer analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG untersucht werden kann, ist jedoch der Inhalt des strafrechtlichen Analogieverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB festzulegen. a) Abgrenzung von Auslegung und Analogie
Bereits an anderer Stelle474, nämlich bei der Auslegung von § 84 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG, wurde das herrschende Verständnis des Analogieverbots zugrunde gelegt, ohne dass abweichende Auffassungen diskutiert wurden. Hier gilt es zu begründen, warum der herrschenden Meinung zu folgen ist. Die herrschende Meinung475 geht davon aus, dass nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB strafbegründende oder strafschärfende Entscheidungen nur im Wege einer Gesetzesanwendung erfolgen dürfen, die vom möglichen Wortsinn des Gesetzes und seiner ratio gedeckt ist. Eine über diesen Rahmen hinausgehende Rechtsfortbildung untersage Art. 103 Abs. 2 GG. Dieses herrschende Verständnis ist aber auf Kritik gestoßen. So wird einerseits behauptet476 , Art. 103 Abs. 2 GG enthalte zwar ein strafrechtliches Analogieverbot, dieses verbiete aber keine "Gesetzesanwendung" über den Wortlaut hinaus. Entscheidend für das Vorliegen einer verbotenen Analogie sei einzig und allein die ratio legis. Verbotene Analogie liege daher erst dann vor, wenn die "Anwendung" eines Strafgesetzes seinem Regelungszweck zuwider laufe. Andere477 lehnen die Unterscheidung von Auslegung und Gesetzesanalogie gänzlich ab, weil bei jeder Rechtsanwendung analog verfahren werde. Ein strafrechtliches Analogieverbot, dass die Gesetzesanalogie ausschließe, existiere deshalb nicht478 . Art. 103 Abs. 2 GG untersage lediglich die von derratioeines Strafgesetzes nicht mehr gedeckte freie Rechtsfindung. Zwischen den eben genannten Lagern der Kritiker scheint ein Gegensatz zu bestehen, denn auf den ersten Blick hält die erstgenannte Auffassung verbal - mit § 2 n. 3. b)-d). Bindokat, JZ 1969, 541, 542; Burckhardt, JZ 1971, 352, 355; Giehring, GA 1973, 1, 17; Grünwald, ZStW 76 [1964], I, 2; Jescheck/Weigend, AT-StrafR, § 17 IV. 5.; Krey, Studien, S. 204 ff. ; dt!rs., ZStW 101 [1989], 838, 842 ff.; Küpt!r, in FS-Jur. Pak. Heidelberg, 451 , 453; Lackner, in FS-Jur. Pak. Heidelberg, 39, 51; Roxin, ZStW 83 [1971], 369, 377; Scheffler, Jura 1996, 505, 506; Wessels/ Beulke, StrafR-AT, Rdnr. 57 a.E. 476 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 194; Rebmann!Roth!Herrmann, § 3 OWiG Rdnr. 10; Schneider, DÖV 1975, 443, 452. 477 Hassemer, Einführung, S. 257 f.; Arth. Kaufmann, Natur der Sache, S. 3-5, 31, 41; Sax, Analogieverbot, S. 80, 91, 134, 148 ff.; Schmidhäuser, StrafR-AT, 3. Kapitel Rdnr. 26 f., 48 ff.; Zimmermann, GA 1955, 336, 342. 478 Sax, Analogieverbot, S. 152. 474 475
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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Hilfe eines abweichenden Analogiebegriffs - an der Differenzierung zwischen Auslegung und Gesetzesanalogie fest, während die letztgenannte, ein Analogieverbot ablehnende Ansicht - unter Zugrundelegen des gleichen Verständnisses von der Gesetzesanalogie wie die herrschende Lehre - die Gesetzesanalogie als nicht von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst ansieht. Dies stellt aber nur vermeintlich eine Divergenz dieser Ansichten dar. Sachlich weisen sie keine Unterschiede aur179• Als ihre wesentliche Aussage kann festgehalten werden, dass - entgegen der herrschenden Meinung - strafbegründende und strafschärfende Entscheidungen auch bei Überschreitung des Wortlauts zulässig sind. Nur wenn die Anwendung einer Strafrechtsnorm nicht mehr von deren Sinn und Zweck gedeckt werde, sei der Bereich der Auslegung verlassen und die verbotene Gesetzesergänzung erreicht. Eine solche Sichtweise sei geboten, weil nur mit ihrer Hilfe aktuelle Bedürfnisse, wie etwa die Veränderungen der Verhältnisse oder sozialen Zwecke, berücksichtigt werden könnten480. Der Wortlaut des Gesetzes stelle nur ein formelles und eher zufällig wirkendes Abgrenzungskriterium zwischen Auslegung und Analogie dar, durch die der methodisch einwandfrei ermittelte Sinn und Zweck einer Vorschrift verkürzt werde481 . Die Wortlautschranke lasse demnach keine sachgerechten Ergebnisse zu. Ferner sei sie als Grenze der Auslegung auch deshalb unangebracht, weil sie wegen der Anlehnung an umgangssprachliche Begriffsinhalte vage, vielschichtig und deshalb manipulierbar sei. Die ihr zugedachte begrenzende Funktion im Hinblick auf die Auslegung könne sie somit nicht erfüllen482. Deshalb sei auch ein Analogieverbot angesichts der mangelnden sprachlichen Exaktheit nicht durchführbar. Diese Argumente erweisen sich indes nicht als stichhaltig. Der Einwand, jede Rechtsfindung verlaufe analogisch, ist zwar im Ansatz zutreffend, dennoch lässt sich eine Unterscheidung zwischen der Rechtsfindung innerhalb und außerhalb der sprachlichen Grenzen durchführen483 . Deshalb ist eine Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie durchaus möglich. Zudem kann sich nur die richterliche Rechtsfindung, die sich im Rahmen des möglichen Wortsinns des Gesetzes hält, auf die Autorität des Gesetzgebers berufen484. Schließlich ist die Sprache das einzige Mittel, mit dem sich der Gesetzgeber verbindlich gegenüber dem Bürger äußern kann.
Krey, Studien, S. 51 f. Zimmermann, GA 1955, 336, 342; ferner Arth. Kaufmann, Natur der Sache, S. 40 f.; Sax, Analogieverbot, S. 88. 481 Banholomeyczik, Gesetzesauslegung, S. 71; Sax, Analogieverbot, S. 83 ff., 87 ff., 148 ff. 482 Kriele, Rechtsgwinnung, S. 223. 483 Krey, Studien, S. 141. 484 Krey, Studien, S. 147. 479
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16 Hentschke
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Die Berücksichtigung von veränderten Verhältnissen ist angesichts der nach dem Grundgesetz durchgeführten Gewaltenteilung allein Sache des Gesetzgebers. Ihm ist es angetragen, auf die Veränderung der Umstände zu reagieren485 . Zwar ist zuzugestehen, dass der Wortlaut wegen seiner Vagheit eine gewisse Unsicherheit in sich birgt, er kann aber dennoch als brauchbare Garantie für den Bürger fungieren, zumal die beliebige Manipulierbarkeil zu bestreiten ist. Schließlich wird ein Auslegungsergebnis nicht nur anhand des Wortlauts ermittelt, sondern er bildet lediglich den Ausgangspunkt für die Auslegung486. Die eigentliche Auslegung nach teleologischen, systematischen und historischen Gesichtspunkten ist für die semantische Überprüfung nämlich nicht bedeutungslos487. Eine beliebige Austauschharkeil der Begriffsinhalte wird durch die Herstellung des Kontextes zu den anderen Auslegungsmethoden vermieden488 . Deshalb ist es durchaus möglich zu klären, ob ein festgestellter Sinngehalt umgangssprachlich in das Begriffszentrum oder den weiter zu fassenden Begriffshof fällt oder außerhalb dieses Bereiches liegt. Der Wortlaut bietet damit die Gewähr für eine Abgrenzung von Auslegung und Analogie. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das in einer Untersuchung geäußerte Misstrauen489 gegenüber dem Wortlaut vor dem Hintergrund des konkreten Gegenstandes, nämlich der Geltung des Analogieverbots in der Schweiz (Art. 1 des schweizerischen StGB), wegen der drei in der Schweiz zugelassenen Amtssprachen (deutsch, französisch, italienisch) verständlich erscheint. Ähnliche Probleme bestehen bei der Auslegung europarechtlicher Regelungen, da bisweilen in den englisch- und französischsprachigen Texten Begriffe verwendet werden, die keine identischen Inhalte haben. Nur dürfte sich dieses Misstrauen nicht auf den Geltungsbereich deutschen Rechts übertragen lassen490.
b) Normtheoretische und verfassungsrechtliche Grundlagen des strafrechtlichen Analogieverbots
Die Wortsinngrenze beim strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt als Begrenzung der Auslegung anzusehen, ist auch aus normtheoretischen und verfassungsrechtlichen Gründen angebracht.
Krey, Studien, S. 150 f. § 2 11. 3. 487 Lackner, in FS-Jur. Fak. Heidelberg, 38, 56; zur Ermittlung der Wortsinngrenze vgl. Scheffler, Jura 1996, 505, 509. 488 Lackner, in FS-Jur. Fak. Heidelberg, 38, 56. 489 Unter Berücksichtigung der schweizerischen Rechtslage an der Brauchbarkeit des Wortlauts zweifelnd Zimmermann, GA 1955, 336, 342. 490 Krey, Studien, S. 133. 485 486
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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Aus normtheoretischer Sicht spricht für die Bevorzugung der Wortsinngrenze, dass anderenfalls kein Bezugspunkt für das Merkmal "gesetzlich bestimmt" in Art. 103 Abs. 2 GG vorhanden wäre, denn der strafrechtliche Gesetzesvorbehalt hindert die rechtsfortbildende, normvollendende Konkretisierung durch den Richter, also die Auslegung, selbstverständlich nicht. "Gesetzlich bestimmt" kann daher nur meinen, dass sich die Konkretisierung des Strafgesetzes im gesetzlichen Regelungsrahmen hält. Als Rahmen kann nur der Wortlaut fungieren, weil die Sprache, wie erwähnt, die einzige Möglichkeit ist, mit der sich der Gesetzgeber verständlich machen kann. Daneben sprechen verfassungsrechtliche Gesichtspunkte dafür, den Wortlaut als Auslegungsgrenze vorzuziehen. Dem strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt - aus dem das Analogieverbot folgt - liegen aus verfassungsrechtlicher Sicht zwei Leitgedanken zugrunde, denen er gerecht werden muss. Zum einen dient das Analogieverbot dem Schutz der individuellen Freiheit vor richterlicher Willkül91 • Dieser Schutz verlangt eine möglichst weitgehende Eingrenzung der Macht des Richters bei strafbegründenden und -schärfenden Entscheidungen492. Diese Begrenzung der Richtermacht lässt sich nur dann effektiv durchsetzen, wenn der Richter auf eine Rechtsfortbildung innerhalb des Regelungsrahmens einer Vorschrift beschränkt ist493 . Würde der Richter hingegen diesen Regelungsrahmen, der durch den Wortlaut abgesteckt ist, überschreiten dürfen, würde der Sinn und Zweck des Analogieverbotes verkannt. Letzteres dient eben auch dem Schutz der Freiheit des Einzelnen. Dieser Schutz ist nur gewährleistet, wenn auf den Gesetzeswortlaut als Abgrenzungsmerkmal zwischen Auslegung und Analogie zurückgegriffen wird, zumal sich der Gesetzgeber nur durch ihn verbindlich äußern kann. Die Schutzfunktion des Analogieverbots im Hinblick auf die individuelle Freiheit ergibt sich aus systematischen und historischen Gründen. Die systematischen Gründe, auf denen der Schutz der individuellen Freiheit basiert, folgen aus dem Inhalt des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, der dem Bürger bei Verstößen gegen den strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt eine wehrfähige Position gegenüber dem Staat einräumt. Aus historischer Sicht beruht die Schutzfunktion der individuellen Freiheit darauf, dass sie seit der Aufklärung im Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt immer wiederkehrend betont wird494 • Zum anderen erfordert der demokratische Aspekt des Analogieverbots im Verhältnis zwischen Richter und Volksvertretung, dass allein dem Parlament das Recht zukommt, neue Straftatbestände zu schaffen, den Rahmen vorhandener Straftatbe491 Baumann, Aufstand des schlechten Gewissens, S. II; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 156 ff., 164, 170; Nickel, Unter1assungsdelikte, S. 15 f., 173. 492 Krey, Studien, S. 213. 493 Krey, Studien, S. 213. 494 Im Einzelnen zur historischen Entwicklung des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts vgl. Schreiber, Gesetz und Richter, S. 209 ff.
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
stände zu erweitern und die Strafdrohung zu verschärfen495 . Um die Kompetenz des Richters in diesen durch das Demokratieprinzip vorgezeichneten Schranken halten zu können, ist es erforderlich, auf den Wortlaut einer Vorschrift als dessen Regelungsrahmen abzustellen. Für eine Überschreitung dieses Rahmens fehlt dem Richter die demokratische Legitimation. Eine Nichtbeachtung der Wortlautgrenze stellt sich für den Bürger, dem als Erkenntnisquelle für die von den Gesetzen vorgegebenen Verhaltensanforderungen nur der Gesetzeswortlaut dienen kann, als ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip dar. Im Übrigen benötigen alle freiheitsbeschränkenden Hoheitsakte einer demokratischen Legitimation, und diese lässt sich allein durch den Wortlaut herstellen. Darüber hinaus spricht auch die historische Entwicklung des Art. 103 Abs. 2 GG dafür, den Wortlaut als maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Auslegung und Analogie zu benutzen. Vor dem Hintergrund der Entstehung des Art. 103 Abs. 2 GG ergibt nur das Kriterium des Wortlauts einen brauchbaren Sinn. Bei Aufnahme des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts (und damit des Analogieverbots) in das Grundgesetz standen nämlich weder die Rechtsanalogie496 noch die freie Rechtsfindung zur Diskussion497 . Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 28. 06. 1935498 , dessen Art. 1 das Analogieverbot des § 2 StGB a.F. aufhob, erlaubte nur die Gesetzesanalogie, nicht dagegen die Rechtsanalogie. Der Aufhebung des nationalsozialistisch geprägten Rechts499 kann daher nur der Sinn beigelegt werden, dass nunmehr wiederum auch die Gesetzesanalogie im Strafrecht untersagt sei, also die Analogie in vollem Umfang verboten ist. Die Wiederherstellung der früheren Rechtslage ergäbe ansonsten keinen Sinn500. c) Folgerungen für die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vorgesellschaft
Das herrschende Verständnis des Analogieverbots trifft folglich zu, so dass den weiteren Erwägungen das Verbot der Rechtsfortbildung über den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck des § 266 StGB hinaus zugrunde liegt. 495 Zum demokratischen Grundgedanken des strafrechtlichen Analogieverbotes vgl. Dando, in Heinitz-FS, 37, 43; Grünwald, ZStW 76 [1964], 1, 13 f.; Mangakis, ZStW 81 [1969], 997, 1003. 496 Bei der Rechtsanalogie wird aus mehreren gesetzlichen Vorschriften ein gemeinsamer Grundgedanke gewonnen, und diesem wird dann der Charakter eines allgemeinen Rechtsprinzips zugesprochen; vgl. Nipperdey, in Enneccerus/Nipperdey, AT-BGB, § 58 ß . 1. b); kritisch Canaris, Feststellung, S. 98, der dieses Verfahren als Induktion bezeichnet. 497 Bindokat, JZ 1969, 541, 542; Grünwald, ZStW 76 [1964], 1, 2. 498 RGBI. 1935 I S. 839; vgl. dazu auch Sehern, Analogie, S. 113 ff. 499 Gesetz Nr. 11 des Kontrollrates vom 30. 01. 1946. Das 3. StÄndG vom 04. 08. 1953 führte § 2 (der in Absatz 1 im Wesentlichen dem heutigen § 1 StGB entsprach) wieder ein, der inhaltlich fast mit der ursprünglichen Fassung übereinstimmte. Zu den geringfügigen Änderungen vgl. Bindokat, JZ 1969, 541, 542. 500 Bindokat, JZ 1969, 541, 542; Grünwald, ZStW 76 [1964], 1, 2.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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Für die analoge Anwendung des § 30 Abs. I GmbHG auf die Vorgesellschaft ergibt sich danach zunächst folgendes. Der Wortlaut des § 30 Abs. l GmbHG steht einer Erfassung der Vor-GmbH nicht entgegen, denn die Vorschrift verwendet den Begriff "Gesellschaft", der auch die Vorgesellschaft umfasst. Der Wortsinn ist aber durch die gängigen Auslegungsmethoden zu präzisieren. Die Auslegung ergibt hier, nicht anders als bei § 64 Abs. 1 GmbHG501 , dass § 30 Abs. 1 GmbHG aus systematischen, teleologischen und historischen Gründen nicht unmittelbar auf die Vorgesellschaft anwendbar ist, weil sich die Kapitalerhaltungsvorschrift eindeutig nur auf die Daseinsseite der Vor-GmbH bezieht. Mit der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Vorgesellschaft wird also die Rechtsfindung secundum Iegern verlassen und der Bereich der Rechtsfindung praeter Iegern erreicht. Das Analogieverbot untersagt aber gerade die Rechtsfindung praeter legem502• Das scheint für einen Verstoß gegen das Analogieverbot zu sprechen mit der Folge, dass eine Strafbarkeit des Geschäftsführers und der Gesellschafter wegen der einverständlichen Vermögensverlagerungen aus dem Gesellschaftsvermögen der Vor-GmbH gemäß § 266 StGB abzulehnen wäre. Es ist jedoch zu beachten, dass die analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG wegen der Beschränkungsfunktion der Gesellschafterbefugnis zwar strafbegründend wirkt, sich die Strafbarkeit des Täters aber nicht aus § 30 Abs. 1 GmbHG, sondern aus § 266 StGB ergibt. Daher ist zu überprüfen, ob die analoge Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschrift überhaupt in den Anwendungsbereich des strafrechtlichen Analogieverbots fällt, weil es sich bei § 30 Abs. 1 GmbHG formal um eine zivilrechtliche Vorschrift handelt. 2. Begriff und Reichweite des Garantietatbestandes Deshalb ist zu klären, ob und inwieweit das strafrechtliche Analogieverbot anwendbar ist, wenn eine im Zivilrecht zulässige Analogie für die strafrechtliche Beurteilung relevant ist. a) Berücksichtigung fonnal außerstrafrechtlicher Regelungen im Strafrecht
Das Problem der Reichweite des Garantietatbestandes stellt sich immer dann, wenn formal außerstrafrechtliche Rechtsvorschriften in das Strafrecht hineinwirken. Dem Strafrecht kommt innerhalb der Gesamtrechtsordnung die Aufgabe zu, das Gemeinschaftsleben vor Störungen zu bewahren503 • Die Androhung und An501 502 503
s. 34.
§ 2 II. 3. Vgl. dazu bereits§ 2 II. 4. b). Engisch, Suche nach Gerechtigkeit, S. 281 f.; Zimmer/, Aufbau des Strafrechtssystems,
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
wendung öffentlichen Zwangs sollen die wichtigsten, zu Grundwerten der Sozialordnung erhobenen Rechtsgüter schützen. Das Strafrecht sichert also die an der Gesamtheit der Rechtsordnung ausgerichteten Werte und weist in seiner Eigenschaft als Schutzrecht daher oft eine enge Verknüpfung mit benachbarten Rechtsgebieten auf504. Zwar verleiht das Strafrecht als primäres Rechtsgebiet den wichtigsten Rechtsgütern wie Leben, körperlicher Integrität, Ehre, Freiheit, sexueller Selbstbestimmung selbstständig die Rechtsgutsqualität, es übernimmt im Übrigen aber von anderen Rechtsgebieten vorgeformte Rechtsgüter, indem es an außerstrafrechtliche Rechtsvorschriften anknüpft. Nur so gelingt es, der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse505 und der Dynamik der sozialen Wertungen506 Rechnung zu tragen. Nur zum Teil verfahrt das Strafrecht autonom, in dem es eine eigene Begriffsbildung oder -auslegung vornimmt. Die Berücksichtigung formal außerstrafrechtlicher Rechtsvorschriften im Strafrecht erfolgt auf unterschiedliche Weise, wobei zwischen drei verschiedenen Arten der Bezugnahme differenziert werden kann. Bezug nimmt das Strafrecht auf formal außerstrafrechtliche Rechtsvorschriften durch die Verwendung von Blankettstrafgesetzen, (rechts-)normativen Tatbestandsmerkmalen sowie in den Fällen der indirekten Akzessorietät507 . Problematisch erscheint die Anknüpfung des Strafrechts an außerstrafrechtliche Rechtsvorschriften, weil fraglich ist, inwieweit die in Bezug genommenen außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften strafrechtlichen Wertungen, insbesondere den Garantien des Art. 103 Abs. 2 GG, unterliegen. Damit wird vor dem Hintergrund der hier zu untersuchenden Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG insbesondere die Frage relevant, ob die formal außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften vom Geltungsbereich des Analogieverbots erfasst werden. Mithin ist die Reichweite des Analogieverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB angesprochen. Dabei geht es nun darum, wieweit der Begriff "Gesetz" im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB zu verstehen ist. Gesetz im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB kann dabei mit dem Begriff des Garantietatbestandes gleichgesetzt werden.
b) Bestimmung des Strafgesetzbegriffs Eine generelle Bestimmung der Reichweite des Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB zugrunde liegenden Gesetzesbegriffs fehlt in der einschlägigen Kommentarlitera504 Engisch, Rechtsordnung, S. 5 f., 32, 34, 35 ff.; Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 36 ff.; Zimmer[, Aufbau des Strafrechtssystems, S. 34 ff. 505 506 507
Vgl. dazu nur BVerfGE 4, 352, 358; 32, 342, 364; 47, 109, 120; 48, 48, 56. Krey, Studien, S. 84. Zur Begriffsklärung vgl. unten§ 9 II. 2. b) cc) (3) (a).
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tu~08 • Es finden sich lediglich Erörterungen von Einzelbeispielen. Falls der Gesetzesbegriff der Art. I03 Abs. 2 GG, § I StGB überhaupt thematisiert wird, beschränken sich die Ausführungen auf Feststellungen ohne jegliche Begründung. So wird behauptet, die strenge Akzessorietät eines strafrechtlichen Begriffs sei nicht durch das Analogieverbot beschränkt, so dass zulässige analoge Erweiterungen des außerstrafrechtlichen Gesetzes auch für das Strafrecht verbindlich seien509 . Der akzessorische Charakter des Strafrechts komme insbesondere durch die Verwendung normativer Merkmale, die auf andere Rechtsgebiete verweisen, zum Ausdruck, wobei der Strafrichter an die Wertungen der anderen Rechtsgebiete gebunden sei510. Danach dürfte die analoge Anwendung des § 30 Abs. I GmbHG auf die Vor-GmbH im Rahmen des § 266 StGB zulässig sein.
Dieses Ergebnis kann jedoch nicht ohne weiteres zur Grundlage der weiteren Erörterung gemacht werden, da es - wie dargelegt - einer tragfähigen Begründung entbehrt. Möglicherweise können aber die Erwägungen zu dem in § 2 Abs. 3 StGB verwendeten Gesetzesbegriff511 herangezogen werden. aa) Übertragung des in§ 2 Abs. 3 StGB verwendeten Strafgesetzbegriffs Das wäre allerdings nur dann möglich, wenn die in § 2 Abs. 3 StGB und in Art. 103 Abs. 2 GG, § I StGB verwendeten Strafgesetzbegriffe identisch sind. Die Literatur512 nimmt dies, soweit die Thematik überhaupt Beachtung findet, überwiegend an. Zum Teil513 wird jedoch behauptet, dass sich der Garantietatbestand im Sinne des Art. 103 Abs. 2, § I StGB nicht völlig mit dem Gesetzbegriff in § 2 Abs. 3 StGB decke. Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB dienten ausschließlich dem Schutz des Beschuldigten, während bei § 2 StGB auch die Billigkeit und Gerechtigkeit sowie der Schutz der Allgemeinheit zu berücksichtigen seien514. Diesen unterschiedlichen Zwecken müsse durch unterschiedliche Gesetzbegriffe Rechnung 508 Vgl. nur Eser, in Schönke/Schröder, § 1 StGB Rdnr. 24 ff.; Lackner, in Lackner/Kühl, § 1 StGB Rdnr. 2 ff.; Tröndle/Fischer, § 1 StGB Rdnr. 5; ferner Höpfel, JurBl. 1979, 575, 585; Krey, Studien, S. 227. 509 Eser, in Schönke/Schröder, § 1 StGB Rdnr. 33; zudem Krey, Studien, S. 227. 510 Höpfel, JurBl. 1979, 575, 585. 511 Vgl. z. B. die Untersuchung bei Käckell, "Die Bedeutung des Strafgesetzbegriffs in der Lehre von der strafrechtlichen Rückwirkung". Auch die Rechtsprechung (z. B. BGHSt 20, 177 ff.) beschäftigt sich mit der Reichweite des Strafgesetzbegriffs vorrangig vor dem Hintergrund des Milderungsgebots (zu dieser und anderen Entscheidungen in der Rechtsprechung vgl. im einzelnen die Ausführungen unter§ 9 II. 2. b) cc) (1) (c), (2) (b). 512 Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 228; Mazurek, JZ 1976, 233, 237; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 244. 513 Gleß, GA 2000, 224, 231, 233 [Fn. 71]; Gribbohm, in LK 11 , § 2 StGB Rdnr. 4. 514 Gribbohm, in LK 11 , § 2 StGB Rdnr. 4.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
getragen werden. Der äußeren Form nach erfasse § 1 StGB nur das geschriebene Recht,§ 2 Abs. 3 StGB dagegen auch das Gewohnheitsrecht als milderes Recht515 . § 1 StGB gelte zudem nur für Vorschriften, welche die Strafbarkeit begründen, wohingegen § 2 Abs. 5 und 6 StGB die Verhängung von Maßnahmen einbeziehe und § 2 Abs. 3 StGB lediglich die Anwendung milderen Strafrechts vorsehe. Damit sei die Annahme identischer Gesetzesbegriffe in § 2 Abs. 3 StGB und Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB nicht vereinbar. Diese Sichtweise überzeugt allerdings nicht. Die nähere Betrachtung erweist, dass die Begriffe übereinstimmen.
( 1) Verfassungsrang des Milderungsgebotes in § 2 Abs. 3 StGB Der Übertragung des in § 2 Abs. 3 StGB verwendeten Gesetzesbegriffs auf Art. 103 Abs. 2 GG scheint jedoch das normenhierarchische Verhältnis der beiden Vorschriften entgegenzustehen, denn zur Auslegung einer verfassungsrechtlichen Vorschrift, würde eine einfachgesetzliche Regelung herangezogen. Deshalb ist zunächst der Rang des § 2 Abs. 3 StGB zu klären. Für einige516 ist § 2 Abs. 3 StGB eine nicht zu begründende gesetzliche Billigkeitsvorschrift. Neuerdings wird jedoch zu Recht der VerfassWlgsrang des Milderungsgebots betont517. Zwar ist es- im Gegensatz zum dem in Art. 103 Abs. 2 GG geregelten Rückwirkungsverbot - in der Verfassung nicht ausdrücklich normiert. Sein Verfassungsrang ergibt sich jedoch daraus, dass es eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips darstellt, denn bei nachträglichen, rückwirkenden Gesetzesmilderungen entfällt entweder die Strafwürdigkeit oder die Strafbedürftigkeit eines Verhaltens. Liegt der Gesetzesmilderung ein Wandel der Rechtsanschauung zugrunde, etwa weil der Gesetzgeber die Tat als nicht mehr strafwürdig oder jedenfalls als weniger schwerwiegend einstuft, so erscheint es ungerecht gegen den Täter, der die Tat noch unter Geltung des aufgehobenen Gesetzes begangen hat, ungeachtet der gesetzgeberischen Korrektur die zum Tatzeitpunkt angedrohte Strafe zu verhängen. Beruht die Gesetzesmilderung dagegen auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, fehlt die Strafbedürftigkeit der zuvor begangenen, noch abzuurteilenden Taten518 . Da es sich sowohl bei der Strafwürdigkeit als auch bei der Strafbedürftigkeit um verfassungsrechtliche, insbesondere aus dem Verbältnismäßigkeitsgrundsatz resultierende Voraussetzungen der Strafbarkeit handelt, ist das Milderungsgebot ein
517
Gieß, GA 2000,224, 231; Gribbohm, in LK 11 , § 2 StGB Rdnr. 4. Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 182; Meyer, JR 1975, 69; Wenner, MDR 1975, 161, 162. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 419; Sommer, Das "mildeste Gesetz",
518
Tiedemann, in Peters-FS, 193, 195.
515 516
s. 59.
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Fundamentalsatz des Strafrechts, der als Ausdruck der Gerechtigkeit eine Komponente des materiellen Rechtsstaatsprinzips darstellt und damit Verfassungsrang besitzt519. Das Milderungsgebot ist also keineswegs eine bloße Billigkeitsvorschrift Wegen des Verfassungsrangs des Milderungsgebots ist eine Übertragung des Gesetzesbegriffs des§ 2 Abs. 3 StGB auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB grundsätzlich möglich.
(2) Identität der in Art. 103 Abs. 2 GG, §I StGB und§ 2 Abs. 3 StGB verwendeten Gesetzesbegriffe Für die Identität der Gesetzesbegriffe in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und § 2 Abs. 3 StGB sprechen mehrere Gründe. (a) Gesetzessystematik Die Betrachtung der Gesetzessystematik legt die Annahme nahe, dass dem Rückwirkungsverbot und dem Milderungsgebot derselbe Gesetzesbegriff zugrunde liegt. § 2 des StGB von 1871 vereinigte die heute in§§ 1, 2 Abs. 1 StGB enthaltenen Regelungen in einer Vorschrift. Trotz der Trennung im geltenden Recht sind die beiden Paragraphen aufeinander bezogen, da § 2 Abs. 1 StGB das bereits aus § 1 StGB folgende Rückwirkungsverbot wiederholt520. Nach einer Ansicht521 , welche die Geltung des Tatzeitrechts propagiert, bildet § 2 Abs. 3 StGB eine Ausnahme zu § 2 Abs. 1 StGB. Wegen des Regel - Ausnahme - Verhältnisses kann beiden Regelungen nur der gleiche Gesetzesbegriff zugrunde liegen. Die Anwendung der Gegenauffassung522, die von der Geltung des Urteilszeitrechis ausgeht, ergibt kein anderes Ergebnis. Danach wendet der Strafrichter zwar grundsätzlich das zum Zeitpunkt der Entscheidungstindung geltende Recht an, aber nur, soweit das Rückwirkungsverbot der§ 2 Abs. 1 StGB, § 1 StGB, Art. 103 Abs. 2 GG nicht entgegensteht. Das Urteilszeitrecht darf auch nicht angewandt werden, wenn es über das Tatzeitrecht zuungunsten des Täters hinausgeht. § 2 StGB dient also nach dieser Sichtweise dazu, das Rückwirkungsverbot zu realisieren und gesetzestechnisch umzusetzen, indem das Urteils- mit dem Tatzeitrecht verglichen wird. Ein derartiger Vergleich lässt sich nur unter Zugrundelegung eines identischen Gesetzesbegriffs in § 2 Abs. 3 StGB und § 2 Abs. 1 StGB bewerkstelDannecker; Das intertemporale Strafrecht, S. 419; 1iedemann, in Peters-FS, 193, 195. Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 6. 521 Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 6, 17; Tröndle/Fischer; § 2 StGB Rdnr. 2. 522 Baumann/Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 9 Rdnr. 41; Dannecker; in de Boor/Pfeiffer/ Schünemann, Parteispendenproblematik, S. 94 ff.; ders., Das intertemporale Strafrecht, S. 228 ff.; Eser; in Schönke/ Schröder, § 2 StGB Rdnr. 2; Jakobs, StrafR-AT, 4. Abschn. Rdnr. 52; Schroeder; in Bockelmann-FS, 785, 786; Sommer; Das "mildeste Gesetz", S. 60 ff., 73; Tiedemann, in Peters-FS, 197, 204; 1iedemann/Dannecker; Milderung, S. 13 f. 519
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Tei13: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
ligen. Da - wie dargelegt - § 2 Abs. 1 StGB lediglich das in § 1 StGB enthaltene Rückwirkungsverbot wiederholt, besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Rückwirkungsverbot, dem Milderungsgebot und dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip, der dafür spricht, dass § 2 StGB und § 1 StGB einen identischen Gesetzesbegriff verwenden. Da beide Auffassungen in unserem Zusammenhang zu dem selben Ergebnis gelangen, kann offen bleiben, welche Sicht vorzugswürdig ist. (b) Wechselseitige Abhängigkeit des Bestimrntheitsgebots und des Rückwirkungsverbots I Milderungsgebots Auch aus der Verknüpfung von Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot folgt eine Identität der Gesetzesbegriffe in § 1 StGB und § 2 StGB. Das Rückwirkungsverbot und das Bestimrntheitsgebot, aus dem der strafrechtliche Gesetzesvorbehalt und damit das Analogieverbot folgt, sind unmittelbar voneinander abhängig und aufeinander bezogen523 • Der beiden gemeinsame maßgebliche Grundgedanke ist die Rechtssicherheit, die nicht allein das Rückwirkungsverbot gewährleisten kann. Das Bestimrntheitsgebot wird durch das Rückwirkungsverbot ergänzt, das sonst durch die Schaffung unbestimmter Tatbestände umgangen werden könnte, indem eine Strafnorm so unbestimmt und unklar gefasst würde, dass sie einer beliebigen Interpretation offen steht. Materiell wäre das Rückwirkungsverbots damit durchbrochen 524• Nur eine inhaltlich bestimmte Strafnorm verhilft dem Rückwirkungsverbot zur wirksamen Geltung. Umgekehrt würde auch das Bestimmtheitsgebot seines Sinns entleert, wenn der Gesetzgeber die Macht hätte, rückwirkende Gesetze zu erlassen525 • Folglich sind Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot unlösbar miteinander verflochten, so dass beiden notwendigerweise derselbe Gesetzesbegriff zugrunde liegt. (c) Nichtberücksichtigung von Gewohnheitsrecht Zudem ergibt sich die Identität der Gesetzesbegriffe des § 2 Abs. 3 StGB und der Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB daraus, dass diese Regelungen die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht verbieten. Zwar wird von einer Auffassung526 behauptet, Gewohnheitsrecht sei im Rahmen des § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen. Diese Behauptung trifft aber nicht zu. § 2 Abs. 3 StGB regelt den Vorrang des milderen Strafgesetzes527 . Diese vorrangige Anwendung des mildesten Gesetzes 523 524 525 526 527
Gross, GA 1971, 13, 16m. w. N.; Müller-Dietz, in Maurach-FS, 41, 46. Müller-Dietz, in Maurach-FS, 41, 46. Müller-Dietz, in Maurach-FS, 41, 46. Gribbohm, in LK11 , § 2 StGB Rdn. 4; zudem Gieß, GA 2000,224,231. Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 20.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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begünstigt den Täter gegenüber dem nicht angewendeten härteren Gesetz. Jedoch muss auch das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ein Strafgesetz sein. Gewohnheitsrecht kann dagegen kein milderes "Gesetz" sein, denn es würde - obwohl es den Täter gegenüber dem geschriebenen Recht besser stellt - Grundlage für die Bestrafung des Täters sein. Der strafrechtliche Gesetzesvorbehalt erfordert für die Strafe als freiheitsbeeinträchtigenden Eingriff eine gesetzliche Grundlage. Die Anwendung von Gewohnheitsrecht im Rahmen des § 2 Abs. 3 StGB widerspräche somit dem strafrechtlichen Analogieverbot Dariiber hinaus zeigt sich auch beim Rückwirkungsverbot gemäß § 2 Abs. 1 StGB, das mit dem Milderungsgebot in Zusammenhang steht, dass Gewohnheitsrecht vom Anwendungsbereich des § 2 StGB insgesamt nicht erfasst wird und daher nicht an dieser Vorschrift zu messen ist. Das Rückwirkungsverbot findet nämlich keine Anwendung auf eine Verschärfung einer ständigen Rechtsprechung, die grundsätzlich auch Grundlage ftir das Gewohnheitsrecht sein kann528• Dies belegt z. B. die Betrachtung der Änderung der Promillegrenzen im Hinblick auf die Fahruntüchtigkeit bei§ 316 StGB 529. Zwar plädieren Teile der Literatur530 dafür, das Rückwirkungsverbot ebenfalls bei der Änderung einer ständigen Rechtsprechung eingreifen zu lassen, denn diese sei de facto mit einer Gesetzesänderung gleichzustellen. Für den Bürger spiele es keine Rolle, ob eine Rechtsänderung durch den Gesetzgeber oder durch den Wandel einer ständigen Rechtsprechung eintritt. Die Vergleichbarkeit der Schaffung des Rechts durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung rühre daher, dass unter Berücksichtigung der neueren methodischen Erkenntnisse dem Richterrecht eine eigenständige Bedeutung bei der Konkretisierung des Gesetzes zukomme. Dariiber hinaus sei die Gleichstellung des Gesetzesrechts mit dem Richterrecht beim Rückwirkungsverbot nur konsequent, weil das Bundesverfassungsgericht die Gewährleistung der Bestimmtheit von Gesetzesnormen auch auf die Möglichkeit der Konkretisierung durch die Gerichte stütze531 . Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Zu Recht gehen der BGH532 und das Bundesverfassungsgericht533 sowie die überwiegende Meinung im SchriftVgl. dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 177,258. Dies betraf zum einen die Herabsetzung der Promillegrenzen von 1,5 %v von 1,3 %v durch BGHSt 21 , 157 ff. und zum anderen die von 1,3 %v auf 1,1 %v durch BGHSt 37, 89 ff. 530 Eser, in Schönke/Schröder, § 2 StGB Rdnr. 9; Gross, GA 1971, 13, 18; Hanack, JZ 1967, 300; Hassemer, in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 51; Knittel, Rückwirkung, S. 55; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 274; Krahl, NJW 1991, 808, 809; Mattil, GA 1965, 129, 140; Maurach!Zipf, StrafR-AT/Teilband 1, § 12 Rdnr. 8; Müller-Dietz, in Maurach-FS, 41; Naucke, NJW 1968, 758, 759; ders., NJW 1968, 2321, 2322 ff.; Straßburg, ZStW 82 [1970], 948, 964; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 205 f. 53! Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 205 f.[Fn. 78). 532 BGHSt 21 , 157 ff.; BGHSt 37, 89 ff. 533 BVerfG, NJW 1990,3140. 528 529
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
tum534 davon aus, dass das Rückwirkungsverbot auf Änderungen einer ständigen Rechtsprechung nicht anzuwenden ist, da es sich nicht auf "Gesetz und Recht", sondern nur auf das "Gesetz" beziehe535 . Anderenfalls wäre eine bestimmte Entscheidungspraxis festgeschrieben. Ein Gericht, dass eine Abweichung von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung (overrule) und eine dem Angeklagten ungünstige Auffassung anstrebt, könnte diese noch nicht im konkreten Fall berichtigen, sondern müsste eine derartige Änderung erst für die Zukunft (prospective) ankündigen536. Das Prozessrecht kennt jedoch den Entscheidungsstil des sog. prospective overruling, der "von-nun-an Klausel oder der "Änderungswarnung", nicht. Der Anwendung des Rückwirkungsverbots auf die Rechtsprechungsänderungen bedarf es zudem nicht, weil das individuelle Vertrauen des Bürgers auf eine ständige Rechtsprechung im Rahmen des § 17 StGB durch die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums hinreichend geschützt wird. Diese Argumente gelten jedoch nicht nur für § 2 Abs. I StGB, sondern ebenfalls für Art. 103 Abs. 2 GG537 • Auch bei Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorschrift ergibt sich, dass das Rückwirkungsverbot auf die Änderung einer ständigen Rechtsprechung keine Anwendung findet. Die Möglichkeit, Rechtsprechungsänderungen am Rückwirkungsverbot zu messen, bestünde nur dann, wenn sich das Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG gewandelt hätte. Die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen stillschweigenden Verfassungswandels wird nicht bestritten538, weil zahlreiche Verfassungsbestimmungen einen Auslegungsspielraum besitzen, der es gestattet, ihnen diese oder jene Bedeutung beizumessen539 . Deshalb kann bei Verfassungsbestimmungen eine Änderung der Wertvorstellungen berücksichtigt werden, ohne dass es einer Verfassungsrevision bedarf540. Denkbar ist aber ein Verfassungswandel nur dann, wenn die nachträgliche Aufdeckung eines Irrtums oder ein Gegensatz zwischen Verfassungszustand und Verfassungsgesetz vorliegt541 . Insoweit ändert sich dann der Sinn der Verfassungsbestimrnung. Von einem solchen Verfassungswandel ist jedoch bei Art. 103 Abs. 2 GG nicht auszu534 Bockelrrwnn/Volk, StrafR-AT, S. 21 f.; Händel, NJW 1967, 537, 538; Heusinger; Rechtsfindung und Rechtsfortbildung, S. 102 [Fn. 76]; Jakobs, Strafrecht, 4. Abschn. Rdnr. 81; Jescheck!Weigend, StrafR-AT, S. 124; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, Rdnr. 113; Meyer-Ladewig, MDR 1962,262, 264; Rüping, in BK, Art. 103 Abs. 2 GG Rdnr. 63 f.; Rudolphi, in SK, § 1 StGB Rdnr. 8; Schmidhäuser, StrafR-AT, 3. Kapitel Rdnr. 23/47; Schünerrwnn, nulla poena, S. 28; Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 80 ff.; Tröndle, in Dreher-FS, 117, 127; ders., in LK10, § 2 StOB Rdnr. 22 ff. 535 Auch das Milderungsgebot bezieht sich nur auf das "Gesetz". 536 Tröndle, in Dreher-FS, 117, 127. 537 Zutreffend Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 372. 538 Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 254; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht,§ 7 II; für die Entbehrlichkeit des Verfassungswandels aufgrund der Möglichkeit der Verfassungsinterpretation Häberle, ZfP 21 [1974], 111 , 129 ff. 539 Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht,§ 7 II. 540 Maunz!Zippelius, Deutsches Staatsrecht,§ 7 II. 541 Zum Gegensatz Laband, Wandlungen, S. 3.
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gehen, denn seine Folge wäre eine Kompetenzverschiebung vom Gesetzgeber hin zur Rechtsprechung. Art. 103 Abs. 2 GG gibt nämlich nicht nur die inhaltlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Strafgesetze vor, sondern ist darüber hinaus auch als Ausdruck des Demokratieprinzips und des Gewaltenteilungsprinzips zu verstehen542 . Mit der Gewaltenteilung ist dann allerdings die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und Richter angesprochen. Für die Regelungen des Grundgesetzes über die Kompetenzverteilung gilt jedoch, dass sie zwar einer interpretatorischen Präzisierung, nicht dagegen einer Änderung durch Berücksichtigung eines Wandels zugänglich sind543• Eine Wandlungsfähigkeit des Art. 103 Abs. 2 GG wäre somit lediglich dann anzunehmen, wenn sie einen weitergehenden Schutz des Bürgers durch die Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderungen mit sich bringen würde544. Sicherlich ließe sich die Rechtssicherheit als ein Aspekt anführen, der für die Beachtung der Rechtsprechungsänderungen beim Rückwirkungsverbot spricht. Die Verbürgung der Rechtssicherheit ist aber eine Funktion des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips. Somit müsste das Gesetzlichkeitsprinzip an die Rechtsprechung auch folgerichtig dieselben Anforderungen wie an den Gesetzgeber stellen. Eine Vergleichbarkeit des Richterrechts mit dem Gesetzesrecht ist aber abzulehnen. Der Richter entscheidet immer über einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt und erkennt, was zum Zeitpunkt der Entscheidung aufgrund der gesetzlichen Norm rechtens ist. Kommt es bei der Entscheidungstindung zu einer Abweichung von der ständigen Rechtsprechung, so ist dies weniger als Rechtssetzung, sondern vielmehr als Findung des richtigen Rechts innerhalb der gesetzlichen Vorschriften zu verstehen545 . Würde das Richterrecht dieselbe Verbindlichkeit wie das Gesetzesrecht besitzen, wäre ersteres nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise flexibel 546. Zudem widerspräche die Anwendung des Gesetzlichkeitsprinzips auf das Richterrecht seiner gegenüber dem Gesetzesrecht verfassungsrechtlich gewollten geringeren Verbindlichkeit547 . Folglich können die Garantien des Gesetzesrechts nicht auf das Richterrecht übertragen werden. Wegen der Unmöglichkeit einer Vergleichbarkeit von Richter- und Gesetzesrecht scheidet die Annahme, das Verständnis des Art. 103 Abs. 2 GG habe sich gewandelt, aus. Somit ist die Berücksichtigung von Rechtsprechungsänderungen beim Rückwirkungsverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG ausgeschlossen. Deshalb werden diese vom gesamten Anwendungsbereich des § 2 StGB nicht erfasst. Daher sind auch Änderungen des Gewohnheitsrechts nicht an § 2 StGB zu messen.
542
§ 9 11. 1. b).
543
Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 279 ff. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 384. Bocke/mann/Volk, StrafR-AT, § 4 II. 4. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 391. Nowakowski, Gutachten für den 45. Juristentag, S. 8.
544 545 546 547
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
(3) Zwischenergebnis
Folglich ist insgesamt in keinem Punkt eine Abweichung zwischen dem Gesetzesbegriff in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und dem in § 2 Abs. 3 StGB festzustellen, so dass wegen der Identität des Gesetzesbegriffs von einer Übertragbarkeit des Strafgesetzbegriffs von § 2 Abs. 3 StGB auf Art. 103 Abs. 2 GG ausgegangen werden kann. bb) Inhalt des Strafgesetzbegriffs Über den Inhalt des Strafgesetzbegriffs im Sinne der Art. 103 Abs. 2, §§ 1, 2 StGB gehen die Auffassungen auseinander. (1) Formeller Strafgesetzbegriff
Das Reichsgericht548 und ein Teil der früheren Literatur549 nahmen eine sehr restriktive Auslegung vor. Danach soll als Strafgesetz nur der Strafparagraph in seiner äußeren Erscheinung anzusehen sein. Daher seien allein die in der Strafnorm selbst enthaltenen Tatbestandsmerkmale Bestandteile des Strafgesetzes, nicht dagegen Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten, auf welche die Strafbestimmung Bezug nimmt. Wesensmerkmal des Strafgesetzes sei, dass in ihm die grundsätzliche Rechtsanschauung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit einer bestimmten Handlung zum Ausdruck komme. Den Strafgesetzen stünden mithin solche Vorschriften gegenüber, welche die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des speziellen Strafgesetzes auf einem anderen Gebiet als dem des eigentlichen Strafrechts bilden. Nur das Zugrundelegen eines formellen Strafgesetzbegriffs werde der ratio des § 2 Abs. 2 StGB (heute § 2 Abs. 3 StGB) gerecht, weil ausschließlich bei Änderung von Strafgesetzen (verstanden als Strafparagraph) von einer anderen Anschauung über die Strafwürdigkeit gesprochen werden könne. Darüber hinaus meine das StGB, wo es den Begriff .,Gesetz" benutze, nur Strafgesetze im Sinne des Strafparagraphen selbst550. Auf der Grundlage dieser Sicht bestünden keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Untreue im Stadium der Vor-GmbH, da die Kapitalerhaltungsvorschrift nicht als Bestandteil des Strafgesetzes anzusehen wäre und damit nicht dem Geltungsbereich des Analogieverbots unterliegen würde.
548
ROSt 13, 249, 253; 21,294, 295; 46,307,308 f.; 46, 337, 339; 49, 116, 121; 51, 150,
549
Goehrs, Das .,mildeste" Gesetz, S. 30; Schmid, Herrschaft der Gesetze, S. 186 ff.; See-
550
Goehrs, Das .,mildeste" Gesetz, S. 35.
153 f .
ger, rückwirkende Kraft, S. 117 f.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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(2) Rechtsgutstheoretischer Strafgesetzbegriff
Eine rechtsgutstheoretisch orientierte Auffassung551 nimmt eine gegenüber dem formellen Strafgesetzbegriff einschränkende Auslegung des Strafgesetzbegriffs vor. Nach ihr kann die äußere Stellung einer Rechtsvorschrift im StGB kein geeignetes Kriterium dafür bieten, strafrechtliche inhaltlich von außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften zu unterscheiden. Maßgebend sei, dass die Schutzobjekte früher sämtlich außerhalb des Strafrechts begründet gewesen seien. Sie gingen daher dem Strafrecht begrifflich voran und wären somit inhaltlich nicht diesem zuzuordnen. Als Strafgesetz komme deshalb nur derjenige Teil eines Strafparagraphen in Betracht, der den eigentlichen Rechtsschutz, nämlich die Strafdrohung enthält. Demnach stünden sich nicht das Strafgesetz und die außerstrafrechtliche Norm, sondern das Schutzobjekt und der schützende Teil der Norm gegenüber. Der schützende Teil der Norm stelle das Strafgesetz dar. Folge dieser Ansicht wäre, dass § 30 Abs. I GmbHG im Rahmen des § 266 StGB in zulässiger Weise analog angewandt werden könnte, weil als schützender Teil der Norm und damit als Strafgesetz ausschließlich die Strafdrohung des § 266 StGB angesehen werden müsste. (3) Normtheoretischer Strafgesetzbegriff
Eng verwandt mit der letztgenannten Auffassung ist eine normtheoretische Sicht552, deren Normbegriff auch jene Gebote und Verbote, die außerhalb des Strafrechts stehend, und nicht Bestandteil, sondern Voraussetzungen für die Anwendung der Strafgesetze sind, umfasst. Danach müssten folglich alle Strafgesetze als unvollständig angesehen werden, weil sie auf formal außerstrafrechtliche vom Strafgesetzgeber geschützte Normen ausdrücklich oder stillschweigend verweisen oder Bezug nehmen. Somit wäre nur die Änderung oder Aufhebung von Rechtsfolgen, die der Strafparagraph enthält, als Strafgesetzänderungen im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB anzusehen. Hingegen müsste jede Änderung der Norm, jede Aufhebung eines unter Strafschutz gestellten Gebotes und Verbotes als außerstrafrechtlich eingestuft werden. Diese Konsequenz wird aber dadurch umgangen, dass der normtheoretische Strafgesetzbegriff auch noch in einem zweiten Sinne gebraucht wird, indem bei einer formellen Betrachtung sowohl der Tatbestand als auch Straffolge berücksichtigt. Tatbestand ist danach die Summe im Strafparagraphen enthaltenen Merkmale, deren Erfüllung strafbegründend wirken. Deren Änderung stellen sich ebenfalls als Strafgesetzänderung dar. Zum Strafgesetz gehöre daher der Tatbestand und die Straffolge, die im Strafparagraphen enthalten sind. 551 Hirschberg, Schutzobjekte, S. 57; Kohlrausch, ZStW 23 [1903], 41 ff.; Schubert, Extune Wirkung, S. 18, 25 f. 552 Beling, Verbrechen, S. 133; Binding, Normen I, S. 78 ff.; wobei Binding aber in seinem Handbuch, S. 257 ff. von einem materiellen Strafgesetzbegriff ausgeht.
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Demzufolge wäre nach der normtheoretischen Sichtweise eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ebenfalls statthaft, weil als Strafgesetz nur § 266 StGB angesehen werden könnte und das Analogieverbot nur für diese Vorschrift Geltung erlangen würde. (4) Materieller Strafgesetzbegriff
Die heute herrschende Meinung553 geht von einem materiellen Strafgesetzbegriff aus. Danach ist das "Strafgesetz" komplexer als nach den bisher genannten Auffassungen zu begreifen. Die das Strafgesetz bildenden Regelungen seien daher grundsätzlich sowohl der Strafparagraph als auch die Vorschriften außerhalb des StGB, die dessen Anwendung beeinflussen. Damit gehören zum "Strafgesetz" auch alle strafrechtsexternen Vorschriften, auf die sich der anzuwendende Tatbestand bezieht und die mit ihm in einer inneren unlösbaren Abhängigkeit stehen. Nach der materiellen Auffassung lässt sich das Strafgesetz als ein rechtlicher Zustand beschreiben, d. h. als Summe aller Rechtssätze, nach denen eine bestimmte Handlung mit einer bestimmten Strafe oder Maßregel bedroht ist. Dabei ist gleichgültig, ob der Strafrechtszustand ausschließlich im oder außerhalb des StGB geregelt ist. (5) Stellungnahme
Einzig der materielle Strafgesetzbegriff überzeugt, da er berücksichtigt, dass die Anwendung des Strafgesetzes im Sinne des Strafparagraphen auch von formal außerstrafrechtlicher Vorschriften beeinflusst wird. Durch deren Änderung kann es ebenfalls zu einer Milderung des Strafgesetzes kommen. Dem muss dadurch Rechnung getragen werden, dass Änderungen außerstrafrechtlicher Vorschriften berücksichtigt werden, denn es ist angebracht, dem Täter möglichst jedwede Milderung des strafrechtlichen Zustandes zugute kommen zu lassen554. Darüber hinaus folgt aus dem Charakter der Strafgesetze als Schutzgesetze, dass die Strafparagraphen auf formal außerstrafrechtliche Vorschriften Bezug nehmen. Es ist nur eine Frage der Gesetzestechnik und Zweckmäßigkeit, ob der Gesetzgeber für bestimmte Begrifflichkeiten oder die sonstige Ausfüllung des Strafgesetzes auf andere Gesetze verweist555 • Nimmt er einen solchen Verweis vor, so geschieht dies zumeist aus Gründen der Kürze und Klarheit, weil es häufig zu umständlich wäre, die in außer553 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 461 f.; Eser, in Schönke I Schröder, § 2 StGB Rdnr. 20; Flehinghaus, temporäre Strafgesetze, S. 49 ff.; Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 37; Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 187; Mezger, Strafrecht, S. 69; ders., ZStW 42 [1921], 348; Neumann, Blankostrafgesetz, S. 84 ff.; Rudolphi, in SK, § 2 StGB Rdnr. 20; Tröndle, in LK 10, § 2 StGB Rdnr. 3; Tröndle/Fischer; § 2 StGB Rdnr. 8. 554 Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 187; Neumann, Blankostrafgesetz, S. 85. 555 Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 173.
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strafrechtlichen Regelungen aufgeführten Merkmale, die zur Ausfüllung des Strafparagraphen erforderlich sind, in diesem erneut zu benennen. Konsequenterweise sind diese formal außerstrafrechtlichen Vorschriften in den Strafgesetzbegriff einzubeziehen, weil nur so deren Verknüpfung mit dem Strafparagraphen hinreichend beriicksichtigt werden kann. Der weiteren Untersuchung liegt deshalb der materielle Strafgesetzbegriff zugrunde. cc) Materieller Strafgesetzbegriff und Reichweite des Analogieverbots Mit der Entscheidung für den materiellen Strafgesetzbegriff ist allerdings die Frage der Reichweite des Analogieverbots im Sinne der Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB noch nicht beantwortet, sondern nur die Grundlage für die folgende Betrachtung geschaffen. Die Beriicksichtigung formal außerstrafrechtlicher Rechtsnormen erfolgt nämlich in unterschiedlicher Weise. Welche Reichweite das Analogieverbot bei Blankettstrafgesetzen, Strafgesetzen, deren Tatbestände normative Merkmale enthalten, und in den Fällen der indirekten Akzessorietät besitzt, ergibt sich aus dem materiellen Strafgesetzbegriff nämlich nicht ohne weiteres. Da § 30 Abs. 1 GmbHG in analoger Anwendung bei der Auslegung des § 266 StGB für die Fälle der Untreue zum Nachteil der Vor-GmbH relevant würde, sind deshalb zwei Fragen zu beantworten, und zwar zum einen, welche Konsequenzen das Analogieverbot bei den verschiedenen Verweisungsarten hat, und zum anderen, welche in unserem Fall einschlägig ist. ( 1) Anwendung des Analogieverbots bei Blankettstrafgesetzen
Bei der Anwendbarkeit des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auf die Vor-GmbH ist oben556 die Problematik des Analogieverbots bei Blankettstrafgesetzen lediglich angeklungen. Nun ist dessen Geltung im Einzelnen zu klären. (a) Begriff des Blankettstrafgesetzes Blankettstrafgesetze557 enthalten zwar die Strafandrohung, nehmen jedoch auf ein ganz oder teilweise durch andere Rechtsquellen tatbestandlieh umschriebenes Verhalten Bezug558 . Charakterisieren lassen sich die Blankettstrafgesetze demnach durch die Trennung von Tatbestand, dessen Voraussetzungen die aus den anderen § 2 II. 4. a). Der Ausdruck Blankettstrafgesetz geht zurück auf Binding, Handbuch, S. 180. Zu den Blankettstrafgesetzen aus historischer Sicht vgl. ferner Neumann, Blankostrafgesetz, S. 7 ff. 558 Warda, Abgrenzung, S. 5. 556
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Rechtsquellen folgende Ausfüllungsnorm enthält, und Strafandrohung. Das vollständige Strafgesetz ergibt erst das "Zusammenlesen" beider Komponenten. (b) Bedeutung der Blankettstrafgesetze Die Verwendung von Blankettstrafgesetzen ist geboten, wenn - wie dies vor allem im Nebenstrafrecht der Fall ist - Rechtsgüter zu schützen sind, die sich nicht wie Leben, Eigentum etc. fest umreißen lassen559. Der Einsatz dieser Gesetzestechnik empfiehlt sich, wenn es angebracht erscheint, bestimmte Gebote und Verbote, deren Anpassung an veränderliche Verhältnisse notwendig ist, mit einem einheitlichen Strafrechtsschutz auszustatten560 . Echte Blankettstrafgesetze561 verfügen über einen erhöhten Grad an Flexibilität und Aktualität, weil der Normgeber auf die Darstellung der Einzelheiten des Tatbestandes verzichtet und dies anderen Stellen, etwa der Verwaltung, die eher und besser in sachlich und/ oder örtlicher Hinsicht mit den zu regelnden Verhältnissen vertraut sind, überlässt562. Diese Stellen sind zu einer schnelleren Reaktion imstande, als dies bei der Durchführung eines formalen Gesetzgebungsverfahrens der Fall wäre563. (c) Ausfüllungsnorm als Bestandteil des Strafgesetzes Da die - außerstrafrechtliche - Ausfüllungsnorm Teil des Blankettstrafgesetzes ist, liegt es nahe, sie bei Anwendung des materiellen Strafgesetzbegriffs in den Geltungsbereich des Analogieverbots und des Milderungsgebots einzubeziehen. In der Literatur zur Auslegung des § 2 Abs. 3 StGB wird diese Konsequenz zum Teil abgelehnt, um "absurde Begünstigungen"564 zu vermeiden. So wird vertreten565, dass nur Ausfüllungsnormen, die bestimmte Verbote oder Gebote sichern sollen, als Gesetze im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB anzusehen sind. Da den Blankettstrafgesetzen in diesen Fällen die Funktion der Gehorsamssicherung zukomme, seien Strafblankett und ausfüllende Norm als das Strafgesetz anzusehen566. Bestehe die Aufgabe des Blankettstrafgesetzes dagegen in der Sicherung eines bestimmLenckner, JuS 1968, 249, 253. Tiedemann, in HWiStR, Stichwort Blankettstrafgesetz, S. 2; Warda, Abgrenzung, S. 9. 561 Ein echtes Blankettstrafgesetz liegt nur dann vor, wenn der Tatbestand und die Strafdrohun!!: derart getrennt sind, dass die Ergänzung der Strafdrohung durch einen dazu gehörigen Tatbestand von einer anderen Stelle und zu einer anderen Zeit selbstständig vorgenommen wird. 562 Laaths, Zeitgesetz, S. 74. 563 Laaths, Zeitgesetz, S. 74 f. 564 Hassemer. in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 34. 565 Jakobs, StrafR-AT, 4. Abschn. Rdnr. 72; Rudolphi, in SK, § 2 StGB Rdnr. 8 d; Samson, wistra 1983, 235, 237; ähnlich Lackner, in Lackner/Kühl, § 2 StGB Rdnr. 4. 566 Rudolphi, in SK, § 2 StGB Rdnr. 8 b. SS9
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ten Regelungseffekts der Ausfüllungsvorschrift, so ließe deren Änderung den früheren Regelungseffekt unberührt. Die Ausfüllungsvorschrift könne in diesen Fällen nicht als Bestandteil des Strafgesetzes im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB angesehen werden567 . Gegen diese Art der Abgrenzung wird eingewandt568, dass sie das materielle Kriterium verfehle, das über die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 StGB in solchen Konstellationen entscheide, und sie zudem wenig trennscharf und unnötig kompliziert sei. § 2 Abs. 3 StGB betreffe schließlich die materielle Rechtslage, so dass maßgebend ist, ob für den Täter "eine im konkreten Ergebnis günstigere Gestaltung der gesamten Rechtslage zwischen Tat und Entscheidung"569 vorliege. Das sei nicht der Fall, wenn die Regelung der blankettausfüllenden Vorschriften durch eine andere ersetzt wird, welche die Rechtslage nicht günstiger gestaltet. Solche Änderungen schieden aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 StGB aus570.
Nach einer dritten Auffassung571 sind Änderungen von Ausfüllungsvorschriften, die sich nur mittelbar auf Straf- oder Bußgeldtatbestände beziehen oder die den Schutzzweck sowie die Angriffsrichtung des Blanketttatbestandes und damit das verwirklichte Unrecht im Wesentlichen unberührt lassen, vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 StGB auszunehmen, weil diese Art von Ausfüllungsvorschriften nicht als Bestandteil des Strafgesetzes im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB anzuerkennen sei. Ein anderer Teil der Literatur572 steht auf dem Standpunkt, dass jede Rechtsnorm, auf die ein Strafgesetz im engeren Sinne573 Bezug nimmt, als "Gesetz" im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB anzusehen sei und damit zum Bestandteil des Strafgesetzes werde. Diese Auffassung wird von der Rechtsprechung heute geteilt. Das Reichsgericht574 hatte sich zwar dagegen auf der Grundlage des von ihm vertretenen formellen Strafgesetzbegriffs bei der Anwendung des Milderungsgebots in § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.F. Getzt § 2 Abs. 3 StGB) gegen die Ausfüllungsvorschrift als Bestandteil des Strafgesetzes ausgesprochen, und der BGH575 war dem zuRudolphi, in SK, § 2 StGB Rdnr. 8 c; Samson, wistra 1983, 235,237. Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 36. 569 Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 38. 570 Hassemer; in AK-StGB, § 2 StGB Rdnr. 38. 571 Eser; in Schönke/Schröder, § 2 StGB Rdnr. 26; K. Meyer; JR 1975,69, 70; Mohrbotter; ZStW 88 [1976], 923, 956 ff.; Wenner; MDR 1975, 161, 162; ähnlich Dreher/Tröndle4 7 , § 2 StGB Rdnr. 8. 572 Flämig, Steuerrecht, S. 70; Rüping, NStZ 1984, 450, 451; Tiedemann, in HWiStR, Stichwort Blankettstrafgesetz, S. 5 ff.; Tiedemann/Dannecker; Die gesetzliche Milderung, s. 20f. 573 Als Strafgesetz im engeren Sinne ist der Strafparagraph selbst anzusehen. 574 RGSt 16, 171, 172; 46, 393, 396; 49,410,413. 575 BGHSt 7, 294, 295 f. 567
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nächst gefolgt. In einer späteren Entscheidung576 rückte er jedoch von dieser Sichtweise ab und schloss sich der Auffassung des BayObLG577 und des OLG Bre578 .. men an. Danach bedeutet bei den Blankettstrafgesetzen eine Anderung der Ausfüllungsnorm, auf die das Strafblankett verweist, auch eine Änderung des Strafgesetzes. Schließlich werde die Blankettnorm erst durch den der Ausfüllungsnorm zu entnehmenden Tatbestand, ohne den die Blankettstrafdrohung funktionslos wäre, zum Strafgesetz. Mit dem Wechsel der Ausfüllungsnorm ändere sich ein wesentliches Element des Strafgesetzes selbst. Das Bundesverfassungsgericht579 steht ebenfalls auf dem Standpunkt, dass die in Bezug genommenen Vorschriften Bestandteil des Strafgesetzes und deshalb nach strafrechtlichen Maßstäben auszulegen sind. Dieser herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Sie ist unter der Geltung des materiellen Strafgesetzbegriffs konsequent und befindet sich zudem im Einklang mit dem Analogieverbot Wie dargelegt, liegt Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und § 2 Abs. 3 StGB ein identischer Gesetzesbegriff zugrunde, so dass dessen Reichweite einheitlich zu bestimmen ist. Deshalb sind Strafblankett und Ausftillungsvorschrift als ein Strafgesetz anzusehen. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass die Ausfüllungsvorschrift vom Geltungsbereich des Milderungsgebots und damit auch des Analogieverbots erfasst wird. Sollte sich § 266 StGB als Blankettvorschrift darstellen, was noch zu klären ist580, wäre eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG unzulässig, weil die Regelung dann als Ausfüllungsvorschrift dem Geltungsbereich des Analogieverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB unterfallen würde. (2) Analogieverbot bei normativen Tatbestandsmerkmalen
Formal außerstrafrechtliche Regelungen sind ferner bei den normativen Tatbestandsmerkmalen zu berücksichtigen.
576 BGHSt 20, 177, 181; bestätigt durch BGH, wistra 1982, 108, 109. Die Literatur teilt diese Auffassung, indem sie davon ausgeht, dass der Inhalt der Ausfüllungsvorschrift zum Bestandteil der Verweisungsnorm werde und somit im Umfang der Verweisung an der Rechtsnarur der verweisenden Regelung teilnehme; Antdt, JuS 1979, 784 f.; Baumann!Weber/Mitsch, StrafR-AT, § 8 Rdnr. 100; Brugger; VerwArch 1987, 4; Cramer!Stemberg-Lieben, in Schönke I Schröder, § 15 StGB Rdnr. 100; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 26 [Fn. 3]; Hersehe[, NJW 1968,617, 620; Jakobs, Strafrecht, 8. Abschn. Rdnr. 47; Lenckner; in Engisch-FS, 490, 495; Ossenbühl, DVBI. 1967,401, 402; Warda, Abgrenzung, S. 36. m BayObLGSt 1953, 116; 1959, 46, 47; 1961, 149, 150. 578 OLG Bremen, NJW 1964, 2261 , 2262. 579 BVerfGE 47, 285, 309 ff.; 48, 48, 55. 580 § 9 li. 3. a) aa).
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(a) Begriff des normativen Tatbestandsmerkmals Eine Definition des Begriffs des normativen Tatbestandsmerkmals zu finden, fällt wegen der Vielzahl der vertretenen Auffassungen schwer. Die Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen ist erforderlich, um festzustellen, welcher psychische Vorgang notwendig ist, damit der Täter das Merkmal als Teil des gesetzlichen Tatbestandes begreift und in welchem Umfang das Verständnis des Täters vom Geschehenen vorhanden sein muss. Diese Umstände sind insbesondere für die Abgrenzung des Tatbestands- vom Verbotsirrtum maßgeblich. So genügt bei den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen in der Regel die bloße sinnliche Wahrnehmung, weil sie Umstände der äußeren oder inneren Sinneswelt bezeichnen581 . Die deskriptiven Tatbestandsmerkmale beschreiben ein Merkmal also zumeist, ohne dass eine besondere Wertung zu deren Erfassung notwendig ist582. Zwar ist neben der Wahrnehmung auch eine geistige Verarbeitung erforderlich, jedoch kommt diesem Vorgang gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung nur eine untergeordnete Bedeutung zu, denn der jeweilige soziale Sinn eines deskriptiven Tatbestandsmerkmals knüpft unmittelbar an das sinnlich Wahrnehmbare an583 . Dies wird von Teilen des Schrifttums584 allerdings mit dem Argument bestritten, dass wegen des notwendigen geistigen Verarbeitungsprozesses jedes Tatbestandsmerkmal als normativ einzustufen sei585 . Andere586 wiederum gelangen mit abweichender Begründung zu demselben Ergebnis. Durch die Aufnahme in den gesetzlichen Tatbestand verfügten die Tatbestandsmerkmale generell über einen normativen Charakter. Der normative Umsetzungsakt komme durch die in der Beziehung auf Strafrechtswerte bestehenden juristisch-methodologischen Umformung zustande. Die Vergesetzlichung stelle immer eine Wertung, ein Anheften von bestimmten Wertbedeutungen dar. Diese Sichtweisen verdeutlichen das Hauptproblem bei den normativen Tatbestandsmerkmalen, nämlich die Bestimmung des Begriffs "normativ". Die eben genannten Ansichten sind jedoch nicht weiterführend, weil - entgegen dieser Sichtweisen - eine Abgrenzung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen notwendig ist. Cramer/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 15 StOB Rdnr. 18. Maurach/Zipf. StrafR-AT, § 20 Rdnr. 55; Trändie I Fischer, § 16 StOB Rdnr. 4. 583 Cramer/Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, § 15 StOB Rdnr. 18; Rudolphi, in SK, § 16 StOB Rdnr. 22. 584 Blei, StrafR-AT, § 23 II; Haft, StrafR-AT, S. 43; Herdegen, in FS-25 Jahre Bundesgerichtshof, 195, 197. 585 Anders Kunert, Die normativen Merkmale, S. 86, der alle Tatbestandsmerkmale wegen ihrer beschreibenden Funktion als deskriptiv bezeichnet. Beschrieben werden nicht nur äußerliche, natürliche Gegenstände, Vorgänge und Zustände, sondern auch seelische, geistige und kulturelle Phänomene. 586 Stratenwerth, StrafR-AT, § 8 Rdnr. 69; E. Wolf, in RG-Festgabe V, 44, 55; ders., Typen, s. ll. 581
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Sicherlich greift es zu kurz, den Unterschied zwischen beiden Merkmalsarten darauf zu reduzieren, dass die deskriptiven nur sinnlich wahrgenommen und die normativen allein geistig verstanden werden müssten587 . Zum einen würde das auch den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen immanente Verständniselement vernachlässigt und zum anderen bliebe unberücksichtigt, dass die normativen Tatbestandsmerkmale mit der Kategorie der bloßen Verstehbarkeit nicht vollständig erfasst werden. Für die Unterscheidung sind vielmehr zwei andere Gesichtspunkte maßgeblich. Der Begriff des normativen Tatbestandsmerkmals ist unter rechtstheoretischen Gesichtspunkten dadurch gekennzeichnet, dass für die Anwendung die Sicht des Richters entscheidend ist, sie verlangen ein richterliches Werturteil588. Normative Tatbestandsmerkmale sind in zwei Gruppen einzuteilen. Die eine umfasst Begriffe, die Denkgebilde der positiven Normenordnung betreffen, bei der zweiten Gruppe erwartet das Gesetz vom Richter eine Beurteilung auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung, einer außerjuristischen Wertung oder einer Stellungnahme auf weltanschaulicher Grundlage. Für das richterliche Werturteil wird überdies zum Teil 589 zutreffend betont, dass dieses nicht bindungslos ist, sondern ungeachtet aller Subjektivität einen Richtpunkt im "Gerechten und Angemessenen habe, dass daher nur eine Entscheidung die zutreffende sein könne"590. Die praktische Erfahrung lehrt zwar, dass das Gesetz keine völlig eindeutigen Entscheidungen treffen kann, dennoch hat sich die Umsetzung des Richters an gewissen tradierten Wertungen zu orientieren. Aufschluss über den Charakter der normativen Tatbestandsmerkmale gibt zudem deren praktisch-dogmatische Behandlung bei der Feststellung des Vorsatzes. Einerseits bedarf es zwar keiner korrekten Subsumtion des Tatbestandsmerkmals in seiner juristisch zutreffenden Gestalt591 , andererseits reicht die Kenntnis der TatsachengrundJage für die Erfassung des Tatbestandsmerkmals aber nicht aus, sondern es ist eine Bedeutungskenntnis erforderlich592 . Die Besonderheit des auf ein normatives Tatbestandsmerkmal bezogenen Vorsatzes ist darin zu sehen, dass an die Erfassung der wertenden Elemente andere geistige Anforderungen gestellt werden als bei Tatsachen, die sinnlich wahrnehmbar sind593 . Der Täter muss bei den 587 So wohl der Vorschlag von Welzel, JZ 1953, 120; ders., JZ 1954, 276, 279; ders., Strafrecht AT, S. 65 f.; anders Mayer, StrafR-AT, S. 183 f.; nach dem die normativen Tatbestandsmerkmale zwar auch einer sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich sind, aber ihre Verwirklichung nicht in der Außenwelt, sondern ausschließlich in der Rechtswelt stattfinde. Die normativen Merkmale begründen daher die Rechtswidrigkeit und müssten als Fremdkörper im Tatbestand angesehen werden. 588 Grünhut, Begriffsbildung, S. 7; Mezger, in Traeger-FS, 187,217. 589 Engisch, in Mezger-FS, 127, 152 ff. 590 Engisch, in Mezger-FS, 127, 152. 591 v. Liszt, Lehrbuch, S. 152. 592 Vgl. Maurach/Zipf, StrafR-AT, § 22 Rdnr. 46 ff. 593 Engisch, in Mezger-FS, 127, 161.
§ 9 Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH
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normativen Tatbestandsmerkmalen die ihnen immanente Wertung im Wesentlichen nachvollziehen, damit ein vorsätzliches Handeln bejaht werden kann. Erforderlich ist daher, dass der Tater die konkreten Umstände in seiner Vorstellungs- und Begriffswelt so einschätzt, wie es der gesetzlichen Bewertung entspricht, wobei die Parallelwertung in der Laiensphäre594 genügt. Die normativen unterscheiden sich von den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen dadurch, dass sie nur durch Heranziehung von Werten bei ihrer Ausftillung nachvollzogen werden können. Charakteristisch für die normativen Merkmale des Tatbestandes ist somit zutreffend deren Wertbezüglichkeit595 bzw. Wertausfüllungsbedürfigkeit596. Bei den rechtsnormativen Tatbestandsmerkmalen597 setzt deren Feststellung die Geltung und Anwendung von (Rechts-) Normen voraus. (b) Reichweite des Analogieverbots bei normativen Tatbestandsmerkmalen Die generellen Aussagen des materiellen Strafgesetzbegriffs legen den Schluss nahe, dass bei den normativen Tatbestandsmerkmalen die zu berücksichtigenden formal außerstrafrechtlichen Vorschriften ebenfalls Bestandteile des Strafgesetzes sind. In der Literatur598 wird dies zum Teil auch so gesehen. Für diese Sichtweise scheint zu sprechen, dass § 2 Abs. 3 StGB nach seinem Sinn und Zweck, dem Täter in möglichst breitem Umfang gesetzliche Milderungen zugute kommen zu lassen, weit auszulegen ist599• Zudem wird darauf hingewiesen 600, dass die Ausgestaltung des Tatbestandes als Blankett oder unter Verwendung normativer Tatbestandsmerkmale nur eine Frage der Gesetzestechnik sei, aus der keine weitreichenden Folgen hergeleitet werden dürften. Allerdings sind auch bei den normativen Tatbestandsmerkmalen - genau wie bei den Blankettstrafgesetzen - die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Analogieverbots wegen des identischen Gesetzesbegriffs in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht601 betrachtet 594 Diese Formel geht auf Mezger, Strafrecht, S. 328 zurück. Der BGH (St 3, 248, 255; 4, 347, 352) hat sie sich ebenfalls zu eigen gemacht, begnügt sich in Einzelfällen bisweilen mit der Kenntnis der das Merkmal begründenden Tatsachen, z. B. BGHSt 8, 321, 323 f. 595 Engisch, in Mezger-FS, 127, 149 f. 596 E. Wolf. Typen, S. 58. 597 Bruns, Befreiung, S. 321 und Seel, Unbestimmte und normative Tatbestandsmerkmale, S. 38, sprechen von rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen. E. Wolf. Typen, S. 58 bezeichnet diese Merkmale im Gegensatz zu "wertausfüllungsbedürftigen" Tatbestandsmerkmalen als "wertgefüllte". Diese Merkmale seien deshalb wertgefüllt, weil dem Richter "die Werte selbst vom Rechte geformt" angeboten werden. 598 Für den Bereich des Steuerstrafrechts Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht I, S. 215 ff. 599 Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 187. 600 Tiedemann, in HWiStR, Stichwort Blankettstrafgesetz; S. 1; Tiedemann/Dannecker, gesetzliche Milderung, S. 21. 601 BVerfGE 78, 205, 213.
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bei den normativen Tatbestandsmerkmalen- anders als bei Blankettstrafgesetzendie für die Auslegung relevanten formal außerstrafrechtlichen Vorschriften nicht als Bestandteile des Strafgesetzes. Nur bei den Blankettstrafgesetzen müssten die Ausfüllungsnormen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügen. Bei der Verwendung von normativen Tatbestandsmerkmalen misst das Gericht602 die außerstrafrechtlichen Bezugsvorschriften dagegen nicht an den Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG, weil das Gesetz das mit Strafe bedrohte Verhalten vollständig und ohne Bezugnahme umschreibt603 und die außerstrafrechtlichen Regelungen lediglich zur Auslegung des Straftatbestandes heranzuziehen seien. Die verfassungsrechtliche Literatur604 stimmt dieser Argumentation zu. Das Analogieverbot muss jedoch wegen des identischen Gesetzesbegriffs in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StOB und § 2 Abs. 3 StOB in ein stimmiges Verhältnis zu der vom Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 StOB gebotenen breiten Auslegung des Gesetzesbegriffs gebracht werden. Eine Auffassung605 versucht, dieses Ziel dadurch zu erreichen, dass sie die Regelung, die den in einem Strafgesetz gebrauchten Begriff inhaltlich bestimmt, als Teil des Strafgesetzes betrachtet und daran strafrechtliche Maßstäbe anlegt. Strafrechtliche Grundsätze könnten in diesen Fällen zwar nur unter der Voraussetzung angewandt werden, dass der anderweitig definierte Begriff inhaltlich identisch mit dem in dem Strafparagraphen verwendeten sei606. Dann mache es aber keinen Unterschied, ob der Begriff dort oder in der formal außerstrafrechtlichen Vorschrift beschrieben werde. Die formal außerstrafrechtliche Regelung sei dagegen nicht als Bestandteil des Strafgesetzes anzusehen607 , wenn sie lediglich den Umfang eines strafrechtlichen Begriffs bestimme. Dieser Sichtweise ist jedoch schon entgegenzuhalten, dass die Abgrenzung zwischen Inhalts- und Umfangsbestimmung unpraktikabel erscheint. Hinzu kommt, dass nach dieser Auffassung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend berücksichtigt werden, das eine Unterscheidung von Blankettstrafgesetzen und unter Verwendung normativer Merkmale gebildeter Tatbestände vornimmt. Zutreffend erscheint dagegen eine in der neueren Literatur vertretene Meinung608, die an die Lehre von den Regelungseffekten anknüpft. Diese Lehre, die an sich für die Blankettstrafgesetze entwickelt wurde, dort aber abzulehnen ist609, 602 603 604
605 606 607 608 609
BVerfGE 78, 205, 213. BVerfGE 78, 205, 213. V gl. nur Schmidt-Aßmann, in Maunz I Dürig, Art. 103 II GG Rdnr. 200. Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 209. Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 209. Käckell, Strafgesetzbegriff, S. 212. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 478 ff. Vgl. § 9 II. 2. b) cc) (1) (c).
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kann hier im Ansatz nutzbar gemacht werden. Danach nehmen normative Tatbestandsmerkmale nicht auf die formal außerstrafrechtlichen Vorschriften selbst Bezug, sondern nur auf deren außerstrafrechtliche Rechtsfolgen610, die als Regelungseffekte bezeichnet werden. Beim Milderungsgebot und Rückwirkungsverbot bewirkt die Heranziehung der Regelungseffekte formal außerstrafrechtlicher Vorschriften folgendes. Grundsätzlich bleiben die Regelungseffekte von einer Änderung der ihnen zugrundeliegenden Vorschriften unberiihrt. Den strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt verletzt dies nicht, wenn die Regelungseffekte trotz einer Änderung der sie bewirkenden Vorschriften fortbestehen 611 • Rechtstheoretisch lässt sich diese Wirkungsweise durch die Qualifizierung der Regelungseffekte als individuelle Rechtsnormen erklären, die von einer nachträglichen Aufhebung der ermächtigenden Norm grundsätzlich nicht tangiert werden612• Gegen Sicht werden zwar in der rechtstheoretischen Literatur613 Bedenken geäußert, weil es im Zusammenhang mit der Betrachtung der Norm um die Entstehung objektiven Rechts gehe und nicht um die Entstehung subjektiver Rechte, zumal die Norm auf den Willen des Normgeber zuriickzuführen ist. Diese Einwände sind jedoch unbegriindet, denn sie treffen für die Normerzeugung bei außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen nicht zu614• Dies belegt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rückwirkungsverbot Nach ihr ist das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nur anwendbar, wenn ein "abgeschlossener Tatbestand"615 vorliegt oder in Rechtsfolgen616, die in der Vergangenheit entstanden sind, eingegriffen wird. Diese Rechtsfolgen werden also nicht ruckwirkend geändert. Dieses Verständnis des Rückwirkungsverbots setzt in der Vergangenheit ohne Rechtssetzungsakt entstandene individuelle Rechtsnormen voraus 617 • Deshalb können die Regelungseffekte durchaus als individuelle Rechtsnormen angesehen werden. Die Behandlung dieser als individuelle Rechtsnormen verstandenen Regelungseffekte erfolgt im Zusammenhang mit dem Milderungsgebot und dem Rückwirkungsverbot nach den Rechtsregeln, die den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes bestimmen618 . Diese Rechtsregeln werden entweder durch ausdriickliche geDannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 478. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 479. 612 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 479. 613 Vgl. nur Lippold, Reine Rechtslehre, S. 56 [Fn. 52]. 614 Weyr, in Kubes/Weinberger, Brünner Rechtstheoretische Schule, S. 148. 610 611
615 Auffassung des l. Senats BVerfGE 79, 29, 45; früher auch Auffassung des 2. Senats BVerfGE 13, 261, 270; 13, 274, 277 f.; 19, 187, 195; 30, 250, 267; 30, 272 285; 30, 392, 401 f. 616 Auffassung des 2. Senats BVerfGE 63, 343, 353; 72, 200, 242; 76, 256, 345. 617 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 481. 618 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 482.
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setzliehe Übergangsvorschriften oder durch die Grundsätze des intertemporalen Strafrechts gebildet, die für jedes Rechtsgebiet unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu bestimmen sind. Schließlich führt der bloße Umstand, dass Regelungseffekte durch eine Gesetzesänderung der ihr zugrunde liegenden Vorschriften nicht berührt werden, nicht zu einer Einschränkung des legislatorischen Zugriffsrechts619 • Der Gesetzgeber hat nämlich auch bei Änderung formal außerstrafrechtlicher Regelungen die Möglichkeit, eigenständig über die Strafwürdigkeit und die Strafbedürftigkeit nach seiner gegenwärtigen Überzeugung zu entscheiden, in dem er über die Auswirkungen der Änderung der formal außerstrafrechtlichen Regelungen auf das Strafrecht befindet. Das legislatorische Zugriffsrecht folgt aus dem ultima-ratio Gedanken und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil wirksam entstandene Regelungseffekte, deren Strafwürdigkeit fragwürdig geworden ist, durch Nichtberücksichtigung dem strafrechtlichen Schutz entzogen werden müssen620. Die Entscheidung über die Berücksichtigung der aufrechterhaltenen Regelungseffekte bei der Änderung der außerstrafrechtlichen Regelungen trifft der Gesetzgeber allerdings zumeist nicht durch gesetzliche Übergangsvorschriften, so dass auf die Grundsätze des intertemporalen Strafrechts zurückzugreifen ist. Für die Anwendung dieser allgemeinen Regeln muss ein Kriterium gefunden werden, das eine Abgrenzung der für die Berücksichtigung der Regelungseffekte beachtlichen und unbeachtlichen Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Strafrechts ermöglicht. Als Abgrenzungskriterium ist die Bewertungsänderung anzusehen. Bewertet der Gesetzgeber nämlich die Strafwürdigkeit anders, liegt eine Gesetzesänderung vor, nach der auch die Regelungseffekte nicht mehr zu beachten sind. Wird dagegen das Gesetz aufgrund eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse geändert, bleiben die Regelungseffekte des "alten" Gesetzes unberührt621 . Dabei gestaltet sich die Abgrenzung der Bewertungsänderung von der Anpassung der tatsächlichen Verhältnisse jedoch als schwierig, weil zumeist nicht auf den Anlass der Gesetzesänderung abgestellt werden kann, so dass Gesetzesänderungen aufgrund der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auch eine Bewertungsänderung enthalten können. Somit ist bei einer Gesetzesänderung, die zu einer geringeren Belastung des Bürgers führt, in der Regel von einer Bewertungsänderung auszugehen, die zu einer Nichtberücksichtigung der aufrecht erhaltenen Regelungseffekte führt622. Die Regelungseffekte bleiben dagegen unberührt, wenn bestimmte Verpflichtungen durch völlig gleichwertige ersetzt werden, da dann eine Umbewertung ausscheidet623 . Dieses Konzept hält die oben beschriebenen Anforderungen in hinreichender Weise ein. Die Anerkennung der Regelungseffekte berücksichtigt die vom Bundes619 620 621 622 623
Dannecker, Dannecker, Dannecker, Dannecker, Dannecker,
Das intertemporale Strafrecht, S. 486. Das intertemporale Strafrecht, S. 487. Das intertemporale Strafrecht, S. 488. Das intertemporale Strafrecht, S. 489. Das intertemporale Strafrecht, S. 489.
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Verfassungsgericht herausgearbeiteten Vorgaben, weil die formal außerstrafrechtlichen Regelungen keinen Bestandteil des Strafgesetzes darstellen. Dariiber hinaus wird mit der grundsätzlichen Anerkennung der Regelungseffekte als individuelle Rechtsnormen und bei gleichzeitiger Beriicksichtigung des Umstands, dass gleichwohl zumeist eine Bewertungsänderung vorliegt, auch dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 StOB entsprochen, nach denen dem Täter in möglichst breiten Umfang die gesetzliche Milderung zugute kommen muss. Damit ist die effektive Anwendung des Milderungsgebots ebenfalls gewährleistet624. Dem Konzept ist daher zuzustimmen. Für die Reichweite des Analogieverbots ist somit festzuhalten, dass bei normativen Tatbestandsmerkmalen zu beriicksichtigende formal außerstrafrechtliche Vorschriften wegen der Anerkennung ihrer Regelungseffekte kein Bestandteil des Strafgesetzes sind und damit nicht vom Geltungsbereich des Analogieverbots erfasst werden. Mithin sind analoge Erweiterungen der formal außerstrafrechtlichen Vorschriften bei Beriicksichtigung des strafrechtlichen Analogieverbots grundsätzlich zulässig. Diese stellen aus strafrechtlicher Sicht nichts anderes als eine Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale dar625 • Als Grenze der Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale, innerhalb derer die analogen Erweiterungen der formal außerstrafrechtlichen Vorschriften erfolgen können, fungiert dann wieder die oben626 beschriebene Wortlautgrenze. Mit anderen Worten sind analoge Erweiterungen von formal außerstrafrechtlichen Regelungen bei normativen Tatbestandsmerkmalen insoweit zulässig, als dadurch nicht die Wortlautgrenze des auszulegenden normativen Tatbestandsmerkmals überschritten wird. Sollten die Voraussetzungen des § 266 StOB normative Tatbestandsmerkmale sein, so würde § 30 Abs. 1 GmbHG einen Regelungseffekt darstellen. Demzufolge wäre dessen analoge Anwendung grundsätzlich statthaft, da die Vorschrift lediglich zur Auslegung der normativen Tatbestandsmerkmale herangezogen würde. Ein Verstoß gegen das Analogieverbot ergäbe sich nur dann, wenn die analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG die Wortlautgrenze der maßgeblichen normativen Tatbestandsmerkmale überschreiten würde. (c) Abgrenzung von Blankettstrafgesetz und normativen Tatbestandsmerkmalen Die Abgrenzung von Blankettstrafgesetzen und Strafgesetzen, die normative Tatbestandsmerkmale enthalten, ist wegen der zuvor dargestellten unterschiedlichen Reichweite des Analogieverbots erforderlich. Die Differenzierung zwischen beiden kann aber nicht nach der Formulierung des Tatbestandes erfolgen, weil die 624 Damit ist auch eine Antwort auf die von Höpfel, JurBI. 1979, 575, 586 (Fn. 278] gestellte Frage nach den Auswirkungen einer Nichterfassung der formal außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen durch den Strafgesetzbegriff für das Milderungsgebot gefunden. 625 Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 78. 626 § 9 II. 1.
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bei Blankettstrafgesetzen typische Grundstruktur "Bestraft wird, wer der Gebotsoder Verbotsnorm X zuwider handelt" häufig fehlt627 . Es können Zweifelsfälle vorkommen, die es erforderlich erscheinen lassen, für eine Abgrenzung einen materiellen Maßstab anzulegen 628 . Zum Teil629 wird vorgeschlagen, zur Abgrenzung die Kriterien heranzuziehen, die für die Art des Irrtums relevant sind. Diese richte sich nach dem Vorsatzerfordernis, das sich am Tatbestand orientiert630. Der Tatbestand als solcher umfasse die Beschreibung der Rechtsguts- und Pflichtverletzung631 . Deshalb sei ein Begriff, der auf Rechtsvorschriften verweise, ein normatives Tatbestandsmerkmal, wenn die Rechtsvorschrift selbst zur Beschreibung der Rechtsguts- oder Pflichtverletzung erforderlich ist. Dagegen handele es sich um einen Blankettbegriff, wenn die in Bezug genommene Rechtsvorschrift nicht nur zur Beschreibung der Rechtsguts- oder Pflichtverletzung erforderlich sei, sondern zur Strafnorm selbst gehört632 . Diesem Vorschlag kann jedoch nicht gefolgt werden, weil er keine Kriterien für die Charakterisierung einer Rechtsvorschrift als rechtsguts- oder pflichtwidrigkeitsbeschreibend benennt, so dass im Zweifel alle Bezugsregelungen zum Tatbestand gehören würden. Dies führt dann jedoch nur zu einer erweiterten Auslegung einzelner Tatbestände und keiner Abgrenzung633 . Ferner erweist sich diese Sicht als Zirkelschluss, da zum einen alle rechtsguts- und pflichtwidrigkeitsbeschreibenden Merkmale dem Tatbestand zugeordnet werden, zum anderen aber die Frage, ob eine Pflicht zum Tatbestand gehört, danach beurteilt wird, ob sie den Charakter des Delikts mitprägt634. Zutreffend ist dagegen die von einem anderen Teil der Literatur635 vertretene Auffassung, dass die Abgrenzung der Blankettstrafgesetze von Strafgesetzen, die normative Tatbestandsmerkmale enthalten, von drei Unterscheidungskriterien abhängt. Um ein Blankettstrafgesetz handelt es sich danach, wenn der Tatbestand durch eine Gebots- oder Verbotsvorschrift, die sich außerhalb der Strafandrohung bev. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzproblerne, S. 173. Backes, Problematik der Abgrenzung, S. ll8; v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzprobleme, S. 173. 629 Backes, Problematik der Abgrenzung, S. 119. 630 Backes, Problematik der Abgrenzung, S. 124. 631 Backes, Problematik der Abgrenzung, S. 137 ff. 632 Backes, Problematik der Abgrenzung, S. 143. 633 v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzprobleme, S. 176; ebenso Fissenewert, Irrturn bei der Steuerhinterziehung, S. 201. 634 Fissenewen, Irrturn bei der Steuerhinterziehung, S. 201; v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzproblerne, S. 177 [Fn. 22]; kritisch auch Lüderssen, wistra 1983, 223,226. 635 Fissenewen, Irrturn bei der Steuerhinterziehung, S. 212; v.d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzproblerne, S. 173 ff. 627 628
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finde636, ergänzungsbedürftig ist, der Regelungszweck der auszufüllenden Vorschrift derjenigen der verweisenden Norm entspricht637 und Blankettstrafgesetz sowie Ausfüllungsnorm derart miteinander korrespondieren, dass durch das Strafgesetz die Zuwiderhandlung gerade gegen das in der Ausfüllungsnorm beschriebene Gebot oder Verbot erfasst wird638 . (3) Anwendung des Analogieverbots bei Fällen indirekter Akzessorietät
Als dritte Form der Orientierung von Strafgesetzen an formal außerstrafrechtlichen Vorschriften ist die indirekte Akzessorietät zu nennen. (a) Begriffsklärung Diese Konstellation ist dadurch kennzeichnet, dass bei der Priifung von Tatbestandsmerkmalen ein Rückgriff auf außerstrafrechtliche Regelungen ohne Vorliegen einer ausdriicklichen oder stillschweigenden Verweisung durch das Gesetz erfolgt. Im Wege der indirekten Akzessorietät werden zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften, z. B. zur Feststellung der Voraussetzungen einer Garantenstellung, zur Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich und zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit beriicksichtigt639 . (b) Reichweite des Analogieverbots bei der indirekten Akzessorietät Im Hinblick auf die Reichweite des strafrechtlichen Analogieverbots gelten die gleichen Grundsätze wie bei den normativen Tatbestandsmerkmalen, da die formal außerstrafrechtlichen Vorschriften ebenfalls nur zur Konkretisierung herangezogen werden640 und deshalb nicht als Bestandteil des Strafgesetzes angesehen werden können. Daher sind auch hier analoge Erweiterungen der formal außerstrafrechtlichen Regelungen zulässig. Würde § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen des § 266 StOB im Wege der indirekten Akzessorietät beriicksichtigt, stünde das strafrechtliche Analogieverbot der ZuläsFissenewert, Irrtum bei der Steuerhinterziehung, S. 212. v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzprob1eme, S. 175. 638 v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzprobleme, S. 176; Ähnlich Fissenewert, Irrtum bei der Steuerhinterziehung, S. 213, der darüber hinaus ein viertes Unterscheidungskriterium heranzieht, aufgrund dessen zu überprüfen sei, ob Tatbestände, die Merkmale wie pflichtwidrig, unbefugt etc. enthalten, ohne diese Merkmale eine vollständige Unrechtsbeschreibung beinhalten. Bei konsequenter Anwendung der anderen Unterscheidungsmerkmale ist dieses Kriterium jedoch überflüssig; vgl. dazu das Bsp. bei v. d. Heide, Tatbestands- und Vorsatzprobleme, S. 188 ff. 639 Comils, Fremdrechtsanwendung, S. 12, S. 26 ff.; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 467; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 58. 640 Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 467. 636 637
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sigkeit einer analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG nicht entgegen, weil die Regelung nicht als Bestandteil des Strafgesetzes gelten würde.
3. Zulässige analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen des § 266 StGB Anband der vorstehend abstrakt herausgearbeiteten Vorgaben zur Reichweite des Analogieverbots ist nunmehr die Zulässigkeit der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen des § 266 StGB zu überprüfen. a) Tatbestandsstruktur des § 266 StGB aa) Ausschluss des Blankettcharakters § 266 StGB kommt jedenfalls kein Blankettcharakter zu641 . Zwar müssen zur Bestimmung des Inhalts und der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht formal außerstrafrechtliche Regelungen herangezogen werden, so dass § 266 StGB in gewissem Umfang ergänzungsbedürftig ist. Die übrigen Kriterien, nach denen sich das Vorliegen eines Blankettstrafgesetzes beurteilt, sind jedoch nicht gegeben. § 266 StGB und die konkret zur Beurteilung der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht zu berücksichtigenden Vorschriften weisen unterschiedliche Regelungszwecke auf, weil § 266 StGB jegliche zu einem Nachteil des verselbstständigten Vermögenssubjekts führende Verletzungen der Vermögensbetreuungspflicht sanktioniert, also nicht nur den Teilbereich erfasst, auf den sich die in Bezug genommene Vorschrift beschränkt. § 266 StGB geht somit über den Regelungszweck der zu berücksichtigenden formal außerstrafrechtlichen Vorschriften hinaus.
Zudem wird bei der Anwendung des § 266 StGB nicht nur eine bestimmte Ausfüllungsvorschrift herangezogen, sondern es erfolgt -je nach Fallgestaltung - lediglich eine Orientierung an einer von vielen formal außerstrafrechtlicher Rechtsvorschriften642, denn strafbar ist z. B. keineswegs nur die "GmbH-rechtliche" Untreue. Die Anwendung des § 266 StGB ist somit nicht nur auf einen Verstoß gegen die Ge- oder Verbote der zu berücksichtigenden Vorschriften anwendbar, sondern es wird derjenige bestraft, der als Vermögensbetreuungspflichtiger dem entsprechenden Vermögenssubjekt einen Schaden zufügt. Im Übrigen erfolgt die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht im Wesentlichen anband eigener strafrechtlicher Kriterien643 .
641 642 643
Ebenso Gribbohm, ZGR 1990, 1, 15. Gribbohm, ZGR 1990, 1, 15. Vgl. dazu bereits die Untersuchungen zur Vermögensbetreuungspflicht in§ 6 II.
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Da § 266 StGB somit kein Blankettstrafgesetz darstellt, ist die Übertragung der durch eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG gewonnenen Ergebnisse in den Untreuetatbestand jedenfalls nicht grundsätzlich unzulässig. bb) "Pflichtwidrigkeit" und "Nachteil" als normative Tatbestandsmerkmale Zwar verkörpert § 30 Abs. 1 GmbHG das eigenständige Vermögensinteresse der Vor-GmbH, jedoch sind die Merkmale der Pflichtwidrigkeit wegen der Beschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit und des Nachteils aufgrund eines mangelnden kompensationsfähigen Gegenrechts strafbegründend644 • Deshalb ist zu priifen, ob durch die analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen dieser Tatbestandsmerkmale ein Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § I StGB vorliegt. Dies wäre zu verneinen, wenn es sich bei "Pflichtwidrigkeit" und dem ,,Nachteil" im Sinne des § 266 StGB um normative Tatbestandsmerkmale handelt. (1) Bindung des Einverständnisses an Merkmale des Tatbestandes
Abzulehnen ist eine in der Literatur645 vertretene Auffassung, die eine analoge Anwendung GmbH-rechtlicher Vorschriften mit der Behauptung ablehnt, die Analogie führe unzulässigerweise mittelbar durch die Begrenzung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit zu einer Einschränkung des tatbestandsausschließenden Einverständnisses bzw. der rechtfertigenden Einwilligung und sei deshalb eine strafbegründende Entscheidung. Diese These wurde zur analogen Anwendung der Nichtigkeitsvorschrift des § 241 Nr. 3 AktG bei der "GmbH-rechtlichen" Untreue im Fall der eingetragenen GmbH entwickelt. Der an sich festzustellenden Straflosigkeit werde durch die analoge Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG der Boden entzogen646. Die Analogie habe also wegen der Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit die Untreuestrafbarkeit des GmbHGeschäftsführers zur Folge. Darin läge eine verbotene Analogie. Übertragen auf unsere Konstellation bedeutet dies, dass die analoge Anwendung des § 30 Abs. I GmbHG wegen der damit verbundenen strafbegründenden Wirkung gegen das Analogieverbot verstieße. Diese Meinung überzeugt - unabhängig davon, ob eine solche Einordnung der Zustimmung der Gesellschaftergesamtheit im Rahmen des § 266 StGB überhaupt zutrifft647 - schon deshalb nicht, weil es sich bei der rechtfertigenden Einwilli644 645 646 647
Vgl. dazu bereits für die eingetragene GmbH§ 5 II. 2. Labsch, JuS 1985, 601, 605. Labsch, JuS 1985, 601 , 605. Vgl. § 5 II. 1. a).
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gung um einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund handelt648, das Analogieverbot aber der Sicherung der Garantiefunktion des geschriebenen Rechts dient und somit auf Einschränkungen des Gewohnheitsrechts nicht anwendbar ist649. Zudem hat es den Anschein, als behandele die vorgenannte Auffassung die Zustimmung der Gesellschafter als eigenständigen Grund für einen Tatbestandsausschluss, ähnlich einem Rechtfertigungsgrund auf der Rechtswidrigkeitsebene, und prüfe auf dieser Grundlage die Zulässigkeit der analogen Anwendung formal außerstrafrechtlicher Vorschriften im Rahmen des § 266 StGB. Dies widerspricht jedoch dem Charakter des Einverständnisses, dessen tatbestandsausschließende Wirkung daraus folgt, dass das Tatbestandsmerkmal einen gegenteiligen Willen des Rechtsgutsinhabers voraussetzt, der im Falle eines Einverständnisses entfallt. Das tatbestandsausschließende Einverständnis unterliegt deshalb keiner eigenständigen Beurteilung, sondern der entgegenstehende Wille des Rechtsgutsinhabers ist Bestandteil des konkreten Tatbestandsmerkmals. (2) "Pjlichtwidrigkeit" als normatives Tatbestandsmerkmal
Somit ist zu klären, ob es sich bei der Pflichtwidrigkeit um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt oder ein Fall indirekter Akzessorietät vorliegt. Die Vermögensbetreuungspflicht ist die umfassende Bezeichnung der vom Tater eingenommenen Herrschaftsposition, die mit der Garantenpflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten verglichen werden kann650. Deshalb könnte die Herleitung der Vermögensbetreuungspflicht aus außerstrafrechtlichen Regelungen - wie dies für die Garantenpflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten anerkannt ist - im Wege der indirekten Akzessorietät651 erfolgen. Jedoch spricht gegen diese Einordnung, dass die Vermögensbetreuungspflicht anders als die Garantenpflicht - mit der Benennung der Entstehungsgründe ausdrücklich auf formal außerstrafrechtliche Vorschriften Bezug nimmt, für die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht also außerstrafrechtliche, vor allem zivilrechtliche Rechtsfolgen heranzuziehen sind652 . Darüber hinaus ergibt sich die Einflussnahme formal außerstrafrechtlicher Regelungen bei der Ausfüllung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht daraus, dass Gegenstand des Betreuungsverhältnisses das Vermögen ist. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff orientiert sich zwar grundsätzlich an der bloßen Werthaltigkeit von Vermögensbestandteilen. Diese ergibt sich jedoch in aller Regel - wenn auch nicht notwendig - aus StrafR-AT, § 9 Rdnr. 3. in Schönke I Schröder, § 1 StGB Rdnr. 31. Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 59. Vgl. dazu§ 911. 2. b) cc) (3) (a). Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 68; vgl. auch Eisele, GA 2001 , 378.
648 Stratenwerth, 649 Eser; 650 651 652
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der (zivil-)rechtlichen Zuordnung653 . Zur Ausfüllung des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht sind deshalb zumeist maßgeblich zivilrechtliche Wertungen heranzuziehen, die auch der Täter in seiner Vorstellung nachvollzogen haben muss. Formal außerstrafrechtliche Regelungen sind aber nicht nur bei der Beurteilung der Entstehung der Vermögensbetreuungspflicht, sondern auch bei der Feststellung der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht relevant654. Mit der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht beschreibt das Gesetz die Tathandlung der Treubruchsvariante nämlich nur unzulänglich, da nach dem Wortlaut jedwede Pflichtwidrigkeit bei der Betreuung fremder Vermögensinteressen unter den Tatbestand fallen würde655 . Zur notwendigen Einengung dieses Merkmals ist deshalb auf die schon für die Entstehung der Vermögensbetreuungspflicht geltenden Wertungen der formal außerstrafrechtlichen Regelungen zurückzugreifen, zumal eine untreuespezifische Pflichtverletzung nur innerhalb des dem Täter eingeräumten Herrschaftsbereichs denkbar ist656 und nicht außerhalb des Pflichtenbereichs liegen kann657 . Zwar ist auch der Wille des Geschäftsherrn zu berücksichtigen, dessen Dispositionsbefugnis ist aber ebenfalls nach formal außerstrafrechtlichen Wertungen zu bestimmen. Damit steht die Wertausfüllungsbedürftigkeit bzw. Wertbezüglichkeit der Merkmale Vermögensbetreuungspflicht und Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht fest, so dass sie als normative Tatbestandsmerkmale einzustufen sind. Die Anwendung der oben erarbeiteten Vorgaben für die Geltung des Analogieverbots bei normativen Tatbestandsmerkmalen ergibt somit, dass das Merkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei der Beurteilung der Dispositionsbefugnis der Gründer der Vor-GmbH lediglich an die außerstrafrechtliche Rechtsfolge bzw. den außerstrafrechtlichen Regelungseffekt des § 30 Abs. 1 GmbHG anknüpft. Diese Vorschrift selbst ist also nicht Bestandteil des § 266 StGB und unterliegt demnach nicht den strafrechtlichen Wertungen. Die Feststellung einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht im Wege der analogen Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ist folglich zulässig. Diese Vorschrift beschränkt somit die Dispositionsbefugnis der Gründer der Vor-GmbH über das Gesellschaftsvermögen und führt so zu einer Verletzung der Vermögensinteressen der Vor-GmbH. Die Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG ist zudem mit dem Wortsinn des § 266 StGB vereinbar, so dass insgesamt ein Verstoß gegen das Analogieverbot der Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ausscheidet.
Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 68. Schünemann, in LK11 , § 266 StGB Rdnr. 94. 655 Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 89. 656 Kühl, in Lackner/Kühl, § 266 StGB Rdnr. 15; Lenckner/Perron, in Schönke/Schröder, § 266 StGB Rdnr. 23. 657 Schünemann, in LK 11 , § 266 StGB Rdnr. 89. 653
654
18 Hentschke
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
(3) "Nachteil" als normatives Tatbestandsmerkmal
Ebenfalls wertbezüglich bzw. wertausfüllungsbedürftig ist das Merkmal des Nachteils, so dass es ein normatives Tatbestandsmerkmal darstellt. Zwar ist zur Feststellung des Nachteils im Sinne des § 266 StGB auf die Wertungen des für das Strafrecht entwickelten wirtschaftlichen Vermögensbegriffs zuriickzugreifen. Jedoch ist im Rahmen des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs, wie zuvor dargelegt, in der Regel die zivilrechtliche Ordnung der Herrschaft der Rechtssubjekte über geldwerte Objekte zu beriicksichtigen. Die analoge Anwendung des § 30 Abs. I GmbHG verletzt deshalb auch hier das Analogieverbot nicht, zumal dadurch die Wortsinngrenze des Tatbestandsmerkmals "Nachteil" im Sinne des § 266 StGB nicht überschritten wird, weil die Analogie lediglich das Entstehen eines kompensationsfähigen Gegenrechts verhindert. b) Ergebnis
Festzuhalten ist somit, dass infolge der Charakterisierung der Merkmale Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und Nachteil als normative Tatbestandsmerkmale die analoge Anwendung des § 30 Abs. I GmbHG trotz der untreuestrafbegrundenden Wirkung zulässig ist. Das strafrechtliche Analogieverbot ist nicht einschlägig, weil § 30 Abs. 1 GmbHG nicht als Bestandteil des Strafgesetzes § 266 StGB anzusehen ist, sondern dessen Anwendung lediglich dazu führt, dass die zivilrechtlichen Wertungen zur Auslegung dieser Merkmale herangezogen werden658. Die Wortlautgrenzen der Merkmale werden dadurch nicht überschritten. Die Vor-GmbH ist als von ihren Gesellschaftern verselbstständigtes Vermögenssubjekt anzusehen. Sie genießt daher den Schutz des § 266 StGB vor einverständlichen Schädigungen durch Geschäftsführer und Gesellschafter. Verstoßen letztere bei Vermögensverlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH gegen § 30 Abs. 1 GmbHG sind sie wegen Untreue strafbar.
§ 10 Untreueschutz der Einmann-Vor-GmbH
und der unechten Vor-GmbH
Fraglich ist, ob die für die Mehrpersonen-Vor-GmbH festgestellten Ergebnisse auch auf die Einmann-Vor-GmbH und die sog. unechte Vorgesellschaft übertragen werden können.
658
Flum, Schutz d. GmbH, S. 164.
§ 10 Untreueschutz der Einmann-Vor-GmbH und der unechten Vor-GmbH
275
I. Vermögenssubjekt Einmann-Vor-GmbH Entsprechend den oben659 herausgearbeiteten Anforderungen müsste die Einmann-Vor-GmbH, um als Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB gelten zu können, selbstständiger Vermögensträger sein und eigenständige Vermögensinteressen besitzen. Die Vermögensträgerschaft der Einmann-Vor-GmbH wurde bereits anerkannt660• Wegen der ebenfalls in diesem Zusammenhang konstatierten Gleichbehandlung der Gründungsarten durch das GmbH-Gesetz spricht nichts gegen eine analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG auf die Einmann-Vor-GmbH, so dass sie als ein von seinem Gründer verselbstständigtes Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB anzuerkennen ist. Folglich kommt ihr der Schutz des § 266 StGB vor Schädigungen durch ihren Gründer und Geschäftsführer zugute. Es sind daher keine Abweichungen gegenüber der Rechtslage bei der Mehrpersonen-Vor-GmbH festzustellen.
II. Vermögenssubjekteigenschaft der unechten Vor-GmbH? In bestimmten Fällen wird - neben der Vor-GmbH als einer der eingetragenen GmbH angenäherten Gesellschaftsform - eine unechte Vorgesellschaft anerkannt661. Der Grund für diese abweichende Terminologie besteht darin, dass das Recht der Vorgesellschaft nicht als Dauerrecht gedacht ist, die unechte Vorgesellschaft dagegen durch die Dauerhaftigkeit des Gründungsstadiums gekennzeichnet sei. Soweit die unechte Vorgesellschaft ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betreibe, sei sie auch als OHG einzustufen662. Fraglich ist aber, ob die unechte Vorgesellschaft tatsächlich anzuerkennen ist. 1. Kriterien für die unechte Vor-GmbH
Unter welchen Voraussetzungen eine unechte Vor-GmbH vorliegt, ist strittig.
a) Aufnahme uneingeschränkter Geschäftstätigkeit Eine in der älteren Literatur vertretene Auffassung663 bejaht eine unechte Vorgesellschaft, wenn diese eine uneingeschränkte Geschäftstätigkeit aufnimmt. Da659
§ 8 11.
§ 8 III. 7. c). Vgl. dazu die Vertreter, der eine unechte Vorgesellschaft befürwortenden Auffassung, in den nachstehenden Fn. 663 - 667. 662 Baumbach/Hopt, § 105 HGB Rdnr. 2. 663 LAG Stuttgart, SAE 1954, 69, 72; Nitschke, Personengesellschaft, S. 149 [Fn. 35]; Reinecke, AG 1962, 66, 68; Schulze v. Lasaulx, JZ 1952, 390, 392. 660 661
18*
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Teil3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
durch lässt sich die unechte jedoch nicht von einer echten Vorgesellschaft abgrenzen. Nach der Aufgabe des Vorbelastungsverbotes ist die uneingeschränkte Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft üblich geworden, auch wenn die Eintragung betrieben wird. Daher ist diese Auffassung abzulehnen. b) Fehlende Ernsthaftigkeit des Betreibens der Eintragung
Eine andere Meinung664 bezeichnet eine Vor-GmbH als unecht, wenn unter Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht mehr ernsthaft oder nicht mit der verkehrsüblichen Sorgfalt betrieben wird. Zum Teil wird die eindeutige Aufgabe der Eintragungsahsicht gefordert665. In die gleiche Richtung geht eine dritte Ansicht666, welche die Intensität der Eintragungsbemühungen zum Abgrenzungskriterium zwischen einer echten und einer unechten Vorgesellschaft erhebt. Abweichend von der zuvor behandelten Auffassung stellt diese Sicht darauf ab, ob das Betreiben der Eintragung gegenüber dem Geschäftsbetrieb in den Hintergrund getreten ist. Sei die Eintragung nicht mehr das primäre Ziel der Vorgesellschaft, müsse sie als unecht bezeichnet werden. Diese Kriterien zur Eindämmung des Sonderrechts der Vorgesellschaft erweisen sich ebenfalls als zu unbestimmt und unbrauchbar. Bei Einordnung der beabsichtigten Eintragung als "Nebensache", die nicht mit der "verkehrsüblichen Sorgfalt" betrieben oder die "endgültig aufgegeben" worden ist, lässt sich der Zeitpunkt, ab dem eine unechte Vorgesellschaft vorliegen soll, nie exakt bestimmen. Es wäre unmöglich zu beurteilen, wann das OHG-Recht auf die dann unechte Vorgesellschaft angewandt werden müsste. Darüber hinaus kann eine so weitreichende Folge wie die Rechtsformänderung nicht auf derart unklare Kriterien wie die "verkehrsübliche Sorgfalt" oder die "mangelnde Ernsthaftigkeit" gestützt werden667 • Dem Geschäftsverkehr bleibt die Sorgfalt oder der Ernst, mit dem eine Gesellschaft ihre Eintragung betreibt, verborgen. Ferner könnten die Gründer ihrerseits bei Zugrundelegung dieser Kriterien von der nachträglichen Feststellung überrascht werden, da sich ihr(e) Geschäftsführer bei der Beibringung der Eintragungsunterlagen zu viel Zeit gelassen habe(n) könnte(n) und ihre Gesellschaft deshalb als unechte Vorgesellschaft dem OHG-Recht unterliege. 664 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257; Büttner; Identität, S. 88; Dregger; Haftungsverhä1tnisse, S. 57; ders., GmbHR 1952, 185, 187; Ennan, AcP 152 [1952], 281, 284; Kallmeyer, in GmbH-Handbuch, Teil I Rdnr. 84; Riedel/Rabe, NJW 1966, 1004, 1007; K. Schmidt, JZ 1973, 299, 304; ders., GmbHR 1973, 146, 149 [Fn. 45]. 665 Deeg, BB 1950, 720; Dehoff, Konkursfahigkeit, S. 99; K. Schmidt, OHG, S. 359. 666 v. Bismarck, Rechtsnatur, S. 55; Haupt/Reinhardt, GesR, S. 159; Kuhn, WM 1956, Sonderbeilage 5, 1, 17; Ulmer, in Hachenburg, § 11 GmbHG Rdnr. 19. 667 So auch Schulze v. Lasaulx, JZ 1952, 390, 392; ferner Otto, BB 1954, 572, 573 [Fn. 22].
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2. Ablehnung der Lehre von der unechten Vor-GmbH Der Lehre von der unechten Vorgesellschaft kann damit nicht gefolgt werden. Ihr Ergebnis, die Vorgesellschaft bei Aufgabe der Eintragungsahsicht zur OHG zu erklären, weist Ähnlichkeiten mit der bereits oben668 abgelehnten Rechtsfarmzwangthese auf, die für den nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein vertreten wird. Der gegen die These sprechende Grund, nämlich die strukturellen Unterschiede zwischen OHG und nichtrechtsfähigem wirtschaftlichem Verein, gelten auch hier, zumal die Vorgesellschaft aufgrund ihrer körperschaftlichen Verfassung fast dieselben strukturellen Gegebenheiten wie der nichtrechtsfähige wirtschaftliche Verein aufweist. Nur im Ausgangspunkt kann der Lehre von der unechten Vorgesellschaft zugestimmt werden. Zutreffend ist nämlich, dass der Sonderstatus der Vorgesellschaft und damit auch die Behandlung nach einem Sonderrecht nur solange gerechtfertigt werden kann, wie die Vorgesellschaft ihre Geschäftstätigkeit nicht auf Dauer als solche ausübt669 . 3. Verhinderung des Dauerzustandes der Vor-GmbH durch Umwandlung zur OHG Für den nicht hinzunehmenden Dauerzustand der Vorgesellschaft ist deshalb eine überzeugende Lösung zu finden. Sie kann nur in der Umwandlung der Vorgesellschaft in eine OHG bestehen. Das setzt allerdings einen Umwandlungsbeschluss der Gesellschafter voraus. Damit kann das Sonderrecht der Vorgesellschaft nur mit Hilfe eines solchen Beschlusses eingedämmt werden, in dem die Gesellschafter festlegen, dass die Gesellschaft in eine OHG oder GbR umgewandelt wird. Die Umwandlung ist dann auch wegen des oben670 beschriebenen Gegensatzes zwischen Körperschaft und Gesellschaft I Gesamthand mit strukturellen Veränderungen (Entstehung von Gesamthandsvermögen; Unzulässigkeil der Fremdorganschaft) verbunden. In der Folge müssen die Gesellschafter dann ihre Gesellschaft als OHG in das Handelsregister eintragen lassen oder bei Nichtweiterbetreiben des Geschäftsbetriebes die Gesellschaft liquidieren. Ein Grund für eine Umwandlung liegt vor allem vor, wenn die Gründungsgesellschafter den Geschäftsbetrieb unvermindert fortführen, obwohl der Eintragungsantrag abgelehnt wurde. Zudem ist eine Umwandlung erforderlich, wenn die Gründer zwar den Geschäftsbetrieb aufnehmen, aber keinen Antrag auf Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister stellen. Darüber hinaus müssen die Gründer die 668
§ 8 III. 6. d) bb) (1) (c) (cc).
669
Binz, Haftungsverhältnisse, S. 166.
670
§ 9 III. 6. d) cc).
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Teil 3: Untreueschutz des Vor-GmbH-Vermögens
Vor-GmbH in eine OHG umwandeln, wenn sie zunächst einen Antrag auf Eintragung stellen, ihn dann aber zurücknehmen. In all diesen Fällen kommt der Wille der Gründer die Eintragung nicht - mehr- weiter zu betreiben, eindeutig zum Ausdruck, so dass eine Weiterführung der Vorgesellschaft ausscheidet. 4. Ablauf der Umwandlung
Wandeln die Gründer trotz Vorliegens der genannten Umstände die Vorgesellschaft nicht um oder unterlassen sie deren Liquidation, ist es Sache des Registergerichts einzugreifen. Über die dem Registergericht bei der Durchsetzung der Umwandlung oder Liquidation der Vor-GmbH zur Verfügung stehenden Mittel, wird gestritten. Vereinzelt wird in der Literatur671 vertreten, ein Registerzwang ließe sich ungeachtet der §§ 79 Abs. 2 GmbHG, 298 Abs. 2 RegE-GmbHG, 407 Abs. 2 AktG für die dauerhafte Vorgesellschaft durchsetzen, so dass die Vorgesellschaft als OHG oder KG eingetragen werden müsse. Das Registergericht könne die Eintragung durch die Festsetzung von Ordnungsstrafen gemäß § 14 HGB durchsetzen. §§ 79 Abs. 2 GmbHG, 298 Abs. 2 RegE-GmbHG, 407 Abs. 2 AktG, welche die Eintragung bzw. Anmeldung der Kapitalgesellschaften vom Registerzwang gerade ausnehmen, stünden dem nicht entgegen, weil diese Regelungen auf solche Vorgesellschaften zugeschnitten seien, die eine Eintragung verfolgten. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht, weil die so erzwungene Eintragung der Vorgesellschaft als OHG oder KG nicht berücksichtigt, dass vorher eine Umwandlung der Gesellschaft notwendig ist. Des Weiteren muss es den Gründern unbenommen bleiben, die Eintragung ihrer Gesellschaft als GmbH herbeizuführen, falls die Eintragung als OHG oder KG ihren Interessen widerspricht672• Aber auch ohne einen derartigen Registerzwang ist es Sache des Registergerichts, das Tempo des Einttagungsverfahrens zu bestimmen, indem es für die vollständige Beibringung der notwendigen Einttagungsunterlagen und für die Beseitigung von Einttagungshindernissen durch eine Zwischenverfügung gemäß §§ 125 Abs. 2 FGG, 26 HRV673 Ausschlussfristen setzt und nach deren Ablauf den Eintragungsantrag zurückweist674• Sollten die Gründer dann nach Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses oder in den anderen genannten Fällen keine Veranlassung zur Umwandlung ihrer VorgeIn Erwägung gezogen von Lieb, Ehegattenmitarbeit, S. 36 f. Binz, Haftungsverhältnisse, S. 172 [Fn. 479]; Ganßmüller, GmbHR 1953, 116, 119 [Fn. 16]; Schulze v. Lasaulx, JZ 1952, 390, 395. 673 Handelsregisterverfügung vom 12. 08. 1937 (DJ S. 1251). 674 Fristsetzungen sind ungeachtet der Regelung des§ 79 Abs. 2 GmbHG möglich, da§ 14 HOB durch diese Vorschrift nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Nur die Verhängung von Ordnungsstrafen ist untersagt; ebenso Binz, Haftungsverhältnisse, S. 174 [Fn. 482]. 671
672
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sellschaft sehen, ist es wiederum Sache des Registergerichts, die ursprunglieh oder dann gegebene unzulässige Firrnierung der Vorgesellschaft gemäß §§ 37 HGB, 140, 132 ff. FGG675 zu riigen, dagegen Ordnungsstrafen zu verhängen und die Griinder dadurch zu zwingen, ihre Gesellschaft umzuwandeln und die Eintragung ihrer umgewandelten Gesellschaft als OHG oder KG zu betreiben. Für die unechte Vorgesellschaft bleibt somit kein Anwendungsbereich.
5. Konsequenzen für die Anwendung des § 266 StGB Da die Lehre der unechten Vorgesellschaft abzulehnen ist, entsteht durch die Umwandlung der Vorgesellschaft in eine OHG ein Gesamthandsvermögen, so dass diese kein verselbstständigter Vermögensträger ist676 . Dariiber hinaus ist mit der Umwandlung die Anwendbarkeit der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG zu verneinen, so dass auch keine eigenständigen Vermögensinteressen der durch die Umwandlung entstandenen OHG anzuerkennen sind. Bis zur Umwandlung handelt es sich jedoch um eine Vor-GmbH mit der Folge, dass § 266 StGB einschlägig ist.
111. Ergebnis des dritten Teils 1. Die Vor-GmbH ist selbstständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB. 2. Die eigenständigen Vermögensinteressen der GmbH und der Vor-GmbH werden durch die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG verkörpert. Die Kapitalautbringungsvorschriften der§§ 7 Abs. 2, 3; 8 Abs. 2 GmbHG repräsentieren wegen ihrer gegenständlichen Regelungswirkung nicht das Vermögensinteresse der Vor-GmbH im Sinne des § 266 StGB. 3. Soweit die Daseinsseite der Vor-GmbH betroffen ist, sind die Regelungslücken durch eine analoge Anwendung von Vorschriften des GmbH-Gesetzes, soweit diese keine Eintragung voraussetzen, zu schließen. 4. Die zur Ausfüllung von normativen Tatbestandsmerkmalen heranzuziehenden Vorschriften sind nicht Bestandteile des Strafgesetzes und unterliegen nicht dem Geltungsbereich des Analogieverbots. 5. Die analoge Anwendung des § 30 Abs. 1 GmbHG im Rahmen des § 266 StGB ist zulässig, weil sie nicht vom Analogieverbot erfasst wird. Die Vor-GmbH ist deshalb als von ihren Gesellschaftern verselbstständigtes Vermögenssubjekt anzusehen. Sie genießt somit den Schutz des § 266 StGB vor einverständlichen Schädigungen durch Geschäftsführer und Gesellschafter. 675 Insoweit bestehen andere Möglichkeiten als beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein (vgl. dazu Teil 3, Fn. 305). 676 Vgl. dazu die Betrachtung unter§ 8 III. 5. a) bb).
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6. Die Einmann-Vor-GmbH ist ebenfalls als ein von ihrem Gründer verselbstständigtes Vermögenssubjekt Insofern gelten keine vom Recht der MehrpersonenVor-GmbH abweichenden Regelungen. 7. Die unechte Vor-GmbH ist nicht anzuerkennen. Sie ist daher auch kein Vermögenssubjekt im Sinne des § 266 StGB.
Zusammenfassung Als Ergebnis der Untersuchung ist nach allem festzustellen, dass ein Untreueschutz der Vor-GmbH vor einverständlichen Schädigungen ihres Vermögens besteht. Die gegenteilige Auffassung der strafrechtlichen Rechtsprechung und herrschenden Lehre überzeugt nicht. Schon das Argument, die Vor-GmbH bedürfe des Strafrechtsschutzes nicht, weil eine hinreichende Kompensation der Vermögensverlagerungen durch die zivilrechtliche Haftung der Gesellschafter und der Handelnden erfolge, geht fehl, da sich nachweisen lässt, dass zwar theoretisch eine solche Kompensation möglich ist, einer faktischen Durchsetzbarkeit der Gläubigeransprüche aber nicht selten Hindernisse entgegenstehen. Zudem sind im Falle der Insolvenz der Vor-GmbH die Insolvenzdelikte im engeren Sinne nicht anwendbar. Einen wirksamen Schutz vor Verlagerungen aus dem Vermögen der Vor-GmbH bietet nur die Anwendung des Untreuetatbestandes gemäß § 266 StGB. Die Untreue ist zwar kein Gläubigerschutzdelikt, gleichwohl bewirkt sie durch den Schutz des Vermögens der VorGmbH einen reflexartigen Gläubigerschutz. Auf der Grundlage der Voraussetzungen der "GmbH-rechtlichen" Untreue bei der eingetragenen GmbH sind die Vorgaben für den Untreueschutz der Vor-GmbH zu bestimmen. Bei der eingetragenen Gesellschaft sind sowohl der GmbH-Geschäftsführer als auch die Gesellschafter Inhaber der Vermögensbetreuungspflicht und somit taugliche Täter. Die GmbH selbst ist kraft ihrer Rechtspersönlichkeit Vermögensinhaber im Sinne des § 266 StGB. § 30 Abs. 1 GmbHG beschränkt die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit im Umgang mit dem Vermögen der GmbH. Bei der Vor-GmbH sind Geschäftsführer und die Gründungsgesellschafter ebenfalls taugliche Täter der Untreue, da sich insoweit keine Abweichung zur eingetragenen GmbH ergibt. Für die Begründung der Vermögensträgerschaft der VorGmbH kann allerdings nicht auf die Rechtspersönlichkeit zurückgegriffen werden, da die Vor-GmbH nicht über eine solche verfügt. Für die Zuordnung über das Vermögen im Rahmen des § 266 StGB genügt jedoch die Fähigkeit zur Rechtszuordnung. Diese Fähigkeit besitzen jedoch nicht nur Rechtspersonen, sondern auch Rechtsträger. Aus der Struktur der Rechtszuordnung ergibt sich, dass neben den Rechtspersonen ebenfalls Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die als Rechtsträger anzusehen sind, eigenständig Vermögen zugeordnet werden kann. Folglich ist die Vor-GmbH als Rechtsträger und Körperschaft eigenständiger Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB. Eine Gesamthandsvermögenszuordnung
282
Zusammenfassung
erfolgt bei Vor-GmbH wegen des typologischen Gegensatzes zwischen Körperschaft und Personengesellschaft bzw. Gesamtbandsgesellschaft entgegen der strafrechtlichen Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur nicht. Die eigenständigen Vermögensinteressen der Vor-GmbH werden wie bei der eingetragenen GmbH durch die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. I GmbHG repräsentiert, die zugleich die Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit im Umgang mit dem Vermögen der Vor-GmbH beschränkt. § 30 Abs. I GmbHG lässt sich zwar nur analog auf die Vor-GmbH anwenden, diese Analogie ist aberentgegen der herrschenden Meinung in der strafrechtlichen Literatur - zulässig, da sie nicht in den Anwendungsbereich des Analogieverbotes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB fällt. Bei den für die Strafbegründung maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen "Pflichtwidrigkeit" und "Nachteil" handelt es sich nämlich um normative Tatbestandsmerkmale, bei denen die formal außerstrafrechtlichen Vorschriften, auf die sie Bezug nehmen, nicht dem strafrechtlichen Analogieverbot unterliegen. Als geschütztes Vermögenssubjekt kommt ferner die Einmann-Vor-GmbH in Betracht. Die Lehre von der "unechten" Vor-GmbH ist dagegen abzulehnen. Bis zur Umwandlung der Vor-GmbH in eine OHG durch Gesellschafterbeschluss besteht allerdings der Untreueschutz.
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Sachwortregister Allgemeines Gewinnbezugsrecht 106 f. Analogie - als Mittel der Lückenausfüllung 231 f. - als Mittel der Lückenfeststellung 230 Analogieverbot 83, 240 ff. Außenhaftungskonzept 44 f. Bankrott 62 ff. Bestandsinteresse der GmbH 110 ff. BGB-Gesellschaft - Abhängigkeit von der Gesamthand 194 ff. - Rechts- und Parteifähigkeit 189 Blankettstrafgesetz 82, 257 ff. Bruchteilsgemeinschaft 196 f. Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit 108 ff. Einmann-Gründung, siehe Einmann-VorGmbH Einmann-Personengesellschaft 181 ff. Einmann-Vor-GmbH - als Vermögenssubjekt 274 f. - als Vermögensträger 217 ff. Faktische Geschäftsführung 77 f., 144 ff. Fremdorganschaft - bei der Vor-GmbH 69 - beim nichtrechtsfähigen wirtschaftlichen Verein 203 - Unzulässigkeit der Personengesellschaft 70 ff., 181, 209 GbR, siehe 8GB-Gesellschaft Gesamthand - Einheitslehre 175 ff. - Traditionelle Gesamtbandslehre 173 ff. - Unterschiede zur juristischen Person 180 ff. Gründerhaftung 38 ff.
Handelndenhaftung 53 ff. Identität - zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungsgesetz 186 ff. - zwischen unvollendeter, werdender und vollendeter juristischer Person 211 ff. Indirekte Akzessorietät 269 Innengesellschaft 197 ff. Innenhaftungskonzept 46 ff. Insolvenzfahigkeit der Vor-GmbH 29, 63 Kapitalerhaltungsgebot - als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit der GmbH 109 ff. - als Grenze der Dispositionsbefugnis der Gesellschaftergesamtheit der Vor-GmbH 272 ff. - Anwendbarkeit auf die Vor-GmbH 232 ff. - Funktion 110 ff. - Regelungsinhalt 117 ff. - verbotene Auszahlungen 126 ff. Körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft 208 ff. Konzessionssystem 28 Milderungsgebot 248 ff. Nachteil - bei Vermögensschädigungen der eingetragenen GmbH 105 ff. - bei Vermögensschädigungen der VorGmbH274 Nichtrechtsfähiger Verein - nichtrechtsfähiger Idealverein 201 f. - nichtrechtsfähiger wirtschaftlicher Verein 202 ff. Normative Tatbestandsmerkmale 261 Normativsystem 28
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Sachwortregister
Personifikationen 168 ff. Rechtfertigende Einwilligung 99 ff. Rechtsformzwangthese 204 ff. Rechtsträger 167 f. Regelungseffekte 251 f., 264 ff. Reichweite des Analogieverbots - bei Blankettstrafgesetzen 257 ff. - bei normativen Tatbestandsmerkmalen 263 ff. - in den Fällen indirekter Akzessorietät 269 f. Rückwirkungsverbot 249 f., 251 ff. Selbstorganschaft bei der Personengesellschaft 70 ff. Sittenwidrigkeit von Gesellschafterbeschlüssen 135 Strafgesetzbegriff - formeller Strafgesetzbegriff 254 - materieller Strafgesetzbegriff 256 - normtheoretischer Strafgesetzbegriff 255 f. - rechtsgutstheoretischer Strafgesetzbegriff 255 Tatbestandsausschließendes Einverständnis 99 ff. Teilrechtsfähigkeit 165 ff. Treubruch 93 f. Überschuldung 119 f., 124 ff. Unechte Vor-GmbH 275 ff. Unterbilanz 119, 120 f. Verbot der Existenz- und Liquiditätsgefährdung 128 ff. Verdeckte Gewinnausschüttungen 31 f., 90ff.
Vereiteln der Zwangsvollstreckung 83 ff. Verletzung der Buchführungspflicht 133 f. Verletzung der Grundsätze eines ordentlichen Geschäftsmannes 134 Verletzung der Insolvenzantragspflicht 76 ff. Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht - durch den Geschäftsführer 99 - in den Fällen der einverständlichen Schädigung des Vermögens der Vor-GmbH 272 f. Vermögensbetreuungspflicht - des Geschäftsführers der eingetragenen GmbH 92 - des Geschäftsführers der Vor-GmbH 149 - des Gesellschafters der eingetragenen GmbH 138 ff. - des Gesellschafters der Vor-GmbH 149 f. Vermögensinteressen - als Merkmal des § 266 StGB 222 ff. - der Vor-GmbH 232 ff. Vermögenszuordnung - bei der eingetragenen GmbH 94 ff. - bei der Einmann-Vor-GmbH 217 ff. - bei der Vor-GmbH 150 ff. - bei Gesarnthandsgesellschaften 173 ff. - bei Körperschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit 190 ff. - nach rechtlichen Kriterien 163 f. Vorbelastungsverbot 28 f., 38 f. Vor-GmbH - als Rechtsträger 172 f. - als Vermögenssubjekt 222 ff. - als Vermögensträger 191 ff. - Rechtsanwendung 235 - Rechtsnatur 67 ff. Zwecksetzungsbefugnis 154 f., 157 ff., 224 f.