Der schwierige Weg zum Westfälischen Frieden: Wendepunkte, Friedensversuche und die Rolle der "Dritten Partei" 9783110703795, 9783110703597, 9783110703900, 2021935770

Before the group of imperial delegates often referred to as “Third Parties” definitively brought about the signing of th

190 72 1MB

German Pages 316 Year 2021

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Teil I: Einleitung
Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen
Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden. Frühneuzeitliche Perspektiven der Historischen Konflikt- und Friedensforschung
Teil II: Vom Frieden zum Krieg und Frieden im Krieg
Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19
Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar. Verhandlungen und Verträge zwischen Frieden und Krieg 1619–1642
Teil III: Vom Krieg zum Frieden – Parteien und Verhandlungsführung auf dem Westfälischen Friedenskongress
III.A: Verhandlungsführung
Translativ – diskursiv – regulativ. Praktiken päpstlich-venezianischer Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress und ihre Funktionen
„Viel ungereimbtes dings“? Argumentationsstrategien reichsständischer Gesandter auf dem Westfälischen Friedenskongress im Vergleich
III.B: Kompromisslose Parteien
Frieden um (fast) jeden Preis. Die Politik Ferdinands III. (1608–1657) in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses zwischen Rollenkonkurrenz, Prinzipientreue und dogmatischem Pragmatismus
Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation. Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongress
III.C: Die kompromissbereite Partei und ihre Verhandlungen
Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur zum Westfälischen Friedenskongress
Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen. Zur Rolle und zum Selbstverständnis der „Dritten Partei“ des Westfälischen Friedenskongresses
„Was grosse vermessenheit“. Die Verhandlungen der sogenannten Dritten Partei aus Perspektive der kaiserlichen Gesandten
Fluide Kooperationen. Sachsen-Altenburg, Schweden und die verständigungsbereiten Reichsstände in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses
Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses
Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik im späten 17. Jahrhundert
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Personenregister
Ortsregister
bibliothek altes Reich – baR
Recommend Papers

Der schwierige Weg zum Westfälischen Frieden: Wendepunkte, Friedensversuche und die Rolle der "Dritten Partei"
 9783110703795, 9783110703597, 9783110703900, 2021935770

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Der schwierige Weg zum Westfälischen Frieden

bibliothek altes Reich

Herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal

Band 35

Der schwierige Weg zum Westfälischen Frieden Wendepunkte, Friedensversuche und die Rolle der „Dritten Partei“ Herausgegeben von Volker Arnke und Siegrid Westphal

ISBN 978-3-11-070359-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070379-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070390-0 ISSN 2190-2038 Library of Congress Control Number: 2021935770 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Titelkupfer aus: Johann Gottfried von Meiern, Acta Pacis Westphalicae Publica. Oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte, Bd.: 1, Worinnen enthalten, was vom Jahr 1643. biß in den Monath October Anno 1645. zwischen Ihro Römisch-Käyser­ lichen Majestät, dann den Beyden Cronen Franckreich und Schweden, ingleichen des Heiligen Römischen Reichs Chur-Fürsten, Fürsten und Ständen, zu Oßnabrück und Münster gehandelt worden, Hannover 1734. Foto: Universitätsbibliothek Osnabrück. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Vorwort

IX

Teil I: Einleitung Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

3

Guido Braun Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden. Frühneuzeitliche Perspektiven der Historischen Konflikt- und Friedensforschung 15

Teil II: Vom Frieden zum Krieg und Frieden im Krieg Maria-Elisabeth Brunert Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

37

Volker Arnke Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar. Verhandlungen und Verträge zwischen Frieden und Krieg 1619 – 1642 57

Teil III: Vom Krieg zum Frieden – Parteien und Verhandlungsführung auf dem Westfälischen Friedenskongress III.A: Verhandlungsführung Markus Laufs Translativ – diskursiv – regulativ. Praktiken päpstlich-venezianischer Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress und ihre Funktionen 83

VI

Inhalt

Alexander Gerber „Viel ungereimbtes dings“? Argumentationsstrategien reichsständischer 107 Gesandter auf dem Westfälischen Friedenskongress im Vergleich

III.B: Kompromisslose Parteien Dorothée Goetze Frieden um (fast) jeden Preis. Die Politik Ferdinands III. (1608 – 1657) in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses zwischen Rollenkonkurrenz, Prinzipientreue und dogmatischem Pragmatismus 131 Lena Oetzel Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation. Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongress 155

III.C: Die kompromissbereite Partei und ihre Verhandlungen Maria-Elisabeth Brunert Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur zum 179 Westfälischen Friedenskongress Volker Arnke Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen. Zur Rolle und zum Selbstverständnis der „Dritten Partei“ des Westfälischen 193 Friedenskongresses Dorothée Goetze „Was grosse vermessenheit“. Die Verhandlungen der sogenannten Dritten Partei aus Perspektive der kaiserlichen Gesandten 213 Christoph Nonnast Fluide Kooperationen. Sachsen-Altenburg, Schweden und die verständigungsbereiten Reichsstände in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses 237 Siegrid Westphal Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses 261

Inhalt

Guido Braun Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik 275 im späten 17. Jahrhundert Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Personenregister Ortsregister

299

295

293

VII

Vorwort Den vorliegenden Band zeichnet die Besonderheit aus, dass er aus gleich zwei Tagungen hervorgegangen ist. Zum einen vereint er die Vorträge zu den Themen Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Frieden, die im Oktober 2018 auf der interdisziplinären Tagung Wendepunkte: Friedensende und Friedensanfang vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Gegenwart ¹ gehalten worden sind. Die Konferenz, die neben dem Osnabrücker Forschungszentrum Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (IKFN) auch von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF), dem Zentrum für Historische Friedensforschung (ZHF) der Universität Bonn sowie dem Historischen Seminar der Universität Osnabrück ausgerichtet wurde, verfolgte epochenübergreifend die Frage nach Wendepunkten, die vom Frieden zum Krieg und wieder vom Krieg zum Frieden führen. Anhand der Beispiele des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648), des Ersten Weltkrieges (1914– 1918) sowie der Kriege im ehemaligen Jugoslawien (1991– 2001) wurde untersucht, warum und unter welchen Umständen Frieden zugunsten von Krieg aufgegeben wird und wie es gelingt, Frieden wieder zurückzugewinnen. Zum anderen enthält der Band verschriftlichte Vorträge der Osnabrücker Oktobertagung des Jahres 2019 Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses. Mediation, Umfeld und Kontinuität,² die diejenige Gruppe reichsständischer Gesandtschaften thematisierte, die maßgeblich für das Zustandekommen des Westfälischen Friedens von 1648 verantwortlich gemacht wird. Da sich von der Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges bis zum Abschluss des Westfälischen Friedens eine konsistente Verbindungslinie ziehen lässt, haben es die Herausgeberin und der Herausgeber für sinnvoll erachtet, die thematisch relevanten Beiträge der beiden Tagungen in einem Band zusammenzubringen. Für die Organisation der Konferenzen oder der Mitwirkung daran möchten wir uns bei zahlreichen Personen bedanken. Im Rahmen der Tagung Wendepunkte sind dies auf der Organisationsebene Thomas Held und Ulrich Schneckener (DSF), Michael Rohrschneider (ZHF) und Christoph Rass (Historisches Seminar).

 Vgl. zu dieser Tagung Volker Arnke/Julian zur Lage: Wendepunkte: Friedensende und Friedensanfang vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Gegenwart. Tagungsbericht, in: Rheinische Geschichte – wissenschaftlich bloggen, 10.06. 2020. URL: http://histrhen.landesgeschichte.eu/2020/ 06/tagungsbericht-wendepunkte/ (abgerufen am 24.02. 2021).  Vgl. zu dieser Tagung Sarah-Christin Dietrich: Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses. Mediation, Umfeld und Kontinuität, 25.10. 2019 Osnabrück. Tagungsbericht, in: H‐Soz-Kult, 25.04. 2020, URL: www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8738 (abgerufen am 24.02. 2021). https://doi.org/10.1515/9783110703795-001

X

Vorwort

Dank für ihre Diskussionsbeiträge, ihre Moderation oder Kommentierung gilt Jonas Bechtold (Bonn), Johannes Burkhardt (Augsburg), Lothar Brock (Frankfurt a. M.), Leonard Dorn (Bonn), Stefanie Freyer (Osnabrück), Philipp Gassert (Mannheim), Daniel Gerster (Münster), Michael Kaiser (Bonn), Christoph Kampmann (Marburg), Claudia Kemper (Hamburg), Dana Landau (Genf), Marcel Mallon (Bonn), Susanne Schregel (Köln), Bo Stråth (Helsinki) und Julian zur Lage (Hamburg). Hinsichtlich der Tagung Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses danken wir für ihre Beiträge in Form von Moderationen bzw. eines Vortrags Maria-Elisabeth Brunert (Bonn), Stefanie Freyer (Osnabrück) und Anuschka Tischer (Würzburg). Die Konferenzen hätten sich niemals ohne die tatkräftige Unterstützung von Verwaltungspersonal und Hilfskräften bewerkstelligen lassen. In diesem Sinne gilt unser herzlicher Dank Samuel Arends, Ursula Bertels, Sarah-Christin Dietrich, Baris Duran, Heike Fangmeier, Julia Fesca, Manthana Große Harmann-Hölscher, Markus Horbach, Artem Klevansky, Petra Menke, Joanna Pemu und Torben Tschiedel. Auch für die Erstellung des vorliegenden Bandes möchten wir Dankesworte verlieren. In erster Linie gebührt Winfried Siebers (Berlin) unser herzlicher Dank für die zuverlässige und gewissenhafte formale Redaktion der Beiträge. Außerdem bedanken wir uns sehr bei Samuel Arends (Osnabrück) für die Anfertigung des Orts- und des Personenregisters. Ebenfalls gilt mehreren Institutionen unser Dank. So zunächst dem De Gruyter Verlag, insbesondere Bettina Neuhoff, für die abermals ausgezeichnete Zusammenarbeit. Auch sei dem Osnabrücker IKFN für die Bereitstellung von Personal- und Sachmitteln unser Dank übermittelt. Gleiches gilt für die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die das für das Vorhaben zentrale Projekt Frieden als Kommunikationsprozess. Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses fördert, sowie für die jenacon foundation, hier insbesondere Joachim Arenth, für die Übernahme der Druckkosten. Zuletzt aber gilt unser größter Dank den Autorinnen und Autoren des Bandes. Melle und Osnabrück im Februar 2021, Volker Arnke und Siegrid Westphal

Teil I: Einleitung

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

Warum und unter welchen Umständen geht Frieden verloren und unter welchen Gegebenheiten wird Frieden wiederhergestellt? Diese für das menschliche Zusammenleben so grundlegende Frage, die sowohl die Entstehung als auch das Ende von Kriegen fokussiert, ist in der Forschung in dieser Form noch nicht gestellt worden und bildet den Ausgangspunkt für die im vorliegenden Band versammelten Beiträge, die sich wesentlich auf die Wiederherstellung des Friedens im Dreißigjährigen Krieg konzentrieren. Im Zentrum steht dabei das Schlü sseljahr 1648, in dem sich die Westfälischen Friedensverhandlungen mehr und mehr in Osnabrück konzentrierten, wo es gelang, die entscheidenden Durchbrüche zu erzielen. Im Unterschied zu vielen Forschungsarbeiten über diesen Zeitraum geht der Band davon aus, dass nicht der Krieg, sondern der Friede im Sinne des prinzipiellen christlichen Friedensgebotes als Grundnorm des zwischenstaatlichen Verhältnisses in Europa und als umfassendes innerstaatliches Ordnungsmodell galt.¹ Frieden als Ziel aller Politik und nicht zuletzt auch des Krieges war ein allgemein akzeptierter Grundsatz, der sich nicht nur in der Friedenspublizistik während des Dreißigjährigen Krieges und in einer tiefen Friedenssehnsucht der Bevölkerung zeigte, sondern auch bei den politischen und sogar den militärischen Eliten der Zeit.² Der Krieg sollte die Ausnahme bilden, Kriegsbegeisterung oder eine Verherrlichung des Krieges findet sich in der Publizistik und im politischen wie militärischen Handeln der Akteure deshalb nur selten. „Es ging auch nicht darum, den Feind endgültig zu vernichten und schon gar nicht darum, durch einen ,Heiligen Krieg‘ die Konfessionsfrage zu lösen.“³ Vielmehr wurde immer wieder der eigene Friedenswille betont und „Krieg als Mittel zum Frieden gerechtfertigt“.⁴ Der Gegenseite aber wurde unterstellt, dass sie durch ihr Verhalten zur Fortsetzung des Krieges beitrage und letztlich für den Bruch des christlichen Friedensgebots verantwortlich sei.

 Vgl. hierzu Leppin, Frieden: Renaissance – Humanismus – Reformation.  Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 181 f.  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 13; vgl. hierzu auch dies., Ein Dreißigjähriger Religionskrieg?  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 13. https://doi.org/10.1515/9783110703795-002

4

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

Nicht zuletzt deshalb war es für die Kriegsparteien wichtig, gegenüber allen Seiten prinzipielle Friedensbereitschaft zu signalisieren und immer wieder das Gespräch mit dem Gegner zu suchen. Ohne diese permanente Gesprächsbereitschaft und ständige gegenseitige Sondierung von Friedensbedingungen wäre eine Beendigung des langen und grausamen Krieges sicherlich nicht möglich gewesen.⁵ Auf der Suche nach Motiven und Intentionen für die zeitweise Aufgabe des Friedens und seine spätere Wiederherstellung rücken zunächst Dynamiken und Wendepunkte in den Blick, die einerseits vom Frieden zum Krieg und andererseits vom Krieg zurück zum Frieden führen. Ausgangspunkt ist hierbei die Überlegung, dass Frieden und Krieg letztlich idealtypische Konstrukte sind, deren Übergänge bislang noch nicht hinreichend erforscht worden sind. Der Forschungsstand zu Übergangsphänomenen von Friedens- und Kriegszustand in der Frühen Neuzeit ist disparat und insgesamt gesehen defizitär. Es fehlt bislang an konzeptionell angelegten Studien, die das von der jüngeren Frühneuzeitforschung herausgearbeitete Spannungsfeld von Bellizität und prinzipieller Friedensfähigkeit⁶ systematisch im Hinblick auf die ,Grauzonen‘ zwischen Frieden und Krieg analysieren. Zwar enthalten die beiden breit rezipierten, von Bernd Wegner herausgegebenen Sammelbände Wie Kriege entstehen und Wie Kriege enden eine ganze Reihe von Aufsätzen, die in der Epoche der Frühen Neuzeit angesiedelt sind.⁷ Zumeist handelt es sich hierbei aber um Studien, die in ,klassischer‘ Weise die Genese von Kriegen und Friedensschlüssen darlegen, ohne dabei Transformationsprozesse, Phasen des Übergangs oder auch Simultaneitätsphänomene explizit zu thematisieren.⁸ Ausnahmen, die über die Prämissen des apodiktischen Cicero-Zitates „inter bellum et pacem medium nihil sit“⁹ hinausgehen, gibt es in den beiden genannten Bänden aber sehr wohl. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Studie des Potsdamer Militärhistorikers Bernhard R. Kroener mit dem provokanten Titel Der „Zweiunddreißigjährige Krieg“ – Kriegsende 1650. Oder: Wie  Vgl. hierzu Burkhardt, Der Krieg der Kriege.  Zum Spannungsverhältnis von Bellizität und Friedensfähigkeit vgl. insbesondere Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit; Schilling, Der Westfälische Friede; gute Überblicke zum gegenwärtigen Forschungsstand bieten folgende Sammelbände jüngeren Datums: Schmidt-Voges u. a. (Hrsg.), Pax perpetua; Kampmann u. a. (Hrsg.), L’art de la paix; Goetze/Oetzel (Hrsg.),Warum Friedenschließen so schwer ist.  Wegner (Hrsg.), Wie Kriege entstehen; ders. (Hrsg.), Wie Kriege enden.  Vgl. etwa Hattendorf, Die Ursprünge des Spanischen Erbfolgekrieges; weitere Beispiele aus dem Kontext der Erforschung der ludovizianischen Kriege sind die einschlägigen Studien von Sonnino, The Origins of Louis XIV’s Wars, sowie ders., Louis XIV and the origins of the Dutch War.  Cicero, Philippics 3 – 9, S. 260.

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

5

lange dauerte der Dreißigjährige Krieg?. ¹⁰ Kroener zeigt am Beispiel des Westfälischen Friedens überzeugend auf, dass in der Frühen Neuzeit – nicht zuletzt aus kommunikationstechnischen Gründen – mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrages keineswegs zeitnah und allerorten Frieden einkehrte, obwohl man in diesem Fall viel Zeit und Mühe darauf verwendet hatte, einen sicheren und beständigen Frieden zu generieren.¹¹ Für viele Untertanen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation änderte der Friedensschluss vom 24. Oktober 1648 aber zunächst kaum etwas. Ihr Alltag blieb vielmehr durch die fortwährende Präsenz des Militärs und die Ungewissheit über die tatsächliche Etablierung eines Friedenszustands geprägt. Für viele wurde der Frieden erst nach der Beendigung des Nürnberger Exekutionstages (1649/50) konkret greifbar.¹² So war der Krieg in der Reichsstadt Memmingen, wie Michael Kaiser jüngst gezeigt hat, faktisch erst rund ein Jahr nach dem Westfälischen Friedensschluss endlich vorbei: Am 21. Oktober 1649 wurde dort ein Dankfest „wegen Befreyung der Statt vom Kriegsvolck“¹³ abgehalten. Gerade angesichts derartiger Befunde ist die Frage nach dem Zäsurcharakter des Jahres 1648 offener denn je – auch wenn die vor allem in der Politikwissenschaft und im Völkerrecht fest verankerte Leitvorstellung eines „Westfälischen Systems“ bzw. einer „Westfälischen Ordnung“ anderes suggerieren mag. Generell lässt sich gleichwohl konstatieren, dass das Ende des Dreißigjährigen Krieges im Hinblick auf die Fragestellungen dieses Bandes gut erforscht ist. Dies liegt nicht zuletzt an der hervorragenden Quellengrundlage, die durch die heute am Zentrum für Historische Friedensforschung der Universität Bonn angesiedelte historisch-kritische Edition der Acta Pacis Westphalicae gegeben ist.¹⁴ Ein Pendant zur Studie Kroeners, das systematisch die sukzessive Genese der Kriegshandlungen an den verschiedenen europäischen Schauplätzen und damit verbunden die Frage nach dem Zäsurcharakter des Prager Fenstersturzes problematisieren könnte, steht bislang allerdings aus – trotz zahlreicher Studien,

 Kroener, Der „Zweiunddreißigjährige Krieg“.  Zu den Problemen einer „Assecuratio pacis“ vgl. die Beiträge in Braun (Hrsg.), Assecuratio pacis.  Zum Nürnberger Exekutionstag liegt eine voluminöse Monographie vor: Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag.  Zitiert nach Kaiser, Das schwierige Ende des Krieges, S. 220.  Vgl. Acta Pacis Westphalicae, bislang 48 Bde.; 40 Bde. liegen inzwischen auch digital vor; vgl. https://apw.digitale-sammlungen.de (letzter Zugriff: 15.10. 2020). Zur historiographischen Einordnung dieser Edition vgl. Lanzinner, Die Acta Pacis Westphalicae, sowie ders., Das Editionsprojekt der Acta Pacis Westphalicae.

6

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

welche die Entstehung und den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges detailliert analysiert haben.¹⁵ Insgesamt gesehen – darüber kann auch die vergleichsweise gute Forschungslage zum Dreißigjährigen Krieg und Westfälischen Frieden nicht hinwegtäuschen – besteht hinsichtlich der Übergänge zwischen Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit aber noch erheblicher Forschungsbedarf. Dies betrifft sowohl die Notwendigkeit weiterer Detailuntersuchungen zu einzelnen Kriegen und Friedensschlüssen als auch das Erfordernis, sich diesem Themenfeld stärker konzeptionell-theoretisch zu nähern, als dies bislang der Fall war. Das Potenzial, das die Epoche der Frühen Neuzeit für derartige Forschungsansätze bietet, ist jedenfalls außerordentlich hoch, wie Guido Braun in seinem Beitrag zeigen kann. Er veranschaulicht am Beispiel der Hugenottenkriege die Komplexität und Prozesshaftigkeit von Friedensverlust und Friedensgewinnung, die von politischen, rechtlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst wurden. Während es hinsichtlich des Endes des Dreißigjährigen Krieges Interpretationsspielraum gibt, besteht bei der Terminierung des Beginns des Dreißigjährigen Krieges durchaus Konsens der Forschung darüber, dass der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 als markantes Schlüsselereignis anzusehen ist. MariaElisabeth Brunert hinterfragt in ihrem Beitrag diese Setzung und verweist mit der böhmischen Königswahl und der römisch-deutschen Kaiserwahl sehr viel stärker auf die dynastischen Kontexte, in die der Prager Fenstersturz eingebettet war. Mit Blick auf die parallel zum Kriegsausbruch beginnenden Friedensverhandlungen und eine Reihe von Zufällen wie dem Tod des Kaisers Matthias widerspricht sie zudem der Vorstellung der Zwangsläufigkeit des Kriegsausbruchs. Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit Übergangsphänomenen von Kriegs- zu Friedenszuständen lautet, wie es nach langen Kriegszeiten überhaupt möglich ist, den Friedenszustand wiederherzustellen. Was sind die entscheidenden Unterschiede im Vergleich zu vorherigen Friedensbemühungen, die gescheitert sind? Stellen diese gescheiterten Friedensbemühungen vielleicht sogar einen wichtigen Zwischenschritt hin zum Frieden dar, im Sinne von „trial and error“? Das hieße letztlich, dass es nicht einen entscheidenden Wendepunkt vom Krieg zum Frieden gibt, sondern die Bemühungen um den Frieden als Prozess zu begreifen sind, die nach verschiedenen Fehlversuchen zum Erfolg führen, weil man aus diesen gelernt hat. Und wenn dem so ist, wie viele dieser Schritte sind

 Vgl. aus neuerer Zeit insbesondere Schulze (Hrsg.), Friedliche Intentionen – kriegerische Effekte; Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe; Rebitsch (Hrsg.), 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges; Asch, Vor dem großen Krieg.

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

7

notwendig, um erfolgreich Frieden zu schließen? Diesen Aspekten widmet sich Volker Arnke in seinem Beitrag, der die unterschiedlichen Friedensbemühungen während des Dreißigjährigen Krieges vorstellt und erläutert, warum diese nicht zum Ziel führten. Mit Blick auf die Suche nach Wendepunkten vom Krieg zum Frieden müssen zwei Ebenen unterschieden werden, und zwar zum einen diejenigen Wendepunkte, die zu Friedensverhandlungen führen, und zum anderen diejenigen, die während der Friedensverhandlungen den entscheidenden Impuls für den Friedensschluss geben. Die Forschung betont hinsichtlich des Dreißigjährigen Krieges die enge Wechselwirkung zwischen militärischer Entwicklung, der militärischen Erwartungshaltung und dem Friedenswillen.¹⁶ Solange eine Kriegspartei hoffen konnte, den Krieg durch einen entscheidenden militärischen Sieg zu gewinnen, scheint der Friedenswille nicht sonderlich ausgeprägt gewesen zu sein. Im Dreißigjährigen Krieg verständigten sich die Kriegsparteien erst angesichts einer militärischen Pattsituation darauf, Friedensverhandlungen einzugehen. Ist die militärische Pattsituation also möglicherweise ein Wendepunkt, der vom Krieg zum Frieden überleitet? Neben den militärischen Aspekten wird in der Forschung immer wieder angeführt, dass die Ressourcen der Kriegsparteien erschöpft gewesen seien und Kriegsmüdigkeit eingetreten sei. Kriegsleiden der Bevölkerung und Folgen des Krieges wie Seuchen oder Hunger seien immer problematischer geworden und hätten die Friedenssehnsucht befördert. Spielen solche Faktoren bei Friedensverhandlungen wirklich eine maßgebliche Rolle? Oder geht es doch in erster Linie um politische Macht und Interessen sowie die Suche nach einem Konsens und Ausgleich? Wenn es zu Friedensverhandlungen der Kriegsparteien kommt, stellt sich die Frage, wie Faktoren einzuschätzen sind, die von außen auf die Verhandlungen einwirken. Hier dürfte auf jeden Fall wieder die militärische Situation eine wichtige Rolle gespielt haben, denn entscheidend war es, ob ein Waffenstillstand vereinbart wurde oder ob der Krieg während der Verhandlungen weiterging. Während des Dreißigjährigen Krieges gelang es nicht, einen für alle geltenden Waffenstillstand zu schließen, um sicher und ungestört Friedensverhandlungen führen zu können. Selbst 1641, als in Hamburg die Präliminarien für einen allgemeinen Friedenskongress mit Hilfe von Vermittlern unter den Kriegsparteien ausgehandelt wurden, gab es keine Bereitschaft, die Waffen dafür ruhen zu las-

 Vgl. Schmidt, Die Reiter der Apokalypse; Münkler, Der Dreißigjährige Krieg; Wilson, Europe’s Tragedy.

8

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

sen.¹⁷ Vielmehr wollten die Kriegsparteien einen möglichst günstigen Ausgangspunkt für die Verhandlungen erkämpfen, den es dann zu halten galt. Konnten unter diesen Rahmenbedingungen die Verhandlungsführer durch bestimmte Praktiken und Handlungsweisen den Friedensschluss befördern oder auch verhindern? Verhandlungskonstellationen sind immer sehr komplex. Divergierende außenpolitische Interessen und unterschiedliche Kriegsziele, bündnispolitische Verwicklungen und innenpolitische Probleme der Kriegsparteien, diplomatische Gepflogenheiten, die Eigendynamiken des Kongressgeschehens sowie die mit den individuellen Wahrnehmungen und Handlungen der Verhandlungsführer verbundenen Unwägbarkeiten müssen dabei berücksichtigt werden.¹⁸ Gerade die Gruppe der Diplomaten hat die Forschung lange Zeit marginalisiert und in ihr nur ausführende Organe gesehen, da sie bei wichtigen Angelegenheiten ihre heimischen Regierungen konsultieren mussten.¹⁹ In letzter Zeit realisiert die Forschung jedoch immer stärker, dass Diplomaten durchaus eigenständig agieren konnten und große Handlungsspielräume besaßen, um einen Konsens zu erzielen.²⁰ Dies trifft auch auf die Gesandten des Westfälischen Friedenskongresses zu. Viele galten als gelehrt und hatten eine juristische Ausbildung durchlaufen. „Insbesondere die Gesandten der Reichsstände, unter denen die gelehrten Bürgerlichen dominierten, besaßen ausgezeichnete Kenntnisse der Reichsverfassung und des ius publicum imperii“ (Öffentliches Recht des Reiches).²¹ Sie verfügten über politische Erfahrungen in Regierungsgremien, als Gesandte auf den Reichstagen oder anderen Reichsversammlungen und waren gut miteinander vernetzt. Sie können deshalb durchaus als politische und gelehrte Elite ihrer Zeit verstanden werden, die über einen ähnlichen Bildungshintergrund und Erfahrungswissen verfügte, zum Teil untereinander in regem Kontakt stand und mit der Wiederherstellung des Friedens ein zentrales Ziel verfolgte. In der jüngeren Forschung wird zudem betont, „dass nicht zuletzt gemeinsam getragene Wertvorstellungen ein wichtiger Faktor für das Gelingen von Friedensverhandlungen waren.“²² Wenn diese in einem politischen Aushandlungsprozess nicht kompatibel waren, dann konnten Friedensverhandlungen jedoch auch misslingen. Mit Blick auf den in Münster nicht befriedeten spanischfranzösischen Krieg hat die Forschung herausgearbeitet, dass die Friedensverhandlungen unter anderem durch tradierte Denk- und Argumentationsmuster der

     

Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 135‒138. Vgl. Freyer/Westphal (Hrsg.), Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie. Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 47. Vgl. von Thiessen/Windler, Einleitung. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 47. Ebd.

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

9

Gesandten erschwert wurden, die als Reflex der langjährigen französisch-habsburgischen Auseinandersetzungen zu deuten seien und auf Feindbildern sowie nationalen Stereotypen beruhten.²³ Gleichermaßen kann man argumentieren, dass es der unbedingte Friedenswille war, der in einer entscheidenden Phase der Friedensverhandlungen dazu führte, dass sich zu Beginn des Jahres 1648 in Osnabrück aus der Gruppe der kompromissbereiten Reichsstände nach und nach eine konfessionsübergreifend agierende sogenannte Dritte Partei bildete, bei der sich katholische und protestantische Reichsstände in einem ungefähr ausgeglichenen Verhältnis zueinander befanden. Diese Form des interkonfessionellen Zusammenschlusses besaß keinerlei Vorbild in der Reichsverfassung und signalisierte dem Kaiser sowie den ausländischen Kronen, dass führende Stände des Reiches nicht mehr länger gewillt waren, den Frieden auf Kosten des Reiches hinauszuzögern. Oberstes Ziel war ein schneller Friedensschluss ohne weitere Vorbehalte, um das Reich zu erhalten und seine Einheit zu wahren. Insbesondere dem Kaiser wurde vorgeworfen, den Krieg lediglich im Interesse Spaniens weiterzuführen und den so dringend benötigten Frieden zu verzögern, bis die spanisch-französischen Streitfragen beigelegt worden seien. Die reichsständische Initiative, die eigenständig vorgetragen wurde und sich auf Reichspatriotismus gründete, kam einem regelrechten Misstrauensvotum gegenüber dem Kaiser gleich. Sie bildete in der Endphase der Friedensverhandlungen die entscheidende Kraft, die den Friedensverhandlungen letztlich zum Durchbruch verhalf.²⁴ Nicht zuletzt deshalb schreibt ihr Christoph Kampmann eine „Schlüsselrolle“ für die Jahre 1647/48 zu.²⁵ Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung gilt gemeinhin die Krise des Kongresses, die zur Mitte des Jahres 1647 eingetreten war. Sie kam auf, nachdem der Vertragsentwurf des kaiserlichen Gesandtschaftsführers Maximilian Graf Trauttmansdorff (1584– 1650), das sogenannte Trauttmansdorffianum, im Juni 1647 vorgelegt worden war. Die nachfolgenden Verhandlungsprobleme aufzulösen und den Kongress vor einem vollständigen Scheitern zu bewahren, war das Verdienst von einigen reichsständischen Gesandten, die sich durch Kompromissbereitschaft, Offenheit für überkonfessionelle Zusammenarbeit und den unbedingten Wunsch nach einem schnellstmöglichen Friedensschluss auszeichneten.

 Vgl. hierzu Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster, S. 278 – 298.  Vgl. zur sog. Dritten Partei des Westfälischen Friedenskongresses u. a. Arnke, Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses; Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 8, 46 f., 64 f., 88 f., 93 – 97; Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 215, 246; Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 600; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 427– 431.  Kampmann, Europa und das Reich, S. 167.

10

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

Mit dieser Haltung konnte die Gruppe die letzten offenen Punkte des Kongresses entscheidend voranbringen – etwa die Aufnahme der Reformierten in den Reichsreligionsfrieden oder die Aushandlung der schwedischen Militärsatisfaktion als Entschädigung für das schwedische Königreich. Besonders bemerkenswert ist die Aushandlung eines Assistenzverbotes für die zwei Habsburger Hauptlinien. Hierbei handelte es sich um einen äußerst heiklen Punkt für den Kaiser, da das französischerseits geforderte Assistenzverbot besagte, dass die österreichischen Habsburger ihren spanischen Verwandten keinerlei Unterstützung mehr gewähren durften, obwohl der Krieg zwischen Spanien und Frankreich auch nach dem Westfälischen Frieden noch weiterlief.²⁶ Wie aber konnte es den im Vergleich zum Kaiser, den Franzosen und Schweden mindermächtigen Reichsständen gelingen, den Frieden herbeizuführen? Um ihren Erfolg adäquat beurteilen zu können, bedarf es zunächst einer Analyse von Praktiken der Verhandlungsführung auf dem Kongress, die das diplomatische Alltagsgeschäft maßgeblich bestimmten.²⁷ Als besonders wichtig erscheint es dabei, den Verhandlungsmodus in den Blick zu nehmen, der die Interaktion zwischen den Gesandten regelte. Eine klassische Variante, die einen Großteil der Westfälischen Friedensverhandlungen bestimmte, die Mediation, bei der ein neutraler Akteur zwischen den Kriegsparteien vermittelte, untersucht Markus Laufs in seinem Beitrag. Dass daneben die Reichsstände Verfahren auf dem Kongress anwandten, die teils der Reichstagstradition – dem Reichsherkommen – entsprachen und teils der Sondersituation eines conventus extraordinarius geschuldet waren, demonstriert Alexander Gerber. Entscheidend für das Gelingen von Friedensverhandlungen ist Kompromissbereitschaft, die die eigenen Interessen in ausreichendem Maße dem Friedenswillen unterordnet. Verharren beispielsweise sämtliche Akteure auf ihren jeweiligen Maximalforderungen, ist ein Friedensschluss auf dem Weg von Verhandlungen nicht zu erzielen. Wie zwei wichtige Akteure des Westfälischen Friedenskongresses – Kaiserliche und Kursachsen – auf Grund eines je unausgewogenen Spannungsverhältnisses zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus den Friedensprozess verlangsamten, zeigen Dorothée Goetze und Lena Oetzel. Letztlich blieben sie mit ihren Haltungen erfolglos, und die kompromissbereite Dritte Partei der Reichsstände konnte sich mit ihren Zielen durchsetzen. Trotz ihrer Verhandlungserfolge fehlen bis heute zahlreiche Informationen, die die Dritte Partei greifbar werden lassen. Offen ist beispielsweise die Frage, welche Legitimation und welches Selbstverständnis sie in den Verhandlungen

 Vgl. hierzu Rohrschneider, Kongreßdiplomatie im Dienste der casa de Austria.  Vgl. hierzu auch Brunert/Oetzel, Verhandlungstechniken und -praktiken.

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

11

verfolgte. Ebenfalls ist ungeklärt, wie sich die Zusammenarbeit der Gruppe im Detail darstellte. Zudem lassen sich unterschiedliche Aussagen dazu finden, welche Gesandten ihr zuzurechnen sind.²⁸ Allein schon der Begriff Dritte Partei scheint diskutabel. So suggeriert er zum einen in Form der Teilbezeichnung Dritte, es habe sich um eine neutrale Instanz gehandelt, die nicht mit Eigeninteressen, sondern eher als Mittler (Mediator) an den Verhandlungen teilgenommen hat. Zum anderen lässt die Bezeichnung Partei eine klar definierte, institutionalisierte Gruppierung erwarten, deren Mitglieder deutlich als solche zu erkennen waren und die verstetigt gemeinsame Absprachen trafen. Ob diese Annahmen allerdings auf die hier relevante Gruppe zutreffen, ist eine offene Frage, zu deren Klärung der vorliegende Sammelband beitragen möchte.²⁹ Zunächst gibt Maria-Elisabeth Brunert einen Überblick über die Verwendung des Begriffes Dritte Partei in der Forschung und bei den Zeitgenossen, bevor sich Volker Arnke der Frage widmet, ob die Gruppe als ein Mediator – als neutraler Dritter – auftrat, der in den letzten großen Fragen zwischen den Großmächten vermittelte, oder ob sich die reichsständischen Akteure als Vertreter des Reiches bzw. ihrer Eigeninteressen verstanden. Wird im letztgenannten Beitrag bereits das konflikthafte Verhältnis zu der einflussreichen Gruppe der sogenannten katholischen Maximalisten³⁰ angedeutet, wird das Umfeld der Dritten Partei, ihr Verhältnis zu und ihre Interaktion mit anderen Gesandtschaften in drei weiteren Beiträgen ausführlicher thematisiert. So skizziert Dorothée Goetze die kaiserliche Sicht auf die reichsständische Gruppe und Christoph Nonnast verfolgt die Kontakte der Gesandten Sachsen-Altenburgs – ein wichtiger Bestandteil der Dritten Partei – zu Schweden. Siegrid Westphal schließlich wirft einen Blick auf die Kurie der Reichsstädte und ihre Rolle in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses. Der den Band beschließende Beitrag von Guido Braun beleuchtet das Konzept reichsständischer dritter Parteien, das noch im 18. Jahrhundert immer wiederkehrender Bestandteil der französischen Außenpolitik war, und öffnet damit den Blick für eine weitere frühneuzeitliche Bedeutungsebene des Begriffes Dritte Partei. Die Einleitung beschließend möchten Herausgeberin und Herausgeber noch eine Anregung mit auf den Weg geben. Was bedeutet es eigentlich für die Forschung, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass die Reichsstände der zentrale friedensfördernde Faktor in der Endphase der Westfälischen Friedens-

 Vgl. hierzu Arnke, Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses, S. 175 f.  Vgl. hierzu auch den Beitrag zur Dritten Partei von Volker Arnke in diesem Band.  Vgl. hierzu jüngst Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten.

12

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

verhandlungen waren und nicht die großen europäischen Mächte? Inwiefern muss vor diesem Hintergrund die Erforschung des Westfälischen Friedenskongresses neu ausgerichtet werden?

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. [Bislang:] 48 Bde. Münster 1962‒2015. – Digitale Edition. [Bislang:] 40 Bde. URL: https://apw. digitale-sammlungen.de (Online-Erstveröffentlichung 2014; zuletzt eingesehen am 15. 10. 2020). Cicero. Philippics 3 – 9. Ed. with Introduction, Translation and Commentary by Gesine Manuwald. Vol. 1: Introduction, Text and Translation, References and Indexes. Berlin/New York 2007.

Literatur Arnke, Volker: Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde – ein Forschungsdesiderat, in: Freyer/Westphal (Hrsg.), Wissen und Strategien, 2020 (siehe dort), S. 165 – 186. Asch, Ronald G.: Vor dem großen Krieg. Europa im Zeitalter der spanischen Friedensordnung 1598 – 1618. Darmstadt 2020. Braun, Guido (Hrsg.): Assecuratio pacis. Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie. Münster 2011. Brunert, Maria-Elisabeth/Oetzel, Lena: Verhandlungstechniken und -praktiken, in: Dingel u. a. (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2021 (siehe dort), S. 455 – 471. Burkhardt, Johannes: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2018. Burkhardt, Johannes: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für Historische Forschung 24 (1997), S. 509 – 574. Dingel, Irene/Rohrschneider, Michael/Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Whaley, Joachim (Hrsg.): Handbuch Frieden im Europa der Frühen Neuzeit. Handbook of Peace in Early Modern Europe. Bearb. v. Volker Arnke. Berlin/Boston 2021. Duchhardt, Heinz: Der Weg in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges. Die Krisendekade 1608 – 1618. München/Berlin/Zürich 2017. Freyer, Stefanie/Westphal, Siegrid (Hrsg.): Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie. Berlin/Boston 2020. Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019.

Die Wiederherstellung des Friedens. Einführende Betrachtungen

13

Hartke, Heinz Adrian: Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten bei den Westfälischen Friedensverhandlungen. Diss. Bonn 2019 (Masch.). Hattendorf, John B.: Die Ursprünge des Spanischen Erbfolgekrieges, in: Wegner (Hrsg.), Wie Kriege entstehen, 2000 (siehe dort), S. 109 – 144. Kaiser, Michael: Das schwierige Ende des Krieges. Die Abdankung des Regiments Winterscheid in Memmingen 1649, in: Reinhard Baumann/Paul Hoser (Hrsg.), Krieg in der Region. Konstanz/München 2018, S. 193 – 222. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart 2008. Kampmann, Christoph/Lanzinner, Maximilian/Braun, Guido/Rohrschneider, Michael (Hrsg.): L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens. Münster 2011. Kroener, Bernhard R.: Der „Zweiunddreißigjährige Krieg“ – Kriegsende 1650. Oder: Wie lange dauerte der Dreißigjährige Krieg?, in: Wegner (Hrsg.), Wie Kriege enden, 2000 (siehe dort), S. 67 – 91. Lanzinner, Maximilian: Das Editionsprojekt der Acta Pacis Westphalicae, in: Historische Zeitschrift 298 (2014), S. 29 – 60. Lanzinner, Maximilian: Die Acta Pacis Westphalicae und die Geschichtswissenschaft, in: Kampmann u. a. (Hrsg.), L’art de la paix, 2011 (siehe dort), S. 31 – 71. Leppin, Volker: Frieden: Renaissance – Humanismus – Reformation, in: Dingel u. a. (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2021 (siehe dort), S. 23 – 41. Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 – 1648. Berlin 2017. Oschmann, Antje: Der Nürnberger Exekutionstag 1649 – 1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991. Rebitsch, Robert (Hrsg.): 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Wien/Köln/Weimar 2017. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649), Münster 2007. Rohrschneider, Michael: Kongreßdiplomatie im Dienste der casa de Austria: Die Beziehungen zwischen den spanischen und den kaiserlichen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643 – 1648), in: Historisches Jahrbuch 127 (2007), S. 75 – 100. Schilling, Heinz: Der Westfälische Friede und das neuzeitliche Profil Europas, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 3 – 32. Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018. Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Arnke, Volker/Bartke, Tobias (Hrsg.): Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010. Schulze, Winfried (Hrsg.): Friedliche Intentionen – kriegerische Effekte. War der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges unvermeidlich? St. Katharinen 2002. Sonnino, Paul: Louis XIV and the origins of the Dutch War, Cambridge u. a. 1988. Sonnino, Paul: The Origins of Louis XIV’s Wars, in: Jeremy Black (Hrsg.), The Origins of War in Early Modern Europe. Edinburgh 1987, S. 112 – 131.

14

Volker Arnke, Michael Rohrschneider und Siegrid Westphal

Thiessen, Hillard von/Windler, Christian: Einleitung: Außenbeziehungen in akteurszentrierter Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln/Weimar/Wien 2010, S. 1 – 12. Wegner, Bernd (Hrsg.): Wie Kriege enden. Wege zum Frieden von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn u. a. 2002. Wegner, Bernd (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Paderborn u. a. 2000. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015. Westphal, Siegrid: Ein Dreißigjähriger Religionskrieg? Deutschland 1618 – 1648, in: Wartburg-Stiftung Eisenach (Hrsg.), Luther und die Deutschen. Begleitband zur Nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg 4. Mai – 5. November 2017. Petersberg 2017, S. 44 – 49. Wilson, Peter: Europe’s Tragedy. A History of the Thirty Years War. London 2009.

Guido Braun

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden. Frühneuzeitliche Perspektiven der Historischen Konflikt- und Friedensforschung 1 Problemaufriss, Forschungsstand, Quellenlage Die Frage, wie (und wann) Frieden entsteht, bewegt die Menschheit heute ebenso sehr wie in vergangenen Jahrhunderten. Dahinter steht das grundsätzliche Problem zu definieren, was den „Frieden“ überhaupt ausmacht und wodurch er sich vom diametralen Gegenbegriff „Krieg“ unterscheidet, wann der eine Zustand beginnt und der andere endet, ob sich vielleicht Schnittmengen ausmachen lassen, die eine eindeutige Zuordnung erschweren oder gegebenenfalls unmöglich erscheinen lassen. Mein Beitrag versucht Erklärungsmodelle und Impulse zur Annäherung an diese Frage aus der Sicht der Historischen Konflikt- und Friedensforschung im Hinblick auf die Frühe Neuzeit und dabei besonders auf das 17. Jahrhundert zu geben, das zum einen durch den Dreißigjährigen Krieg einen der Höhepunkte frühneuzeitlicher Kriegsverdichtung markiert und zum anderen durch den Westfälischen Frieden ein Modell des Friedenschließens bietet.¹ Ferner wird der Zeit der Hugenottenkriege im Frankreich des 16. Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit geschenkt, denn die dichte Abfolge von acht militärischen Konflikten und sie trennenden Zwischenkriegszeiten innerhalb von 36 Jahren bietet reichhaltiges Anschauungsmaterial für Übergangsperioden zwischen Friedens- und Kriegszuständen und vice versa.² Jüngere Forschungen zeigen, dass Vorkriegszeiten einen Zeitraum sui generis bilden, der durch spezifische Erfahrungen und Erwartungshaltungen konstituiert wird.³ In der Frühneuzeit-Forschung spielen Vorkriegszeiten dennoch bislang

 Zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges vgl. den jüngst vorgelegten Forschungsbericht von Kaiser, 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme; zum Westfälischen Friedenskongress in seiner Bedeutung als (Gegen‐) Modell vgl. Kampmann u. a. (Hrsg.), L’art de la paix, sowie Schmidt-Voges u. a. (Hrsg.), Pax Perpetua.  Unter den jüngeren einschlägigen Handbüchern vgl. insbesondere Le Roux, Les Guerres de religion.  Zu einer in dieser Hinsicht höchst aufschlussreichen Tagungsreihe vgl. Braun, Avant la guerre, und Schirrmeister, Agir au futur. https://doi.org/10.1515/9783110703795-003

16

Guido Braun

eine allenfalls marginale Rolle. In deren Mittelpunkt stehen im Wesentlichen eine methodisch und inhaltlich (etwa um Alltagserfahrungen und eine Kulturgeschichte der Gewalt) erweiterte Kriegsgeschichte sowie die Analyse der Prozesse von Friedensstiftung, die auch die Transformation von Kriegs- zu Friedenszeiten (auf symbolischer Ebene beispielsweise durch Friedensfeiern) umfasst. Neben der eigentlichen Friedensstiftung rückten in den letzten Jahren auch Probleme der Friedenssicherung in den Mittelpunkt des Interesses.⁴ Doch wissen wir über Vorund Nachkriegszeiten in der Frühen Neuzeit bisher recht wenig. Hinsichtlich der Beschäftigung mit solchen Übergangszeiträumen stellt sich ferner das Problem der Quellengrundlage: Während für einige Friedensprozesse, allen voran für die Westfälischen Friedensverhandlungen,⁵ ausgezeichnete Quelleneditionen vorliegen, mangelt es im Hinblick auf Vor- und Nachkriegszeiten nicht nur an Editionen, sondern schlicht an einer systematischen Erschließung einschlägiger Quellenmaterialien. Aufschlussreich dürfte die Beantwortung der Frage sein, inwiefern und in welcher Weise Erwartungshaltungen im Hinblick auf einen kommenden Krieg oder Frieden spezifische Erwartungshandlungen generierten, die den Eintritt der kommenden Kriegs- oder Friedensereignisse in der Auswahl der eigenen Handlungsoptionen eventuell antizipierten. An Material für die Untersuchung dieses Problems mangelt es nicht: Erwartungen sind für Historiker zum einen in Schriftzeugnissen, von Ego-Dokumenten bis hin zu politischen Korrespondenzen, zum anderen in konkreten Handlungen greif- und analysierbar. Da sich Übergänge zwischen Kriegs- und Friedenszuständen in verschiedenen Segmenten eruieren lassen (politisch, wirtschaftlich, sozial, kulturell, rechtlich etc.), werden die entsprechenden Transformationen auf wesentlichen Konfliktfeldern in einem ersten Schritt durch die Zuordnung zu verschiedenen Deutungsebenen differenziert und typologisiert. In einem zweiten Schritt werden politisch-völkerrechtliche und sozial-kulturelle Konstruktionen des Friedens näher spezifiziert; dabei wird ein besonderes Augenmerk auf friedensfördernde bzw. konfliktverschärfende politische und soziale Konstellationen gerichtet.

 Vgl. insbesondere die einschlägigen Studien Christoph Kampmanns, etwa Kampmann, Kollektive Sicherheit; ferner Braun/Strohmeyer (Hrsg.), Frieden und Friedenssicherung, und Braun, Assecuratio pacis.  Acta Pacis Westphalicae (APW), Serie I – III, 1962– 2015.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

17

2 „Wendepunkte“: Deutungsebenen des Überganges zwischen Frieden und Krieg Der Versuch, Antworten auf die Frage nach der Differenzierung zwischen Frieden und Krieg sowie nach ihrem jeweiligen Anfang und Ende zu geben, muss notwendigerweise verschiedene Deutungsebenen einbeziehen: Auf den ersten Blick scheint die juristisch-völkerrechtliche Ebene die klarsten Differenzierungsoptionen zu bieten, faktisch weist die Anwendung ihrer Konzepte jedoch nicht immer auf den „richtigen“ oder einen eindeutigen Wendepunkt hin. Auch im 17. Jahrhundert wurden Kriege ohne Kriegserklärung geführt und die Unterzeichnung des Friedensvertrages (wenn der Konflikt überhaupt durch einen solchen formellen Akt beigelegt wurde) brachte nicht unmittelbar konkrete Friedenserfahrungen für breitere Bevölkerungsschichten.⁶ Oftmals wurde der Übergang zwischen Krieg und Frieden vertragsrechtlich nicht durch ein einziges Dokument geregelt: In Westfalen waren es bekanntlich drei Dokumente aus dem Januar und Oktober 1648, die den Frieden zwischen Spanien und den Vereinigten Niederlanden sowie zwischen dem Kaiser und Frankreich beziehungsweise Schweden besiegelten.⁷ Aber davon abgesehen: Schon über die Frage, wann die Feindseligkeiten einzustellen seien und welche Eroberungen jeweils noch einbehalten werden dürften, waren sich die Unterhändler des Westfälischen Friedenskongresses keineswegs immer einig.⁸ Wo also liegen die points of no return in den völkerrechtlichen, aber auch politischen und militärischen Übergangsprozessen zwischen Frieden und Krieg und vice versa? In dieser Hinsicht lässt sich konstatieren, dass die politisch-diplomatische Rekonstruktion des Friedens bereits im Krieg selbst begann, ja teils von dessen Ausbruch an in Angriff genommen wurde.⁹ Der skizzierte Befund eines rudimentären Forschungsstandes hinsichtlich transitorischer Perioden ist umso bemerkenswerter, als gerade das 16. bis 18. Jahrhundert durch die „Bellizität“ (mit dem von Johannes Burkhardt geprägten Be-

 Zu den Kriegserklärungen der Frühen Neuzeit vgl. aus der jüngeren Forschung Klesmann, Bellum solemne, sowie Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen.  Die Verträge vom 24. Oktober 1648 im lateinischen Original historisch-kritisch ediert in Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. B, Bd. 1/1, 1998; lateinisch-deutsch-niederländische Ausgabe des ursprünglich auf Niederländisch und Französisch abgeschlossenen, spanisch-niederländischen Friedensvertrages vom 30. Januar 1648 in Dethlefs (Hrsg.), Der Frieden von Münster.  Dies zeigt der im Folgenden analysierte französisch-spanische Fall.  Die Perspektive des Friedenschließens scheint bereits in der gezähmten Rhetorik der Kriegserklärungen auf, vgl. Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen.

18

Guido Braun

griff),¹⁰ das heißt die ungewöhnliche Kriegsdichte dieses Zeitalters, besonders reiches Anschauungsmaterial bietet: Die Frühneuzeit erweist sich zum einen als Verdichtungsraum kriegerisch-militärisch ausgetragener Konflikte, zum anderen resultiert der Materialreichtum aus den vielfältigen Konzepten, Strategien und Instrumenten, mit deren Entwicklung Fürsten, Räte, Diplomaten und Friedensdenker auf das Konfliktpotential ihrer Zeit reagierten. Zu den strukturell vorherrschenden Konfliktfeldern zählten erstens die Auseinandersetzungen zwischen der europäischen Christenheit und der außereuropäischen Welt, vor allem mit dem Osmanischen Reich. Gerade der Frieden mit dem Osmanischen Reich wurde zeitgenössisch oftmals selbst in Friedensutopien nicht einbezogen. In Friedensschriften und bei Friedensverhandlungen zwischen europäischen Mächten spielte (ob nun eher rhetorisch oder tatsächlich handlungsleitend) das Verhältnis zum Osmanischen Reich oftmals insofern eine Rolle, als die Friedensstiftung innerhalb der Christenheit die Voraussetzung für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Osmanen schaffen sollte.¹¹ Ein Krieg gegen nichtchristliche Mächte wurde auch als Ventil für eine Diversion innerhalb Europas angestauten Konfliktpotentials gesehen. Strukturelle Konflikte schwelten zweitens vor allem innerhalb der europäischen Fürstengesellschaft, deren Herrscherideal neben der Friedenswahrung und -herstellung auch militärischen Ruhm und kriegerische Expansion umfasste, mithin zwei Ideale, die kaum miteinander vereinbar waren. Für zusätzliches Konfliktpotential sorgten die dieser Fürstengesellschaft inhärenten dynastischen Erbfolgestreitigkeiten, die gerade im 17. und 18. Jahrhundert zu einer Reihe von Erbfolgekriegen führten. Gewissermaßen ein Paradebeispiel für die konstitutive Bedeutung militärischen Ruhms für das Herrscherideal bieten das Selbstverständnis und die Politik König Ludwigs XIV. von Frankreich (1638 – 1715), des „Sonnenkönigs“. Bis zu seinem Tode 1715 prägte er mehr als ein halbes Jahrhundert lang die europäische Politik und auch die Kultur in einem Maße, dass bereits vom 18. Jahrhundert an von einem „Zeitalter Ludwigs XIV.“ als Epochenbezeichnung eines Abschnitts der europäischen Geschichte gesprochen wurde. Städte wie Straßburg und Lille wurden unter Ludwig XIV. bekanntlich französisch. Phasen kriegerischer Expansion wechselten dabei jedoch mit der Wieder-

 Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit.  Auf dem Westfälischen Friedenskongress war der auf einen christlichen Frieden folgende gemeinsame Türkenkrieg durchaus eine häufiger durch den venezianischen Mediator Alvise Contarini zur Sprache gebrachte Zielsetzung aus Sicht der Markusrepublik, die sich zeitgenössisch im Krieg mit der Hohen Pforte um Kreta befand (Kandia-Krieg 1645 – 1669). Vgl. Acta Pacis Westphalicae (die einzelnen Bände weisen oftmals den Türkenkrieg bzw. Türkenkriegspläne im Register aus).

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

19

errichtung des Friedens. So ließ sich Ludwig zugleich als Eroberer und als Herrscher feiern, der Europa den Frieden gab. Neben seiner Rolle als Friedensstifter inszenierte sich gerade das französische Königtum des 17. Jahrhunderts in der Rolle als Kriegsherr und Eroberer, als roi de guerre, um den Titel eines Buches des französischen Historikers Joël Cornette zu zitieren.¹² Dieses Dilemma der konkurrierenden Rollen des Fürsten erklärt zugleich, warum es in der Frühneuzeit niemals zur Entwicklung einer dauerhaften oder auch nur längerfristig beständigen Friedensordnung kam. Konflikt war in der europäischen politischen Landschaft gewissermaßen grundsätzlich angelegt. Dies verweist auf eine dritte Konfliktebene. Neben der militärischen Konfrontation zwischen regierenden Fürsten sind drittens Konfliktlagen innerhalb von Gemeinwesen als charakteristisch für das Konfliktpotential in der Frühen Neuzeit zu nennen, besonders zwischen den Fürsten einerseits und den an der Herrschaftsausübung teilhabenden Gewalten, den „Ständen“, andererseits. Dies gilt namentlich für den böhmischen Aufstand am Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618. Dass „Krieg“ sinnvollerweise keineswegs nur als zwischenstaatlicher Zustand aufzufassen ist, sondern im Gegenteil auch Konflikte innerhalb von Gemeinwesen, also Bürger- und Konfessionskriege, eine herausragende Rolle für entsprechende Überlegungen zu Vorzeiten, Wendezeiten und Postkonfliktperioden spielen, ist aufgrund der unvollkommenen Trennung zwischen „innen“ und „außen“ in der Frühen Neuzeit (auch nach 1648) naheliegend und im Hinblick auf den Dreißigjährigen Krieg mit seinen komplementären europäischen, reichsverfassungs- und konfessionsrechtlichen Komponenten geradezu zwingend. In Frankreich finden sich derartige innere Konflikte (im Übrigen ebenfalls mit außenpolitischen Einflussfaktoren, etwa spanischerseits) in den sogenannten Religionskriegen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber durchaus auch noch Mitte des 17. Jahrhunderts. Vergessen wir nicht, dass am Ende des Dreißigjährigen Krieges in Paris Straßenbarrikaden standen, weil die Parlaments- und Adelsopposition sich in einem Bürgerkrieg, der Fronde, gegen die Monarchie und die Regentschaftsregierung formierte, die für den minderjährigen Ludwig XIV. die Geschäfte führte.¹³ Einer der drei französischen Kongressbotschafter in Münster, der 1648 vorzeitig nach Frankreich heimgekehrte Herzog von Longueville, Henri II d’Orléans (1595 – 1663), und seine Gattin avancierten im Folgenden zu Rädelsführern dieses Aufstandes.

 Cornette, Le Roi de guerre.  Zur Einführung vgl. unter den jüngeren Handbuchdarstellungen Drévillon, Les Rois absolus.

20

Guido Braun

Der Friedensschluss in Münster ging in Frankreich also einher mit dem Ausbruch eines Bürgerkrieges und brachte, infolge der Fortführung des Krieges mit Spanien, auch außenpolitisch keinen „absoluten“ Friedenszustand. Terminologische Studien zeigen, dass der Begriff „Frieden“ zeitgenössisch eher innenpolitisch konnotiert war.Wenn die Zeitgenossen in Paris an den Tagen um den 24. Oktober 1648 vom „Frieden“ sprachen, war damit oftmals nicht der Westfälische Friede, sondern die (kommende) Vereinbarung von Saint-Germain-en-Laye zwischen der Regierung und den Parlaments-Frondeuren gemeint.¹⁴ Viertens gehören zu den typologisch häufig auftretenden Konfliktparteien die verschiedenen, seit dem 16. Jahrhundert entstandenen Konfessionen, wobei sich religiöse beziehungsweise konfessionelle Differenzen oftmals mit anderen Konfliktpotentialen überlagerten. Auch die sogenannten guerres de Religion oder „Hugenottenkriege“ in Frankreich im 16. Jahrhundert besaßen neben der konfessionellen Differenz andere Komponenten, bei denen es unter anderem um dynastische Fragen und politische Partizipation ging. Gerade dieser Zeitraum zwischen 1562 und 1598 ist für die Übergangsperioden zwischen Frieden und Krieg beziehungsweise Krieg und Frieden besonders aufschlussreich, denn die betreffenden militärischen Konflikte wurden durch Friedensschlüsse in der Rechtsform durch den König promulgierter Pazifikationsedikte temporär beigelegt. Sie wurden nicht durch Kriegserklärungen eingeleitet und jeweils nur durch kurze Friedenszeiten unterbrochen.¹⁵ Anders als im Heiligen Römischen Reich zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, verbanden sich in Frankreich die Konfliktlagen somit nicht zu einem einzigen Krieg. Hingegen kam es bei dem Krieg im Reich, trotz seiner unterschiedlichen Stränge (Elisabeth von Hammerstein spricht von einer „Serie miteinander verschränkter Konflikte“)¹⁶ zu einem sowohl von den Zeitgenossen als auch in der Forschung vorwiegend als eine Einheit betrachteten, großen, deutschen und europäischen Krieg. Die insgesamt acht Religionskriege und die darauf jeweils folgenden Friedenschlüsse in Frankreich bilden jedoch insofern einen Gesamtkomplex, als sie unter der Epochenbezeichnung „Hugenotten“- oder „Religionskriege“ zu-

 Vgl. Braun, Hegemonie Frankreichs, S. 28.  In der französischen Forschung wird die traditionelle Unterteilung in acht Religionskriege daher schon seit Längerem als nur bedingt aussagekräftig betrachtet, weil nur zwischen dem ersten und dem zweiten sowie zwischen dem siebten und dem achten Hugenottenkrieg längere Friedensphasen liegen, vgl. etwa die in einer renommierten Handbuchreihe publizierte Darstellung von Meyer, La France moderne.  Hammerstein, Ein Westfälischer Frieden für den Nahen Osten?

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

21

sammengefasst werden.¹⁷ Dabei waren die Erwartungen der Zeitgenossen in den jeweiligen Zwischenkriegsphasen von konkreten Kriegsängsten geprägt. Auch das Edikt von Nantes, mit dem Heinrich IV. (1553 – 1610) den Protestanten Kultusfreiheitsrechte und Sicherheitsgarantien gewährte, schuf einen zunächst nur höchst prekären Friedenszustand. Das Parlament von Paris verweigerte zunächst seine Registrierung und nach einer bis 1609 (Annahme des Edikts von Nantes durch das Parlament der Normandie in Rouen) tatsächlich erfolgten Stabilisierung führte der Tod Heinrichs IV. 1610 zu einer erneuten Infragestellung dieses Friedenszustandes, kaum dass er sich zu einer konkret erfahrbaren Realität für die Zeitgenossen gewandelt hatte. Rechtlich war der Frieden dadurch in Frage gestellt, dass er auf einem königlichen Edikt beruhte, an das ein Nachfolger als princeps legibus solutus prinzipiell nicht gebunden war; das Edikt war revozierbar, auch wenn seine Präambel es als unwiderruflich deklariert hatte. Und nicht sogleich, aber doch 1685 kam es bekanntlich zur Aufhebung des Edikts von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau.¹⁸ Praktisch wurde der Friedenszustand bereits um 1600 als bedroht aufgefasst. Mehrere Zeitgenossen, darunter mit Pierre de L’Estoile (1546 – 1611) einer der bedeutendsten französischen Memorialisten, formulierten (den Forschungen Albert Schirrmeisters zufolge) in ihren Schriften sehr konkrete Erwartungshaltungen bezüglich eines vermeintlich unmittelbar bevorstehenden, in der ersten Dekade des 17. Jahrhunderts dann doch letztlich nicht ausgebrochenen Krieges.¹⁹ Nach Heinrichs Tod kam es allerdings tatsächlich aufgrund der Politik der Regentschaftsregierung und Marias von Medici (1575 – 1642) zu zunehmenden Problemen bei der Anwendung des Edikts von Nantes, die unter Ludwig XIII. (1601– 1643) in den 1620er Jahren zu einer neuen militärischen Konfrontation zwischen Königtum und Hugenotten führten (in der französischen Forschung zum Teil als neunter und zehnter – 1629 mit dem Gnadenedikt von Alès endender – Religionskrieg bezeichnet), ebenso wie zeitgenössisch im Reich die Schwierigkeiten im Zusam-

 Die Phase der Hugenottenkriege des 16. Jahrhunderts wird oftmals auch im Zusammenhang mit den konfessionspolitischen Spannungen der 1620er Jahre behandelt, vgl. etwa Le Roux, Les Guerres de religion.  Mit dem Ergebnis der Auswanderung zahlreicher Hugenotten und der Aufnahme vieler Flüchtlinge in deutschen Territorien, vgl. Braun/Lachenicht (Hrsg.), Hugenotten und deutsche Territorialstaaten.  Schirrmeister, La Grande guerre.

22

Guido Braun

menhang mit der Auslegung des Augsburger Religionsfriedens den Dreißigjährigen Krieg befeuerten und ihn auch mit verursacht hatten.²⁰ Doch nicht nur die Zeit nach dem Pazifikationsedikt von Nantes, sondern auch die jeweiligen Zwischenkriegsperioden bildeten einen höchst prekären, eher waffenstillstandsartigen Zustand ab, verbunden mit der Verarbeitung vergangener Kriegserfahrungen und der Formulierung von Kriegserwartungen. Das auf das 16. Jahrhundert gemünzte Diktum der französischen Historikerin Nicole Lemaître, dass Krieg und Frieden ein Paar bilden („la guerre et la paix font couple“),²¹ gipfelt hier in der tendenziellen Aufhebung unterscheidbarer Grenzlinien. Eine klare Trennung von Krieg und Frieden betrachtet Herfried Münkler hingegen als grundlegende Voraussetzung einer dauerhaften Friedensordnung.²² Die Historikerin Tatiana Debbagi-Baranova macht in der politischen Argumentation Heinrichs von Navarra, des künftigen Heinrich IV., 1585 eine polyvalente Verbindung von Elementen zur Friedenswahrung und zur Kriegsvorbereitung aus, welche die Offenheit der Erwartungshaltungen widerspiegelten.²³ Der französische Historiker David El Kenz konstatiert ferner, dass im Kontext der guerres de Religion die Antwort auf die Frage nach dem einschneidenden Ereignis, das den Ausbruch des Krieges markierte, je nach Konfession anders ausfalle, namentlich beim ersten Religionskrieg 1562. Diese unterschiedlichen Deutungen lassen El Kenz zufolge das sukzessive Abgleiten eines prekären Friedenszustandes in einen Kriegszustand deutlich werden, wobei die einzelnen Etappen in ihrer Bewertung konfessionell unterschiedlichen Deutungsmustern unterworfen waren.²⁴ In ihren Studien zur französischsprachigen Presse im Zeitalter des Spanischen Erbfolgekrieges stellt die Historikerin Marion Brétéché anhand der Analyse von vier in Frankreich beziehungsweise den Vereinigten Niederlanden erschienenen Periodika im Vorfeld des Kriegsausbruchs fest, dass die Konstruktion von Kriegserwartungen sich nicht nur als konfessionell, sondern auch politisch gefärbt und beeinflusst durch das Medium ihrer Verbreitung, das jeweilige Zielpublikum und die Verfasserintention zeigt.²⁵

 Besonders prononciert betont die in der Forschung nicht unumstrittene konfessionelle Dimension des Dreißigjährigen Krieges unter den jüngeren Darstellungen Gotthardt, Der Dreißigjährige Krieg.  Lemaître, L’Europe et les Réformes.  Münkler, Der Dreißigjährige Krieg: Ein Bürgerkrieg; vgl. auch Münkler, Der Dreißigjährige Krieg.  Debbagi-Baranova, Préparer la guerre.  El Kenz, „L’avant-guerre“ des guerres de Religion.  Brétéché, De la mort de Charles II; vgl. ferner Brétéché, Les compagnons de Mercure.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

23

Dass die beschriebenen Konflikte von intensiven Friedensbemühungen begleitet wurden, liegt nicht zuletzt an der Janusköpfigkeit des Herrscherbildes in der Frühen Neuzeit. Neben der Kriegsführung bestand die Aufgabe des Fürsten auch im Ideal der Friedenswahrung und -stiftung. Schon aus diesem Grunde war frühneuzeitlichem Friedensdenken ein „totaler“ Krieg völlig fremd. Bereits beim Kriegsausbruch dachte man an das darauf früher oder später folgende Friedenschließen. Jüngere Untersuchungen haben gezeigt, dass sogar die Kriegserklärungen von einer verbindlichen Rhetorik geprägt waren, welche die Grundlagen für eine spätere Annäherung legen sollte.²⁶ Die Rekonstruktion des Friedens begann also bereits im Krieg selbst, ja von dessen Ausbruch an. Schuldzuweisungen waren in der Kriegspropaganda zwar durchaus üblich, etwa in Pamphleten und Flugschriften, aber ein „Kriegsschuldparagraph“, wie er den Versailler Frieden nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1919 prägte, wäre in dieser Epoche undenkbar gewesen. Grundlegend waren für Friedensverträge und Nachkriegsordnungen in der Frühen Neuzeit vielmehr die Wiederherstellung von Freundschaft (amicitia) und das vergessende Verzeihen von Schuld (oblivio), auch im rechtlichen Sinne der Amnestie (amnestia). Nach dem Dreißigjährigen Krieg blieben dadurch „die schlimmsten Verbrechen ungesühnt“, wie Georg Schmidt jüngst formulierte.²⁷ Wie schwer man sich aktuell mit diesen Idealen tut, zeigt das Beispiel Kolumbien. Aber rechtlich war damit eine eindeutige Grenzlinie zwischen Kriegs- und Nachkriegszeit gezogen worden. Mit dem beschriebenen Konfliktreichtum der Frühneuzeit gingen nicht nur vielfältige praktische Versuche der Friedensstiftung und -sicherung, sondern auch die Entwicklung von Friedensutopien einher, etwa in der wegweisenden Friedensschrift Der Neue Kineas des Franzosen Éméric Crucé (1590 – 1648) von 1623, der ein nicht zeit- und religionsgebundenes, universell anwendbares und (im wörtlichen Sinne) die ganze Welt umspannendes – bis nach China und Japan reichendes – Friedensprojekt propagierte.²⁸ Jüngere Forschungen, die im Rahmen einer am Institut für Europäische Geschichte in Mainz erstellten Vertrags-Datenbank betrieben wurden, sind zudem zur enormen Zahl von über 2 000 internationalen Verträgen zwischen 1450 und 1789 gelangt.²⁹ Sowohl die Friedensutopien als auch diese Verträge trugen einerseits zu einer vertieften Reflexion über die

 Vgl. Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen.  Schmidt, Deutungen des Dreißigjährigen Krieges, S. 22; vgl. auch Schmidt, Die Reiter der Apokalypse.  Braun, Friedensutopien in der Frühen Neuzeit.  Vgl. Espenhorst, Zur Einführung, S. IX.

24

Guido Braun

Natur des Friedens im Gegensatz zum Krieg, andererseits zu einer klareren Abgrenzung beider Zustände bei.

3 Politische und soziale Konstruktionen des Friedens und des Krieges Als ein wichtiges Instrument des Friedenschließens bildete sich am Ende des Dreißigjährigen Krieges der Westfälische Friedenskongress (ein „Kongress der Superlative“ nach der Formulierung Christoph Kampmanns)³⁰ als Prototyp des europäischen Kongresswesens aus. Er tagte von 1643 bis 1649. An ihm waren fast alle wichtigen europäischen Mächte beteiligt. Er gilt als vorbildlich für Formen und Verfahren des Friedenschließens und wurde als erste große multilaterale weltliche Gesandtenversammlung in der Forschung zu Recht als Ursprung und Vorbild („Archetyp“) der internationalen Friedenskongresse bezeichnet, die in den folgenden Jahrhunderten die Geschichte Europas prägen sollten und schon in den 1720er Jahren eine Fortentwicklung in Form von Friedenssicherungs-Kongressen erfuhren. Dieser Westfälische Kongress tagte ohne begleitenden allgemeinen Waffenstillstand, inmitten des Krieges. Lediglich die Kongressorte waren neutralisiert worden. Als für die Spanier, insbesondere ihren Chefgesandten Graf Peñaranda (ca. 1595 – 1676), inakzeptabel erwies sich bei den Westfälischen Friedensverhandlungen,³¹ dass die französische Politik auf dynamischen Elementen aufbaute, welche die Gültigkeit vereinbarter Vertragsbedingungen an künftige politische beziehungsweise militärische Entwicklungen binden sollten. Diese dynamischen Elemente der französischen Zessionsforderungen gingen über die Friedensunterzeichnung hinaus. Ende April 1647 forderte der französische Prinzipalgesandte in Münster, Longueville, von den Mediatoren, Artikel 21 des französischen Gesamtentwurfes für den Friedensvertrag mit Spanien um die französische Forderung nach Überlassung aller zum Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationen gehaltenen Plätze zu erweitern; dies ging auf eine Anweisung des Hofes zurück, die in einem Memorandum vom 3. Mai 1647 wiederholt und näher erläutert wurde, und beruhte mithin auf der Position der französischen Regierung und insbeson-

 Kampmann, Europa und das Reich, S. 152.  Zu den gescheiterten französisch-spanischen Friedensverhandlungen in Münster vgl. Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

25

dere Mazarins (1602– 1661).³² Demzufolge sollte nicht die Unterzeichnung des Friedensvertrages (beziehungsweise dessen Verkündung bei den Befehlshabern der Armeen), sondern erst seine Ratifikation durch den Austausch der französischen und spanischen Ratifikationsurkunden die Einstellung der militärischen Feindseligkeiten bedingen. Unter den Kommunikationsbedingungen der Frühen Zeit hätte dies eine monatelange Fortsetzung des Krieges nach Unterzeichnung des Friedensschlusses bedeutet und den Austausch der Ratifikationen (damit den Beginn des Vollzuges des Friedens) grundsätzlich in Frage gestellt, denn garantiert werden sollte gemäß der französischen Konzeption für den Frieden mit Spanien der territoriale Status quo bei Ratifikationsaustausch. Mithin hätte jede der beiden Seiten ein erhebliches Interesse daran gehabt, nur zu einem für sie möglichst günstigen Zeitpunkt einen solchen Austausch zu vollziehen. Jenseits der politischen Bewertung dieses Vorganges ist die dahinterstehende Rechtsfrage nach dem konstitutiven Akt des Friedensschlusses für das Problem der Definition der Wendepunkte zwischen Krieg und Frieden von Interesse. Die Westfälischen Friedensverträge definieren tatsächlich die Friedensunterzeichnung durch die Unterhändler als maßgeblich. Die Befehlshaber sollten davon in Kenntnis gesetzt und die Feindseligkeiten eingestellt werden. Versinnbildlicht wird diese rechtliche Vorstellung durch den Frieden verkündenden Postillion.³³ Der Austausch der kaiserlichen, französischen und schwedischen Ratifikationsurkunden erfolgte im Februar 1649.³⁴ Danach löste sich der Westfälische Friedenskongress sukzessive auf. Das politische Geschehen verlagerte sich nach Nürnberg, wo man über die Ausführung der Westfälischen Friedensbestimmungen verhandelte. Die Ergebnisse dieses sogenannten Nürnberger Exekutionstages (also der Friedenausführungs-Versammlung) fanden im Juni/Juli 1650 ihren Nie-

 Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. B, Bd. 5/1– 2, 2002, hier Teilbd. 2, Nrn. 247 (Memorandum Longuevilles und d’Avaux’ für Ludwig XIV., Münster 29.04.1647) und 255 (Memorandum Ludwigs XIV. für Longueville und d’Avaux, Paris 03.05.1647).  Eine auch in der Friedensikonographie sehr bekannte Figur: vgl. etwa Marx Anton Hannas, kolorierter Holzschnitt, 1648 (Städt. Kunstsammlungen Augsburg, Nr. G 20632), welcher den Freüdenreiche[n] Postilion von Münster zeigt, der über das Land reitet und im Jahr 1648 die Botschaft vom Westfälischen Frieden verkündet; Abb. und Erläuterung bei Bußmann/Schilling (Hrsg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, S. 220 f. Die berühmte Darstellung suggeriert allerdings fälschlicherweise, dass für die Bevölkerung mit dieser Bekanntmachung des Friedens auch bereits die konkrete Friedenserfahrung verbunden gewesen sei.  Die Kongressphase zwischen Friedensunterzeichnung und -ratifikation wird jüngst dokumentiert durch die kaiserlichen Korrespondenzen in Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. A, Bd. 10, 2015.

26

Guido Braun

derschlag in entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen mit Frankreich und mit Schweden.³⁵ Insofern zeigte bereits der Westfälische Friedenskongress, dass die Wiederherstellung des Friedens nicht allein durch formale juristische Schritte wie die Unterzeichnung eines Friedensabkommens zu erreichen ist. Auf politisch-juristisch-administrativer Ebene waren die Ausführungsbestimmungen zu klären, während die Armeen zum Teil noch unter Waffen standen und ernährt werden mussten. Auf sozialer Ebene entstand konkrete Friedenserfahrung vielfach erst mehrere Jahre nach der Friedensunterzeichnung, wie die französische Historikerin Claire Gantet in ihrer Monographie zur Sozialgeschichte des Westfälischen Friedens zeigt.³⁶ Dies erklärt, warum im Reich auch von einem 32-jährigen Krieg die Rede war, woran sowohl Georg Schmidt als auch Claire Gantet jüngst erinnerten.³⁷ Zu Recht spricht Heinz Duchhardt von „eine[r] Nachkriegszeit, die sich von der Kriegszeit zunächst nur graduell unterschied“. Angesichts der nach 1648 weiterhin existierenden Bedrohungspotentiale sieht Duchhardt im Westfälischen Frieden anfangs nicht mehr als „ein[en] unsichere[n] Wechsel auf die Zukunft“, aber diesen Friedensschluss habe man nicht infrage stellen können, ohne „vor der ‚öffentlichen Meinung‘ […] völlig das Gesicht [zu] verlieren“.³⁸ Ein Schritt hinter bereits gemachte Zusagen zurück hatte sich übrigens bereits bei den Verhandlungen selbst mit Rücksicht auf die Kongressöffentlichkeit als problematisch oder geradezu unmöglich erwiesen. Dies zeigt etwa die kaiserlichfranzösische Elsass-Vereinbarung vom September 1646. Sie war rechtlich zunächst sogar nicht einmal verbindlich;³⁹ faktisch ließ sie sich aber kaum mehr verändern, nachdem die betreffenden Konzessionen einmal schriftlich festgehalten und beiderseits akzeptiert worden waren, wenn auch befristet und unter Vorbehalt. Wie das französisch-spanische Beispiel zeigt, war die in Westfalen getroffene vertragliche Verfügung, dass die Feindseligkeiten mit der Vertragsunterzeichnung einzustellen seien, jedoch keineswegs selbstverständlich; die entsprechende Vertragsbestimmung war vielmehr Gegenstand und Ergebnis eines Aushandlungsprozesses. Allerdings dürfte die dahinterstehende Rechtsmeinung, dass die Unterzeichnung den einen Frieden juristisch konstituierenden Akt bildet, zeit-

 Oschmann, Der Nürnberger Exekutionstag.  Gantet, La paix de Westphalie.  Schmidt, Deutungen des Dreißigjährigen Krieges, S. 17; Gantet, Guerre de Trente ans, S. 646.  Duchhardt, Ein doppeltes „Westphalian System“?, S. 34 f.; zu den Etappen auf dem Weg, der sukzessive in den Dreißigjährigen Krieg führte, vgl. Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe.  Repgen, Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

27

genössisch vorherrschend gewesen sein. Im Übrigen hatte 1630 die Desavouierung der französischen Unterhändler, die den Regensburger Vertrag mit dem Kaiser geschlossen hatten,⁴⁰ durch Kardinalminister Richelieu (1585 – 1642) und Ludwig XIII. demonstriert, dass die Vertragsunterfertigung durch bevollmächtigte Unterhändler eben keine hinreichende Vollzugshandlung darstellte, denn mit dem Ratifikationsprozess durch den Herrscher war die Prüfung verbunden, inwiefern die Unterhändler ihren Vollmachten und Instruktionen gemäß gehandelt oder diese eventuell überschritten hatten. Im letzteren Fall konnte die getroffene Vereinbarung als nicht bindend zurückgewiesen und deren Ratifikation verweigert werden. Zu klären wäre in dieser Hinsicht anhand einer Untersuchung politischer Korrespondenzen und juristischer Traktate, wann und wie (in der völkerrechtlichen Theorie beziehungsweise in der diplomatischen Praxis) die Verdichtung auf die Vertragsunterfertigung durch Unterhändler als konstitutiver Akt für den Übergang vom Krieg zum Frieden erfolgte – ein Akt, der zwar der Konfirmation durch den Fürsten (oder durch die Republik) bedurfte, deren Ausbleiben aber als den Friedensvollzug zunächst nicht aufschiebender Ausnahmefall betrachtet wurde. Die exakten Bestimmungen der Friedensverträge zur Exekution bedürften hierbei auch einer eingehenderen, systematischen Analyse. Hinzu kommt, dass längst nicht jeder militärische Konflikt durch einen Friedensvertrag beigelegt wurde. In seinem Aufsatz How Hostilities Have Ended: Peace Treaties and Alternatives gelangte Quincy Wright 1970 zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum zwischen 1480 und 1914 lediglich 137 von 311 Kriegen durch einen Friedensvertrag beendet worden seien.⁴¹ Auch wenn die exakten Quantitäten einer näheren Überprüfung bedürfen: Die Analyse des Kriegsendes muss zweifellos alternative Formen der Konfliktbeilegung einschließen. Analog zum Problem des Kriegsendes wäre die Frage nach dem Anfang des Krieges aus juristischer und politischer sowie militärischer Praxis näher zu untersuchen, denn eine Kriegserklärung erfolgte keineswegs in jedem Falle, so gab es etwa im Dreißigjährigen Krieg keine französische Kriegserklärung an den Kaiser.⁴² Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges lässt sich, insbesondere in den 1630er Jahren, ferner die Gleichzeitigkeit von vorübergehender Konfliktausweitung und zukunftsweisenden, zur späteren nachhaltigen Konfliktlösung beitragenden Überlegungen nachweisen. Während des sich durch den Kriegseintritt Schwedens, dann Frankreichs verschärfenden Krieges zeichneten sich innovative

 Hartmann, Von Regensburg nach Hamburg.  Wright, How Hostilities Have Ended, S. 52.  Irreführend Schmidt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 59.

28

Guido Braun

Lösungsstrategien und neue Ordnungsvorstellungen für die Nachkriegszeit ab. Zwar fuhren die päpstlichen Gesandten bei ihren unablässigen Bemühungen um einen allgemeinen Friedenskongress jahrelang Misserfolge ein. Letztlich führten jedoch diese Kongresspläne zur Einsicht, dass ein gesamteuropäischer Konflikt nur durch multilaterale Verhandlungen und die Einschaltung von Friedensvermittlern erfolgreich beigelegt werden könne. Daraus wurde ein wichtiger Erfahrungsschatz der europäischen Diplomatie. Zugleich ist jedoch hervorzuheben, dass längst nicht jeder eingeleitete Friedensprozess zum Erfolg führte. Hinsichtlich der Frage nach den Voraussetzungen und Bedingungen für die Herstellung von Friedensfähigkeit einer- sowie für failed negotiations andererseits ist festzuhalten, dass der Erfolg von Friedensverhandlungen wesentlich von den Translationsleistungen der beteiligten Akteure abhing, im ursprünglichen wie im übertragenen Sinne. Diese Leistungen, durch die interkonfessionelle und interkulturelle Konflikte bewältigt wurden, waren insbesondere für das Gelingen der Verhandlungen auf den Friedenskongressen wie in Münster und Osnabrück unerlässlich, die sich als kulturell, konfessionell und sprachlich vielfältige, segmentierte Handlungs- und Erfahrungsräume konstituierten. Neben militärischen Entwicklungen und inhaltlichen Verhandlungskonzessionen bildeten Vertrauen und kulturelle Kompetenzen, auch soft skills der Akteure eine substantielle Komponente zur Herstellung von Friedensfähigkeit. Damit beziehe ich eine konträre Ansicht zu der jüngst von Elisabeth von Hammerstein vertretenen Position, der zufolge „Vertrauen zwischen den Parteien keine Voraussetzung für den Frieden ist“, was sie gerade im Hinblick auf den Westfälischen Frieden formuliert.⁴³ In negativer Hinsicht zeigt die Kongressgeschichte jedenfalls, dass gegenseitige Nichtanerkennung und ein extrem gesteigertes, durch entsprechende Sicherungsmechanismen nicht mehr kompensierbares Misstrauen – vor allem zwischen Frankreich und Spanien – das Friedenschließen unmöglich machten. Franzosen und Spanier antizipierten während der Verhandlungen für den Fall eines Vertragsschlusses beider Partner einen bald darauf vermutlich erneut ausbrechenden militärischen Konflikt zwischen beiden Mächten.⁴⁴ Die Antizipation eines kommenden Krieges verhinderte insofern die Beilegung des laufenden Konfliktes. Gerade dies war aber (gegen Hammerstein) zwischen den in Westfalen tatsächlich vertragschließenden Parteien eben nicht der Fall. Vertrauen und Misstrauen spielen im potentiellen Übergang zwischen Krieg und Frieden also

 Hammerstein, Ein Westfälischer Frieden für den Nahen Osten?, S. 43 f.  Dieses gegenseitige Misstrauen belegt eine Reihe der in Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. B, Bd. 5, 2002, edierten französischen Korrespondenzstücke der Jahre 1646 und 1647.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

29

eine ganz erhebliche Rolle. Zu erinnern ist in diesem Kontext daran, dass Herfried Münkler „das eskalierende Misstrauen der maßgeblichen Akteure“ bereits für den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges als ursächlich ansieht und damit im Übergang vom Frieden zum Krieg dem Misstrauen eine geradezu entscheidende Funktion beimisst.⁴⁵ Für unsere Gegenwart bedeutet die Feststellung dieser friedenshemmenden Wirkung von Nichtanerkennung und Misstrauen, gerade im Hinblick auf Syrien,⁴⁶ dass der Ausschluss zentraler innersyrischer Kräfte, regionaler Mächte und globaler Großmächte einen Friedensprozess aus historischer Sicht wenig aussichtsreich erscheinen lassen. Ohne Akteure wie den Iran am Verhandlungstisch wird es kaum gehen. Noch vielschichtiger und komplexer erweist sich das Problem des Überganges zwischen Friedens- und Kriegszuständen, wenn Frieden nicht als rechtliche, sondern als soziale, wirtschaftliche und/oder kulturelle Kategorie konzeptualisiert wird. So erweisen sich etwa „Vorkriegszeiten“ mit ihren einen kommenden Konflikt antizipierenden Zukunftserwartungen in bestimmten Fällen als handlungsleitend für ein entsprechendes „Vorkriegshandeln“. Die Kategorisierung einer Vorkriegszeit als Periode sui generis zwischen Friedens- und Kriegszustand lässt sich den Untersuchungen Nicolas Schapiras zufolge im Tagebuch des Kaufmanns Jean de Maillefer aus Reims greifen.⁴⁷ Hierbei handelt es sich um ein privates, nicht zur Publikation oder zum politischen Gebrauch bestimmtes Quellendokument. Der Verfasser thematisiert insbesondere die Beziehungen zwischen Krieg und Handel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, das der Autor als „eisernes“, das heißt durch den Krieg geprägtes Zeitalter interpretiert. In diesem Text erweise sich, so Schapira, die Vorkriegszeit des Holländischen Krieges, genauer die Jahre 1670 bis 1672, als autonome Zeitspanne, die spezifische Erwartungshaltungen des Verfassers reflektiere. Der Darstellung Maillefers zufolge hatten die Handlungen der Akteure im wirtschaftlichen Bereich den Kriegsausbruch bereits antizipiert, der Handel sei schon 1670 weitgehend zum Erliegen gekommen. Dennoch hielt Maillefer selbst, der sich eigentlich als gut unterrichteter Leser von Büchern und Zeitungen zeigt, im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen einen Krieg für eher unwahrscheinlich und korrigierte diese Einschätzung erst nach der erfolgten Kriegserklärung. Schapira stellt im Prozess des Verfassens dieses Tagebuchs selbst eine Erwartungshandlung Maillefers fest.

 Münkler, Der Dreißigjährige Krieg: Ein Bürgerkrieg, S. 30.  Zum Themenkomplex Westfälischer Friede – Mittlerer Osten vgl. grundsätzlich Milton/Axworthy/Simms, Towards a Westphalia for the Middle East.  Jean Maillefer et les prémices de la guerre de Hollande (1670 – 1672); unveröffentlichter Vortrag von Nicolas Schapira bei der Tagung am Deutschen Historischen Institut Paris, 6./7. Oktober 2014, vgl. Braun, Avant la guerre, und Schirrmeister, Agir au futur.

30

Guido Braun

Eine Intention von Texten wie dem genannten Tagebuch bestand offensichtlich häufig darin, möglichen zukünftigen Entwicklungen einen bestimmten Grad an Wahrscheinlichkeit zuzuweisen und damit sowohl die Zukunft als auch den Krieg als beherrschbar erscheinen zu lassen. Während das Schreiben in Vorkriegszeiten allgemein eine fiktionale Antizipation der Zukunft deutlich werden lässt, bedarf die unterschiedliche Positionierung der jeweiligen Akteure (also politisch Handelnde, professionelle Publizisten oder Journalisten, politisch informierte Bürger wie beispielweise Kaufleute usw.) sicherlich noch einer eingehenderen Untersuchung. Anthropologische Konfliktbewältigungs- bzw. -verarbeitungsmuster werden jedenfalls auch bereits in Vorkriegszeiten fassbar. Wie steht es hingegen um die Verarbeitung des Erlebten in den Nachkriegszeiten? Die rechtliche Amnestie der Friedensverträge führte sicherlich nicht zu einer völligen Amnesie des Erlebten seitens der betroffenen Bevölkerungsgruppen. Georg Schmidt vertritt die These, dass „[d]er Dreißigjährige Krieg als Urkatastrophe und kollektives Trauma [als] die Erfindung einer Kampagne“ zu betrachten sei, und diesem Krieg sei zwar die Ablehnung weiterer Kriege, aber „kein kollektives Trauma“ gefolgt.⁴⁸ Gleichwohl stellte der Dreißigjährige Krieg eine erhebliche, nicht nur physische, sondern auch psychische Herausforderung für die davon betroffenen Soldaten, aber auch die Bevölkerung dar. Sehr vielversprechend erscheint in diesem Zusammenhang das von Claire Gantet programmatisch vorgestellte Konzept der Traumaforschung, das (ausgehend von dem Befund, dass seit etwa 1650 neben körperlichen durchaus auch psychische Kriegsverletzungen diagnostiziert wurden) für die Nachkriegszeit den pathologischen Spuren der Kriegsfolgen, -verarbeitung und -bewältigung nachzuspüren vorschlägt.⁴⁹ Die damit verbundenen Erklärungsansätze erscheinen gerade für transepochale Fragestellungen vielversprechend. Zwar wurden Kriegstraumata insbesondere für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, gerade in der jüngeren französischen Historiographie, thematisiert, für die Frühe Neuzeit lässt sich aber noch nicht von einer etablierten Traumaforschung, geschweige denn von einem befriedigenden Kenntnisstand in diesem Bereich sprechen. Bislang stehen etwa zum „Trauma“ des Dreißigjährigen Krieges sich widersprechende Hypothesen oder Behauptungen nebeneinander. Die Erforschung möglicher Kriegstraumata in der Frühen Neuzeit und ihre Einbindung in epochenübergreifende Analysen verspricht näheren Aufschluss über die daraus resultierenden mentalen Dispositionen und damit über soziale und kulturelle Voraussetzungen von Konfliktbewältigung und Friedensfähigkeit.

 Schmidt, Deutungen des Dreißigjährigen Krieges, S. 21 u. 23.  Gantet, Guerre de Trente ans.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

31

4 Fazit Es zeigt sich nicht nur an den Auseinandersetzungen mit dieser Frage, dass die Wiederherstellung des Friedens nicht allein durch formale Schritte wie die Unterzeichnung eines Friedensabkommens zu erreichen war. Zwar ist die Frühneuzeit-Forschung im Hinblick auf Vor- und Nachkriegszeiten, die Übergangsperioden zwischen Kriegs- und Friedenszuständen sowie die damit verbundenen spezifischen (gegebenenfalls handlungsleitenden) Erfahrungen und Erwartungshaltungen als defizitär zu bezeichnen. Dennoch zeigt auch der aktuelle Forschungsstand, dass die Rekonstruktion des Friedens als komplexe und langwierige Aufgabe zu verstehen ist. Die Lösung dieser Aufgabe, zu der in der Vergangenheit neben politischen auch gesellschaftliche Akteure einen maßgeblichen Beitrag leisteten, gelang nur durch die Bewältigung besonderer, nicht nur politischer, sondern auch sozialer und kultureller (vielfach existentieller) Herausforderungen. Während die Übergänge zwischen Krieg und Frieden und vice versa auf verschiedenen Ebenen (politisch, rechtlich, sozial, kulturell, wirtschaftlich etc.) zu unterschiedlichen (etwa konfessionell divergierenden) Deutungen führten – und damit die Abgrenzung zwischen Krieg und Frieden eher graduell als kategorial erscheinen lassen –, erweist sich das Zusammenspiel vielfältiger, sowohl politisch-völkerrechtlicher wie auch sozial-kultureller Faktoren als notwendige Voraussetzung für die Entwicklung von Friedensfähigkeit und die Herstellung einer relativ beständigen Friedensordnung. Dies gilt auch, seit sich „Frieden“ von einem umfassenden, politische und religiöse sowie gesellschaftliche concordia voraussetzenden Konzept im Laufe der Frühen Neuzeit tendenziell auf die Abwesenheit von Krieg reduzierte.⁵⁰ Gerade die sozialen und kulturellen Aspekte scheinen bisher jedoch im Hinblick auf die Frühe Neuzeit – ebenso wie in transepochaler Perspektive – nur unzureichend erforscht. Damit verbunden erweisen sich die Übergänge zwischen Krieg und Frieden ebenso wie diejenigen zwischen Frieden und Krieg als mehrdimensional, kontext- und akteursabhängig und gegebenenfalls individuell, politisch oder konfessionell unterschiedlich akzentuiert. Im Hinblick auf epochenübergreifende Fragestellungen und auf aktuelle Konfliktlagen versprechen einschlägige historische Forschungen zur Frühen Neuzeit mithin weniger die Bereitstellung konkreter Lösungsmuster als vielmehr die Entschlüsselung der komplexen Prozesshaftigkeit von Friedensgewinnung und Friedensverlust und des – funktionalen oder dysfunktionalen – Zusammenspiels unterschiedlicher diese Prozesse beeinflussender oder gar  Zur Entwicklung des Friedenskonzepts in der Frühen Neuzeit vgl. Kampmann, Friede (mit weiterer Literatur).

32

Guido Braun

determinierender politischer, rechtlicher, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Faktoren.

Quellen Acta Pacis Westphalicae (APW). Hrsg. durch die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e. V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie I: Instruktionen. Serie II: Korrespondenzen. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. 48 Bde. Münster 1962 – 2015. Dethlefs, Gerd (Hrsg.): Der Frieden von Münster 1648. Der Vertragstext mit einem zeitgenössischen Druck und die Beschreibung der Ratifikationsfeiern. Unter Mitarbeit von Johannes Arndt und Ralf Klötzer. Münster 1998.

Literatur Braun, Guido: Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs, 1648 – 1789. Darmstadt 2008. Braun, Guido: Assecuratio pacis. Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie, 1648 – 1815. Münster 2011. Braun, Guido: Avant la guerre: attitudes d’attente et actions expectatives au XVIIe siècle. Vor dem Krieg: Erwartungshaltungen und -handlungen im 17. Jahrhundert. Tagungsbericht. Tagung veranstaltet am Deutschen Historischen Institut Paris von Albert Schirrmeister in Verbindung mit Rainer Babel, 6. und 7. Oktober 2014, in: H-Soz-Kult, 19. 12. 2014. URL: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5741 (abgerufen am 15. 06. 2020). Braun, Guido: Friedensutopien in der Frühen Neuzeit. Éméric Crucé und die Idee einer supranationalen Friedenssicherungsinstanz – Vorläufer der UNO?, in: Peter Geiss/Peter Arnold Heuser (Hrsg.), Friedensordnungen in geschichtswissenschaftlicher und geschichtsdidaktischer Perspektive. Göttingen 2017, S. 97 – 116. Braun, Guido/Lachenicht, Susanne (Hrsg.): Hugenotten und deutsche Territorialstaaten. Immigrationspolitik und Integrationsprozesse. München 2007. Braun, Guido/Strohmeyer, Arno (Hrsg.): Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner zum 65. Geburtstag. Münster 2013. Brétéché, Marion: Les compagnons de Mercure. Journalisme et politique dans l’Europe de Louis XIV. Ceyzérieu 2015. Brétéché, Marion: De la mort de Charles II à la guerre de Succession d’Espagne: l’horizon de la guerre et son pronostic dans la presse francophone, in: Les Dossiers du Grihl 2017 – 01. URL: https://journals.openedition.org/dossiersgrihl/6608 (abgerufen am 15. 06. 2020). Burkhardt, Johannes: Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für Historische Forschung 24 (1997), S. 509 – 574.

Vom Frieden zum Krieg und vom Krieg zum Frieden

33

Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hrsg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. 26. Europaratsausstellung. Münster/Osnabrück 24. Okt. 1998 bis 17. Jan. 1999. Ausstellungskatalog. [Münster] 1998. Cornette, Joël: Le Roi de guerre. Essai sur la souveraineté dans la France du Grand Siècle. Paris 2010 (Taschenbuchausgabe, Erstdruck 1993). Debbagi-Baranova, Tatiana: Préparer la guerre dans l’incertitude: Le cas de la „Déclaration du Roy de Navarre contre les calomnies publiées es protestation de ceux de la Ligue“ (1585), in: Les Dossiers du Grihl 2017 – 01. URL: https://journals.openedition.org/dossiersgrihl/ 6561 (abgerufen am 15. 06. 2020). Drévillon, Hervé: Les Rois absolus, 1629 – 1715. Paris 2014 (Taschenbuchausgabe, Erstdruck 2011). Duchhardt, Heinz: Der Weg in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges. Die Krisendekade 1608 – 1618. München 2017. Duchhardt, Heinz: Ein doppeltes „Westphalian System“? Der Westfälische Friede, das Reich und Europa, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 68/30 – 31 (2018), S. 34 – 40. El Kenz, David: „L’avant-guerre“ des guerres de Religion, d’après les lettres historiques d’Etienne Pasquier, in: Les Dossiers du Grihl 2017 – 01. URL: https://journals.openedition. org/dossiersgrihl/6545 (abgerufen am 15. 06. 2020). Espenhorst, Martin: Zur Einführung, in: Heinz Duchhardt, Frieden im Europa der Vormoderne. Ausgewählte Aufsätze 1979 – 2011. Hrsg. und eingeleitet von Martin Espenhorst. Paderborn [u. a.] 2012, S. IX – XIV. Gantet, Claire: La paix de Westphalie (1648). Une histoire sociale, XVIIe – XVIIIe siècles. Paris 2001. Gantet, Claire: Guerre de Trente ans et paix de Westphalie: un bilan historiographique, in: XVIIe siècle 277 (2017), S. 645 – 666. Gotthardt, Axel: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung. Köln/Weimar/Wien 2016. Hammerstein, Elisabeth von: Ein Westfälischer Frieden für den Nahen Osten?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 68/30 – 31 (2018), S. 41 – 45. Hartmann, Anja Victorine: Von Regensburg nach Hamburg. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem französischen König und dem Kaiser vom Regensburger Vertrag (13. Oktober 1630) bis zum Hamburger Präliminarfrieden (25. Dezember 1641). Münster 1998. Kaiser, Michael: 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren, in: Zeitschrift für Historische Forschung 45 (2018), S. 715 – 797. Kampmann, Christoph: Friede, in: Friedrich Jaeger (Hrsg.), Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 4. Stuttgart/Weimar 2006, Sp. 1 – 21. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg – Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart 2008. Kampmann, Christoph: Kollektive Sicherheit und universale Friedensordnung. Friedensstrategien in europäischen Friedensverträgen der Vormoderne, in: Maximilian Lanzinner (Hrsg.), Sicherheit in der Vormoderne und Gegenwart. Paderborn [u. a.] 2013, S. 57 – 70. Kampmann, Christoph/Lanzinner, Maximilian/Braun, Guido/Rohrschneider, Michael (Hrsg.): L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens. Münster 2011.

34

Guido Braun

Klesmann, Bernd: Bellum solemne. Formen und Funktionen europäischer Kriegserklärungen des 17. Jahrhunderts. Mainz 2007. Lemaître, Nicole: L’Europe et les Réformes au XVIe siècle. Paris 2008. Le Roux, Nicolas: Les Guerres de religion, 1559 – 1629. Paris 2014 (Taschenbuchausgabe, Erstdruck 2009). Meyer, Jean: La France moderne, de 1515 à 1789. Paris 1985. Milton, Patrick/Axworthy, Michael/Simms, Brendan: Towards a Westphalia for the Middle East. London 2018. Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 – 1648. Berlin 2017. Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg: Ein Bürgerkrieg, der zugleich ein Hegemonialkrieg war, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 68/30 – 31 (2018), S. 26 – 33. Oschmann, Antje: Der Nürnberger Exekutionstag 1649 – 1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991. Repgen, Konrad: Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 – ein befristetes Agreement, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 175 – 216. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649). Münster 2007. Schirrmeister, Albert: La Grande guerre qui n’a pas eu lieu – agir au futur dans l’historiographie, in: Les Dossiers du Grihl 2017 – 01. URL: https://journals.openedition. org/dossiersgrihl/6660 (abgerufen am 15. 06. 2020). Schirrmeister, Albert (Hrsg.): Agir au futur. Attitudes d’attente et actions expectatives = Les Dossiers du Grihl 2017 – 01. URL: https://journals.openedition.org/dossiersgrihl/6515 (abgerufen am 15. 06. 2020). Schmidt, Georg: Der Dreißigjährige Krieg. 2. überarb. Aufl. München 1996. Schmidt, Georg: Deutungen des Dreißigjährigen Krieges: Mythos, Legenden und Einsichten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 68/30 – 31 (2018), S. 17 – 23. Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018. Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Arnke, Volker/Bartke, Tobias (Hrsg.): Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010. Tischer, Anuschka: Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis. Berlin 2012. Wright, Quincy: How Hostilities Have Ended: Peace Treaties and Alternatives, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 392 (1970), S. 51 – 61.

Teil II: Vom Frieden zum Krieg und Frieden im Krieg

Maria-Elisabeth Brunert

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19 1 Einleitung Der Dreißigjährige Krieg gilt als der brutalste Krieg in der deutschen Geschichte bis zum Ersten Weltkrieg.¹ Als „Krieg der Kriege“ habe er wegen seiner „monströsen“ Länge zu gelten, so Johannes Burkhardt, aber auch im Sinne einer Kumulierung von Einzelkriegen.² Seit langem hat sich eine reiche Forschungsliteratur mit diesem Krieg oder einzelnen Facetten desselben beschäftigt und erhielt in den letzten Jahren, bedingt durch das Gedenkjahr 2018, nochmals beträchtlichen Zuwachs.³ Zu den bisherigen Resultaten zählt die Feststellung, dass „kaum zu klären“ sei, „ob dieser Krieg purer Zufall, eine Laune der Fortuna, das Versagen oder der Wille der Handelnden war“.⁴ Der „Prager Fenstersturz“ vom 23. Mai 1618 wird zwar „üblicherweise“⁵ als Anlass des Dreißigjährigen Krieges gewertet, doch folgte auf ihn eine über einjährige Zeitphase, in der es ernsthafte Friedensinitiativen, aber keine überregionalen Kampfhandlungen gab, die sich eindeutig als Beginn eines allgemeinen Krieges werten lassen. Das wirft die Frage auf, welche Faktoren es waren, die schließlich doch eine Wende hin zum „Großen Krieg“ markierten. Am Beginn steht die Behandlung jenes Ereignisses vom 23. Mai 1618, das in der Historiographie als „Prager Fenstersturz“ bekannt ist. Wenngleich er zu den „bekanntesten Anlassfälle[n] für einen Krieg in der Geschichte“ gerechnet wird,⁶ ist doch seine Relevanz umstritten. Nicht nur der „Fenstersturz“, sondern auch jene Vorgänge, in die er eingebettet war, sollen daher zunächst in ihrer Bedeutung für den Krieg beleuchtet werden (2). Sodann stehen zwei fast gleichzeitige politische Ereignisse im Fokus der Analyse: die Wahl Kurfürst Friedrichs V. von der Pfalz (1596 – 1632) zum böhmischen König am 26. August 1619 und die Wahl des

 Rebitsch, Einleitung, S. 9.  Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 9 f.  22 Publikationen der Jahre 2014– 2018 rezensiert Kaiser, 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme.  Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 23.  Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe, S. 155; ferner Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 162; Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 25: „Am Anfang war der Fenstersturz“.  Rebitsch, Einleitung, S. 9. https://doi.org/10.1515/9783110703795-004

38

Maria-Elisabeth Brunert

Habsburgers Ferdinand zum Römischen König zwei Tage später. Sie sind als „Wendepunkte“ im politischen Handeln Johann Georgs I. von Sachsen (1585 – 1656) benannt worden,⁷ der als Kurfürst und Reichsvikar in den Monaten der Thronvakanz, aber auch schon in den vorangehenden Monaten durch seinen Einsatz für die Friedenswahrung, zu den wichtigsten Akteuren in der Zeit vom Sommer 1618 bis zum Sommer 1619 zählt. Waren die beiden Wahlen aber auch Wendepunkte in der allgemeinen politischen Entwicklung hin zum Krieg (3)? Es schließt sich die Analyse an, welche Faktoren die Wende vom Frieden zum Krieg bewirkt haben. Dabei wird auch die Frage untersucht, warum die entscheidenden Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg in Historiographie und didaktischen Darstellungen in der Regel weniger Aufmerksamkeit erfahren als die Prager Vorgänge vom 23. Mai 1618 (4). Das Fazit akzentuiert die Wendepunkte auf dem Weg in den Krieg, die in die Monate August bis Oktober 1619 fallen (5).

2 Der „Fenstersturz“: Böhmische Quisquilien oder Ständerevolte von reichsweiter Relevanz? Am 23. Mai 1618 warfen radikale Vertreter der protestantischen böhmischen Ständeopposition zwei der kaiserlichen Statthalter namens Wilhelm von Slawata und Jaroslav von Martinitz in der Prager Burg aus dem Fenster. Als dritter folgte der Kanzleisekretär Philipp Fabricius.⁸ Dieses Ereignis ist in der Historiographie als „Prager Fenstersturz“ bekannt. Die Bedeutung dieses oft plakativ und auch als Buchtitel verwendeten Begriffes⁹ ist nicht selbsterklärend, sondern bedarf der Erläuterung: Es handelt sich um einen böswillig von Dritten verursachten Sturz mehrerer Personen aus dem Fenster eines Amtsgebäudes in Prag, das in beträchtlicher Höhe lag, sodass die Verursacher mit dem Tod der vom Fenstersims aus Herabgestoßenen rechnen konnten. Tatsächlich trugen die „Defenestrierten“ erstaunlicherweise keine lebensbedrohlichen Verletzungen davon, obwohl sie siebzehn Meter tief fielen. Insofern scheint zunächst nachvollziehbar, diese Prager Aktion als böhmische „Quisqui Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 258 – 282: Kapitel I, Teil B, Abschnitt 3: „Wendepunkte: Die böhmische Königswahl und die Frankfurter Kaiserwahl (Juli – August 1619)“. Zum sächsischen Reichsvikariat während der Thronvakanz ebd., S. 23 u. 223 f.  Rebitsch, Einleitung, S. 8 (dort auch die folgende Höhenangabe).  Verwendung als Buchtitel bei Pick, Der Prager Fenstersturz i. J. 1618; die für das Gedenkjahr 1918 gedachte Publikation wurde kriegsbedingt erst 1919 veröffentlicht (Vermerk am Ende des Bandes). Die Erstverwendung des Begriffs „Prager Fenstersturz“ ist mir nicht bekannt. Er ist vermutlich in dieser Form vor dem 20. Jahrhundert selten oder gar nicht verwendet worden.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

39

lien“ zu bezeichnen,¹⁰ doch müssen die vorangehenden und folgenden Vorgänge in Betracht gezogen werden. Auslöser des „Fenstersturzes“ waren Schließung bzw. Abriss der evangelischen Kirchenneubauten in Braunau (Broumov) und Klostergrab (Hrob), was nach Ansicht der protestantischen Stände einen Bruch der Privilegien darstellte, die Kaiser Rudolf II. (1552– 1612) im Majestätsbrief vom 9. Juli 1609 gewährt hatte.¹¹ Die von den sogenannten dreißig „Defensoren“ (einem infolge des Majestätsbriefs gebildeten Gremium) einberufene Versammlung evangelischer Stände protestierte im März 1618, worauf Kaiser Matthias (1557– 1619)¹² in einem scharfen Schreiben antwortete und jede weitere Zusammenkunft der Protestanten untersagte. Ein zweites Schreiben, mit dem das Versammlungsverbot wiederholt wurde, folgte Ende April, ein drittes am 16. Mai. Die Adressaten versammelten sich entgegen der kaiserlichen Weisung am 21. Mai. Auf Veranlassung der kaiserlichen Statthalter kamen sie ins Schloss, wo ihnen das dritte kaiserliche Schreiben vorgelesen wurde. Sie sagten zu, es zu beantworten, und versammelten sich erneut am 22. Mai. Ein kleinerer Kreis, dessen Teilnehmer in den späteren Verhören nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden konnte, traf sich am selben Tag bei einem der aktivsten Ständeführer und verabredete sich zu dem, was am 23. Mai durch den „Fenstersturz“ umgesetzt wurde, der eigentlich hätte tödlich verlaufen müssen. Es handelte sich damit um die „geplante Ermordung“ kaiserlicher Statthalter, eine „wohlkalkulierte Provokation“ und „offene Insubordination einer Ständeopposition“, die zugleich Auswirkungen auf die allgemeine Situation in Böhmen haben musste.¹³ Es kam hinzu, dass die Aktivisten der Ständeopposition am Sonntag zuvor eine rechtfertigende Erklärung von den Kanzeln aller evangelischen Kirchen hatten verlesen lassen¹⁴ und sich damit im antikaiserlichen Sinn an die Öffentlichkeit gewandt hatten. Zudem blieb es nicht beim „Fenstersturz“, denn am 24. Mai konstituierte sich der Protestantentag als Landtag, wählte eine neue böhmische Regierung und beschloss die Auf-

 Axel Gotthard spricht hinsichtlich des Falls zweier Statthalter und eines Sekretärs „in einen Schlossgraben“ von „böhmischen Quisquilien“, siehe Gotthard, Die Ursachen des Dreißigjährigen Krieges, S. 65.  Detaillierte Schilderung bei Gindely, Geschichte des böhmischen Aufstandes, Bd. 1, S. 245 – 292. Zusammenfassend Kampmann, Europa und das Reich, S. 33 f.; Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe, S. 152; Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 159 – 162.  Ab 23. Mai 1611 König von Böhmen (Krönung an diesem Tag in Prag), ab 1612 Kaiser, siehe Press, Matthias (1612– 1619), S. 119 u. 123.  Zitate: „geplante Ermordung“: Kampmann, Europa und das Reich, S. 34; „wohlkalkulierte Provokation“: Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 162; „offene Insubordination einer Ständeopposition“: Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe, S. 152.  Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 160.

40

Maria-Elisabeth Brunert

stellung einer eigenen Armee.¹⁵ Somit ist der „Fenstersturz“, wenn man die Entschließungen des Folgetags hinzunimmt, mit Johannes Burkhardt als „die handgreifliche Form eines wohlgeplanten Regierungssturzes“ zu werten.¹⁶ Das gilt um so mehr, als ein solcher „Fenstersturz“ für die Böhmen symbolischen Charakter hatte, denn es war bereits die dritte derartige Aktion in ihrer Geschichte. Schon der erste „Fenstersturz“ markierte in gewisser Weise einen Kriegsbeginn. Er fiel in die Zeit der schweren Unruhen, die nach der Verbrennung von Jan Hus auf dem Scheiterhaufen (1415) in Böhmen ausbrachen. Als ein vom König eingesetzter katholischer Rat Ende Juli 1419 die Freilassung von inhaftierten „Kelchanhängern“ verweigerte, wurden 13 Schöffen in Prag aus dem Rathausfenster geworfen und damit getötet. Dieser erste „Fenstersturz“ gab das Signal für den allgemeinen Aufruhr, der in den ersten Hussitenkrieg mündete.¹⁷ Der zweite (von 1483) variierte das Geschehen insofern, als die aus dem Fenster geworfenen Ratsherren schon zuvor niedergestochen worden waren. Die Aktion „Fenstersturz“ war aber identisch, ebenso der Schauplatz (Amtsgebäude in Prag) und die betroffene Personengruppe (katholische Amtsträger). Daher ist davon auszugehen, dass die Ständevertreter 1618 in einem ritualisierten Akt bewusst an diese beiden älteren „Fensterstürze“ anschlossen.¹⁸ Der „Fenstersturz“ von 1618 war zwar einerseits ein regionaler böhmischer Konflikt,¹⁹ hatte aber andererseits von vornherein Relevanz für das Römische Reich, weil Böhmen wegen seiner Stimme bei der Kaiserwahl von Bedeutung war. Neben dieser verfassungsrechtlichen Relevanz für das Kaiserreich war Böhmen innerhalb der habsburgischen Herrschaftsgebiete in demographischer und wirtschaftlicher Hinsicht besonders wichtig. Auch lag es dem Reich geographisch und mental näher als das periphere Wien und war durch den Postkurs Frankfurt – Nürnberg – Prag mit dem „Medienstandort Frankfurt“ verbunden.²⁰ Insofern ist es

 Kampmann, Europa und das Reich, S. 34.  Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 492.  Hoensch, Geschichte Böhmens, S. 144; Rebitsch, Einleitung, S. 9.  Angelika Lampen spricht vom „Ritual des Fenstersturzes“: Lampen, Katalogeinträge zu den Nrn. 947– 949, S. 337 f. Zu den älteren „Fensterstürzen“ siehe Rebitsch/Höbelt/Schmidl, Einleitung, S. 7. Der zweite „Fenstersturz“ ist außerhalb Tschechiens und Österreichs relativ unbekannt. Dort wird meist erst jener von 1618 als der zweite gezählt, so von Bähr, Der grausame Komet, S. 13; analog auch bei Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 44. Ich danke Robert Rebitsch (Innsbruck) für weiterführende Hinweise.  Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 157 (Kapitel 4): „Böhmen oder wie ein regionaler Konflikt eskalierte“; Axel Gotthard spricht mehrfach von „regionalen böhmischen Querelen“ in: Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 45, 55, 297, 298, 360.  Rebitsch, Einleitung, S. 10; Duchhardt, Der Weg in die Katastrophe, S. 149; Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 47; zum Postkurs Behringer, Veränderung der Raum-Zeit-Relation, S. 47.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

41

bezeichnend, dass eine Frankfurter Zeitung im Juni 1618 mit Angabe des korrekten Datums von den strittigen Versammlungen der Stände in Prag, dem Hinauswurf dreier Personen aus dem Fenster der Hofkanzlei und ihrem Überleben berichtet hat. In derselben Zeitungsnummer werden Truppenwerbungen gemeldet. Die Berichterstattung setzte sich in den folgenden Monaten fort, sodass der Leser die „langsame Geburt dieses Krieges verfolgen“ konnte.²¹ Ihm muss sich somit früh der Ernst der politischen Lage mitgeteilt haben. Denn tatsächlich war sie besorgniserregend. Die politisch relevanten Akteure, an ihrer Spitze der Kaiser, waren durch die Prager Ereignisse alarmiert und sahen den Frieden in Gefahr: Kaiser Matthias informierte bereits am 30. Mai 1618 die Kurfürsten über die Prager Ereignisse²² und erhob die Angelegenheit damit auf Reichsebene. Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen bot mehrfach, und zwar zuerst am 12. Juli 1618, an, zwischen dem Kaiser und den böhmischen Ständen zu vermitteln.²³ Die Reaktion beider Seiten war zunächst wenig ermutigend. Sein wiederholtes Interpositionsangebot vom 1. August verband der Kurfürst mit der Warnung, eine militärische Auseinandersetzung in Böhmen werde den Frieden im Reich gefährden.²⁴ Damit war ausgesprochen, dass die Ausweitung zu einem Reichskrieg drohte. Auch Kurpfalz unterbreitete dem Kaiser ein Vermittlungsangebot. Der Kaiser reagierte darauf ablehnender als auf die kursächsischen Initiativen. Nach monatelangen Vorverhandlungen über eine Vermittlung in unterschiedlichen Konstellationen konkretisierten sich schließlich Pläne zu einem Interpositionstag in Eger, der für das Frühjahr 1619 geplant war. Der Tod des Kaisers (am 20. März 1619) verhinderte seine Verwirklichung.²⁵ Auch das Ausland war alarmiert. Frankreich war allerdings zu sehr mit innerfranzösischen Richtungskämpfen beschäftigt und reagierte daher mit Zurückhaltung. Anders Spanien, wo man die böhmische Rebellion gleich in europäischem Kontext sah. Der König beschloss eine bedeutende und schnelle Fi-

Anders, und im gegebenen Kontext einen unzutreffenden Eindruck evozierend, Gotthard, Die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Kriegs, S. 42: „Der Fenstersturz ereignete sich ja im Grenzsaum des Reichs, in einer Zone verdünnter Reichspräsenz […].“  Böning, Vom Krieg erzählen, S. 124. Text der Meldung aus Prag mit den Geschehnissen am 23. Mai, in die Gegenwartssprache übertragen, in Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 49, Edition in Behringer, Veränderung der Raum-Zeit-Relation, S. 57 f.  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 214; Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, S. 69.  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 214 f.  Ebd., S. 183.  Vgl. dazu den Beitrag von Volker Arnke in diesem Band. Zum kurpfälzischen Vermittlungsangebot Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 189.

42

Maria-Elisabeth Brunert

nanzhilfe für seinen nahen Verwandten, den Kaiser, und stellte zudem spanische Truppen zur Verfügung.²⁶ Der Faktor Dynastie wurde auch in anderer Hinsicht wirksam: Die Erzherzöge Ferdinand (der spätere Kaiser Ferdinand II., 1578 – 1637) sowie sein Vetter Maximilian, genannt „der Deutschmeister“ (1558 – 2. November 1618),²⁷ entmachteten im Juli 1618 den einflussreichen Berater des Kaisers, Kardinal Melchior Khlesl (1552– 1630), und setzten ihn außerhalb Wiens unter Arrest. Khlesl hatte unglücklich agiert, indem er einerseits scharfe Mandate gegen die Rebellen und deren mögliche Verbündete im Reich veranlasste und andererseits weitgehend untätig blieb, sodass die kaiserliche Politik orientierungslos schien. Der Entmachtung Khlesls kam erhebliche Bedeutung zu, da Kaiser Matthias politisch wenig begabt war, kein eigenes Profil hatte und es ihm an Willensstärke mangelte.²⁸ Mit Khlesls Ausschaltung begann der Aufstieg Erzherzog Ferdinands, der im Ruf stand, eine gegenreformatorische Politik zu verfolgen. Erstaunlicherweise war er dennoch mit nur zwei Gegenstimmen am 6. Juni 1617 in Prag zum König von Böhmen angenommen worden; im Mai 1618 wurde er zum künftigen König von Ungarn gewählt. Ferdinand war tatkräftig, konsequent und beharrlich,²⁹ ganz im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern im Kaiseramt, Rudolf und Matthias. Ferdinand wäre nicht zwangsläufig auf Matthias gefolgt, denn sein Onkel, Erzherzog Albrecht (1559 – 1621), hätte den Vorrang gehabt, wenn sich die Dynastie nicht darauf verständigt hätte, dass Ferdinand auch als Kaiser folgen sollte. Diese Absprachen waren vorrangig auf Erzherzog Maximilian (den Deutschmeister) zurückzuführen, der auch am Sturz Khlesls beteiligt war. Zumindest dieser geschah vor dem Hintergrund der Ereignisse in Prag, die es nicht hinnehmbar erscheinen ließen, dass die Reichspolitik als undurchsichtig und konturlos gelten konnte, eben weil in den Prager Vorgängen von Beginn an eine gravierende Herausforderung des Kaiserhauses und damit auch eine Gefährdung des allgemeinen Friedens gesehen wurde. Bis zum Frühjahr 1619 geschah allerdings auf politischem Gebiet nichts Entscheidendes. Die Vermittlungsbemühungen Kursachsens schleppten sich da-

 Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster, S. 53 – 55.  Angabe der Lebensdaten im Stemma bei Kampmann, Europa und das Reich, S. 30; ebd., S. 38, zum Folgenden.  Press, Matthias (1612– 1619), S. 114 u. 116.  Kampmann, Europa und das Reich, S. 32 u. 38 (auch zu der Verabredung, Erzherzog Ferdinand für die Nachfolge im Reich zu bestimmen). Einer der beiden Abweichler bei der „Annahme“ Ferdinands 1617 zum König von Böhmen war Graf Heinrich Matthias von Thurn (1567– 1640), der zum Anführer der böhmischen Opposition 1618 wurde, siehe Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 346 u. 349 f.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

43

hin, wohl auch dadurch behindert, dass Kaiser Matthias kränklich und noch inaktiver war als schon zuvor. Jedenfalls waren die Interpositionsversuche noch nicht in ein entscheidendes Stadium getreten, als der Kaiser starb. Für den August 1619 sind daraufhin mit Kaiser- und Königswahl zwei folgenschwere Ereignisse auf dem Weg in den Krieg zu verzeichnen.

3 Königswahl in Prag und Kaiserwahl in Frankfurt als „Wendepunkte“³⁰ zum Krieg? Durch den Tod des Kaisers Matthias am 20. März 1619 entstand eine für den designierten Nachfolger Ferdinand und das Haus Habsburg höchst gefährliche Situation. Die kaiserlichen Erblande versuchten, seiner Herrschaftsübernahme zu entgehen, denn Ferdinand hatte sich durch gegenreformatorische Maßnahmen bei den Protestanten in Misskredit gebracht. In Ober- und Niederösterreich war ihre Anzahl beträchtlich, zumal unter dem Adel. Das war deshalb brisant, weil der erbländische Adel vielfach mit Böhmen verbunden war. Im oberösterreichischen Linz übernahmen die Stände die Verwaltung des Landes. Truppen der böhmischen Stände drangen Anfang Juni 1619 bis nach Wien vor, mussten sich allerdings wegen ihrer unzulänglichen Ausrüstung wieder zurückziehen. Ober- und Niederösterreicher schlossen sich der böhmischen Konföderationsakte an, Truppen aus Siebenbürgen fielen in Ungarn und Niederösterreich ein – das politische Ende Ferdinands schien in Sicht³¹ und womöglich das Ende der habsburgischen Herrschaft in den Erblanden. In dieser Lage brachte die Kaiserwahl in Frankfurt am 28. August 1619 den Wendepunkt, und zwar sowohl für Ferdinand als auch für die Herrschaft der Habsburger, die erneut gefestigt werden konnte. Er bedeutete gleichzeitig eine Wende hin zum Krieg, nämlich zur militärischen Niederwerfung der aufrührerischen Stände in den Erblanden und Böhmen. Dass es aber ein „großer“, europäischer Krieg wurde, entschied sich vorläufig am 26. August in Prag mit der Wahl Kurfürst Friedrichs V. von der Pfalz zum König von Böhmen und endgültig zwi-

 Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 258 – 282, behandelt diese „Wendepunkte“ in seiner Untersuchung der kursächsischen Politik im Zeitraum von Juli bis August 1619. Eine spezielle Erläuterung gibt er dazu nicht. Dem Zusammenhang nach geht der Phase, in die die „Wendepunkte“ fallen, die Zeit voran, in der die kursächsischen Interpositionsbemühungen an die Grenze der politischen Gestaltungsfähigkeit stießen; es folgt ihr die Phase, in der sich Kursachsen politisch an die Seite des Kaisers begab.  Strohmeyer, Die habsburgischen Erbländer, S. 96 – 98.

44

Maria-Elisabeth Brunert

schen dem 24. und 28. September 1619, als Friedrich trotz zahlreicher und, wie sich spätestens bei der Schlacht am Weißen Berg am 8. November 1620 zeigen sollte, völlig berechtigter Warnungen die Wahl annahm.³² Die Wahl eines nicht-böhmischen Kandidaten bedeutete eine unabsehbare Ausweitung des Konflikts, auch wenn sich die auswärtigen Mächte zunächst zurückhielten: Der englische König unterstützte die böhmischen Pläne seines Schwiegersohns Friedrich nicht, fühlte sich aber später zur Verteidigung von dessen pfälzischen Erblanden verpflichtet.³³ Ähnlich die Generalstaaten, die zunächst auf ihren bis 1621 terminierten Waffenstillstand mit Spanien verwiesen, später aber immerhin 50 000 Gulden monatlich gaben, wobei eine Rolle gespielt haben wird, dass Friedrichs Mutter eine Oranierin war.³⁴ Nicht (nur) wegen dieser Zuwendungen bedeutete die Verbindung des Kurpfälzers mit den Generalstaaten eine Europäisierung des Konflikts, sondern vor allem wegen des Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieges zwischen den Nördlichen Niederlanden und Spanien. Am 9. April 1609 hatten die Kontrahenten zwar einen zwölfjährigen Waffenstillstand geschlossen, doch 1621 wurde der Krieg fortgesetzt.³⁵ Wie also die Oranier bzw. die Generalstaaten Friedrich von der Pfalz eine gewisse Unterstützung angedeihen ließen, so stand Spanien auf der Seite der österreichischen Habsburger, und zwar eben nicht nur aus verwandtschaftlich-dynastischen Gründen, sondern auch auf Grund der spanischen Herrschaftsansprüche auf die Niederlande. Das Interesse Spaniens kam auch dadurch zum Ausdruck, dass der spanische Gesandte Íñigo Vélez de Guevara,VIII conde de Oñate (1597– 1658), während des Frankfurter Wahltags 1619 von der Stadt Höchst aus die Vorgänge aufmerksam verfolgte.³⁶ Zunächst war ungewiss, ob Ferdinand gewählt werden würde, denn nicht alle Kurfürsten favorisierten den Habsburger. Der Kurfürst von der Pfalz bzw. seine Räte hatten schon zu Lebzeiten des Kaisers Matthias versucht, Herzog Maximilian von Bayern (1573 – 1651) als alternativen Kandidaten für den Kaiserthron zu gewinnen, und zwar mit dem Argument, damit eine habsburgische Erbmonarchie zu verhindern und die „deutsche Libertät“³⁷ zu retten. Doch scheiterten diese Versuche an der Weigerung Maximilians.³⁸

 Das genaue Datum ist unbekannt, siehe Bilhöfer, „Außer Zweifel ein hoch verständiger Herr und tapferer Kavalier“, S. 24.  Weiß, Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz, S. 125.  Hoensch, Geschichte Böhmens, S. 221. Zu Friedrichs Mutter Louise Juliane (1576 – 1644) siehe Schubert, Friedrich V., S. 535 f.  Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 48.  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 280, Anm. 323.  Insbesondere die Protestanten sahen in dem Haus Habsburg, das, so die Befürchtung, eine Erbmonarchie anstrebe, eine Bedrohung der reichsständischen Freiheit („Libertät“). In Zuspit-

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

45

Die kursächsischen Gesandten kamen mit der Instruktion nach Frankfurt, sich um eine neue Vermittlungsinitiative des Kurkollegs zur Beilegung des Konflikts in Böhmen zu bemühen. Als sich zeigte, dass auch Kurpfalz und Kurbrandenburg zuerst über die Böhmischen Unruhen beraten und erst dann die Wahl vornehmen wollten, während die geistlichen Kurfürsten auf der umgekehrten Reihenfolge bestanden, brach Kursachsen die entstandene Pattsituation auf und stimmte bei der Wahl am 28. August mit den geistlichen Kurfürsten, sodass Ferdinand einstimmig gewählt wurde. Denn der Kurpfälzer Gesandte hatte zwar zunächst für Maximilian von Bayern votiert, schloss sich aber letztlich instruktionsgemäß dem einstimmigen Votum der übrigen für Ferdinand an.³⁹ Die Wahl geschah im Wissen, dass fast gleichzeitig in Prag entscheidende Schritte vorgenommen wurden, die Krieg unausweichlich machten: Am 19. August wurde Ferdinand als König von Böhmen abgesetzt, am 26. August Friedrich von der Pfalz zum König von Böhmen gewählt. Das war auf Seiten der Aufständischen der point of no return, der entscheidende Schritt zum Krieg.⁴⁰ Die Wähler in Frankfurt wussten im Prinzip, was bevorstand. Beklemmend mutet die Prognose des Kölner Kurfürsten Ferdinand von Bayern (1577– 1650) an, der gegenüber einem Kurpfälzer Beauftragten äußerte, falls es in Böhmen zur Wahl eines „Gegenkönig[s]“ komme, möge man sich auf einen zwanzig-, dreißigoder vierzigjährigen Krieg gefasst machen, denn Spanien und das Haus Österreich würden eher alles, was sie besäßen, einsetzen, als Böhmen aufzugeben, ja Spanien sei sogar bereit, die Niederlande fahren zu lassen, um zu verhindern, dass dem Haus Habsburg die Herrschaft in Böhmen so „schimpflich“ und gewalttätig entwunden werde.⁴¹ Das Engagement Spaniens zeigte sich gleich nach der Kaiserwahl. Noch in Frankfurt kam es zu einer Besprechung Ferdinands mit den geistlichen Kurfürsten unter Hinzuziehung Oñates. Die Einbindung Maximilians von Bayern wurde ins Auge gefasst, die Aufstellung eines Ligaheeres geplant, ebenso die Beteiligung

zung auf die spanische Linie des Hauses lautete der Vorwurf schon vor 1618, die hispanische Weltmacht wolle die freie kurfürstliche Wahl und die „deutsche Libertät“ beseitigen (Belege bei Peer Schmidt, Spanische Universalmonarchie oder „teutsche Libertet“, 120 – 124).  Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 499; ebd., S. 494, zu Plänen des in pfälzischen Diensten stehenden Fürsten Christian von Anhalt, die Vorgänge in Böhmen zu einem großen Krieg gegen Habsburg zu nutzen und Kurfürst Friedrich die böhmische Krone zu verschaffen.  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 270 – 275. Zu den Motiven für das pfälzische Wahlverhalten siehe Schubert, Ludwig Camerarius (1573 – 1651), S. 113.  Strohmeyer, Die habsburgischen Erbländer, S. 97.  Gindely, Geschichte des böhmischen Aufstandes, Bd. 2, S. 164. Ebd. auch zu Kurpfälzer Versuchen, die anderen Kurfürsten von der Wahl des Habsburgers abzuhalten.

46

Maria-Elisabeth Brunert

einer Armee, die aus den Spanischen Niederlanden herangezogen werden sollte.⁴² Von Frankfurt ging es nach München zu Herzog Maximilian, um die konkreten Kriegsplanungen in Angriff zu nehmen. Auf dem Weg dorthin erfuhr Ferdinand, dass der Fürst von Siebenbürgen, Gábor Bethlen, in Ungarn eingefallen war und den Böhmen zu Hilfe eilte. Ferdinand reichte das Wasser damit „bis zum Halse“,⁴³ aber als Kaiser verfügte er über Position und Mittel, die Bedingungen Maximilians von Bayern zu erfüllen, damit dieser Organisation und Führung des Heeres übernahm, das Ferdinand benötigte, um die Aufständischen in den Erblanden und in Böhmen zu unterwerfen. Neben anderen Bedingungen war es ein Versprechen, das in seinen Auswirkungen dazu beitrug, den Krieg zu verlängern, bis es schließlich im Westfälischen Friedensvertrag 1648 realisiert war: die Zusage, die pfälzische Kurwürde auf Maximilian und seine Nachkommen zu übertragen.⁴⁴ Diese wiederum unter Mitwirkung Oñates zustande gekommenen Münchener Vereinbarungen vom Oktober 1619 verdeutlichen, warum gerade die Kaiserwahl als Wendepunkt zum „großen“ Krieg anzusehen ist: Einzig in seiner Funktion als Kaiser konnte Ferdinand diese Zusage geben und so die dringend benötigte Hilfe des Bayernherzogs gewinnen, der die Ressourcen aufbieten konnte, um Ferdinand in seiner höchsten Bedrängnis beizustehen und ihn in die Lage zu versetzen, seine Herrschaft überhaupt anzutreten. Maximilians Bedingungen aber waren mitverantwortlich für die Länge des Krieges.

4 Strukturelle, institutionelle, personelle und situative Faktoren beim Übergang vom Frieden zum Krieg Fragt man nach den Faktoren, welche die Entstehung des Dreißigjährigen Kriegs begünstigten, so ist, wenn man auf die Lage im Sommer 1618 schaut, zunächst auf die Institutionen Kaiser- und Königtum zu verweisen. Auf die provokative Insubordination der böhmischen Stände und die geplante, wenn auch fehlgeschlagene Ermordung der kaiserlichen Statthalter mussten Kaiser bzw. König mit Rücksicht auf die Reputation energisch reagieren. Wenn Kaiser Matthias dennoch relativ verhalten agierte, so ist das mit seiner Persönlichkeit zu erklären, die ihn eine vergleichsweise weiche Linie verfolgen ließ, da ihm die Entschiedenheit

 Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 503.  Ebd., S. 504.  Einzelheiten bei Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 506 – 508.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

47

Ferdinands generell abging.⁴⁵ Solange Matthias lebte, kam es weder zu einem entschlossenen Vorgehen gegen die böhmischen Stände noch zu einem Ausgleich mit ihnen, denn die von Kursachsen angestoßenen Verhandlungen über eine Vermittlung kamen kaum voran. In dieser Zeit konnten die Stände Truppen werben, nach Verbündeten und Unterstützern und nicht zuletzt nach Kandidaten für den böhmischen Königsthron suchen. Die Aufstandsbewegung entwickelte währenddessen durch ihre Auswirkungen auf die übrigen Erbländer eine gefährliche Dynamik. Auch Matthias’ Tod brachte zunächst keine entscheidende Wende, sondern erst die Kaiserwahl Ferdinands, der nun die Machtmittel in die Hand bekam, um ein erfolgversprechendes militärisches Vorgehen gegen die aufrührerischen Stände in Österreich und Böhmen einzuleiten. Bei der Zusage des neugewählten Kaisers gegenüber Maximilian von Bayern, diesem als Lohn für dessen Hilfe die pfälzische Kurwürde zu verschaffen, war der Faktor Dynastie von Bedeutung, denn es entsprach einem viele Generationen hindurch verfolgten Ziel der bayerischen Wittelsbacher, die pfälzische Kurwürde zu erringen.⁴⁶ Im Oktober 1619 sah der Herzog die Chance, das alte Familienziel zu realisieren. Maximilian ergriff sie und hielt daran fest, bis sie 29 Jahre später im Westfälischen Frieden verwirklicht war.⁴⁷ In langfristiger Perspektive ist bekanntlich die konfessionelle Spaltung des Reichs und das dadurch bedingte Versagen wichtiger Reichsinstitutionen für den Dreißigjährigen Krieg verantwortlich gemacht worden.⁴⁸ Betrachten wir vorrangig Böhmen, da dort der Konflikt, der zum Dreißigjährigen Krieg führte, seinen Ausgang nahm: Es ist den innerdynastischen Auseinandersetzungen, dem sogenannten „Bruderzwist im Hause Habsburg“,⁴⁹ anzulasten, dass die Stände-

 Kaiser Matthias verwies in einem Schreiben an die in Prag versammelten Ständevertreter vom 18. Juni 1618 darauf, dass er zur „rettung vnserer Kayserlichen vnd Königlichen Reputation“ Befehl zur Anwerbung von Truppen gegeben habe; Text in: Apologia Oder Protestation aller Dreyer des Königreichs Böhaimb […] Ständt, 1618 (letzte, nicht paginierte Seite). Belege für die weiche Linie des Kaisers im Gegensatz zu jener Ferdinands: Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, S. 73.  Die bayerischen Wittelsbacher erstrebten die Kurwürde seit 1356, Einzelheiten bei Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 43.  Art. IV.3 IPO = § 11 IPM, in: Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. B, Bd. 1, Teilbd. 1, bearb. von Antje Oschmann, 1998, S. 100.  Zur schweren Beschädigung der Reichsverfassung „am Ende der Ära Rudolfs II.“ siehe Lanzinner, Das konfessionelle Zeitalter 1555 – 1618, S. 192– 195; ebd., S. 195: Rudolf habe ein „katastrophales Erbe“ hinterlassen. Zur Frage, ob und inwieweit der Dreißigjährige Krieg ein Konfessionskrieg war, jüngst Rebitsch/Höbelt/Schmidl, Einleitung, S. 10 f. (in Auseinandersetzung mit den Positionen Axel Gotthards).  Hoensch, Geschichte Böhmens, S. 205.

48

Maria-Elisabeth Brunert

opposition zu einem machtvollen Faktor wurde. Böhmen war deshalb vorrangig betroffen, weil es Kaiser Rudolf bis 1611 verblieb, während er Ungarn, Österreich und Mähren bereits im Juni 1608 an seinen Nachfolger Matthias hatte abtreten müssen. So kam es zu dem bekannten Majestätsbrief vom 9. Juli 1609, in dem Rudolf im Bemühen um Machterhalt den böhmischen Ständen konfessionelle und politische Zugeständnisse machte.⁵⁰ An ihm entzündeten sich die Auseinandersetzungen, die zu den Prager Ereignissen vom Mai 1618 führten.⁵¹ Die Dynastie erscheint damit zumindest dann als Risikofaktor, wenn, wie in diesem Fall, zwei ungeeignete bzw. wenig geeignete Herrscher wie Rudolf und Matthias aufeinander folgten und die Agnaten zwar schließlich eingriffen, aber die völlige Entmachtung des ungeeigneten Herrschers unterblieb. Dies lässt sich auch auf andere Herrschaftsformen übertragen: Es ist immer die Frage, ob politisch Verantwortliche eingreifen, wenn ungeeignete Persönlichkeiten an der Regierungsspitze eine Politik betreiben, die eine Gefahr für den Frieden bedeutet. In kurzfristiger Perspektive trugen 1618/1619 zufällige Faktoren dazu bei, dass die Entwicklung auf einen Krieg zulief. Dazu zählt der Tod des Kaisers Matthias,⁵² der in gewisser Weise zu früh und zu spät starb: zu früh, um die Chance auf einen durch Vermittlung herbeigeführten Ausgleich zu wahren, zu spät, als dass sein politisch besser begabter, willensstarker Vetter Ferdinand durch eine frühere Wahl zum Kaiser und eine energische Herrschaftsführung den auf militärische Konfrontation zielenden Entschließungen der Konföderierten und ihrer Suche nach einem Kandidaten für die böhmische Königswahl hätte zuvorkommen können. Die durch Matthias’ Tod notwendige Kaiserwahl im August 1619 führte zu einem situativen Moment, dem Auswirkungen auf die politisch-militärischen Ereignisse zugeschrieben worden sind: Das Frankfurter Resultat wurde in Böhmen erst nach dem dortigen Wahlakt bekannt. Nach Ansicht Gindelys hätte die Einstimmigkeit der Kaiserwahl die Konföderierten bei rechtzeitigem Eintreffen der Nachricht in Prag so sehr gegen den Pfälzer Kurfürsten eingenommen, dass sie ihn kaum gewählt hätten.⁵³ Diese Hypothese bleibt aber letztlich spekulativ. Ebenso ist ungewiss, ob ein anderes Zuspätkommen Auswirkungen gehabt hat: Kurpfalz

 Ebd., S. 206 f.; zum Inhalt auch Lanzinner, Das konfessionelle Zeitalter 1555 – 1618, S. 185.  Die Aufständischen wie auch der Kaiser beriefen sich auf ihn, aber in unterschiedlicher Interpretation, siehe Tischer, Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit, S. 167.  Vgl. zu den Folgen des Todes von Kaiser Matthias auch den Beitrag von Volker Arnke in diesem Band.  Gindely, Geschichte des böhmischen Aufstandes, Bd. 2, S. 169. Aus der einstimmigen Kaiserwahl ergab sich, dass der Kurpfälzer Ferdinand gewählt hatte, obwohl er im Begriff stand, gegen die Ansprüche Ferdinands zum böhmischen König gewählt zu werden.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

49

startete einen letzten Versuch, die bayerische Kandidatur zu befördern oder einen Aufschub der Kaiserwahl zu erreichen. Der zwecks Absprachen an den kursächsischen Hof nach Dresden geschickte Gesandte erhielt am 13. August 1619 Audienz, doch tags zuvor hatte Kurfürst Johann Georg bereits seine Bevollmächtigten in Frankfurt instruiert, sich bei der Wahl nach den geistlichen Kurfürsten zu richten, womit er die zutreffende Erwartung verband, dass damit Ferdinand gewählt werden würde, was Kurpfalz hatte verhindern wollen.⁵⁴ Ob und wie sich Johann Georg durch die Argumentationen des kurpfälzischen Gesandten bei der Abfassung seiner Instruktion für die Kaiserwahl hätte beeinflussen lassen, muss letztlich offen bleiben. Vielleicht hätte sich der Kurfürst durch den Kurpfälzer zu einem gewissen Aufschub der Kaiserwahl motivieren lassen, die dieser ja erreichen wollte. Vermutlich wäre es zumindest zu zeitlichen Verschiebungen gekommen, etwa schon deshalb, weil sich die Absendung des kursächsischen Gesandten nach Frankfurt durch Beratungen über das Anbringen des Kurpfälzers in Dresden verzögert hätte. Auch kleine Änderungen im Zeitablauf hätten jedenfalls die Koinzidenz der böhmischen Königswahl und der Kaiserwahl aufgebrochen, was hier wie dort das Ergebnis hätte beeinflussen können. Das gilt um so mehr, als beide Wahlen keine bloße Formsache waren, sondern in beiden Fällen um eine Entscheidung gerungen wurde. Auch wenn diese Erwägungen im Bereich des Möglichen bleiben müssen, wird doch deutlich, dass bei der außerordentlich engen Aufeinanderfolge der Ereignisse und der relativen Offenheit der Situation auch situativen Elementen eine gewisse Bedeutung nicht abzusprechen ist. Es bleibt die Frage, warum die böhmische Königswahl und die Römische Kaiserwahl als entscheidende Wegmarken hin zum großen europäischen Krieg in der Historiographie längst nicht so große Beachtung finden wie die Ereignisse des 23. Mai 1618, also der sogenannte „Prager Fenstersturz“. Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen: An erster Stelle ist die mediale Vermittlung dieses Ereignisses an Zeitgenossen und Nachwelt zu nennen. Besonders wichtig ist dabei die Druckgraphik. Neben wenig verbreiteten zeitgenössischen Stichen⁵⁵ ist vorrangig eine Darstellung des berühmten Frankfurter Verlegers und Kupferstechers Matthäus Merian des Älteren (1593 – 1650) zu nennen, die eine Innenansicht der Ratskammer der Prager Burg in jenem Augenblick visualisiert, in dem die beiden kaiserlichen Statthalter samt Sekretär gepackt werden in der offensichtlichen Absicht der Angreifer, sie aus dem Fenster zu werfen. Die qualitätvolle Darstellung dieser dramatischen Szene wurde zuerst 1634 und dann 1635 im ersten Band  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 274.  Pick, Der Prager Fenstersturz i. J. 1618, bringt zwei zeitgenössische Darstellungen, die den Sturz der kaiserlichen Statthalter und des Sekretärs visualisieren, bezeichnet als Blatt 1 und Blatt 2 (nicht paginiert).

50

Maria-Elisabeth Brunert

des mehrfach aufgelegten Werks Theatrum Europaeum veröffentlicht⁵⁶ und hat damit Popularität erlangt,⁵⁷ denn diese Publikation war im 17. Jahrhundert ein Standardwerk zur Zeitgeschichte. Nicht nur der Kupferstich wurde damit bekannt, sondern auch der Kontext: Band I des Theatrum Europaeum beginnt mit der Information, der „blutige und langwierige Krieg“ sei „Anno 1618. […] erwachsen“ und habe im Königreich Böhmen seinen Anfang genommen.⁵⁸ Spätestens damit war das Narrativ vom Beginn des damals (also im Jahr 1635) noch andauernden Kriegs mit dem Prager Fenstersturz geschaffen. Einen weiteren Grund für dessen bis heute reichende Popularität sehe ich in einem psychologischen Moment: Es ist wünschenswert, von einem wichtigen, sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Geschehen einen konkreten Beginn nennen zu können. Der erste Satz im ersten Kapitel von Hans Medicks Werk über den Dreißigjährigen Krieg gibt dazu einen Hinweis; er lautet: „Am Anfang war der Fenstersturz.“⁵⁹ Dieser stilistisch effektvolle Auftakt nimmt unausgesprochen Bezug auf Goethes Faust: Der zweifelnde Gelehrte Faust versucht sich an der Übersetzung des Johannesevangeliums. Gleich der Beginn ist problematisch: „Im Anfang war das Wort“ (griechisch: Logos). Faust wählt nach Verwerfung anderer Möglichkeiten die Version: „Im Anfang war die Tat.“⁶⁰ Das betrifft im gegebenen Kontext die Erschaffung der Welt, scheint aber insofern generalisierbar, als es der menschlichen Vorstellungskraft entgegenkommt, am Beginn eines langfristigen Geschehens als Auslöser eine konkrete Tat anzunehmen. Dass ein so langer und als besonders grausam geltender Krieg durch eine spektakuläre Tat ausgelöst wurde, scheint leichter begreiflich, als wenn man sich eine viele Monate währende, komplizierte Entwicklung vergegenwärtigen muss, welche „die langsame Geburt dieses Krieges“ darstellt.⁶¹ Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der „Große Krieg“ als Bestandteil der Allgemeinbildung und als Lernstoff seinen Weg in Lexika und Schulbücher fand.

 Theatrum Europaeum, Oder […] Beschreibung aller […] Geschichten/ so sich […] vom Jahr Christi 1617. biß auff das Jahr 1629. […] zugetragen haben […], [Bd. 1], 1635, S. 18. Dazu Wüthrich, Das druckgraphische Werk von Matthaeus Merian d. Ae., Bd. 3, S. 65, 118, 121– 123, Abb. des Stichs im Bildteil Nr. 137 (nicht paginiert). Die zweite Auflage erschien 1643, die dritte 1662, ihr folgte noch eine vierte. Der Stich wird auch in der Gegenwart häufig abgebildet, dazu als kleine Auswahl aus jüngst publizierten Werken: Abb. in Münkler, Der Dreißigjährige Krieg, S. 48; Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, nach S. 568; Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 29; Detail bei Rebitsch, 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges, Cover-Abb.  Lampen, Katalogeinträge zu den Nrn. 947– 949, S. 337.  Theatrum Europaeum, [Bd. 1], S. 1; dazu auch Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 171.  Medick, Der Dreißigjährige Krieg, S. 25.  Goethe, Faust I, Vers 1237 (Übersetzung zu Joh 1,1).  Böning, Vom Krieg erzählen, S. 124.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

51

Vereinfachungen der komplizierten Sachverhalte wurden dabei in Kauf genommen. Die Endphase des Dreißigjährigen Krieges mit der Einnahme der Prager Kleinseite im Juli 1648 durch eine schwedische Truppeneinheit bot Gelegenheit zur Bildung der prägnanten Formel: „also Prag der Anfang und das Ende zu dem 30jährigen Kriege gewesen“, nachzulesen in Zedlers bekanntem Universal-Lexicon unter dem Stichwort „Prag“.⁶² Analog findet sich in einem auflagenstarken Geschichtsbuch aus dem 19. Jahrhundert die Information über den Dreißigjährigen Krieg: „er hatte zu Prag angefangen, und endigte sich zu Prag.“⁶³ Heutzutage gibt es „[k]aum ein Geschichtsbuch, das nicht den […] Fenstersturz zu Prag am 23. Mai des Jahres [1618] als Auslöser anführt“.⁶⁴

5 Fazit Der „Prager Fenstersturz“ vom 23. Mai 1618 erweckte sogleich, und zwar auch auf Reichsebene, Sorgen um die Aufrechterhaltung des Friedens. Dennoch bezeichnet er nicht den Beginn des Dreißigjährigen Krieges, denn auf ihn folgte eine lange Phase, in der vor allem kursächsische Vermittlungsbemühungen die Erhaltung des Friedens möglich erscheinen ließen. Die Lethargie des Kaisers Matthias ermöglichte einerseits diese lange Frist für Ausgleichsversuche, bewirkte aber andererseits, dass es zu keiner Entscheidung kam. Mit seinem Tod am 20. März 1619 entstand eine offene Situation, denn über seine Nachfolge im Reich war nicht entschieden und beträchtliche Teile von Böhmen und den Erblanden befanden sich im Aufstand gegen die habsburgische Macht. Böhmen entschied sich mit der Wahl des Kurfürsten von der Pfalz zum König am 26. August 1619 zum Krieg gegen Erzherzog Ferdinand, König von Ungarn, der gut zwei Jahre zuvor mit nur wenigen Gegenstimmen zum König von Böhmen angenommen worden war und der zur selben Zeit seine Wahl zum Römischen König in Frankfurt betrieb, die er zwei Tage später, am 28. August, erreichen konnte. Auch diese beiden Daten, der 26. und der 28. August 1619, bedeuten streng genommen noch nicht endgültig die Wendung vom Frieden zum Krieg, denn auf pfälzisch-böhmischer Seite brachte erst die zwischen dem 24. und 28. September 1619 erfolgte Annahme der Wahl durch Kurfürst Friedrich die Entscheidung. Der neugewählte Römische König

 [Zedler], Grosses vollständiges Universal-Lexicon […], Bd. 29: Pr–Pz, 1741, Sp. 158 – 165, hier Sp. 161.  Bredow, Umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte, 8. Aufl. 1822, S. 521. Die erste Aufl. des Schulbuchs von Bredow (1773 – 1814) erschien 1803; vgl. Wegele, Bredow, S. 283. Auf die 8. Auflage folgten noch weitere.  Bähr, Der grausame Komet, S. 13.

52

Maria-Elisabeth Brunert

Ferdinand mochte, als er Frankfurt in Richtung Süden verließ und zunächst nach Bayern zog, fest entschlossen sein, sich den Herausforderungen zu stellen und sich die Erblande sowie Böhmen zu unterwerfen. Die Voraussetzung dafür erlangte er aber erst im Oktober 1619 durch die Verbindung mit Herzog Maximilian von Bayern, der sich und seine Ressourcen für den kommenden Feldzug zur Verfügung stellte. Unentgeltlich geschah das nicht.Vielmehr erreichte Maximilian die Zusage des neugewählten Kaisers, ihm und seinen Nachkommen die seit Generationen erstrebte Kurwürde zu verschaffen. Auch dies war ein Faktor, der zur Länge des Krieges beitrug, der erst am 24. Oktober 1648 durch die Unterzeichnung der Friedensinstrumente in Münster sein vertragliches Ende fand. Das war fast genau drei Monate, nachdem sich schwedische Truppen eines Teils von Prag bemächtigt hatten, was später Anlass zu der griffigen, aber nicht korrekten Formel gab, der Dreißigjährige Krieg habe in Prag begonnen und sei dort auch geendet.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Konrad Repgen. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abteilung B: Verhandlungsakten. Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. Teilbd. 1: Urkunden. Bearb. von Antje Oschmann. Münster 1998. Apologia Oder Protestation aller Dreyer des Königreichs Böhaimb […] Ständt. Prag 1618. Digitale Reproduktion der Bayerischen Staatsbibliothek München – Münchener Digitalisierungszentrum. URL: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12bsb10813620-9 (abgerufen am 15. 06. 2020). Bredow, G[ottfried] G[abriel]: Umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte. Für den ersten Unterricht in der Geschichte. Besonders für Bürger- und Landschulen. 8., verm. u. verb. Aufl. Altona 1822. – 12., verm. u. verb. Aufl. Altona 1840. Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Gesamtausgabe. Stuttgart 2016. Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie, in: Erich Trunz (Hrsg.), Goethes Werke. Band III. Dramatische Dichtungen I. Textkritisch durchgesehen und kommentiert von Erich Trunz. München 13., neubearbeitete und erweiterte Aufl. 1986, 9 – 145. Pick, Friedel: Der Prager Fenstersturz i. J. 1618. Flugblätter und Abbildungen. Prag 1918 [richtig: 1919] (Pragensia. Veröffentlichungen der Gesellschaft deutscher Bücherfreunde in Böhmen 1). Theatrum Europaeum, Oder Außführliche/ und Warhafftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten/ so sich […] vom Jahr Christi 1617. biß auff das Jahr 1629. […] zugetragen haben/etc. Beschrieben durch M. Johannem Philippum Abelinum, Argentoratensem. […]. [Bd. 1]. Frankfurt a. M. 1635.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

53

[Zedler, Johann Heinrich (Hrsg.):] Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Bd. 29: Pr–Pz. Leipzig/Halle 1741.

Literatur Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573 – 1651. München 1998. Bähr, Andreas: Der grausame Komet. Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreißigjährigen Krieg. Hamburg 2017. Behringer, Wolfgang: Veränderung der Raum-Zeit-Relation. Zur Bedeutung des Zeitungs- und Nachrichtenwesens während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: Benigna von Krusenstjern/Hans Medick (Hrsg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Göttingen 1999, S. 39 – 81. Bilhöfer, Peter: „Außer Zweifel ein hoch verständiger Herr und tapferer Kavalier“. Friedrich V. von der Pfalz – eine biographische Skizze, in: Peter Wolf u. a. (Hrsg.), Der Winterkönig. Friedrich V., der letzte Kurfürst aus der oberen Pfalz. Amberg – Heidelberg – Prag – Den Haag. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2003, Stadtmuseum Amberg, 9. Mai bis 2. Nov. 2003. Augsburg 2003, S. 19 – 32. Böning, Holger: Vom Krieg erzählen. Das neue Medium Zeitung und die Publizistik während des Dreißigjährigen Krieges, in: Stephan Schaede u. a. (Hrsg.), Syrien liegt in Europa. Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Loccumer Protokolle Band 36/2018, Rehburg-Loccum 2020, S. 119 – 144. Brockmann, Thomas: Dynastie, Kaiseramt und Konfession. Politik und Ordnungsvorstellungen Ferdinands II. im Dreißigjährigen Krieg. Paderborn u. a. 2011. Burkhardt, Johannes: Der Dreißigjährige Krieg als frühmoderner Staatsbildungskrieg, in: GWU 8 (1994), S. 487 – 499. Burkhardt, Johannes: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2018. Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hrsg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. 26. Europaratsausstellung. Münster/Osnabrück 24. Okt. 1998 bis 17. Jan. 1999. Ausstellungskatalog. [Münster] 1998. Duchhardt, Heinz: Der Weg in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges. Die Krisendekade 1608 – 1618. München u. a. 2017. Gindely, Anton: Geschichte des böhmischen Aufstandes von 1618. Bd. 1 – 2. Prag 1869 – 1878 (= Gindely: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Erste Abtheilung). Gotthard, Axel: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung. Köln u. a. 2016. Gotthard, Axel: Die Ursachen des Dreißigjährigen Krieges, in: Rebitsch (Hrsg.), 1618. Der Beginn, 2017 (siehe dort), S. 47 – 76. Gotthard, Axel: Die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Kriegs. Ursachen, Anlässe und Zuspitzungen, in: Peter C. Hartmann/Florian Schuller (Hrsg.), Der Dreißigjährige Krieg. Facetten einer folgenreichen Epoche. Regensburg 2010, S. 23 – 45. Hoensch, Jörg K.: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart. 4. Aufl. auf Grundlage der 3. aktual. u. erg. Aufl. München 2013. Kaiser, Michael: 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren, in: ZHF 45 (2018), S. 715 – 797.

54

Maria-Elisabeth Brunert

Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. 2. Aufl. Stuttgart 2013. Lampen, Angelika: Katalogeinträge zu den Nrn. 947 – 949. Der 23. Mai 1618, in: Bußmann/Schilling (Hrsg.), 1648. Krieg und Frieden, 1998 (siehe dort), S. 337 f. Lanzinner, Maximilian: Das konfessionelle Zeitalter 1555 – 1618, in: Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearb. Aufl. Bd. 10. Hrsg. von Wolfgang Reinhard. Stuttgart 2001, S. 1 – 203. Medick, Hans: Der Dreißigjährige Krieg. Zeugnisse vom Leben mit Gewalt. 3., durchges. Aufl. Göttingen 2019. Müller, Frank: Kursachsen und der Böhmische Aufstand 1618 – 1622. Münster 1997. Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 – 1648. 4. Aufl. Berlin 2017. Press, Volker: Matthias (1612 – 1619), in: Anton Schinding/Walter Ziegler (Hrsg.), Die Kaiser der Neuzeit 1519 – 1918. Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland. München 1990, S. 114 – 123. Rebitsch, Robert: Einleitung, in: ders. (Hrsg.), 1618. Der Beginn, 2017 (siehe dort), S. 7 – 18. Rebitsch, Robert (Hrsg.): 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Wien/Köln/Weimar 2017. Rebitsch, Robert/Höbelt, Lothar/Schmidl, Erwin: Einleitung: Vor 400 Jahren – Der Dreißigjährige Krieg, in: dies. (Hrsg.), Vor 400 Jahren – Der Dreißigjährige Krieg. Innsbruck 2019, S. 7 – 14. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649). Münster 2007. Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018. Schmidt, Peer: Spanische Universalmonarchie oder „teutsche Libertet“. Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2001. Schubert, Friedrich Hermann: Friedrich V., in: NDB 5 (1961), S. 535 f. Schubert, Friedrich Hermann: Ludwig Camerarius (1573 – 1651). Eine Biographie. Die Pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Protestantismus. 2. Aufl. Mit Beiträgen zu Leben und Werk des Verfassers, hrsg. von Anton Schindling. Münster 2013. Stadtgemeinde Horn (Hrsg.): Adelige Macht und Religionsfreiheit. 1608 – Der Horner Bund. Sonderausstellung Museen der Stadt Horn 2008/2009. Horn 2008. Strohmeyer, Arno: Die habsburgischen Erbländer im Zeitalter der Konfessionskonflikte (ca. 1570 – 1630), in: Stadtgemeinde Horn (Hrsg.), Adelige Macht und Religionsfreiheit, 2008 (siehe dort), S. 84 – 101. Tischer, Anuschka: Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis. Münster 2012. Wegele, Franz Xaver von: Bredow, Gottfried Gabriel von, in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 282 – 283 [Online-Version]. URL: https://www.deutsche-biographie.de/ pnd116469382.html#adbcontent. Weiß, Elmar: Die Unterstützung Friedrichs V. von der Pfalz durch Jakob I. und Karl I. von England im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1632). Stuttgart 1966.

Wendepunkte auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg 1618/19

55

Wilson, Peter H.: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie. Aus dem Englischen von Thomas Bertram u. a. Darmstadt 2017. Wüthrich, Lucas Heinrich: Das druckgraphische Werk von Matthaeus Merian d. Ae. Bd. 3: Die grossen Buchpublikationen I: Die Merianbibel. Gottfrieds Chronik. Theatrum Europaeum […]. Mit 244 Abbildungen. Hamburg 1993.

Volker Arnke

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar. Verhandlungen und Verträge zwischen Frieden und Krieg 1619 – 1642 1 Einleitung Im wohl bekanntesten Prosawerk der deutschsprachigen Barockliteratur – Christoffel von Grimmelshausens (1622– 1676) Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch aus dem Jahr 1668 –, erlebt der Protagonist Melchior Sternfels von Fugshaim allerlei Abenteuer im Dreißigjährigen Krieg.¹ Von Fugshaim, im Roman überwiegend Simplicius (der Einfältige) genannt, wird als Kind von Soldaten verschleppt, gelangt später zu Offiziersehren, wechselt mehrfach die Seiten, begeht zahlreiche Untaten, entsagt schließlich der Welt und wird zum Einsiedler. Das Werk greift satirisch-kritisch in allegorienreicher Sprache zahlreiche Elemente von Politik, Krieg, Religion und gesellschaftlichem Alltag des Dreißigjährigen Krieges auf. Dabei befinden sich zahlreiche Schilderungen auf gelehrtem Niveau.² Zu diesen zählt eine Szene, in der Simplicius die göttliche Figur des Jupiter trifft, die ankündigt, einen „Teutschen Helden“³ erschaffen zu wollen, der mit allerlei göttlichen Gaben, den Frieden in Europa erkämpfen könne. Allwissend beantwortet Jupiter die Fragen des wissbegierigen Simplicius. So auch jene nach der politischen Ordnung Europas und nach dem Frieden, den der „teutsche Held“ herstellen solle: Ich fragte meinen Jovem [Jupiter], was dann die Christlichen Könige bey der Sach [dem Wirken des ‚teutschen Helden‘] thun würden? er antwortet / der in Engeland / Schweden und Dennemarck werden / weil sie Teutschen Geblüts und Herkommens: der in Hispania / Franckreich und Portugall aber / weil die Alte Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regiert haben / ihre Kronen / Königreich und incorporirte Läner / von der Teutschen Nation auß freyen Stücken zu Lehen empfahen / und alsdenn wird / wie zu Au-

 Grimmelshausen, Simplicissimus Teutsch. Hrsg. von Dieter Breuer, 1989 (Erstdruck: Monpelgart [= Nürnberg] 1668/69); die Namensschöpfung Melchior Sternfels von Fugshaim stellt ein Anagramm des Autornamens dar.  Vgl. zur literaturwissenschaftlichen Einschätzung des Werkes u. a. den Kommentar von Dieter Breuer in o.g. Ausgabe, ebd., S. 701– 1082, insbes. S. 703 – 720.  Ebd., Drittes Buch, S. 255. https://doi.org/10.1515/9783110703795-005

58

Volker Arnke

gusti Zeiten / ein ewiger beständiger Fried zwischen allen Völckern in der gantzen Welt seyn.⁴

Gleich zwei zentrale Probleme des Dreißigjährigen Krieges werden hier angesprochen. Zum einen handelt es sich um die politische Ordnung des christlichen Europas und zum anderen um den Wunsch nach einem beständigen europäischen Frieden. Mit der Heldengeschichte wird auf das Konzept einer christlichen Universalmonarchie zurückgegriffen, die durch die mittelalterliche Translationslehre das Kaisertum des antiken Roms („wie zu Augusti Zeiten“) auf ein Heiliges Römisches Reich der „Teutschen Nation“ übertrug.⁵ Mit dieser Lehre sollte eine Universalherrschaft des römisch-deutschen Königs über ganz Europa legitimiert werden. Zugleich wird mit den Worten „ein ewiger beständiger Fried in der gantzen Welt“ auf das damals diskutierte Konzept des Universalfriedens verwiesen. Da es sich bei Grimmelshausens Simplicissimus um ein satirisches Werk handelt, ist es keine Überraschung, dass das Geschilderte angesichts der Realitäten des Dreißigjährigen Krieges in zweierlei Hinsicht als utopisch zu begreifen ist: Weder waren die christlichen Herrscher im Europa der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewillt, sich dem römisch-deutschen Kaisertum unterzuordnen, noch wurde damals ein beständiger Universalfrieden geschaffen. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war vielmehr Teil eines unentschiedenen Kampfes mehrerer europäischer Souveräne um die Hegemonie in Europa.⁶ Zugleich formten die „Christlichen Könige“, die Grimmelshausen erwähnt, im nachreformatorischen Europa keine geschlossene Glaubenseinheit mehr, sondern waren konfessionell uneinheitlich. Die mit der Konfessionalisierung verbundenen Religionskriege des 16. Jahrhunderts sind Ausdruck davon, dass die Spaltung des Christentums Konfliktpotential mit sich gebracht hatte, das auch im 17. Jahrhundert die politischen Problemlagen beeinflusste.⁷ Daneben bildete auch das Innere des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – der Schauplatz des Krieges – ein heterogenes politisches und konfessionelles Konstrukt, in dem immer wieder Konfliktpotential aufkeimte – trotz wirkmächtiger Verfassungsinstitutionen wie etwa dem Ewigen Landfrieden⁸ von

 Ebd., S. 259.  Vgl. hierzu jüngst Rohrschneider, Der universale Frieden.  Vgl. hierzu Rohrschneider, Ein Ensemble neuralgischer Zonen.  Vgl. hierzu Kaufmann, Konfessionalisierung, insbes. den Abschnitt „3. Europäische Perspektiven“; ferner Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 64– 74.  Zum Ewigen Landfrieden vgl. Baumbach, Ewiger Landfrieden 1495 sowie den Sammelband ders./Carl (Hrsg.), Landfrieden – epochenü bergreifend.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

59

1495 oder dem Augsburger Religionsfrieden⁹ von 1555.¹⁰ Eines der inneren Probleme des Reiches stellten etwa die Fürsten calvinistischer Konfession dar, die nicht im Augsburger Religionsfrieden inbegriffen waren. Zu ihnen zählte Friedrich V. von der Pfalz (1596 – 1632), der wesentlich dazu beitrug, dass der Dreißigjährige Krieg von einem Regionalkonflikt zu einem Reichskrieg wurde.¹¹ Die innerreichischen und innereuropäischen Konfliktlagen wurden zudem von der steten militärischen Bedrohung durch das Osmanische Reich überlagert, dessen Militär etwa schon 1529 Wien belagert hatte und dies im Jahr 1683 wiederholen sollte.¹² Grimmelshausens Satire bringt also mit der ironischen Thematisierung der zeitgenössischen Konstrukte einer europäischen Universalmonarchie und eines europäischen Universalfriedens zentrale strukturelle Fragen und Probleme des Dreißigjährigen Krieges auf den Punkt, die neben anderen Problemlagen über 30 Jahre hinweg hinderlich für eine Rückkehr zum Frieden waren. Erst mit dem Westfälischen Frieden von 1648 konnten die Probleme soweit gelöst oder ausgelagert werden, dass zumindest ein nachhaltiger Frieden für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation entstand.¹³ Der Westfälische Frieden war allerdings kein spontanes Ereignis. Nicht nur waren ihm ein etwa fünfjähriger Kongress (1643 – 1648) in Münster und Osnabrück¹⁴ sowie ein Präliminarfrieden (1641) in Hamburg¹⁵ vorausgegangen, sondern zahlreiche weitere Friedensinitiativen, die bereits seit Beginn des Krieges unternommen wurden. De facto wurden fast ununterbrochen diplomatische Initiativen angestrengt und Friedensverhandlungen initiiert. Zeugnis davon geben etwa Briefwechsel von Diplomaten wie des zeitweise in schwedischen Diensten stehenden Völkerrechtlers Hugo Grotius (1583 – 1645) oder von solchen, die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft waren.¹⁶ Die im Aufsatztitel genannten

 Zum Augsburger Religionsfrieden vgl. Gotthard, Der Augsburger Religionsfrieden.  Vgl. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 28 – 72.  Vgl. hierzu den entsprechenden Beitrag von Maria-Elisabeth Brunert in diesem Band.  Vgl. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 107– 155 sowie jüngst zur Rezeption und Wirkung des Dreißigjährigen Krieges im bzw. auf das Osmanische Reich Strohmeyer, Der Dreißigjährige Krieg in der Korrespondenz.  Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 108 f.  Vgl. zum Westfälischen Friedenskongress u. a. Dickmann, Der Westfälische Frieden; komprimierte Übersichten bieten u. a. Westphal, ebd., sowie Repgen, Die Westfälischen Friedensverhandlungen.  Vgl. Hartmann, Von Regensburg nach Hamburg, S. 479 – 495.  Vgl. hierzu Molhuysen u. a., Briefwisseling van Hugo Grotius; zur Fruchtbringenden Gesellschaft Herz, Vertrauen und Verbindlichkeit; Herz, Aufrichtigkeit, Vertrauen, Frieden; Herz/Ball,

60

Volker Arnke

Orte – Eger, Lübeck, Prag, Köln und Goslar – stehen für beispielhaft ausgewählte Kongresse, Verträge oder Friedensinitiativen, die sich über den Untersuchungszeitraum verteilen und von Beginn bis Ende des Krieges vorgenommen wurden.¹⁷ Sie sind besonders anschaulich, um Prozesse, Strategien und Strukturen deutlich zu machen, die paradigmatisch für die Arbeit am Frieden während des Dreißigjährigen Krieges waren. In der Forschung haben die früheren, im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges unternommenen Friedensversuche und -verträge bislang deutlich weniger Aufmerksamkeit gefunden als etwa der Westfälische Friedenskongress¹⁸ selbst oder der politisch-militärische Geschehensablauf ¹⁹ des Dreißigjährigen Krieges. Auch der überwiegende Teil der im Gedenkjahr 2018 erschienenen Überblicksdarstellungen zur Geschichte des Krieges nimmt vornehmlich die klassische Perspektive auf die militärischen und politischen Vorgänge ein, wenngleich wichtige Friedensschlüsse wie der Prager Frieden von 1635 durchaus Berücksichtigung finden.²⁰ Eine dezidierte Perspektive auf die Friedensinitiativen allerdings fand sich bis vor wenigen Jahren lediglich in Untersuchungen von Teilaspekten des Krieges, in denen einerseits die kaiserlich-französische andererseits die kaiserlich-schwedische Diplomatie untersucht wurden.²¹ Im Rahmen von Überblicksdarstellungen standen die Friedensinitiativen des Dreißigjährigen Krieges erst in jüngerer Zeit im Fokus – so bei Siegrid Westphal im Jahr 2015 im Rahmen der Vorgeschichte des

Friedenssehnsucht und Spracharbeit; auch ein Blick auf die Diplomatie im Umfeld des exilierten Pfalzgrafen ist für das Thema interessant, vgl. dazu Kaiser, Nachrichten aus Den Haag.  Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es weitere Friedensinitiativen gab, die in diesem Beitrag nicht berücksichtigt werden können. So der sog. Braunschweiger Interpositionstag von 1625/26 (dazu jüngst Schulze, Die Reichskreise, S. 360 – 362) und etwa Fürstentage wie der Kurfürstentag zu Mühlhausen (dazu Breuer, Der Kurfürstentag zu Mühlhausen). Ich danke an dieser Stelle Michael Kaiser für seine entsprechenden Hinweise.  Vgl. jüngst mit Beiträgen zum aktuellen Forschungsstand zum Westfälischen Frieden: Goetze/ Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Für einen thematisch gegliederten Forschungsüberblick vgl. Arnke, Auswahlbibliographie „Westfälischer Frieden und Dreißigjähriger Krieg“, sowie für die ältere Literatur Ortlieb/Schnettger, Bibliographie zum Westfälischen Frieden.  Vgl. hierzu den aktuellen Forschungsüberblick von Kaiser, 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme.  Münkler, Der Dreißigjährige Krieg; Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, mit einem längeren Passus zum Prager Frieden auf S. 467– 506; Wilson, Der Dreißigjährige Krieg; eine aus alltagsgeschichtlicher Perspektive verfasste Ausnahme, die zum Teil auch Friedensinitiativen in den Blick nimmt, ist: Medick, Der Dreißigjährige Krieg, zu Friedensinitiativen vgl. dort Kap. „VII. Der lange Weg zum Frieden. Friedensinitiativen, Friedensschlüsse und ihre zeitgenössischen Wahrnehmungen“, S. 319 – 392.  Hartmann, Von Regensburg nach Hamburg; Öhman, Der Kampf um den Frieden.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

61

Westfälischen Friedens.²² Johannes Burkhardt schließlich verfasste 2018 eine „neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“, die den Krieg als „eine Großbaustelle des Friedens“ wahrnimmt.²³ An diese Vorarbeiten anknüpfend analysiert die vorliegende Untersuchung einige beispielhaft ausgewählte Friedensinitiativen des Dreißigjährigen Krieges (Eger 1619, Lübeck 1629, Prag 1635, Köln 1636 und Goslar 1642). Dabei sollen Unterschiede herausgearbeitet und die Friedensversuche systematisiert werden. Damit wird ein Beitrag zur Beantwortung einer zentralen Frage der Historischen Friedens- und Konfliktforschung geliefert: Warum scheitern Friedensinitiativen und -verhandlungen und warum setzen sich Kriege trotz einmal sichtbar gemachter Friedensbereitschaft fort? Weitere grundlegende Fragen des Aufsatzes sind: Welche Rolle spielten die eingangs erwähnten zeitgenössischen politiktheoretischen Konzepte des Universalfriedens und der Universalmonarchie? Inwiefern bedingten sich die Friedensbemühungen und die Kriegsfortsetzung wechselseitig? Welche Rolle spielten unterschiedliche Friedensstrategien der Kriegsparteien und inwiefern waren sie ggf. verantwortlich für das Scheitern von Friedensinitiativen? Lässt sich das Scheitern der verschiedenen Friedensversuche politischen Interessen bzw. Strukturen oder doch eher dem Wirken einzelner Akteure zuordnen?

2 Der geplante Interpositionstag von Eger 1619 Für die Frühphase des Dreißigjährigen Krieges, den Böhmischen Aufstand (1618 – 1622), war die Politik des benachbarten Kursachsen, des einflussreichsten protestantischen Reichsstandes, von besonderem Interesse. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. (1585 – 1656) verfolgte eine reichstreue, überwiegend prokaiserliche Grundhaltung. Dem entsprach, dass Kursachsen die aufrührerischen böhmischen Stände nicht unterstützte, obwohl diese ebenfalls Protestanten waren und sie eine Einschränkung ihrer Religionsfreiheit durch die Habsburger beklagten. Da allerdings der damalige gegenreformatorische König von Böhmen, der Habsburger Ferdinand (1578 – 1637, reg. als König von Böhmen 1617– 1637), eng verwandt mit Kaiser Matthias (1557– 1619), den Majestätsbrief, der den böhmischen Ständen ihre konfessionellen Privilegien bestätigte, aufrechterhielt, handelte es sich in den Augen Kursachsens nicht um einen Kampf um religiöse

 Westphal, Der Westfälische Frieden, darin zur Vorgeschichte des Westfälischen Friedens S. 11– 40.  Burkhardt, Der Krieg der Kriege, Zitate S. 11 f.

62

Volker Arnke

Freiheit, sondern um eine politische Revolte. Ein kursächsischer Eingriff zur Verteidigung protestantischer Religionsrechte erschien daher nicht angemessen. Die grundsätzliche Sorge der kursächsischen Regierung betraf dann auch eher die Erhaltung der politischen Ordnung des Reiches. Die diesem Grundsatz folgende Friedensstrategie verfolgte daher die Isolierung des Böhmischen Aufstandes und dessen anschließende Beilegung. Ausdruck dessen ist überdies das spätere militärische Eingreifen Kursachsens gegen die aufrührerischen Stände, nachdem sich der Böhmische Aufstand im Jahr 1620 verschärft hatte.²⁴ Vor dieser militärischen Eskalation allerdings strebte die kursächsische Regierung danach, ermuntert durch Kaiser Matthias, auf dem Verhandlungsweg zwischen diesem, den böhmischen Aufständischen und der Kurpfalz, der Führungsmacht der Protestantischen Union, zu vermitteln. Erfolgversprechendster Anlauf war ein für den böhmischen Ort Eger vorgesehener sogenannter Interpositionstag. Obwohl Kaiser Matthias zwischenzeitlich auf Krieg zu setzen schien, verharrte Kursachsen bei seinem Interpositionsangebot auch in der zweiten Hälfte des Jahres 1618, um den Frieden im Reich zu wahren. Nach allerlei Verzögerungen und Abwarten von Kampfhandlungen sowie verschiedenen Formulierungen für Waffenstillstandsvereinbarungen wurde nach mehreren Monaten ein Termin für Verhandlungen, an denen auch bayerische und pfälzische Vertreter teilnehmen sollten, mit Beginn am 14. April 1619 festgesetzt. Mit großem Aufwand betrieb Kursachsen die Vorbereitungen, setzte neue Verhandlungspunkte für einen Waffenstillstand auf und verschickte entsprechende Akten an die beteiligten Parteien. In diesem Zuge erging die Nachricht, dass Kaiser Matthias am 20. März verstorben sei. Umgehend wurden die Vorbereitungen gestoppt und bereits entsandte Diplomaten zurückbeordert. Die mit Matthias’ Tod einsetzenden Dynamiken im Vorfeld der Kaiserwahl Ferdinands II. (reg. 1619 – 1637) und der nahezu zeitgleichen Wahl des Calvinisten Friedrich V. von der Pfalz (reg. 1610 – 1623) zum böhmischen König im August 1619 verhinderten eine Neuauflage der sächsischen Interposition. Im Gegenteil setzte eine Eskalation und Ausweitung des Böhmischen Aufstands ein, die in die Schlacht vom Weißen Berg am 8. November 1620 als erste große militärische Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Krieges mündete.²⁵ Insgesamt betrachtet lässt sich der Tod Kaiser Matthias’ als ausschlaggebend für das Scheitern der Friedensinitiative von Eger ausmachen, die möglicherweise den Krieg im Keim erstickt hätte. Auch wenn es spekulativ ist, ob den Friedens-

 Vgl. Mü ller, Kursachsen und der Bö hmische Aufstand, S. 463 – 467.  Vgl. Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 53 – 68; Müller, ebd., S. 148 – 224 sowie den Beitrag zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges von Maria-Elisabeth Brunert in diesem Band.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

63

verhandlungen Erfolg beschieden gewesen wäre, wurde hier doch die erste große Friedensgelegenheit des Krieges verpasst. Die Aussicht darauf, dass der in konfessioneller Hinsicht radikalere Ferdinand zu Matthias’ Nachfolger auf dem Kaiserthron werden sollte, dürfte die Situation weiter verschärft haben, stellte Ferdinand doch als gegenreformatorischer König von Böhmen ein Feindbild der Protestanten in Böhmen und in anderen Teilen des Reiches dar. In den Untersuchungskategorien dieses Beitrags ausgedrückt war es also vor allem die Wirkung eines Einzelakteurs, Kaiser Matthias, welche das Scheitern verursachte, da die Verhandlungen auf Grund seines Todes nicht zustande kamen. Was auf Grund des Scheiterns der frühesten Friedensbemühungen im Dreißigjährigen Krieg folgte, war nicht nur die Fortsetzung des Böhmischen Aufstandes, sondern auch die Ausbreitung des Konfliktgeschehens bis nach Norddeutschland. Nachdem der aufständische Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz und seine Verbündeten geschlagen waren, wurde Friedrich geächtet und ihm die Pfälzer Kurwürde vom Kaiser abgesprochen. Stattdessen ging die Kur auf den bayerischen Herzog Maximilian (reg. 1597– 1651) über – als Dank für seine militärische Unterstützung. Der Krieg hätte an dieser Stelle beendet sein können. Die Übertragung der Kurwürde löste allerdings Widerspruch bei zahlreichen Reichsständen aus, da dieser Akt verfassungsrechtlich hoch umstritten war und einen Bruch mit der Reichstradition darstellte.²⁶ Dies ist aber nicht der einzige Grund dafür, warum es mit der Abstrafung des aufrührerischen Friedrichs von der Pfalz nicht zu einem Frieden im Reich kam. Ab 1624 waren ebenfalls Grundsatzfragen nach der Hegemonie in Europa konfliktfördernd. So entstand zu dieser Zeit ein protestantisches Bündnis, die sogenannte Haager Allianz aus England, den Niederlanden und Dänemark. Diese Allianz richtete sich gegen die europäische Vorherrschaft des Hauses Habsburg, das sowohl den römisch-deutschen Kaiser als auch den spanischen König stellte. Den Bündnispartnern schien vor allem die Bedrohung durch einen im Reich immer mächtiger werdenden Kaiser problematisch. Insbesondere aus französischer Sicht erschien die Habsburger Übermacht als Bedrohung, da Frankreich von Habsburger Territorien umringt war. Mit dem Amtsantritt des Kardinals Richelieu (1585 – 1642) als Erster Minister der französischen Regierung im Jahr 1624 trat Frankreich denn auch der Dominanz der Habsburger entschieden entgegen. Laut Klaus Malettke richtete sich Richelieus Außenpolitik gegen das „spanische System“ und damit gegen das Bedrohungsszenario einer Habsburger Universalmonarchie über ganz Europa. Richelieu verfolgte im Gegensatz dazu ein System „kollektiver Sicherheit“, in dem

 Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 17 f.

64

Volker Arnke

der französische Herrscher eine Führungsrolle einnehmen sollte.²⁷ Um dieses Ziel zu erreichen, erweiterte Richelieu die französischen Bündnisse²⁸ unter anderem durch die finanzielle Unterstützung der Haager Allianz, in der Dänemark eine Schlüsselrolle zukam. Denn Christian IV. (1577– 1648) war nicht nur König von Dänemark, sondern als Inhaber von Reichslehen auch Reichsfürst. Ab 1625 stand er dem niedersächsischen Reichskreis vor und griff als solcher mit der Begründung, die Freiheit der protestantischen Kreismitglieder und den Religionsfrieden gegen eine drohende Rekatholisierung zu verteidigen, in den Krieg ein. Diese militärische Intervention war allerdings erfolglos und es gelang vorerst nicht, die Macht des Kaisers im Reich einzuschränken.²⁹

3 Der Lübecker Frieden von 1629 Entgegen der Ziele der Haager Allianz erreichte Kaiser Ferdinand II. mit dem Lübecker Frieden von 1629 den Höhepunkt seiner Machtfülle. Dieser Friedensvertrag zwischen Dänemark und dem Heiligen Römischen Reich legte nun fest, dass sich Dänemark nicht mehr militärisch im Reich engagieren durfte. Christian IV. behielt allerdings seine Lehen und auch die Grenzen des Königreichs Dänemark blieben weitgehend unverändert. In dieser Hinsicht entsprach der Lübecker Frieden also einer Wiederherstellung des status quo ante bellum. Laut Forschung gingen diese vergleichsweise sanften Bedingungen vor allem auf den kaiserlichen Feldherrn Albrecht von Wallenstein (1583 – 1634) zurück, der damals weitreichende Verhandlungsvollmachten genoss. Kaiser Ferdinand hingegen hatte im Vorfeld deutlich radikalere Ansprüche gegenüber Dänemark erhoben.³⁰ Wallensteins sanftere Friedensbedingungen dienten insbesondere einem raschen Friedensschluss mit Dänemark – mit Blick auf die weiteren Feinde des Kaisers, an denen es seiner Meinung nach nicht mangelte. Zu diesen zählte er „den Papst, den König von Frankreich, die Venezianer, den Herzog von Mantua, Bethlen Gábor, die Holländer und die Schweden“.³¹ Seiner Vorstellung nach,

 Malettke, Richelieu, S. 1010.  Richelieu versuchte ein „Netz von Allianzen“ zur Überwindung der habsburgischen Dominanz zu knüpfen. Dabei orientierte er sich nicht nur an größeren europäischen Mächten wie England, den nördlichen Niederlanden und Dänemark (Haager Allianz), sondern auch an italienischen Territorien wie Venedig, Savoyen, Parma und dem Kirchenstaat. Vgl. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 470 – 472.  Vgl. ebd., S. 476 – 517.  Vgl. Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 164– 171.  Schmidt, Die Reiter der Apokalypse, S. 321.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

65

sollte durch den Frieden mit Dänemark das Reich geeint werden, um anschließend geschlossen gegen die auswärtigen Feinde vorgehen zu können. Hierin lässt sich erstmals eine Strategie der Separatfriedensschlüsse erkennen, die das Vorgehen der kaiserlichen Kriegspartei im weiteren Verlauf des Dreißigjährigen Krieges prägen würde. Demnach sollte ein Gegner zunächst aus seinem Bündnis herausgebrochen werden, um anschließend mit ihm einen gesonderten Friedensvertrag schließen zu können. Die dadurch freiwerdenden Truppen könnten das verbleibende gegnerische Bündnis bekämpfen bzw. auf anderen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden. Im Falle des Lübecker Friedens von 1629 wurde also zunächst Dänemark von der Haager Allianz isoliert und ein separater Frieden mit diesem ausgehandelt. Da der Kriegsschauplatz im Reich nun vorerst ruhte, konnten die freiwerdenden kaiserlichen Truppen nach Italien entsandt werden, wo sie im Mantuanischen Erbfolgekrieg (1628 – 1631), der sich an der Peripherie des Reiches in Norditalien ereignete, gegen französisches Militär eingesetzt wurden.³² Doch warum führte der Lübecker Frieden nicht zum Ende des Dreißigjährigen Krieges? Zwar schloss der Friedensvertrag mit Dänemark einen zentralen Kriegsakteur der zurückliegenden Jahre dauerhaft aus dem Kriegsgeschehen aus, es kamen aber parallel zu den Lübecker Friedensverhandlungen bzw. etwas später neue Friedenshindernisse auf, die eine dauerhafte Konfliktlösung unmöglich machten. Es handelt sich dabei zum einen um das Restitutionsedikt Kaiser Ferdinands II. vom März 1629 und zum anderen um die Invasion schwedischer Truppen im Juli 1630 in Pommern. Das Restitutionsedikt war Ausdruck der großen Machtfülle des Kaisers um die Zeit des Lübecker Friedens sowie seiner radikalen religiösen Grundhaltung. Es stellte eine streng katholische Auslegung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 dar und bedrohte damit den Territorialbesitz zahlreicher protestantischer Fürsten. In den Augen vieler Reichsstände schien es auf diese Weise die Verfassung des Reiches in ein Ungleichgewicht zu bringen. Als Folge wandten sich in den darauffolgenden Jahren zahlreiche Stände vom Kaiser ab, woran sich das Konfliktpotential des Edikts erkennen lässt. Zeigten sich führende Reichsstände schon auf dem Regensburger Kurfürstentag von 1630 nicht einverstanden mit dem Edikt, kam diese Haltung in der Gründung des Leipziger Bundes von 1631 noch deutlicher zum Ausdruck.³³ Hierbei spielte Kursachsen erneut eine Führungsrolle, das nun eine dritte, reichsständische Kriegspartei formte, die zwar defensiv ausgerichtet war, sich aber dennoch klar gegen die beiden anderen Gruppen

 Vgl. Hengerer, Kaiser Ferdinand III., S. 70.  Vgl. Arnke, „Vom Frieden“, S. 68 – 72; Schulze, Der Leipziger Bund, hier v. a. S. 139 – 144.

66

Volker Arnke

richtete: Einerseits gegen die Schweden, deren Eingreifen von außerhalb der Reichsgrenzen als illegitim erachtet wurde, und andererseits gegen die Kaiserlichen auf Grund des Restitutionsediktes. Dieser Bruch mit Kaiser Ferdinand II. stellte zwar eine Neupositionierung dar, folgte allerdings weiterhin der grundsätzlichen Maxime der kursächsischen Politik, die Reichsverfassung und damit die innere Friedensordnung wiederherzustellen, gegen die das Restitutionsedikt nach der Lesart Kursachsens und seiner Verbündeten verstieß.³⁴ Die Landung schwedischer Truppen im Reich unter König Gustav II. Adolf (1594– 1632) im Sommer 1630, als zweitem wesentlichen Faktor, der zur Kriegsfortsetzung nach dem Lübecker Frieden beitrug, war bereits seit Dezember 1627 von führenden schwedischen Politikern erwogen worden.³⁵ Die Motive des Eingreifens werden in der Forschung vielfältig beschrieben. So gilt Gustav Adolf mitunter als ein Vertreter schwedischer Hegemonialpolitik, die in einem mythologischen Rückbezug auf das Volk der Goten – dem sogenannten Gotizismus – eine Erklärung findet.³⁶ Auch fügt sich das schwedische Eingreifen in den schon länger bestehenden Kampf um die Vorherrschaft über die Ostsee. Offenbar reagierte die schwedische Regierung mit der Landung auch auf das kaiserliche Militär, das sich infolge des Krieges in Mecklenburg festgesetzt hatte und damit den schwedischen Einflussbereich in der Ostsee zu bedrohen schien. Zudem lässt sich eine gewisse konfessionelle Motivation des Lutheraners Gustav II. Adolf erkennen, der sich mitunter als Verteidiger der im Reich in die Defensive geratenen Protestanten gebärdete. Nicht zuletzt aber beförderte Frankreich das schwedische Eingreifen in den Krieg, da Richelieu einen Ersatz für das aus dem Krieg ausgeschiedene Dänemark als wichtigster militärischer Opponent des Kaisers im Reich suchte. Daher führte der Kardinal seit 1629 mit Schwedenkönig Gustav Adolf Verhandlungen und stellte diesem finanzielle Anreize in Aussicht. Auch schaltete sich Frankreich aktiv in die Befriedung des parallel geführten polnisch-schwedischen Krieges ein, um Schweden für einen Krieg gegen den Kaiser zu gewinnen.³⁷

 Daher deutet Johannes Burkhardt den Leipziger Bund als eine Friedensinitiative; vgl. Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 156 f.  Vgl. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 558.  Vgl. Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 146 – 153. Weiterhin zum Gotizismus in Schweden Schmidt-Voges, De antiqua claritate et clara antiquitate Gothorum.  Vgl. Kampmann, Europa und das Reich, S. 71 f.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

67

4 Der Prager Frieden von 1635 Der große militärische Erfolg der schwedischen Armee, der in der Folge der Invasion einsetzte, führte unter anderem zu einer Frontstellung Kursachsens zwischen den beiden in militärischer Hinsicht deutlich gewichtigeren Hauptkontrahenten dieser Kriegsphase, zwischen Schweden und den Kaiserlichen. Auf Grund dessen sowie den Aktionen des kaiserlichen Militärs in Sachsen kam es zur Auflösung des Leipziger Bundes und schließlich zu einem notgedrungen eingegangenen Bündnis Kursachsens mit Schweden im September 1631.³⁸ Stets bestanden allerdings Verhandlungskanäle der Sachsen unter anderem über den kaiserlichen General Wallenstein.³⁹ Auf diese Weise kam es nach einem Vorfrieden in Pirna im Mai 1635 zum Prager Frieden zwischen dem Kaiser und Kursachsen. In diesem Friedensschluss lag schließlich großes Potential, um die inneren Problemlagen des Reiches zu entschärfen. So wurde die Umsetzung des Restitutionsedikts für 40 Jahre ausgesetzt und ein Stichtermin (sogenanntes Normaljahr) festgelegt, an dem sich die konfessionellen Besitzstände im Reich orientieren sollten. Der Vertrag stellte eine Besonderheit dar, da er vom Kaiser mit nur einem Reichsstand geschlossen wurde, aber Regelungen enthielt, die für das ganze Reich gelten sollten. Zunächst hatte Kaiser Ferdinands II. Strategie vorgesehen, die Verhandlungen mit Kursachsen isoliert zu betreiben, um in der Folge mit den anderen oppositionellen Reichsständen ebenfalls separat zu traktieren. Kursachsen hatte aber auf Verhandlungen für das gesamte Reich bestanden und fühlte sich dazu als Kurfürst und wichtigster protestantischer Reichsstand legitimiert.⁴⁰ Weil dem Prager Frieden in der Folge tatsächlich fast alle Reichsstände beitraten, schien ihm zunächst großer Erfolg beschieden und damit auch der kaiserlichen Strategie der Separatfriedensschlüsse: Denn schließlich hatten die separaten Verhandlungen mit Kursachsen zunächst das Bündnis mit Schweden gesprengt und es folgte der sukzessive Einschluss der weiteren Reichsstände in den Vertrag. Der Prager Frieden verbot zudem alle Sonderbünde einschließlich der katholischen Liga und sammelte die Reichsstände beider Konfessionen hinter dem Kaiser in einer neu organisierten Reichsarmee. Das Reich hätte daraufhin

 Vgl. Arnke, „Vom Frieden“, S. 72.  Laut Johannes Burkhardt hätte bereits 1634 ein kaiserlich-kursächsischer Frieden geschlossen werden können, wenn dem nicht Wallensteins Tod zuvorgekommen wäre; vgl. Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 183 – 187.  Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 21– 24.

68

Volker Arnke

geschlossen gegen den auswärtigen Gegner Schweden vorgehen oder ihn aber in den Frieden einbinden können. Tatsächlich kam Kursachsen in der Folge die Aufgabe zu, Schweden zum Frieden zu bewegen und es bot diesem dafür eine mehrfach erhöhte Geldsatisfaktion an. Aus der Rückschau betrachtet zeigen sich in diesem Kontext in den Jahren 1635 und 1637 die wohl größten Friedensgelegenheiten des gesamten Krieges. Denn die Schweden waren zum Teil bereit, das kaiserlich-kursächsische Separatfriedensangebot, das Schweden aus dem Bündnis mit Frankreich drängen sollte, anzunehmen. In Stockholm bestand offenbar viel Zuspruch, auch bei Königin Christina (1626 – 1689) selbst. Der einflussreichste schwedische Politiker, der Reichskanzler und Führer der Vormundschaftsregierung Axel Oxenstierna (1583 – 1654), präferierte allerdings die Kriegsfortsetzung und die französischen Subsidien, um einen ehrenvollen Frieden zu erreichen. In Oxenstiernas Interpretation war dies ein Friedensschluss aus einer militärischen Stärkephase heraus. Jenny Öhman vermutet, dass die Schweden ohne Oxenstiernas harte Haltung wohl schon 1635 oder 1637 einen Frieden geschlossen hätten und damit mehr als zehn Jahre früher und nicht zu schlechteren Bedingungen als 1648.⁴¹ Damit lässt sich für diese Phase Axel Oxenstierna als ein personeller Faktor der Kriegsfortsetzung ausmachen. Er war bereits seit 1631 eine Triebfeder des französisch-schwedischen Subsidienvertrages gewesen, der wiederum zu einem wesentlichen strukturellen Friedenshindernis der zweiten Kriegshälfte werden sollte, da er der kaiserlichen Strategie, einen Separatfrieden mit Schweden abzuschließen, diametral entgegengesetzt war. So fruchteten die Vorschläge zu weiteren Separatverhandlungen mit Schweden, die z. B. in Hamburg, das sich zu einem Zentrum der Friedensdiplomatie entwickelt hatte,⁴² unterbreitet wurden, nicht. Im Gegenteil: Als Reaktion auf die Offerten des Kaisers forcierte Frankreich einen noch engeren Bündnisschluss mit Schweden, da es auf eine weitere militärische Eskalation gegen das Haus Habsburg abzielte, um sich aus der spanisch-kaiserlichen Umklammerung zu befreien. Zu diesem Zweck griff es seit 1635 auch mit eigenen Truppen in den Krieg ein.⁴³ Tatsächlich gelang es der französischen Politik, die Schweden von einem Separatfrieden mit dem Kaiser und einem Beitritt zum Prager Frieden abzubringen, indem es diese Optionen im mit Schweden vereinbarten Hamburger Vertrag von 1638 ausschloss. Vielmehr hatten Frankreich und Schweden nunmehr fest vereinbart, nur gemeinsam in mögliche Friedensverhandlungen mit dem Kaiser

 Vgl. Öhman, Der Kampf um den Frieden, S. 200 – 206.  Vgl. Arnke, „Vom Frieden“, S. 97– 104.  Vgl. Wilson, Der Dreißigjährige Krieg, S. 656 – 666.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

69

einzutreten und dabei ihre reichsständischen Verbündeten einzubeziehen. Laut Christoph Kampmann war damit „jene militärische Blockkonstellation entstanden, die bis zum Friedensschluss 1648 prinzipiell unverändert bleiben sollte“.⁴⁴ Und Siegrid Westphal geht davon aus, dass „[n]icht zuletzt dieses Bündnis […] den Krieg um zehn Jahre verlängert haben [dürfte]“.⁴⁵ Diese Entwicklung führte dazu, dass auch der Prager Frieden nicht das Ende des Dreißigjährigen Krieges mit sich brachte und – auch wenn er die meisten Reichsstände sukzessive einschloss – in dieser Hinsicht scheiterte. Überdies entstand mit dem französisch-schwedischen Hamburger Vertrag von 1638 ein neues strukturelles Friedenshindernis, da der damit verbundene Ausschluss von Separatverhandlungen nur noch die Option von multilateralen Friedensverhandlungen offenließ. Solche aber brachten eine deutlich höhere Komplexität mit sich als etwa jene Separatverhandlungen, die 1629 zum Frieden von Lübeck geführt hatten. So lässt sich festhalten, dass sich mit dem Hamburger Vertrag von 1638 ein Zeitfenster schloss, das mit dem Prager Frieden von 1635 geöffnet worden war und das die womöglich erfolgversprechendste Gelegenheit des gesamten Krieges geboten hatte, einen vergleichsweise raschen, unkomplizierten und deutlich früheren Frieden zu schließen. Zugleich wurde 1638 immer offensichtlicher, dass es nunmehr allein einen Weg zum Frieden geben konnte: einen Universalfriedenskongress.

5 Der geplante Kölner Kongress um 1636 Der sogenannte Kölner Kongress fällt wie schon der Interpositionstag von Eger des Jahres 1619 in die Kategorie der nie in die Tat umgesetzten Friedensversuche des Dreißigjährigen Krieges.⁴⁶ Er ist dennoch zu erwähnen, weil er eine zusätzliche Friedensstrategie aufzeigt, die einen Universalfrieden der katholischen Mächte Spaniens, Frankreichs und des Kaisers zum Ziel hatte. Schon seit Jahren von Papst Urban VIII. (1568 – 1644) vorgeschlagen, konkretisierten sich die päpstlichen Pläne zu einem Universalfrieden der katholischen europäischen Mächte um das Jahr 1636 herum. Weder Frankreich noch die beiden Habsburger Mächte Spanien und der Kaiser verschlossen sich der päpstlichen Offerte und so tauschten sie im Vorfeld ihre Forderungen aus. In diesem Kontext zeigte sich, dass Frankreich seine Strategie, möglichst alle Verbündeten in die Verhandlungen  Kampmann, Europa und das Reich, S. 126.  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 27.  Vgl. zum gescheiterten Kölner Kongress jüngst auch Rohrschneider, Die ‚verhinderte Friedensstadt‘.

70

Volker Arnke

einzubinden, auf dem Kölner Kongress umsetzen wollte. So forderte es, dass auch seine protestantischen Bündnispartner Schweden, der Reichsstand Hessen-Kassel sowie sein reichsständischer Heerführer Bernhard von Sachsen-Weimar (1604 – 1639) zum eigentlich katholisch geprägten Kongress zugelassen werden sollten. Demgegenüber war der Kaiser lediglich bereit, die Kurfürsten des Reiches zuzulassen, denen ohnehin ein verfassungsgemäßer Anspruch auf eine Vertretung des Reiches nach außen hin zukam. Oberstes Ziel Ferdinands II. und seines Nachfolgers Ferdinand III. (1608 – 1657, reg. 1637– 1657) war es, die Gültigkeit des Prager Friedens von 1635, der die Reichsstände bereits einschloss, nicht aushöhlen zu lassen, indem alle Reichsstände zu Friedensverhandlungen mit den auswärtigen Kronen zugelassen worden wären.⁴⁷ Ihren Friedenswillen ließen Spanien und der Kaiser daran erkennen, dass sie im März 1637 Gesandte nach Köln schickten. Auch forderten die kaiserlichen Vertreter die rasche Eröffnung des Kongresses mit der Begründung: „denn seine Majestät will Frieden“.⁴⁸ Allerdings zweifelt die Forschung an einem ernsthaften Friedensinteresse Frankreichs zu diesem Zeitpunkt. Zwar hat Klaus Malettke herausgestellt, dass Richelieu grundsätzlich den Plan verfolgte, „einen sicheren und dauerhaften Universalfrieden für Europa zu erreichen“.⁴⁹ Mark Hengerer allerdings betont, dass dem Kardinal im Hinblick auf den Kölner Kongress daran gelegen gewesen sei, mit den Vorbereitungen Zeit für die Umsetzung seiner Kriegsziele zu gewinnen. Dazu zählten die Trennung der spanischen von der österreichischen Linie der Habsburger, die Gründung eines reichsständischen Bündnisses gegen die Dominanz des Kaisers im Reich sowie eines Bündnisses italienischer Mächte, das die Habsburger auf dem italienischen Kriegsschauplatz in Schach halten sollte. Die sich entzündende Debatte um die Zulassung verschiedener Mächtevertreter und die ihnen offiziell zuzugestehenden Titel und Ehren verzögerte den Kongressbeginn erheblich, so dass sich den Kaiserlichen spätestens Anfang 1638 der Eindruck vermittelte: „[D]ie Franzosen wollen keinen Frieden.“⁵⁰ Diesem Eindruck entspricht auch ein Gutachten aus dem Kreis der päpstlichen Gesandtschaft, das den Kölner Kongress als „Trauerfeiern für gestorbene Hoffnungen“ beschrieb.⁵¹ Dass Kaiser Ferdinand III. weiter vorverhandeln ließ, lag auch am französisch-schwedischen Hamburger Vertrag, der zwischenzeitlich die

 Vgl. Hengerer, Kaiser Ferdinand III., S. 183 – 190.  Zitiert nach: ebd., S. 185.  Malettke, Richelieu, S. 917.  Reichshofrat Walderode an den päpstlichen Nuntius. Zitiert nach: Hengerer, Kaiser Ferdinand III., S. 185.  Zitiert nach: ebd.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

71

Möglichkeit auf einen kaiserlich-schwedischen Separatfrieden zunichte gemacht hatte. „Der Kongress bot immerhin eine Friedenschance und diente dem gegenüber den Reichsständen als Nachweis kaiserlichen Friedenswillens“, so Mark Hengerer.⁵² Daher und wegen zunehmender militärischer Bedrängungen – auch ein Krieg mit den Osmanen schien wieder zu drohen – machte der Kaiser bis zum Abbruch der Vorverhandlungen im Jahr 1640 sukzessive Zugeständnisse und stimmte der Zulassung von mehr und mehr Verbündeten Frankreichs und Schwedens zu (Hessen-Kassel, der Pfalzgraf und Bernhard von Sachsen-Weimar). Zwar verlief der Kölner Kongress im Sande, doch konnte Kaiser Ferdinand III. beim folgenden Anlauf für Universalfriedensverhandlungen, dann in Münster und Osnabrück, kaum mehr hinter die einmal gemachten Zugeständnisse zurück, was letztlich in die Zulassung sämtlicher Reichsstände auf dem Westfälischen Friedenskongress mündete.⁵³ Bezugnehmend auf die Analysekategorien dieses Beitrags zeigt sich, dass das Zustandekommen des Kölner Kongresses an den divergierenden politischen Interessen scheiterte. Hatte sich der Kaiser im Grundsatz an die päpstlich-französische Strategie eines Universalfriedensschlusses angenähert, hielt ihn der Wunsch, seine Stellung im Reich nicht zu schmälern und den Prager Frieden aufrechtzuerhalten, lange Zeit davon ab, die verbündeten Reichsstände Frankreichs zu den Friedensverhandlungen zuzulassen. Auf diese Weise verhinderte er den Beginn des Kongresses. Zugleich erscheint Frankreich zu diesem Zeitpunkt nicht ernsthaft an einem Friedensschluss interessiert gewesen zu sein, da es eines seiner wichtigsten Ziele, sich aus der Umklammerung der Habsburger zu lösen, zu diesem Zeitpunkt nicht erreichen konnte. Damit erscheint aus diesem Blickwinkel auch die Verbindung der österreichischen mit der spanischen Linie der Habsburger als ein strukturelles Friedenshindernis, das erst als eines der letzten Probleme auf dem Westfälischen Friedenskongress gelöst werden konnte.⁵⁴

6 Der Goslarer Frieden von 1642 Bis zum Beginn des Westfälischen Friedenskongresses stellten die Kaiserlichen ihre Versuche allerdings nicht ein, doch noch einen Separatfrieden mit Schweden zu erreichen. Dass ihre Strategie, gegnerische Bündnispartner zu isolieren und mit ihnen Sonderfrieden zu schließen, noch immer aufgehen konnte, zeigt sich

 Ebd.  Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 16.  Ebd., S. 9.

72

Volker Arnke

am Goslarer Frieden von 1642.⁵⁵ Der Separatfrieden mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg war nötig geworden, weil die Welfen im Jahr 1640 trotz ihres vormaligen Beitritts zum Prager Frieden wieder ins antikaiserliche Lager gewechselt waren, um territoriale Ansprüche zu realisieren.⁵⁶ Daraufhin wurden die beiden wichtigsten Reichsstände, die sich damals im Bündnis mit Schweden und Frankreich befanden, Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg, auf dem Nürnberger Kurfürstentag von 1640 und auf dem Regensburger Reichstag von 1640/41 zu zentralen Themen. Dort wurde beschlossen, das mit ihnen Sonderverhandlungen geführt werden sollten, um sie in den Prager Frieden einzubinden.⁵⁷ Auch hier war es wieder der sächsische Kurfürst Johann Georg I., der – selbst um den Erhalt des einst mit dem Kaiser ausgehandelten Prager Friedens bedacht – dazu beitrug, dass es zu Verhandlungen mit Braunschweig-Lüneburg kam. Ihm gelang es offenbar auch im Frühjahr 1641 einen der Welfenherzöge, August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1579 – 1666), an die Seite des Kaisers zu führen. Seine Bedingung war, dass „ihm nur hinsichtlich seiner Hauptstadt Wolfenbüttel Satisfaktion geschehe“.⁵⁸ Mit den weiteren Welfenherzögen sollte ebenfalls verhandelt werden. Zugleich wurde mit kaiserlichen Truppen Druck auf diese ausgeübt. Die Calenberger Vettern von Herzog August II. allerdings beharrten zunächst auf ihrer Direktive, nur einem Universaltfriedenskongress unter Teilnahme der Reichsstände und der auswärtigen Kronen zuzustimmen, so wie sie dies bereits auf dem Regensburger Reichstag 1640/41 gefordert hatten. Separate Friedensverhandlungen mit der kaiserlichen Partei schlossen sie daher vorerst aus und zeigten sich damit als Unterstützer der französischen Universalfriedensstrategie.⁵⁹ Diese Ablehnung der kaiserlichen Offerte führte schließlich zu einer bewaffneten Konfrontation bei Wolfenbüttel, die für die Welfen nachteilig ausging und die Besetzung weiter Teile ihrer Herzogtümer durch kaiserliche Truppen zur Folge hatte. Vor diesem Hintergrund stimmten neben dem schon länger kompromissbereiten Herzog August II. auch seine Vettern Separatverhandlungen mit

 Als Goslarer Frieden werden gemeinhin zusammenfassend der Goslarer Akkord vom 16. Januar und der Braunschweigische Rezess vom 19. April 1642 bezeichnet. Vgl. hierzu Reimann, Der Goslarer Frieden, passim, zur Bezeichnung des Friedensschlusses S. 1.  Insbesondere das große Stift Hildesheim stellte einen wesentlichen Streitpunkt zwischen den Welfen und dem Kaiser dar. Letztlich ging dieser Territorialanspruch an Kurköln verloren. Vgl. Reimann, ebd., S. 1.  Vgl. ebd., S. 168.  Ebd., S. 169.  Vgl. ebd., S. 170.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

73

dem Kaiser zu. In diesen einigte man sich darauf, dass die Welfenherzöge aus dem Bündnis mit Schweden ausschieden und dem Prager Frieden sowie dem Regensburger Reichsabschied beitraten. Die Herzöge konnten allerdings durchsetzen, dass ihre Truppen nicht in die Reichsarmee eingegliedert wurden. Stattdessen dankten die Welfen einen Großteil ihres Militärs ab, der nicht zur Verteidigung ihrer Festungen benötigt wurde. Damit setzte sich die kaiserliche Seite in diesem Punkt nicht durch, was sich mit dem Wunsch nach einem raschen Friedensschluss mit den Welfenherzögen erklären lässt. Denn es wurde kaiserlicherseits befürchtet, dass während längerer Verhandlungen schwedische Truppen eintreffen könnten, die den welfisch-kaiserlichen Frieden doch noch verhindern würden.⁶⁰ Letztlich führte der Teilerfolg der kaiserlichen Partei eines weiteren errungenen Separatfriedens nicht zum gewünschten Gesamtergebnis einer vollständigen Befriedung des Reiches. Einerseits verblieb mit Hessen-Kassel der letzte wichtige reichsständische Partner Frankreichs und Schwedens im antikaiserlichen Bündnis, andererseits war die Schwächung dieses Bündnisses durch das Ausscheiden Braunschweig-Lüneburgs nicht von großem Belang für die Kräfteverhältnisse im Krieg. Da das Bündnis zwischen Frankreich, Schweden und Hessen-Kassel weiterhin Bestand hatte, wurde immer deutlicher, was sich bereits mit dem Hamburger Vertrag zwischen Frankreich und Schweden von 1638 abgezeichnet hatte: Nur ein Universalfriedenskongress würde zu einem Frieden führen können. Dieser Pfad wurde im Hamburger Präliminarfrieden von 1641 und schließlich auf dem Westfälischen Friedenskongress ab 1643 weiter beschritten.

7 Fazit Die Gründe für das jeweilige Scheitern der fünf untersuchten Friedensinitiativen des Dreißigjährigen Krieges waren vielfältig. Sie lassen sich überwiegend aber aus der Wechselwirkung von Friedensinitiativen und weitergeführtem Kriegshandeln ableiten. Daher lässt sich zunächst als ein wichtiges Charakteristikum der Friedensversuche des Dreißigjährigen Krieges feststellen, dass sie sich durchweg vor dem Hintergrund paralleler Militäraktionen oder Kriegsvorbereitungen abspielten. Diese Grundkonstellation wirkte sich, selbst wenn sich Militäraktionen wie im Falle des Mantuanischen Erbfolgekrieges an der Peripherie des Reiches ereigneten, stets hinderlich auf die Friedensinitiativen aus. Zwischenzeitliche Friedensschlüsse wie der Lübecker Frieden von 1629 oder auch der Prager Frieden

 Vgl. ebd., S. 170 – 173.

74

Volker Arnke

von 1635 wirkten allenfalls zeitweise und vor allem nur partiell befriedend, nie aber dauerhaft und alle Parteien umfassend.⁶¹ Übergangsphänomene wie etwa ein Kalter Krieg oder ein Kalter Frieden, in denen es zu einer völligen Beruhigung der Kriegshandlungen – etwa im Rahmen von Friedensverhandlungen – gekommen wäre, lassen sich daher für die untersuchten Friedensinitiativen des Dreißigjährigen Krieges nicht feststellen. Im Einzelnen kann das jeweilige Scheitern der Friedensinitiativen wie folgt systematisiert werden. In der Frage der verfolgten Friedensstrategien haben sich deutliche Unterschiede zwischen zwei zentralen Widersachern des Konflikts – Frankreich und das Haus Habsburg – gezeigt. Während die bevorzugte Strategie der Kaiserlichen jene nach einem Separatfrieden war, verfolgte die französische Seite eine Universalfriedensstrategie. Schweden hingegen schien lange Zeit unentschieden zu sein, ließ sich aber unter anderem auf Grund der hohen Geldmittel, die es von Frankreich erhielt, an dieses binden und verpflichtete sich damit spätestens seit dem Hamburger Vertrag von 1638 ebenfalls der Strategie des Universalfriedens. Mit Blick auf ausgewählte Reichsstände lässt sich feststellen, dass Kursachsen in erster Linie auf den Erhalt des Reichsverbandes und der reichischen Friedensordnung bedacht war. Dafür nutzte es bestehende Elemente der Reichsverfassung, stand überwiegend in großer Nähe zum Kaiser und unterstützte dessen Friedensinitiativen. Braunschweig-Lüneburg hingegen orientierte sich lange Zeit am antikaiserlichen Bündnis und formulierte daher wie Frankreich das Ziel eines Universalfriedenskongresses, der die Reichsstände einbinden sollte. Hinsichtlich der Bedeutung personaler Akteure hat sich gezeigt, dass einzelne Personen bzw. ihr Schicksal entscheidend zur Kriegsfortsetzung beitragen konnten. Zunächst war es Kaiser Matthias oder vielmehr dessen Tod im Jahr 1619, der erste Friedensverhandlungen verhinderte, die den Krieg im Keim hätten ersticken können. Sein in gegenreformatorischer Hinsicht radikalerer Nachfolger Kaiser Ferdinand II. trug mit seinem konfessionspolitisch explosiven Restitutionsedikt von 1629 ebenfalls zur Kriegsverlängerung bei. In der Folge des Prager Friedens von 1635 war es schließlich vor allem der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna, der einen Separatfrieden mit dem Kaiser verhinderte – trotz des Friedenswillens der schwedischen Königin Christina.

 Eine ähnliche nur vorübergehend und partiell beruhigende Wirkung auf den Kriegsverlauf lässt sich für die Waffenstillstände des Dreißigjährigen Krieges feststellen, die zeitweise insbesondere von Reichsständen wie Bayern, Köln, Kursachsen und Brandenburg mit den auswärtigen Kronen eingegangen wurden, um ihre Territorien zu schützen. Vgl. hierzu aktuell Croxton, Peacemaking, S. 297– 299.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

75

Als ein genuin politisches Interesse, das bei der Verhinderung des Friedens eine Rolle spielte, ist Schwedens Anspruch auf Herrschaft über die Ostsee und möglicherwies ein weitergehendes Interesse an einer Hegemonie in Europa zu nennen. Des Weiteren bestand ein Interesse Frankreichs daran, die Vormachtstellung Habsburgs in Europa zu schwächen und umgekehrt ein habsburgisches Interesse daran, den Einfluss Frankreichs und anderer Gegner nicht zu groß werden zu lassen. Die letztgenannten politischen Interessen stehen in engem Zusammenhang mit friedenshinderlichen Strukturen. So lassen sich zunächst in europäischer Perspektive die sich gegenüberstehenden machtpolitischen Blöcke und Bündnissysteme als strukturelle Friedenshindernisse ausmachen. Dies war zum einen der Habsburger Einflussbereich, das Spanische System, und zum anderen ein antihabsburgisches Netzwerk, an dessen Spitze das Frankreich Richelieus stand. Dahinter standen zwei verschiedene politische Konzepte, die aus Richelieus Sicht einerseits eine Habsburger Universalmonarchie über ganz Europa und andererseits ein plurales System souveräner Gemeinwesen unter der Hegemonie Frankreichs darstellten. Das Gegeneinander dieser Konzepte wirkte kriegsverlängernd. In dieser Hinsicht stellte das enge Bündnis der österreichischen und der spanischen Linie der Habsburger, dessen Trennung Frankreich intensiv betrieb, ein schwerwiegendes strukturelles Friedenshindernis dar. Zudem wurden im Heiligen Römischen Reich Verfassungsfragen zu strukturellen Problemen. So wirkte beispielsweise die Übertragung der Pfälzer Kurwürde auf Bayern im Jahr 1623 und die darüber bestehende Uneinigkeit friedenshinderlich. Nicht zuletzt traten die divergierenden Friedensstrategien der Kriegsparteien selbst als strukturelle Friedenshindernisse hervor, da sie diametral entgegengesetzt waren. So konnte es allein dann zu einem vollumfänglichen Frieden kommen, wenn eine Seite die eigene Strategie aufgab. Die kaiserliche Separatfriedensstrategie, die zwischenzeitlich Teilerfolge zeitigte (Lübecker Frieden 1629, Prager Frieden 1635, Goslarer Frieden 1642), konnte spätestens seit dem französisch-schwedischen Vertrag von Hamburg aus dem Jahr 1638, der separate Friedensverhandlungen der Bündnispartner ausschloss, nicht mehr zu einem allumfassenden Erfolg führen. Die französische Universalfriedensstrategie verblieb damit der einzige Weg zum Frieden. Indem der Kaiser seit 1636 im Rahmen der Vorverhandlungen zum Kölner Kongress signalisierte, mehr und mehr Akteure zu Friedensverhandlungen zuzulassen, zeigte er eine Bereitschaft, auf die französische Strategie einzuschwenken und markierte damit einen entscheidenden Wendepunkt auf dem Weg zum Frieden. Allein Kompromissfähigkeit im Bereich der Interessen sowie die Bereitschaft, friedenshinderliche Strukturen aufzubrechen und damit entscheidende Wendepunkte einzuläuten, führten im weiteren Verlauf zu der Beendigung des Krieges.

76

Volker Arnke

Um die einleitend in Grimmelshausens Simplicissimus genannten politiktheoretischen Konzepte nochmals aufzugreifen, könnte formuliert werden, dass das Streben nach der Universalmonarchie erst dem Streben nach dem Universalfrieden weichen musste, bevor 1648 tatsächlich ein Friedenskonzept umgesetzt wurde, das zwar am Ende doch keinen Universalfrieden schuf,⁶² aber dennoch den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Quellen Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von: Simplicissimus Teutsch. Text und Kommentar. Hrsg. von Dieter Breuer. Teil I/1. Frankfurt a. M. 1989 (Bibliothek deutscher Klassiker 44). Erstdruck: Monpelgart [= Nürnberg] 1668/69. Molhuysen, Philip C., u. a. (Bearb.): Briefwisseling van Hugo Grotius. 1583 – 1645. 17 Bde. ’s-Gravenhage 1928 – 2001.

Literatur Arnke, Volker (Bearb.): Auswahlbibliographie „Westfälischer Frieden und Dreißigjähriger Krieg“. Online-Ressource, publiziert 2014. URL: https://www.ikfn.uni-osnabrueck.de/ fileadmin/documents/public/pdf/Auswahlbibliographie_Westf%C3%A4lischer_Frieden_ und__Drei%C3%9Figj%C3%A4hriger_Krieg.pdf (abgerufen am 15. 06. 2020). Arnke, Volker: „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg. Nicolaus Schaffshausens „De pace“ und der positive Frieden in der Politiktheorie. Berlin/Boston 2018. Baumbach, Hendrik: Ewiger Landfrieden 1495, in: Dingel u. a. (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2021 (siehe dort), S. 799 – 816. Baumbach, Hendrik/Carl, Horst (Hrsg.): Landfrieden – epochenü bergreifend. Neue Perspektiven der Landfriedensforschung auf Verfassung, Recht, Konflikt. Berlin 2018. Breuer, Karl: Der Kurfürstentag zu Mühlhausen. 18. Oktober bis 12. November 1627. Phil. Diss. Bonn 1904. Burkhardt, Johannes: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2018. Croxton, Derek: Peace-making in the Thirty Years War, in: Dingel u. a. (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2021 (siehe dort), S. 293 – 308. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Hrsg. von Konrad Repgen. 7. Aufl. Münster 1998. Dingel, Irene/Rohrschneider, Michael/Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Whaley, Joachim (Hrsg.): Handbuch Frieden im Europa der Frühen Neuzeit. Handbook of Peace in Early Modern Europe. bearb. v. Volker Arnke. Berlin/Boston 2021.

 Vgl. Rohrschneider, Der universale Frieden, S. 206 – 209.

Eger – Lübeck – Prag – Köln – Goslar

77

Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist: Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019. Gotthard, Axel: Der Augsburger Religionsfrieden. Münster 2004. Hartmann, Anja Victorine: Von Regensburg nach Hamburg. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem französischen König und dem Kaiser vom Regensburger Vertrag (13. Oktober 1630) bis zum Hamburger Präliminarfrieden (25. Dezember 1641). Münster 1998. Hengerer, Mark: Kaiser Ferdinand III. (1608 – 1657). Eine Biographie. Wien/Köln/Weimar 2012. Herz, Andreas: Aufrichtigkeit, Vertrauen, Frieden. Eine historische Spurensuche im Umkreis der Fruchtbringenden Gesellschaft, in: Euphorion 105 (2011), S. 317 – 359. Herz, Andreas: Vertrauen und Verbindlichkeit. Zur Propä deutik des Friedens im Umkreis der Fruchtbringenden Gesellschaft. Ein Streiflicht, in: Ulrike Gleixner/Franciszek Grucza (Hrsg.), Erzä hlte Geschichte – Erinnerte Literatur. Frankfurt a. M. 2012, S. 29 – 32. Herz, Andreas/Ball, Gabriele: Friedenssehnsucht und Spracharbeit. Die Fruchtbringende Gesellschaft 1637 – 1638, in: Mitteilungen des Vereins fü r Anhaltische Landeskunde 17 (2008), S. 47 – 84. Kaiser, Michael: Nachrichten aus Den Haag. Johann van der Veecken als kurkölnischer Agent zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 217 (2014), S. 63 – 147. Kaiser, Michael: 1618 – 2018. Eine bibliographische Bestandsaufnahme zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges vor 400 Jahren, in: Zeitschrift für Historische Forschung 45 (2018), S. 715 – 797. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart 2008. Kaufmann, Thomas: Konfessionalisierung, in: Friedrich Jaeger (Hrsg.), Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 6. Stuttgart/Weimar 2007, Sp. 1053 – 1070. Malettke, Klaus: Richelieu. Ein Leben im Dienste des Königs und Frankreichs. Paderborn 2018. Medick, Hans: Der Dreißigjährige Krieg. Zeugnisse vom Leben mit Gewalt. Göttingen 2018. Mü ller, Frank: Kursachsen und der Bö hmische Aufstand 1618 – 1622. Mü nster 1997. Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 – 1648. Berlin 2018. Öhman, Jenny: Der Kampf um den Frieden. Schweden und der Kaiser im Dreißigjährigen Krieg. Wien 2005. Ortlieb, Eva/Schnettger, Matthias (Bearb.): Bibliographie zum Westfälischen Frieden. Hrsg. von Heinz Duchhardt. Münster 1996. Reimann, Michael: Der Goslarer Frieden von 1642. Hildesheim 1979. Repgen, Konrad: Die Westfälischen Friedensverhandlungen. Übersicht und Hauptprobleme, in: Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Hrsg.), 1648: Krieg und Frieden in Europa. Textbd. 1: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft. Mü nster 1998, S. 355 – 372. Rohrschneider, Michael: Ein Ensemble neuralgischer Zonen. Europäische Konfliktfelder um 1600, in: Robert Rebtisch (Hrsg.), 1618. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Wien/Köln/Weimar 2017, S. 19 – 46. Rohrschneider, Michael: Der universale Frieden als Leitvorstellung auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649). Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Peter

78

Volker Arnke

Geiss/Dominik Geppert/Julia Reuschenbach (Hrsg.), Eine Werteordnung für die Welt? Universalismus in Geschichte und Gegenwart. Baden-Baden 2019, S. 195 – 216. Rohrschneider, Michael: Die ‚verhinderte Friedensstadt‘: Köln als Kongressort im 17. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.), Frühneuzeitliche Friedensstiftung in landesgeschichtlicher Perspektive. Wien/Köln/Weimar 2020, S. 139 – 161. Rohrschneider, Michael/Tischer, Anuschka (Hrsg.): Dynamik durch Gewalt? Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) als Faktor der Wandlungsprozesse des 17. Jahrhunderts. Münster 2018. Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018. Schmidt-Voges, Inken: De antiqua claritate et clara antiquitate Gothorum. Gotizismus als Identitätsmodell im frühneuzeitlichen Schweden. Frankfurt a. M. [u. a.] 2004. Schulze, Fabian: Der Leipziger Bund von 1631. Zur Rolle der Reichskreise im Selbstbehauptungskampf der protestantischen Reichsstände, in: Rohrschneider/Tischer (Hrsg.), Dynamik durch Gewalt?, 2018 (siehe dort), S. 135 – 160. Schulze, Fabian: Die Reichskreise im Dreißigjä hrigen Krieg. Kriegsfinanzierung und Bü ndnispolitik im Heiligen Rö mischen Reich deutscher Nation. Berlin/Bosten 2018. Strohmeyer, Arno: Der Dreißigjährige Krieg in der Korrespondenz des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1629 – 1643), in: Rohrschneider/Tischer (Hrsg.), Dynamik durch Gewalt?, 2018 (siehe dort), S. 316 – 335. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015. Wilson, Peter H.: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie. Darmstadt 2017.

Teil III: Vom Krieg zum Frieden – Parteien und Verhandlungsführung auf dem Westfälischen Friedenskongress

III.A: Verhandlungsführung

Markus Laufs

Translativ – diskursiv – regulativ. Praktiken päpstlich-venezianischer Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress und ihre Funktionen 1 Einleitung Die Instruktion, die Dogensekretär Antonio Banerello im Juli 1643 für den venezianischen Mediator auf dem Westfälischen Friedenskongress, Alvise Contarini (1597– 1651), ausgefertigt hatte, zeichnete sich durch ihre prägnante Kürze aus. Im Gegensatz zu anderen Hauptinstruktionen, die, teilweise ergänzt durch Nebeninstruktionen, einen großen Umfang hatten und tief ins Detail gingen, nimmt die überlieferte Registerkopie der Instruktion der Serenissima keine drei Seiten ein.¹ Bemerkenswert dabei ist zudem die Beschreibung von Contarinis Vermittleraufgabe: „Seine Aufgabe wird die des Interpositors und Mediators sein, wie es immer jene war, die die Republik in einer solchen Angelegenheit übernommen hat, um zu erleichtern und die Schwierigkeiten einzuebnen, die aufkommen [und] die einem Friedensschluss entgegenstehen könnten.“² Konrad Repgen hat diese kurze Anweisung als Zeugnis dafür gewertet, dass der erfahrene Diplomat wie auch der venezianische Senat wussten, was unter den Aufgaben der Mediation und Interposition zu verstehen war, ohne dass diese besonders ausgeführt werden mussten.³ Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts bleiben die Elemente einer Mediation allerdings ungewiss. Wenngleich die Instruktion für Contarinis päpstlichen Mediationspartner, Fabio Chigi (1599 – 1667), etwas ausführlicher auf die

 Vgl. Instruktion Banerellos für Contarini, Venedig 16. Juli 1643, Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig [BNM], Codice Italiano [Cod. I.], Classe VII [Cl.VII], Codice [Cod.] 1105 (collocazione [coll.] 8155), fol. 3r – 4r. Für weitere Haupt- sowie Nebeninstruktionen zum Westfälischen Friedenskongress vgl. Acta Pacis Westphalicae. Serie I. Bd. 1: Frankreich, Schweden, Kaiser. Bearb. von Fritz Dickmann, Kriemhild Goronzy und Emil Schieche u. a., 1962. – Die Acta Pacis Westphalicae werden bei mehrfacher Nennung künftig abgekürzt mit der Sigle APW zitiert unter Angabe von Serie, Abteilung, Bandnummer, Teilband, Aktennummer, Seitenzahl und Zeilenangabe.  „Ufficcio suo sarà, come è stato sempre q[ue]llo che ha’ havuto la Rep[ubbli]ca in questo affare d’Interpositore, et Mediatore p[er] aggevolar, et spianar le difficoltà che nacessero, che potessero opp[o]rsi alla conclusione della Pace.“ Instruktion Banerellos für Contarini, Venedig 16. Juli 1643, BNM, Cod. I., Cl. VII, Cod. 1105 (coll. 8155), fol. 3r – 4r, hier fol. 3v. Übersetzung des Verfassers.  Vgl. Repgen, Friedensvermittlung und Friedensvermittler, S. 948 f. https://doi.org/10.1515/9783110703795-006

84

Markus Laufs

Aufgaben der Vermittlung eingeht, so bleibt die Frage, wie die Praxis der Vermittlung gestaltet wurde und welche Handlungen vollzogen wurden.⁴ Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Praktiken päpstlicher und venezianischer Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress, indem er ein funktionsbezogenes Kategorisierungsschema vorstellt, in das Handlungsmuster Chigis und Contarinis eingefügt werden. Auf diese Weise wird der päpstlich-venezianischen Mediation eine historisch-praxeologische Struktur verliehen, die einen präzisen analytischen Blick auf Absichten, Instrumente, Funktions- und Handlungsweisen der Vermittler ermöglicht.⁵ Durch dieses Schema wird verdeutlicht, dass es sich bei Praktiken von Friedensvermittlung um ein eingegrenztes Repertoire von verdichtet und flexibel genutzten Instrumenten handelte, die von verhandelnden Akteuren häufig als unterschwellig und implizit wahrgenommen wurden. Im Kontext dieses Tagungsbands wird eine Beschreibung der päpstlichvenezianischen Mediation in Münster präsentiert, die als praxis- und funktionsorientierte Vergleichsfolie für ein etwaiges Wirken einer Dritten Partei und anderer diplomatischer Akteure auf dem Westfälischen Friedenskongress sowie im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts dienen kann. Um die Untersuchung zu kontextualisieren, werden zunächst der päpstliche und venezianische Mediator, ihre Vermittlungsposition und ihre Kooperation vorgestellt. Es folgt eine kurze Erörterung des Begriffs der Mediation und seiner Anwendungsweise auf dem Westfälischen Friedenskongress. Ebenso wird das in dieser Studie anzuwendende Kategorisierungsschema der translativen, diskursiven und regulativen Vermittlungspraktiken erläutert. Diese Struktur wird im Anschluss durch Praktiken des Übermittelns und Übersetzens, des Vorschlagens sowie des Beglaubigens und Verwahrens am Beispiel der päpstlich-venezianischen Mediation veranschaulicht. Vor allem die Berichte Chigis und Contarinis aus Münster an ihre Dienstherren in Rom und Venedig sowie an die päpstlichen Nuntien in Paris und Wien, Niccolò Guidi di Bagni (1584– 1663) und Camillo Melzi (1590 – 1659), dienen dieser Studie ebenso als Quellengrundlage wie diejenigen an die venezianischen Gesandten am Hof Ludwigs XIV. (1638 – 1715), Girolamo Giustiniani (1611– 1656) und dessen Nachfolger Giovanni Battista Nani (1616 – 1678).

 Zur Instruktion für Chigi vgl. Repgen, Fabio Chigis Instruktion.  Diese Studie präsentiert Ergebnisse der bislang unveröffentlichten Dissertationsschrift des Autors. Vgl. Laufs, „In viam pacis“.

Translativ – diskursiv – regulativ

85

2 Die Mediatoren: Fabio Chigi und Alvise Contarini Auf dem Westfälischen Friedenskongress arbeiteten der Nuntius Fabio Chigi und der venezianische Gesandte Alvise Contarini als Mediatoren eng zusammen.⁶ Eine solche Kooperation war deshalb notwendig, weil der Papst, dessen Mediation sich schon seit den 1630er Jahren abzeichnete, eine Interaktion seiner Vertreter mit protestantischen Akteuren verweigerte. Allerdings waren protestantische mit katholischen Mächte durch feste Bündnisse, etwa zwischen Frankreich und Schweden sowie Frankreich und den Niederlanden, eng verbunden. Darüber hinaus existierten sich überschneidende Interessensphären zwischen Katholiken und Protestanten, so die dringend notwendige Aushandlung einer angemessenen Reichsverfassung, bei der katholische und protestantische Anliegen ineinanderwirkten. Ein rein katholischer Frieden unter Ausschluss protestantischer Mächte war demnach unmöglich.⁷ Damit die Mediation dennoch zum Erfolg führen konnte, sollte ein weiterer Akteur vermitteln, dem es möglich war, sowohl mit dem Nuntius als auch mit Protestanten zu kommunizieren. Hier einigten sich die beteiligten Mächte auf die Republik Venedig mit ihrem Bevollmächtigten Contarini.⁸ Die beiden Italiener vermittelten offiziell zwischen französischen Gesandten auf der einen sowie kaiserlichen und spanischen Gesandten auf der anderen Seite. Andere Verhandlungen kamen ohne Vermittlung aus, während zwischen den genannten Parteien kurzfristig alternative Vermittler eingesetzt wurden, etwa die niederländischen Gesandten zwischen Franzosen und Spaniern.⁹ Zwischen dem Kaiser und Schweden war zunächst Dänemark als Mediationsmacht vorgesehen, aufgrund des Beginns des Torstenssonkriegs (1643 – 1645) wurde der dänische König jedoch selbst Kriegspartei und musste seine Bevollmächtigten aus

 So trafen sich die beiden Mediatoren in der Regel gemeinsam mit den Verhandlungsparteien, wie Chigi in seinen Korrespondenzen zeigt. Vgl. Chigi an Innozenz X., Münster 21. Oktober 1644, Archivio Apostolico Vaticano, Rom [AAV], Nunziatura delle Paci [NP] 15, fol. 39r – 43r, hier fol. 43r; Chigi an Pamfili, Münster, 28. April 1645, AAV, NP 17, fol. 195r – 198v, hier fol. 195r; Chigi an Pamfili, Münster 11. Mai 1646, AAV, NP 19, fol. 269r – 272v, hier fol. 271v. Vgl. auch Rodén, Chigi, S. 133.  Zur französischen Bündnispolitik während der Verhandlungen in Westfalen vgl. Tischer, Diplomatie, 294– 320. Zu den konfessionellen Verflechtungen in den Verhandlungen um die Reichsangelegenheiten vgl. pointiert Repgen, Hauptprobleme, 434– 442.  Vgl. Braun, The Papacy, S. 110; Repgen, Friedensvermittlung und Friedensvermittler, S. 959.  Pointiert haben Guido Braun und Konrad Repgen einen Überblick über die genannten Verhandlungsstrukturen gegeben: Braun, Les formes de la négociation; Repgen, Hauptprobleme, S. 430 – 433.

86

Markus Laufs

Osnabrück zurückziehen. Fortan verhandelten kaiserliche und schwedische Gesandte direkt miteinander.¹⁰ Beide Mediatoren hatten vor den Verhandlungen in Münster bereits diplomatische Aufgaben wahrgenommen. Contarini konnte durch seine Gesandtschaften an den Höfen in Den Haag, London, Paris, Rom und Konstantinopel sowie seine Schlichtungsaktivitäten zwischen dem englischen und dem französischen König eine deutlich größere diplomatische Erfahrung vorweisen als Chigi.¹¹ Dieser hatte zuvor den vergleichsweise unbedeutenden Posten des Inquisitors auf Malta bekleidet und war vor seiner Mission in Münster mit der Nuntiatur in Köln betraut worden, die er auch während des Kongresses weiter innehatte.¹² Die Westfälischen Friedensverhandlungen bildeten das Ende von Contarinis Diplomatenkarriere – nach seiner Rückkehr nach Venedig verstarb er schon im Frühjahr 1651.¹³ Auf Chigi wartete nach dem Kongress hingegen ein steiler Aufstieg, der das Kardinalat sowie das Amt des Staatssekretärs beinhaltete, bis er 1655 unter dem Namen Alexander VII. den Stuhl Petri bestieg.¹⁴ Nach Chigis Ankunft in Münster war es beiden Mediatoren zunächst nicht möglich, miteinander zu kommunizieren, da der Heilige Stuhl und die Serenissima im Castro-Krieg noch gegnerischen Lagern angehörten. Erst nach der Benachrichtigung über den Friedensschluss vom 29. März 1644 nahmen die beiden Italiener Mitte April zueinander Kontakt auf.¹⁵ Ihre Kooperation verlief weitge-

 Zur dänischen Mediation vgl. Lorenz, Friedensvermittlung; Reumann, Kirchenregiment, S. 57– 61. Zum Torstenssonkrieg vgl. Lockhart, Denmark, S. 260 – 265.  Zu Contarinis Biographie vgl. Benzoni, Contarini; Bettanini, Contarini. Zu seiner Rolle und seiner Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress vgl. vor allem Andretta, Diplomazia; Roeck, Venedig; Zanon dal Bo, Contarini.  Zur Biographie Chigis vgl. Fosi, Chigi; Montanari/Rosa, Alessandro VII; Rosa, Alessandro VII. Zu beiden Missionen Chigis auf Malta und in Köln liegen kritische Quelleneditionen vor: Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Die Kölner Nuntiatur. Bd. 9. 1. Teil: Nuntiatur Fabio Chigi (1639 Juni – 1644 März). Bearb. von Maria Teresa Börner, 2009; Fabio Chigi. Apostolic delegate in Malta (1634– 1639). An edition of his official correspondence. Bearb. von Vincent Borg, 1967. Zu Chigis Mediation in Münster vgl. exemplarisch Koller, Chigi; Rodén, Chigi.  Vgl. Benzoni, Contarini, S. 89.  Vgl. Rosa, Alessandro VII, S. 207 f.  Vgl. Chigi an Barberini, Münster 25. März 1644, Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom [BAV], Fondo Barberini latino [FB] 6767, fol. 257r – v, 259r – v, hier fol. 259r; Contarini an den Senat, Münster 25. März 1644, Archivio di Stato di Venezia, Venedig [ASV], Senato (Secreta) [Sen.], Dispacci di Münster [DM], filza 1, Nr. 44, fol. 367r – 368v, hier fol. 367v – 368r; Chigi an Barberini, Münster 15. April 1644, BAV, FB 6767, fol. 298r – v, 300r – v, hier fol. 298r, 300r; Contarini an Giustiniani, [Münster] 15. April 1644, ASV, Sen., DM, filza 1, fol. 410r – 411r, 413r – 415v, hier fol. 414v – 415r; Finalrelation Contarinis für den Senat, [Venedig] 1650 September 26; Die Relationen der

Translativ – diskursiv – regulativ

87

hend harmonisch, trotz vereinzelter Momente der Meinungsverschiedenheiten, des Misstrauens und der Konkurrenz.¹⁶ In ihrer Position als Mediatoren befanden sich Chigi und Contarini durchaus in einem Dilemma: Essentiell wichtig war es für sie, das Vertrauen der Verhandlungsparteien ihnen gegenüber aufrechtzuerhalten. Dies erwies sich als gar nicht so einfach. Um sich vor den Verhandlungsparteien sowie der Kongressöffentlichkeit zu legitimieren, gehörte eine Zurschaustellung der Unparteilichkeit zum Auftreten der Mediatoren, indem sie sich etwa weigerten, an Gastmählern mit Akteuren der Konfliktseiten teilzunehmen. Gerade für Chigi als Vertreter des Papstes, der als padre comune allen katholischen Mächten gleichermaßen wohlgesonnen sein sollte, stellte Unparteilichkeit ein besonderes Gebot dar.¹⁷ Allerdings trug dieses unparteiliche Verhalten nicht wesentlich zum Vertrauenserhalt bei den Verhandlungsparteien bei. Vielmehr erwarteten diese, dass die Mediatoren zu ihren Gunsten agierten.¹⁸ Ein distanziertes Verhalten der Mediatoren interpretierten die Konfliktparteien dagegen rasch als Bevorzugung der Kontrahenten.¹⁹ Da sich die Mediatoren offenbar über weite Strecken tat-

Botschafter Venedigs. Hrsg. von Joseph Fiedler. Bd. 1, 1866 (künftig: Relationen I), S. 298. Zum Castro-Krieg und den Friedensverhandlungen der beteiligten Mächte vgl. Zulian, Relazioni, S. 9 – 28.  Wie Contarini selbst hat auch die Forschung die Interaktion zwischen den beiden Mediatoren als äußerst harmonisch beschrieben. Vgl. Finalrelation Contarinis für den Senat, [Venedig] 1650 September 26; Relationen I, S. 298; Croxton, Westphalia, S. 175; Poelhekke, Vrede, S. 326; Rodén, Chigi, S. 133 f.; Schiavi, Mediazione, S. 46; Zanon dal Bo, Contarini, S. 45 f. Zu dissonanten Momenten vgl. Chigi an Bagni, Münster 1. Juli 1645, BAV, Fondo Chigi [FC] A I 24, fol. 67r; Chigi an Bagni, Münster 6. Januar 1646, BAV, FC A I 24, fol. 113v – 115v, hier fol. 114v – 115r; Chigi an Pamfili, Münster 12. Januar 1646, AAV, NP 19, fol. 14v – 19r, hier fol. 18r – v; Contarini an Nani, Münster 12. Januar 1646; ASV, Sen., DM, filza 3, fol. 737r – 741r, 743, hier fol. 737r – v.  Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 194; Stollberg-Rilinger, Vermittler, S. 134. Zum Gebot der Unparteilichkeit vgl. Repgen, Fabio Chigis Instruktion, S. 668; ders., Friedensvermittlung und Friedensvermittler, S. 957 f. Vgl. darüber hinaus zum padre-comune-Bild des Papstes Braun, Friedensvermittlung, S. 196 – 205; ders., Innozenz X., S. 130 – 138.  Vgl. exemplarisch für das Verhältnis zwischen Chigi und der französischen Verhandlungsseite: Brienne an d’Avaux und Servien, Paris 1644 März 19; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 1: 1644. Bearb. von Ursula Irsigler, 1979, Nr. 3, S. 11, Z. 14– 16; Königin Anne an d’Avaux und Servien, Paris 1644 April 9; APW II B 1, Nr. 30, S. 54, Z. 17– 24; Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 April 16; APW II B 1, Nr. 46, S. 88, Z. 11– 14.  Vgl. Memorandum Ludwigs XIV. für Longueville, d’Avaux (und Servien), Amiens 1647 Juni 1; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 5. 2. Teil: 1647. Bearb. von Guido Braun, 2002, Nr. 298, S. 1390, Z. 39 – S. 1391, Z. 4; Memorandum Ludwigs XIV. für Longueville, d’Avaux und Servien, Paris 1647 August 16; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 6: 1647.

88

Markus Laufs

sächlich unparteilich verhielten, waren sie mit einem unterschiedlich ausgeprägten schwindenden Vertrauenskapital bei den Verhandlungsparteien konfrontiert. Während die kaiserlichen und spanischen Gesandten dem Nuntius zum Ende des Kongresses bzw. im Nachhinein ein redliches, korrektes Verhalten attestierten, genoss Chigi bei der französischen Regierung unter Mazarin einen schlechten Ruf, der scheinbar auch nach dem Westfälischen Friedenskongress noch anhielt.²⁰ Aufgrund stereotyper Vorstellungen der Serenissima als natürliche Gegnerin Habsburgs sowie fester Verhaltenserwartungen an Contarini schenkten die Franzosen dem Venezianer deutlich mehr Vertrauen, obwohl seine Handlungen sie zum Teil stark irritierten. Dieses Vertrauen ging so weit, dass man argumentierte, Contarini fingiere eine prohabsburgische Haltung, sei aber innerlich ein klarer Gegner von Kaiser und spanischem König.²¹ Mit dem spanischen Hauptgesandten, Gaspar de Bracamonte y Guzmán conde de Peñaranda (ca. 1595 – 1676), war der venezianische Gesandte hingegen bald in leidenschaftlicher Abneigung verbunden.²² Vertrauenskapital erwies sich als wichtige Voraussetzung für die effektive Ausübung der Mediation. Allerdings konnten die Verhandlungsparteien auch bei einem angeschlagenen Vertrauensverhältnis zu den Mediatoren von diesem abstrahieren, wie bei der Erörterung der Praktiken des Beglaubigens im weiteren Verlauf deutlich werden wird.

Bearb. von Michael Rohrschneider, 2004, Nr. 103, S. 291, Z. 3 – 8; Brienne an Longueville, d’Avaux und Servien, Paris 1647 November 8; APW II B 6, Nr. 243, S. 710, Z. 28 – 33.  Zur Beurteilung Chigis durch Spanier und Kaiserliche vgl. Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 10; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 9: Mai – August 1648. Bearb. von Stefanie Fraedrich-Nowag, 2013, Nr. 112, S. 375, Z. 14– 17; Rohrschneider, Frieden, S. 254 f. Zum französischen Urteil siehe Anm. 19. So war es nur Contarini nach der Auflösung des Kongresses möglich, in Brüssel und Paris seine Vermittlungsbemühungen zwischen Frankreich und Spanien fortzusetzen, nicht aber Chigi, dem sich Mazarin in den Weg stellte. Vgl. Finalrelation Contarinis an den Senat, [Venedig] 1650 September 26; Relationen I, S. 353 – 360; Andretta, Diplomazia, S. 122 – 124; Zanon dal Bo, Contarini, S. 83 – 85.  Vgl. Mazarin an d’Avaux und Servien, Paris 1644 April 16; APW II B 1, Nr. 46, S. 88, Z. 20 – S. 89, Z. 4; d’Avaux und Servien an Königin Anne, Münster 1644 April 29; APW II B 1, Nr. 73, S. 142, Z. 40 – S. 143, Z. 17; Memorandum Longuevilles, d’Avaux’ und Serviens [für Ludwig XIV.], Münster 1647 Dezember 16; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647– 1648. Bearb. von Christiane Neerfeld, 2010, Nr. 47, S. 170, Z. 22– 29; Braun, Friedensvermittlung, S. 189 f. Zur Konstruktion von Vertrauen vgl. Haug, Vertrauen.  Vgl. Rohrschneider, Frieden, S. 138 f., 141 f., 255.

Translativ – diskursiv – regulativ

89

3 Mediation und Praktiken – Begriffe und Kategorisierung In einem Rückblick auf den Kongress behauptete Chigi 1650, dass nur er und Contarini von den Verhandlungsparteien als Mediatoren bezeichnet worden seien. Die niederländischen Gesandten seien hingegen aufgrund ihrer verhältnismäßig spontanen Vermittlung mit Eigeninteressen mit dem Terminus der Interpositoren belegt worden.²³ Schon ein Blick in die französischen Korrespondenzen während des Kongresses relativiert Chigis Behauptung, denn auch die Niederländer wurden – wenn auch sehr selten – Mediatoren genannt. Die venezianische Vermittlung wiederum nutzte sowohl Mediation als auch Interposition als Eigenbezeichnungen.²⁴ Dennoch verrät Chigis Darstellung etwas über das Verständnis einer idealen Mediation. Sie beschrieb weniger Handlungen als die Rolle des Vermittlers als offiziell und öffentlich eingesetzt. Dieses Bild zeichneten auch die niederländischen Gesandten, die gegenüber den Generalstaaten zu Beginn ihrer – bis September informalen – Vermittlung äußerten, dass sie eben nicht als Mediatoren zwischen Franzosen und Spaniern schlichteten.²⁵ Fernab der Rechtfertigungen und Selbstdarstellungen wurde in der eigentlichen Verhandlungspraxis häufig nicht mehr so trennscharf unterschieden, wie es die hier angeführten Beispiele gezeigt haben. Der Begriff der Praktiken orientiert sich an den Definitionen von Theodore R. Schatzki und Andreas Reckwitz, die diese als sich zeitlich und räumlich wiederholende, typisierte und sozial verständliche Handlungsbündel des Tuns und

 „In questa maniera esse chiamavano Mediatori il Nuntio e l’Amb[asciato]re Veneto, come poi hanno continuato di chiamar li ministri de Mediatori. In quel med[esim]o tempo mentre, che negotiavo le conditioni della Pace tra le due Corone, subentrarono da banda, et all’improviso à trattarla i Deputati delle Provincie unite, […] solo questo rispetto usavano i Ministri delle due Corone che chiamavano quei Deputati Interpositori, e non Mediatori“. Chigi an Pamfili, Aachen 17. Dezember 1650, AAV, NP 28, fol. 158r – 161v, hier fol. 159r – v.  Vgl. Instruktion Banerellos für Contarini, Venedig 16. Juli 1643, BNM, Cod. I., Cl. VII, Cod. 1105 (coll. 8155), fol. 3r – 4r, hier fol. 3v; Servien an Lionne, [Münster] 1646 Oktober 30; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 4: 1646. Bearb. von Clivia Kelch-Rade und Anuschka Tischer, 1999, Nr. 231, S. 690, Z. 28.  Vgl. Verbael van de Ambassade tot de Vredehandelinge binnen Munster, praes. [Den Haag] 16. September 1648, Eintrag zum 9. Juli 1646, Nationaal Archief, Den Haag [NA], Staten-Generaal [SG] 8411, fol. 259r. Zur niederländischen Vermittlung von Juni bis September 1646 vgl. Laufs, Verbindlichkeit.

90

Markus Laufs

Sagens beschreiben.²⁶ Als Praktiken von Friedensvermittlung sind jene Praktiken zu verstehen, die von als solchen anerkannten Friedensvermittlern zum Zweck der Konfliktlösung angewandt wurden. Entsprechend der Funktionen, die Vermittlungspraktiken zu erfüllen hatten, können drei Kategorien definiert werden: translative, diskursive und regulative Praktiken. Translative Praktiken sind als mündliche und schriftliche Praktiken im Rahmen eines Verhandlungsdiskurses zu definieren, die sich zwischen dem Senden einer Botschaft durch eine Partei und ihrem Empfang durch eine andere Partei ereigneten. Translative Praktiken kanalisierten Informationen, durch sie konnten Vermittler aber auch unterschwellig die Verhandlungen beeinflussen. Diskursive Praktiken nahmen dagegen sichtbar in mündlicher oder schriftlicher Form am Verhandlungsdiskurs teil, um diesen in eine bestimmte Richtung zu lenken.Vermittels regulativer Praktiken wurde zunächst der sichere Rahmen der Verhandlungen errichtet, des Weiteren wurden Verhandlungsschritte abgesichert.

4 Praktiken päpstlich-venezianischer Mediation Betrachtet man mit diesem Schema die Praktiken päpstlich-venezianischer Mediation, so lassen sich für Chigi und Contarini Vermittlungsinstrumente aus allen drei Kategorien nachweisen. Im Folgenden werden fünf Praktiken aus diesen drei Kategorien präziser vorgestellt: jene des Übermittelns und des Übersetzens als translative Praktiken, das Vorschlagen als diskursives Vermittlungsinstrument sowie Beglaubigen und Verwahren als Praktiken auf regulativer Ebene. Die beiden Mediatoren versuchten vermittels dieser Praktiken, die Verhandlungen friedensfördernd zu beeinflussen.

4.1 Übermitteln und Übersetzen Angesichts der zentralen Vermittlungsaufgabe des Herstellens und Aufrechterhaltens von Kommunikation zwischen den Konfliktparteien war das Übermitteln von Stellungnahmen ein inhärenter Bestandteil von Mediation. Übermittlung war elementar für einen Friedensprozess, sollten die Kontrahenten aufgrund von Präzedenzstreitigkeiten und Misstrauen nicht direkt miteinander verhandeln

 „The first is practice as a temporally unfolding and spatially dispersed nexus of doings and sayings.“ Schatzki, Practices, S. 89. „Eine (soziale) Praktik […] ist eine sozial geregelte, typisierte, routinisierte Form des körperlichen Verhaltens[.]“ Reckwitz, Subjekt, S. 36.

Translativ – diskursiv – regulativ

91

wollen.²⁷ Chigi und Contarini übermittelten Vollmachten, Forderungen und Angebote sowie Beschwerden und Proteste.²⁸ Bei der Kommunikation zwischen sendender Partei, Vermittlern und empfangender Partei kam es vor allem auf die Form der Präsentation an. Die Übergabe eines Schriftsatzes mit Angeboten und Forderungen an die Mediatoren und wiederum deren Präsentation in schriftlicher Form an die empfangende Partei galt als in höchstem Maße formal und somit auch verbindlich, und zwar für beide Verhandlungsparteien: Auf Papier niedergeschriebene Stellungnahmen ließen sich von den Sendern nicht einfach revidieren. Zugleich zeigte die empfangende Partei mit der Annahme eines Schriftsatzes, dass sie diesen als Basis für ihre Antwort und die weiteren Verhandlungen akzeptierte. Mündlich kommunizierte Stellungnahmen wurden dagegen als informal und unverbindlich, ihr Inhalt als flexibel verstanden. Die französisch-kaiserlichen Satisfaktionsverhandlungen im Frühjahr 1646, die offiziell und schriftlich über Chigi und Contarini und informal und mündlich über die bayerischen Gesandten liefen, verdeutlichen dieses Zusammenspiel der beiden sich ergänzenden Kommunikationsvarianten: Über die Bayern konnte ein kaiserliches Angebot ausgehandelt werden, das auch den Ehrvorstellungen der Franzosen entsprach und über die Übermittlung der Mediatoren konnte dieses Angebot verbindlich und formal präsentiert werden. Durch die Präsentation Chigis und Contarinis konnte die Empfängerseite auch personal den Code der Formalität und Verbindlichkeit erkennen.²⁹ Im Zuge der

 Vgl. Hartmann, Diplomatie, S. 428 f.; Rohrschneider, Frieden, S. 250; Stollberg-Rilinger, Vermittler, S. 130 – 134.  Zur Vollmachtenübermittlung vgl. exemplarisch Chigi an Barberini, Münster 25. März 1644, BAV, FB 6767, fol. 257r – v, 259r – v, hier fol. 257r – v; Chigi an Barberini, Münster [1.] April 1644, BAV, FB 6767, fol. 266r – v, hier fol. 266r; Contarini an Giustiniani, Münster 1. April 1644, ASV, Sen., DM, filza 1, fol. 384r – 388v, hier fol. 388v. Zur Übermittlung von Angeboten und Forderungen vgl. beispielhaft die von der Forschung eingehend untersuchte Kommunikation der französischen Replik vom 7. Januar 1646. Siehe hierzu Anm. 37. Exemplarisch für die Übermittlung einer Beschwerde vgl. Braun, Das Italienische, S. 226 f.; ders., Französisch, S. 52– 58.  Vgl. Chigi an Bagni, Münster 16. April 1646, BAV, FC A I 24, fol. 135v – 138r, hier fol. 136r – 137r; Chigi an Bagni, Münster 17. April 1646, BAV, FC A I 24, fol. 138r – 141r, hier fol. 138r – v; Contarini an Nani, Münster 17. April 1646, ASV, Sen., DM, filza 4, unfol., Kopie; Chigi an Pamfili, Münster [20.] April 1646, AAV, NP 19, fol. 187r – 192v, hier fol. 188r – 192v; Nassau und Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1646 April 15; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 3: 1645 – 1646. Bearb.von Karsten Ruppert, 1985, Nr. 272, S. 507, Z. 28 – S. 512 Z. 5; Longueville, d’Avaux und Servien an Brienne, Münster 1646 April 19; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 3. 2. Teil: 1646. Bearb. von Elke Jarnut und Rita Bohlen, 1999, Nr. 225, S. 771, Z. 17– 21; Einleitung zu Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 3. 1. Teil: 1645 – 1646. Bearb. von Elke Jarnut und Rita Bohlen, 1999, S. L, LIII – LV; Immler,

92

Markus Laufs

konträren Varianten zwischen mündlicher und schriftlicher Übermittlung fehlte es aber an einem Modus, der sichere Zusagen und zugleich einen größeren Handlungsspielraum erlaubte. Dies ließ sich durch einen Mittelweg erfüllen: die Kommunikation per Diktat. Gerade Diktate konnten vor allem deshalb Flexibilität herstellen und zugleich Verbindlichkeit konstruieren, da sie die schriftliche Kommunikation imitierten. Mündliche Stellungnahmen der sendenden Verhandlungspartei wurden von den Mediatoren auf Papier gebracht und den Empfängern als Schriftsatz präsentiert.³⁰ Das Diktat der sendenden Partei beruhte auf einer schriftliche Grundlage, die sie zur Garantie ihrer Forderungen und Angebote sowie zur Rechtfertigung gegenüber ihrem Auftraggeber verwahren konnte. Von einem solchen Schriftsatz diktierten dann die Gesandten der Senderpartei den Vermittlern.³¹ Den Mediatoren ließen gerade Diktatnotizen die Möglichkeit, in einer ausgefertigten Reinschrift Formulierungen zu ändern, um das Angebot für die empfangende Partei moderater zu gestalten und um Provokationen zu entfernen. Von den Verhandlungsparteien wurde dies durchaus gebilligt und teilweise sogar erwartet, solange es nicht zu substantiellen Änderungen kam.³² Zu Modifikationen der Stellungnahmen während des Übermittlungsprozesses kam es vor allem durch Praktiken des Übersetzens. Angesichts der Vielsprachigkeit auf dem Westfälischen Friedenskongress mussten die Vermittler mit ihrer Aufgabe der Kommunikationserhaltung auch als Übersetzer agieren.³³ Die beiden

Kurfürst, S. 240 – 247. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Grad an Verbindlichkeit von Stellungnahmen und ihrer mündlichen beziehungsweise schriftlichen Kommunikation ist auch im Rahmen der niederländischen Vermittlung auf dem Kongress von Münster nachgewiesen worden. Vgl. Laufs, Verbindlichkeit, S. 202, 205 f.  So schrieb Jean de la Barde (1603 – 1692), der französische Resident in Osnabrück, Folgendes zur französischen Replik: „Il faut que la Replicque soit faite aux Mediateurs, communicquée ou faite derechef par eux aux Imperiaux […], ce qui ne se peut faire que par un escrit qu[’]on leur donnera, ou en dictant a l’un d[’]eux la Replicque qui est la mesme chose parce qu[’]en fin elle paroist par escrit[.]“ La Barde an Chavigny, Osnabrück 11. Januar 1646, AE, CP, All. 63, fol. 126r – 128r, hier fol. 127r.  So ist etwa die schriftliche Grundlage des Diktats der französischen Replik in den Akten in Paris erhalten: Französische Diktatvorlage, [praes. Münster 7. Januar 1646]; Archives du ministère des Affaires étrangères, Paris [AE], Correspondance politique [CP], Allemagne [All.] 48, fol. 355r – 368r.  Vgl. Braun, Französisch, S. 52– 54.  Zu Übersetzungen als notwendigen Folgen der Vielsprachigkeit in Westfalen vgl. Braun, Das Italienische, S. 223; ders., Französisch, S. 35 f. Neben dem Lateinischen fungierten auch Französisch und Italienisch als gängige Verkehrssprachen in Westfalen. Hinzukamen Spanisch, Niederländisch und Deutsch als seltener genutzte Kommunikationssprachen. Vgl. ders., Fremdsprachen, S. 212– 224.

Translativ – diskursiv – regulativ

93

Mediatoren übersetzten französisch-, lateinisch- und spanischsprachige Stellungnahmen in ihre Muttersprache Italienisch, manchmal auch ins Lateinische.³⁴ Übersetzungen waren einerseits notwendige Schritte, andererseits aber auch Faktoren der Verhandlungsverzögerung und der Missverständnisse. Chigi und Contarini nutzten jedoch gerade Übersetzungen, um auf die Verhandlungen friedensfördernd einzuwirken.³⁵ Die Übersetzungen der französischen Replik vom 7. Januar 1646 in Münster durch Chigi und Contarini veranschaulichen die Modifikationsmöglichkeiten durch Techniken der Translation. Die französische Replik durchlief gleich mehrere Übersetzungsstadien, wobei die Mediatoren ihre Übersetzungen im Zeitraum eines Tages und damit sehr zügig anfertigten: Zunächst machte sich Contarini am 7. Januar Notizen auf Italienisch, während die Replik in französischer Sprache verlesen wurde. Da die Franzosen bei ihrer Präsentation der Replik von protestantischen Gesandten ihrer Verbündeten Schweden und Hessen-Kassel begleitet wurden, hatte sich Chigi geweigert, bei der ersten Station ihrer Verkündung anwesend zu sein. Im weiteren Verlauf des Tages wurden Contarinis Notizen ins Reine geschrieben. Am 8. Januar wurde die italienische Reinschrift ins Lateinische übersetzt. Beide Fassungen, die italienische und die lateinische, legten die Mediatoren den Franzosen am darauffolgenden Tag zur Lektüre und Bearbeitung vor.³⁶ Von den fünf verschiedenen Replikversionen sind vier erhalten: die französische Diktatvorlage, die italienische Reinschrift von Contarinis Notizen, die selbst nicht mehr erhalten sind, die lateinische Übersetzung und zuletzt die von den Franzosen überarbeitete lateinische Fassung.³⁷

 Vgl. ders., Fremdsprachen, S. 223; ders., Das Italienische, S. 222 mit Anm. 52; ders., Französisch, S. 31 f. mit Anm. 20.  Vgl. ders., Das Italienische, S. 223 – 228; ders., Französisch, S. 52– 63.  Vor der Kommunikation der Replik an Contarini hatten die Franzosen Chigi immerhin informal ihren Inhalt mitgeteilt. Vgl. La Barde an Chavigny, Osnabrück 11. Januar 1646, AE, CP, All. 63, fol. 126r – 128r, hier fol. 126r – v; Chigi an Pamfili, Münster 12. Januar 1646, AAV, NP 19, fol. 14r – 19v, hier fol. 17r; Chigi an Pamfili, Münster 12. Januar 1646, AAV, NP 19, fol. 20r – 23v, hier fol. 23r – v; Contarini an Nani, Münster 12. Januar 1646, ASV, Sen., DM, filza 3, fol. 737r – 741r, hier fol. 737v – 739r; Chigi an [Pamfili], Münster 23. Februar 1646, AAV, NP 20, fol. 33r – 36v, hier fol. 34v – 35r; Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1646 Januar 9; APW II A 3, Nr. 86, S. 124, Z. 22– 30; Longueville, d’Avaux und Servien an Brienne, Münster 1646 Januar 18; APW II B 3/1, Nr. 69, S. 253, Z. 8 – 254, Z. 10; Einleitung zu APW II B 3/1, S. XLI; Repgen, Zusammenhang, S. 856 f.  Vgl. Französische Diktatvorlage, [praes. Münster 7. Januar 1646], AE, CP, All. 48, fol. 355r – 368r; Reinschrift von Contarinis Notizen, [Münster 8. Januar 1646], BNM, Cod. I., Cl. VII, Cod. 1101 (coll. 8151)], fol. 16v – 19r; Lateinische Übersetzung der Replik, [Münster 8. Januar 1646], BAV, FC Q III 71, fol. 98r – 99v; Durch die Franzosen überarbeitete lateinische Fassung, [praes. Münster

94

Markus Laufs

Die wesentlichen Veränderungen durch die Mediation fanden dabei zwischen der französischen Vorlage und der italienischen Reinschrift statt, wie Artikel 13 der Replik, der die Frage der Zessionen im Grenzgebiet zwischen dem Reich und Frankreich thematisiert, klar zeigt. Änderungen wurden dabei auf verschiedene Weise vorgenommen. So wurde in Artikel 13 die Textstruktur verändert: Der französische Ursprungstext dieses Artikels führt zunächst Zessionsforderungen im Reich auf. Die italienische Übersetzung präsentiert dagegen zuerst das Angebot, dass besetzte Gebiete in den drei Kurfürstentümern Mainz, Trier und der Pfalz restituiert werden sollten, eine Angabe, die im französischen Original an letzter Stelle genannt wurde. So erweckte dieser Artikel zunächst einen konzessiven Eindruck.³⁸ Ebenso strichen die Mediatoren Begrifflichkeiten: Die Nennung „der Kronen und der Reichsfürsten, ihren Verbündeten“³⁹ wurde in der italienischen Übersetzung auf den Begriff der „Verbündeten“⁴⁰ reduziert. Mit der expliziten Erwähnung der Reichsstände wäre der nominelle kaiserliche Anspruch der alleinigen Vertretung des Reichs angefochten worden.⁴¹ Durch die bloße Nennung der Verbündeten sollte eine Provokation und ein weiterer völkerrechtlicher Disput verhindert werden. Letztlich konnten die beiden Mediatoren in diesem konkreten Fall des Artikels 13 nicht zu einer Mäßigung des Tons in der Replik beitragen, denn als sie den französischen Gesandten die lateinische Version zur Überarbeitung überließen, revidierten diese die vorgenommenen Änderungen. Ergebnis war eine fast wortwörtliche lateinische Übersetzung des französischen Ursprungstextes, die an die Kaiserlichen übermittelt wurde.⁴² Dieses Fallbeispiel ist dementsprechend nicht nur ein gutes Anschauungsobjekt für die Übersetzungspraxis Chigis und Contarinis, sondern auch für eine ausbleibende Effektivität der päpstlich-veneziani-

11. Januar 1646], AE, CP, All. 59, fol. 41r – 45r. Für weitere Kopien und Übersetzungen vgl. die Einleitung zu APW II B 3/1, S. XLII, Anm. 47 und 48.  Vgl. Französische Diktatvorlage, [praes. Münster 7. Januar 1646]; AE, CP, All. 48, fol. 355r – 368r, hier fol. 366r – v; Reinschrift von Contarinis Notizen, [Münster 8. Januar 1646]; BNM, Cod. I., Cl. VII, Cod. 1101 (coll. 8151), fol. 16v – 19r, hier fol. 18r – v.  „[D]es Couronnes et des Princes de l’Empire leurs Alliez“. Französische Diktatvorlage, [praes. Münster 7. Januar 1646], AE, CP, All. 48, fol. 355r – 368r, hier fol. 366r. Übersetzung des Verfassers.  „Collegati“. Reinschrift von Contarinis Notizen, [Münster 8. Januar 1646]; BNM, Cod. I., Cl.VII, Cod. 1101 (coll. 8151), fol. 16v – 19r, hier fol. 18r. Übersetzung des Verfassers.  Faktisch hatte Ferdinand III. (1608 – 1657) seinen Anspruch der Alleinvertretung schon mit der Einladung der Reichsstände zum Westfälischen Friedenskongress im Jahr 1645 aufgeben müssen. Zum Ringen um Anwesenheit und Stimmrecht der Reichsstände auf dem Doppelkongress vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 163 – 189.  Vgl. Durch die Franzosen überarbeitete lateinische Fassung, [praes. Münster 11. Januar 1646], AE, CP, All. 59, fol. 41r – 45r, hier fol. 43v – 44v.

Translativ – diskursiv – regulativ

95

schen Mediation, die aber durchaus erfolgreich agieren konnte, wie im folgenden Abschnitt zu sehen ist.

4.2 Vorschlagen Lange Zeit ist in der Diplomatiegeschichtsforschung mehrheitlich der Verzicht auf eigene Vorschläge als zentraler Bestandteil einer unparteilichen Friedensvermittlung betrachtet worden.⁴³ Früh hat dagegen schon Heinz Duchhardt darauf hingewiesen, dass auch Chigi und Contarini substantielle Kompromissvorschläge unterbreiteten.⁴⁴ Neuere Studien bestätigen, dass je nach Vermittler mehr oder weniger offensive Vorschläge unterbreitet wurden, wobei hier vor allem die niederländischen Interpositoren in Münster hervorgehoben worden sind.⁴⁵ Tatsächlich sind schon in Chigis Instruktion Hinweise zu finden, dass ihm das Vorbringen eigener Vorschläge nicht gänzlich verboten war. Grundsätzlich sollte er keine eigenen Lösungskonzepte vorstellen, denn solche konnten die beteiligten Konfliktparteien kaum gleichermaßen zufriedenstellen. Eine Ausnahme konnte der Nuntius allerdings dann machen, wenn er von beiden Verhandlungsseiten um seine Lösungsvorschläge gebeten wurde.⁴⁶ Ob Contarini hier Schranken vom Senat der Serenissima gesetzt wurden, lässt sich nicht feststellen. In seiner Instruktion ist davon keine Rede. Dementsprechend kam es durchaus zu Vorschlägen durch Chigi und Contarini. Gerade der Nuntius versuchte dabei, Impulse für das Kongresszeremoniell und die Verhandlungsverfahren zu geben. Als etwa kurz vor dem feierlichen Einzug des französischen Prinzipalgesandten, Henri II d’Orléans duc de Longueville (1595 – 1663), ein Präzedenzstreit zwischen Contarini und den Vertretern der Kurfürsten zu eskalieren drohte, konnte der Nuntius die Franzosen dazu bewegen, den Einzug ihres Gesandtschaftsoberhauptes ohne Beteiligung anderer Delegationen abzuhalten.⁴⁷ Darüber hinaus kam es zu verhandlungsstrategischen  Vgl. exemplarisch Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 213; Repgen, Friedensvermittlung und Friedensvermittler, S. 958; ders., Friedensvermittlung als Element, S. 1109 f.  Vgl. Duchhardt, Gleichgewicht, S. 26 f.  Vgl. Rohrschneider, Frieden, S. 347 f., 405 f.; ders., Friedensvermittlung, S. 153; Tischer, Diplomatie, S. 375 f., 401– 403.  Vgl. Repgen, Fabio Chigis Instruktion, S. 668 f.  Vgl. Chigi an Melzi, Münster 29. Juni 1645, BAV, FC A I 23, fol. 30r – 31r, hier fol. 30v; Chigi an Pamfili, Münster 30. Juni 1645, AAV, NP 17, fol. 292r – 297r, hier fol. 296r – v; Chigi an [Pamfili], Münster 30. Juni 1645, AAV, NP 18, fol. 183r – 184v, hier fol. 183r – v; Contarini an den Senat, Münster 30. Juni 1645, ASV, Sen., DM, filza 3, Nr. 112, fol. 267r – 271r, hier fol. 269v – 270r. Zum Präzedenzstreit zwischen Contarini und den kurfürstlichen Gesandten vgl. vor allem May, Re-

96

Markus Laufs

Vorschlägen durch Chigi. Als im Juni 1646 die Verhandlungen zwischen Franzosen und Kaiserlichen ins Stocken gerieten, regte er den kaiserlichen Prinzipalgesandten Maximilian Graf von Trauttmansdorff (1584– 1650) dazu an, mit seiner Abreise zu drohen, um so die Franzosen unter Druck zu setzen, was dieser auch prompt tat.⁴⁸ Contarini präsentierte häufiger als Chigi substantielle Vorschläge. So brachte er etwa gegenüber den Franzosen einen Gebietstausch zwischen Katalonien und den Südlichen Niederlanden in Verbindung mit einer bourbonischhabsburgischen Hochzeit ins Spiel.⁴⁹ Beide Mediatoren brachten zudem mehrmals Waffenstillstandsvorschläge zur Sprache, häufig gemeinsam.⁵⁰ Diese inhaltlichen Vorschläge fanden in den Weisungen aus Rom und Venedig keine Kritik; offenbar schienen Kurie und Senat insbesondere Waffenstillstandsvorschläge in den spezifischen Situationen für angebracht zu halten. Ob die Mediatoren ihre Vorschläge stets auf Anfrage und bei Einverständnis der Verhandlungsparteien äußerten, wie es in Chigis Instruktion gefordert wurde, lässt sich nicht feststellen. Praktiken des Vorschlagens verdeutlichen hier also einen durchaus pragmatischen Umgang mit ihren offiziellen Vorgaben.

4.3 Beglaubigen und Verwahren Beglaubigungen in Form von personaler Zeugenschaft, die ausgehandelte Verständigungen zum festen Verhandlungsstand erklärten, konnten in verschiedenen Verhandlungsstadien auftreten. Solenne Beglaubigungen erfolgten etwa im Zuge feierlicher Ratifikationskollationen und wirkten vor allem symbolisch-performativ.⁵¹ Bemerkenswerterweise spielten die beiden Mediatoren bei solchen

präsentation, S. 140 – 142; Repgen, Friedensvermittlung und Friedensvermittler, S. 952– 954; Stiglic, Münster, S. 104– 108; Stollberg-Rilinger, Status.  Vgl. Chigi an Melzi, Münster 29. Juni 1646, BAV, FC A I 23, fol. 55v – 56r, hier fol. 55v.  Vgl. Andretta, Diplomazia, S. 41 f.; Rohrschneider, Frieden, S. 274; Tischer, Diplomatie, S. 322 f., 330.  Vgl. exemplarisch Chigi an Pamfili, Münster 30. Juni 1645, AAV, NP 17, fol. 285r – v, hier fol. 285r; Contarini an Nani, Münster 9. Februar 1646, ASV, Sen., DM, filza 3, fol. 783r – 787v, hier fol. 784r – v, 787r; Chigi an Bagni, Münster 17. Februar 1646, BAV, FC A I 24, fol. 122v – 123v, hier fol. 123r; Contarini an Nani, Münster 6. April 1646, ASV, Sen., DM, filza 4, unfol.; Chigi an Bagni, Münster 7. April 1646, BAV, FC A I 24, fol. 130v – 132v, hier fol. 131r.  Ein anschauliches Beispiel stellt hier der Ratifikationsaustausch zwischen Spaniern und Niederländern am 15. Mai 1648 dar: Bei dem Akt im münsterischen Rathaus ließ man die Türen zum Gebäude und zum Saal des Geschehens geöffnet, damit Schaulustige – andere Gesandte, Gefolge und Bürger – als automatisch beglaubigende Zeugen eintreten oder zumindest hineinsehen konnten. Vgl. niederländische Gesandtschaft an die Generalstaaten, 19. Mai 1648, Verbael

Translativ – diskursiv – regulativ

97

Beglaubigungsakten in Westfalen keine Rolle. Sie besaßen dagegen im Rahmen diskreter Verständigungen eine wesentliche Funktion als beglaubigende Akteure. Ein anschauliches Beispiel hierfür bildet die Einigung auf die Satisfaktionsartikel zwischen französischen und kaiserlichen Gesandten in Anwesenheit Chigis und Contarinis am 13. September 1646. Zunächst verlas der Nuntius die Ultima generalis declaratio, eine kaiserliche Stellungnahme vom 31. August 1646. Einige Artikel der Ultima generalis declaratio billigten die Franzosen, wollten sie aber zugleich nicht in die Satisfaktionsartikel aufnehmen, da sich ihre protestantischen Verbündeten mit ihnen nicht einverstanden zeigen würden. Es folgte die Verlesung der Satisfaktionsartikel durch Chigi. Der kaiserliche Gesandte Isaak Volmar (1582/83 – 1662) und der Franzose Claude de Mesmes comte d’Avaux (1595 – 1650) hatten zuvor von Chigi Schriftsätze erhalten, auf denen sie die Artikel mitlesen konnten. Wie genau die Zustimmung zu den Artikeln durch Franzosen und Kaiserliche erfolgte, ist nicht überliefert, sie fand jedoch nicht in schriftlicher Form statt. Allerdings beglaubigten sie Chigi und Contarini als Augenzeugen. So garantierten die beiden die Verbindlichkeit der Verständigung innerhalb einer kurzen zeitlichen Frist bis Ende September 1646. Ebenso beglaubigten und garantierten sie die Gültigkeit der französischen Zustimmung der Punkte der Ultima generalis declaratio, die in den Satisfaktionsartikeln keine Erwähnung fanden.⁵² Waren die Verhandlungsparteien häufig darum bemüht, Chigi und Contarini für ihre Seite zu gewinnen, übertrugen sie bei der Beglaubigung die Rolle der unparteilichen Dritten auf die beiden Mediatoren. Praktiken des Beglaubigens durch Zeugenschaft wurden einerseits als einer schriftlich festgehaltenen Verständigung gleichwertig betrachtet: So hielt Chigi fest, dass die französische Zustimmung zu Punkten der Ultima generalis declaratio genauso zählte, als seien sie niedergeschrieben worden. Damit implizierte er seine und Contarinis beglaubigende Zeugenschaft.⁵³ Andererseits unterstützten Be-

van de Ambassade tot de Vredehandelinge binnen Munster, praes. [Den Haag] 16. September 1648, NA, SG 8412, fol. 549v – 551v, hier fol. 550r.  Vgl. Chigi an Pamfili, Münster 14. September 1646, AAV, NP 19, fol. 605r – 607v, hier fol. 606r – 607r; Chigi an Bagni, Münster 14. September 1646, BAV, FC A I 24, fol. 164v – 166r. hier fol. 165r; Contarini an den Senat, Münster 14. September 1646, ASV, Sen., DM, filza 5, Nr. 187, unfol.; Contarini an Nani, Münster 18. September 1646, ASV, Sen., DM, filza 5, unfol.; Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1646 September 14; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abteilung A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 4: 1646. Bearb. von Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger, 2001, Nr. 344, S. 585, Z. 30 – S. 586, Z. 36; Braun, La rédaction, S. 121; Repgen, Satisfaktionsartikel, S. 887 f., 909; Tischer, Diplomatie, S. 287 f.; Einleitung zu APW II B 4, S. LIII f.  „Queste dissi che si accetavano in parola da Plenipotentiarij di Francia per i rispetti altre volte significati di non impegnare in carta le occasioni delle diffidenze, e delle difficultà di negotiare:

98

Markus Laufs

glaubigungen durch Vermittler schriftliche Praktiken, wie etwa die Satisfaktionsartikel. Es ist mit einem in der Frühen Neuzeit existierenden Misstrauen gegenüber rein schriftlichen Verständigungsakten zu erklären, dass solche in ihrer Verbindlichkeit noch durch eine personale Zeugenschaft konsolidiert wurden.⁵⁴ Beglaubigungen konnten auch auf schriftlicher Ebene erfolgen, wie ein Attestat verdeutlicht, das Chigi und Contarini noch im November 1648, also kurze Zeit nach der französisch-kaiserlichen Vertragsunterzeichnung verfassten. In diesem hielten die Mediatoren die Versicherungen der kaiserlichen Gesandten Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar (1590 – 1653) und Volmar über den Verzicht der österreichischen Habsburger auf Titel und Insignien ihrer nun an Frankreich zedierten elsässischen Territorien fest.⁵⁵ Schon im Zuge des französisch-kaiserlichen Vorvertrags im November 1647, hatten sich beide Streitparteien darauf geeinigt, dass der habsburgische Verzicht auf elsässische Titel und Insignien nicht Teil des Vertrags, dafür aber von den Mediatoren attestiert werden sollte. Ohne diese Beglaubigung sollten auch die Zessionsbestimmungen im Elsass ungültig sein.⁵⁶ Chigi und Contarini erfüllten im Herbst 1648 somit eine wesentliche Aufgabe, indem sie auch hier einer Verständigung zur Verbindlichkeit verhalfen, die nicht im zentralen schriftlichen Akt genannt war. Unabhängig davon, dass Chigi und Contarini, wie andere frühneuzeitliche Gesandte, multiple Rollen einnahmen, etwa als Mediatoren einerseits und Interessenvertreter ihrer Dienstherren andererseits, projizierten auch die Streitparteien verschiedene Rollen auf sie.⁵⁷ Dies wird gerade bei Praktiken des Beglaubigens deutlich: Wie schon beschrieben, verlor Chigi im Laufe des Kongresses bei den Franzosen, die in ihm zunehmend einen prohabsburgischen Akteur sahen, erheblich an Vertrauen. Obwohl sie Chigi also in anderen Situationen und

ma’ che haverebbeno lo stesso valore, come se fossero comprese nell’altra scrittura che di lor consenso doveva esser comune fra di loro, e che haverei letta p[rim]a.“ Chigi an Pamfili, Münster 14. September 1646, AAV, NP 19, fol. 605r – 607v, hier fol. 606r.  Vgl. Stollberg-Rilinger, Kommunikation, S. 514– 516.  Vgl. Attestat der Mediatoren, den kaiserlichen Titel Landgravius Alsatiae betreffend, Münster 1648 November 4; Acta Pacis Westphalicae. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. B: Verhandlungsakten. Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden. 1. Teil: Urkunden. Bearb. von Antje Oschmann, 1998, Nr. 11. Vgl. ebenfalls Chigi an Panzirolo, Münster 6. November 1648, AAV, NP 24, fol. 695r – 697v, hier fol. 695r.  Vgl. Contarini an Nani, Münster 12. November 1647, ASV, Sen., DM, filza 7, unfol.; Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1647 November 12; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 6. 2. Teil: Juni – November 1647. Bearb. von Antje Oschmann und Magnus Ulrich Ferber, 2011, Nr. 273, S. 1064, Z. 1– 24.  Zur Rollenvielfalt frühneuzeitlicher Diplomaten vgl. u. a. Thiessen, Diplomatie vom ‚type ancien‘.

Translativ – diskursiv – regulativ

99

Funktionen als parteilich betrachteten, akzeptierten sie ihn dennoch nicht nur im September 1646, sondern auch noch im November 1648 in seiner Rolle als beglaubigender Akteur als unparteilichen Dritten. Praktiken des Beglaubigens durch Mediatoren sicherten Verständigungen zwischen den Verhandlungsparteien ab, was auch bedeutete, dass hinter diese Verständigungen nicht mehr zurückgetreten werden konnte. Eine solche Unveränderlichkeit basierte jedoch lediglich auf dem guten Willen der Verhandlungsparteien und ihrer Bereitschaft, den Mediatoren die Autorität der beglaubigenden Dritten zu verleihen. Faktisch unveränderlich konnten die Verständigungen – waren sie niedergeschrieben worden – erst dann werden, wenn die Mediatoren die Schriftstücke in ihre Obhut nahmen. Die Dokumente wurden auf diese Weise dem Zugriff beider Konfliktparteien entzogen und ihre Manipulation damit ausgeschlossen. So deponierte Chigi das Dokument, das er am 13. September 1646 verlesen hatte und das von französischen und kaiserlichen Gesandten als Original akzeptiert worden war, in seinem Quartier.⁵⁸ Die Bedeutung des Verwahrens der Artikel durch den Mediator hob der französische Resident in Münster hervor: Die Septemberartikel „sind weder von der einen noch von der anderen Seite unterzeichnet worden, aber man hat sie in die Hände der Herren Mediatoren gegeben, damit sie in den allgemeinen Vertrag für das Reich eingefügt werden“.⁵⁹ Obwohl die Satisfaktionsartikel so von keiner Verhandlungspartei unterzeichnet worden waren, erhielten sie Verbindlichkeit infolge ihrer Billigung durch die französischen und kaiserlichen Gesandten, der Beglaubigung der Mediatoren als Augenzeugen und der Deponierung des zentralen Dokuments in Chigis Quartier.

5 Fazit Unabhängig davon, welche Wirkkraft Praktiken der päpstlich-venezianischen Mediation kurz- oder mittelfristig besaßen, agierten Chigi und Contarini flexibel

 Vgl. Chigi an Pamfili, Münster 14. September 1646, AAV, NP 19, fol. 605r – 607v, hier fol. 606v; Contarini an Nani, Münster 18. September 1646, ASV, Sen., DM, filza 5, unfol.; Trauttmansdorff, Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1646 September 14; APW II A 4, Nr. 344, S. 585, Z. 30 – S. 586, Z. 7 u. S. 588, Z. 16 – 22; Longueville, d’Avaux und Servien an Königin Anna, Münster 1646 September 17; APW II B 4, Nr. 159, S. 451, Z. 20 – 21; Braun, La rédaction, S. 121; Repgen, Satisfaktionsartikel, S. 888, 909; Tischer, Diplomatie, S. 287; Einleitung zu APW II B 4, S. LIII.  „[I]ls n’ont point esté signez de part ni d’au[tre], mais on les a deposez entre les mains de M[essieu]rs les Med[iateu]rs po[ur] estre inserez dans le traitté g[é]n[ér]al de l’Empire[.]“ SaintRomain an [Chavigny], Münster 18. September 1646, AE, CP, All. 66, fol. 442r – 443r, hier fol. 442r. Übersetzung des Verfassers.

100

Markus Laufs

und pragmatisch auf translativer, diskursiver und regulativer Ebene zugunsten einer Konfliktlösung. Praktiken des Übermittelns bauten zunächst eine Kommunikation auf und kanalisierten Angebote und Forderungen. Neben den instrumentellen und begrifflich-abstrakten Verhandlungsinhalten wurde durch translative Praktiken auf symbolischer Ebene auch sichtbar, welchen Grad an Verbindlichkeit die Angebote und Forderungen besaßen.⁶⁰ Auf beiden Ebenen existierten Möglichkeiten des Filterns und der Modifikation der zu kommunizierenden Informationen: So konnte bei der Präsentation einer Stellungnahme zwischen der Übergabe eines Dokuments, der mündlichen Aussage und dem Diktat changiert und so ihr verbindlicher oder unverbindlicher Charakter verändert werden. Textliche Veränderungen, vornehmlich mit dem Ziel der Tilgung von Provokationen, konnten Chigi und Contarini durch Praktiken des Übersetzens vornehmen, die sozusagen von Praktiken des Übermittelns umrahmt waren. Auf diskursiver Ebene versuchten die beiden Mediatoren, Einfluss durch Vorschlagsinitiativen auszuüben, die sich auf Zeremoniell und Verhandlungsverfahren, aber auch auf konkrete Inhalte bezogen. Angesichts der Einschränkungen durch die Kurie nahm Chigi substantielle Anregungen seltener vor als Contarini. Eine Ausnahme bildeten hier Waffenstillstandsinitiativen. Schließlich konnten die Mediatoren schriftliche und mündliche Verhandlungsverständigungen durch ihre Anwesenheit und Praktiken des Beglaubigens absichern und in ihrer Rolle als unparteiliche Dritte verstetigen. Das zunächst nur auf moralischer Autorität basierende Fundament der persönlichen Beglaubigung erhielt dann eine performative Gültigkeit, wenn zumindest die schriftlichen Verständigungen als Originale in die Verwahrung der Mediatoren gegeben wurden und so der Zugriff auf und die Veränderung der Schriftsätze durch die Konfliktparteien unmöglich wurde. Mit der Ausübung dieser fünf Praktiken fügte sich die päpstlich-venezianische Mediation grundsätzlich in die Vermittlungspraxis des 17. Jahrhunderts ein, denn diese Instrumente können auch auf dem Nimwegener Friedenskongress (1676 – 1679) festgestellt werden. Während allerdings Übermitteln, Vorschlagen, Beglaubigen und Verwahren durchaus Konstanten darstellten, die auch im Zuge von Vermittlungen anderer Mächte zu beobachten sind, gilt dies nicht für das Übersetzen, da dieses stark an die spezifische Kommunikationssprache der Me-

 Zur Unterscheidung zwischen der symbolischen auf der einen sowie den begrifflich-abstrakten und instrumentellen Kommunikation auf der anderen Seite vgl. Stollberg-Rilinger, Kommunikation, S. 498 – 500.

Translativ – diskursiv – regulativ

101

diatoren gekoppelt war.⁶¹ Die praktischen Elemente von Vermittlung konnten also voneinander variieren, ohne dass diese ihren Charakter als solche verlor. Dieser Beitrag hat die päpstlich-venezianische Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress durch die Erfassung und Analyse ihrer Praktiken erschlossen. Er soll auch als Anregung dienen, sich aus einer historisch-praxeologischen Perspektive weiteren diplomatiehistorischen Mechanismen und Gruppierungen sowie ihren Abgrenzungen voneinander anzunähern. In diesem Zusammenhang ließe sich etwa fragen, ob durch Praktiken und ihre Gestaltung eine sich von anderen Interessengruppen abhebende Dritte Partei auf dem Westfälischen Friedenskongress zu erkennen ist. Ebenso ist es Wert, der Frage nachzugehen, inwiefern sich die Druckausübung interessierter, in die Konflikte involvierter Parteien, wie jenen einer etwaigen Dritten Partei, von der unverbindlichen Aufgabe der Mediation unterschied.

Quellen Archives du ministère des Affaires étrangères, Paris: Correspondance politique, Allemagne [AE, CP, All.]: 48, 59, 63, 66. Archivio Apostolico Vaticano, Rom: Nunziatura delle Paci [AAV, NP]: 15, 17, 18, 19, 20, 24, 28. Archivio di Stato di Venezia, Venedig: Senato (Secreta), Dispacci di Münster [ASV, Sen., DM]: filza 1, 3, 4, 5, 7. Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom: Fondo Barberini latino [BAV, FB]: 6767. Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom: Fondo Chigi [BAV, FC]: A I 23, A I 24, Q III 71. Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig: Codice Italiano, Classe VII [BNM, Cod. I., Cl. VII]: Cod. 1101 (coll. 8151), 1105 (coll. 8155). Nationaal Archief, Den Haag: Staten-Generaal [NA, SG]: 8411, 8412. Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie I: Instruktionen. Bd. 1. Bearb. von Fritz Dickmann, Kriemhild Goronzy, Emil Schieche, Hans Wagner und Ernst Manfred Wermter. Münster 1962; Serie II: Korrespondenzen. Abteilung A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 3 – 4, 6/2, 9. Bearb. von Karsten Ruppert, Hubert Salm, Brigitte Wübbeke-Pflüger, Antje Oschmann, Magnus Ulrich Ferber und Stefanie Fraedrich-Nowag. Münster 1985 – 2013; Serie II: Korrespondenzen. Abteilung B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 1, 3 – 4, 5/2 – 7. Bearb. von Ursula Irsigler, Elke Jarnut, Rita Bohlen, Guido Braun, Michael Rohrschneider und Christiane Neerfeld. Münster 1979 – 2010; Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abteilung B: Verhandlungsakten. Bd. 1/1. Bearb. von Antje Oschmann. Münster 1998.

 Weitergehende, vergleichende Untersuchungen sind in der vom Verfasser eingereichten Dissertationsschrift besprochen. Vgl. Laufs, „In viam pacis“.

102

Markus Laufs

Fabio Chigi. Apostolic delegate in Malta (1634 – 1639). An edition of his official correspondence. Ed. by Vincent Borg. Citta del Vaticano 1967. Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Die Kölner Nuntiatur. Bd. 9. 1. Teil: Nuntiatur Fabio Chigi (1639 Juni – 1644 März). Bearb. von Maria Teresa Börner. Paderborn/München/Wien u. a. 2009. Die Relationen der Botschafter Venedigs über Deutschland und Österreich im Siebzehnten Jahrhundert. Hrsg. von Joseph Fiedler. Bd. 1: K. Mathias bis K. Ferdinand III. Wien 1866.

Literatur Andretta, Stefano: La diplomazia veneziana e la pace di Vestfalia (1643 – 1648), in: Annuario dell’Istituto storico italiano per l’età moderna e contemporanea 27 – 28 (1975 – 1976), S. 5 – 128. Benzoni, Gino: Contarini, Alvise, in: Dizionario Biografico degli Italiani. Hrsg. vom Istituto della Enciclopedia italiana. Bd. 28. Rom 1983, S. 82 – 91. Bettanini, Anton Maria: Alvise Contarini. Ambasciatore Veneto (1597 – 1651), in: Rivista di studi politici internazionali 9 (1942), S. 371 – 416. Braun, Guido: Das Italienische in der diplomatischen Mehrsprachigkeit des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, in: Heinz Duchhardt/Martin Espenhorst (Hrsg.), Utrecht – Rastatt – Baden 1712 – 1714. Ein europäisches Friedenswerk am Ende des Zeitalters Ludwigs XIV. Göttingen 2013, S. 207 – 234. Braun, Guido: Fremdsprachen als Fremderfahrung. Das Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, in: Michael Rohrschneider/Arno Strohmeyer (Hrsg.), Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Münster 2007, S. 203 – 244. Braun, Guido: Innozenz X. Der Papst als padre comune, in: Michael Matheus/Lutz Klinkhammer (Hrsg.), Eigenbild im Konflikt. Krisensituationen des Papsttums zwischen Gregor VII. und Benedikt XV. Wiesbaden 2009, S. 117 – 156. Braun, Guido: Französisch und Italienisch als Sprachen der Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress, in: Annette Gerstenberg (Hrsg.), Verständigung und Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress. Historische und sprachwissenschaftliche Zugänge. Köln/Weimar/Wien 2014, S. 23 – 65. Braun, Guido: La rédaction des articles du traité de Münster concernant la cession des Trois-Évêchés et de l’Alsace à la France, in: Olivier Poncet (Hrsg.), Diplomatique et diplomatie. Les traités (Moyen Âge – début du XIXe siècle). Paris 2015, S. 105 – 137. Braun, Guido: Les formes de la négociation franco-espagnole à Münster. Médiation, interposition, projets d’arbitrage, in: Lucien Bély/Bertrand Haan/Stéphane Jettot (Hrsg.), La paix des Pyrénées (1659) ou le triomphe de la raison politique. Paris 2015, S. 219 – 237. Braun, Guido: Päpstliche Friedensvermittlung am Beispiel von Piombino und Porto Longone, in: QuFiAB 83 (2003), S. 141 – 206. Braun, Guido: The Papacy, in: Olaf Asbach/Peter Schröder (Hrsg.), The Ashgate Research Companion to the Thirty Years’ War. Farnham/Burlington, Vermont 2014, S. 103 – 113. Croxton, Derek: Westphalia. The Last Christian Peace. Basingstoke 2013.

Translativ – diskursiv – regulativ

103

Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. 7. Aufl. Münster 1998. Duchhardt, Heinz: Gleichgewicht der Kräfte, Convenance, Europäisches Konzert. Friedenskongresse und Friedensschlüsse vom Zeitalter Ludwigs XIV. bis zum Wiener Kongress. Darmstadt 1976. Fosi, Irene: Fabio Chigi e la corte dei Barberini: appunti per una biografia, in: Maria Grazia del Fuoco (Hrsg.), „Ubi neque aerugo neque tinea demolitur“. Studi in onore di Luigi Pellegrini per i suoi settanta anni. Neapel 2006, S. 301 – 319. Hartmann, Anja Victorine: Diplomatie auf Umwegen? Gedanken zu Struktur und Effizienz diplomatischer Beziehungen im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges, in: Sven Externbrink/Jörg Ulbert (Hrsg.), Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. Festschrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag. Berlin 2001, S. 419 – 430. Haug, Tilman: Vertrauen und Patronage in den diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den geistlichen Kurfürsten nach dem Westfälischen Frieden (1648 – 1679), in: ZHF 39 (2012), S. 215 – 254. Immler, Gerhard: Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Münster 1992. Koller, Alexander: Fabio Chigi und die päpstliche Friedensvermittlung in Münster, in: ders., Imperator und Pontifex. Forschungen zum Verhältnis von Kaiserhof und römischer Kurie im Zeitalter der Konfessionalisierung (1555 – 1648). Münster 2012, S. 195 – 210. Laufs, Markus: „In viam pacis“. Praktiken niederländischer und päpstlicher Friedensvermittlung auf den Kongressen von Münster (1643 – 1649) und Nimwegen (1676 – 1679) im Vergleich. [Unveröffentlichte] Diss. phil. Bonn 2020. Laufs, Markus: Von der Verbindlichkeit entbunden. Die niederländischen Guten Dienste in Münster von Juni bis September 1646 als Beispiel einer ungefestigten Friedensvermittlung, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019, S. 191 – 207. Lockhart, Paul Douglas: Denmark in the Thirty Years’ War, 1618 – 1648. King Christian IV and the Decline of the Oldenburg State. Selinsgrove/London 1996. Lorenz, Gottfried: Die dänische Friedensvermittlung beim Westfälischen Friedenskongress, in: Konrad Repgen (Hrsg.), Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Münster 1981, S. 31 – 61. May, Niels F.: Zwischen fürstlicher Repräsentation und adliger Statuspolitik. Das Kongresszeremoniell bei den westfälischen Friedensverhandlungen. Ostfildern 2016. Montanari, Tomaso/Rosa, Mario: Alessandro VII, in: Enciclopedia dei papi. Hrsg. vom Istituto della Enciclopedia italiana. Bd. 3. Rom 2000, S. 336 – 348. Poelhekke, Jan Joseph: De Vrede van Munster. Den Haag 1948. Reckwitz, Andreas: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne. Weilerswist 2006. Repgen, Konrad: Die Hauptprobleme der westfälischen Friedensverhandlungen von 1648 und ihre Lösungen, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 425 – 459. Repgen, Konrad: Die kaiserlich-französischen Satisfaktionsartikel vom 13. September 1646 – ein befristetes Agreement, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 883 – 920. Repgen, Konrad: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Studien und Quellen. 3. Aufl. Paderborn 2015.

104

Markus Laufs

Repgen, Konrad: Fabio Chigis Instruktion für den Westfälischen Friedenskongreß. Ein Beitrag zum kurialen Instruktionswesen im Dreißigjährigen Krieg, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 647 – 675. Repgen, Konrad: Friedensvermittlung als Element europäischer Politik vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Ein Vortrag, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 1099 – 1116. Repgen, Konrad: Friedensvermittlung und Friedensvermittler beim Westfälischen Frieden, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 939 – 963. Repgen, Konrad: Über den Zusammenhang von Verhandlungstechnik und Vertragsbegriffen. Die kaiserlichen Elsaßangebote vom 28. März und 14. April 1646 an Frankreich, in: ders., Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 849 – 882. Reumann, Klauspeter: Kirchenregiment und Großmachtpolitik. Das Eingreifen Christians IV. als Herzog von Holstein und König von Dänemark in den Dreißigjährigen Krieg, in: Bernd Hey (Hrsg.), Der Westfälische Frieden 1648 und der deutsche Protestantismus. Bielefeld 1998, S. 41 – 63. Rodén, Marie-Louise: Fabio Chigi’s observations on the Practice of Diplomacy in Westphalia, in: dies. (Hrsg.), Ab Aquilone. Nordic studies in honour and memory of Leonard E. Boyle, O.P. Stockholm 1999, S. 115 – 148. Roeck, Bernd: Venedigs Rolle im Krieg und bei den Friedensverhandlungen, in: Klaus Bußmann/Heinz Schilling (Hrsg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa. Textbd. 1. Münster 1998, S. 161 – 168. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649). Münster 2007. Rohrschneider, Michael: Friedensvermittlung und Kongresswesen: Strukturen – Träger – Perzeption (1643 – 1697), in: Christoph Kampmann/Maximilian Lanzinner/Guido Braun/Michael Rohrschneider (Hrsg.), L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens. Münster 2011, S. 139 – 165. Rosa, Mario: Alessandro VII, papa, in: Dizionario Biografico degli Italiani. Hrsg. vom Istituto della Enciclopedia italiana. Bd. 2. Rom 1960, S. 205‒215. Schatzki, Theodore R.: Social practices. A Wittgensteinian approach to human activity and the social. 2. Aufl. Cambridge 2008. Schiavi, Laura: La mediazione di Roma e di Venezia nel congresso di Münster per la pace di Vestphalia tra Francia ed Allemagna. Esposizione storica svolta sulla corrispondenza del Nunzio Fabio Chigi e dell’Ambasciatore Alvise Contarini, nonchè su documenti inediti degli Archivi Vaticani, Chigiani e Marciani. 1643 – 1650. Bologna 1923. Stiglic, Anja: Ganz Münster ist ein Freudental … Öffentliche Feierlichkeiten als Machtdemonstration auf dem Münsterschen Friedenskongreß. Münster 1998. Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – These – Forschungsperspektive, in: ZHF 31 (2004), S. 489 – 527. Stollberg-Rilinger, Barbara: Parteiische Vermittler? Die Westfälischen Friedensverhandlungen 1643 – 48, in: Gerd Althoff (Hrsg.), Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2011, S. 124 – 146. Stollberg-Rilinger, Barbara: Völkerrechtlicher Status und zeremonielle Praxis auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: Michael Jucker/Martin Kintzinger/Rainer Christoph Schwinges (Hrsg.), Rechtsformen internationaler Politik. Theorie, Norm und Praxis vom 12. bis 18. Jahrhundert. Berlin 2011, S. 147 – 164.

Translativ – diskursiv – regulativ

105

Thiessen, Hillard von: Diplomatie vom ‚type ancien‘. Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Diplomaten, in: ders./Christian Windler (Hrsg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln/Weimar/Wien 2010, S. 471 – 503. Tischer, Anuschka: Französische Diplomatie und Diplomaten auf dem Westfälischen Friedenskongress. Außenpolitik unter Richelieu und Mazarin. Münster 1999. Zanon dal Bo, Angelo: Alvise Contarini. Mediatore per la Repubblica di Venezia nel Congresso di Vestfalia (1643 – 1648). Lugano 1971. Zulian, Girolamo: Le prime relazioni tra il card. Giulio Mazzarini e Venezia, in: Nuovo Archivio Veneto. Nuova Serie 9 (1909), S. 5 – 139.

Alexander Gerber

„Viel ungereimbtes dings“? Argumentationsstrategien reichsständischer Gesandter auf dem Westfälischen Friedenskongress im Vergleich 1 Einleitung „Was den stylum imperii anlange, seye derselbe so unterschiedlich und divers, daß, da man ihn pro authentico halten wollte, viel ungereimbtes dings daraus erfolgen würde.“¹ Mit diesem Kommentar antwortete der Gesandte Sachsen-Altenburgs, Wolfgang Conrad von Thumbshirn (1604– 1667), den Vertretern des Städterats Osnabrück, die eine Positionierung des Fürstenrats im Präzedenzstreit zwischen Reichsstädten und Reichsrittern forderten.² Die Übernahme von hergebrachten Verfahren der Reichstage für die Beratungen der Reichsstände auf dem Westfälischen Friedenskongress war demzufolge nicht immer problemlos möglich, noch gab es in jedem Fall eine eindeutige Vorlage, was das Herkommen (hier: „stylum imperii“) vorschreibe. Gleichzeitig drückt Thumbshirn auch prägnant aus, wie vielfältig und mitunter gegenläufig Argumentationen sein konnten, selbst wenn sie sich auf das Reichsherkommen beriefen. Im vorliegenden Beitrag sollen daher reichsständische Argumentationsmuster zu den Beratungsverfahren des Westfälischen Friedenskongresses untersucht werden. Damit der Vergleich zwischen den Aussagen der Jahre 1645 – 1647 und den Argumentationen der kompromissbereiten Gesandten des Jahres 1648, der sogenannten „Dritten Partei“, gelingen kann, werden vorwiegend die Voten aus den beiden evangelisch geprägten Osnabrücker Kurien³, also dem Städte- und Fürstenrat, herangezogen. In einem ersten Schritt wird dabei eine kurze theoretische Hinführung über Verfahrenstheorien und die Reichsberatungen am Kon-

 Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. A, Bd. 6 (künftig: APW III A 6), Nr. 62, S. 279, Z. 10 – 13.  Vgl. zu diesem Präzedenzstreit Buchstab, Reichsstädte, S. 98 – 108; Endres, Friedensziele, S. 565.  „Kurie“ und „Kollegium“ werden im Folgenden synonym für „(Reichs‐)Rat“ gebraucht und verwendet, um an bestimmten Stellen Verwechselungen mit dem Rat als einer einzelnen Person zu vermeiden. https://doi.org/10.1515/9783110703795-007

108

Alexander Gerber

gress gegeben werden. Anschließend soll das Hauptmerkmal skizziert werden, nach dem die Gesandten in den Debatten ihre Argumente strukturierten: Die Unterscheidung zwischen dem Reichsherkommen, das Leitlinie für alle Kongressverfahren sein sollte, und den besonderen Umständen des Kongresses, welche abweichende Verfahren erfordern würden. Dass diese Debatten nicht rein abstrakter und theoretischer Natur waren, sondern auch ein stärker akteursbezogener Fokus für das Verständnis dieser Diskussionen nötig ist, wird im anschließenden Abschnitt anhand des Beispiels des Nürnberger Gesandten Tobias Oelhafens (1601– 1666) gezeigt: Obwohl er aufgrund seines mindermächtigen Auftraggebers meist als wenig einflussreicher Gesandter charakterisiert wird, lässt sich zeigen, wie er durch sein Handeln verschiedenste Verfahrensfragen anstieß, die teilweise von großer Tragweite waren. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenspiels von strukturbezogenen Argumentationsmustern und persönlichem Handeln der Gesandten soll abschließend ein Blick auf die „Dritte Partei“ geworfen werden: Wie wurden ihre Beratungsverfahren von den Gesandten legitimiert? Wurden die gleichen Muster wie in den Debatten zuvor genutzt, oder ist hier ein klarer Bruch erkennbar, der das Handeln der „Dritten Partei“ in diesem Punkt stärker aus der Kontinuität der Reichsberatungen am Kongress herauslöst? Mit der Beantwortung dieser Frage soll ein Beitrag zum Verständnis der „Dritten Partei“ geleistet werden. Als methodische Grundlage können dazu Verfahrenstheorien genutzt werden, die von der Geschichtswissenschaft schon mehrfach gewinnbringend herangezogen wurden. Verfahren sind in diesem Sinne als Handlungssequenzen zu verstehen, deren äußere Form generell geregelt ist und die der Herstellung verbindlicher Entscheidungen dienen.⁴ Idealtypisch – das ist wichtig – ist ihr Ausgang zu Beginn offen und wird erst im Verlauf des Vorgehens herausgearbeitet, zudem sind sie symbolisch aus ihrer Umwelt herausgehoben.⁵ Wiederum idealtypisch werden die Teilnehmer dabei über festgelegte Sitzordnungen und Mehrheitsabstimmungen in den Vorgang eingebunden, sie akzeptieren damit die zu treffende Entscheidung, auch wenn sie als Verlierer aus einer Abstimmung hervorgehen.⁶ Formal festgelegte Verfahren machen den Prozess des Entscheidens erwartbar und nachvollziehbar, symbolische Akte rahmen den Vorgang und involvieren die Teilnehmer so weiter.⁷ Diese Vorgehensweise unterscheidet sich

 Stollberg-Rilinger, Einleitung, S. 9. Vgl. grundlegend dazu auch Luhmann, Legitimation, bes. S. 38 – 53.  Stollberg-Rilinger, Einleitung, S. 9.  Ebd., S. 10; Köhler,Verhandlungen, S. 416, 425; Hoffmann-Rehnitz/Krischer/Pohlig, Entscheiden, S. 235.  Hoffmann-Rehnitz/Krischer/Pohlig, Entscheiden, S. 239 – 241.

„Viel ungereimbtes dings“?

109

somit von Praktiken des Aushandelns, bei denen eine konsensbasierte Einigung gefunden werden muss und jeder Teilnehmer stets die Möglichkeit hat, auszusteigen.⁸ Nicht immer muss dabei ein echter Konsens erzielt werden, die Entscheidungen sind nicht selten das Ergebnis inszenierter Tauschprozesse.⁹ Warum sind aber die Verfahren der reichsständischen Beratungen ein interessantes Forschungsfeld? Viele wichtige Entscheidungen auf dem Kongress wurden zweifelsohne auf informellen Wegen, in privaten Absprachen oder ähnlichem getroffen, wenngleich hierüber nur wenige Informationen vorliegen.¹⁰ Da aber die Reichsstandschaft das entscheidende Kriterium für die Teilnahme der Reichsstände am Kongress war, war die kuriale Beratung für sie der legitime Weg, ihre Interessen am Kongress einzubringen.¹¹ Zudem war die Teilnahme an den offiziellen reichsständischen Beratungen für die Stände und ihre Vertreter auch über die konkreten Verhandlungsinhalte des Kongresses hinaus ein entscheidendes Zeichen für die Beanspruchung oder Sicherung eigener Mitwirkungsrechte.¹² Dies zeigt sich etwa daran, dass die Reichsstädte zumindest bis Ende des Jahres 1646 versuchten, den zahlenmäßig äußerst schwach besetzten Städterat Münster zu stützen, etwa durch die Absendung evangelischer Städtevertreter aus Osnabrück.¹³

2 Das „Herkommen“ und der „conventus extraordinarius“ – Zwei reichsständische Argumentationsmuster in den Verfahrensdebatten Die Untersuchung der reichsständischen Beratungsprotokolle zeigt unter anderem, dass die Gesandten sich bewusst um eine klare Abgrenzung zu den nicht

 Ebd., S. 236.  Fuchs, Ehre, S. 76 – 77  Hoffmann-Rehnitz/Krischer/Pohlig, Entscheiden, S. 235; Kalipke, Verfahren, S. 505 (hier speziell im Hinblick auf das Corpus Catholicorum); Brunert, Einleitung, APW III A 3/7, S. LXV – LXVI.  So argumentierten die Reichsstände auch selbst, vgl. schon Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 186; Stollberg-Rilinger, Inszenierung, S. 237.  Vgl. Krischer, Gesandtschaftswesen, S. 233 – 234.  Neben Nürnberg waren in erster Linie Gesandte Kolmars, Memmingens und Regensburgs an den Beratungen des Städterats Münster stellenweise beteiligt.

110

Alexander Gerber

teilnahmeberechtigten Akteuren – etwa den Mediatstädten – bemühten.¹⁴ Diese Darstellung eines eindeutigen, festen Teilnehmerkreises war eine Fiktion, denn auch die Reichsstandschaft einiger anwesender Akteure wie etwa der Stadt Bremen war hoch umstritten, was teilweise auch noch während des Kongresses zu Auseinandersetzungen führte.¹⁵ Das Finden und Nutzen von Verfahren der kurialen Beratung sowie die Behauptung des eigenen Rangs in dieser – hier muss zwischen dem Rang des Reichsstands und dem des Gesandten unterschieden werden – spielte demnach für die reichsständischen Vertreter auf dem Westfälischen Friedenskongress eine wichtige Rolle. Dabei griffen die reichsständischen Gesandten aller Kurien oftmals auf zwei grundlegende Argumentationsmuster zurück: Zum einen finden sich zahlreiche Verweise auf das Reichs-, oder konkreter, das Reichstagsherkommen:¹⁶ Die reichsständischen Beratungen beruhten bekanntermaßen grundsätzlich auf den Verfahren der Reichstage und die reichsständischen Gesandten brachten diesen Zusammenhang auch immer wieder zum Ausdruck, wenn sie das Reichsherkommen in ihren Argumentationen für oder gegen ein auf dem Kongress anzuwendendes Verfahren heranzogen.¹⁷ Auch ihre eigenen Mitwirkungs- und Sessionsrechte legitimierten sie ganz konkret durch den Verweis auf die Teilnahme an vergangenen Reichstagen, wie etwa Voten zu reichsständischen Präzedenzstreitigkeiten zeigen.¹⁸ Zum anderen lassen sich aber zwei entscheidende Umstände herausarbeiten, die einen solchen Rückgriff auf das Herkommen in zahlreichen Situationen unmöglich oder ungünstig erschienen ließen. Erstens war dies die von den Reichs Vgl. dazu die Diskussionen in: APW III A 6, Nr. 54, S. 224, Z. 26 – 35, hierbei stellvertretend das Votum des Kolmarer Gesandten Balthasar Schneider (1612– 1656), ebd., S. 225, Z. 14– 17: „[…] man habe sich zwar der anseestätte, weil die reichsstätte ihrer hülff vonnöhten, anzunehmen, doch aber also, daß die mediat- mit den immediatstätten nicht confundirt, noch diese dadurch zurukgesezt oder dem haubtwerkh einig retardement gegeben werde.“  Vgl. dazu etwa die Debatte um ein dem Städtekollegium zugestelltes Schreiben des erzbischöflichen Administrators von Bremen, der den sofortigen Rückzug der Bremer Gesandtschaft vom Kongress forderte, in APW III A 6, Nr. 32, S. 112.  Zur Bedeutung des Herkommens als Grundlage für Friedenskongresse des 17. Jahrhunderts vgl. Bosbach, Verfahrensordnungen, S. 96 – 99.  Dass diese Verweise nicht immer eindeutig und widerspruchsfrei sein mussten, zeigt ja bereits das zu Anfang angeführte Zitat Thumbshirns.  So argumentierte der Kolmarer Gesandte Balthasar Schneider im Städterat Osnabrück am 17.9. 1645: „Angeregten praecedenzstreitt betreffendt, möchte er wünschen, daß er underbliben und es der session halben bey dem alten herkommen gelaßen worden were. Besonders weiln angeführte rationes von geringer importanz, dann die sessiones werden nicht nach dem alter oder vermögen einer statt, sondern von zeit genommener possession im stättrath regulirt und geachtet.“ (APW III A 6, Nr. 4, S. 19, Z. 12– 17).

„Viel ungereimbtes dings“?

111

tagen abweichende Struktur des Kongresses: Zwar verhandelten die Stände nach der von den Reichstagen bekannten Trennung in Kurfürsten-, Fürsten- und Städterat, wobei der Kurfürstenrat vor allem in Münster zusammenkam. Von den Gesandten des Fürsten- wie auch des Städterats tagten hingegen einige in Osnabrück, andere in Münster, bildeten also jeweils zwei Teilkurien. In Münster kamen vor allem die katholischen Ständevertreter der beiden Teilkurien zusammen, in Osnabrück die protestantischen. Diese konfessionelle Trennung war nicht festgeschrieben und wurde auch nicht komplett eingehalten, zudem beschickten einige Reichsstände beide Kongressorte. Darüber hinaus versammelten sich die protestantischen und katholischen Stände für Religionsfragen in konfessionellen Separatverhandlungen, die 1648 als Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum reichsrechtlich anerkannt wurden. Durch diese besonderen Strukturen entstand eine Reihe neuer Verfahrensfragen, etwa bei der Besetzung des Direktoriums der einzelnen reichsständischen Kollegien, bezüglich der Verhandlungen mit den auswärtigen Kronen oder der Vergleichung der fürstlichen und städtischen Teilkurien untereinander. Zweitens bot sich ein Rückgriff auf das Herkommen auch dann nicht an, wenn in den Beratungsverfahren unabhängig von den strukturellen Besonderheiten des Kongresses ein neues Recht geltend gemacht beziehungsweise ein neues Verfahren etabliert werden sollte, etwa ein neuer Platz in der Sessionsordnung, ein abweichender Abstimmungsmodus oder eine andere Art der Protokollführung. In all diesen Fällen griffen die Gesandten oftmals auf die Idee vom außergewöhnlichen Charakter des Kongresses zurück, der ihrer Darstellung zufolge Abweichungen von den bestehenden Reichstagsverfahren erforderte oder zumindest erlaubte. Derartige Argumentationen bündeln sich vielfach in dem in den Quellen in verschiedenen Varianten häufig auftretenden Begriff des „conventus extraordinarius“. So wies beispielsweise der Nürnberger Gesandte Tobias Oelhafen im März 1646 im Städterat Münster auf die zeitgleiche Behandlung unterschiedlicher Materien in den einzelnen Reichskurien und die ungewohnte Form der Ansage der Sitzungen hin, die nicht dem „reichsstylo“, also dem Herkommen der Reichstage, entsprechend durch den Reichserbmarschall, sondern durch das Kurmainzer Direktorium geschehe: […] unnd halte man Nürnbergischen theils unvorgrifflich davor, das entweder je zuweilen / die stattischen sessiones nachmittags (dem Oßnabruggischen gebrauch nach) oder vormittags an denen von den fürstlichen herren gesandten, wie vielmalß zu geschehen pflecht außgestellten tägen, oder aber umb die siebende oder achtehalbe stundt morgens […]. Alß dan der so geringe unpraeiudicirliche¹⁹ unterschiedt ratione temporis durch obbedeiteten

 Der Begriff „unpraeiudicirlich“ verweist darauf, dass dieses Vorgehen die anderen Reichs-

112

Alexander Gerber

nuht wol compensirt unnd ersezet werden mag unnd wirdt man dißfalls unnd bey disem extraordinari convent sich an das Churmeinzische directorium so viel weniger binden zu laßen haben, weiln obbemelter maßen sowol der hochlobliche fürstenrhat alhier, als der fürsten- unnd stattrhat zu Oßnabrugk dißfalls freie hand fuhren unnd ihnen quoad tempus, formam et modum deliberandi nichts so praecise vorschreiben laßen. Alß dann bekanntlich zu unterschiedlichen malen alhier, ja fast communiter in beeden hoheren collegiis uno eodemque tempore ganz diversae materiae pertractirt unnd abgehandelt werden, man auch alles so gar gnaw nach der richtschnur der ordentlichen reichstäg / dieser orten dahergehen solte, würde dem bekandten reichsstylo nach, die ansag jedesmahls nicht durch daß Churmeintzische directorium, sondern durch den reichserbmarschalcken beschehen […].²⁰

Diese Feststellung wurde dazu genutzt, ein eigenes, vom Herkommen abweichendes Verfahren zu legitimieren, nämlich eine zeitliche Staffelung der Fürsten‐ und Städteratssitzung, sodass Gesandte, die Vertretungen in beiden Kollegien übernahmen, an beiden Sessionen teilnehmen können. Diese wurde als Tauschprozess inszeniert: Die Reichsstädte lassen den höheren Kurien und dem Reichsdirektorium ihre Freiheiten auf dem „extraordinari convent“, dafür sollten diese auch die kleine zeitliche Abänderung der Sitzungsansetzung tolerieren. Auch bei der im Januar 1646 im evangelisch geprägten Fürstenrat Osnabrück diskutierten Frage nach der innerkurialen Protokollführung lässt sich die Rechtfertigung für die Etablierung eines neuen Verfahrens durch den Charakter des Kongresses als ein „conventus extraordinarius“ erkennen, hier vorgetragen durch den braunschweig-lüneburgischen Vertreter Jakob Lampadius (1593 – 1649): Zu besorgen were es, das Österreichische directorium würde die protocolla invertiren²¹. Ob sie nun zwar würden anziehen, daß es im Reich nicht herkommen, so were doch dergegen anzudeuten, man erinnere sich des herkommens. Weil aber dieser convent zum theil ordinarius, zum theil extraordinarius und eines iedern votum zu animadvertiren²², das protocolliren auch iedem beschwerlich, ja fast unmöglich, zugleich zu votiren, andere vota zu ponderiren²³ und auch zu protocolliren, so hielte man evangelischentheils dienlich, daß protocollisten zu adhibiren²⁴.²⁵

stände und das Reichsdirektorium in ihren Rechten nicht beeinträchtigt. Er leitet sich von „Präjudiz“ her. Das Präjudiz bezeichnete ein Handeln, das einer anderen Person oder Institution in ihren Rechten vorgriff, somit also deren hergebrachte Rechte berührte und gleichzeitig als wegweisend für ähnliche zukünftige Situationen gewertet werden konnte.  Staatsarchiv Nürnberg (künftig: StAN), S I L 203, Nr. 18, fol. 56‘ – 69: Oelhafen im Städterat Münster am 3. 3.1646.  verdrehen.  Dies bringt zum Ausdruck, dass die Gesandten auf jedes andere Votum genau Acht geben müssten.  betrachten, bedenken.  zuzulassen.  APW III A 3/1, Nr. 89, S. 543, Z. 16 – 22.

„Viel ungereimbtes dings“?

113

Der Gesandte plädierte dafür, für die anstehenden „sessiones publicae“²⁶ einen eigenen Protokollanten einzusetzen und sich nicht nur auf die Aufzeichnungen der reichsständischen Vertreter und die Abschrift des direktorialen (österreichischen) Protokolls zu verlassen. In dieser Verfahrensfrage zeigt sich exemplarisch, dass der wahre Grund für die Forderung nach einem vom Herkommen abweichenden Verfahren oftmals verschwiegen wurde, auch wenn er allen Beteiligten bewusst gewesen sein dürfte. Tatsächlich bewegte die Gesandten des Osnabrücker Fürstenrats die Befürchtung, dass mit dem anstehenden Beginn der offiziellen reichsständischen Beratungen und der damit einhergehenden Übernahme des Ratsdirektoriums durch Österreich selbiges Direktorium die Sitzungsprotokolle zu Ungunsten der Ratsmehrheit „invertiren“ würde. Dies konnte man allerdings nicht offen als Argument vorbringen, um nicht das Direktorium direkt anzugreifen, vielmehr musste versucht werden, eine Vielzahl von anderen Argumenten zu finden, welche eine eigene Protokollführung rechtfertigten. Neben dem Verweis auf den zumindest in Teilen als „conventus extraordinarius“ zu verstehenden Kongress kamen in der vorliegenden Sitzung noch eine Reihe weiterer Argumente hinzu. Lampadius selbst brachte dabei wiederum die Idee eines Tauschprozesses in die Debatte ein: Sie, die evangelischen Stände des Fürstenrats, würde sich auch einem eigenen Protokoll der katholischen Stände nicht verweigern, somit wäre das neue Verfahren nicht als einseitiges Nachgeben der katholischen Seite zu verstehen: „Wir weren auch nicht zuwieder, daß die catholischen stände ebenmäßig einen protocollisten niedersetzten und sie beide miteinander die protocolla Collationirten […].“²⁷ Der Gesandte Pommerns ergänzte diese Überlegungen im Anschluss noch mit dem Verweis auf einen Präzedenzfall von einem vergangenen Reichstag, ebenfalls ein beliebtes Argumentationsmuster auf dem Kongress: „Zu Regensburg habe er seinen scribenten und protocollisten im fürstenrath gehalten, und were demselben ein nebentisch zugelaßen worden.“²⁸ Sachsen-Lauenburgs Gesandter David Gloxin (1597– 1671) stützte die Überlegungen noch mit dem weiteren Argument, dass man dem Direktorium auch „arbeit und mühe“ mit der Protokollführung abnehme.²⁹ Um die Forderung ins-

 Die „sessiones publicae“ waren die vom Reichsdirektorium analog zum Verfahren auf den Reichstagen ordnungsgemäß einberufenen Beratungssitzungen der Reichsstände, die im Februar 1646 begannen.  APW III A 3/1, Nr. 89, S. 543, Z. 24– 26.  Ebd., S. 545, Z. 13 – 15.  Ebd., Z. 23 – 25.

114

Alexander Gerber

gesamt etwas abzuschwächen, ergänzte der Gesandte Hessen-Darmstadts, das Protokoll solle auch lediglich der eigenen Information dienen („ad sublevationem nostri“) und keine allgemeine Geltung („publicum autoritatem“) haben.³⁰ Derartige Abweichungen waren insbesondere durch die Aufteilung des Städte- und des Fürstenrats in eine Münsteraner und eine Osnabrücker Teilkurie bedingt. Dieser Umstand war einer der konfliktträchtigsten Bereiche der Debatten um das Beratungsverfahren auf dem Kongress. Neben Hinweisen auf die besondere Struktur des Kongresses wurden dabei häufig eigene Verfahrensneuerungen oder -abweichungen damit begründet, dass sich die jeweils andere Teilkurie ähnlich eigenmächtig verhalten würde, weshalb man keine Rücksicht nehmen müsse. Von den zahlreichen Äußerungen sei hier eine herausgegriffen, die diese Überlegung besonders pointiert zusammenfasst. Der Gesandte BraunschweigLüneburgs, Jakob Lampadius, formulierte diese Aussage in einer Sitzung des Osnabrücker Fürstenrats im Februar 1646, als es wieder einmal um die Frage ging, ob man vor weiteren Verhandlungen eine Antwort der Münsteraner Teilkurie abwarten sollte: „Die herrn Münsterischen theten immer, waß sie wolten; weil wir nun dieses ohrts in pari iure³¹ weren, so könte man sich deßen alhier auch gebrauchen.“³² Somit spielte bei den Beratungen der reichsständischen Kurien auch das Aushandeln von anzuwendenden Verfahren und die Inszenierung von Tauschprozessen eine große Rolle. Zwar verwies man oftmals auf das Reichsherkommen, um bestehende Rechte zu sichern, in vielen aktuellen Verfahrensfragen berief man sich aber auf die besonderen Umstände des „conventus extraordinarius“. Beide Argumentationsmuster mischten sich oftmals in den Voten der Gesandten und wurden situativ genutzt. Die reichsständischen Gesandten sahen sich somit in der Rolle, neue Verfahren auszuarbeiten und auszuhandeln, wenn sie nicht auf von den Reichstagen Bekanntes zurückgreifen konnten oder wollten. Dadurch schufen und nutzten sie die auf dem Kongress entstehenden Handlungsspielräume. Nicht immer musste diesem Handeln eine bewusste Interessenpolitik zugrunde liegen, auch wenn dies der Fall sein konnte. Oft ging es aber um das praktische Finden eines Weges, auf dem die Verhandlungen überhaupt fortzuführen waren. Blockaden konnten so aufgelöst, Abläufe beschleunigt werden. Auf der anderen Seite konnten divergierende Auslegungen eines Verfahrens und die dadurch entstehenden Konflikte allerdings auch Verzögerungen herbeiführen.

 Ebd., Z. 3 – 6.  gleichberechtigt.  APW III A 3/3, Nr. 108, S. 202, Z. 19 – 21.

„Viel ungereimbtes dings“?

115

3 Die personale Ebene: Der Nürnberger Gesandte Tobias Oelhafen und sein Beitrag zu den reichsständischen Verfahrensdebatten Über die Betrachtung der Akteursebene rücken die ständischen Vertreter selbst in den Mittelpunkt der Überlegungen.³³ Durch ihr Handeln, die Nutzung ihrer Netzwerke und ihre verschiedenen Rollen am Kongress prägten sie die Verhandlungen entscheidend. Dies konnte unabhängig davon gelten, wie groß ihr Einfluss auf die Inhalte des Friedensvertrags am Ende war. Dabei lassen sich neben den ‚großen‘ reichsständischen Akteuren der Verhandlungen, wie beispielsweise den Kurfürsten, auch weniger einflussreich eingeschätzte Gesandte in den Vordergrund stellen. In diesem Sinne gilt es nun stellvertretend für diese akteurszentrierte Herangehensweise das Wirken eines Gesandten beleuchten, um zu zeigen, wie er durch Netzwerke und die Teilnahme an verschiedenen reichsständischen Kurien und Deputationen in das Zentrum zahlreicher Verfahrensfragen rückte und somit die reichsständischen Beratungen auch formal aktiv mitgestaltete. Dazu soll das Beispiel des Nürnberger Gesandten Tobias Oelhafen gewählt werden, dessen Wirken von Fritz Dickmann sehr knapp zusammengefasst wurde: „Wie Kursachsen erwartete auch Nürnberg alles Heil von der strengen Beachtung der Gesetze und Ordnungen des Reiches, ein tätiges Element auf dem Friedenskongress wurde die Stadt und ihr Abgesandter Dr. Tobias Oelhafen nicht.“³⁴ Mit Blick auf die Ergebnisse des Kongresses spielte Oelhafen somit offenbar also nur eine geringere Rolle. Unter der aufgezeigten Perspektive kann sein Wirken aber ergänzend dazu noch genauer beschrieben werden. Schon aus seiner Studienzeit sowie aufgrund von verwandtschaftlichen Verbindungen zu anderen reichsständischen Gesandten verfügte der Jurist Oelhafen über Bekanntschafts- und Informationsnetzwerke, die er am Kongress auch nutzte.³⁵ Dort vertrat er neben der Reichsstadt Nürnberg auch die Städte Ro-

 Diese Herangehensweise wird auch von den Vertretern einer Neuen Institutionengeschichte vorgeschlagen, vgl. Westphal, Holy Roman Empire.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 387.  Diefenbacher, Oelhafen, S. 438; Brunert, Einleitung, APW III A 3/1, S. LXXX. So absolvierte Oelhafen genauso wie der Straßburger Gesandte Dr. Markus Otto sowie Valentin Heider (Lindau, 1605 – 1664), Zacharias Stenglin (Frankfurt, 1604– 1674) und auch der am Kongress anwesende, aber nicht an den Sitzungen teilnehmende Hamburger Gesandte Johann Christoph Meurer (1598 – 1652) in den 1620er Jahren ihr Jurastudium zeitweise an der renommierten lutherischen Universität in Straßburg, wo neben Markus Otto (1600 – 1674) auch der Bremer Gerhard Koch (1601–

116

Alexander Gerber

thenburg und Weißenburg, sowie, bis zur Ankunft ihres eigenen Gesandten, auch Regensburg im Städterat Osnabrück. In Vertretung derselben Städte saß er aber zudem in zahlreichen Sitzungen des Städterats Münster. Darüber hinaus vertrat er die Fränkischen Grafen im Fürstenrat Osnabrück. Aus seinem in den Jahren 1645 und 1646 intensiv betriebenen Pendeln zwischen den städtischen Teilkurien in Münster und Osnabrück erwuchs schnell eine wichtige Verfahrensfrage: Wie durfte er sein Stimmrecht ausüben? Tatsächlich votierte er teilweise in Münster über Materien, die in Osnabrück in seiner Anwesenheit bereits verhandelt worden waren.³⁶ Dadurch nahm er ein doppeltes Stimmrecht in der einen, nur räumlich geteilten Städtekurie in Anspruch, was auch auf dem Friedenskongress nicht zu legitimieren war. Oelhafen versuchte dieses Problem zu umgehen, indem er betonte, lediglich zum Informationsaustausch sein bereits gefasstes Votum aus Osnabrück in Münster zu wiederholen.³⁷ Im Übrigen sei dort ja bereits eine Meinung gefasst worden, so seine Argumentation. Dennoch berührte er hier ein klassisches Verfahrensproblem des Kongresses, nämlich die Abstimmung zwischen den Teilkurien. Oelhafen wurde zur folgenden Sitzung in Münster nach dem ersten derartigen Votum nicht mehr eingeladen, auch wenn offen bleiben muss, ob dies wie vom Direktorium erklärt aus Versehen oder absichtlich geschah.³⁸ Schon in einer der vorigen Sitzungen hatte der Augsburger Gesandte Johann von Leuchselring (1585 – 1659) festgestellt: „Man halte dißeits in alle weeg für billich, daß weder alhier zu Münster noch zu Oßnabruck ichtwas gehandelt, weniger pro concluso Imperii gehalten werden solle, biß zuvor ein- und anderer ortt die vota communicirt, ordentlich überlegt und abgezehlet seyn werden.“³⁹ Bis zum Ende des Kongresses (und in der Spätphase sogar verstärkt durch die Verhandlungen der sogenannten „Dritten Partei“) kam es wie bereits angesprochen häufiger zu Auseinandersetzungen um das korrekte Verfahren in den Abstimmungen der fürstlichen und städtischen Teilkurien. Beide Seiten fühlten sich

1660) zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. Oelhafen war zudem mit Georg Achatius Heher (1601– 1667) verschwägert, der die Herzöge Wilhelm von Sachsen-Weimar (1598 – 1662) und Ernst von Sachsen-Gotha (1601– 1675) vertrat.  So in der 8. Sitzung des Städterats Münster am 15. 2.1646: StAN, S I L 203, Nr. 18, fol. 18 – 26. Oelhafen erläutert hier, dass er im Städterat Osnabrück schon alles bezüglich der Amnestiefrage besprochen habe und er sich vorliegend nur kurz darauf beziehen will.  So in der 7. Sitzung des Städterats Münster: StAN, S I L 203, Nr. 18, fol. 17– 17‘: „Und hat zwar der Nürnbergische abgesandte herr D. Ölhafen […] sich uff sein in puncto amnistiae bereits zu Oßnabruck im reichsstättischen collegio abgelegtes votum kürtzlich bezogen und solches jedoch mit gehörigem vorbehalt hiehero widerholet.“  Ebd., fol. 26‘ – 32‘.  Ebd., fol. 9‘ – 14‘.

„Viel ungereimbtes dings“?

117

durch überbrachte Verhandlungsergebnisse aus der jeweils anderen Teilkurie immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt und vermuteten, die anderen Gesandten wollten ihnen etwas „präjudizieren“, also vorgreifen. Schon im vorliegenden Beispiel zu Beginn der öffentlichen Beratungen war dieses Problem offenbar geworden und wurde durch die Voten der aus Osnabrück nach Münster gereisten evangelischen Städtevertreter, insbesondere Nürnbergs, verstärkt in den Blick gerückt. So klagte das Münsteraner Städteratsdirektorium in einer der folgenden Sitzungen im Februar 1646: „alß hetten sie verhofft, wolgedachte herren Oßnabruckische von ihrem deß orts gefasten schluß hierher nachrichtliche communication gegeben und also dasjenige observirt haben wurden, was sie vorhin selbsten gesucht und begehrt und was dem einen theil billich, auch dem andern recht seyn solle […].“⁴⁰ Neben der Abstimmung der (Teil‐)Kurien untereinander wurden aber auch innerkuriale Verfahren selbst zum Diskussionsgegenstand. Oelhafen kritisierte etwa bezogen auf den Münsteraner Städterat die bestehende Stimmakkumulation des Augsburgers Leuchselring, weil seiner Auffassung nach nicht ein Mann allein die Mehrheit in dieser Teilkurie diktieren solle. Der Augsburger Vertreter vereinte insgesamt 15 Stimmen auf sich, womit er eine komfortable Mehrheit im nur spärlich besetzten Städterat Münster besaß. Oelhafen selbst brachte diesen Punkt in Abwesenheit Augsburgs sogar in eine Sitzung des Städterats Münster ein.⁴¹ Die vielen Stimmen, die Leuchselring auf sich vereinte, dürften nicht alle einzeln gewertet werden, so das Argument. Hier zeigt sich, dass verschiedene Ideen von „Mehrheit“ ebenfalls immer wieder für Streitigkeiten sorgen konnten.⁴² Mit selbstbewusstem Handeln konnten solche Fragen, wie von Oelhafen gezeigt, auch in den öffentlichen Sitzungen beraten werden, selbst wenn sie zuvor nicht vom Direktorium als Beratungsgegenstand angesagt worden waren. Ein weiterer charakteristischer Punkt für Oelhafens Agieren war darüber hinaus das Einbringen seines Informationsvorsprungs in die Beratungen. Aufgrund seiner Teilnahme an mehreren Reichskollegien sowie seiner erwähnten Netzwerke war er in Osnabrück und in Münster oft derjenige, der in den Beratungen den anderen Gesandten neue Informationen weitergab. Er wusste stets als einer der ersten, was in den anderen Kurien verhandelt wurde, und gab den

 Ebd., fol. 42– 48.  Ebd., fol. 113‘ – 117‘. Teilweise wurde Leuchselrings Vertretungsrecht für einige der Städte auch von den evangelischen Städtevertretern bestritten, vgl. APW III A 6, Nr. 41, S. 141, Z. 21– 31.  Vgl. zur Problematik der Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen auf dem Kongress auch Buchstab, Reichsstädte, S. 125. Vgl. zur Frage des Mehrheitsentscheids auf den frühneuzeitlichen Reichstagen allgemein Schlaich, Maioritas, bes. S. 280 – 286.

118

Alexander Gerber

weiteren Gesandten so die Möglichkeit, auf diese Ergebnisse schnell zu reagieren.⁴³ Hier zeigt sich zudem der Wert eines Platzes im Fürstenrat für einen reichsstädtischen Gesandten: Auch wenn er dort wie Oelhafen nur einen niedrigen Rang einnahm, sich wenig aktiv beteiligte und oft vertreten ließ, war seine Teilnahme doch eine wichtige Grundlage, um ‚Insiderwissen‘ von den weiteren reichsständischen Beratungen zu erlangen – auch wenn Oelhafen selbst die Bedeutung seines Sitzes im Fürstenrat Osnabrück herunterspielte.⁴⁴ Damit Oelhafen und der ebenfalls im Fürstenrat vertretene Leuchselring an zeitnah stattfindenden Fürsten- und Städteratssitzungen teilnehmen und somit weiterhin das ‚städtische Ohr im Fürstenrat‘ bleiben konnten, diskutierte der Städterat Münster in der Folge, ob man die eigenen Sitzungen verschieben dürfte, um dieses Problem zu umgehen.⁴⁵ Eine solche harmlos erscheinende Frage berührte den wichtigen Verfahrenspunkt der ständischen Sitzungsautonomie:⁴⁶ Durften die einzelnen Kurien selbst nach eigenem Belieben Beratungen ansetzen? Dem Herkommen auf den Reichstagen entsprach dies nicht, dennoch forderte man dieses Recht nun mit Verweis auf das Vorgehen der anderen Kollegien sowie die besonderen Umstände des „conventus extraordinarius“ ein. Die dabei entworfene Idee des Verschiebens der entsprechenden Sitzungen auf den Nachmittag wurde dann im Folgenden auch tatsächlich stellenweise genutzt.⁴⁷ Reichsständische Vertreter wie Oelhafen trugen somit wesentlich zur Formung der reichsständischen Beratungsverfahren auf dem Friedenskongress bei

 StAN, S I L 203, Nr. 18, fol. 52– 56‘: Oelhafen im Städterat Münster am 17. 2.1646: „Belangend sonsten die gemeinschafft oder vermischung der Spanischen händel mit den reichssachen, were gestern im löblichen fürstenrath das conclusum per maiora dahin außgefallen, daß die herren Frantzösische plenipotentiarii auff diese von ihnen vorgestellte frag dahin zu beantwortten, es were dieselbe, alß noch zu frühezeitig zu differiren, biß andere zu des Reichs beruhigung gehörige sachen abgehandelt seyn werden.“  Dieses Beispiel wird im Kontext der Diskussionen um die Verfahrensfreiheiten auf dem „conventus extraordinarius“ auf S. 6 ausführlicher vorgestellt. Siehe auch StAN, S I L 203, Nr. 18, fol. 56‘ – 59: Oelhafen im Städterat Münster am 3. 3.1646.  StAN, S I L 203, Nr. 18, fol. 56‘–59.  Grundsätzlich war das Kurmainzer Direktorium für die Ansage der Sitzungen in den fünf (Teil‐)Kurien zuständig, vgl. Becker, Kurfürstenrat, S. 252. Die Kurien setzten sich aber immer wieder darüber hinweg, was zu Auseinandersetzungen mit dem Reichsdirektorium führte, vgl. etwa für den Fürstenrat Osnabrück Brunert, Einleitung, APW III A 3/3, S. LXXIII.  So tagte der Städterat Münster am 5. 3.1646 erst am Nachmittag (StAN, S I L 203, Nr. 18. fol. 69 – 74). Am gleichen Tag hatte sich zuvor der Fürstenrat Münster zu einer Sitzung zusammengefunden, bei der sowohl Leuchselring für die schwäbischen Grafen als auch Oelhafen für die fränkischen Grafen anwesend waren (Staatsarchiv Bamberg, Rep. 33 B, Serie II, Bd. 4, fol. 288‘– 294‘).

„Viel ungereimbtes dings“?

119

und suchten auch selbst nach Lösungen, um jene die Verhandlungen verlangsamenden Auswirkungen der räumlichen Trennung und der verfahrenstechnischen Unsicherheiten abzufedern und/oder ihre eigenen Handlungsspielräume auf dem Kongress zu sichern und zu erweitern. Ihre Darlegungen bewegten sich dabei oft im Spannungsfeld von „Herkommen“ und „conventus extraordinarius“ und griffen jeweils situativ auf eines der beiden Argumentationsmuster zurück.

4 Die „Dritte Partei“: Ein Bruch mit bisherigen Argumentationsmustern? Die bisherigen Überlegungen lassen sich zu zwei Thesen zusammenfassen: Erstens versuchten die reichsständischen Vertreter am Kongress mittels verschiedenster Argumentationsmuster, bestimmte Verfahren oder Verfahrensänderungen zu legitimieren und durchzusetzen. Zweitens war das konkrete Handeln einzelner Gesandter sowie ihre verschiedenen Rollen in den Beratungsverfahren dafür mitentscheidend, dass bestimmte Fragen überhaupt erst aufkamen und verhandelt werden mussten. Es wurde also viel über das Verfahren diskutiert, gleichzeitig wurden bestimmte Leerstellen aber auch situativ genutzt, um Themen zu setzen. Diese Überlegungen sollen im abschließenden Teil nun auf die Spätphase des Kongresses übertragen werden, in der das Wirken der sogenannten „Dritten Partei“ mehr und mehr in den Mittelpunkt der Verhandlungen rückte. Finden sich hier ähnliche Strategien und Argumentationsmuster oder ist in der Diskussion um das ‚richtige‘ Verfahren ein klarer Bruch zu erkennen? In der zweiten Hälfte des Jahres 1647, in einer Krisenphase der Verhandlungen, fand sich nun also langsam eine von der Forschung bisher noch recht unscharf wahrgenommene Gruppe kompromissbereiter Reichsstände zusammen, um die Verhandlungen neu zu beleben. Im Jahr 1648 gewannen diese verständigungsbereiten Reichsstände dann an Gewicht und wirkten entscheidend auf den weiteren Verhandlungsgang ein. Zunächst setzte sich hierbei ein neuer Verhandlungsmodus durch, bei dem die schwedischen und kaiserlichen Vertreter unter Mitwirkung der kompromisswilligen reichsständischen Gesandten die noch umstrittenen Fragen des Friedens klären sollten.⁴⁸ Unabhängig von dieser neuen Prämisse versuchten die reichsständischen Gesandten aber auch in den Folgemonaten, sich soweit als möglich in den bekannten Bahnen der reichsständi Nachdem dieses Verfahren entworfen wurde, trat der Fürstenrat Osnabrück am 6. 5.1648 zum ersten Mal seit über einem halben Jahr wieder zusammen: APW III A 3/5, Nr. 145.

120

Alexander Gerber

schen Beratungsverfahren zu bewegen, welches idealtypisch folgende Schritte umfasste: Die zu Beginn einer Sitzung durch das jeweilige Ratsdirektorium verlesene Proposition beinhaltete die Materien, welche innerhalb der Reichskurien zunächst getrennt voneinander verhandelt werden sollten. Bei der folgenden Umfrage gab jeder Reichsstand über seinen Gesandten ein Votum zu den aufgeworfenen Fragen ab. In der anschließenden Re- und Correlation tauschten Kurfürsten-, Fürsten- und Städterat die jeweils gefassten Mehrheitsmeinungen (Conclusa) aus und versuchten, einen gemeinsamen Beschluss zu finden. Es wurden auch noch im Jahr 1648 Materien durch das Direktorium proponiert, Umfrageverfahren abgehalten und Re- und Correlationen durchgeführt. Von einem klaren Bruch mit den auf dem Kongress eingespielten reichsständischen Verfahren ist also nicht zu sprechen. Dennoch schlugen sich die veränderten Umstände nieder: Vor 1648 ging es für die Reichsstände lange Zeit auch darum, eigene Entscheidungen aufzuschieben, da die Reichsstände sich in sensiblen Fragen nur ungerne vorwagten. Über das sogenannte „Hintersichbringen“⁴⁹ konnte dabei versucht werden, Entscheidungsverantwortung von sich fernzuhalten. Auch das musste das Umfrageverfahren leisten. Im Jahr 1648 erwarteten die kaiserlichen Vertreter und die der auswärtigen Kronen nun aber von den reichsständischen Beratungsverfahren etwas anderes, nämlich das schnelle Treffen verbindlicher Zusagen. Diese Beschleunigung zeigt sich exemplarisch an den reichsständischen Verhandlungen des 3. Juni 1648. Innerhalb eines Tages fand die Konferenz mit einem auswärtigen Gesandten – Johan Axelsson Oxenstierna (1611– 1657) – statt, es kam zu einer Sitzung des Fürsten- und Kurfürstenrats, es fand eine Re- und Correlation mit Conclusum statt und das Ergebnis dieser wurde Oxenstierna sofort mitgeteilt.⁵⁰ Die hergebrachten Verfahren wurden dabei teils gewahrt, teilweise aber auch abgekürzt, etwa im Hinblick auf das Verfahren der Proposition oder der Reund Correlation, wie im Folgenden gezeigt wird. Über diese Abkürzungen des Verfahrens wurde in den reichsständischen Beratungen intensiv gerungen, etwa um die Frage, ob die reichsständischen Verhandlungen mit Schweden durch Kurmainz als Vermittler – gemäß dem Vorschlag Oxenstiernas – durch alle der kompromissbereiten Reichsstände oder durch Deputierte vorgenommen werden sollen.⁵¹ Die Kurmainzer Vermittlung wurde dabei als schnellerer und einfacherer Weg wahrgenommen, die Beteiligung aller Reichsstände als langsamer, dafür aber auch verbindlicher, da eine nachträgliche Abspaltung einzelner Reichs Das bedeutete, die Zustimmung oder Ablehnung zu einer Frage von der Antwort des eigenen Reichsstands (also etwa des Fürsten oder des Stadtrats) abhängig zu machen.  APW III A 3/5, Nr. 165.  Ebd., Nr. 163.

„Viel ungereimbtes dings“?

121

stände von den getroffenen Vereinbarungen bei direkter Anwesenheit schwerer gefallen wäre. Dies bietet Anlass, sich einen Ausschnitt der Verhandlungen des Jahres 1648 einmal genauer anzusehen und zu überprüfen, mit welchen Argumentationsmustern hier versucht wurde, abweichende Verfahren zu legitimieren oder bestehende zu stützen. Es ging hierbei, das ist wichtig zu betonen, nie um eine grundsätzliche Infragestellung von Verfahren der Reichsberatungen an sich, sondern um die Rechtfertigung von nicht dem Herkommen entsprechenden Abweichungen in bestimmten Teilbereichen, besonders im Hinblick auf die Beteiligung der Münsteraner Reichsstände. Die Sitzungen 145 – 148 vom 6. bis 11. Mai 1648 bieten dafür ein gutes Untersuchungsfeld, weil hier intensiv um die Ausgestaltung der reichsständischen Beteiligung an den kaiserlich-schwedischen Verhandlungen gestritten wurde.⁵² Zunächst war es in der Sitzung am 6. Mai der österreichische Gesandte, der das Vorgehen der kompromissorientierten Reichsstände kritisierte: Er beschwerte sich über das dem Herkommen nicht entsprechende Verfahren, dass Kurmainz eigenmächtig Materien in die Beratungen einbrachte, denn eigentlich stand den Kaiserlichen das Recht der Proposition zu.⁵³ Wie bereits in Abschnitt 2 gezeigt, kam aber auch dieser Streit um das Propositionsrecht und damit verbunden die reichsständische Sitzungsautonomie auf dem Kongress häufiger auf, und er begleitete die Verhandlungen von Beginn an. Die in der folgenden Sitzung in Osnabrück durchgeführte Re- und Correlation zwischen den in Osnabrück anwesenden (Teil‐)Kurien warf aber bereits neue Fragen auf: Dem Herkommen entsprechend wurde auch für den Kongress die Regel als bindend angesehen, wonach sich die einzelnen Kurien jeweils zunächst für sich zu je einer Meinung vergleichen sollten, bevor kurienübergreifend Meinungen ausgetauscht und ein gemeinsamer Schluss herbeigeführt werden sollte. Dieses Verfahren wurde aber sowohl von Münsteraner als auch von Osnabrücker Seite nicht immer eingehalten, und die Abstimmung zwischen den Teilkurien stellte wie bereits erläutert eines der großen strukturellen Probleme der Reichsberatungen auf dem Kongress dar. So ist es verständlich, dass auch das Kurmainzer Reichsdirektorium beim Verfahren der Re- und Correlation ausdrücklich betonte, „[…] diese re- und correlation geschehe denen zu Münster subsistirenden zu keinen praeiudiz, als welche anhero geschrieben, sie wolten ihre meynung schriftlich anhero schücken.“⁵⁴

 Ebd., Nr. 145 – 148.  Ebd., Nr. 145, S. 10, Z. 27–S. 11, Z. 1.  Ebd., Nr. 146, S. 52, Z. 14– 17.

122

Alexander Gerber

Hier wird also auf bereits auf dem Kongress bekannte Weise zu betonen versucht, man wolle den Münsteraner Reichsständen durch die Re- und Correlation in keiner Weise vorgreifen und würde ihre Meinung beim Finden eines gemeinsamen Conclusums berücksichtigen. Dies wurde allerdings unterlaufen, weil zwei Beschlüsse der Osnabrücker Reichsstände bereits umgesetzt wurden, bevor der Fürstenrat Münster überhaupt getagt hatte.⁵⁵ Es handelte sich demnach um einen Verstoß gegen das auf dem Kongress festgelegte Verfahren.⁵⁶ Hergebrachte Legitimations- und Beteuerungsstrategien wurden also in Bezug auf das Verfahren zwischen den Teilkurien beibehalten, doch auch bei anderen Argumenten lassen sich Kontinuitäten entdecken. Im Kontext der gleichen Debatte um die Berücksichtigung der Münsteraner Voten führte der Gesandte Sachsen-Altenburgs, Thumbshirn, nur eine Sitzung später ein Argument an, was in ganz ähnlicher Form schon von Tobias Oelhafen zwei Jahre zuvor entworfen worden war: Man wiße nicht, wieviel derselben, aber wohl dieses, daß des herrn bischof zu Oßnabrug fürstliche gnaden sich alda befinde und soviel vota führe, welche ihr nicht allein vor sich zustendig, sondern auch von andern ufgetragen. Wann es nun die meynung solte haben und dieselben [die Gesandten des Münsteraner Fürstenrats] sich die gewalt anmaßen, hiesige conclusa zu invertiren, müße man demselben wiedersprechen, und zwar 1., weil im Reich ungewöhnlich, daß eine person soviel vollmachten auf sich nehme, denn es könte uf solche maße practicirt werden, daß uf künftigen reichstag 2 oder 3 personen die maiora machten und salus publica⁵⁷ in arbitrio dreyer personen stehe, welches unzuleßig […].⁵⁸

Hier wird also ebenfalls die Stimmakkumulation eines Gesandten, in diesem Falle Franz Wilhelm von Wartenberg (1593 – 1661), kritisiert, und darauf verwiesen, dass es ja nicht im Sinne des Reichsherkommens sein könne, wenn ein oder zumindest sehr wenige Gesandte die Mehrheit in einem Kollegium bilden und wie im vorliegenden Fall dadurch versuchen könnten, das ganze Verfahren zu blockieren. Genauso wie der Augsburger Gesandte Leuchselring mit seiner Menge an Stimmvertretungen und seiner unnachgiebigen Haltung ein Gegner der evangelischen Städtevertreter gewesen ist und diese deswegen versuchten, die Legitimität seiner Mehrfachvertretung anzuzweifeln, versuchten vorliegend die kompromissbereiten Ständevertreter in Person des altenburgischen Gesandten, den aufgrund seiner Ablehnung eines Kompromissfriedens ungeliebten Wartenberg zu delegitimieren. Gleichzeitig sollte hiermit die Nichtberücksichtigung der er-

   

Siehe die Anmerkung ebd., Z. 35 – 37. Vgl. Brunert, Einleitung, APW III A 3/5, S. LXV. Das „salus publica“ bezeichnet das Allgemeinwohl. APW III A 3/5, Nr. 147, S. 69, Z. 17– 22.

„Viel ungereimbtes dings“?

123

warteten Blockadehaltung des Münsteraner Fürstenrats durch die Osnabrücker Gesandten gerechtfertigt werden. Diese Überlegung stützte Thumbshirn im gleichen Votum durch die Argumentation, Osnabrück sei der vorgesehene Ort für die Verhandlungen mit den Schweden, daher habe man ja auch die Münsteraner Reichsstände eingeladen, für die anstehenden Verhandlungen geschlossen nach Osnabrück herüber zu reisen. Sie dürften aber nicht durch Abwesenheit versuchen, die Verhandlungen aufzuhalten.⁵⁹ Dies schließt er mit der Forderung: „Hielten also dafür, was hier geschloßen werde, sey durch der abwesenden wiedersprechen nicht zurückzuziehen.“⁶⁰ In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sich bei reichsständischen Argumentationen für oder gegen einen Verhandlungsmodus Begriffe wie „necessitas“, also „Notwendigkeit“ finden lassen.⁶¹ Ähnliche in diesem Kontext verwendete Wendungen waren etwa der Wunsch nach einem Verfahren, das „practicabel“ wäre oder dem Verweis auf die Notlage des Reiches mittels der Wendung „salus populi“ bzw. „salus publica“.⁶² Es wurde mit derartigen Begriffen pragmatisch für Lösungen geworben, welche den Frieden beschleunigen sollten, auch wenn diese nicht immer dem Herkommen im Reich entsprachen. Diese Argumente waren nicht neu, schon seit Beginn des Kongresses wurde von reichsständischen Gesandten immer wieder mit der „necessitas“ argumentiert, es wurde darauf abgestellt, ein Verfahren „zur Gewinnung der Zeit“ abzukürzen.⁶³ Hier arbeiteten die

 Ebd., S. 70, Z. 1– 6.  Ebd., Z. 7– 8.  Mit der Notwendigkeit, Zugeständnisse in der Satisfaktionsfrage zu machen, auch wenn es keine Pflicht und der aktuelle Kongress dafür eigentlich auch nicht der vorgesehene Rahmen sei, weil es auf einen Reichstag gehöre, argumentierten etwa Würzburg (ebd., S. 72, Z. 7– 15) und Sachsen-Weimar (ebd., S. 73, Z. 4).  Die Idee eines Verfahrens, das „practicabel“, also tauglich für einen erfolgreichen Verhandlungsgang sein müsste, findet sich etwa bei APW III A 3/3, Nr. 107, S. 177, Z. 15 – 18. Die Wendung „salus populi/publica“ stellte auf die Wahrung des Allgemeinwohls ab, die bestimmte Verhandlungsverfahren erfordere, etwa APW III A 6, Nr. 97, S. 466, Z. 9.  Aus den zahllosen Beispielen soll hier herausgegriffen werden: APW III A 6, Nr. 37, S. 137, Z. 8, 29: Die Vertreter Esslingens und Herfords wollten im März 1646 die Voten im Städterat Osnabrück aus Zeitgründen abkürzen, es müssten nicht jedes Mal zu Beginn eines Votums alle Städte genannt werden, die ein Gesandter noch vertrete, argumentierten sie. APW III A 3/1, Nr. 7, S. 88, Z. 35 – 36: Magdeburg erläuterte in einer Sitzung des Fürstenrats Osnabrück im August 1645, dass ein vorgeschlagener Modus nicht nur „dem reichsherkommen conform, auch practicabl sey“ und schlug damit geschickt eine Brücke zwischen dem Reichsherkommen und einer pragmatischen Verfahrensauslegung auf dem Kongress. In APW III A 3/2, Nr. 93, S. 582, Z. 1– 8 war es der österreichische Gesandte Richtersberger, der im Januar 1646 eine Anfrage zur Protokollführung im Fürstenrat Osnabrück unter dem Hinweis auf die besonderen Notwendigkeiten des Kongresses

124

Alexander Gerber

Reichsstände der „Dritten Partei“ also mit Argumentationsmustern, die bereits seit mehreren Jahren der Kongressarbeit eingeübt waren. Auf dem Kongress ließen sie sich aber geschickt mit der Idee des „conventus extraordinarius“ verbinden, was wie gezeigt schon seit Beginn der Verhandlungen immer wieder gemacht wurde, und auch in der Spätphase des Kongresses eine beliebte Argumentation war. So warb der Gesandte Lampadius in einer Sitzung des Fürstenrats Osnabrück im Juni 1648 entgegen der Voten von Bamberg und Fulda für die Wahl des Deutschen und nicht des Lateinischen in einem Schreiben an den schwedischen Gesandten Johan Adler Salvius (1590 – 1652), auch wenn dies dem Reichsherkommen widersprach. Er begründete seinen Standpunkt, dass man „allhier“ auf Deutsch verhandeln würde und die Schweden sich auch dieser Sprache bedienten.⁶⁴ Ähnliche Argumentationen konnten stellenweise durch verkürzte Ausführung eine tautologische Qualität bekommen, wenn etwa das Kurmainzer Reichsdirektorium eine Sitzung später ausführte: „Die herren churfürstlichen vermeinen, daß man ihrem begehren unter wehrendem diesem convent zu deferiren⁶⁵, weil derselbe doch ein conventus extraordinarius, dabey viel extraordinaria vorgingen.“⁶⁶ Genauso spielte aber auch das Herkommen in den Debatten weiterhin eine Rolle. Der zur 145. Sitzung im Fürstenrat Osnabrück eingetroffene Gesandte Savoyens etwa stellte einen Anspruch für seinen Platz in der Session auf, dem von den anderen Gesandten ganz selbstverständlich mit dem Verweis auf vorangegangene Reichsabschiede und noch allgemeiner „des Reichs herkommen“ begegnet wurde.⁶⁷ Trotz der Umstände des „conventus extraordinarius“ wurde also auch in der Spätphase des Kongresses in einigen Fragen weiterhin auf das Herkommen abgestellt, wenn es vermieden werden sollte, eine Verfahrens- oder Sessionsfrage offen zu debattieren. Auch als kritisch empfundene Neuerungen wurden auf diese Weise weiterhin argumentatorisch abgelehnt. Als das Direktorium des Fürstenrats in der Re- und Correlation am 8. Mai 1648 entgegen dem Herkommen vor dem kurfürstlichen Direktorium die eigene kuriale Meinung vortrug, wurde dies von selbigem umgehend mit dem Verweis darauf gerügt, „daß hinführo consueto more et modo möchte re- und correferirt werden“.⁶⁸ In der

beantwortete: „Es sey zwar fast im fürstenrath nicht gebreuchlich, daß protocollisten admittiret würden. […] Dieweil aber alia tempora alios mores erfordern und necessitas 〈servum〉 rogat […] so wolle er an seine〈m〉 orth diese〈m〉 petito nicht abseyn.“  APW III A 3/5, Nr. 167, S. 370, Z. 35–S. 371, Z. 3.  Der Begriff „deferiren“ meint hier genehmigen oder bewilligen.  APW III A 3/5, Nr. 168, S. 387, Z. 16 – 19.  Ebd., Nr. 145, S. 41, Z. 6–S. 42, Z. 6.  Ebd., Nr. 146, S. 51, Z. 12– 13.

„Viel ungereimbtes dings“?

125

gleichen Sitzung wurde darüber hinaus im Sitzungsprotokoll Sachsen-Altenburgs negativ angemerkt, die Vertreter der Reichsstädte hätten sich „contra stylum“ als „der erbarn freyen reichsstädte räthe, potschafften und gesandten“ statt wie üblich als „abgeordnete“ bezeichnet.⁶⁹

5 Fazit Dieser kurze, ausschnitthafte Blick in die reichsständischen Beratungen des Kongresses soll abschließend durch einige Thesen zusammengefasst werden: 1. Auch wenn die Beratungsverfahren der Reichsstände auf dem Westfälischen Friedenskongress grundsätzlich von den vergangenen Reichstagen übernommen wurden, gab es aufgrund der Umstände und besonderen Struktur des Kongresses zahlreiche Detailfragen des Verfahrens, die neu ausgehandelt werden mussten bzw. die zum Diskussions- und Streitgegenstand in den reichsständischen Beratungen wurden. Wenn auch zu Beginn des Kongresses ausführlicher über den „modus tractandi“ diskutiert wurde als in der Folge, begleiteten die Verfahrensfragen die reichsständischen Gesandten über die komplette Dauer der Verhandlungen. Eine der Hauptfragen, der dabei begegnet werden musste, war das Verhältnis zwischen den Münsteraner und Osnabrücker Teilen des Fürstenund des Städterats. 2. Die reichsständischen Gesandten entwickelten dabei zahlreiche Argumentationsmuster, um den Rückgriff auf Reichstagsverfahren oder die Abweichung von selbigen argumentatorisch zu legitimieren. Ein wichtiger Bereich dieser Argumentationen kann in dem Spannungsfeld des „Herkommens“ und der besonderen Gegebenheiten dieses außergewöhnlichen Friedenskongresses, des „conventus extraordinarius“, zusammengefasst werden. 3. Die Debatten um das Verfahren fanden dabei oftmals nicht abstrakt statt, sondern bezogen sich auf einen bestimmten Präzedenzfall, der durch einen oder mehrere Gesandte hervorgerufen wurde. Somit rücken die Gesandten selbst in das Blickfeld der Überlegungen. Auch die Vertreter kleinerer Reichsstände, wie das Beispiel des Nürnberger Gesandten Tobias Oelhafen gezeigt hat, konnten dabei durch Mehrfachvertretungen oder die gezielte Nutzung von Leerstellen des Verfahrens versuchen, Einfluss auf den Verhandlungsgang zu nehmen, stießen dabei oftmals – ob gewollt oder nicht – Verfahrensdiskussionen an. Die Gestalt des Kongresses und der Beratungsverfahren wurde also von den reichsständischen Vertretern selbst mitgestaltet.

 Ebd., S. 52, Z. 24– 25.

126

Alexander Gerber

4. Mit den Verhandlungen des Jahres 1648 traten die Reichsberatungen in eine neue Phase ein, die durch das Wirken einer „Dritten Partei“ kompromissbereiter Reichsstände geprägt wurde. Obwohl hier neue Wege des Verhandelns mit dem Kaiser und den auswärtigen Kronen etabliert wurden, wird deutlich, dass die reichsständischen Gesandten darum bemüht waren, auch in dieser Phase die hergebrachten Verfahren der Reichsberatungen beizubehalten. Abweichungen davon wurden wie in den Jahren zuvor mit Verweisen auf den Kongress als einen „conventus extraordinarius“, pragmatischen Denkansätzen oder auch dem Anzweifeln der Legitimität von Stimmakkumulationen zu rechtfertigen versucht. Besonders die Frage der (Nicht‐)Berücksichtigung der nicht kompromissbereiten Münsteraner Reichsstände war dabei problematisch und Gegenstand vieler Debatten im Osnabrücker Fürstenrat. Auf der anderen Seite wurde aber auch das „Herkommen“ nach wie vor zur Begründung herangezogen, wenn bestimmte Verfahren beibehalten werden sollten. Auch dadurch wird der Versuch erkennbar, sich argumentatorisch auf dem Boden der durch die Reichstage überkommenen Beratungsverfahren zu bewegen. Auf einem in seinem Umfang und Teilnehmerfeld neuartigen Kongress unter sich fortlaufend verändernden Umständen versuchten die reichsständischen Gesandten so, durch komplexe und vielfältige Argumentationsstrategien, die gleichzeitig von Dauer und doch flexibel sein mussten, Verfahren zu legitimieren, um einerseits eigene Interessen durchzusetzen, andererseits aber auch die Verhandlungen nicht zu einem dauerhaften Stillstand kommen zu lassen.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Konrad Repgen. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 3: Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück. Teil 1‒7: 1645 – 1648 Juli ‒ September. Bearbeitet von Maria-Elisabeth Brunert (Teil 3 von M.-E. Brunert und Klaus Rosen). Münster 1998‒2013 (zit. als: APW III A 3/1 – APW III A 3/7); Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 6: Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück 1646 – 1649. Bearbeitet von Günter Buchstab. Münster 1981 (zit. als: APW III A 6). Staatsarchiv Bamberg, Rep. 33 B, Serie II, Bd. 4, fol. 288’ – 294’ (Protokoll der Sitzung des Fürstenrats Münster am 5. 3. 1646). Staatsarchiv Nürnberg, S I L 203, Nr. 18 (Protokolle der Beratungen des Städterats Münster 1646).

„Viel ungereimbtes dings“?

127

Literatur Becker, Winfried: Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1973. Bosbach, Franz: Verfahrensordnungen und Verhandlungsabläufe auf den Friedenskongressen des 17. Jahrhunderts. Überlegungen zu einer vergleichenden Untersuchung der äußeren Formen frühneuzeitlicher Friedensverhandlungen, in: Christoph Kampmann/Maximilian Lanzinner/Guido Braun/Michael Rohrschneider (Hrsg.), L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens. Münster 2011, S. 93 – 118. Brunert, Maria-Elisabeth: Einleitung [zu Teil 1 und 2], in: Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. A, Bd. 3/1, 1998 (siehe oben unter Quellen), S. LVI–CXL. Brunert, Maria-Elisabeth: Einleitung [zu Teil 5], in: Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. A, Bd. 3/5, 2006 (siehe oben unter Quellen), S. XLII – XC. Brunert, Maria-Elisabeth: Einleitung [zu Teil 7], in: Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. A, Bd. 3/7, 2013 (siehe oben unter Quellen), S. XXXVI – LXXXIII. Buchstab, Günther: Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongress. Zusammenhänge von Sozialstruktur, Rechtsstatus und Wirtschaftskraft. Münster 1976. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. 7. Aufl. Münster 1998. Diefenbacher, Michael: Oelhafen von und zu Schöllenbach [Familienartikel], in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 437 – 439. Endres, Rudolf: Die Friedensziele der Reichsritterschaft, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 565 – 578. Fuchs, Ralf-Peter: Über Ehre kommunizieren – Ehre erzeugen. Friedenspolitik und das Problem der Vertrauensbildung im Dreißigjährigen Krieg, in: Martin Espenhorst (Hrsg.), Frieden durch Sprache? Studien zum kommunikativen Umgang mit Konflikten und Konfliktlösungen. Göttingen 2012, S. 61 – 80. Hoffmann-Rehnitz, Philip/Krischer, André/Pohlig, Matthias: Entscheiden als Problem der Geschichtswissenschaft, in: ZHF 45 (2018), S. 217 – 281. Kalipke, Andreas: Verfahren – Macht – Entscheidung. Die Behandlung konfessioneller Streitigkeiten durch das Corpus Evangelicorum im 18. Jahrhundert aus verfahrensgeschichtlicher Perspektive, in: Krischer/Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, 2010 (siehe dort), S. 475 – 517. Köhler, Matthias: Verhandlungen, Verfahren, Verstrickungen auf dem Kongress von Nimwegen 1676 – 1679, in: Krischer/Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, 2010 (siehe dort), S. 411 – 440. Krischer, André: Das Gesandtschaftswesen und das vormoderne Völkerrecht, in: Martin Kintzinger/Michael Jucker (Hrsg.), Rechtsformen internationaler Politik. Theorie, Norm und Praxis vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Berlin 2011, S. 197 – 239. Krischer, André/Stollberg-Rilinger, Barbara (Hrsg.): Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne. Berlin 2010. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren. 10. Aufl. Frankfurt a. M. 2017. Schlaich, Klaus: Maioritas – protestatio – itio in partes – corpus Evangelicorum. Das Verfahren im Reichstag des Hl. Römischen Reichs deutscher Nation nach der Reformation, in: ZRG KA 107 (1977), S. 264 – 299.

128

Alexander Gerber

Stollberg-Rilinger, Barbara: Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, oder: Was leistet der kulturalistische Ansatz für die Reichsverfassungsgeschichte?, in: Marc Schnettger (Hrsg.), Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat. Das Alte Reich im Verständnis der Zeitgenossen und der Historiographie. Mainz 2002, S. 233 – 246. Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren. Berlin 2001, S. 9 – 24. Westphal, Siegrid: Does the Holy Roman Empire Need a New Institutional History?, in: R. J. W. Evans/Michael Schaich/Peter Wilson (Hrsg.), The Holy Roman Empire 1495 – 1806. Oxford 2011, S. 77 – 94.

III.B: Kompromisslose Parteien

Dorothée Goetze

Frieden um (fast) jeden Preis. Die Politik Ferdinands III. (1608 – 1657) in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses zwischen Rollenkonkurrenz, Prinzipientreue und dogmatischem Pragmatismus 1 Einleitung

„Und obwol diser friden vil beschwerliche conditiones in sich haltet, weil es iedoch anderst nit sein könden, so muess man’s mit gedult und dankbarkheit von der Göttlichen maiestät demuettiglich annemmen.“¹ – Fatalismus schlägt dem Leser aus diesem Kommentar des kaiserlichen Sekundargesandten beim Westfälischen Friedenskongress, Isaak Volmar (1582/3 – 1662), zum Abschluss des Friedens am 24. Oktober 1648 entgegen. Der Kompromisscharakter des Vertrags tritt deutlich in der Formulierung „weil es iedoch anderst nit sein könden“ zutage. Es gab keine Alternative. Der in Münster unterzeichnete Friede stellt einen Minimalkonsens dar. Zwar wird er auch als göttliche Gnade postuliert, doch dürfte dies wohl eine rhetorische Notwendigkeit gewesen sein, um die als schwer empfundenen Bestimmungen ertragen und den Frieden diesen zum Trotz als Ganzes akzeptieren zu können. Dass Volmar seine persönliche Einschätzung so unverhohlen äußerte, war der Redesituation geschuldet. Seinen Kommentar zum Frieden formulierte er in einem Schreiben an seinen Patron am Kaiserhof, den Obersthofmeister Kaiser Ferdinands III. und vormaligen Prinzipalgesandten bei den Verhandlungen in

Anmerkung: Dieser Aufsatz geht auf den gemeinsam mit Lena Oetzel gehaltenen Vortrag „Weil es iedoch anderst nit sein könden – Friedensfindung zwischen Prinzipien und politischem Pragmatismus am Beispiel Kursachsens und des Kaisers während des Westfälischen Friedenskongresses“ im Rahmen der Tagung „Wendepunkte: Friedensende und Friedensanfang vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Gegenwart“, 24. – 26. 10. 2018, (Osnabrück) zurück.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 Oktober 26; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 10: 1648 – 1649. Bearb. von Dorothée Goetze, 2015 (künftig: APW II A 10), Nr. 71, S. 277, Z. 4– 7. https://doi.org/10.1515/9783110703795-008

132

Dorothée Goetze

Münster und Osnabrück, Maximilian von Trauttmansdorff (1584– 1650). Darin informierte Volmar über die Unterzeichnung der Verträge. Ganz anders klingen hingegen die Schreiben, mit denen seine Kollegen Johann Ludwig von NassauHadamar (1590 – 1653), Johann Maximilian von Lamberg (1608 – 1682) und Johann Krane (1595/1600 – 1672) dem Kaiser zum Abschluss des Friedens gratulierten. Nassau betonte die Leistung des Friedenschließens und hob hervor, dass die Gesandten, „Euer Keyserlicher Majestatt, die wehrte christenheit und daß gantze Heilige Romische Reich zu ihnen und ihres allerhochstloblichsten ertzhauß ewigem hohen ruhme und hochster obligation erfrewet und getröstet“ sind.² Ähnlich ist es bei Lamberg und Krane zu lesen: Hat unßere schüldigkeit erfordert, Ewer Mayestätt […] zu sölchem frieden allerunderthenigist zu congratulirn und alle gedeiliche wollfahrt, daß solcher friede zu befestigung dero Kayserlicher thron und scepters, auch auffnamb dero höhisten ertzhaußs gedeins und Ewer Mayestätt darin viel jahrn in großer glückseligkeitt ihre Kayserliche regirung continuirn mögen, gehorsamst anzuwünschen.³

Diese Bemerkungen anlässlich der Unterzeichnung der Friedensverträge transportieren mehr als nur Glückwünsche und Wertungen der Gesandten. Sie fassen noch einmal die Determinanten der Kongresspolitik Ferdinands III. zusammen. Sowohl Nassau als auch Lamberg und Krane verweisen auf Ferdinands Rolle als Kaiser und auf die Interessen des Hauses Habsburg.Volmar bezieht sich in seinem Schreiben einzig auf Ferdinands Verantwortung als Landesherr und differenziert dadurch dessen Rollen innerhalb des Hauses Habsburg.⁴ In den Hauptinstruktionen für die kaiserlichen Gesandten in Münster und Osnabrück vom 15. Juli 1643 heißt es, dass sich die kaiserliche Partei an den Verhandlungsorten einfindet „zu behandlung eines ehrlichen sicheren und bestendigen friedens zwischen [dem Kaiser] unnd dem Römischen reich, auch [dem] löblichen erzhauß unnd allen dessen confoederierten, assistenten unnd angehörigen an einem“ und den auswärtigen Kronen, Schweden und Frankreich, sowie deren Verbündeten auf der anderen Seite.⁵ Unabhängig davon, welcher der

 Nassau an Ferdinand III., Münster 1648 Oktober 25; APW II A 10, Nr. 69, S. 275, Z. 18 – 21.  Lamberg und Krane, Münster 1648 Oktober 24; APW II A 10, Nr. 67, S. 266, Z. 18 – 21, sowie S. 267, Z. 1– 9.  Volmar an Trauttmansdorff, 1648 Oktober 26; APW II A 10, Nr. 71, S. 277, Z. 11– 14. – Auch im weiteren Verlauf des Schreibens stehen die Interessen der unterschiedlichen habsburgischen Teildynastien im Vordergrund.  Siehe Hauptinstruktion für die Reichshofräte Johann Weikhart Graf von Auersperg und Dr. Isaak Volmar für die Verhandlungen mit den Schweden in Osnabrück, Wien 1643 Juli 15, in: APW. Serie I: Instruktionen. Bd. 1: Frankreich, Schweden, Kaiser. Bearb. von Fritz Dickmann u. a., 1962

Frieden um (fast) jeden Preis

133

eingangs zitierten Einschätzungen und welcher Rollenperspektive man sich anschließen möchte, Friede konnte nur durch den Ausgleich handlungsleitender Prinzipien der Verhandlungsparteien erzielt werden. Für Ferdinand galt es zudem einen gewissermaßen „internen“ Ausgleich der politischen Anforderungen an seine unterschiedlichen Rollen zu finden.⁶ Die Politik des Kaiserhofs schwankte, nicht nur in der hier betrachteten Schlussphase des Friedenskongresses, zwischen zwei Extremen: Absolute Prinzipientreue schlug in fast ebenso dogmatischen Pragmatismus um, der einen schnellen Frieden um (fast) jeden Preis herbeiführen sollte. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Geheiminstruktion für Trauttmansdorff vom 16. Oktober 1645.⁷ Dieser Instruktion, in der Ferdinand III. zwar weitreichende Zugeständnisse einräumte, bei aller Kompromissbereitschaft jedoch starr an seinen landesherrlichen Prinzipien festhielt, war ausschließlich „in extremo casu und wann nichts anders zu erhalten sein khundte“ Folge zu leisten.⁸ Im Folgenden wird am Beispiel der Politik Ferdinands in der Schlussphase des Kongresses Friedensfindung in Hinblick auf das Verhältnis zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus untersucht. Dabei ist nicht nur auf die Verständigung mit den Verhandlungspartnern, sondern insbesondere auch auf den internen Ausgleich zwischen Ferdinands unterschiedlichen Rollen zu achten. Die Schlussphase des Kongresses eignet sich besonders für ein solche Untersuchung,

(künftig: APW I 1), Nr. 27, S. 408, Z. 25 – 29, das Zitat Z. 25 – 28. – Semantisch identisch, im Wortlaut abweichend in der Instruktion für die Verhandlungen mit Frankreich: APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 4– 8; dort heißt es: „wir unnd daß heylige reich, unsser geliebtes vatterlandt, auch unnser löbliches hauß unnd die unnß assistierende chur-, fürsten und stende“ (Z. 4– 6). – Mit ‚(erz‐)hauß‘ ist in diesem Fall das Gesamthaus Habsburg und nicht nur die österreichische Teildynastie gemeint.  Das von Hillard von Thiessen, Diplomatie vom ‚type ancien‘, mit Blick auf frühneuzeitliche Diplomaten entwickelte Konzept der Rollenkonkurrenz findet in der Forschung bislang kaum Anwendung auf Herrscher:innen, obwohl ältere Arbeiten zum Charakter von Mehrfachherrschaften das Potenzial einer solchen Fragestellung bereits andeuten. Siehe etwa Duchhardt (Hrsg.), Der Herrscher in der Doppelpflicht. – In diese Richtung geht auch die Studie von Thomas Brockmann, allerdings ohne den Begriff der Rollenkonkurrenz zu verwenden: Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession. Jüngst, allerdings für einen anderen Kontext und das 18. Jahrhundert Goetze, „Particulier-Interesse dem allgemeinen Besten sacrificiret“.  Siehe Geheiminstruktion Kaiser Ferdinands III. für Maximilian Grafen von Trauttmansdorff zu den Verhandlungen in Münster und Osnabrück, Linz 1645 Oktober 16, APW I 1, Nr. 29. – Aber auch in der Instruktion Ferdinands III. für Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1647 Dezember 6, in: APW. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647– 1648. Bearb. von Andreas Hausmann, 2008 (künftig: APW II A 7), Nr. 29.  Geheiminstruktion Kaiser Ferdinands III. für Maximilian Grafen von Trauttmansdorff zu den Verhandlungen in Münster und Osnabrück, Linz 1645 Oktober 16, APW I 1, Nr. 29, S. 441, Z. 5 – 6.

134

Dorothée Goetze

da für die letzten Monate der Verhandlungen sowohl der Zeitpunkt, wann, als auch die Gründe, warum Frieden möglich wurde, und damit einer der zentralen Wendepunkte der kaiserlichen Politik, fast taggenau zu bestimmen sind. Zunächst wird die Kongresssituation im Herbst 1648 skizziert (2), ehe auf Basis der Instruktionen für die kaiserlichen Gesandten die Prinzipien der ferdinandeischen Politik herausgearbeitet werden (3). Die kaiserlichen Instruktionen eignen sich als Resultate komplexer und mitunter langwieriger Aushandlungsund Abstimmungsprozesse zwischen den Entscheidungsträgern am Hof dafür besonders.⁹ In einem weiteren Schritt wird die pragmatische Wende der prinzipientreuen Kongresspolitik im Herbst 1648 angesichts ihres drohenden Scheiterns nachvollzogen (4).

2 Ferdinands Weg ins Kongressabseits Nachdem Ferdinand III. seinen Gesandten in der Instruktion vom 6. Dezember 1647 befohlen hatte, einen Vertragsabschluss mit Schweden vorrangig anzustreben, wurden der Kongressfrühling und -sommer 1648 von den Verhandlungen über den kaiserlich‐schwedischen Friedensvertrag in Osnabrück dominiert; dorthin hatte sich das Kongressgeschehen ab März 1648 verlagert. Nach dem „faktischen Scheitern[.] der Verhandlungen im Winter 1647/48“ ergriffen zahlreiche Reichsstände Anfang Februar 1648 die Initiative zu interkonfessionellen Beratungen. Andreas Hausmann spricht in diesem Kontext von einem „Mißtrauensvotum […] an die Adresse der kaiserlichen und schwedischen Gesandten“.¹⁰ Den Gesandten Ferdinands III. drohte, „die Kontrolle über die Verhandlungen zu entgleiten“.¹¹ Tatsächlich gelang es der kaiserlichen Partei 1648 nicht mehr, die Tagesordnung des Kongresses in ihrem Sinne zu bestimmen. Vielmehr wurde sie zur Getriebenen der Verhandlungsdynamik, die zunächst zwischen Reichsständen und den schwedischen, später auch dem französischen Gesandten entstand.¹² Eine Ursache dafür ist in der kompromisslosen Haltung Ferdinands bezüglich der mit Einführung des neuen Verhandlungsmodus festgelegten Reihenfolge der Beratungspunkte zu sehen. „Indem aber der Kaiser seinen Ge-

 Siehe zu diesen Aushandlungsprozessen mit Bezug auf die Ziele kaiserlicher Verhandlungspolitik in Westfalen Auer, Die Ziele der kaiserlichen Politik; zu Kommunikationsstrukturen am Kaiserhof im Kontext des Westfälischen Friedenskongresses siehe zudem Goetze, Zirkulation.  Einleitung zu APW II A 7, S. LXXXf., die Zitate S. LXXXI.  Einleitung zu APW. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 8: Februar–Mai 1648. Bearb. von Sebastian Schmitt, 2008 (künftig: APW II A 8), S. LX.  Siehe ebd., S. LX – LXXVI; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 472.

Frieden um (fast) jeden Preis

135

sandten auf diese Weise die Hände band, erreichte er nur, daß die Dinge sich ohne sein Zutun entwickelten“.¹³ Fritz Dickmann bezeichnet die Haltung Ferdinands als „kategorisch“.¹⁴ So mussten die kaiserlichen Gesandten letztlich entgegen dem Befehl Ferdinands III. die gemeinsame Beratung der Amnestie in den kaiserlichen Erblanden und der schwedischen Armeesatisfaktion zugestehen. Ebenso wenig konnten sie verhindern, dass die Reichsstände die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden zu ihrer Angelegenheit machten und darüber entschieden.¹⁵ Um dies zu verhindern, befahl Ferdinand seinen Gesandten, den Schweden einen neuen Gesamtentwurf für den Frieden vorzulegen, der zur Grundlage weiterer Beratungen werden sollte. „Mit diesem Befehl hat der Kaiser den Autoritätsverlust seiner Gesandten wesentlich beschleunigt; da sie so am Kongreß, der ein ganz anderes Verfahren einschlug, in die völlige Isolation gerieten, und es ihnen nicht mehr möglich war, die Bewegung der Reichsstände, die sich immer mehr vom Kaiser lösten, unter Kontrolle zu halten.“¹⁶ Die Beratungen über die schwedische Militärsatisfaktion, ohne kaiserliche Beteiligung, konnte er dadurch nicht unterbinden.¹⁷ „So waren die letzten mit Schweden noch offenen Fragen unter weitestgehender Ausschaltung des Kaisers beigelegt worden“.¹⁸ Am 6. August 1648 erfolgte die Mundierung des Friedensvertrags zwischen den kaiserlichen und schwedischen Gesandten.¹⁹ Danach wandten sich die Verhandlungsparteien wieder den kaiserlich-französischen Beratungen zu, die seit November 1647 faktisch ruhten. Zwar formulierte der französische Gesandte Abel Servien (1593 – 1669) bereits im Februar 1648 die letzten zentralen französischen Forderungen: den Ausschluss sowohl des  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 472.  Ebd.  Siehe Einleitung zu APW II A 8, S. LXV – LXXVI. – Siehe Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, S. 273 f. und 275 ff. – Siehe zu den Amnestieverhandlungen zuletzt: Oetzel, Zwischen Dynastie und Reich, S. 161– 176, die unabhängig ähnliche Überlegungen zur Rollenkonkurrenz Ferdinands anstellt.  Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 339.  Siehe Einleitung zu APW. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 9: Mai–August 1648. Bearb. von Stefanie Fraedrich-Nowag, 2013 (künftig: APW II A 9), S. XLIX – LII.  Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 342.  Siehe Instruktion Ferdinands III. für Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1647 Dezember 6, APW II A 7, Nr. 29. – Siehe zum Verhandlungsverlauf im Frühjahr und Sommer 1648 aus kaiserlicher Perspektive: Einleitung zu APW II A 7, S. LVII – LXIII, LXVII – LXXXV; Einleitung zu APW II A 8, S. LVIII – LXXIX; Einleitung zu APW II A 9, S. XLVIII – LXV; Einleitung zu APW II A 10, S. LVII ff.; Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, bes. S. 271– 279. – Zudem noch immer grundlegend: Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 440 – 493; Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 310 – 358.

136

Dorothée Goetze

Burgundischen Reichskreises als auch des Herzogs von Lothringen vom Frieden sowie ein Verbot jeglicher Assistenz Ferdinands III. als Reichsoberhaupt oder Landesherr für Spanien im Falle der Fortsetzung des spanisch-französischen Krieges nach Abschluss eines Friedens zwischen dem Kaiser und Frankreich.²⁰ Doch blieben seine wiederholten Versuche, die Reichsstände zur Fortsetzung der Verhandlungen über den Frieden mit Frankreich zu bewegen, im Mai und Juni 1648 erfolglos.²¹ Am 10. August 1648 beschlossen die in Osnabrück versammelten Reichsstände, die Beratungen über den französischen Vertrag mit Servien, der sich ab dem 22. Juli 1648 ebenfalls in der Stadt aufhielt, dort fortzusetzen.²² Der Wunsch des Kaiserhofs, dass sich das Kongressgeschehen nach Münster verlagern und in die regulären Bahnen zurückkehren sollte, erfüllte sich somit nicht. Daraufhin verweigerte sich der Kaiserhof weiteren substantiellen Beratungen in Osnabrück.²³ Ferdinand III. war trotz der dem Abschluss des Friedens mit Schweden vorausgegangenen Erfahrung, im Verhandlungsabseits zu stehen, zunächst nicht zu Kompromissen bereit. Die Kommunikationsflüsse zwischen dem Kaiserhof und Westfalen zu Beginn der Beratungen über die letzten französischen Forderungen liefern ein weiteres Beispiel für die Prinzipienfestigkeit Ferdinands. Der Kaiser ignorierte die Kongressrealität und richtete substantielle Instruktionen im September 1648 ausschließlich an Nassau und Volmar in Münster als die für Frankreich zuständigen Gesandten. Lamberg und Krane wurden dadurch zu Statisten in Osnabrück. Sie hatten keine Möglichkeit, sich entscheidend an den Verhandlungen zu beteiligen oder diese im Sinne Ferdinands zu beeinflussen. Immerhin konnten sie im Gegensatz zu ihren Kollegen zumindest aus der Beobachterrolle in unmittelbarer Nähe zu den Vorgänge dort berichten.²⁴ Die kaiserliche Überlieferung gibt keine Auskunft darüber, warum der Kaiserhof so hartnäckig an Verhandlungen in Münster festhielt. Im Ergebnis führte diese Fehleinschätzung der Kongressrealität durch den Kaiserhof zur vollständigen Isolation der kaiserlichen Politik und setzte damit eine Entwicklung fort, die sich bereits für das gesamte Jahr 1648 beobachten lässt. In den vier auf die Vereinbarung des kaiserlich-schwedischen Friedens folgenden Wochen berieten die in Osnabrück anwesenden Reichsstände mit Servien über die letzten französi-

 Siehe zu diesen Forderungen ausführlich: Einleitung zu APW II A 10, S. LIX ff.; Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, S. 281.  Siehe Einleitung zu APW II A 9, S. LIX.  Siehe ebd., S. LXI.  Siehe Einleitung zu APW II A 10, S. LIX – LXV; außerdem Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, S. 279 – 283.  Siehe Einleitung zu APW II A 10, S. LXIII f., außerdem S. CXII.

Frieden um (fast) jeden Preis

137

schen Forderungen. Nach deren Vereinbarung wurde der in Osnabrück verhandelte Friedensvertrag mit Frankreich beim Reichsdirektorium deponiert und der gesamte Kongress siedelte Mitte September 1648 nach Münster über, um die Zustimmung der kaiserlichen Gesandten sowie der dort verbliebenen Reichsstände einzuholen.²⁵ Da sich die kaiserliche Seite weiterhin verweigerte, stellten die Reichsstände Ferdinand III. am 24. September 1648 unverhohlen ein Ultimatum für seinen Beitritt zum Frieden.²⁶ Dieses reichsständische Ultimatum markiert den Höhepunkt einer schleichenden Selbstisolation Ferdinands im Laufe des Westfälischen Friedenskongresses und ist gleichzeitig Indiz für seine mangelnde Kompromissbereitschaft oder umgekehrt seine Prinzipientreue, wie das letzte Kongressjahr wiederholt zeigt.

3 Prinzipien ferdinandeischer Politik Ferdinand III. isolierte somit seine Gesandten durch sein kategorisches Festhalten an Verhandlungsabläufen bis in den Herbst 1648 zunehmend und beraubte sich damit beinahe jedes Handlungsspielraums. Obwohl die dargestellten Konflikte der kaiserlichen Politik vordergründig auf die Reihenfolge der Verhandlungspunkte und Zuständigkeiten zielen, sind sie doch vor dem Hintergrund der Prinzipien der ferdinandeischen Politik und dem Versuch, diese zu wahren, zu bewerten.

3.1 Einheit von Kaiser und Reich Das reichsständische Ultimatum stellt einen ungeheuerlichen Vorgang dar. Die Reichsverfassung, die zwar durchaus zwischen der Funktion des Reichsoberhaupts, also dem Amt des Kaisers (maiestas personalis), und den Reichsständen als den tatsächlichen politischen Entscheidungsträgern (maiestas realis) unterschied, sah keine Trennung dieser beiden Pole vor, sondern ging von der Einheit von Kaiser und Reich aus. Haupt und Glieder waren untrennbar verbunden. Mit ihrem Ultimatum drohten die Reichsstände offen mit einem Bruch der Reichsverfassung. Gleichzeitig wurde die Gefahr offenbar, dass eines der vornehmsten

 Siehe ebd., S. LXII f.; Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, S. 285.  Siehe Einleitung zu APW II A 10, S. LXIII, zudem Nassau, Krane und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 September 25; APW II A 10, Nr. 28, S. 137, Z. 2– 24.

138

Dorothée Goetze

Friedensziele und gleichzeitig ein Grundprinzip kaiserlicher Politik zu scheitern drohte: die Einheit von Kaiser und Reich. Die Bedeutung dieser Einheit für die Kongress- und somit Friedenspolitik Ferdinands III. wird bereits in den kaiserlichen Hauptinstruktionen vom 15. Juli 1643 deutlich. Während es zwischen dem Kaiser und Schweden im Herbst 1636 in Schönebeck an der Elbe zu letztlich erfolglosen Friedensverhandlungen gekommen war, auf deren Inhalte sich der Kaiserhof in der Hauptinstruktion für Johann Weikhart von Auersperg (1615 – 1677) und Volmar 1643 berief,²⁷ fehlte für die Beratungen mit den französischen Gesandten die Möglichkeit, auf konkrete Friedensprojekte aus vorausgehenden Verhandlungen zurückfallen zu können. Der Regensburger Vertrag (1630) war dafür ungeeignet, obwohl der Kaiserhof ihn als Referenz für die Verhandlungen mit Frankreich anführte, denn dessen Inhalt bezog sich lediglich auf den französisch-habsburgischen Gegensatz in Italien im Kontext des Mantuanischen Erbfolgekrieges.²⁸ Dem Kaiserhof fehlte demnach eine Konzeption für einen Frieden mit Frankreich. Anders als die Hauptinstruktion für die schwedischen Beratungen ist diejenige für die Verhandlungen mit Frankreich daher weniger als konkrete Handlungsanleitung zu lesen, denn als Skizze einer Friedensordnung im kaiserlichen Sinne und somit v. a. als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Programms Ferdinands III. Leitgedanke des Textes ist die Einheit von Kaiser und Reich. Allein elfmal finden sich darin flektierte Varianten der Formulierung „wir und das Heilige Römische Reich“. Zusätzlich ist einmal von „unnß unnd deß heyligen Römischen reichs chur-, fürsten und ständen“ die Rede.²⁹ Diese Betonung der Einheit von Kaiser und Reich verfolgt zwei Ziele. Einerseits wird eine Dichotomie zu den Kriegsgegnern, also „den außlendischen cronen“³⁰ und insbesondere Frankreich, aufgebaut. Dies diente dazu, den politi-

 Siehe APW I 1, Nr. 27, S. 409, Z. 33 – 40. – Siehe zum Schönebecker Projekt Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 76 f.; noch im Herbst 1640 war es zwischen dem kaiserlichen und dem schwedischen Residenten in Hamburg, Kurt von Lützow († 1670) und Johan Adler Salvius (1590 – 1652), zu Geheimverhandlungen gekommen, in denen der Kaiser Schweden ganz Pommern anbot. Leopold Auer begründet den Rückfall des Kaiserhofes auf das Schönebecker Projekt als Grundlage für die Verhandlungen mit Schweden damit, dass „man den Vorwurf fürchtete, unerlaubterweise auf Reichsgut verzichtet zu haben“ (Auer, Die Ziele der kaiserlichen Politik, S. 149). – Siehe zu den Verhandlungen zwischen Lützow und Salvius Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 23 f., außerdem Auer, Die Ziele der kaiserlichen Politik, S. 147 und 149.  APW I 1, S. 329 sowie Nr. 26. – Siehe zum Mantuanischen Erbfolgestreit und dessen Beendigung Externbrink, Le cœur du monde, S. 87– 153.  APW I 1, Nr. 26, S. 403, Z. 33 – 34.  APW I 1, Nr. 26, S. 401, Z. 25.

Frieden um (fast) jeden Preis

139

schen Zusammenhalt im Reich zu betonen, vielleicht sogar zu beschwören, um so die Verhandlungsposition des Kaisers durch innere Geschlossenheit im Reich und seinen Rückhalt bei den Reichsständen zu stärken. Der Zusammenhalt von Kaiser und Reichsständen wurde somit zur Voraussetzung für die nach außen gerichtete Befriedung des Reiches. Ausdruck findet dies in der Formulierung des Ziels kaiserlicher Kongresspolitik, dass die „kriegsunruhe hin und beyseiths gelegt, [der Kaiser] unnd daß heylige reich […] mit der cron Franckhreich und derselben confoederierten in vorige freundt- und nachbarschafft, vertrewligkheit und einigkheit gebracht werden“.³¹ Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass „die mißverständt“, die es beizulegen galt, zwischen „der verstorbenen Kayserlichen Majestet [i. e. Ferdinand II. (1578 – 1637), D.G.] und dem reich“ auf der einen und „der cron Franckhreich“³² auf der anderen Seite entstanden sind; nicht zwischen Kaiser und Reichsständen – so ist das Nichterwähnen der reichsinternen Konflikte im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wohl zu interpretieren. Das Verschweigen reichspolitischer Auseinandersetzungen verweist zugleich auf das zweite Ziel dieser Kommunikationsstrategie. Die Betonung der Einheit von Kaiser und Reich hatte, andererseits, definitorischen Charakter. Ferdinand III. definierte, wer Mitglied des Reiches war, indem er zwischen dem Reich oder den Reichsständen und „der cron Frankreich confoederirten“ unterschied.³³ – Deutlicher noch tritt dies in der Hauptinstruktion für Auersperg und Volmar in Osnabrück zu tage. Dort wird zwischen den schwedischen Verbündeten differenziert, die sich dem Prager Frieden (1635) angeschlossen, und denjenigen, die das nicht getan hatten. Mit keiner der beiden Gruppe sollte gesondert verhandelt werden.³⁴ Wiederholt wird diese Unterscheidung in der gemeinsamen Instruktion Ferdinands III. für seine Gesandten in Münster und Osnabrück vom 23. September 1643. Dort ist ebenfalls von „bey unnß bereit reconciliirter fürsten“ und „derjehnigen fürsten […], so noch würckhlich an deß feinds seithen“, die Rede.³⁵ Für das Reich beanspruchte der Kaiser einen Alleinvertretungsanspruch.³⁶ Nicht nur sah er seine Gesandten als Ansprechpartner für die auswärtigen Verhandlungsparteien,³⁷ sondern auch die auf dem Kongress anwesenden Reichsstände sollten ihre Anliegen bei der kaiserlichen Delegation vortragen, die diese

 APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 3 – 8; ähnlich S. 401, Z. 22– 31.  APW I 1, Nr. 26, S. 402, Z. 23 – 24.  APW I 1, Nr. 26, S. 403, Z. 16–S. 404, Z. 2; das Zitat S. 403, Z. 21.  Siehe APW I 1, Nr. 27, S. 411, Z. 16 – 25.  Siehe Fernere geheime Instruktionen für die kaiserlichen Gesandten in Münster und Osnabrück, Kaiser-Ebersdorf 1643 September 23; APW I 1, Nr. 28.  Siehe APW I 1, Nr. 26, S. 405, Z. 18 – 27.  Siehe APW I 1, Nr. 26, S. 403, Z. 12– 13, S. 404, Z. 32–S. 405, Z. 2.

140

Dorothée Goetze

nicht nur „alles vleis anhöret, sondern auch derselben begeren unnd anligen [sich] dergestalt angelegen sein lasset, wie es unnser unnd deß heyligen reichs dienst erfordert“.³⁸ In seiner Kommunikation stellte Ferdinand sich und seine Delegation somit in den Dienst des Reiches. Dabei stützte er sich auf die Kurfürsten als engsten Beraterkreis. Die kaiserlichen Gesandten sollten mit den kurfürstlichen „communicieren“,³⁹ sich „underreden“,⁴⁰ „ihre meinung […] vernehmen“,⁴¹ ebenso „rath unnd guetachten“⁴² bei ihnen einholen. Die Instruktionen vom Juli und September 1643 geben somit nicht nur Auskunft über die Verhandlungsziele kaiserlicher Politik, sie legen auch das Verfassungsdenken Ferdinands III. offen und enthüllen dadurch seine Vorstellung einer Friedensordnung in Bezug auf die Reichsverfassung und wie diese erreicht werden konnte. Die Geheiminstruktion Ferdinands III. für Trauttmansdorff bestätigt diese Beobachtung trotz der Zulassung der Reichsstände als Verhandlungspartei am 29. August 1645⁴³ und der damit erzwungenermaßen erfolgten Aufgabe des kaiserlichen Alleinvertretungsanspruches insofern, als sich ihr erster inhaltlicher Punkt auf die Einheit von Kaiser und Reich bezog. Trauttmansdorff sollte sich darum bemühen, dass „die stende des reichs allß glider mit [Ferdinand III.] allß dem haubt und vater ihnen selbsten vereiniget, die disconcertirte harmonia imperii wider zusammen gestimmet, daß guete alte vertrawen wider gestiftet, die rechtschafene zusammensetzung aller der stende wider firmiret“ wurde.⁴⁴ Dies sei, so die Instruktion weiter, notwendig, um mit den „feindtlichen cronen zu einem billichen fridt“ zu gelangen oder, falls dieser nicht zu erreichen sei, um ihnen leichter „resistiren“ zu können.⁴⁵

3.2 Einheit des Hauses Habsburg Das reichsständische Ultimatum vom 24. September 1648 gefährdete nicht nur die Einheit von Kaiser und Reich, sondern rührte zudem an ein zweites Grundprinzip

 APW I 1, Nr. 26, S. 405, Z. 25 – 27.  APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 17– 18.  APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 31.  APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 18 – 19.  APW I 1, Nr. 26, S. 399, Z. 23.  Siehe zur Zulassung der Reichsstände zu den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 86 – 97.  APW I 1, Nr. 29, S. 441, Z. 9 – 13.  APW I 1, Nr. 29, S. 441, Z. 13 – 15.

Frieden um (fast) jeden Preis

141

kaiserlicher Politik: den Zusammenhalt der Habsburger Gesamtdynastie. Um der Forderung der Reichsstände zu entsprechen und den Bruch mit diesen (und letztlich der Reichsverfassung) abzuwenden, musste Ferdinand III. dem Ausschluss der spanischen Verwandten aus dem Frieden und dem Verbot jedweder Assistenz für diese im fortdauernden Konflikt mit Frankreich zustimmen. Das war gleichbedeutend mit dem Bruch des Habsburger Hausbündnisses.⁴⁶ Die Einheit der Gesamtdynastie wurde nicht erst in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses als Bedrohung empfunden. Vielmehr unterstellte Ferdinand III. bereits zu dessen Beginn, „daß alle[r] […] feindte dissegni, intentiones, mihe und arbeit dahin gehen, wie sie die Teitsche und die Spanische lini voneinander separiren und secundum illud, divide et vinces, eine oder die andere oder successive alle beide underthrukt“ werde(n),⁴⁷ auf dem Schlachtfeld, aber auch bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses.⁴⁸ Dazu sollten es die kaiserlichen Gesandten nicht kommen lassen. Das einzige geeignete Mittel, um eine Trennung der beiden Habsburger Linien abzuwenden, sah Ferdinand III. in der Beilegung des spanisch-französischen Konfliktes.⁴⁹ Dementsprechend sollten die Kaiserlichen mit den spanischen Gesandten „in gueter vertraulikheit und correspondenz stetig verbleiben“⁵⁰ und die „hergebrachte confidenz“⁵¹ zwischen beiden Häusern nutzen.⁵² Dabei sollten sie die spanischen Kollegen einerseits zu einem raschen Friedensschluss bewegen, andererseits deren Bedingungen für einen solchen in Erfahrung bringen.⁵³ Dies galt gleichermaßen für die spanisch-französischen als auch die spanischniederländischen Verhandlungen.⁵⁴

 Siehe zum Habsburger Hausbündnis Rohrschneider, Kongressdiplomatie, bes. S. 75 – 78; Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, bes. S. 257– 266; Brockmann, Gesamthaus und Partikularinteressen; Nagel, Zwischen Dynastie und Staatsräson, bes. S. 211– 219; mit Fokus auf die zweite Hälfte des 17. und das frühe 18. Jahrhundert zudem Brockmann, Das Bild des Hauses Habsburg.  APW I 1, Nr. 29, S. 449, Z. 11–S. 450, Z. 2.  Siehe APW I 1, Nr. 28, S. 425, Z. 22–S. 426, Z. 2.  Siehe APW I 1, Nr. 29, S. 450, Z. 2– 5. – Zu den spanisch-französischen Verhandlungen während des Westfälischen Friedenskongresses siehe grundlegend Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster.  APW I 1, Nr. 29, S. 450, Z. 7– 8.  APW I 1, Nr. 28, S. 419, Z. 14– 15.  Für weitere Beispiele betreffend das Kooperationsgebot zwischen kaiserlichen und spanischen Gesandten siehe APW I 1, Nr. 26, S. 405, Z. 9 – 11, außerdem Nr. 28, S. 418, Z. 6 – 9, und Nr. 29, S. 450, Z. 7– 12.  Siehe APW I 1, Nr. 28, S. 419, Z. 21– 29, sowie Nr. 29, S. 450, Z. 8 – 17.  Siehe APW I 1, Nr. 26, S. 405, Z. 9 – 17.

142

Dorothée Goetze

Eine solch enge Kooperation zwischen den beiden Habsburger Linien während der Friedensverhandlungen war nicht unproblematisch, und die politischen Entscheidungsträger am Kaiserhof waren sich dessen offenbar bewusst. So galt es besonders gegenüber den Reichsständen, aber auch anderen unbedingt den Eindruck zu vermeiden, dass Ferdinand III. „ohne [Spanien] nichts zu thuen macht hette oder von ihren consiliis allerdings dependieren thet[e]“.⁵⁵ In dieser Formulierung klingen zwei Aspekte an. Zum einen ging es darum, die Handlungsund Durchsetzungsfähigkeit Ferdinands und damit seine Stärke gegenüber den Verhandlungspartnern zu betonen, um so optimale Voraussetzungen für die Realisierung seiner Anliegen zu schaffen. Zum anderen gefährdete eine als zu eng empfundene Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Habsburger Linien ein anderes zentrales Ziel und Prinzip ferdinandeischer Politik: die Einheit zwischen Kaiser und Reichsständen. Auf das Misstrauen der Reichsstände, der schwedischen Gesandten und Frankreichs gegenüber der Kooperation der beiden Zweige des Hauses Habsburg weisen Karsten Ruppert, Michael Rohrschneider und Thomas Brockmann, der auch die Regentschaft Ferdinands II. berücksichtigt, explizit hin.⁵⁶ Sowohl Zweifeln an der Stärke kaiserlicher Politik als auch Misstrauen der anderen Verhandlungsparteien gegenüber der kaiserlich-spanischen Zusammenarbeit sollten die kaiserlichen Gesandten durch eine entsprechende Kommunikationsstrategie vorbauen.⁵⁷ Bei allem Willen zu einer gemeinsamen Politik zum Wohle des Hauses Habsburg waren der kaiserlichen Rücksichtnahme auf spanische Belange allerdings klare Grenzen gesetzt, die Ferdinand offenbar von Beginn der Verhandlungen an transparent gegenüber dem spanischen Verbündeten kommunizierte – wenngleich sich die Art und Weise, wie diese roten Linien in der internen und externen Kommunikation formuliert waren, unterschieden. So wurde laut „Fernerer geheimen Instruktion“ der spanische Gesandte am Kaiserhof über den Inhalt der kaiserlichen Hauptinstruktion für Nassau und Krane vom 15. Juli 1643 informiert. Zudem wurde den Gesandten in Münster eine lateinische Fassung dieser Instruktion angekündigt, die dem spanischen Gesandten Diego Saaverda y Fajardo (1584– 1648) vorgelegt werden sollte.⁵⁸

 APW I 1, Nr. 28, S. 421, Z. 5 – 6. – Zur Kooperation der spanischen und kaiserlichen Gesandtschaften während der Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses siehe Rohrschneider, Kongressdiplomatie.  Siehe Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 105, sowie Rohrschneider, Kongressdiplomatie, S. 84, außerdem Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, S. 16 f. und 25 f.  Siehe APW I 1, Nr. 28, S. 421, Z. 6 – 17.  Siehe APW I 1, Nr. 28, S. 419, Z. 16 – 21. – Siehe zur Kenntnisgabe der kaiserlichen Instruktion gegenüber den spanischen Gesandten Rohrschneider, Kongressdiplomatie, S. 80 f.

Frieden um (fast) jeden Preis

143

Bereits in der Hauptinstruktion forderte Ferdinand III. seine Gesandte auf, bei den niederländisch-spanischen Verhandlungen darauf zu achten, dass „[dem Kaiser] und dem hailigen reich an seiner hergebrachten hocheit und juribus nichts entzogen“ werde.⁵⁹ Die Interessen der Institution Reich waren also in diesem Fall höher zu bewerten als die des spanischen Zweigs des Hauses Habsburg. Ähnlich klingt es in der „Ferneren geheimen Instruktion“ vom 23. September 1643. Auch hier ist das Reichsinteresse Maßstab kaiserlicher Politik, dem sich die Belange Spaniens unterzuordnen hatten. Zwar sollten die kaiserlichen Gesandten die spanischen Anliegen „in gebührende obacht“ nehmen, jedoch nur „so weit es [Ferdinands III.] und deß reichs dienst zulasset“.⁶⁰ Im äußersten Fall war Ferdinand sogar bereit, das Bündnis mit Spanien aufzukündigen.⁶¹ Wegen seiner Rolle als Reichsoberhaupt und aufgrund der daraus resultierenden Verpflichtung zu Schutz und Friedenswahrung konnte Ferdinand den zu erzielenden Frieden nicht spanischen Wünschen oder Friedensbedingungen unterordnen. Zudem hätte eine zu umfangreiche Unterstützung spanischer Politik die von Ferdinand angestrebte Einheit von Kaiser und Reichsständen bedroht. Hier wird eine Hierarchisierung der handlungsleitenden Prinzipien Ferdinands und somit indirekt auch seines Selbstverständnisses sichtbar: Zuerst sah er sich als Kaiser, demgegenüber wurden die Belange der spanischen Teildynastie dem Reichsinteresse im Kontext der Friedensfindung nachgeordnet.

3.3 Sicherung landesfürstlicher Ziele Ein Ausschluss vom Frieden, wie ihn das Ultimatum der Reichsstände androhte, betraf Ferdinand nicht nur als Kaiser, sondern ebenso als Landesfürst. Die Sicherung landesfürstlicher Interessen kann somit als drittes Grundprinzip seiner Friedenspolitik identifiziert werden, das allerdings erst nach der Zulassung der Reichsstände zu den Beratungen in Westfalen am 29. August 1645 stärker Konturen annimmt, als Ferdinand III. durch die politische Realität gezwungen wurde, seinen Alleinvertretungsanspruch für das Reich aufzugeben. Durch diesen Verzicht gewann er gleichzeitig größere Handlungsspielräume, um seine genuin landesherrlichen Ziele zu verfolgen. Diese Entwicklung spiegelt sich deutlich in den Instruktionen für die kaiserlichen Gesandten wider. Während in den Hauptinstruktionen vom 13. Juli 1643

 APW I 1, Nr. 26, S. 405, Z. 14– 15.  APW I 1, Nr. 28, S. 419, Z. 23 – 24.  Siehe APW I 1, Nr. 29, S. 450, Z. 18 – 19.

144

Dorothée Goetze

keine Hinweise auf Ferdinands landesherrliche Ziele zu finden sind, markieren diese zwei Monate später in der „Ferneren geheimen Instruktion“ die Leitplanken kaiserlicher Politik;⁶² Ferdinands Konzessionsbereitschaft als Kaiser endete dort, wo seine Interessen als Landesfürst anfingen. Das betraf zum einen die Konfessionsfrage in seinen Erblanden. Diese wollte Ferdinand nicht zum Verhandlungsgegenstand auf dem Kongress machen. Entsprechend sollten seine Gesandten Exulanten zwar empfangen, sie aber „dahin weisen, daß sie bey diesem congress in ein unnd anderem gegen [ihn] als ihrem könig und landtesfürsten nicht noch weiter vertieffen, sondern vielmehr resipiscieren und zu [seiner] kaiserlich königlich und landtsfürstlichen gnad und milde alles gehorsamblich stellen“.⁶³ Zum anderen sollten die kaiserlichen Gesandten verhindern, dass die zu erwartenden Gebietsverluste Brandenburgs in Pommern im Rahmen der schwedischen Satisfaktion wiederum mit territorialen Gewinnen aus den Erblanden Ferdinands kompensiert wurden.⁶⁴ Dass die landesfürstlichen Interessen Ferdinands den Rahmen für seine kaiserliche Friedenspolitik setzten, zeigt die Geheiminstruktion Ferdinands III. für Trauttmansdorff vom 16. Oktober 1645 noch offensichtlicher. Bereits im ersten Satz begründete Ferdinand III. die Entsendung Trauttmansdorffs mit dem „ruin deß heiligen Römischen reichs und absunderlichen [s]einer erbkönigreich und -länder“.⁶⁵ Im Folgenden werden nicht mehr nur die Ziele der kaiserlichen, sondern auch der landesfürstlichen Kongresspolitik explizit formuliert. Diese beziehen sich auf die Amnestiefrage, die Pfalz-Frage, die französische Satisfaktion sowie die Forderung nach einer Entschädigung für Ferdinand selbst. Zwar war Ferdinand als Kaiser willens, im Reich einer Amnestie nach dem Stand des Jahres 1627 oder im äußersten Falle sogar 1618 zuzustimmen, allerdings „exceptis omnimode et per expressum [suis] regnis et provinciis hereditariis“.⁶⁶ Für seine Erblande wollte er 1630 oder, falls dies nicht durchzusetzen war, 1627 als Normaljahr festlegen. Nicht-Katholiken, die auf dieser Grundlage restituiert werden mussten, sollten entweder geduldet werden oder ihnen sollten großzügige  Diese graduellen Unterschiede zwischen den Instruktionen vom Juli und September 1643, die auch in Bezug auf Ferdinands Rücksichtnahme gegenüber den spanischen Habsburgern bereits thematisiert wurden, lassen sich dadurch erklären, dass die Juli-Instruktion für eine ausgewählte Kongressöffentlichkeit bestimmt war, wohingegen die vom September für den internen Gebrauch vorgesehen war. Dazu bemerkte Leopold Auer treffend, dass das Juli-Schriftstück deshalb „möglichst allgemein und unverbindlich formuliert sein musst[e]“ (Auer, Die Ziele der kaiserlichen Politik, S. 146).  APW I 1, Nr. 28, S. 423, Z. 28 – 32.  Siehe APW I 1, Nr. 28, S. 427, Z. 29–S. 428, Z. 16, sowie S. 429, Z. 34–S. 431, Z. 27.  APW I 1, Nr. 29, S. 440, Z. 24– 25.  APW I 1, Nr. 29, S. 441, Z. 24– 25.

Frieden um (fast) jeden Preis

145

Auswanderungsfristen gewährt werden.⁶⁷ In der Frage, wie mit der Pfälzer Kurwürde, die 1623 an Bayern übertragen worden war, umzugehen sei, präferierte der Kaiser eine Alternation zwischen der Pfälzer und der bayerischen Linie des Hauses Wittelsbach. Allerdings war er breit, falls es keine andere Möglichkeit gäbe, mit Unterstützung der Reichsstände der Einrichtung einer achten Kurwürde für die Pfalz zuzustimmen. Dabei sollten die Gesandten versuchen, „ut et nonus ex [sua] domus fiat“.⁶⁸ Diese war für Österreich vorgesehen und kam einer Rangerhöhung des Erzhauses gleich. Im Erfolgsfall wäre Österreich nicht nur Erzhaus gewesen, sondern zum Kurstaat avanciert. Dadurch hätte es eine zweite Kurstimme neben der böhmischen erhalten und über eine relevante Mehrheit bei Wahlen zum Römischen König bzw. Kaiser verfügt. Auch sollte sich Trauttmansdorff darum bemühen, dass die Tiroler Linie des Hauses Habsburg der Abtretung des Elsass an Frankreich ohne Kompensation aus den Erblanden Ferdinands zustimmen sollte und „amore pacis in disen sauren apfel beisse“.⁶⁹ Ferdinand selbst wollte aber, da er und sein „hauß soviel deß reichs wegen gethan und gelitten“ hatten, nicht auf eine angemessene Satisfaktion verzichten. Entsprechend sollte sein Prinzipalgesandter versuchen, dass „ein nahmhaffter zoll aufgeschlagen und [Ferdinands] hauß eingeraumet oder aber eine namhafte summa geldes von dem reich verwilliget wurde“.⁷⁰ Anders als die Interessen des Gesamthauses oder der spanischen Teildynastie ordnete er seine landesherrlichen Ziele der Reichspolitik nicht unter. Vielmehr definierte Ferdinands Rolle als Landesfürst den Spielraum seiner kaiserlichen Politik. Aus dieser Rollendisposition Ferdinands resultierte als unmittelbare Folge eine Rollenkonkurrenz der kaiserlichen Gesandten und insbesondere Trauttmansdorffs als erstem Verhandlungsführer, da diese auf dem Westfälischen Friedenskongress eben nicht ausschließlich als Repräsentanten des Reichsoberhaupts auftreten und verhandeln konnten, sondern gleichzeitig auch zu Agenten für Ferdinands landesfürstliche Interessen wurden; obwohl es eine dezidiert österreichische Gesandtschaft gab, die Ferdinand in seiner Rolle als Erzherzog von Österreich vertreten sollte.

   

Siehe APW I 1, Nr. 29, S. 441, Z. 26 – 33. Siehe APW I 1, Nr. 29, S. 443, Z. 13 – 23, das Zitat Z. 21– 22. Siehe APW I 1, Nr. 29, S. 448, Z. 1– 24, das Zitat Z. 24. APW I 1, Nr. 29, S. 452, Z. 9 – 13.

146

Dorothée Goetze

4 Pragmatische Wende Die kaiserliche Politik steckte im Herbst 1648 in einer Sackgasse. Prinzipientreue hatte die kaiserliche Partei zunehmend isoliert. Es drohte sogar der Ausschluss vom Frieden und damit ein völliges Scheitern kaiserlicher Kongresspolitik. Der 14. September 1648, ein Montag, wurde zum Schicksalstag der kaiserlichen Politik. An diesem Tag traf sich der engste Berater- und Entscheiderkreis um Ferdinand III.: Obersthofmeister Maximilian von Trauttmansdorff, der böhmische Oberstkanzler Georg Adam von Martinitz (1602– 1651), Reichsvizekanzler Ferdinand Sigmund Kurz von Senftenau (1592– 1659), der Obersthofmeister Ferdinands IV. (1633 – 1654), Johann Weikhart von Auersperg, sowie Johann Matthias Prickhelmayr (1589 – 1656). In Abwesenheit des Kaisers analysierten die Geheimen Räte in Trauttmansdorffs Wiener Wohnung die Handlungsoptionen der kaiserlichen Politik. Diese Diskussion ist in einem 29 Folio umfassenden Gutachten dokumentiert.⁷¹ Im Zentrum dieser Beratungen stand angesichts der bereits im August erfolgten Vereinbarung des Friedens mit Schweden und der seitdem fortschreitenden Verhandlungen zwischen dem französischen Gesandten Servien und den Reichsständen die Frage, „was [den Kaiser] von beliebung des Französischen friedens […] abhalten kondte oder sollte“.⁷² Die Geheimen Räte bescheinigten Ferdinand „alles gethan [zu haben], was [er] ex societate belli et coniunctione sanguinis et connexitate interesse communis immer thuen kinden und mögen“.⁷³ Er war also seinen Verpflichtungen gegenüber den (militärischen) Bündnispartnern, allen voran Kurbayern, der spanischen Schwesterdynastie sowie dem Reich nachgekommen und hatte damit seinen unterschiedlichen Rollen und den Erwartungen an diese entsprochen.⁷⁴ Da Ferdinands Einsatz bisher allerdings vergebens gewesen sei und „den verlangten effectum nit gehabt“⁷⁵ habe, sondern die Reichsstände in Abwesenheit der kaiserlichen Gesandten die Beratungen über den französischen Frieden weiter

 Siehe APW II A 10, Nr. 18.  APW II A 10, Nr. 18, S. 82, Z. 7– 9.  APW II A 10, Nr. 18, S. 84, Z. 7– 9.  Mit dem Verweis auf das militärische Bündnis fügen die Räte eine weitere, bislang nicht thematisierte Rolle Ferdinands hinzu, Ferdinand als Feldherr.  APW II A 10, Nr. 18, S. 84, Z. 20 – 21.

Frieden um (fast) jeden Preis

147

vorangetrieben hatten, konnte der Kaiser lediglich wählen, ob er diesen Frieden akzeptieren oder sich vom Reichsfrieden, wie es heißt, ausschließen wolle.⁷⁶ Als einziges und somit eigentliches Hindernis für die Annahme des Friedens machten die Geheimen Räte Ferdinands Verhältnis zu Spanien aus. Zur Disposition stand nichts weniger als die Einheit des Hauses Habsburg und damit eines der Grundprinzipien kaiserlicher Politik. Somit war der äußerste Fall eingetreten, den Ferdinand bereits in der Geheimen Instruktion für Trauttmansdorff als Extremlösung angedacht hatte; allerdings unter veränderten Vorzeichen. Die Instruktion ging davon aus, dass Spanien den Frieden verweigern würde, nun war es der Kaiser, der vor der Wahl stand, den Frieden anzunehmen oder sich davon auszuschließen. In dieser Extremsituation offenbart sich zugleich die Unvereinbarkeit zweier zentraler Prinzipien ferdinandeischer Politik, die Einheit von Kaiser und Reich mit derjenigen des Hauses Habsburg. Dennoch mussten die Gründe für einen Kurswechsel gewichtig sein. Entsprechend war die Rechtfertigung auf zentralen Ebenen frühneuzeitlicher Politik angesiedelt: Unter Verweis auf den gescheiterten spanisch-kaiserlichen Bündnisvertrag vom 14. Februar 1632 sprachen die Geheimen Räte Ferdinand von allen Verpflichtungen frei. Zwar hatte Ferdinand II. darin zugesagt, keinen Frieden ohne Spanien zu schließen. Da der Bündnisvertrag jedoch von Philipp IV. (1605 – 1665) nicht ratifiziert worden war und dessen Gültigkeit ohnehin auf sechs Jahre begrenzt gewesen war, sahen die Geheimen Räte keine völkerrechtliche Basis dafür, dass Ferdinand mit Rücksicht auf Spanien seine Zustimmung zum Frieden mit Frankreich verweigern sollte.⁷⁷ Mit Dynastie und Staatsräson wurden gleich zwei der fünf von Heinz Schilling und Michael Rohrschneider identifizierten Leitmotive frühneuzeitlicher Politik adressiert.⁷⁸ Angesichts der aussichtslosen militärischen Lage und des Fortschreitens der französisch-reichsständischen Beratungen sahen die Geheimen Räte nicht nur die kaiserlichen Erblande durch einen Ausschluss des Kaisers bedroht. Eine Exklusion des Kaisers vom Frieden und ein potentieller Verlust seiner Erblande würden zudem den spanisch-französischen Frieden nicht be-

 Siehe APW II A 10, Nr. 18, S. 84, Z. 7– 28. – Zur Kongresssituation im Herbst 1648 siehe Einleitung zu APW II A 10, S. LVII – LXVI, außerdem, gleichwohl weniger ausführlich Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 347– 358, und Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 483 – 490.  APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 1– 14.  Schilling, Konfessionalisierung und Staatsinteressen, S. 147– 152, identifizierte Dynastie, Staatsräson, Konfession und Tradition als Triebkräfte frühneuzeitlicher internationaler Beziehungen; Rohrschneider, Reputation als Leitfaktor, ergänzte diese um ein weiteres Leitmotiv.

148

Dorothée Goetze

schleunigen, sondern vielmehr auch die Integrität der spanischen Territorien gefährden.⁷⁹ Zwar formulierten sie als zentrale Frage, die Ferdinand zu entscheiden hatte, „ob der cron Spanien dienst, vorderist aber Euer Mayestät, all dise dero erbkönigreich und lande, so sie noch haben, vil lieber zu verliehren und der recuperation deren, sie nit haben, sich zu begeben alß den reichsfrieden, ohne dz auch mit Spanien und Franckreich friedt, zu subscribieren“.⁸⁰ Doch wird nicht nur in dieser Frage, sondern vor allem in der weiteren Argumentation deutlich, dass es nur nachrangig um das gesamtdynastische Interesse ging. Hier zeigt sich einmal mehr die enge Verknüpfung von politischen Leitmotiven und Interessen. Ausschlaggebend für Ferdinand waren letztlich Fragen der landesfürstlichen Staatsräson im Dienste seiner Teildynastie. Im Mittelpunkt standen Ferdinands Interessen als Landesherr. Darauf verweisen tacite auch die Geheimen Räte, wenn sie Ferdinand die Erfüllung seiner Pflichten gegenüber Bündnispartnern, Gesamthaus und Reich attestierten. Demnach hatte Ferdinand den Erfordernissen seiner landesherrlichen Rolle (noch) nicht entsprochen. Als Landesfürst war ein Ausschluss aus dem Frieden für ihn gleichbedeutend mit der Exklusion „von aller reichshilff“ und „den noch übrigen mitteln zur defension [seiner] landten, consequenter sein sie verlohren“.⁸¹ In diesem Fall musste sich Ferdinand als guter Landesvater fragen, wie er die Fortdauer des Krieges und den drohenden Verlust der Erblande gegenüber seinen Untertanen rechtfertigen sollte und „was von [diesen] vor hillfe zu hoffen“.⁸² Allerdings war durch den Ausschluss aus dem Frieden nicht nur der Territorialbesitz des Erzhauses bedroht, sondern „auch [sein] kaiserthumb et omnis spes successionis“.⁸³ Dies hätte ein „irreparabile damnum“ für Ferdinands Reputation und Nachruhm bedeutet.⁸⁴ Denn mit der Verweigerung des Friedens durch den Verlust der Erblande und der Kaiserkrone hätte er seinem Haus einerseits die Macht- und Handlungsgrundlage entzogen (versteht man Dynastien als übergenerationelle Personenverbände oder optimierte Form der Familie, deren Grundlage Grundbesitz und hoheitliche Rechte bildeten)⁸⁵ und andererseits durch

 Siehe APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 15 – 24.  APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 1– 5.  APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 7 und 9 – 10.  Siehe APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 30–S. 86, Z. 5, das Zitat S. 86, Z. 2.  APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 11– 12.  APW II A 10, Nr. 18, S. 85, Z. 5 – 14, das Zitat Z. 13 – 14.  Siehe grundlegend zu Dynastien: Duchhardt, Die dynastische Heirat; außerdem: Weber, Dynastiesicherung und Staatsbildung.

Frieden um (fast) jeden Preis

149

diese Verkleinerung auch dessen Reputation und Rang massiv beschädigt. Es ging also bei der Entscheidung vorrangig um Ferdinands eigene Teildynastie; wenngleich hier auch das Ansehen und das Selbstverständnis des Gesamthauses Habsburg tangiert wurden, sodass das Argument geeignet war, das Abrücken vom spanischen Bündnispartner zu begründen. Zumal, und das betonten die Geheimen Räte explizit in ihrem Gutachten, werde von Ferdinand „nit ein schlechter, nit ein disreputirliecher friedt […], sonder ein wohlertreglicher friedt“ abgelehnt und all das bislang Erreichte wieder aus den Händen gegeben.⁸⁶ Auch diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf die landesherrlichen Interessen Ferdinands, wie die Erläuterung der Räte zeigt: „einmahl ist die religion in [Ferdinands] Erblanden richtig, einmahl seindt die confiscationes, so a causa Palatiniana herrüehren, irrevocabils worden, daß königreich Böhaimb in seiner erbgerechtigkeit stabiliert, das landt ob der Enß von den 13 millionen onere liberiert“.⁸⁷ Jenseits der Ergebnissicherung verstieß die Zurückweisung eines wohlerträglichen Friedens zudem gegen eine zentrale politische Norm, wie Christoph Kampmann zeigen konnte.⁸⁸ Wohlerträglich spielt nicht nur auf die vereinbarten Friedensbedingungen an, sondern auch darauf, dass diese Reputation und Rang der Vertragspartner nicht beschädigten.⁸⁹ Um seiner landesherrlichen Verantwortung zu entsprechen, blieb Ferdinand somit nur die Zustimmung zum Frieden. Entsprechend empfahlen die Geheimen Räte, die kaiserlichen Gesandten in Münster und Osnabrück neu zu instruieren. In zwei Handbriefen vom 16. September 1648 rückte Ferdinand von der Einheit des Gesamthauses ab und wies seine Gesandten an, es nicht „zwische{n} [ihm] und den Osnabrugischen stenden zu einem bruch und separat{ion}“ kommen zu lassen, sondern dem Frieden auch ohne Spanien zuzustimmen.⁹⁰ Somit wurde die pragmatische Wende der kaiserlichen Politik vollzogen. Das Beharren auf einem schnellen Friedenschluss um (fast) jeden Preis wurde seitdem „zum Mantra“ der kaiserlichen Weisungen an die Gesandten.⁹¹ In der Forschung wurde bislang übersehen, dass die Mitglieder dieser Gruppe Geheimer Räte mehrheitlich selbst aktiv in die Friedensfindung und die dazugehörigen Verhandlungen involviert waren: Trauttmansdorff hatte als kaiserlicher Prinzipalgesandter in Westfalen fungiert. Auersperg war ebenfalls als Gesandter Ferdinands III. beim Westfälischen Friedenskongress gewesen. Kurz hatte wie-

     

APW II A 10, Nr. 18, S. 86, Z. 6 – 18, das Zitat Z. 6 – 8. APW II A 10, Nr. 18, S. 86, Z. 8 – 12. Vgl. Kampmann, Der Ehrenvolle Friede als Friedenshindernis. Siehe ebd., S. 148. APW II A 10, Nr. 19 – 19A; das Zitat Nr. 19, S. 99, Z. 10 – 11. Einleitung zu APW II A 10, S. LXV.

150

Dorothée Goetze

derholt Missionen an die kurbayerischen und -sächsischen Höfe übernommen. Diese Räte kannten somit die Friedensverhandlungen beim Westfälischen Friedenskongress und auch abseits davon aus eigener Erfahrung und konnten deren Dynamiken einschätzen. Hier offenbart sich die von Magnus Ferber beschriebene Entfremdung und wachsende Distanz zwischen den Diplomaten in Westfalen und den politischen Entscheidungsträgern an den Entsendehöfen.⁹² Diese Beobachtung legt zudem nahe, dass es praktischer Erfahrung oder Teilhabe an ebendiesem Friedensfindungsprozess bedurfte, um nicht nur den Ernst der politischen Lage zu erkennen, sondern auch um diese und die daraus zu ziehenden Konsequenzen für das politische Handeln in eine für den Kaiser akzeptable Sprache übersetzen zu können, wie dies mit dem Gutachten vom 14. September geschah.

5 Fazit: Ferdinands Politik zwischen Rollenkonkurrenz, Prinzipientreue und Pragmatismus Die Verhandlungen über den kaiserlich-französischen Frieden im Herbst 1648 zeigen, dass Frieden für Ferdinand erst möglich wurde, als alle anderen (militärischen wie auch politischen) Optionen ausgeschöpft waren. Eine derartige Extremsituation, in der die Grundlinien seiner Politik, also die Einheit von Kaiser und Reich, die Einheit des Hauses Habsburg und die Sicherung seiner landesfürstlichen Interessen, zu scheitern drohten, machten es notwendig, von einem Teil der bis dahin vertretenen Prinzipien abzurücken. Wie das Gutachten vom 14. September 1648 belegt, musste diese Kehrtwende allerdings durch ein auf verschiedenen zentralen Ebenen frühneuzeitlicher Politik angesiedeltes Bündel an Argumenten stark begründet werden: völkerrechtlich, handlungsleitend, normativ und letztlich auch inhaltlich. Trotz der scheinbar aussichtlosen Situation im Herbst 1648 strebte Ferdinand nicht Frieden um jeden Preis an. Ausschlaggebend für sein Handeln wurde die Sicherung seiner landesfürstlichen Interessen, die auch im Zentrum der Argumentation steht, mit der die Geheimen Räte seinen Beitritt zum Frieden rechtfertigten. Dieser Umstand macht augenfällig, dass Ferdinand eben nicht nur als Kaiser auf dem Westfälischen Friedenskongress verhandelte, sondern auch als führendes Mitglied der Casa de Austria die Anliegen des Habsburger Gesamt-

 Siehe Ferber, Die Gemeinschaft der Diplomaten.

Frieden um (fast) jeden Preis

151

hauses beachten sowie als Erzherzog von Österreich seinen landesherrlichen Verpflichtungen nachkommen musste. Diese Rollenvielfalt prägte seine Friedenspolitik, und es zeigt sich nicht nur in der Schlussphase des Kongresses, aber dort außergewöhnlich deutlich, wie die unterschiedlichen Rollen Ferdinands in Konkurrenz zueinander traten. Frieden wurde demnach für Ferdinand erst durch die Auflösung dieser Rollenkonkurrenz möglich. Die Rollenpluralität vormoderner Herrscher:innen und die daraus resultierenden (konkurrierenden) Verpflichtungen, aber auch die Abstimmung der Rollen untereinander und das daraus resultierende Selbstverständnis sollten somit künftig bei der Erforschung von Friedens- und politischen Entscheidungsprozessen größere Berücksichtigung finden, um deren Genese möglichst ganzheitlich rekonstruieren zu können. In Ferdinands Fall lässt sich von Beginn der Friedensverhandlungen an eine deutliche Hierarchisierung feststellen. Die Belange des Hauses Habsburg waren stets dem Reichsinteresse untergeordnet. Seine landesherrlichen Interessen hingegen waren maßgebend, nicht nur im Verhältnis zu Spanien, sondern auch für die Handlungsspielräume kaiserlicher Politik. Dies spiegelt sich deutlich im Pragmatismus seiner Politik oder in ihrer Kompromissbereitschaft wider: Während er schon 1645 bereit war, in Fragen der Reichsverfassung zugunsten der Reichsstände zu entscheiden⁹³ und letztlich sogar in der Geheiminstruktion für Trauttmansdorff die Einheit des Hauses Habsburg zur Disposition stellte, die bereits in den vorausgehenden Instruktionen durch das Wohl des Reiches begrenzt worden war, gab er sich in Fragen, die genuin seine Erblande oder landesherrliche Interessen betrafen, kompromisslos. Das wird gleichermaßen bei den Verhandlungen über die Autonomie in den kaiserlichen Erblanden wie auch in seiner Forderung nach Militärsatisfaktion offensichtlich, die er bis zum Ende der Verhandlungen aufrecht hielt und deren Resultat er modifiziert wissen wollte.⁹⁴ Bei allem, mitunter dogmatisch anmutenden Pragmatismus der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses hielt Ferdinand doch bis zuletzt starr am Prinzip der Sicherung seiner landesherrlichen Interessen als Leitgedanke seiner Politik fest. Somit agierte Ferdinand als Kaiser, Führungs-

 Siehe Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 102– 119; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 325 f.  Da die Reichsstände dem Kaiser Militärsatisfaktion für seine Immediatarmee bewilligt hatten, die allerdings vom Österreichischen Reichskreis, also den österreichischen Erblanden, aufgebracht werden sollte und damit unmittelbar Ferdinands landesherrliche Ökonomie belastete, wollte er bis zum Abschluss des Friedens zusätzliche Mittel von den Reichsständen erhalten. – Siehe APW II A 10, Nr. 6, S. 27, Z. 6 – 18, und dort bes. Anm. 41, sowie Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis, S. 276 – 279.

152

Dorothée Goetze

person innerhalb des Hauses Habsburg, aber vor allem als Erzherzog von Österreich.⁹⁵

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Verbindung mir der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie I: Instruktionen. Bd. 1. Bearb. von Fritz Dickmann, Kriemhild Goronzy, Emil Schieche, Hans Wagner und Ernst Manfred Wermter. Münster 1962; Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 7 – 10. Bearb. von Andreas Hausmann, Sebastian Schmitt, Stefanie Fraedrich-Nowag und Dorothée Goetze. Münster 2008 – 2015.

Literatur Auer, Leopold: Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen und ihre Umsetzung, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 143 – 173. Brockmann, Thomas: Das Bild des Hauses Habsburg in der dynastienahen Historiographie um 1700, in: Christoph Kampmann/Katharina Krause/Eva-Bettina Krems/Anuschka Tischer (Hrsg.), Bourbon, Habsburg, Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700. Köln/Weimar/Wien 2008, S. 27 – 57. Brockmann, Thomas: Dynastie, Kaiseramt und Konfession. Politik und Ordnungsvorstellungen Ferdinands II. im Dreißigjährigen Krieg. Paderborn 2011. Brockmann, Thomas: Gesamthaus und Partikularinteressen. Zum Verhältnis der Habsburger Teildynastien im Vorfeld und in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges, in: Rainer Babel/Guido Braun/Thomas Nicklas (Hrsg.), Bourbon und Wittelsbach. Neuere Forschungen zur Dynastiegeschichte. Münster 2010, S. 99 – 142. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Hrsg. von Konrad Repgen. 7. Aufl. Münster 1998. Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Herrscher in der Doppelpflicht. Europäische Fürsten und ihre beiden Throne. Mainz 1997. Duchhardt, Heinz: Die dynastische Heirat, in: Europäische Geschichte Online (EGO). Hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG). Mainz 2010 – 12 – 03. URL: http://ieg-ego.eu/de/ threads/europaeische-netzwerke/dynastische-netzwerke/heinz-duchhardt-diedynastische-heirat (abgerufen am 15. 06. 2020).

 Damit steht er in seiner Rollenauslegung gewissermaßen in Tradition zu seinem Vater, Ferdinand II., der sich vorrangig über die „Erb- und Kronlande[.] der österreichischen Teildynastie und [das] Reich als Gestaltungsraum und Herrschaftsaufgabe des österreichisch-habsburgischen Kaisertums“ definierte (Brockmann, Dynastie, Kaiseramt und Konfession, S. 136).

Frieden um (fast) jeden Preis

153

Externbrink, Sven: Le cœur du monde. Frankreich und die norditalienischen Staaten (Mantua, Parma, Savoyen) im Zeitalter Richelieus 1624 – 1635. Münster 1999. Ferber, Magnus Ulrich: Die Gemeinschaft der Diplomaten in Westfalen als Friedenspartei, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019, S. 257 – 272. Goetze, Dorothée: „damit sie es an ihro Kayserliche mayestätt gehorsamst hinderbringen und dero Kayserlichen befehl uns in geheimb zurückschreiben mögen“. Zur Zirkulation kaiserlicher Gesandtschaftsberichte vom Westfälischen Kongress am Kaiserhof, in: Thomas Dorfner/Thomas Kirchner/Christine Roll (Hrsg.), Berichten als kommunikative Herausforderung. Europäische Gesandtenberichte der Frühen Neuzeit in praxeologischer Perspektive [im Druck; voraussichtl. 2021]. Goetze, Dorothée: Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses, in: Guido Braun/Arno Strohmeyer (Hrsg.), Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner. Münster 2013, S. 259 – 290. Goetze, Dorothée: „Particulier-Interesse dem allgemeinen Besten sacrificiret“: Die Akteure des Großen Nordischen Krieges beim Immerwährenden Reichstag zwischen Reichs- und Eigeninteresse, in Historisches Jahrbuch 140 (2020), S. 383 – 411. Kampmann, Christoph: Der Ehrenvolle Friede als Friedenshindernis: Alte Fragen und neue Ergebnisse zur Mächtepolitik im Dreißigjährigen Krieg, in: Inken Schmidt-Voges/Siegrid Westphal/Volker Arnke/Tobias Bartke (Hrsg.), Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010, S. 141 – 156. Nagel, Ulrich: Zwischen Dynastie und Staatsräson. Die habsburgischen Botschafter in Wien und Madrid am Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Göttingen 2018. Oetzel, Lena: Zwischen Dynastie und Reich. Rollen- und Interessenkonflikte Ferdinands III. während der Westfälischen Friedensverhandlungen, in: Katrin Keller/Martin Scheutz (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie und der Dreißigjährige Krieg. Jahrestagung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 2018. Köln/Weimar/Wien 2020, S. 161 – 176. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649). Münster 2007. Rohrschneider, Michael: Kongressdiplomatie im Dienste der Casa de Austria. Die Beziehungen zwischen den spanischen und den kaiserlichen Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1648), in: Historisches Jahrbuch 127 (2007), S. 75 – 100. Rohrschneider, Michael: Reputation als Leitfaktor in den internationalen Beziehungen der Frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 291 (2010), S. 331 – 352. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643 – 1648). Münster 1979. Schilling, Heinz: Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559 – 1660. Paderborn 2007. Thiessen, Hillard von: Diplomatie vom ‚type ancien‘. Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens, in: Hillard von Thiessen/Christian Windler (Hrsg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln 2010, S. 471 – 503.

154

Dorothée Goetze

Weber, Wolfgang E. J.: Dynastiesicherung und Staatsbildung. Die Entfaltung des frühmodernen Fürstenstaates, in: Wolfgang E. J. Weber (Hrsg.), Der Fürst. Köln/Weimar/Wien 1998, S. 91 – 137.

Lena Oetzel

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation. Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongress Wer wissen will, wann und warum Frieden möglich ist, muss auch danach fragen, was den Friedensfindungsprozess behindert. Die klassische Definition von Verhandeln als das Aushandeln eines Kompromisses zwischen den eigenen Interessen und denen des Gegenübers¹ deutet bereits auf ein zentrales Spannungsverhältnis hin: Hier kommt nicht nur der zu verhandelnde Interessensgegensatz zum Tragen, sondern auch die Frage nach dem Grad der Kompromissbereitschaft. Wie wichtig sind die eigenen Interessen und oft, aber nicht notwendigerweise, die dahinterstehenden Prinzipien? Welchen Stellenwert wird dem erklärten Ziel Frieden beigemessen und welche Prinzipien und Interessen ist man dafür zu opfern bereit? Die Politik Kursachsens auf dem Westfälischen Friedenskongress ist ein eindrückliches Beispiel, um dieses Spannungsverhältnis von „Prinzipien und politischem Pragmatismus“² näher zu beleuchten, verweigerte Kursachsen sich doch, eine führende und einflussnehmende, eventuell sogar mäßigende Rolle unter den protestantischen Reichsständen einzunehmen, da es an seinem bisherigen kaiser- und reichstreuen Kurs festhielt. Gleichzeitig zeigt sich ein damit verbundenes zweites Spannungsverhältnis: zwischen der Sicht des Hofes, der fernab des Verhandlungsgeschehens den politischen Kurs bestimmte, und der Sicht der Gesandten vor Ort, die zwar diejenigen waren, die verhandelten, aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit dabei aber über einen nur begrenzten Handlungsspielraum verfügten. Die zurückhaltende Linie des Dresdner Hofes schränkte die Möglichkeiten der kursächsischen Gesandten in Westfalen deutlich ein, die oftmals einen flexibleren und pragmatischeren Kurs befürworteten.

 Grundlegend: Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept.  Die Identifizierung dieses Spannungsverhältnisses geht zurück auf den gemeinsamen Vortrag von Dorothée Goetze und Lena Oetzel „,Weil es iedoch anderst nit sein könden‘ – Friedensfindung zwischen Prinzipien und politischem Pragmatismus am Beispiel Kursachsens und des Kaisers während des Westfälischen Friedenskongresses“ auf der Tagung Wendepunkte: Friedensende und Friedensanfang vom Dreißigjährigen Krieg bis zur Gegenwart (Osnabrück, 24. – 26.10. 2018). Vgl. auch den Beitrag von Dorothée Goetze zu Rollenkonkurrenzen in der Politik Ferdinands III. in diesem Band. https://doi.org/10.1515/9783110703795-009

156

Lena Oetzel

Im Folgenden sollen zunächst die Leitlinien kursächsischer Politik und in einem weiteren Schritt deren Bedeutung für das Handeln der kursächsischen Gesandtschaft während der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück bestimmt werden. Vorab wird ein kurzer Überblick über den Forschungsstand zu Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg und auf dem Westfälischen Friedenskongress gegeben.

1 Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg und auf dem Westfälischen Friedenskongress. Ein kurzer Forschungsüberblick Michael Kaiser bezeichnete „die Geschichte Kursachsens in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges“ als „eine[s] der großen Desiderate der Forschung überhaupt“.³ Dies gilt mehr noch für die kursächsische Rolle bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück. Generell wird der Westfälische Friedenskongress als diplomatisches Ereignis oftmals „eher kursorisc[h]“⁴ in Gesamtdarstellungen zum Dreißigjährigen Krieg abgehandelt, da verwundert es nicht, dass Kursachsen, das während der Friedensverhandlungen so zurückhaltend agierte, derart wenig Beachtung findet. Dennoch handelt es sich um einen zentralen Reichsstand, der während des Krieges immer wieder eine wichtige Rolle spielte, u. a. bei der Niederschlagung des böhmischen Aufstands und später bei dem reichsinternen Friedensschluss von Prag 1635. Beide Aspekte sind von der Forschung relativ gut aufgearbeitet.⁵ Auch haben die Dresdner Hefte 1998 ein eigenes Themenheft zu

 Kaiser, Der Prager Frieden von 1635, S. 295; sowie 15 Jahre später noch einmal: Kaiser, Der Stellenwert des Diariums. Die Dresdner online-Tagung „Kurfürst Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg in Sachsen“, veranstaltet vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem GWZO Leipzig, 12./13.11. 2020, versucht diese Lücke zu füllen, allerdings befasst sich auch hier lediglich ein Vortrag mit den Friedensverhandlungen (https://www.isgv.de/aktuelles/veranstaltungen/details/kurfuerst-jo hann-georg-i-und-der-dreissigjaehrige-krieg-in-sachsen (15.01. 2021)). Eine Publikation der Vorträge ist geplant.  Goetze/Oetzel, Warum Friedenschließen so schwer ist, S. 4.  Vgl. zum böhmischen Aufstand: Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand; zum Prager Frieden: Burkhardt, Friedensschlüsse auf Sächsisch, bes. S. 53 – 58; Kaiser, Der Prager Frieden, bes. S. 285 – 289; Ralf-Peter Fuchs spannt in seiner Studie zum Normaljahr einen Bogen über den Westfälischen Friedenskongress hinaus, da sein Fokus aber auf dem „Medium zum Frieden“ liegt, steht Kursachsen nur teilweise im Fokus: Fuchs, Ein Medium zum Frieden; Fuchs, Normaljahrsverhandlungen als moralischer Diskurs; Fuchs, Vertrauensbildung durch Unwissen?

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

157

Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg herausgegeben.⁶ Zur Politik Johann Georgs I. von Sachsen und seiner Gesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress existiert dagegen lediglich die Dissertation Hans-Joachim Schreckenbachs von 1952.⁷ Zwar geht es in Katrin Kellers Studien um den Frieden, doch fragt sie nach der Rezeption und den Friedensfeierlichkeiten in Kursachsen, nicht nach dem diplomatischen Weg dorthin.⁸ Neben diesen auf den Dreißigjährigen Krieg fokussierenden Studien finden sich vereinzelte Arbeiten, die über einen längeren Zeitraum die kursächsische Verwaltung,⁹ das Hofleben und die kulturelle Bedeutung Dresdens¹⁰ sowie den kursächsischen Reichskreis¹¹ in den Blick nehmen. Hinzu kommen landesgeschichtliche Arbeiten.¹² Selbst wenn ein Ausblick auf spätere Entwicklungen gegeben wird, wie dies Frank Müller in seiner Dissertation zu Kursachsen und der Böhmische Aufstand. 1618 – 1622 tut, der für den weiteren Kriegsverlauf relevante Leitlinien kursächsischer Politik herausarbeitet, bleibt der Blick auf Westfalen beschränkt. So heißt es lapidar: „Militärisch zu schwach und politisch letztlich am Spannungsverhältnis zwischen protestantischer Interessenvertretung und Loyalität zum Kaiserhaus gescheitert, mußte Johann Georg die weitere Entwicklung bis 1648 akzeptieren, ohne eigenen gestalterischen Spielraum geltend machen zu können.“¹³ Inwieweit der sächsische Kurfürst tatsächlich keinen Handlungsspielraum hatte oder ihn sich nicht nehmen wollte, wird nicht diskutiert. Axel Gotthard und Johannes Burkhardt zielen in ihren Aufsatz-Studien auf eine Gesamtbewertung der Politik Kursachsens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ab. Dabei kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen, die allerdings auf einer ähnlichen Bewertung der Leitlinien kursächsischer Politik beruhen. Gotthard spricht von den „überaus großen, geradezu chronischen und immer wieder aufs neue enttäuschten [protestantischen] Erwartungen an die kursächsische Reichspolitik“¹⁴ und kommt zu dem Schluss, dass „Johann Georg […] vor

 Lühr (Hrsg.), Sachsen im Dreißigjährigen Krieg.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen; Schreckenbach, Dr. Johannes Leuber; sowie ein noch nicht publizierter, voraussichtlich 2021 erscheinender Aufsatz der Autorin: Oetzel, Intertextualität.  Vgl. Keller, Das „eigentlich wahre und große Friedensfest … im ganzen Sachsenlande“; Keller, Kriegsende und Friedensfest in Kursachsen.  Heinker, Die Bürde des Amtes.  Watanabe-O’Kelly, Court Culture in Dresden.  Nicklas, Macht oder Recht.  Z. B. Kunath, Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg; Sennewald, Die Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg.  Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 475.  Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 275.

158

Lena Oetzel

1630 weder zur Befriedung des Reiches noch zur Rettung des deutschen Protestantismus irgendetwas beigetragen [habe]; dafür blieb er des Kaisers ‚treugehorsamer Kurfürst‘“.¹⁵ Burkhardt hingegen bewertet die kursächsische Politik deutlich positiver. Er hebt die Vermittlungsversuche und Bemühungen Kursachsens zur Einhegung des Konflikts gerade zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges hervor.¹⁶ So resümiert er: „Was immer man sonst von der sächsischen Politik halten mag, hat sie mit der frühen Durchbrechung konfessioneller Lager, der Sorge um das konfessionelle Gleichgewicht und der Weichenstellung zum Religionsfrieden einen gewichtigen Beitrag zur Überwindung des Religionskriegs in Deutschland geleistet.“¹⁷ Aber auch später sei es Kursachsen stets um eine Aussöhnung des Reiches gegangen; mit dem Prager Frieden 1635 zwischen Kursachsen und dem Kaiser sei der Kurfürst „zum Signalgeber für den Frieden zwischen Kaiser und Reichsständen geworden […], der die deutsche Einheit wiederherstellte“.¹⁸ Zudem betont Burkhardt die Rolle Kursachsens bei der Findung des Normaljahres in den Westfälischen Friedensverhandlungen: Nicht nur gehe das schließlich gewählte Normaljahr 1624 maßgeblich auf einen Vorschlag der kursächsischen Gesandten zurück,¹⁹ generell sei der Prager Frieden als „Verfassungsmodell für den Westfälischen Frieden“²⁰ zu werten. Auch Gotthard sieht diese Ausgleichsbemühungen, bewertet sie aber kritischer und betrachtet sie sogar als Faktor, der letztlich die konfessionelle Konfrontation im Reich befördert habe: Die scheinbare Neutralität habe letztlich zu einer pro-kaiserlichen Politik geführt, die die übrigen protestantischen Reichsstände wiederum in eine Extremhaltung gedrängt habe.²¹ Während Kursachsen also bei Gotthard als unfähig erscheint, seine Politik den politischen Realitäten anzupassen, wird der Kurstaat bei Burkhardt zum Impulsgeber des Friedens, der lediglich das Pech hatte, dass es dauerte, bis diese Impulse aufgenommen wurden. Entsprechend zwiespältig ist die Bewertung des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. Gerade die ältere Forschung hat ihm oftmals Verrat an der protestantischen Sache vorgeworfen und betont, dass ihm mehr an der Jagd und dem

 Ebd., S. 299.  Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, bes. S. 5.  Ebd., S. 6.  Ebd., S. 9.  Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 358 f.; Burkhardt, Der Krieg der Kriege, S. 226; Fuchs, Ein Medium zum Frieden, S. 170 – 175.  Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 11.  Vgl. Gotthard, Johann Georg I., bes. S. 138 u. 142; Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 281.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

159

Alkohol gelegen gewesen sei als an den Regierungsgeschäften.²² Tatsächlich erscheint er zumindest in der Anfangszeit als „sehr passiver Herrscher“²³ und es war zunächst vor allem der Geheime Rat, der die Politik bestimmte, wie u. a. Müller in seiner Studie zum böhmischen Aufstand zeigt.²⁴ Hier argumentiert er, dass eine stark negative Bewertung Johann Georgs I. und seiner Politik insofern jedoch nicht gerechtfertigt sei, als die Politik immer an den von Dresden selbst gesteckten Zielen zu messen sei, und die hätten eben in einer Herstellung des Konsenses im Reich sowie in der Sicherung des eigenen Territoriums gelegen und nicht in der Beförderung protestantischer Interessen.²⁵ Im Kontext dieser Ausführungen ist Burkhardts Urteil interessant, Johann Georg I. habe vermutlich „in der Tat keine ‚Führungsqualitäten‘, wohl aber Prinzipien und kluge Ratgeber gehabt“²⁶. Diese hätten es ihm ermöglicht, Kursachsen verhältnismäßig sicher und mit Territorialgewinnen durch die Kriegswirren zu bringen.²⁷ Diese „Prinzipien“ und ihre Folgen für die Rolle Kursachsens auf dem Westfälischen Friedenskongress sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

2 Leitlinien kursächsischer Politik Die Forschung hat gezeigt, dass die kursächsische Politik im Dreißigjährigen Krieg von zentralen Leitlinien, eben jenen „Prinzipien“, geprägt war. Hierzu zählten: die traditionelle Kaisertreue, die betonte Distanz zu protestantischen Extremforderungen,²⁸ die Ablehnung jeglicher Einmischung auswärtiger Mächte in Reichsangelegenheiten – auch wenn diese zugunsten der Protestanten agierten –, eine ausgesprochene Aversion gegenüber den Reformierten und die Berufung auf den Prager Frieden. Mit dieser Grundausrichtung orientierte sich Johann Georg I. an einer Politik, deren Wurzeln in der Reformationszeit lagen und die für

 Vgl. Gotthard, Johann Georg I., S. 147; Heinker, Die Bürde des Amtes, S. 152 f. Um eine differenziertere Bewertung Johann Georgs I. geht es auch der Dresdner Tagung „Johann Georg I. und der Dreißigjährige Krieg in Sachsen“, vgl. Anm. 3.  Heinker, Die Bürde des Amtes, S. 153.  Vgl. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 466; sowie Heinker, Die Bürde des Amtes, S. 154.  Müller wendet sich explizit gegen Gotthard, vgl. Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 467; ähnlich: Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 3.  Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 3.  Vgl. ebd., S. 7.  Wie Schreckenbach zeigt, vertraten aus Sicht des Dresdner Hofes quasi alle, die nicht eindeutig auf Seiten des Kaisers standen, sondern versuchten, eine eigenständige Politik zu betreiben, Extremforderungen. Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 44.

160

Lena Oetzel

Kursachsen lange Zeit von Vorteil gewesen war, ignorierte aber nun, dass sich das Machtgefüge im Reich im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges grundlegend verändert hatte. Kennzeichnend war eben seit der Reformation eine „spezifische Kongruenz zwischen Reichspatriotismus und Territorialinteresse“,²⁹ was sich zumeist in einer ausgesprochen kaisertreuen Grundhaltung äußerte, die gepaart war mit einer dezidierten Ablehnung der Reformierten im Reich.³⁰ Hier wirkte die Übertragung der Kurwürde von der ernestischen auf die albertinische Linie unter Moritz von Sachsen nachhaltig prägend. Eine enge Bindung an das Kaiserhaus und die Wahrung des Status quo hatten sich seitdem für die sächsischen Kurfürsten immer wieder als vorteilhaft erwiesen, auch mit Blick auf die territoriale Integrität des Kurfürstentums.³¹ Allerdings war es nicht nur eine reine Kosten-/Nutzenkalkulation, die die kursächsische Politik seit dem 16. Jahrhundert bestimmte, vielmehr war Reichspatriotismus als Kaisertreue Teil des eigenen Selbstverständnisses geworden. Gotthard bringt diese Sicht auf den Punkt, wenn er erklärt: Die „Formel ‚Kaiser und Reich‘ [bezeichnete] in Dresden keinesfalls die Pole in einem dualistisch angelegten System, […], sondern [stand] für ‚organische‘ Einheit (das beliebte Bild vom ‚Haupt und seinen Gliedern‘ kommt in den Dresdner Akten besonders häufig vor). Daß die Kurfürsten des Kaisers ‚innerste, geheimste Räte‘ seien, war in Sachsen nicht abgestandene politische Leerformel, sondern Handlungsmaxime, Reichs- und Kaisertreue waren deckungsgleich.“³² Hieraus resultierte eine nachhaltige Ablehnung von (konfessionellen) Sonderbündnissen sowie eines international agierenden Protestantismus, für den viele Reformierte und federführend Friedrich V. von der Pfalz eintraten. Diese könnten, so die Sicht des Dresdner Hofs, nur eine Spaltung des Reiches bewirken.³³ Entsprechend distan-

 Müller, Kursachsen und der Böhmische Aufstand, S. 463.  Vgl. Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 314; Heinker, Die Bürde des Amtes, S. 156; Sommer, Die lutherischen Hofprediger, S. 140 f. Hier spielten die Hofprediger Johann Georgs I., Matthias Hoë von Hoënegg (bis zu seinem Tod 1645) und Jakob Weller (ab 1645), eine zentrale Rolle, vgl. ebd., S. 138 – 171. Gerade mit Blick auf den kursächsischen Protest gegen die Aufnahme der Reformierten in den Religionsfrieden zeigt sich ihr Einfluss deutlich, vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 82.  Fuchs, Für die Kirche Gottes und die Posterität, S. 20; Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 315.  Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 279.  Vgl. Burkhardt, Friedensschlüsse auf Sächsisch, S. 46, 51; Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 290, 318; Kaiser, Der Prager Frieden von 1635, S. 286 – 288. Auch die scheinbare Abkehr von einer kaisertreuen Politik im Zuge des Leipziger Konvents von 1631 erfolgte eher halbherzig und war von kurzer Dauer. Bereits Ende 1631 sondierte man wieder eine Annäherung zwischen Dresden und Wien.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

161

zierte man sich wiederholt von sogenannten protestantischen Extremforderungen. Laut Gotthardt handelte Johann Georg I. in diesem Sinne stets „als Kurfürst“, nicht „als Protestant“.³⁴ Fuchs dagegen hebt ähnlich wie Burkhardt das friedensfördernde Element dieser Politik hervor, wenn er das Selbstverständnis Kursachsens als „Brückenbauer“³⁵ zwischen den Konfessionen beschreibt. Problematisch wurde diese Haltung mit der zunehmenden Verhärtung der konfessionellen Fronten im Reich; auch der Kaiser war nicht länger ‚nur‘ Reichsoberhaupt, sondern (katholische) Partei.³⁶ Das kursächsische Insistieren auf einer kaisertreuen Politik, die sich von protestantischen Extremforderungen distanzierte, übersah diese Zuspitzung, beschränkte nachhaltig den eigenen Handlungsspielraum und setzte Kursachsen dadurch dem Vorwurf aus, „katholische Interessenspolitik“³⁷ zu betreiben. Während der Verhandlungen zum Prager Frieden konnte Johann Georg I. seine angestrebte Rolle als Vermittler und Friedenspolitiker noch einmal ausleben und tatsächlich als protestantischer Interessenvertreter auftreten.³⁸ Für ihn waren damit die reichsinternen Konflikte beigelegt – ein Punkt, auf den wiederholt, wie zu zeigen sein wird, in den Instruktionen und Resolutionen an seine Gesandten in Westfalen verwiesen wurde. Dass die Internationalisierung des Konflikts eine reichsinterne Regelung unmöglich gemacht hatte, leugnete er. Entsprechend verweigerte er zunächst die Entsendung von eigenen Gesandten nach Münster und Osnabrück, auch als er bereits vom Kaiser sowie von protestantischen Reichsständen wie Sachsen-Altenburg, aber auch Kurbrandenburg und katholischen Reichsständen wie Kurbayern dazu aufgefordert worden war.³⁹ Sein Festhalten an diesen Grundprinzipien, ohne zu hinterfragen, ob sie unter den aktuellen Umständen noch zielführend waren, schränkte den Handlungsspielraum seiner Gesandten nachhaltig ein.

 Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 296.  Fuchs, Für die Kirche Gottes und die Posterität, S. 20.  Vgl. Gotthard, „Politice seint wir bäpstisch“, S. 316 f.; zur Rollenvielfalt des Kaisers vgl. den Beitrag von Dorothée Goetze in diesem Band sowie Oetzel, Zwischen Dynastie und Reich.  Heinker, Die Bürde des Amtes, S. 14.  Vgl. Fuchs, Normaljahrsverhandlung als dissimulatorische Interessenvertretung, bes. S. 521 f.  Schreckenbach, Kursachsen, S. 11 f.

162

Lena Oetzel

3 Die kursächsische Gesandtschaft zwischen kurfürstlicher Prinzipientreue und diplomatischem Pragmatismus Wiederholt zeigt sich Johann Georgs I. ablehnende Haltung gegenüber dem Friedenskongress als solchem. Aus seiner Sicht waren die reichsinternen Streitpunkte bereits mit dem Prager Frieden 1635 beigelegt worden; alle weiteren strittigen Punkte sollten auf einem eigenen Deputationstag geklärt werden – ohne Beteiligung ausländischer Mächte. Aus diesem Grund lehnte er auch zunächst die Teilnahme der Reichsstände an den Westfälischen Friedensverhandlungen ab.⁴⁰ Erst nach einigem Zögern und auf Drängen des Kaisers fand sich im April 1646 eine kursächsische Delegation in Westfalen ein, also noch nach Eintreffen des kaiserlichen Prinzipalgesandten Maximilian von Trauttmansdorff, dessen Ankunft die substantiellen Verhandlungen quasi eröffnet hatte. Johann Georgs I. Zögern lag auch in der heiklen politischen, militärischen und finanziellen Lage seines Territoriums begründet. Im September 1645 sah er sich gezwungen, mit Schweden den Waffenstillstand von Kötzschenbroda einzugehen, der ihn, wie Burkhardt konstatiert, in „eine prekäre Neutralität“ brachte.⁴¹ Als Folge des Krieges befand sich Sachsen zudem in einer ausgesprochen schlechten finanziellen Verfassung, was ein weiterer Grund für Johann Georg I. war, nur spät und sehr zögerlich, eine eigene Gesandtschaft nach Westfalen zu schicken. Aufgrund permanenter Geldsorgen verkleinerte der Kurfürst schließlich im Juli 1647 seine Gesandtschaft radikal, als er den adligen Primargesandten Hans Ernst von Pistorius auf Seußlitz inklusive seines Gefolges abberief. Lediglich der bürgerliche Sekundargesandte Dr. Johann Leuber blieb mit einer Rumpfdelegation zurück.⁴² Mit Pistorius und Leuber handelte es sich zunächst um eine klassische Besetzung, wie sie gerade für die kurfürstlichen Delegationen typisch war: ein adliger Vertreter als Prinzipalgesandter, dem ein bürgerlicher, promovierter Jurist zur

 Vgl. z. B.: Fernere Instruction, Dresden 27. März 1646, Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden [HStAD], Geheimes Archiv [GA], Loc. 8130/1, fol. 152– 198, hier fol. 153‘; sowie: Schreckenbach, Kursachsen, S. 8 – 11; Wolff, Corpus evangelicorum und Corpus catholicorum, S. 78. Die Datumsangaben zu den kursächsischen Quellen sind alle wie im Original alten Stils.  Burkhardt, Friedensschlüsse auf Sächsisch, S. 59. Vgl. zu Kötzschenbroda und der militärischen Lage: Duchhardt, Kötzschenbroda 1645; Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 121 f.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 15.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

163

Seite gestellt wurde.⁴³ Beide standen seit Längerem in kursächsischen Diensten: Pistorius war zwischen 1639 und 1645 Mitglied des Geheimen Rats und ab 1645 Appellationsrat,⁴⁴ während Leuber bereits auf verschiedene diplomatischen Missionen, u. a. zu dem Kurfürstentag in Nürnberg 1640, dem Reichstag in Regensburg 1640 sowie dem Reichsdeputationstag in Frankfurt 1643 geschickt worden war.⁴⁵ Wie bereits bei früheren Missionen oblagen ihm die Führung des Diariums und die Ausarbeitung der Relationen. Tatsächliche tritt er in den Quellen als der aktivere Part hervor, während Pistorius blass bleibt.⁴⁶ Insofern war Pistorius’ Abberufung mit Blick auf die Verhandlungen sachdienlich, obwohl er ranghöher war. Gleichzeitig kann diese Entscheidung sinnbildlich nicht nur für die desolate finanzielle Situation Kursachsens gesehen werden, sondern auch für die Haltung Johann Georgs I. zum Friedenskongress: Er wollte ihm einen möglichst geringen Stellenwert beimessen und strebte keine eigene, vom Kaiser unabhängige Politik an.⁴⁷ Es erscheint dabei geradezu paradox, dass der sächsische Kurfürst wiederholt nicht den Wünschen der Kaiserlichen entsprach, um an seinen Leitlinien und der eigenen Interpretation einer kaiser- und reichstreuen Politik festzuhalten; dies zeigen nicht nur die kaiserlichen Bitten, Kursachsen möge doch endlich eine eigene Delegation nach Westfalen schicken.⁴⁸ Besonders deutlich wird dies anhand der Debatte um die Führung des Direktoriums der protestantischen Stände. Als Vertretern des ranghöchsten protestantischen Kurfürsten hätte es Leuber und Pistorius zugestanden, das Direktorium zu übernehmen.⁴⁹ Johann Georg I. begründete jedoch seine Ablehnung in einer Resolution vom 8. Mai 1646 wie folgt: Also können wir umb allerhand wichtiger bedencken willen nochmals vor rathsamb nicht ermeßen, unter dem schein der Religion, nunmehr die direction der ienigen postulaten über uns zu nehmen, welche nicht nur unsere in Gott ruhende hochlöbliche Vorfahren, sondern wie auch selbst von anfang unsere Churfürstlichen Regierung zur eversion und umstürzung des ganzen Reichs-Stats gemeinet zu seyn erachtet, bevorab, da die meisten Evanglischen Stände zu behauptung ihrer gravaminum, keine scheu tragen in offentlichen votis den

 Vgl. zum Verhältnis von Primar- und Sekundargesandten: Becker, Der Kurfürstenrat, S. 269 – 277; May, Zwischen fürstlicher Repräsentation und adliger Statuspolitik, S. 162– 169.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 17.  Vgl. zu Leuber ausführlich: Schreckenbach, Dr. Johannes Leuber.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 17; Schreckenbach, Dr. Johannes Leuber, S. 332.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 20.  So ein Schreiben Ferdinands III. an Johann Georg I. vom 8./18. Oktober 1644, zitiert bei: Schreckenbach, Kursachsen, S. 11.  Vgl. zum Direktorium der protestantischen Stände u. a.: Wolff, Corpus evangelicorum und Corpus catholicorum, S. 79 u. 95; Schreckenbach, Kursachsen, S. 28 – 36; Oetzel, Intertextualität.

164

Lena Oetzel

Pragerischen Friedensschluß nunmehr für einen zunder und ursprung alles übels im Reich ohne scheu anzugeben, welchen sie doch vorhin mit hand und siegel angenommen […].⁵⁰

Bereits in der Hauptinstruktion vom 27. März hatte er Leuber und Pistorius angewiesen, sich dafür einzusetzen, „daß man doch die heilsame Reichsordnungen, Abschiede, Sazungen und Sachen nicht der fremden Cronen Censur und aussaz untergeben, welches in keine nation iemahls zu thung gepflogen, sondern einmahl die uralte Deuzsche Freyheit unnd praeeminenz hierunter in acht nehmen […] wolle […]“.⁵¹ Wenn noch Uneinigkeit zwischen den Reichsständen bestünde, sollten diese nach Möglichkeit untereinander und vorrangig geklärt werden, damit Kaiser und Reich geschlossen gegenüber den Kronen auftreten könnten.⁵² Dies deckte sich durchaus mit der Einschätzung Trauttmansdorffs, der – gegen den Widerstand Bayerns – ebenfalls zunächst eine Einigung der Stände untereinander anstrebte.⁵³ Aus seiner Sicht wäre aber ein protestantisches Direktorium unter kursächsischer Führung dabei durchaus hilfreich gewesen. Tatsächlich drängten die Kaiserlichen – und mit ihnen die Vertreter Sachsen-Altenburgs, SachsenWeimars, Braunschweigs, Kurmainz’, Kurbayerns und Schwedens – Leuber und Pistorius wiederholt, das Direktorium zu übernehmen.⁵⁴ Johann Georg I. jedoch beharrte auf seiner Position: Die Führung des Direktoriums wäre für ihn einer indirekten Zustimmung erstens der „Extremforderungen“ einiger protestantischer Stände und zweitens der Einmischung Schwedens in Reichsangelegenheiten gleichgekommen. Beide Punkte waren nicht mit seinen politischen Grundüberzeugungen zu vereinbaren. Dass seine Gesandten in einer prominenteren Führungsrolle – trotz der wirtschaftlichen und militärischen Schwäche des Kurstaats – über einen größeren Handlungsspielraum verfügt hätten, sah er nicht.⁵⁵

 Johann Georg I. an die Gesandten zu Osnabrück, Dresden, am 8. Mai 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 179 – 182, hier fol. 179‘f.  Fernere Instruction, Dresden 27. März 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 152– 198, hier fol. 169.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 36.  Vgl. Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 146.Vgl. zu Trauttmansdorffs Vorgehensweise und den kaiserlichen Zielen u. a.: Auer, Die Ziele der kaiserlichen Politik, S. 158.  Leuber und Pistorius dokumentierten diese Ansuchen im Gesandtschaftsdiarium akribisch und legitimierten damit ihr Handeln, z. B. Diarium vom 6. Juli 1646, 9. November 1646, 14. September 1647, 11./12./13./14./15. Dezember 1647, HStAD GA, Loc. 8134/1; vgl. Wolff, Corpus evangelicorum und Corpus catholicorum, S. 95; Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 257 f.; Oetzel, Intertextualität.  Die ältere Literatur betont zwar einhellig die problematische Verweigerungshaltung Kursachsens, schließt sich aber dem Urteil an, dass sich Kursachsen dann in schwedische Abhängigkeit begeben hätte. Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 31. Inwieweit diese Sicht zutreffend ist, bleibt Spekulation.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

165

So waren Leuber und Pistorius in einer schwierigen Lage, da die Zurückweisung des Direktoriums es ihnen – aus Statusgründen – unmöglich machte, überhaupt an den Verhandlungen der protestantischen Stände teilzunehmen. Folglich waren sie auf Informationen durch die diplomatischen Vertreter SachsenAltenburgs, Sachsen-Weimars, Hessen-Darmstadts, Württembergs und Mecklenburgs angewiesen.⁵⁶ Dies erschwerte es ihnen, entsprechend ihrer Weisung mäßigend auf ihre Konfessionsgenossen einzuwirken. Hierfür blieb ihnen nur das direkte, aber informelle Gespräch; von den Beratungen selbst waren sie ausgeschlossen. Das Diarium belegt die hohe Frequenz von Treffen mit den Gesandten verschiedenster Reichsstände sowie insbesondere den Kaiserlichen. Teilweise erschienen sie als „einer Art Mittler“⁵⁷ zwischen den Kaiserlichen und den Protestanten, ohne dabei diese Rolle aber gestaltend ausfüllen zu können. Der Kompromissvorschlag zum Normaljahr bildet hier eine Ausnahme und ist der Eigeninitiative der Gesandten zuzuschreiben.⁵⁸ Nicht nur mit Blick auf die Gravamina erwies sich die auferlegte Zurückhaltung als verhandlungstaktisch problematisch. Auch in anderen Punkten, die dem Kurfürsten am Herzen lagen,⁵⁹ konnten die kursächsischen Gesandten die kurfürstliche Position nur bedingt durchsetzen. Sehr deutlich wird dies während der abschließenden Verhandlungen zwischen Reichsständen, Kaiserlichen und Schweden über die endgültige Textfassung des Vertrages im Frühjahr und Sommer 1648. Leuber sah sich erneut gezwungen, die eigenen Forderungen nur in Einzelgesprächen vorzubringen, nicht in den Verhandlungen selbst; erst als es um die schwedische Satisfaktion ging, erlaubte der Kurfürst ihm die Teilnahme an den Beratungen.⁶⁰ Wie nachteilig das war, erklärte er in einer Relation vom 12. Juli 1648: Meine Memorialia […], weil die Projecta verglichen und unterschrieben gewesen, ehe ich mich bey den Conferentien habe einstellen dürffen, seynd nicht attendiret worden. […] Und ob ich wohl regeriret, daß am fleißigen erinnern bey den herren Keiserlichen, herren Schwedischen, und an andern gehörige orthen ich nichts hette erwinden laßen, auch zeitig

 Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 30 f.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 32.  Vgl. im Folgenden und Anm. 76.  Hierzu zählen neben der Frage der Reformierten und der Unterstützung der Protestanten in Schlesien u. a. die Marburger Sukzession, die territoriale Zugehörigkeit Magdeburgs sowie weitere kleinere Besitz- und Erbangelegenheiten. Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 52– 56 u. 77 f.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 84.

166

Lena Oetzel

genug ante subscriptionem meine Memorialia und Protestantiones eingegeben, so hatt es doch nicht gefruchtet.⁶¹

Grundsätzlich bestand Leubers Dilemma darin, dass aus seiner Sicht die Beförderung des Friedens und der kursächsischen Interessen oftmals einer Kooperation mit den anderen Ständen bedurft hätte, ihm dies aber untersagt war: Conjugire ich mich gedachten Herren Evangelischen (wie es denn die nothdurfft erfordert, denn solcher gestallt kann ich denselbigen am besten zu reden und sie commoviren, daß sie uber denen dingen, die von hoher importanz nicht seyn, sich nicht aufhalten sollen; Ich kann denen unruhigen Catholischen die gedancken benehmen, ob weren Eur Churfüstliche Durchlauch einer anderen meinung alß die andere Evangelische, und Sie dadurch zur friedensbegierde adigiren […]), so muß ich mich befürchten, es möchte das ansehen gewinnen, ich wollte mich der Direction unter denen Evangelischen unterfangen […].⁶²

Leuber sah für sich klar größere Einflussmöglichkeiten bei einer direkten Beteiligung an den Verhandlungen. Der Kurfürst lehnte ab.⁶³ Bereits kurz nach ihrer Ankunft in Osnabrück zeigt sich Leubers und Pistorius’ deutlich pragmatischere und flexiblere Haltung. Während sie von verschiedenen Seiten gedrängt wurden, das Direktorium zu übernehmen, aber noch auf eine eindeutige Instruktion warteten,⁶⁴ unterbreiteten sie dem Kurfürsten in ihrer Relation vom 9. Mai 1646 den Vorschlag, das Direktorium lediglich bei internen Beratungen der protestantischen Stände zu übernehmen. Im Falle von Gesprächen mit den Schweden würden sie diese Rolle anderen überlassen. Damit würden sie sich nach außen nicht mit den befürchteten Extremforderungen der anderen Stände gemein machen müssen; mit anderen Worten, es wäre nicht schlimm, „wenn wir schon als das Directorium mit denen andern Evangelischen nicht allzeit gleicher meinung weren, welches aber doch bey Eurer Churfürstl. Durchl. gnädigster verordnung stehet“.⁶⁵ Auch diesen Vorschlag lehnte der Kurfürst aus den bekannten Gründen ab. Für ihn kam dies immer noch einer Zu Leuber an Johann Georg I., Osnabrück 12. Juli 1648, HStAD GA, Loc. 8131/3, fol. 263 – 266, hier fol. 263‘–264‘.  Leuber an Johann Georg I., Osnabrück 4. Dezember 1647, HStAD GA, Loc. 8131/1, fol. 134– 136, hier fol. 134‘f.  Johann Georg I. an Leuber, Lichtenberg 18. Dezember 1647, HStAD GA, Loc. 8133/2, fol. 69 – 71‘.  Die Relationen vom April 1646 zeigen dies deutlich. Vgl. Leuber und Pistorius an Johann Georg I., Osnabrück 11. April 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 84– 87‘; Leuber und Pistorius an Johann Georg I., Osnabrück 25. April 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 159 – 161‘; Leuber und Pistorius an Johann Georg I., Osnabrück 29. April 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 189 – 191.  Leuber und Pistorius an Johann Georg I. von Sachsen, Osnabrück 9. Mai 1646, HStAD GA, Loc. 8130/1, fol. 247– 249, hier fol. 247.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

167

stimmung zur Beteiligung Schwedens an reichsinternen Angelegenheiten und einem Gemeinmachen mit den Extremforderungen gleich. Es entsprach nicht seinem Bild einer kaisertreuen und zurückhaltenden Politik. Dass er damit die ersehnte Kompromissfindung erschwerte, scheint ihm nicht bewusst gewesen zu sein – ganz gleich, wie sehr seine Gesandten ihn immer wieder auf ihren begrenzten Handlungsspielraum hinwiesen. Tatsächlich mahnte er wiederholt Kompromissbereitschaft zum Schutz des Reiches und zur Erlangung eines schnellen Friedens an, gerade mit Blick auf die Gravaminaverhandlungen. Die „Extrempositionen“ der protestantischen Stände seien gefährlich und würden die Katholiken ihrerseits zu weiterreichenden Forderungen drängen, die Folge würde „ein rechter ganz neuer Religionskrieg“⁶⁶ sein. Vielmehr müsse man Verständnis zeigen und auf die katholischen Stände zugehen; dass eine solche Argumentation bei den Protestanten nur wenig Anklang fand, mag nicht überraschen. Grundsätzlich sind die kurfürstlichen Instruktionen und Resolutionen von einer ausgeprägten Reichs- und Friedensrhetorik geprägt, die sowohl von dem traditionellen kursächsischen Reichspatriotismus als auch von dem dringenden Wunsch nach einem Friedensschluss zeugt.⁶⁷ Zum Teil finden sich diese Argumente wortwörtlich im Gesandtschaftsdiarium wieder, wenn Leuber z. B. dokumentierte, wie er und Pistorius ihrer Weisung entsprechend die kurfürstlichen Argumente den Gesandten anderer protestantischer Vertreter referierten. Ob er sie tatsächlich wortwörtlich so vorbrachte oder in abgewandelter Form, ist nur schwer zu prüfen. Es wird aber deutlich, dass Leuber damit dem Dresdner Hof signalisierte, dass er seine Befehle wortgetreu umsetzte.⁶⁸  Vgl. Johann Georg I. an Leuber und Pistorius, Freiberg 30. September 1646, HStAD GA, Loc. 8133/1, fol. 345 – 349, hier fol. 348‘. Ähnlich auch: Johann Georg I. an Leuber und Pistorius, Ralckreuth 15. August 1647, HStAD GA, Loc. 8133/2, fol. 12– 17‘, hier fol. 12‘. Zur angeblich kompromissbereiten Haltung Kursachsens und seiner Position unter den protestantischen Ständen: Luttenberger, Ratio conscientiae – ratio politica, bes. S. 274– 277; Wolff, Corpus evangelicorum und Corpus catholicorum, S. 89 f.  Vgl. z. B. „daß wir auf die ungewiße wanckende fortun uns lehnen, gegen dem Römischisch Keyser, alß unserem Oberhaupt, sowohl gegen unsere Mitstände, ohne erhebliche ursach in neuen Krieg unß verwickeln, den ganzen stat des Römischen Reichs vollents in außländische Nationen hände sezen und bey der werthen Posterität den unnahmen, zerrütteten und in grundt ruinierten vaterlandes unß aufbürden laßen […].“ Johann Georg I. an Leuber, Ralckreuth 15. August 1647, HStAD GA, Loc. 8133/2, fol. 12– 17‘, hier fol. 14.  Dies zeigt der Diariumseintrag vom 23. September 1647 (Diarium Leuber, HStAD GA, Loc. 8134/1), in dem Leuber ein Gespräch mit den Vertretern Sachsen-Altenburgs wiedergibt, das sich in weiten Teilen wortwörtlich mit der Resolution vom 15. August deckt (Johann Georg I. an Leuber und Pistorius, Ralckreuth 15. August 1647, HStAD GA, Loc. 8133/2, fol. 12– 17‘). Außerdem sind arbeitsökonomische Überlegungen hinter dieser Praxis zu vermuten: Da auf den Gesandten

168

Lena Oetzel

Auch auf andere Weise nutzte Leuber die kurfürstlichen Argumentationsfiguren, um sein Handeln zu legitimieren. Mehrfach überschritt er seine Kompetenzen bzw. legte seine Weisungen sehr weit aus, wenn er – gemeinsam mit seinem Kollegen Pistorius oder später alleine – an Deputationen der Reichsstände zu Kaiserlichen, Schweden und Franzosen teilnahm, hierbei sogar das Wort führte oder Treffen der protestantischen Reichsstände einberief, so z. B. im Sommer 1647 als er eine Deputation anführte, um die Abreise des kaiserlichen Prinzipalgesandten Trauttmansdorff zu verhindern.⁶⁹ In seiner Rechtfertigung an den Kurfürsten griff er dabei eben jene kurfürstliche Friedensrhetorik auf, die in den Resolutionen genutzt wurde, um zur Zurückhaltung zu mahnen: Zu dergleichen beförderung vnd anmahnung zum schluß des friedens angehörigen orten haben meinen herrn collegam vnd mich zum öfternmahl die herren kaiserliche, herren schwedische Plenipotentiarij der Evangelischen vndt der Catholischen herren Chur-, fürsten vnd Stände Gesandte instendig ersuchet. Ich habe auch Eurer Churfürstl. Durchl. Instruction den 17. Martij Anno 1646, ibi das friedenswerck möglichst befürdern zu helffen, vnd in der Instruction den 24. ejuisdem, alle die rationes, welche angeführet, daß man mit tractation der gravaminum sich nicht auffhalten solle, zu solchem ende ziehlende erachtet.⁷⁰

Leuber handelte entsprechend seiner Weisungen. Dass er zur Beförderung des Friedens ein Mittel wählte, dass Johann Georg I. ausdrücklich verweigert hatte, überging er mehrfach. Seiner Ansicht nach könne er „das Friedenswerck anderer gestallt nicht befördern […], als daß“ er sich „ie zuweilen mit denen Herren Evangelischen coniugiren müße“.⁷¹ Anschließend versicherte er, dass er natürlich nicht generell das Direktorium übernehme. Auf ähnliche Weise gelang es Leuber schließlich im April 1648, den Kurfürsten davon zu überzeugen, dass er den abschließenden Verhandlungen zwischen Kaiserlichen, Schweden und Reichsständen über das Instrumentum Pacis Osnaburgiensis (IPO) offiziell beiwohnen durfte. So erklärte er, bislang habe er

eine hohe Schreibbelastung lag, scheint es pragmatisch, für die Dokumentation im Diarium auf Passagen aus der Resolution zurückzugreifen. Zwischen Diarium und Relation lassen sich solche Textbeziehungen nachweisen. Vgl. Oetzel, Intertextualität.  Leuber dokumentiert dieses Treffen ausführlich im Diarium: 18. Juni 1647, Diarium Leuber, HStAD GA, Loc. 8134/1. Nach einem scharfen Verweis des Kurfürsten (Johann Georg I. an Leuber, Dresden 12. Juli 1647, HStAD GA, Loc. 8133/1, fol. 561– 563‘), rechtfertigt er sich erneut: Leuber an Johann Georg I. von Sachsen, Osnabrück 31. Juli 1647, HStAD GA, Loc. 8130/5, fol. 92– 94‘; Leuber an Johann Georg I. von Sachsen, Osnabrück 7. August 1647, HStAD GA, Loc. 8130/5, fol. 113 – 115.  Leuber an Johann Georg I. von Sachsen, Osnabrück 7. August 1647, HStAD GA, Loc. 8130/5, fol. 113 – 116. hier fol. 114.  Leuber an Johann Georg I., Osnabrück 27. November 1647, HStAD GA, Loc. 8131/1, fol. 117– 118, hier fol. 117‘. Vgl. zu dieser Argumentationsweise Oetzel, Intertextualität.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

169

den Verhandlungen fernbleiben müssen, da der Kurfürst der Einmischung Schwedens in Reichsangelegenheiten nicht zustimmen könne. Hinfüro aber, wenn die Satisfactione militum tractiret wird, gewinnet es das ansehen, daß diese ratio cessiren möchte. Sintemahl die Kaiserliche und der gesampten Reichs Stände Gesandte mit denen Schwedischen, tamquam cum parte adversa totius Imperii, zu negotiiren haben.⁷²

Wieder nutzte Leuber die kurfürstlichen Argumente. Dieses Mal stimmte Johann Georg I. zu.⁷³ Generell zeigten sich die kursächsischen Gesandten sehr bemüht, ihren Handlungsspielraum so weit wie möglich auszuschöpfen und den Frieden gemäß den kurfürstlichen Wünschen zu befördern. Dafür brachten sie sich immer wieder in Situationen, die sie der Kritik Johann Georgs I. aussetzten, weil er ihr Handeln als Übernahme des Direktoriums interpretierte.⁷⁴ Aber auch sonst zeugte ihre Tätigkeit in Westfalen von dem Streben, das Beste aus ihren begrenzten Möglichkeiten zu machen, indem sie unermüdlich die kurfürstlichen Anliegen bei den Kaiserlichen und anderen vorbrachten. Außerdem versuchten sie entsprechend der kurfürstlichen Wünsche, in Einzelgesprächen mahnend und mäßigend auf die protestantischen Reichsstände einzuwirken – auch wenn die vom Dresdner Hof gelieferten Argumente, man müsse, den Katholiken entgegenkommen, schließlich seien sie bereits so kompromissbereit gewesen, nicht unbedingt immer geeignet schienen, sich die protestantischen Reichsstände gewogen zu halten.⁷⁵ Darüber hinaus zeigten Leuber und Pistorius ein hohes Maß an Eigeninitiative. Im Juni 1646 erarbeiteten sie ein Memorial, in dem sie u. a. 1624 als Kompromiss für ein Normaljahr vorschlugen – die Protestanten forderten 1618, die Katholiken 1627.⁷⁶ Ihre prekäre Situation und ihr Wunsch, dennoch eine Einigung

 Leuber an Johann Georg I. von Sachsen, Osnabrück 11. April 1648, HStAD GA, Loc. 8131/2, fol. 254– 256‘, hier fol. 254‘f.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 84.  Vgl. z. B. Johann Georg I. an Leuber und Pistorius, Dresden 10. Oktober 1646, HStAD GA, Loc. 8133/1, fol. 351– 353‘; Johann Georg I. an Leuber, Dresden 12. Juli 1647, HStAD GA, Loc. 8133/1, fol. 561– 563‘; Johann Georg I. an Leuber, Lichtenberg 18. Dezember 1647, HStAD GA, Loc. 8133/2, fol. 69 – 71‘.  In diesem Sinne brachte Leuber die kurfürstliche Sicht beispielsweise den Sachsen-Altenburgischen Gesandten vor, vgl. 23. September 1647, Diarium Leuber, HStAD GA, Loc. 8134/1 (wie Anm. 68); Schreckenbach, Kursachsen, S. 66 f.  Abgedruckt bei: Der Churfürstlichen Sächsischen Abgesandten privat-Vorschläge, den 13ten Junii Anno 1646, in: von Meiern (Hrsg.), Acta Pacis Westphalicae Publica, Theil 3, 1735,

170

Lena Oetzel

zu erzielen, zeigt sich auch daran, dass sie wiederholt betonten, dieser Vorschlag sei nicht in Absprache mit dem Kurfürsten erfolgt, sondern beruhe auf ihrer Eigeninitiative.⁷⁷ Auch wenn die Idee zunächst auf allgemeine Skepsis stieß und verworfen wurde, erwies sie sich am Ende als gangbarer Kompromiss. Es ist bezeichnend, dass dieser tatsächlich fruchtbare Kompromissvorschlag nicht vom Dresdner Hof selbst, sondern von den vor Ort agierenden Gesandten kam, die offensichtlich klarer einzuschätzen vermochten, was es für eine Einigung bedurfte. Dies stützt Magnus U. Ferbers These von einer „Entfremdung“ oder „Verselbständigung der Diplomatie“ gegenüber dem Heimathof; oftmals mussten die Gesandten die Verhandlungsergebnisse und -dynamiken für den Hof „übersetzen“, um sie ihm in ihrer Bedeutung für eine Einigung verständlich zu machen.⁷⁸ Leuber bemühte sich redlich um eine solche Übersetzungsleistung, allerdings oft nur mit begrenztem Erfolg: Als beispielsweise die Antwort der Protestanten auf die katholische Erklärung im August 1646 immerhin auf 1621 als Normaljahr einzuschwenken schien, wertete Johann Georg I. dies nicht als Schritt in die richtige Richtung und positives Zeichen für den langsamen Erfolg des mäßigenden Einflusses seiner Gesandten, sondern erklärte: „wir spüren, wie die Evangelischen Stände nochmals auf ihren extremitäten beruhen, zu welcher völligen Einwilligung die Catholischen sich schwerlich verstehen werden […]“.⁷⁹ Ein weiterer Punkt verdeutlicht Kursachsens widersprüchliche und bisweilen gar kuriose Rolle während der westfälischen Friedensverhandlungen. Johann Georg I. mahnte zwar wiederholt die Notwendigkeit zum Kompromiss und eines schnellen Friedensschlusses an, gleichzeitig gab es für den Dresdner Hof aber sehr zentrale rote Linien, bei denen er sich nicht – oder nur unter Protest – kompromissbereit zeigte, so z. B. die Aufnahme der Reformierten in den Religionsfrieden. Als man sich im Frühjahr 1648 schließlich auf Art.VII des IPO einigte, der den Reformierten die gleichen Rechte zusprach wie Katholiken und Luthe-

S. 118 f. Ausführlich hierzu und auch zu den anderen Vorschlägen, die Leuber und Pistorius hier vorbrachten: Fuchs, Ein Medium zum Frieden, S. 171– 173; Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 357 ff.  Leuber und Pistorius betonten, dass sie ohne Weisung des Kurfürsten handelten u. a. in: 13. Juni 1646, Diarium Leuber, HStAD GA, Loc. 8134/1; Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1646 Juni 25, in: Acta Pacis Westphalicae, Serie II, Abt. A, Bd. 4: 1646. Bearb. von Hubert Salm u. a., 2001, Nr. 220, S. 371.  Vgl. Ferber, Die Gemeinschaft der Diplomaten, S. 257– 272, hier S. 265 ff. u. 272. Dieses Problem thematisiert auch Dorothée Goetze in ihrem Beitrag zu Rollenkonkurrenzen in der Politik Ferdinands III. in diesem Band.  Johann Georg I. an Leuber und Pistorius, Meißen 3. September 1646, HStAD GA, Loc. 8133/1, fol. 336 – 340‘, hier fol. 336.Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 43; Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 259 f.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

171

ranern, war man am Dresdner Hof empört und Leuber erhielt die Weisung, eine Änderung zu erwirken und notfalls seinen offiziellen Protest einzulegen, was er auch am 14./24. Juni 1648 tat.⁸⁰ Mit Blick auf die anti-reformierte Haltung Kursachsens ist dieses Vorgehen konsequent, allerdings zeugt es nicht von einer Fähigkeit zum pragmatischen Handeln um des Friedens willen und der so häufig propagierten anzustrebenden Einheit im Reich. Ähnlich paradox musste Leubers Verhalten sowohl bei der Beglaubigung des IPO per Handschlag am 27. Juli/6. August 1648 sowie schließlich bei der endgültigen Vertragsunterzeichnung am 14./24. Oktober 1648 wirken. Bei ersterer musste er seinen Handschlag verweigern. Er war nicht ausreichend instruiert, ob Johann Georg I. doch bereit war, die Satisfaktionszahlungen an Schweden zu akzeptieren, die er so vehement und gegen alle Widerstände abgelehnt hatte.⁸¹ Im Oktober stand Leuber wiederum vor dem Problem, dass der Kurfürst die Unterzeichnung des Vertragswerks durch die Reichsstände ablehnte, da dies seinem Verständnis von Kaiser und Reich als Einheit widersprach.⁸² In beiden Fällen musste sich Johann Georg I. schließlich der Mehrheit beugen; in beiden Fällen erschien sein Gesandter, der sich in seinem Auftrag immer für Kompromissbereitschaft und einen schnellen Friedensschluss eingesetzt hatte, in der Rolle des scheinbaren Friedensverweigerers.

4 Schlussbetrachtung Das Beispiel Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongress legt eindrücklich die eingangs angesprochenen Spannungsverhältnisse offen, die Friedenschließen nachhaltig erschweren können. Johann Georgs I. Politik war geprägt von dem Gegensatz von Prinzipientreue und Pragmatismus. Einerseits mahnte er wiederholt Kompromissbereitschaft und einen schnellen Friedensschluss an und distanzierte sich explizit von protestantischen Extremforderungen, indem er seinen Gesandten diplomatische Zurückhaltung auferlegte, eben weil er meinte, so seine Kaiser- und Reichstreue demonstrieren zu können. Tatsächlich schränkte dies den Handlungsspielraum seiner Gesandten nachhaltig ein. Andererseits mutete diese permanente Mahnung zur Kompromissbereitschaft mitunter paradox an, da es wiederholt Situationen gab, in denen die kursächsischen Gesandten auf Weisung ihres Kurfürsten eben nicht kompromissbereit agierten, weil dies  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 82 f., hier auch zum Einfluss des Oberhofpredigers. Außerdem: Sommer, Die lutherischen Hofprediger, S. 169 – 171.  Vgl. Schreckenbach, Kursachsen, S. 90.  Ebd., S. 91 f.

172

Lena Oetzel

gegen grundlegende Prinzipien der kursächsischen Politik verstoßen hätte: Die Ablehnung der Übernahme des Direktoriums wegen der aus kursächsischer Sicht nicht angemessenen Einmischung Schwedens in reichsinterne Angelegenheiten oder der Protest gegen die Aufnahme der Reformierten in den Religionsfrieden sind nur zwei Beispiele. Letztlich war Johann Georgs I. Insistieren auf Kompromissbereitschaft – in der Regel verstanden als ein Zugehen der Protestanten auf die Katholiken – nichts anderes als eine verdeckte Form der Kompromisslosigkeit, die genauso friedenshindernd sein konnte. Zum Friedenschließen genügt nicht allein die Bekundung des Friedenswillens und das Beklagen der Kriegsgräuel, wie es sich in den kursächsischen Resolutionen findet, sondern eine klare Einschätzung der Verhandlungssituation und darauf aufbauend ein entsprechend pragmatischer Umgang mit diesen Gegebenheiten. Bei der Analyse der eigenen Verhandlungsposition und des weiteren Vorgehens ist stets die Frage nach der Prioritätensetzung zu stellen: Ist das zur Debatte stehende Prinzip tatsächlich wichtiger als das Ziel des Friedens? Dies führt zum zweiten genannten Spannungsverhältnis, dem zwischen Hof und Gesandten vor Ort. Denn die Gesandten waren offensichtlich oftmals besser in der Lage, die Verhandlungsrealitäten einzuschätzen und ihr Handeln daran auszurichten, als es die jeweiligen Entscheidungsgremien fernab am Entsenderhof waren. Dies zeigt nicht nur das vorliegende Fallbeispiel Kursachsens, sondern auch das Agieren der Kaiserlichen, wie es Dorothée Goetze in ihrem Beitrag zu Rollenkonkurrenzen in der Politik Ferdinands III. darlegt. Diese Übersetzungsschwierigkeiten zwischen Verhandlungsort und politischem Machtzentrum sind ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es um die Frage geht, „warum Friedenschließen so schwer ist“.⁸³ Mit Blick auf Kursachsen lässt sich sagen, dass sicherlich im Sinne Burkhardts der Wunsch nach Ausgleich und Koexistenz der Konfessionen im Reich anerkennenswert sind und Leuber und Pistorius nach besten Kräften in diesem Sinne agierten. Gleichzeitig ist jedoch anzumerken, dass die daraus resultierende selbstauferlegte Zurückhaltung im Rückblick hemmend und nicht friedensfördernd wirkte.

Quellen Acta Pacis Westphalicae (APW). Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren

 So der Titel eines jüngst erschienenen Sammelbandes zum Westfälischen Friedenskongress, vgl. besonders die Einleitung von Goetze/Oetzel, Warum Friedenschließen so schwer ist.

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

173

Geschichte e.V. durch Konrad Repgen. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 4: 1646. Bearb. von Hubert Salm und Brigitte Wübbeke-Pflüger unter Benutzung der Vorarbeiten von Wilhelm Engels, Manfred Klett und Antje Oschmann. Münster 2001. Meiern, Johann Gottfried von (Hrsg.): Acta Pacis Westphalicae Publica oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. Theil 3. Hannover 1735. Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimes Archiv [HStAD GA]: Loc. 8130/1, 8130/5, 8131/1, 8131/3, 8133/1, 8133/2, 8134/1.

Literatur Auer, Leopold: Die Ziele der kaiserlichen Politik bei den Westfälischen Friedensverhandlungen und ihre Umsetzung, in: Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede, 1998 (siehe dort), S. 143 – 173. Becker, Winfried: Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1973. Burkhardt, Johannes: Der Dreißigjährige Krieg. Einfluß der sächsischen Politik auf die deutsche Geschichte, in: Lühr (Hrsg.), Sachsen im Dreißigjährigen Krieg, 1998 (siehe dort), S. 3 – 12. Burkhardt, Johannes: Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart 2018. Burkhardt, Johannes: Friedensschlüsse auf Sächsisch. Pazifizierende Sprachleistungen eines deutschen Landesstaates in der ersten Hälfte der Frühen Neuzeit, in: Heinz Duchhardt/Martin Espenhorst (Hrsg.), Frieden übersetzen in der Vormoderne: Translationsleistungen in Diplomatie, Medien und Wissenschaft. Göttingen 2012, S. 35 – 65. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Hrsg. von Konrad Repgen. 6. Aufl. Münster 1992. Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998. Duchhardt, Heinz: Kötzschenbroda 1645 – ein historisches Ereignis im Kontext des Krieges und im Urteil der Nachwelt, in: Sächsische Heimatblätter 6 (1995), S. 323 – 329. Ferber, Magnus Ulrich: Die Gemeinschaft der Diplomaten in Westfalen als Friedenspartei, in: Goetze/Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist, 2019 (siehe dort), S. 257 – 272. Fisher, Roger/Ury, William/Patton, Bruce: Das Harvard-Konzept. Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. 19. Aufl. Frankfurt a. M. 2000. Fuchs, Ralf-Peter: Ein Medium zum Frieden. Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges. München 2010. Fuchs, Ralf-Peter: Für die Kirche Gottes und die Posterität – Kursachsen und das Friedensmedium eines Normaljahres auf dem Frankfurter Kompositionstag 1631, in: Mitteilungen des Sonderforschungsbereichs ‚Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit‘ 1 (2007), S. 19 – 27. Fuchs, Ralf-Peter: Normaljahrsverhandlung als dissimulatorische Interessenvertretung, in: Arndt Brendecke (Hrsg.), Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 514 – 522.

174

Lena Oetzel

Fuchs, Ralf-Peter: Normaljahrsverhandlungen als moralischer Diskurs, in: Inken Schmidt-Voges/Siegrid Westphal/Volker Arnke/Tobias Bartke (Hrsg.), Pax perpetua: Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010, S. 123 – 139. Fuchs, Ralf-Peter: Vertrauensbildung durch Unwissen? Friedensverhandlungen über Normaljahre und die Black Box im Dreißigjährigen Krieg, in: Martin Espenhorst (Hrsg.), Unwissen und Missverständnisse im vormodernen Friedensprozess. Göttingen 2013, S. 71 – 87. Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019. Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena: Warum Friedenschließen so schwer ist: Der Westfälische Friedenskongress im Spannungsfeld von Tradition, Neuer Diplomatiegeschichte und politischer Aktualität. Einleitende Überlegungen, in: Goetze/Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist, 2019 (siehe dort), S. 1 – 18. Gotthard, Axel: Johann Georg I., 1611 – 1656, in: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.), Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige 1089 – 1918. München 2007, S. 137 – 147. Gotthard, Axel: „Politice seint wir bäpstisch“. Kursachsen und der deutsche Protestantismus im frühen 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Historische Forschung 20 (1993), S. 275 – 319. Heinker, Christian: Die Bürde des Amtes – die Würde des Titels. Der kursächsische Geheime Rat im 17. Jahrhundert. Leipzig 2015. Kaiser, Michael: Der Prager Frieden von 1635. Anmerkungen zu einer Aktenedition, in: Zeitschrift für Historische Forschung 28 (2001), S. 277 – 297. Kaiser, Michael: Der Stellenwert des Diariums, in: dk-blog, 12. April 2016. URL: https://dkblog. hypotheses.org/886 (abgerufen am 15. 06. 2020). Keller, Katrin: Das „eigentlich wahre und große Friedensfest … im ganzen Sachsenlande“. Kursachsen 1648 bis 1650, in: Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede, 1998 (siehe dort), S. 661 – 677. Keller, Katrin: Kriegsende und Friedensfest in Kursachsen, in: Lühr (Hrsg.), Sachsen im Dreißigjährigen Krieg, 1998 (siehe dort), S. 86 – 93. Kunath, Christian: Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg. Dresden 2010. Lühr, Hans-Peter (Hrsg.): Sachsen im Dreißigjährigen Krieg. Dresden 1998 (Dresdner Hefte 56, 1998, Sonderheft). Luttenberger, Albrecht P.: Ratio conscientiae – ratio politica. Konzeptionen der kaiserlichen und ständischen Verhandlungsführung auf dem westfälischen Friedenskongreß 1645/46 – 1648, in: Norbert Brieskorn/Markus Riedenauer (Hrsg.), Suche nach Frieden. Politische Ethik in der frühen Neuzeit II. Köln 2002, S. 271 – 319. May, Niels F.: Zwischen fürstlicher Repräsentation und adliger Statuspolitik: Das Kongresszeremoniell bei den westfälischen Friedensverhandlungen. Ostfildern 2016. Müller, Frank: Kursachsen und der Böhmische Aufstand. 1618 – 1622. Münster 1997. Nicklas, Thomas: Macht oder Recht. Frühneuzeitliche Politik im obersächsischen Reichskreis. Stuttgart 2002. Oetzel, Lena: Intertextualität diplomatischer Berichterstattung. Das Diarium und die Relationen der kursächsischen Gesandtschaft auf dem Westfälischen Friedenskongress, in: Thomas Dorfner/Thomas Kirchner/Christine Roll (Hrsg.), Berichten als Herausforderung. Europäische Gesandtenberichte der Frühen Neuzeit in praxeologischer Perspektive [in Vorbereitung; voraussichtl. 2021].

Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation

175

Oetzel, Lena: Zwischen Dynastie und Reich. Rollen- und Interessenkonflikte Ferdinands III. während der Westfälischen Friedensverhandlungen, in: Katrin Keller/Martin Scheutz (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie und der Dreißigjährige Krieg. Jahrestagung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 2018. Wien 2020, S. 161 – 176. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643 – 1648). Münster 1979. Schreckenbach, Hans-Joachim: Dr. Johannes Leuber. Kursächsischer Gesandter beim Westfälischen Friedenskongreß: Eine biographische Skizze, in: Friedrich Beck (Hrsg.), Archivistica docet: Beiträge zur Archivwissenschaft und ihres interdisziplinären Umfelds. Potsdam 1999, S. 323 – 338. Schreckenbach, Hans-Joachim: Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Leipzig 1952. Sennewald, Roland: Die Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg. 2 Bde. Berlin 2013. Sommer, Wolfgang: Die lutherischen Hofprediger in Dresden. Grundzüge ihrer Geschichte und Verkündigung im Kurfürstentum Sachsen. Stuttgart 2006. Watanabe-O’Kelly, Helen: Court Culture in Dresden. From Renaissance to Baroque. Basingstoke 2002. Wolff, Fritz: Corpus evangelicorum und Corpus catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Die Einfügung der konfessionellen Ständeverbindungen in die Reichsverfassung. Münster 1966.

III.C: Die kompromissbereite Partei und ihre Verhandlungen

Maria-Elisabeth Brunert

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur zum Westfälischen Friedenskongress 1 Einleitung Der Begriff „Dritte Partei“ wird in mehreren besonders verbreiteten und angesehenen historiographischen Werken, die den Westfälischen Friedenskongress oder damit verbundene Akteure betreffen, zur Bezeichnung einer konfessionsübergreifenden Gruppierung reichsständischer Gesandter gebraucht, die den Friedensprozess in der Endphase der Verhandlungen eigeninitiativ vorantrieb.¹ Daneben werden auch andere reichsständische Zusammenschlüsse oder auch zufällig entstandene Gruppen ohne gemeinsame Zielvorstellung aus der Epoche des Dreißigjährigen Krieges zeitgenössisch und teils auch in der Sekundärliteratur so genannt.² Eine Würdigung oder Definition, die all diese Erscheinungsformen berücksichtigen würde, fehlt bislang.³ Wohl hat sich Klaus Peter Decker in seiner Mainzer Dissertation von 1978 einleitend mit dem Begriff „Dritte Partei“ auseinandergesetzt. Sein Thema sind allerdings die Beziehungen der Reichsstände zu Frankreich im Zeitalter Ludwigs XIV.; er befasst sich mit den „Ansätze[n] zur Bildung einer ‚Dritten Partei‘ in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges“ (1672– 1675).⁴ Deshalb können seine Untersuchungsergebnisse nicht auf die Ereignisse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts übertragen werden. So sei nur auf seine einführende Erwägung verwiesen, dass der Begriff „Dritte Partei“ zu den „durch Erfahrung aus sich selbst heraus verständlichen Begriffen des politischen

 So Dickmann, Der Westfälische Frieden, 1959, 2. Aufl. 1965, 3. Aufl. 1972, 4. Aufl. 1977, 5. Aufl. 1985, 6. Aufl. 1992, 7. Aufl. 1998, S. 428 und öfter; Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 1046; Kampmann, Europa und das Reich, S. 167 f.; Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 88.  Zum zeitgenössischem Gebrauch siehe im Text bei Anm. 8, 10 und 14.  Positiv hervorzuheben ist der Definitionsversuch bei Croxton/Tischer, The Peace of Westphalia, S. 291 f., Lemma: „Third Party“. Sie unterscheiden zwischen reichsständischen Gruppierungen während des Kriegs, die keinem der zwei politischen Blöcke angehörten, weder der kaiserlichen Partei noch der protestantischen Opposition und die oft nur als „Dritte Partei“ geplant, aber nicht realisiert wurden. Sodann würdigen sie als andere dritte Partei die oben genannte konfessionsübergreifende Gruppe, deren Mitglieder aber nicht vollständig und auch nicht ganz zutreffend benannt werden.  Decker, Frankreich und die Reichsstände, Untertitel. https://doi.org/10.1515/9783110703795-010

180

Maria-Elisabeth Brunert

Sprachgebrauchs“ zählt, vertraut aus der juristischen Sphäre ebenso wie von politischen oder militärischen Konflikten.⁵ Decker argumentiert, dass es in seiner Monographie um eine „spezifische historische Realität“ gehe und den zugehörigen zeitgenössischen Terminus, der einer speziellen Untersuchung bedürfe.⁶ Ebenso verhält es sich mit dem Gebrauch des Begriffs während der Westfälischen Friedensverhandlungen. Angaben zu Herleitung und Geschichte des Begriffs sind bislang aber spärlich oder fehlen ganz. Dies soll im Folgenden nachgeholt werden. Vollständigkeit der Belege wird dabei nicht erstrebt. Analoges gilt für den Begriff „Friedenspartei“, der seit dem 19. Jahrhundert einen Alternativbegriff für bestimmte Gruppierungen während des Westfälischen Friedenskongresses darstellt. Auch hier sollen Herleitung und Bedeutungsdefinition versucht werden.

2 Zeitgenössischer Gebrauch Schon zur Zeit des Westfälischen Friedenskongresses wurde der Begriff „Dritte Partei“ verwendet, allerdings nur selten. Um so wichtiger ist es, die Belege auf ihren Aussagewert hin zu analysieren. Die im Folgenden genannten Beispiele sind den Akten des Friedenskongresses oder deren Umfeld entnommen, wobei unterschiedliche Quellengattungen (Briefe, Protokolle) berücksichtigt werden. Der Terminus wurde auf mehrfache, inhaltlich differente Weise verwendet. Zum einen geschah dies in unspezifischer Weise zur Bezeichnung einer Teilmenge.⁷ „Dritte Partei“ bezeichnet dabei ein gewisses, in seiner Größenordnung unbestimmtes Quantum von einem größeren Ganzen. So heißt es bei der Schilderung eines uneinheitlichen Beratungsergebnisses im Fürstenrat Osnabrück am 30. Juli 1648 gemäß einer kurfürstlichen Protokollüberlieferung: Die einen hätten so votiert, die anderen anders. „Die dritte partey hette sich aus mangell instruction undt anderer considerationen halber in votis nicht desfals heraußer laßen wollen. Und dieße dritte hette die maiora der alhier anwesenden furstlichen gemacht […].“⁸ Diese „dritte partey“ hatte also gar nicht Stellung bezogen zur pro-

 Ebd., S. 10.  Ebd.  Das Lehnwort „Partei“ leitet sich (über mehrere sprachliche Zwischenstufen) ab von lateinisch „pars“ mit den Hauptbedeutungen „Teil, Anteil“, siehe Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarb. unter der Ltg. von Wolfgang Pfeifer, S. 974 f.  Siehe künftig in: Acta Pacis Westphalicae (im Folgenden: APW). Serie III. Abt. A: Protokolle. Bd. 1/2: Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie 1648. Nr. 186, Sitzung des Kurfürstenrats sowie Re- und Correlation, Osnabrück, 1648 August 1 (in Vorbereitung).

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

181

ponierten Frage, und zwar aus heterogenen Gründen (keine Instruktion, nicht benannte Erwägungen). So wäre es verfehlt, von einer vorhergehenden Absprache der Votanten auszugehen, zumal es sich nur um einen Punkt einer dreigliedrigen Proposition handelte, also um keine Kernfrage der Verhandlungen. Demnach war es keine absichtlich gebildete „dritte Partei“, sondern eine sich aus heterogenen Motiven ad hoc ergebende Gruppe, die keine weitergehenden gemeinsamen (politischen) Ziele verfolgte. Ein anderer Gebrauch des Begriffs findet sich in einem Bericht des kaiserlichen Hauptgesandten Graf Trauttmansdorff (1584– 1650) an den Kaiser vom 12. Februar 1646.⁹ Der Diplomat informierte Ferdinand III. angesichts der stockenden Verhandlungen über einen Plan zur Beschleunigung des Friedensprozesses. Er stammte von dem Kriegsrat und Generalproviantmeister des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel Jacob Arend Pape; zumindest gab dieser an, nur für sich und nicht im Auftrag des Herzogs zu sprechen. Der Plan korrespondierte „fast“ mit einem Vorschlag, den Trauttmansdorff im Oktober 1645 in einem Gutachten formuliert hatte. Auch der kursächsische Feldmarschall Johann Georg von Arnim (1581– 1641) hatte ähnliche Pläne gehegt, so Trauttmansdorff. Zudem hatte nach Papes Bericht der Kommandant der Westfälischen Kreisarmee, Peter Graf von Holzappel (1585 – 1648), gleichfalls analoge Vorstellungen entwickelt. Nach diesem anscheinend in Kreisen der Armee erwogenen Plan handelte es sich um einen militärischen Zusammenschluss von – protestantischen – Reichsständen mit dem Ziel, jene Reichsstände, die sich dem Frieden noch widersetzten, zum Frieden zu zwingen. Als Befehlshaber sollte Holzappel fungieren, während dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel das Generalat zugedacht war, zumal dessen aktive Truppen den Kern der neu entstehenden Armee bilden sollten, die durch Zuzug aus den feindlichen Armeen mittels kaiserlicher und reichsständischer Avocatorialmandate zu ergänzen sei. Pape hoffte, dass neben Hans Christoph Graf Königsmarck (1600 – 1663), der früher in kaiserlichen und damals in schwedischen Diensten stand, Truppenteile von der „Schwedischen parthey“ abgezogen und in den Dienst der neuen Armee unter dem Generalat des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel treten würden. Diese geplante militärische „verfassung“ habe Pape, wie Trauttmansdorff berichtete, „die dritte parthey genennet“.¹⁰ Ein Antwortschreiben des Kaisers liegt nicht vor. Offensichtlich billigte er den Plan nicht. Die Gründe sind leicht nachvollziehbar: Es konnte nicht in seinem

 APW. Serie II. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 3: 1645 – 1646. Bearb. von Karsten Ruppert, 1985, S. 236 – 238 (= Nr. 151).  Ebd., S. 237, Z. 29.

182

Maria-Elisabeth Brunert

Interesse liegen, dass sich neben der kaiserlichen Reichsarmee eine weitere Armee unter dem Generalat des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel formierte, die sich als dritte Kraft zwischen Reich und Schweden verstand. Das galt auch unter der Voraussetzung, dass diese Armee widerstrebende Reichsstände zum Frieden und zur Vereinigung mit dem Kaiser nötigen wollte, damit dieser dann letztlich Schweden zum Frieden zwingen könne. Trauttmansdorff muss bewusst gewesen sein, dass dem Kaiser die Aufstellung einer solchen Armee nicht gefallen konnte. So hat er in seinem insgesamt etwas unklar formulierten Bericht zunächst an die seinerseits im Oktober 1645 vorgeschlagene „vereinbar[ung] und zusamensetzung der standt mit ihrem höchsten oberhaubt“¹¹ erinnert und erst dann referiert, dass Pape in seinen in etwa ähnlichen Plänen von einer „dritte[n] parthey“ gesprochen habe. In der Edition wird dieser Begriff nicht erläutert. Einen Hinweis gibt das in der Sprache der modernen Politik formulierte Inhaltsregest: „Koalition der Reichsstände mit dem Kaiser?“¹² Eine Koalition schließen eine oder mehrere – im Prinzip gleichrangige – Parteien. Wäre der Plan Papes in die Tat umgesetzt worden, wäre der Kaiser bzw. die kaiserliche Reichsarmee zu einer „parthey“ neben der reichsständischen Armee unter dem Generalat des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel geworden, auch wenn diese als Ziel die Erzwingung des Friedens hatte und damit im Sinne des Trauttmansdorffschen Gutachtens vom Oktober 1645 die „vereinbar- und zusamensetzung der standt mit ihrem höchsten oberhaubt“. Es bleibt festzuhalten, dass diese nicht realisierte, reichsständische „dritte parthey“ im militärischen Bereich angesiedelt gewesen wäre und damit eine Organisationsstruktur mit geregeltem Oberbefehl gehabt hätte. Trauttmansdorff zitiert Pape mit dem Begriff „dritte parthey“, gebraucht ihn aber nicht selbst. Man kann daraus auf eine gewisse Distanzierung des Diplomaten schließen, die sich am stringentesten aus seiner Position als kaiserlicher Gesandter erklärt, der bewaffnete „partheyen“ neben dem Kaiser kaum gutheißen konnte. Zudem ist erwähnenswert, dass Trauttmansdorff ähnliche, ältere Bestrebungen (von Arnim) kannte. Papes geplante „dritte parthey“ war demnach nicht die erste, und es war auch nicht die letzte, denn ab Oktober 1647 begannen Sondierungen des Kurfürsten von Brandenburg bei Braunschweig, Sachsen und anderen norddeutschen Höfen mit dem Ziel, einen Zusammenschluss evangelischer Reichsstände zu erreichen. In bewaffneter Neutralität sollten diese einen Verständigungsfrieden erzwingen.¹³ Der französische Gesandte d’Avaux (1595 – 1650) sprach von diesem

 Ebd., Z. 9 f.  Ebd., S. 236, Z. 10.  Siehe Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 453.

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

183

geplanten Zusammenschluss in einem Schreiben vom 30. Dezember 1647 an den leitenden französischen Minister Jules Mazarin (1602– 1661) als „tiers party“.¹⁴ Ein fast zeitgleicher Beleg findet sich aller Wahrscheinlichkeit nach bei dem Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn (1605 – 1673). Dieser schrieb am 24. Januar 1648 an den Kommandanten der Westfälischen Kreisarmee Holzappel, er sei mit dem Plan, „eine dritte Partei zu gründen“, durchaus einverstanden. Der Historiker Georg Mentz (1870 – 1943) zitiert diese Stelle in seiner Habilitationsschrift aus dem Jahr 1896 nach Archivüberlieferung, allerdings ohne orthographische Genauigkeit.¹⁵ Wenn er bei der Wiedergabe des Briefzitats mit der in einer Habilitationsschrift vorauszusetzenden Sorgfalt vorgegangen ist, hat der Kurfürst von Mainz den fraglichen Terminus „dritte Partei“ verwendet.

3 „Mittelpartei“, „Friedenspartei“, und „Dritte Partei“ in der Forschungsliteratur Die geplante, aber gescheiterte kurbrandenburgische Initiative zur Formierung eines Zusammenschlusses norddeutscher protestantischer Reichsstände nannte Bernhard Erdmannsdörffer 1867 eine geplante, „den Frieden erzwingende Mittelpartei“. Im selben Zusammenhang sprach er zudem von „dieser neuen evangelischen Partei“.¹⁶ Der heute nicht mehr gebräuchliche Begriff „Mittelpartei“ war im späteren 19. Jahrhundert zumindest in protestantischen Kreisen bekannt, denn diesen Namen trug eine 1873 in Halle gegründete, innerprotestantische kirchenpolitische Gruppierung, die sich auch „Evangelische Vereinigung“ nannte und sich gegen „verkehrte Parteitendenzen zur Rechten und zur Linken“ absetzen wollte.¹⁷ Sie nahm also eine mittlere Position ein und konstituierte sich auf der außerordentlichen Generalsynode 1875 als „evangelische Mittelpartei“.¹⁸ Diese

 APW. Serie II. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647– 1648. Bearb. von Christiane Neerfeld unter Mithilfe von Rita Bohlen und Michael Rohrschneider, 2010, S. 296, Z. 4 (= Nr. 76). Im diesbezüglichen Kommentar wird der Begriff „Dritte Partei“ gebraucht, der auch ins Register aufgenommen wurde unter dem Lemma: „Dritte Partei der norddt. Fürsten“, siehe S. 213, Anm. 3, und S. 616. Zur Verwendung der Bezeichnung „tiers party“ in der französischen Außenund Reichspolitik vgl. auch den Beitrag von Guido Braun zur französischen Außenpolitik in diesem Band.  Mentz, Johann Philipp von Schönborn, Teil 1, S. 37, Anm. 3.  Erdmannsdörffer, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Urkunden und Actenstücke, S. 739‒744, hier S. 742.  Mau, Die Formation der kirchlichen Parteien, S. 233 – 247, hier S. 240.  Ebd., S. 241.

184

Maria-Elisabeth Brunert

Bezeichnung mit dem charakterisierenden Adjektiv lässt den Schluss zu, dass es auch andere „Mittelparteien“ gab. Erdmannsdörffer, geboren 1833 in Altenburg und evangelischer Konfession, kann in seiner Publikation von 1867 nicht durch den Namen der 1873 gegründeten kirchenpolitischen „Vereinigung“ beeinflusst gewesen sein. Aber es ist anzunehmen, dass der Begriff „Mittelpartei“ keine Neuschöpfung des Jahres 1873 war, sondern schon zuvor gebräuchlich gewesen ist für Vereinigungen/Gruppierungen, die keine extremen, sondern dazwischen liegende, mittlere Positionen einnahmen, wie es auch die Erläuterung im Grimmschen Wörterbuch, allerdings erst für 1885, nahelegt.¹⁹ Erdmannsdörffers Terminologie gewinnt Bedeutung durch die Rezeption seines Werks durch den schwedischen Historiker und Archivar Clas Theodor Odhner (1836 – 1904), dessen zunächst auf Schwedisch publizierte Monographie zum Westfälischen Frieden 1877 in Gotha auf Deutsch erschien, übersetzt von dem Schweden Emil Peterson.²⁰ Odhner beherrschte selbst die deutsche Sprache, wie seiner „Vorrede“ zu entnehmen ist: Er habe die Druckfahnen nicht revidieren können und daher eine – ebenfalls publizierte – Corrigendaliste erstellt.²¹ Das ist wichtig für die Bewertung seiner Terminologie. Odhner ersetzte nämlich einmal den Begriff „Katholiken“ durch „ultramontane[.] Partei“.²² Er benutzte also die politische Sprache seiner Zeit für die Verhältnisse der Westfälischen Friedensverhandlungen, und er autorisierte die Übersetzung Petersens, denn abgesehen von den relativ wenigen Corrigenda hatte er offensichtlich nichts daran auszusetzen. Odhners Monographie basiert auf breiter Quellenkenntnis mit Schwerpunkt auf den Hauptsignatarmächten, besonders Schweden, doch unter Einbeziehung der wichtigsten reichsständischen Überlieferungen. Das Werk von Erdmannsdörffer lobt er ausdrücklich.²³ Entsprechend kennt er die Initiative des Kurfürsten von Brandenburg, sieht sie aber in größerem Zusammenhang mit älteren, entsprechenden, aber nicht explizit geschilderten Bestrebungen. Schon mehrfach sei während des Krieges „von einer in Deutschland zu bildenden ‚dritten Partei‘ die

 „partei die zwischen der rechten und der linken steht, besonders im heutigen politischen leben“: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 6, bearb.von Moriz Heyne, 1885, Sp. 2405. Heyne erwähnt in seinem Vorwort eine Bearbeitungszeit von über acht Jahren und ältere, wenn auch geringfügige, Vorarbeiten. Insofern ist seine Erläuterung älter als das Publikationsjahr. Siehe ebenda, Sp. I.  Odhner, Sveriges deltagande i Westfaliska fredskongressen; ders., Die Politik Schwedens. Odhner nennt den Übersetzer ebd., S. VIII.  Odhner, Die Politik Schwedens, S. IX f.  Ebd., S. X.  Ebd., S. XII.

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

185

Rede gewesen“, und er setzt hinzu: „einer Mittelpartei, welche, wo es nöthig wäre, die Rolle eines Schiedsrichters zwischen dem Kaiser und den fremden Kronen spielen“ sollte.²⁴ Es ist hier nicht zu prüfen, ob die Zuschreibung einer Schiedsrichterrolle zutreffend ist, im Fokus steht die Terminologie. Die Analyse ergibt, dass Odhner „dritte Partei“ in Anführungszeichen setzte, Mittelpartei aber nicht. Vielmehr fügte er diesen Begriff zur Erläuterung der vorher genannten „dritten Partei“ hinzu. Er setzte also bei seinen Lesern die Kenntnis von Mittelparteien voraus, was angesichts der im zeitlichen Umfeld gegründeten „evangelischen Mittelpartei“ einleuchtend erscheint. Zudem legen die Anführungszeichen bei „dritte Partei“ die Annahme nahe, dass es sich um ein Quellenzitat handelt, obwohl Odhner es nicht nachweist. Odhner widmet der Initiative Kurbrandenburgs weniger Aufmerksamkeit als einem Zusammenschluss von „moderaten“ Katholiken mit „den Führern der protestantischen Partei“.²⁵ Schon bevor er über Kurbrandenburgs gescheiterten Plan spricht, erwähnt er die Bemühungen der „mächtigeren“ Reichsstände beider Konfessionen als einer „deutschen Friedenspartei“.²⁶ Der Begriff „Friedenspartei“ wird auch in anderen und gerade auch in modernen Werken zum Friedenskongress gebraucht, allerdings ohne eindeutige inhaltliche Festlegung auf eine bestimmte Gruppierung bei den Verhandlungen oder den Verhandlungsparteien.²⁷

 Ebd., S. 244.  Ebd., S. 247.  Ebd., S. 242.  Der Kern dieses Begriffs ist wahrscheinlich eine Formulierung von Johann Gottfried von Meiern in seinem Editionswerk: Acta Pacis Westphalicae Publica, Theil 4, 1735, S. 864, Inhaltsangabe zu Buch 33 § XX: „Deliberation einiger friedfertigen Gesandten utriusque Religionis, wegen Beforderung der Tractaten“, dazu der Marginalvermerk S. 933: „Deliberationes einiger friedfertigen Gesandtschafften, wie die Tractaten zu befördern wären?“ (zu: Januar 1648). Karl Ludwig von Woltmann, zu dessen Hauptquellen Meierns Werk zählt, spricht in seiner Geschichte des Westphälischen Friedens, Theil 2, S. 256, von den „Friedfertigen unter den Katholiken“ und bezieht sich dabei auf die Ausdrucksweise eines Mitglieds der später so genannten „Friedenspartei“. Mehrfach findet sich der Begriff in der Dissertation von Karl Wild, Johann Philipp von Schönborn, S. 131, S. 133 im Text und in Anm. 2. Wild nennt die Gruppe katholischer und protestantischer Gesandter „Friedenspartei“, die 1648 durch ihre Beteiligung an den Verhandlungen zu deren Erfolg maßgeblich beitrugen. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 430, sieht in Schönborn die führende Persönlichkeit innerhalb der „Friedenspartei“, die mit seiner Wahl im November 1647 einen großen Erfolg errungen habe. Diese Stelle ist als Zitat angeführt in der Habilitationsschrift von Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 84, und damit auch der Begriff „Friedenspartei“, den Jürgensmeier später erneut verwendet: Kurfürst Maximilian von Bayern habe an ihrer Spitze gestanden (so S. 122). Auch Joachim F. Foerster verwendet den Begriff, bezeichnet damit aber unterschiedliche Gruppierungen, siehe in seiner Dissertation: Foerster, Kurfürst Ferdinand von Köln, S. 331: „die kaiserlich-bayerische Friedenspartei“; sodann mehrfach

186

Maria-Elisabeth Brunert

Man kann „Friedenspartei“ als eine politische Gruppierung innerhalb oder außerhalb des Reichs definieren, die dem Friedensziel oberste Priorität einräumte und bereit war, dafür andere Intentionen hintanzusetzen. Nach Odhner konnte man innerhalb der „deutschen Friedenspartei“ verschiedene „Gruppirungen“ unterscheiden. Als eine solche sieht er die gescheiterte Initiative Kurbrandenburgs an, die er zunächst behandelt, um dann ausführlich auf die Friedensbemühungen der überkonfessionell zusammengesetzten Gruppe einzugehen, die nicht im militärischen Bereich, sondern in Münster und – vornehmlich – Osnabrück mit Verhandlungsinitiativen und neuen Verhandlungsformen den Friedensprozess voranzubringen suchte. Kernpunkt dieser Bemühungen war das Bestreben, sich als Faktor in die Verhandlungen einzubringen, als dritte Kraft sozusagen, neben Kaiserlichen und Schweden.²⁸ Die Begriffe „dritte Partei“ oder „Mittelpartei“ gebraucht Odhner bei der Schilderung von deren Aktivitäten aber nicht. Unter den „mächtigeren“ Reichsständen auf katholischer Seite, die Odhner hervorhebt, nimmt der Mainzer Kurfürst Schönborn neben dem Kurfürsten von Bayern die Spitzenposition ein. Schönborn geriet am Ende des 19. Jahrhunderts in den Fokus der historischen Forschung: Neben der Habilitationsschrift von Georg Mentz erschien im selben Jahr 1896 die Dissertation von Karl Wild.²⁹ Beide tragen Schönborns Namen im Titel, bei Wild mit dem plakativen Zusatz: „genannt der deutsche Salomo, ein Friedensfürst zur Zeit des dreißigjährigen Krieges“. Diesem publizistischen Doppelschlag verdankt die Forschung einen Definitionsversuch zum Begriff „Dritte Partei“: Der Jurist Hans Peter Ipsen (1907– 1998) erwähnt 1940 in einer Abhandlung Vom Begriff der Partei die von Schönborn geführte „Koalition mit Brandenburg und anderen“ als eine „bekannte ‚Dritte Partei‘ des Mittelalters“ [!] und verweist dabei auf die Publikationen von Mentz und Wild.³⁰ Er er-

in Bezug auf die konfessionsübergreifende Gruppierung, die Odhner als Friedenspartei bezeichnet hat (S. 355, 356, 358); desgleichen bei Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß, S. 332: „Der erste Sieg einer über die Konfessionsgrenzen hinweg sich bildenden politisch orientierten Friedenspartei“. Konrad Repgen (1923‒2017) spricht von einer „konfessionell übergreifenden ‚Friedenspartei‘ der Reichsstände“, die sich im Herbst 1647 bemerkbar gemacht habe, und an anderer Stelle von „der reichsständische[n] Friedenspartei“ in: Repgen, Die Hauptprobleme der westfälischen Friedensverhandlungen, S. 425‒459, hier S. 454, 457 (Erstveröffentlichung, etwas kürzer und unter abweichendem Titel, in den beiden Zitaten aber identisch, 1998 [Nachweis ebd., 425 Anm. *]; in identischer Form zuerst 1999 [Nachweis ebd., S. 1152]). – Der Begriff fehlt im Grimmschen Wörterbuch.  Odhner, Die Politik Schwedens, S. 247. Zeitlich setzt Odhner mit Dezember 1647 ein.  Zu Mentz siehe Anm. 15, zu Wild siehe in Anm. 27.  Ipsen, Vom Begriff der Partei (1940), S. 309 – 336, hier S. 328, Anm. 2. Ipsens Darstellung ist nach heutigem Maßstab veraltet, zeigt auch ideologische Spuren ihrer Entstehungszeit. Im ge-

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

187

läutert, wie sie sich von anderen „Dritten Parteien“, etwa politischen Parteien in England und den USA, unterscheide. Es habe sich um keine „Partei“ (im modernen Sinne) gehandelt, sondern um „eine politische Koalition ohne Organisation“, die sich „im Grunde“ um die politische Teilhabe der Stände an den Friedensverhandlungen und damit um eine „günstige Verfassungsänderung“ bemüht habe.³¹ Fritz Dickmann (1906 – 1969), dessen Monographie zum Westfälischen Frieden³² für mehrere Jahrzehnte als das maßgebliche Standardwerk galt, kannte Ipsens Abhandlung nicht. Seine zwischen 1942 und 1958 entstandene Publikation³³ ist das erste historiographische Werk, in dem der Begriff „Dritte Partei“ eine hervorgehobene Rolle spielt. Schon in einem Unterkapitel, in dem er sich mit den „Anfänge[n] einer Friedenspartei“ beschäftigt, erwähnt er den Begriff „dritte Partei“ zweimal, einmal mit, einmal ohne Anführungszeichen und beide Male bezogen auf das oben geschilderte Vorhaben des Kurfürsten von Brandenburg, der „zwischen den Fronten“ mit der durch seine Initiative gebildeten „dritten Partei“ aus evangelischen Fürsten Norddeutschlands den Frieden habe „erzwingen“ wollen.³⁴ Ein späteres Unterkapitel trägt den Titel „Der Kaiser und die ‚dritte Partei‘“.³⁵ An früherer Stelle in seinem chronologisch aufgebauten Werk erwähnt er die „geplante Gründung einer ‚dritten Partei‘ zwischen Schweden und dem Kaiser“, nämlich jene auch von Trauttmansdorff angeführte Initiative des Feldmarschalls von Arnim.³⁶ Eine Auseinandersetzung mit dem Begriff fehlt, obwohl Dickmann in anderen Fällen Definitionen angibt, wie etwa beim kaiser-

gebenen Kontext ist sie wertvoll, da sie den Begriff „Dritte Partei“ in der Zeit des Westfälischen Friedenskongresses in die Analyse einbezieht. Eine moderne Darstellung der politischen Parteien bietet Siri, Parteien, siehe dort S. 33 zum Begriff der modernen Partei im Gegensatz zum Parteibegriff der Vormoderne, der sich von lateinisch „pars“ herleitet. Den Hinweis auf Ipsens Publikation verdanke ich Herrn Dr. Günter Buchstab, Rheinbach.  Ebd.  Siehe Anm. 1, dort auch die Erscheinungsjahre der sieben Auflagen seines Werks. Dickmann führt die Werke von Mentz, Odhner und Wild im Literaturverzeichnis an (S. 588, 591), den Quellenband mit der Einleitung Erdmannsdörffers (dazu oben Anm. 16) im Quellenverzeichnis (S. 584). Abgesehen von der Ergänzung eines Vorworts zur zweiten Aufl. sind Dickmanns Text und Anmerkungsapparat in den höheren Auflagen so gut wie unverändert.  Elisabeth Dickmann, Friedensforschung in Kriegszeiten, S. 33 – 39. Die Arbeit Fritz Dickmanns an der Monographie wurde durch Kriegsdienst unterbrochen und später durch seinen Lehrerberuf behindert. Das Vorwort seiner Monographie datiert von 1958.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 428, 429.  Ebd., S. 443; das Kapitel reicht bis S. 455.  APW II A 3, S. 236, Z. 22 f. mit Anm. 4, wo auf die entsprechende Stelle bei Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 59, verwiesen ist.

188

Maria-Elisabeth Brunert

lichen „Vorgriff“.³⁷ Wie diesen Terminus hat er auch „Dritte Partei“ ins Register aufgenommen, Vorgriff ohne, „Dritte Partei“ mit Anführungszeichen.³⁸ Er weist allerdings nicht sämtliche Erwähnungen von „Dritte Partei“ nach, denn die durch Arnim geplante ist nicht erfasst.Vielmehr betrifft der erste Registereintrag die sich 1647/48 bildende „dritte Partei“ von Protestanten und „gemäßigten Katholiken“.³⁹ Man kann erwägen, ob Dickmann einfach nur diese eine, besondere „Dritte Partei“ als bemerkenswert für die Friedensverhandlungen (also sein Thema) ansah und deshalb nur die entsprechenden Einträge ins Register aufgenommen sehen wollte. Doch wäre das kein Argument gegen die Aufnahme anderer „Dritter Parteien“ unter einem eigenen Lemma. Generell ist als Manko zu verzeichnen, dass Dickmann keine allgemeine Definition des Begriffs gibt, was um so angebrachter gewesen wäre, wenn er tatsächlich zwischen verschiedenartigen „Dritten Parteien“ unterschieden hätte. Im Ganzen ist seine Behandlung des Phänomens „Dritte Partei“ unbefriedigend und fällt sogar hinter Odhner zurück. Ähnlich sah das anscheinend Dieter Albrecht (1927– 1999), der in seiner Biographie Kurfürst Maximilians von Bayern „die bewußte Formierung einer dritten Partei aus gemäßigten Katholiken und Protestanten“ erwähnt, die „unabhängig von Schweden und dem Kaiser (und den katholischen Intransigenten) zunächst in Separatverhandlungen zur Lösung der Gravaminafragen gelangen sollte“. Er verweist dazu auf Odhner, nicht auf Dickmann.⁴⁰ Hingegen apostrophiert der Kirchenhistoriker Friedhelm Jürgensmeier in seiner Mainzer theologischen Habilitationsschrift zu Kurfürst Schönborn nur die katholischen Mitglieder derselben Gruppierung als „sogenannte ‚dritte Partei‘“, die in „Privatkonferenzen mit den gemäßigten Protestanten die noch offenen Religionsfragen“ zu klären unternahm.⁴¹ Auch er verweist nicht auf Dickmann, obwohl er ihn grundsätzlich kennt und für andere Details zitiert. Allerdings gibt Jürgensmeier überhaupt keinen Beleg oder Nachweis zu dem Begriff „sogenannte ‚dritte Partei‘“.

 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 573 (Sachanm.).  Ebd., S. 604 und 626. Die Einträge waren in der ersten Auflage schon entsprechend, dort aber S. 596 und 618.  Dazu ebd. (7. Aufl.), S. 401.  Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 1046.  Jürgensmeier, Johann Philipp von Schönborn, S. 122. Jürgensmeier kennt neben Dickmann auch Wild und Mentz, nicht aber Odhner.

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

189

4 Fazit Sucht man nach einer allgemeinen, übergeordneten Definition dessen, was „Dritte Partei“ meint, bietet sich die Begriffsbestimmung des Juristen Ipsen an: „Gemeinsam ist der Idee einer ‚Dritten Partei‘ […], in einer neuen andern Haltung bisherige Gegensätze zu überwinden und in einer höheren Entscheidung aufzuheben.“⁴² Die Art, wie bisherige Gegensätze überwunden wurden bzw. überwunden werden sollten, differiert bei den oben behandelten Beispielen aus dem Dreißigjährigen Krieg. Teils war an die Aufstellung eigener Truppenverbände gedacht, die bestimmte Gruppen von Reichsständen aufzustellen oder von anderen Armeen an sich zu ziehen gedachten. Damit war die Vorstellung verbunden, das gemeinsame Ziel (den Frieden) mit Gewalt zu erzwingen. Teils wurde geplant und auch realisiert, durch die Initiative zu ausgleichenden, vermittelnden Verhandlungen, also durch friedliche Mittel, den Gegnern zur Erreichung des allseits gewünschten Friedensziels zu verhelfen. Die Gegner sind dabei gewissermaßen die erste und zweite „Partei“, die „dritte“ hilft über Verhandlungsstillstände hinweg. Es bleibt festzuhalten, dass der Begriff „Dritte Partei“ (in der Form: „dritte parthey“ oder „tiers party“) zeitgenössisch ist. Er bedurfte anscheinend keiner weiteren Erläuterung und wurde zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges für (geplante) reichsständische militärische Unternehmungen gebraucht, oder, anders gewendet: für Zusammenschlüsse mehrerer Reichsstände zum Zweck des gemeinsamen militärischen Eingreifens oder auch nur als Zusammenschluss, der durch bewaffnete Neutralität einen eigenen Faktor als dritte Kraft zwischen zwei gegensätzlichen militärischen und politischen Machtfaktoren bilden sollte. In die historische Fachliteratur hat ihn, soweit bislang ersichtlich, Odhner eingeführt und ihn mit dem seinerzeit bekannten, heute aber nicht mehr gebräuchlichen Begriff „Mittelpartei“ zu erläutern gesucht. In der historischen Fachliteratur der Gegenwart wird er vorzugsweise zur Bezeichnung jener überkonfessionellen reichsständischen Gruppierung benutzt, die sich Ende 1647 zu bilden begann und 1648 die kaiserlich-schwedischen und die kaiserlich-französischen Verhandlungen entscheidend vorantrieb. Der Terminus „Dritte Partei“ („parthey“, „partey“) hat zeitgenössisch neben seiner Bedeutung als Begriff der politischen Verkehrssprache eine weitere, die sich aus der sprachlichen Herleitung von lateinisch „pars“ ergibt und schlicht den beliebig großen dritten Teil eines gewissen Quantums meint.

 Ipsen, Vom Begriff der Partei, S. 328, Anm. 2.

190

Maria-Elisabeth Brunert

Der Begriff „Friedenspartei“ ist bislang nicht zeitgenössisch belegt. In der Sekundärliteratur ist er für die Zeit seit dem späten 19. Jahrhundert nachgewiesen. Er wird meist, aber nicht ausschließlich, zur Bezeichnung jener konfessionsübergreifenden reichsständischen Gruppierung verwendet, die 1648 zu einem entscheidenden Faktor der Friedensverhandlungen wurde und die auch als „Dritte Partei“ bezeichnet wird. Im Grunde ist der Terminus „Friedenspartei“ wenig geeignet, da er implizit alle übrigen Verhandlungsparteien als nicht friedenswillig diskreditiert. Negativ schlägt auch zu Buche, dass jene, die ihn verwenden, in der Regel keine Definition geben. Eine mögliche Begriffsbestimmung lautet, dass er eine Gruppierung meint, die dem Friedensschluss Priorität einräumt und demgegenüber andere Verhandlungsziele im Zweifelsfall als sekundär zurückstellt.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner (bis 2015); Serie II. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 3: 1645 – 1646. Bearb. von Karsten Ruppert. Münster 1985; Serie II. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647 – 1648. Bearb. von Christiane Neerfeld unter Mithilfe von Rita Bohlen und Michael Rohrschneider. Münster 2010; Serie III. Abt. A: Protokolle. Band 1/2: Die Beratungen der kurfürstlichen Kurie 1648 (in Vorbereitung). Meiern, Johann Gottfried von: Acta Pacis Westphalicae Publica. Oder: Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. Theil 4. Hannover 1735.

Literatur Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern (1573 – 1651). München 1998. Croxton, Derek/Tischer, Anuschka: The Peace of Westphalia. A Historical Dictionary. Westport, Conn./London 2002. Decker, Klaus Peter: Frankreich und die Reichsstände 1672 – 1675. Die Ansätze zur Bildung einer „Dritten Partei“ in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges. Bonn 1981. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Bd. 6: L. M. Bearb. von Moriz Heyne. Leipzig 1885. Dickmann, Elisabeth: Friedensforschung in Kriegszeiten. Das Habilitationsverfahren Dr. Fritz Dickmann an der Philipps-Universität Marburg 1942/43, in: dies. (Hrsg.), Fritz Dickmann 1906 – 1969. Ein Leben zwischen Krieg und Frieden. Bremen 1996, S. 33 – 39. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Münster 1959, 7. Aufl. 1998.

Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur

191

Erdmannsdörffer, Bernhard: Einleitung [zu Abschnitt IV], in: ders. (Hrsg.), Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Politische Verhandlungen. Bd. 2. Berlin 1867, S. 739‒744. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. 3. Aufl. München 1997. Foerster, Joachim F.: Kurfürst Ferdinand von Köln. Die Politik seiner Stifter in den Jahren 1634‒ 1650. Münster 1976. Ipsen, Hans Peter: Vom Begriff der Partei, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. Journal of Institutional and Theoretical Economics 100/4 (1940), S. 309 – 336. Jürgensmeier, Friedhelm: Johann Philipp von Schönborn und die Römische Kurie. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts. Mainz 1977. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. 2. Aufl. Stuttgart 2013. Mau, Rudolf: Die Formation der kirchlichen Parteien. Die Dominanz der „Positiven Union“, in: Joachim Rogge/Gerhard Ruhbach (Hrsg.), Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union. Bd. 2: Die Verselbständigung der Kirche unter dem königlichen Summepiskopat (1850‒1918). Leipzig 1994, S. 223‒247. Mentz, Georg: Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst von Mainz, Bischof von Würzburg und Worms. 1605 – 1673. Ein Beitrag zur Geschichte des siebzehnten Jahrhunderts. Teil 1. Jena 1896. Odhner, Clas Theodor: Sveriges deltagande i Westfaliska fredskongressen och grundläggningen on det Svenska väldet i Tyskland. [Akademieschrift]. Stockholm 1876. Odhner, Clas Theodor: Die Politik Schwedens im Westphälischen Friedenscongress und die Gründung der schwedischen Herrschaft in Deutschland. [Übers. von Emil Peterson]. Gotha 1877. Repgen, Konrad: Die Hauptprobleme der westfälischen Friedensverhandlungen von 1648 und ihre Lösungen, in: ders., Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Studien und Quellen. Hrsg. von Franz Bosbach und Christoph Kampmann. 3., überarb. u. bedeutend erw. Aufl. Paderborn 2015, S. 425‒459. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643‒1648). Münster 1979. Siri, Jasmin: Parteien. Zur Soziologie einer politischen Form. Wiesbaden 2012. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015. Wild, Karl: Johann Philipp von Schönborn, genannt der deutsche Salomo, ein Friedensfürst zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Heidelberg 1896. Woltmann, Karl Ludwig von: Geschichte des Westphälischen Friedens. Theil 2. Leipzig 1809.

Volker Arnke

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen. Zur Rolle und zum Selbstverständnis der „Dritten Partei“ des Westfälischen Friedenskongresses 1 Einleitung Die sogenannte Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses gilt gemeinhin als Gruppe von Gesandten, die maßgeblich zur Lösung der letzten großen Probleme der Friedensverhandlungen beitrug und den Kongress zum erfolgreichen Abschluss brachte. Obwohl bereits Fritz Dickmann in seinem erstmals 1959 erschienenen Standardwerk zum Westfälischen Frieden eine erfolgreiche reichsständische Initiative in der Endphase des Kongresses ausmachte¹ und die Dritte Partei auch in den nachfolgenden Jahrzehnten immer wieder – meist kursorisch – als (mit)verantwortlich für den erfolgreichen Abschluss des Westfälischen Friedens angesehen worden ist,² muss die Gruppe auch heute noch als kaum erforscht gelten. So ist etwa unklar, auf welche Weise es den beteiligten Gesandten konkret gelang, die letzten offenen Probleme zu lösen. Diesem Forschungsdesiderat widmet sich der vorliegende Beitrag, indem darin die Frage verfolgt wird, in welcher Funktion und mit welchem Selbstverständnis die Gesandten der Dritten Partei auf dem Westfälischen Friedenskongress vorgingen. Als mögliche Antwort auf diese Frage erscheint zunächst denkbar, dass die Gruppe, die überwiegend in Osnabrück in Erscheinung trat, als Mediator Lösungen in den letzten offenen Fragen herbeiführte. Damit hätte sie eine Funktion ausgeübt, die derjenigen der beiden Mediatoren Alvise Contarini (1597– 1651) und Fabio Chigi (1599 – 1667) in Münster entsprach. Diese vermittelten dort primär zwischen den katholischen Mächten.³ Doch auch für den protestantisch geprägten Verhandlungsort Osnabrück war ursprünglich – im Hamburger Präliminarfrieden von 1641 – eine Vermittlungsinstanz vorgesehen worden, indem eine dänische Gesandtschaft als Mediator zwischen den protestantischen Kriegsparteien agieren sollte. Auf Grund des Ausbruchs des Torstenssonkrieges (1643 – 1645)  Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 427– 431.  Zum Forschungsstand vgl. Kapitel 2.  Vgl. zur Mediation auf dem Westfälischen Friedenskongress auch den Beitrag von Markus Laufs in diesem Band. https://doi.org/10.1515/9783110703795-011

194

Volker Arnke

zwischen Dänemark und Schweden allerdings wurde die dänische Gesandtschaft schon bald nach ihrem Eintreffen wieder abgezogen.⁴ Damit entfiel der ursprünglich vorgesehene Mediator für die Verhandlungen in Osnabrück, sodass die Parteien dort seitdem direkt miteinander verhandelten.⁵ Sollte nun die Dritte Partei, die die letzten Problemlösungen des Kongresses in Osnabrück aushandelte, in der Endphase des Kongresses doch noch den vakanten Part eines Mediators in Osnabrück eingenommen und auf diese Weise den Erfolg des Kongresses herbeigeführt haben? Ein solcher Eindruck kann zum Beispiel bei der Lektüre der 2018 erschienenen Monographie Towards a Westphalia for the Middle East gewonnen werden.⁶ Dort heißt es, dass die Dritte Partei als ein informeller Mediator zwischen den Schweden und dem Kaiser aufgetreten sei.⁷ Auch die Bezeichnung der Gruppe als Dritte Partei⁸ mag eine solche Funktion suggerieren. So definiert Michael Rohrschneider „die Einbeziehung eines unparteiischen, neutralen Dritten“ als ein konstituierendes Kriterium frühneuzeitlicher Mediation.⁹ Aber trat die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses tatsächlich als unparteiischer, neutraler Dritter auf, oder müssen ihre Glieder, allein weil ihre Territorien teils selbst vom Krieg verheert wurden und sie daher ein Eigeninteresse am Frieden verfolgten, als parteiisch gelten? Darüber hinaus ist zu fragen, inwiefern die sich zur Dritten Partei gruppierten Stände als legitime Vertreter des Reiches verstanden und im Interesse des Reiches den Frieden mitverhandelten. Diese Frage führt zu einer Grundsatzdebatte der Reichsverfassung des 16. und 17. Jahrhunderts, jener Debatte um die Teilhabe der Reichsstände an der Souveränität (Maiestas) des Reiches und um das Recht, das Reich in auswärtigen An-

 Vgl. zur dänischen Gesandtschaft in Osnabrück Steinwascher, Osnabrück und der Westfälische Frieden, S. 201– 204.  Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 51 f.  Milton/Axworthy/Simms, Towards a Westphalia for the Middle East, S. 120 f. Die Arbeit fasst die bisherigen Ergebnisse eines international angelegten Projektes zusammen, das den Westfälischen Frieden als Vorbild für den Friedensprozess im Syrien der Gegenwart untersucht. Die Dritte Partei wird in dieser Studie als ein besonders vielversprechendes diplomatisches Mittel angesehen, weil sie auf dem Westfälischen Friedenskongress erfolgreich war.  „They acted as an informal mediator between Sweden and the Emperor, who then agreed to a peace that did not include Spain, thereby ensuring that the war would no longer be fought in the Empire.“ Milton/Axworthy/Simms, Towards a Westphalia for the Middle East, S. 120.  Vgl. zur Verwendung des Begriffes den entsprechenden Beitrag von Maria-Elisabeth Brunert in diesem Band.  Rohrschneider, Friedensvermittlung und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 474 f.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

195

gelegenheiten vertreten zu dürfen.¹⁰ Zentraler Gegenstand dieser Diskussion war die Frage, ob der Kaiser allein Träger der Maiestas war, oder ob daran ebenfalls die Kurfürsten und ggf. auch sämtliche weitere Reichsstände – also alle Fürsten, Städte und sonstigen Stände des Reiches – partizipierten. Diese Problematik hatte auf dem Westfälischen Friedenskongress bereits in der sogenannten Admissionsfrage, der Diskussion um die Zulassung aller Reichsstände zu den Verhandlungen, eine Rolle gespielt. Erst vergleichsweise spät, im August 1645, und nur auf Druck der auswärtigen Kronen Frankreich und Schweden, die ihre reichsständischen Verbündeten auf dem Kongress vertreten wissen wollten, hatte der Kaiser sämtliche Reichsstände zum Kongress zugelassen.¹¹ Vor diesem Hintergrund stellt sich also die Frage, ob sich die reichsständischen Glieder der Dritten Partei selbst als Träger der Souveränität des Reiches und dessen legitime Vertreter in den Außenbeziehungen verstanden. Aufschluss darüber, welches Selbstverständnis die Akteure der sogenannten Dritten Partei an den Tag legten, ob sie sich auf dem Kongress als neutrale Vermittler, als Vertreter ihrer dynastisch-territorialen Eigeninteressen¹² und/oder der Interessen des Reiches verstanden, können am besten die Korrespondenzen derjenigen Reichsstände geben, die als Teil der Dritten Partei gelten. Daher sollen zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen die Korrespondenz der zwei bedeutendsten kompromissbereiten katholischen Reichsstände herangezogen werden, die innerhalb der Gruppe wirkten; jener Briefwechsel, der zwischen Maximilian I. von Bayern (1573 – 1651) und Johann Philipp von Mainz (1605 – 1673) in den letzten Wochen vor dem Friedensschluss geführt worden ist. Die beiden katholischen Akteure sind deshalb von besonderem Interesse, weil sie einerseits auf Grund ihrer Nähe zum Kaiser einen besonderen Einfluss auf diesen ausüben konnten und andererseits in der Funktion des Mainzer Reichserzkanzlers besondere protokollarische Privilegien ausübten, die den Verlauf der Friedensverhandlungen beeinflussten. Zudem standen sie in einem besonderen Verhältnis zu den sogenannten katholischen Maximalisten um den Osnabrücker Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg (1593 – 1661), die ein Zugehen auf die Protestanten ablehnten und auf diese Weise einen Kompromissfrieden lange verhinderten.¹³

 Vgl. zu dieser Debatte z. B. Arnke, „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg, S. 41– 52; Stolleis, Reichspublizistik und Policeywissenschaft, S. 154– 211.  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 37– 40, 61– 63.  Für ein Beispiel reichsständischer „Sonderinteressen“, die neben dem grundsätzlichen Wunsch nach einem schnellen Friedensschluss bestehen konnten, vgl. Brunert, Niederrheinische Interessenpolitik, passim, Zitat S. 163.  Vgl. zu den katholischen Maximalisten grundlegend Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten; mit Blick auf das Verhältnis zu Kurmainz und Bayern dem-

196

Volker Arnke

Am Beispiel der Verhandlung und des Abschlusses des französischen Friedensinstruments, des Instrumentum Pacis Monasteriense (IPM) soll sichtbar gemacht werden, welches Selbstverständnis die Akteure der Dritten Partei hinsichtlich der Probleme der Endphase des Friedenskongresses an den Tag legten. Ein zentraler Gegenstand der damaligen Verhandlungen war das sogenannte Assistenzverbot der österreichischen für die spanischen Habsburger, das neben den Fragen nach der schwedischen Militärsatisfaktion und der Erweiterung des Religionsfriedens um die Reformierten als ein letztes Friedenshindernis in Westfalen galt. Zunächst aber wird der Blick auf den Forschungsstand zu den Reichsständen und der sogenannten Dritten Partei auf dem Westfälischen Friedenskongress gelenkt, bevor anschließend die katholischen Reichsstände fokussiert werden – vor allem diejenigen, die federführend an der Aushandlung des IPM beteiligt waren.

2 Forschungsstand Ursächlich für das Forschungsdesiderat um die Dritte Partei ist der lange Zeit vorherrschende Fokus auf die großen Mächte, die am Kongress beteiligt waren – der Kaiser, Frankreich, Schweden sowie Spanien und die Nördlichen Niederlande – und damit auf die europäische Dimension des Kongresses. Bis heute wird der Westfälische Frieden vorwiegend als ein europäischer, zwischenstaatlicher Vertrag wahrgenommen, der den Frieden zwischen Frankreich, Schweden und dem Kaiser nach langwierigen Kämpfen in Mitteleuropa wiederherstellte. Daher stehen klassischerweise zwischenstaatliche Fragen im Vordergrund, auch solche nach der Entwicklung des Völkerrechts oder der Herausbildung diplomatischer Standards auf internationalen Friedenskongressen, hinsichtlich derer dem Westfälischen Friedenskongress eine unzweifelhafte europaweite Bedeutung beigemessen werden kann.¹⁴

nächst auch Arnke, Konkurrierende Friedensstrategien und Rollenvielfalten sowie Kapitel 3 des vorliegenden Beitrags.  Beispielhaft seien an dieser Stelle nur einige Werke genannt: Duchhardt, Der Westfälische Friede im Fokus der Nachwelt. Bußmann/Schilling (Hrsg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa; Asch/Voss/Wrede (Hrsg.): Frieden und Krieg in der Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt; Villaverde (Hrsg.): 350 años de la Paz de Westfalia. Del antagonismo a la integración en Europa.Vgl. zur europäischen Perspektive der Forschung ausführlich: Arnke, Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde, S. 171– 175.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

197

Die Reichsstände, aus denen sich die Dritte Partei zusammensetzte, standen auf Grund der Dominanz der europäischen Perspektive für viele Jahre nicht im Fokus des Forschungsinteresses. Zudem wurde ihre Bedeutung für das Kongressgeschehen lange Zeit als eher geringfügig eingeschätzt. Entsprechend führte Fritz Dickmann 1959 in seinem bis heute maßgebenden Standardwerk Der Westfälische Frieden aus, dass die Reichsstände zwar „nicht ohne Bedeutung für die Arbeit des Kongresses“ gewesen, „die wirklichen Entscheidungen“ aber allein von den großen Mächten getroffen worden seien. Die „Bestätigung oder Nichtbestätigung durch die Stände hat an ihrem Ergebnis in der Regel nichts mehr geändert“,¹⁵ schrieb Dickmann weiter. Die heutige Forschung arbeitet entgegen dieser Einschätzung immer klarer heraus, dass die Reichsstände für das Zustandekommen des Friedens tatsächlich von erheblicher Relevanz waren. Mehr noch, es wird mittlerweile davon ausgegangen, dass der Frieden entscheidend auf Grund der Verhandlungsführung der Reichsstände zustande kam, die diese im letzten Jahr des Kongresses in Osnabrück mehr und mehr in die Hand nahmen.¹⁶ Vor diesem Hintergrund erlebt die Forschung zum Westfälischen Friedenskongress momentan ein gewisses Umdenken, und der Fokus wird verstärkt auf das Reich und die reichsständischen Akteure des Kongresses gelegt. Beispiele dafür sind Siegrid Westphals Band Der Westfälische Frieden aus dem Jahr 2015, in dem der Friedensvertrag insbesondere als grundlegend für das Reich als Friedensordnung betont wird. Auch haben mehrere jüngere Bände der Bonner Acta Pacis Westphalicae-Edition, vor allem jene zu den Fürstenratsprotokollen der letzten Kongressjahre,¹⁷ den Fokus auf das reichsständische Agieren auf dem Friedenskongress gelenkt. Zu nennen sind weiterhin einige kürzlich abgeschlossene oder laufende Dissertationsprojekte, wie Heinz Adrian Hartkes jüngst publizierte Arbeit über den Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg und die intransigenten katholischen Reichsstände¹⁸ oder Alexander Gerbers laufende Studie zu Verfahrenspraktiken in den reichsständischen Beratungen auf dem Westfälischen Friedenskongress.¹⁹ Mit besonderem Blick auf Akteure der Dritten

 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 274 f.  Vgl. hierzu auch Arnke, Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde; Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 8, 46 f., 64 f., 88 f., 93 – 97.  Acta Pacis Westphalicae (im Folgenden: APW). Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 3/6: Die Beratungen des Fü rstenrates in Osnabrü ck. Juni – Juli 1648. Bearb. von Maria-Elisabeth Brunert, 2009; APW. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 3/7: Die Beratungen des Fü rstenrates in Osnabrü ck. Juli – September 1648. Bearb. von Maria-Elisabeth Brunert, 2013.  Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten.  Vgl. hierzu den Beitrag von Alexander Gerber in diesem Band.

198

Volker Arnke

Partei sind Christoph Nonnasts Arbeit über die Gesandtschaft Sachsen-Altenburgs und Tina Brauns Studie über den Braunschweig-Lüneburgischen Gesandten Jakob Lampadius (1593 – 1649) zu nennen.²⁰ Schließlich ist auch ein aktuelles Osnabrücker Forschungsprojekt zur Dritten Partei Ausdruck des neu erwachten Interesses an den Reichsständen auf dem Westfälischen Friedenskongress.²¹ Neben den Fragen nach den Gründen für den Erfolg und nach dem Selbstverständnis der Dritten Partei ist auch die Frage nach der Zusammensetzung der Gruppe ein von der Forschungsliteratur bislang nicht hinreichend und unterschiedlich behandeltes Thema.²² Die Ursache dafür mag sein, dass sich die Gruppe gar nicht klar umreißen lässt und ihr Zusammenwirken von eher fluider, nicht festgefügter Natur war. Bisher jedenfalls gilt die Gesandtschaft SachsenAltenburgs als ein wichtiger Teil der Gruppe.²³ Ihre Gesandten Wolfgang Conrad von Thumbshirn (1604 – 1667) und August Carpzow (1612– 1683) werden immer wieder genannt. Auch die Gesandtschaft Braunschweig-Lüneburgs wird als ein wichtiger Teil der Friedenspartei bezeichnet, mit ihren Vertretern Jakob Lampadius und Heinrich Langenbeck (1603 – 1669). Diese zwei Gesandtschaften – beide von lutherischer Konfession – sind in den oben genannten zwei Dissertationen bereits separat untersucht worden.²⁴ Die Thematisierung der katholischen Reichsstände, die zur Dritten Partei gezählt werden, steht hingegen noch weitgehend aus. Auf Grund ihrer konfessionellen Nähe zum Kaiser gelten die katholischen Reichsstände allerdings als besonders einflussreich für das Kongressgeschehen und werden daher im Folgenden näher betrachtet.

3 Die katholischen Reichsstände und die sogenannte Dritte Partei Die katholischen Reichsstände spielten, schon einige Monate bevor die Dritte Partei in Erscheinung trat, eine wichtige Rolle auf dem Westfälischen Friedenskongress, als eine Mehrheit unter ihnen den Friedensvertragsentwurf des kai-

 Nonnast, Mindermächtiger Fü rstenstaat und große Politik; Braun, Der welfische Gesandte Jakob Lampadius.  Vgl. hierzu Arnke, Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde.  Vgl. ebd., S. 175 – 177. Zum Beispiel wird von unterschiedlichen Autoren der Kurfürst von Brandenburg mal zur Gruppe hinzu, mal nicht hinzugezählt.  Vgl. hierzu den Beitrag von Christoph Nonnast in diesem Band.  Nonnast, Mindermächtiger Fü rstenstaat und große Politik; Braun, Der welfische Gesandte Jakob Lampadius.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

199

serlichen Gesandtschaftsführers Maximilian Graf Trauttmansdorff (1584– 1650) – das sogenannte Trauttmansdorffianum – im Sommer 1647 ablehnte. Von besonderer Bedeutung für das Scheitern des Vertragsentwurfs waren die sogenannten katholischen Maximalisten, unter denen der Osnabrücker Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg tonangebend war. Ihn machte Graf Trauttmansdorff persönlich neben den auswärtigen Kronen Frankreich und Schweden für die Ablehnung seines Entwurfes verantwortlich. Laut Heinz Adrian Hartke sah der kaiserliche Gesandtschaftsführer in Wartenberg den „Kopf des Widerstandes“ gegen seinen Entwurf.²⁵ Wartenberg gab noch im Oktober 1647 ein katholisches Gutachten in Auftrag, das dem Trauttmansdorffianum die Legitimität absprach und wesentlich dazu beitrug, dass der Entwurf dauerhaft keine Zustimmung fand. Ziel der katholischen Maximalisten war es, den Krieg so lange fortzusetzen, bis der von ihnen als „Häresie“ bezeichnete Entwurf des kaiserlichen Gesandten Trauttmansdorff nach katholischer Lesart nachgebessert werden könnte.²⁶ Wartenberg und die Maximalisten konnten sich mit ihrer Haltung im katholischen Lager der Reichsstände in Bezug auf das Trauttmansdorffianum durchsetzen, weil sie „im Sommer 1647 zum Sprachrohr der katholischen Stände“ avanciert waren.²⁷ Sie vereinten zahlreiche Voten – allein Wartenberg vertrat zeitweise bis zu 16 Stimmen seiner eigenen Stifter und anderer katholischer Reichsstände, die ihm übertragen worden waren.²⁸ Damit übten die Maximalisten einen erheblichen Einfluss auch auf andere katholische Reichsstände aus, die mit ihnen zusammen stimmten. Dennoch löste die intransigente Haltung der Maximalisten angesichts des fortschreitenden Krieges, der zum Nachteil vieler Reichsstände verlief, bei einem Teil der katholischen Stände Ablehnung hervor. Unter diesen, auch als Prinzipalisten²⁹ bezeichneten katholischen Ständen, tat sich im Spätsommer 1647 insbesondere Maximilian I. von Bayern hervor,³⁰ der

 Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 402.  Unterstützung erhielten sie dabei vom päpstlichen Nuntius Fabio Chigi. Vgl. Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 401 f. Den Kern der katholischen Maximalisten bildete ein Dreigestirn (Triumvirn), das neben Wartenberg Johann von Leuchselring (1585 – 1659), der Augsburg vertrat, und Adam Adami (1603/10 – 1663), der für Corvey anwesend war, umfasste.  Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 301.  Vgl. ebd., S. 172.  Vgl. zu den Begriffen Maximalisten und Prinzipalisten Repgen, Der Westfälische Friede und die zeitgenössische Öffentlichkeit, S. 986 f; ders., Fabio Chigi und die theologische Verurteilung des Westfälischen Friedens, S. 792.  Vgl. zu Bayern zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedenskongresses Albrecht, Maximilian I. von Bayern; Immler, Kurfü rst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß.

200

Volker Arnke

sich von den Maximalisten um Wartenberg distanzierte. Angesichts der militärischen Lage – die bayerischen Stammlande waren zu dieser Zeit akut bedroht – strebte der bayerische Kurfürst gemeinsam mit Österreich, Freising, Salzburg und den fränkischen Bischöfen einen möglichst raschen Kompromissfrieden an und suchte daher den Ausgleich mit den Protestanten.³¹ Bayern konnte einen besonders großen Einfluss auf den Kaiser ausüben, da es die meiste Zeit des Krieges über der wichtigste reichsständische Verbündete des Kaisers war.³² Neben Kurfürst Maximilian I., der auf dem Friedenskongress von seinen Gesandten Georg Christoph von Haslang (1602– 1684) und Johann Adolph Krebs von Bach (1624– 1670) vertreten wurde, war auch Kurmainz mit dem Erzbischof von Mainz und gleichzeitigem Fürstbischof von Würzburg Johann Philipp von Schönborn und seinen Gesandten Sebastian Wilhelm Meel (ca. 1597– 1666) und Johann Philipp von Vorburg (1596 – 1660) von besonderer Bedeutung für die Gruppe der kompromissbreiten katholischen Reichsstände. Der Kurfürst von Mainz verfügte nämlich über eine Schlüsselfunktion des Kongresses, da er das Amt des Reichserzkanzlers inne hatte. Als „zweite[r] Mann im Reich“³³ konnte der Reichserzkanzler erheblichen Einfluss auf die Verhandlungsführung ausüben, indem er das Reichsdirektorium führte und auf Sitzungen Tagesordnungspunkte vorgab. Es ist davon auszugehen, dass die Funktion des Amtes innerhalb des Reichssystems³⁴ auch auf dem Kongress eine erhebliche Wirkung entfaltete und damit zum Erfolg der Dritten Partei beitrug. Zwei Machtverschiebungen innerhalb des Lagers der katholischen Reichsstände führten schließlich dazu, dass die kompromissbereiten Prinzipalisten ihre Position gegenüber den katholischen Maximalisten verbessern konnten: Zum einen handelte es sich dabei um die Nachfolge im Kurfürstentum Mainz. Durch die Wahl Johann Philipps von Schönborn zum Mainzer Kurerzkanzler im November 1647 ergaben sich entscheidende politische Akzentverschiebungen. Denn Schönborn konnte als Mainzer Kurfürst seine bereits als Würzburger Fürstbischof betriebene Ausgleichs- und Friedenspolitik mit weit größerem Nachdruck umsetzen. Seine offene Haltung Frankreich und Schweden gegenüber trug zudem dazu bei, die letzten Probleme zu lösen, die mit diesen beiden Mächten bestanden. Damit unterschied sich Schönborn in einem entscheidenden Punkt von

 Vgl. Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 302 f.  Vgl. hierzu Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses.  Hartmann (Hrsg.), Der Mainzer Kurfü rst als Reichserzkanzler, Zitat aus dem Buchtitel.  Ihm oblagen die Legitimierung der Gesandten, die Diktatur und die Verhandlungsführung. Vgl. Härter, Das Kurmainzer Reichstagsdirektorium.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

201

seinem Mainzer Vorgänger Kurfürst Anselm Casimir Wambolt von Umstadt (1579 – 1647), der als kaiser- und spanientreu galt.³⁵ Zudem konnte Maximilian I. von Bayern erfolgreich dafür sorgen, dass das Votum des Kölner Kurfürsten Ferdinand (1577– 1650), seines Bruders, dem Einflussbereich der katholischen Maximalisten entzogen und nunmehr passiv geführt wurde. Der Versuch Bayerns ging dahin, eine neue Geheiminstruktion für den Kurkölner Sekundargesandten Peter Buschmann (ca. 1604– 1673) vom Februar 1648 dahingehend zu beeinflussen, dass die kurkölnische Gesandtschaft stärker an den kompromissbereiten Kurs der katholischen Prinzipalisten herangeführt werden würde.³⁶ Eine weitere Verbesserung erfuhr die Position der kompromissbereiten katholischen Reichsstände durch eine zunehmende Isolation der Maximalisten. Im Februar 1648, als die Verhandlungen der Dritten Partei in Osnabrück Fahrt aufgenommen hatten, versuchte Franz Wilhelm von Wartenberg seinen Einfluss zu stärken, indem er eine Reorganisation des Corpus Catholicorum in Münster anstrebte. Dem Osnabrücker Fürstbischof war die zunehmende Isolation der katholischen Maximalisten bewusst geworden und so versuchte er, diese rückgängig zu machen. Zu diesem Zweck beorderte er die kurkölnischen Gesandten Peter Buschmann und Arnold von Landsberg nach Münster zurück, um sie von den Verhandlungen in Osnabrück fernzuhalten und um diese zu verlangsamen. Letztlich drohte Wartenberg sogar mit seiner Abreise vom Kongress, um seinen Widerspruch zu den Vorgängen in Osnabrück zum Ausdruck zu bringen. Schließlich wollten die katholischen Maximalisten zusammen mit den kaiserlichen Gesandten im August 1648 die Verhandlungen zum französischen Friedensvertrag getreu den Vorgaben des Hamburger Präliminarvertrags von 1641 von Osnabrück nach Münster transferieren, um sie auf diese Weise beeinflussen zu können.³⁷ All diese Maßnahmen und Drohungen brachten den katholischen Maximalisten allerdings nicht den gewünschten Erfolg ein und so fanden die entscheidenden Verhandlungen der Endphase des Kongresses ohne Wartenberg in Osnabrück statt. Auf Grund der Misserfolge und ihrer Konzentration auf Münster beraubten sich die Maximalisten selbst ihrer Einflussmöglichkeiten und gerieten in die Isolation – zaghafte Versuche, den Kongress in Osnabrück zu beeinflussen, scheiterten.³⁸

 Vgl. Brendle, Der Erzkanzler im Religionskrieg, S. 497– 501.  Vgl. Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 316 f.; Albrecht, Maximilian I. von Bayern, S. 1045 f.  Vgl. Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 330 – 336, 363 – 367.  Vgl. ebd., S. 330 – 336.

202

Volker Arnke

Die kompromissbereiten katholischen Reichsstände wiederum verstärkten die Isolation der Maximalisten, indem das Mainzer Verhandlungsdirektorium die Gruppe um Fürstbischof Wartenberg nicht mehr in die Vorgänge in Osnabrück einband.³⁹ Diese teils selbstverschuldete, teils aktiv von den katholischen Prinzipalisten in Osnabrück verstärkte Isolation der katholischen Maximalisten in Münster war ein wesentlicher Schritt in Richtung auf einen Ausgleichsfrieden, der in Kooperation mit den protestantischen Reichsständen im Rahmen der sogenannten Dritten Partei in Osnabrück erreicht werden sollte. Anhand der beschriebenen Entwicklungen im Lager der katholischen Reichsstände zeigt sich deutlich, dass als Teil des Selbstverständnisses der Dritten Partei – hier in Gestalt der Reichsstände Bayern und Mainz – ein klares Eigeninteresse in Form des Wunsches nach einem schnellstmöglichen Kompromissfrieden an den Tag trat. Inwiefern sich diese Beobachtung anhand der weiteren Entwicklung des Kongresses bestätigen lässt, ob weitere Interessen der kompromissbereiten Reichsstände hervortraten, oder ob es sich doch eher um eine Vermittlung zwischen den großen Mächten gehandelt hat, lässt sich anhand der Anfang 1648 anbrechenden Endphase der Verhandlungen in Osnabrück zeigen.

4 Mediation, Reichs- oder Eigeninteresse? Assistenzverbot, Instrumentum Gallicum und Ultimatum Nachdem die kompromissbereiten katholischen Stände den Einfluss der katholischen Maximalisten minimiert hatten und sich Letztere zusammen mit den Kaiserlichen im Münsteraner Kongressabseits befanden, konnten die kompromissbereiten katholischen Stände im Zusammenwirken mit den protestantischen Reichsständen als sogenannte Dritte Partei die letzten großen Fragen des Friedenskongresses in Osnabrück voranbringen. Als das schwedische Friedensinstrument dort am 6. August 1648 per Handschlag beschlossen worden war,⁴⁰ folgten unmittelbar die letzten Verhandlungen über das französische Friedensinstrument (IPM), den zweiten Teil des Westfälischen Friedensvertrages. Auch hier übernahmen die Reichsstände der Dritten Partei die Verhandlungsführung, indem sie mit dem französischen Gesandten Abel Servien (1593 – 1659), der zuvor

 Vgl. ebd., S. 335 f.  Vgl. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 7– 10.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

203

zum Osnabrücker Handschlag nach Osnabrück angereist war, Gespräche führten.⁴¹ Während die Verhandlungen mit den Schweden vornehmlich die protestantischen Reichsstände der Dritten Partei geführt hatten, traten in denjenigen mit den Franzosen nunmehr die katholischen Stände, namentlich Bayern und Mainz, in den Vordergrund, die besonders zum Friedensschluss drängten.⁴² In den Verhandlungen zum Instrumentum Gallicum, dem IPM, war die Frage nach einem Assistenzverbot der österreichischen für die spanischen Habsburger besonders zentral. Diese Forderung war seitens der französischen Gesandtschaft erhoben worden, nachdem im Januar 1648 der spanisch-niederländische Separatfrieden geschlossen worden war und sich in der Folge mehr und mehr abzeichnete, dass der Krieg zwischen Frankreich und Spanien weitergeführt werden würde.⁴³ Um sich eine militärisch günstige Ausgangsposition zu verschaffen, versuchte die französische Gesandtschaft einen Passus in den Westfälischen Friedensvertrag zu integrieren, der besagte, dass die österreichische Linie der Habsburger der eng mit ihr verwandten spanischen Linie keine militärische Hilfe mehr leisten durfte. Für Kaiser Ferdinand III. (1608 – 1657) war eine solche Regelung hinsichtlich des politisch-dynastischen Selbstverständnisses der Habsburger ein höchst heikler und eigentlich nicht hinnehmbarer Punkt.⁴⁴ Innerhalb der Dritten Partei der Reichsstände herrschte allerdings die Überzeugung vor, dass das französischerseits geforderte Assistenzverbot durchgesetzt werden müsse, um schnellstmöglich zu einem Frieden zu kommen. Laut Christoph Kampmann kam bei der Assistenzfrage innerhalb der Gruppe insbesondere Kurbayern eine Schlüsselrolle zu,⁴⁵ das auf Grund seines Militärbündnisses mit dem Kaiser enormen Druck auf Ferdinand III. ausüben konnte. Und tatsächlich zeigt sich die Assistenzfrage in den letzten Wochen vor dem Friedensschluss als ein zentraler Aspekt in der Korrespondenz zwischen Kurfürst Maximilian I. von Bayern und Kurfürst Johann Philipp von Mainz, also zwischen den beiden einflussreichsten kompromissbereiten katholischen Reichsständen.

 Vgl. ebd., S. 95 f.  Vgl. zu den schwedischen Verhandlungen den Beitrag von Christoph Nonnast in diesem Band. Zur Rolle der Katholiken in den französischen Verhandlungen vgl. auch Hartke, Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten, S. 363 – 368.  Dieser Konflikt wurde erst mit dem Pyrenäenfrieden von 1659 beendet. Auf dem Westfälischen Friedenskongress war es hingegen nicht gelungen, einen französisch-spanischen Frieden zu schließen. Vgl. hierzu Rohrschneider, Der gescheiterte Frieden von Münster.  Vgl. zur kaiserlichen Sicht auf die Frage des Assistenzverbotes auch die Beiträge von Dorothée Goetze in diesem Band.  Vgl. Kampmann, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, S. 170.

204

Volker Arnke

So schreibt Maximilian I. von Bayern an Kurfürst Johann Philipp von Mainz am 3. Oktober 1648 „wegen beschleunigung des höchstnottwendigen friedens im Reich“ und berichtet ihm, was er von seinen Gesandten über die „Oßnabruggische Friedenshandlung zwischen den Stendten und dem Conte Servient“, der dort für Frankreich verhandelte, erfahren hatte. Konkret führte Maximilian I. von Bayern aus, dass „man beede Instrumenta pacis ordentlich collationiert⁴⁶, […] und bey E[uer] G[naden] Reichsdirectoris deponirt habe“. Sowohl das schwedische als auch das französische Friedensinstrument waren demnach zu diesem Zeitpunkt unterschriftsreif.Weiterhin hätten die Osnabrücker Gesandtschaften beschlossen, „daß man denen zue Münster anwesenden Kays[erlichen] Commissariis durch eine Reichsdeputation von bemeltem Vergleich communication thuen, und daryber derselben approbation⁴⁷ begehren soll“.⁴⁸ Was war also geschehen? Die kompromissbereiten Reichsstände, die in Osnabrück mit dem französischen Gesandten Abel Servien verhandelt hatten, konnten eine Übereinkunft mit dem Franzosen erzielen. Das Ergebnis, der vollends ausgehandelte Friedensvertrag mit Frankreich – das IPM oder Instrumentum Gallicum – inklusive des Assistenzverbotes der österreichischen für die spanischen Habsburger, war offiziell vom Mainzer Reichsdirektorium angenommen und verwahrt worden. Durch einen Ausschuss – eine Reichsdeputation – sollte das ausgehandelte Papier den kaiserlichen Gesandten in Münster überbracht werden, damit diese dem Vertrag zustimmten. Im weiteren Verlauf des Briefes wird klar, dass sich zu diesem Zeitpunkt bereits sämtliche reichsständische Gesandtschaften, die in Osnabrück verhandelt hatten, auf den Weg nach Münster zur Unterschrift des Vertrages aufgemacht hatten. Schon aus diesem kurzen Abschnitt des Briefes heraus lassen sich zahlreiche aussagekräftige Hinweise für die eingangs aufgeworfenen Fragen nach dem Selbstverständnis der Dritten Partei finden, die sich durch weitere Textstellen ergänzen lassen. So zeigt sich mit Blick auf ein mögliches Eigen- bzw. Reichsinteresse der Glieder der Dritten Partei ein ausgeprägter Wunsch nach einem raschen Friedensschluss. Das Zitat „wegen beschleunigung des höchstnottwendigen friedens im Reich“ zeigt einen solchen Friedenswunsch an, den Maximilian I. von Bayern zu diesem Zeitpunkt hegte. Betont wird dabei zudem die Bedeutung des Friedens für das Reich, was ein Reichsinteresse des bayerischen Kurfürsten vermuten lässt. Zudem machte der Kurfürst in zahlreichen weiteren Abschnitten  = verglichen.  = Zustimmung.  Schreiben Maximilians I. von Bayern an Johann Philipp von Mainz vom 3. Oktober 1648. Österreichisches Staatsarchiv, Mainzer Reichserzkanzlerarchiv [OeStA MEA] Korrespondenz 22, unfol.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

205

des Schreibens deutlich, wie aussichtslos sich die militärische Lage aus seiner Sicht darstellte, wie schwer seine Bevölkerung, die katholischen Stände und das Reich insgesamt zu leiden hatten und dass er daher die möglichst rasche Beendigung der Kriegshandlungen für notwendig hielt. So ist davon die Rede, dass ein Abzug der Kriegsvölker vor dem Winter von größter Wichtigkeit sei, andernfalls wäre es zu „deß Reichs eüsserstem Verderben“, auch zu „dem Catholischen weesen absonderlich höchstschädlichem effectus“. Wenn man „die hostiliteten⁴⁹ nit einstellen solte“, würde Maximilian I. von Bayern seine „Landt und Leith […] völlig zue grundt gehen sehen“ müssen.⁵⁰ Hier nun werden auch Maximilians I. Eigeninteressen mit Bezug auf die Verhältnisse im eigenen Territorium des Kurfürsten hervorgehoben. Hinsichtlich der Frage nach einer möglichen Mediation, die die Dritte Partei zwischen den auswärtigen Kronen und Kaiser Ferdinand III. geleistet haben könnte, gibt der Briefwechsel zwischen Johann Philipp von Mainz und Maximilian von Bayern ebenfalls Hinweise. So wird klar ersichtlich, dass die Reichsstände in Osnabrück direkt mit dem französischen Gesandten Servien das Instrumentum Gallicum verhandelt hatten und es nun über das Mainzer Reichsdirektorium an die sich in Münster aufhaltenden kaiserlichen Gesandten zwecks Zustimmung überreicht werden sollte. Daran wird deutlich, dass die Reichsstände den Frieden für das Reich, als dessen Vertreter sie auftraten, aushandelten. Als Vermittler zwischen Frankreich und dem Kaiser traten die Reichsstände hingegen nicht auf. Im Gegenteil wird bei dem beschriebenen Vorgang sogar deutlich, dass den Kaiserlichen nicht einmal mehr eine Möglichkeit für Änderungswünsche eingeräumt wurde. Vielmehr sollten sie gezwungen werden, das in Osnabrück ausgehandelte Papier lediglich zu unterschreiben. An anderer Stelle desselben Schreibens wird Maximilian I. von Bayern in dieser Hinsicht noch deutlicher: So sei er „derowegen der mainung, daß die Ständt sich“ nicht mit einem „Reichsguettachten[…]⁵¹ gegen die Kays[erlichen] Commissarii“ aufhalten sollten, „sondern Ihnen cathegorice anzeigen […], daß man von des Reichs wegen sich mit dem Conte Servient⁵² sowohl über den assistenzpuncten, alß auch in allem übrigen“ verglichen habe. Man habe sich dabei darauf verständigt, dass „wan die Kays[serlichen] Commissarii nit alsobalden, und ohne ainigen lengeren Verzug […] die Instrumenta pacis⁵³ subscribieren⁵⁴,

 = Feindseligkeiten.  Schreiben Maximilians I. von Bayern an Johann Philipp von Mainz vom 3. Oktober 1648. OeStA MEA Korrespondenz 22, unfol.  Gemeint ist ein Friedensvertragsentwurf.  Gemeint ist der französische Gesandte Abel Servien.  = Friedensverträge.

206

Volker Arnke

auch die cessationem hostilitatum⁵⁵ […] vergleichen helffen werden,“ die Reichsstände die Unterzeichnung der Friedensinstrumente selbst vornehmen werden. Konkret würden „alßdan die Ständt, weilen Sye, ob summum mors periculum⁵⁶ lenger also nit zuesahen khünden, ihres thailß, mit der Cronen Plenipotentiariis⁵⁷, […] [die] Instrumenta pacis im nahmen deß Röm[ischen] Reichs unverlangt unterschreiben“. Außerdem würden „gleichdarauf [die] cessationem hostilitatem für die ienige, welche den frieden, der getroffenen handlung gemeß, haben wollten, vergleichen werden.“⁵⁸ Für den Fall also, dass die Kaiserlichen das Instrumentum Gallicum, das die Reichstände zuvor mit dem französischen Gesandten Abel Servien ausgehandelt hatten, nicht annehmen würden, sollten laut Maximilian I. von Bayern die Reichsstände selbst den Friedensschluss für das Reich unterschreiben. Anhand dieses Vorgangs wird sehr deutlich, dass die Reichsstände durchaus in der Lage waren, Druck auf den Kaiser auszuüben. Die Formulierung „daß, wan die Kays[erlichen] Commissarii nit alsobalden […] die Instrumenta pacis subscribieren, […] daß alßdan die Ständt […] [die] Instrumenta pacis im nahmen deß Röm[ischen] Reichs unverlangt unterschreiben“⁵⁹ würden, spielt auf ein Ultimatum an, das die Reichsstände der Dritten Partei dem Kaiser bereits am 24. September 1648 gestellt hatten.⁶⁰ Das schon überreichte Ultimatum sollte Ferdinand III. zur Annahme des französischen Friedensinstruments zwingen, unter der Androhung, dass die Stände im Zweifel auch ohne den Kaiser den Frieden mit Frankreich für das Reich unterschreiben würden. Damit springt ein Aspekt deutlich ins Auge, der das Selbstverständnis der Dritten Partei betrifft. Die Reichsstände der Gruppe, hier in Person Maximilians I. von Bayern, verstanden sich als ein Teil des Reiches, der verfassungsgemäß für das Reich verhandelte und demgemäß das Reich repräsentierte. Einige Textpassagen im letztgenannten Zitat Maximilians I. belegen dies eindrucksvoll: Demnach hatte man „von des Reichs wegen“ mit Abel Servien den „assitenzpuncten“ und alles weitere ausgehandelt und könne als „die Ständt“ die „Instrumenta pacis

 = unterschreiben.  = Einstellung der Feindseligkeiten.  = höchste Todesgefahr.  = Bevollmächtigte.  Schreiben Maximilians I. von Bayern an Johann Philipp von Mainz vom 3. Oktober 1648. OeStA MEA Korrespondenz 22, unfol.  Ebd.  Vgl. zu diesem Ultimatum auch die Beiträge von Dorothée Goetze in diesem Band sowie APW. Serie II: Korrespondenzen, Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 10: 1648 – 1649. Bearb. von Dorothée Goetze, 2015, S. LXIII.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

207

im nahmen deß Röm[ischen] Reiches“ unterschreiben. Damit ordnete Maximilian I. den Reichsständen einen Anteil an den Souveränitätsrechten des Reiches zu und sprach ihnen ein Mitvertretungsrecht in auswärtigen Angelegenheiten zu. Man sollte zudem den mit Servien ausgehandelten Vergleich aus Sicht Maximilians I. den kaiserlichen Gesandten nicht als ein „Reichsguettachten[…]“, also als einen neuen Friedensvertragsentwurf, vorlegen, der noch Verhandlungsspielraum suggerieren könnte. Vielmehr sei den Kaiserlichen „categorice an[zu]zeigen“, dass die Reichsstände auf Grund der schwebenden „höchsten Todesgefahr“ („summum mors periculum“) berechtigt seien, alle notwendigen Maßnahmen für einen schnellen Friedensschluss zu ergreifen und die Friedensverträge im Zweifel selbst und ohne kaiserliche Zustimmung zu unterschreiben.⁶¹ Die sogenannte Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses verstand sich angesichts dessen also keineswegs als ein Mediator, der etwa die Hoffnung verfolgte, einen Frieden zwischen den auswärtigen Kronen und dem Kaiser vermitteln zu können, so wie dies die Mediatoren Alvise Contarini und Fabio Chigi in Münster taten. Vielmehr lässt sich ein ausgeprägtes Eigen- bzw. Reichsinteresse der beteiligten Reichsstände in dem ausgeprägten Wunsch nach einem möglichst raschen Friedensschluss erkennen. Zusätzlich wird in der Korrespondenz offenbar, dass sich die Gruppe als Teil des Reiches begriff, der verfassungsrechtlich und auf Grund der kriegerischen Ausnahmesituation politisch ausreichend legitimiert war, um den Frieden im Namen des Reiches auch ohne kaiserliche Zustimmung wiederherzustellen. Die Dritte Partei verhandelte also für das Reich als Teil des Reiches. Da sich Maximilian I. von Bayern im Spätsommer und Herbst 1648 allerdings durch die Bedrohung seiner Stammlande in einer militärischen Zwangslage befand und es ihm zudem mit seiner „pragmatisch“ angelegten Bündnispolitik in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges um die „Bestandssicherung“ seiner Kriegserfolge ging,⁶² drängt sich die Frage auf, ob der bayerische Kurfürst seine Vertreterfunktion für das Reich eher weniger für die Interessen des Reiches als vielmehr für seine Eigeninteressen ausnutzte und besonders deshalb auf einen raschen Frieden drängte.

 Schreiben Maximilians I. von Bayern an Johann Philipp von Mainz vom 3. Oktober 1648. OeStA MEA Korrespondenz 22, unfol.  Goetze, Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses, S. 287– 289.

208

Volker Arnke

5 Fazit Was bedeuten nun die Ergebnisse, die ein Blick in die Korrespondenz zwischen Maximilian I. von Bayern und dem Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn ergeben haben, für das Selbstverständnis der sogenannten Dritten Partei des Westfälischen Friedenskongresses und für die Frage, wie diese Gruppe am Treffendsten zu greifen sei? Was macht das Besondere der Gruppe aus, das ihren Erfolg begründete? Ein Aspekt ist neben dem unzweifelhaften Friedenswunsch der Beteiligten sicher die Bereitschaft zur überkonfessionellen Zusammenarbeit, die die im Beitrag thematisierten kompromissbereiten katholischen Reichsstände von den katholischen Maximalisten um Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg unterschied. Angesichts der vorgestellten Erkenntnisse aus der Korrespondenz KurbayernKurmainz erscheint aber insbesondere von Belang, dass sich die Gruppe als politisch und verfassungsrechtlich legitimierter Teil des Reiches verstand, der sich zweifellos berechtigt sah, das Reich nach außen hin zu vertreten. Einher ging damit auch das Selbstverständnis für das Reich Friedensverhandlungen führen zu dürfen, die im Zweifel sogar ohne Zustimmung des Kaisers bzw. sogar gegen den Willen des Reichsoberhaupts erfolgen konnten, wenn es die Situation erforderte. Möglicherweise ist die Dritte Partei unter gewissen Gesichtspunkten zusätzlich als eine Art Vermittler anzusehen – zum Beispiel weil es ihr letztlich gelang, die kaiserlichen Vertreter zur Unterschrift unter dem Friedensvertrag zu bewegen und damit den schlimmsten denkbaren Fall, einen Friedensvertrag des Reiches ohne kaiserliche Absegnung, zu vermeiden. Es wäre aber vor dem Hintergrund der Geschehnisse und des aufgezeigten Selbstverständnisses der thematisierten reichsständischen Akteure nicht angemessen, diese Vermittlertätigkeit in den Vordergrund zu stellen und sie als wesentliches Charakteristikum der Gruppe darzustellen. Viel deutlicher tritt zu Tage, dass die reichsständischen Akteure der sogenannten Dritten Partei aus dem Willen heraus, schnellstmöglich einen Frieden für das Reich und ihre eigenen Territorien herzustellen, klare Reichs- bzw. Eigeninteressen verfolgten. Da sie rechtlich und politisch unmittelbar mit dem Reich verbunden waren, besaßen sie ein genuines Interesse am Reich. Damit konnten sie gar nicht als neutrale Mediatoren in einem Friedenskongress auftreten, auf dem das Reich – also sie selbst – zentraler Verhandlungsgegenstand war. Weiterhin gilt es hinsichtlich der verfolgten Eigen- und Reichsinteressen zwischen den Akteuren der Dritten Partei zu differenzieren. Während bei Maximilian I. von Bayern das Interesse am Wohlergehen des Reiches, das in der Korrespondenz genannt wird, angesichts einer überwiegend auf Bestandssicherung

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

209

der eigenen Kriegserfolge ausgelegten Politik eher vorgeschoben erscheint, könnte dies zum Beispiel beim Reichsstand Sachsen-Altenburg anders gelagert gewesen sein. So verfolgten die Gesandten der traditionsgemäß reichspatriotisch gesinnten Ernestiner in der Endphase des Kongresses keine dynastisch-territorialen Eigeninteressen ihres Dienstherrn Friedrich Wilhelm II. (1603 – 1669), sodass das im Kongressgeschehen sichtbar werdende Reichsinteresse Sachsen-Altenburgs als durchaus authentisch erscheint.⁶³ Der Erfolg der Dritten Partei gründete vor diesem Hintergrund also nicht in einer besonders gelungenen neutralen Vermittlertätigkeit, sondern vielmehr in der Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten der Reichsstände bei Friedensverhandlungen in einer Situation, in der das Reichsoberhaupt nicht den Willen oder das Vermögen aufbrachte, den Frieden herbeizuführen. Dies wiederum führt zu der Frage nach dem Begriff die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses. ⁶⁴ Um eine Selbstbezeichnung der Gruppe scheint es sich dabei nach bisherigen Erkenntnissen nicht zu handeln. Zwar taucht der Begriff in der frühneuzeitlichen französischen Außenpolitik auf, doch wird er dort als ein Mittel der politischen Einflussnahme Frankreichs auf das Reich verstanden.⁶⁵ Der Begriff die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses erscheint als ein Forschungsbegriff, der möglicherweise ein fehlerhaftes Bild der Gruppe hervorruft. So suggeriert der Begriffsteil Dritte, dass es sich um eine externe Gruppe handelte, die kein eigenes Interesse an den Verhandlungen verfolgte, sondern darin neutral agierte. Denn der Begriff Dritte(r) findet üblicherweise Verwendung für die Bezeichnung eines Mediators, der zwischen Konfliktparteien in Form einer neutralen, dritten Instanz vermittelt.⁶⁶ Hingegen waren die Reichsstände, wie aufgezeigt, nicht nur mit vielfältigen Reichs- bzw. Eigeninteressen an den Verhandlungen beteiligt, sondern sie verstanden sich auch als verfassungsrechtlich legitimierte Vertretung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Zudem kann der Begriffsteil Partei ebenfalls eine missverständliche Deutung hervorrufen, da er eine durch klare Zugehörigkeiten definierte, abgeschlossene Gruppe erwarten lässt. Auch diese Annahme scheint jedoch für die Dritte Partei nicht treffend zu sein. Angesichts dessen erscheint die Verwendung des Begriffes Dritte Partei als diskutabel. Doch auch die zeitgenössischen Begriffe, die Maxi-

 Vgl. hierzu Nonnast, Die Ernestiner und der Westfälische Friedenskongress, besonders S. 184 f. sowie den Beitrag von Christoph Nonnast in diesem Band.  Vgl. zur Verwendung des Begriffes den entsprechenden Beitrag von Maria-Elisabeth Brunert in diesem Band.  Vgl. hierzu den entsprechenden Beitrag von Guido Braun in diesem Band.  Vgl. Rohrschneider, Friedensvermittlung und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 474 f.

210

Volker Arnke

milian I. von Bayern in seiner Korrespondenz mit dem Mainzer Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn verwendete, wie etwa „die friedliebenden Chur:Fürsten und Stendt“ oder schlicht „die Osnabruggischen Gesandtschafften“⁶⁷ eignen sich auf Grund einer gewissen Beliebigkeit bzw. mangelhaften Spezifik eher weniger. In diesem Punkt bedarf es also weiterer Ideen.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner; Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 10: 1648 – 1649. Bearb. von Dorothée Goetze. Münster 2015; Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Band 3/6: Die Beratungen des Fü rstenrates in Osnabrü ck. Juni – Juli 1648. Bearb. von Maria-Elisabeth Brunert. Münster 2009; Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Band 3/7: Die Beratungen des Fü rstenrates in Osnabrü ck. Juli – September 1648. Bearb. von Maria-Elisabeth Brunert. Münster 2013. Österreichisches Staatsarchiv, Mainzer Reichserzkanzlerarchiv [OeStA MEA] Korrespondenz 22.

Literatur Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573 – 1651. Mü nchen 1998. Arnke, Volker: „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg. Nicolaus Schaffshausens „De Pace“ und der Positive Frieden in der Politiktheorie. Berlin/Boston 2018. Arnke, Volker: Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde – ein Forschungsdesiderat, in: Stefanie Freyer/Siegrid Westphal (Hrsg.): Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie. Berlin/Boston 2020, S. 165 – 186 Arnke, Volker: Konkurrierende Friedensstrategien und Rollenvielfalten. Die katholischen Reichsstände in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses, in: Franziska Neumann/Jorun Poettering/Hillard von Thiessen (Hrsg.), Konkurrenzen in der Frühen Neuzeit. Köln u. a. vorauss. 2022. Asch, Ronald G./Voss, Wulf Eckart/Wrede, Martin (Hrsg.): Frieden und Krieg in der Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt. Mü nchen 2001. Brendle, Franz: Der Erzkanzler im Religionskrieg. Kurfü rst Anselm Casimir von Mainz, die geistlichen Fü rsten und das Reich 1629 bis 1647. Mü nster 2011. Braun, Tina: Der welfische Gesandte Jakob Lampadius auf dem Westfälischen Friedenskongress (1644 – 1649). Masch.-Diss. Bonn 2015.

 OeStA MEA Korrespondenz 22, unfol.

Zwischen Vermittlung, Reichs- und Eigeninteressen

211

Brunert, Maria-Elisabeth: Niederrheinische Interessenpolitik auf dem Westfälischen Friedenskongress? Die Verhandlungsziele Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg in Münster und Osnabrück, in: Michael Rohrschneider (Hrsg.): Frühneuzeitliche Friedensstiftung in landesgeschichtlicher Perspektive. Wien/Köln/Weimar 2020, S. 163 – 188. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Hrsg. von Konrad Repgen. 7. Aufl. Münster 1998. Dingel, Irene/Rohrschneider, Michael/Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Whaley, Joachim (Hrsg.): Handbuch Frieden im Europa der Frühen Neuzeit. Handbook of Peace in Early Modern Europe. Bearb. von Volker Arnke. Berlin/Boston 2021. Duchhardt, Heinz: Der Westfälische Friede im Fokus der Nachwelt. Mü nster 2014. Goetze, Dorothée: Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses, in: Guido Braun/Arno Strohmeyer (Hrsg.): Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner zum 65. Geburtstag. Münster 2013, S. 259 – 290. Härter, Karl: Das Kurmainzer Reichstagsdirektorium. Eine zentrale reichspolitische Schaltstelle des Reichserzkanzlers im Reichssystem, in: Hartmann (Hrsg.), Der Mainzer Kurfü rst, 1997 (siehe dort), S. 171 – 203. Hartke, Heinz Adrian: Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten bei den Westfälischen Friedensverhandlungen. Masch.-Diss. Bonn 2019. Hartmann, Peter C. (Hrsg.): Der Mainzer Kurfü rst als Reichserzkanzler. Funktionen, Aktivitäten, Ansprü che und Bedeutung des zweiten Mannes im alten Reich. Stuttgart 1997. Immler, Gerhard: Kurfü rst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand. Mü nster 1992. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. Stuttgart 2008. Milton, Patrick/Axworthy, Michael/Simms, Brendan: Towards a Westphalia for the Middle East. London 2018. Nonnast, Christoph: Die Ernestiner und der Westfälische Friedenskongress, in: Siegrid Westphal/Hans-Werner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.): Die Welt der Ernestiner. Ein Lesebuch. Köln/Weimar/Wien 2016, S. 183 – 191. Nonnast, Christoph: Mindermächtiger Fü rstenstaat und große Politik. Sachsen-Altenburg auf dem Westfälischen Friedenskongress. Masch.-Diss. Jena 2017. Repgen, Konrad: Dreißigjähriger Krieg und Westfälischer Friede. Studien und Quellen. Hrsg. v. Franz Bosbach/Christoph Kampmann. 3. Aufl. Paderborn 2015. Repgen, Konrad: Der Westfälische Friede und die zeitgenössische Öffentlichkeit, in: ders.: Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 968 – 1009. Repgen, Konrad: Fabio Chigi und die theologische Verurteilung des Westfälischen Friedens: Ein Zirkulare aus dem Jahre 1649, in: ders.: Dreißigjähriger Krieg, 2015 (siehe dort), S. 789 – 812. Rohrschneider, Michael: Der gescheiterte Frieden von Münster. Spaniens Ringen mit Frankreich auf dem Westfälischen Friedenskongress 1643 – 1649. Münster 2007. Rohrschneider, Michael: Friedensvermittlung und Schiedsgerichtsbarkeit, in: Dingel u. a. (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2021 (siehe dort), S. 473 – 490. Steinwascher, Gerd: Osnabrück und der Westfälische Frieden. Die Geschichte der Verhandlungsstadt 1641 – 1650. Osnabrück 2000.

212

Volker Arnke

Stolleis, Michael: Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 1: Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600 – 1800. 2. Aufl. München 2012. Villaverde, Fernando (Hrsg.): 350 años de la Paz de Westfalia. Del antagonismo a la integración en Europa. Madrid 1999. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015.

Dorothée Goetze

„Was grosse vermessenheit“. Die Verhandlungen der sogenannten Dritten Partei aus Perspektive der kaiserlichen Gesandten 1 Die sogenannte Dritte Partei Die Forschung zum Westfälischen Friedenskongress tradiert das Bild einer sogenannten Dritten Partei oder Friedenspartei, der sie maßgeblichen Einfluss auf das Zustandekommen der Verträge von Münster und Osnabrück zuschreibt.¹ Dieses Urteil steht im starken Kontrast zum geringen Detailwissen der Forschung über diese „Dritte Partei“.² So ist etwa der Zeitpunkt ihres Entstehens unbekannt. Laut Fritz Dickmann lassen sich bereits im September 1647 erstmals „unmittelbare Besprechungen zwischen einzelnen Ständen beider Konfessionen“ in den Akten greifen.³ Siegrid Westphal geht hingegen davon aus, dass erst im Januar 1648 geheime Konferenzen stattfanden.⁴ Andreas Hausmann terminiert erste

 Siehe exemplarisch Dickmann, Der Westfälische Frieden; Westphal, Der Westfälische Frieden; Kampmann, Europa und das Reich. Jüngst: Arnke, Dritte Partei. – Braun, Lampadius, S. 318 f., interpretiert die sogenannte Dritte Partei unter Berufung auf Jakob Lampadius (1593 – 1649), den Gesandten Braunschweig-Lüneburgs, als erweiterte „Wiederaufnahme der früheren Zusammenarbeit“ und revidiert ihre Bedeutung für das Zustandekommen der Friedensverträge. Allerdings kann ihre Begründung, dass die „Dritte Partei“ nicht allein für den Erfolg der Beratungen verantwortlich zu machen ist, da sie weiterhin mit Kaiserlichen und Schweden interagierte, nicht überzeugen.  Brunert, Begriff, weist darauf hin, dass „Dritte Partei“ ein selten gebrauchter zeitgenössischer Begriff ist, der für reichsständische militärische Koalitionen gebraucht wurde, die als dritte Kraft zwischen Kaiser und Schweden agieren sollten. Bernhard Erdmannsdörffer gebrauchte dafür den Begriff „Mittelpartei“ (1867), während Clas Theodor Odhner dies „Dritte Partei“ nannte und deren Aktionsfeld eher im politischen Bereich sah (1877). Einen ersten modernen Definitionsversuch unternahm 1940 der Jurist Hans Peter Ipsen, der in der Dritten Partei beim Westfälischen Friedenskongress einen politischen Zusammenschluss ohne feste Organisation sah, dessen Ziel die Partizipation der Reichsstände an den Verhandlungen gewesen sei. – Ich danke Frau Dr. MariaElisabeth Brunert, Zentrum für Historische Friedensforschung (Bonn), für die Einsichtnahme in das Manuskript ihres Beitrags in diesem Band, das den hier referierten Ausführungen zugrunde liegt.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 446.  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 89. https://doi.org/10.1515/9783110703795-012

214

Dorothée Goetze

überkonfessionelle Geheimkonferenzen auf den 8. Februar 1648, weist aber ausdrücklich auf deren Singularität hin.⁵ Christoph Kampmann indes gibt an, dass sich eine „konfessionsübergreifen[de] Gruppe kompromissbereiter Stände“ in Osnabrück im Februar 1648 konstitutierte. Er beschreibt ihre Zusammensetzung als „eher willkürlich und ohne Rücksicht auf reichsrechtliche Traditionen“.⁶ Karsten Ruppert wiederum sieht in der Änderung des Verhandlungsmodus Ende Februar 1648 „einen erste[n] Sieg einer über die Konfessionen hinweg sich bildenden politisch orientierten Friedenspartei“ und interpretiert den Verfahrenswechsel als Indiz für die Konstitution einer solchen reichsständischen Gruppe, ohne diese allerdings weiter zu charakterisieren.⁷ Wie in Bezug auf den Entstehungszeitpunkt herrscht auch hinsichtlich der Mitglieder dieser sogenannten Dritten Partei keine Einigkeit in der Forschung.⁸ Zudem bleibt zu klären, ob es sich bei der „Dritten Partei“ tatsächlich um eine festgefügte Gruppe handelte oder um situative Kooperationen wechselnder Akteure.⁹ Auch sind Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse innerhalb der „Dritten Partei“ weitgehend unbekannt, ebenso ihre Legitimation und ihr Vertretungsanspruch.¹⁰

 Einleitung zu Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647– 1648. Bearb. von Andreas Hausmann, 2008 (künftig: APW II A 7), S. LXXX f.  Kampmann, Europa und das Reich, S. 168.  Ruppert, Die kaiserliche Politik, S. 332.  Als Mitglieder nennt Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 458, „die Gesandten der fränkischen Bischöfe, Braunschweigs und sächsischen Herzoghäuser, erst im Laufe des Januar [1648] traten Mainz, Trier und Bayern, von evangelischer Seite Straßburg und dann sogar Sachsen und Brandenburg hinzu“. Westphal zählt als Mitglieder „auf protestantischer Seite die Gesandten Kursachsens, Kurbrandenburgs, der ernestinischen Herzogtümer Sachsen-Altenburg, SachsenWeimar, Braunschweig-Lüneburg und der Reichsstadt Straßburg, auf katholischer Seite Kurmainz, Kurtrier, Kurbayern, Würzburg und Bamberg“ auf. Kursachsen und Kurbrandenburg schieden offenbar relativ bald aus dieser Gruppe aus (siehe Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 88 f., das Zitat S. 88). Hausmann nennt als Beteiligte der Geheimkonferenzen vom 8. Februar 1648 „Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen-Altenburg, Braunschweig-Lüneburg, Reichsstadt Straßburg, Kurmainz, Kurtrier, Kurbayern, Würzburg und Bamberg“ (Einleitung zu APW II A 7, S. LXXXI).  Dickmann suggeriert die Existenz einer festen und als politische Einheit agierenden überkonfessionellen Gruppe (Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 458 und passim). Auch Westphals Formulierung, dass „ab Frühjahr 1648 die Dritte Partei der kompromissbereiten Reichsstände die Verhandlungsführung“ ergriff, deutet einen klar zu definierenden reichsständischen Kreis an (Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 64 f.).  Ein an der Universität Osnabrück angesiedeltes Forschungsprojekt unter Leitung von Siegrid Westphal untersucht diese Fragen: URL: https://www.ikfn.uni-osnabrueck.de/forschung/histori sche_friedensforschung/frieden_als_kommunikationsprozess.html (abgerufen am 01.04. 2020).

„Was grosse vermessenheit“

215

Die vorliegende Studie leistet einen Beitrag zur Erforschung der „Dritten Partei“, indem sie deren Wahrnehmung durch die kaiserlichen Gesandten analysiert. Wen rechneten diese der sogenannten Dritten Partei zu? Beschrieben sie diese als feste Gruppe? Identifizierten die kaiserlichen Gesandten unter den Angehörigen der „Dritten Partei“ führende Akteure? Weiterhin gilt es zu fragen, wie das Agieren der „Dritten Partei“ beschrieben wird. Mit welchen Attributen werden die Akteure und ihre Handlungen belegt? Im Zentrum der Studie stehen somit die Wahrnehmung und Bewertung reichsständischen Handelns durch die kaiserlichen Gesandten. Um dieses Urteil einordnen zu können, gilt es auch, nach den Rahmenbedingungen ihrer Wahrnehmung zu fragen. Die Basis für die Untersuchung bilden die Korrespondenzen der kaiserlichen Gesandten in Westfalen mit dem Kaiserhof, die im Rahmen des Editionsprojektes Acta Pacis Westphalicae veröffentlicht wurden.¹¹ Diese umfassen zum einen die offiziellen Relationen der Gesandten an Ferdinand III. (1608 – 1657) und dessen Weisungen an seine Delegierten in Westfalen. Zum anderen handelt es sich um Schreiben einzelner Gesandter, vor allem Isaak Volmars (1582/83 – 1662) und Johann Maximilian von Lambergs (1608 – 1682), an ihre Patrone am Kaiserhof, Obristhofmeister Maximilian von Trauttmansdorff (1584– 1650) und Reichsvizekanzler Ferdinand Sigmund Kurz von Senftenau (1592– 1659).¹² Wie sehr sich diese Nebenkorrespondenz von den offiziellen Relationen der kaiserlichen Gesandtschaften unterscheidet, illustriert Volmars Kommentar zur Mundierung des kaiserlich-schwedischen Friedensvertrags: „Der Oxenstirn hatt mir einen trunkh zugemuttet, den hab ich, weil er so hoch contestirt, beim schluss ze bleiben, nit außschlagen wollen. Also ettlich gläßl mit ime und dem Salvio gewexelt. Gott geb, dz es zue bestendigkheit deß fridenschluss angesehen sei und nit zum betrug.“¹³ – Dieses Zitat ist in vielerlei Hinsicht aufschlussreich: 1. Es dokumentiert eine in der Forschung bislang nicht beachtete diplomatische Bestätigungspraxis: das Be-

 Siehe APW II A 7– 10.  Siehe zu frühneuzeitlicher Patronage in Auswahl: Haug, Ungleiche Außenbeziehungen; Asch/ Emich/Engels (Hrsg.), Integration – Legitimation – Korruption; Thiessen, Diplomatie und Patronage; Droste, Im Dienst der Krone, S. 249 – 286.  Siehe Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 August 11; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 9: Mai–August 1648. Bearb. von Stefanie Fraedrich-Nowag, 2013 (künftig: APW II A 9), Nr. 115, S. 382, Z. 22– 26. – Siehe zur Mundierung des kaiserlich-schwedischen Friedensvertrages am 6. August 1648: Einleitung zu APW II A 9, S. LVI, sowie Protokoll, Osnabrück 1648 August 6; APW II A 9, Nr. 111. – Siehe zur Nebenkorrespondenz der kaiserlichen Gesandten demnächst auch Goetze, Nebenberichte, in dem Sammelband zur Salzburger Tagung „Die Medialität des Briefes. Diplomatische Korrespondenz im Kontext frühneuzeitlicher Briefkultur“ (29.10. – 31.10. 2021), URL: https://www.hsozkult.de/ conferencereport/id/tagungsberichte-8846 (abgerufen am 01.04. 2020)

216

Dorothée Goetze

Trinken eines Vertragsabschlusses.¹⁴ 2. Diese Aussage transportiert die Sehnsucht nach einem stabilen Friedensschluss, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert war, da der Vertrag nur mündlich und per Handschlag vereinbart worden war. Zwar sollte diese Übereinkunft rechtsverbindlich sein, allerdings war die noch ausstehende Unterzeichnung ebenso vom Erfolg der kaiserlich-französischen Verhandlungen abhängig wie von der Worttreue der schwedischen und kaiserlichen Partei. Besonders die Unsicherheit hinsichtlich der Worttreue der schwedischen Gesandten schwingt in den Schreiben der kaiserlichen Gesandten an den Kaiserhof bis zum 24. Oktober 1648 deutlich mit. 3. Diese Episode vermittelt einen Eindruck von Volmars Charakter: Er erscheint hier wie auch in anderen Äußerungen als misstrauisch den Verhandlungspartnern gegenüber, fast misanthrop.¹⁵ – Die Beobachtung ist deshalb relevant, weil diese Eigenschaft auch seine Berichterstattung über die reichsständischen Verhandlungen prägte. Volmar äußerte seine Einschätzungen vor allem gegenüber Trauttmansdorff, dem er eng verbunden war. Dieses Vertrauensverhältnis ermöglichte es ihm, seine Meinung offen kundzutun. Ähnliches gilt für Lamberg. Auch er konnte sich gegenüber Reichsvizekanzler Kurz freier äußern; allerdings scheint er eine positivere charakterliche Grunddisposition gehabt zu haben als sein Kollege Volmar. Zunächst erfolgt eine Bestandsaufnahme der Wahrnehmung der reichsständischen Akteure und ihres Handelns durch die kaiserlichen Gesandten (2), ehe die erzielten Befunde in den Verhandlungsverlauf und die Kommunikationsbedingungen der kaiserlichen Gesandtschaft eingeordnet werden (3).

 Siehe zur Beglaubigung frühneuzeitlicher Friedensschlüsse grundlegend Lanzinner, Beglaubigungspraktiken, der das Be-Trinken von Friedensverträgen allerdings nicht erwähnt. Strohmeyer, Internationale Geschichte, bes. S. 627 f., weist dem gemeinsamen Kaffeekonsum in der habsburgisch-osmanischen Diplomatie auch eine befestigende Dimension zu, etwa in Bezug auf Bündnisse und Friedensverträge.  Siehe zu Volmars Persönlichkeit Ferber, Trauttmansdorff, bes. S. 237, und Einleitung zu Acta Pacis Westphalicae. Serie III: Protokolle,Verhandlungsakten, Diarien,Varia. Abt. C: Diarien. Bd. 2: Diarium Volmar. 1. Teil: 1643 – 1647. Bearb. von Joachim Foerster und Roswitha Philippe, 1984, S. XXVI, XXXf.

„Was grosse vermessenheit“

217

2 Wahrnehmung der sogenannten Dritten Partei durch die kaiserlichen Gesandten 2.1 Mitglieder und Akteure der sogenannten Dritten Partei Bei Durchsicht der Korrespondenzen der kaiserlichen Gesandten werden die Namen einiger reichsständischer Vertreter wiederholt im Kontext der Entwicklung der Verhandlungen und im Zusammenhang mit reichsständischem Agieren genannt: Johann Adolf Krebs (1624– 1670), Kurbayern, Sebastian Meel (ca. 1597– 1666), Kurmainz, und Johann Philipp Vorburg (1596 – 1660), Würzburg, scheinen aus Sicht der kaiserlichen Gesandten zusammen mit Wolf Konrad Thumbshirn (1604 – 1667), Sachsen-Altenburg, den seit dem Frühjahr 1648 sehr stabilen Kern dieser reichsständischen Verhandlungsgruppe gebildet zu haben.¹⁶ Ergänzt wird dieses Quartett in den Berichten der kaiserlichen Gesandten von den Gesandten Braunschweig-Lüneburgs¹⁷ sowie Johann Fromhold (1602– 1653), Kurbrandenburg, Markus Otto (1600 – 1674), Reichsstadt Straßburg, und bis zur Abberufung im Juli 1648 auch durch Johann Anethan (1594– 1668), Kurtrier. Situativ wurden auch Cornelius Göbel (Bamberg) und Johann Adam Krebs († 1674), Kurmainz/ Salzburg, dazu gezählt.¹⁸ Offenbar bestand der impulsgebende engste Kreis dieser reichsständischen Gruppe in der Wahrnehmung der kaiserlichen Gesandten aus wenigen Personen. In ihren Korrespondenzen finden sich wiederholt Aussagen, dass es sich um eine  Siehe dazu Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 13, Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 8: Februar–Mai 1648. Bearb. von Sebastian Schmitt, 2008 (künftig: APW II A 8), Nr. 3, S. 10, Z. 22– 11, Z. 4, und S. 14, Z. 1– 7; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 4, S. 15, Z. 15 – 17; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 19, S. 60, Z. 25 – 61, Z. 2; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 20, S. 63, Z. 31– 64, Z. 8; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 12; APW II A 8, Nr. 35, S. 119, Z. 29 – 120, Z. 3.  Es wird sowohl Jakob Lampadius als auch Heinrich Langenbeck (1603 – 1669) genannt. Häufig ist lediglich vom braunschweig-lüneburgischen Gesandten die Rede, sodass nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist, wer von beiden gemeint ist. Siehe z. B. Anm. 23 und 25.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 19, S. 60, Z. 25 – 61, Z. 2; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; ebd., Nr. 20, S. 63, Z. 31– 64, Z. 8; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 März 12; Nr. 34 S. 116, Z. 16 – 35; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 12; APW II A 8, Nr. 35, S. 119, Z. 29 – 120, Z. 3; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 18; APW II A 9, Nr. 45, S. 159 Z. 29 – 30; Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 August 28; APW II A 9, Nr. 137, S. 449, Z. 31– 450, Z. 1.

218

Dorothée Goetze

relativ kleine, aber einflussreiche Personengruppe gehandelt hat. So bemerkten Lamberg und Krane in ihrer Relation an Ferdinand III. vom 31. August 1648 in Hinblick auf die Fortsetzung der Verhandlungen über den kaiserlich-französischen Frieden in Osnabrück: Es „wirdt aber alles nur von fünff persohnen […] dirigirt“;¹⁹ die sie in dem Schreiben namentlich benennen: Sebastian Meel, Johann Adolf Krebs, Johann Philipp Vorburg sowie Wolf Konrad Thumbshirn und Jakob Lampadius. An anderer Stelle beklagt sich Lamberg gegenüber Reichsvizekanzler Kurz hinsichtlich der Verhandlungen über die letzten Forderungen Frankreichs darüber, „[i]n was für ein verwirten stand [sie] 4 oder 5 dolle köpff gesezt“ haben.²⁰ Dass dieser Gruppe trotz ihrer relativ geringen Größe eine solche Wirkkraft zugeschrieben wurde, lag neben individuellen Eigenschaften der Beteiligten, die sich in der kaiserlichen Korrespondenz allerdings nicht greifen lassen, wohl vor allem an ihrer Zusammensetzung: Diese Gesandten repräsentierten die gesamte Breite der beim Westfälischen Friedenskongress versammelten Reichsstände. So waren etwa Mitglieder aller drei reichsständischen Kurien vertreten: der Kurfürstenrat wurde durch Kurmainz, Kurbayern, Kurbrandenburg sowie bis zur Abberufung Anethans auch Kurtrier repräsentiert. Dem Fürstenrat gehörten die Gesandten Sachsen-Altenburgs, Würzburgs, Bambergs und Braunschweig-Lüneburgs an. Diese Gesandten repräsentierten ebenso wie ihre Kollegen im Kurfürstenrat sowohl katholische als auch lutherische und reformierte, sowohl geistliche als auch weltliche Reichsstände.²¹ Mit Markus Otto war auch ein Vertreter des Städterats involviert. Bedeutsamer war vermutlich, dass die Direktorialstände nicht nur der weltlichen reichsständischen Gremien in diesem Kreis vertreten waren: Kurmainz mit dem Reichsdirektorium, dem Direktorium im Kurfürstenrat sowie bei überkurialen Zusammenkünften, außerdem Straßburg, das das Direktorium im Städterat führte. Ab Oktober 1647 übernahm zudem der Kurmainzer Sekundargesandte Johann Adam Krebs das Salzburger Votum und somit auch das Direktorium im Fürstenrat, „welcher dan alles secundirt, waß […] Vorburgs vota an handt geben, und hat also, mit einem wortt zu reden, Churmayntz allem herkommen zuwieder

 Lamberg und Krane an Ferdinand III., 1648 August 31; APW II A 9, Nr. 140, S. 467, Z. 34– 35.  Lamberg an Kurz, Osnabrück 1648 September 3; Acta Pacis Westphalicae. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 10: 1648 – 1649. Bearb. von Dorothée Goetze, 2015 (künftig: APW II A 10), Nr. 5, S. 21, Z. 3.  Kampmann, Europa und das Reich, S. 168, hebt hervor, dass kein evangelischer Kurfürst in dieser Gruppe vertreten war. Die Gründe für die Distanz der kursächsischen Politik zu dieser Entwicklung erläutert Oetzel, Prinzipientreue, in diesem Band.

„Was grosse vermessenheit“

219

in effectu das directorium im chur- und fürstenrath“.²² Kurmainz führte zudem das Direktorium im Corpus Catholicorum, während Sachsen-Altenburg das Direktorium im Corpus Evangelicorum an Stelle Kursachsens vertrat. Diese Zusammensetzung war dazu geeignet, Entscheidungen der reichsständischen Akteure auf eine breite Basis zu stellen und ihnen aufgrund ihres Status Legitimität und Autorität zu verleihen. – Diese Schlüsselpositionen im Verfahren der Beratungen sind unabhängig von der inhaltlichen Dimension reichsständischen Handelns bereits dazu geeignet, dass deren Inhaber häufiger als andere Erwähnung in der Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten finden. Obwohl die von ihnen identifizierte Gruppe bereits relativ klein war, fassten die kaiserlichen Gesandten deren Führungskreis noch einmal enger. Im Februar 1648 sahen sie die Gesandten Sachsen-Altenburgs und Braunschweig-Lüneburgs als diejenigen unter den evangelischen Reichsständen, von denen „das werck […] geführt“ wurde.²³ Im März berichteten sie, dass Thumbshirn und Langenbeck (Braunschweig-Lüneburg) die kurbayerischen Gesandten zu Verhandlungen über die Autonomie-Artikel eingeladen hatten.²⁴ Auch in Bezug auf die im April 1648 „in puncto amnestiae noch ubrige materias sambt den articulis de iuribus et immunitatibus statuum, item de commerciis“ ging die Initiative für überkonfessionelle reichsständische Beratungen angeblich von den Gesandten Sachsen-Altenburgs und Braunschweig-Lüneburgs aus.²⁵ Diese waren laut den kaiserlichen Repräsentanten auch an den Beratungen über Friedensexekution und -sicherung beteiligt.²⁶ Thumbshirn sei zudem in die Erarbeitung eines reichsständischen Entwurfs zur Regelung des Marburger Sukzessionsstreites involviert gewesen.²⁷ Im Juni 1648 identifizierten die kaiserlichen Gesandten ihn als eine der führende

 Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., 1648 Osnabrück Juli 9; APW II A 9, Nr. 76, S. 263, Z. 29 – 264, Z. 2. Vorburg vertrat das Hochstift Würzburg, sein Dienstherr Philipp von Schönborn (1605 – 1673) war sowohl Mainzer Kurfürst als auch Fürstbischof von Würzburg.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 3, S. 10, Z. 23 – 11, Z. 2; ähnlich auch Lamberg, Krane und Vollmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 19, S. 60, Z. 25 – 61, Z. 2, oder Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 20, S. 63, Z. 31– 64, Z. 2 (hier wird explizit Thumbshirn genannt).  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 März [12]; APW II A 8, Nr. 34 S. 116, Z. 16 – 26.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 13; APW II A 8, Nr. 75, S. 236, Z. 12– 20, das Zitat Z. 14– 18; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 April 13; APW II A 8, Nr. 76, S. 244, Z. 16 – 21.  Siehe Lamberg, Kane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 30; APW II A 8, Nr. 96, S. 326, Z. 19 – 25.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 9; APW II A 8, Nr. 71, S. 218, Z. 13 – 19.

220

Dorothée Goetze

Personen in den Verhandlungen über die schwedische Militärsatisfaktion, besonders bei der Durchsetzung der Zustimmung des Kurfürstenrats.²⁸ Thumbshirn galt ihnen neben den Braunschweig-Lüneburgischen und dem Straßburger Gesandten Markus Otto auch als einer der „vornembsten directores“, die die Verhandlungen über den Frieden mit Frankreich in Osnabrück ab Mitte August 1648 vorantrieben.²⁹ Dazu passt das Urteil Volmars im April 1648: „Die größte difficultet […] kombt hauptsächlich von denn Sachßen Aldenburgischen und des Dr. Krebßen gehaimen conferentzen her.“³⁰ Zugleich nennt Volmar darin einen weiteren führenden reichsständischen Vertreter. Außer Thumbshirn und den Gesandten Braunschweig-Lüneburgs war in den Augen der Kaiserlichen auch der kurbayerische Gesandte Johann Adolf Krebs, den Volmar zusammen mit dem Kurmainzer Gesandten Sebastian Meel und dem Würzburger Gesandten Johann Philipp Vorburg als „triumviros“ bezeichnete und ihnen damit ebenfalls eine Führungsrolle zuschrieb,³¹ zu den reichsständischen Entscheidungsträgern zu zählen.³² Im Juli 1648 behaupteten Lamberg und Krane sogar, „es seie kein schadtlicher mann bey diesem convent alß der |:fürstlich Würtzburgische von Vorburg [und] der fürstlich Saltzburgische:|“, dabei beriefen sie sich auf den Kurtrierer Gesandten Anethan als Gewährsmann, von dem diese Einschätzung ursprünglich stammen sollte.³³ Vorburg wird wiederholt als maßgeblich für die Entwicklung der Verhandlungen dargestellt.³⁴ Er soll den Schweden „anlaaß und ursach“ gegeben haben, Änderungen an dem von den kaiserlichen Gesandten am 8. Februar 1648 her-

 Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 43, S. 151, Z. 25 – 38.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 13; APW II A 9, Nr. 116, S. 384, Z. 24– 27; ähnlich, ohne Nennung Ottos: Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 August 28; APW II A 9, Nr. 137, S. 449, Z. 30 – 450, Z. 3; Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 31; APW II A 9, Nr. 140, S. 467, Z. 33 – 468, Z. 5; Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 11, S. 52, Z. 13 – 18, dort wird evangelischerseits nur Thumbshirn genannt.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 April 30; APW II A 8, Nr. 97, S. 335, Z. 4– 5.  Ebd., Z. 26.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 9; APW II A 8, Nr. 70, S. 216, Z. 5 – 9.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 6; APW II A 9, Nr. 71, S. 241, Z. 29 – 31. – Kursivierung hier und im Folgenden aus der Vorlage übernommen.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 3, S. 14, Z. 1– 7; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 4, S. 15, Z. 15 – 17; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III, Osnabrück 1648 Juli 9; APW II A 9, Nr. 76, S. 263, Z. 13 – 21.

„Was grosse vermessenheit“

221

ausgegebenen Friedensentwurf zu fordern.³⁵ Der bayerische Gesandte Krebs wird hingegen eher im Kontext der Verhandlungen mit Frankreich kritisiert, er „würdt [den kaiserlichen Gesandten] gwiß mit denn Französischen tractaten grosse ungelegenheit machen und Spania per forza ausschliessen wollen“.³⁶ Auch in der Autonomie-Frage suchten Thumbshirn und die braunschweig-lüneburgischen Gesandten offenbar den Austausch mit Krebs und seinem Kollegen, um gemeinsam einen Textentwurf abzustimmen.³⁷ Laut kaiserlicher Berichterstattung stimmten die kurbayerischen Gesandten den Textvorschlag mit den Vertretern Kurmainz’, Kurtriers und Kurkölns sowie Bambergs und Würzburgs ab, wobei „der Vorburg allein hatt Maintz und Würtzburg vertretten“, in Abwesenheit der beiden Kurmainzer Gesandten.³⁸ Über die Regelung des Marburger Erbstreits konferierten die kurbayerischen Gesandten angeblich zusammen mit Sebastian Meel, Johann Philipp Vorburg und Konrad Thumbshirn.³⁹ Zusammen mit seinem Kurmainzer Kollegen Meel und dem Würzburger Gesandten Vorburg soll Krebs „den articulum executionis et assecurationis underderhandt [!] zu tractiren vorgenohmen“ haben, den sie später den evangelischen Gesandten vorlegten.⁴⁰ Auch für den neuerlichen reichsständischen Entwurf für die Regelung des Friedensvollzugs, den die kaiserlichen Gesandten am 21. Mai 1648 an den Kaiserhof übersandten, gaben sie Krebs die Hauptverantwortung;⁴¹ ebenso an der Höhe der bewilligten schwedischen Militärsatisfaktion. „Wann man die rechte warheit sagen soll, so seind an allem disem unheil die Mainzisch- und Bayerischen ministri einzig und allein schuldig“, räumte Volmar gegenüber Trauttmansdorff ein.⁴² An anderer Stelle heißt es, „Dr. Meel, Churmayntzischer, Dr. Krebs, Churbayrischer, und der v[on] Vorburg, bischofflich Würtzburgischer deputati, selb[st] darzu ahnlaaß geben  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 4, S. 15, Z. 15. Zur Publikation des sechsten Entwurfs für einen kaiserlich-schwedischen Friedensvertrag siehe Einleitung; APW II A 7, S. LXXX.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 4, S. 15, Z. 28 – 16, Z. 1.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 März [12]; APW II A 8, Nr. 34, S. 116, Z. 16 – 36; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 19; APW II A 8, Nr. 42, S. 144, Z. 31– 33, Lamberg an Kurz, Osnabrück 1648 März 19; APW II A 8, Nr. 43, S. 145, Z. 22– 25.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 12; APW II A 8, Nr. 35, S. 120, Z. 2– 3.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 9; APW II A 8, Nr. 71, S. 218, Z. 13 – 19; ähnlich Kurz an Lamberg, Prag 1648 März 22; APW II A 8, Nr. 45, S. 159, Z. 13 – 17.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 27; APW II A 8, Nr. 93, S. 316, Z. 39 – 317, Z. 3; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 30; APW II A 8, Nr. 96, S. 326, Z. 19 – 25.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Mai 21; APW II A 9, Nr. 13, S. 40, Z. 26 – 41, Z. 6.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 44, S. 156, Z. 4– 6.

222

Dorothée Goetze

[und] hinderrücks [der kaiserlichen Gesandten] mit denen protestierenden, auch denen Schweden gehandtlet und geschloßen“.⁴³ Meel und Vorburg sollen sich zudem neben Thumbshirn um die Anerkennung der vereinbarten schwedischen Militärsatisfaktion im Kurfürstenrat bemüht haben.⁴⁴ Im Kontext der kaiserlich-französischen Verhandlungen erscheint die Krebs, Meel und Vorburg zugeschriebene Führungsrolle besonders deutlich.⁴⁵ Zum einen unterstellten die kaiserlichen Gesandten im Mai 1648, „daß sonderlich Dr. Krebs dem Frantzösischn residenten La Cour vertröstung gethan, alles nach der cron Franckreich begehrn zu resolvirn hellfn, die Churmayntzischen auch befehlicht, sich durchauß mit dem Churbayrischen voto zu vergleichen“.⁴⁶ Nachdem der französische Gesandte Abel Servien (1593 – 1669) im Juni seine Forderungen in Osnabrück an das Reichsdirektorium übergeben hatte, betonten die kaiserlichen Gesandten, sie „[s]ein aber in vertrawen verwahrnet, daß Churmayntz, Trier und Bayern einmahl entschloßen, hierüber affirmative heraußzugehen“.⁴⁷ Volmar unterstellte Krebs weiterhin, dass er „alles, waß die gegenteil nur gedenkhen, einzerathen [sich] unterstehen darff“.⁴⁸ Am 20. Juni 1648 unternahmen die kaiserlichen Gesandten einen weiteren Versuch, die Beratungen über die französischen Forderungen zu unterbinden, indem sie in Einzelgesprächen mit dem braunschweig-lüneburgischen, aber auch den Kurmainzer, Kurtrierer und kurbayerischen Gesandten sowie den Gesandten der Städte Straßburg, Lübeck und Regensburg für ihre Position warben; und damit neben anderen vor allem die von ihnen identifizierten Führungspersonen unter den Reichsständen ansprachen.⁴⁹ Als die französischen und schwedischen Gesandten Mitte Juli einen weiteren erfolgosen Versuch unternahmen, die Verhandlungen über den kaiserlich-franzö-

 Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 25; APW II A 9, Nr. 56, S. 199, Z. 1– 5.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 43, S. 151, Z. 31– 38.  Siehe zu den kaiserlich-französischen Verhandlungen im Jahr 1648 und den Versuchen, diese von Münster nach Osnabrück zu transferieren: Einleitung zu APW II A 8, S. LXXVI – LXXIX; Einleitung zu APW II A 9, S. LVIII – LXV; Einleitung zu APW II A 10, S. LIX – LXV; Goetze, Bündnispraxis, S. 279 – 287.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Mai 21; APW II A 9, Nr. 13, S. 41, Z. 16 – 42, Z. 3.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 43, S. 153, Z. 17– 19.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juni 22; APW II A 9, Nr. 54, S. 195, Z. 28 – 29.  Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 22; APW II A 9, Nr. 53, S. 192, Z. 25 – 193, Z. 11.

„Was grosse vermessenheit“

223

sischen Frieden nach Osnabrück zu ziehen,⁵⁰ vermuteten die kaiserlichen Gesandten, „Mayntz und Bayern“ würden Servien unterstützen.⁵¹ Volmar verdächtigte Meel, Vorburg und Krebs sogar, Servien nach Osnabrück „berueffen [zu haben,] mit v[e]rtröstung. all seine pretentiones richtig ze machen“.⁵² Auch nach der Wiederaufnahme der Verhandlungen über den kaiserlich-französischen Vertrag am 11. August 1648, richtete sich die Kritik der kaiserlichen Gesandten vor allem gegen den kurbayerischen Gesandten Krebs, dem sie unterstellten, für die reichsständischen Verhandlungen mit Servien zu werben. So berichteten Lamberg und Krane am 23. August: „Der Churbayerische gesandt Dr. Krebs thuet noch ferners die undienste“, außer für den Verbleib der Verhandlungen mit Frankreich in Osnabrück zu votieren, „daß er die ubrigen stände uberredt, gestalt von Ewer Mayestätt erstes tags anderwehrtlichen befehl an dero abgesandte zu Münster, umb sich anhero zu erheben und der Frantzösischen handtlungen abzuwahrten, einkommen werde“.⁵³ Volmar spricht von „ungleichen suggestionibus“.⁵⁴ Insgesamt fällt auf, dass Thumbshirn und Lampadius, die zu Beginn des Jahres 1648 als treibende Kräfte in den Beratungen genannt werden, im Kontext der Satisfaktionsverhandlungen im Sommer 1648 neben katholischen Gesandten allmählich an Prominenz in der Berichterstattung der Kaiserlichen verlieren. Erst im Zusammenhang mit den Beratungen über den Frieden mit Frankreich ab August 1648 werden sie wieder häufiger erwähnt. Dies kann als Indiz dafür gelten, dass die kaiserlichen Gesandten die sogenannte Dritte Partei in ihrer Zusammensetzung nicht statisch wahrnahmen. Auch scheinen sie je nach Kongressphase und Verhandlungskontext unterschiedliche reichsständische Entscheidungsträger identifiziert zu haben. Die besondere Aufmerksamkeit der kaiserlichen Gesandten für das Agieren der bayerischen Gesandtschaft lässt sich mit dem kaiserlich-bayerischen Bündnis erklären. Kurfürst Maximilian von Bayern (1573 – 1651) war militärisch, finanziell und politisch der wichtigste Verbündete des Kaisers. Obwohl diese Allianz im Verlauf des Jahres 1648 immer mehr an Funktionalität verlor, hielt der Kaiserhof weiterhin an einer engen Abstimmung

 Siehe Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juli 16; APW II A 9, Nr. 81, S. 281, Z. 1– 6; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juli 20; APW II A 9, Nr. 87.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juli 23; APW II A 9, Nr. 94, S. 325, Z. 20 – 326, Z. 5, das Zitat S. 326, Z. 4.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 23; APW II A 9, Nr. 95, S. 327, Z. 8 – 11.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 20; APW II A 9, Nr. 127, S. 409, Z. 27– 31.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 August 21; APW II A 9, Nr. 129, S. 415, Z. 31.

224

Dorothée Goetze

mit dem Bündnispartner fest. Dementsprechend aufmerksam wurde dessen Auftreten bei den Verhandlungen registriert.⁵⁵

2.2 Bewertung der reichsständischen Akteure und ihres Handelns durch die kaiserlichen Gesandten Die kaiserlichen Gesandten bezeichneten die reichsständischen Akteure als „confidenti“⁵⁶ und charakterisierten somit deren Beziehung zueinander. Zugleich grenzten sie sich mit dieser Zuschreibung ab. Sie gehörten nicht zum Kreis der Vertrauten.⁵⁷ Besonders explizit erfolgte diese Abgrenzung gegenüber Krebs, Meel und Vorburg. Deren Handeln wurde wiederholt mit Erwartungen der kaiserlichen Gesandtschaft nach einer eng(er)en Abstimmmung mit diesen kontrastiert. Darauf verweist die mehrfache Erwähnung, dass die Kaiserlichen nicht über Beratungsergebnisse informiert wurden, etwa bei den Autonomieverhandlungen, der Regelung des Marburger Erbstreites oder dem beschlagnahmten Vermögen des Trierer Kurfürsten. In dieser Frage hatten „Dr. Mele und Dr. Krebs“ angeblich „neben denen Churtrierischen auch [den kaiserlichen Gesandten] hinderücks“ den evangelischen Reichsständen einen entsprechenden Vorschlag gemacht, den Lamberg, Krane und Volmar in ihrer Relation an den Kaiser als „vrgrieff“ bezeichneten und ihm dadurch einen negativen Charakter verliehen.⁵⁸ Das führt zu der Frage, wie die reichsständischen Akteure und ihr Agieren von den kaiserlichen Gesandten dargestellt werden. Lamberg spricht gegenüber Reichsvizekanzler Kurz von „dolle[n] köpff“.⁵⁹ – Das Grimmsche Wörterbuch definiert toll als „des oder wie des verstandes und bewusztseins beraubt“.⁶⁰ In eine ähnliche Richtung geht auch die Bemerkung Lambergs, Kranes und Volmars gegenüber Ferdinand III., dass „sobaldt […] Dr. Mele und der von Vorburg, wie auch Dr. Krebs […] einigen wahn oder einbildung

 Siehe Goetze, Bündnispraxis.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 20, S. 64, Z. 6; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Mai 14; APW II A 9, Nr. 5, S. 17, Z. 2.  Siehe zu Vertrauen als außenpolitische und diplomatische Ressource grundlegend Haug, Ungleiche Außenbeziehungen, S. 247– 362; Droste, Im Dienst der Krone, S. 135 – 138.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 20; APW II A 8, Nr. 83, S. 279 Z. 19 – 24, das Zitat Z. 19 – 21. – Zu Vergriff bzw. vergreifen siehe die Einträge im Grimmschen Wörterbuch: URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=vergreifen und http://www.wo erterbuchnetz.de/DWB?lemma=vergriff (abgerufen am 01.04. 2020).  Lamberg an Kurz, Osnabrück 1648 September 3; APW II A 10, Nr. 5, S. 21, Z. 4.  Siehe den Eintrag im Grimmschen Wörterbuch: URL: http://www.woerterbuchnetz.de/DWB? lemma=toll (abgerufen am 01.04. 2020).

„Was grosse vermessenheit“

225

fassen“, dass die Kaiserlichen den Frieden zugunsten Spaniens aufhielten, schlössen sich die übrigen Reichsstände diesem Vorwurf an.⁶¹ Auch hier wird das Verhalten der reichsständischen Akteure in den Kontext von Realitätsverlust gerückt. An anderer Stelle werden die reichsständischen Akteure als Serviens „favo⁶² riti“ bezeichnet und damit in Termini frühneuzeitlicher Herrschaftspraxis beschrieben.⁶³ Zugleich wird so das vertrauensvolle Verhältnis zwischen ihnen und dem französischen Gesandten als auch ihre Abhängigkeit von dessen Gunst angedeutet. Volmar ging in seinem persönlichen Urteil noch weiter. Im Februar 1648 bezeichnete er Thumbshirn und den braunschweig-lüneburgischen Gesandten als „rädelfüerer“.⁶⁴ Identisch äußerte er sich im Kontext der Verhandlungen mit Frankreich in Osnabrück über Thumbshirn, Krebs und Vorburg.⁶⁵ An anderer Stelle charakterisierte er Meel, Krebs und Vorburg als „coryphaei“, also Anführer, denen er die Verantwortung für das reichsständische Ultimatum an den Kaiser vom 24. September 1648 gab.⁶⁶ Damit rückte er die Genannten in den Kontext der Illegalität und des Rechtsbruchs als Anführer eines Aufruhrs oder einer Verschwörung wider den Kaiser. Dass es sich bei dieser Formulierung um den Ausdruck einer tiefersitzenden Auffassung Volmars und seiner staatsrechtlichen Überzeugungen handelte, zeigen weitere Beispiele, etwa als er Meel, Krebs und Vorburg als „triumviros“⁶⁷ bezeichnete oder den reichsständischen Akteuren und den Gesandten Frankreichs und Schwedens mit Anspielung auf die Entwicklungen in England unterstellte, „[a]lso gedenkhen dise leütt allhier ein parlamentum

 Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 9; APW II A 8, Nr. 70, S. 216, Z. 5 – 11, das Zitat Z. 5 – 8.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 27; APW II A 9, Nr. 98, S. 334, Z. 28.  Siehe exemplarisch zum frühneuzeitlichen Günstlings- und Favoritenwesen Hirschbiegel/ Paravinici (Hrsg.), Der Fall des Günstlings; Kaiser/Pečar (Hrsg.), Der zweite Mann im Staat.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 20, S. 64, Z. 1.  Siehe Volmar an Trauttmandorff, Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 11, S. 53, Z. 8.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 24; APW II A 10, Nr. 27, S. 130, Z. 17– 19. – Siehe zum reichsständischen Ultimatum an den Kaiser die Einleitung zu APW II A 10, S. LXIII, sowie Goetze, Frieden um (fast) jeden Preis, in diesem Band.  Siehe Anm. 31. Adrian Hartke weist auf die negative Konnotation der Bezeichnung Triumvirn hin. Diese wurde auch abwertend auf den vermeintlichen Führungskreis der katholischen Maximalisten beim Westfälischen Friedenskongress, Franz Wilhelm von Wartenberg (1593 – 1661), Adam Adami (1603/10 – 1663) und Johann Leuchselring (Lebensdaten unbekannt), angewandt (Hartke, Wartenberg, S. 9 ff.).

226

Dorothée Goetze

Anglicanum ze stabilirn“.⁶⁸ Allerdings maß er den katholischen reichsständischen Akteuren mehr Verantwortung zu als den evangelischen: „Dabei aber der catholischen antesignanorum actiones mehr schuldt als der protestierenden tragen“.⁶⁹ Insgesamt lässt sich bei der durchweg negativen Beurteilung der reichsständischen Akteure und ihres Handelns keine Graduierung feststellen, obwohl in den offiziellen Relationen der kaiserlichen Gesandten mitunter neutrale Ausdrücke wie dirigiren ⁷⁰ zu finden sind. Auch die Bewertung reichsständischen Handelns bleibt stabil. Die kaiserlichen Gesandten sprachen von „wiederspännigkeiten“⁷¹ oder „wiedersinnigkeiten“.⁷² Auch als „unglegenheit“, also als Schaden oder Unheil, wird das Agieren der reichsständischen Akteure wiederholt charakterisiert.⁷³ An anderer Stelle bezeichneten Lamberg und Krane Krebs’ Tätigkeit als „undienste“.⁷⁴ In eine ähnliche Richtung weisen Formulierungen Volmars, in denen das Handeln der reichsständischen Akteure als „schlechte officia“, sogar „sehr böse officia“ oder „unweesen“ bezeichnet wurde.⁷⁵ Alternativ nahm er in seinen Berichten an Trauttmansdorff auf die Aktivitäten dieser Reichsstände auch als „abseitig[e] handlungen“ und „nachteilige sachen“ Be-

 Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 Juli 2; APW II A 9, Nr. 68, S. 232, Z. 5 – 6. – Ähnlich äußerten sich Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 August 14; APW II A 9, Nr. 118, S. 393, Z. 7– 8. Sie warfen den übrigen Verhandlungsparteien im Zuge der Verlegung der Beratungen über den Frieden mit Frankreich nach Osnabrück vor, den „convent gentzlich zu vertrennen und unmündig zu machen“.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 1; APW II A 10, Nr. 2, S. 4, Z. 17– 18.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 31; APW II A 9, Nr. 140, S. 467, Z. 35. – Oder es ist von den „vornembsten directores, so dies werck fomentiren“ die Rede (Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 13; APW II A 9, Nr. 116, S. 384, Z. 24).  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 19, S. 61, Z. 1.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juli 9; APW II A 9, Nr. 76, S. 263, Z. 13.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 13; APW II A 8, Nr. 4, S. 15, Z. 29; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Februar 24; APW II A 8, Nr. 20, S. 64, Z. 2; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Mai 21, APW II A 9, Nr. 13, S. 42, Z. 10. Siehe zur Bedeutung von Ungelegenheit den Eintrag im Grimmschen Wörterbuch: URL: http://www.woerter buchnetz.de/DWB?lemma=ungelegen (abgerufen am 01.04. 2020)  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 20; APW II A 9, Nr. 127, S. 409, Z. 27.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 April 23; APW II A 8, Nr. 89, S. 307, Z. 8; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 9; APW II A 9, Nr. 77, S. 265, Z. 14; Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 August 28; APW II A 9, Nr. 137, S. 449, Z. 31.

„Was grosse vermessenheit“

227

zug.⁷⁶ Die Verhandlungen der Reichsstände mit Servien über den französischen Frieden im September 1648 wurden als „grosse vermessenheit“ aufgefasst.⁷⁷ In Übereinstimmung mit seiner Überzeugung, dass es sich bei den reichsständischen Akteuren um Aufrührer handelte, bezeichnete Volmar deren Beratungen mit Servien als „verräthterisch[e] handlungen“.⁷⁸ Auch behauptete Volmar unverhohlen, dass das reichsständische Handeln das Ergebnis französischer Bestechungen war⁷⁹ und die reichsständischen Akteure deshalb für Servien „gwaltigg uff’m seil [laufen und] alle mittel suechen, ime ze gratificirn“.⁸⁰ Entsprechend dieser negativen Lesart konstatierten die kaiserlichen Gesandten hinsichtlich der Entwicklung des Verhandlungsverlaufs, dass „die sachen zum gefehrlichen stand gediegen“ waren,⁸¹ denn aus ihrer Sicht unterbreiteten die reichsständischen Akteure „gefehrliche vorschläg“⁸² und führten „gefährlich[e] consiliis“⁸³. Dieses Agieren bewerteten sie als „frevenlich“⁸⁴ und „unverantworttlich“,⁸⁵ zumal es ihrer „hinderrucks“⁸⁶ geschah. Weiterhin warfen die kaiserlichen Gesandten den Reichsständen vor, den Abschluss des Friedens

 Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juni 1; APW II A 9, Nr. 24, S. 94, Z. 14; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 23; APW II A 9, Nr. 95, S. 327, Z. 20.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 11, S. 52, Z. 13, und S. 53, Z. 9; ähnlich Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 10, S. 49, Z. 28. – Im Kontext der Amnestieverhandlungen ist von „ahnmaßungen“ die Rede (Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 20; APW II A 8, Nr. 83, S. 280, Z. 10).  Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 10, S. 53, Z. 17.  Volmar an Kurz, Münster 1648 September 22; APW II A 10, Nr. 22, Anm. 6. – Siehe zu Korruptionsvorwürfen im Kontext der Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses Goetze, Gratwanderung.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 27; APW II A 9, Nr. 98, S. 334, Z. 31– 335, Z. 1.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 31; APW II A 9, Nr. 140, S. 467, Z. 33.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 43, S. 153, Z. 21.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 August 31; APW II A 9, Nr. 140, S. 468, Z. 1.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juni 22; APW II A 9, Nr. 54, S. 195, Z. 28.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 23; APW II A 9, Nr. 95, S. 327, Z. 19.  Lamberg an Kurz, Osnabrück 1648 März 19; APW II A 8, Nr. 43, S. 145, Z. 24; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 April 20; APW II A 8, Nr. 83, S. 279, Z. 20 – 21; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 25; APW II A 9, Nr. 56, S. 199, Z. 3.

228

Dorothée Goetze

durch die Fortsetzung der Verhandlungen um wenigstens fünf Wochen verzögert zu haben.⁸⁷ Die Verantwortungslosigkeit, die die kaiserlichen Gesandten im reichsständischen Handeln erkennen wollten, wird besonders deutlich in der von Volmar gewählten Metapher des „cartenspil[s]“.⁸⁸ Krebs, Thumbshirn und Vorburg warf er vor, „daß Französische fridenswerkh undereinander [zu] carte[n]“.⁸⁹

3 Die Wahrnehmung der kaiserlichen Gesandten im Kontext der Verhandlungsdynamik In den Augen der kaiserlichen Gesandten war das Handeln der reichsständischen Akteure ein „übereylen“ und ein Vorgriff mit dem Ziel,⁹⁰ die übrigen Reichsstände „von ir Kayserlicher mayestät genzlich abtrünnig ze machen“.⁹¹ Es erschien ihnen daher als „dem gantzen Römischen Reich zu höchstem nachtheill und schaden“ geeignet.⁹² Um die durchweg negative Bewertung durch die kaiserlichen Gesandten verstehen zu können, muss deren Wahrnehmung des reichsständischen Agierens mit der Entwicklung der Verhandlungen auf dem Westfälischen Friedenskongress im Jahr 1648 und grundlegenden Beobachtungen zu diplomatischer Korrespondenz in Verbindung gebracht werden. Die Wahrnehmung und Beurteilung des reichständischen Handelns durch die kaiserliche Gesandtschaft vollzog sich vor dem Hintergrund der zunehmend

 Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 18; APW II A 10, Nr. 22, S. 116, Z. 5.  Lamberg und Krane an Ferdinand III., Osnabrück 1648 September 14; APW II A 10, Nr. 14, S. 65, Z. 2.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 September 8; APW II A 10, Nr. 11, S. 52, Z. 15.  Ferdinand III. an Lamberg und Volmar, Prag 1648 April 2; APW II A 8, Nr. 58, S. 186, Z. 2; ähnlich Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 März 23; APW II A 8, Nr. 46, S. 148, Z. 35; Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 April 30; APW II A 8, Nr. 97, S. 334, Z. 27; Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Mai 21; APW II A 9, Nr. 13, S. 42, Z. 9.  Volmar an Trauttmansdorff, Münster 1648 Juni 30; APW II A 9, Nr. 65, S. 224, Z. 18. Bereits im Juni 1648 sah Volmar wegen der Kurmainzer und kurbayerischen Unterstützung für Servien die Gefahr der „ruptur“ zwischen den Reichsständen und dem Kaiser; es war zentrales Anliegen der kaiserlichen Politik, dies zu verhindern (siehe Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 18; APW II A 9, Nr. 46, S. 166, Z. 1– 13). – Siehe zum Risiko der Trennung von Kaiser und Reichsständen Goetze, Bündnispraxis, bes. S. 271– 287; außerdem Goetze, Frieden um (fast) jeden Preis, in diesem Band.  Lamberg, Krane und Volmar an Ferdinand III., Osnabrück 1648 Juni 18; APW II A 9, Nr. 45, S. 159, Z. 16 – 17.

„Was grosse vermessenheit“

229

stärker erodierenden kaiserlichen Politik. Ab Beginn des Jahres 1648 geriet der Kaiser (und damit auch seine Vertreter beim Kongress) immer weiter in die Defensive, militärisch wie auch politisch.⁹³ Zwar wurde das Verhandlungsgeschehen bis zu dessen Mundierung in Übereinstimmung mit Ferdinands III. Instruktion vom 6. Dezember 1647 von den Beratungen über den kaiserlich-schwedischen Friedensvertrag dominiert.⁹⁴ Allerdings entwickelten sich diese nicht im Sinne des Kaiserhofs.⁹⁵ Den kaiserlichen Gesandten entglitten die Verhandlungen zunehmend. Die Beratungen waren ab dem Frühjahr 1648 geprägt von einer wachsenden Anzahl reichsständischer Verhandlungsimpulse, denen sich der Kaiserhof durch das Festhalten an seiner zu diesem Zeitpunkt bereits überholten politischen Linie verweigerte. Dadurch wurden die kaiserlichen Gesandten immer mehr zu Zaungästen der Beratungen. Diese Entwicklung kulminierte im August 1648, als die Reichsstände die Verlegung der Beratungen mit Frankreich nach Osnabrück gegen den Willen der kaiserlichen Gesandten durchsetzten. Der Kaiserhof blieb auch in dieser Situation seiner Linie insofern treu, als er viel zu spät auf die Kongressrealität reagierte. Die Weisungen aus Wien richteten sich weiterhin an Nassau und Volmar in Münster als die für Frankreich zuständigen Gesandten. Lamberg und Krane, die in Osnabrück vor Ort waren, wurden dadurch zu Zuschauern, ohne Möglichkeit, in den Verhandlungsverlauf einzugreifen. Erst Mitte September, etwa zeitgleich mit dem Abschluss der reichsständischen Beratungen über den Frieden mit Frankreich und der Verlegung des gesamten Kongresses nach Münster, fügte sich Ferdinand III. in das Unvermeidliche, rückte von seiner bis dahin kategorischen Haltung ab und stimmte einem Transfer der kaiserlich-französischen Friedensverhandlungen nach Osnabrück zu.⁹⁶ Die kaiserlichen Gesandten befanden sich also das gesamte Jahr 1648 über in einer Situation, in der sie zwar die Ziele kaiserlicher Politik gegenüber den anderen Verhandlungsparteien durchsetzen sollten, sich ihre Handlungsgrundlage, die Vorgaben des Kaisershofs, aber immer stärker als unzureichend ‒ und nicht mit der Kongressrealität in Einklang zu bringen ‒ erwiesen. Sie waren unmittelbar mit dem Scheitern kaiserlicher Politik konfroniert. Ihre Handlungsspielräume und

 Zur militärischen Entwicklung des Jahres 1648 siehe: Einleitung zu APW II A 7, S. XLVII ff; Einleitung zu II A 8, S. XLIV – LIII; Einleitung zu II A 9, S. XL – XLV; Einleitung zu II A 10, S. XLV – L, außerdem Goetze, Bündnispraxis, S. 264– 271, sowie Höfer, Das Ende des Dreißigjährigen Krieges, S. 142– 238; Kampmann, Europa und das Reich, S. 164– 167.  Siehe Instruktion Ferdinands III. für Lamberg, Krane und Volmar, Prag 1647 Dezember 6; APW II A 7, Nr. 29.  Siehe zum Folgenden ausführlicher Goetze, Frieden um (fast) jeden Preis, in diesem Band.  Siehe zu dieser Verhandlungsphase, die in der Forschung bislang nur marginal behandelt wurde: Einleitung zu APW II A 10, S. LVII – LXV.

230

Dorothée Goetze

Einflussmöglichkeiten verringerten sich aufgrund der unnachgiebigen Haltung Ferdinands III. und der veränderten Dynamik beim Kongess zunehmend und die Erfolgsaussichten ihrer Mission und somit der kaiserlichen Kongresspolitik generell wurden zunichte gemacht. Das Erleben dieser für die kaiserliche Politik negativen Entwicklung, mithin schwindender Einfluss auf das Verhandlungsgeschehen und wachsende Isolation, prägten die Wahrnehmung reichsständischen Handelns durch die kaiserlichen Gesandten. Es gilt für eine Bewertung der Wahrnehmung der reichsständischen Aktivitäten durch die kaiserlichen Gesandten einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen, auf den die Forschung erst jüngst aufmerksam geworden ist: Aufgrund von Vergemeinschaftungsprozessen unter den beim Westfälischen Friedenskongress anwesenden Gesandten ist davon auszugehen, „dass sich die Kongressdiplomaten aufgrund ihrer Erfahrung mit den Verhandlungen auf dem Friedenskongress allmählich von ihren Höfen entfremdeten“.⁹⁷ Für die Beurteilung der Wahrnehmung der Reichsstände durch die kaiserlichen Gesandten ist außerdem nicht unerheblich, dass Volmar, dessen Urteil das Bild des reichsständischen Agierens in der Korrespondenz mit dem Kaiserhof dominiert, nach der Vereinbarung des kaiserlich-schwedischen Friedensvertrags im August 1648 nach Münster zurückkehrte.⁹⁸ Seitdem konnte er nicht mehr aus erster Hand über das Auftreten der Reichsstände in Osnabrück berichten, sondern war auf die Informationen Dritter angewiesen. Er hatte sich somit auch persönlich vom unmittelbaren Verhandlungsgeschehen entfremdet. Die zunehmende Distanz zwischen Kongressrealität und politischen Überzeugungen des Hofes wird im Falle der kaiserlichen Politik besonders augenfällig. Den kaiserlichen Gesandten kam nicht nur die Aufgabe zu, die Ziele der kaiserlichen Politik in Westfalen zu realisieren, sondern sie mussten dem Kaiserhof auch über den Verhandlungsgang Bericht erstatten und sowohl die allmähliche Entfremdung zum Kongress als auch das damit einhergehende Scheitern der Wiener Verhandlungsstrategie plausibel machen. Das berührt grundlegend das Wesen diplomatischer Korrespondenz, die als Grundlage der vorliegenden Untersuchung dient. Die Kommunikation des Wahrgenommenen ist ebenso durch das Medium wie durch das Verhältnis von Sender, also den kaiserlichen Gesandten, und Empfänger, mithin Kaiser und hohen Amtsträgern am Wiener Hof, bestimmt. Dabei handelte es sich um asym-

 Ferber, Die Gemeinschaft der Diplomaten, S. 265.  Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 August 11; APW II A 9, Nr. 114, S. 308, Z. 22– 23.

„Was grosse vermessenheit“

231

metrische Klientel-Patronage-Beziehungen.⁹⁹ Demgemäß sind diplomatische Korrespondenzen nicht als objektive Sachstandsberichte zu lesen, sondern [e]s war daher naheliegend, den Inhalt der Schreiben an die vermuteten Wünsche und Bedürfnisse des Empfängers anzupassen und sich als vorbildlicher Untertan und ‚Bilderbuchdiplomat‘ zu präsentieren. Der Kaiser sollte zufrieden gestellt werden, in eine bestimmte Richtung denken, Dinge tun oder unterlassen und die Verdienste anerkennen.¹⁰⁰

Diplomatische Berichte haben somit nicht nur appellativen, sondern legitimatorischen Charakter. Sie dienten mehr oder weniger explizit der Rechtfertigung des Handelns der Gesandten gegenüber ihrem Dienstherrn oder Patron. Die Gesandten Ferdinands III. standen vor der Aufgabe, dem Kaiser sowohl die veränderte Verhandlungsdynamik als auch ihre voranschreitende Isolation zu erklären, ohne die Schuld daran sich selbst oder gar der kaiserlichen Politik zuzuschreiben. Dies konnte nur über die Abwertung der übrigen Verhandlungsparteien, besonders der Reichsstände als neuem Element in der Verhandlungsgestaltung gelingen. Die Verantwortung für den Misserfolg der kaiserlichen Politik wurde somit individualisiert und die aus Sicht der Gesandten Schuldigen explizit benannt. Dies ist gleichbedeutend mit einer Externalisierung der Verantwortung der kaiserlichen Gesandten an der für den Kaiser negativen Entwicklung des Kongressgeschehens. Denn „waß [die kaiserlichen Gesandten] guetts machen, werde [Krebs] widerumb verderben“.¹⁰¹ An anderer Stelle räumten die kaiserlichen Gesandten ein, sie „hettens gern besser gemacht, sollte auch wol geschehen sein, wann [sie] der Bayerische Krebß nit zu seinem gwonlichen gang gezwungen hette“.¹⁰² Krebs habe wie die übrigen reichsständischen Akteure rücksichtslos gehandelt. So haben diese „alles nach ihrem willen praecipitirt und durchgetrukht“¹⁰³ oder die anderen Verhandlungsteilnehmer zumindest „verfüert“.¹⁰⁴ In solchen Äußerungen offenbart sich trotz ihres guten Willens und aller Bemühungen die Machtlosigkeit der kaiserlichen Gesandten. Gegen moralisch verwerfliches Handeln konnten sie sich ebenso wie gegen irrationales Agieren nicht behaupten. Laut Volmar steckten die Kaiserlichen „in einem üblen labyrintho“, aus dem ihnen allein Gott helfen könne.¹⁰⁵ Die Urteile der kaiserlichen Gesandten  Siehe Thiessen, Diplomatie vom ‚type ancien‘, bes. S. 484 ff.  Strohmeyer, Religion – Loyalität – Ehre, S. 176.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 5; APW II A 8, Nr. 30, S. 103, Z. 20 – 21.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 März 19; APW II A 8, Nr. 42, S. 144, Z. 31– 33.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Mai 14, APW II A 9, Nr. 5, S. 17, Z. 3 – 4.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juli 25; APW II A 9, Nr. 95, S. 327, Z. 24; Nassau und Volmar an Ferdinand III., Münster 1648 September 15; APW II A 10, Nr. 17, S. 76, Z. 4.  Volmar an Trauttmansdorff, Osnabrück 1648 Juni 15; APW II A 9, Nr. 44, S. 156, Z. 16.

232

Dorothée Goetze

über die reichsständischen Akteure und ihre Verhandlungsimpulse dienten also vor allem dazu, diese zu delegitimieren, rechtlich, moralisch, intellektuell. Diese Beobachtungen zum Wesen diplomatischer Berichterstattung sind auch dazu geeignet, zu erklären, warum das abwertende Urteil Volmars die Wahrnehmung der reichsständischen Akteure in der Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten dominierte. Die Einschätzungen zu den Reichsständen treten vor allem in der Korrespondenz zwischen Volmar und Trauttmansdorff zutage. Im Gegensatz zu seinen Kollegen stand Volmar vor seiner Abordnung zum Westfälischen Friedenskongress nicht in kaiserlichen Diensten, sondern in denen der Tiroler Linie des Hauses Habsburg. Allerdings war er in dieser Stellung nicht gesichert. Laut Magnus Ulrich Ferber galt er auch „während seiner gesamten Tätigkeit in Westfalen am Wiener wie am Innsbrucker Hof als austausch- und ersetzbar“. Ferber geht zudem davon aus, dass Volmar für eine Karriere am Kaiserhof, für die er sich durch seine Tätigkeit beim Kongress empfehlen konnte, lange nicht gesehen wurde.¹⁰⁶ Deswegen und zudem aufgrund seiner seit der Abreise Trauttmansdorffs zunehmend exponierteren Stellung als Führungsperson der kaiserlichen Gesandtschaft hatte Volmar offenbar einen höheren Rechtfertigungsdruck und sah eine stärkere Notwendigkeit, seine Loyalität gegenüber der kaiserlichen Politik zu betonen. Dies konnte am direktesten durch Individualisierung und Externalisierung der Verantwortung bei gleichzeitiger Abwertung der reichsständischen Akteure in der vertrauensvollen Kommunikation mit Trauttmansdorff, seinem Patron am Kaiserhof, geschehen. Dieser war weiterhin der führende Kopf der kaiserlichen Friedenspolitik und außerdem engster Vertrauter Ferdinands III. Die Fürsprache für seinen Klienten gehörte zu Trautmansdorffs Verpflichtungen als Patron. Zudem ist diese Nebenkorrespondenz als komplementär zur offiziellen Berichterstattung der Gesandten zu bewerten. Sie war dafür vorgesehen, diese bei Bedarf zu flankieren, zu vertiefen und zu modifizieren. Volmar konnte somit davon ausgehen, dass seine Loyalitätsbekundungen und Rechtfertigungen ihre Adressaten erreichten.¹⁰⁷

4 Zusammenfassung Die in der Korrespondenz der kaiserlichen Gesandten mit dem Kaiserhof kommunizierte Wahrnehmung reichsständischen Handelns in den Beratungen des

 Siehe Ferber, Trauttmansdorff, S. 236 ff., das Zitat S. 243.  Zur Funktion der Nebenkorrespondenz der kaiserlichen Gesandten siehe Goetze, Zirkulation; außerdem dies., Nebenberichte.

„Was grosse vermessenheit“

233

Jahres 1648 ist geprägt von der voranschreitenden Isolation der Repräsentanten Ferdinands III. in den Verhandlungen, dem zunehmenden Scheitern der kaiserlichen Kongresspolitik, der immer offensichtlicher werdenden Dysfunktionalität des kaiserlich-bayerischen Bündnisses und einer Entfremdung der Diplomaten vom Kaiserhof; in Volmars Fall, dessen Sicht dominiert, vorübergehend auch vom Kongressgeschehen. Um den Anforderungen und Erwartungen an ihre diplomatischen Positionen, die auf Patronage-Klientel-Beziehungen zum Kaiser und anderen hohen Entscheidungsträgern am Wiener Hof basierten, gerecht zu werden, mussten die kaiserlichen Gesandten die Verantwortung an der für Ferdinand III. nachteiligen Entwicklung des Kongressgeschehens sowohl von der politischen Strategie ihres Dienstherrn als auch ihrem eigenen Handeln fernhalten. Zu diesem Zweck versuchten sie, diese in ihren Berichten zu individualisieren, indem sie sie einzelnen reichsständischen Akteuren zuschrieben. Eine weitere Strategie war die Externalisierung dieser Verantwortung. Dies umfasste einerseits eine Abwertung des reichsständischen Handelns, weil es der kaiserlichen Kongresspolitik widerstrebte. Andererseits wurde das Agieren der Reichsstände als moralisch, rechtlich und intellektuell verwerflich delegitimiert, um plausibel zu machen, warum die kaiserlichen Gesandten keine wirkungsvolle Handhabe dagegen hatten. Die Reichsstände hatten durch ihre direkte Beteiligung an den Verhandlungen zwischen den Hauptverhandlungsparteien ab Februar 1648 einen stärkeren Einfluss auf die Beratungen, auch wurden wichtige Vertragsinhalte wie die schwedische Militärsatisfaktion oder die letzten französischen Forderungen zunächst ohne die kaiserlichen Gesandten verhandelt, doch wurden weder der Friede mit Schweden noch der mit Frankreich (trotz des Ulitmatums der Reichsstände) ohne den Kaiser geschlossen. In der letzten Verhandlungsphase ab Mitte September 1648 bis zur Unterzeichnung der Verträge im Oktober 1648 und Auswechslung der Ratifikationen im Februar 1649 nahmen die kaiserlichen Gesandten wieder aktiv am Verhandlungsgeschehen teil.¹⁰⁸ Die Wahrnehmung und Darstellung der reichsständischen Akteure und ihres Handelns durch die kaiserlichen Gesandten ist somit nicht als Manifestation einer festgefügten Gruppe, einer sogenannten Dritten Partei, zu verstehen, sondern als komplexe Rechtfertigungsstrategie der kaiserlichen Gesandten gegenüber ihrem Dienstherrn. Demnach muss das in der Forschung tradierte Narrativ zum Beitrag dieser sogenannten Dritten Partei am Zustandekommen des Friedens, das sich zu

 Siehe zum Kongressgeschehen ab Mitte September 1648 die Einleitung zu APW II A 10, S. LXV – LXXIII und LXXVII – XCI.

234

Dorothée Goetze

nicht unwesentlichen Teilen auf die kaiserliche Archivüberlieferung und somit die Wahrnehmung der Gesandten stützt, überpüft werden.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 7 – 10. Bearb. von Andreas Hausmann, Sebastian Schmitt, Stefanie Fraedrich-Nowag und Dorothée Goetze. Münster 2008 – 2015; Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. C: Diarien. Bd. 2: Diarium Volmar. 1. Teil: 1643 – 1647. Bearb. von Joachim Foerster und Roswitha Philippe. Münster 1984.

Literatur Arnke, Volker: Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses und die Frage, wie der Frieden möglich wurde. Ein Forschungsdesiderat, in: Siegrid Westphal/Stefanie Freyer (Hrsg.), Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie, München 2020, S. 165 – 186. Asch, Ronald G./Emich, Birgit/Engels, Jens Ivo (Hrsg.): Integration – Legitimation – Korruption. Patronage in Früher Neuzeit und Moderne. Frankfurt a. M. u. a. 2011. Braun, Tina: Der welfische Gesandte Jakob Lampadius auf dem Westfälischen Friedenskongress (1644 – 1649). Diss. phil. Bonn 2015. Brunert, Maria-Elisabeth: Der Begriff „Dritte Partei“ in Quellen und Sekundärliteratur zum Westfälischen Friedenskongress. – In diesem Band. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbden. Leipzig 1854 – 1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Online-Ausgabe: URL: http:// woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB (abgerufen am 15. 12. 2020). Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. Hrsg. von Konrad Repgen. 7. Aufl. Münster 1998. Droste, Heiko: Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert. Berlin 2006. Ferber, Magnus Ulrich: Die Gemeinschaft der Diplomaten in Westfalen als Friedenspartei, in: Goetze/Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist, 2019 (siehe dort), S. 257 – 272. Ferber, Magnus Ulrich: Graf Maximilian von Trauttmansdorff und Dr. Isaak Volmar. Handlungsmöglichkeiten adliger und bürgerlicher Diplomaten im Vergleich, in: Maria-Elisabeth Brunert/Maximilian Lanzinner (Hrsg.), Diplomatie, Medien, Rezeption. Aus der editorischen Arbeit der Acta Pacis Westphalicae. Münster 2010, S. 231 – 251. Goetze, Dorothée: „damit sie es an ihre Kayserliche mayestätt gehorsamst hinderbringen und dero Kayserlihe befehl uns in geheimb zurückschreiben mögen“. Zur Zirkulation kaiserlicher Gesandtschaftsberichte vom Westfälischen Friedenskongress am Kaiserhof, in: Thomas Dorfner/Thomas Kirchner/Christine Roll (Hrsg.), Berichten als kommunikative Herausforderung. Europäische Gesandtenberichte der Frühen Neuzeit in praxeologischer Perspektive [im Druck; voraussichtl. 2021].

„Was grosse vermessenheit“

235

Goetze, Dorothée: Daß unß dergleichen anzenemmen unverantwortlich fallen wollte. Diplomatische Gratwanderung zwischen Verehrung und Korruption, in: dies./Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist, 2019 (siehe dort), S. 341 – 358. Goetze, Dorothée: Die Nebenberichte der kaiserlichen Gesandten vom Westfälischen Friedenskongress [in Vorbereitung]. Goetze, Dorothée: Frieden um (fast) jeden Preis. Die Politik Ferdinands III. in der Schlussphase des Westfälischen Friedenkongresses zwischen Rollenkonkurrenz, Prinzipientreue und dogmatischem Pragmatismus. – In diesem Band. Goetze, Dorothée: Kaiserliche und bayerische Bündnispraxis in der Schlussphase des Westfälischen Friedenskongresses, in: Guido Braun/Arno Strohmeyer (Hrsg.), Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner. Münster 2013, S. 259 – 290. Goetze, Dorothée/Oetzel, Lena (Hrsg.): Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses. Münster 2019. Gruber, Doris/Brunner, Lisa: Tagungsbericht: Die Medialität des Briefes. Diplomatische Korrespondenz im Kontext frühneuzeitlicher Briefkultur, 29.10. – 31. 10. 2020 in: H-Soz-Kult, 05. 01. 2021. URL: https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/ tagungsberichte-8846 (abgerufen am 01. 04. 2020) Hartke, Heinz Adrian: Franz Wilhelm von Wartenberg und die katholischen Maximalisten bei den Westfälischen Friedensverhandlungen. Diss. phil. Bonn 2019. Haug, Tilman: Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage. Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648 – 1679). Köln/Weimar/Wien 2015. Hirschbiegel, Jan/Paravicini, Werner (Hrsg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Stuttgart 2004. Höfer, Ernst: Das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Strategie und Kriegsbild. Köln 1997. Kaiser, Michael/Pečar, Andreas (Hrsg.): Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten im Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit. Berlin 2003. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. 2. Aufl. Stuttgart 2013. Lanzinner, Maximilian: Beglaubigungspraktiken beim Abschluss des Westfälischen Friedens im historischen Vergleich, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Utrecht – Rastatt – Baden 1712 – 1714. Ein europäisches Friedenswerk am Ende des Zeitalters Ludwigs XIV. Göttingen 2013, S. 185 – 206. Oetzel, Lena: Prinzipientreue und selbstgewählte Isolation. Kursachsen auf dem Westfälischen Friedenskongress. – In diesem Band. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643 – 1648). Münster 1979. Strohmeyer, Arno: Internationale Geschichte und Ernährungsforschung: Verwendungsformen und Funktionen des Kaffees in der habsburgisch-osmanischen Diplomatie (16. – 18. Jh.), in: Barbara Haider-Wilson/William D. Godsey/Wolfgang Mueller (Hrsg.), Internationale Geschichte in Theorie und Praxis. Wien 2017, S. 613 – 633. Strohmeyer, Arno: Religion – Loyalität – Ehre: „Ich-Konstruktionen“ in der diplomatischen Korrespondenz des Alexander von Greiffenklau zu Vollrads, kaiserlicher Resident in Konstantinopel (1643 – 1648), in: Katrin Keller/Petr Maťa/Martin Scheutz (Hrsg.), Adel und Religion in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie. Wien 2017, S. 164 – 181.

236

Dorothée Goetze

Thiessen, Hillard von: Diplomatie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605 – 1621 in akteurszentrierter Perspektive. Epfendorf a. N. 2010. Thiessen, Hillard von: Diplomatie vom ‚type ancien‘. Überlegungen zu einem Idealtypus des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens, in: ders./Christian Windler (Hrsg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel. Köln/Weimar/Wien 2010, S. 471 – 503. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015.

Christoph Nonnast

Fluide Kooperationen. Sachsen-Altenburg, Schweden und die verständigungsbereiten Reichsstände in der Endphase des Westfälischen Friedenskongresses 1 Einleitung Dieser Beitrag möchte das Zusammenwirken der „dritten Partei“ analysieren anhand der Quellen einer der zentral beteiligten Gesandtschaften, nämlich der des Fürstentums Sachsen-Altenburg. Wolf Konrad von Thumbshirn¹ (1604 – 1667) und Dr. August Carpzow (1612– 1683) gehörten 1648 eindeutig zu der in Osnabrück aktiven Gruppe von verständigungsbereiten Gesandten, die üblicherweise als „dritte Partei“ bezeichnet werden. Mit ihnen stehen insbesondere die evangelischen Mitglieder dieser Gruppe im Fokus.² Die verständigungsbereiten Reichsstände und ihr Wirken werden in der Literatur im Detail durchaus unterschiedlich beschrieben und benannt.³ Nachdem lange vorwiegend der Begriff „Friedenspartei“ für diese Reichsstände genutzt wurde, etwa prominent in der Darstellung von Fritz Dickmann,⁴ dominierte in den letzten Jahren der Begriff „dritte Partei“, so bei Siegrid Westphal,⁵ Anuschka Tischer und Derek Croxton,⁶ Christoph Kampmann⁷ sowie Georg Schmidt⁸. Zuletzt wurde auch „Vermittlungspartei“ vorgeschlagen.⁹ Zentrale Definitionsmerkmale in der Beschreibung der Gruppe, über die Einigkeit herrscht, sind ihre konfessionsübergreifende Zusammensetzung, das gemeinsame Ziel eines schnellen Friedens unter Inkaufnahme von teils schmerzhaften Kompromissen, und die Tatsache, dass eigenständige politische Initiativen von ihr ausgingen. Bei Croxton

 Zur Biographie: Brunert, Thumbshirn.  Einzige Darstellungen dazu bisher Braun, Lampadius, und Nonnast, Fürstenstaat.  Vgl. zum Begriff auch den entsprechenden Beitrag von Maria-Elisabeth Brunert in diesem Band.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 424 als Überschrift et passim.  Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 88.  Artikel ‚Third Party‘, in: Croxton/Tischer, Dictionary, S. 291 f.  Kampmann, Europa und das Reich, S. 167 et passim.  Schmidt, Die Reiter der Apokalypse. S. 599 f et passim.  Gotthard, Der Dreißigjährige Krieg, S. 326 f. https://doi.org/10.1515/9783110703795-013

238

Christoph Nonnast

und Tischer wird zudem – sonst wohl stillschweigend vorausgesetzt – explizit darauf verwiesen, dass die Gesandten während des gesamten Jahres 1648 eng zusammenarbeiteten.¹⁰ Uneinigkeit herrscht in der Literatur im Hinblick auf die Positionierung der Gruppe zu den anderen Verhandlungsteilnehmern. Siegrid Westphal betont das „Misstrauensvotum gegenüber dem Kaiser“,¹¹ das der Zusammenschluss der verständigungsbereiten Reichsstände dargestellt habe. Dagegen akzentuieren Croxton und Tischer, es habe sich um eine Bedrohung für die Ziele der Kronen gehandelt, weil das Reich sich einigte.¹² Zwischen diesen beiden Sichtweisen steht Kampmann, der eine Distanz zu beiden Seiten annimmt, wenn er schreibt, dass die Reichsstände „selbständige politische Initiativen zwischen den ‚Blöcken‘ [entwickelten], um eine Friedenslösung herbeizuführen“.¹³ Ähnlich urteilt Albrecht aus der Sicht des Kurfürsten Maximilian von Bayern (1573 – 1651).¹⁴ Der Begriff „dritte Partei“ für die verständigungsbereiten Reichsstände des Jahres 1648 impliziert deutlich eine solche Distanz zu den Hauptparteien am Kongress, also Unabhängigkeit sowohl von der kaiserlich-spanischen Partei als auch der französisch-schwedischen Partei. Ziel der Untersuchung ist die Überprüfung der genannten Zuschreibungen an die Osnabrücker Reichsstände von 1648 am Beispiel Sachsen-Altenburgs. Dabei werden zwei Schwerpunkte gesetzt. Erstens soll die Beziehung der Altenburger zu den schwedischen Gesandten analysiert werden. Dazu sollen zwei Thesen aufgestellt werden. Die erste These lautet: Die Gesandten Sachsen-Altenburgs wollten keineswegs zwischen den Blöcken agieren. Ihre Zusammenarbeit mit den friedensbereiten katholischen Vertretern sollte ihre enge Zusammenarbeit mit den schwedischen Gesandten nicht ersetzen oder gefährden, sondern erweitern. Thumbshirn und Carpzow scheuten das Risiko einer echten Konfrontation mit den Schweden oder auch nur eine Abkühlung der Beziehung, die der evangelischen Seite im Kongressverlauf große Erfolge gebracht hatte. Die zweite These, die sich aus der Analyse der altenburgisch-schwedischen Beziehung ableiten lässt: Die Kooperation mit den Schweden, die auf keinerlei Verträgen oder verbindlichen Absprachen beruhte, war ihrem Wesen nach fluid. Es kam zwar nie zu einem Bruch in der Zusammenarbeit mit den Schweden, von einer stabilen, jederzeit belastbaren Beziehung kann jedoch ebenfalls nicht gesprochen werden.

    

Artikel ‚Third Party‘, in: Croxton/Tischer, Dictionary, S. 292. Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 89. Artikel ‚Third Party‘, in: Croxton/Tischer, Dictionary, S. 291. Kampmann, Europa und das Reich, S. 168. Albrecht, Maximilian I., S. 1046.

Fluide Kooperationen

239

Der zweite Schwerpunkt der Untersuchung ist die Analyse des Zusammenwirkens der verständigungsbereiten Reichsstände in seiner zeitlichen Entwicklung. Im Verlauf des Jahres 1648 sind drei Phasen erkennbar: 1. Die Abarbeitung der letzten strittigen innerdeutschen Angelegenheiten, insbesondere des Reichsreligionsrechts, im März und April 1648. 2. Die Abhandlung der Militärsatisfaktionen von Mai bis Anfang August sowie aller anderen noch offenen Fragen in den Verhandlungen mit Schweden bis zur Stipulation des Instrumentum Pacis Osnabrugense am 6. August 1648. 3. die Verhandlungen über das Instrumentum Pacis Monasteriense inklusive des Ultimatums der Reichsstände an die kaiserlichen Gesandten, also der Zeitraum von Anfang August 1648 bis zur Unterschrift der Verträge am 24. Oktober. Die drei Phasen unterscheiden sich deutlich hinsichtlich des Verhandlungsmodus, der innerhalb der Gruppe dominierenden Akteure und der Intensität der Interaktionen zwischen den Gesandten. Entsprechend lässt sich eine dritte These aufstellen: Die verständigungsbereiten reichsständischen Gesandten bildeten eine fluide Gruppe. Im Verlauf des Jahres 1648 gab es nur wenig Konstanz in ihrem Wirken, obwohl es einen festen Kern von durchgängig beteiligten Mitgliedern gab. Der Begriff des Fluiden steht hier für den ungefestigten, jederzeit zumindest potentiell dynamischen und veränderlichen Charakter der Zusammenarbeit. Fluid können sowohl die Formen einer Gruppe sein – Wortführer und passivere Mitglieder, die Art und Intensität der Koordinierung – als auch die Valenz der Beziehung, mit unterschiedlichen Graden des gegenseitigen Vertrauens oder Misstrauens. Das Spektrum der Veränderlichkeit kann bis zur Instabilität und damit einer möglichen Auflösung der Kooperation reichen. Zu diesem potentiell möglichen Extremfall kam es 1648 jedoch nicht: Die verständigungsbereiten Reichsstände hatten zwar sehr unterschiedliche politische Absichten, teilten aber eben auch das gemeinsame Ziel eines Friedens, spürten erheblichen Handlungsdruck und hatten kaum andere attraktive Optionen. Im Folgenden wird zunächst als Ausgangspunkt die Politik der Altenburger und insbesondere ihre Nähe zu den Schweden vor der Endphase der Friedensverhandlungen 1648 beleuchtet. Im zweiten Schritt werden der Beginn der überkonfessionellen Zusammenarbeit und die Formierung einer stärker kooperierenden Gruppe in den Blick zu genommen. Schließlich folgt die Analyse der Veränderungen in der Arbeitsweise und -intensität der Gruppe während der drei genannten Phasen der Verhandlungen bis zum Friedensschluss am 24. Oktober 1648. Am Ende steht das Fazit der Untersuchung.

240

Christoph Nonnast

2 Sachsen-Altenburgs Kongresspolitik bis 1648 Die Altenburger Gesandten gehörten auf dem Kongress zu den einflussreichen evangelischen Gesandten. Voraussetzung dafür war zunächst die Tatsache, dass sie in den reichstagsähnlich tagenden Gremien zu den ranghöchsten evangelischlutherischen Reichsfürsten gehörten. Der Grund dafür war der kurfürstliche Rang der albertinischen Wettiner aus Dresden, deren enge Verwandten die ernestinisch-sächsischen Fürsten waren. In den Verhandlungen übernahmen auf evangelischer Seite insgesamt die fürstlichen Gesandten die Führungsrolle, weil die evangelischen Kurfürsten diese Rolle nicht einnehmen konnten oder wollten: Die Kurpfalz war als Reichsstand suspendiert, Kursachsen isoliert und ohne Durchsetzungsfähigkeit unter den evangelischen Reichsständen aufgrund seiner nachgiebigen Politik gegenüber dem Kaiser mit Stoßrichtung gegen Schweden. Es hielt sich freiwillig zurück, um nicht ihm unliebsame Mehrheitspositionen nach außen vertreten zu müssen. Kurbrandenburg schließlich kam durch seinen Konflikt mit Schweden um Pommern und mehr noch aufgrund seiner reformierten Konfession für die lutherische Mehrheit der evangelischen Fürsten als Führungsmacht nicht infrage. Im Wissen darum stellte Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620 – 1688) entsprechende Ansprüche zurück. Infolgedessen wurden die fürstlichen Gesandten zu den führenden Vertretern des evangelischen Interesses auf dem Kongress. Sachsen-Altenburg gelangte in die Deputation der protestantischen Reichsstände, die sich mit den interkonfessionellen Streitigkeiten beschäftigte.¹⁵ Als ranghöchste Gesandte der Deputation wurden sie deren Direktoren und vertraten folglich alle evangelischen Stände in der Konfessionsfrage nach außen. Thumbshirn und Carpzow wurden überdies schnell Teil einer Gruppe evangelischer fürstlicher Gesandter, die die Beratungen der evangelischen Stände (dem Vorläufer des späteren Corpus Evangelicorum) dominierte. Zu dieser Gruppe gehörten neben ihnen die Gesandten des Administrators von Magdeburg, der Sachsen-Weimarer Gesandte Georg Achatz Heher (1601– 1667) sowie die welfischen Gesandten Heinrich Langenbeck (1603 – 1669) und Jakob Lampadius (1593 – 1649). Ihnen allen gemeinsam war ihre lutherische Konfession, die Zugehörigkeit

 Sitzung der evangelischen Stände, 27.12.1645, in: Acta Pacis Westphalicae. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 3/2: Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück. 1645–1646. Bearb. v. Maria-Elisabeth Brunert, 1998 (künftig abgekürzt: APW III A 3/2), S. 379 – 383.

Fluide Kooperationen

241

ihrer Herren zu den Geschlechtern der Wettiner¹⁶ beziehungsweise Welfen und ein hoher Rang unter den evangelischen Gesandten. Letzterer manifestierte sich darin, dass alle Mitglieder der Gruppe Voten im vorderen Drittel des Fürstenrats und bei den Treffen der evangelischen Fürsten führten.¹⁷ Die beteiligten Gesandten trafen sich häufig bilateral, besprachen sich aber auch wiederholt in größerer Runde zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen, vor allem zur Absprache gemeinsamer Positionen und Initiativen für die Sitzungen der evangelischen Stände. Politisch kooperierte die Gruppe eng mit den schwedischen Gesandten. Das Königreich Schweden hatte in seinen Einladungen an die Reichsstände und in seiner Proposition in Westfalen den Evangelischen zuvor die Unterstützung ihrer konfessionellen und politischen Gravamina zugesichert.¹⁸ Diese sächsisch-welfische fürstliche Gesandtengruppe blieb mit einer hier nicht relevanten Ausnahme 1647 über die gesamte Dauer des Kongresses stabil und bildete, wie noch zu zeigen sein wird, auch den Kern der 1648 besonders involvierten evangelischen Reichsstände. Nur die Gesandtschaft des Administrators von Magdeburg spielte dabei keine Rolle mehr, weil sie den Kongress im September 1647 verließ. Die Politik dieser Gruppe evangelischer fürstlicher Gesandter – Sachsen-Altenburg, Sachsen-Weimar, Erzstift Magdeburg, Braunschweig-Celle und Braunschweig-Calenberg – war es, die in der schwedischen Proposition zugesicherte Unterstützung bei den Gravamina für die evangelische Seite nutzbar zu machen. Dazu war eine gute Beziehung zu den Schweden notwendig, die es auch herzustellen gelang. Anschließend wurde versucht, diese durch regelmäßige Besuche zu erhalten. Als Beispiel für das Wirken der Gruppe sei hier eine Schlüsselentscheidung über den Verhandlungsmodus genannt, die für den gesamten weiteren Verlauf der Religionsverhandlungen maßgeblich war: die Übertragung der Verhandlungsführung in den Gravamina ecclesiastica an Johan Oxenstierna (1611– 1657) und Johan Adler Salvius (1590 – 1652) Anfang Mai 1646.¹⁹ Durch diese Entscheidung blieben die Schweden eng mit den Gravaminaverhandlungen ver Administrator August von Magdeburg (1614– 1680) war ein nachgeborener Sohn des sächsischen Kurfürsten Johann Georg.  Zur Reihenfolge der Voten im Fürstenrat Osnabrück: APW III A 3/1 S. LXXVIII – XC; APW III A 3/3, S. XLV – LII. Unter den 30 akkreditierten evangelischen Reichsfürstenständen nahmen die Mitglieder der Gruppe die Voten 1, 5 – 9 und 12– 14 ein. Die weiteren frühen Voten für PfalzLautern, -Simmern und -Zweibrücken sowie Brandenburg-Ansbach und -Kulmbach wurden aufgrund von Abwesenheiten oft nicht geführt.  Druck der Proposition vom 11.6.1645: Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. I, S. 435 – 438 (latein) und 439– 442 (deutsche Übersetzung).  Ev. Deputation zu den Schweden am 1.5.1646, Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. II, S. 638. Zur Bewertung Wolff, Corpus, S. 158.

242

Christoph Nonnast

bunden, welche damit Teil der offiziellen Verhandlungen während des Kongresses blieben, was zuvor keineswegs sicher gewesen war. Der Vorschlag zur Übertragung der Verhandlungsführung stammte von der sächsisch-welfischen Fürstengruppe, genauer von den Altenburger Gesandten und Lampadius.²⁰ Sie verständigten sich darauf zehn Tage vor der Sitzung der evangelischen Stände, in der die Regelung vom in der Zwischenzeit hinzugezogenen befreundeten Magdeburg als Vorsitzenden der evangelischen Stände offiziell vorgeschlagen und beschlossen wurde. Die Vertreter der Gruppe stützten den Vorschlag mit ihren Voten einheitlich.²¹ Es waren also die fürstlich sächsischen und braunschweigischen Gesandten, die den Schweden Einfluss auf die Gravaminaverhandlungen geben wollten, und frühzeitig durch Absprachen untereinander die Weichen dazu stellten. Während des gesamten Verlaufs der Gravaminaverhandlungen besuchten Thumbshirn und Carpzow die schwedischen Gesandten mit großer Regelmäßigkeit und informierten sie über den Fortgang der Verhandlungen und die Meinungsbildung der evangelischen Stände zu diesem Thema. Umgekehrt erhielten sie Berichte und Einschätzungen der Schweden über deren Konferenzen mit den kaiserlichen Vertretern zu den Gravamina. Das Thema der schwedischen Satisfaktionen blieb in den Gesprächen dagegen möglichst ausgespart.²² Als Direktoren der evangelischen Deputation für die Gravaminaverhandlungen waren die Altenburger zu solchen Besuchen zwar förmlich angehalten – schließlich vertraten Oxenstierna und Salvius die Evangelischen in den Verhandlungen mit den Kaiserlichen über die Gravamina. Die Dichte und auch Offenheit der Gespräche gingen jedoch über diese Notwendigkeit weit hinaus. Die Altenburger Gesandten kommunizierten nicht nur sehr regelmäßig, sondern auch relativ vertrauensvoll mit den schwedischen Gesandten. Es kann von einer engen Kooperation gesprochen werden. Mit Salvius tauschte Thumbshirn in dringenden Fällen kurze Zettel bzw. Briefchen mit Informationen, Bitten oder Meinungen zu aktuellen Problemen aus, wie sich anhand von einzelnen erhalten gebliebenen Exemplaren beweisen lässt.²³ Mündliche oder gar vertragliche Absprachen über bestimmte Leistungen und Gegenleistungen – etwa zur Unterstützung der schwedischen Satisfaktionsforderungen – gab es dagegen nie. Die schwedisch-evangelische

 Bericht der Gesandten an Herzog Friedrich Wilhelm, 21.4.1646, Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg (künftig abgekürzt: LATh – StA Altenburg), Altes Hausarchiv (künftig abgekürzt: AH) I E 29, fol. 356 f, hier 356v.  Protokoll 1. 5.1646, LATh – StA Altenburg, AH I E 8, fol. 517v‒524r.  Mit gleichem Ergebnis: Braun, Lampadius, S. 400 f.  Salvius an Thumbshirn, LATh – StA Altenburg, Schönbergische Sammlung 85, fol. 319, 418; Thumbshirn an Salvius, Rijksarchivet Stockholm, Diplomatica Germanica A I 1 13, fol. 342. Für den Hinweis auf das letztgenannte Schriftstück danke ich Dr. Maria-Elisabeth Brunert.

Fluide Kooperationen

243

Zusammenarbeit behielt deshalb einen fluiden und unsicheren Charakter. Sie beruhte nur auf regelmäßigen Besuchen und der dabei bekundeten gegenseitigen Freundschaft und Unterstützung. Trotz des faktischen Machtgefälles in der Beziehung war die Kooperation mit den Sachsen-Altenburgern und der beschriebenen fürstlich sächsisch-braunschweigischen Gruppe auch für die Schweden wertvoll. Das zeigte sich, als im Herbst 1646 kurzzeitig das Gerücht aufkam, die kursächsischen Gesandten wollten das ihnen rangmäßig zustehende Direktorium in Beratungen der evangelischen Stände übernehmen. Ein Exzerpt des sachsen-altenburgischen Gesandtschaftsdiariums hält Oxenstiernas Reaktion auf diese Nachricht wie folgt fest: „ChurSachsen habe zu Prage dirigirt, das Teutschland in gegenwertigen jammer gebracht, u[nd] die Crohnen mitt despect abgewiesen werden wollen. Nicht Gott, sondern der böse feind müße die consilia führen. [et]c. Mitt denen ChurSächsischen könne er keine vertrauliche conferenz auß denen gravaminib[us] halten“.²⁴ Es zeigt sich also eindeutig, dass das Verhältnis Thumbshirns und Carpzows zu Oxenstierna und Salvius auch von diesen selbst als politisch wertvoll und über das formal notwendige hinausgehend angesehen wurde, sodass Altenburg als Direktor der evangelischen Deputation für die Gravaminaverhandlungen keinesfalls durch das deutlich kaiserfreundlichere Kursachsen ersetzt werden sollte.

3 Beginn der Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Reichsstände Schon seit 1646 war es wiederholt zu Versuchen gekommen, eine Verständigung in Direktverhandlungen unter den Reichsständen ohne Beteiligung und Wissen der kaiserlichen Gesandten zu erreichen. Von August bis November 1646 und nochmals Anfang 1647 hatte es dazu geheime überkonfessionelle Verhandlungen gegeben.²⁵ Sie scheiterten mit nur geringen Annäherungen und wurden schließlich von der Dynamik der offiziellen Verhandlungen überholt, die Graf Trauttmansdorff führte. Bei stark verändertem Verhandlungsstand wurden sie Ende Dezember 1647 von katholischer Seite wieder angeknüpft und drei Wochen lang bis zum 19. Januar 1648 als Austausch schriftlicher Vorschläge geheim geführt,

 Eintrag 22.9.1646, LATh – StA Altenburg, AH I E 19, fol. 50r.  Nonnast, Fürstenstaat, S. 251‒254 und 262‒280; bisher am ausführlichsten dazu Wild, Schönborn, S. 67‒73; Braun, Lampadius, S. 280‒283.

244

Christoph Nonnast

hatten aber ebenfalls keine zählbaren Ergebnisse und wurden von evangelischer Seite wieder abgebrochen.²⁶ Diesen im Ergebnis zunächst wenig fruchtbaren Bemühungen waren zwei Wesenszüge gemeinsam. Zum Ersten ist das ihre Zusammensetzung: in allen Fällen war der Würzburger Gesandte Johann Vorburg (1596 – 1660) der Akteur, der auf katholischer Seite zur Kooperation drängte und etwaige Bedenken seiner katholischen Mitgesandten zerstreute. Partner auf der evangelischen Seite war die beschriebene fürstlich sächsisch-braunschweigische Gesandtengruppe. Innerhalb dieser waren die drei fürstlich sächsischen Gesandten Thumbshirn, Carpzow und Heher die treibende Kraft. Die ebenfalls fast immer beteiligten welfischen Gesandten Langenbeck und Lampadius waren misstrauischer gegenüber der katholischen Seite und deshalb vorsichtiger und reservierter. Schon 1646 entstand also ein einigermaßen stabiles Vertrauensverhältnis zwischen den drei fürstlich sächsischen Gesandten und Vorburg, auf das sich wiederholt für gemeinsame politische Initiativen aufbauen ließ, die jedoch lange keine Früchte trugen. Zweitens waren die Schweden über alle diese Versuche von ihren Glaubensgenossen bereits in einem frühen Stadium informiert worden und hatten ihnen zugestimmt. Nur für den Januar 1648 ist bisher aus Quellenmangel kein Beleg dafür vorhanden. Auch über den jeweiligen Verhandlungsstand wurden Oxenstierna und Salvius auf dem Laufenden gehalten. Für den letzten erfolglosen Versuch, die durch ihre ausführliche Dokumentation bei Meiern sehr bekannt gewordene Geheimkonferenz am 8. Februar 1648,²⁷ sind die Schweden sogar die Initiatoren gewesen. Oxenstierna riet einer evangelischen Gravaminadeputation am 4. Februar wegen der erneut festgefahrenen offiziellen Verhandlungen mit den Kaiserlichen, die katholische Seite zu spalten und Bayern zu gewinnen, sonst schließe der Kaiser keinen Frieden.²⁸ Angesichts des schwedischen Wissens über die früheren überkonfessionellen Geheimverhandlungen konnte das als Aufforderung verstanden werden, einen neuen Versuch zu unternehmen. Ebenso verstanden es Thumbshirn und Carpzow und wurden noch am gleichen Tag bei Vorburg vorstellig, um ein Treffen unter Einschluss des bayerischen Gesandten zu erreichen. Die Folge war die ergebnislose Konferenz am 8. Februar 1648. Auch über diese wurden die Schweden vorab von den beteiligten Evangelischen informiert und erklärten sich damit einverstanden.²⁹ In der Summe bleibt festzuhalten, dass die ersten überkonfessionellen Verhandlungen der Reichsstände zwar schon lange vor Februar 1648 stattgefunden    

Braun, Lampadius, S. 317‒319. Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. IV, S. 943 – 947. Ebd., S. 930 f. Ebd., S. 943 f.

Fluide Kooperationen

245

hatten.³⁰ Sie hatten jedoch zu keiner dauerhaften Kooperation geführt. Angesichts von auch Anfang 1648 noch erheblichen inhaltlichen Differenzen, die zu nur geringen Verhandlungsfortschritten führten, flammte wiederholt Misstrauen über die Ernsthaftigkeit der Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite bei den Evangelischen auf, die mehrfach dazu führte, dass die Gespräche zugunsten der offiziellen Verhandlungen abgebrochen wurden. Die Differenzen der Reichsstände untereinander blieben zu groß, die Konstellation zu instabil, um eine arbeitsfähige Gruppe kompromissbereiter Reichsstände zu bilden. Den entscheidenden Einschnitt, der zu einer wirkungsvollen und kontinuierlichen überkonfessionellen Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Stände führte, markierte die Ankunft des bayerischen Gesandten Johann Adolf Krebs (vor 1624– ca. 1670) in Osnabrück Anfang März 1648. Krebs trat bei weitem selbstbewusster und aktiver auf als sein bereits seit längerem in Osnabrück ansässiger Kollege Johann Ernst (1604 – 1667). Auch ging er instruktionsgemäß auf die maßgeblichen evangelischen Stände zu. Darin war Ernst in den Monaten zuvor weitaus zurückhaltender gewesen. Schon bei seinen Antrittsvisiten legte Krebs ohne Umschweife seine Meinung zu zentralen Streitfragen dar und bot einen Vergleich der verständigungsbereiten Gesandten beider Konfessionen untereinander an.³¹ Neben Vorburg war nun ein zweiter einflussreicher, inhaltlich kompromissbereiter und bezüglich Separatverhandlungen mit wenig Skrupeln behafteter Vertreter auf katholischer Seite vorhanden, was zu einer ganz neuen Dynamik unter den kompromissbereiten Reichsständen führte. Zum Startpunkt der dauerhaften Aktivitäten der „dritten Partei“ wurden die Verhandlungen zur Glaubensfreiheit im Reich und in den Erblanden. Hier kam es zu keiner zügigen Einigung in den offiziellen Verhandlungen zwischen kaiserlichen und schwedischen Gesandten, die seit dem 28. Februar 1648 wieder aufgenommen worden waren. Die fürstlich-sächsischen und -braunschweigischen Gesandten beschlossen daraufhin, erneut auf die Option zurückzugreifen, direkt mit den nachgiebigsten katholischen Vertretern zu verhandeln. Wieder wurden die Schweden von ihnen darüber informiert, nicht aber die Kaiserlichen. Das Treffen fand am 9. März unter höchster Geheimhaltung in einer fahrenden Kutsche statt und führte inhaltlich zu erheblichen Fortschritten.³² Obwohl der kaiserliche Gesandte Isaak Volmar (1582/83 – 1662) fast sofort davon erfuhr, die drei evangelischen Gesandten zu sich lud und instruktionswidrig noch weitere Zugeständ-

 In den bekannteren Monografien beschreibt diese Genese am besten Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 458.  Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. V, S. 511 f.  Braun, Lampadius, S. 331.

246

Christoph Nonnast

nisse machte, waren die überkonfessionellen Gespräche diesmal nicht mehr aufzuhalten. Thumbshirn, Carpzow, Langenbeck und Lampadius kamen in einer Beratung mit den Schweden über das kaiserliche Angebot zum Ergebnis, lieber weiter mit Vorburg und Krebs zu verhandeln, weil auf diesem Wege ein besseres Ergebnis zu erwarten sei.³³ So kam es tatsächlich am 11. März bei einem weiteren Treffen der überkonfessionellen Gruppe zu einer Einigung. Die drei evangelischen Gesandten setzten diese anschließend bei ihren Glaubensgenossen durch, der bayerische Gesandte und Vorburg gegen einige Proteste bei den weiteren verständigungsbereiten katholischen Gesandten in Osnabrück.³⁴ Anschließend konnte die Einigung auch in die offiziellen Verhandlungen zwischen den Schweden und Volmar eingebracht und der Artikel unterzeichnet werden. Die kaiserlichen Gesandten mussten den erzielten Kompromiss hinnehmen, um sich nicht restlos zu isolieren.³⁵ Die gelungene Übereinkunft hatte eine vertrauensbildende Wirkung auf die verständigungsbereiten Reichsstände und bestärkte sie darin, den Weg informeller überkonfessioneller Absprachen fortzusetzen. Es waren jedoch die katholischen Stände gewesen, die sich inhaltlich stärker dafür hatten bewegen müssen. Damit zeigt sich: Die schwedischen Gesandten waren von evangelischer Seite her durchgängig genau informiert über den Fortgang der Verhandlungen und gaben ihre Zustimmung dazu. Geheim sollten die Verhandlungen nur gegenüber Volmar und den anderen kaiserlichen Gesandten gehalten werden. Dadurch wurden Irritationen auf schwedischer Seite von den Evangelischen vermieden und das gute Verhältnis gewahrt. Aus evangelischer Sicht waren die Direktverhandlungen ein Versuch, wie bisher zusammen mit den Schweden, jedoch unter partieller Umgehung der kaiserlichen Seite und völliger Umgehung der katholischen Maximalisten zu einem Frieden zu kommen, der inhaltlich ihren Vorstellungen nahekam. Eine „dritte Partei“ im Sinne von Unabhängigkeit von den Kaiserlichen einerseits und den Kronen andererseits war also seitens ihres evangelischen Teils nicht beabsichtigt. Auch die Rücksichtnahme auf die katholischen Verhandlungspartner war nicht allzu groß. Die Verständigung mit ihnen wurde gewählt, weil sie zügigere Ergebnisse und größere Zugeständnisse erwarten ließ. Bis Ende April wurde nun in den offiziellen Verhandlungen mit den weiteren offenen Fragen des Instrumentum Pacis Osnabrugense fortgefahren, und fast immer gab es vorbereitende informelle Treffen mit Beteiligung der Gesandten von  Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. V, 513 f.  Proteste der Gesandten von Kurköln und Kurmainz: ebd., S. 515, 531.  Lamberg, Crane und Volmar an Ferdinand III., 12.3.1648, in: APW II A 8, S. 114 f; Ruppert, Politik, S. 332 f.

Fluide Kooperationen

247

Bayern, Mainz und Würzburg sowie den Altenburgern, den Braunschweigern und oft dem weimarischen Gesandten.³⁶ Die Initiative ging dabei – soweit erkennbar – meist von der protestantischen Seite aus. Über die Ergebnisse wurden zunächst die Schweden informiert, erst danach die kaiserlichen Gesandten. Gab es nicht sofort eine Einigung, gingen die Beratungen in eine neue Runde. Bei den Verhandlungen über die zahlreichen noch offenen Amnestiefragen bezog die sächsisch-braunschweigische Fürstengruppe außerdem häufig die Betroffenen auf evangelischer Seite in die Verhandlungen mit ein. Bei den Amnestieproblemen waren die Schweden auf die Hilfe der Reichsstände vermutlich geradezu angewiesen, weil ihnen das Fachwissen über die Details der kleinteiligen Rechtsstreitigkeiten oft gefehlt haben dürfte. Salvius schrieb vor Beginn der Amnestieverhandlungen eine Notiz an Thumbshirn, in der er diesen bat, ihm „unter der Hand“ mitzuteilen, „wie ein jedweder noch indecises passus³⁷ gehen könte“, er wolle dann überlegen, wie die Lösung der Probleme auf die von Thumbshirn empfohlene Weise zur Unterschrift gebracht werden könne.³⁸ Insgesamt bewährte sich diese Methode. Es war die Zeit der häufigsten Treffen und der – soweit erkennbar – engsten Zusammenarbeit der kompromissbereiten Reichsstände. Die sächsisch-welfische Fürstengruppe, die mit den Vertretern von Mainz, Bayern und Würzburg die Übereinkünfte vorbereitete, sah sich als Unterhändler im Namen aller evangelischen Stände und hatte auch keine Probleme, die gefundenen Kompromisse auf evangelischer Seite durchzusetzen.³⁹ Ob den katholischen Mitgliedern der überkonfessionellen Gruppe das ganze Ausmaß der Kooperation ihrer lutherischen Mitstände mit den Schweden bekannt war, ist noch zu erforschen.

 Anhand eines Exzerpts des Gesandtschaftsdiariums sind Treffen nachweisbar für den 7.4., 9.4., 15.4., 23.4. und 25.4.1648, LATh – StA Altenburg, AH I E 19, fol. 156r – 157r, 158r, 161r, 167v und 169r.  Übersetzung: Übel anstehender Abschnitt.  Salvius an Thumbshirn, 5.4.1648, LATh – StA Altenburg, Schönbergische Sammlung 85, fol. 319.  Zu den katholischen Ständen vgl. den entsprechenden Beitrag von Volker Arnke in diesem Band.

248

Christoph Nonnast

4 Einberufung der Reichsräte und Verhandlung der Militärsatisfaktion Das bis zu diesem Zeitpunkt sehr erfolgreiche Zusammenspiel von offizieller Verhandlung zwischen kaiserlichen und schwedischen Gesandten und inoffiziellen Vorberatungen einer kleinen Gruppe von verständigungsbereiten Reichsständen musste Ende April 1648 aufgegeben werden. Die kaiserlichen Gesandten brachen auf Befehl Ferdinands III. (1608 – 1657) die offiziellen Verhandlungen mit den Schweden ab. Sie sollten suspendiert bleiben, bis die Reihenfolge der Verhandlungsthemen geändert und die Amnestie in den kaiserlichen Erblanden vorrangig behandelt würde.⁴⁰ Die Schweden wiederum bestanden kategorisch auf der früher beschlossenen Verknüpfung dieses Themas mit ihrer umfangreichen Militärsatisfaktion.⁴¹ Für die Reichsstände bedeutete das de facto, die umfangreiche Militärsatisfaktion aushandeln zu müssen, ehe die Verhandlungen vorankommen konnten. Es scheint, dass die Idee, in dieser Situation die Reichsräte einzuberufen und dort parallel die Amnestie in den Erblanden und die Militärsatisfaktion zu behandeln, auf evangelischer Seite entstanden ist.⁴² Der Vorschlag wurde von der Versammlung der evangelischen Stände am 30. April 1648 beschlossen,⁴³ anschließend von einer offiziellen Deputation den Schweden unterbreitet, dort gebilligt und schließlich dem kaiserlichen Gesandten Volmar vorgelegt. Dieser lehnte das Vorgehen ab. Die Deputation bekam jedoch auf hartnäckiges Nachfragen – ohne Zweifel durch Thumbshirn, das ranghöchste Deputationsmitglied – den Eindruck, der kaiserliche Gesandte werde eine Einberufung der Reichsräte zumindest dulden, wenn er sie auch keinesfalls selbst einberufen wolle. So wurde das Ergebnis der Deputation im evangelischen Fürstenrat referiert.⁴⁴ Entsprechend stand der Einberufung der Reichsräte mithilfe der Mainzer Gesandten als Vertreter des Reichsdirektoriums aus Sicht der evangelischen Reichsstände in Osnabrück nichts Entscheidendes im Wege. Ab dem 6. Mai traten die Reichsräte tatsächlich zusammen, nachdem sich alle katholischen kurfürstlichen Gesandten

 Ruppert, Politik, S. 339.  Odhner, Die Politik Schwedens, S. 258.  Braun, Lampadius, S. 346.  Meiern, Acta Pacis Westphalicae publica, Bd. V, Buch 40, § XXXIII, S. 744.  Bericht der Deputation in: ebd., § XXXIV, S. 744‒748, bes. 747 f.; Bericht Thumbshirns im evangelischen Fürstenrat im Protokoll vom 2. 5.1648, LATh – StA Altenburg, AH I E 21, fol. 617v‒ 619v.

Fluide Kooperationen

249

sowie die Vertreter Bambergs und Würzburgs darauf verständigt hatten, die Initiative zu unterstützen.⁴⁵ Damit veränderte sich der Modus der Verhandlungen grundlegend, für die verständigungsbereiten Osnabrücker Reichsstände brach eine neue Phase der Zusammenarbeit an. Bisher hatten sich ihre Beratungen im Bereich des Herkommens bewegt, das von Reichs- und Kreistagen vertraut gewesen sein muss: Vor den offiziellen Verhandlungen wurden informell Kompromisse gesucht, Mehrheiten organisiert und Absprachen getroffen. Spätestens nach der erneuten Absage der Kaiserlichen am 13. Mai, die Militärsatisfaktion zu diesem Zeitpunkt zu verhandeln,⁴⁶ war der bisherige Verhandlungsweg endgültig blockiert. Nun mussten die Reichsstände selbst offizielle Verhandlungen mit den Schweden führen, indem sie ihre Conclusa Oxenstierna vortrugen und eine Einigung mit ihm suchten. Die Führung von Verhandlungen im Namen des Reichs ohne den Kaiser war eine verfassungsrechtliche Innovation. Nur die Sitzungen, auf denen die gemeinsame Position abgestimmt wurde, entsprachen in Grundzügen dem Herkommen auf Reichstagen.⁴⁷ Allerdings fanden auch diese statt, ohne dass die Propositionen mit den kaiserlichen Gesandten abgestimmt wurden. Außerdem wurden die Beschlüsse des bald gegründeten Teilfürstenrats Münster, der die unnachgiebigen katholischen Stände versammelte, nicht vollwertig in die eigene Verhandlungsführung mit einbezogen. Diese Wendung brachte den Mainzer Gesandten eine Schlüsselposition unter den verständigungsbereiten Reichsständen ein. Nur sie konnten die Reichsräte als Vertreter des Erzkanzlers des Reichs legitim einberufen und hatten außerdem das Recht, die Verhandlungsthemen festzulegen. Ein Rückzug der Mainzer Gesandten hätte also unmittelbar zum Zusammenbruch dieses Verhandlungsmodus geführt oder zumindest seine Legitimität stark geschwächt. Die Mainzer Gesandten übernahmen damit zu diesem Zeitpunkt die zentrale Rolle unter den verständigungsbereiten Ständen und füllten sie auch aus. Neben den Mainzern gehörten auch in dieser Phase die Altenburger Vertreter zu den entscheidenden Gesandten. Sie blieben weiterhin sehr aktiv und machten substantielle Vorschläge zur Einigung. Völlig anders stellte sich dagegen die Rolle der bayerischen Gesandten in dieser Verhandlungsphase dar. Die bisher als wichtige Wortführer auf katholischer Seite fungierenden Gesandten trugen jetzt nur noch passiv mit, was die anderen Gesandten vorangebracht und verhandelt hatten. Ursächlich für diesen Rückzug war die Forderung Kurfürst Maximilians (1573 – 1651) nach einer erheb-

 Becker, Kurfürstenrat, S. 306 – 308.  Sitzung des Fürstenrats Osnabrück, 14. 5.1648, in: APW III A 3/5, S. 122 f.  Ebd., S. XLIII.

250

Christoph Nonnast

lichen Militärsatisfaktion für seine Armee, die seine Mitstände ihm nicht einräumen wollten.⁴⁸ Hier zeigt sich der fluide Charakter der Kooperation der verständigungsbereiten Reichsstände: Nicht nur der Verhandlungsmodus wurde – von den Umständen erzwungen – innovativ angepasst, auch die innere Konstellation der Gruppe veränderte sich bedeutend, indem der zuvor zentrale bayerische Gesandte stark an Gewicht verlor, seine Mainzer Kollegen dagegen unverzichtbar wurden. Die Aushandlung der Militärsatisfaktion stellte die bisher größte Belastungsprobe für die Gesandten der verständigungsbereiten Reichsstände dar. Die Finanzen waren für alle Reichsstände ein besonders sensibler Bereich. Zugleich unterschieden sich die Interessen deutlich voneinander: Bayern und HessenKassel isolierten sich von ihren Mitständen, indem sie eine eigene Satisfaktion auch für ihre Truppen forderten. Alle anderen Reichsstände wollten das vermeiden mit Rücksicht auf die hohe Summe, die für Schweden benötigt wurde. Viele katholische Reichsstände hatten zudem – ähnlich dem Kaiser⁴⁹ – lange gehofft, eigene Zahlungen am Ende umgehen zu können, und brachten Forderungen nach individueller Exemption oder Moderation ihrer Beiträge vor.⁵⁰ Dagegen war den evangelischen Ständen schon seit dem Prager Frieden und den anschließenden Schönebecker Verhandlungen mit Schweden klar, dass sie für den Abzug der Schweden würden zahlen müssen.⁵¹ Entsprechend war die lange Verhandlungsphase über die schwedische Militärsatisfaktion eine Krisenzeit, in der die interne Kommunikation der Gruppe merklich nachließ. Vermutlich gab es allenfalls noch bilaterale Treffen. Die bisher üblichen informellen Absprachen innerhalb der überkonfessionellen Kerngruppe der verständigungsbereiten Reichsstände kamen dagegen zum Erliegen. Aus Altenburger Quellen kann keinerlei größeres Treffen außerhalb der Reichsräte nachgewiesen werden.⁵² Dies deutet darauf hin, dass alle Reichsstände in Finanzsachen ihre eigene Politik verfolgten und weder ihre diesbezüglichen Instruktionen aufdecken noch sich auf bindende Absprachen einlassen wollten. Dennoch zerbrach die Gruppe nicht. Die Mainzer Gesandten ließen auch in dieser schwierigen Phase voller besonders schmerzhaft empfundener Zugeständnisse

 Sitzung des Fürstenrats Osnabrück, 9. 5.1648, ebd., S. 58 – 89; Albrecht, Maximilian I., S. 1050.  Ruppert, Politik, S. 341.  Sitzung des Fürstenrats Osnabrück 9. 5.1648: Salzburg (Exemption), Bamberg (Moderation), Speyer für Kurtier (Exemption), in: APW III A 3/5, S. 58‒89, hier S. 64, 67 f., 73‒76.  Zu den Schönebecker Verhandlungen 1636 vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 76.  Zu Beginn gab es ein Treffen der sächsisch-welfischen Fürstengruppe, um Einfluss auf die Proposition der Mainzer vom 9.5.1648 zu nehmen, die am Ende tatsächlich ihren Wünschen entsprach. Vgl. Braun, Lampadius, S. 348.

Fluide Kooperationen

251

die Verhandlungen nicht abreißen, indem sie regelmäßig die Reichsräte einberiefen. Allerdings blieben zeitweise bedrohlich viele Gesandte den Sitzungen fern und bekundeten damit ihr Missfallen. Das war besonders bei den Versammlungen der Fall, welche die Zahlungsmodalitäten betrafen, also die unnachgiebige Forderung der Schweden, schnell hohe Summen an Bargeld zu erhalten, die ihnen schließlich größtenteils zugebilligt werden musste.⁵³ Es waren zunächst die Altenburger und Braunschweiger Gesandten, die sich – durch ihre Voten im Fürstenrat und in Privatgesprächen mit anderen Gesandten – nach Meinung des Bamberger Gesandten vor allem mit dem ‚Unglimpf‘ beladen hatten, den Kaiser und Bayern hinsichtlich ihrer Militärsatisfaktionen auf ihren jeweiligen Heimatreichskreis zu beschränken.⁵⁴ Nachdem dies erreicht schien, beschleunigten speziell die Altenburger auch die Einigung über die Höhe der Geldzahlung. Als erster Gesandter benannte Thumbshirn am 23. Mai eine konkrete Summe für die schwedische Militärsatisfaktion.⁵⁵ Als einziger Stand im Fürstenrat Osnabrück war Sachsen-Altenburg schon am 9. Juni bereit, die geforderten fünf Millionen Reichstaler zu bewilligen. Die Mehrheit der fürstlichen Gesandten folgte erst am 10. Juni, die Kurfürsten am 13. Juni.⁵⁶ In den folgenden Verhandlungen zu den Zahlungsmodalitäten machte sich dagegen aus schwedischer Sicht vor allem der brandenburgische Gesandte Wittgenstein verdient,⁵⁷ was darauf hindeutet, dass die bisher dominante Gruppe von Gesandten die Verhandlungsführung nicht mehr oder zumindest nicht mehr allein dominierte. Die Brandenburger hatten seit der Einigung über den Einschluss der Reformierten in den Religionsfrieden⁵⁸ (späterer Artikel VII IPO) ihre Ziele am Kongress erreicht und waren nun an einer Sicherung dieser Ergebnisse durch einen endgültigen Friedensschluss stark interessiert. Auch das Verhältnis der Altenburger zu den Schweden veränderte sich in dieser Verhandlungsphase deutlich. Es war nun ernsthaft belastet und zeigte damit seine begrenzte Stabilität und seine Fluidität. Angesichts der schlechten finanziellen Situation der schwedischen Krone mussten Oxenstierna und Salvius unnachgiebig fünf Millionen Reichstaler fordern und auch auf für sie günstige Zahlungsbedingungen bestehen.⁵⁹ Dennoch wurden sie weiter besucht, wenn

 Zusammengefasst in: APW III A 3/6, S. LI – LIII.  Dietz, Die Politik des Hochstifts Bamberg, S. 372 mit Fußn. 63.  Protokoll des Fürstenrats Osnabrück vom 23. 5.1648, in: APW III A 3/5, S. 209‒231, hier S. 216.  Protokolle vom 9.6. und 10.6.1648, in: ebd., S. 415‒437, bes. S. 427, und S. 438‒461.  Odhner, Die Politik Schwedens, S. 262 f.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 464 f. Eine moderne Darstellung dieser Verhandlungen ist ein Desiderat.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, 474– 476; Odhner, Die Politik Schwedens, 260 – 262.

252

Christoph Nonnast

auch soweit erkennbar in größeren zeitlichen Abständen als zuvor. Dabei mussten nun aber Konflikte thematisiert werden. So gab Thumbshirn Salvius zu bedenken, dass es unerhört sei, dass man die Zahlung der eigenen Armee von Freunden fordere, die man zu retten vorgebe.⁶⁰ Die Wahrnehmung der Schweden bei Thumbshirn veränderte sich in dieser Zeit – erstmals nachweisbar Ende Juni 1648 – zum Negativen: Ihre Härte, gerade bei den Zahlungsbedingungen, ließ bei ihm den Verdacht aufkommen, auch die Schweden würden „ob rationem status […] endlich mehr auf krieg als friede gedencken“, denn, so Thumbshirn in einem Brief an den Altenburger Regierungschef: „wann einer anfengt iniqua et impossi[bi]lia zue urgiren nemo mihi persuaserit, illum pacem quaerere“⁶¹. Die Schweden hätten wohl „hofnung […] noch mehr an sich zuebringen. Wie dann allerhand gemunckel gehet“.⁶² Bis zum Friedensschluss kehrte dieses Motiv nun in den vertraulichen Schreiben Thumbshirns immer wieder. Obwohl sie bereits seit fast drei Monaten eng mit den kompromissbereiten katholischen Ständen kooperierten, rückten die Altenburger erst Ende Juni innerlich von den Schweden deutlich ab. Das Verhältnis wurde viel ambivalenter. Der Interessengegensatz bei der Militärsatisfaktion ließ die Altenburger daran zweifeln, dass Oxenstierna und Salvius wirklich an einem schnellen Friedensschluss interessiert waren. Dem entsprach aber keine grundlegende Änderung der eigenen Politik. Die Kooperation mit den schwedischen Gesandten wurde auch weiterhin gesucht. So gehörten die Altenburger in den Verhandlungen zur Militärsatisfaktion trotzdem zu den nachgiebigeren Ständen, denn zum Frieden gab es für sie keine Alternative, und diesen müsse das Reich, wie Thumbshirn im Fürstenrat Osnabrück argumentierte, „erkauffen“.⁶³ Eine offene Emanzipation von den Schweden, wie sie Maximilian von Bayern von Kaiser Ferdinand vollzogen hatte, war für die Altenburger nicht denkbar. Zum einen war der gesamte Obersächsische Reichskreis, zu dem das Fürstentum gehörte, den Schweden militärisch völlig ausgeliefert. Zum anderen erhöhte die schwedische Unterstützung, so unsicher diese sein mochte, in den Verhandlungen auf dem Kongress dennoch ihr Gewicht. Entsprechend wurde die Unzufriedenheit dissimuliert, die Beziehung weiter gepflegt und auf Veränderung der vermuteten schwedischen Position gehofft.

 Gespräch mit Salvius am 6.6.1648, LATh – StA Altenburg, AH I E 19, fol. 177v–178r.  Übersetzung: Wenn einer anfängt, zu Ungerechtem und Unmöglichem zu drängen, wird mich niemand überzeugen, dass jener Frieden sucht.  Thumbshirn an von Brand, 27.6.1648, LATh – StA Altenburg, Schönbergische Sammlung 85, fol. 340v. Zu Hans Friedrich von Brand (1596 ‒ 1657) Heß, Geheimer Rat, S. 36.  Protokoll Fürstenrat Osnabrück 11.5.1648, in: APW III A 3/5, S. 90‒107, hier S. 98.

Fluide Kooperationen

253

Das ambivalente Verhältnis beruhte auf Gegenseitigkeit. Die schwedischen Gesandten spürten deutlich den Widerstand der evangelischen Gesandten, etwa der Braunschweiger, bei der Durchsetzung der Militärsatisfaktion.⁶⁴ Ein Bund der Evangelischen mit dem Kaiser gegen die Schweden, wie ihn der kursächsische Gesandte Leuber in Osnabrück propagierte, wurde von ihnen eine Zeit lang als tatsächliche Gefahr betrachtet.⁶⁵ Auch die Schweden zogen es jedoch vor, diese Bedenken zu dissimulieren und die Kooperation bis auf weiteres fortzusetzen. Ihren Bedenken zum Trotz unterstützten die evangelischen Mitglieder der verständigungsbereiten Reichsstände in Osnabrück die Schweden sofort nach der Einigung über die Militärsatisfaktion wieder, als der Amnestieparagraph für die Erblande erneut aufgerufen wurde. Zwar hatten sich alle Evangelischen inhaltlich längst mit dem kaiserlichen Standpunkt abgefunden: keinerlei Restitution oder Entschädigung für die böhmischen Exulanten aus der Zeit vor 1630. Umso wichtiger war den sächsischen und braunschweigischen fürstlichen Gesandten, dass für Schweden gesichtswahrende Formulierungen eingefügt wurden, die dessen ausdauernden Einsatz für die Exulanten während der Verhandlungen hervorhoben. Es brauchte zahlreiche Besuche Thumbshirns und anderer evangelischer Gesandter und auch eigene Textvorschläge, bis sowohl die Schweden als auch Volmar mit dem Paragraphen einverstanden waren, der dann eine entsprechende Formulierung enthielt. Die katholischen Vertreter der dritten Partei beteiligten sich nicht an diesem Prozess.⁶⁶

5 Verhandlungen zum Instrumentum Pacis Monasteriense Die letzte Phase der Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Stände bildete die Bearbeitung und Durchsetzung des Friedensvertrags mit Frankreich. Hier distanzierten sich die Gesandten der Stände endgültig von den Kaiserlichen, die sogar aus Osnabrück abgereist waren, um die Verhandlungen nach Münster zu verlagern. Eine ganz neue Qualität brachte schließlich die Androhung eines Friedensschlusses der Reichsstände ohne den Kaiser, mit der die verständigungsbereiten Stände Volmar Ende September 1648 konfrontierten. Diese Phase verlief innerhalb der Osnabrücker Reichsstände wieder harmonischer. Vor und während der Verhandlungen mit dem französischen Gesandten

 Braun, Lampadius, S. 355.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 475.  APW III A 3/6, S. LXIII f.

254

Christoph Nonnast

Servien gab es nach langer Pause abermals Konferenzen von Mitgliedern der verständigungsbereiten Reichsstände. Sie berieten über den Spielraum für eine gesichtswahrende Separation des Kaisers von Spanien und verständigten sich über den Ausschluss des Herzogs von Lothringen aus dem Frieden.⁶⁷ Für Thumbshirn ging es darum, eine Lösung zu finden, die Frankreich befriedigte, ohne den Kaiser zu entehren.⁶⁸ In dieser Schlussphase des Kongresses übernahmen zunehmend die bayerischen Gesandten die Initiative. Sie setzten sich auf das Entschiedenste dafür ein, die Verhandlungen mit Servien nicht nach Münster zu verlagern, und warben bei ihren Mitständen für ein Ultimatum an die Kaiserlichen, der gefundenen Einigung beizutreten.⁶⁹ Die evangelischen Gesandten scheinen dagegen in dieser Phase an Bedeutung verloren zu haben, auch wenn Thumbshirn und der Straßburger Gesandte Marcus Otto (1600 – 1674) den Fürsten- bzw. Städterat als Deputierte der Reichsstände in Verhandlungen mit Servien vertraten.⁷⁰ Mit dem vorhandenen Quellenmaterial lässt sich der Umfang der Aktivitäten der Altenburger in dieser Kongressphase nur schwer ermitteln. Ein substanzieller Beitrag der Evangelischen zu den Verhandlungen mit dem französischen Gesandten bestand zweifellos darin, dass sie die Berufung des schwedischen Gesandten Salvius zum Vermittler initiierten. Den entsprechenden Vorschlag brachte Thumbshirn im Fürstenrat vor.⁷¹ Salvius sollte mäßigend auf Servien einwirken, bei dem die Reichsstände allein wenig Gehör fanden. In dieser Funktion wurde der schwedische Gesandte natürlich wieder mit allen nötigen Informationen über die Verhandlungen versorgt und sein Rat dazu eingeholt. Die zumindest oberflächlich guten Beziehungen der sächsisch-braunschweigischen Fürstengruppe zu den Schweden trugen fraglos dazu bei, dass Salvius die Interposition übernahm. Es gelang ihm jedoch nicht, Servien zu substanziellen Zugeständnissen zu bewegen. Das erwachte Misstrauen gegenüber den Schweden legte sich trotzdem nicht wieder. So schrieb Thumbshirn Anfang September vertraulich nach Altenburg, die Schweden würden offenbar noch etwas länger Krieg führen wollen, um weitere Beute im Reich zu machen, oder sogar das Reich als Ganzes mit den Kaiserlichen und Frankreich unter sich aufzuteilen und die Reichsstände ganz zu unterdrücken.⁷² Trotz des Misstrauens gegenüber den Schweden blieb auch das

 Eintrag Diariumsexzerpt 7.8.1648, LATh – StA Altenburg, AH I E 19, fol. 188v‒189r.  Bericht vom 12. 8.1648, LATh – StA Altenburg, AH I E 29, fol. 252.  Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 467.  APW III A 3/7, S. XLVI mit Fußn. 52.  Protokoll vom 17. 8.1648, ebd., S. 213‒228, hier S. 218.  Thumbshirn an von Brand, 5.9.1648, LATh – StA Altenburg, Schönbergische Sammlung 85, fol. 350v – 351r.

Fluide Kooperationen

255

Verhältnis zu den katholischen Partnern ein sachliches. Thumbshirn war klar, dass vor allem Bayern mehr aus kriegsbedingter Notwendigkeit nachgiebig geworden war, als aus innerer Überzeugung. Noch im September 1648 vertrat er die Meinung, dass die meisten Schwierigkeiten des Jahres nie aufgekommen wären, wenn Kurfürst Maximilian den Ulmer Waffenstillstand vom 14. März 1647 nicht aufgekündigt hätte.⁷³ Die letzte Etappe vor der Unterschrift der beiden fertigen Friedensverträge bildete das Ultimatum der Reichsstände gegenüber den kaiserlichen Gesandten, notfalls ohne deren Zustimmung den Frieden abzuschließen. Die Drohung mit einem Friedensschluss der Reichsstände ohne den Kaiser bezeichnete Thumbshirn als das „bayerische Remedium“,⁷⁴ was auf deren Urheber und stärksten Verfechter hinweist. Bayern hatte feindliche Truppen im Land und drängte in dieser Phase am stärksten auf einen raschen Frieden. Die Altenburger trugen die Politik des Ultimatums mit,⁷⁵ scheinen sie aber nicht besonders vorangetrieben zu haben. Sie haben in dieser letzten Phase wohl in der zweiten Reihe gestanden hinter den aktiveren Gesandten von Mainz und Bayern. Thumbshirn war erkennbar beunruhigt über die Frage, was passieren solle, wenn der Kaiser sich auch jetzt nicht beeindrucken ließ und an seinem spanischen Bündnis festhielt. Sein Misstrauen gegenüber dem Friedenswillen am Kaiserhof war groß. Letztlich blieben den Reichsständen aus seiner Sicht bei einem Scheitern des Ultimatums und einer Fortsetzung des Kriegs trotz Verlust des bayerischen Verbündeten nur noch extreme und verzweifelte Mittel.⁷⁶ Diesen Wegfall jeglicher weiterer Handlungsmöglichkeit wollten die Altenburger lieber vermeiden. Als Volmar zunächst außerstande war, die entscheidende kaiserliche Instruktion zu dechiffrieren,⁷⁷ waren sie und die weiteren fürstlich sächsischen und braunschweigischen Gesandten daher bereit, dem kaiserlichen Gesandten noch vier Tage Aufschub zu geben. Den bayerischen Gesandten mussten sie dazu erst umstimmen.⁷⁸ Auch in dieser Phase zeigte sich also wieder der fluide Charakter der Kooperation der reichsständischen Gesandten. Wieder waren es teils andere Gesandte als in der vorangegangenen Phase, die das Heft des Handelns an sich zogen und ihre Mitgesandten vorantrieben.

 Ebd., fol. 351r.  Thumbshirn an von Brand, 25.9.1648, ebd., fol. 355v.  Ebd.  Thumbshirn an von Brand, 17.9.1648, ebd., fol. 352v.  Der in Wien verwendete Chiffrierschlüssel war in der Gesandtschaft nicht vorhanden; vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 489 f.  Braun, Lampadius, S. 377.

256

Christoph Nonnast

6 Fazit Die Untersuchung hat gezeigt, in welch erheblichem Maße die Zusammenarbeit der Gesandten Sachsen-Altenburgs mit anderen Gesandten im Jahr 1648 einen fluiden, veränderlichen Charakter trug. Das gilt sowohl für die Beziehung zu den schwedischen Gesandten als auch für die Kooperation mit den anderen verständigungsbereiten Reichsständen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichen Formen. Die Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Reichsstände beider Konfessionen – im Wesentlichen waren das die Gesandten von Kurbayern, Kurmainz, dem Hochstift Würzburg, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Weimar, BraunschweigCelle und Braunschweig-Calenberg – war fluid und veränderlich bezogen auf den Grad der Koordination und die Binnenkonstellation der Gruppe. Ihre Mitglieder blieben dagegen dieselben. Ab März 1648 gab es zunächst eine Phase dichter Kommunikation und regelmäßiger informeller Beratungen aller oder einiger der genannten Gesandten zu sämtlichen sich im Fortgang der Verhandlungen zum Osnabrücker Frieden stellenden Fragen. Darauf folgte während der Verhandlung der schwedischen Militärsatisfaktion eine Phase der Vereinzelung ohne solche (Vor‐)Beratungen. Zwar sind weiter aktivere und passivere Gesandte zu erkennen, eine Abstimmung von Positionen erfolgte aber allenfalls noch in bilateralen Gesprächen, wenn überhaupt. In den Verhandlungen mit den französischen Gesandten zum Instrumentum Pacis Monasteriense wurde dagegen wieder enger kooperiert, es kam erneut zu Treffen der genannten Gesandten. Auch hinsichtlich der Konstellationen der Gesandten der Gruppe – welche Personen und Gesandtschaften waren besonders aktiv, welche verhielten sich eher passiv – sind deutliche Veränderungen erkennbar, die auf einen fluiden Charakter der Zusammenarbeit hinweisen. Waren zunächst Bayern, Würzburg und die sächsischwelfischen Gesandten besonders aktiv, zog sich Bayern in den Satisfaktionsverhandlungen weitgehend zurück, während Mainz nun aus formalen Gründen eine Schlüsselrolle für den Fortgang der Verhandlungen einnahm. Die Altenburger Gesandten blieben Motoren einer Annäherung, insbesondere in den Verhandlungen zur Höhe der schwedischen Militärsatisfaktion. Mit Kurbrandenburg scheint in dieser Phase eine bis dahin unauffällige Gesandtschaft eine wichtige Rolle gespielt zu haben. In den Schlussverhandlungen mit Servien und bei der Durchsetzung der Ergebnisse bei den kaiserlichen Gesandten spielten die evangelischen Gesandten dagegen eine weniger große Rolle. In dieser Phase zogen Kurmainz und insbesondere wieder Kurbayern die weiteren Reichsstände mit. Es kam also mehrfach innerhalb kurzer Zeit zu einer Umstrukturierung der Binnenkonstellation der verständigungsbereiten Gruppe von Reichsständen. Es kann

Fluide Kooperationen

257

daher entsprechend der Ausgangsthese mit Recht von einer fluiden Kooperation innerhalb der Osnabrücker Reichsstände gesprochen werden. Dies wird umso deutlicher, wenn die bis ins Jahr 1646 zurückreichende Vorgeschichte wiederholter überkonfessioneller Annäherungsversuche seitens einzelner Gesandter betrachtet wird. Bis 1648 konnte nur für kurze Phasen eine Zusammenarbeit etabliert werden. Eine ausreichend stabile Gruppe zu bilden, um kontinuierlich zu kooperieren und erheblichen Einfluss auf den Verhandlungsfortgang nehmen zu können, gelang jedoch erst ab dem März 1648. Die Ankunft des bayerischen Gesandten Johann Adolf Krebs in Osnabrück stellte dafür die Weichen. Weniger relevant erscheinen dagegen die Veränderungen im Modus – von der informellen Vorberatung und Lenkung der offiziellen Verhandlungen zwischen kaiserlichen und schwedischen Gesandten hin zur Selbstversammlung der Reichsräte und zur selbständigen Verhandlungsführung mit den Gesandten der Kronen. Mit diesen innovativen Lösungen wurde lediglich auf sich kurzfristig stellende Probleme reagiert, auch wenn die verfassungsrechtlichen Implikationen erheblich waren. Für die Funktion der Gruppe war die Umstellung nicht zentral. Die Analyse zeigt außerdem, dass der Begriff der „Dritten Partei“ zur Beschreibung des Geschehens an seine Grenzen stößt. Er enthält die Konnotation, die Vertreter als unabhängig und getrennt sowohl von der kaiserlichen als auch von der französisch-schwedischen Partei auf dem Kongress zu denken, eben als etwas Drittes, das „zwischen den Blöcken“ agierte. Im Hinblick auf das Verhältnis der Altenburger und auch der weiteren Mitglieder der sächsisch-welfischen Fürstengruppe zu den schwedischen Gesandten erscheint eine solche Bewertung fragwürdig. Wie gezeigt wurde, kann zumindest für die erste Phase der überkonfessionellen Zusammenarbeit der verständigungsbereiten Reichsstände im Jahr 1648 eine Kontinuität der engen Beziehung zwischen den Altenburger Gesandten und den schwedischen Diplomaten Oxenstierna und Salvius gesprochen werden, die einem informellen Protektionsverhältnis ähnelt. Die Ausgangsthese, dass seitens der Gesandten Sachsen-Altenburgs eine Trennung von den Schweden nicht Politikziel war, kann damit als bestätigt gelten. Auch die letzte These über den fluiden, ungefestigten Charakter der Beziehung der altenburgischen zu den schwedischen Gesandten ist zu bejahen. Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Wert, den die Verbindung zu den Schweden für Thumbshirn und Carpzow hatte. Die Kooperation mit Oxenstierna und Salvius beruhte auf keinerlei Verträgen oder bindenden Absprachen und war angewiesen auf persönliche Vertrauensverhältnisse und die politischen Konjunkturen im Verlauf des Kongressgeschehens. Sie bekam im Verlauf des Jahres 1648 einen ambivalenten Charakter, weil die politischen Ziele beider Seiten bei der Militärsatisfaktion gegensätzlich waren und das Vertrauen der Altenburger in die Friedensorientierung der Schweden dabei Schaden erlitt. Dieser Vertrauensverlust

258

Christoph Nonnast

war dauerhaft und belastete fortan die Beziehung. Dennoch kam es nicht zu offensichtlichen Verwerfungen, weil auf beiden Seiten weiter in ein intaktes Verhältnis investiert und das aufgekommene Misstrauen dissimuliert wurde. Es lässt sich also festhalten: Bei der altenburgisch-schwedischen Kooperation war nicht die Form fluid, sondern die Valenz der Beziehung. Die Quellen zu Sachsen-Altenburg können nicht alle Fragen hinsichtlich der Konstellationen und Mitwirkung unter den verständigungsbereiten Reichsständen in Osnabrück klären. Inwieweit das Altenburger Verhältnis zu den Schweden auf andere engagierte evangelische Gesandte übertragbar ist, bedarf weiterer Forschungen. Für Braunschweig-Calenberg, zu dem es bereits eine ähnliche Arbeit gibt, ergeben sich ganz ähnliche Befunde.⁷⁹ Von großem Interesse ist auch der Umfang der Mitwirkung Kurbrandenburgs in der Schlussphase des Friedenskongresses. Während es bis einschließlich April 1648 keine erhebliche Rolle spielte, könnte sich die Situation danach anders darstellen. Ausschlaggebend für das stärkere Engagement Brandenburgs dürfte die Klärung der letzten für Brandenburg wichtigen Frage auf dem Kongress gewesen sein – der Einschluss der reformierten Konfession in den Augsburger Religionsfrieden. Eine umfassende Darstellung der Politik Brandenburgs auf dem Friedenskongress ist ein Desiderat. Darüber hinaus zeigt der Blick auf Sachsen-Altenburg Verhandlungspraktiken reichsständischer Gesandter mittleren Ranges. Sie können in Zukunft für die Erforschung von Verhandlungen anderer Reichs- und Kreisversammlungen fruchtbar gemacht werden.

Quellen Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg, Altes Hausarchiv I E 8; I E 19; I E 21; I E 29; Schönbergische Sammlung 85. Rijksarchivet Stockholm, Diplomatica Germanica A I 1 13 Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie II: Korrespondenzen. Abt. A: Die kaiserlichen Korrespondenzen. Bd. 8: 1648 Februar – Mai. Bearb. von Sebastian Schmitt, 2008; Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 3: Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück. Teil 1 – 3, 5 – 7. Bearb. von Maria-Elisabeth Brunert. Münster 1998, 2001, 2006, 2009, 2013. Meiern, Johann Gottfried von: Acta Pacis Westphalicae publica. Oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Bde. Hannover 1734‒1736.

 Vgl. Braun, Lampadius, bes. S. 413‒415.

Fluide Kooperationen

259

Literatur Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573‒1651). München 1998. Braun, Tina: Der welfische Gesandte Jakob Lampadius auf dem Westfälischen Friedenskongress (1644‒1649). Diss. phil. Bonn 2015. Becker, Winfried: Der Kurfürstenrat. Grundzüge seiner Entwicklung in der Reichsverfassung und seine Stellung auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1973. Brunert, Maria-Elisabeth: Wolf Conrad von Thumbshirn (1604 – 1667). Oßnabrück und Münster seind Seiner Treue und Geschickligkeit Zeugen – Ein reichsständischer Gesandter aus Thüringen als Mitgestalter des Westfälischen Friedens, in: Leben in Leichenpredigten 10/2013, hg. von der Forschungsstelle für Personalschriften, Marburg, Online-Ausgabe:

Croxton, Derek/Tischer, Anuschka: The Peace of Westphalia. A Historical Dictionary. Westport (Conn.)/London 2002. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. 6. Aufl. Münster 1992. Dietz, Heinrich Georg: Die Politik des Hochstifts Bamberg am Ende des Dreißigjährigen Krieges unter besonderer Berücksichtigung seiner Bemühungen um den Westfälischen Frieden. Würzburg 1968. Gotthard, Axel: Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung. Köln/Weimar/Wien 2016. Heß, Ulrich: Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Weimar 1962. Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. 2. Aufl. Stuttgart 2013. Nonnast, Christoph: Mindermächtiger Fürstenstaat und große Politik. Sachsen-Altenburg auf dem Westfälischen Friedenskongress. Diss. phil. Jena 2017. Odhner, C[las]. T[heodor].: Die Politik Schwedens im Westphälischen Friedenscongress und die Gründung der schwedischen Herrschaft in Deutschland. Gotha 1877. Ruppert, Karsten: Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß (1643 – 1648). Münster 1979. Schmidt, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. München 2018. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015. Wild, Karl: Johann Philipp von Schönborn, genannt der deutsche Salomo, ein Friedensfürst zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Heidelberg 1896. Wolff, Fritz: Corpus Evangelicorum und Corpus Catholicorum auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Münster 1966.

Siegrid Westphal

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses 1 Einleitung Am 15. Mai 1648 traten in Osnabrück alle drei Reichskurien zusammen, um ihre Conclusa zu verlesen und zu einem gemeinsamen Reichsgutachten mit Blick auf die schwedische Militärsatisfaktion zu gelangen. Während die Kurfürsten und Fürsten sitzen konnten, waren für die städtischen Gesandten jedoch keine Stühle gestellt worden. Der städtische Direktor beschwerte sich daraufhin bei dem Vertreter von Kurmainz, „daß man civitatum legatos so schimpflich tractirte und alß jungen stehen ließe, da ihnen doch vorhin stühle gesetzt gewesen. Hettens doch die secretarii beßer und wehren sie, a dominis suis nit alß ministri uffzuwarten, anhero geschickt, sondern alß mitstende des reichs neben den anderen zu consultiren.“¹ Die Geringschätzung des sozialen Status der Reichsstädte scheint symptomatisch nicht nur für den Westfälischen Friedenskongress, sondern auch für den frühneuzeitlichen Reichstag als Forum politisch-ständischer Repräsentation insgesamt gewesen zu sein.² Konflikte um den Status der Reichsstädte und ihres Anspruchs auf Gleichrangigkeit bestimmten seit der Konstituierung des Reichstags an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert das politische Geschehen. 1582 wurde ihnen zwar das votum decisivum, also das volle Stimmrecht auf Reichstagen, zuerkannt, bis 1648 blieb aber ihr rechtlicher Status unbestimmt, da unterschiedliche Interpretationen darüber existierten, wie dieses ausgeübt werden sollte.³ Auch wenn die Reichsstädte letztlich im Westfälischen Frieden das ius territoriale und das votum decisivum erhalten konnten, so verlagerte sich die Diskussion nach 1648 nun auf die Frage des Verfahrens bzw. der Reihenfolge der

Anmerkung: Es handelt sich um einen unveränderten Wiederabdruck meines Beitrags aus folgendem Sammelband: Kälble/Wittmann (Hrsg.), Reichsstadt als Argument, S. 221 – 236.  Acta Pacis Westphalicae, Serie III, Abt. A, Bd. 6: Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück 1645‒1649. Bearb. von Günter Buchstab, 1981 (künftig: APW III A 6), S. 686.  Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 81.  Becker, Die Städtekurie, S. 148. https://doi.org/10.1515/9783110703795-014

262

Siegrid Westphal

Stimmabgabe. Volle Gleichberechtigung mit der Kurfürsten- und der Fürstenkurie konnten die Reichsstädte jedoch nie erlangen. Nicht zuletzt dieser Umstand schlägt sich in der Bewertung der politischen Bedeutung der Reichsstädte auf dem Westfälischen Friedenskongress nieder. Sichtet man die wenigen Werke, die sich mit diesem Thema beschäftigen, dann fällt das Urteil durchweg negativ aus.⁴ Als dritte Kurie bei einem von Kurfürsten und Fürsten dominierten Kongress seien sie „Fremdkörper“ gewesen, so Günter Buchstab.⁵ Sie hätten sich „recht passiv“ verhalten und die Friedensverhandlungen den Kronen, dem Kaiser, den Kurfürsten sowie Fürsten überlassen, in der Hoffnung, dass diese den Frieden rasch herbeiführen würden.⁶ Zwar werden auch die Erfolge betont – neben der Verankerung des ius territoriale und des votum decisivum im Friedensvertrag, der Vorrang im Präzedenzstreit mit den Reichsrittern⁷ und die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den Friedensinstrumenten ‒, aber mit Blick auf die Zeit nach 1648 doch erheblich relativiert. Ziel des Beitrags ist es, auf der Basis der Protokolle der Osnabrücker Reichsstädtekurie sowie der Berichte des kaiserlichen Gesandten Krane an den Kaiser an diesem Bild eine Korrektur vorzunehmen.⁸ In einer entscheidenden Verhandlungsphase des Westfälischen Friedenskongresses zeigten sich die Reichsstädte keineswegs passiv, sondern politisch selbstbewusst. Zwar waren sie darum bemüht, sich durch die Beteiligung an den Friedensverhandlungen als gleichberechtigter Reichsstand zu erweisen und mit den höheren Kurien zu gemeinsamen Voten zu gelangen. Als aber 1648 der Großteil der Reichsstände unter Führung der sogenannten Dritten Partei immer stärker auf Distanz zum Kaiser ging und sogar bereit war, einen Frieden ohne seine Mitwirkung zu schließen, erwiesen sich die Reichsstädte gegenüber dem Kaiser als Reichsoberhaupt und Garanten ihrer Reichsunmittelbarkeit als loyale Reichsstände. Nicht zuletzt ihrem konsequenten Insistieren auf die Berücksichtigung der kaiserlichen Interessen ist es zu verdanken, dass die Friedensinstrumente unter Beteiligung aller Kriegsparteien gemeinsam unterschrieben werden konnten. Zunächst werden in einem ersten Teil die Rahmenbedingungen reichsstädtischen Agierens auf dem Westfälischen Friedenskongress abgesteckt, um dann in

 Buchstab, Reichsstädte; APW III A 6.  Buchstab, Reichsstädte, S. 179.  Ebd., S. 178.  Krischer, Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, S. 81‒89; Buchstab, Reichsstädte, S. 98‒108.  Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 55b, Relationen von Mai bis September 1648; Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 58a, Relationen aus Münster aus dem Jahr 1648; Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 55c, Reskripte von Ferdinand III. aus Wien nach Osnabrück aus dem Jahr 1648.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

263

einem zweiten Teil ihre Argumentationsweise mit Blick auf ihr Verhältnis zum Kaiser in den Blick zu nehmen.

2 Die Reichsstädte auf dem Westfälischen Friedenskongress Gesandte der Reichsstädte trafen schon relativ früh, nämlich ab Januar 1645 in Osnabrück ein.⁹ Fast alle der rund 60 Reichsstädte nahmen am Friedenskongress teil, entweder mit eigenen Gesandten (17) oder durch Vertreter. Da Gesandtschaften in der Regel sehr kostspielig waren, konnten nur die vermögenderen Reichsstädte über die gesamte Dauer der Friedensverhandlungen in Münster oder Osnabrück eine Gesandtschaft finanzieren. Ärmere Reichsstädte betrauten in der Regel die bereits anwesenden reichsstädtischen Gesandten mit der Vertretung ihrer Interessen.¹⁰ Dadurch kam es zu einer Kumulation von Vertretungen. Einige reichsstädtische Gesandte besaßen sogar Mandate für den Städte- und den Fürstenrat. Die gemeinsamen Verhandlungen in den konfessionellen Corpora und die personellen Verflechtungen dürften auch ein Grund dafür gewesen sein, dass sich über bestimmte Phasen der Friedensverhandlungen eine enge Kooperation zwischen Fürsten- und Städterat entwickelte.¹¹ Über die reichsstädtischen Gesandten ist bekannt, dass sie alle ein Studium absolviert hatten, die Hälfte von ihnen eine juristische Promotion vorweisen konnte und ein Drittel einen Adelstitel trug oder erwarb.¹² Sie verfügten über langjährige politische Erfahrung in städtischen Diensten und kannten die politischen Spielregeln des Verhandelns. Zu den wichtigsten zählten Dr. Marcus Otto¹³ für Straßburg, der Nürnberger Gesandte, Dr. Tobias Oelhafen von Schoellenbach und der Lübecker und hansische Syndikus, Dr. David Gloxin¹⁴ auf protestantischer Seite, auf katholischer Seite Dr. Johann Leuxelring, Gesandter der Stadt Augsburg. Insgesamt waren die Protestanten im Reichsstädterat in der Mehrheit. Über den Verhandlungsmodus lässt sich sagen, dass auch die Reichsstädte in zwei konfessionell unterschiedlichen Teilkurien tagten. In Osnabrück trat die protestantische Städtekurie unter dem Direktorium der Stadt Straßburg zusam-

 APW III A 6, S. XXXVI.  Ebd., S. XXXVII.  Ebd., S. XXXIX.  Langer, Friedensvorstellungen, S. 1067.  Livet, Markus Otto, S. 288 f.  Graßmann, David Gloxin, S. 286 f.

264

Siegrid Westphal

men, in Münster agierte ab Januar 1646 die katholische Städtekurie unter dem Direktorium der Stadt Köln, die allerdings aufgrund der geringen Anzahl katholischer Reichsstädte und nach dem Rückzug Kölns schon Mitte 1646 vermutlich nicht mehr regelmäßig tagte. Zumindest sind dafür keine Protokolle überliefert.¹⁵ Das Direktorium hatte die Sitzungsleitung inne und besaß das Recht der Proposition sowie der Zusammenfassung der Voten im Conclusum.¹⁶ Die Stimmabgabe innerhalb der Reichsstädtekurie erfolgte nach einer bestimmten Reihenfolge, wobei sich ein Vertreter der Rheinischen Bank und ein Vertreter der Schwäbischen Bank entsprechend der in den Bänken festgelegten Rangordnung abwechselten. Die ranghöheren Reichsstädte, die zuerst votierten, konnten die nachfolgenden beeinflussen. In der Tat schlossen sich diese häufig der Meinung ihrer Vorredner an. Das Direktorium war zudem für die Kommunikation mit dem kurmainzischen Reichsdirektorium zuständig, „das in der Regel die Beratungsthemen vorschrieb sowie die Gutachten und Conclusa der Kurien, wenn diese erbeten waren, entgegennahm“.¹⁷ Der Modus der Beratungen war denen auf Reichstagen zum Teil angeglichen, aber eben nicht identisch. So berieten die Kurien getrennt, jedoch simultan und traten dann zur Abstimmung ihrer Conclusa zu gemeinsamen Verhandlungen zusammen. Bei einer Einigung formulierte man ein gemeinsames Gutachten, gelang dies nicht, trat man wieder auseinander und versuchte sich zu verständigen. Hatte dies keinen Erfolg, dann wurden dem kurmainzischen Reichsdirektorium abweichende, aber gleichberechtigte Voten übermittelt. Die Forschung betont jedoch, dass die Reichsstädte einen Konflikt mit den beiden höheren Kurien zu vermeiden versuchten und sich deshalb eng an die fürstliche Kurie anlehnten. Im Übrigen war dies auch für die Zeit nach 1648 üblich, wo während der gesamten Dauer des Immerwährenden Reichstags die Reichsstädte nur zwei Mal vom Votum (1708, 1772) der höheren Kurien abwichen.¹⁸ Es handelt sich also insgesamt um ein sehr kompliziertes Abstimmungsverfahren, das aber offenbar zum Erfolg führte. Fragt man nach gemeinsamen Leitideen der Reichsstädte, dann dominierte vor allem die Einstellung, dass das Reich endlich wieder Frieden haben müsse.¹⁹ Stabilität, Sicherheit und Ordnung versprach man sich dabei nicht von einer Reform des Reiches, sondern von einer Rückkehr zur tradierten Reichsverfassung, worin man den besten Garanten der reichsstädtischen Freiheiten, Rechte und Privilegien sah. Sieben reichsstädtische Vertreter unterschrieben die Friedens    

APW III A 6, Anhang, S. 878‒880. Zur Arbeitsweise vgl. Buchstab, Reichsstädte, S. 88‒97. APW III A 6, S. XLII. Becker, Die Städtekurie, S. 156. Langer, Friedensvorstellungen, S. 1068.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

265

verträge, womit die Reichsstädte das erste Mal als völkerrechtliche Subjekte auftraten und den Frieden damit absicherten. Als zweites gemeinsames Interesse kann die Wiederherstellung des freien Commerciums und der Abbau kriegsbedingter Handelshindernisse wie verschiedener Zölle benannt werden, wobei die Reichsstädtekurie durchaus erfolgreich war (Artikel IX, § 1 und 2, IPO).²⁰ Auch der moderate Umgang mit kriegsbedingten Schulden gehörte zu ihren Anliegen. Als drittes gemeinsames Interesse gelten die religionsrechtlichen Bestimmungen. Hier gelang es den Reichsstädten, nicht nur das Normaljahr 1624 zugestanden zu bekommen, sondern auch das ius reformandi zu erhalten, wobei gemischtkonfessionelle Reichsstädte Sonderregelungen unterlagen. Als viertes gemeinsames Interesse sind die Bemühungen anzusehen, durch Entschädigungen den schnellen Abzug der Söldner herbeizuführen. Als die Friedensverhandlungen in der ersten Hälfte des Jahres 1648 davon abhingen, die Schweden mit einer angemessenen Militärsatisfaktion zufriedenzustellen, haben die Reichsstädte nicht nur ihre guten Kontakte zu den Schweden genutzt und durch hartnäckiges Verhandeln mit dazu beigetragen, eine Lösung zu erzielen, sondern sich auch dazu bereit erklärt, einen überproportionalen Beitrag (25 %) dazu zu leisten.²¹ Der Lohn dafür war letztlich die auf Druck der Schweden vorgenommene Verankerung des votum decisivum im Friedensvertrag.²²

3 Reichsstädtisches Argumentieren Als weiteres gemeinsames Anliegen kann letztlich auch die Aufrechterhaltung der Loyalität gegenüber dem Kaiser gesehen werden,²³ die sich vor allem in der Endphase der Friedensverhandlungen ab August 1648 zeigte und in der Forschung bisher nicht wahrgenommen wurde. Nachdem die Verhandlungen mit den Schweden über die Höhe der Militärsatisfaktion unter Beteiligung der Reichsstädte erfolgreich zu Ende geführt und auch andere Streitpunkte über die Reichsverfassung und das Reichsreligionsrecht beigelegt werden konnten,²⁴ wurde am 6. August 1648 in Osnabrück das schwedische Friedensinstrument (Instrumentum Pacis Osnabrugense, IPO) zwischen dem Kaiser, dem Reich und Schweden per Handschlag beschlossen. Die Erleichterung auf allen Seiten war groß, und vor allem die Gesandten des Reiches     

Langer, Friedensvorstellungen, S. 1070; Buchstab, Reichsstädte, S. 149‒170. Langer, Friedensvorstellungen, S. 1071; Buchstab, Reichsstädte, S. 170‒177. APW III A 6, S. XLIII. Schnettger, Kaiser, Reich und Reichsstadt. Buchstab, Reichsstädte, S. 170‒177.

266

Siegrid Westphal

hätten es gerne gesehen, wenn das Osnabrücker Friedensinstrument auch gleich in Osnabrück unterzeichnet worden wäre, aber zur Enttäuschung aller Anwesenden beharrten die schwedischen Gesandten darauf, es nicht ohne den Verbündeten Frankreich unterschreiben zu wollen, zumal noch offene Forderungen der Franzosen im Raum standen. Es kam in dieser Phase der Friedensverhandlungen nun darauf an, die letzten Punkte mit Frankreich zu verhandeln.²⁵ Seit den Novemberartikeln von 1647 hatten die kaiserlich-französischen Verhandlungen geruht.²⁶ Zwar hatte der französische Gesandte Servien durch Reisen nach Osnabrück versucht, Einfluss auf die dortigen Verhandlungen zu nehmen und die umstrittenen Punkte (Ausnahme Lothringens und des Burgundischen Kreises vom Frieden sowie kaiserliches Assistenzverbot für Spanien) zum Gegenstand der Verhandlungen in den Reichskurien zu machen, er war aber damit gescheitert. Nach Abschluss der Verhandlungen mit den Schweden in Osnabrück stellte sich nun die Frage, ob die finalen Verhandlungen mit Frankreich nicht auch in Osnabrück stattfinden sollten. Die friedenswilligen Reichsstände befürchteten den Widerstand der in Münster verbliebenen „Maximalisten“, der nicht kompromissbereiten katholischen Reichsstände, sowie der Vermittler (Republik Venedig und die Kurie). Die friedenswilligen Reichsstände wollten sich das Heft nicht mehr aus der Hand nehmen lassen. Von kaiserlicher Seite war man jedoch strikt gegen Verhandlungen mit Frankreich in Osnabrück, da es den Abmachungen des Hamburger Präliminarfriedens widersprach und zudem Spanien und die katholischen Reichsstände in Münster noch stärker ins Abseits geraten wären. Der kaiserliche Gesandte Volmar reiste deshalb unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen mit den Schweden nach Münster ab. Wie schwach die kaiserliche Position zu diesem Zeitpunkt bereits war, zeigt sich daran, dass fast keiner der in Osnabrück befindlichen, reichsständischen Gesandten ihm folgte. Vielmehr beschlossen diese am 10. August 1648, die letzten offenen Punkte mit Frankreich selbstständig in Osnabrück zu verhandeln, ohne auf die kaiserlichen Gesandten, die kompromisslosen katholischen Reichsstände oder die Mediatoren Rücksicht zu nehmen. Der Frieden wurde also in der Endphase des Kongresses ohne deren Beteiligung verhandelt. Am 11. August glichen die friedenswilligen Vertreter der Reichsstände und Servien das IPO vom 6. August 1648 mit dem letzten französischen Entwurf für ein Instrumentum Pacis Monasteriense (IPM) ab. Die strittigen Punkte wurden von Servien schriftlich festgehalten und dienten wiederum den Reichskurien für eine Reihe von anschließenden Beratungen.

 Dickmann, Der Westfälische Frieden; Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 86.  Vgl. zum Folgenden Westphal, Der Westfälische Frieden, S. 94 f.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

267

Aus Reichsperspektive ging es vor allem um die französische Territorialsatisfaktion, und zwar die Zessionsbestimmungen für die lothringischen Hochstifte, das Elsass und den Sundgau, die ohne Einbeziehung der Reichsstände verhandelt worden waren und zugunsten der dort begüterten Reichsstände, insbesondere der dort befindlichen Reichsstädte, modifiziert werden sollten. Aus französischer Sicht handelte es sich um drei Themen: Den Ausschluss des Burgundischen Kreises und des Herzogs von Lothringen aus dem Friedensvertrag sowie die sogenannte Assistenzfrage. Frankreich wünschte das Verbot für den Kaiser, die spanisch-habsburgische Linie in ihrem Krieg mit Frankreich weiterhin militärisch zu unterstützen. Es ging also um die Trennung des Bündnisses der beiden habsburgischen Linien. „Seit Beginn der Friedensverhandlungen hatte Frankreich den förmlichen Verzicht des Kaisers auf dieses Bündnis zu seiner Hauptbedingung gemacht.“²⁷ Die kaiserliche Partei wollte dies nicht zulassen und bestand darauf, die Assistenzfrage in Münster unter Zuhilfenahme der Mediatoren anzugehen, mit dem Ziel, auch einen spanisch-französischen Frieden schließen zu wollen. Da Frankreich die Haltung des Kaisers kannte, versuchte es, die Reichsstände vom Kaiser zu trennen und den Frieden nur mit diesen zu verhandeln. Die kaiserliche Seite sollte dann das Verhandlungsergebnis lediglich unterschreiben. Noch vor Beschluss des schwedischen Friedensinstruments begannen in Osnabrück unter den anwesenden Reichsständen die Diskussionen darüber, ob man dem bereits abgereisten kaiserlichen Gesandten Volmar nach Münster folgen oder mit dem französischen Gesandten Servien in Osnabrück weiter verhandeln sollte. Die Meinungen im Reichsstädterat gingen am 31. Juli 1648 durchaus dahin, Volmar – wie vom Kaiser mehrfach gewünscht – nach Münster zu folgen. Im Conclusum schloss man sich – sehr zur Enttäuschung der kaiserlichen Gesandten – aber den beiden höheren Ständen an, die für eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Servien in Osnabrück plädiert hatten. Zur Begründung heißt es, dass man sehr unter Druck stehe und danach trachten müsse, den mit den Schweden verglichenen Vertrag nicht zur Disposition zu stellen oder um auswärtiger Interessen willen – gemeint waren die spanischen Habsburger – den Frieden aufzuhalten.²⁸ Hier schlug sich die Sorge nieder, dass sowohl die Spanier als auch die in Münster verbliebenen katholischen „Maximalisten“ die Verhandlungserfolge mit den Schweden torpedieren könnten. Daher war man der Meinung, „es köndten die Frantzösische sachen alhie praeparatorie in deliberation genommen, der endtliche schluß aber (wann die herren Kayserlichen alhie

 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 480.  APW III A 6, Nr. 170: 148. Sitzung des Städterats, Osnabrück 1648 Juli 31 9 Uhr, S. 833.

268

Siegrid Westphal

nicht tractiren wollen) biß nach Münster verschoben werden“.²⁹ In Sorge davor, dass die kaiserliche Seite ihnen dieses verübeln könne, erklärte man, dass sich die Stände darin einig seien, alles dafür zu tun, um aus dem „grundtverderblichen Krieg“ herauszukommen.³⁰ Am 9. August, als Servien die Assistenzfrage und die Entschädigung im Elsass zur Sprache brachte, bereute es der Reichsstädterat bereits, in Osnabrück geblieben zu sein. Angesichts der auftretenden Differenzen wäre es besser gewesen, „wann man alßbalden nacher Münster sich erhoben hette“.³¹ Ähnlich äußerten sie sich einen Tag später gegenüber Servien und verwiesen darauf, dass sie die Punkte hinsichtlich der französischen Satisfaktion zwar zu Papier bringen könnten, die weiteren Verhandlungen darüber aber mit den Kaiserlichen in Münster zu erfolgen hätten.³² Sie selbst wollten ein Schreiben an den französischen König aufsetzen, um die Rechte der elsässischen Reichsstädte zu wahren. Alle folgenden Protokolle sind von der stereotypen Aussage geprägt, dass es besser sei, die noch offenen Fragen mit den kaiserlichen Gesandten in Münster zu klären. Ab dem 18. August wurde es für die Städte immer problematischer, ihre kaisertreue Haltung beizubehalten. Zwar hatte man sich der Mehrheit der Stände gebeugt und war in Osnabrück geblieben, als aber Servien auf der Behandlung der Assistenzfrage sowie des Ausschlusses des Burgundischen Kreises und des Herzogs von Lothringen aus dem Frieden beharrte, verwiesen die Reichsstädte darauf, dass es in erster Linie Aspekte seien, die den Kaiser beträfen. Der nürnbergische Gesandte brachte die Dinge auf den Punkt: Von reichsstädtischer Seite aus habe man überhaupt keinen Grund, „Ihre Majestät zu offendiren, … zumahl sie denselben in ihren juribus trefflich beygestanden und die stätt ihnen selbsten eine ohnaußlöschliche notam et maculam ingratitudinis solcher gestalt muriren würden“.³³ Zum Eklat kam es am 21. August, als Servien darauf insistierte, nicht nur alle offenen Punkte in Osnabrück zu klären, sondern den Kaiser mit Gewalt dazu zwingen wollte, die Friedensbedingungen anzunehmen. Wenn er dies nicht tun würde, dann sollte er den Krieg allein weiterführen. Es lief also alles auf die Isolation des Kaisers von den Reichsständen hinaus. Die Empörung in der Städtekurie war groß. Dass man den Kaiserlichen alle „conclusa und praecepta vorlegen und das jawortt mit den waffen erzwingen wolle, solches lauffe wider     

Ebd., S. 833. Ebd. APW III A 6, Nr. 173: 151. Sitzung des Städterats, Osnabrück 1648 August 9 9 Uhr, S. 839. APW III A 6, Nr. 174: 152. Sitzung des Städterats, Osnabrück 1648 August 10, S. 841. APW III A 6, Nr. 177: 155. Sitzung des Städterats, Osnabrück 1648 August 18 9 Uhr, S. 849 f.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

269

bißherige der stätt conclusa und vielfältige contestationes“.³⁴ Trotz der Drohungen von Servien und der höheren Stände, als Feinde des Reichs zu gelten, wenn man sich nicht deren Position anschließe, votierten die Reichsstädte dahin, sich zu keinen Extremitäten bereit zu finden und auf den vorigen conclusa zu beharren, „nemblich praeparatorie allein von dem puncto assistentiae alhie zur reden und den verbindtlichen schluß biß auff Münster zu versparen“.³⁵ Zwar wollte man mit Servien weiter über die Assistenz verhandeln, aber nur „vorbereittungsweise“ und im Rahmen der Wahlkapitulation sowie der Reichsabschiede. Wenn sich Servien nicht dazu bereitfinden würde, dann sollte ihm angedeutet werden, „daß man Ihrer Kayserlichen Majestät als dem oberhaubt, mit deme die stände albereit verglichen, wider die reichsverfaßungen nichts auffdringen könne, sondern es zur handlung mit den herren Kayserlichen nothwendig ankommen laßen müße“.³⁶ Die Protokolle der Reichsstädtekurie enden am 2. September und beginnen erst wieder am 17. Oktober 1648, so dass es eine entscheidende Lücke in der Überlieferung gibt. Aus den für diesen Zeitraum überlieferten Schreiben des kaiserlichen Gesandten Krane an den Kaiser geht jedoch hervor, dass Krane nicht nur die Reichsstädte immer wieder aufforderte, nach Münster zu reisen, sondern den straßburgischen und den nürnbergischen Gesandten mehrfach einbestellte und ins Gewissen redete.³⁷ Für den 4. September 1648 liegt sogar ein Protokoll vor. Laut diesem erklärte Krane in einer langen Rede, warum der Ausschluss des Kaisers aus den Verhandlungen für die Reichsstädte schädlich sei. Wenn man Servien entgegenkäme, dann würden sie mit Krieg überzogen, ihre Commercien gesperrt und sie um ihre Libertät und Freiheit gebracht werden. Die Reichsstädte hätten, so Krane, bisher so viele Vorteile erzielen können, dass es ihnen doch darum gehen müsse, diese zu bewahren. Sie sollten sich deshalb nicht von ihrer Position abbringen lassen. „Kay Mtt. würden mittl vnd glegenheit haben es ferners in gnaden zuerkennen, auch mächtig genug sein, Sie, wan sich an dieselbe auch halten würde, bey Jhrn privilegijs zu schützen.“³⁸ Die beiden reichsstädtischen Gesandten wiederholten, dass sie die große Gefahr sehen und deshalb schon längst gerne nach Münster gegangen wären. Zu ihrer Entschuldigung gaben sie vor, dass die Deputierten der Reichsstände, die zu den Verhandlungen mit Frankreich beauftragt worden waren, viel weiter gegangen seien als die Stände sie ermächtigt hätten. Es sei immer ihre Meinung gewesen, die französischen Punkte nur vorbereitungsweise und nicht obligatorisch zu verhandeln.     

APW III A 6, Nr. 178: 156. Sitzung des Städterats, Osnabrück 1648 August 21 10 Uhr, S. 854. Ebd., S. 855. Ebd. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten, 55b, September 1648, f. 33v. Ebd., f. 40r.

270

Siegrid Westphal

Hinter den Deputierten, die sich in dieser Phase immer wieder über die anderen Reichsstände hinwegsetzten, verbirgt sich die sogenannte Dritte Partei, eine überkonfessionell zusammengesetzte Gruppe von wenigen Reichsständen, die um jeden Preis den Frieden erzielen wollte. Seit Sommer 1647, als die kaiserliche Friedensproposition von Juli 1647 („Trauttmansdorffianum“) überparteiliche Ablehnung erfahren hatte und der kaiserliche Gesandte Graf Maximilian von Trauttmansdorff abgereist war, befand sich der Westfälische Friedenskongress in einer Krise und drohte sogar gänzlich zu scheitern. Die verhärteten Fronten brachen erst auf, als im November 1647 mit Johann Philipp von Schönborn (1605 – 1673), bis dato Fürstbischof von Würzburg, ein Fürst den Mainzer Erzstuhl bestieg, der nicht nur in konfessioneller Hinsicht kompromissbereit war, sondern auch die prokaiserlich-prospanische Position seines Vorgängers ablehnte und auf Forderungen Frankreichs und Schwedens einzugehen bereit war. In Kooperation mit dem bayerischen Kurfürsten Maximilian und führenden protestantischen reichsständischen Gesandtschaften – von denen insbesondere Sachsen-Altenburg und Braunschweig-Lüneburg zu nennen sind – sowie weiteren kompromissbereiten Reichsständen gelang es, die Friedensverhandlungen wieder in Gang zu bringen und maßgeblich voranzutreiben. Diese Form des interkonfessionellen Zusammenschlusses besaß keinerlei Vorbild in der Reichsverfassung und signalisierte dem Kaiser sowie den ausländischen Kronen, dass führende Stände des Reiches nicht mehr länger gewillt waren, den Frieden auf Kosten des Reiches hinauszuzögern. Oberstes Ziel war ein schneller Friedensschluss ohne weitere Vorbehalte, um das Reich zu erhalten und seine Einheit zu wahren. Insbesondere dem Kaiser wurde vorgeworfen, den Krieg lediglich im Interesse Spaniens weiterzuführen und den so dringend benötigten Frieden zu verzögern, bis die spanisch-französischen Streitfragen beigelegt worden seien. Die eigenständige, reichspatriotisch begründete Initiative, die einem Misstrauensvotum gegenüber dem Kaiser gleichkam, bildete in der Endphase der Friedensverhandlungen die entscheidende Kraft. Sie führte die Verhandlungen mit Servien und hätte es gerne gesehen, wenn auch das französische Friedensinstrument ohne Beteiligung der kaiserlichen Gesandten in Osnabrück unterschieben worden wäre und die kaiserlichen Gesandten durch ein Ultimatum zur Annahme gezwungen worden wären. Dies ging aber nicht nur den Reichsstädten, sondern auch dem schwedischen Gesandten Salvius zu weit.³⁹ „Er warnte, hohe Potentaten könnten eher Land und Leute als eine solche Behandlung verschmerzen, man müsse deshalb die Unterzeichnung der Verträge in Münster vornehmen.“⁴⁰ Damit

 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 486.  Ebd.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

271

schloss er sich der Meinung der Reichsstädte an, schließlich stimmten auch die anderen Reichsstände zu. Die Regelungen hinsichtlich der Assistenzfrage sollten nur wie ein Reichsbedenken behandelt werden.⁴¹ Auf diese Weise wurde ein ehrwahrender Weg für den Kaiser gefunden, dem verhandelten französischen Friedensinstrument zuzustimmen. Ab Mitte September reisten dann fast alle Gesandten von Osnabrück nach Münster, wo nach einigen turbulenten Verhandlungen mit den kaiserlichen Gesandten die beiden Friedensinstrumente am 24. Oktober 1648 von allen Parteien unterschrieben wurden.

4 Fazit In der letzten hoch dramatischen Verhandlungsphase vertrat die Reichsstädtekurie eine eigenständige politische Position, die von der der Fürsten abwich. Sie beharrte konsequent darauf, dass die Verhandlungen mit Frankreich lediglich vorbereitenden Charakter haben sollten, die Reichsstände schnellstmöglich nach Münster ziehen und der Frieden nicht ohne den Kaiser geschlossen werden sollte. Trotz der Geringschätzung des sozialen Status der Reichsstädte, die sich immer wieder in zeremoniellen Rangfragen niederschlug, konnten die Reichsstädte offenbar ihre Position zur Geltung bringen. Dies lag an ihrer wirtschaftlichen Bedeutung. Die Reichsstädtekurie hatte bei den Verhandlungen mit den Schweden über die Militärsatisfaktion eine zentrale Rolle gespielt und einen gewichtigen Teil der finanziellen Lasten übernommen. Deshalb konnte die reichsstädtische Position nicht einfach übergangen werden. Auch die Franzosen brauchten im Prinzip eine einheitliche Haltung aller Reichsstände, damit der Frieden in ihrem Sinne geschlossen werden konnte. Die Reichsstädtekurie stellte hier einen Störfaktor dar, da aufgrund ihres abweichenden Conclusums kein Reichsgutachten zustande kommen konnte. Nicht zuletzt deshalb gestand Servien in der letzten Verhandlungsphase zu, dass die Rechte der Reichsstadt Straßburg nicht von den Elsassregelungen betroffen sein sollten. Für die kaiserliche Partei bildete die Reichsstädtekurie in dieser schwierigen Phase fast den einzigen Rückhalt. Lediglich Kursachsen und Kurbrandenburg, also ausgerechnet zwei protestantische Kurfürsten, waren mit dem Ausschluss des Kaisers in der letzten Verhandlungsphase nicht einverstanden. Um die Unterstützung der Reichsstände nicht zu verlieren, brachten die kaiserlichen Gesandten die dem Kaiser geschuldete Loyalität ins Spiel. Sie versprachen dafür insbesondere den Reichsstädten, dass sich der Kaiser

 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten, 55b, September 1648, f. 68r.

272

Siegrid Westphal

ihnen gegenüber weiterhin erkenntlich zeigen werde, was die Reichsstädte letztlich auch in ihrer kaiserfreundlichen Haltung bestätigte. Zwei Aspekte bestimmten demnach die Argumentation der Reichsstädte auf dem Westfälischen Friedenskongress: Zum einen waren sie darum bemüht, sich durch die Beteiligung an den Friedensverhandlungen als gleichberechtigter Reichsstand zu erweisen und mit den höheren Reichsständen zu gemeinsamen Voten zu gelangen. Zum anderen besaß die Loyalität gegenüber dem Kaiser als Reichsoberhaupt für die Reichsstädte zentrale Bedeutung, war er doch Garant ihrer Reichsunmittelbarkeit. Gerieten diese beiden Eckpfeiler reichsstädtischen Selbstverständnisses in Konflikt miteinander, dann scheint die Loyalität gegenüber dem Kaiser das größere Gewicht besessen zu haben.

Quellen Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Konrad Repgen. Serie III: Protokolle, Verhandlungsakten, Diarien, Varia. Abt. A: Protokolle. Bd. 6: Die Beratungen der Städtekurie Osnabrück 1645‒1649. Bearb. von Günter Buchstab. Münster 1981. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 55b, Relationen von Mai bis September 1648. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 55c, Reskripte von Ferdinand III. aus Wien nach Osnabrück aus dem Jahr 1648. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichskanzlei, Friedensakten 58a, Relationen aus Münster aus dem Jahr 1648.

Literatur Becker, Hans-Jürgen: Die Städtekurie am Immerwährenden Reichstag zu Regensburg als Rechtsform, in: Andreas Otto Weber (Hrsg.), Städtische Normen – genormte Städte. Zur Planung und Regelhaftigkeit urbanen Lebens und regionaler Entwicklung zwischen Mittelalter und Neuzeit. Ostfildern 2009, S. 145‒161. Buchstab, Günter: Reichsstädte, Städtekurie und Westfälischer Friedenskongress. Zusammenhänge von Sozialstruktur, Rechtsstatus und Wirtschaftskraft. Münster 1976. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. 7. Auflage. Münster 1998. Duchhardt, Heinz/Dethlefs, Gerd/Queckenstedt, Hermann: „… zu einem stets währenden Gedächtnis“. Die Friedenssäle in Münster und Osnabrück und ihre Gesandtenporträts. Hrsg. von Karl Georg Kaster und Gerd Steinwascher. Bramsche 1996. Graßmann, Antjekathrin: David Gloxin, in: Duchhardt/Dethlefs/Queckenstedt, „… zu einem stets währenden Gedächtnis“, 1996 (siehe dort), S. 286 f. Kälble, Mathias/Wittmann, Helge (Hrsg.): Reichsstadt als Argument. Petersberg 2019.

Reichsstädtisches Agieren und Argumentieren bei den Verhandlungen

273

Krischer, André: Reichsstädte in der Fürstengesellschaft. Politischer Zeichengebrauch in der Frühen Neuzeit. Darmstadt 2006. Langer, Herbert: Friedensvorstellungen der Städtegesandten auf dem Westfälischen Friedenskongress (1644‒1648), in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 35 (1987), S. 1060‒1072. Livet, Doyen George: Markus Otto, in: Duchhardt/Dethlefs/Queckenstedt, „… zu einem stets währenden Gedächtnis“, 1996 (siehe dort), S. 288 f. Schnettger, Matthias: Kaiser, Reich und Reichsstadt – Eine Rückschau, in: Thomas Lau/Helge Wittmann (Hrsg.), Kaiser, Reich und Reichsstadt in der Interaktion. Petersberg 2016, S. 307‒314. Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015.

Guido Braun

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik im späten 17. Jahrhundert 1 Problemaufriss, Forschungsstand und Quellenlage Die „Dritte Partei“ bildete – wie Belege aus den Acta Pacis Westphalicae digital ¹ und den beiden jüngeren, 2010 beziehungsweise 2011 erschienenen, nicht digitalisierten Bänden französischer Korrespondenzen² zeigen – bereits in der französischen Politik beim Westfälischen Friedenskongress einen viel beachteten Einflussfaktor.³ Als ein Leitmotiv französischer Außen- und Reichspolitik lassen sich Erwägungen zur Konstituierung einer „Dritten Partei“ – unter besonderen, von der Wahrung französischer Interessen dominierten Vorzeichen – nicht nur im Kontext des Rheinbundes von 1658 ausmachen, sondern weit darüber hinaus bis ins ausgehende 17., ja sogar bis ins 18. Jahrhundert hinein. Entsprechende Konzeptionen sind in den Akten des französischen Außenministeriums noch in den späten 1760er Jahren und zu Beginn der 1770er nachweisbar,⁴ obwohl das

 Acta Pacis Westphalicae (APW) digital. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/ (OnlineErstveröffentlichung 2014; zuletzt eingesehen am 28.09. 2020); Begriffe wie „tiers parti“, „tiers party“ und weitere orthographische bzw. sprachliche Varianten sind über die Suchfunktion zu ermitteln. Allerdings führt eine solche rein schematische Suche nicht zu allen inhaltlich relevanten Stellen.  Acta Pacis Westphalicae (APW). Serie II. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647– 1648. Bearb. von Christiane Neerfeld unter Mithilfe von Rita Bohlen und Michael Rohrschneider, 2010; Bd. 8: 1648 Februar – Mai. Bearb. von Peter Arnold Heuser unter Mithilfe von Rita Bohlen, 2011; Begriffe der politischen Verkehrssprache werden jeweils im Register ausgewiesen.  Zum Westfälischen Friedenskongress vgl. u. a. Dickmann: Der Westfälische Frieden, 7. Aufl. 1998 (1. Aufl. 1959); Schmidt-Voges/Westphal/Arnke/Bartke (Hrsg.), Pax perpetua; Kampmann/Lanzinner/Braun/Rohrschneider (Hrsg.), L’art de la paix; Westphal, Der Westfälische Frieden.  Solche Pläne zur (Re‐)Konstituierung eines „Tiers parti“ werden u. a. in den edierten Hauptinstruktionstexten für die französischen Gesandten am Immerwährenden Reichstag aus den Beständen des Archivs des Außenministeriums ventiliert, vgl. Auerbach (Hrsg.), Recueil des instructions, Bd. XVIII. Vgl. namentlich die Instruktion für Louis-Gabriel Du Buats Mission 1763 – 1772, die der Gesandte mit Billigung des Ministeriums selbst verfasste, und die ebenfalls von diesem nach dem Scheitern seiner Pläne zur Politik gegenüber den Reichsständen verfasste Instruktion für seinen Nachfolger Henri François, comte de Bulkeley 1772– 1774, ebd., S. 261– 343. https://doi.org/10.1515/9783110703795-015

276

Guido Braun

Scheitern des wittelsbachischen Kaisertums Karls VII. (1697– 1745) zwischen 1742 und 1745 die Bildung einer als Gegenpol zu Habsburg konzipierten Dritten Partei im Reich als nicht realisierbar erwiesen hatte. Dies führte auch zu Zweifeln daran, ob der Aufstieg Preußens im französischen Interesse liege, die letztlich mit zum Renversement des alliances von 1756 beitrugen. Der Gegensatz zu Habsburg, der die Matrix für die Konzepte zur Bildung einer „Dritten Partei“ seit dem 17. Jahrhundert darstellte, war dadurch jedoch im politischen Denken der führenden Akteure am französischen Hof noch keineswegs grundsätzlich überwunden,⁵ und so wurden entsprechende Ansätze zur Konstituierung einer Habsburg eindämmenden „Dritten Partei“ in den außenpolitischen Konzeptionen nicht gänzlich ad acta gelegt. Der vorliegende Beitrag fokussiert die Periode vom Holländischen Krieg bis zum Pfälzischen Krieg, in der die „Dritte Partei“ konzeptionell eine besonders zentrale Rolle in den französischen Außenbeziehungen gegenüber dem Reich spielte.⁶ Dabei stehen insbesondere die Anfangsjahre des Holländischen Krieges im Zentrum, in denen Frankreich mithilfe der Konstituierung eines neuen Rheinbundes⁷ den niederländischen Kriegsschauplatz vom Konfliktraum „Reich“ zu trennen versuchte und eine gütliche Beilegung der Streitpunkte allein im Hinblick auf das Reich unter Ausschluss der Niederlande anstrebte.⁸ Diese französischen Bestrebungen konkurrierten jedoch mit reichsständischen Mediationsund Garantieprojekten, die eher mit dem „klassischen“ Konzept einer Dritten Partei mit den abgestuften Verfahren von Mediation und militärischer Intervention zugunsten der friedensbereiten Macht beziehungsweise Mächtegruppierung übereinstimmten. Im Pfälzischen Krieg erwiesen sich dann Überlegungen zu einer Dritten Partei im norddeutschen Raum für die französische Politik als zentral.⁹ In allen Fällen standen diese Konzeptionen jedoch unter dem Leitgedanken einer von den französischen Interessen geleiteten Parteibildung.

 Zum Verhältnis zwischen Frankreich und dem Reich zwischen 1648 und 1789 vgl. überblicksweise Auerbach, La France; Braun, Hegemonie; ders., Du Roi-Soleil aux Lumières (aktual. franz. Ausg.). Zur französischen Reichspolitik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vgl. Buddruss, Die französische Deutschlandpolitik.  Zu diesem Zeitabschnitt vgl. Auerbach, La France; Braun, Hegemonie; Malettke, Les relations; ders.: Hegemonie.  Zum hierfür als Modell dienenden ersten Rheinbund vgl. die klassische verfassungsgeschichtliche Studie von Schnur, Der Rheinbund.  Vgl. hierzu die grundlegende Studie von Decker, Frankreich und die Reichsstände.  Die Bedeutung dieser Konzeptionen und entsprechender Verhandlungen hat erstmals systematisch untersucht Fayard, Les tentatives de constitution.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

277

Die französischen Bemühungen um eine Dritte Partei im Holländischen Krieg wurden von der Forschung unter anderem von Klaus-Peter Decker in seiner 1981 publizierten Monographie Frankreich und die Reichsstände 1672 – 1675. Die Anfänge zur Bildung einer Dritten Partei in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges untersucht;¹⁰ aufgrund der Koinzidenz mit Leibniz’ Ägyptischem Plan und Sekuritätsgutachten wurden sie aber auch in der älteren und jüngeren LeibnizForschung behandelt, die hierzu weitere Quellen erschlossen und zum Teil editorisch aufbereitet hat.¹¹ In der französischen Forschung erlebten einschlägige Quellenpublikationen und Forschungen vor allem im Zuge der Edition der französischen Hauptinstruktionen für die Gesandten im Reich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beachtlichen Auftrieb – erinnert sei insbesondere an Georges Livets mustergültige Editionen und Forschungen zu den Instruktionen für die französischen Gesandten bei Kurmainz und an den beiden anderen geistlichkurfürstlichen Höfen.¹² Alexander Koller widmet den pfalz-neuburgischen Vermittlungsbemühungen im Vor- und Umfeld des Friedens von Vossem, der am 6. Juni 1673 als Separatfrieden zwischen dem König von Frankreich und dem Kurfürsten von Brandenburg die kurbrandenburgische Unterstützung für die Vereinigten Provinzen der Niederlande im Holländischen Krieg beendet hatte, seine 1995 erschienene Dissertationsschrift.¹³ Französische Versuche zur Konstituierung einer Dritten Partei im norddeutschen Raum zwischen 1690 und 1694 wurden (ebenfalls in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) von Janine Fayard in einer Thèse de l’École des chartes sowie begleitenden Publikationen behandelt, namentlich einem vielbeachteten Aufsatz in der Revue d’histoire diplomatique von 1965.¹⁴ Im Hinblick auf das französische Verhältnis zu den norddeutschen Reichsständen wird der Themenkomplex „Dritte Partei“ in der Dissertation Indravati Félicités über Das Königreich Frankreich und die norddeutschen Hansestädte und

 Decker, Frankreich und die Reichsstände.  Aus der jüngeren Forschung vgl. (jeweils mit Nachweisen aus der älteren Literatur) u. a. Buchenau, Leibniz; Braun, Frieden und Gleichgewicht. Zu „Pläne[n] und Schriften Leibnizens zur Neuordnung und Sicherung des Reiches am Vorabend des französisch-holländischen Krieges“ vgl. aus der älteren Forschung v. a. Wiedeburg, Der junge Leibniz, Teil I (Darstellungsband und Anmerkungsband), hier Darstellungsband, S. 123 – 188, dazu im Anmerkungsband S. 153– 189 (Fußnoten 312– 430). Zur Ausgabe seiner Schriften und Korrespondenzen vgl. Leibniz-Edition. Die Akademie-Ausgabe. URL: https://leibnizedition.de/ (28.09. 2020).  Livet (Hrsg.), Recueil des instructions, Bd. XXVIII, Teilbd. I – III. Zu den Beziehungen Frankreichs zu den geistlichen Kurfürstentümern nunmehr die bedeutende Studie von Haug, Ungleiche Außenbeziehungen.  Koller, Die Vermittlung des Friedens.  Fayard, Les tentatives de constitution.

278

Guido Braun

Herzogtümer (1650 – 1730). Diplomatie zwischen ungleichen Partnern behandelt, deren deutsche Übersetzung 2017 erschien.¹⁵ Die Studie belegt die Persistenz französischer Bemühungen um eine „Dritte Partei“ um 1700 sowie im frühen 18. Jahrhundert. Auf diese Bestrebungen wird auch der Ausbau des diplomatischen Netzes Frankreichs in Norddeutschland zurückgeführt.¹⁶ In jüngster Zeit werden die diplomatischen Aktivitäten mit dem Ziel der Bildung einer Dritten Partei in Norddeutschland darüber hinaus in einer bei Éric Schnakenbourg in Nantes entstehenden Dissertation von Émilien Schirm mit dem Arbeitstitel Les relations entre la France et le Hanovre (1687 – 1760) untersucht;¹⁷ Veröffentlichungen erster Ergebnisse (in Form von Vorträgen oder Aufsätzen) liegen allerdings noch nicht vor. Gleichwohl dokumentiert dieses Dissertationsprojekt das ungebrochene Interesse der französischen Forschung an den Außenbeziehungen Frankreichs zum Reich beziehungsweise zu einzelnen Reichsständen und an der Rolle, die Überlegungen zu einer Dritten Partei dabei jeweils zukam.

2 Die französischen Bemühungen um die „Dritte Partei“ zu Beginn des Holländischen Krieges in Konkurrenz zu reichsständischen Konzeptionen einer neutralen Parteibildung Dem französischen Prinzipalminister Kardinal Jules Mazarin (1602– 1661) war es 1658 gelungen, habsburgkritische beziehungsweise ihre Sicherheit nicht allein durch den Kaiser gewährleistet sehende Fürsten in einer Dritten Partei zu sammeln, derer sich der Kardinal maßvoll zu eigenen politischen Zwecken zu bedienen wusste.¹⁸ Seit 1665 stellte sich jedoch heraus, dass Ludwig XIV. (1638 – 1715) diesem Instrument der französischen Reichspolitik nicht denselben Nutzen abzugewinnen vermochte wie ehemals sein Prinzipalminister. Der französische König nahm auf die Interessen und die Befindlichkeiten der Reichsstände wenig

 Félicité, Das Königreich Frankreich; die Dissertation erschien ursprünglich auf Französisch: dies., Négocier pour exister.  Ebd., S. 379.  Vgl. die Projektskizze unter: URL: https://histoire.univ-nantes.fr/navigation/emilien-schirm2372559.kjsp (21.09. 2020). Ursprünglicher Arbeitstitel: „Les relations entre la France et le Hanovre du XVIIe au XVIIIe siècle“; URL: http://www.theses.fr/s216757 (21.09. 2020).  So bereits Braun, Hegemonie, auch für das Folgende.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

279

Rücksicht, wenn es um die Ausdehnung seines Territoriums und die gloire seiner Herrschaft ging.¹⁹ Schon 1668 schätzte der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von Schönborn (1605 – 1673), den Kaiser als Schutzherrn mehr als Ludwig XIV., der den Ständen gefährlich zu werden drohte.²⁰ Diese Einschätzung erwies sich mit dem 1672 von Ludwig XIV. begonnenen Holländischen Krieg ganz offensichtlich als begründet.²¹ Der französische König schaffte dadurch nicht nur von neuem Unruhe im Grenzraum zu Deutschland, sondern dieser Krieg betraf die Reichsstände unmittelbar. Gleichwohl konnte Ludwig XIV. in den ersten Jahren des Holländischen Krieges von bündnispolitisch günstigen Voraussetzungen im Reich ausgehen.²² Zudem verstand sich Kaiser Leopold I. (1640 – 1705) 1671 zu einem Neutralitätsvertrag mit Ludwig XIV. Der Marienburger Allianz, die sich in der Tradition der reichsständischen Assoziationen gebildet hatte und den Kaiser einschloss (eigentlich ein Geflecht unterschiedlicher Vertragsverhältnisse), war daher kaum Erfolg beschieden. Ludwig XIV. beabsichtigte, den Holländischen Krieg auf einen lokalen Konflikt zwischen zwei Kriegsparteien zu begrenzen, und entsandte daher seinen Diplomaten Philippe de Courcillon, marquis de Dangeau (1638 – 1720) zum Kurfürsten von Mainz, um einen neuen Rheinbund abzuschließen.²³ Der Mainzer Kurfürst sollte nach den französischen Plänen auch Kurpfalz und Kurtrier dazu bewegen, eine Schutzbarriere entlang des Rheins zu bilden, um so den kurbrandenburgischen Truppen den Weg in die Niederlande zu versperren. Ludwig XIV. argumentierte, dass er in diesem Falle keinen Grund habe, selbst militärisch in dieser Region zu intervenieren.²⁴ Doch der Vertrauensverlust, der die Beziehungen zwischen Ludwig XIV. und den Reichsständen seit dem französischspanischen Devolutionskrieg 1667/68 belastete, ließ dieses neuerliche Rheinbund-Projekt am Ende ebenso scheitern wie den im Folgenden näher zu betrachtenden, alternativen französischen Plan der Konstituierung einer Dritten Partei im Reich mit deutlich profranzösischer Tendenz.

 Zur Herrschaftsideologie und Politik Ludwigs XIV. die grundlegende Untersuchung von Cornette, Le Roi de guerre.  Nach Badalo-Dulong, Trente ans de diplomatie, S. 139.  Zum weitgehenden Scheitern der Konzeptionen Ludwigs XIV. für den Holländischen Krieg vgl. Ekberg, The Failure.  Zur französischen Politik am Beginn des Holländischen Krieges vgl. die grundlegende Studie von Sonnino, Louis XIV.  Vgl. hierzu die Instruktion des französischen Gesandten Dangeau bei Livet (Hrsg.), Recueil des instructions, Bd. XXVIII, Teilbd. I, bes. S. 60.  Vgl. ebd.

280

Guido Braun

Die 1978 angenommene, 1981 erschienene Mainzer Dissertation von Klaus Peter Decker, die als Beitrag zur Friedens- und Sicherheitsproblematik auf Anregung des exzellenten Richelieu-Kenners Hermann Weber entstand,²⁵ bildet weiterhin die zentrale Forschungsgrundlage zur Beschäftigung mit den französischen Außenbeziehungen im Hinblick auf das Reich während des Holländischen Krieges.²⁶ Decker zeigt insbesondere, wie die rücksichtslose Kriegführung durch den (bis 1677 unter der Ägide seines Vaters amtierenden) Kriegsminister Ludwigs XIV., Michel Le Tellier, marquis de Louvois (1641– 1691), immer wieder die Glaubwürdigkeit der französischen Vorschläge für die Bildung einer friedensorientierten Partei im Reich konterkarierte.²⁷ Allzu offensichtlich war die Zielsetzung des französischen Königs, die damit angestrebte Neutralisierung für eine größere französische Handlungsfreiheit auf dem niederländischen Kriegsschauplatz zu nutzen beziehungsweise die mit Frankreich in Offensivbündnissen verbundenen Territorien Kurkölns und des Hochstifts Münster abzuschirmen.²⁸ Insofern lagen konkurrierende kurmainzische und pfalz-neuburgische Konzeptionen, die über bloße Mediationsansätze hinausgingen und sich durch die ihnen zugrundeliegenden Garantievorstellungen eventuell gegen Frankreich zu richten drohten, keineswegs in französischem Interesse. Auch im Hinblick auf die Mediation wurden universale Vorstellungen, die auf eine allgemeine Konfliktlösung abzielten, zurückgewiesen. Ludwig XIV. wollte reichsständische Vermittlungsbemühungen auf das Reichsterritorium beschränkt wissen und die Regelung der niederländischen Fragen davon abkoppeln. Lediglich eine Rückgabe der französisch besetzten Festungen am Niederrhein war als Konzession denkbar. Dabei folgte die französische Diplomatie militärischen Zwängen. Schon allein dadurch kompromittierte Ludwig XIV. gegenüber den Reichsfürsten seine diplomatischen Aktivitäten, denen selbst die Sympathisanten Frankreichs unter den Reichsständen reserviert gegenüberstanden. Lediglich Bayern und Hannover verstanden sich zu geheimen Abmachungen mit Frankreich unter Wahrung weitgehender eigener Handlungsfreiheit.²⁹

 Unter den zahlreichen Publikationen Webers zu Richelieu und zu Frankreichs Beziehungen zum Reich im 17. Jahrhundert vgl. u. a. Weber, Frankreich, Kurtrier, der Rhein; ders., Richelieu und das Reich; zu Richelieu und seiner Reichspolitik jetzt Malettke, Richelieu.  Decker, Frankreich und die Reichsstände.  Louvois zeichnete noch im Pfälzischen Krieg für die Politik der verbrannten Erde verantwortlich, die verheerende Auswirkungen auf das Ansehen Frankreichs im Reich und in Europa hatte, vgl. etwa Raumer, Die Zerstörung der Pfalz; Weber, La stratégie.  Zu Frankreich und Kurköln Haug, Ungleiche Außenbeziehungen.  Vgl. hierzu wie zum Folgenden Decker, Frankreich und die Reichsstände; ferner die Darstellung der einschlägigen Verhandlungen bei Malettke, La France.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

281

Ziel der französischen Parteibildungs-Offerten war, „eine möglichst leicht zu steuernde Klientel“ zu bilden, „die einheitliche Beschlüsse im Reich verhindern konnte“.³⁰ Aber nicht allein die Versuche zu einer profranzösischen Parteibildung waren zum Scheitern verurteilt. Sie führten auch nicht zur intendierten Isolierung der Niederlande, weil Ludwig XIV. die Sicherheit der Stände nicht hinreichend in seine Konzeptionen einbezog und daher keine Interessenkonvergenz hergestellt werden konnte. Ebenso wenig war den Parteibildungsplänen reichsständischer Provenienz letztlich Erfolg beschieden, die von einer auf Neutralität bedachten Position her initiiert worden waren. Allerdings gelang es aufgrund der verschiedenen Initiativen, „eine Art Schwebezustand aufrecht zu halten, so daß der Bruch noch reparabel erschien und die Mediation von Reichs wegen im Gespräch blieb“.³¹ Insoweit ist dem von Decker selbst postulierten Scheitern des Mainzer Konzepts für eine allgemeine Vermittlung „auf der ganzen Linie“ zu widersprechen,³² denn die bloße Existenz reichsständischer Pläne blieb politisch keineswegs folgenlos: Für Ludwig XIV. bildeten sie empfindliche Störfaktoren. Dabei waren die Hauptinitiativen durch unterschiedliche Ansätze gekennzeichnet, die bereits in Deckers Studie deutlich zutage treten. Seinen Untersuchungen zufolge zeigten sich die Reichsstände besonders daran interessiert, auf dem Wege eines solchen Zusammenschlusses mit Frankreich die Friedensvermittlung beeinflussen zu können. Im Hinblick auf diesen Aspekt der Mediation unterscheidet Decker erstens die namentlich von Johann Philipp von Mainz vertretene Konzeption einer allgemeinen Vermittlung, die sich auf sämtliche zwischen Frankreich und dem Reich schwebenden Streitpunkte erstrecken sollte. Diesem Ansatz stellt Decker zweitens die neuburgische Konzeption einer Kooperation mit Schweden als Vermittler entgegen, die in den Überlegungen zur konkreten Umsetzung auf einer größeren Flexibilität basiert habe. Drittens ist schließlich das Allianzprojekt des französischen Gesandten am Immerwährenden Reichstag Robert de Gravel († 1684) zu nennen, der in Regensburg ein von ihm selbst entworfenes Bündnisprojekt vorlegte, das sich von einem zeitgleich aus Paris übersandten Entwurf nur unwesentlich unterschied. Im Wesentlichen lief dieses Projekt auf einen unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Situation und Bedürfnisse adaptierten Rheinbundplan hinaus. Gravel versuchte darin einerseits, die Reichsstände einzubinden, andererseits zielte sein Plan jedoch darauf, deren Partizipation an der Vermittlung auf die im Interesse Frankreichs liegenden Aspekte zu beschränken. Zentral war für die französische Politik jedoch

 Decker, Frankreich und die Reichsstände, S. 151.  Ebd.  Ebd., S. 132.

282

Guido Braun

ohnehin nicht diese politische Zusammenarbeit im Rahmen des Bündnisprojekts, sondern die erhoffte Einschränkung der Kriegsführung des Kaisers, dem dadurch militärische Ressourcen im Reich entzogen und Kommunikationswege verlegt werden sollten.³³ Doch eine dauerhafte Entschärfung des Konfliktpotentials gelang all diesen sehr unterschiedlichen Bemühungen um die Bildung einer dritten Partei nicht. Nachdem das Reich 1674 faktisch in den Krieg gegen Frankreich eingetreten war,³⁴ avancierte das Rheinland von der Peripherie der militärischen Operationen zum eigentlichen Kriegsschauplatz. Die unmittelbar nach dem Friedensschluss von Nimwegen einsetzenden Reunionen und die mit militärischen Mitteln vorgetragenen französischen Rechtsansprüche auf das pfälzische Erbe müssen nach Klaus Malettke vor diesem Erfahrungshintergrund der strategisch zentralen Position des Rheinlandes im Kampf gegen Habsburg gesehen werden.³⁵ Nicht nur im Reich, sondern auch in Europa büßte Ludwig XIV. jedoch gerade durch dieses Ausgreifen auf deutsches Territorium seinen Kredit als Friedensgarant weiter ein. Mehr noch: Der politische Leitbegriff der „Universalmonarchie“, dessen sich die französische Diplomatie und Propaganda jahrzehntelang erfolgreich gegen Habsburg bedient hatte,³⁶ kehrte sich nun gegen den französischen König um. Sowohl außenpolitisch – Ludwig XIV. sah sich schließlich mit einer großen europäischen Koalition konfrontiert – als auch durch die innere Opposition geriet Frankreich im Holländischen Krieg (1672– 1678) unter starken Druck. In der Frage, ob es in diesem Krieg 1674 zu einer förmlichen Reichskriegserklärung an Ludwig XIV. kam, ist sich die Forschung nicht einig.³⁷ Gleichwohl sah ein französischer Publizist 1675 in den Reichstagsbeschlüssen geradezu eine Pervertierung der Regensburger Versammlung von einer Bastion reichsständischer Libertät zu einem Instrument habsburgisch-monarchischer Machtpolitik, durch das die Stände gezwungen würden, sich an einem bellum iniustum zu beteiligen.³⁸ Das war französische Propaganda. Nicht zu Unrecht gilt der Holländische Krieg jedoch als erster Reichskrieg seit dem Westfälischen Frieden.³⁹ Sinnfällig demon-

 Ebd., S. 152.  Vgl. Kampmann, Reichstag und Reichskriegserklärung.  Malettke, La France, S. 196.  Vgl. Bosbach, Monarchia Universalis.  In dieser Frage maßgebend Kampmann, Reichstag und Reichskriegserklärung.  Diese propagandistische Einfärbung findet sich in dem wahrscheinlich von Antoine Bruneau, einem aus Chevreuse gebürtigen Juristen (1640 – 1720), stammenden Estat Present Des Affaires D’Allemagne (Köln, Samvel Stravsbarck, 1675); zu Werk und Autor vgl. Braun, La Connaissance.  Verbunden insbesondere mit der Ausweisung des französischen Gesandten in Regensburg, Robert der Gravel, aus dem Reich; vgl. Kampmann, Information.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

283

striert dieser Reichskrieg das Scheitern der französischen Pläne zur „Dritten Partei“.

3 Französische Konzeptionen zur Bildung einer „Dritten Partei“ im Pfälzischen Krieg Im Pfälzischen Krieg (1688 – 1697) sah sich Ludwig XIV. von 1689 an einer großen europäischen Koalition gegenüber: Am 12. Mai verbanden sich die Generalstaaten mit dem Kaiser; am 3. Juni trat Viktor Amadeus von Savoyen (1666 – 1732) ihrer Allianz bei; im Dezember schloss sich England definitiv dem Bündnis an. Die Beziehungen Frankreichs zu Schweden gestalteten sich schwierig, seit die Metzer Reunionskammer Zweibrücken, das Stammland des schwedischen Königs Karl XI. (1655 – 1697), zu einem Lehen des Fürstbistums Metz erklärt hatte.⁴⁰ Seit dem Beitritt Wilhelms III. von England (1650 – 1702) zum kaiserlichen Lager bildete das kaiserlich-englische Bündnis bis 1756 (wenn auch nicht ununterbrochen) einen Pol, um den sich die Gegner Frankreichs sammeln konnten.⁴¹ Der Plan Ludwigs, eine Art Blitzkrieg zu führen, um einen lang andauernden Waffengang zu vermeiden, scheiterte. Im Gegenteil konnte Wilhelm III., stadhouder der Vereinigten Provinzen und seit der Glorious Revolution 1688 König von England, eine Koalition schmieden, die – abgesehen von einigen neutralen Akteuren wie Dänemark, der Schweizer Eidgenossenschaft und Portugal – fast alle europäischen Staaten gegen Ludwigs Forderungen auf den Plan brachte. 1688/89 war Frankreich jedoch keineswegs auf einen langen und erschöpfenden Krieg gegen eine europäische Koalition vorbereitet. In der französischen Geschichtsschreibung gab die – wahrscheinlich niemals voll in Kraft getretene – Augsburger Allianz von 1686, eine Assoziation des Kaisers mit mehreren Reichskreisen (Bayern, Franken, Oberrhein, Burgund mit Spanien), einigen Ständen und Schweden, dem Krieg seinen Namen. Der Ansatz zu dieser Allianzbildung zeigte bereits, dass Ludwig XIV. unter den Reichsständen schon am Vorabend der militärischen Konfrontation kaum noch eine Klientel besaß. Dies belegt sehr deutlich das erneute Scheitern eines französischen Versuches zur Konstituierung einer Dritten Partei.

 Zu den Beziehungen zwischen dem Reich und Frankreich in diesem Zeitraum Auerbach, La France; Malettke, La France; Braun, Hegemonie; unter Einbeziehung der europäischen Verflechtungen Malettke, Hegemonie.  So bereits Braun, Hegemonie, auch für das Folgende.

284

Guido Braun

Die von Kriegsminister Louvois angeordnete Politik der verbrannten Erde, die vor allem zur Verwüstung der Pfalz führte, zeitigte nachhaltige Konsequenzen für das deutsche Frankreichbild. Kurt von Raumer bezeichnet sie „als eine der bedrückendsten Niederungen in der Geschichte Frankreichs und Europas“.⁴² In der zeitgenössischen deutschen Publizistik führte sie zur Perhorreszierung der kriegführenden Generäle des französischen Königs und Ludwigs XIV. selbst, der nun endgültig vom „Protector libertatis Germaniae“ zum „Hostis imperii“ wurde.⁴³ Darüber hinaus wurde diese Politik der verbrannten Erde zu einem konstitutiven Element der Gallophobie.⁴⁴ In Bezug auf die Reichsstände hoffte Außenstaatssekretär Charles Colbert de Croissy (1629 – 1696) 1689 immerhin auf die Bildung einer neutralen Partei; mehr schien aufgrund des Misstrauens der Stände gegen Ludwig XIV. ohnedies nicht durchsetzbar.⁴⁵ Die intensive französische diplomatische Aktivität der Jahre 1688/ 89 bis 1692/93 basierte auf der Leitvorstellung der Konstituierung einer solchen Dritten Partei vor allem mit dem Ziel, eine einheitliche Positionierung des Reiches gegen Frankreich zu verhindern. Am 27. November 1689 wurde angeordnet, Karl XI. von Schweden ein Bündnisangebot auf der Grundlage des Allianzvertrages vom 14. April 1672 zu unterbreiten; in dieser Hinsicht schloss Frankreich also unmittelbar an die eigene (oben behandelte) Bündnispolitik während des Holländischen Krieges an. Als realistischeres Ziel wurde jedoch formuliert, Karl XI. zur Neutralität zu verpflichten und von der militärischen Unterstützung der französischen Kriegsgegner abzuhalten.⁴⁶ Dieses Ziel, nicht aber die Allianz konnte erreicht werden. Die Interessenkonvergenz zwischen Schweden und Braunschweig-Lüneburg in der Friedensfrage erlaubte es Croissy darüber hinaus, die Bildung einer armierten neutralen Partei im Norden des Reiches ins Auge zu fassen, die sich um die schwedischen und hannoverischen Besitzungen im Niedersächsischen Reichskreis kristallisieren sollte.⁴⁷ Auf diesem Wege hoffte die französische Diplomatie wieder mit Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1629 –  Raumer, Die Zerstörung der Pfalz, S. 197.  Vgl. die grundlegende Studie von Wrede, Das Reich und seine Feinde.  Zur Gallophobie im Reich des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Häseler/Meier (Hrsg.), Gallophobie im 18. Jahrhundert. Aufgrund der Vielschichtigkeit des deutsch-französischen Verhältnisses in diesem Zeitalter erweist sich insgesamt betrachtet der Begriff „Gallotropismus“ als passender, vgl. Adam/Mondot (Hrsg.), Gallotropismus, 3 Bde. Zum gerade in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geprägten Erbfeind-Begriff, der sich allerdings noch sehr deutlich von den Konnotationen des 19. Jahrhunderts abhob, vgl. Bosbach, Der französische Erbfeind.  So Fayard, Les tentatives de constitution, S. 338 f.  Ebd., S. 340 f.  Ebd., S. 342 f.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

285

1698) anknüpfen zu können,⁴⁸ mit dem Ludwig XIV. durch seinen Gesandten Gourville⁴⁹ am 1. November 1687 einen auf acht Jahre befristeten Subsidienvertrag abgeschlossen hatte. Dessen Exekution war jedoch durch den Ausbruch des Krieges zwischen dem König und dem Kaiser verhindert worden.⁵⁰ Für Ernst August waren diese Verhandlungen allerdings auch ein rein taktisches Druckmittel, um den Kaiser dazu zu bewegen, ihm die Kurfürstenwürde zu verleihen.⁵¹ Ludwig XIV. hatte dem Herzog seinerseits bereits zweimal vertraglich seine Unterstützung für den Erwerb des Kurfürstentitels zugesichert, zunächst während des Holländischen Krieges am 10. Dezember 1672 in einem Abkommen, das Louis Verjus, comte de Crécy (1629 – 1709) ausgehandelt hatte, wobei diese Zusicherung jedoch mit erheblichen Einschränkungen verbunden worden war, und dann in den Geheimartikeln des Subsidien- und Allianzvertrages vom 1. November 1687. Anders als zur Zeit dieser Vertragsschlüsse erwog Ludwig XIV. 1690 offenbar, dem Herzog tatsächlich zur Kurfürstenwürde zu verhelfen, weil er hoffte, auf diesem Wege die Konstellation von 1644/48 wiederherzustellen, als Kurbayern in einer für Frankreich förderlichen Weise auf einen Frieden gedrängt hatte, der ihm die Kurübertragung von 1621/23 definitiv sicherte.⁵² Tatsächlich gelang es, den Herzog am 1. Dezember 1690 zum Abschluss eines auf den 27. November rückdatierten Neutralitätsabkommens zu bewegen, in dem sich dieser gegen französische Subsidien und Unterstützung in der Kurfrage zum Anschluss an eine armierte Dritte Partei bereit erklärte.⁵³ Doch die Verhandlungen mit Schweden, dessen offene Erklärung zugunsten der Bildung der Dritten Partei die Voraussetzung dafür bildete, dass sich weitere Reichsstände anschlossen, führten nicht zum Erfolg.⁵⁴

 Zur Kontextualisierung der dargestellten Verhandlungen im Zusammenhang der französischen Politik gegenüber den norddeutschen Reichsständen vgl. im Allgemeinen Félicité, Négocier pour exister.  Das Verzeichnis der diplomatischen Vertreter aller Länder gibt „Gourville junior“ ohne Vornamen an. Für die Zeit zwischen 1668 und Juni 1687 sind diverse Missionen von Jean Hérault de Gourville belegt, an die sich danach Gesandtschaften von „Gourville junior“ anschließen. Vgl. Bittner/Groß (Hrsg.), Repertorium der diplomatischen Vertreter, Bd. I.  Fayard, Les tentatives de constitution, S. 345, Anm. 4.  Zur Geschichte der Kurfürstenwürde in der Frühen Neuzeit weiterhin maßgebend Gotthard, Säulen des Reiches, 2 Bde. Zum französischen Blick auf die Kurfürsten und ihre Geschichte vgl. Braun, La Connaissance, S. 721– 749.  Zum Erwerb der bayerischen Kurwürde und deren Behauptung durch Maximilian von Bayern vgl. Albrecht, Der Hl. Stuhl und die Kurübertragung; ders., Bayern und die pfälzische Frage; und v. a. ders., Maximilian I. von Bayern.  Fayard, Les tentatives de constitution, S. 346 f.  Ebd., S. 348 – 350.

286

Guido Braun

Gleichwohl konnte der französische Gesandte Benoît Bidal, Baron d’Asfeld von Hannover aus erfolgreich mit dem Fürstbischof von Münster, Friedrich Christian von Plettenberg (1644 – 1706), anknüpfen und am 27. Januar 1691 einen Bündnisvertrag zwischen Münster und Braunschweig-Lüneburg erreichen, in dem beide Fürsten sich für neutral erklärten. Ein Abkommen zwischen dem Fürstbischof von Münster und Ludwig XIV. sollte folgen.⁵⁵ Am 25. März 1691 unterzeichnete Plettenberg das Neutralitätsabkommen mit Ludwig XIV.⁵⁶ Auch Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha (1646 – 1691) schloss sich der Gruppe der armierten neutralen Fürsten an; damit zählte die Dritte Partei eine Sollstärke von 31 000 Mann.⁵⁷ Doch bereits zu Beginn des Jahres 1691 zeichnete sich aufgrund einer schwedisch-hannoverischen Übereinkunft die Gefahr ab, dass sich diese Partei auch gegen Frankreich selbst wenden könnte, wenn Ludwigs XIV. Friedensbedingungen als unangemessen empfunden würden.⁵⁸ Besonders die französische Forderung nach der Zession Philippsburgs erregte bei den verbündeten Fürsten Unmut; desgleichen führte die französische Ablehnung der Aufnahme der drei geistlichen Kurfürstentümer am Rhein in die Dritte Partei zu Verstimmungen. An deren Einbindung war Ludwig XIV. jedoch keineswegs gelegen, weil sie als besetzte Gebiete Kontributionen leisteten. Zwischen Frankreich und den deutschen Fürsten wuchs daher das Misstrauen.⁵⁹ Gleichwohl schien die Einbeziehung Kursachsens Croissy im Herbst 1691 die Aussicht darauf zu eröffnen, dass das Unternehmen dennoch gelingen könne. Lange Zeit von Croissy als zu mächtig betrachtet, konnte Johann Georg III. (1647– 1691) beziehungsweise seit September 1691 Johann Georg IV. (1668 – 1694) jetzt nicht mehr umgangen werden, weil sich auch zwischen Frankreich und Schweden keine weitergehende Annäherung abzeichnete. Doch die Einbindung Kursachsens barg wegen seines Streits mit Hannover über das sachsen-lauenburgische Erbe auch Gefahren. Frankreich musste eine Parteinahme in dieser Sache unbedingt vermeiden.⁶⁰ Schließlich misslang das Unternehmen. Noch bevor der von Hannover nach Dresden weitergereiste französische Sondergesandte Bidal mit dem Kurfürsten einig werden konnte, schloss Hannover am 22. März 1692 mit dem Kaiser den

 Ebd., S. 351.  Ebd., S. 352.  Verträge mit Hannover vom 23. März 1691 und mit Frankreich vom 12. April 1691; vgl. ebd., S. 353 f.  Ebd., S. 355.  Ebd., S. 353 und 355 – 357.  Ebd., S. 357 f.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

287

sogenannten Kurtraktat ab, durch den Leopold I. Hannover gegen die Zusage militärischer und finanzieller Unterstützung die Kurwürde verlieh – eine Erhebung, deren Verfassungsmäßigkeit allerdings sowohl im Reich als auch von der französischen Diplomatie angefochten und erst 1708 (neben der vollen Readmission Böhmens)⁶¹ vom Reichstag sanktioniert wurde. Frankreichs Politik war von 1692 an darauf ausgerichtet, die Gegner der hannoverischen Rangerhöhung, insbesondere die Herzöge von BraunschweigWolfenbüttel und Kursachsen, zum Zentrum der Dritten Partei zu machen. Während sich die Herzöge von Wolfenbüttel am 5. April 1692 mit Dänemark verbanden, scheiterten die französischen Verhandlungen mit Kursachsen, das sich sogar am 29. Juli 1692 zu einem defensiven Allianzvertrag mit Kurhannover verstand.⁶² Der Ausbau der französischen Allianz mit Dänemark durch den Vertrag vom 11. März 1693 brachte keine dauerhafte Entlastung, weil der Kaiser, der Kurfürst von Brandenburg und der König von Schweden den Ausbruch eines zusätzlichen militärischen Konfliktes im Norden des Reiches erfolgreich zu verhindern und Christian V. (1646 – 1699) zum Vertrag vom 29. September 1693 mit Ernst August von Hannover zu bewegen wussten. Damit war Croissys Hoffnung zerstoben, Kursachsen das durch Dänemark zu erobernde, sachsen-lauenburgische Erbe anbieten zu können, um es in die Dritte Partei einzugliedern.⁶³ In den Jahren 1691– 1693 hatte Ludwig XIV. an Hannover, Münster, SachsenGotha, Wolfenbüttel und Dänemark in der Hoffnung auf die Bildung einer Dritten Partei Subsidien in Höhe von mehr als 6,2 Mio. Livres ausbezahlt. Dazu kamen noch Gratifikationen für die hohen Amtsträger dieser Mächte, die an den Bündnisverhandlungen mitgewirkt hatten.⁶⁴ Allerdings hatten diese Summen letztlich zu keinem greifbaren Ergebnis geführt. Münster erhielt 1694 weiterhin 250 000 Livres französische Subsidien, obwohl es seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr voll nachkam. Am 18. März 1695 trat es offiziell der Allianz gegen Frankreich bei.⁶⁵ Dennoch vermochte, so lässt sich resümierend festhalten, Croissy die Gegner Frankreichs mit der Gefahr der Bildung einer Dritten Partei mehrere Jahre lang in Schach zu halten und einen Teil der militärischen Unterstützung lahmzulegen,

 Zu Böhmens Sonderstellung im frühneuzeitlichen Kurfürstenrat und seiner Readmission 1708 vgl. Begert, Böhmen.  Fayard, Les tentatives de constitution, S. 359 – 361.  Ebd., S. 361– 363.  Zum Beispiel 1691 für die Beamten in Hannover 72 900 Livres, in Münster 45 000 Livres; vgl. ebd., S. 365 f.  Ebd., S. 368 f.

288

Guido Braun

die der Kaiser von den betreffenden Ständen erwarten konnte.⁶⁶ Der letztliche Misserfolg der Verhandlungen über die Bildung der Dritten Partei lässt sich mit der grundlegenden Transformation des Verhältnisses zwischen dem König und den Reichsständen in den Jahren nach dem Friedensvertrag von Nimwegen 1678/ 79 erklären.⁶⁷ Der König von Frankreich galt der Mehrzahl der Stände nicht mehr als mächtiger Nachbar und gegebenenfalls Freund und Protektor, von dem die Garantie des Westfälischen Friedens zu erwarten stand, sondern als übermächtiger Feind, der die Reichsstände in ihrem territorialen Besitz bedrohte, den Hugenotten in seinem Königreich die Existenzgrundlage entzogen hatte⁶⁸ und gegenüber den deutschen Fürsten hochmütig und unwirsch auftrat.⁶⁹

4 Fazit Insofern ist zusammenfassend zu konstatieren, dass sich als – für die Umsetzung einschlägiger Pläne kontraproduktiver – Grundzug das französische Streben erweist, die „Dritte Partei“ für eigene politisch-militärische Zwecke zu vereinnahmen und sie gegen die habsburgisch-kaiserliche Politik zu instrumentalisieren. Daher sind diese Versuche als nicht dem „klassischen“ Modell einer in einem ersten Schritt auf unparteiischer Mediation und in einem zweiten Schritt auf Drohung militärischer Intervention zugunsten der friedensbereiten Konfliktpartei

 Ebd., S. 369 und 372.  Zum Frieden von Nimwegen vgl. die mustergültige Studie von Köhler, Strategie und Symbolik; ferner die ältere Untersuchung zur französischen Politik von Höynck, Frankreich und seine Gegner.  Die Hugenottenpolitik Ludwigs XIV. zeitigte besonders seit dem Edikt von Fontainebleau, durch das der König 1685 Heinrichs IV. Edikt von Nantes (1598) aufhob, nachhaltige negative Konsequenzen für das französische Verhältnis zu den protestantischen Reichsständen, die einen Teil der französischen Hugenotten im Zuge ihrer Ansiedlungspolitik aus vielschichtigen Gründen aufnahmen. Immigrierte Hugenotten zählten bis tief ins 18. Jahrhundert hinein zu publizistisch tätigen, kritischen Beobachtern der französischen Politik im Reich. Zur Immigrationspolitik, die den Hugenotten in den Territorien des Alten Reiches seit 1685 z.T. sichere Aufnahmeländer bot, sowie den Verlaufsformen und den Folgen hugenottischer Migration vgl. aus der reichhaltigen Literatur u. a. den systematisch vergleichenden Sammelband von Braun/Lachenicht (Hrsg.), Hugenotten und deutsche Territorialstaaten.  Dieses Bündel aus Gründen trug nach Fayard auch zum Scheitern der französischen Bemühungen um die Dritte Partei im Pfälzischen Krieg bei; Fayard, Les tentatives de constitution, S. 369 – 371. Den grundlegenden Paradigmenwechsel französischer Politik gegenüber den Reichsständen, der sich bereits seit Ende der 1660er Jahre abzeichnete, betont schon Braubach, der hierin „ein System rücksichtslosen Machteinsatzes“ sieht, vgl. Braubach, Wilhelm von Fürstenberg, S. 96.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

289

oder -parteien basierenden unabhängigen Dritten Partei zu bewerten. Die von Frankreich favorisierte „Dritte Partei“ sollte vielmehr direkt der französischen Einflusssphäre angehören und war nicht einmal notwendigerweise auf einen allgemeinen Friedensschluss hin ausgerichtet. Es ging der französischen Politik dabei zum Teil lediglich um die Neutralisierung bestimmter Konflikträume, welche die französische Kriegsführung andernorts erleichtern sollte. Die französischen Vereinnahmungstendenzen waren dem Aufbau einer veritablen, unabhängig von den Kontrahenten agierenden Dritten Partei sowohl im Holländischen als auch im Pfälzischen Krieg sogar hinderlich. Der Anschluss an das Konzept der „Dritten Partei“ erfüllte in diesem Zusammenhang – nicht allein in Stellungnahmen gegenüber Externen, sondern auch im internen französischen diplomatischen Schriftverkehr – eine legitimatorische Funktion. Allerdings hatten diese französischen Versuche zur Bildung einer Dritten Partei und ihrer Anbindung an französische Interessen durchaus auch konfliktentschärfende Wirkungen. Phasenweise konnte mit ihrer Hilfe die Ausweitung und Dynamisierung laufender Konflikte verhindert werden. Bislang auf Einzelstudien im Hinblick auf bestimmte Konfliktfelder und Perioden der französischen Außenbeziehungen beschränkt, bildet eine systematische Erforschung der theoretischen und praktischen Rolle von Konzepten zur „Dritten Partei“ insofern ein nicht zu vernachlässigendes Desiderat.

Quellen Acta Pacis Westphalicae (APW). Hrsg. durch die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte e.V. durch Max Braubach, Konrad Repgen und Maximilian Lanzinner. Serie II. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen. Bd. 7: 1647 – 1648. Bearb. von Christiane Neerfeld unter Mithilfe von Rita Bohlen und Michael Rohrschneider; Bd. 8: 1648 Februar–Mai. Bearb. von Peter Arnold Heuser unter Mithilfe von Rita Bohlen. Münster 2010‒2011. Acta Pacis Westphalicae (APW) digital. Retrodigitalisierung und Erweiterung um digitale Zusatzangebote der bis 2008 erschienenen 40 Editions-Bände der Acta Pacis Westphalicae. Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), getragen vom Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und von der Bayerischen Staatsbibliothek München. Wissenschaftliche Planung und Leitung: Guido Braun und Maximilian Lanzinner. URL: http://apw.digitale-sammlungen.de/ (Online-Erstveröffentlichung 2014; zuletzt eingesehen am 28. 09. 2020). Auerbach, Bertrand (Hrsg.): Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu’à la Révolution française. Publ. sous les

290

Guido Braun

auspices de la Commission des archives diplomatiques au ministère des Affaires étrangères. Bd. XVIII: Diète germanique. Paris 1912. Leibniz-Edition. Die Akademie-Ausgabe. (Projektträger: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und Akademie der Wissenschaften zu Göttingen). URL: https:// leibnizedition.de/ (28. 09. 2020). Livet, Georges (Hrsg.): Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France depuis les traités de Westphalie jusqu’à la Révolution française. Publ. sous les auspices de la Commission des archives diplomatiques au ministère des Affaires étrangères. Bd. XXVIII: États allemands. Teilbd. I: L’électorat de Mayence. Teilbd. II: L’électorat de Cologne. Teilbd. III: L’électorat de Trèves. Paris 1962 – 1966.

Literatur Adam, Wolfgang/Mondot, Jean (Hrsg.): Gallotropismus und Zivilisationsmodelle im deutschsprachigen Raum (1660 – 1789). 3 Bde. Heidelberg 2016 – 2017. Albrecht, Dieter: Bayern und die pfälzische Frage auf dem Westfälischen Friedenskongreß, in: Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 461 – 468. Albrecht, Dieter: Der Hl. Stuhl und die Kurübertragung von 1623, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 34 (1954), S. 236 – 249. Albrecht, Dieter: Maximilian I. von Bayern 1573 – 1651. München 1998. Auerbach, Bertrand: La France et le Saint Empire romain germanique depuis la paix de Westphalie jusqu’à la Révolution française. Paris 1912 (Ndr. Genf 1976). Badalo-Dulong, Claude: Trente ans de diplomatie française en Allemagne. Louis XIV et l’Électeur de Mayence (1648 – 1678). Paris 1956. Begert, Alexander: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatlichen Stellung Böhmens. Husum 2003. Bittner, Ludwig/Groß, Lothar (Hrsg.): Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden (1648). Bd. I: 1648 – 1715. Oldenburg 1976 (Ndr. der Ausgabe von 1936). Bosbach, Franz: Der französische Erbfeind. Zu einem deutschen Feindbild im Zeitalter Ludwigs XIV., in: ders. (Hrsg.), Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 1992, S. 117‒140. Bosbach, Franz: Monarchia Universalis. Ein politischer Leitbegriff der Frühen Neuzeit. Göttingen 1988. Braubach, Max: Wilhelm von Fürstenberg (1629 – 1704) und die französische Politik im Zeitalter Ludwigs XIV. Bonn 1972. Braun, Guido: Du Roi-Soleil aux Lumières: l’Allemagne face à l’„Europe française“, 1648 – 1789. Trad. de l’allemand par Bernadette Guesnard-Meisser. Villeneuve d’Ascq 2012. Braun, Guido: Frieden und Gleichgewicht bei Leibniz, in: Friedrich Beiderbeck/Irene Dingel/Wenchao Li (Hrsg.), Umwelt und Weltgestaltung. Leibniz’ politisches Denken in seiner Zeit. Göttingen 2015, S. 207 – 230.

Die Dritte Partei als Faktor der französischen Außen- und Reichspolitik

291

Braun, Guido: La Connaissance du Saint-Empire en France du baroque aux Lumières (1643 – 1756). München 2010. Braun, Guido: Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs, 1648 – 1789. Darmstadt 2008. Braun, Guido/Lachenicht, Susanne (Hrsg.): Hugenotten und deutsche Territorialstaaten. Immigrationspolitik und Integrationsprozesse. München 2007. Buchenau, Stefanie: Leibniz: Philosoph und Diplomat. Das Sekuritätsgutachten von 1670, in: Guido Braun (Hrsg.), Assecuratio pacis. Französische Konzeptionen von Friedenssicherung und Friedensgarantie, 1648 – 1815. Münster 2011, S. 265 – 280. Buddruss, Eckhard: Die französische Deutschlandpolitik 1756 – 1789. Mainz 1995. Cornette, Joël: Le Roi de guerre. Essai sur la souveraineté dans la France du Grand Siècle. Paris 2010 (Taschenbuchausgabe, Erstdruck 1993). Decker, Klaus-Peter: Frankreich und die Reichsstände 1672 – 1675. Die Anfänge zur Bildung einer „Dritten Partei“ in den Anfangsjahren des Holländischen Krieges. Bonn 1981. Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden. 7. Aufl. hrsg. durch Konrad Repgen. Münster 1998 (1. Aufl. 1959). Ekberg, Carl J.: The Failure of Louis XIV’s Dutch War. Chapel Hill, N.C. 1979. Fayard, Janine: Les tentatives de constitution d’un „tiers party“ en Allemagne du Nord (1690 – 1694), in: Revue d’histoire diplomatique 79 (1965), S. 338 – 372. Félicité, Indravati: Das Königreich Frankreich und die norddeutschen Hansestädte und Herzogtümer (1650 – 1730). Diplomatie zwischen ungleichen Partnern. Übers. aus dem Franz. von Markus Hiltl. Köln/Weimar/Wien 2017. Félicité, Indravati: Négocier pour exister. Les villes et duchés du nord de l’Empire face à la France, 1650 – 1730. Berlin/Boston 2016. Gotthard, Axel: Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband. 2 Bde. Husum 1999. Häseler, Jens/Meier, Albert (Hrsg.): Gallophobie im 18. Jahrhundert. Akten der Fachtagung vom 2./3. Mai 2002 am Forschungszentrum Europäische Aufklärung. Berlin 2005. Haug, Tilman: Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Patronage. Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648 – 1679). Köln/Weimar/Wien 2015. Höynck, Paul Otto: Frankreich und seine Gegner auf dem Nymwegener Friedenskongreß. Bonn 1960. Kampmann, Christoph: Information – Kommunikation – Konfrontation. Zur auswärtigen Diplomatie auf dem Immerwährenden Reichstag im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Guido Braun (Hrsg.), Diplomatische Wissenskulturen der Frühen Neuzeit. Erfahrungsräume und Orte der Wissensproduktion. Berlin/Boston 2018, S. 135 – 160. Kampmann, Christoph: Reichstag und Reichskriegserklärung im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Historisches Jahrbuch 113 (1993), S. 41 – 59. Kampmann, Christoph/Lanzinner, Maximilian/Braun, Guido/Rohrschneider, Michael (Hrsg.): L’art de la paix. Kongresswesen und Friedensstiftung im Zeitalter des Westfälischen Friedens. Münster 2011. Köhler, Matthias: Strategie und Symbolik. Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen. Köln/Weimar/Wien 2011. Koller, Alexander: Die Vermittlung des Friedens von Vossem (1673) durch den jülich-bergischen Vizekanzler Stratmann. Pfalz-Neuburg, Frankreich und Brandenburg zwischen dem Frieden von Aachen und der Reichskriegserklärung an Ludwig XIV. (1668 – 1674). Münster 1995.

292

Guido Braun

Malettke, Klaus: Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1648/1659 – 1713/1714. Paderborn u. a. 2012. Malettke, Klaus: Les relations entre la France et le Saint-Empire au XVIIe siècle. Paris 2001. Malettke, Klaus: Richelieu. Ein Leben im Dienste des Königs und Frankreichs. Paderborn 2018. Raumer, Kurt von: Die Zerstörung der Pfalz von 1689 im Zusammenhang der französischen Rheinpolitik. München/Berlin 1930. Schmidt-Voges, Inken/Westphal, Siegrid/Arnke, Volker/Bartke, Tobias (Hrsg.): Pax perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit. München 2010. Schnur, Roman: Der Rheinbund von 1658 in der deutschen Verfassungsgeschichte. Bonn 1955. Sonnino, Paul: Louis XIV and the Origins of the Dutch War. Cambridge u. a. 1988. Weber, Hermann: Frankreich, Kurtrier, der Rhein und das Reich 1623 – 1635. Bonn 1969. Weber, Hermann: La stratégie de la terre brûlée: le cas du Palatinat en 1689, in: Alain Gérard u. a. (Hrsg.), La Vendée dans l’histoire. Actes du colloque [La Roche-sur-Yon, April 1993]. Paris 1994, S. 193 – 208. Weber, Hermann: Richelieu und das Reich, in: Heinrich Lutz/Friedrich-Hermann Schubert/Hermann Weber (Hrsg.), Frankreich und das Reich im 16. und 17. Jahrhundert. Göttingen 1968, S. 36 – 52 und 60 (Anmerkungen). Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden. München 2015. Wiedeburg, Paul: Der junge Leibniz, das Reich und Europa. Teil I: Mainz (Darstellungsband und Anmerkungsband). Wiesbaden 1962. Wrede, Martin: Das Reich und seine Feinde. Politische Feindbilder in der reichspatriotischen Publizistik zwischen Westfälischem Frieden und Siebenjährigem Krieg. Mainz 2004.

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Dr. Volker Arnke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum IKFN (Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit) der Universität Osnabrück. Seit 2018 bearbeitet er dort das DFG-geförderte Forschungsprojekt „Frieden als Kommunikationsprozess. Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses“. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Historische Friedens- und Konfliktforschung – insbesondere mit Blick auf die Geschichte des Westfälischen Friedenskongresses – die Geschichte konfessioneller Konflikte sowie die Regional- und Lokalgeschichte Osnabrücks. Prof. Dr. Dr. Guido Braun ist ordentlicher Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Université de Haute-Alsace in Mülhausen/Mulhouse. Seit 2018 leitet er dort die Forschungsachse IV „Espaces publics et circulations internationales“ des Centre de Recherche sur les Économies, les Sociétés, les Arts et les Techniques (CRESAT). Seit 2019 ist er Direktor des Departements Histoire & Patrimoines. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Internationale Geschichte der Frühen Neuzeit, die Historische Friedens- und Konfliktforschung, Kulturtransfer, Wissenszirkulation und interkulturelle Hermeneutik. Über die Frühe Neuzeit hinaus befassen sich mehrere laufende Projekte mit der Französischen Revolution und der Napoleonischen Zeit. Dr. Maria-Elisabeth Brunert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Historische Friedensforschung (ZHF) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ihr Arbeitsgebiet ist der Westfälische Friedenskongress und speziell die Edition reichsständischer Beratungsprotokolle im Rahmen der Acta Pacis Westphalicae. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Diplomatiegeschichte, Friedensforschung mit dem Schwerpunkt Frühe Neuzeit sowie (epochenübergreifend) die Geschichte des Ordenswesens. Alexander Gerber ist wissenschaftliche Hilfskraft bei perspectivia.net, der digitalen Publikationsplattform der Max Weber Stiftung und promoviert zum Thema „Ein ‚conventus extraordinarius‘? Verfahrenspraktiken in den reichsständischen Beratungen auf dem Westfälischen Friedenskongress“. Er forscht schwerpunktmäßig zu Verfahren und Zeremoniell auf den Reichstagen und dem Westfälischen Friedenskongress sowie zur Reichsstadtgeschichte. Dr. Dorothée Goetze ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählt neben der Historischen Integrationsforschung, der Geschichte des Alten Reiches und des frühneuzeitlichen Ostseeraums auch die Historische Friedensforschung. Neben dem Abschlussband der kaiserlichen Korrespondenzen in der Reihe Acta Pacis Westphalicae hat sie einen Sammelband zum Westfälischen Friedenskongress veröffentlicht. Markus Laufs M.A. ist wissenschaftlicher Volontär im Historischen Museum Hanau Schloss Philippsruhe. 2020 hat er seine Dissertation mit dem Titel „‚In viam pacis‘. Praktiken niederländischer und päpstlicher Friedensvermittlung auf den Kongressen von Münster (1643 – 1649) und Nimwegen (1676 – 1679) im Vergleich“ an der Universität Bonn eingereicht. Seine Forschungsschwerpunkte sind die frühneuzeitliche Friedensvermittlung, interkulturelle Beziehun-

294

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

gen und Wahrnehmungen zwischen den Niederlanden und Italien in der Frühen Neuzeit sowie hessische Konfessions- und Migrationsgeschichte. Dr. Christoph Nonnast studierte Neuere Geschichte, Psychologie und Medienwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wurde 2017 promoviert mit einer Arbeit zum Thema „Mindermächtiger Fürstenstaat und große Politik. Sachsen-Altenburg und der Westfälische Friedenskongress“. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische und Sozialgeschichte sowie Mitteldeutsche Landesgeschichte der Frühen Neuzeit. Zuletzt war er an der Forschungsbibliothek Gotha tätig. Dr. Lena Oetzel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg. Aktuell ist sie Elise-Richter-Fellow des FWF am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW in Wien und arbeitet zu „Im Geflecht der Interessen. Kaiserliche und reichsständische Gesandte auf dem Westfälischen Friedenskongress (1643 – 1649)“. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Historischen Friedensforschung und der Neuen Diplomatiegeschichte. Zudem arbeitet sie zu frühneuzeitlicher Herrschaft, Kommunikation und Geschlechterverhältnissen. Prof. Dr. Michael Rohrschneider ist seit 2016 Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Leiter des dortigen Zentrums für Historische Friedensforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Historische Friedens- und Konfliktforschung, die Rheinische Landesgeschichte, das Alte Reich, die Geschichte der Internationalen Beziehungen in der Frühen Neuzeit sowie Quelleneditionen (analog und digital). Prof. Dr. Siegrid Westphal ist seit 2004 Professorin für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Osnabrück und derzeit Mitglied des Vorstands und Stellvertretende Direktorin des dortigen Forschungszentrums IKFN (Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit). Seit 2018 leitet sie das DFG-geförderte Forschungsprojekt „Frieden als Kommunikationsprozess. Die Dritte Partei des Westfälischen Friedenskongresses“. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Historische Friedens- und Konfliktforschung – insbesondere mit Blick auf die Geschichte des Westfälischen Friedenskongresses – die Reichs- und Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die Reformation und Konfessionalisierung sowie landesgeschichtliche und geschlechtergeschichtliche Themen.

Personenregister Adami, Adam (1603/10 – 1663) 199, 225 Albrecht, Dieter (1927 – 1999) 188, 238 Albrecht von Österreich (1559 – 1621) 42 Alexander VII., Papst (1599 – 1667) → Chigi, Fabio Anethan, Johann (1594 – 1668) 217 f., 220 Arnim, Johann Georg von (1581 – 1641) 181 f., 187 f. Auersperg, Johann Weikhart von (1615 – 1677) 138 f., 146, 149 August II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, gen. der Jüngere (1579 – 1666) 72 August von Sachsen-Weißenfels, Administrator von Magdeburg (1614 – 1680) 241 Avaux, Claude de Mesmes, comte d’ (1595 – 1650) 97, 182 Bagni, Niccolò Guidi di (1584 – 1663) 84 Barde, Jean de la (1603 – 1692) 92 Bernhard von Sachsen-Weimar (1604 – 1639) 70 f. Bethlen, Gábor (1580 – 1629) 46, 64 Bidal, Benoît, Baron d’Asfeld 286 Bruneau, Antoine (1640 – 1720) 282 Buat, Louis-Gabriel Du 275 Bulkeley, Henri François, comte de 275 Buschmann, Peter (ca. 1604 – 1673) 201 Carpzow, August (1612 – 1683) 198, 237 f., 240, 242 – 244, 246, 257 Chigi, Fabio (1599 – 1667) 83 – 91, 93 – 100, 193, 199, 207 Christian I. von Anhalt-Bernburg (1568 – 1630) 45 Christian IV. von Dänemark und Norwegen (1577 – 1648) 64 Christian V. von Dänemark und Norwegen (1646 – 1699) 287 Christina von Schweden (1626 – 1689) 68, 74 Cicero (106 – 43 v. Chr.) 4 Contarini, Alvise (1597 – 1651) 18, 83 – 91, 93 – 100, 193, 207 https://doi.org/10.1515/9783110703795-017

Crécy, Louis Verjus, comte de (1629 – 1709) 285 Croissy, Charles Colbert de (1629 – 1696) 284, 286 f. Crucé, Éméric (1590 – 1648) 23 Dangeau, Philippe de Courcillon, marquis de (1638 – 1720) 279 Dickmann, Fritz (1906 – 1969) 115, 135, 187 f., 193, 197, 213 f., 237 Erdmannsdörffer, Bernhard 183 f., 213 Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1629 – 1698) 284 f., 287 Ernst, Johann (1604 – 1667) 245 Ernst von Sachsen-Gotha (1601 – 1675) 116 Fabricius, Philipp 38 Fajardo, Diego Saaverda y (1584 – 1648) 142 Ferdinand II., röm.-dt. Kaiser (1578 – 1637) 38, 42 – 49, 51 f., 61 – 67, 70, 74, 139, 147, 152 Ferdinand III., röm.-dt. Kaiser (1608 – 1657) 70 f., 94, 131 – 152, 155, 170, 172, 181, 203, 205 f., 215, 218, 224, 229 – 233, 248, 252 Ferdinand IV., röm.-dt. König (1633– 1654) 146 Ferdinand von Bayern (1577 – 1650) 45, 201 Foerster, Joachim F. 185 Friedrich I. von Sachsen-Gotha (1646 – 1691) 286 Friedrich V. von der Pfalz (1596 – 1632) 37, 43 – 45, 51, 59, 62 f., 160 Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg (1603 – 1669) 209 Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 – 1688) 240 Fromhold, Johann (1602 – 1653) 217 Giustiniani, Girolamo (1611 – 1656) 84 Gloxin, David (1597 – 1671) 113, 263 Göbel, Cornelius 217

296

Personenregister

Goethe, Johann Wolfgang von (1749 – 1832) 50 Gourville, Jean Hérault de 285 Gravel, Robert de († 1684) 281 f. Grimmelshausen, Christoffel von (1622 – 1676) 57 – 59, 76 Grotius, Hugo (1583 – 1645) 59 Gustav II. Adolf von Schweden (1594 – 1632) 66 Haslang, Georg Christoph von (1602 – 1684) 200 Heher, Georg Achatz (Achatius) (1601 – 1667) 116, 240, 244 Heider, Valentin (1605 – 1664) 115 Heinrich IV. von Frankreich (1553 – 1610) 21 f., 288 Hoënegg, Matthias Hoë von (1580 – 1645) 160 Holzappel, Peter Graf von (1585 – 1648) 181, 183 Hus, Jan (ca. 1370 – 1415) 40 Ipsen, Hans Peter (1907 – 1998) 213

186 f., 189,

Johann Georg I. von Sachsen (1585 – 1656) 38, 41, 49, 61, 72, 157– 164, 168 – 172, 241 Johann Georg III. von Sachsen (1647 – 1691) 286 Johann Georg IV. von Sachsen (1668 – 1694) 286 Jürgensmeier, Friedhelm 185, 188 Karl VII., röm.-dt. Kaiser (1697 – 1745) 276 Karl XI. von Schweden (1655 – 1697) 283 f. Khlesl, Melchior 42 Koch, Gerhard (1601 – 1660) 115 f. Königsmarck, Hans Christoph Graf (1600 – 1663) 181 Krane, Johann (1595/1600 – 1672) 132, 136, 142, 218, 220, 223 – 226, 229, 262, 269 Krebs, Johann Adam († 1674) 217 f. Krebs (von Bach), Johann Adolph (vor 1624 – ca. 1670) 200, 217 f., 220 – 226, 228, 231, 245 f., 257

Kurz (von Senftenau), Ferdinand Sigmund (1592 – 1659) 146, 149 f., 215 f., 218, 224 La Cour(t), Henri Groulart seigneur de († 1658) 222 Lamberg, Johann Maximilian von (1608– 1682) 132, 136, 215f., 218, 220, 223 f., 226, 229 Lampadius, Jakob (1593– 1649) 112–114, 124, 198, 213, 217 f., 223, 240, 242, 244, 246 Landsberg, Arnold von 201 Langenbeck, Heinrich (1603 – 1669) 198, 217, 219, 240, 244, 246 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646 – 1716) 277 Leopold I., röm.-dt. Kaiser (1640 – 1705) 279, 287 L’Estoile, Pierre de (1546 – 1611) 21 Leuber, Johann 162 – 172, 253 Leuchselring (Leuxelring), Johann von (1585 – 1659) 116 – 118, 122, 199, 225, 263 Longueville, Henri II d’Orléans, duc de (1595 – 1663) 19, 24, 95 Louise Juliane von Oranien-Nassau (1576 – 1644) 44 Louvois, Michel Le Tellier, marquis de (1641 – 1691) 280, 284 Ludwig XIII. von Frankreich (1601 – 1643) 21, 27 Ludwig XIV. von Frankreich (1638 – 1715) 18 f., 84, 179, 278 – 288 Lützow, Kurt von († 1670) 138 Maillefer, Jean de 29 Martinitz, Georg Adam von (1602 – 1651) 146 Martinitz, Jaroslav von 38 Matthias, röm.-dt. Kaiser (1557 – 1619) 6, 39, 41 – 44, 46 – 48, 51, 61 – 63, 74 Maximilian I. von Bayern (1573 – 1651) 44 – 47, 52, 63, 188, 195, 199 – 201, 203 – 208, 223, 238, 249, 252, 255, 270, 285 Maximilian III. von Österreich, gen. der Deutschmeister (1558 – 1637) 42 Mazarin, Jules (1602 – 1661) 24 f., 88, 183, 278 Medici, Maria von (1575 – 1642) 21

Personenregister

Meel, Sebastian Wilhelm (ca. 1597 – 1666) 200, 217 f., 220 – 225 Meiern, Johann Gottfried von (1692 – 1745) 185, 244 Melzi, Camillo (1590 – 1659) 84 Mentz, Georg (1870 – 1943) 183, 186 – 188 Merian, Matthäus, gen. der Ältere (1593 – 1650) 49 Meurer, Christoph (1598 – 1652) 115 Nani, Giovanni Battista (1616 – 1678) 84 Nassau-Hadamar, Graf Johann Ludwig von (1590 – 1653) 98, 132, 136, 142, 226, 229 Odhner, Clas Theodor (1836 – 1904) 184 – 189, 213 Oelhafen (von Schoellenbach), Tobias (1601 – 1666) 108, 111, 115 – 118, 122, 125, 263 Oñate, Íñigo Vélez de Guevara, VIII conde de (1597 – 1658) 44 – 46 Otto, Markus (1600 – 1674) 115 f., 217 f., 220, 254, 263 Oxenstierna, Axel (1583 – 1654) 68, 74 Oxenstierna, Johan Axelsson (1611 – 1657) 120, 215, 241 – 244, 249, 251 f., 257 Pape, Jacob Arend 181 f. Peñaranda, Gaspar de Bracamonte y Guzmán, conde de (ca. 1595 – 1676) 24, 88 Peterson, Emil 184 Philipp IV. von Spanien (1605 – 1665) 147 Pistorius, Hans Ernst von 162 – 170, 172 Plettenberg, Friedrich Christian von (1644 – 1706) 286 Prickhelmayr, Johann Matthias (1589 – 1656) 146 Repgen, Konrad (1923‒2017) 83, 186 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, duc de (1585 – 1642) 27, 63 f., 66, 70, 75, 280 Richtersberger, Leonhard († 1649/50) 123 Rudolf II., röm.-dt. Kaiser (1552 – 1612) 39, 42, 47 f. Salvius, Johan Adler (1590 – 1652) 124, 138, 215, 241 – 244, 247, 251 f., 254, 257, 270

297

Sayn-Wittgenstein, Johann VII. von (1601 – 1657) 251 Schneider, Balthasar (1612 – 1656) 110 Schönborn, Johann Philipp von (1605– 1673) 183, 185 f., 188, 195, 200f., 203– 205, 208 – 210, 219, 270, 279, 281 Servien, Abel (1593 – 1669) 135 – 137, 146, 202, 204 – 207, 222 f., 225, 227 f., 253 f., 256, 266 – 271 Slawata, Wilhelm von 38 Stenglin, Zacharias (1604 – 1674) 115 Thumbshirn, Wolfgang Conrad von (1604 – 1667) 107, 110, 122 f., 198, 217 – 223, 225, 228, 237 f., 240, 242 – 244, 246 – 248, 251 – 255, 257 Thurn, Graf Heinrich Matthias von (1567 – 1640) 42 Trauttmansdorff, Maximilian Graf von (1584 – 1650) 9, 96, 131 – 133, 140, 144 – 147, 149, 151, 162, 164, 168, 181 f., 187, 199, 215 f., 221, 226 f., 232, 243, 270 Umstadt, Anselm Casimir Wambolt von (1579 – 1647) 200 f. Urban VIII., Papst (1568 – 1644) 69 Viktor Amadeus von Savoyen (1666 – 1732) 283 Volmar, Isaak (1582/83 – 1662) 97 f., 131 f., 136, 138 f., 215 f., 220 – 233, 245 f., 248, 253, 255, 266 f. Vorburg, Johann Philipp von (1596 – 1660) 200, 217 – 225, 228, 244 – 246 Wallenstein, Albrecht von (1583–1634) 64, 67 Wartenberg, Franz Wilhelm von (1593 – 1661) 122, 195, 197, 199 – 202, 208, 225 Weller, Jakob 160 Wild, Karl 185 – 188 Wilhelm III. von England (1650 – 1702) 283 Wilhelm von Sachsen-Weimar (1598 – 1662) 116 Wittgenstein → Sayn-Wittgenstein, Johann VII. von Woltmann, Karl Ludwig von 185

Ortsregister Ägypten 277 Alès 21 Altenburg 184 Altes Reich → Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Augsburg 21 f., 58 f., 65, 116 f., 122, 199, 258, 263, 283 Bamberg 124, 214, 217 f., 221, 248 f., 251 Bayern 46 – 49, 52, 62 f., 74 f., 91, 145 f., 149 f., 161, 164, 185 f., 188, 195 f., 199 – 204, 207 f., 214, 217 – 223, 228, 231, 233, 244 – 247, 249 – 251, 254 – 257, 270, 280, 283, 285 Böhmen 6, 19, 37 – 52, 61 – 63, 145 f., 149, 156, 159, 253, 287 Bonn 5, 197, 213 Brandenburg 45, 74, 144, 161, 182 – 187, 198, 214, 217 f., 240 f., 251, 256, 258, 271, 277, 279, 287 Brandenburg-Ansbach 241 Brandenburg-Kulmbach 241 Braunau 39 Braunschweig 60, 72, 164, 182, 214 Braunschweig-Calenberg 72, 241, 256, 258 Braunschweig-Celle 241, 256 Braunschweig-Lüneburg 72 – 74, 112, 114, 198, 213 f., 217 – 222, 225, 242 – 247, 251, 253 – 255, 270, 284, 286 Braunschweig-Wolfenbüttel 181 f., 287 Bremen 110, 115 Broumov → Braunau Brüssel 88 Burgund 135 f., 266 – 268, 283 Candia 18 Castro 86 f. China 23 Corvey 199 Dänemark 57, 63 – 66, 85 f., 193 f., 283, 287 Den Haag 63 – 65, 86

https://doi.org/10.1515/9783110703795-018

Deutschland → Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Dresden 49, 155 – 157, 159 f., 167, 169 – 171, 240, 286 Eger 41, 57, 59 – 62, 69 Eidgenossenschaft → Schweiz Elsass 26, 98, 145, 267 f., 271 England 44, 63 f., 86, 186 f., 225, 283 Esslingen 123 Fontainebleau 21, 288 Franken 116, 118, 200, 214, 283 Frankfurt (Main) 40 f., 43 – 46, 48 f., 51 f., 115, 163 Frankreich 8 – 11, 15, 17 – 28, 30, 41, 60, 63 – 66, 68 – 75, 85 – 89, 91 – 99, 118, 132 – 139, 141 f., 144 – 148, 150, 168, 179, 182 f., 189, 195 f., 199 – 206, 209, 216, 218, 220 – 223, 225 – 229, 233, 238, 253 f., 256 f., 266 – 271, 275 – 289 Freising 200 Fulda 124 Generalstaaten → Niederlange (Nördliche, Republik) Goslar 57, 59 – 61, 71 f., 75 Gotha 184 Halle (Saale) 183 Hamburg 7, 59, 68 – 71, 73 – 75, 115, 138, 193, 201, 266 Hannover 280, 284, 286 f. Heiliger Stuhl 86 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 5 f., 8 – 11, 20 – 22, 26, 37 f., 40 – 42, 44 f., 47, 49, 51 f., 57 – 59, 61 – 67, 70 f., 73 – 75, 85, 92, 94, 99, 107 f., 110 – 112, 114 f., 118, 121 – 124, 126, 132 f., 135 – 141, 143 – 148, 150 f., 155 – 164, 166 – 169, 171 f., 181 f., 184 – 186, 193 – 195, 197, 200, 202, 204 – 209, 214, 228, 238 – 240, 243, 245, 248 – 252, 254,

300

Ortsregister

257 f., 261 f., 264 – 267, 269 – 272, 275 – 284, 286 – 288 Herford 123 Hessen-Darmstadt 113 f., 165 Hessen-Kassel 70 – 73, 93, 250 Hildesheim 72 Höchst 44 Hohe Pforte → Osmanisches Reich Holland → Niederlande (Nördliche, Republik) Hrob → Klostergrab Innsbruck 40, 232 Iran 29 Italien 64 f., 70, 85 f., 92 – 94, 138 Japan

23

Kandia → Candia Katalonien 96 Kirchenstaat 64 Klostergrab 39 Köln 45, 57, 59 – 61, 69 – 72, 74 f., 86, 201, 221, 246, 264, 280 Kötzschenbroda 162 Kolmar 109 f. Kolumbien 23 Konstantinopel 86 Kreta 18 Kurbayern → Bayern Kurbrandenburg → Brandenburg Kurhannover → Hannover Kurpfalz → Pfalz Kursachsen → Sachsen Kurtrier → Trier Leipzig 65 – 67, 160 Lille 18 Lindau 115 Linz 43 London 86 Lothringen 135 f., 254, 266 – 268 Lübeck 57, 59 – 61, 64 – 66, 69, 73 – 75, 222, 263 Mähren 48 Magdeburg 123, 165, 240 – 242

Mainz 23, 94, 111 f., 118, 120 f., 124, 164, 179, 183, 186, 188, 195 f., 200 – 205, 208 – 210, 214, 217 – 223, 228, 246 – 250, 255 f., 261, 264, 270, 277, 279 – 281 Malta 86 Mantua 64 f., 73, 138 Marburg 165, 219, 221, 224 Marienburg 279 Markusrepublik → Venedig (Republik) Mecklenburg 66, 165 Memmingen 5, 109 Metz 283 Mühlhausen 60 München 46 Münster 8, 19 f., 24 f., 28, 52, 59, 71, 84, 86, 92 f., 95 f., 99, 109, 111, 114, 116 – 118, 121 – 123, 125 f., 131 f., 136 f., 139, 142, 149, 156, 161, 186, 193, 201 f., 204 f., 207, 213, 222 f., 229 f., 249, 253 f., 263 f., 266 – 271, 280, 286 f. Nantes 21 f., 278, 288 Niederlande (Nördliche, Republik) 17, 22, 29, 44 – 46, 63 f., 85, 89, 92, 95 f., 141, 143, 179, 196, 203, 276 – 285, 289 Niederlande (Südliche, Spanische) 45 f., 96 Niederösterreich 43 Niedersachsen 64, 284 Nimwegen 100, 282, 288 Norddeutschland 63, 182 f., 187, 276 – 278, 285 Norditalien 65 Normandie 21 Nürnberg 5, 25 f., 40, 72, 108 f., 111, 115 – 117, 125, 163, 263, 268 f. Oberösterreich 43 Obersachsen 252 Österreich 10, 40, 44 f., 47 f., 70 f., 75, 98, 112 f., 121, 123, 133, 145, 150 – 152, 196, 200, 203 f. Osmanisches Reich 18, 59, 71, 216 Osnabrück 3, 9, 28, 59, 71, 85 f., 92, 107, 109 – 114, 116 – 119, 121 – 126, 131 f., 134, 136 f., 139, 149, 156, 161, 166, 186, 193 – 195, 197 – 199, 201 – 205, 210, 213 f., 218, 220, 222 f., 225 f., 229 f., 237 – 239,

Ortsregister

245 f., 248 f., 251 – 253, 256 – 258, 261 – 268, 270 f. Ostsee 66, 75 Paris 19 – 21, 84, 86, 88, 92, 281 Parma 64 Pfalz 41 f., 44 – 49, 51, 60, 62 f., 71, 75, 94, 144 f., 240, 276, 279 f., 282 – 284, 288 f. Pfalz-Lautern 241 Pfalz-Neuburg 277, 280 f. Pfalz-Simmern 241 Pfalz-Zweibrücken 241 Philippsburg 286 Pirna 67 Polen 66 Pommern 65, 113, 138, 144, 240 Portugal 57, 283 Prag 5 f., 37 – 43, 45, 47 – 52, 57, 59 – 61, 67 – 75, 139, 156, 158 f., 161 – 164, 243, 250 Preußen 276 Regensburg 27, 65, 72 f., 109, 113, 115 f., 138, 163, 222, 281 f. Reich → Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation Reims 29 Rhein 264, 275 f., 279 – 283, 286 Rom 58, 84, 86, 96 Rothenburg 115 f. Rouen 21 Sachsen 10, 38, 41 – 43, 45, 47, 49, 51, 61 f., 65 – 68, 72, 74, 115, 131, 149 f., 155 – 167, 169 – 172, 181 f., 214, 218 f., 240 f., 243, 253, 271, 286 f. Sachsen-Altenburg 11, 107, 122, 124 f., 161, 164 f., 167, 169, 197 f., 209, 214, 217 – 220, 237 – 245, 247, 249 – 258, 270 Sachsen-Gotha 287 Sachsen-Lauenburg 113, 286 f. Sachsen-Weimar 116, 123, 164 f., 214, 240 – 245, 247, 250, 253 – 257 Saint-Germain-en-Laye 20 Salzburg 200, 215, 217 f. Savoyen 64, 124 Schlesien 165

301

Schönebeck (Elbe) 138, 250 Schwaben 118, 264 Schweden 10 f., 17, 25 – 27, 51 f., 57, 59 f., 64 – 75, 85 f., 93, 119 – 121, 123 f., 132, 134 – 139, 142, 144, 146, 162, 164 – 169, 171 f., 181 f., 184, 186 – 189, 193 – 196, 199 f., 202 – 204, 213 – 216, 219 – 223, 225, 229 f., 233, 237 – 258, 261, 265 – 267, 270 f., 281, 283 – 287 Schweiz 283 Serenissima → Venedig (Republik) Seußlitz 162 Siebenbürgen 43, 46 Spanien 8 – 10, 17, 19 f., 22, 24 – 26, 28, 41 f., 44 f., 57, 63, 68 – 71, 75, 85, 88 f., 92 f., 96, 118, 136, 141 – 149, 151, 196, 201, 203 f., 221, 224 f., 238, 254 f., 266 f., 270, 279, 283 Spanische Niederlande → Niederlande (Südliche, Spanische) Stockholm 68 Straßburg 18, 115 f., 214, 217 f., 220, 222, 254, 263, 269, 271 Stuhl Petri → Heiliger Stuhl Sundgau 267 Syrien 29, 194 Tirol 145, 232 Trier 94, 214, 217 f., 220 – 222, 224, 279 Tschechien 40 Türkei → Osmanisches Reich Ulm 255 Ungarn 42 f., 46, 48, 51 USA 186 f. Venedig (Republik) 18, 64, 83 – 86, 88 – 90, 94 – 96, 99 – 101, 266 Vereinigte Niederlande → Niederlande (Nördliche, Republik) Versailles 23 Vossem 277 Weißenburg 115 f. Westfalen 3, 5 f., 8 – 12, 15 – 18, 20, 24 – 26, 28 f., 46 f., 59 – 61, 71, 73, 79, 83 – 86, 88, 92, 94, 96 f., 101, 107, 110, 125, 131,

302

Ortsregister

134, 136 f., 140 – 143, 145, 149 – 151, 155 – 159, 161 – 163, 169 – 171, 179 – 181, 183 f., 187, 193 – 199, 202 f., 207 – 209, 213, 215, 218, 227 f., 230, 232, 237, 241, 261 – 263, 270, 272, 275, 282, 288 Wien 40, 42 f., 59, 84, 146, 160, 229 f., 232 f., 255

Wolfenbüttel 72 Württemberg 165 Würzburg 123, 200, 214, 217 – 221, 244 – 249, 256, 270 Zweibrücken

283

bibliothek altes Reich – baR

303

bibliothek altes Reich – baR herausgegeben von Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal Als ein innovatives, langfristig angelegtes Forum für Veröffentlichungen zur Geschichte des Alten Reichs setzt sich die „bibliothek altes Reich – baR“ folgende Ziele: ‒ ‒ ‒ ‒

Anregung zur inhaltlichen und methodischen Neuausrichtung der Erforschung des Alten Reichs Bündelung der Forschungsdiskussion Popularisierung von Fachwissen Institutionelle Unabhängigkeit

Inhaltliche und methodische Neuausrichtung An erster Stelle ist die Gründung der Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als Impuls für die interdisziplinäre Behandlung der Reichsgeschichte und deren Verknüpfung mit neuen methodischen Ansätzen konzipiert. Innovative methodische Ansätze, etwa aus der Anthropologie, der Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften oder der Kommunikationsforschung, wurden in den letzten Jahren zwar mit Gewinn für die Untersuchung verschiedenster Teilaspekte der Geschichte des Alten Reichs genutzt, aber vergleichsweise selten auf das Alte Reich als einen einheitlichen Herrschafts-, Rechts-, Sozial- und Kulturraum bezogen. Die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ ist daher als Forum für Veröffentlichungen gedacht, deren Gegenstand bei unterschiedlichsten methodischen Zugängen und thematischen Schwerpunktsetzungen das Alte Reich als Gesamtzusammenhang ist bzw. auf dieses bezogen bleibt.

Bündelung der Forschung Durch die ausschließlich auf die Geschichte des Alten Reichs ausgerichtete Reihe soll das Gewicht des Alten Reichs in der historischen Forschung gestärkt werden. Ein zentrales Anliegen ist die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus unterschiedlichen historischen Sub- und Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kunstgeschichte, der Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der Geschichte der Juden, der Landes- und der Rechtsgeschichte sowie den Politik-, Literatur- und Kulturwissenschaften.

Popularisierung von Fachwissen Die „bibliothek altes Reich – baR“ sieht es auch als ihre Aufgabe an, einen Beitrag zur Wissenspopularisierung zu leisten. Ziel ist es, kurze Wege zwischen wissenschaftlicher Innovation und deren Vermittlung herzustellen. Neben primär an das engere Fachpublikum adressierten Monographien, Sammelbänden und Quelleneditionen publiziert die Reihe „bibliothek altes Reich – baR“ als zweites Standbein auch Bände, die in Anlehnung an das angelsächsische textbook der Systematisierung und Popularisierung vorhandener Wissensbestände dienen. Den Studierenden soll ein möglichst rascher und unmittelbarer Zugang zu Forschungsstand und Forschungskontroversen ermöglicht werden.

304

bibliothek altes Reich – baR

Institutionelle Unabhängigkeit Zur wissenschaftsorganisatorischen Positionierung der Reihe: Die „bibliothek altes Reich – baR“ versteht sich als ein grundsätzlich institutionsunabhängiges Unternehmen. Unabhängigkeit strebt die „bibliothek altes Reich – baR“ auch in personeller Hinsicht an. Über die Annahme von Manuskripten entscheiden die Herausgeber nicht alleine, sondern auf der Grundlage eines transparenten, nachvollziehbaren peer-review Verfahrens, das in der deutschen Wissenschaft vielfach eingefordert wird. Band : Lesebuch Altes Reich Herausgegeben von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal . VIII,  S.  Abb. mit einem ausführlichen Glossar. ISBN ----

Band : Siegrid Westphal, Inken Schmidt-Voges, Anette Baumann Venus und Vulcanus Ehen und ihre Konflikte in der Frühen Neuzeit .  S. ISBN ----

Band : Wolfgang Burgdorf Ein Weltbild verliert seine Welt Der Untergang des Alten Reiches und die Generation  . Aufl. . VIII,  S. ISBN ----

Band : Kaiser und Reich in der jüdischen Lokalgeschichte Herausgegeben von Stefan Ehrenpreis, Andreas Gotzmann und Stephan Wendehorst .  S. ISBN ----

Band : Die Reichsstadt Frankfurt als Rechts- und Gerichtslandschaft im Römisch-Deutschen Reich. Herausgegeben von Anja Amend, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich .  S. ISBN ---- Band : Ralf-Peter Fuchs Ein ,Medium zum Frieden‘ Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges . X.  S. ISBN ---- Band : Die Anatomie frühneuzeitlicher Imperien Herrschaftsmanagement jenseits von Staat und Nation Herausgegeben von Stephan Wendehorst .  S. ISBN ----

Band : Pax perpetua Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit Herausgegeben von Inken Schmidt-Voges, Siegrid Westphal, Volker Arnke und Tobias Bartke .  S.  Abb., ISBN ---- Band : Alexander Jendorff Der Tod des Tyrannen Geschichte und Rezeption der Causa Barthold von Wintzingerode . VIII.  S. ISBN ---- Band : Thomas Lau Unruhige Städte Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt ( – ) .  S. ISBN ----

bibliothek altes Reich – baR

Band : Die höchsten Reichsgerichte als mediales Ereignis Herausgegeben von Anja Amend-Traut, Anette Baumann, Stephan Wendehorst und Steffen Wunderlich .  S. ISBN ---- Band : Hendrikje Carius Recht durch Eigentum Frauen vor dem Jenaer Hofgericht (– ) .  S.  Abb., ISBN ----

305

vom . bis . Jahrhundert . ISBN ---- Band : Inken Schmidt-Voges Mikropolitiken des Friedens Semantiken und Praktiken des Hausfriedens im . Jahrhundert .  S. ISBN ---- Band : Frank Kleinehagenbrock Das Reich der Konfessionsparteien Konfession als Argument in politischen und gesellschaftlichen Konflikten nach dem Westfälischen Frieden . ISBN ----

Band : Stefanie Freyer Der Weimarer Hof um  Eine Sozialgeschichte jenseits des Mythos Band : .  S.,  Abb., ISBN ---- Anette Baumann, Joachim Kemper (Hrsg.) Speyer als Hauptstadt des Reiches Band : Politik und Justiz zwischen Reich und Dagmar Freist Territorium im . und . Jahrhundert Glaube – Liebe – Zwietracht .  S. ISBN ---- Konfessionell gemischte Ehen in Deutschland in der Frühen Neuzeit Band : . ISBN ---- Marina Stalljohann-Schemme Stadt und Stadtbild in der Frühen Neuzeit Band : Frankfurt am Main als kulturelles Zentrum im Anette Baumann, Alexander Jendorff (Hrsg.) publizistischen Diskurs Adel, Recht und Gerichtsbarkeit im frühneu- .  S. ISBN ---- zeitlichen Europa .  S. ISBN ---- Band : Annette C. Cremer, Anette Baumann, Eva Band : Bender (Hrsg.) André Griemert Prinzessinnen unterwegs Jüdische Klagen gegen Reichsadelige Reisen fürstlicher Frauen in der Frühen Prozesse am Reichshofrat in den Neuzeit Herrschaftsjahren .  S. ISBN ---- Rudolfs II. und Franz I. Stephan .  S. ISBN ---- Band : Fabian Schulze Band : Die Reichskreise im Dreißigjährigen Krieg Alexander Denzler, Ellen Franke, Britta Kriegsfinanzierung und Bündnispolitik im Schneider (Hrsg.) Heiligen Römischen Reich deutscher Nation .  S. ISBN ---- Prozessakten, Parteien, Partikularinteressen Höchstgerichtsbarkeit in der Mitte Europas

306

bibliothek altes Reich – baR

Band : Anette Baumann Visitationen am Reichskammergericht. Speyer als politischer und juristischer Aktionsraum des Reiches ( – ) .  S. ISBN ---- Band : Volker Arnke „Vom Frieden“ im Dreißigjährigen Krieg. Nicolaus Schaffshausens „De Pace“ und der positive Frieden in der Politiktheorie .  S. ISBN ---- Band : Berndt Strobach Der Hofjude Berend Lehmann ( – ). Eine Biografie .  S. ISBN ---- Band : Stefanie Freyer, Siegrid Westphal (Hrsg.) Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie. .  S. ISBN ---- Band : Jürgen Brand Clemens Wilhelm Adolph Hardung ( – ). Ein letzter Verteidiger des Reiches. Mit einem Faksimile seiner „Staatsrechtlichen Untersuchungen“ aus dem Jahre  .  S. ISBN ---- Band : Anette Baumann, Sabine Schmolinsky, Evelien Timpener (Hrsg.) Raum und Recht. Visualisierung von Rechtsansprüchen in der Vormoderne. .  S. ISBN ----

Band : Christoph Nonnast Sachsen-Altenburg auf dem Westfälischen Friedenskongress. . Ca.  S. ISBN ---- Band : Stefan Seitschek, Sandra Hertel (Hrsg.) Herrschaft und Repräsentation in der Habsburgermonarchie ( – ). Die kaiserliche Familie, die habsburgischen Länder und das Reich. .  S. ISBN ---- Band : Anna Lingnau Lektürekanon eines Fürstendieners. Die Privatbibliothek des Friedrich Rudolf von Canitz ( – ). . Ca.  S. ISBN ---- Band : Astrid Ackermann, Markus Meumann, Julia Schmidt-Funke, Siegrid Westphal (Hrsg.) Mitten in Deutschland, mitten im Krieg. Bewältigungspraktiken und Handlungsoptionen im Dreißigjährigen Krieg. . Ca.  S. ISBN ---- Band : Astrid Ackermann Herzog Bernhard von Weimar. Ein Militärunternehmer und politischer Stratege im Dreißigjährigen Krieg. . Ca.  S. ISBN ----