Der Mißbrauch des Beweisantragsrechts [1 ed.]
 9783428504695, 9783428104697

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MONIKA SPIEKERMANN

Der Mißbrauch des Beweisantragsrechts

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte an der Universität Harnburg

und Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 140

Der Mißbrauch des Beweisantragsrechts

Von

Monika Spiekermann

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Otfried Ranft, Bayreuth

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Spiekermann, Monika:

Der Mißbrauch des Beweisantragsrechts I Monika Spiekermann. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Strafrechtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 140) Zugl.: Bayreuth, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10469-2

D703 Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-10469-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 2000 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth zur Promotion zugelassen worden. Rechtsprechung und Literatur wurden für die Drucklegung bis Dezember 2000 berücksichtigt. Zu danken habe ich vor allem meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Otfried Ranft für die Betreuung meiner Arbeit. Trotz seiner vielfältigen anderweitigen Verpflichtungen gewährte er mir jederzeit die erforderliche Unterstützung, die maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Darüber hinaus beließ er mir während meiner Beschäftigung an seinem Lehrstuhl großzügig Freiräume für meine wissenschaftliche Tätigkeit. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Harro Otto für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Im übrigen möchte ich mich bei Frau Martina Obemdorfer für die professionelle Erstellung der Druckvorlage bedanken. Diese Arbeit widme ich meiner Familie, ganz besonders meinem Vater Dr. Günter Spiekermann sel. A. Bayreuth, im Dezember 2000

Monika Spiekermann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Urteil des BGH vom 07. 11. 1991, BGHSt 38, 111 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

II. Urteil des LG Wiesbaden vom 23. 09. 1994, NJW 1995,409 . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

15

III. Problemaufriß und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

A. Zum Begriff des Rechtsmißbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Begriffsbestimmung anband von Mißbrauchsvorschriften in der StPO . . . . . . . . . . . . .

22

II. Rechtsmißbrauch als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB ...... . ... .. ............. . ... . ................. .. ... . .... . ............... . . . ..

22

III. Der strafprozessuale Mißbrauchsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

B. Der Einßuß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der geltenden Prozeßmuimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

I. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .

26

II. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .

28

2. Zur Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .

29

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips im Strafprozeß . . . . . .. .. . . .. .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . .. .. . . . .. . .. . . . . .

31

1. Problemaufriß . .. .. . .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . .. . . . .. . .. . . .. . . . .. . . . .. . . . . . .. .

31

2. Die Verfahrensziele im Strafprozeß unter besonderer Berücksichtigung rechtsstaatlicher Elemente im Strafverfahren .. . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . .

32

a) Wahrheit und Gerechtigkeit als Doppelziel des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . .

33

aa) Die inhaltliche Ausgestaltung des Verfahrensziels "Wahrheit und Gerechtigkeit" durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . . .. . . .. . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . .. . . . . . .. .

33

8

Inhaltsverzeichnis bb) Zum Konflikt des Rechtsstaatsprinzips mit der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Freiheitsinteresse des Bürgers . ... ... ... . . . . . . . .. . . . ..... ...... .. . .. . .. ..... .. . ..... .. ... . . .. cc) Zur Kritik an dem Strafverfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" . .

36 40

b) Rechtskraft als Verfahrensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

40

c) Rechtssicherheit als Verfahrensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

d) Rechtsfrieden als Verfahrensziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

e) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

44

f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

3. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Beweisantragsrechts im Strafverfahren.. . .................. . ..... . ................ .. .. . ................. . ... .. ..

47

C. Zur Entwicklung und Funkdon des Beweisantragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

I. Die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

l. Die RStPO vom 01. 02. 1877 . .. . ................ . ... . . .... ......... .. .. .. ... . ..

49

2. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts in den 20er Jahren . . . . . . . . . . . .

50

3. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts in den 30er und 40er Jahren . . .

52

4. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts seit 1950 bis heute . . . . . . . . . . . .

54

5. Zusammenfassung .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

II. Zum Begriff des Beweisantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Der Beweisantrag - Begriffsbestimmung und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

a) Der notwendige Inhalt des Beweisantrags im Sinne des § 244 StPO . . . . . . . .

59

b) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

c) Fonn und Zeitpunkt der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

d) Sonderformen des Beweisantrags - Bedingter Beweisantrag und Hilfsbeweisantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

e) Zusammenfassung . ... . . . . .. . . . .. . . . . . . ... . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . .

68

2. Zur Abgrenzung des Beweisantrags von anderen Beweisbegehren . . . . . . . . . . . . . .

68

a) Der Beweisermittlungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

b) Das Beweiserbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

c) Die Beweisanregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

III. Zur Funktion des Beweisantragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Inhaltsverzeichnis

9

D. Zum Umfang der Aufklärunppflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

I. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

ll. Der Umfang der Amtsaufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO und seine

Grenzen.. .. .................... ... ................... . ................... .... . .. ..

79

l. Die Ansicht des Reichsgerichts .. . .. .. . .. . .. .. .. . . . .. .. .. . . .. . .. . .. . .. .. . .. .. .. .

81

2. Die Ansicht der älteren Literatur . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

83

3. Die Ansicht des BGH und der aktuellen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

86

Ill. Zum Verhältnis der Amtsauflclärungspflicht zum Beweisantragsrecht . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Zum Meinungsstand . . . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .

88

a) Die Argumente der Identitätslehre . ... ............. . ....... . .. , . . . . . . . . . . . . .

89

b) Kritische Würdigung der Argumente der Identitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

2. Zusammenfassung . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .

97

E. Zum Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppung gemäß § 244 Abs. 3 S. 2, 6.

Alt. Stro . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

98

I. Zu den einzelnen Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht gemäß § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

1. Die einzelnen Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht .. . . ..... . .. . . .. .. . .. . .. . . .. ..... . ..... . . . ... ... . . . . . .. . . . ... . ........ . .. ..

99

a) Die objektiven Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . .. . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 100 b) Die subjektiven Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Die formellen Voraussetzungen des Ablehnungsgrundes der Verschleppungsabsicht 105 2. Zusammenfassung

107

ll. Die einzelnen Urteile des BGH .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . . .. . .. .. . .. . .. .. .. . 107 l. Die Entscheidungen des BGH, die die Ablehnung von Beweisanträgen wegen Prozeßverschleppung durch die Vorinstanz bestätigt haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Urteil des l. Strafsenats vom 23. 01. 1951 .. .. .. .. . . . .. . . .. .. .. . . . . .. .. .. .. . 108 b) Urteil des 1. Strafsenats vom 10. 04. 1953 .. .. .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. 109

10

Inhaltsverzeichnis c) Urteil des 2. Strafsenats vom 21. 04. 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 d) Urteil des 2. Strafsenats vom 04. 04. 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 e) Urteil des 3. Strafsenats vom 11. 06. 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 f) Urteil des 2. Strafsenats vom 03. 08. 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

g) Urteil des 4. Strafsenats vom 15. 02. 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 h) Urteil des 3. Strafsenats vom 08. 07. 1992.. . .. . ....... ... . . . . . . . . . . . . . . .. . . 117 2. Die Entscheidungen des BGH, die die Ablehnung von Beweisanträgen wegen Prozeßverschleppung durch die Vorinstanz als fehlerhaft gerügt haben . . . . . . . . . 118 a) Urteil des 5. Strafsenats vom 16. 09. 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Urteil des 5. Strafsenats vom 25. 08. 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Urteil des 2. Strafsenats vom 03. 08. 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 d) Beschluß des 4. Strafsenats vom 08. 05. 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 e) Urteil des 4. Strafsenats vom 08. 11. 1968 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 f) Beschluß des 5. Strafsenats vom 06. 02. 1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

g) Urteil des 5. Strafsenats vom 06. 12. 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 124 h) Urteil des 2. Strafsenats vom 09. 12. 1983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 i) Urteil des l. Strafsenats vom 03. 07. 1990. . . . . . .. . ............. . .. .. ... . . . . 127 III. Die Entscheidungen der Obergerichte zum Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht nach§ 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Analyse der Rechtsprechung zum Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht nach§ 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

F. Lösungsansätze zur Sanktionierung eines Rechtsmißbrauchs im Strafverfahren 134 I. Zur Geltung eines ungeschriebenen Mißbrauchsverbots im Strafverfahren . . . . . . . . . 135 l. Die Ansichten des RG und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Die Ansichten der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Unterbindung des mißbräuchlichen Gebrauchs strafprozessualer Befugnisse durch Einführung einer Mißbrauchsgeneralklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 l. Die Argumente für eine Mißbrauchsgeneralklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Inhaltsverzeichnis

11

III. Die Vorschläge Gössels und ihre Würdigung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Die Vorschläge Gössels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Änderung des Beweisantragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Vorschläge zur Neubestimmung des Umfangs der Inquisitionsmaxime. . . .. . 154 c) Beschränkung des Umfangs der revisionsrechtlichen Prüfungsbefugnis . . . . . 155 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Kritische Auseinandersetzung mit den Vorschlägen Gössels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3. Exkurs: Zu den Beteiligungsrechten des Angeklagten im englischen und französischen Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 IV. Zum Einsatz sitzungspolizeilicher Befugnisse gegen Maßnahmen der Konfliktverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 V. Anwaltliebes Standesrecht wider mißbräuchliches Verteidigerverhalten . . . . . . . . . . . . 167 VI. Die Gesetzentwürfe zur Änderung des Beweisantragsrechts in den 90er Jahren . . . . 169 1. Gesetzentwurf des Bundesrates vom 27. 09. 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Zur Kritik am Gesetzentwurf des Bundesrates vom 27. 09. 1991 . . . . . . . . . . . . . . . . 171

G. Eigener Lösungsvorsc:hlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. § 34 StGB und das Beweisantragsrecht - Unterbindung des mißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts durch Rückgriff auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. § 34 StGB als Ermächtigungsgrundlage für hoheitliche Eingriffsakte . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Eigene Stellungnahme zur Eignung von § 34 StGB als Ermächtigungsgrundlage für hoheitliche Eingriffsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Kriterien für die Bestimmung krasser Ausnahmefalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Zu den prozessualen Konsequenzen des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

12

Inhaltsverzeichnis

V. Lösung der Fälle BGHSt 38, 111 und LG Wiesbaden NJW 1995,409 unter Rückgriff auf § 34 StGB .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . 195

l. BGHSt 38, I li . .. .. . .. .. .. .. . .. . .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. . . .. .. .. . . . 196 2. LG Wiesbaden NJW 1995,409 ............................ .. ........ .. ...... .. . 197 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

H. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Anhang ...... .. .................. . ... . .................... . .. . ... . ........... . ... .. ... 203 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . 206 Sac:hwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . .. . . 217

Einleitung Die Problematik des Rechtsmißbrauchs im Strafprozeß ist nicht neu: Bereits im 18. Jahrhundert zur Zeit Friedeich des Großen machte man die Advokatur verantwortlich für die Überlänge von Prozessen. In dem Zusammenhang warf man ihnen einen Mißbrauch ihrer Rechte, wie beispielsweise der Anhäufung irrelevanten Prozeßstoffs1, vor. Doch auch die heutige Rechtslage bietet Möglichkeiten zum Rechtsmißbrauch im Strafverfahren, wie dies Urteile des 4. Strafsenats des BGH vom 07. 11. 1991 2 sowie des LG Wiesbaden vom 23. 09. 19943 beispielhaft zeigen. In beiden Entscheidungen sahen sich die erkennenden Gerichte mit dem Mißbrauch von Verteidigungsrechten durch deren exzessiven Gebrauch konfrontiert4 . Um den Leser zur Problematik der Arbeit hinzuführen, sollen eingangs diese Entscheidungen mit den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalten sowie den Entscheidungsgründen auszugsweise dargestellt werden.

I. Urteil des BGH vom 07.11.1991, BGHSt 38,111 Mit Urteil vom 07. 11. 1991 s hatte der 4. Strafsenat des BGH über eine Revision zu entscheiden, mit der der Angeklagte die unzulässige Beschränkung seiner Verteidigung gemäß § 338 Nr. 8 StPO rügte. Durch Beschluß war ihm seitens der Vorinstanz das unmittelbare Stellen von Beweisanträgen untersagt worden, so daß er diese nur noch über seinen Verteidiger stellen konnte. Dem Beschluß des Landgerichts Dortmund als Vorinstanz lag dabei folgendes prozessuales Verhalten des Angeklagten zugrunde: In der am 07. 10. 1988 gegen den Angeklagten und zwei weitere Mitangeklagte eröffneten Hauptverhandlung wegen Betrugs hatte der Revisionsführer bis zum September 1989 ca. 300 Beweisanträge gestellt. Diese Beweisanträge wurden von ihm zunächst nach Ablegen eines Geständnisses wieder zurückgenommen. Nach Widerruf des Geständnisses am 78. Verhandlungstag kündigte der Verteidiger dem Gericht an, 200 vorbereitete Beweisanträge zu stellen. Im Januar 1990 hatte einer der Mitangeklagten ca. 8.500 schriftliche BeweisanträKrämer, NJW 1995,2313. BGHSt 38, 111 BOHR zu § 244 D1 S. 2 StPO ,,Mißbrauch 1" JR 1993, 169 m. Anm. Scheffier NJW 1992, 1245 NStZ 1992, 140. 3 LG Wiesbaden DRiZ 1994,466 NJW 1995,409 StV 1995, 239. 4 Siehe BGHSt 38, 111; LG Wiesbaden NJW 1995,409. 5 Siehe oben Fn 2. 1

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Einleitung

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ge eingereicht, denen sich der Angeklagte ohne jede Kenntnis von deren Inhalt angeschlossen hatte. Von der zuständigen Strafkammer wurden bis zum Mai 1990 106 dieser Beweisanträge geprüft und abgelehnt. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, aus dem jeweiligen Antragsinhalt, der Art der Antragstellung und deren Abfolge könne der Schluß gezogen werden, daß der Angeklagte durch diese Anträge keine Sachverhaltsaufklärung anstrebe. Ihm sei vielmehr ausschließlich daran gelegen, sein Antragsrecht gröblich zum Zwecke der Verfahrensverzögerung mit dem Ziel zu mißbrauchen, das Verfahren zur Verhinderung eines ihm nicht genehmen Abschlusses durch Urteil zu verzögern, das Gericht zu ermüden und es auf diese Weise zu einer bindenden Zusage für eine von ihm akzeptabel angesehene Strafe zu bewegen. Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte bereits weitere Beweisanträge angekündigt hatte, ging das Tatgericht davon aus, daß er auch in Zukunft dieses Verhalten fortführen werde. Deshalb gab das Gericht dem Angeklagten auf, zukünftig seine Beweisanträge ausschließlich über seinen Verteidiger zu stellen, um eine rechtliche Kontrolle darüber stattfinden zu lassen, ob es sich um sachdienliche Anträge handele6 . Der 4. Strafsenat des BGH verwarf die Revision des Angeklagten als unbegründet, weil nach seiner Auffassung die gegen den Beschluß des LG gerichtete Verfahrensbeschwerde nicht durchdringen konnte. Der erkennende Senat betonte zwar, daß die Strafprozeßordnung weder den Ausschluß des Angeklagten von dem Beweisantragsrecht noch einen allgemeinen Mißbrauchstatbestand vorsehe, sondern lediglich Sonderfalle des Rechtsmißbrauchs, wie den Mißbrauch des Fragerechts in§ 241 StPO oder den Mißbrauch des Verteidigerrechts in§ 138 a Abs. 1 Nr. 2 StPO, explizit regele. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß im Strafprozeß wie in jedem anderen Prozeß auch - ein allgemeines Mißbrauchsverbot bestehe, das den Gebrauch prozessualer Befugnisse zum Erreichen rechtlich mißbilligter Ziele untersage. Aus diesem Grunde billigte der erkennende Senat die Vorgehensweise der Vorinstanz, die das offensichtlich mißbräuchliche Verhalten des Angeklagten allein auf der Grundlage des allgemeinen Mißbrauchsverbots ohne spezielle Eingriffsnorm in der Strafprozeßordnung durch Einschränkungen strafprozessualer Befugnisse unterbunden hatte. Entgegen der Ansicht des Revisionsführers sei damit auch nicht sein Recht, sich umfassend zu verteidigen, in Frage gestellt worden. Das LG habe lediglich verlangt, daß der Angeklagte seine Anträge in Zukunft ausschließlich über seinen Verteidiger zu stellen habe, damit dieser beurteilen könne, ob es sich um sachdienliche Anträge handele. Dem nicht an Weisungen gebundenen Verteidiger könne dies ohne Verkennung des Wesens der Verteidigung zugemutet werden, da der Auftrag des Verteidigers nicht ausschließlich im Interesse des Angeklagten liege, sondern auch im Interesse einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege. Der BGH betonte, daß seitens der Vorinstanz auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im ausreichenden Maße Rechnung getragen wurde, weil dem LG kein milderes Mittel zur Verfügung ge6

Siehe zum Ganzen BGHSt 38, 111.

II. Urteil des LG Wiesbaden vom 23. 09. 1994, NJW 1995,409

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standen habe. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO sehe zwar eine Beweisantragsablehnung wegen Prozeßverschleppung vor, damit könne aber nicht ein mißbräuchliches, weil exzessives Stellen von Beweisanträgen unterbunden werden. Die fragliche Anordnung habe keine unzumutbare Behinderung für die Verteidigung des Angeklagten dargestellt, weil sein prozeßrechtlich unzulässiges Verhalten lediglich in prozeßrechtlich ordnungsgemäße Bahnen gelenkt worden sei7 .

II. Urteil des LG Wiesbaden vom 23. 09. 1994, NJW 1995, 409 Einen Fall von Rechtsmißbrauch hatte auch das LG Wiesbaden in seinem Urteil vom 23. 09. 19948 zu entscheiden, in dem sich das Gericht ebenfalls mit dem exzessiven Gebrauch von Verteidigungsrechten konfrontiert sah. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Staatsanwaltschaft hatte die bereits mehrfach einschlägig vorbestrafte Angeklagte wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs sowie des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte beim Amtsgericht angeklagt. Der Grund ftir die Anklage lag darin, daß sich die Angeklagte anläßlich der Räumung eines u. a. von ihr besetzten, im Eigentum der Stadt W. stehenden, unbewohnten Gebäudes mittels gezielter Fußtritte gegen einen Polizeibeamten ihrer Festnahme entziehen wollte. Aufgrund ihres Geständnisses wurde die Angeklagte im erstinstanzliehen Verfahren, das fünf Verhandlungstage in Anspruch genommen hatte, wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Im übrigen wurde die Angeklagte mangels Beweises freigesprochen. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, um eine Verurteilung der Angeklagten zu einer höheren Strafe sowie die Aufhebung des Freispruchs wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu erreichen. Obwohl das Berufungsgericht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hatte, daß die Angeklagte auch den ihr vorgeworfenen Widerstand gegenüber dem sie festnehmenden Polizeibeamten begangen hatte, wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen9 • Die Strafkammer begründete ihre Entscheidung mit der "Konfliktverteidigung" seitens der Verteidigung. Dabei handele es sich um den Kampf gegen die Rechtsordnung mit den Mitteln des Strafprozesses. Eine derartige Verteidigung sei darauf ausgerichtet, eine ruhige, die Wahrheitstindung fördernde Gerichtsatmosphäre durch ständigen Widerspruch und Kritik am Gericht, durch Befangenheitsanträge, durch Fordern von Pausen und schließlich durch eine Unzahl von Beweisanträgen mit teilweise erfundenen Beweisthemen oder Beweismitteln ebenso zu verhindem wie den Abschluß des Verfahrens in angemessener Zeit. Die Konfliktverteidigung folgerte das Gericht im konkreten Fall zum einen aus dem von der Verteidigung 7

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BGHSt 38, 111. Siehe oben Fn 3. Siehe zum Ganzen LG Wiesbaden NJW 1995, 409.

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Einleitung

gegen die Vorsitzende gestellten Befangenheitsantrag wegen Verlesung eines Vorstrafenregisters eines Zeugen sowie einer größeren Anzahl 10 von Beweisanträgen, mit denen der Abschluß des Verfahrens nach drei Verhandlungstagen in der Berufungsinstanz verhindert werden sollte. Die Verteidigung hätte es weiterhin in der Hand gehabt, das Verfahren immer wieder durch neue Beweisanträge hinauszuzögern. In seiner Machtlosigkeit gegenüber einer derartigen Verteidigungsstrategie sah das Gericht seine Würde in elementarer Weise sowie die Effektivität der Rechtsprechung tangiert. Das Berufungsgericht befürchtete weiter eine Verschwendung von Rechtsgewährungskapazitäten, wodurch andere wichtige Strafverfahren unerledigt blieben. Aus diesem Grund hielt es die Strafkammer bei der derzeit geltenden Rechtslage zur Aufrechterhaltung der Strafrechtspflege für geboten, die Nichtverurteilung der Angeklagten hinzunehmen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, andere Strafverfahren durchführen zu können. Darüber hinaus legte das Berufungsgericht der Staatskasse die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten gemäߧ 473 Abs. 1 StPO auf, weil im Berufungsverfahren eine weitere Verurteilung der Angeklagten nicht erfolgt war11 •

111. Problemaufriß und Gang der Untersuchung Die soeben dargestellten Urteile zeigen deutlich die Problematik auf: Es ist zu beobachten, daß die Gerichte im zunehmenden Maße mit einer auf Verfahrenssabotage ausgerichteten Konfliktverteidigung konfrontiert werden, die zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahrensdauer führt. Für derartige rechtsmißbräuchliche und verfahrensverzögernde Verteidigungspraktiken lassen sich unterschiedliche Gründe anführen: So kann der Angeklagte bestrebt sein, durch eine Vielzahl von Anträgen die Richter zu ermüden, um auf diese Weise einen Verfahrensabschluß durch Urteil überhaupt zu verhindern 12 oder um das Gericht - beispielsweise im Wege einer Verfahrensabsprache - zu einem ihm genehmen Verfahrensabschluß zu bewegen 13• Darüber hinaus haben gerade die Strafverfahren gegen Mitglieder der ,,Rote-Armee-Fraktion" in den 70er Jahren verdeutlicht, daß insbesondere Beweisanträge vielfach von der Verteidigung in Strafverfahren mit politischem Hintergrund dazu mißbraucht wurden, um die Hauptverhandlung als Forum für politisch-ideologische Bekenntnisse zu nutzen. Damit wurde das Strafverfahren selbst als Mittel zum politischen Kampf gegen das "System" mißbraucht 14•

to Aus den Urteilsgründen erhellt sich nicht die genaue Zahl der tatsächlich gestellten Beweisanträge. II Siehe zum Ganzen LG Wiesbaden NJW 1995, 409. 12 Wassermann, NJW 1994, 1106, 1107. 13 LG Dortmund, zit. nach BGHSt 38, 111, 112; KK-Herdegen, § 244 Rn 68.

III. Problemaufriß und Gang der Untersuchung

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Jedoch ist in dem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß der Grund für eine Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer nicht auf den exzessiven Gebrauch von Verteidigungsrechten reduziert werden darf: Vielmehr spielen insoweit auch andere Kriterien eine maßgebliche Rolle, die nicht im Verantwortungsbereich des Verteidigers liegen. So haben empirische Untersuchungen anband ausgesuchter Strafverfahren ergeben, daß die (Über-)Länge einzelner Verfahren auch auf eine mangelhafte Verhandlungsleitung sowie fehlerhafter Behandlung von Prozeßanträgen seitens des Vorsitzenden 15 und/oder auf Fehler im Ermittlungsverfahren 16 insbesondere eine unzulängliche Ermittlung des Sachverhalts - zurückgeführt werden konnte. Darüber hinaus wird auch noch die Desorganisation des gesamten Gerichtsbetriebs für das stetige Ansteigen der Verfahrensdauer selbst in Bagatellverfahren angeführt 17• Im Hinblick auf die Thematik der Arbeit ist auf die zuletzt genannten Gründe für die zunehmende Länge von Strafverfahren jedoch nicht einzugehen. Bezogen auf die verfahrensverzögernde Wirkung eines mißbräuchlichen, weil exzessiven Gebrauchs von Verteidigungsrechten, namentlich des Beweisantragsrechts, muß jedoch aus dem Faktum, daß derartige rechtsmißbräuchliche Strategien von der Verteidigung immer wieder verfolgt werden, die Unzulänglichkeit der bestehenden gesetzlichen Regelung zur Mißbrauchsunterbindung in der strafgerichtliehen Praxis gefolgert werden. Insbesondere die soeben dargestellten Entscheidungen des BGH' 8 und des LG Wiesbaden 19 vermitteln den Eindruck, daß die Strafrichter oftmals vor der Alternative stehen, entweder das Verfahren einzustellen oder unter Rückgriff auf nichtkodifiziertes Recht das Stellen von Beweisanträgen zu unterbinden oder einzuschränken, um nicht hilflos einer auf "Konfliktverteidigung" ausgerichteten Verteidigungsstrategie ausgeliefert zu sein20• Aus diesem Grund mehren sich in jüngster Zeit die Forderungen an den Gesetzgeber, den Gerichten Vorschriften an die Hand zu geben, um gegen den mißbräuchlichen Gebrauch von Verteidigungsrechten - insbesondere des Beweisantragsrechts wirksam vorgehen zu können21 • 14 Breucker, S. 64 ff.; Niemöller, StV 1996,501, 503; siehe insbesondere auch BGHSt17, 28, 29 f. als Beispiel eines Mißbrauchs des Beweisantragsrechts für antisemitische Agitationen sowie BGHSt17, 337,341 ff. und BVerfOE 5, 85, 358 ff. als Beispiele für die Bestrebungen des Angeklagten, durch das Stellen von Beweisanträgen den politischen Kampf in den Gerichtssaal zu verlagern. u So König, AnwBl. 1997, 94 ff., insbes. S. 95 f.; Nehm I Senge, NStZ 1998, 377. 16 So Stern, AnwBl. 1997, 90, 91 ff. 11 Jungfer, AnwBl. 1997,98,99 f. 18 BGHSt 38, lll. 19 LG Wiesbaden NJW 1995, 409. 20 So auch LG Wiesbaden NJW 1995,409,410. 21 So beispielsweise Basdorf, StV 1995, 310; Berg, DRiZ 1994, 380; Fischer, NStZ 1997, 212; Gössel, 60. DJT 1994, Gutachten, C 57; Kintzi, DRiZ 1994, 325; Kröpil, ZRP 1997, 9; ders., JZ 1998, 135; K. Meyer, JR 1980, 219; Niemöller, StV 1996, 501; Rebmann, DRiZ 2 Spiekennann

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Einleitung

Die Regelung des Beweisantragsrechts ist insbesondere im Hinblick auf ihre Möglichkeiten zur Handhabung in zeitlicher Hinsicht unzureichend und vor allem aus diesem Grunde in besonderem Maße mißbrauchsanfällig. Denn aufgrund der Verpflichtung des Gerichts zur Entgegennahme von Beweisanträgen auch über das Ende der Beweisaufnahme hinaus bis zum Beginn der Urteilsverkünduni2 haben es die Verfahrensbeteiligten - insbesondere der Angeklagte und sein Verteidiger in der Hand, den Abschluß eines Verfahrens beliebig hinauszuzögern. Gerade aufgeund § 246 Abs. 1 StPO kann einer mißbräuchlichen Verfahrensverzögerung durch ein Hinausschieben von Beweisanträgen über das Ende der Beweisaufnahme hinaus mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen nicht begegnet werden23 , so daß sich auch insoweit die Frage nach der Notwendigkeit von Reformüberlegungen für diesen Bereich stellt24• Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich näher mit dem Mißbrauch des Beweisantragsrechts im Strafverfahren. Dabei soll insbesondere näher analysiert werden, ob die Gerichte trotz der bestehenden Vorschriften in der StPO zur Ablehnung von Beweisanträgen einem Mißbrauch dieses Rechts tatsächlich hilflos ausgeliefert sind oder ob das geltende Recht nicht doch - bisher ungenutzte - Möglichkeiten zur Mißbrauchsunterbindung bietet. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich fragwürdigen Lösungsansätze des 4. Strafsenats des BGH und des LG Wiesbaden, einen Mißbrauch von Verteidigungsrechten durch Rückgriff auf ein ungeschriebenes Mißbrauchsverbot25 oder im Wege der Verfahrenseinstellung26 zu begegnen, stellt somit neben der Problemanalyse die Entwicklung eines alternativen Lösungskonzepts zur Mißbrauchsunterbindung von Verteidigungsrechten - insbesondere des Beweisantragsrechts - das Ziel der Arbeit dar. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst im Anschluß an die Klärung des Begriffs ,,Rechtsmißbrauch" eine nähere Analyse des Mißbrauchs des Beweisantragsrechts im Strafverfahren sowie der bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Unterbindung eines mißbräuchlichen Gebrauchs dieses Rechts. Im Hinblick auf die enge Verknüpfung von Verfassungsrecht und Strafverfahrensrecht27 ist es erforderlich, in dem Zusammenhang auch auf die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Rechtsgebieten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips näher einzugehen. Des weiteren soll anband einer Analyse ausgesuchter Urteile des BGH und der Obergerichte untersucht werden, ob sich die bestehenden strafprozessualen Re1979, 363; ders., NStZ 1984, 241; Saiger, 60. DJT 1994, M 210; Vogel, NJW 1978, 1217; Weber, GA 1975, 289. 22 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 246 Rn I. 23 So Begründung des Entwutfs eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (strafrechtlicher Bereich), BR-Drs. 633/95, S. 64. 24 BR-Drs. 633/95, S. 64. 2S So BGHSt 38, lll. 26 So LG Wiesbaden NJW 1995,400. 27 So beispielsweise Roxin, § 2 Rn 1.

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III. Problemaufriß und Gang der Untersuchung

gelungen als probates Mittel zur Unterbindung eines mißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts bewährt haben oder ob im Interesse der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege28 tatsächlich Handlungs- und Reformbedarf im Bereich des Beweisantragsrechts besteht. Anschließend sind weitergehende Reformvorschläge, die einem derartigen Mißbrauch begegnen sollen, auf ihre Tauglichkeit und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht - insbesondere mit dem Verfassungsrecht - hin zu untersuchen. Den Schlußpunkt bildet ein eigenständiger Lösungsvorschlag für die hier zu behandelnde Problematik. Die Aktualität der Problematik läßt sich bei der momentanen strafprozessualen Rechtslage nicht von der Hand weisen, selbst wenn das Problem des Rechtsmißbrauchs an sich nicht neu is~9• So ermöglichte der Gesetzgeber den Gerichten mit der Einführung des § 244 Abs. 5 S. 2 StPO durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. 01. 199330 die Ablehnung derjenigen Beweisanträge unter erleichterten Voraussetzungen, mit denen die Vernehmung von Auslandszeugen beantragt wurde. Nach der neuen Regelung stellt nun die Sachaufklärungspflichtwie bei Beweisanträgen auf Augenscheinseinnahme - den allein maßgeblichen Gesichtspunkt für die Ablehnung derartiger Anträge d~ 1 • Damit gilt das Beweisantizipationsverbot, das das Beweisantragsrecht sonst weitgehend beherrscht, insoweit nicht32, so daß Beweisanträgen nur noch die Funktion von Anregungen zukomme3. Durch diese Änderung hat der Gesetzgeber eine bis dahin vom Angeklagten und seinem Verteidiger vielfach praktizierte Möglichkeit zur Verzögerung .des Verfahrensabschlusses durch Ladung eines Auslandszeugen, verbunden mit der Angabe einer unpräzisen oder falschen Ladungsanschrift im Ausland34, unterbunden. Vor der Einfügung des § 244 Abs. 5 S. 2 StPO waren die Gerichte nämlich vielfach gezwungen, der beantragten Zeugenvernehmung stattzugeben und das Verfahren zwecks Ladung des Auslandszeugen auszusetzen. Anderenfalls mußten sie die beantragte Zeugenvernehmung wegen Verfahrensverschleppung gemäß § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO ablehnen, was regelmäßig mit einem hohen argumentativen Aufwand im Hinblick auf den Nachweis der Verschleppungsabsicht des Antragstellers im Ablehnungsbeschluß verbunden w~5 •

Siehe zu diesem Begriff LG Wiesbaden NJW 1995,409,410. Siehe dazu bereits oben S. 13. 30 BGBI. I, S. 50, 51. 31 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 43 f., 63, 78. 32 BGHSt 40, 60; NStZ 1994, 554- jeweils LS -; BT-Drs. 12/ 1217, S. 36. Siehe zur Verfassungsmäßigkeitdes § 244 Abs. 5 S. 2 StPO BVerfG StV 1997, 1, 2 f. 33 Dahs/Dahs, Festschrift für Odersky [1996], S. 317,333. 34 BGH MDR 1982, 768 NJW 1982, 2201 NStZ 1982,406 JR 1983, 35m. Anm. K. Meyer; BGH, BGHR zu § 244 III S. 2 ,,Prozeßverscbleppung 1" Alibizeugen NStE, Nr. 4 zu § 244 Ill StPO - Prozeßverschleppung Anforderung an die Revisionsrüge; für die Obergerichte siehe beispielsweise HansOLG Harnburg JR 1980,32 m. Anm. Gollwitzer. 3S Siehe dazu Greiser I Artkämper, Rn 196; KK-Herdegen, § 244 Rn 86 m. w. N 28

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Einleitung

Erleichterte Beweisführungsmöglichkeiten wurden dariiber hinaus auch für das beschleunigte Verfahren durch das am 01. 12. 1994 in Kraft getretene Verbrechensbekämpfungsgesetz eingeführt. Danach können Beweisanträge zwar uneingeschränkt gestellt werden36; gemäß § 420 Abs. 4 StPO können sie jedoch in Verfahren vor dem Strafrichter ohne die Einschränkungen des § 244 Abs. 3 - Abs. 5 StPO abgelehnt werden37 • Die erleichterte Beweisführungsmöglichkeit des § 420 Abs. 4 StPO wurde durch das Verbrechensbekämpfungsgsetz von 1994 auch im Strafbefehlsverfahren für anwendbar erklärt, § 411 Abs. 2 S. 2 StP038•39 Die ständigen Appelle seitens der Literatur an die Legislative, den Rechtsmißbrauch im Strafprozeß durch den Gebrauch strafprozessualer Befugnisse im allgemeinen sowie im Wege des mißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts im besonderen durch die Aufnahme entsprechender Regelungen in die StPO zu unterbinden40, verdeutlichen zudem die Aktualität der Thematik. Als Reaktion auf diese Appelle wurden in der Vergangenheit verschiedene Gesetzentwürfe zur Bewältigung dieser Problematik ausgearbeitet, die jedoch bisher (noch) nicht in die StPO übernommen worden sinä" 1• Trotz verschiedener Vorschriften in der StPO, die einem Mißbrauch strafprozessualer Befugnisse begegnen oder zumindest diesem vorbeugen sollen42, beschränkt sich die folgende Untersuchung auf den Mißbrauch des Beweisantragsrechts im Strafverfahren. Dies rechtfertigt sich vor allem aus der maßgeblichen Bedeutung des Beweisantragsrechts für den Angeklagten und dessen Verteidiger. Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte und sein Verteidiger durch den Gebrauch dieses Rechts einen erheblichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung nehmen können43 , stellt das Beweisantragsrecht als Ausfluß des Anspruchs auf rechtliches Gehör44 das stärkste und maßgebliche Verteidigungsrecht dar45 • Dariiber hinaus lassen aktuelle Scheffier, NJW 1994, 2191, 2194. Kleinknecht I Meyer-Goßner, § 420 Rn 9 f. 38 Siehe dazu auch BGBI. I, S. 3186,3191. 39 Eine erleichterte Beweisführungsmöglichkeit gilt im übrigen im Privatklageverfahren, § 384 Abs. 3 StPO, im Hauptverfahren in Bußgeldangelegenheiten, § 77 OWiG, sowie im vereinfachten Jugendverfahren, § 78 JGG - str. - s. u., Kapitel D, FN 133. In diesen Verfahren ist die Ablehnung eines Beweisantrags auch möglich, wenn das Gericht die Erhebung des angebotenen Beweises zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält Siehe dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 420 Rn 9 f. 40 Siehe die Nachweise bei Fn 13. 41 BT-Drs. 12/1217, S. 7; 1213832, S. 10; BR-Drs. 633/95, S. 8 f.; BT-Drs. 13/4541, S. 5 (in chronologischer Reihenfolge). 42 So beispielsweise in§§ 29 Abs. 2, 137 Abs. 1 S. 2, 138 a Abs. I Nr. 2, 241 Abs. 1, 257 a StPO, § 67 Abs. 4 S. 2 JGG. Nach Ansicht Niemötlers, StV 1996, 501, gäbe es in der StPO weitere Vorschriften, die Mißbrauch meinten, ohne das Wort zu verwenden, so beispielsweise §§ 26 a Abs. 1 Nr. 3, 244 Abs. 3 S. 2, 245 Abs. 2, S. 3, 266 Abs. 3 S. I StPO. 43 SK/StPO-Schlüchter, § 244 Rn 1. 44 BVerfGE 50, 32- 2. LS - ; 65,305 - LS-. 36 37

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Entscheidungen des BGH eine Tendenz zum Mißbrauch gerade auf diesem Gebiet durch den Angeklagten erkennen46, so daß es geboten ist, sich mit dieser Entwicklung näher zu beschäftigen.

4S So auch A/N/M, S. 371m. w. N.; KMR-Paulus, § 244 Rn 368; Perron,§ 1; Schulz, StV 1991, 354, 358. 46 So beispielsweise BGHSt 38, 111 und LG Wiesbaden NJW 1995,409. So auch Wassermann, NJW 1994, 1106, 1107 zum ,,Stuttgarter Extremistenprozeß"; Dahs, NJW 1994, 909, der darauf hinweist, daß es im Strafverfahren Erscheinungen gäbe, bei denen es schwer falle, das Wort "Sabotage" zu unterdrücken.

A. Zum Begriff des Rechtsmißbrauchs I. Begriffsbestimmung anband von Mißbrauchsvorschriften inderStPO Bevor auf die Thematik ,,Mißbrauch des Beweisantragsrechts" näher eingegangen wird, ist eine Klärung des Begriffs ,,Rechtsmißbrauch" notwendig. Dies ergibt sich schon allein aus dessen semantischer Fragwürdigkeit, da die Begriffe ,,Recht" und ,,Mißbrauch" sich gegenseitig ausschließen. Von Recht kann nämlich an sich keine Rede sein, soweit Mißbrauch betrieben wird, und ein Mißbrauch findet regelmäßig dann nicht statt, wenn jemand sein Recht wahrnimmt 1• Trotzdem ist dem Gesetz der Begriff des Rechtsmißbrauchs nicht unbekannt, wie entsprechende einschlägige Regelungen, beispielsweise §§ 138 a Abs. 1 Nr. 2, 241 Abs. 1 StPO, verdeutlichen. Beide Vorschriften statuieren Konsequenzen für den Fall des rechtsmißbräuchlichen Gebrauchs eines Rechts. Ein Rückgriff auf diese Vorschriften zur näheren Bestimmung des Begriffs ,,Rechtsmißbrauch" ist jedoch nicht möglich, weil diese Normen den Rechtsmißbrauch voraussetzen, ohne ihn näher zu beschreiben (siehe den Wortlaut der§§ 138 a Abs. 1 Nr. 2, 241 Abs. 1 StPO).

II. Rechtsmißbrauch als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB Nach Ansicht der (nicht speziell strafrechtlich ausgerichteten) Literatur ist die Ausübung eines subjektiven Rechts rechtsmißbräuchlich, wenn sie zwar formell dem Gesetz entspricht, jedoch wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls treuwidrig erscheint2 • Eine davon abweichende Terminologie stellt auf den vernünftigen, allgemein anerkannten Verhaltensregeln widersprechenden Gebrauch eines Gegenstandes oder eines Rechts ab3• Beide Definitionen sind jedoch fiir eine Begriffsbestimmung des Rechtsmißbrauchs im Strafverfahrensrecht wenig hilfreich: Zum einen ist das Merkmal der "vernünftigen, allgemein anerkannten Verhaltensregeln" derart unbestimmt, daß eine rechtsstaatlich unabdingbare Abgrenzung rechtsmißbräuchlichen Verhaltens von rechtlich zulässigem Verhalten nahezu ausgeschlossen ist. Zum anderen ist heute anerkannt, daß der Grundsatz von Treu I

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Niemöller, StV 1996, SOl. Creifelds, ,,Rechtsmißbrauch"; nlch (Hrsg.), ,,Rechtsmißbrauch", Bd. 3 R -Z. Deutsches Rechtslexikon, ,,Mißbrauch", Bd. 2 (G - Q).

Il. Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben

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und Glauben, § 242 BGB, nur im Zivilrecht, jedoch nicht im Strafverfahrensrecht Geltung beanspruchen kann4 : In der älteren Literatur wurde von der Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Strafverfahrensrecht zwar unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung sowie dem Umstand, daß sich menschliche Beziehungen ohne ein gewisses Grundvertrauen nicht entfalten könnten5 oder ohne nähere Begründung6 ausgegangen. Gegen die Anwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben im Strafrecht spricht jedoch der Umstand, daß im Hinblick auf die systematische Stellung des § 242 BGB diese Norm lediglich innerhalb von rechtlichen Sonderbeziehungen zwischen den Beteiligten gilt7 • Derartige Sonderbeziehungen, aus denen Treuepflichten des Angeklagten oder seines Verteidigers gegenüber dem Gericht abgeleitet werden könnten, bestehen im Strafverfahren jedoch nicht: Im Gegensatz zum Zivilverfahren thematisiert das Strafverfahren Ereignisse, die sämtliche Vertrauens- und Sicherheitserwartungen der Rechtsgemeinschaft enttäuscht haben8 • Darüber hinaus kann eine dem zivilrechtliehen personengebundenen Treueverhältnis vergleichbare Sonderrechtsbeziehung im Strafverfahren allenfalls im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Gerichts gegenüber dem rechtsunkundigen unverteidigten Angeklagten angenommen werden9 . Aufgrund des Wesens des Strafverfahrens als "Kampf des Beschuldigten gegen den Anklagevorwurf' 10 korrespondiert dieser Fürsorgepflicht des Gerichts jedoch keine Mitwirkungs- und Prozeßförderungspflicht des Angeklagten 11 • Im übrigen stellt die Verpflichtung des Gerichts gegenüber dem Angeklagten zur Faimeß und (Prozeß-)Fürsorge keine Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar, sondern ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip 12• Eine Einschränkung der Verteidigungsrechte des Angeklagten unter Loyalitätsgesichtspunkten verbietet sich im übrigen auch deshalb, weil die StPO den weitestgehenden staatlichen Zwang regelt, der unter dem Grundgesetz möglich ist. Damit ist aber die Vorstellung unvereinbar, die Ausübung von Verteidigungsrechten durch den Angeklagten unter Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 242 BGB als unzulässig anzusehen 13 • Gegen die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben 4 Zur Garantenpflicht aus Treu und Glauben,§ 242 BGB, siehe Ranft, Jura 1992, 66, 67 m. w. N, der die Ableitung einer Garantenposition aus einfachen schuldrechtlichen Pflichten ablehnt. s So Fuhrmann, NJW 1963, 1230, 1232. 6 Jescheck, JZ 1952, 400, 403 a. E. 7 Palandt-Heinrichs, § 242 BGB Rn 6. s Weber, GA 1975, 289, 292. 9 Weber, GA 1975, 289, 294. IO KMR-Sax, Einl. X Rn 77, der darauf hinweist, daß mit der Anerkennung einer derartigen Mitwirkungs- und Prozeßförderungspflicht das Wesen des Strafverfahrens verkannt werde; in dem Sinne auch Einl. I Rn 10; Einl. IV Rn 19. II So aber BGHSt 38, 111, 114; dagegen Scheffier, JR 1993, 169, 171. 12 KMR-Sax, Einl X Rn 77. 13 Kempf, StV 1996,507,509. In dem Sinne aber BGHSt 38, 111, 114.

A. Zum Begriff des Rechtsmißbrauchs

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im Strafrecht spricht auch, daß es aufgrund der stigmatisierenden Wirkung einer Verurteilung in einem Strafverfahren für den betroffenen Bürger schwerwiegendere Konsequenzen hat als das Zivilrecht 14. Aus diesen Gründen ist eine Anwendbarkeit des § 242 BGB auf strafprozessuale Rechte nicht möglich, so daß das Recht des Angeklagten auf umfassende Verteidigung nicht unter Loyalitätsgesichtspunkten eingeschränkt werden darf15.

Iß. Der strafprozessuale Mißbrauchsbegriff Gilt damit der (zivilrechtliche) Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, nicht für die am Strafverfahren Beteiligten sowie die Ausübung ihrer Beteiligungsbefugnisse16, so ist ein Rechtsmißbrauch im Strafverfahren trotzdem möglich. In diesem Zusammenhang ist nämlich anerkannt, daß sich der Begriff des Rechtsmißbrauchs nicht nur auf Verhaltensweisen beschränkt, die einer anderen Person gegenüber treuwidrig sind 17• Vielmehr kann es gerade im Prozeß Verhaltensweisen geben, die trotz Fehlens personenbezogener Pflichten zur Rücksichtnahme den Zielen des Strafprozesses zuwiderlaufen und deshalb als rechtsmißbräuchlich zu qualifizieren sind - institutioneller Rechtsmißbrauch 18. Danach wird ein Recht mißbraucht, wenn es nicht zu der vom Gesetz gewollten lnteressenförderung, sondern zwecks Erreichens mißbilligenswerter Ziele ausgeübt wird 19. Dieser- vornehmlich von der zivilrechtliehen Rechtsprechung und Literatur entwickelte - institutionelle Rechtsmißbrauchsbegriff wurde auch von der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur übernommen. Ein Mißbrauch strafprozessualer Rechte liegt damit nach der heute einhelligen Auffassung regelmäßig vor, wenn ein Verfahrensbeteiligter ein Recht, das ihm die StPO zur Wahrung seiner verfahrensrechtlichen Belange einräumt, ausschließlich gezielt zur Verfolgung verfahrensfremder Zwecke verwendet20• Lediglich eine terminologische Variante, jedoch anSchlüchter, Gedächtnisschrift für K. Meyer [1990], S. 445,460. 1s Herdegen, NStZ 2000, 1, 3 f.; KMR-Sax, Einl. X Rn 77 f. m. w. N.; Kempf, StV 1996, 507, 508 f.; Schlüchter, Gedächtnisschrift für K. Meyer [1990], S. 445, 453; Solbach, DRiZ 14

1979, 181, 182. 16 Siehe soeben oben ß. a. E. 17 Weber, GA 1975,289,295. 18 Weber, GA 1975, 289, 295; Zeiss, S. 153 f. 19 Zeiss, S. 154; in dem Sinne auch BGHZ 3, 103 f.; Gernhuber, Festschrift für SchmidtRimpler [1957], S. 151, 155, der Rechtsmißbrauch als Auslegungsproblem qualifiziert; Rüping/Domseifer, JZ 1977,417,418. 20 So bereits RGSt 65, 304, 305; siehe auch BGHSt 38, lll, 113; StV 1991, 99, 100; KG JR 1971, 338; Fischer, NStZ 1997, 212, 215; KK-Pfeiffer, Eint. Rn 22 a; Kröpil, JR 1997, 315, 317; ders., JZ 1998, 135; Kudlich, S. 21; LR-DUnnebier (23. Aufl.), § 138 a Rn 25; LRGollwitzer, vor§ 226 Rn 49, 51; ders., § 241 Rn 2; LR-Lüderssen, § 138 a Rn 116; Niemö1ler, StV 1996, 501, 502; Perron§ 2 II. C. 3. dd); Peters, JR 1971, 340; Rüping, Kap. 1, 4. a); Rüping/Domseifer, JZ 1977, 417, 418, die den Begriff des .,dysfunktionalen Verhaltens"

ßl. Der strafprozessuale Mißbrauchsbegriff

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sonsten bedeutungsgleich, stellt diejenige Begriffsbestimmung dar, die unter Rechtsmißbrauch im Strafprozeß den Gebrauch von Handlungsbefugnissen - namentlich von Antrags- und Erklärungsrechten - zu ausschließlich anderen als den ihrer Bestimmung entsprechenden Zwecken verstehe 1• Beide Begriffsbestimmungen knüpfen an die Zweck- oder Verfahrenswidrigkeit der Rechtsausübung an22• Fraglich ist jedoch der Bezugspunkt des Zweck- oder Verfahrenswidrigkeitsvorwurfs. Soweit Gegenstand der Mißbrauchsprüfung der Gebrauch einer einzelnen (Befugnis-)Norm ist, kann insoweit ausschließlich der mit der Norm verfolgte Zweck maßgeblich sein. Jedoch erschließt sich der Zweck einer (Befugnis-)Norm wesentlich aus den Zielen und Zwecken des Strafverfahrens als Ganzes23 • Ob eine Rechtsausübung tatsächlich zweck- oder verfahrenswidrig ist, hängt somit maßgeblich von den Zielen und Zwecken ab, die im Strafverfahren verfolgt werden. Damit wird zugleich die Unzulänglichkeit beider Definitionen eines Rechtsmißbrauchs im Strafverfahren augenfällig: Beide Definitionen knüpfen nämlich an Verfahrensziele an, ohne diese näher zu beschreiben24• Aus diesem Grunde sind beide Begriffsbestimmungen in der Praxis nur handhabbar, wenn man zuvor die Ziele des Strafverfahrens festgelegt hat. In dem Zusammenhang ist jedoch problematisch, daß sich bisher in der Literatur über das Ziel oder die Ziele des Strafverfahrens keine einheitliche Auffassung gebildet hat. Auf diesen Aspekt ist zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher einzugehen. Festzuhalten bleibt zunächst, daß weder der im Zivilrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, noch die jeweiligen Normen in der Strafprozeßordnung, die den Mißbrauch strafprozessualer Befugnisse sanktionieren, zur Bestimmung des Begriffs ,,Rechtsmißbrauch" im Strafverfahren herangezogen werden können. Rechtsprechung und herrschende Meinung in der strafprozeßrechtlichen Literatur nehmen einen Rechtsmißbrauch im Falle des Gebrauchs strafprozessualer Befugnisse zu ausschließlich verfahrensfremden Zwecken an. Um diese Definition in der gerichtlichen Praxis handhabbar zu machen, ist es jedoch erforderlich, Ziele und Zwecke des Strafverfahrens näher zu bestimmen.

einer Prozeßpartei prägen; Wagner, JuS 1972, 315, 316; Weber, GA 1975, 289, 295 f., der zwischen objektivem und subjektivem institutionellen RechiSmißbrauch differenziert. 21 Niemöller, StV 1996, 501, 502; Kudlich, S. 21. 22 Siehe soeben die einzelnen - lediglich terminologisch voneinander abweichenden - Definitionen und Kempf, StV 1996,501,502. 23 In dem Sinne auch Tiedemann, Festgabe Karl Peters [1984], S. 131, 142, der auf die interpretatorische Rückwirkung der Zielbestimmungen im Strafprozeß auf die Befugnisse der Verfahrensbeteiligten verweist. 24 Siehe zu diesem Kritikpunkt Kröpil, JZ 1998, 135.

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der geltenden Prozeßmaximen I. Problemaufriß Hinsichtlich der Wechselwirkung zwischen Verfassungsrecht und Strafverfahrensrecht stellte der 4. Strafsenat des BGH in einem Urteil vom 21. 02. 19641 lapidar fest, daß das Strafverfahrensrecht zu Recht als "angewandtes Verfassungsrecht" angesehen werde2• Die enge Verknüpfung von Strafverfahrensrecht und Verfassungsrecht zeigt sich auch deutlich an Formeln, die das Strafverfahrensrecht als "Seismograph der Staatsverfassung"3 , als "Kolonie des Verfassungsrechts"4 oder die StPO als "Ausführungsgesetz des Grundgesetzes"5 apostrophieren. Für die Prägung des Strafverfahrensrechts durch das Verfassungsrecht können verschiedene Gründe angeführt werden: Die Bestrafung des Täters stellt einen besonders einschneidenden staatlichen Eingriff dar, weil der Strafanspruch des Staates und das Freiheitsinteresse des beschuldigten Bürgers unmittelbar miteinander kollidiecen6 • Deshalb kann die Ausübung staatlicher Strafgewalt ausschließlich im Rahmen eines rechtsstaatliehen Verfahrens erfolgen7 • Da das Strafprozeßrecht unmittelbar hoheitliche Befugnisse des Staates gegenüber seinen Bürgern regelt8 sowie aufgeund der Tatsache~ daß das Recht zu strafen in unserer Rechtsordnung dem Staat vorbehalten ist9 , stellt die Ausübung der Strafgewalt Staatsgewalt dar10• Dies gilt trotz Art. 20 Abs. 2 GG, nach dem in einem demokratischen Staat alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Die Regelung des Art. 20 Abs. 2 GG führt lediglich dazu, daß der Staat die (Straf-)Rechtspflege im Auftrag des Volkes sowie in Verantwortung

BGHSt 19, 325. BGHSt 19,325, 330m. w. N. 3 Roxin, § 2 Rn 1. 4 Arzt, Gedächtnisschrift filr Annin Kaufmann [1989], S. 839, 847; Sax, in: Bettennann/ Nipperdey I Scheuner, S. 909, 967. s KMR-Sax, Eint. II Rn 12; bestätigend BGHSt 19,325,330. 6 Niemöller/Schuppert, AöR 107 [1982], 387,389. 7 Niemöller/Schuppert, AöR 107 [1982], 387,389. a Ranft, Rn 28. 9 Roxin, § I Rn 2. to Gössel, Gutachten, C 22. t

2

I. Problernaufriß

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vor dem Volk ausübt. Dies verdeutlicht beispielsweise auch § 268 StPO, nach dem Urteile im Namen des Volkes ergehen 11 • Auf die Wechselwirkung zwischen Verfassungsrecht und Strafverfahrensrecht unter Berücksichtigung der geltenden Prozeßziele ist im folgenden näher einzugehen. Die Notwendigkeit der Erörterung ergibt sich aus dem Umstand, daß die bestehende gesetzliche Regelung des Beweisantragsrechts umfassend und zutreffend nur dann beurteilt werden kann, wenn die Ziele des Strafverfahrens geklärt sind sowie die verfassungsrechtlichen Aspekte erkannt werden, die den einzelnen Regelungen zugrunde liegen. Von noch größerer Bedeutung sind diese beiden Aspekte hinsichtlich möglicher Reformvorschläge für den Bereich des Beweisantragsrechts. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen - in concreto rechtsstaatliehen -Aspekt ist zu berücksichtigen, daß zwei Elemente des Rechtsstaatsprinzips miteinander in Einklang zu bringen sind: Zum einen stellt vor allem das Beweisantragsrecht in Anbetracht des Anspruchs des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliebes Verfahren als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips 12 eine notwendige aktive verfahrensrechtliche Befugnis dar13, so daß eine Beschränkung dieses Rechts im Wege einer Reform verfassungsrechtlich bedenklich sein kann. Zum anderen entnimmt das Bundesverfassungsgericht seit seiner Entscheidung zum Zeugnisverweigerungsrecht der Sozialarbeiter gemäß § 53 StPO vom 19. 07. 197214 dem Rechtsstaatsprinzip das Postulat der funktionstüchtigen Strafrechtspflege 15 • Aufgrund der Tatsache, daß die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege den Gerichten obliegt, lassen sich Reformvorschläge, die das Beweisantragsrecht des Angeklagten zum Gegenstand haben, nicht nur unter diesem Aspekt rechtfertigen, sondern können sogar verfassungsrechtlich geboten sein. Dies gilt vor allem dann, wenn die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege beispielsweise durch den exzessiven Gebrauch von Verfahrensrechten - ernstlich bedroht wird. Im Hinblick darauf, daß beide Aspekte - Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege sowie der Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliebes Verfahren - als Postulate des Rechtsstaatsprinzips dem Schutz gegenläufiger Interessen dienen, besteht die Gefahr eines ,,In-sich-Konflikts" des Rechtsstaatsprinzips, dem eine gesetzliche Reform des Beweisantragsrechts Rechnung tragen muß. Im folgenden Abschnitt soll auf beide Aspekte - Ziele des Strafverfahrens sowie den Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren - näher eingegangen werden. Dabei ist insbesondere die Wechselwirkung zwischen dem Postulat der Peters, § 4 I 3 a. Siehe zu diesem Aspekt BVerfGE 26, 66, 71; 38, 105. 13 Siehe zur Notwendigkeit eines Mindestbestands an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen des Angeklagten im Hinblick auf dessen Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren BVerfGE 57,250,275. 14 BVerfGE 33, 367 ff. u BVerfGE 33, 367, 383. II

12

28

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

funktionstüchtigen Strafrechtspflege sowie dem Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren als wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips unter besonderer Berücksichtigung der in beiden Aspekten angelegten Spannungen aufgrund des Schutzes gegenläufiger Interessen näher zu erörtern. Insoweit ist für die sachgerechte, verfassungsrechtliche Einordnung des hier angesprochenen Problems geboten, zunächst den Rechtsstaatsbegriff des Grundgesetzes näher zu erläutern. Daran wird sich eine Darstellung der Verfahrensziele des Strafprozesses unter besonderer Berücksichtigung maßgeblicher rechtsstaatlicher Elemente im Strafverfahren sowie des soeben skizzierten, im Rechtsstaatsprinzip angelegten Konflikts anschließen. Im Hinblick auf die Thematik der Arbeit bildet eine Darstellung der verfassungsrechtlichen Verankerung des Beweisantragsrechts den Abschluß.

II. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes 1. Einleitung Es wurde eingangs bereits erwähnt, daß die Ausübung der Strafgewalt durch den Staat im Rahmen eines rechtsstaatliehen Verfahrens erfolgen und damit rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen mu8 16• Soweit man im Grundgesetz nach einer Vorschrift sucht, die die Geltung des Rechtsstaatsprinzips als Grundlage der staatlichen Ordnung und Machtausübung auf Bundesebene statuiert, wird man feststellen, daß eine ausdrückliche Regelung fehlt 17 • Lediglich Art. 28 Abs. I GG erwähnt das Rechtsstaatsprinzip hinsichtlich der verfassungsmäßigen Ordnung der Länder. Diese Norm stellt zwar die einzige Bestimmung in der Verfassung dar, die den Begriff des Rechtsstaats ausdrücklich erwähnt. Es wird gleichwohl als unstrittig angesehen, daß das Rechtsstaatsprinzip auch auf Bundesebene Geltung beansprucht. Dies gilt trotz des Umstandes, daß in Art. 20 Abs. I GG, der die Staatszielbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland partiell aufführt, das Rechtsstaatsprinzip als Staatsstrukturprinzip nicht ausdrücklich genannt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt das Rechtsstaatsprinzip jedoch einen elementaren Verfassungsgrundsatz dar18, der zu den allgemeinen Grundsätzen und Leitideen des Grundgesetzes zählt19• Die Geltung dieses Prinzips trotz Fehlens einer dem Art. 28 Abs. I GG korrespondieren Vorschrift auf Bundesebene kann vor allem daraus geschlossen werden, daß das Grundgesetz zahlreiche Einzelbestimmungen enthält, die die vielfachen Aspekte des Rechtsstaatsprinzips auf Bundesebene festschreiben, wie beispielsweise die Grundrechtsbindung der drei Gewalten, Art. I Abs. 3 GG, der Gerichtsschutz gegen Rechtsverletzungen der 16

17 18

19

Siehe oben I. S. 26 f. In diesem Sinne auch M-0-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 1. BVerfGE 30, 1, 24 f. BVerfGE 2, 380, 403; siehe auch Katz, Rn 162 ff.

II. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes

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öffentlichen Gewalt, Art. 19 Abs. 4 GG, Gewaltenteilung und Gesetzesbindung, Art. io Abs. 3 GG, die Verfassungsgerichtsbarkeit, Art. 93 GG, eine unabhängige Justiz, Art. 97 Abs. 1 GG20. Damit begegnen dem Geltungsanspruch des Rechtsstaatsprinzips auf Bundesebene trotz Fehlens einer ausdrücklichen, Art. 28 Abs. 1 GG vergleichbaren Regelung keine Bedenken.

2. Zur Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs Das Rechtsstaatsprinzip stellt- im Gegensatz zum Demokratie-, Bundesstaatsund republikanischen Prinzip - ein Spezifikum deutscher Verfassungsentwicklung d~ 1 . Der Begriff selbst ist um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert aufgekommen22. Mit ihm wandte sich das freiheitliche Bürgertum gegen den obrigkeitlichen Fürstenstaat23. Unter dem Begriff des ,,Rechtsstaats" wurde zunächst der .,Staat der Vemunft"24

verstanden. Der Kern der Rechtsstaatsidee bestand in der rechtlichen Bindung und Mäßigung der Staatsmacht sowie in dem Schutz der persönlichen Freiheit des Bürgers25. Gleichzeitig bedingte das Verständnis des Staates als .,Vemunftsrechtsstaat"26 ein Abrücken von überkommenen Staatsvorstellungen, so daß der Staat nicht mehr als göttliche Stiftung oder Ordnung angesehen wurde, sondern als gemeines Wesen - res publica27. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieses liberale Rechtsstaatsverständnis zugunsten der Lehre vom .,formellen Rechtsstaat" Rechtspositivismus- aufgegeben28 . Der Begriff des Rechtsstaats wurde auf bloß formale Prinzipien reduziert, wie beispielsweise auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder auf die Gewährleistung des Verwaltungsrechtsschutzes durch unabhängige Gerichte. Otto Mayer charakterisierte den damaligen Rechtsstaat als .,tunliehe Justizformigkeit der Verwaltung"29 und als .,Staat des wohlgeordneten Verwaltungsrechts"30. Dieses Verständnis vom Rechtsstaat im .,formellen Sinne" galt bis zum Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft31 . So enthielt die 20 21

54.

Seifert I Hömig, Art. 20 Rn 9. M-D-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 21; Böckenförde, Festschrift für A. Arndt [1969], S. 53,

22 Scheuner, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Juristentag [1960], S.229. 23 Katz, Rn 159. 24 So wörtlich Welcker, S. 25. 2S Scheuner, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Juristentag [1960], S.229. 26 Siehe zu diesem Begriff Katz, Rn 159. r7 Böckenförde, Festschrift fUr A. Arndt [1969], S. 53, 55; Katz, Rn 159. 28 Katz, Rn 159. 29 0 . Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. I, S. 58. 30 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. I, S. 62.

30

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

Weimarer Reichsverfassung zwar den Begriff des Rechtsstaats nicht ausdriicklich, sie war aber den Ideen des damaligen Rechtsstaatsverständnisses verpflichtet, was sich insbesondere an der verfassungsmäßigen Gewährleistung der Gerichtsbarkeit (Art. 102 ff. WRV) sowie der Grundrechte und Grundpflichten zeigte (Art. 109 ff. WRV)32. Die Schreckens- und Terrorherrschaft der Nationalsozialisten trug maßgeblich zu einem neuen Rechtsstaatsverständnis des Grundgesetzes bei, das sich nun nicht mehr einseitig nur auf formelle Aspekte beschränkte, sondern auch materielle Gesichtspunkte33 sowie ein Bekenntnis zum sozialen Rechtsstaat beinhaltete34 • Gerade die schrecklichen Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Gewaltregime haben die Unzulänglichkeit des bloß formellen Rechtsstaatsverständnisses der Weimarer Reichsverfassung gezeigt, das sich allgemein auf Institute zur Disziplinierung der Staatsgewalt, insbesondere durch Gewaltenteilung, "Primat des Rechts", d. h. Selbstbindung des Staates an die Rechtsordnung35 , den Gesetzesbegriff, Vorbehalt des Gesetzes, Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit staatlichen Handeins sowie dessen gerichtlicher Kontrolle36 reduzieren läßt. Dies hatte beispielsweise zur Konsequenz, daß die in der Geschichte präzedenzlosen, an grausamer Realität durch nichts zu überbietenden Verbrechen der Nationalsozialisten37 im Einklang mit dem damals geltenden Rechtsstaatsverständnis standen, da sie sich vielfach auf Gesetze stützen konnten, die trotz ihres offensichtlich menschenverachtenden und ungerechten Inhalts formal einwandfrei zustande gekommen waren38. Damit wurde augenfällig, daß nicht nur die Form staatlichen Handelns, sondern auch dessen Inhalt rechtsstaatliehen Grundsätzen entsprechen muß. Aus diesem Grunde basiert das Rechtsstaatsverständnis des Bonner Grundgesetzes nun auf einer Verbindung formeller und materieller Aspekte, insbesondere der Bindung staatlicher Gewalt an bestimmte oberste Rechtsgrundsätze und -werte sowie an die Gewährleistung und unmittelbare Geltungskraft von Grundrechten39. Auch wenn in der verfassungsrechtlichen Literatur zwischen formeller und materieller Rechtsstaatlichkeit differenziert wird40 und das Bundesverfassungsgericht, M-D-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 16. Schmidt-Aßmann, in: lsensee/ Kirchhof, Bd. I, § 24 A II Rn 15. 33 So ausdrücklich BVerfGE 57, 250, 275; siehe beispielsweise auch BVerfGE 7, 89, 92 zur materiellen Richtigkeit bzw. Gerechtigkeit als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips. 34 Hesse, Rn 183. 35 Hesse, Rn 195. 36 Siehe zu den einzelnen Aspekten M-D-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 16; Maunz/Zippelius, § 13 III. 37 Primor, S. 24 38 Gössel, Gutachten, C 23. 39 Böckenforde, Festschrift für A. Amdt [1969], S. 53,72 ff. 40 So beispielsweise Hesse, Rn 192; Katz, Rn 163 ff.; M-D-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 20; Schmidt-Aßmann, in: lsensee/Kirchhof, Bd. I, § 24 A III 1; v. Münch, Der Staat 1994 [Bd. 33], 165, 171; Schnapp, in: v. Münch, Art 20 Rn 22. 31

32

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

31

ohne zu der Begrifflichkeil ausdrücklich Stellung genommen zu haben, sich in Entscheidungen teilweise ausdrücklich auf das materielle Rechtsstaatsprinzip bezieht41 oder auf materielle Elemente des Rechtsstaatsprinzips- wie beispielsweise die materielle Gerechtigkeit - hinweist42, ist diese Unterscheidung von keinerlei praktischer Relevanz43 . Das rechtsstaatliche Prinzip des Grundgesetzes als wesentliches Strukturprinzip der Verfassung44 beinhaltet eine unlösbare Verbindung von Form und Inhalt - also Elemente der formellen und materiellen Rechtsstaatlichkeit45. Wie oben bereits dargelegt46, nahm das Grundgesetz aus historischen Gründen binsichtlich des Rechtsstaatsverständnisses eine Umorientierung zu bestimmten materiellen Grundwerten der Verfassung vor. Damit war die Absage an ein Rechtsstaatsverständnis verbunden, das den Rechtsstaat auf einen reinen Gesetzesstaat reduzierte, wie dies beispielsweise durch die Nationalsozialisten und andere totalitäre Regime der Vergangenheit und Gegenwart erfolgt ist und regelmäßig zu einer Pervertierung des Rechtsstaats(begriffs) geführt hat bzw. führt.

111. Zu den Zielen des Strafverfahrens unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips im Strafprozeß 1. Problemaufriß Die Frage nach den Zielen und Aufgaben des Strafverfahrens stellt sich immer dann, wenn die Reform einzelner Verfahrensvorschriften zur Diskussion steht47. Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß das Strafprozeßrecht eine komplexe Materie darstellt, die von einer gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Verfahrensvorschriften untereinander sowie von den möglichen Zielen des Strafverfahrens geprägt ist48. Im Hinblick auf diese Abhängigkeit besteht die Gefahr, daß die Änderung einzelner Verfahrensvorschriften zu einer Unvereinbarkeit mit anderen Vorschriften führt, dies wiederum den Verfahrensablauf beeinträchtigt oder sogar verhindert und damit die vom Strafverfahrensrecht verfolgten Ziele unerreichbar werden49. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, vor der Ausarbeitung und Erörterung von Reformvorschlägen in Bezug auf die Strafprozeßordnung, die Ziele und Auf41

42 43 44

4S 46 47 48

49

So in BVerfGE 57, 250, 275- ,.V-Mann-Entscheidung". So beispielsweise in BVerfGE 7, 89, 92; 20,323, 331; 35, 41, 47. So auch M-D-H-S-Herzog, Art. 20 Rn 15. BVerfGE 2, 380, 403; 30, 1, 24 f. Berg, Rn 164; Stern, Bd. I, S. 775. Siehe soeben vorangegangener Absatz. Weber-Klan, S. 40 m. w. N. Gössel, Gutachten, C 7. Gössel, Gutachten, C 7.

32

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

gaben des Strafverfahrens näher zu spezifizieren. Anderenfalls läßt sich keine tragfaltige Grundlage für eine Refonn des Strafverfahrensrechts finden50• Ein Eingehen auf die Frage nach den Aufgaben des Strafverfahrens ist auch deshalb notwendig, weil - wie oben gesehen - die herrschende Meinung im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs ,,Mißbrauch"51 strafprozessualer Befugnisse an die Verfahrensziele des Strafprozesses anknüpft, ohne diese näher zu präzisieren52• Das Verhalten einzelner Verfahrensbeteiligter kann jedoch erst dann unter den von der herrschenden Meinung vertretenen Mißbrauchsbegriff im Strafverfahren subsumiert werden, wenn Klarheit über die Ziele des Strafprozesses besteht. Hinsichtlich der Frage, ob das Strafverfahren die Verwirklichung eines einzigen Zieles oder verschiedener Ziele verfolgt und welche Ziele dies konkret sind, werden unterschiedliche Ansichten in der Literatur vertreten. Die einzelnen Auffassungen zu diesem Themenkomplex sollen im folgenden dargestellt und einer Würdigung unterzogen werden.

2. Die Verfahrensziele im Strafprozeß unter besonderer Berücksichtigung rechtsstaatlicher Elemente im Strafverfahren Im folgenden Abschnitt sollen - wie oben53 bereits dargelegt - die Verfahrensziele im Strafprozeß unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses rechtsstaatlieber Elemente auf das Strafverfahren dargestellt werden. Es wurde eingangs54 be" reits darauf hingewiesen, daß die Frage nach den Verfahrenszielen im Strafprozeß nicht einheitlich beantwortet wird. Es fallt jedoch auf, daß sich die einzelnen Ansichten in Teilaspekten decken und sogar einzelne Verfahrensziele ein anderes Verfahrensziel notwendigerweise mitumfassen. Die Notwendigkeit einer Darstellung der einzelnen Strafverfahrensziele im Zusammenhang mit der Umsetzung des Rechtsstaatsprinzips im Strafverfahren ergibt sich daraus, daß beide Aspekte nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Vielmehr werden die jeweiligen Strafverfahrensziele durch die einzelnen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips im Strafverfahren inhaltlich näher spezifiziert.

Rieß, Festschrift für Schäfer [1980], S. 155, 168. Siehe zum Mißbrauchsbegriff der herrschenden Meinung, Kapitel A m. s2 Kröpil, JZ 1998, 135 und oben Kapitel A m. a. E. sJ Kapitel B I. a. E. S4 Siebe soeben l. a. E. 50

SI

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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a) Wahrheit und Gerechtigkeit als Doppelziel des Strafverfahrens aa) Die inhaltliche Ausgestaltung des Verfahrensziels "Wahrheit und Gerechtigkeit" durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die herrschende Ansicht in der Literatur faßt die Verwirklichung von Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren als dessen Ziel auF5. Dies ergebe sich für das Verfahrensziel "Wahrheit" namentlich aus§§ 244 Abs. 2, 261 StP056. Eine innerhalb der herrschenden Meinung vertretene Auffassung differenziert weitergehend dahin, daß das Strafverfahren auf die Erlangung der materiell richtigen, Rechtsfrieden schaffenden, prozeßordnungsgemäß, d. h. justizförmig zustande gekommenen Entscheidung über die Strafbarkeit des Beschuldigten abziele57. Die Anerkennung der Justizförmigkeit (der Entscheidung) als weiteres Verfahrensziel wird mit der Notwendigkeit von Schranken gegen einen möglichen Machtmißbrauch durch den Staat im Hinblick auf die Monopolisierung der staatlichen Strafgewalt begründet58. Hinsichtlich des im Strafverfahren geltenden Gerechtigkeitsbegriffs entspricht es der einhelligen Auffassung, daß es aufgrund der Unzulänglichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens keine absolute Gerechtigkeit geben kann59• Notwendig, aber auch ausreichend sei die Absicht und das Streben des Richters, diese (scil. Gerechtigkeit) durch konkrete Auslegung und Anwendung der jeweiligen Vorschriften des materiellen Rechts sowie des Verfahrensrechts zu erlangen60• Gerechtigkeit im Strafverfahren bedeute damit die Verwirklichung einer - relativen - Gesetzesgerechtigkeit gegenüber dem Beschuldigten im Rahmen des gegen ihn laufenden Verfahrens61 . Das Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" wird durch den verfassungsrechtlichen Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, den das Bundesverfassungsgericht aus dem - materiellen - Rechtsstaatsprinzip ab-

ss Beulke, Rn 3 ff.; Jescheck, JZ 1970, 201, 204; KK-Schmidt, vor§ 359 Rn 1; Krey, JA 1983, 356; LR-Gössel, 25. Aufl., vor§ 359 Rn 5 ff., zu den Verfahrenszielen im Wiederaufnahmeverfahren; LR-Schäfer, 25. Aufl., Eint. Kap. 6 Rn 7; Peters, § 13, der als weitere Verfahrensziele Rechtssicherheit und -bewährung nennt; Eb. Schmidt, LK Teil I, S. 38, 43; ders., JZ, 1968, 681; Schünemann, Festschrift für Pfeiffer [1988], S. 461; Stock, Festschrift für Mezger [1954], S. 429, 436. S6 Schünemann, Festschrift flir Pfeiffer [1988], S. 461; in diesem Sinne auch LR-Schäfer, 25. Aufl., Eint. Kap. 6 Rn 7. S7 Roxin, § 1 Rn 2 ff.; KK-Pfeiffer, Eint., Rn I ff., der darüber hinaus auf die Rehabilitierung des Verletzten oder des unschuldig Angeklagten als ,,Nebenzwecke" des Verfahrens hinweist. ss Roxin, § 1 Rn 2 ff. S9 Kelsen, S. 43. 60 Eb. Schmidt, JZ 1968, 681. 61 Weber-Klatt, S. 47. 3 Spiekermann

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B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

leitet62, inhaltlich näher spezifiziert. In späteren Entscheidungen präzisiert das Gericht den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips im Zusammenspiel mit den allgemeinen Freiheitsrechten, Art. 2 Abs. 1 und I Abs. I GG63, der dem Angeklagten einen Mindestbestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen, insbesondere Beweisantrags-, Frageund Auskunftsrechte64 , gewährleiste. Im Hinblick darauf, daß das Rechtsstaatsprinzip es verbiete, den Angeklagten zum bloßen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen, müsse ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen65 . Weiter sei der Anspruch auf ein faires Verfahren durch verfahrensrechtliche "Waffengleichheit" zwischen der Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde und dem Beschuldigten gekennzeichnet. So könne der Beschuldigte in jeder Lage des Strafprozesses zu seiner Unterstützung, aber auch um seine Unabhängigkeit gegenüber den übrigen Verfahrensbeteiligten zu wahren, einen Verteidiger hinzuziehen66• Hinsichtlich des Verfahrensziels "Wahrheit und Gerechtigkeit" verdeutlichen die soeben genannten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, daß sie grundlegend sind für die Verwirklichung dieses Verfahrensziels. Es liegt offensichtlich auf der Hand, daß sich eine auf Wahrheit beruhende, gerechte Entscheidung nicht ohne ein Mindestmaß an aktiven Beteiligungsrechten für den Angeklagten sowie ohne die Gewährleistung einer umfassenden Verteidigung erzielen läßt. Dies gilt auch hinsichtlich der Verpflichtung des Gerichts zur Ermittlung des wahren Sachverhalts als zentrales Anliegen des Strafverfahrens. Das Bundesverfassungsgericht sieht diese Verpflichtung ebenfalls vom Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliebes Verfahren umfaßt67. Die Verpflichtung des Gerichts zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung erlangt des weiteren Bedeutung im Zusammenhang mit dem Verfassungsgrundsatz ,,nulla poena sine culpa"68, da nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch das materielle Schuldprinzip die vollständige Ermittlung des wahren Sachverhalts bedinge69. In diesem Zusammenhang führte das Bundesverfassungsgericht weiter aus, daß Strafe Vorwertbarkeit voraussetze, da sie anderenfalls eine mit der zum Rechtsstaatsprinzip gehörenden Idee der materiellen Gerechtigkeit70 unvereinbare Vergeltung für einen Vorgang darstelle, den der Betrof62 BVerfGE 57, 250, 275- .,V-Mann-Entscheidung". Zur Bedeutung dieser Entscheidung für die verfassungsrechtliche Absicherung des Beweisantragsrechts siehe sogleich unten 3. 63 BVerfGE 63, 380, 390; 70, 297, 308. 64 So auch BVerfGE 57, 250, 279 ff. 6S BVerfGE 64, 135, 145; 63, 332, 337 f.; 66, 313, 318. 66 BVerfGE 38, 105, 111; 68,237, 255. 67 BVerfGE 80,367, 378; 86,288, 317; BVerfG NJW 1987,2662,2263. 68 Siehe zur Einordnung dieses Grundsatzes in den Rang eines Verfassungsgrundsatzes BVerfGE 20, 323 - LS - . 69 BVerfGE 57, 250, 275- .,V-Mann-Entscheidung". 70 Siehe zu diesem Aspekt als Element des Rechtsstaatsprinzips BVerfGE 7, 89, 92; 194, 196; 35, 41, 47.

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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fene nicht zu verantworten habe71 , mithin mit einer auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhenden gerichtlichen Entscheidung unvereinbar ist. Als weiteren Aspekt des Rechtsstaatsprinzips ist der Anspruch auf rechtliches Gehör zu nennen. Trotz selbständiger Regelung in Art. 103 Abs. 1 GG sieht das Bundesverfassungsgericht dieses "prozessuale Urrecht des Menschen"72 auch im Rechtsstaatsprinzip verankert73• Dieses Recht soll garantieren, daß gerichtliche Entscheidungen frei von Rechtsfehlern ergehen, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme des Sachvortrages eines am Verfahren Beteiligten haben74. Darüber hinaus dient die Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Gericht der Achtung der Würde des Menschen, der in einer so schwerwiegenden Lage, wie ein Prozeß sie für gewöhnlich darstellt, die Möglichkeit haben muß, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten75. Im Hinblick auf die dem in ein Verfahren involvierten Bürger einzuräumende Möglichkeit, sich im Prozeß zu behaupten sowie auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen76, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG, sich vor Erlaß einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zum Streitstoff zu äußem77, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen78. Insbesondere das Beweisantragsrecht, das das wichtigste Verteidigungsrecht des Angeklagten darstellt79, folgt unmittelbar aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör80. Dem Recht des Angeklagten (resp. der Partei im Zivilverfahren), sich im laufenden Verfahren zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und auf den Lauf und das Ergebnis der Verhandlung durch Anträge - insbesondere durch Beweisanträge - Einfluß zu nehmen, korrespondiert die Pflicht des Gerichts, ein erhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen81 . Aus Art. 103 Abs. 1 GG ist jedoch kein Anspruch auf ein Rechtsgespräch herzuleiten82. Als zusätzlichen Aspekt des Rechtsstaatsprinzips ist neben der Unschuldsvermutung83 sowie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. Übermaßverbot84 noch auf die Gewährleistung eines lückenlosen Rechtsschutzes gegen behauptete rechtswidrige 71

BVerfGE 20, 323, 331.

n So wörtlich BVerfGE 55, 1, 6.

BVerfGE 7, 275, 279; 9, 89, 95; 39, 156, 168; 55, 1, 6. BVerfGE 50, 32, 35; 65, 305, 307. 15 BVerfGE 7, 275, 279; 55, 1, 6. 76 BVerfGE 63, 332, 337 f.; 64, 135, 145; 66, 313, 318. n So bereits BVerfGE 1, 418, 429. 78 So wörtlich BVerfGE 69, 145, 148. 79 A/N IM, S. 371m. w. N. 80 BVerfGE 46, 315, 319; 50, 32, 35; 65, 305, 307. 81 BVerfGE 11, 218, 220; 34, 344, 347; 62, 249, 254 f.; 65, 305, 307. 82 BVerfGE 60, 175, 210; 86, 133, 145. 83 BVerfGE 19,342, 347; 22,254, 265; 53, 152, 162. 84 So BVerfGE 19, 342, 348; 38, 348, 368. 73

74

3*

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B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Rechte des Bürgers, Art. 19 Abs. 4 GG, hinzuweisen85 • Dieser als "Krönung des Rechtsstaats"86 oder "formelles Hauptgrundrecht"87 apostrophierten Vorschrift kommt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts deshalb ein hoher Rang zu, weil es ftir die Akzeptanz staatlicher Entscheidungen sowie die Identifikation des Bürgers mit dem Staat von entscheidender Bedeutung sei, daß er im Falle des Konflikts mit der Staatsgewalt "seinen" Richter fände und von ihm in fairer Weise zur Sache gehört werde88 • Darüber hinaus wird die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG für notwendig erachtet, weil die bloße Selbstbindung der Staatsgewalt an gesetzliche Regelungen von fragwürdigem Wert wäre, wenn diese Selbstbindung nicht gegebenenfalls gerichtlich überprüft und durchgesetzt werden könnte89• Die soeben beispielhaft aufgeführten Aspekte des Rechtsstaatsprinzips dienen im Hinblick auf das Strafverfolgungsmonopol des Staates dem Schutz des Angeklagten vor willkürlichem staatlichen Machtmißbrauch. Sie sollen garantieren, daß strafgerichtliche Entscheidungen, die den weitestgehenden hoheitlichen Eingriff in die Freiheitsrechte des Bürgers ermöglichen, ausschließlich in einem justizförmigen Verfahren ergehen90• Damit konkretisieren sämtliche Aspekte des Rechtsstaatsprinzips, die die Justizförmigkeit des Strafverfahrens gewährleisten, insbesondere das Verfahrensziel "Gerechtigkeit", weil eine gerichtliche Entscheidung dann nicht mehr als gerecht bezeichnet werden kann, wenn sie unter Mißachtung grundlegender Schutz- und Beteiligungsrechte des Angeklagten ergangen ist. bb) Zum Konflikt des Rechtsstaatsprinzips mit der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Freiheitsinteresse des Bürgers Neben der Wahrung der Rechte des Angeklagten in einem Strafverfahren statuiert der für das Rechtsstaatsprinzip maßgebliche ,,Primat des Rechts" aber auch die Anwendung und Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Rechtsordnung gegenüber jedem Bürger91 , da sich anderenfalls eine - relative - Gesetzesgerechtigkeit nicht verwirklichen läßt. Das Bundesverfassungsgericht anerkannte in der Entscheidung zum Zeugnisverweigerungsrecht der Sozialarbeiter vom 19. 07. 197292 ss BVerfGE 22, 106, 110; 58, 1, 40. Gössel, Gutachten, C 28. 87 Klein, VVDStRL 8 [1950], 67, 88; Hendrichs, in: v. MUnch, Art. 19 Rn 40. 88 BVerfGE 40, 237, 251. 89 Gössel, Gutachten, C 28. 90 Zur Bedeutung der Justizförmigkeit in einem rechtsstaatliehen Verfahren siehe Roxin, 86

§ 1 Rn 2. 91 Gössel, Gutachten, C 28. 92 BVerfGE 33,367.

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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erstmalig93 die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege als wesentlichen Aspekt des Rechtsstaatsprinzips94• Diese Auffassung begründete der erkennende Senat damit, daß anderenfalls der Gerechtigkeit als weiterer wesentlicher Bestandteil der Rechtsstaatsidee nicht zum Durchbruch verholfen werden könne95 sowie mit dem unabweisbaren Bedürfnis einer wirksamen Strafverfolgung in einem rechtsstaatliehen Gemeinwesen96• Im übrigen stünde die möglichst vollständige Wahrheitsermittlung neben der Aufklärung schwerer Straftaten im öffentlichen Interesse und stelle einen wesentlichen Auftrag für ein rechtsstaatliches Gemeinwesen dar97 • Im Hinblick auf diese Rechtsprechung anerkannte das Bundesverfassungsgericht das Beschleunigungsgebot, das die Beendigung eines Strafverfahrens in angemessener Zeit sicherstellen soll, als notwendiges Institut zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege98• Dieses Rechtsstaatsverständnis des Bundesverfassungsgerichts ist vereinzelt angegriffen worden. Insbesondere wurde dem Gericht vorgeworfen, diese Rechtsprechung bedeute eine Absage an die vertretene Ansicht, nach der das Rechtsstaatsprinzip der Durchsetzung von Interessen des Staates und der Allgemeinheit zum Schutz des beschuldigten Bürgers unüberschreitbare Grenzen gesetzt habe99• Bisher habe das Rechtsstaatsprinzip einen Schutzwall dargestellt, an dem sich die staatlichen Strafverfolgungsinteressen gebrochen hätten 100• Die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege in das Rechtsstaatsprinzip integriere, relativiere die traditionellen rechtsstaatliehen Grundsätze des Strafverfahrens in ihrer Geltung, da sie nun einer einfachen Abwägung gegenüber den Strafverfolgungsinteressen des Staates zugänglich seien. Wenn dieses Interesse nur genügend hoch bewertet werde, gäbe es keine bestimmbaren Grenzen mehr, an der der Strafverfolgung Einhalt geboten werden könne101 • Damit werde aber der Rechtsstaatsbegriff pervertiert, wenn er gegen den beschuldigten Bürger gekehrt und als Legitimation für die Entfaltung der Strafgewalt im Interesse der Strafverfolgung verwendet würde 102• Gegen die begriffliche Verknüpfung von ,,Rechtsstaat" mit ,,Effizienz" oder ,,Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" spreche darüber hinaus die Gegensätzlichkeit und damit Unvereinbarkeit des Rechtsstaatsprinzips mit einem nach EffizienzgeSo auch Grünwa1d, JZ 1976,767,772. BVerfGE 33, 367, 383. 95 BVerfGE 33, 367, 383. 96 Das Bedürfnis nach einer wirksamen Verbrechensbekämpfung wurde bereits in früheren Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht aner~nt, BVerfGE 20, 45, 49; 144, 147. 97 BVerfGE 20, 45, 49; 144, 147 jeweils m. w. N. In diesem Sinne auch BVerfGE 34, 238, 249;36, 174, 186;38, 105, 115;312,321. 98 BVerfGE 41, 246, 250. 99 Grünwald, JZ 1976, 767, 772f. 100 Grünwald, JZ 1976, 767, 773. 1o1 Grünwald, JZ 1976, 767, 773. 102 Grünwald, JZ 1976,767,773. 93

94

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B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

sichtspunkten gestalteten Strafverfahren 103: Im Hinblick darauf, daß der betroffene Bürger im Strafverfahren wie nirgends sonst gegen seinen Willen staatlichem Zwang unterworfen werde und aufgrund der Tatsache, daß gerade der Rechtsstaat die Abwehr ungerechtfertigter Beeinträchtigungen sowie die Sicherheit des "status negativus" des Bürgers gewährleisten solle, sei seine Ausstattung mit Abwehrrechten gegen den starken Staat notwendig 104. Ein schlagkräftiges und ökonomisches Strafverfahren müsse aber zu einem Abbau der. als störend empfundenen Verfahrensrechte des beschuldigten Bürgers fiihren 105 • Diese Ansicht übersieht, daß sich aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht geforderten gerechten Ausgleichs zwischen den Freiheitsrechten des beschuldigten Bürgers und dem Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Aufklärung von Straftaten 106 eine willkürliche Überbewertung des einen Aspekts gegenüber dem damit kollidierenden anderen Gesichtspunkt verbietet. Dies ergibt sich bereits aus dem verfassungsrechtlichen "Grundsatz der praktischen Konkordanz", der im Falle der Kollision entgegenstehender Verfassungspositionen deren verhältnismäßigen Ausgleich fordert 107. Die Notwendigkeit, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen (Straf-)Rechtspflege in das Rechtsstaatsprinzip zu integrieren, ergibt sich aber auch aus dem Umstand, daß die Nationalsozialisten die von ihren Anhängern begangenen schweren Straftaten im Rahmen des Euthanasieprogramms oder der organisierten Massenvernichtung jüdischer Bürger nicht sanktioniert haben, obwohl dieses Verhalten von den bestehenden Strafgesetzen - insbesondere von § 211 StGB - ohne weiteres erfaßt wurde. Die unterlassene Anwendung bestehender Strafgesetze auf schwerste Straftaten im nationalsozialistischen Gewaltstaat verdeutlicht gerade die Notwendigkeit, die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen (Straf-)Rechtspflege als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips zu statuieren108. Den soeben dargestellten kritischen Stimmen in der Literatur wurde darüber hinaus durch spätere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Grundlage entzogen: So betonte das Gericht in einer Entscheidung vom 20. 10. 1977H» lediglich das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Rechtspflege, ohne insoweit auf das Rechtsstaatsprinzip zurückzugreifen 110. Deutlich wird diese Wende in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in einer Entscheidung aus dem Jahre 1979lll, in der das Gericht das bestehen103 Hassemer, KritV 1990,260,266. 104

Hassemer, KritV 1990,260,264 f.

1os Hassemer, KritV 1990,260, 264 f.

Siehe dazu bereits BVerfGE 20, 45, 49; 144, 147; so auch BVerfGE 34, 238,248. Siehe zum Grundsatz der praktischen Konkordanz Hesse, Rn 317. 101 So auch Gössel, Gutachten, C 29. 109 BVerfG NJW 1977, 2354. no BVerfG NJW 1977,2354,2356. m BVerfG NJW 1979, 2349. 106

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III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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de Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege sowie dem Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte anerkennt, jedoch ausdrücklich darauf hinweist, daß keiner dieser Belange im Rahmen dieses Spannungsverhältnisses schlechterdings Vorrang genieße 112• Damit steht für das Bundesverfassungsgericht die Pflicht des Staates zur Garantie eines justizförmigen Verfahrens gleichrangig neben seiner Pflicht zur Sicherung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege 113 , da beide Aspekte Elemente des Rechtsstaatsprinzips darstellen sowie der Gewährleistung einer auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhenden gerichtlichen Entscheidung dienen. Die Gefahr, daß die Formel von der "funktionstüchtigen Strafrechtspflege" den Rechtsstaatsbegriff inhaltlich ausleert, wenn die Funktionstüchtigkeit und Effizienz der Strafrechtspflege als oberste Maxime des Strafverfahrensrecht (miß-)verstanden wird, ist nun auch im Hinblick auf den Beschluß des Zweiten Senats vom 26. 05. 1981 114 als gering zu erachten. In dieser Entscheidung betont das Bundesverfassungsgericht, daß dem Strafprozeß aufgrund der Pflicht, den Strafanspruch des Staates um des Rechtsgüterschutzes Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizformigen Verfahren durchzusetzen, des weiteren von Verfassungs wegen die Aufgabe gestellt sei, das aus der Würde der Person abgeleitete Prinzip, ohne Schuld keine Strafe zu verhängen, zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen 115• Damit anerkennt das Bundesverfassungsgericht die schützende Funktion verfahrensrechtlicher Vorkehrungen, die zusammen mit dem Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, der Anerkennung seiner Grundrechte und -freiheiten sowie eines Mindestbestandes verfahrensrechtlicher Befugnisse ein Gegengewicht zum Postulat der funktionstüchtigen Strafrechtspflege bilden 116• Im Hinblick darauf, daß die Grundrechte des Angeklagten auch im Strafverfahren Geltung beanspruchen, ist es nicht möglich, dem Strafverfahren unter Effizienzgesichtspunkten einen beliebigen Inhalt zu geben. Insbesondere verbietet sich eine willkürliche Verkürzung von Verfahrensrechten des Angeklagten aus lediglich prozeßökonomischen Erwägungen. Sie verbietet sich auch im Hinblick auf das Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit".

112 113 114 115 116

BVerfG NJW 1979, 2349, 2350. So.auch KMR-Sax, Eint. II Rn 9. BVerfGE 57, 250- "V-Mann-Entscheidung". BVerfGE 57,250,275. So auch Niemöller I Schuppert. AöR 107 [1982], 387, 403.

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B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

cc) Zur Kritik an dem Strafverfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" Der Anerkennung von "Wahrheit und Gerechtigtceit" als Doppelziel des Strafverfahrens begegnet jedoch auch Bedenken, und zwar regelmäßig in den Fällen, in denen eine Begrenzung der Gerechtigkeit durch die materielle Rechtskraft erfolgt. Dagegen wird jedoch eingewandt, daß auch das in Rechtskraft erwachsende sachlich-unrichtige Urteil keine Absage an das Prozeßziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" beinhalte, weil es sich dabei um einen pathologischen Ausnahmefall handele 117• Darüber hinaus erscheine eine - partiell - notwendige Aufgabe des Verfahrensziels "Wahrheit und Gerechtigkeit" gegenüber einer ständigen Prozeßerneuerung, die ohne das Rechtsinstitut der materiellen Rechtskraft zu beftirchten wäre, als das ,,kleinere Übel''u 8 und deshalb akzeptabel 119• Damit vermeidet die herrschende Meinung im Wege einer im Falle des sachlich-unrichtigen Urteils ausnahmsweise zulässigen Interessenahwägung die Aufgabe von Wahrheit und Gerechtigkeit als das maßgebliche (Doppel-)Ziel des Strafverfahrens, indem die Rechtssicherheit als Grenze dieses Verfahrensziels statuiert wird. Trotzdem vermag die herrschende Meinung damit das in Rechtskraft erwachsende sachlichunrichtige Urteil nicht mit ihrer Auffassung von Wahrheit und Gerechtigkeit als (alleiniges) Verfahrensziel in Einklang zu bringen oder dieses zu erklären. Es überzeugt wenig, wenn auf der einen Seite die Wirkungen der Rechtskraft als "Übel" apostrophiert werden, soweit sie sich auf eine sachlich-unrichtige gerichtliche Entscheidung beziehen 120, auf der anderen Seite diese Konsequenz der Rechtskraft im Interesse der Rechtssicherheit Vorrang vor den ProzeRzielen Wahrheit und Gerechtigkeit eingeräumt wird, ohne daß die (Idee der) Rechtssicherheit selbst als (weiteres) Verfahrensziel anerkannt wird.

b) Rechtskraft als Veifahrensziel Wie soeben dargestellt, vermag die herrschende Meinung in der Literatur das in Rechtskraft erwachsende, sachlich unrichtige Urteil unter Zugrundelegung von Wahrheit und Gerechtigkeit als Doppelziel des Strafverfahrens nicht zu erklären. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Rechtskraft bzw. das in Rechtskraft erwachsende Sachurteil ein weiteres Ziel des Strafverfahrens darstellt 121 , das im Fall des in Rechtskraft erwachsenden sachlich-unrichtigen Urteils dem Doppelziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" vorgeht 122• In diesem Zusammenhang wird darauf hingeEb. Schmidt, LK Teil I, S. 43, Fn 44; Sauer, Festgabe ftlr R. Scbmidt [1932], S. 308, 324. So wörtlich Beting, S. 268 f. 119 Beting, S. 268 f.; Stock, Festschrift für Mezger [1954], S. 429, 448. 120 So Beting, S. 268 f. 121 Sauer, Festgabe ftlr R. Scbmidt [1932], S. 308, 322 ff. 122 So auch Stock, Festschrift für Mezger [1954], S. 429, 449, der dies jedoch ablehnt, siehe S.4Slf. 117

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III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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wiesen, daß jeder Prozeß seinem Sinn gemäß zu einem materielle Rechtskraft schaffenden Sachurteil strebe, um so einen Rechtszustand herbeizuführen, den die Beteiligten zukünftig als Recht für die bisher streitige Lebenslage ansehen 123• Gegen die Anerkennung der Rechtskraft als weiteres selbständiges Prozeßziel neben dem Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" spricht jedoch, daß Ziel des Strafprozesses nicht die Rechtskraft schlechthin, sondern lediglich die richtige und um ihrer Richtigkeit willen rechtskräftige Entscheidung sein kann. Damit stellt die in Rechtskraft erwachsende unrichtige Entscheidung die notwendige Preisgabe des so verstandenen Verfahrensziels dar124. Im übrigen erscheint es aufgrunddes Ausnahmecharakters des rechtskräftigen, sachlich-unrichtigen Sachurteils nicht angebracht, die Rechtskraft als selbständiges Verfahrensziel anzuerkennen 125. Ihr kommt allenfalls eine verstärkende Funktion gegenüber dem - sogleich darzustellenden- Verfahrensziel ,,Rechtssicherheit" zu 126.

c) Rechtssicherheit als Verfahrensziel Wie soeben gezeigt, begegnen sowohl der Annahme von Wahrheit und Gerechtigkeit als Ziele des Strafverfahrens als auch der Ansicht, die die Rechtskraft als Ziel des Strafprozesses qualifiziert, Bedenken. Aus diesem Grund ist der Frage nachzugehen, ob die Rechtssicherheit selbst als Prozeßziel angenommen werden kannt27. Unter Rechtssicherheit wird allgemein das Bemühen und die Forderung verstanden, das Vertrauen des Einzelnen und der Allgemeinheit in den Bestand einer als endgültig getroffenen gerichtlichen Entscheidung zu fordern und zu erltalten 128. Der Aspekt der Rechtssicherheit verlangt damit nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsprozesses, sondern auch einen Verfahrensabschluß, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist 129• Diese Auffassung erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtssicherlteit als Element des Rechtsstaatsprinzips zunächst plausibel. In dem Zusammenhang vertritt das Gericht den Standpunkt, daß aus der Rechtssicherheit als Element des Rechtsstaatsprinzips die Bestandskraft formell und materiell rechtskräftiger Sachentscheidungen folge 130• Auch wenn dies im Einzelfall zur Zementierung eines unrichtigen Sachurteils führen könne, Sauer, Festgabe für R. Schmidt [1932], S. 308, 328 f. Beling, S. 268 Fn 4. 125 So auch Stock, Festschrift für Mezger [1954], S. 429,451. 126 So auch BVerfGE 56, 22, 31; Schmidt, JZ 1966, 89, 90 m. w. N. 127 Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961), S. 511,515. 128 Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961], S. 511,515. 129 BVerfGE 2, 380, 403. 130 So BVerfGE 2, 380, 403; 15,313, 319; 20, 323, 331; 25, 269,290. 123

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B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

sei dies im Interesse der Rechtssicherheit trotz des Verstoßes gegen den ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit 131 hinzunehmen132. Diese Ansicht berücksichtigt jedoch nicht im ausreichenden Maße, daß die StPO der Annahme der Rechtssicherheit als Ziel des Strafverfahrens selbst entgegensteht: So erlaubt die StPO - wenn auch unter engen Voraussetzungen -, die Beständigkeit einer einmal getroffenen, rechtskräftigen Entscheidung beispielsweise im Wiederaufnahmeverfahren zu beseitigen. Damit sprechen die Vorschriften in der StPO über Wiederaufnahme und Rechtsmittel gegen die Qualifizierung der Rechtssicherheit als Verfahrensziel 133• Darüber hinaus ist der Ausdruck ,,Rechtssicherheit" regelmäßig dann verfehlt, wenn eine sachlich unrichtige Entscheidung getroffen wurde, also Unrecht im Urteil Niederschlag gefunden hat, das durch den Eintritt der Rechtskraft perpetuiert wird. Tatsächlich müßte man in derartigen Fällen von einer "Unrechtssicherheit" sprechen 134. Damit kann die Rechtssicherheit nicht als selbständiges Verfahrensziel angesehen werden. d) Rechtsfrieden als Verfahrensziel

Wie soeben gezeigt 135, vermögen weder Wahrheit und Gerechtigkeit noch Rechtssicherheit als Ziele des Strafverfahrens zu überzeugen, da beide Verfahrensziele im Wege einer Interessenahwägung im Einzelfall durch das jeweils andere Verfahrensziel Einschränkungen erfahren können 136 • Damit stellt sich die Frage, ob der Idee von Wahrheit und Gerechtigkeit bzw. Rechtssicherheit nicht ein weiteres Ziel übergeordnet ist. In diesem Zusammenhang wird der Rechtsfrieden als übergeordnetes Verfahrensziel diskutiert137 • Unter dem Begriff des Rechtsfriedens wird hierbei ein Zustand verstanden, bei dem sich die Gemeinschaft im Hinblick auf den Verdacht eines Rechtsbruchs, der 131 Zur konstitutiven Bedeutung des Grundsatzes der materiellen Gerechtigkeit für ein rechtsstaatliches Verfahren siehe oben B III. 2. a). 132 Mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit hängt auch das Verbot rückwirkender Gesetze als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips eng zusammen, so beispielsweise BVerfGE 30, 367 ff. Im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, der das Verbot rückwirkender Gesetze zuungunsten des Angeklagten statuiert, erübrigt sich jedoch ein Eingehen auf diesen Themenkomplex im Rahmen dieser Darstellung. 133 Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961), S. 511,515. 134 Stock, Festschrift für Mezger [1954], S. 429,451. m Siehe soeben oben a) und c).

Siehe soeben die Argumentationen unter 1. - 3. Kleinknecht I Meyer-Goßner, Einl. Rn 4; Radbruch, § 9; Ranft, Rn 2; Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961], S. 511,515 ff. In dem Sinne auch Otto, Pflichtenkollision, S. 86; u. a. auf den Aspekt des Rechtsfriedens ebenfalls abstellend: RieS, Festschrift für Schäfer [1980], S. 155, 170; Roxin, § 1 Rn 3. 136

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lß. Zu den Zielen des Strafverfahrens

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Strafe fordert, wieder beruhigen könne 138 • Damit stellt die Wiederherstellung des durch eine geschehene oder vermutete Straftat gestörten Rechtsfriedens das Ziel des Strafverfahrens dar139• Begriindet wird dies damit, daß jede Rechtsordnung darauf ausgerichtet sei, die Grundlagen eines gedeihlichen (im Sinne von friedlichen) Gemeinschaftslebens zu erhalten, so daß das Ziel des Strafprozesses dieser Intention entsprechen müsse 140• Im übrigen dienten die einzelnen materiell- und prozeßrechtlichen Materien dem Rechtsfrieden als normativem Leitbild der Regelung gesellschaftlicher Konflikte, so daß der Zweck des Prozesses dem Zweck des Rechts entspreche 141 • Diese Ansicht befindet sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherung des Rechtsfriedens als Aspekt des Rechtsstaatsprinzips, indem es die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege als notwendiges Mittel zur Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit und der Sicherung des Rechtsfriedens erachtet142• Darüber hinaus befindet sich diese Auffassung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, soweit dieses die Justizförmigkeit des Strafverfahrens, insbesondere einen Mindestbestand von aktiven Beteiligungs- und Schutzrechten zugunsten des Angeklagten als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips verlangt 143 • Eine gerichtliche Entscheidung wird nämlich nur dann ihre Befriedungsfunktion erfüllen können, wenn der Angeklagte überhaupt die Möglichkeit hatte, das Strafverfahren mitzogestalten und die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen, beispielsweise durch Ausübung seines Frage- und Antragsrechts. Damit wird deutlich, daß die vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Elemente des Rechtsstaatsprinzips ,Justizförmigkeit des Verfahrens" und "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" nicht nur das Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit", sondern auch das Verfahrensziel ,,Rechtsfrieden" inhaltlich näher konkretisieren. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die Verfahrensziele "Wahrheit und Gerechtigkeit" vom Verfahrensziel "Rechtsfrieden" mitumfaßt werden. Denn einer gerichtlichen Entscheidung wird regelmäßig keine befriedende Funktion zukommen, soweit sie von den Beteiligten als "ungerecht", insbesondere auf einem nicht hinreichend ermittelten Sachverhalt und einer unzulänglichen Beteiligung des Angeklagten basierend, angesehen wird. Deshalb muß eine Rechtsfrieden schaffende gerichtliche Entscheidung auch den Grundsätzen einer wahren und gerechten Entscheidung entsprechen.

138

Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961], S. 511, 522; Volk, S. 200.

139

Ranft, Rn 2.

140

Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961], S. 511, 516. Volk, S. 202. BVerfGE 33, 367, 383 und oben a) bb). Siehe dazu bereits oben a) aa).

141

142 143

44

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

e) Eigene Stellungnahme

Die unterschiedlichen Auffassungen zu den Verfahrenszielen - auf eine Erörterung des soziologischen Ansatzes von Luhmann 144 wurde verzichtet, da sein Standpunkt von der "ausdifferenzierten Konfliktsabsorbtion" als Verfahrensziel aufgrund der noch ausstehenden empirischen Überprüfung seines Modells für die Diskussion wenig ergiebig erscheint145 - erfordern eine Stellungnahme zu den verschiedenen Ansichten. Dabei erübrigt sich ein näheres Eingehen auf diejenigen Auffassungen, die in der Rechtskraft bzw. der Rechtssicherheit das Ziel des Strafprozesses sehen, da beide Ansichten bereits mit den entsprechenden Argumenten im Rahmen der Darstellung abgelehnt wurden 146• Somit beschränkt sich die eigene Stellungnahme auf eine solche zur Wahrheit und Gerechtigkeit sowie zum Rechtsfrieden als mögliche Ziele des Strafverfahrens. Im Hinblick darauf, daß eingangs die Diskussion über die Ziele des Strafverfahrens mit der Mißbrauchsdefinition der herrschenden Meinung gerechtfertigt wurde, die an Verfahrensziele anknüpft, ohne diese näher zu beschreiben 147, sollen "Wahrheit und Gerechtigkeit" sowie Rechtsfrieden als mögliche Verfahrensziele hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Mißbrauchsbegriff näher beleuchtet werden. Dabei ist auch der Umstand zu berücksichtigen, daß der Mißbrauchsbegriff maßgebliche Bedeutung hat für mögliche Reformüberlegungen im Zusammenhang mit dem Beweisantragsrecht, soweit diese Überlegungen an diesen Begriff anknüpfen. Diejenigen, die Wahrheit und Gerechtigkeit als Ziel des Strafverfahrens ~se­ hen, stehen vor dem Dilemma, daß ihr Verständnis vom Verfahrensziel einen sehr engen Mißbrauchsbegriff bedingt. Damit wird aber die Wirksamkeit von Gesetzesvorschlägen fragwürdig, die an eben jenen Begriff anknüpfen, um dem Mißbrauch des Beweisantragsrechts zu begegnen. Denn im Hinblick auf die Unzulänglichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens sowie dem Umstand, daß es sich so gut wie nie ausschließen läßt, durch einen Beweisantrag zur Ermittlung des wahren Sachverhalts beizutragen, könnte namentlich ein Mißbrauch des Beweisantragsrechts nur in krassen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt um so mehr, wenn man berücksichtigt, daß gerade das Beweisantragsrecht der Ermittlung des wahren Sachverhalts dienen soll, um ein gerechtes Urteil zu gewährleisten. Damit erscheint es fraglich, ob sich mit dem Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" überhaupt Regelungen vereinbaren lassen, die dem Mißbrauch des Beweisantragsrechts begegnen sollen, da sich letztlich jeder Beweisantrag unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung des wahren Sachverhalts rechtfertigen läßt. Dieses unbefriedigende Ergebnis vermeidet man, wenn man auf den Rechtsfrieden als Verfahrensziel abstellt. Soweit man unter Rechtsfrieden einen Zustand ver144 14S 146

147

Luhmann, Legitimation durch Verfahren, passim. Siehe zu diesem Kritikpunkt auch Schreiber, ~tW 88 [1976], 116, 140. Siehe oben III. 2. a), b). Siehe oben Kapitel A III. a. E.

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

45

steht, bei dem sich die Gemeinschaft beruhigen kann im Hinblick auf den Verdacht eines Rechtsbruchs, der Strafe oder doch wenigstens öffentliche sittliche Mißbilligung fordert 148, ist es möglich, bei der Beantwortung der Frage, ob ein Verhalten im Rahmen eines Strafverfahrens als mißbräuchlich zu qualifizieren ist, Belange der Allgemeinheit an der Beendigung des Verfahrens durch eine Entscheidung und damit an der Wiederherstellung der durch (den Verdacht) einer Straftat gestörten Ordnung - zu berücksichtigen. Sofern man ein derartiges Interesse der Allgemeinheit an der Wiederherstellung der durch den Verdacht einer Straftat gestörten Ordnung anerkennt; ist es möglich, den Mißbrauchsbegriff weiter zu fassen, um ein breiteres Spektrum an möglichen mißbräuchlichen Verhaltensweisen - beispielsweise in Bezug auf das Beweisantragsrecht - zu erfassen und somit einem Mißbrauch des jeweiligen Rechts wirksamer begegnen zu können. Soweit rechtsstaatliche Bedenken gegen einen weiteren Mißbrauchsbegriff im Zusammenhang mit dem Beweisantragsrecht des Angeklagten geäußert werden, erscheinen diese im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 244 Abs. 2 StPO sowie die vielfachen Mißbrauchsmöglichkeiten 149 nicht überzeugend. Für diese Ansicht streitet darüber hinaus auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, das in mehreren Entscheidungen auf das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen (Straf-)Rechtspflege hingewiesen hat 150• Die eingangs dargestellten Entscheidungen des BGH151 sowie des LG Wiesbaden 152 verdeutlichen, daß ein exzessiver Gebrauch von Verteidigungsrechten, namentlich des Beweisantragsrechts, nicht nur eine Gefahr ftir die funktionstüchtige Strafrechtspflege darstellt, sondern daß diese - wie im Falle des LG Wiesbaden 153 - tatsächlich vor dem mißbräuchlichen Verhalten des Angeklagten kapituliert. Die Zulässigkeil legislatorischer Regelungen zur Mißbrauchsunterbindung im Bereich des Beweisantragsrechts wäre aber im Hinblick auf das Verfahrensziel "Wahrheit und Gerechtigkeit" fragwürdig, weil jeder Beweisantrag theoretisch die Erkenntnisbasis des Gerichts verbreitem könnte und deshalb an sich nicht abgelehnt werde dürfte. Derartige Regelungen wären jedoch nicht nur zulässig, sondern auch geboten, wenn man den Rechtsfrieden als Verfahrensziel ansieht. Einem mißbräuchlichen Gebrauch des Beweisantragsrechts müßten dann nämlich bereits aufgrund des Interesses der Allgemeinheit an der Wiederherstellung des Rechtsfriedens durch eine verfahrensabschließende gerichtliche Entscheidung Grenzen gesetzt werden. Wie diese Grenzen inhaltlich ausgestaltet werden könnten, soll zu einem späteren Zeitpunkt erörtert werden.

148 Zu dieser Begriffsbestimmung siehe oben lll. 2. d) und Schmidhäuser, Festschrift für Eb. Schmidt [1961], S. 511, 512, 521 f. 149 So auch BGHSt 31,304, 307; 34, 39,51 f. uo Siehe statt aller BVerfGE 33, 367,383. U1 BGHSt 38, 111. u2 LG Wiesbaden NJW 1995,409. 153 LG Wiesbaden NJW 1995, 409.

46

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

Zunächst ist festzuhalten, daß nach der hier vertretenen Ansicht von der Wiederherstellung des Rechtsfriedens als Verfahrensziel auszugehen ist. Wie soeben dargestellt, beinhaltet das Verfahrensziel ,,Rechtsfrieden" notwendigerweise die Grundsätze von Wahrheit und Gerechtigkeit, da der Rechtsfrieden nicht gesichert werden kann, soweit die gerichtliche Entscheidung nicht in einem Verfahren getroffen wurde, das auch diesen Grundsätzen Rechnung trägt. Darüber hinaus kommt dem Strafverfahren nur dann eine befriedende Wirkung zu, wenn die gerichtliche Entscheidung in einem justizförmigen Verfahren ergangen ist und sie Rechtssicherheit gewährleistet, sie mithin in Bestandskraft erwächst 154• j) Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Rechtsfrieden schaffende gerichtliche Entscheidung das Ziel des Strafverfahrens darstellt. Dieses Verfahrensziel wird durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsstaatsprinzip, das das Strafverfahren maßgeblich prägt, inhaltlich näher konkretisiert. So hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung dem Angeklagten ein Mindestmaß an aktiven Verfahrensrechten als Ausfluß seines Anspruchs auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren zugebilligt. Soweit einzelne Aspekte des Rechtsstaatsprinzips - namentlich der Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und das Interesse der Allgemeinheit an der lückenlosen Ahndung (schwerer) Straftaten- miteinander kollidieren, ist zu beachten, daß die einzelnen Belange des Rechtsstaatsprinzips gleichrangig nebeneinander stehen, ohne daß einem Aspekt per se Vorrang vor dem anderen gebührt. Dieses Rechtsstaatsverständnis des Bundesverfassungsgerichts für den Bereich des Strafverfahrens kann nicht unberücksichtigt bleiben bei der Erörterung möglicher Reformansätze des Beweisantragsrechts. Mit den vorangegangenen Erörterungen wurde deutlich, daß sich insbesondere Reformvorschläge verbieten, die eine weitgehende Verkürzung des Beweisantragsrechts des Angeklagten im Interesse eines möglichst reibungslosen und effizienten Verfahrensablaufs fordern. Dies ergibt sich zum einen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Anspruch des Angeklagten auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren. Beliebige inhaltliche Beschränkungen des Beweisantragsrechts verbieten sich zum anderen aufgrund der Qualifizierung dieses Rechts als das wichtigste Verteidigungsrecht des Angeklagten 155 •

IS4 Zur ausnahmsweise zulässigen Durchbrechung einer rechtskräftigen Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren siehe §§ 359 ff. StPO und Ranft, Rn 2252. m A/N/M, S. 371m. w. N.; Perron,§ l.

III. Zu den Zielen des Strafverfahrens

47

3. Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Beweisantragsrechts im Strafverfahren

Wenn man das Grundgesetz einer genaueren Betrachtung unterzieht, so fallt auf, daß die Verfassung das Recht des Beschuldigten, eine bestimmte Beweiserhebung zu verlangen, nicht vorsieht. Trotzdem wird der verfassungsrechtliche Rang dieses Rechts vom Bundesverfassungsgericht anerkannt 156• Von maßgeblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des 2. Senats vom 26. 05. 19811S7, weist der Senat doch in diesem Urteil darauf hin, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Angeklagten zwar gewährleiste, durch entsprechende Anträge das Herbeischaffen des sachnäheren Beweismittels zu erzwingen; Art. 103 Abs. 1 GG räume ihm (seit. Angeklagten) jedoch keinen Anspruch auf ein bestimmtes Beweismittel ein 158• Im Hinblick auf das Beweisantragsrecht des Angeklagten ist diese Entscheidung deshalb von Bedeutung, weil der erkennende Senat auf den Zusammenhang zwischen der Ermittlung des wahren Sachverhalts und dem materiellen Schuldprinzip hinweist. Insoweit führt das Gericht aus, daß dem Strafprozeß von Verfassungs wegen die Aufgabe zukommt, verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts zu gewährleisten, da anderenfalls das aus der Menschenwürde abgeleitete materielle Schuldprinzip159 nicht verwirklicht werden könne 160• Im übrigen könnte auch der Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren 161 durch verfahrensrechtliche Gestaltungen tangiert werden, die der Ermittlung der Wahrheit entgegenstünden 162• Die §§ 244 Abs. 3 bis Abs. 6, 245 Abs. 2, 246 StPO räumten jedoch dem Angeklagten ein weitreichendes Beweisantragsrecht ein, mit dem er der Verfalschung des Beweisergebnisses entgegenwirken könne163 • Die verfassungsrechtliche Verankerung des Beweisantragsrechts im Strafverfahren in dem - aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten - Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren findet seine Fortsetzung in einer Entscheidung desselben Senats vom 12. 01. 1983 164• In dieser Entscheidung stellt der erkennende Senat fest, daß die an ein Beweisbegehren zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen auch im Hinblick auf den Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nicht zu beanstanden seien, weil sie ihm trotz

156

157 158 159

Perron § 2 I A. Siehe bereits oben D. 3. BVerfGE 57, 250- "V-Mann-Entscheidung". BVerfGE 57, 250, 274. Zum materiellen Schuldprinzip als Ausfluß der Menschenwürde siehe bereits BVerfGE

20, 323, 331. 160 161 162 163 164

Siehe zum Ganzen BVerfGE 57,250,275. Zu diesem Anspruch des Angeklagten siehe soeben oben II. 3. BVerfGE 57, 250, 274 f. BVerfGE 57, 250, 279 f. BVerfGE 63, 45.

48

B. Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren

dieser von ihm zu erfüllenden inhaltlichen Anforderungen ausreichende Möglichkeiten zur Beeinflussung der Wahrheitsermittlung beließen 165 • Festzuhalten bleibt damit, daß das Beweisantragsrecht des Angeklagten vom Grundgesetz gewährleistet wird. Das Bundesverfassungsgericht sieht es im Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, sowie im Anspruch auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren verfassungsrechtlich verankert. Der verfassungsrechtlichen Verankerung und Absicherung des Beweisantragsrechts des Angeklagten im Strafverfahren entspricht die überragende Bedeutung des Beweisantragsrechts als dem wichtigsten Verteidigungsrecht des Angeklagten 166•

BVerfGE 63, 45, 68 f. Zu dieser Qualifizierung siehe beispielsweise Scbulz, StV 1991, 354, 358 und oben Einleitung, m. a. E. 165

166

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts I. Die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts 1. Die RStPO vom 01. 02. 18771 Mit der RStPO vom 01. 02. 1877, die am 01. 10. 1879 in Kraft getreten ist, wurde das Beweisantragsrecht erstmalig für das gesamte Reichsgebiet kodifiziert. Bis zu diesem Zeitpunkt statuierten die deutschen Landesstrafverfahrensordnungen fast ausnahmslos den Grundsatz der freien richterlichen Beweisaufnahme2 • In Bayern galt jedoch teilweise der Grundsatz der gebundenen Beweisaufnahme. Dem Angeklagten wurde der Anspruch eingeräumt, Zeugen und Sachverständige gegen Kostenerstattung vorladen zu lassen oder ihm wurde ein sogenanntes Gestellungsrecht zugebilligt bei gleichzeitiger Verpflichtung des Gerichts zur Vernehmung der vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen in erster und zweiter Instanz. Das Gericht konnte jedoch den Umfang der Beweisaufnahme nach freiem richterlichen Ermessen bestimmen, soweit es um die Vernehmung der in der Hauptverhandlung gestellten Zeugen und Sachverständigen sowie um die dort (scil. Hauptverhandlung) gestellten Beweisanträge ging3 . In Anlehnung an die bayerische Landesstrafverfahrensordnung wollte der Bundesratsentwurf der Strafprozeßordnung von 18744 das Beweiserhebungsinteresse des Beschuldigten ausnahmslos gerichtlicher Fürsorge anvertrauen. Der Entwurf sah zwar in § 183 für die Verfahrensbeteiligten das Recht auf Vorladung von Beweispersonen sowie in §§ 206 Abs. 2, 208 Abs. I das Beweisantragsrecht vor. Es wurde jedoch den Prozeßbeteiligten kein über die gerichtliche Sachaufklärungspflicht hinausgehender Anspruch auf Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zugebilligt5 • Selbst wenn Beweispersonen von Prozeßbeteiligten unmittelbar vorgeladen worden waren, sollte nach den Vorstellungen des Entwurfs der Umfang der Beweisaufnahme vom Gericht bestimmt werden können, "ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein,§ 207-RStPO-E"6 •

I

2

3

RGBl. I, S. 253. Klee, S. 96. Klee, S. 95.

Abgedruckt bei Hahn, Mat. I S. 4 ff. s A/N/M,S.l.

4

6

A/N/M, S. 1.

4 Spiekermann

50

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts

Dieser Regelungsentwurf wurde jedoch von der Reichsjustizkommission als zu weitgehende Beschränkung der Parteirechte abgelehnt7 • § 244 Abs. 2 (seit 1924: § 245 Abs. 2) RStP08 sah eine Beweiserhebungspflicht hinsichtlich der im Gerichtssaal präsenten, insbesondere von den Prozeßbeteiligten unmittelbar geladenen Zeugen und Sachverständigen in denjenigen Strafsachen vor, deren Urteil nicht mehr mit der Berufung angefochten werden konnte. Die im Entwurf des Bundesrats von 18749 vorgesehene Regelung des Beweisantragsrechts wurde jedoch ftir (erstinstanzliche) Verfahren vor dem Schöffengericht sowie ftir Berufungsverhandlungen vor dem Landgericht in Übertretungs- 10 und Privatklagesachen beibehalten, § 244 Abs. 2 RStP0 11 • Darüber hinaus statuierte die RStP0 12 das Recht der Prozeßbeteiligten, in der Hauptverhandlung Beweisanträge zu stellen. Dies konnte § 243 Abs. 2 RStP0 13 entnommen werden, da diese Norm die Ablehnung eines Beweisantrags durch einen begründeten Gerichtsbeschluß vorschrieb 14• Die RStP0 15 enthielt jedoch außer des Verbots, Beweisanträge wegen verspäteter Geltendmachung des Beweismittels oder der Beweistatsache abzulehnen 16, keine weiteren zulässigen Ablehnungsgründe. Im Hinblick auf die nur sehr sparsame Kodifizierung des Beweisantragsrechts oblag es der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Reichsgerichts, dieses Recht näher auszugestalten 17• 2. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts in den 20er Jahren In der Zeit von ihrem lokrafttreten am 01. 10. 1879 bis 1920 hat die RStPO nahezu keine Veränderung durch den Gesetzgeber erfahren 18• Sie wurde in diesem Zeitraum insgesamt nur fünfmal verändert, wobei keine dieser Gesetzesänderungen maßgeblich in das geltende Recht eingegriffen hat19• Die erste wesentliche Gesetzesänderung stellte die Verordnung über die Gerichtsverfassung und StrafrechtsAINIM, S. 2 s In der Fassung vom 01. 02. 1877. 9 Siehe Fn 4. 1o Den Übertretungssachen nach damaligem Recht entsprechen heute die Ordnungswidrigkeiten. n In der Fassung vom 01. 02. 1877. 12 In der Fassung vom 01. 02. 1877, RGBI. I, S. 253 ff. 13 In der Fassung vom 01. 02. 1877. 14 Siehe § 243 Abs. 2 RStPO in der Fassung vom 01. 02. 1877, RGBI. I, S. 253 ff. 1s In der Fassung vom 01. 02. 1877. 16 Siehe§ 245 Abs. 1 RStPO; seit 1924: § 246 Abs. l RStPO. 17 A/N/M, S.4. 18 Rieß, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], s. 373, 377 f. 19 Siehe zu den einzelnen Gesetzesänderungen in diesem Zeitraum die Darstellung bei LR-Schäfer, 23. Auflage, Einl. Kap. 3 Rn 2-5. 1

I. Die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts

51

pflege vom 04. 01. 192420, die sogenannte Emminger-Verordnung oder Emminger-Reform21 dar. Mit dieser Verordnung, benannt nach dem damaligen Reichsjustizminister22 Emminge~3• bemühte sich der Gesetzgeber unter dem Eindruck der wirtschaftlich angespannten Situation um umfassende Sparmaßnahmen auch im Bereich der Strafrechtspflege. Auf dem Gebiet des Beweisantragsrechts war man insbesondere bestrebt, die Ausdehnung der Beweiserhebungspflicht des Tatrichters durch die Rechtsprechung wieder einzuschränken24• Zu diesem Zweck wurde für nahezu alle Strafsachen die erstinstanzielle Zuständigkeit des Amtsgerichts (Amtsrichter und Schöffengericht)2S bei gleichzeitiger Beibehaltung des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften über den Umfang der Beweisaufnahme begründee6 • Im Hinblick darauf, daß § 245 Abs. 2 (seit 1924; davor § 244 Abs. 2) RStP027 keine Änderung erfuhr und damit der Umfang der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht weiterhin im Ermessen des erkennenden Gerichts stand, führte die neue Gesetzeslage dazu, daß das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Erhebung der von ihnen benannten Beweise der Sache nach in allen Verfahren beseitigt war. Dies galt lediglich nicht für Verfahren vor dem Schwurgericht oder vor dem Reichsgericht im ersten Rechtszug28 . Diese weitgehenden Beschränkungen des Beweisantragsrechts wurden durch Nr. 1 des "Gesetzes zur Abänderung der Strafprozeßordnung" vom 22. 12. 192529 wieder beseitigt, indem § 245 Abs. 2 (seit 1924; davor§ 244 Abs. 2) RStPO festlegte, daß das Gericht nur noch in Privatklagesachen und Übertretungen den Umfang der Beweisaufnahme nach freiem Ermessen bestimmen konnte. Damit wurde den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung verschaffi, die sie zuvor noch nie innehatten30. Nunmehr stand die Erhebung beantragter Beweise lediglich in Baga20

RGBI. I, S. 15.

21 Siehe zu dieser Bezeichnung beispielsweise A/N IM, S. 5; LR-Schäfer, 23. Auf!., Einl.

Kap. 3 Rn 9. 22 LR-Schäfer, 23. Auf!., Einl. Kap. 3 Rn 9. 23 Brich Emminger (1880-1931) stand an der Spitze des Reichsjustizamtes vom 30. 11. 1923 bis zum 14. 04. 1924. Mit seinem Namen wird die Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 04. 01. 1924, RGBI. I, S. 15, sowie die Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13. 02. 1924, RGBI. I, S. 135, verbunden, obwohl diese Verordnungen bereits vor seinem Amtsantritt im Entwurf vorlagen und er somit an ihrem Zustandekommen keinen Anteil mehr hatte. Siehe zum Ganzen Hattenhauer, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], S. 9, 65. 24 A/N/M, S. 5. 2S Siehe zur nahezu umfassenden Zuständigkeit des Amtsgerichts § 6 VO vom 04. 01. 1924, RGBI. I, S. 15 f. 26 RieB, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], s. 373,428. 7:1 In der Fassung der VO vom 04. 01. 1924, RGBI. I, S. 15. 28 A/N/M, S. Sf. 29 RGBI. I, S. 475. 30 A/N/M, S. 6.

52

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts

telisaeben weiterhin im Ermessen des Gerichts 31 , während in allen übrigen Verfahren insbesondere der Angeklagte und sein Verteidiger den Umfang der Beweisaufnahme durch das Stellen von Beweisanträgen maßgeblich beeinflussen konnten. Mit dem ..Gesetz zur Abänderung der Strafprozeßordnung" vom 27. 12. 192632 wurde erstmalig ein möglicher Grund kodifiziert, der die Ablehnung eines Beweisantrags zu rechtfertigen vermochte. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage war die Beweisaufnahme auf sämtliche vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die anderen herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, soweit nicht die Beweiserhebung zum Zweck der Prozeßverschleppung beantragt worden war, § 245 Abs. I RStPO in der Fassung des Gesetzes zur Abänderung der StPO vom 27. 12. 192633 • 3. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts in den 30er und 40er Jahren Die Tätigkeit des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Beweisantragsrechts in den 30er Jahren war geprägt von einer zunehmenden Demontage dieses gerade für den Angeklagten wichtigen Rechts. Sie führte dazu, daß 1939 das Beweisantragsrecht faktisch nicht mehr bestand. Mit der .,Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens" vom 08. 12. 1931 34 wurde der Umfang der Beweisaufnahme in Verfahren wegen Beleidigung in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt, und zwar auch dann, wenn die Tat auf erhobene öffentliche Klage verfolgt wurde35• Anlaß zu dieser Neuregelung war ein Urteil des Reichsgerichts vom 08. 06. 1931 36• Mit diesem Urteil wurde die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, die es abgelehnt hatte, 52 von der Verteidigung geladene Zeugen antragsgemäß zu der Frage zu hören, daß das Verhalten des vom Angeklagten beleidigten und körperlich verletzten Opfers es gerechtfertigt habe, ihn einen Arbeitermörder zu nennen37• Eine weitere massive Entwertung erfuhr das Beweisantragsrecht durch die .,Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen auf dem Gebiete der Rechtspflege und Verwaltung" vom 14. 06. 193238• Mit dieser Verordnung wurde der Umfang

34

Siehe Nr. 1 der VO vom 22. 12. 1925, RGBI. I, S. 475. RGBI. I, S. 529. RGBI. I, S. 529, 531. RGBI. I, S. 699.

3S

Kap. lli § 4 des 8. Teils der Ausnahmeverordnung vom 08. 12. 1931, ROBI. I, S. 699,

36

ROSt 65, 304. ROSt 65, 304, 305 ff.- ,,Fall Heydrich". ROBI. I, S. 285.

31 32 33

743. 37

38

I. Die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts

53

der Beweisaufnahme in allen Verhandlungen vor dem Amtsgericht, dem Schöffengericht und dem Landgericht als Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens in das freie Ermessen des Gerichts gesteUe9 • Damit entfiel für die Gerichte nicht nur die Pflicht zur Erhebung der präsenten Beweise. Sie waren auch nicht mehr an die strengen Regeln gebunden, die das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Ablehnung eines Beweisantrages herausgearbeitet hatte40• Darüber hinaus nahm die Verordnung vom I4. 06. I932 eine drastische Beschränkung des Rechtsmittelsystems durch Einführung eines Wahlrechtsmittels vor. Nach der neuen Rechtslage schloß die Berufung die Revision als weiteres Rechtsmittel aus, Art. 2 § 1 Verordnung vom I4. 06. I93241 • Für den Beschuldigten bedeutete dies, daß die Durchsetzung seines Beweiserhebungsinteresses in beiden Tatsacheninstanzen allein der gerichtlichen Fürsorge anvertraut wurde, ohne daß insoweit das Revisionsgericht aufgrund einer Aufklärungsrüge korrigierend eingreifen konnte42 • Durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28. 06. I93543 erfolgte erstmalig eine eingehende Regelung des Beweisantragsrechts durch Kodifizierung der die Ablehnung eines Beweisantrags rechtfertigenden Gründe. Trotz der Gesetzesänderung wurde die Rechtslage insoweit beibehalten, als das Gericht über Beweisanträge grundsätzlich nach freiem Ermessen entscheiden konnte, § 245 Abs. I S. I RStP044• Eine Änderung der Rechtslage wurde jedoch für Verfahren mit nur einer Tatsacheninstanz vorgenommen. Damit sah das Gesetz in Verfahren vor dem Landgericht im ersten Rechtszug, vor dem Oberlandesgericht und vor dem Volksgerichtshof eine Entscheidung über Beweisanträge nach gebundenem Ermessen vor, dessen Ausübung von § 245 Abs. 2 RStP045 geregelt wurde. Dabei übernahm der Gesetzgeber in § 245 Abs. 2 RStP046 die vom Reichsgericht entwickelten Grundsätze über die zulässigen Ablehnungsgründe47 • Eine Ausnahme galt jedoch flir die Behandlung von Beweisanträgen, die auf die Einnahme eines Augenscheins oder Vernehmung eines Sachverständigen gerichtet waren. Die Verwendung dieser Beweismittel überließ das Gesetz auch weiterhin in Verfahren, in denen allgemein die Berufung ausgeschlossen war, dem freien Ermessen des erkennenden Gerichts, 39 Siehe Kap. I Art. 3 § 1 1. Teil der Ausnahmeverordnung vom 14. 06. 1932, RGBI. I, S. 285; Rieß, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], s. 373,428.

40

A/N/M, S. 6.

RGBI. I, S. 285. 42 RieS, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], s. 373,428. 43 RGBI. I, S. 844. 44 In der Fassung vom 28. 06. 1935. 45 In der Fassung vom 28. 06. 1935. 46 In der Fassung vom 28. 06. 1935. 47 Lehmann, JW 1935,2327, 2328; Schwarz, DJZ 1935, Sp. 925,927. 41

54

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts

§ 245 Abs. I S. 2 RStP048 • Für die Beweisaufnahme in erstinstanzliehen Amtsund Schöffengerichts- sowie Berufungsverfahren hatte die nunmehr geltende Gesetzeslage zur Konsequenz, daß damit jede Einflußnahme der Verfahrensbeteiligten -insbesondere des Angeklagten - auf den Umfang der Beweisaufnahme aufgehoben worden war49 • Gleichzeitig wurde durch das Gesetz vom 28. 06. 193550 erstmalig der Amtsermittlungsgrundsatz ausdrücklich kodifiziert, indem festgelegt wurde, daß das Gericht von Amts wegen alles zu tun habe, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig sei, § 244 Abs. 2 RStPd 1• Die vollständige Beseitigung des Beweisantragsrechts brachte die "Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege" vom 01. 09. 193952• Dem Gericht wurde die Befugnis eingeräumt, einen Beweisantrag abzulehnen, soweit es nach seinem Ermessen die Erhebung des Beweises zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich erachtete. Dies bedeutete gleichzeitig die Beseitigung des vom Reichsgericht bereits im Jahre 188053 statuierten Beweisantizipationsverbots. Die "Verordnung zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege" vom 13. 08. 194254 beseitigte durch Aufhebung des § 220 RStPO das Recht der Prozeßbeteiligten, Zeugen und Sachverständige unmittelbar zu laden55 •

Das Reichsgericht war in dieser Zeit bemüht, die durch den Gesetzgeber vorgenommene vollständige Entwertung des Beweiserhebungsanspruchs des Angeklagten dadurch wenigstens teilweise zu nivellieren, indem es nunmehr auf entsprechende Rüge hin die Einhaltung der Sachaufklärungspflicht56 besonders sorgfältig prüfte57•

4. Die Rechtsentwicklung des Beweisantragsrechts seit 1950 bis heute Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Unrechtssystems im Jahre 1945 stellte das "Gesetz zur Wiederberstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens In der Fassung vom 28. 06. 1935. A/N IM, S. 8; Rieß, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], S. 373,429. so RGBI. I, S. 844. 51 In der Fassung vom 28. 06. 1935. 52 RGBI. I, S. 1658. 53 RGSt 1, 189, 190. 54 RGBI. I, S. 508. 48 49

55 Siehe Art. 9 § 1 Abs. 3 "Verordnung zur weiteren Vereinfachung der Sttafrechtspflege" vom 13. 08. 1942, RGBI. I, S. 508. 56 Die Sachaufklärungspflicht wurde erstmals durch das Gesetz vom 28. 06. 1935, RGBI. I, S. 844, ausdrücklich kodifiziert, siehe soeben vorangegangener Abschnitt. 51 RG JW 1933,945 Nr. 8; 2217 Nr. 15; RGSt 74, 147, 153; Wesse1s, JuS 1969, 1, 2.

I. Die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts

55

und des Kostenrechts" (Rechtsvereinheitlichungsgesetz) vom 12. 09. 195058 die erste bedeutende Maßnahme des bundesrepublikanischen Gesetzgebers u. a. auf dem Gebiet des Beweisantragsrechts im Strafverfahren dar. Mit der Neufassung des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO wurde das Beweisantragsrecht der Prozeßbeteiligten, das die Nationalsozialisten systematisch beseitigt hatten, in dem Umfang von vor 1932 wiederhergestellt. Dies wurde durch Kodifizierung eines abschließenden Katalogs zulässiger Gründe zur Ablehnung eines Beweisantrags in den § 244 Abs. 3 bis 5 StPO erreicht. Darüber hinaus wurde das Recht der Prozeßbeteiligten, Zeugen und Sachverständige selbst unmittelbar zu laden, zu deren Vernehmung das Gericht nach § 245 StPO verpflichtet war, wieder in die StPO aufgenommen. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage konnte der Umfang der Beweisaufnahme lediglich im Privatklageverfahren, § 384 Abs. 3 StPO, durch das Gericht unbeschadet des § 244 Abs. 2 StPO festgelegt werden59• Hinsichtlich § 245 StPO brachte das Strafverfahrensänderungsgesetz (StVÄG) vom 05. 10. 197860 eine wesentliche Neuerung. § 245 Abs. 1 S. 2 StPO beschränkte nunmehr die Pflicht des Gerichts, die Beweisaufnahme ohne besonderen Antrag auf präsente Beweismittel zu erstrecken, auf die von ihm (scil. Gericht) selbst herbeigeschafften Auskunftspersonen und sachlichen Beweismittel sowie auf die von der Staatsanwaltschaft vor der Hauptverhandlung herbeigezogenen Urkunden und Augenscheinsgegenstände61 • Eine Pflicht zur Vernehmung der vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen sowie der sonstigen von ihnen herbeigeschafften Beweismittel bestand nur noch, soweit ein Beweisantrag gestellt wurde, der nicht aus einem der in § 245 Abs. 2 S. 2, 3 StP062 manifestierten Gründe abgelehnt werden konnte63• Bisheriger Schlußpunkt im Rahmen der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Beweisantragsrechts stellt das "Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege" (RptEntlG) vom 11. 01. 199364 dar. Mit diesem Gesetz räumte der Gesetzgeber den Gerichten die Möglichkeit ein, die Vernehmung eines Auslandszeugen abzulehnen, wenn nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist,§ 244 Abs. 5 S. 2 StP065• Hinzuweisen ist noch auf das "Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze" - Verbrechensbekämpfungsgesetz BGBl. I, S. 455. Siehe zum Ganzen §§ 244, 384 StPO in der Fassung des Rechtsvereinheitlichungsgesetzes vom 12. 09. 1950, BGBI. I, S. 455. Zur Übernahme dieser Rechtslage im Strafbefehlssowie beschleunigten Verfahren siehe unten 4. a.E. 60 BGBI. I, S. 1645. 61 In der Fassung vom 05. 10. 1978. 62 In der Fassung vom 05. 10. 1978. 63 Siehe dazu auch LR-Gollwitzer, § 245 ,,Entstehungsgeschichte". 64 BGBI. I, S. 50. 6S In der Fassung vom 11. 01. 1993. 58

59

56

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts

(VBG) -vom 28. 10. 199466, das im Strafbefehlsverfahren und im beschleunigten Verfahren vor dem Strafrichter diesen hinsichtlich der Behandlung von Beweisanträgen von den Ablehnungsgründen der§ 244 Abs. 3 bis 5 StPO befreit hat67 • Im Hinblick darauf, daß damit der Strafrichter in diesen Verfahren den Umfang der Beweisaufnahme unbeschadet des § 244 Abs. 2 StPO bestimmt, kann er - ebenso wie im Privatklageverfahren nach § 384 Abs. 3 StPO und im Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 77 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG - einen Beweisantrag ablehnen, soweit er die Erhebung des angebotenen Beweises zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält68 •

5. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Geschichte des Beweisantragsrechts der RStPO vom 01. 02. 1877 bis zum Beginn der 30er Jahre dadurch gekennzeichnet ist, daß der Gesetzgeber die vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung herausgearbeiteten Gründe zur Ablehnung eines Beweisantrags übernommen hat. Der damalige Gesetzgeber reagierte also mit der entsprechenden Kodifizierung auf die jeweils aktuelle Rechtsprechung des Reichsgerichts69• Die Zeit des nationalsozialistischen Unrechtsregimes zeichnete sich durch eine systematische Demontage der den Verfahrensbeteiligten und insbesondere dem Angeklagten eingeräumten Rechtsposition auf dem Gebiet des Beweisantragsrechts aus. Nach 1945 wurde zunächst die vor 1932 bestehende Rechtslage für das Beweisantragsrecht wieder in das Gesetz aufgenommen. Erst seit Ende der 70er Jahre sah und sieht sich der Gesetzgeber im Hinblick auf den praktizierten Mißbrauch des Beweisantragsrechts durch die Verfahrensbeteiligten gezwungen, dieses Recht einzuschränken. Inwieweit auf diese Weise der Gefahr eines Rechtsmißbrauchs tatsächlich begegnet werden konnte, soll zu einem späteren Zeitpunkt näher beleuchtet werden.

II. Zum Begriff des Beweisantrags Bevor die Funktion des Beweisantrags näher dargestellt wird, ist es zunächst erforderlich, sich Klarheit über die Anforderungen zu verschaffen, die Rechtsprechung und Lehre an dieses Rechtsinstitut stellen.

66

67 68 (f}

BGBI. I, S. 3186. Das VBG trat am 01. 12. 1994 in Kraft. Art. 4 Nr. 10 VBG, BGBI. I, S. 3186, 3191. Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 420 Rn 10. LR-Gollwitzer, § 244Rn 178m. w. N.

II. Zum Begriff des Beweisantrags

57

1. Der Beweisantrag -Begriffsbestimmung und Abgrenzung Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich näher mit dem Begriff des Beweisantrags. In diesem Zusammenhang werden die inhaltlichen Voraussetzungen dargestellt, die Rechtsprechung und Lehre an einen Beweisantrag stellen, sowie diejenigen Kriterien, nach denen eine Abgrenzung zu alternativen Beweisbegehren, insbesondere zum Beweisermittlungsantrag, vorgenommen wird. Die Notwendigkeit dieser Darstellung rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß nur ein Beweisantrag ausschließlich aus den im Gesetz abschließend kodifizierten Gründen durch begründeten Gerichtsbeschluß abgelehnt werden kann oder muß, wie sich aus § 244 Abs. 3 bis 6 StPO ergibt. Im Gegensatz dazu kommt einem Beweisermittlungsantrag lediglich die Wirkung zu, das Gericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht im Hinblick auf bestimmte mögliche Beweismittel zur Tätigkeit anzuregen70• Der Beweisermittlungsantrag dient insbesondere der Vorbereitung eines bestimmten Beweisantrags, den der Antragsteller zunächst nicht stellen kann, weil er die Beweistatsache noch nicht kennt oder das Beweismittel noch nicht hinreichend bestimmt spezifizieren kann71 • Beweisermittlungsanträge können ohne förmlichen Beschluß jenseits der abschließend aufgezählten Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO vom Vorsitzenden 72 abgelehnt werden, sofern nicht die Amtsaufklärungspflicht eine entsprechende Beweiserhebung gebietet73 . Bereits aus diesen Unterschieden hinsichtlich der förmlichen Behandlung beider möglichen Formen des Aufklärungsbegehrens ergibt sich, daß der Abgrenzung des Beweisantrags von den Beweisanregungen eine erhebliche praktische Bedeutung zukommt74• Von Relevanz ist die Unterscheidung Beweisantrag - Beweisanregung auch hinsichtlich eines möglichen Revisionsverfahrens. Soweit ein Beweisantrag nicht gestellt wird, ist eine Revision, die eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO rügt, nur begründet, wenn sich dem Tatgericht eine entsprechende Beweiserhebung unabhängig von eventuellen Beweisanträgen der Verfahrensbeteiligten aufdrängen mußte. Zwar besteht die gerichtliche Aufklärungspflicht unabhängig von den (Beweis-)Anträgen der Verfahrensbeteiligten75 • Jedoch kann in dem Umstand, daß der Angeklagte oder sein Verteidiger einen Beweisantrag trotz entsprechender Möglichkeit nicht gestellt hat, ein Indiz dafür gesehen werden, daß keine Anhaltspunkte ersichtlich waren, die das Gericht zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätten drängen müssen76. Wenn das Tatgericht von derartigen Umständen tatsächlich keine Kenntnis hat, beispielsweise weil die VerRanft, Rn 1550; Roxin, § 43 Rn 8. BGHSt 30, 131, 142. 72 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 26; LR-Gollwitzer, § 244 Rn 119m. w. N. 73 BGH NStZ 1987, 181. 74 Roxin, § 43 Rn 8. 1s LR-Gollwitzer, § 244 Rn 48. 76 BGHSt 27, 250, 252; bei Holtz MDR 1985, 629; Dahs/Dahs, Rn 482 m. w. N. 10

7t

C. Zur Entwicklung und Funktion des Beweisantragsrechts

58

fahrensbeteiligten auf die Erfüllung der Amtsaufklärungspflicht mittels entsprechender Anregungen nicht hingewirkt haben, ist das Stellen eines fOrmliehen Beweisantrags erforderlich, damit im Falle der Nichtbescheidung oder fehlerhaften Ablehnung des fraglichen Beweisantrages eine Revision auf eine Verletzung der § 244 Abs. 3 bis 6 StPO gestützt werden kann17• Obwohl das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor allem des Angeklagten und seines Verteidigers, Gegenstand und Umfang der Beweisaufnahme durch Beweisanträge mitzubestimmen, als unabdingbarer Bestandteil eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens anzusehen ist78, überrascht es, daß in der StPO eine nähere Bestimmung des Begriffs ,,Beweisantrag" fehlt. Dieser Begriff wird vielmehr vom Gesetz vorausgesetzt, wie beispielsweise in§§ 163 a, 219, 222, 244 Abs. 3 bis 5, 245 Abs. 2, 246 StPO. Inwieweit diese Vorschriften zur näheren Begriffsbestimmung herangezogen werden können, hängt wesentlich davon ab, ob das Gesetz diesen Begriff einheitlich verwendet. Dies ist jedoch im Hinblick auf die Besonderheiten des Beweisantragsrechts in den jeweiligen Verfahrensabschnitten zu verneinen79: So kann sich beispielsweise im Ermittlungsverfahren der Beweisantrag mangels eines durch die Anklage bestimmten Verfahrensgegenstandes80 auf einen gröberen Verdacht beziehen als im Hauptverfahren81 . Aus dem Umstand, daß im Vorverfahren eine Unterscheidung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag regelmäßig nicht gemacht wird, kann ebenfalls gefolgert werden, daß der StPO kein einheitlicher Begriff vom Beweisantrag zugrunde liegt82. Wie eingangs bereits erwähnt, ist im Gegensatz dazu bei § 244 StPO eine derartige Differenzierung zwischen Beweis- und Beweisermittlungsantrag gerade erforderlich, da ersterer nur aus den abschließend enumerierten Gründen des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO abgelehnt werden kann, einem Beweisermittlungsantrag jedoch lediglich im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nachgegangen werden muß83. Soweit hinsichtlich der im Zwischenverfahren nach § 201 StPO bzw. § 219 StPO gestellten Beweisanträge eine Differenzierung zwischen Beweisantrag und Beweisermittlungsantrag im Hinblick auf den Umfang der Bescheidungspflicht tatsächlich nicht gemacht wird, spricht dies nicht dafür, daß insoweit das Gesetz von identischen Beweisantragsbegriffen ausgeht. Unterschiede ergeben sich zum n Siehe zum Ganzen Ranft, Rn 1546. Siehe oben Kapitel B II. 3. A/N IM, S. 35; RieB, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977], S. 373,420 f. so In diesem Verfahrensabschnitt fehlt es ohnehin noch an einer Klageschrift, da diese regelmäßig den Abschluß des Ermittlungsverfahrens bildet, § 169 a StPO. 81 Schreiber, Festschrift ftir Baumann [1992), S. 383, 387. 82 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 163 a Rn 16; KK-Wache, § 163 a Rn 8; LR-Hanack, 24. Aufl., § 136 Rn 31, der darauf hinweist, daß es sich bei dem in§ 136 StPO angesprochenen ,,Beweisantragsrecht" nur um eine Beweisanregung handele; in der 25. Aufl. fehlt ein derartiger Hinweis. 83 Siehe soeben S. 57 und Fn 72. 78

79

Il. Zum Begriff des Beweisantrags

59

einen aus dem jeweiligen Zweck der einzelnen Beweisanträge: § 201 StPO dient insbesondere dem Schutz des Angeschuldigten davor, daß gegen ihn die Hauptverhandlung angeordnet wird84. § 244 StPO und die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung verfolgen den Zweck, den Beweis von Grund auf neu zu führen. Denn nach dem in § 261 StPO kodifizierten Grundsatz der Unmittelbarkeit hat das Gericht seine Überzeugung ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung- und nicht aus den Akten- zu bilden85• Aus diesem Grund wurde seitens des Gesetzgebers auch nur das Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung ausdrücklich kodifiziert86• Gegen die Annahme eines einheitlichen Beweisantragsbegriffs in §§ 201, 219, 244 StPO spricht auch, daß im Gegensatz zum Beweisantragsrecht in der Hauptverhandlung weder§ 201 StPO noch§ 219 StPO Gründe zur Ablehnung von Beweisanträgen nennt. Aus diesem Grund stellen die in §§ 201, 219 StPO genannten Beweisanträge tatsächlich lediglich Anregungen zur Beweiserhebung dar 87• Damit bleibt festzuhalten, daß in Ermangelung eines einheitlichen Beweisantragsbegriffs in der StPO zur näheren Begriffsbestimmung im Rahmen des § 244 StPO nicht diejenigen Vorschriften in der StPO herangezogen werden können, die ebenfalls den Beweisantrag thematisieren. Im Hinblick darauf, daß ein Beweisantrag inhaltlich derart gefaßt sein muß, daß er unter den Voraussetzungen der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO geprüft werden kann88, ergibt sich jedoch der Begriff des Beweisantrags aus dessen notwendigem Inhalt, der im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung und der Literatur näher konkretisiert wurde. Die einzelnen inhaltlichen Anforderungen, die von Judikatur und Lehre an einen Beweisantrag gestellt werden, sollen im folgenden dargestellt werden.

a) Der notwendige Inhalt des Beweisantrags im Sinne des § 244 StPO Wie soeben festgestellt worden ist, muß ein Beweisantrag einer sinnvollen Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 StPO zugänglich sein89, so daß folgende inhaltliche Anforderungen an ein Aufklärungsbegehren zu stellen sind, damit ihm die Qualität eines Beweisantrags im Sinne des § 244 StPO zukommt.

LR-Rieß, § 201 Rn 1m. w. N.; LR-Gollwitzer, § 219 Rn 2. ss Roxin, § 43 Rn l. 86 Roxin, § 43 Rn l. 87 A/N IM, S. 34; Rieß, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Bundesjustizministeriums [1977), S. 373,420 f. ss Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 18; Ranft, Rn 1544. 89 Siehe soeben letzter Absatz und die Nachweise in Fn 88. 84

60

C. Zur Entwicklung und Funletion des Beweisantragsrechts

aa) In dem Antrag muß eine konkrete Beweistatsache90 zur Schuld- oder Rechtsfolgenfrage gemäß § 263 Abs. 1 StP091 bestimmt behauptet, d. h. als feststehend deklariert92 werden. Dem Gericht ist namentlich nur bei Kenntnis des Beweisthemas möglich zu beurteilen, ob die beantragte Beweiserhebung angeordnet werden muß oder ob der Antrag aus einem der in § 244 Abs. 3, Abs. 4 StPO kodifizierten Gründe abgelehnt werden kann93 . Im Zusammenhang mit dem Behaupten bestimmter Tatsachen besteht Einigkeit darüber, daß es sich um wahrnehmbare und mitteilbare Fakten handeln muß94, die durch eines der vier Beweismittel des Strengbeweisverfahrens- Zeugenbeweis gemäߧ§ 48 bis 71 StPO, Sachverständigen- und Augenscheinsbeweis gemäß §§ 72 bis 93 StPO und Urkundsbeweis gemäߧ§ 249 bis 256 StPO- vermittelt werden können95 . Nicht erforderlich ist es jedoch, daß der Antragsteller von der Wahrheit der behaupteten Tatsache oder von der Erwartung eines für ihn günstigen Beweisergebnisses überzeugt ist96• Er kann vielmehr Beweis auch über Tatsachen verlangen, die er nur vermutet oder für möglich hält97 . Im Gegensatz dazu stand der 3. Strafsenat des BGH Anfang der 80er Jahre zwar auf dem Standpunkt, daß ein Aufklärungsbegehren nur als Beweisermittlungsantrag und nicht als Beweisantrag zu qualifizieren sei, wenn der Antragsteller die Beweistatsache nicht bestimmt behaupte, sondern nur als "bloße Vermutung einer Möglichkeit" hinstelle98. Gegen diese Auffassung streitet zum einen der Umstand, daß es für die Bewertung des erkennbaren und offerierten Beweismaterials ohnehin nicht auf die Beurteilung des Angeklagten oder seines Verteidigers ankommt, sondern insoweit ausschließlich die Ansicht des Gerichts maßgeblich ist99• Darüber hinaus beschränkt diese Auffassung das Beweisantragsrecht als das wichtigste Verteidigungsrecht des Angeklagten 100 in einem unerträglichen Maße. Dieser ist nämlich vielfach gezwungen, zu seinem Schutz Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er nur vermutet oder für möglich hält, und deshalb die Erfolgsaussichten seines Beweisbegehrens als gering einschätzt101. Im Hinblick auf das Interesse des Angeklagten an einer umfassenden BGHSt 39, 251. Siehe zu diesem Aspekt LR-Gollwitzer, § 244 Rn 96. 92 BGH NJW 1987, 2384, 2385 NStZ 1987, 181 JR 1988, 387m. Anm. Welp; KKHerdegen, § 244 Rn 44; Kleinlcnecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 20; SK/StPO-Schlüchter, § 244Rn55. 93 A/N /M, S. 39 f. 94 KK-Herdegen, § 244 Rn 45. 9S SK/StPO-Schlüchter, § 244 Rn 57. 96 BGHSt 21, 118, 125 NJW 1966, 2174, 2175; OLG Köln NStZ 1987, 341 -1. LS-; KK-Herdegen, § 244 Rn 44; SKI StPO-Schlüchter, § 244 Rn 55. . Insbesondere kann das Vorliegen einer derartigen Ausnahmesituation aus dem gesamten Verteidigungsverhalten des Angeklagten oder seines Verteidigers geschlossen werden, vor allem aus der Art und Weise der Beweisantragstellung 101 • Bei der Beurteilung des VorHegens einer krassen Ausnahmesituation verbietet es sich allerdings, zwischen der Person des Angeklagten und der des Verteidigers zu differenzieren; ein kollusives Zusammenwirken zwischen Verteidiger und Angeklagtem kann aber als Indiz für das Vorliegen eines krassen Ausnahmefalls herangezogen werden. Im Hinblick auf § 246 StPO vermag jedoch allein der späte Zeitpunkt der Antragstellung für sich genommen nicht die Annahme eines krassen Ausnahmefalls und damit die Unterbindung eines vermeintlichen Mißbrauchs des Beweisantragsrechts durch RückSiehe BGHSt 10, 116; 23, 178; 38, 111. BGHSt 38, 111. 116 BGHSt 38, lll, 113 ff. 'Ti So BGHSt 10, 116; 23, 178 -Fall Bartsch -. 98 Siehe insoweit BGHSt 10, 116,118 f.; 23, 178, 187, 193. 99 KK-Herdegen, § 244 Rn 68. 1oo Siehe zu diesen Kriterien oben Kapitel EI. 1. b), II. 1. 1o1 So auch BGHSt 38, 111, 113 f. 94

9S

192

G. Eigener Lösungsvorschlag

griff auf§ 34 StGB zu rechtfertigen 102• Ein krasser Ausnahmefall kann auch dann nicht angenommen werden, wenn der exzessive Gebrauch des Beweisantragsrechts tatsächlich eine Reaktion auf ein mißbräuchliches und schikanöses, weil willkürliches Verhalten des Gerichts darstellt. Die Beantwortung der Frage, ob das Verhalten des Gerichts als willkürlich anzusehen ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit herausgearbeitet hat 103 • Um zu verhindern, daß durch vorschnellen Rückgriff auf § 34 StGB die nur engagierte, aber redliche Verteidigung Schaden nimmt, ist eine Dokumentation der jeweiligen Indizien notwendig, aus denen das Instanzgericht das Vorliegen eines krassen Ausnahmefalls gefolgert hat. Das Revisionsgericht hat diese Annahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, d. h. den Instanzgerichten ist insoweit kein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Die im Rahmen eines Beschlusses darzulegenden Indizien müssen um so mehr argumentatives Gewicht haben, je schwerwiegender sich die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat darstellt. Darin ist kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu sehen, da insbesondere die Vorschriften über das Strafbefehlsverfahren, §§ 407 ff. StPO, sowie die Vorschriften über das beschleunigte Verfahren, §§ 417 ff. StPO, zeigen, daß die StPO im Bereich der Bagatellkriminalität dem Angeklagten Beteiligungs- und Schutzrechte in einem geringeren Umfang gewährleistet. Die hier herausgearbeiteten Gesichtspunkte verstehen sich nur als Anhaltspunkte zur Bestimmung eines krassen Ausnahmefalls. Es ist zu erwarten, daß von der Rechtsprechung weitere Kriterien entwickelt werden, die dann auch Eingang in eine gesetzliche Regelung finden können. Es wird sich zeigen, ob die Rechtsprechung den Begriff des krassen Ausnahmefalls im Wege einer Negativabgrenzung durch Festlegung derjenigen Indizien, die für die dessen Annahme nicht ausreichen, bestimmt, oder ob eine Positivabgrenzung dahingehend vorgenommen wird, welche Indizien - ftir sich oder mit weiteren Kriterien - die Annahme eines derartigen krassen Ausnahmefalls rechtfertigen können. Es spricht Vieles daftir, daß sich eine Negativabgrenzung herauskristallisieren wird.

IV. Zu den prozessualen Konsequenzen des § 34 StGB Nachdem die Anwendbarkeit des § 34 StGB im Falle des krassen Mißbrauchs des Beweisantragsrechts bejaht wurde, stellt sich die Frage nach den prozessualen Konsequenzen, die aus dieser Vorgehensweise folgen können.

1o2 Siehe zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO oben Kapitel EI. 1. b), II. 2. b) m. w. N. 103 Siehe dazu BGH NJW 1990, 1373; BayObLG DRiZ 1977, 244; StV 1988, 97; OLG Köln StV 1991, 292; OLG Zweibrücken StV 1996, 650; LG Hildesheim StV 1987, 12.

IV. Zu den prozessualen Konsequenzen des § 34 StGB

193

Im Zusammenhang mit der prozessualen Behandlung von mißbräuchlich gestellten Beweisanträgen ist angesichts der Rechtsprechung des BGH von der Prämisse auszugehen, daß derartige Anträge nicht einfach übergangen werden können, sondern irgendeine prozessuale Reaktion des Gerichts auslösen müssen. Im Hinblick auf die möglichen prozessualen Reaktionen des Gerichts ist eine Differenzierung erforderlich zwischen der Frage, im welchem Umfang ein weiterer Mißbrauch des Beweisantragsrechts durch entsprechende Maßnahmen 104 für die Zukunft unterbunden werden kann sowie der Frage, ob und wie bereits gestellte Anträge inhaltlich beschieden werden müssen. Die erste Frage, in welchem Umfang Maßnahmen aufgrund des § 34 StOB zulässig sein können, um einen weiteren Mißbrauch des Beweisantragsrechts für das laufende Verfahren zu unterbinden, läßt sich aufgrund der nach § 34 S. 1 StOB erforderlichen ,,nicht anders abwendbaren Gefahr" beantworten: Im Hinblick darauf, daß insoweit das Fehlen eines weniger einschneidenden Mittels zur Gefahrenabwehr gemeint ist 105, können somit nur diejenigen Maßnahmen rechtmäßig sein, die angesichts der Unterbindung des zu erwartenden Mißbrauchs das mildeste Mittel darstellen. So wäre es beispielsweise nicht zulässig, daß das Gericht im Falle des exzessiven Gebrauchs des Beweisantragsrechts durch den Angeklagten diesem sogleich das Stellen weiterer Beweisanträge verbietet; es könnte ihm allenfalls aufgeben, Beweisanträge in Zukunft nur noch über seinen Verteidiger zu stellen 106• Im Hinblick auf die Bedeutung des Beweisantragsrechts für den Angeklagten wäre ein vollständiger Entzug dieses Rechts nur dann gerechtfertigt, wenn weniger gravierendere Maßnahmen keinen Erfolg gezeitigt hätten und das Verhalten des Angeklagten den Schluß auf eine Fortsetzung des mißbräuchlichen Verhaltens zuließe. Für die Beantwortung der zweiten Frage, nämlich nach den prozessualen Konsequenzen für bereits - tatsächlich oder angeblich - mißbräuchlich gestellte Beweisanträge, ist folgendes zu berücksichtigen: Die bisherige Rechtsprechung zur prozessualen Behandlung eines mißbräuchlichen Gebrauchs strafprozessualer Gestaltungsrechte ist uneinheitlich. Insoweit wurde das Abschneiden von nicht zur Sache gehörender Beweise107, eine Wortentziehung bei nicht ernstgemeinten Beweisanträgen108, die Nichtberücksichtigung von lediglich zum Zwecke der Verfahrensverschleppung gestellter BeweisanträgeHl9 sowie die Zurückweisung mißbräuchli104 In diesem Zusammenhang könnte erwogen werden, daß durch gerichtliche Anordnung dem Angeklagten aufgegeben wird, daß Beweisanträge in Zukunft ausschließlich über seinen Verteidiger zu stellen sind - so BGHSt 38, 111 -, diese schriftlich gestellt werden müssen oder daß im Extremfall das Beweisantragsrecht zunächst auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt, gegebenenfalls später flir das gesamte Verfahren entzogen wird. 1os Tröndle/Fischer, § 34 Rn 5. 106 SoauchBGHSt38,111, 113. 107 RGSt 1, 241, 244. 1os RGSt 22, 335, 336. 109 RGSt 13, 151, 153.

13 Spiekermann

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G. Eigener Lösungsvorschlag

cher110 oder lediglich das Verfahren verschleppender Fragen 111 erwogen. Damit wird deutlich, daß sich selbst die Rechtsprechung über mögliche Konsequenzen eines Mißbrauchs prozessualer Gestaltungsrechte nicht im klaren war bzw. istm. Im Interesse einer einheitlichen Behandlung sind mißbräuchliche Beweisanträge im Falle des Rückgriffs auf § 34 StGB als unzulässig durch Beschluß zurückzuweisen. Eine derartige Entscheidung wird auch nicht von § 244 Abs. 3 S. 1 StPO miterfaßt, weil diese Vorschrift nur für Anträge gilt, die auf unzulässige Beweiserhebung beispielsweise mit in der StPO nicht zugelassenen Beweismitteln oder über Themen, die nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein können - gerichtet sind m. Die Notwendigkeit einer ausführlichen Begründung sowie Dokumentation der Entscheidung in einem Ablehnungsbeschluß erübrigt sichtrotz FehJens einer entsprechenden Regelung nicht, soweit ein Mißbrauch des Beweisantragsrechts durch Rückgriff auf § 34 StGB unterbunden wird. Die Pflicht des Gerichts zur Begründung seiner Entscheidung ergibt sich bereits aus dem Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Der Angeklagte ist daher vorab, und nicht erst in den Urteilsgründen, darüber zu unterrichten, wie das Gericht seinen Beweisantrag beurteilt. Damit soll er in die Lage versetzt werden, sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage einzustellen und gegebenenfalls das Gericht von der Redlichkeit seiner Verteidigungsstrategie zu überzeugen 114• Dieser Gesichtspunkt bestimmt auch den Umfang der gerichtlichen Begründungspflicht Das Gericht muß zu den einzelnen Voraussetzungen des § 34 StGB Stellung nehmen. Insbesondere ist zu begründen, weshalb ausnahmsweise der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege Vorrang vor den Verteidigungsinteressen des Angeklagten gebührt. Im Hinblick darauf, daß Interessen im Falle ihres Mißbrauchs nicht schützenswert sind, ist eine Darlegung deijenigen objektiven Indizien erforderlich, aus denen das Gericht den Rechtsmißbrauch des Antragstellers gefolgert hat. Insoweit können dieselben Kriterien eine Rolle spielen, bei deren Vorliegen der BGH und die Obergerichte bereits bisher auf die Verschleppungsabsicht des Antragstellers geschlossen haben 115 • Hier werden die Vorteile einer Mißbrauchsbekämpfung im Bereich des Beweisantragsrechts unter Rückgriff auf § 34 StGB nochmals deutlich: Die umfassende sowie die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Abwägung widerstreitender Interessen ermöglicht eine sachgerechte Berücksichtigung der Verteidigungsinteressen des Angeklagten. Im Hinblick darauf, daß subjektive Einstellungen des Antragstellers nicht berücksichtigt werden - § 34 StGB knüpft lediglich uo RGSt 66, 14. m BGHSt 2, 284. m Auch der Entscheidung BGHSt 38, 111, läßt sich nichts über das Schicksal der vom Angeklagten gestellten Tausenden von Beweisanträgen entnehmen. m K1einknecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 49. 114 Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 244 Rn 41 a. m Siehe dazu oben Kapitel E I.

V. Lösung unter Rückgriff auf § 34 StGB

195

an objektive Merkmale an -, diese deshalb auch nicht vom Gericht im Ablehnungsbeschluß dargelegt werden müssen 116, erhält das Gericht eine effektive Möglichkeit, einen mißbräuchlichen Gebrauch des Beweisantragsrechts zu unterbinden. Um aber einen Mißbrauch des § 34 StGB durch die Gerichte zu verhindern, ist die uneingeschränkte Überprüfung dieser Maßnahmen durch das Rechtsmittelgericht erforderlich. Namentlich die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts ist nicht auf eine Rechtskontrolle beschränkt, sondern erfaßt auch die tatsächlichen Umstände, auf denen der Ablehnungsbeschluß beruht 117• Damit stellt der Lösungsweg über § 34 StGB zur Unterbindung des mißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts keine einseitige Verkürzung der Rechte des Angeklagten im Interesse einer effizienteren Gestaltung des Strafverfahrensrechts dar: Aufgrund des Ausnahmecharakters des § 34 StGB ist ein Rückgriff auf diese Vorschrift nur in krassen und extremen Ausnahmefällen zulässig118 • Damit ist nicht zu befürchten, daß § 34 StGB von den Gerichten dazu mißbraucht wird, lediglich unbequeme Beweisanträge problemlos ablehnen zu können. Die umfassende Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts, insbesondere des Revisionsgerichts, stellt darüber hinaus ebenfalls sicher, daß die nur engagierte Verteidigung nicht durch einen vorschnellen Rückgriff auf § 34 StGB in Gefahr gerät. Im übrigen werden die Verteidigungsinteressen des Angeklagten im Rahmen der in § 34 StGB vorzunehmenden Interessenahwägung umfassend berücksichtigt. Diese Interessenahwägung hat das Gericht in einem Beschluß zu dokumentieren. Aufgrund der Tatsache, daß in diesem Beschluß subjektive Einstellungen des Antragstellers nicht dargelegt werden müssen, erhält das Gericht ein taugliches Mittel zur Mißbrauchsbekämpfung im Bereich des Beweisantragsrechts an die Hand, das den rechtsstaatlich gebotenen Ausgleich zwischen dem Verteidigungsinteresse des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege sachgerecht vornimmt.

V. Lösung der Fälle BGHSt 38, 111 und LG Wiesbaden NJW 1995, 409 unter Rückgriff auf§ 34StGB Wenn man die soeben entwickelte Lösungskonzeption auf die eingangs dargestellten Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 07. 11. 1991 119 sowie des LG Wies-

116 Zur Schwierigkeit des Nachweises subjektiver Einstellungen aufgrund objektiver Indizien im Rahmen des§ 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO siehe oben Kapitel EI. l. b), ß. 2. 117 So auch BGHSt 21, 118, 123 für den Ablehnungsgrund der Prozeßverschleppung. 118 Zu den Kriterien, die die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls rechtfertigen können, siehe soeben ßl. 3. 119 BGHSt 38, 111.

196

G. Eigener Lösungsvorschlag

baden vom 23. 09. 1994120 überträgt, so würde dies zu folgenden Konsequenzen führen: 1. BGHSt 38, 111

Vom Ergebnis her würde sich an der Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH121 nur insoweit etwas ändern, als die bereits gestellten Beweisanträge wegen Rechtsmißbrauchs als unzulässig abgelehnt werden könnten 122• Im Hinblick auf das gesamte Verteidigungsverhalten des Angeklagten, insbesondere die Art und Weise der Beweisantragstellung 123, kann ohne weiteres vom Vorliegen eines krassen Ausnahmefalls ausgegangen werden, der gerichtliche Maßnahmen zur Mißbrauchsunterbindung unter Rückgriff auf § 34 StGB ausnahmsweise rechtfertigt124. Die Auflage an den Angeklagten, Beweisanträge in Zukunft nur noch über seinen Verteidiger zu stellen, ist auch im Hinblick auf § 34 StGB nicht zu beanstanden, weil sie das mildeste Mittel zur Mißbrauchsunterbindung darstellt. Maßgeblich würde sich jedoch die Rechtfertigung dieser Maßnahme ändern. Insoweit müßte das Gericht nicht mehr mit dem - verfassungsrechtlich fragwürdigen - ungeschriebenen Mißbrauchsverbot operieren, sondern hätte lediglich zu prüfen, ob sowie darzulegen, daß die Voraussetzungen des § 34 StGB im zu entscheidenden Fall vorliegen. Dies könnte bei dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bejaht werden. Insbesondere überwiegt hier das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege das Interesse des Angeklagten an umfassender Verteidigung: Es muß mit dem BGH bezweifelt werden, ob überhaupt das Recht des Angeklagten auf umfassende Verteidigung tangiert wurde, weil tatsächlich seine Verteidigung lediglich in prozeßrechtlich ordnungsgemäße Bahnen gelenkt wurde 125. Zudem ist davon auszugehen, daß ein Rechtsmißbrauch generell nicht schutzwürdig sein kann. Das mißbräuchliche Verhalten des Angeklagten hat der BGH in seiner Entscheidung überzeugend dargelegt126, so daß aufgrunddieses rechtsmißbräuchlichen Verhaltens dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Vorrang gebührt.

120

LG Wiesbaden NJW 1995,409.

121 BGHSt 38, 111. 122 Eine derartige Entscheidung wurde weder von der Vorinstanz noch vom BGH getrof-

fen.

123 Wie oben Einleitung I. dargestellt, war das Gericht in einem insgesamt überschaubaren Verfahren nahezu ausnahmslos mit der Entgegennahme und fast ausschließlichen Ablehnung von Beweisanträgen befaßt. 124 Zu den Kriterien zur Spezifizierung eines krassen Ausnahmefalls siehe oben III. 3. 125 So BGHSt 38, 111, 114. 126 Siehe insoweit BGHSt 38, 111, 113.

VI. Zusammenfassung

197

2. LG Wiesbaden NJW 1995, 409 Wenn man§ 34 StGB auf das Urteil des LG Wiesbaden vom 23. 09. 1994127 anwendet, so kommt man zu dem Ergebnis, daß diese Entscheidung in der Form nicht aufrechtzuhalten ist: Das Gericht hätte zunächst prüfen müssen, inwieweit die von der Verteidigung gestellten Beweisanträge aufgrundder in § 244 Abs. 3 S. 2 bis 5 StPO kodifizierten Gründe hätten abgelehnt werden können. Im Hinblick auf diese alternative Vorgehensweise fehlte es an einer ,,nicht anders abwendbaren Gefahr" im Sinne des § 34 StGB, so daß in der dem LG Wiesbaden vorliegenden Konstellation ein Rückgriff auf diese Vorschrift unzulässig gewesen wäre. Damit zeigt sich, daß die Anwendung des § 34 StGB im Falle des Rechtsmißbrauchs das Beweisantragsrecht nicht einseitig zu Lasten des Angeklagten verkürzt oder das Beweisantragsrecht des Angeklagten gar aushöhlt. Es ist auch nicht zu befürchten, daß aufgrund eines vorschnellen Rückgriffs auf diese Vorschrift seitens der Gerichte die engagierte, jedoch redliche Verteidigung des Angeklagten ernsthaften Schaden nehmen könnte. Gerade das Tatbestandsmerkmal der ,,nicht anders abwendbaren Gefahr'' verhindert eine derartige unzulässige Vorgehensweise seitens der Gerichte.

VI. Zusammenfassung Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, daß § 34 StGB es den Gerichten ermöglicht, in Fällen krassen Mißbrauchs des Beweisantragsrechts sachgerechte Entscheidungen zu treffen, bei denen die Belange des Angeklagten an einer umfassenden Verteidigung sowie die Interessen der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden können. Im Hinblick auf die Pflicht des Gerichts zur Dokumentation seiner Entscheidung in einem entsprechenden Ablehnungsbeschluß sowie angesichts der umfassenden Kontrolle dieser Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht wird sichergestellt, daß die nur engagierte, aber ansonsten redliche Verteidigung nicht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung Schaden nimmt.

127

LG Wiesbaden NJW 1995,409.

H. Zusammenfassung und Ausblick Abschließend sind die im Rahmen der Arbeit ,,Mißbrauch des Beweisantragsrechts" erzielten Ergebnisse zusammenzufassen. Darüber hinaus soll ein Ausblick dahingehend vorgenommen werden, in welchem Rahmen der Gesetzgeber zur Bewältigung der Mißbrauchsproblematik im Bereich des Beweisantragsrechts tätig werden muß. Ausgehend von den Entscheidungen des 4. Strafsenats des BGH vom 07. 11. 1991 1 sowie des LG Wiesbaden vom 23. 09. 19942 wurde die Mißbrauchsanfälligkeit des Beweisantragsrechts deutlich. Dies liegt vor allem daran, daß das geltende Recht es den Prozeßbeteiligten nicht untersagt, den endgültigen Verfahrensabschluß durch das dauernde Stellen von Beweisanträgen - gegebenenfalls bis zur Verfahrenssabotage - zu verzögern. Auch wenn eine derartige Verteidigungsstrategie für das Gericht wie ein Rechtsmißbrauch wirkt, läßt das Gesetz dies zu. Um eine Verfahrenssabotage durch exzessives Stellen von Beweisanträgen seitens der Verteidigung zu verhindern, sehen sich die Gerichte gezwungen, in der StPO nicht vorgesehene Maßnahmen zu ergreifen. Dies wird vom BGH in extremen Ausnahmefällen gebilligt3• Der Rückgriff auf nichtkodifiziertes Recht zur Mißbrauchsunterbindung im Bereich des Beweisantragsrechts ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Das verdeutlichen auch die von dieser Seite ausgearbeiteten alternativen Lösungskonzepte. Zu Beginn der Arbeit und im Anschluß an die Bestimmung des Begriffs ,,Rechtsmißbrauch" wurde der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Strafverfahren unter besonderer Berücksichtigung der geltenden Prozeßmaximen näher analysiert. Dabei wurde festgestellt, daß u. a. sowohl das Recht des Angeklagten auf umfassende Verteidigung als auch das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege Elemente des Rechtsstaatsprinzips darstellen und damit verfassungsrechtlich abgesichert sind. Den dadurch bedingten, im Rechtsstaatsprinzip angelegten Konflikt widerstreitender Interessen gilt es im Rahmen der legislatorischen Bewältigung der Mißbrauchsproblematik im Bereich des Beweisantragsrechts zu einem gerechten Ausgleich zu bringen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinem Aspekt per se Vorrang vor dem anderen gebührt.

I

2 3

BGHSt 38, 111. LG Wiesbaden NJW 1995, 409. Siehe insoweit BGHSt 38, 111, 113 f.

H. Zusammenfassung und Ausblick

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Im Hinblick auf mögliche Reformüberlegungen zur Mißbrauchsbewältigung im Bereich des Beweisantragsrechts war zunächst Einigkeit über die Ziele des Strafverfahrens zu erzielen. Insoweit wurde nachgewiesen, daß der Rechtsfrieden das maßgebliche Verfahrensziel im Strafprozeß darstellt. Ebenfalls von maßgeblicher Bedeutung für mögliche Reformüberlegungen im Bereich des Beweisantragsrechts ist die Frage nach dem Umfang der Aufklärungspflicht sowie ihr Verhältnis zum Beweisantragsrecht Beide Aspekte wurden im Anschluß an die geschichtliche Entwicklung des Beweisantragsrechts, dessen Funktion sowie die Erläuterung des Begriffs ,,Beweisantrag" nebst Abgrenzung zu anderen Beweisbegehren erörtert. Die Ausführungen führten zu dem Ergebnis, daß es trotz des Wortlauts des § 244 Abs. 2 StPO eine unlimitierte Verpflichtung des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen nicht geben kann. Im Hinblick darauf, daß es keine Wahrheitserforschung um jeden Preis gibt, sind der Amtsaufklärungspflicht Grenzen gesetzt. Namentlich wird die Verpflichtung aus § 244 Abs. 2 StPO nur durch entscheidungserhebliche und beweisbedürftige Tatsachen ausgelöst. Äußere Grenze der Amtsaufklärungspflicht bildet der prozessuale Tatbegriff, § 264 StPO. Die Frage nach dem Verhältnis der Amtsaufklärungspflicht zum Beweisantrags- · recht wurde dahingehend beantwortet, daß beide die gerichtliche Ermittlungstätigkeit nicht im gleichen Umfang auslösen. Mittels eines Beweisantrags kann der Angeklagte seine Beurteilungsprärogative hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit einer Tatsache gegebenenfalls gegenüber einer abweichenden Ansicht des Gerichts durchsetzen. Damit hat das Gericht aufgrund eines Beweisantrags auch diejenige Beweisaufnahme durchzuführen, die es aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht für geboten erachtet. Die Ausführungen haben aber auch gezeigt, daß es Fälle gibt, in denen ein Beweisantrag zwar nach § 244 Abs. 3 S. 2 bis 5 StPO abgelehnt werden könnte, jedoch die Amtsaufklärungspflicht die Erhebung des fraglichen Beweises verlangt. Im Zusammenhang mit der Frage, ob § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO zur Unterbindung eines mißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts als ausreichend enichtet werden kann, wurden im Anschluß an die Darstellung der tatbestandliehen Voraussetzungen dieses Ablehnungsgrundes ausgewählte Urteile des BGH mit ihren wesentlichen Feststellungen zu dieser Problematik zusammenfassend wiedergegeben und analysiert. Dabei konnte als Ergebnis festgehalten werden, daß im Hinblick auf den erheblichen Begründungsaufwand, den der BGH an die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Verfahrensverschleppung stellt, § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO kein taugliches und effektives Mittel zur Ablehnung derjenigen Beweisanträge darstellt. die lediglich zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt werden. Aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs dieses Ablehnungsgrundes kann mit diesem auch nicht dem exzessiven Stellen von Beweisanträgen begegnet werden. Damit konnte festgehalten werden, daß es an einer gesetzlichen Regelung zur Sanktionierung eines derartigen Mißbrauchs tatsächlich fehlt.

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H. Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund dieser unbefriedigenden Rechtslage sowie festzustellender Tendenzen in der Rechtsprechung, einem Mißbrauch des Beweisantragsrechts mittels Rückgriffs auf nichtkodifiziertes Recht zu unterbinden, wurden von der Literatur alternative Lösungsansätze ausgearbeitet, die im Anschluß an die Erörterungen zum Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargestellt und analysiert wurden. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lösungskonzeptionen zeigte sich jedoch, daß diesen maßgebliche Bedenken begegnen und sie vor allem aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu überzeugen vermögen: Sowohl das vom 4. Strafsenat des BGH sowie Teilen der Literatur favorisierte ungeschriebene Mißbrauchsverbot als auch eine Mißbrauchsgeneralklausel sind vor allem aufgrund ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit hinsichtlich ihrer Voraussetzungen sowie ihrer Rechtsfolgen abzulehnen. Darüber hinaus wurde aufgezeigt, daß beide Lösungsvorschläge im Hinblick auf die Notwendigkeit eines ausführlich begründeten Ablehnungsbeschlusses die Gerichte nicht von ihrer Verpflichtung zum Nachweis der Mißbrauchsabsicht des Antragstellers entbinden. Aufgrund der Schwierigkeiten, die mit diesem im Wege eines Indizienbeweises zu erbringenden Nachweises regelmäßig verbunden sind, konnte festgehalten werden, daß weder ein ungeschriebenes Mißbrauchsverbot noch eine Mißbrauchsgeneralklausel eine nennenswerte Entlastung für die Tatgerichte bringt. Es wurde auch deutlich, daß eine Modifikation des § 246 StPO dahingehend, daß sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung ihre Beweisanträge bereits im Vorverfahren abschließend zu stellen haben, da sie ansonsten im Falle fehlender Präsenz des Beweismittels mit dem jeweiligen Beweisantrag präkludiert sind, unter den Aspekten Verfahrensbeschleunigung und Mißbrauchsunterbindung nicht zu überzeugen vermag. Im Hinblick auf die drohende Präklusion im Falle schuldhafter Versäumung der Frist müßte vielmehr eine Aufblähung des gesamten Prozeßstoffs in sämtlichen Verfahren durch eine Vielzahl möglicherweise relevanter Beweisanträge befürchtet werden. Darüber hinaus ist eine derartige Präklusionsregelung aus rechtssaatliehen Gründen abzulehnen, weil sie dem Angeklagten ein erhebliches Fehlverurteilungsrisiko aufbürdet, wenn eindeutige Indizieq auf entlastendes Beweismaterial allein aufgrund eines verspätet vorgebrachten Beweisantrags nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Auch würde es gerade im Bereich der Schwerkriminalität zu unerträglichen Ergebnissen führen, wenn das Gericht gezwungen wäre, den Angeklagten freizusprechen, weil das maßgebliche belastende Beweismaterial von der Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren nicht benannt wurde. Die vom Gesetzgeber in den 90er Jahren vorgeschlagenen Entwürfe zur Änderung des Beweisantragsrechts erwiesen sich ebenfalls als verfassungsrechtlich bedenklich, so daß sie zur Problemlösung nichts beizutragen vermögen. Namentlich die Ablehnung eines zur Verfahrensverschleppung gestellten Beweisantrags nach freiem Ermessen des Gerichts sowie die Anerkennung eines tatrichterlichen Beur-

H. Zusammenfassung und Ausblick

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teilungsspielraums im Hinblick auf die Würdigung der Indizien zum Nachweis der Verschleppungsabsicht sind aus rechtsstaatliehen Gründen abzulehnen. Denn sie führen zu einer einseitigen und zu weitgehenden Beschränkung des Beweisantragsrechts unter Rationalisierungsgesichtspunkten zu Lasten des Angeklagten. Es wurde auch nachgewiesen, daß die vom 3. Strafsenat des BGH vorübergehend praktizierte einschränkende Interpretation des Begriffs des Beweisantrags keine Möglichkeit zur Mißbrauchsbewältigung im Bereich des Beweisantragsrechts darstellt. Im Hinblick auf die damit verbundene weitgehende Beschneidung des Beweisantragsrechts wurde diese Rechtsprechung vom 3. Strafsenat zwischenzeitlich wieder aufgegeben. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem eigenen Lösungsvorschlag wurde gezeigt, daß einem Mißbrauch des Beweisantragsrechts durch einen exzessiven Gebrauch dieses Rechts mittels Rückgriffs auf § 34 StGB begegnet werden kann. Bei § 34 StGB handelt es sich dabei trotz seiner Zuordnung zum materiellen Strafrecht um eine Norm, die von staatlichen Hoheitsträgern als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden kann. Es wurde im Rahmen der Erörterungen gezeigt, daß namentlich die generalklauselartige Formulierung des § 34 StGB seiner Qualifizierung als hoheitliche Ermächtigungsgrundlage nicht entgegensteht. Selbst das Bundesverfassungsgericht anerkennt die Erschließung unvollkommen gefaßter Regelungen im Wege der Auslegung unter Beachtung der Wertmaßstäbe des Grundgesetzes. Darüber hinaus ermöglicht das in § 34 StGB vorgesehene Güterabwägungsprinzip die sachgerechte Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen ,,Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" sowie den Verteidigungsinteressen des Angeklagten und vermeidet somit - im Gegensatz zu anderen Lösungskonzepten - die einseitige Verkürzung des Beweisantragsrechts zu Lasten des Angeklagten. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 34 StGB wird sichergestellt, daß die nur engagierte, im übrigen redliche Verteidigung nicht durch vorschnellen Rückgriff auf diese Norm durch die Gerichte beschränkt wird. Der Schutz der redlichen Verteidigung wird auch dadurch sichergestellt, daß trotzFehlenseiner entsprechenden Regelung das Gericht verpflichtet ist, die Ablehnung eines - tatsächlich oder vermeintlich - mißbräuchlich gestellten Beweisantrags revisionssicher zu begründen. Zugleich erhält das Gericht eine effektive Möglichkeit zur Unterbindung des rechtsmißbräuchlichen Gebrauchs des Beweisantragsrechts, weil § 34 StGB ausschließlich an objektive Tatbestandsvoraussetzungen anknüpft, so daß eine Auseinandersetzung mit den besonderen Absichten des Antragstellers nicht notwendig ist. Mit diesem Lösungsansatz wurde darüber hinaus die Erwartung verbunden, von den im Rahmen der Interessenahwägung seitens der Gerichte angestellten Überlegungen sowie Gewichtungen der einzelnen Aspekte Impulse und Ansatzpunkte für eine gesetzliche Bewältigung der Mißbrauchsproblematik im Bereich des Beweisantragsrechts zu erhalten.

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H. Zusammenfassung und Ausblick

Die Anwendung dieses Lösungsansatzes auf die den Entscheidungen des BGH vom 07. 11. 1991 sowie des LG Wiesbaden vom 23. 04. 1994 zugrundeliegenden Sachverhalte hat verdeutlicht, daß in beiden Fällen unter Rückgriff auf § 34 StGB sachgerechte Ergebnisse erzielt werden können. Zum einen ist das Gericht einem mißbräuchlichen Gebrauch des Beweisantragsrechts auch ohne den verfassungsrechtlich fragwürdigen Rückgriff auf nichtkodifiziertes Recht keineswegs hilflos ausgesetzt, sondern erhält mit § 34 StGB ein effektives Mittel zur Mißbrauchsunterbindung in extremen Ausnahmefällen. Zur Beantwortung der Frage, ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, kann auf die von der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte zum Nachweis der Verschleppungsabsicht nach § 244 Abs. 3 S. 2, 6. Alt. StPO herausgearbeiteten Kriterien zurückgegriffen werden. Es ist zu erwarten, daß die Rechtsprechung weitere Indizien zur Bestimmung des krassen Ausnahmefalls entwickeln wird. Zum anderen wird aufgrund der in § 34 StGB vorgesehenen umfassenden Interessenahwägung sowie der Verpflichtung des Gerichts zur Dokumentation seiner Entscheidung in einem entsprechenden Ablehnungsbeschluß sichergestellt, daß die nur engagierte, ansonsten aber redliche Verteidigung im Interesse der Verfahrensbeschleunigung nicht zu Schaden kommt. Die Ausführungen haben gezeigt, daß die bestehende Rechtslage im Hinblick auf eine mögliche Unterbindung eines Mißbrauchs des Beweisantragsrechts insgesamt unzulänglich ist und deshalb Handlungsbedarf seitens des Gesetzgebers besteht. Dabei hat eine mögliche Regelung die widerstreitenden Interessen ,,Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege" auf der einen und das Interesse des Angeklagten an einer umfassenden Verteidigung auf der anderen Seite zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Beweisantragsrechts sowie dem Schutz des Angeklagten vor unzulässigen Eingriffen in sein umfassendes Verteidigungsrecht müssen alle Regelungen ausscheiden, die im Interesse der Verfahrensökonomie eine Beschränkung des Beweisantragsrechts einseitig zu Lasten des Angeklagten vornehmen. Den Gerichten kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, durch ihre Rechtsprechung dem Gesetzgeber Möglichkeiten für eine entsprechende Regelung aufzuzeigen. Gerade im Bereich des Beweisantragsrechts hat sich immer wieder der maßgebliche Einfluß der Rechtsprechung auf die gesetzliche Regelung gezeigt. Namentlich mit der Enumerierung möglicher Gründe zur Ablehnung von Beweisanträgen in § 244 Abs. 3 S. 2 bis 5 StPO reagierte der Gesetzgeber auf die entsprechende Rechtsprechung des Reichsgerichts, indem er die von jenem herausgearbeiteten Grundsätze kodifizierte. Die Berücksichtigung der jeweiligen Rechtsprechung zu diesem Problembereich durch den Gesetzgeber hätte darüber hinaus den Vorteil, daß die Gerichte auf die Entwicklung einer praktikablen Lösung hinwirken könnten, die sich im gerichtlichen Alltag bewähren wird.

Anhang Gössels Vorschläge für Änderungen einzelner Vorschriften der StPO:

hn einzelnen schlägt Gössel folgende Änderungen der bestehenden Strafverfahrensvorschriften vor1: 1.) § 244 StPO (wird wie folgt neu gefaßt): (1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, sofern die Beweismittel existieren und nicht unerreichbar und die Beweiserhebung und die Verwertung ihrer Ergebnisse bei der Urteilsfindung nicht unzulässig sind. Ein Beweismittel ist unerreichbar; wenn die Erhebung des entsprechenden Beweises ohne Aussetzung der Hauptverhandlung nicht möglich ist; gleiches gilt, ist die Erhebung eines bereits gerichtlich angeonlneten Beweises innerhalb der Unterbrechungs/rist nicht möglich. (3) Beweisanträge, die weder in der Anklageschrift noch in der Erklärung zur Anklageschrift gestellt sind, sind nur dann zulässig, wenn die jeweiligen Beweismittel präsent sind. Beweispersonen sind dann präsent, wenn sie ordnungsgemäß geladen und erschienen sind; Urkunden und Augenscheinsobjekte sind präsent, sobald sie dem Gericht vorgelegt werden, oder; falls die Vorlage nicht möglich ist, ohne-Allssetzung der Hauptverhandlung verlesen oder in Augenschein genommen werden können. Im übrigen sind Anträge auf Erhebung von Beweisen mittels präsenter Beweismittel stets zulässig. (4) Stellt die Staatsanwaltschaft einen zulässigen Antrag auf Erhebung eines Beweises mittels präsenter Beweismittel, so hat das Gericht auf einen begründeten Antrag des Angeklagten oder dessen Verteidiger das Verfahren für eine angemessen Frist zu unterbrechen, soweit dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Verteidigung notwendig erscheint; entsprechendes gilt, begehrt die Staatsanwaltschaft auf einen Antrag des Beschuldigten oder dessen Verteidiger zur Erhebung von Beweisen mittels präsenter Beweismittel eine Unterbrechung des Verfahrens. Hat der Angeklagte keinen Verteidiger; so ist er über sein Antragsrecht nach Satz 1 zu belehren. I Die Wiedergabe der einzelnen Änderungsvorschläge beschränkt sich im Hinblick auf die Thematik der Arbeit auf diejenigen Vorschläge, die das Beweisantragsrecht berühren. Die Änderungen werden durch Kursivdruck hervorgehoben.

Anhang

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(5) Erfahren die Staatsanwaltschaft oderder Beschuldigte oderdessen Verteidiger erst aufgrund der Hauptverhandlung von für die Entscheidung erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln, ohne daß die bisherige Unkenntnis und das Unterlassen, entsprechende Beweisanträge nach § 200 Abs. 1, § 201 Abs. 1 zu stellen, auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruht, so ist Abs. 3 Satz 1 nicht anzuwenden. (6) Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig oder für die Entscheidung ohne Bedeutung ist oder wenn das Beweismittel zum Nachweis der unter Beweis gestellten Tatsache völlig ungeeignet ist; gleiches gilt, wenn das Beweismittel nicht existiert oder unerreichbar oder nach Anordnung der Beweiserhebung unerreichbar geworden ist (Abs. 1 Satz 2). Ein Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn eine den Angeklagten entlastende und unter Beweis gestellte Tatsache bereits erwiesen ist oder als wahr unterstellt werden kann. (7) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachter überlegen erscheinen. (8) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf stets eines Gerichtsbeschlusses2 • 2.) § 245 StPO (wird wie folgt neu gefaßt): (1) Hält das Gericht seine Pflicht zur Erforschung der Wahrheit(§ 244 Abs. 2)

für erfüllt und liegen ihm keine Beweisanträge zur Entscheidung vor, so teilt der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten mit, das Gericht erwäge, die Beweisaufnahme zu schließen. Die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und sein Verteidiger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme; werden keine Beweisanträge mehr gestellt, so schließt das Gericht die Beweisaufnahme durch einen in der Hauptverhandlung zu verkündenden Beschluß, der nicht begründet zu werden braucht.

(2) Erst zu dem in Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz genannten Zeitpunkt darf das Gericht Beweisanträge ablehnen, denen es bisher nicht stattgegeben hat. Die Ablehnungsentscheidungen werden den Verfahrensbeteiligten zusammen mit der in Abs. 1 Satz 1 erwähnten Mitteilung über die mögliche Schließung der Beweisaufnahme mitgeteilt; werden keine Beweisanträge mehr gestellt, so 2

Gössel, Gutachten, C 74 f., Nr. 10.

Anhang

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prüft das Gericht unter Beachtung der gemiiß Abs. 1 Satz 2 abgegebenen Stellungnahmen, ob die Gründe für die Ablehnung der zuvor abgelehnten Beweisanträge noch vorliegen. Bejaht das Gericht diese Frage, wird die Beweisaufnahme geschlossen (Abs. 1 Satz 2); liegen dagegen die Ablehnungsgründe nicht mehr vor. so gibt es dem jeweiligen Beweisantrag nunmehr statt und verfährt anschließend, wie es in den vorstehenden Vorschriften dieses Paragraphen vorgesehen ist. (3) Über Beweisanträge, die nach der Verkündung des Beschlusses über den

Abschluß der Beweisaufnahme gestellt weiden, entscheidet das Gericht nichtmehl.

3.) § 246 StPO entfällt4 • 4.) § 202 StPO wird wie folgt geändert: Die bisherigen Sätze werden zu Abs. 1 zusammengefaßt; der Vorschrift wird folgender Abs. 2 angeführt:

(2) Anträge auf Erhebung von Beweisen, die in der Hauptverhandlung innerhalb der Unterbrechungsfrist voraussichtlich nicht erhoben werden können, hat das Gericht vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Abs. 1 anzuordnen, sofern nicht einer der in § 244 Abs. 6 genannten Ablehnungsgründe mit Ausnahme der Unerreichbarkeit vorliegt. Ist eine Beweiserhebung nach Satz 1 nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Anordnung der Beweiserhebung möglich, gelten die allgemeinen Vorschriften5 • 5.) In§ 229 StPO werden die bisherigen Absätze 2 und 3 durch folgenden neuen Abs. 2 ersetzt:

(2) Zur Einführung eines nicht präsenten Beweismittels durrh einen zulässigen Beweisantrag darf das Verfahren auch bis zu 30 Tagen unterbrochen werden; gleiches gilt, ist eine Person wegen Krankheit am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt6 • 6.) § 229 Abs. 4 StPO wird zu Abs. 37 •

Gössel, Gutachten, C 75 f., Nr. 11. Gössel, Gutachten, C 76, Nr. 12. s Gössel, Gutachten, C 76, Nr. 13. 6 Gössel, Gutachten, C 76, Nr. 14. 7 Gössel, Gutachten, C 76, Nr. 15.

3 4

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- Kritische Gedanken zur diskutierten Reform des Beweisantrags- und Revisionsrechts. In: NStZ 1994,414 Wilhelm, Jürgen: Eingriffsbefugnisse des Staates aufgrund rechtfertigenden Notstands, Köln 1980

Wolff, Hans 1./Bachof, Otto/Stober, Rolf: Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994

Zeiss, Walter: Die arglistige Prozeßpartei, Berlin 1967

Sachwortverzeichnis adversarisches Verfahren 160 jJ. Amtsaufklärungspflicht s. a. Sachaufklärungspflicht 104, 154, 170 - Umfang der 77 jJ. - Verletzung der 94 Amtsermittlungsgrundsatz 54, 57 f., 77 ff., 158, 161 anwaltliebes Standesrecht 167jJ. Aufklärungsrüge 53, 81 ff., 84, 160 Bestimmtheitsgrundsatz 148 Beweis - anregung 57, 68 f., 71 f. - antizipationsverbot 19, 54, 87 ff., 92 ff., 104 f., 119 f. - Durchbrechung des -s 128 f. - Einschränkung des -s 119 f. - antrag - Ablehnung eines -s 50, 52, 55 f., 98 ff., 170 - Ablehnungsgründe 54, 98 ff. - Begriff 56ff., 175 - Fonn66 - inhaltliche Anforderungen 59 jJ. - -sberechtigung 64 jJ. - Sonderformen 67 f. - aufnahrne 18 - Gegenstand der 58 - Umfang der 44 f., 49, 51 f., 56, 58 - Wiedereröffnung der 66 - erbieten 71 - erhebung - Aussichtslosigkeit der beantragten 104 - -sanspruch 54 - Zeitpunkt 66f., 128, 153 jJ. - ermittlungsantrag 57, 58 f., 69 Jf. -mittel 15,60 - -srecht 13 ff., 47 ff., 49 ff., 77 ff., 98 ff., 136 ff., 153, 169 ff.

- Beseitigung des -s 54 - Entwicklung 49ff. - Funktion 49, 73 ff. - Regelung des -s 53 - thema 15, 60 - verfassungsrechtliche Verankerung 47ff. - würdigung 81, 86 - freie 156, 164 Ermittlungsgrundsatz s. a. Inquisitionsprinzip77 Ermittlungsverfahren s. a. Vorverfahren 58, 75 Freibeweis 69 Hauptverfahrent-verhandlung 58 f., 66, 165 - Unterbrechung der 101, 110 Hilfsbeweisantrag 67f., 105, 110 f., 129 Identitätslehre 88 jJ. Inquisitionsprinzip s. a. Ermittlungsgrundsatz 77 -Umfang 154 Interessen- und Güterahwägung 180, 185 Konfliktverteidigung 15 ff., 134, 164, 167 Kontaktsperregesetz 188 Mißbrauch - allgemeines-sverbot 14, 135 jJ. - der Verteidigeraufgabe 167 - des Beweisantragsrechts 18 ff., 56, 98 ff., 146, 158,175,178, 186f., 190ff. - des Fragerechts 14 - des Verteidigerrechts 14 - -sgeneralldausel145ff .. 183 f. - ungeschriebenes -sverbot 18, 135 ff., 183 f., 196 - von Verteidigungsrechten 133

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Sachwortverzeichnis

Notstand - _rechtfertigender 176 - übergesetzlicher 188 Prozeß - maxime 26 ff. - sabotage 102 - strafe 124 - versch1eppung 15, 98ff. - ziele s. a. Verfahrensziele 27 Rechtfertigungsgründe 176 ff. rechtliches Gehör -Anspruch auf20, 35f, 41,76 Rechtsfrieden 42 f, 44 Rechtskraft - als Verfahrensziel 40 t - materielle 40 Rechtsmißbrauch 13 ff., 56, 138, 148, 163, 196 - Begriffsbestimmung 22 ff. - institutioneller 24 - Konsequenz des -s 141 - Lösungsansätze 134 ff. Rechtssicherheit 41 f., 132, 140, 142, 152, 184 Rechtsstaatsprinzip 18, 27 ff., 139, 142, 155, 180 Sachaufldärungspflicht s. a. Amtsermittlungsgrundsatz 19, 49, 54, 77 ff. Sachverhaltsaufklärung 14 Scheinbeweisantrag 99, 101 Strafbefehlsverfahren 20, 192

Strafrechtspflege - funktionstüchtige 27 f. - Funktionstüchtigkeit der 86, 139, 185, 194 - Aufrechterhaltung einer -n 37 ff., 175, 188, 195, 197 Strengbeweisverfahren 60 Treu und Glauben 22 ff., 140, 147 Verbrechensbekämpfungsgesetz 20, 55 Verfahren - Aussetzung des -s 102 - beschleunigtes 20, 192 - -ssabotage 16 - -sversch1eppung 19, 52, 98ff., 170, 173 - -sziele s. a. Prozeßziele 25,31 ff. - verzögerung 99 ff. - Rechtsfrieden 42 f, 44 f. - Rechtskraft 40 t - Rechtssicherheit 41 ff. - Wahrheit und Gerechtigkeit 33 ff., 44 Verschleppungsabsicht 19, 91, 93, 98 ff., 102ff. - Ablehnungsgrund der 98ff., 171, 173 - fehlerhafte Annahme des -es 118 ff. - Voraussetzungen des -es 98ff. - Nachweis der 103 ff. Vorverfahren s. a. Ermittlungsverfahren 58 Wiederaufnahme des Verfahrens 155, 158 f. Zwischenverfahren 58, 66