Der Kampf um die Kunst: Max Doerner und sein Reichsinstitut für Maltechnik
 9783412504748, 9783412503765

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Schriften der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 1.1

Andreas Burmester

DER KAMPF UM DIE KUNST Max Doerner und sein Reichsinstitut für Maltechnik BAND 1

2016 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung; Ernst Würtenberger, „Max Doerner“, Detail eines Aquarells von 1889, Ernst Würtenberger-Archiv Freiburg

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com © 2016 Andreas Burmester Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Cornelia Baddack, Köln Satz: Melanie Eibl und Julia Arzberger Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtes Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50376-5

„Wir sind alle schuldig, denn wir leben“ frei zitiert nach Carl Jaspers von Michael Fellner vor der Spruchkammer 19471

„Jaspers [hat] das Entscheidende gesagt. Er hat gesagt: „Dass wir leben, ist unsere Schuld.“2 Nicht wahr? „Denn wir konnten nur überleben, indem wir den Mund hielten.“ Aber sehen Sie, zwischen diesem Wissen und der Tat liegt doch ein Abgrund. Zwischen dem Mann, der sieht und weggeht, und dem Mann, der’s tut [...] Wenn nun also der, der nichts gemacht hat, sondern nur weggegangen ist, sagt: „Wir sind alle schuldig“, dann hat er damit, und das ist in der Tat in Deutschland so gewesen, den Mann, der es angerichtet hat, mit gedeckt. Und deshalb darf man diese Schuld nicht verallgemeinern, weil man damit nichts anderes tut, als die Schuldigen zu decken.“3 Hannah Arendt im Gespräch mit Joachim Fest

INHALT BAND I 1. Topographie der Ungewißheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Versuchsanstalt und Untersuchungsstelle . . . . . . . . . . . 27 Alexander Eibner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Walter Gräff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Max Doerner – die Jahre bis 1933 . . . . . . . . . . . . . . 71 Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Waschungen und Geheimmittel . . . . . . . . . . . . . . 78 Monumentale Wandmalerei . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Das Künstlerfarbengesetz I . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Späte Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Vom Konzept zum Reichsinstitut . . . . . . . . . . . . . . 135 Eine Deutsche maltechnische Anstalt . . . . . . . . . . . 137 Doerners Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Auflösung und Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . 162 Personalsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Maltechnische Betriebsamkeiten . . . . . . . . . . . . . 181 Umbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Einweihung und Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 5. Doerner, Würtenberger, Kromer und Graf . . . . . . . . . .225 1902 bis 1910 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1911 bis 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1921 bis 1930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244 1930 bis zum Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 6. Das Doerner-Institut von 1939 bis 1941 . . . . . . . . . . . 323 Das Künstlerfarbengesetz II . . . . . . . . . . . . . . . .344 Ersatzstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Gemalt auf Aluminium . . . . . . . . . . . . . . . . . .354 Auf der Wartburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Im Naumburger Dom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Technologie der Malerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 7. Ein Geschenk für Hitler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

BAND II 8. Das Doerner-Institut von 1941 bis 1945 . . . . . . . . . . . 437 Zeitenwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Zieglers Niedergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .460 Vom Institutsalltag im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . 467 Im Dienste neuer Herren . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Die Künstlerwerkstoffverordnung III . . . . . . . . . . .505 Gemalt mit Immunin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 Die Versehrtenschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Verluste und Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . .530 9. Die Protagonisten im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . 555 Max Doerner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Walter Gräff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Anton Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 Richard Jacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .580 Fritz Haeberlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .580 Heinrich Neufang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .583 Friedrich Müller-Skjold . . . . . . . . . . . . . . . . . .584 Kurt Wehlte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .584 10. Gefolgschaft in Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Haeberlein, Müller-Skjold und Roßmann . . . . . . . . 613 Adolf Ziegler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Anton Roth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Lills Attacken I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .630 Maltechnik ohne Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . 631 Gestern Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Lills Attacken II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 Im Wartestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 Am Tiefpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .644 Mehr gefühlsmäßiger Art . . . . . . . . . . . . . . . 649 Ein Freispruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .654 Schwere Zeiten für Lill . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 In die Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 Über die Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668

Erneut zur Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 673 Völlige Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Und doch verloren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 11. Im fachlichen Kontinuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 Institutionelle Auflösung oder Fortbestand . . . . . . . . 705 Eine Bleibe auf Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 Das Doerner-Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 Die Restauratorenschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 In stillen Räumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 12. Der Kampf um die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 Archivlage und Editionsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 757 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 Personal des Doerner-Institutes . . . . . . . . . . . . 762 Sonstige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 772 Benutzte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 Aktenverzeichnis ARDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .868 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881

DANKSAGUNG Mein Dank gilt vor allem zahlreichen Archivaren des Historischen Archivs der Technischen Universität München, der Akademie der Bildenden Künste München, des Bayerischen Staatsarchivs und des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München, des Bundesarchivs Berlin, des Universitätsarchivs Berlin, des Landesarchivs Berlin, des Archivs der Hochschule für Bildende Künste Dresden, des Kreisarchivs Waldshut, des Unternehmensarchivs (EO/PH) der BASF SE und der National Archives and Records Administration in Washington. Bei meinen jahrelangen Recherchen erhielt ich wertvolle Unterstützung von Claudia Andraschke, Andrea Bambi, Ursula Baumer, Susan Becker, Viola Burkhardt, Catharina und Johannes Burmester, Margarethe und Matthias Conrad, Axel Drecoll, Dieter Ebbinghaus, Melanie Eibl, Maximilian Fügen, Christian Fuhrmeister, Julia Ilanit Gauchman, Jürgen Glocker, Tillmann Gräff, Michael Graf von der Goltz, Johannes Hallinger, Katharina Haider, Kristin Hartisch, Anne-Christine Henningsen, Kathrin Kinseher, Willihard Kolbinger, Manfred Koller, Ruth Krauß, Heidi Krischke, Iris Lauterbach, Christian Lenz, Annette Lill-Rastern, Avi Lipsker, Katharina von Miller, Richard Mulholland, Marina Muss, Albrecht Pohlmann, Henning Rader, Barbara Reinicke, Erich Rüba, Simone Sander, Martin Schawe, Ulrich Schießl, Jürgen Schweier, Helge Siefert, Gabriele und Ludwig Steinherr, Corinna Thierolf, Andreas Werner, Cornelia Weyer und Thomas Würtenberger. Das Lektorat lag in den Händen von Cornelia Baddack, die verlagsseitige Betreuung bei Elena Mohr und Sandra Hartmann, das Layout dieser beiden Bände bei Melanie Eibl und Julia Arzberger. Sie alle und weitere ungenannte Gesprächspartner seien in meinen herzlichen Dank eingeschlossen. Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden.

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TOPOGRAPHIE DER UNGEWISSHEIT

Die Auseinandersetzung mit maltechnischen und kunsttechnologischen Fragen hat in München wie in keiner anderen deutschen Stadt eine Tradition, die weit in das 19. Jahrhundert zurückreicht und bis heute andauert. Hierin nimmt das 1938 gegründete Doer­ ner Institut einen zentralen Platz ein. Über die Grenzen Mün­chens hinaus bekannt, betreut und erforscht dieses Institut heute die reichen Bestände der Münchner Pinakotheken, des Museums Brandhorst, der Sammlung Schack und zahlreicher Zweiggalerien. Unter seinem Dach arbeiten Restauratoren, Chemiker, Vergolder, Museums- und Ausstellungstechniker: Sie alle eint der Stolz, den Pinakotheken dienen zu dürfen. Sie alle eint der Wunsch, der Kunst nahe zu sein. Sie alle eint die Neugier, sich mit Maltechnik zu befassen, Werkprozesse zu entschlüsseln, Unsichtbares sichtbar zu machen und dieses Wissen zu vermitteln. Daß dies in den vergangenen fast acht Jahrzehnten in Zusammenarbeit mit Kunsthistorikern, Photographen und vielen anderen erfolgreich gelang, wird nicht nur in der internationalen Fachwelt anerkannt, sondern auch von der Öffentlichkeit dankbar wahrgenommen. Doch hat dieses Institut eine NS-Vergangenheit? Aufgabe dieses Buches will sein, die Geschichte des Doerner-Institutes – wie es sich damals noch schrieb – zwischen 1933 und 1945 zu schreiben. Für die Geschichte der Maltechnik, Restaurierung oder Kunsttechnologie ist diese Zeit ein weitgehend uneinsehbares Areal. Dieses hat zwar leicht zu beschreibende Ränder, die in dem vorliegenden Buch bis zum Ende der Weimarer Republik reichen und ab Mitte der 1950er Jahre wieder einsetzen, wie jedoch stellt sich die Entwicklung des Institutes im Nationalsozialismus dar? Bekannte wie heute Vergessene werden das Areal bevölkern: Hierbei treten nicht nur Persönlichkeiten wie Alexander Eibner, Walter Gräff und vor allem Max Doerner ans Licht, sondern auch die weitgehend vergessene Generation der Schüler wie Anton Roth, Heinrich Neufang, Heinz Hetterich und Richard Jacobi. Im weiteren Umfeld rechnen auch Fritz Haeberlein, Adolf Ziegler und 15

Kurt Wehlte hinzu. Fragte man noch bis zur Jahrtausendwende, wohlgemerkt 55 Jahre nach dem Kriegsende, was diese Maltechniker zwischen 1933 und 1945 eigentlich taten, war Schulterzucken die Antwort. Die Gründungsgeschichte des Institutes, seit 1946 den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verwaltungstechnisch angegliedert und 1977 mit den Restaurierungswerkstätten der Pinakotheken vereint, war offenkundig gänzlich vergessen. Jüngst neu entdecktes Archiv- und Bildmaterial erlaubt nun, die Leerstelle zwischen 1933 und 1945 zu füllen und aus einer Topographie der Ungewißheiten ein Bild der Geschehnisse zu zeichnen. So entsteht ein Eindruck von dem Räderwerk eines kleinen, jedoch äußerst einflußreichen Reichsinstitutes: Alltägliche Dinge wie auch politische Abhängigkeiten, Überlebensstrategien wie auch Projekte reichsweiter Bedeutung kommen hierbei in den Blick. Auf der Grundlage neu entdeckter Quellen werden eine Vielzahl von Fragen zu beantworten sein: Wie kam es zur Gründung des Institutes? Welche Rolle spielte ein Max Doerner in dieser Zeit? Wer waren die Personen um Doerner und was taten sie? Welche Rolle spielte das Institut im Nationalsozialismus, gegründet in der „Hauptstadt der Bewegung“ und in der „Hauptstadt der Deutschen Kunst“? Welchen Platz nahm das Institut in der nationalsozialistischen Kulturpolitik ein? Welche Rolle spielte Maltechnik im „Dritten Reich“? Daß eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Institutes überfällig ist, mahnt nicht nur der mit den Münchner Gegebenheiten der Zeit bestens vertraute Christian Fuhrmeister öffentlich an. Schon 2002 beklagt Michael Graf von der Goltz in seiner Dissertation zur Gemälderestaurierung in der Weimarer Republik und in seinem Ausblick auf die NS-Zeit, daß „die Behandlung dieser Epoche grundsätzlich auch schmerzliche Ergebnisse [bringe]. Dementsprechend [gebe] es noch heute Institutionen […], die einem solchen Vorhaben reserviert bis offen ablehnend gegenüberstehen.“1 Es ist kein Geheimnis, daß diese Anmerkung auch auf das Doerner16

Institut abzielte, das zum damaligen Zeitpunkt kein Interesse signalisierte, sich hiermit zu befassen. Wer nichts sucht, findet auch nichts. Doch wer sucht, der findet. Wo beginnen, wenn man neues Areal erkunden will, ein Areal, das im wesentlichen im „Dritten Reich“ liegt? Ähnlich wie dies für die Kunstgeschichte für München geschah, scheint es sich aufzudrängen, gleichsam wie von einem Turm jenseits der Jahreszahl 1945 die Topographie des „Dritten Reichs“ zu erkunden und nach historischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten zu suchen. Die jüngst in dem von Iris Lauterbach herausgegebenen Sammelband zur Kunstgeschichte in München 19472 erzählte Geschichte des Doerner-Institutes von 1945 bis 19563 ließ schon ahnen, daß eine Auseinandersetzung mit der Gründungsgeschichte und eine Verortung in der Topographie nationalsozialistischer Kulturpolitik lohnenswert sein würden. Doch wohin die Reise gehen könnte, blieb zu diesem Zeitpunkt ungewiß. Die Übernahme des Nachlasses des Kunsthistorikers Walter Gräff 1996 und die anschließende Auseinandersetzung mit seinem Wirken4 vermittelte die Gewißheit, daß ein Buch über die Geschichte des Doerner-Institutes zumindest bis in die Jahre der Weimarer Republik zurückreichen müsse. Für diese Zeit fokussiert von der Goltz das Geschehen nicht ohne Grund auf die Situation in München, ja zeichnet für die 1920er Jahre typische Konflikte zwischen Chemikern, Maltechnikern, Restauratoren und Kunsthistorikern nach. Es sind zugleich Konflikte zwischen Institutionen wie der Münchner Technischen Hochschule, den Pinakotheken und der Akademie der bildenden Künste. Es ist der für die Weimarer Zeit so charakteristische politische Schlagabtausch zwischen Roten, Schwarzen und Nationalsozialisten. Wenngleich also Michael von der Goltz die Anfänge des Institutes bereits in Grundzügen umrissen hat,5 auch auf die so genannte Versuchsanstalt an der Technischen Hochschule München und die Auseinandersetzungen zwischen Eibner und Doerner eingeht, ermöglichen doch erst 2005 aufgetauchte Archivalien es jetzt, die Gründungsgeschichte des Doerner-Institutes zu schreiben. 17

Diese Archivalien schließen viele Lücken. Doch hätte man nicht auch ohne sie schon früher mehr wissen müssen? So würdigt 1991 der derzeitige Herausgeber von „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“, Thomas Hoppe, die Person des großen Maltechnikers und Autors Max Doerner. In aufschlußreicher Weise stützt sich Hoppes Beitrag fast ausschließlich auf den Nachruf von Siegfried Czerny-Heidelberg, der 1939 in den Technischen Mitteilungen für Malerei erschienen war.6 Weder wird die Rolle des glühenden Nationalsozialisten und Schülers von Max Doerner, Czerny-Heidelberg, hinterfragt noch werden augenfällige Leerstellen in der Biographie gefüllt. Dabei wäre dies ein Leichtes gewesen, denn schon die Besprechung der wenige Wochen nach Doerners Tod eröffneten Gedächtnisausstellung durch einen weiteren Schüler Doerners, Anton Roth, hätte Hoppe Stoff für eine andere Biographie geboten.7 Doch diese wertvolle Quelle wie auch ihr Autor waren 1991 völlig in Vergessenheit geraten. Selbst wenn wir also weiteres Archivmaterial und Nachlässe hinzuziehen, stellt sich die Frage, wie zuverlässig wir Auskunft gerade für die Zeit des Nationalsozialismus geben können, müssen wir doch mit bereinigten Aktenbeständen und – für die Zeit danach – mit „Persilscheinen“ rechnen. Die Sekundärliteratur zum „Dritten Reich“ ist reich an Vorbildern: Häufig werden offenkundige Lücken umschifft, ja gründen breit angelegte Themen oft wenig tief und verzichten auf detaillierte Quellenangaben oder Zitate. Die damit dem Leser angebotene, bequeme Übersicht hinterläßt jedoch nicht selten das Gefühl einer von den wirklichen Ereignissen abgehobenen, holzschnittartigen Darstellung. Dieser Blick aus der Vogelsicht reicht weit, doch topographische Ungewißheiten sind vorherrschend. Es ist ein Blick aus der Ferne, der – je größer der Abstand zum Geschehen ist – leicht die Vorstufe zum Vergessen werden könnte. Liegen jetzt ausreichend Primärquellen vor – was hier der Fall ist – sind die Voraussetzungen eher günstig, denn wie der Historiker Timothy Snyder betont: „Historisch bin ich ohnehin 18

davon überzeugt, daß wir die ersten sechzig Jahre sowieso nie etwas verstehen. Alle Beteiligten müssen tot und alle Quellen zugänglich sein, und dann brauchen wir noch immer viel Zeit, um alles zu durchdenken.“8 Die Entstehung dieses Buches gibt dieser Erfahrung in vielerlei Hinsicht Recht: Der in allen Medien heutzutage präsenten Verflachung im Wissen um das Geschehen im Nationalsozialismus muß sich das Bemühen um eine detaillierte Sicht entgegenstemmen. Hieraus entsteht, so es gelingt, genaue Ortskenntnis oder besser gar eine Innensicht, die wiederum nur durch ein intensives Quellenstudium zu gewinnen ist. Die Innensicht muß die Lebensumstände ebenso wie den Alltag, die großen Linien wie auch scheinbare Nebensächlichkeiten nachzeichnen, die aber zugleich als typisch für ihre Zeit stehen. Das hier vorgelegte Buch versucht dies, es ist eine minutiöse Rekonstruktion an Hand aufgefundener Archivalien. Die Zurückhaltung in der Wertung ist dem Bemühen um eine genaue Zeichnung geschuldet. Denn: Jede Wertung setzt die genaue Kenntnis des Sachverhalts voraus. Doch wie vollständig kennen wir die Geschichte? Die anfänglichen Pläne, die Ausführungen auf die Zeit des „Dritten Reichs“ zu beschränken, erweiterten sich bald um eine Schilderung der komplexen Vorgeschichte an der Technischen Hochschule, den Pinakotheken und an der Akademie der bildenden Künste. Ist die Gründungsgeschichte des Institutes dann einmal entwickelt, vermittelt die Hinwendung zu den inhaltlichen Aufgaben nach 1937 einen seltenen Einblick in den Alltag einer Reichsinstitution, deren Geschichte aufgrund der mageren Quellenlage noch vor wenigen Jahren als nicht beschreibbar angesehen werden mußte. Vergleichbare Untersuchungen machen darauf aufmerksam, daß wir bis heute über die fachliche Funktionselite – hierzu rechnen Adolf Ziegler, aber auch Max Doerner – noch weit weniger wissen als über die politische Elite des „Dritten Reichs“.9 Zu Gründungszeiten war das Doerner-Institut mit seinen Aufgaben und Erfolgen in der Presse sehr präsent, auch die Bedeutung des Institutes für die Fachwelt 19

im Deutschen Reich und darüber hinaus war groß. Es läßt sich aber auch nicht übersehen, daß sich in manchem ein Bericht aus der Münchner Provinz entfaltet, fernab vom politischen Geschehen im Großen. In biografischer Fokussierung versucht das Buch, die Persönlichkeit von Max Doerner in Briefen sprechen zu lassen und beschränkt sich deshalb auf eine knappe, einzig auf das Verständnis gerichtete Kommentierung. 1939, kurz nach Eröffnung des Doerner-Institutes verstirbt sein Namensgeber. Was wird jetzt ohne Doerner? Das reichhaltige Quellenmaterial zeichnet auch für die Kriegsjahre nach 1939 in ungewöhnlicher Weise ein detailliertes Innenleben. Womit war das Personal des Institutes befaßt? Wo lagen die Prioritäten und wie fügte sich das Tun der Mitarbeiter in die nationalsozialistische Kulturpolitik ein, sofern es eine solche gab? Wie lebten sie den Spagat zwischen den aus heutiger Sicht vergleichsweise kriegsunwichtigen Aufgaben und der stetigen Furcht, doch noch an die Front abberufen zu werden? Wie bewältigten sie den Spagat zwischen Aufbau und Zerstörung, zwischen ungestörter Arbeit in Labor und vor den Probetafeln in der maltechnischen Werkstatt und dem steigenden politischen Druck in Arbeitswelt wie Alltag? Was macht unabkömmlich: Naumburg, die Wartburg oder der Stuttgarter Fälschungsprozeß? Oder ist es die Künstlerwerkstoffverordnung, die ausschlaggebend werden wird? Oder gibt es gar aus heutiger Sicht moralisch verwerfliche Aufgaben, die den einzelnen vor der Front bewahren, Tätigkeiten für das „Ahnenerbe“ oder den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg? Und je weiter der Krieg fortschreitet und je näher die Front rückt, desto dringlicher werden die Fragen nach Auslagerung, dem Verlust von Hab und Gut. In diesem Spannungsfeld findet ein jeder seinen Weg: Dies gilt insbesondere für die innere Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, über den heute zu richten leichter ist, als seinerzeit innerem Widerspruch zu folgen. Ist hier nicht damit zu rechnen, daß weit mehr Parteigänger als stille Mitläufer zu finden sind? Und wie wird man zum stillen Mitläufer, zu einem, der unauffällig seine fachlichen Ziele verfolgt und sich ansonsten wegduckt? Der seine Vorteile sucht und 20

gegen Kriegsende zunehmend auch über die Zeit nach Hitler nachdenkt? Und zugleich Doerner und seinem Erbe verpflichtet bleibt? Gelingt es so, dem „Kollektivtypus des Staatsdieners unverwechselbare individuelle Konturen“ zu verleihen?10 Und in der Tat, eine ganze Generation von Schülern hält Doerners Ruf nach seinem Tode wach und bestimmt das Leben in dem nach ihm benannten Reichsinstitut. Ihr Weg beginnt in den Wirren der Weimarer Republik und erfährt durch die Gründung des DoernerInstitutes massiven Rückenwind. Doch bedeutet die Gründung des Institutes durch die Nationalsozialisten, daß Maltechnik deutschnational, antisemitisch und völkisch wird? Maltechnik als Bestandteil nationalsozialistischer Kulturpolitik verliert gegen Kriegsende zunehmend an Bedeutung, doch überleben Doerners Ziele im wirtschaftlichen, künstlerischen und moralischen Zusammenbruch? Was berichten uns die Entnazifizierungsakten tonangebender Maltechniker, Akten, die in anderen Bereichen überraschende Einblicke in die Geschehnisse, Urteile und Fehlurteile der Nachkriegszeit liefern? Bereits diese Fragen deuten an, daß es auch in dieser Hinsicht um Kontinuitäten und Diskontinuitäten geht. Es sind diese Passagen, die das Thema auf das zurückführen, was Geschichte schreibt, auf einzelne Persönlichkeiten und ihre Verquickungen, ihr Ringen um Anerkennung und um die Verwirklichung von Träumen. Gleichzeitig um das Bemühen vieler, den Weg aus dem „Dritten Reich“ in eine demokratische Zivilgesellschaft zu vollziehen, „ohne sich durch einen harten Schnitt von der NS-Vergangenheit zu lösen“.11 Diese Neigung mag für den einen mehr als für den anderen gegolten haben: Zwar wechselt das System, doch die Personen bleiben. So begegnen uns Maltechniker, die uns von der Weimarer Republik über das „Dritte Reich“ bis in die Besatzungszeit begleiten: in den meisten Fällen unbeirrt im Fachlichen, unbeirrt in ihren persönlichen Allianzen und Feindschaften, einzig der Tod schafft Zäsuren. 21

Wie auch an anderer Stelle hervorgehoben, eignen sich auf Biographien fokussierte Studien vielleicht am besten, um nicht nur den Umbruch von 1945 angemessen zu erfassen, sondern um zugleich „die rechtliche und moralische Bewältigung der individuellen Verstrickung in das NS-Unrecht“12 zu schildern. Sind wir so beim Individuum angelangt, wird allerdings auch über Träume zu reden sein: Was zählt ein im NS-Staat gelebter Traum in der Nachwelt? Diese Frage führt das Thema auf uns selbst zurück: Wie hätten wir uns verhalten, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, unseren Traum eines Institutes für Maltechnik zu verwirklichen? Und wie würden wir uns verhalten, wenn dieser Traum uns in zeitgebundene Irrtümer und Verstrickungen führt? Und was schließlich ist, wenn unser Traum nach dem Ende von nationalsozialistischer Diktatur und Krieg der gleiche ist wie zuvor, nämlich unverändert ein Institut für Maltechnik?

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ANMERKUNGEN ZU SEITE 3 1

2

Fellner an den öffentlichen Kläger bei der Spruchkammer München I am 26.10.1947, StAM Spruchkammerakten K 398: Fellner, Michael. Karl Jaspers, Die Schuldfrage. Zur politischen Haftung Deutschlands, MünchenZürich: Piper, 1965; Neuausgabe (Serie

3

Piper, 698), 1987, S. 48. In einer Rundfunksendung aus dem Jahr 1964, siehe das vollständige Gespräch unter http://www.hannaharendt.net/ index.php/han/article/view/114/194, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015.

ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 1 1 2 3 4 5 6

Von der Goltz 2002, S. 217. Lauterbach 2010a. Burmester 2010. Burmester et al. 1998a. Von der Goltz 2002, Kap. 4.2, S. 171 ff. und Burmester et al. 1998a. Hoppe 1991 und Czerny 1939.

7 8

Roth 1939. Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 219 vom 19.09.2012. 9 Berghoff et al. 2000, S. 12. 10 Formulierung aus Pyta 2014. 11 Berghoff et al. 2000, S. 15. 12 Ebd., S. 14.

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ABKÜRZUNGEN Um die zahlreichen, durch die Primärquellen bedingten Anmerkungen zu verknappen, wurden folgende Abkürzungen eingeführt: AdbK = Akademie der bildenden Künste, München AE = Alexander Eibner ARDI = Aktenbestand zum RDI (Doerner Institut) AZ = Adolf Ziegler BArch = Bundesarchiv Berlin BASF = Badische Anilin- und Sodafabrik AG BDC = Berlin Document Center im BArch BStGS = Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München DAF = Deutsche Arbeitsfront DI = Doerner-Institut (nach 1945 bis 2003) DZM = Deutsche Zeitschrift für Maltechnik EH = Eberhard Hanfstaengl ER = Ernst Roßmann ERR = Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg FH = Fritz Haeberlein FMS = Friedrich Müller-Skjold Gestapo = Geheime Staatspolizei GLAK = Generallandesarchiv Karlsruhe GRDI = Glasplattenarchiv des RDI HATUM = Historisches Archiv der Technischen Universität München HdbK = Hochschule der bildenden Künste, München HN = Heinrich Neufang HStAM = Hauptstaatsarchiv München MD = Max Doerner KW = Kurt Wehlte NARA = National Archives and Records Administration, Washington NMD = Nachlaß Max Doerner (Doerner Institut) NSD = NS-Deutscher Dozentenbund NSDAP = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

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NSKK = NS-Kraftfahrerkorps NSKOV = NS-Kriegsopferversorgung NSLB = NS-Lehrerbund NSRB = Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund NSV = NS-Volkswohlfahrt NWGraf = Nachlaß Wilhelm Graf (Doerner Institut) NWGräff = Nachlaß Walter Gräff (Doerner Institut) NTR = Nachlaß Toni Roth (Doerner Institut) MNN = Münchner Neueste Nachrichten PA = Personalakt RA = Rechtsanwalt RdbK = Reichskammer der Bildenden Künste. Sofern die Reichskammer der bildenden Künste in Berlin gemeint ist, wird auf den Zusatz (Berlin) verzichtet. RDI = Reichsinstitut Doerner-Institut (bis 1945) RJ = Richard Jacobi RLB = Reichsluftschutzbund RM = Reichsmark RMWEV = Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung RMVP = Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda SD = Sicherheitsdienst des Reichsführer SS StAM = Staatsarchiv München StMUK = Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus StMIKSch = Bayerisches Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten S & H = Siemens und Halske THM = Technische Hochschule München TM = Technische Mitteilungen für Malerei TR = Anton (Toni) Roth VB = Völkischer Beobachter VDA = Verein für das Deutschtum im Ausland WG = Walter Gräff ZKK = Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung Der Lesbarkeit halber wurde auf die genannten Abkürzungen im Text verzichtet.

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VERSUCHSANSTALT UND UNTERSUCHUNGSSTELLE

ALEXANDER EIBNER Die Geschichte von Max Doerner und seinem Reichsinstitut für Maltechnik läßt sich nicht schreiben, ohne auf den Chemiker Alexander Eibner und dessen Versuchsanstalt an der Technischen Hochschule einzugehen. Bereits Michael von der Goltz hat der Versuchsanstalt breiten Raum verschafft, obgleich sie nicht im Zentrum seiner Untersuchung steht.1 Auch Kathrin Kinseher greift in ihrer Dissertation über Adolf Wilhelm Keim die Thematik auf und beleuchtet so die frühen Jahre der Anstalt.2 Diese Arbeit richtet den Blick auf einen weiteren Protagonisten, den Kunsthistoriker Walter Gräff und dessen Untersuchungsstelle an der Alten Pinakothek. Zu dem Zweigestirn Doerner und Eibner tritt so ein Dritter, Walter Gräff. Erst in dieser Konstellation lassen sich die Gründungsimpulse des Doerner-Institutes schlüssig beschreiben und läßt sich deutlich machen, unter welchen Einflüssen, ob institutioneller, fachlicher oder politischer Art, dies geschah. Kehren wir zuerst einmal zu Eibner zurück, dem ältesten der drei Protagonisten. Dabei beschränken sich die folgenden Ausführungen im wesentlichen auf die späteren Jahre; eine Schilderung der Anfänge seiner Laufbahn, seiner komplexen Persönlichkeit, des faszinierenden Wissenschaftlers und seiner Versuchsanstalt muß anderen überlassen bleiben.3 Der 1862 in München geborene Alexander Eibner* 4 (Abb. 1) wirkt an der Technischen Hochschule München, wo der promovierte und habilitierte Chemiker seit 1907

Abb. 1 | Alexander Eibner

die „Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik“ leitet.5 Die Gründungsgeschichte der Versuchsanstalt reicht jedoch bis weit vor Eibners Zeit zurück und ist eng mit dem Maltechniker und Farbenfabrikanten Adolf Wilhelm Keim6 verbunden, dessen Tätigkeit ab 1866 belegt ist. Keim gründet 1877 eine chemisch-technische Werkstätte für Wasserglas- und Wandmalereitechniken in Augsburg. 1881 siedelt er mit seiner „Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik“ nach München über und führt diese 1882 in den Räumen der alten Akademie weiter. 1886 gründet Keim zudem die Deutsche Gesellschaft für Beförderung rationeller Malverfahren, später Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren.7 Um das Fortbestehen seiner Versuchsanstalt zu sichern, unterstellt Keim diese im gleichen Jahr formell der Gesellschaft und verlegt die Anstalt in seinen Wohnsitz nach Grünwald. Doch auch durch diesen Schachzug ändert sich die finanzielle Schieflage der Versuchsanstalt nicht wesentlich: Bereits 1889 bittet die Gesellschaft aufgrund akuter Schwierigkeiten um einen staatlichen Zuschuß8 und wird dauerhaft auf weitere Zuwendungen angewiesen bleiben.9 In diesen Jahren finanzieller Schwierigkeiten entwickelt Keim in einer Denkschrift die Idee, daß sich die Versuchsanstalt nicht allein im technisch-wissenschaftlichen Sinne, sondern auch als praktische Versuchs- und Lehrwerkstätte betätigen solle. Hierbei verortet er die Versuchsanstalt thematisch zwischen der Akademie der Künste, der Technischen Hochschule und dem Generalkonservatorium, dem heutigen Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, – eine Konstellation, in der wir uns bis 1934 bewegen werden. Auch wenn Maltechnik in München ein großes Thema ist – so finden 1893 der 1. Kongreß und die 1. Ausstellung für Maltechnik in München statt10 –, sieht sich die Versuchsanstalt nach Aufbrauch des Zuschusses 1894 gezwungen zu schließen. Langwierige Versuche, die Anstalt der Technischen Hochschule anzugliedern, führen 1902 zum Erfolg: Die Versuchsanstalt zieht von der Akademie, wo sie bislang untergebracht war, in die Technische Hoch30

schule und wird dort Teil des chemisch-technischen Laboratoriums unter Georg Schultz.11 Der nach erneutem Umzug in großzügigere Räumlichkeiten untergebrachten Anstalt12 wird ein Kuratorium beiseite gestellt. Aufgrund zunehmender fachlicher und persönlicher Schwierigkeiten mit Keim, der zudem keinen akademischen Abschluß vorweisen kann,13 schlägt Schultz Ende 1902 vor, den Assistenten Alexander Eibner aus dem organisch-chemischen Laboratorium für die Versuchsanstalt heranzuziehen.14 Wenige Monate später wird diese verstaatlicht: Ein Vertrag zwischen der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren und der Technischen Hochschule regelt die Einzelheiten.15 Doch schon Ende 1903 legt Schultz die Leitung wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten mit Keim nieder.16 Andreas Lipp übernimmt die Leitung, und 1904 beginnt Eibner mit seinen Vorlesungen.17 Aber selbst in dieser neuen Konstellation ist der Fortbestand der Versuchsanstalt in keiner Weise gesichert, erfolgt doch 1905 eine erneute Eingabe an den Landtag, die Anstalt vollständig in die Technische Hochschule einzugliedern. Anfang 1907 legt auch Lipp die Leitung nieder,18 neuer Leiter wird am 11.05.1907 Alexander Eibner.19 Mit der Habilitation Alexander Eibners im Jahr 1892 betritt eine der prägenden Persönlichkeiten die maltechnische Bühne. Er, der Chemiker, entwickelt sich zu einem der wichtigsten Maltechniker Deutschlands und bestimmt die Geschicke der Versuchsanstalt bis zu seinem Tode im Jahr 1935. Über deren Arbeit und Kuratorium ist Eibner eng mit anderen Münchner Kultureinrichtungen verflochten: So gehört z. B. 1908 dem Kuratorium unter anderen der Kunstmaler Carl Marr an, zu dessen Schülern Max Doerner wie auch Toni Roth zählen. Der Restaurator und Königliche Kustos Andreas Mayer Schleißheim vertritt die Königlich bayerische Direktion der staatlichen Galerien.20 Eibner steht aber in gleicher Weise auch mit dem Deutschen Museum in Kontakt, wo er an dem Aufbau der Abteilung Maltechnik mitwirken soll. Sein Arm reicht bis ins Münchner Nationalmuseum, das ihm „alte Bilder aus den dortigen De31

potbeständen zum Zwecke der mikroskopisch-chemischen Untersuchung“ zur Verfügung stellen will.21 Alle Voraussetzungen scheinen gegeben, um seitens der Versuchsanstalt erfolgreichen Jahren entgegenzublicken. Auch Eibners persönliches Fortkommen ist gesichert, wird der habilitierte Chemiker doch 1907 zum außerplanmäßigen Professor ernannt,22 eine ordentliche Professur wird ihm verwehrt. 1909 erscheint Eibners „Malmaterialienkunde als GrundAbb. 2 | Eibners „Malmaterialienkunde“ von lage der Maltechnik“ (Abb. 2). 1909 In ihr stellt Eibner maltechnisches Wissen auf naturwissenschaftliche Grundlagen.23 Bereits der Titel ist wohlüberlegt: Nur die Kenntnis der verwendeten Malmaterialien begründet eine gute Maltechnik. Das heute zu Unrecht fast vergessene Buch soll nur eine von zahllosen Publikationen Eibners werden.24 Fachlichen Erfolgen stellt sich indes die schwierige Persönlichkeit Eibners entgegen: Nach Auseinandersetzungen um das von der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren geförderte und vom Kuratorium gewünschte „Deutsche Farbenbuch“ tritt Eibner noch im selben Jahr aus der Gesellschaft aus.25 Seiner Vorstellung nach sollte sich die Versuchsanstalt als staatliche Einrichtung gänzlich von der Gesellschaft lösen.26 Was hier noch als nebensächlicher Aspekt erscheint, wird später eine wichtige Rolle spielen: das Streben nach einem unabhängigen Institut für Maltechnik.

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In dem Maler und Maltechniker Max Doerner, der ab 1911 an der Münchner Akademie der bildenden Künste Maltechnik lehrt, erwächst Eibner ein mächtiger Antipode. Da beide auf ähnlichem maltechnischen Terrain aktiv sind, ziehen sich immer neue Auseinandersetzungen um die genaue Benennung ihrer maltechnischen Lehrveranstaltungen bis 1914 hin.27 Im April diesen Jahres wird Eibner in einer Kuratoriumssitzung gar mit der Idee konfrontiert, „jenes Mitglied des [Wirtschaftlichen] Verbandes [bildender Künstler], das gleichzeitig Vertreter des Faches Malmaterialien an der K[öniglichen] Kunstakademie ist [gemeint ist also Doerner], in das Kuratorium zu wählen, da hierdurch die weitere Durchbildung der beiderseitigen Lehrstoffe ermöglicht wäre.“28 Wenige Monate später wird Doerner dann neben Hermann Urban* als neues Kuratoriumsmitglied mit Fritz Erler* als Vertreter bestätigt.29 Doerner rückt Eibner immer näher: Der Schriftverkehr beider zeugt von einem langjährigen regen Austausch zu maltechnischen Fragen, in den ersten Jahren ab 1912 aus höflicher Distanz, nie freundschaftlich, doch offen, spätestens ab 1930 unüberbrückbar entzweit, gekränkt und enttäuscht. Auf zu vielen Bereichen öffnen sich Konfliktfelder und Polaritäten, aus voneinander Lernenden werden unversöhnliche Kontrahenten. Beide suchen die Öffentlichkeit, sei dies in Fachzeitschriften wie den Technischen Mitteilungen für Malerei oder der Münchner Presse, wo sie sich z. B. über Punisches Wachs und Schmidsche Enkaustik austauschen. Beide begegnen sich auf den Versammlungen der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren oder den Kuratoriumssitzungen der Versuchsanstalt, in denen die Klingen gekreuzt werden. Dabei entpuppen sich die weitschweifigen und keine Kränkung auslassenden Schreiben Eibners aus den 1930er Jahren als ebenso messerscharf wie die kurzen verächtlichen Notizen Doerners, die dieser zum Werk Eibners niederschreibt. Ganz anders ist der Austausch früherer Jahre, bei dem man das Gefühl gewinnt, daß es immer wieder Eibner ist, der auf Doerner und dessen Themen zugeht. In unterstützenden und überlegten 33

Schreiben äußert er sich zu Doerners Streit mit den Pinakotheken und Walter Gräff, wie auch zu der Frage, ob er als Naturwissenschaftler Künstlern in maltechnischen Fragen mit Rat und Tat zur Seite stehen solle oder ob dies nicht einzig Doerner als Praktiker vorbehalten sei. Der Erste Weltkrieg fordert seinen Tribut: Eibner, an die Front gerufen und später Rekruten in München ausbildend, betreibt die Versuchsanstalt auf kleiner Flamme. Es sind dabei durch den Krieg bestimmte Themen, die ihn beschäftigen: So untersucht er in Korrespondenz mit Doerner, ob nicht aus bayerischen Fichtenzapfen gewonnenes Fichtensamenöl als Ersatzstoff für gängige trocknende Öle in der Malerei verwendbar sei. Doch es stellt sich heraus, daß die gesamte Ernte des Jahres 1917 zur Herstellung von Margarine verwendet bzw. mit Sikkativen zu einem unbrauchbaren Firnis verkocht wurde. Erst Anfang 1918 kann Eibner der Akademie 80 kg für die Malerei anbieten,30 wobei er die Eigenschaften des Fichtensamenöls als gut beurteilt.31 Doerner, Eibner und Gräff überleben den Krieg. Während Doerner als Rekonvaleszent im idyllischen Seeshaupt weilt, wird München in der Münchner Räterepublik von Unruhen erschüttert: Am Morgen des 30.04.1919 wird der Maler Ernst Berger*, in seiner „Werkstatt der Kunst“ oft Widersacher Keims und der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren, erschossen.32 Mitten in dieser unruhigen Zeit startet Eibner einen erneuten Versuch, eine ordentliche Professur zu erlangen. Auch dieses Mal wird sie ihm vom Vorstand der chemischen Abteilung der Technischen Hochschule verwehrt, entscheidet dieser doch, „dass eine ordentliche Professur für die Chemie der Mal- und Anstrichmittel“ nicht „errichtet wird“. Diese für Eibner schlechte Nachricht wird dahingehend ergänzt, „dass der Vorstand der Prüfungsanstalt für Mal- und Anstrichmaterialien diese Anstalt in Zukunft selbständig ohne Kuratorium leiten soll […]“ und, „dass dem Vorstand dieser Anstalt eine Funktionszulage 34

zugewiesen werden möge, die ihn auf die Bezüge eines ordentlichen Professors stellt.“33 Beide Punkte gehen ebenso wenig in Erfüllung wie der Vorschlag einer Umbenennung der „Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik an der Technischen Hochschule“ in „Prüfungsanstalt für Mal- und Anstrichmaterialien an der Technischen Hochschule München“.34 So nebensächlich die Frage der Umbenennung aus heutiger Sicht erscheinen mag, so zentral wird sie künftig im Streit zwischen Doerner und Eibner. Nach all diesen Rückschlägen reift in Eibner die Erkenntnis, daß seine Aufgabe nur in Kooperation mit anderen Einrichtungen ähnlichen Interesses lösbar ist. So berichtet er 1920, daß „auch die Gemäldegaleriedirektion bestrebt [sei], das Interesse dieser Kreise [Polytechnischer Verein, Kunstgewerbeverein, Kunstwissenschaftliche Gesellschaft] am Material zu erwecken“.35 Für die weitere Entwicklung jedoch weit wichtiger ist Eibners Bemerkung, daß „in der Zentralgemäldegalerie wiederholt gemeinsame Arbeiten an Bildern mit Herrn Hauptkonservator Gräff statt[fänden].“36 An anderer Stelle wird erwähnt, daß sich der Kunsthistoriker und begabte Photograph Walter Gräff bei Eibner Geräte zur „Auswertung des Ostwaldschen Farbenmeßverfahrens für die Zwecke der Kunstwissenschaft“ entleihe.37 Eibner wiederum berichtet, daß die Zusammenarbeit mit Gräff, ja insbesondere „die chemisch-mikroskopischen Untersuchungen […] alter Tafelbilder im Benehmen mit der Zentralgemäldegalerie und von Wandbildern auf Veranlassung des Landesamtes für Denkmalpflege“ fortgesetzt werden sollen.38 Eibner gewinnt so in Gräff einen Weggefährten, doch wie weit der Austausch reicht – beide arbeiten nur einen Häuserblock voneinander entfernt –, wissen wir nicht. Es ist dann auch Gräff, der 1926 als Vertreter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in das Kuratorium der Versuchsanstalt nachrückt.39 Mitte der 1920er Jahre wird Eibner „auf Vorschlag des Professors am Heriot Watt College in Edinburgh Herrn A[rthur] P[illans] 35

Abb. 3 | Versuchsanstalt Eibners

Laurie zum correspondierenden Mitglied der Royal Academy of Arts in London ernannt“.40 Es ist bezeichnend, daß die Initiative für die ehrenvolle Ernennung allerdings von Eibner selbst ausgegangen zu sein scheint.41 Werten wir es als einen Versuch, endlich Anerkennung für sein beachtliches wissenschaftliches Werk zu erlangen. Hierzu rechnet auch Eibners erneuter Antrag bei der Technischen Hochschule, ihm eine ordentliche Professur für Malmaterialienkunde zu verleihen. Er scheitert wieder.42 In der Hochschule hat sich vielmehr die Meinung durchgesetzt, daß „für das Sondergebiet der Malmaterialienkunde […], an dem vor allem die Künstler interessiert sind, […] an der hiesigen Kunstakademie in genügendem Maße Sorge getragen sein [dürfte]. Die Hochschule sieht daher keine Veranlassung gegeben, einem weiteren Ausbau der Anstalt [(Abb. 3)] in räumlicher und technischer Hinsicht (die vor Jahresfrist zum früheren Bestand der Anstalt hinzugekommenen Räume stehen heute noch unbenützt) und einer Erweiterung und Vertiefung des Aufgabengebietes der Versuchsanstalt das Wort zu reden.“ 43 Zwar werde die Arbeit der Anstalt geschätzt, doch befasse sich Eibner zu wenig 36

mit „Stein-, Beton- und Anstrichschutz“ sowie der „Anstrich- und Verputztechnik“, dagegen zu sehr mit antiken Wandmalereien.44 1927 verbessert sich die Arbeitssituation für Eibner, denn das Ministerium stimmt einer Einstellung von Ernst Roßmann* zu. Der Chemiker Roßmann, ein Seminarteilnehmer Eibners,45 tritt seinen Dienst als Assistent bei der Versuchsanstalt an.46 Es könnten also fachlich ertragreiche Jahre kommen, doch die Zeiten wenden sich gegen Eibner: Ihm droht nicht nur seine Pensionierung,47 sondern er hat auch massive Schwierigkeiten im Kuratorium. Dort sitzen neben Eibner und Roßmann Vertreter der Ministerien, der Maler Siegfried Czerny-Heidelberg* (auch Czerny) für die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren, Vertreter der Zentralgalerie (Konservator Müller, der Restaurator Alois Hauser und der Kunsthistoriker Gräff) und der Künstlerverbände, dann Doerner für die Akademie, Georg Düll für den Verband des Farben- und Lackfaches und Malermeister Hofmann für die Material-Prüfungskommission. Der maßgeblich von Czerny angefeuerte, nie erloschene Streit im Kuratorium dreht sich um die korrekte Bezeichnung der Versuchsanstalt und steht für nicht enden wollende Auseinandersetzungen um die inhaltliche Tätigkeit der Anstalt. Czerny will den bisherigen Namen beibehalten, wogegen Eibner vehement vorgeht. In charakteristischer Weise formuliert er auf 28 Seiten eine schriftliche Erwiderung aus unendlichen Wiederholungen zumeist irrelevanter Einwürfe, die Eibners Wunsch auf Verzicht des Zusatzes „Auskunftstelle für Maltechnik“ stützen sollen.48 Dabei wäre die Begründung so einfach, daß nämlich „eine durch einen Chemiker geleitete Anstalt keine maltechnischen Auskünfte zu erteilen vermag.“ Doerner zeigt sich mit diesem Vorschlag höchst einverstanden, da er klare Verhältnisse schaffe. Die „wirkliche Auskunftstelle für Maltechnik [befinde] sich seit 1911 an der Kunstakademie“.49 Noch 1926 eint Doerner und Eibner die Überzeugung, daß der Nachsatz einer „Auskunftstelle für Maltechnik“ nicht nur unglück37

lich gewählt, sondern vor allem von einem Naturwissenschaftler wie Eibner nie zu erfüllen sei und deshalb geändert werden müsse. Als Dozent für Maltechnik an der Münchener Akademie sieht sich Doerner selbstverständlich in der Lage, den praktizierenden Maler zu beraten: Daß aber „mehr als 90 % aller Maler kaum etwas von dem Bestehen der Anstalt [wissen, was nicht …] die Schuld der Maler allein!“ sei, entstammt wohl eher Doerners subjektiver Wahrnehmung. Zu seiner Sichtweise trägt auch die spürbare Breitenwirkung seines 1921 erschienenen Buches „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“, seine langjährige Lehrtätigkeit und damit die Vielzahl seiner Schüler bei.50 Doch in den Texten Eibners läßt sich immer wieder spüren, daß er sich bis 1928 auch durch Doerner gestützt sah. Seine Nähe zu Kunstmalern betonend, nennt Eibner neben „Gussow, von Zumbusch, Haggenmiller, Al. Müller, Schmuderer, P. Ranzinger, W. Kolmsperger, Ed. Steppes“ vor allem den Maler Hermann Urban und den Enkaustiker Hans Schmid, von denen er gelernt habe. Unter Wissenschaftlern seien es Franz von Reber, Paul Wolters, H. Schäfer (Berlin) und vor allem Walter Gräff, dessen „Unterweisung und Beihilfe [er sich] in ausgiebigster Weise“ erfreut habe. Um so mehr irritiert ihn die seit 1926 schwankende Haltung Doerners – wie er es bezeichnet –, die 1928 schließlich in offene Feindschaft umgeschlagen sei.51 Der Konflikt zwischen Doerner und Eibner blockiert jedwede sachliche Auseinandersetzung und verhindert die Verwirklichung des letztlich doch gemeinsamen Traumes, ein Institut für Maltechnik zu schaffen, das dem Wissenschaftler wie dem Künstler dient. Vor allem verschleißen beide ihre Kraft in der Auseinandersetzung um Kleinigkeiten: So wirft Eibner Ende 1928 seinem Widersacher vor, er habe es die ganzen letzten 16 Jahre versäumt, bei der Versuchsanstalt „systematische Auskünfte“ einzuholen.52 Doerner dagegen nennt Eibner in den Technischen Mitteilungen Zeiten, wann in seinem Atelier „Säureleimproben“ nach Urban öffentlich – also auch für Eibner – zugänglich seien, er also seinen Fuß in die Akademie 38

setzen solle.53 In ähnlicher Manier geht Eibner an anderer Stelle auf Fragen Doerners ein, weil er – wie er ihn herablassend wissen läßt – „gerade ausnahmsweise Zeit habe.“54 Ist es da verwunderlich, wenn Doerner ab 1926 versucht, sich von der Versuchsanstalt unabhängig zu machen, gar einen Chemiker an die Akademie zu holen? Generell beklagt Eibner, daß Doerner aufgrund seines „intriganten Auftretens“ nicht in der Lage sei, mit Wissenschaftlern zu verkehren. Doerner widerspricht, sei doch sein „Gegensatz zu Eibner […] nicht […] ein Gegensatz zur Wissenschaft […] Er ist es so wenig, wie Eibners Kampf gegen mich ein Kampf gegen die Kunst ist.“55 Auch Eibner ist sichtlich an Schadensbegrenzung gelegen: Zwar ist er nicht bereit, sich in den Auseinandersetzungen Doerners mit den Pinakotheken auf dessen Seite zu schlagen – vermutlich, um seine Zusammenarbeit mit Gräff nicht zu gefährden. Gleichwohl schlägt Eibner Brücken in Richtung Doerner: Die Versuchsanstalt wirke „auf dem Gebiete der Werkstoffe für Malerei u[nd] Anstrich forschend und lehrend […] und [ist] damit zur Keimzelle einer späteren Organisation geworden […] deren Aufgabe es ist, Werkverbindungslinien zwischen Wissenschaft, Kunst und Handwerk zu schaffen und damit für die Bildherstellung und Restaurierung, für Kunsthandwerk und Gewerbe die stofflichen Grundlagen zu schaffen.“56 Eibner führt an, daß die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren „ihre Gründungsidee von Pettenkofer [letztes Wort unterstrichen] entlehnt [habe, nämlich die Idee einer] Schaffung der Wissenschaft der Maltechnik“.57 Mit diesem Stichwort der „Wissenschaft der Maltechnik“ stellt Eibner erstmalig einen Schlüsselbegriff in den Raum, der damals wie heute ungeklärt erscheint. Es läßt sich leicht vorstellen, daß der Konflikt zwischen Doerner und Eibner auf der am 18. und 19.02.1929 in München stattfindenden IV. Farbentagung kaum zu verbergen war, ja Tagesgespräch wird. Unter den 28 Rednern befinden sich alle maßgeblichen Maltechniker Deutschlands, so Heinrich Trillich (München), Otto Rückert (München), der Farbenfabrikant Ferdinand Gademann (Schwein39

furt), die Chemiker Hans Wolf* (Ludwigshafen), Hans Wagner (Stuttgart), Karl Würth* (Leverkusen-Schlebusch) und Ernst Täuber (Berlin), die Maltechniker Hermann Urban (München) und Kurt Wehlte* (Dresden), sowie natürlich Eibner und Doerner. Unter den 736 Teilnehmern sind auch Czerny für die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren sowie der Maler und Schüler Doerners Ludwig Franz Ludowici*; beiden werden wir noch begegnen. Mit ihnen gewinnt die Thematik eine politische Färbung, die im Folgenden immer bestimmender werden wird: Ludowici wie Czerny gehören zu den frühen, aktiven Unterstützern der NSDAP in München, beide sind aber auch aktive Maltechniker und Maler. Ludowici sucht sich in den inzwischen offenen Streit zwischen Doer­ ner und Eibner einzuschalten, Trillich lehnt es allerdings ab, ein entsprechendes Manuskript Ludowicis in den Technischen Mitteilungen für Malerei abzudrucken. Schon ganz der NS-Terminologie verhaftet, führt Ludowici darin den „Kampf Dörner – Eibner [auf …] Gesinnungen [zurück], die da gegeneinander stehen und die von weit tieferer Bedeutung sind für die ganzen Probleme unserer Zeit.“ Und weiter: „Es lässt sich nicht mehr lange verheimlichen – diese Art Wissenschaft [Eibners] war nur eine wilde Wucherung auf dem wahren Wissen [Doerners]. Sie hat alles Wissen überwuchert, hat masslos und anmassend in ihrer eitlen Selbstherrlichkeit […] ihren Jüngern und Anhängern gewaltig den Kopf verdreht. Und doch – die Wissenschaft trägt nicht selbst Schuld daran; sie ist schuldlos so gewachsen wie eine Giftblume im Tümpel – auf dem Tümpel einer entarteten Gesinnung.“ Ludowicis Ausführungen enden mit dem Kampfruf: „Herr Professor Dörner, sie haben uns, ihre Schüler aufgerufen – da sind wir!“58 Trotz seiner Ablehnung leitet Trillich die Schrift Ludowicis über Czerny auch an Doerner weiter – Doerner bekommt Kenntnis, Eibner nicht. Wie sehr sich das politische Klima ändert, zeigt dann Ludowicis Vortrag auf der Generalversammlung der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren 1932, wo er „die Gründe für die Zersetzungserscheinungen an modernen Malereien […] nicht im Technischen allein [sieht], sie sind die Folge 40

von falschen geistigen Einstellungen.“ Der Kampf gegen die Moderne hat damit auch die Maltechnik erreicht, Ludowicis Äußerung wird keine Einzelstimme gewesen sein.59 Doch auch bei politisch gemäßigteren Kräften, wie dem Maltechniker Walter Obst aus Hamburg-Bahrenfeld, setzt sich die Auffassung durch, daß es für eine grundsätzliche Kehrtwende in der Versuchsanstalt zu spät sei und deshalb nur ein „Institut an der Akademie als wirkliche Auskunftstelle für Maltechnik dienen“ könne.60 Mit Obst kehrt ein langjähriger Verteidiger der Versuchsanstalt den Rücken, der vor allem die mangelnde Zusammenarbeit „zwischen Wissenschaft und Praxis in der Technologie der Malerei“ beklagt.61 Doerners ungefähr zeitgleiche Sichtweise zu dem Problem der „Wissenschaftlichen Maltechnik und Practiker“ sieht dagegen die Anbindung der Keimschen Versuchsanstalt an das Polytechnikum, also die Technische Hochschule als historische Fehlentscheidung. Bei einem Verbleib an der Akademie hätte sie eine „unbedingt anders geartete Entwicklung, wir Maler dürfen ruhig sagen, mehr in unserem Sinne, genommen.“62 Die Abkehr von Eibner und seiner Versuchsanstalt bekommt so ein neues Ziel: die Akademie als Garant einer dem „Practiker“ dienenden Institution. Die frühen 1930er Jahre der Versuchsanstalt sind von wissenschaftlichen Erfolgen und einer erhöhten Außenwahrnehmung geprägt, aber auch von vernichtenden Niederlagen nach innen. Eibners Wunsch, das Kuratorium – das er immer für seine Arbeit als hinderlich empfand – loszuwerden, widerspricht im Februar 1930 das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus endgültig. Das Kuratorium solle zur „Sicherung einer den Bedürfnissen der maltechnischen Praxis Rechnung tragenden Tätigkeit der Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik“ beibehalten werden.63 Alleine schon diese Formulierung macht den steigenden Einfluß Doerners deutlich. Eibners Gegenreaktionen führen zu einer Generalabrechnung, die – wie immer – weit ausgreift und nichts uner41

wähnt läßt. Sie entzündet sich vor allem an der Behauptung Doerners: „Wir Maler erwarten dies umsomehr, als Sie [Eibner] uns doch sagten, Sie seien der einzige in Europa, der Chemie, Colloidchemie, Physik, Maltechnik und Kunsthistorik zugleich beherrscht.“ Eibner fordert Doerner auf nachzuweisen, „wo [er, Eibner] diese verrückte Behauptung aufgestellt habe“, denn all diese Eigenschaften müsse man haben, wenn man sich „als Auskünfter für Maltechnik ausgeben dürfte“. Und gerade dagegen habe er, Eibner, sich immer gewandt, habe nie für sich den Anspruch erhoben, eine „Auskunftstelle für Maltechnik“ gewesen zu sein.64 Es ist müßig, die jetzt ausgetauschten Vorwürfe zu wiederholen, das Tuch zwischen beiden ist spätestens 1930 unwiederbringlich zerschnitten.65 Interessanterweise reicht Doerners Einfluß nicht ins Ausland: Nicht er, sondern Eibner und Gräff sprechen auf der „Conférence internationale pour l’étude des méthodes scientifiques appliquées à l’examen et à conservation des œuvres d’art“ vom 13. bis 17. Oktober 1930 in Rom.66 Gräff referiert über die Untersuchung von Gemälden mit optischen Mitteln,67 Eibner – empfohlen durch den Kunsthistoriker Richard Graul vom Kunstgewerbemuseum Leipzig68 – über die mikrochemische Untersuchung von Malmaterialien.69 Hierbei kann er auf Arbeiten seines Doktoranden, des Chemikers Heinz Hetterich, zurückgreifen, der seine Dissertation 1931 vorlegt.70 Eibner hält diese Arbeit für so wichtig, daß er sie dem Ministerium zuleitet und erwähnt, daß Hetterich „einen Kurs in Bilderkunde […] bei Herrn Professor Gräff nahm“. Hetterich, im Übrigen ein Corpsbruder Gräffs, habe Originale, so auch ein Gemälde von Joos von Cleve, „Ruhe auf der Flucht“ aus der Alten Pinakothek untersucht.71 „Das Ergebnis ist, daß man jetzt in München auf diesem Gebiete leistungsfähiger ist als anderwärts“.72 Unter Verweis auf die Teilnahme an der Tagung in Rom – eine zweite fand in Athen 1932 ohne ihn und Gräff statt –, plant Eibner sogar, den Kongreß nach München zu holen, hält hierfür jedoch eine „vom Staat angeordnete Zusammenarbeit zwischen Versuchsanstalt und staatlichen Gemäldesammlungen“ für eine unverzichtbare Voraussetzung. 42

Doch bei allen Zukunftsplänen weiß Eibner im Grunde, daß seine Pensionierung einer Schließung der Versuchsanstalt gleichkommen wird. In dieser Situation erhofft er sich von den Pinakotheken Hilfe, wo Friedrich Dörnhöffer* noch im November 1932 die „Gemeinschaftsarbeit der Versuchsanstalt der Technischen Hochschule mit der Direktion der Staatlichen Gemäldesammlungen befürwortet“. Eibner wendet sich allerdings vehement gegen Gräffs Pläne einer völligen Neugründung, denn „wesentlich sei [aus der Sicht Eibners] nicht irgendein neuer Aufwand, sondern daß das Ministerium bestimmt den Auftrag zur Zusammenarbeit aller einschlägiger staatlichen Stellen gebe. So bei Problemen der Unterdrückung der falschen Bilderexpertise, bei der Bilderhygiene und auch der Maltechnik.“ In für Eibner offenkundig wenig vertrauten Begrifflichkeiten werden als weitere Problemkreise die „Bilderherstellung“ und die „Anstrichmaterialien“ genannt.73 Es mutet tragisch an, daß das Interesse der Technischen Hochschule an Eibners Arbeit kaum erkennbar ist. 1932 wird der Etat der Versuchsanstalt empfindlich gekürzt, auch wenn prominente Besucher aus dem Ausland Eibners Leistungen vermehrt würdigen – unter ihnen Vertreter des Metropolitan Museums (New York) und Edward Waldo Forbes, Direktor des Fogg Art Museum (Cambridge USA). Eibner wiederum besucht ein „Expertisenlabor“ in Paris.74 Vor dem Hintergrund dieser Eindrücke erscheint ihm zunehmend die Lösung attraktiv, sich zusammen mit der Pinakothek um Expertisen zu kümmern und so mit den in der Nähe liegenden Museen eine „organische Verbindung der Kunstwissenschaft mit der Werkstoffkunde für Kunst“ einzugehen.75 Allerdings erkennt keiner den visionären Charakter von Eibners Vorstellungen: Er hätte die Gräffsche Untersuchungsstelle, von der noch zu sprechen sein wird, und die Versuchsanstalt in das übergeführt, was das heutige Doerner Institut ausmacht. Wie nicht anders zu erwarten, stoßen weder die Tatsache, daß sich Eibner unter Umgehung des Dienstweges direkt an den neuen bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kul43

tus Hans Schemm wendet, NSDAP-Mitglied und seit 13.04.1933 im Amt, noch sein Vorschlag bei der Technischen Universität auf Gegenliebe. An einem „Institut für Maltechnik“ besteht 1933 auf staatlicher Seite schlichtweg kein Interesse.76 Hieran ändert auch Eibners Nachsatz wenig, daß die Entwicklung den „Vollzug der Gleichschaltung auf maltechnisch-[kunst]wissenschaftlichem Gebiet in Deutschland“ zeige, getragen durch „jene deutsche nationale Gruppe [also Eibner und Gräff] die auf dem internationalen Kunstkongreß in Rom [1930] gewünscht wurde.“77 Nicht nur zeitlich, sondern auch sprachlich sind wir ohne Zweifel im „Dritten Reich“ angekommen. Auch an anderer Stelle ist Eibner erfolglos: Im Juli 1933 lehnt der Senat sein Drängen um eine ordentliche Professur mit Hinweis auf sein hohes Alter erneut ab.78 Ganz im Gegenteil, scheint man vollendete Fakten schaffen zu wollen, wird doch Eibner bereits zwei Tage später ins Ministerium vorgeladen, wo dem über 70Jährigen der Übertritt in den Ruhestand spätestens zum 01.03.1934 nahegelegt wird.79 Auch über geeignete Nachfolger wird gesprochen: Eibner zieht Hans Wagner von der Kunstgewerbeschule Stuttgart und seinen Schüler Ernst Roßmann in Erwägung, der noch in diesem Jahr seine Habilitation abschließen werde.80 Gräff, vermutlich nicht zufällig am selben Tage ins Ministerium geladen, bekräftigt Eibners Pläne, wobei er seinen eigenen Fokus eher auf historischen Materialien sieht. Fragen der Anstrichtechnik, wie auch die Bestimmung und Untersuchung von Farben und Bindemitteln weist er der Versuchsanstalt zu. Gräff nennt als weiteren Kandidaten für die Nachfolge Eibners auch Heinz Hetterich. Das Verhältnis von Eibner zu Gräff scheint nicht gänzlich unbelastet, bemerkt Letzterer doch im Ministerium, „daß ihm die Zusammenarbeit mit Eibner wegen dessen Hang zur Weitschweifigkeit und wegen einer gewissen Unklarheit in der Fragestellung nicht sehr erwünscht sei. Um Bilder solle sich Eibner nicht bekümmern, sondern 44

nur um das physikalische und chemische Verhalten der Farbstoffe.“ Gräff vermutet gar, daß Eibners Auge jetzt für die Farben zu alt geworden sei und meint, die Anstalt werde man beibehalten können, ob in derselben Größe, sei eine andere Frage. In deutschnationalen Tönen lehnt Gräff Eibners Idee ab, in München einen „internationalen Kunstkongreß“ abzuhalten. Hintergrund für seine ablehnende Haltung ist wohl, daß die ihm und Eibner in Rom zugesagte Teilnahme in einem Sachverständigenausschuß zu Firnisfragen81 zugunsten von „Helmut Ruhemann* – Berlin (Jude)“ widerrufen wurde.82 Gleich wie, die Technische Hochschule zeigt kein Interesse an einer Umorientierung der Versuchsanstalt zu mehr praktischen oder künstlerischen Fragen und stellt somit ihre Fortführung in Frage. Auch wenn ein denkbares „Interesse der Kunstverwaltung“ nicht ausgeschlossen wird, würden doch die Pläne Eibners schon an der geringen Bedeutung des Fachgebietes und am Platzmangel scheitern. Solange Naheliegendes wie „Luftfahrwesen, […] Metallographie oder [die] Rückverlegung der Landwirtschaftlichen Fakultät aus [Platzmangel] unterbleibe, könne einem Ausbau der Versuchsanstalt nicht zugestimmt werden.“ Ja, die inhaltliche Neuorientierung nach den „Interessen der Kunstmaler wie der Fachverbände für Anstrichtechnik“ – und, man ergänze, der Museen –, die auch „Parteienverkehr“ mit sich brächten, „würde die Anstalt noch mehr außerhalb des Rahmens der Hochschule stellen.“83 Bitter genug, läßt die Hochschule Eibner nicht einmal eine Kopie dieser Ablehnung zukommen: Sie wird ihm anläßlich des erwähnten Besuches im Ministerium lediglich mitgeteilt. Eibner bringt bei diesem Termin noch einmal die „Kunstverwaltung“ ins Spiel und versäumt auch nicht damit zu drohen – eine in München immer scharfe Waffe –, daß dann eben Berlin ein Institut einrichten werde. Doch das Ministerium bleibt hart, man erwartet Eibners Antrag auf Versetzung in den Ruhestand noch vor Weihnachten.84 45

Eibner wartet bis zum letzten Moment und reicht ein eigentlich nur ordentlichen Professoren zustehendes „Emeritierungsgesuch“ ein, nicht ohne noch einmal all seine Verdienste um die Versuchsanstalt zu umreißen.85 Sein nahendes Ausscheiden bringt auch die einstigen Widersacher auf die Bühne: Die Akademie spricht sich zwar gegen den Fortbestand der Versuchsanstalt aus, allerdings solle auch zukünftig in Einzelfällen die materialtechnische Überprüfung von Künstlerfarben möglich sein. Dies könnten die Chemiker Adolf Stois86 oder Roßmann auf Antrag der Künstlerschaft durchführen. Bemerkenswert ist auch hier der Hinweis, daß die Konstruktion, die sich die Akademie wünsche, in Berlin bei Wehlte schon realisiert sei. Dort sei dem Maltechniker ein „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ an die Seite gestellt.87 Der Tag der Ruhestandsversetzung Eibners kommt, ohne daß eine Lösung für den Fortbestand der Versuchsanstalt gefunden wäre. Er behält zunächst die Leitung der Anstalt wegen anstehender Promotionen im Sommersemester 1934 noch bei.88 Der Kreis möglicher Nachfolger erweitert sich jetzt um den Namen des Chemikers Karl Würth. Doerner, dessen Einfluß wächst, macht Würth in einem Gespräch allerdings deutlich, daß er im Gegensatz zu Eibner, der seine Themen selber suche, den zukünftigen Beitrag eines Chemikers ganz in den Dienst der „künstlerischen Arbeit“ stellen wolle.89 Überraschend wird von dritter Seite auch Walter Gräff genannt: Doch Doerner, von „Freund [Adolf] Ziegler“ – wir werden uns noch ausgiebig mit dem Maler, Professor und späteren Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste90 befassen – alarmiert, lehnt Gräff vehement ab, vertrete dieser doch in Restaurierungsfragen eine Linie, die er seit Jahrzehnten bekämpfe.91 All diese Divergenzen dringen allerdings wenig nach außen, fordert doch die Reichskammer Doerner in einer fachlichen Frage zu einer gemeinsamen Begutachtung mit Gräff auf.92

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Eibner selbst spielt zu diesem Zeitpunkt, ohne daß ihm dies bewußt ist, keine maßgebliche Rolle mehr. Diese übernimmt zunehmend Max Doerner93 – an seiner Seite der bereits erwähnte Chemiker Hans Wolf, von dem noch in anderem Zusammenhang zu berichten sein wird. Wolf ist in Doerners Überlegungen und Kontroversen einbezogen und scheint den Münchner Frontverlauf bestens zu kennen. So vermutet Wolf z. B., daß sich eine „Interessengemeinschaft [Hermann] Urban – Eibner – [Stadtkurat Dr. Hans] Schmid“94 gebildet habe, ausnahmslos alte Gegner Doerners und geschätzte Kollegen Eibners. Die Vermutung Wolfs ist richtig, bilden doch die Arbeiten Eibners zum Bienenwachs in der Antike wie auch Versuchsreihen Urbans zum Nichtgilben von Wachs in der Enkaustik Schmids das Bindeglied zwischen Urban, Eibner und Schmid.95 Wolf hält es dagegen für ausgeschlossen, daß Eibner von der Industrie gestützt werde. Den bereits erwähnten Würth dagegen schätzte er so ein, daß dieser „ein ganz anderes techn[isches] Wissen als Eibner [besitze]; leider [sei] er aber auch ein recht unverträglicher Charakter.“96 Im Mai 1934 verstirbt Walter Gräff überraschend, zurück bleiben Eibner und Doerner. Beide mögen sich in Anbetracht des Todes Gräffs bewußt geworden sein, daß möglicherweise auch ihnen nicht viel Zeit bleiben könnte, um ihre Pläne – so unterschiedlich sie bei ähnlicher Zielsetzung auch waren – doch noch in die Tat umzusetzen. Eibners hierzu Anfang April verfaßte Denkschrift findet ausgerechnet am Todestag Gräffs ihren Weg ins Ministerium:97 Sie ist im Hinblick auf ihre Länge wie auch Detailversessenheit symptomatisch für Eibner. In ihr läßt sich die – schwer zu begreifende – Hoffnung ablesen, daß es in Fragen der Versuchsanstalt doch noch zu einer Lösung komme. Daß es hierbei maßgeblich auf das Verhältnis der Versuchsanstalt zur Akademie ankommt, ist Eibner durchaus bewußt. Dabei sieht er es als „unwahrscheinlich, daß [dieses Verhältnis] dauernd jene[s] sein wird, das seit 1911 durch Prof. Doerner verursacht wurde.“98 Kernpunkt von Eibners Kritik ist die 47

fehlende Wissenschaftlichkeit Doerners, ja ganz generell würde die „Ueberführung [der Versuchsanstalt] an die Kunstakademie […] das Ende ihrer Forschungstätigkeit“ bedeuten.99 Eibners Konzept sieht die „Versuchsanstalt für Mal- und Anstrichtechnik“ deshalb dauerhaft an der Technischen Hochschule, aber überraschenderweise ebenso ein separates „Laboratorium für Tafelbilduntersuchung“, das neben der Mikrochemie alle damals bekannten Verfahren der technischen Photographie unter einem Dach anbieten solle. Die Vorstellung Eibners, „die Arbeitsverbindung des Laboratoriums für Tafelbilduntersuchung mit der Zentralgemäldegalerie München derart [auszubauen], daß letztere die Ausführung mikrochemischer Untersuchungen und solcher im U. V., sowie mit Röntgenstrahlen an die Hochschule verweist“, deckt sich mit den Plänen Gräffs. Nur über den Ort besteht Dissens.100 Als seinen Nachfolger für die Versuchsanstalt schlägt Eibner jetzt den Chemiker Johannes Scheiber aus Leipzig vor, der als Verfasser von damals grundlegenden Büchern zu Kunstharzen und Lacken hervorgetreten war.101 Eibner bezeichnet Scheiber als „hervorragendsten Oelforscher in Deutschland“ und wird ihn aus seiner Forschungstätigkeit oder als Mitredakteur der Fachzeitschrift „Farbe und Lack“ persönlich gekannt und geschätzt haben. Unterstützt werden soll Scheiber durch Eibners ehemaligen Assistenten Roßmann. Für das Laboratorium für Tafelbilduntersuchung sieht Eibner einen „Vertreter der Kunstwissenschaft“ vor, der in enger Verbindung mit der „kunstwissenschaftlichen Bilduntersuchungsstelle an der alten Pinakothek“, also Gräffs Untersuchungsstelle, stehen solle. Auch hier sieht er neben einem Röntgenologen und einem Mikrochemiker der Technischen Hochschule vor allem Roßmann tätig.102 Zur Frage seines Nachfolgers hat sich Eibner bereits früher ausführlich geäußert und dabei das Netzwerk skizziert, in dem er seine Arbeit in der Versuchsanstalt sieht: In ihm tauchen alle damals auf dem Gebiet der Anstrichtechnik führende Köpfe wie Hans Wagner (Stuttgart) oder besagter Johannes Scheiber auf, aber auch führen48

de Geisteswissenschaftler wie der Archäologe Paul Wolters (Frankfurt), die Ägyptologen H. Schäfer (Berlin) und Borchardt (Kairo), der Direktor des Frans-Hals-Museums (Haarlem), Gadana, oder der erwähnte Laurie (Edinburgh). Interessanterweise nutzt Eibner in diesem Zusammenhang den Begriff der „werkstoffkundlichen Kunstgeschichte“, der heute ohne weiteres sein Pendant im Englischen als „technical art history“ finden könnte. Vor allem jedoch erkennt Eibner, daß nur ein interdisziplinär Veranlagter den wissenschaftlichen wie praktischen Bedürfnissen der Versuchsanstalt genügen dürfte. Seine Fähigkeiten müßten sich aus der Chemie, der Physik und der Kunstgeschichte speisen, er müßte aber auch in gleicher Weise in der Lage sein, sich mit Künstlern und Handwerkern in praktischen Fragen auseinanderzusetzen. Seine Vision einer „Werkverbindung zwischen Naturwissenschaft, Kunst und Handwerk“ führt Eibner auf Pettenkofer zurück, als dessen entfernter Nachfolger er sich als Leiter der Versuchsanstalt immer sah.103 Aus später deutlich werdenden Gründen eröffnet sich Eibner, kurz nachdem er seine Denkschrift im April 1934 eingereicht hat, eine zweite Chance: Die Reichskammer fordert von ihm ein Konzept für eine der Versuchsanstalt vergleichbare Einrichtung an. Eibner nutzt die Gunst der Stunde, vor allem, da sich die Lage in München mit dem Tode Gräffs grundlegend geändert hat. Vier Tage nach Gräffs Tod wendet sich Eibner an den Präsidenten der Reichskammer, Eugen Hönig*, mit dem Vorschlag eines neu zu errichtenden Institutes, einer „Reichsvorschule für Zeichnen, Malerei und Plastik nebst Forschungs- und Kontrollstelle für Material und Malweisen in München“.104 Das von Eibner vorgelegte Konzept hat eine ungewohnte Kürze, ja verzichtet auf alle für Eibner so typischen historischen Rückgriffe. Die geschraubte Bezeichnung für die „Reichsvorschule“ läßt ahnen, daß Eibner versucht, aus den ihm bekannten Denkansätzen eine überzeugende Synthese zu machen: Sein Konzept ist eine Kombination der von Doerner an der Akademie vertretenen Lehre, seiner eigenen Versuchsanstalt an der Technischen Hochschule so49

wie der Untersuchungsstelle Gräffs an der Alten Pinakothek. Was Eibner nicht weiß: Durch politische Kanäle gelangt sein Konzept über Hönig in die Hände Doerners und bildet, wie wir sehen werden, eine wesentliche Voraussetzung für spätere Entwürfe eines maltechnischen Instituts in München. Das auf uns überkommene Exemplar trägt sogar handschriftliche Anmerkungen Doerners, die die Polarisierung zwischen ihm und Eibner dokumentieren. Eibner skizziert also eine „Vorschule zum Besuch der Kunstakademien“, die den Studierenden praktischen Unterricht bietet, sich aber zugleich der Materialforschung und -kontrolle widmet. Daneben solle die Einrichtung „werkstoffliche Bilderforschung“ betreiben. Der Unterricht bietet neben Zeichnen, Perspektive, Optik, Kunstgeschichte auch „elementare Werkstoffkunde“. Eibners Vorstellung, die „Materialienanwendung nach gewerblicher und künstlerischer Weise: Anstreicherei, Lackiererei, Grundierung, sämtliche Techniken der Tafel- und Wandmalerei“ in das Lehrprogramm aufzunehmen, muß Doerners Widerspruch wecken. Er notiert: „nein: Trennung! vom Künstlerisch[en]“. Aus heutiger Sicht wegweisend, doch nach seinem Tod nicht weiter verfolgt, plädiert Eibner im Hinblick auf die Materialforschung für Forschungsbemühungen in „struktur- und colloidchemischer, physikalisch-optischer und maltechnischer Richtung“. Ziel müsse sein, neben Materialforschung die Verwendung der Werkstoffe zu kontrollieren, aber diese auch im Auftrag von Behörden und Privatpersonen zu untersuchen. Die lapidare Randnotiz Doerners hierzu lautet: „hat Eibner 30 Jahre unterlassen gegen die Forderung der Künstler“. Vermutlich unter dem Einfluß des kurz zuvor verstorbenen Gräff, fordert Eibner „Tafelbildforschung“ mit technischen Verfahren wie Röntgen und Ultraviolettlicht. Diese sollten zur Untersuchung alter Techniken wie auch zum Erkennen von Fälschungen dienen. Ebenso nennt er „Wandbildforschung“, ein Thema, das ihn selber lange Jahre beschäftigt hat. Insgesamt hält er 14 Mitarbeiter für notwendig, die für das Institut vorgesehene Fläche von 1.750 m² teilt er in Dienst- und 50

Verwaltungsräume, maltechnische Arbeits- und Unterrichtsräume und chemische Labors. Zusammen mit Nebenräumen und Freianlagen kommt er auf über 2.000 m², ein Hörsaal käme noch hinzu. Der von Eibner detailliert geschätzte Haushalt summiert sich auf rund 103.000 RM ohne Mobiliar, wobei zwar die Gerätschaften genauestens abgeschätzt, aber für die maltechnische Abteilung bezeichnenderweise keine Kosten benannt werden. Der Entwurf endet mit einem naturwissenschaftlichen Lehrplan, der nicht nur Optik, Farbmittel, Bindemittel, verschiedene „Farben (Pastell-, Aquarell-, Tempera-, Oel-, Harz-, Wachs-, Fresko- und Seccofarben)“ zum Thema haben soll, sondern auch die „werkstoffliche Entwicklung der Maltechniken aus dem Altertum in die Neuzeit“. Übungen sollen die Vorlesungen praktisch ergänzen, wobei sowohl einfache Nachweisreaktionen von Bindemitteln, Pigmenten und Füllstoffen wie auch Begrifflichkeiten (Gilben, Lasieren, Alterssprungbildung etc.), die „werkstoffliche Bilderkunde“, aber auch die „Anwendung des Mikroskops und der Analysenlampe am Bilde“ geübt werden solle. Eibner schließt mit der Feststellung, daß „zur Durchführung dieses Unterrichts […] die Ablösung der in der Versuchsanstalt für Maltechnik hergestellten Unterrichtsmittel notwendig“ sei – was Doerner nur mit einem handschriftlichen „nein!“ versieht. Eibners Konzept für eine „Reichsvorschule“ muß für Doerner in gleicher Weise nützlich wie ein Ärgernis gewesen sein. Sein Name ist kein einziges Mal erwähnt, statt dessen bezieht sich Eibner zweimal auf Hermann Urban, Doerners alten Rivalen, als Lehrer und Maltechniker. Hiermit kann Doerner ebenso wenig einverstanden sein wie mit der Idee, einen Modellierer oder einen Kunsthistoriker für den Unterricht einzustellen, ja er streicht den Malermeister, und notiert: „nicht beabsichtigt Chemiker sondern Maler zu erziehen“. Doch so sehr Eibners Konzept Doerners Widerspruch weckt, wird er es noch als nützliche Vorarbeit schätzen lernen, als er sich einige Wochen später, im Juni 1934, aufgefordert sieht, ein Gutachten zur Weiterführung der Versuchsanstalt an der Akademie abzuliefern. 51

Nichts kann die Existenz seiner Versuchsanstalt sichern: Sie wird unmittelbar nach seiner Pensionierung im Einvernehmen zwischen der Hochschulleitung und dem Ministerium am 06.07.1934 der Abwicklung anheim gegeben. Der Rektor der Technischen Hochschule bekräftigt fehlendes „Interesse am Fortbestand der Versuchs- und Auskunftstelle für Maltechnik gerade im Verband der Hochschule“, erklärt sich jedoch bereit, die Einrichtung an anderem Orte z. B. durch die Bereitstellung von Lehrkräften zu fördern. Hierfür böte sich die Akademie an, wo die „Versuchs- und Auskunftstelle […] nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunstmaler eingerichtet und wohl mit der Akademie [letzteres unterstrichen] verbunden“ werden solle.105 Die Bereitschaft der Technischen Hochschule, die Einrichtungsgegenstände aus Eibners Einrichtung „an die geplante neue Versuchsanstalt für Maltechnik“ kostenfrei zu übergeben, hält sich allerdings in Grenzen. Sie soll sich auf „jene Gegenstände und Materialien [beschränken], die der seitherigen Anstalt aus privaten Kreisen und ausdrücklich zum Zwecke der Forschung auf dem Gebiete der Maltechnik überwiesen wurden.“106 Um die weitere Entwicklung in der Akademie abzuwarten, beschließt das Ministerium im Oktober 1934, den Chemiker und späteren Nobelpreisträger Hans Fischer* zum Leiter der Versuchsanstalt für das Winterhalbjahr 1934/35 zu ernennen, was dieser bis zu seiner Amtsenthebung am 13.02.1935 auch wahrnimmt, ohne jedoch größere Spuren zu hinterlassen.107 Da immer noch keine endgültige Entscheidung gefallen ist, geht die Leitung der Versuchsanstalt von Fischer an den linientreuen Albert Wolfgang Schmidt* über.108 Wohin die Einrichtung der Versuchsanstalt und der wissenschaftliche Nachlaß Eibners am Ende gelangen, ist ungewiß. Doch letzterer ist zumindest bis April 1941 nicht ganz verloren: Das spätere Doerner-Institut gibt damals 453 „Farbaufstriche auf Pappen und Papier in verschiedenen Größen“, 29 „Farb- und Ölaufstriche auf Metall“, 24 „Farbaufstriche auf Glas“ sowie 7 „Aufstriche auf aufgespannte[r] Leinwand“ an die Steinschutzabteilung am Mine52

ralogisch-Geologischen Institut der Technischen Hochschule München ab. Das Material stammt aus dem Nachlaß Eibners und wird von dem Mineralogen Adolf Stois, der Jahre später Mitarbeiter des Doerner-Institutes werden soll, entgegengenommen.109 WALTER GRÄFF Mit Eibner über zahlreiche Berührungspunkte verbunden, tritt als zweiter Protagonist Walter Gräff* ins Bild und mit ihm die Pinakotheken. Der Kunsthistoriker Gräff ist ebenso wegweisend wie der Chemiker Eibner, seine Person jedoch noch mehr dem Vergessen anheimgefallen als die seines Weggefährten an der Technischen Hochschule. Der – in heutiger Sprache – Kunsttechnologe Gräff muß als zentrale Figur bei der Einführung der Photographie, der technischen Photographie und der Errichtung seiner „Untersuchungsstelle für Gemälde und andere Werke der Kunst“ an den Münchner Pinakotheken angeAbb. 4 | Walter Gräff, Selbstportrait, sehen werden.110 um 1933

Walter Gräff (Abb. 4), der 1908 als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“111 bei der Graphischen Sammlung in München beginnt, wird ein Jahr später von dem neuen Direktor der staatlichen Galerien, Hugo von Tschudi, an die Pinakotheken geholt. Gräff ist, ebenso wie Eibner, interdisziplinär veranlagt: Er studiert Rechtswissenschaften in Heidelberg und Straßburg, dann Kunstgeschichte in Berlin, Paris und wieder Heidelberg. 1906 promoviert er über „Die Einführung der Lithographie in

Frankreich“ und entwickelt rasch ein lebhaftes Interesse an technischen Untersuchungen von Gemälden. Hierbei kommen ihm seine überragenden Fähigkeiten als Photograph zugute. Gräff übernimmt im Juni 1910 die Stellvertretung von Heinz Braune* an den Pinakotheken. Um diese Zeit kommt auffälligerweise auch die technische Photographie ins Spiel: Wir wissen heute nicht mehr, wer wen hierfür begeistert, ob Gräff Braune oder Braune Gräff. Tatsache ist, daß der interdisziplinär veranlagte Braune vor dem Kunstgeschichtsstudium Philosophie und Naturwissenschaften zu studieren begonnen hatte, also die interdisziplinäre Ausrichtung Gräffs teilt. Wie an anderer Stelle berichtet,112 regt Braune 1916 an, im Hinblick auf die „geplante Abnahme der Uebermalungen von Dürers Beweinung“ Röntgenaufnahmen von dem Bild zu machen. Ermutigt durch einen Artikel des Weimarer Arztes Alexander Faber113 habe er sich mit Wilhelm Conrad Röntgen – seit 1900 Ordinarius an der Universität München – bereits in Verbindung gesetzt,114 um „mit ihm etwa anzustellende Versuche aus dem Bereich der staatlichen Galerien zu besprechen.“ Röntgen zeigt sich interessiert, möchte die Kosten der Versuche jedoch von den Pinakotheken getragen wissen.115 Da er nicht weiß, ob Röntgen den Beitrag Fabers kennt, sendet Braune ihm ein Exemplar des Aufsatzes zu. Als weniger wertvoll erachtete Bilder stehen für die Versuche bereit,116 und Braune berichtet wenige Wochen später, daß er „zunächst 3 Bilder aus dem Schleissheimer Depot ausgewählt [habe] und diese in bestimmten Details in dem Physikalischen Institut der Universität mit Röntgenstrahlen durchleuchte[t] und photographisch“ aufgenommen worden seien.117 Dem damaligen Stand der Technik, der Komplexität des Experiments wie auch den langen Belichtungszeiten geschuldet, beschränken sich die Aufnahmen allerdings zuerst einmal auf von Braune ausgewählte Details.118 Doch schon diese wenigen Probeaufnahmen führen allen Beteiligten, unter ihnen auch der junge Walter Gräff, das Potential vor Augen, welches das Röntgen für die Untersuchung von Gemälden hat. Zugleich ist der Wunsch geboren, für die Pinakotheken ein eigenes Röntgengerät anzuschaffen. Als Braune 1919 München 54

Abb. 5 | Arbeitsphoto aus dem Nachlaß Gräffs von Raphaels „Heiliger Familie aus dem Hause Canigiani“, um 1506/07 mit den ersten Röntgendetails (links oben), vor 1929

in Richtung Breslau verläßt, liegt die weitere Entwicklung in den Händen Gräffs. Gräff erwirbt 1925 einen Röntgenapparat für die Pinakothek, dem ersten Museum Deutschlands mit einem solchen Gerät. Die Ergebnisse sind außerordentlich vielversprechend: Es ist Gräff, der mit der erstmaligen Publikation der Röntgenaufnahmen von Raphaels „Heiliger Familie aus dem Hause Canigiani“119 (Abb. 5) auf den kunsttechnologischen und auch kunsthistorischen Nutzen des Röntgenverfahrens aufmerksam macht.120 Offenkundig entgeht Gräff, daß sich Faber seine überaus nützliche Anwendung patentieren ließ.121 Dabei scheint der fachfremde Faber weder von früheren Münchner Versuchen, bei denen bereits 1896 ein Gemälde geröntgt wurde, noch von Arbeiten von Parenty und Ledoux-Lebart in Frankreich Kenntnis zu haben, die ungefähr zeitgleich Gemälde röntgen.122 Fabers Patent entwickelt sich zu einem zunehmenden Hemmnis, obgleich anfangs weder das Patent noch die damit verbundenen Lizenzgebühren ernst genommen wer55

den. Nach dem Ersten Weltkrieg aber versucht Faber sein Patent durchzusetzen, ja 1926 wird dessen Wortlaut sogar noch einmal eigens in den Technischen Mitteilungen für Malerei abgedruckt.123 Auf der bereits erwähnten Tagung in Rom 1930, an der Eibner und Gräff teilnehmen, wird öffentlich beklagt, daß durch das Patent Fabers und die damit verbundenen Lizenzgebühren „die Gemäldeforschung in Deutschland in höchst betrüblicher Weise in ihrer fortschrittlichen Entwicklung erschwert und betroffen“ sei.124 Faber fordert jetzt von allen großen Museen, die Röntgenaufnahmen nutzen, immense Lizenzgebühren ein. Da offenkundig die Bereitschaft gering ist, auf diese Forderung einzugehen, beauftragt Faber Ende 1930 einen Rechtsbeistand mit der Wahrung seiner Interessen. Auch von den Pinakotheken ist ihm bekannt, daß diese „seit langem zahlreiche Bilder mittels Röntgenstrahlen durchleuchten und sich so gar zu diesem Zweck eine besondere Apparatur zugelegt“125 hätten. Gräff sieht sich so mit der Klageandrohung Fabers und einer Stillegung seiner Röntgenanlage konfrontiert. Die Pinakotheken reagieren gelassen, da Faber zum einen nicht der erste gewesen sei, der Gemälde geröntgt habe, und es sich zum anderen um eine verbesserungsbedürftige Anwendung eines bereits lange bekannten Verfahrens handele. Im April 1931 wird Einigkeit darüber erzielt, daß die Ansprüche Fabers gegen eine einmalige und ortsgebundene, zudem überraschend niedrige Lizenz abgegolten sind.126 Dies mag Gräff zum Anlaß genommen haben, im Austausch gegen die Apparatur von 1925 bereits um 1932 ein neues Gerät inklusive einer Röntgen-Lizenz von der Siemens-Reiniger-Veifa GmbH in Berlin zu erwerben.127 Das Gerät entspricht vermutlich im Aufbau einem nach Berlin an die Kunstgewerbeschule ausgelieferten Modell. Wie Gräff selbst berichtet, gelangt er schon früh zu der Erkenntnis, daß bei der „Beurteilung von Zustands-, Erhaltungs- und Restaurierungsfragen, sowie bei der Entscheidung über Echtheit […] die 56

Prüfung der Gemälde mit den Hilfsmitteln, die uns die Naturwissenschaften zur Verfügung stellen, zu objektiveren und gründlicheren Ergebnissen führen würde, als die bisher mit dem unbewaffneten Auge oder höchstens mit der einfachen Lupe unterstützten stilistischen Untersuchungen des rein subjektiv eingestellten Kenners“.128 Seine Erfahrungen mit dem Röntgen und seine praktischen Erfahrungen als Photograph müssen das Augenmerk zwangsläufig auf optische Hilfsmittel lenken. So führt Gräff 1912 die Stirnlupe an den Pinakotheken ein, erweitert 1921 das Repertoire um einfache Mikroskope und 1923 um Binokularmikroskope für Zustandsuntersuchungen.129 Zuerst erwirbt er ein Mikroskop von Zeiss, 1925 dann eines von Leitz, das eine bis zu 40fache Vergrößerung erlaubt. In Gräffs Nachlaß haben sich neben seinem Mikroskop deshalb auch eine Reihe von Mikroskopaufnahmen erhalten, die er offenkundig für Lehrzwecke an der Universität München genutzt hat.

Abb. 6 | Verschieden gefilterte UV-Fluoreszenzaufnahmen

Abb. 7 | Autochrom von Hans Burgkmairs „Johannesaltar“, 1515, Aufnahme zwischen 1908 und 1911

Als begabtem Photographen sind Gräff zudem alle Werkzeuge in die Hände gelegt, um schon sehr früh Vergrößerungen sowie Streiflichtaufnahmen zu machen. Gräff selbst berichtet, er habe „wohl als erster […] direkte photographische Vergrößerungen einzelner Bildteile gemacht, wie sie in neuerer Zeit der Chemiker A. P. Laurie130 in London als Hilfsmittel zur Bilderuntersuchung, besonders des Pinselstriches, preist. Weiter gelang es mir, durch die Wahl geeigneter Platten und Filter [(Abb. 6)] sowie durch Aufnahmen bei seitlichem Lichteinfall dem Auge nicht unterscheidbare Pinselzüge photographisch festzustellen und so in Einzelfällen sichere Grundlagen zur Wiederherstellung von Gemälden zu schaffen. Diese Verfahren dienen auch dazu, Spuren des von den Künstlern verwendeten Handwerkzeuges sichtbar zu machen, was zur Aufdeckung von Fälschungen führen kann.“131 Gräff betreibt nicht nur die Photographie in schwarz-weiß, sondern wendet sich auch der Farbphotographie zu. So befaßt er sich z. B. mit dem 1916 von Arthur Traube entwickelten Uvachromieverfah58

ren132 und hat sogar Kontakt mit Traube und seiner Uvachrom Gesellschaft für Farbenphotographie, die seit 1918 in der Nähe der Alten Pinakothek ansässig ist.133 Im Nachlaß Gräffs befindet sich zudem ein sogenanntes Autochrom, das zwischen 1908 und 1911 aufgenommen wurde und den gerade restaurierten „Johannesaltar“ von Hans Burgkmair134 (Abb. 7) zeigt, über dessen Wiederherstellung Gräff 1911 publiziert.135 Veranlaßt durch seine Auseinandersetzung mit Photographie betreibt Gräff die Einrichtung einer photographischen Abteilung an den Pinakotheken. Die Nutzung der Photographie an den Münchner Pinakotheken reicht zwar zumindest bis 1910 zurück,136 doch Gräff hält rückblickend fest, daß bis zum Eintritt des ersten festangestellten Photographen alle photographischen Arbeiten von ihm selbst durchgeführt worden seien. Mit der Einstellung von Michael Riedmann im Oktober 1921137 geht die Einrichtung eines museumseigenen Photostudios einher. Die Wahl fällt dabei auf Riedmann, weil dieser, wie Gräff berichtet, als ehemaliger Militärphotograph „mit den modernsten Verfahren und Apparaten bekannt geworden sei“.138 Die Tätigkeit der jungen Abteilung konzentriert sich zunächst auf ein Durchphotographieren des Bestandes für die Vorbildersammlung und das Inventar. Darüber hinaus werden die Nachfrage nach Abbildungsmaterial für Publikationen und Postkarten sowie die täglichen Bedürfnisse eines großen Museums Riedmann bald unverzichtbar gemacht haben. Eine erstaunliche Anzahl von Gemälden passiert so in den ersten Jahren Riedmanns Atelier. Erst ab den 1930er Jahren scheint man Zeit für die technische Photographie zu finden, wobei häufig Gemälde im Privatbesitz im Zusammenhang mit Gräffs reger gutachterlicher Tätigkeit untersucht werden, der hierzu alle Möglichkeiten der technischen Photographie nutzt. Unter Gräffs Anleitung erlernt Riedmann „Vergrösserungs-, Mikro- und mikrostereoskopische Aufnahmen, Aufnahmen mit scharfem seitlichen Lichteinfall, Aufnahmen von Fingerabdrücken, 59

Abb. 8 |Walter Gräffs „Untersuchungsstelle für Gemälde und andere Werke der Kunst“, Februar 1933

Röntgenaufnahmen und die Fluoreszenzphotographie“.139 1932 entwickelt Gräff Visionen, nach denen Bilderdurchleuchtungen mit den besonders weichen „Grenzstrahlen“ in Aussicht genommen werden sollen.140 In ihnen sieht Gräff noch großes Entwicklungspotential und schlägt vor, auch „ultrarote Strahlen […] und die Beleuchtung mit einfarbigen Filtern heranzuziehen“.141 In allen drei Punkten soll Gräff Recht behalten: Die ultrarote, heute infrarote Strahlung erschließt ab den 1930er Jahren langsam die Welt der Unterzeichnungen, der Übergang zu weicherer Strahlung liefert weit kontrastreichere Röntgenaufnahmen und die Beleuchtung mit monochromatischem Licht zeitigt in Einzelfällen überraschende Ergebnisse z. B. bei der Untersuchung von Signaturen. Der photographischen Abteilung stellt Gräff so Ende der 1920er Jahre seine „Untersuchungsstelle für Gemälde und andere Werke der Kunst“ (Abb. 8) zur Seite: Er beschäftigt sich mit der Farblehre von Wilhelm Ostwald*,142 mit Farbanomalien des Auges, Pigment60

und Bindemittelanalysen, setzt sich auch mit der naheliegenden Frage einer möglichen Schädigung durch Röntgenstrahlen auseinander. Vielleicht in diesem Zusammenhang gewinnt Gräff bereits 1923 die Überzeugung, daß er der Unterstützung eines Chemikers bedürfe, und so beginnt 1926 die bereits erwähnte Zusammenarbeit zwischen Eibner und Gräff.143 1928 wenden sich beide der mikroskopischen und mikrophotographischen Untersuchung von Tafelbildern und Miniaturen zu.144 Die gemeinsame Betreuung des erwähnten Doktoranden Heinz Hetterich, 145 der über mikrochemische Bestimmungen von Pigmenten und Bindemitteln arbeitet, führt zu einem engen, allerdings nicht immer ungetrübten kollegialen Verhältnis.146 Selbst die Münchner Lokalpresse berichtet über die für beide Seiten nutzbringende Zusammenarbeit.147 Dabei fokussiert der Beitrag auf die Arbeit Gräffs und seiner Untersuchungsstelle, aber auch die mikrochemische Arbeit Hetterichs wird dargestellt. Diese damals völlig neuartigen Untersuchungen zu historischen Künstlerpigmenten in der Tafelmalerei dienten der Erkennung von Übermalungen, Verfälschungen und Fälschungen. Der Beitrag „Quarzlampe und Doppelmikroskop. München erfindet sichere Methoden, die Echtheit alter Bilder zu prüfen“ zeugt nicht nur von lokalem Selbstbewußtsein, sondern streicht neben der – damals noch völlig unüblichen – Interdisziplinarität auch die Bedeutung der Untersuchungsstelle Gräffs für die Ausbildung junger Kunsthistoriker an der Universität München heraus. Gräff wie Eibner versäumen nicht, die Presse darauf hinzuweisen, daß die Zusammenarbeit zwischen Technischer Hochschule und Alter Pinakothek allerdings inoffiziell sei. Es stelle sich allerdings die Frage, „ob Bayern und München durch die offizielle Gründung eines solchen Forschungsinstitutes sich nicht ein großes Verdienst erwerben“ würden.148 Dieser Hinweis nimmt in bemerkenswerter Weise die Entwicklung der kommenden Jahre voraus. Gräff versucht darüber hinaus auch das Internationale Museumsamt in Paris für sein „Spezial-Institut“ zu gewinnen, das von einem einschlägig vorgebildeten Kunsthistoriker – es sei angemerkt, wie ihm – geleitet würde, dem dann ein Restaurator und ein Physiker zur Seite zu stellen wären.149 61

Ludwig Schütz*, ein handwerklich geschulter Student der Kunstgeschichte, der Gräff assistiert, überliefert uns im Rückblick 1938 ein lebendiges Bild von der Leistungsfähigkeit der Untersuchungsstelle. Schütz erfuhr dort durch Gräff eine „Einführung in die gesamte Röntgentechnik einschließlich Röntgenbild-Lesen von durchleuchteten Gemälden und Plastiken; Untersuchungsverfahren mit Quarzlampe, Farbfiltern; mikrophotographische Aufnahmen, mikroskopische Untersuchungen von Farbkörpern, Firnissen, Bindemitteln, Leinwänden, Holz u. s. w.; binokulare stereoskopische Untersuchungen von Farbstoffeinlagerungen, Früh-, Spät- und Farbrissen; Fluoreszenz Analysen; Widerstandfeststellungen einzelner Farbkörper gegen X [Röntgen] Strahlen u. s. w.; Farbmessungen und Ausbildung von Vergleichstabellen über farbige, stilistische und handwerklichtechnische Eigenarten zur Bestimmung rassischer Zugehörigkeit des Einzelmalers zur Sippe und Volksstamm. Physikalische Untersuchungen über Lichtbrechung, Reflexion, Absorption u. s. w. Fälschungsuntersuchungen.“150 Wird auf die auf den Einfluß Gräffs zurückgehenden rassentheoretischen Irrungen noch einzugehen sein, hebt Schütz hervor, daß Gräff und seine Untersuchungsstelle, und damit auch er, sich in bewußten Gegensatz wohl zu den meisten Kunsthistorikern und Restauratoren stellen: Schütz erwähnt ein „bewußtes Ablehnen des nur ästhetisierenden und empirisch-historischen Erkundens und dementsprechend handelnder Kunstgelehrten, ebenso Ablehnung der veralteten Restaurierungsmethoden[,] die nur in der technisch kunstvoll und unsichtbaren Retusche das höchste Ideal des Restaurators zu sehen gewohnt ist, aber jedes Bild, ob Altdeutsch, Altniederländisch oder Spät-Renaissance-italienisch mit einundderselben Tubenfarbe ausbessert.“151 Wie weit die Entwicklung damals gediehen war, zeigt bereits Gräffs visionäre Denkschrift von 1932,152 in der er z. B. darauf verweist, daß „Vorversuche mit dem Fluoreszenzmikroskop nach Oberst Haitinger, dem Spektrographen von Zeiss und dem Metallix-Materialuntersuchungsapparat mit Röntgenstrahlen von C. H. F. Müller in Hamburg, die für die Werkstoffprüfung von Bedeutung sein werden, gemacht [seien] 62

und Erfolg [versprächen]“.153 Die angesprochenen Vorarbeiten seien von Hetterich, die mit der Röntgenbeugung zur Identifizierung kristalliner Pigmente oder Füllstoffe von seinem Volontär Fritz Haeberlein, der uns später noch begegnen wird.154 Denkschrift und Presseartikel veranlassen das zuständige Ministerium zu prüfen, ob die Versuchsanstalt Eibners nicht doch mit Gräffs Untersuchungsstelle an den Pinakotheken zusammengelegt werden könne. Gräff überarbeitet daraufhin im Winter 1933/34 seine Denkschrift.155 Ganz NS-konform, sollte sich die „Untersuchungs- und Forschungsanstalt für Gemälde und andere Kunstwerke“ auch um „Farbe und […] Form bei den verschiedenen Völkern, Rassen, Stämmen“ kümmern. Er will die „Rassenforschung und [… die] Vererbungslehre“, aber auch die „Physik, Chemie, Physiologie und Psychologie [wie auch die] Psychophysik“ berücksichtigt wissen und weist auf die Dringlichkeit der Untersuchung von Fälschungen hin. Gräff verknüpft das, was wir heute als Kunsttechnologie oder technische Kunstgeschichte, Eibner als „werkstoffkundliche Kunstgeschichte“ oder „die Untersuchungen und die Erforschungen der alten Werkstoffe und des alten Handwerks“ bezeichnen, mit dem Thema der Wahrnehmung und des „menschlichen Sehens“. Räumlich will Gräff die Stelle in der Nähe oder in der Alten Pina­ kothek angesiedelt sehen, um „Transporte über die Strasse wegen der Gefahren“ zu vermeiden. Er greift deshalb den damals diskutierten Plan auf, die Alte Pinakothek mit Zusatzbauten zu umgeben, um die Galerie nicht zuletzt aus Brandschutzgründen von den Funktionsräumen zu entlasten.156 Seine und Eibners Gerätschaften (Abb. 9) könnten den Grundstock für diese neue Stelle bilden. Komplettiert werden solle diese durch die damals gerade aufkommende „Spektralanalyse und die Röntgenspektroskopie zur Werkstoffuntersuchung“.157 Gräff sieht als Personal einen – wie er es formuliert – nach dem „Führergrundsatz“ notwendigen Leiter, einen Maltechniker, der wenn möglich gleichzeitig Kunsthistoriker sein solle, mehrere kunsthistorische Volontäre, einen Mikrochemiker, 63

eine Schreibkraft und eine Kraft für die technische Photographie. Daß der Leiter zugleich Beamter der Staatsgemäldesammlungen sein solle, engt die Auswahl auf ihn selbst ein. Seine Honorarprofessur garantiere zugleich, daß die „Untersuchungsstelle“ nicht nur als Forschungsanstalt an den Museen anzusiedeln sei, sondern daß sie „unmittelbar zur Universität […] gehören [… und somit] den Unterrichts- und Bildungszwecken dienen“ solAbb. 9 | Walter Gräff, Selbstportrait in le.158 Der neue Generaldirektor seiner „Untersuchungsstelle“, um 1933 der Staatsgemäldesammlungen, Ernst Buchner*, folgt den Vorschlägen Gräffs in wesentlichen Punkten, spricht sich jedoch für den Fortbestand der Versuchsanstalt an der Technischen Hochschule aus, allerdings unter Neuausrichtung auf die Interessen der Museen. Buchner hält hingegen eine Unterbringung in den Pinakotheken aufgrund von Platzmangel für nicht machbar.159 Doch Gräffs Tätigkeit für die Pinakotheken endet mit seinem plötzlichen Tod am 11.05.1934. Seine Visionen hätten der von ihm aufgebauten „Untersuchungs- und Forschungsanstalt für Gemälde und andere Werke der Kunst“ an der Alten Pinakothek eine glanzvolle Zukunft eröffnet, scheitern jedoch mit seinem Tode. Die Untersuchungsstelle löst sich auf, ihre Überreste werden Teil der Photoabteilung der Pinakotheken. Blickt man aus heutiger Sicht zurück, so manifestiert sich in Gräffs Untersuchungsstelle für kurze Jahre seine vorausschauende Gewißheit, daß durch die technische Photographie die „Gemäldekunde zur Wissenschaft“ würde. Es ist eine erstaunliche Parallele zu Eib64

ner und seiner „Wissenschaft der Maltechnik“. Daß Gräff nicht nur die technische Photographie, sondern die Pigment- und Bindemittelanalytik an den Pinakotheken begründet, weist ihm eine historische Rolle zu. Seine Zeitgenossen erkennen dies, ja der Nachruf im Völkischen Beobachter würdigt ihn als einen Kunsthistoriker, „der der Gemäldeuntersuchung auf naturwissenschaftlicher Grundlage durch Heranziehung der Mikroskopie und der Röntgenstrahlen neue Wege gewiesen [habe …] Seine Studien über die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Malerei baute [Gräff] zu einer umfassenden Lehre aus, welche eine möglichst genaue Bestimmung des Alters und der Echtheit von Gemälden gewährleisten sollte“.160 Diese Einschätzung der Bedeutung und des Wirkens Gräffs teilt 1922/23 ein von Laurie empfohlener Gaststudent Eibners, Daniel V. Thompson.161 Er, der später Mitarbeiter im Labor des berühmten Fogg Art Museums in Harvard werden soll, berichtet von einem Treffen mit Gräff: “[Gräff] is an enthusiast, a museum director with a certain amount of science and apparently enormous learning and excellent taste.“162 Thompsons Charakterisierung von Gräff als naturwissenschaftlich interessiert, lernfähig und kennerschaftlich gilt wohl bis heute. Eibners Versuchsanstalt sowie Gräffs Untersuchungsstelle bilden zwei der Ecksteine für ein späteres Institut für Maltechnik und Gemäldekunde in München. Sie sind Voraussetzung für die Entwicklung ab Mitte der 1930er Jahre – eine Entwicklung, die Eibner und Gräff nicht mehr miterleben. Einzig ihre Denkschriften bilden die Steinbrüche für weit größere Planungen. Der dritte Protagonist, Max Doerner, wird die Gunst der Stunde nutzen.

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ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 2 * 1 2 3

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verweist immer auf Angaben zur Person im Personenverzeichnis, S. 758 ff. Von der Goltz 2002. Kinseher 2014, S. 105 ff. Dissertationsvorhaben Anette LillRastern an der Technischen Universität München (TUM), siehe aber auch vor allem von der Goltz 2002 und jüngst Kinseher 2014. Roßmann 1932, 1935 sowie 1956b. Die Versuchsanstalt war anfangs ebener Erde an der Gabelsbergerstraße untergebracht und zieht nach der Realisierung der Thierschschen Erweiterungsbauten an die Ecke Luisen/Gabelsbergerstraße. Zur frühen Geschichte der Versuchsanstalt siehe auch Lettenmeyer 1935. Zu Keim siehe Lettenmayer 1935 und Kinseher 2014. Zur Geschichte dieser Gesellschaft siehe Eibner 1907, Trillich 1928 und 1936. Keim erbittet von 15.000 bis 20.000 Mark, von denen 1892 12.000 Mark bewilligt, jedoch nur 4.000 Mark angewiesen werden. Von ähnlicher Abhängigkeit waren die Forschungen Bergers in Berlin, siehe Kinseher 2014, S. 216 ff. Kinseher 2006 und 2008. Zu Schultz siehe Kinseher 2014, S. 109 ff. Trillich 1928, S. 16. Kinseher 2014, S. 85. Schultz an das Direktorium der THM am 15.12.1902, HATUM C 313. Vertrag zwischen der THM und der Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren vom 30.04.1903 und vom 30.06.1903, HATUM C 313. Zu den Details siehe Kinseher 2014, S. 109 ff. AE an das Rektorat der THM am 05.07.1920, HATUM C 317. StMIKSch am 12.04.1907, HATUM C 314. Der Vorstand der chemischen Abteilung an den Senat der THM am 13.03.1907, HATUM C 314.

20 Aufstellung der Kuratoriumsmitglieder am 18.04.1907 in HATUM C 314, vom 15.10.1908 in HATUM C 316. 21 AE an das Rektorat der THM am 03.08.1908, HATUM C 315. 22 StMIKSch an den Senat der THM am 02.02.1907, HATUM C 314 und öffentliche Mitteilung des Rektors der Kgl. THM vom 05.06.1907, HATUM C 208; Im PA Eibner wird für das Datum der Ernennung der 03.06.1907 genannt, siehe hierzu HATUM, PA Eibner vom 20.06.1924. 23 Eibner 1909. 24 Veröffentlichungen aus der Versuchsanstalt für Maltechnik von AE (umfaßt mit den Nr. 1 bis 147 den Zeitraum 1904 bis 1927), HStAM MK 19677. 25 Niederschrift über die Kuratoriumssitzung der Versuchsanstalt vom 26.01.1910, HATUM C 316. 26 AE an das Rektorat der THM am 14.02.1910, HATUM C 316. 27 HATUM C 317. 28 Niederschrift der Kuratoriumssitzung am 20.04.1914, HATUM C 317, S. 10. 29 Wirtschaftlicher Verband bildender Künstler an den Senat der THM am 01.09.1914, HATUM C 317. Die Berufung Doerners wird 1918 bestätigt. Später folgt Doerner von Marr als Vertreter der AdbK nach, siehe hierzu AdbK an den Rektor der THM am 31.03.1922, HATUM C 317. 30 Siehe z. B. AE an MD am 16.10.1917 und am 04.02.1918, ARDI 37, 2. 31 AE an MD am 05.03.1918, ARDI 37, 2. 32 Zur Rolle von Berger siehe Kinseher 2012. Zu den näheren Umständen des Todes Bergers und zur bislang von der Forschung weitgehend übersehenen Person Bergers siehe Kinseher 2014, S. 174 ff. 33 Vorstand der Chemischen Abteilung der THM am 09.07.1919, HATUM C 317. 34 Vorstand der Chemischen Abteilung der THM am 16.07.1919, HATUM C 317. 35 AE an das Rektorat der Hochschule am

05.07.1920, HATUM C 317. 36 Die Zusammenarbeit AEs mit der Zentralgemäldegalerie geht auf die Zeit vor 1910 zurück, siehe hierzu AE an den Senat der THM am 15.7.1910, HATUM C 316 und C 318, S. 5. 37 Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (Dörnhöffer) an das Rektorat der THM am 06.05.1922, HATUM C 317. Ein Prospekt zur Farbmeßtafel nach Ostwald hat sich in ARDI 66 erhalten. 38 Tätigkeitsbericht der Versuchsanstalt für den Zeitraum vom 01.04.1922 bis 01.01.1926, HATUM C 318, S. 23. 39 BStGS (Dörnhöffer) an das Rektorat der THM am 16.04.1926, HATUM C 318. 40 Wie Anm. 38, S. 6. 41 Laurie an AE am 11.08.1925, HATUM C 318. 42 AE an das Rektorat der THM am 19.04.1926, HATUM C 318. 43 Senat der THM an StMUK am 27.03.1928, HATUM C 318. 44 Senat der THM an StMUK (Entwurf) am 29.03.1928, HATUM C 318 und HStAM MK 40109, siehe auch Eibner 1931a bis d. 45 HATUM C 318. 46 Nachtragsbericht zur Kuratoriumssitzung vom 08.11.1928, HATUM C 318 und HStAM MK 40109 und 42582, HStAM MK 36068. 47 StMUK an den Senat der THM am 19.10.1927, HATUM C 318. 48 AE an den Rektor der THM am 21.12.1928, HATUM C 318. 49 Beide Zitate aus Niederschrift der Sitzung des Beirates der Versuchsanstalt vom 08.11.1928, ARDI 37, 3. In ARDI 37, 3 haben sich eine Reihe von Tätigkeitsberichten der Versuchsanstalt erhalten: So für die Zeiträume 01.01.1914 bis 01.07.1916, 01.07.1916 bis 01.07.1917, 01.07.1917 bis 01.04.1922, 10.05.1926 bis 01.07.1928. Weitere Tätigkeitsberichte für den Zeitraum vom 01.04.1922 bis 01.01.1926 in HATUM C 318. Aufstellung der Kuratoriumsmitglieder vom 18.04.1907 in HATUM C 314, vom 15.10.1908, 20.01.1911 und 20.02.1911

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in HATUM C 316, vom 20.04.1914 in HATUM C 317. Siehe hierzu MDs Schilderung „Das Lehrfach der Maltechnik und die AdbK in München“ vom Oktober 1926, transkribiertes handschriftliches Manuskript, 18 S. in ARDI 37, 1. Umfassende Schilderung AEs über seinen Werdegang, die Entwicklung der Versuchsanstalt und sein Verhältnis zu MD in AE 1930. AE an MD am 21.12.1928, HStAM MK 40110. Doerner 1930a, S. 43. AE an MD am 07.12.1925, ARDI 51, 4. Doerner 1930b, S. 75 und Doerner 1930c. AE an den Rektor der THM am 21.12.1928, HStAM MK 40110, S. 22. Ebd., S. 17. Zu dem Begriff der „Wissenschaft der Maltechnik“ siehe auch Kinseher 2014, S. 150 ff. Ludowici an die Redaktion der Technischen Mitteilungen (München) am 18.03.1930, ARDI 37, 1. Die wohl nie in Druck gegangene Schrift Ludowicis „Die Maler und die Wissenschaft“ trägt handschriftliche Korrekturen. Anon. 1932d. Walter Obst, „Ein kurzes Wort zur Beseitigung der Krisis in der Auskunftstelle für Maltechnik“, transkribiertes, handschriftliches Manuskript o. D., 3 S. in ARDI 37, 1. Walter Obst, „Zusammenarbeit in der Maltechnik!“, transkribiertes, handschriftliches Manuskript o. D., 5 S. in ARDI 37, 1. MD, „Wissenschaftliche Maltechnik und Practiker“, transkribiertes, handschriftliches Manuskript o. D., 5 S. in ARDI 37, 1. StMUK an das Staatsministerium der Finanzen am 14.02.1930, HStAM MK 40110. Alle vorstehenden Zitate aus AE an MD am 24.03.1930, ARDI 37, 2 AE an MD am 27.03.1930 und 09.04.1930, ARDI 37, 2. Zur Tagung siehe von der Goltz 2002, S. 95 ff.

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67 Vortrag W. Gräff, „L‘éxamen des peintures et les moyens optiques“. 68 AE an die chemische Abteilung der THM am 07.10.1930, PA Eibner, HATUM. 69 Eibner 1931a und b. 70 Hetterich 1931. 71 Heute Werkstatt des Joos van Cleve (tätig 1511–1540 in Antwerpen), „Ruhe auf der Flucht“, Eiche 60,5 x 45,8 cm, Inv. Nr. WAF 154 Alte Pinakothek München. Der Hinweis auf die gemeinsame Zugehörigkeit zum Corps Rhenania (Heidelberg) bzw. zum Kösener Verband findet sich im Nachruf auf Gräff im VB (Münchner Teil) vom 15.05.1934, HStAM Abt. V Sammlung Rehse P1299. 72 AE an StMUK am 27.03.1931, HStAM MK 40110. 73 Aktenvermerk des StMUK zu einem Gespräch mit AE am 08.07.1933 im Ministerium, HStAM MK 40110. 74 AE an den Rektor der THM (Schachner) am 16.09.1932, PA Eibner, HATUM. 75 AE an den Staatsminister für Unterricht und Kultus (Schemm) am 04.05.1933, PA Eibner, HATUM. 76 Organisch-chemisches Institut der THM an das Rektorat der Hochschule am 29.05.1933, PA Eibner, HATUM. Zur Person von Forbes siehe Bewer 2010. 77 AE an den Staatsminister für Unterricht und Kultus (Schemm) am 08.05.1933, PA Eibner, HATUM. 78 Internes Protokoll der Senatssitzung der THM vom 06.07.1933, PA Eibner, HATUM und THM (Schachner) an das StMUK am 06.07.1933, HStAM MK 40110 und PA Eibner, HATUM. 79 Interner Vermerk des StMUK vom (vermutlich) 08.07.1933, HStAM MK 40110. 80 Interner Vermerk des StMUK zu einer Besprechung mit AE am 08.07.1933, HStAM MK 40110. 81 Zur Tätigkeit des Sachverständigenausschusses siehe Rinnebach 1931a. 82 Interner Vermerk des StMUK zu einer Besprechung mit AE am 08.07.1933, nachfolgend einem Besuch WGs im Ministerium vom 08.07.1933, beide in HStAM MK 40110.

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83 Die vorstehenden Zitate aus Der Rektor der THM an StMUK am 22.11.1933, HStAM MK 40110. 84 Interner Vermerk des StMUK zum Besuch AEs im Ministerium vom 20.12.1933, HStAM MK 40110. 85 AE an das Rektorat der THM am 24.12.1933, HATUM C 318. 86 Als Assistent AEs angestellt seit 01.04.1925, Tätigkeitsbericht der Versuchsanstalt für den Zeitraum vom 01.04.1922 bis 01.01.1926, in HATUM C 318. 87 AdbK an StMUK am 26.01.1934, HStAM MK 40110. 88 Der Dekan der Fakultät für Chemie der THM an den Rektor der THM am 28.02.1934, HATUM C134. 89 Würth an MD am 16.04.1934, ARDI 35, 8 und MD an StMUK (vermutlich Fischer) am 17.04.1934, HStAM MK 40110. 90 Im Folgenden meist kurz als Reichskammer bezeichnet. 91 MD an Bestelmeyer am 06.04.1934, HStAM MK 40110. 92 RdbK (München) an MD am 07.04.1934, ARDI 35, 8. 93 MD an das Ministerium in Sachen Nachfolge AE am 17.04.1934, HStAM MK 40110. 94 Roßmann 1933b, S. 195 und Anm. 1. 95 Siehe dazu auch Eibner 1925. 96 Wolf unter der Adresse des Oberrheinischen Bezirksvereins des Vereins Deutscher Chemiker an MD am 25.04.1934, ARDI 35, 8. 97 Der Rektor der THM an StMUK am 11.05.1934, HStAM MK 40110 mit der Anlage Denkschrift AE vom 07.04.1934, HStAM MK 40110, 32 S. 98 Denkschrift AE vom 07.04.1934, HStAM MK 40110, S. 17. 99 Ebd., S. 19. 100 Ebd., S. 28 und 29. 101 Zu Scheiber siehe den Artikel im Professorenkatalog der Universität Leipzig, hrsg. vom Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte des Historischen Seminars der Universität Leipzig, Link: http://www.

uni-leipzig.de/unigeschichte/professorenkatalog/leipzig/Scheiber_311.pdf, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015; sowie Scheiber et al. 1929, Scheiber 1926 und 1934. 102 Denkschrift AE vom 07.04.1934, HStAM MK 40110, S. 31. 103 AE an das Rektorat der THM am 24.01.1928, HStAM MK 40109, 14498 ff. 104 Alle folgenden Zitate aus AE an Hönig am 15.05.1934, ARDI 35, 2. 105 Aktenvermerk von Fischer (StMUK) zu einer Besprechung mit dem Rektor der THM (Schwaiger) am 06.07.1934 zum Fortbestand der Versuchsanstalt vom 07.07.1934, HStAM MK 40110 und von der Goltz 2002, S. 175 ff. 106 Der Rektor der THM an MD am 20.09.1934, ARDI 37, 1. Eine Vorstellung von der Ausstattung der Versuchsanstalt, bzw. der von der Deutschen Gesellschaft zur Beförderung rationeller Malverfahren übergebenen Ausstattung vermittelt das Inventarverzeichnis, 3 S. vom 31.10.1903 in HATUM C 313 sowie das Schreiben AE an das Rektorat der THM am 18.11.1909, HATUM C 316. 107 StMUK an den Rektor der THM am 23.10.1934, HStAM MK 40110. 108 StMUK (Mezger) an den Rektor der THM am 13.02.1935, HStAM MK 40110. 109 FH an die THM am 11.03.1941 und von Stois gezeichnete Empfangsbestätigung vom 22.04.1941, ARDI 29, 5. 110 Burmester et al. 1998a und Burmester 2011. 111 PA Dr. Heinz Braune, Vermerk vom 09.06.1910, BStGS Registratur. 112 Für alle technischen Details zur Einführung des Röntgens und der technischen Photographie durch Braune und Gräff siehe Burmester 2011. 113 Faber 1914b. 114 Braune an Röntgen am 19.01.1916, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur. 115 Interner Vermerk Braune an Dörnhöffer vom 26.01.1916, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur.

116 Braune an Röntgen am 07.02.1916, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur. 117 Interner Vermerk Braunes an Dörnhöffer vom 09.03.1916, BStGS PA Heinz Braune. Zu Braune siehe auch Lenz 1997. 118 Kemerink et al. 2011. 119 Um 1505/06, Alte Pinakothek München, Inv. Nr. 476. 120 Gräff 1929, siehe auch von Sonnenburg 1983. 121 Faber 1914a und b, Deutsches Reichspatent 289.935, abgedruckt auch in Bridgman 1964. 122 Bridgman 1964. 123 Anon. 1926. 124 Wehlte 1930, S. 308 zitiert nach Gräff 1931c, S. 36 Fußnote 1. 125 Walter Rohrbach (Erfurt) an BStGS am 05.11.1930, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur. 126 KW an WG am 12.04.1931, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur. 127 Dörnhöffer an StMUK am 06.11.1931, BStGS Registratur 38/2c Röntgenapparatur. 128 Gräff 1932, S. 1, auch Gräff 1931a. 129 Emich 1913, Gräff 1931b und Gräff 1932. 130 Laurie 1926. 131 Gräff 1932, Anmerkung 12, Registratur BStGS Registratur 38/2b Lichtbildstelle, siehe auch Gräff 1931c. 132 Traube 1931. 133 Schmidt 2001. 134 Von 1518, alle Tafeln in der Alten Pinakothek München, Inv. Nr. 20, 685 und 21. 135 Burmester 2011, S. 30 und Gräff 1911. 136 Zur Einführung der Photographie an den Pinakotheken siehe Hipp 2011. 137 Zum Werdegang Riedmanns siehe BStGS, PA Riedmann, Blatt 46 ff und Hipp 2011, S. 48. 138 Gräff 1932, S. 11. 139 Ebd., Anm. 13. 140 Ebd., S. 4. 141 Ebd., Anm. 16. 142 So in Ostwald 1919a bis c. 143 Zur späteren Zusammenarbeit von WG, AE und Hetterich siehe auch Anon.

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1933a. 144 Niederschrift der Sitzung des Beirates der Versuchsanstalt vom 08.11.1928, ARDI 37, 3. 145 Siehe hierzu auch AE 1931, Hetterich 1931 und Gräff 1932, S. 3. 146 WG an das zuständige Ministerium am 08.07.1933, HStAM MK 40110. 147 Wilm 1931 und Anon. 1931a. 148 Wilm 1931. 149 Anon. 1931a. 150 Angaben im handschriftlichen Lebenslauf Ludwig Schütz vom August 1938 in BArch NS 21/2361, (ehem. BDC) DS G 136, ab Bl. 58, hier S. IV. 151 Ebd. 152 Gräff 1932. 153 Ebd., S. 4 und Anm. 11. 154 Haeberlein 1931. 155 Alle folgenden Zitate aus dem Nachtrag zu Denkschrift von Walter Gräff (Gräff

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1932), Winter 1933/34, aus NG, heute Bibliothek Doerner-Institut NG/SO Sign. 2776. 156 Goldberg 2004, S. 260 ff. 157 Siehe hierzu Haeberlein 1931. 158 Vermerk WGs „Anregungen zu dem Betreff: Die Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik an der Technischen Hochschule“ vom 11.03.1934 als Anlage eines Schreibens BStGS (Buchner) an StMUK vom 17.03.1934, HStAM MK 40110; zu den Begrifflichkeiten Eibners siehe auch Anm. 103. 159 BStGS (Buchner) an StMUK am 17.03.1934, HStAM MK 40110. 160 VB vom 15.05.1934, HStAM Abt. V Sammlung Rehse P 1299. 161 Tätigkeitsbericht der Versuchsanstalt für den Zeitraum vom 01.04.1922 bis 01.01.1926 in HATUM C 318. 162 Bewer 2010, S. 85.

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MAX DOERNER – DIE JAHRE BIS 1933

Aus der Sicht der über 200jährigen Akademie der Bildenden Künste in München ist die Tätigkeit Doerners, seiner Vorgänger und Nachfolger nur wenige Zeilen wert,1 doch Doerners Wirken als Autor eines maltechnischen Standardwerkes, als einflußreicher maltechnischer Lehrer und als Mensch verdient größeren Raum. DIE ANFÄNGE Als der 1870 in Burghausen geborene Max Doerner* (Abb. 10) 1911 einen Lehrauftrag an der Akademie übernimmt, hat er eine klassische Ausbildung an eben derselben Einrichtung bei Johann Herterich und Wilhelm von Diez2 genossen. Wir wissen heute nur wenig über die Jugend- und Studienjahre Max Doerners: Als junger Mann muß Doerner Leibl kennengelernt haben, aber es war wohl der in maltechnischen Fragen unumstrittene Fixstern der Zeit,3 Arnold Böcklin, der Doerners Interesse an Maltechnik weckt und den er 1893 in Florenz besucht.4 Doerner findet so sein Lebens­thema. Ungefähr zum selben Zeitpunkt setzt auch der Unterricht für Maltechnik an der Akademie ein.5 Hiermit hat Doerners Streben Abb. 10 | Max Doerner, um 1937 einen Ort gefunden: Seine zeitlebens an die Münchner Akademie gebundene Karriere entwickelt sich in den Anfängen gleichwohl schleppend. 1911 – mit 41 Jahren – hält er erstmalig probehalber Lehrveranstaltungen ab, ebenso der Maler Hermann Urban und ein weiterer Künstler.6 Die ursprüngliche Vorstellung der Akademie, die Vorlesungen über Malmaterialkunde zwischen Urban und Doerner aufzuteilen, wird von Urban abgelehnt, ja dieser erteilt einem Lehrauf-

trag eine „entschiedene Absage“.7 Die Gründe hierfür mögen in der Konkurrenz zwischen beiden gelegen haben – eine Konkurrenz, die Doerner zeitlebens pflegt. Für heutige Verhältnisse unvorstellbar, befaßt sich im August 1912 selbst die Bayerische Abgeordnetenkammer mit dem Thema eines „Kurs[es] für maltechnische Fragen“. Der Zentrumsabgeordnete Siben sieht dies angesichts „der hohen Entwicklung der Maltechnik und ihrer Bedeutsamkeit“ für geboten.8 Auch wenn Siben die Auffassung vertritt, diese Aufgabe könne von den Professoren der Akademie der bildenden Künste „ganz gut“ mit übernommen werden, erhält Doerner ab dem Wintersemester 1912/13 einen schlecht bezahlten Lehrauftrag.9 Es sei nur am Rande erwähnt, daß Doerner in seiner Funktion als Lehrbeauftragter für Malmaterialienkunde dem erwähnten Maler Ernst Berger nachfolgt,10 der im Gegensatz zu Doerner der Moderne durchaus aufgeschlossen war und der seit 1902 für kurze Zeit Lehrverpflichtungen in München wahrnimmt.11 Im Wintersemester 1913/14 befaßt sich Doerner in acht Vorlesungseinheiten mit Fragen der Grundierung, in drei mit den Bindemitteln der Ölmalerei, in drei mit Tempera, in sechs mit Farbstoffen, in weiteren vier mit Bildaufbau sowie in einem mit Pastell und Aquarell. Zu 13 Übungen zum Fresko kommen weitere vier praktische Einheiten zu Tempera, Farbenreiben und Grundieren hinzu.12 Die Wahl Doerners muß dabei von großem Gewinn für die Studenten gewesen sein, denn sein „Vortrag [galt als] klar und anregend“,13 sein Charakter als feinsinnig, nachdenklich, ja grüblerisch. Nie in großen Ausstellungen hervorgetreten, wird er von seinen Studenten als sicherer Landschaftsmaler geschätzt, dessen vor allem rund um den Wörth- und Ammersee und in den Bergen entstandene Bilder immer wieder vereinzelt in Münchner Ausstellungen auftauchen.14 Doerners Themenwahl für seine Vorlesung weckt allerdings den Protest Eibners, der sich möglicherweise bereits im ersten Semester der Lehrtätigkeit Doerners an das Ministerium wendet. Eibner stört sich vornehmlich an der Bezeichnung „Malmaterialienkunde“, die – ganz 74

im Gegensatz zu ihm als Naturwissenschaftler – nicht von einem praktizierenden Künstler ohne hinreichenden Hintergrund vertreten werden könne. Doerner könne bestenfalls Maltechnik unterrichten.15 Der in München verwurzelte Eibner spürt offensichtlich, daß ihm in Doerner ein Widersacher erwächst, der ihm die kommenden Jahrzehnte bis zu seinem Tode vergällen wird. Es sind nicht nur die sinkenden Studentenzahlen in den Veranstaltungen Eibners, sondern es ist auch die immer wieder aus der Künstlerschaft vorgebrachte Klage, daß er und seine Versuchsanstalt sich zu wenig um praktische Belange kümmern würden.16 Was Eibner nicht bietet, bietet Doerner umso mehr. Dieser, der sicherlich von den Einwänden Eibners gehört hat, weicht allerdings nicht zurück: Im Vorlesungsprogramm für das folgende Wintersemester heißt Doerners Veranstaltung wieder „Malmaterialienkunde“. Nun, Eibner wäre nicht Eibner, wenn er hier nachgegeben, seine Argumente nicht in einer langatmigen Stellungnahme gegenüber seiner vorgesetzten Stelle niedergelegt hätte. Eibner vertritt hierin die Ansicht, daß der Begriff Malmaterialienkunde „streng genommen nicht die Lehre über die praktische Anwendung dieser Materialien in den verschiedenen Techniken der Malerei [umfasse], sondern […] jene über die chemisch-physikalischen Eigenschaften und hieraus folgenden maltechnischen Anwendungsmöglichkeiten der Materialien zum Inhalte [habe].“ Eibner sieht deshalb die Möglichkeiten Doerners in der Lehre als beschränkt, denn „was heutzutage ein mit der empirischen Technik der Bildherstellung völlig vertrauter Maler ohne die nötigen naturwissenschaftlichen Vorkenntnisse und ohne erholte Unterstützung durch Vertreter der Malmaterialien an Unterrichtserfolgen zu erreichen vermag, ist Vermeidung größerer Unzukömmlichkeiten bei der Anwendung der Malmaterialien und Abwendung größerer Schäden an den Bildwerken. Malmaterialienkunde im modernen, also naturwissenschaftlichen Sinne vermag [Doerner] um so weniger zu lehren, als insonderheit hinsichtlich der Bindemittelmaterialien auch die moderne Naturwissenschaft noch nicht alle Behelfe zu ihrer rationellsten Verwendung beizubringen vermochte.“ Dieser Lücken durchaus bewußt, unterrichtet Eibner 75

deshalb seit Wintersemester 1910/11 nur „Grundzüge der Mal­ materialienkunde“. Vorlesungen über Maltechnik gesteht Eibner Doerner nur dann zu, „wenn man außer Acht lassen will, dass eine didaktisch richtig durchgeführte Lehre der gesamten Maltechnik ebenfalls von naturwissenschaftlichen Grundlagen ausgehen muß.“17 Die Akademie reagiert klug und ändert mit einem sarkastischen Seitenhieb auf die „langen Ausführungen“ Eibners den Titel von Doer­ ners Lehrveranstaltung in „Vorlesungen über Malmaterialien und ihre Anwendung“ – der Titel von Doerners Standardwerk, das 1921 erstmalig als „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ erscheinen soll, klingt hier schon an. Ansonsten verwahrt sich die Akademie gegen die durchaus begründete Unterstellung Eibners, Doerner fehlten die notwendigen naturwissenschaftlichen Grundlagen, mit dem Hinweis, daß Doerner „auf das Eibner’sche Lehrbuch18 […] in seinen Vorträgen ständig [hinweise], soweit die dort niedergelegten Anschauungen nicht von der Praxis widerlegt werden.“19 Man kann Doerner getrost unterstellen, daß er dies für die meisten praktischen Hinweise Eibners annahm. Dem Einlenken der Akademie hält Eibner sechs weitere Seiten an Richtig- und Klarstellungen entgegen, die in Frage stellen, ob sich die „Vortragenden als Laien [d. h. Doerner] […] die chemischen und physikalischen Grundlagen der Malmaterialienkunde in zum Erfolge hinreichenden Masse angeeignet hätten.“ Eibner vertritt sogar die Auffassung, daß „diese Arbeit […] nur von Vertretern der einschlägigen Naturwissenschaften nach besonderer Einarbeitung in das Gebiet und unter Heranziehung der neuesten Erfahrungen der Chemie und Physik, sowie auf dem zwischen beiden liegenden Grenzgebiete allmählich geleistet werden [könne]. Hierbei werden sich diese zweckmäßig mit der handwerklichen und künstlerischen Praxis so weit als möglich vertraut machen“. So richtig diese Sichtweise erscheinen mag, so wenig förderlich ist Eibners Zusatz, daß „der dortige Herr Vortragende [also wieder Doerner] als in ständiger Fühlung mit Vertretern der Wissenschaft bezeichnet [würde]. Um so auffallender muss es erscheinen, dass von der staatlichen Einrichtung der V. A. [Versuchsanstalt] bisher nicht Gebrauch 76

gemacht wurde. Es ist mir [Eibner] bekannt, dass Herr Kunstmaler Doerner ursprünglich die Absicht hatte, Beziehungen zur V. A. anzuknüpfen, hievon jedoch von privater Seite abgehalten wurde.“ Eibner vermutet, daß Doerners Fernbleiben ein Versuch sei, die Versuchsanstalt zu isolieren. Doerner könne sich zudem gar nicht auf sein 1909 erschienenes Buch beziehen, sei dieses doch aufgrund der raschen Fortschritte in diesem Bereich bereits veraltet. Immerwährende Aktualität auch in der Lehre dürfe der Student somit nur von seinen eigenen Lehrveranstaltungen erwarten. Eine Verbesserung der Situation könne nur von einer engen Zusammenarbeit zwischen der Versuchsanstalt und der Akademie herbeigeführt werden, von der Doerner sehr profitieren könne.20 Hilflos dem „ins Ungemessene fortgesetzten Schriftwechsel“ ausgesetzt, sieht sich die Technische Hochschule am Ende genötigt, das zuständige Ministerium mit der Bitte um Schlichtung einzuschalten.21 Nach einer Erhöhung der Funktionsbezüge im Jahr 1916, die aus der nicht besetzten Professur für Maltechnik stammen, 22 wird Doerner im kommenden Jahr zum Titularprofessor ernannt23 und in Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste am 01.06.1921 zum Professor berufen.24 Es ist allerdings eine außerplanmäßige Professur, ein Faktum, das Doerner sichtlich kränkt, war doch im Vorfeld durchaus an eine ordentliche Professur gedacht: 1919 vermeldet die Akademie zwei freie Professuren und schlägt dem Ministerium vor, eine davon mit Doerner zu besetzen. Immer wieder wird das „klägliche Verhältnis zwischen [seiner] Leistung und [seiner] Vergütung“25 festgestellt. Zudem erachtet die Akademie eine solide maltechnische Ausbildung als für den Studenten in hohem Maße förderlich, und wer hätte sich hier mehr angeboten als Doerner. Die zweite offene Professur kennt namhafte Bewerber, doch Vorgespräche z. B. mit Max Slevogt aus Berlin verlaufen ohne Ergebnis, auch Max Pechstein, Max Beckmann, Fritz Erler und Karl Caspar sind im Gespräch. Zu Oskar Kokoschka dagegen heißt es: „Gegen die Berufung Kokoschkas hatten wir lebhafte Bedenken. Nicht deshalb, 77

weil wir ihm künstlerische Bedeutung in etwas absprechen wollten, sondern lediglich aus dem Grunde, weil wir glauben, dass die von ihm vertretene Ausdrucksweise zwar als künstlerische Ueberzeugung eines Gereiften ihre individuelle und geschichtliche Bedeutung haben mag, aber nicht Gegenstand des Lehrens und Lernens vor bzw. von Unfertigen sein kann.“26 Kokoschka wird abgelehnt, Pechstein, Beckmann und der nachträglich ins Spiel gebrachte Willy Jaeckel bleiben in engerer Wahl. Doch unabhängig vom Ausgang der Berufungsverhandlungen wird die Vergabe einer ordentlichen Professur an Doerner in jedem Fall ausgeschlossen, denn am Ende obsiegen die Kräfte in der Akademie, die ordentliche Professuren mit Künstlern und nicht mit Maltechnikern besetzt wissen wollen. Diese Haltung bleibt durchaus umstritten, weist doch in einer erneuten Intervention im Juni 1923 der Präsident der Akademie, Carl von Marr, das Ministerium darauf hin, daß „Berlin einen bisherigen Stubenmaler [gemeint ist Dannenberg, der Vorgänger Wehltes] als Professor der Maltechnik anstellt und zwar von sich aus ohne dessen Verlangen“.27 Ihn empört, daß dieser „sofort zum Ordinarius berufen wird, der sich [dann allerdings] seine Informationen im nächsten Herbste noch bei Doerner holen muss“, während diesem eine ordentliche Professur verweigert werde.28 WASCHUNGEN UND GEHEIMMITTEL Aus heutiger Sicht tritt Doerners Persönlichkeit weit hinter sein Buch „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ zurück, doch lohnt sich eine nähere Auseinandersetzung mit seiner Person.29 Doer­ners Leben ist von „Kämpfen“ gegen ein in seinen Augen falsches „System“ bestimmt, das er durch Persönlichkeiten wie Eibner, Gräff oder Ostwald vertreten sieht und sie deshalb zum Ziel ständiger Reibungen und Attacken macht. Der mit Doerner nicht Vertraute macht sich keine Vorstellungen, in welchem Maße sein Schriftverkehr aber auch sein handschriftlicher Nachlaß von dieser Idée fixe durchzogen ist. Ob Doerners über die Jahre überaus festgefahrenes Bild aus heutiger Sicht richtig oder falsch ist, mag dabei eine unter78

geordnete Rolle spielen, ausschlaggebend ist, in welchem Maß sie Doerner besetzt, sein Handeln und Denken leitet. Doch wie entstand diese Idée fixe, warum „Kampf“, warum „System“? Wo liegen die Konflikte zwischen Doerner und Eibner, zwischen Doerner und Gräff? In der Außensicht findet man nichts, was auf Konflikte hindeutet. Man möchte sogar meinen, daß sich die Veranstaltungen Doerners und Eibners kongenial ergänzen, ja es erweckt den Eindruck, daß die Technische Hochschule und die Akademie, Eibner und Doerner, für die gleiche Sache einstehen. Und Ähnliches ließe sich für Gräff vermuten. Doch Eibner und Doerner haben ein wechselhaftes Verhältnis, das Perioden gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Ablehnung kennt, doch nie frei von Vorsicht ist und deshalb völlig zerrüttet endet. Beide sind komplexe Persönlichkeiten, beide außerordentlich nachtragend und beide von ihrer Mission – der Maltechnik – erfüllt. Sollte man den Antipoden Doerners benennen, so wäre dies mit Sicherheit Eibner. Zwar gab es im Verhältnis von Doerner zu Eibner auch Phasen bemühter Annäherung, doch die Konkurrenz beider überdeckt alles. Eibner besitzt in der Versuchsanstalt das, was sich Doerner im Prinzip immer gewünscht hat. Auch wenn Doerner die Ausrichtung der Versuchsanstalt als gänzlich falsch und die Person Eibners als unerträglich ansieht, ist es doch diese Institution, die ihm vorschwebt: ein Institut für Maltechnik. Nur eben nicht an einer Technischen Hochschule, sondern an der Akademie. Geleitet von einem Künstler, begleitet von Wissenschaftlern, doch auf keinen Fall von Eibner. Man sollte hierbei nicht verkennen, daß Doerner auch ohne dieses Institut die breite Hörerschaft hat, die sich Eibner immer wünschte. Nicht Eibners, sondern Doerners Buch über Malmaterialien erscheint schon nach kurzer Zeit in einer zweiten Auflage, und eine dritte und viele andere folgen. Eibners Buch dagegen wird in einer einzigen und damit der letzten Auflage gedruckt, was Eibner sicherlich trifft. Ihr gespanntes Verhältnis, später abgrundtiefe Feindschaft endet erst mit dem Tode Eibners im Jahre 1935.30 79

Gräff dagegen ist für Doerner ein nie ernst genommener Gegner. Gräffs Name findet sich im schriftlichen Nachlaß Doerners eben so selten wie dieser Gräffs Untersuchungsstelle wahrnimmt. Er hält sie für den Irrweg eines Kunstwissenschaftlers. Doerner fürchtet Gräff nur kurze Zeit als Konkurrenten, sieht in ihm jedoch – und dies ist entscheidend – einen Vertreter des „Systems“ von beamteten Kustoden und Restauratoren, das es zu bekämpfen gilt. Daß er selbst verbeamtet ist, übergeht er. Doerner gegenüber steht so eine kaum zu erschütternde Phalanx verbeamteter Kunstverwalter – von denen Gräff nur einer ist. Er, der Kunsttechnologe, röntgt und hat physischen Zugang zur Kunst. All dies ist Doerner verwehrt. Am Zenith seiner Laufbahn zu Ende der 1930er Jahre, leidet Doerner nicht nur an zahlreichen körperlichen Gebrechen, sondern vor allem an der Erinnerung an Abb. 11 | Peter Paul Rubens, „Helene Fourseine Rivalen, seine „Kämpfe“, ment mit ihrem erstgeborenen Sohne Frans“, das „System“. Doerners Weltum 1635 (Detail) bild ist dabei von festen Überzeugungen getragen. Wer diese Überzeugungen nicht teilt, den bekämpft er in der Sache, seiner Sache, der Maltechnik willen. Doerners „Kämpfe“ manifestieren sich nicht nur in Schreiben zwischen ihm und den jeweiligen Kontrahenten, sondern er trägt seine Auseinandersetzungen auch gezielt in die Medien. Exemplarisch dafür sei der Rubens-Streit genannt, der sich in den Konflikten mit den Pinakotheken über Jahre hinzieht. Obgleich bereits an anderer Stelle ausführlich geschildert,31 soll

dieser Fall um neu aufgetauchte Archivalien ergänzt werden. Im wesentlichen wendet sich Doerner gegen – aus seiner Sicht – unsachgemäß abgenommene Übermalungen und Neuretouchen im grünen Ärmel von Rubens „Helene Fourment mit ihrem erstgeborenen Sohne Frans“32 (Abb. 11), gegen unverantwortbare Waschungen von Tafelbildern und gegen die Verwendung von „Geheimmitteln“, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit durch die Restauratoren der Pinakotheken eingesetzt würden. Am Ende jahrelanger Auseinandersetzungen mit oft unklarem Abb. 12 | Handschriftliche Notizen Doerners Frontverlauf hat Doerner jedoch Abbitte zu leisten und beamtenrechtliche Konsequenzen zu tragen: Quasi zur Ruhe verdammt, erleidet er eine Niederlage, die er nie verkraftet und die er nie vergißt. Doerner bekämpft die Waschungen, die unter Tschudi an den Pinakotheken zur Reinigung und Pflege von Gemälden eingesetzt würden, ab 1910 mit Vehemenz (Abb. 12).33 Möglicherweise erst durch die Beobachtungen des Kunstmalers Franz Guillery auf das Problem aufmerksam geworden,34 vertritt Doerner die Ansicht, daß „Wasser als Reinigungs- u[nd] Putzmittel zu verbieten [letzten beiden Wörter unterstrichen]!“ sei. Er sieht in der Anwendung von Wasser, häufig in Kombination mit Seife, „üble Folgen“ für die behandelten Bilder. Die aus seiner Sicht völlig „falschen Auffassungen in Rest[auratoren] Kreisen“ führe zur „Quellung des Leimes“ der Grundierungen, was auch „noch nach Jahrtausenden“ eintreten wür81

de. Seine unzähligen Notizen zu dieser Thematik verknappen seine Überlegungen zu griffigen Formulierungen wie „Was nützen Hygrometer, wenn die Bilder gewaschen werden“.35 Interessanterweise bezieht sich Doerner immer wieder auf einen Aufsatz von Wilhelm von Bode, der 1919 empfiehlt, „alle Bilder von Zeit zu Zeit – in der Regel alle paar Jahre einmal – zu reinigen, d. h. mit lauwarmem Wasser den Schmutz, den Staub und Niederschlag der Feuchtigkeit, den die Besucher in die Galerien bringen, zu beseitigen […] Eine solche Reinigung durch einfaches vorsichtiges Waschen belebt den alten Firniß meist wieder und gibt ihm das Aussehen, als ob die Bilder frisch gefirnißt wären.“36 Von der zentralen Bedeutung von Bodes Aufsatz für die Position Doerners zeugen handschriftliche Exzerpte in seinem Nachlaß,37 aber auch grundsätzliche Ausführungen Doerners zu Fragen der Restaurierung und Konservierung.38 Der von Bode beschriebenen Praxis folgend, führten nicht nur die Pinakotheken, sondern Galerien in ganz Deutschland Waschungen durch, und auch Gräff meint in Anbetracht der dicken Schmutzschichten auf Meisterwerken der Pinakothek das vorsichtige Reinigen mit Wasser vertreten zu können.39 Als Folge der Waschungen sieht Doerner „Absplitterungen“ auf einer ganzen Reihe von Bildern der Alten Pinakothek und behauptet, daß „[…] diese Beschädigungen […] vorher nicht vorhanden [gewesen seien], sie traten erst nach der Eröffnung der Galerie und nach der Waschung und nach der famosen Öffnung der Loggia ein.40 Warum wurde denn diese geschlossen? wenn nicht Gefahr für die Bilder war? In 14 Tagen konnte man doch der damals so gerühmten glänzenden Idee nicht überdrüssig geworden sein? […] Der Hauptübelstand liegt jedoch darin, dass alle die Jahre her gar nichts geschah um sich zu vergewissern, ob Wasser auf Kreidegr[und]bildern schädlich wirke oder nicht und dass bis auf den heutigen Tag gewaschen und frottiert wird, unbekümmert um alle Bedenken von wissenschaftl[icher] und pract[ischer] Seite.“41 Ähnliche Schadensbilder meint Doerner in Kassel oder Berlin zu sehen. 82

Aus dieser ausufernden Fehde, die sich aus Doerners Sicht weniger gegen einzelne Personen als gegen ein generell falsches „System“ der Restaurierung richtet, kristallisiert sich die Forderung „Konservieren statt Restaurieren“ heraus. Seine Schüler verbinden dieses Postulat später einzig mit der Person Doerners, der jedoch sieht sich in der Tradition Pettenkofers,42 ja bezieht sich explizit auf dessen 1870 erschienene Schrift „Über Ölfarbe“.43 Im Zusammenhang mit seinen Regenerierversuchen zur „Conservierung der Oelgemälde“44 fordert Pettenkofer dort, daß „im Interesse der Erhaltung der Originalität dahin zu streben sei, dass die Gemälde künftig nicht mehr restaurirt, sondern nur regenerirt zu werden brauchen“.45 Die Regenerierung mit Lösemitteldämpfen und – leider auch – Copaivabalsam wird damals als konservierender Eingriff gewertet. Es mutet als ein geschickter Schachzug Doerners an, sich mit der an Pettenkofer angelehnten Formulierung „Konservieren statt Restaurieren“ zugleich in dessen geistige Erbfolge zu stellen. Der sprachliche Schritt Doerners zum „Konservieren nicht Restaurieren“ – wir finden beide Formulierungen – ist nur noch ein kleiner.46 Das für die Restaurierungsgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägende Motto „Konservieren statt Restaurieren“ ist im weiteren Kontext einer seit Mitte des 19. Jahrhunderts geführten Diskussion in der aufkeimenden Denkmalpflege Englands zu sehen, die die vermeintliche Wiederherstellung des Verlorenen (Restaurieren) gegen das Erhalten des noch nicht Verlorenen (Konservieren) abwägt.47 Norbert Huses verdienstvolle Sammlung von Textstellen zu eben dieser Thematik ist so nicht ohne Grund als „Restaurieren oder Konservieren“ überschrieben.48 Die Archivalien geben bislang allerdings keinerlei Hinweis, daß Doerner von diesen Entwicklungen in England erfährt oder gar Georg Dehios Ausführungen auf dem „Tag der Denkmalpflege“ 1901 zur Kenntnis nimmt, in denen sich dieser vehement gegen eine Wiederherstellung des Verlorenen und für ein bedingungsloses Erhalten des Bestandes einsetzt. Dehio ging es für die Denkmalpflege um „Erhalten und nur erhalten; er83

gänzen nur dann, wenn die Erhaltung materiell unmöglich geworden ist, Untergegangenes wiederherstellen nur unter ganz bestimmten, beschränkten Bedingungen.“49 Auch Doerner weiß, daß „heute [niemand] ein altes Bauwerk noch so ergänzen wollen [würde], als wäre es unversehrt aus der Hand des ursprünglichen Meisters hervorgegangen“,50 warum solle also dies nicht auch für Gemälde gelten. In seiner vehementen Kritik am Restaurierungswesen seiner Zeit und insbesondere im Hinblick auf die noch gängigen Malerrestauratoren hätte sich Doerner vermutlich Dehios, eigentlich auf den Architekten gemünzte Beobachtung zueigen gemacht, daß es diesen „erfahrungsgemäß unmöglich [sei], in ihrem Geiste die wissenschaftliche Funktion und die künstlerische Funktion auseinanderzuhalten. Was sie als Künstler im Geiste schauen, wird ihnen zur historischen Gewißheit; eine psychologisch ganz begreifliche Verwechslung, aber [man mag hier ergänzen, für das Gemälde] eine akute Gefahr.“51 Auch wenn sich Doerner in mancher seiner Beobachtungen geirrt hat und die Auseinandersetzung mit den Pinakotheken in einem unauflöslichen Geflecht von Argumenten, Unterstellungen, üblen Nachreden und Widerreden versinkt, muß Doerners Einsatz für die Konservierung als verdienstvoll, ja für die Gemälderestaurierung als theoretischer Durchbruch angesehen werden. Wer würde Doerners Formulierung nicht zustimmen, daß es „[…] keinen anderen Weg der Erhaltung des Originalen [gebe] als die Konservierung“.52 Wie indes dieser Neuansatz – für den sich Doerner eine Konservatorenschule wünscht53 – von den Schülern Doerners und späteren Generationen, die sich hierauf beziehen, praktisch umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Möglicherweise in Folge von Doerners andauernder Kritik ernennt ihn das zuständige Ministerium 1918 für drei Jahre als stellvertretendes Mitglied der Kommission für Restaurierungsangelegenheiten der Pinakotheken.54 Bei einer zufälligen Begegnung mit Dörnhöffer 84

spricht Doerner die fragliche Rolle von Wasser als „Reinigungsmittel für alte Bilder“ an, zieht selbstangeriebene Farben den von den Pinakotheken verwendeten Mussinifarben vor, läßt sich über „Pettenkofern“ aus – kurz, die Konfliktfelder der Zukunft zeichnen sich ab.55 Eine gemeinsame Fahrt mit Dörnhöffer in die Schleißheimer Galerie gibt Doerner dann erstmalig Gelegenheit, seine Kritik an der gängigen Restaurierungspraxis der Pinakothek zu präzisieren. Dörnhöffer bittet Doerner in der Folge um Übermittlung seiner „Leitsätze über Restaurierung“.56 Schon wenige Wochen darauf erneuert Doerner seine Kritik am Ausbildungstand der Restauratoren, die häufig aus dem Kunstmalerberuf kämen, in dem ihre „künstlerischen Hoffnungen“ gescheitert seien. Möglichkeiten, sich zum Restaurator aus- und fortzubilden, bestünden nicht, da die restauratorischen Kenntnisse „Geschäftsgeheimnis des Einzelnen [blieben], der sie im stillen Kämmerlein ausübt und erst mit dem fertig restaurierten Werk herausrückt.“ Doerner beruft sich hierbei auf Pettenkofers Wort vom „Hinrichten statt Herrichten der Bilder“, ja nennt den Namen des Restaurators Alois Hauser, der „fundamentale[n] Irrtümer[n]“ aufgesessen sei. Er schlägt Dörnhöffer deshalb Richtlinien vor, „die wenigstens die gröbsten Sünden steuern“ würden. Und er fährt in einer bereits bekannten, quasi erstarrten Argumentationslinie fort: „So war es ein tragikomisches Schauspiel als z. Zt. noch unter Gen[eral] Dir[ektor] Tschudi altdeutsche und altital[ienische] Holztafelbilder mit Wasser gewaschen und dabei täglich in den Galerieräumen peinlich genau die Zahlen des Hygrometers abgelesen wurden!“57 Doerners Kritik findet sogar Eingang in den Bayerischen Landtag, der die Schädigung eines Gemäldes von Lucas Cranach „durch unsachgemäße Restaurierung“ ebenso thematisiert wie den vernachlässigten baulichen Zustand der Alten Pinakothek.58 Die Tatsache, daß sich der Landtag mit Restaurierungsfragen befaßt, muß bei Dörnhöffer auf Protest stoßen. Im März 1918 lädt er Doerner zu einer Aussprache ein, da er vermutet, dieser habe sich direkt mit einem 85

Abgeordneten des Bayerischen Landtags, Heinrich Osel59, in Verbindung gesetzt. Doerner widerspricht,60 macht deutlich, daß sein „Kampf […] gegen das System der heutigen Restaurierung nicht gegen Personen“ gehe, und fährt fort: „Dies System der Systemlosigkeit, des Geheimbetriebes [/] die Geheimmittel bekämpfe ich allerdings aufs schärfste, ich halte es für eine ausserord[entliche] Gefahr und für veraltet. Heute kann auf wissensch[aftlicher] Grundlage fußend ein einwandfrei practisch brauchbares System der Rest[aurierungs] Technik geschaffen werden.“ Neben den bereits bekannten Vorwürfen erhebt er „die selbstverständliche Forderung, dass in den Restaurierungsräumen keine andere Temperatur herrschen darf als in der Galerie.“ Und er trägt erneut seine „schweren Bedenken gegen die Gefahren bei den üblichen Temperaturanstiegen im Mai“ vor.61 Generell vertritt er die Auffassung, daß „die gegenwärtige Art der Restaurierung rückständig und gefahrdrohend [sei] – ganz im Allgemeinen und dass sie heute keine Berechtigung mehr“ habe.62 Doerner arbeitet in dieser Zeit häufig als Kopist in den Pinakotheken, kennt also vermutlich die Verhältnisse genau. Bereits im Vorjahr notiert er, daß „bei Gelegenheit der Kopie nach Cézannes Selbstbildnis63 […] im Stiftersaal Gerüstbretter zusammengetragen [wurden] mit allem Bauschutt darauf. Im Nebensaal[,] der nicht abgeschlossen oder verhängt war, standen u[nter] A[nderem] Böcklin Spiel der Wellen64 u[nd] Pan im Schilf65; die Luft war wie von dichtem Nebel erfüllt durch den Staub. Der Diener sagte, des is doch net gut für die Bilder!!“66 Doch die erwünschte Unterredung mit Dörnhöffer kommt zuerst einmal nicht zustande, ja Doerner erfährt im August 1918, daß der Isenheimer Altar an der Pinakothek restauriert werden solle. Da Doerner hier ebenfalls die Anwendung der von ihm angeprangerten Restaurierungsmethoden fürchtet, regt er an, die Restaurierungskommission einzuberufen.67 Dörnhöffer kommt Doerners Vorschlägen sogar entgegen. Dieser wendet sich bereits am folgenden Tag an das zuständige Ministerium und überreicht eine Denkschrift. Wie er es ausdrückt, 86

sieht er „die Notwendigkeit, die chinesische Mauer reiner Empirie [im Restaurierungswesen] einzureißen.“ Doch über den Zeitraum, in dem die chinesische Mauer fallen solle, besteht Uneinigkeit: Dörnhöffer spielt auf Zeit, Doer­ ner drängt zur Eile.68 Grüblerische Notizen (Abb. 13) bezeugen, daß die Thematik Doerner Tag und Nacht umtreibt: „Erfahrung in Kommission: Kommission nie getagt [letzte drei Wörter unterstrichen]! [/] Rottmannfresken [unterstrichen]. Grünewaldaltar! Wann wenn nicht da! [/] Paumgartner Altar! Perugino [letzte drei Wörter unterstrichen]!! [/] Abb. 13 | Handschriftliche Notizen Doerners Keine Antwort! [/] Fragebogen [Gräffs] an die Museen unbrauchbar [/] einheitliche Regelung nötiger! nieder mit der Chin[esischen] Mauer!“69 Zwei Wochen später setzen sich Dörnhöffer, der Kunsthistoriker Braune und der Restaurator Kinkelin erneut mit den vier Forderungen Doerners auseinander,70 stimmen diesen wieder weitgehend zu und fügen mit Doerner einen weiteren, fünften Punkt hinzu, der auch heute noch Gültigkeit hat: „Es erscheint notwendig, dass beim Ankauf moderner Werke vom Künstler techn[ische] Angaben über Malgrund, verwendete Farben u.s.w. verlangt werden. Für eine später etwa nötige Restaurierung sind diese Angaben bei dem heutigen Durcheinander der Maltechniken sehr wichtig. Diese Forderung würde zudem erzieherisch auf die Künstler wirken. Die Galerien wären davor bewahrt, Bilder anzukaufen, die in wenigen Jahren Ruinen sind.“71

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Hier rückt Walter Gräff als von Dornhöffer vorgeschickter Kontrahent ins Bild, der nach Doerners Eindruck „neuerdings […] auf den Plan tritt“. Seinen Einlassungen stellt Doerner Zeugen aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren entgegen – darunter Adolf Keim – die Doerner in seinen Beobachtungen und Einschätzungen angeblich bestätigen. Im Rückblick auf die Ereignisse um 1910 sieht Doerner allerdings weniger Sachfragen als politische Gründe für ausschlaggebend,72 ja die Schäden würden bewußt vertuscht: „Jeden neuen Morgen kann man in unserer alten Pinakothek beobachten, wie gestern noch blendend weiße Absplitterungen scheinbar über Nacht verschwinden. Aber diese neuen Heinzelmännchen machen sich die Arbeit wahrhaftig sehr leicht. Sie tünchen einfach die abgesprengten Stellen mit schmutziger Farbe aus und aus dem neuen Schaden wird so flugs ein alter. Quod erat demonstrandum! Dabei werden nicht die sehr beträchtlichen ausgefallenen Stücke sorgsam eingekittet, nein man schmiert aus einem Farbtopf bei Italienern und Altdeutschen mit schmutziger Farbe die Risse zu.“73 Hierbei spielt auch das bis heute von Mussini angebotene und damals von Restauratoren eingesetzte Auffrischungsmittel Phoebus74 eine Rolle,75 das Doerner als „Geheimmittel“ ansieht. Schon 1918 hat Doerner bei Eibner nachgefragt, ob „der Vaselineöl enthaltende Büttnerische Phöbus“ – benannt nach dem Kunsthistoriker und Restaurator Franz Büttner Pfänner zu Thal*76 – geeignet sei. Doerner hält das Mittel „besser für Lederzeug als für Bilder“ anwendbar.77 Eibner teilt die Bedenken,78 beide fordern für praktische Versuche zur Regenerierung von Oberflächen mit Copaivabalsam sowie Phoebus „Depotbilder“ von den Pinakotheken an.79 Doerner selbst, der ja auch als Restaurator arbeitet, hat gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Copaivabalsam und sucht für die Auswahl des richtigen Copaiva – ob als Balsam oder Öl – oder anderer Öle den Rat Eibners.80 Hier die richtige Auswahl zu treffen, empfindet Doerner als Überforderung für den gewöhnlichen Restaurator. Sein Zorn richtet sich nicht auf sie, deren Tätigkeit er für eine „Kunst [hält,] die besondere Aus88

bildung erfordert“.81 Doch eben diese Ausbildung fehle und müsse von den Akademien angeboten werden. Neben diesem Aspekt sieht Doerner es als wichtig an, daß „alle Restaur[ierungen], die einen Eingriff in ein Gemälde bedeuten, nur nach vorausgeg[angener] gutacht[erlichen] Äusser[ung] der zu diesem Zweck einger[ufenen] Komm[ission] vorgenommen“ werden. Als unverzichtbar erachtet er auch eine genaue Dokumentation, die Auskunft über all die „Mittel [geben solle,] wie Bilder besser u[nd] sicher gereinigt werden können. [Es sei] Aufgabe der Direction [der Pinakothek oder anderer Häuser] dafür zu sorgen.“82 Diese Erkenntnis wird Doerner am Ende dazu gebracht haben, seiner Vorlesung und seinem Buch über Maltechnik Ausführungen zur Restaurierung beizufügen, die für kommende Generationen prägend wirken sollen. Anfang 1919 stürzt sich Doerner in eine weitere Auseinandersetzung mit den Pinakotheken: Es geht um eine Kopie besagten Isenheimer Altars, der seit 20 Monaten im Depot der Pinakothek eingelagert ist.83 Ein Mitarbeiter der Pinakothek, der Kunsthistoriker Rudolf Oldenbourg84, sieht allerdings die Zeit der Kopien als endgültig vorbei und spricht sich für eine Reproduktion auf photographischer Basis aus. Oldenbourg mag dabei an Gräffs Fähigkeiten als Photograph und seine frühen Versuche mit der Farbphotographie gedacht haben. Was lag also näher als eine photographische Wiedergabe und in der Folge den Verzicht auf eine malerische Kopie des Isenheimer Altars?85 Diese Entwicklung muß Doerner im Mark treffen, und zwar nicht nur, weil er wohl seit November als Kopist für diesen Altar im Gespräch ist; sie trifft auch seine Ehre als Maler.86 Das in den Augen Doerners „vernichtende Urteil über Kopien im Allgemeinen und die des Isenheimer Altars im Besonderen bedeutet eine so schwere Herabsetzung und Schädigung der Kopien (und natürlich auch der Kopisten)“, daß er eine weitere Front eröffnet.87 Zuerst jedoch nimmt Doerner davon Abstand, den Kopistenauftrag anzunehmen.88 89

Auch wenn sich Doerner also immer wieder in Sachfragen mit den Pinakotheken überwirft, tragen zur gleichen Zeit seine Bemühungen um Restaurierungsfragen erste Früchte: Walter Gräff wendet sich im Auftrag der Pinakotheken an die Akademie und nimmt sich dabei der oben beschriebenen, fünften Forderung Doerners, an. Ein von Gräff verbreiteter Fragebogen soll Auskünfte über Material und Technik zu angekauften Werken einholen. In einem Aufsatz, dessen „Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht“ war, äußert sich Gräff über „Bildererhaltung durch Gesundung der Maltechnik“. Er führt dabei immer wieder beobachtete Schäden auf technische Fehler zurück und konstatiert, daß uns „ein Gang durch die Museen neuerer Malerei, ja sogar schon durch die großen Kunstausstellungen […] ähnliche Beobachtungen machen [läßt …] Besonders die Vertreter der modernen Malweisen, die vielfach ohne gediegene Vorkenntnisse vom Handwerk ihre Kunst betreiben“ seien trotz aller Bemühungen der Gesellschaft für rationelle Malverfahren, der Akademien oder einzelner Lehrer um die „Gesundung der Technik“ dieser Gefahr ausgesetzt. Daher trügen „viele Bilder schon von Anfang an den Keim baldigen Verfalls in sich“. Auch wenn sich Museen heute um die „Gesundhaltung ihres Inhalts“ bemühten, Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen angestellt würden,89 „erfahrene Fachmänner von Weltruf“ die Bestände betreuten und alles zur Verbesserung der Räumlichkeiten getan werde, sei der Verfall insbesondere moderner Kunst nicht aufzuhalten. Da Gräff in der „Gesundung der Maltechnik“ eine Aufgabe des Staates sieht, man jedoch über die Ursachen zu wenig wisse, schlägt er den erwähnten Fragebogen vor, mit dem insbesondere bei Neuankäufen „alle diese handwerklichen Vorgänge“ erfaßt werden sollten.90 Der von Gräff entwickelte Fragebogen scheint bereits mit anderen Sammlungen abgestimmt, eine Übernahme durch weitere Häuser wird in Aussicht gestellt.91 Der moderne Ansatz Gräffs – durchaus mit heutigen Künstlerinterviews zu vergleichen – erstreckt sich in gleicher Weise auf seine Auffassung, daß Restaurieren nicht nur eine Ausbildung als Maler voraussetze, sondern daß das „Restaurieren gründlich“ zu erlernen 90

sei. In seiner Sicht hätten die Malerrestauratoren ebenso wie die „Malerdirektoren […] gründlich abgewirtschaftet“.92 Gräffs Versuche allerdings, Doerner zur Zusammenarbeit zu bewegen,93 werden von diesem mit wenig Sympathie, ja mit Angriffen beantwortet,94 meint dieser doch, Gräff hätte einen von ihm selbst, Ende 1918 der Restaurierungskommission vorgelegten Fragebogen als Vorlage für seinen Fragebogen genommen.95 Zudem spürt Doerner, daß die Nähe zwischen Eibner und Gräff in diesen Monaten wächst. Eibner sieht für sich die „Episode Wasserbehandlung“ für abgeschlossen, auch wenn Gräff „sie nun wieder aufgegriffen“ habe.96 Gräff wiederum entwickelt sich zum Hauptwidersacher Doerners, vertritt er doch den Standpunkt, daß „weder Wissensch[aft] noch Kunst etwas in Restaur[ierungs]fragen zu sagen haben, sondern einzig und alleine die berufenen fachgemäss geschulten (4) Restaur[atoren] der Pin[akothek]“.97 Diese Position muß Doerner grundlegend mißhagt haben, würden doch so die Waschungen und die Anwendungen Abb. 14 | Doerners „Malmaterial“ von 1921 von Phoebus – auf diese beiden Punkte läuft es immer wieder hinaus – außerhalb seines Einflusses liegen. In diesen Monaten muß Doerner intensiv an der Erstauflage seines Buches „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ (Abb. 14) gearbeitet haben.98 Zur gleichen Zeit berät er den Maler Julius Diez* bei dessen Schwierigkeiten mit Oskar von Miller – dem Auftraggeber des von Diez in Kasein ausgeführten Deckengemäldes im Ehrensaal des Deutschen Mu-

seums99 – oder unterstützt seinen Freund Franz Pallenberg* aus Rom, dem er bei maltechnischen Problemen aushilft und dem er auch über seine Konflikte mit den Pinakotheken berichtet.100 Gerade der letztere Kontakt belegt, daß Doerners Rolle doppelgesichtig bleibt: Während er weiter in der Alten Pinakothek Belege und Zeugen für mißlungene Restaurierungen und die von ihm bemängelten Waschungen sammelt,101 wird er im Zusammenhang mit einem Ankauf von Werken Marées aus dem Eigentum Pallenbergs vertrauensvoll hinzugezogen.102 Es verwundert deshalb wenig, daß Doerner über seinen Verleger erfährt, daß er in den Pinakotheken „als sehr difficil zu behandelnder Mensch“ gilt. Dies nötigt ihn zu einer erneuten Attacke, diesmal gegen den angesehenen Kunsthistoriker bei den Pinakotheken, August Liebmann Mayer.103 Kurz: Es ist eine unendliche Abfolge von Angriffen, Entschuldigungen, Verletzungen und Klarstellungen. Diese Beobachtung gilt nicht nur in Bezug auf die Pinakotheken, sondern in ähnlicher Weise auch für das Landesamt für Denkmalpflege, wo Doerner seine Grundsätze umgesetzt sehen will. Zwar würde dort im Gegensatz zu den Pinakotheken seit Jahren konservierend vorgegangen, jedoch sollten „restauratorisch ausgebildete Künstler“ an die Stelle von Firmen treten und die Vergabe der Aufträge nach Maßgabe des Denkmalamtes erfolgen, gleich wer die Finanzierung übernehme. Die Kritik am Landesamt entzündet sich an den hochromanischen Wandmalereien in der ehemaligen Benediktinerabtei Prüfening (Regensburg), die Doerner durch die Maßnahmen des Landesamtes als „vernichtet“ ansieht. Handschriftliche Entwürfe belegen, daß Doerner auch in dieser Auseinandersetzung tonangebend ist und dem Arbeitsausschuß der bildenden Künstler Münchens seine Stimme verleiht.104 Ab 1921 entwickelt Doerner vor allem durch sein Buch eine weit über München hinausreichende Bedeutung, ja er rückt ins Bewußtsein wohl der meisten praktizierenden Künstler in Deutschland wie auch im deutschsprachigen Ausland. Überall findet sein Werk Auf92

merksamkeit: Doerners langjähriger Freund, Ernst Würtenberger*, streicht in seiner Buchbesprechung in der Neuen Zürcher Zeitung heraus, daß das Studium historischer Malertraktate wie Cennini oder des Malerbuchs vom Berg Athos für den praktizierenden Künstler mühsam sei und der Gewinn für die Technik gering. In diese Lücke stoße nun Doerner mit seinem Buch, in dem er die Maltechnik der alten Meister – van Eyck, Tizian, Rubens, Greco, Rembrandt und Vermeer – „erörtert und darstellt und uns absolut zuverlässige Handhaben gibt, ähnliche, wenn nicht gleiche technische Resultate zu erzielen […] Es sind vor allem die sogenannte Mischtechnik der Flamen und Altdeutschen (Tempera in Verbindung mit Harzöllasuren und das abgekürzte Untermalungsverfahren von Rubens (Harzölfarbenmalerei)“, die „spielend Wirkungen [erzielten], die [der Künstler] sonst vergeblich zu erreichen versucht hatte.“ Wir werden noch im Zusammenhang mit einer Äußerung Wehltes darauf zurückkommen, jedoch wendet sich auch Würtenberger in seiner Besprechung gegen die Primamalerei der „letzten dreißig Jahre“, ja man sei der „Fapresto-Malerei [Schnellmalerei] des Impressionismus müde, vor allem müde der flüchtigen Skizzistik, der geistreichen Naturabschrift.“105 Doerner wird diese ablehnende Wertung des Impressionismus 1922 kaum geteilt haben, preist er doch auf seiner holländischen Reise die Qualität eines Gemäldes von Cuyp „wegen seiner großen malerischen, fast impressionistischen Auffassung.“106 Kennt man dagegen Würtenbergers Entwicklung dieser Jahre, kennt seine traditionalistische Bildauffassung, erscheint der Schritt zu einem ausgesprochenen Antiimpressionismus nur noch ein kleiner. Würtenberger kann als ein Sprachrohr einer breiten Künstlerschaft gesehen werden, die den Entwicklungen der Moderne voller Skepsis gegenüberstehen. Diese Auseinandersetzung schlägt sich nirgendwo in den Schriften Doerners nieder, in denen alle Umwälzungen seit 1910 unbeachtet bleiben. Den Angriffen Doerners auf die Pinakotheken geht Anfang 1922 eine weitere Kränkung voraus, die im Zusammenhang mit der Neu93

besetzung der Restaurierungskommission steht. Handschriftliche Vermerke Doerners im Nachlaß künden davon, daß entgegen seinen geheimen Erwartungen nicht er, sondern der Künstler Leo Samberger als Nachfolger des 1920 verstorbenen Friedrich August von Kaulbach107 in die Restaurierungskommission nachrückt.108 Man vertröstet ihn auf die Tatsache, daß er stellvertretendes Mitglied sei, Doerner jedoch sieht Restaurierungsfragen nicht in den Händen von Künstlern. „Gegenteil[ige] Meinungen mü[ßt]en vor wicht[igen] Arbeiten auch gehört werden“, ja „Bilder [seien] Allgemeingut“. 109 Anfang Mai 1924 brechen alte Fronten wieder auf: Ein auf Antrag Dörnhöffers gegen Doerner eingeleitetes Disziplinarverfahren will dieser mit einer Klage vor Gericht beantworten. Die Auseinandersetzung kulminiert in einer Weise, mit der Doerner wohl kaum gerechnet hat: Er wird gezwungen, in Gegenwart eines Ministerialbeamten und Dörnhöffers den Großteil seiner Behauptungen „mit lebhaftem Bedauern“ zurückzunehmen und seinen Widerruf auch zu veröffentlichen. In dem von Doerner handschriftlich geänderten und von deutlichem Druck zeugenden Widerruf wird allerdings betont, daß es Doerner nur darum gegangen sei, „wissenschaftliche Grundlagen in der Art des Pettenkoferischen Regenerierungsverfahrens für den gesamten Restaurierungsbetrieb anzustreben“.110 Doerners handschriftliche Notizen zeugen von seiner schwierigen Lage, von ungebrochener Entschlossenheit, Zorn, aber auch von Verständigungswillen. So notiert er: „Wollte Gott es käme zu einer Verständigung dass alle Kreise mitarbeiten dürfen [/] Bin lebender Mittelpunkt“, und: „Ich stehe felsenfest ein für mein[e] Überzeug[ung] [/] ich bin bereit alle Konsequenz[en] zu tragen und werde nie erlahmen, bis zum letzten Augenblick einzutreten für die Verbesserung der Technik.“111 Der Anfang Juli 1924 erlassene Disziplinarbescheid gegen Doerner spricht eine deutliche Sprache: „So wenig den Beamten [also auch Doerner] das Recht der freien Meinungsäußerung und im beson94

deren das Recht freimütiger Kritik in künstlerischen oder wissenschaftlichen Fragen beeinträchtigt werden kann und soll, so muß doch erwartet werden, daß der Beamte – und auch der Künstler als Akademieprofessor ist Beamter – die Grenzlinien einhält, die sich aus seiner dienstlichen Stellung und der pflichtmäßigen Rücksicht auf sein Amt ergeben. Professor Doerner hat diese Grenzlinien schon in seinem ersten Aufsatz112 überschritten, indem er weit über das Maß ruhiger, rein sachlicher Beurteilung hinaus die reiflich erwogene und mit größter Sorgfalt durchgeführte Arbeit einer staatlichen Behörde, der Direktion der Staatsgemäldesammlungen, in gehässiger und irreführender Weise vor der Öffentlichkeit herabgesetzt hat.“ Doerners Anwürfe, “die Herren [lies die Pinakotheken] werden weiterarbeiten, abgeschlossen in Vollkommenheit, weiter werden Bilder verschimmeln…!”, „daß den Herren die Gefährlichkeit des Mittels bekannt sei, daß sie es aber trotzdem verwenden“ und daß die Bilder „weiter mit Phöbus beschmiert werden“, führen zu einem klaren Urteil: Das Ministerium spricht Doerners „Übertreibungen, Verschweigungen und Entstellungen“, seiner „Kampfesweise“ und „Wühlerarbeit“ seine „äußerste Mißbilligung“ aus.113 Doerner aber gibt nicht auf, sondern sucht ihm zu Ohren gekommenen Verfehlungen der Restaurierungswerkstatt der Alten Pinakothek nachzugehen, um die Aussagen Dörnhöffers zu erschüttern.114 Er schaltet sogar einen Anwalt ein, der ihn später auch in seinem Rechtsstreit gegen seinen jüdischen Verleger Benjamin Harz vertreten wird. Doch um seine Sache steht es schlecht: Am 28.10.1924 wird eine „Ministerialentschliessung“ vor der versammelten Professorenschaft der Akademie verlesen. Sie macht Doerners Niederlage in seinen Auseinandersetzungen mit der Pinakothek öffentlich: Weder eine großflächige Beschädigung und Übermalung auf der „Helene Fourment“ noch die von Doerner unterstellte private Tätigkeit der Restauratoren, weder die behaupteten Absplitterungen durch Waschungen an Dürers „Paulus“115 noch Beleidigungen der Person Doer­ ners durch Dörnhöffer und Kinkelin entsprächen der Wahrheit.116 95

Der erneute Versuch einer Klarstellung und Doerners Ansinnen, auch noch den Akademiepräsidenten zu seiner Entlastung in diese und andere Restaurierungsangelegenheiten hineinzuziehen, münden im Februar 1925 in eine offizielle Beschwerde Doerners gegen Dörnhöffer und den Restaurator Kinkelin, die „sich nicht scheuten, die gröbsten Beleidigungen wie Lügner, Schwindler [letzten drei Wörter von Doerner gestrichen], bei der Verhandlung im Ministerium zu Unrecht gegen mich [Doerner] zu gebrauchen.“117 Dies bringt das Faß zum Überlaufen: In einer unmißverständlichen Stellungnahme zieht das Ministerium im Januar 1927 – so lange schleppt sich die Angelegenheit noch hin – einen Schlußstrich unter die Affäre. Keiner der von Doerner behaupteten und über die Presse verbreiteten Punkte habe sich als wahr entpuppt. Die dabei getroffene Beurteilung von Doerners Verhalten als „leichtfertig“ sei in Anbetracht der Fehleinschätzungen Doerners als fast gnädig zu bezeichnen. Hätte Doerner als Beamter seiner Sorgfaltspflicht Genüge getan und die ihm hintertragenen angeblichen Fakten kritisch hinterfragt, wäre er zu einem anderen Schluß gekommen. Einzig Doerners Stellung als Akademieprofessor und seine im Hinblick auf die Bewahrung der Bilder gutwilligen Absichten habe ihn vor einem Disziplinarverfahren bewahrt. Doerner habe sich allerdings „in der Wahl der Mittel in unentschuldbarer Weise vergriffen“.118 Doch Doerners Kritik zeigt Konsequenzen, spricht sich doch das Kollegium der Akademie in einer gesonderten Sitzung für eine Neuregelung im Bereich der „Conservierung und Restaurierung“ der „unschätzbaren Kunstwerke in unseren öffentlichen Sammlungen“ aus. Die Akademie sieht sich hierbei in der Pflicht, die „im Bereiche der Kunstpflege gestellte Aufgabe“ wahrzunehmen. Hierzu gehöre auch die „von der Regierung zu berufende Kommission“, der „geeignete Mitglieder der Akademie und der freien Künstlerschaft“ angehören sollten und die „die fortlaufende Kontrolle und Begutachtung des Arbeitsganges in [von Doerner ersetzt durch: während] der Restaurierung“ wahrnehme. In die bereits bestehende Kommis96

sion solle ein Vertreter der „Farben-Chemie und -Physik“ und ein Vertreter der „Maltechnik und Malmaterialienkunde“ aufgenommen werden, im Gespräch waren – wen wundert es in Anbetracht dieser Formulierung – Eibner und Doerner. Festgehalten wird, daß „Restaurierungen auf das allernotwendigste beschränkt werden sollen“. Übermalungen sollen nur dort abgenommen werden, wo dies das Original nicht schädigt, Fehlstellen nicht malerisch ergänzt, sondern „immer nachweisbar [von Doerner ersetzt: ohne Weiteres erkennbar] bleiben.“ Bei „dieser sehr reduzierten Restaurierungsmethode“ sollen selbstangeriebene Farben eingesetzt und auf Handelsware verzichtet werden, um allseits bekannte „chemische und physikalische Veränderungen“ zu vermeiden. Diese aus heutiger Sicht modernen und für die Zukunft bestimmenden Prinzipien „sollen nicht nur auf Galeriewerke, sondern auch auf Werke der Wandmalerei, der Plastik und der Baukunst [letzteres von Doerner gestrichen]“ Anwendung finden.119 Wie sehr Doerner die Auseinandersetzungen umtreiben, davon zeugen die folgenden Notizen in seinem Nachlaß: „Ich habe mich jahrelang bemüht, mit der Pinak[othek] ins Einvernehmen zu kommen [/] Fall Isenheimer Altar [unterstrichen] Fall Gräff [unterstrichen]. [/] Restaur[ierungs]kommission – Gerechtigkeitsgefühl [/] habe nie Alles widerrufen, habe erklärt Unrichtiges zu widerrufen [/] Fall Wagner Betrug [/] Fall Striedinger – Kozel – Bleecker [/] Befangenheit des Vorsitzenden [/] Äußerungen. [/] Charact[er] d[es] ganzen Menschen, wie in tiefster Seele zurecht [/] hingestellt als Lügner, kein Schutz vor gröbl[ichen] Beleidigungen [/]“.120 Verständigungsversuche und immer neue Brüche sollen Doerner auch später begleiten: so 1931, als er, Eibner und Urban in einem Akt „offizielle[r] Versöhnung“ aufeinander zugehen. Wie Doerner dem Justitiar der Akademie, Josef Bernhart*, berichtet, hatten bereits Eibner und er „schon vor einiger Zeit ein Schriftstück unterschrieben, wonach alle persönlich aufzufassenden früheren Veröffentlichungen als nicht geschehen betrachtet werden sollten im Interesse gemeinsam wie97

der aufzunehmender Arbeit in der D[eutschen] G[esellschaft] und in den Ausschüssen des Polyt[echnischen] Vereins.“ Eine ähnliche Einigung wird zwischen Urban, Eibner und Doerner unter Zeugen, darunter Hans Schmid und Czerny, erzielt. Wie schwierig solche Versöhnungsversuche waren, zeigt der Umstand, daß Eibner unmittelbar nach Unterzeichnung – so berichtet Doerner – eine neue Behauptung „aufs Tapet“ bringt, die Doerner nur mit Hilfe von Gräff, dem Farbenhersteller Düll und dem Restaurator Panzerbieter widerlegen kann.121 Gegen Ende seines Lebens nimmt Doerners Auseinandersetzung mit seinen Rivalen Eibner oder Ostwald fast manische Züge an. Seine Gedanken drehen sich in beständiger Wiederholung um alte Feindbilder. Doerners „Kampf“ – wie er es nennen würde – nimmt so einen existentiellen Zug an. Nur selten gelingt es ihm noch, seine Haltung in ähnlicher Klarheit – wenngleich versehen mit antisemitischen Stereotypen („jüdischer Kunsthandel“) – zu formulieren, wie in seinem 1933 geschriebenen Appell an die Akademie, die durch ihn vertretene Auffassung einer „Konservierung statt Restaurierung“ und alle damit verbundenen Überlegungen an sämtlichen staatlichen Stellen durchzusetzen.122 MONUMENTALE WANDMALEREI Findet der Konflikt Doerners mit den Pinakotheken Mitte der 1920er Jahre zumindest äußerlich ein vorläufiges Ende, bahnen sich neue Auseinandersetzungen an: Diesmal geht es im Kern um einen Richtungskampf zwischen Ölmalerei und Enkaustik. Da sich die Ölmalerei für Außenwände kaum eignet, greift man in einer „nach monumentaler Wandmalerei strebenden Zeit“ auf unterschiedlichste Formen der Wachsmalerei zurück.123 Doerner setzt sich dabei vor allem mit der Enkaustik des Münchner Priesters und Kirchenmalers Hans Schmid* (Abb. 15) auseinander. Er tut dies anfangs mit Offenheit und Neugier – ist Wandmalerei doch sein Thema an der Akademie, wessen Urteil sollte hier schwerer wiegen als 98

seines? –, dann notgedrungen, am Ende widerstrebend und in offener Feindschaft. Es ist hier nicht der Ort, die weitreichende Thematik der Enkaustik und der zahlreichen Bemühungen um eine Wiederbelebung dieser antiken Technik für die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts auszubreiten.124 Gleich ob „al fresko, enkaustisch oder stereochrom“, schmücken Abb. 15 | Hans Schmid, „Selbstbildnis“, monumentale Wandmalereien 1936 wie in kaum einer anderen deut­ schen Stadt die Anmutung Münchens.125 Allfällige Schäden an Arbeiten im Außenraum fachen aber zugleich eine lebhafte Diskussion um die richtige Technik an: Die dabei von manchen favorisierte Enkaustik ist mit Namen wie Franz Xaver Fernbach,126 Ernst Berger oder eben Hans Schmid verbunden. Der Kreis weitet sich erneut ab Mitte der 1920er Jahre um Unterstützer und Kritiker wie Eibner, Urban, Wehlte, Würth127 und vor allem Doerner. Schmids Versuche, die von ihm entwickelte Technik in die Öffentlichkeit zu tragen und kommerziell zu verwerten,128 treiben die Letztgenannten in immer neue Auseinandersetzungen. Der Frontverlauf ist dabei nicht klar: So werden Versuche Würths, Doerner zu einer Allianz gegen Eibner zu bewegen,129 von Doerner überraschenderweise distanziert beantwortet,130 – was sicherlich eher an der Person Würths als an Doerners bekanntermaßen brüchigen Wertschätzung Eibners liegt. Der Streit um die Enkaustik erfaßt zunehmend alle maltechnischen Kreise und reicht bis in die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren hinein. Auch wenn Doerner in dieser Ehrenmitglied ist und im Vorstand sitzt, scheint sein Wort wenig zu wiegen, denn die Gesellschaft stellt sich 99

hinter Schmid.131 Die Unterstützung Eibners für Schmid hält viele Jahre,132 und Schmid beruft sich im Gegenzug auf die grundlegenden Ausführungen Eibners zur Rolle von Wachs auf Gemälden und für die Steinkonservierung.133 Dabei scheint die Untersuchungslage dünn: Eibner selbst hat 1912 eine einzige historische Probe von einer „Zinnoberwand“ in Pompei auf Wachs hin untersucht.134 Später folgen Untersuchungen an dorischen Tempeln aus einem Museum in Athen und Proben aus altägyptischen Gräbern der Glyptothek, wo Eibner auch überall Wachs gefunden haben will.135 Schmid dagegen bemüht historische Belege für die Nutzung von Wachs in Kombination mit Einbrenn- oder Einschmelztechniken: Ihm geht es um eine quellengestützte Rekonstruktion der antiken Enkaustik zu kommerziellen Zwecken. Daß er sich bei seinen praktischen Versuchen elektrischer Wärmequellen, einer „durch Widerstände regulierbaren Heizpalette [, …] einer verbesserten Lötlampe oder wiederum elektrisch geheizte[r] Instrumente“ sowie eines „elektrisch gewärmten Pinsels“ bedient, schafft dann die „moderne Enkaustik“, die er als solche in mehreren Patenten zu schützen sucht und auch propagiert.136 Er tut dies so engagiert, daß ihn die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren gar zu ihrem Ehrenmitglied macht.137 Auch Eibner setzt sich unbeirrt und unter Bezug auf Versuche Urbans für die „moderne Enkaustik“ Schmids ein,138 und auch der junge Wehlte hebt die Bedeutung der Arbeiten Schmids in seinem aufschlußreichen Rückblick auf die Expertentagung in Rom 1930 hervor. Wehlte bezieht sich hierbei ebenfalls auf Eibner, dem zwar die Untersuchungsmöglichkeiten für Bindemittel in weiten Strecken fehlten, der jedoch auf die außerordentliche, chemische Stabilität von Wachs hingewiesen habe.139 Kurz, man hofft, eine Technik wiederentdeckt zu haben, die „allen Anforderungen […] an Anstriche der modernen Großstadt“ gerecht werde140 und die farb- und witterungsbeständig zu sein verspricht. Selbst Doerner ordnet sich vorübergehend in die Reihe der Bewunderer Schmids ein: In Anbetracht der späteren Entwicklung sehr erstaunlich, begrüßt Doerner in Stellvertretung des Präsidenten der Akademie, 100

German Bestelmeyer*, Schmid 1931 zu einem Enkaustik-Kurs141 in der Akademie und preist ihn als „Wiederentdecker der antiken Enkaustik“, der sich „um die Maltechnik große Verdienste erworben habe“. Zugleich dankt er der Stadt München, daß diese die Versuche Schmids finanziell fördere. Die theoretische Einführung begleiten praktische Demonstrationen, denen ein gut gefüllter Hörsaal folgt, in dem zahlreiche Anhänger Schmids sitzen.142 Mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten steigt das öffentliche Interesse an monumentaler Wandmalerei, für die sich Schmid nach 30 Jahren seiner Versuchstätigkeit gut gerüstet sieht. Um sein Verfahren zu befördern, versichert sich der damals als Leiter eines kirchlichen Altersheimes tätige „Pg. Schmid“ – ein in der Sicht der zeitgenössischen Presse „katholischer Priester [… mit] vorbildlichem nationalsozialistischem Empfinden“ – ab 1933 immer wieder der Gunst der NSDAP und ihrer Exponenten im „Braunen Haus“. Vermutlich dank dieser Verbindungen wird ein von Schmid angeregter „Schlagetergedächtnisraum“143 in dem von ihm geleiteten Altersheim mit Wandbildern in Schmidscher Enkaustik-Technik ausgeführt.144 Allerdings trüben wirtschaftliche Schwierigkeiten den Erfolg: Die sein Verfahren nutzende Firma „Das Farbige Haus“145 und die Nachfolgefirma „Enkaustik-Gesellschaft Murr & Co“ machen Konkurs. Handwerkliche Fehler und ungelerntes Personal gefährden die reichsweite Durchsetzung der Schmidschen Enkaustik, die der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ haltbare Bilder der neuen Zeit verspricht. Der Schmidschen Enkaustik wird überwiegend hervorragende Haltbarkeit zugeschrieben, ja Schmid wird gerühmt, „nicht nur […] das Bild der echten antiken Enkaustik-Malerei“ rekonstruiert zu haben, sondern seine „Methode in einer für die Gegenwart verbindlichen und brauchbaren Form darzubieten“.146 Letztere Formulierung ruft den Leitspruch Doerners, die „Verfahren der Alten Meister auf moderne Malerei [zu] übertragen“ ins Gedächtnis, so daß seine tempo101

räre Begeisterung verständlich ist. Allerdings, und hier mag ein erster Vorbehalt Doerners gelegen haben, steht die im „Dritten Reich“ insbesondere für die Monumentalmalerei attraktive Technik Schmids nicht nur in Konkurrenz zu mit Keimschen Mineralfarben ausgeführten Wandmalereien, sondern auch zu den von Doerner gelehrten klassischen Freskotechniken. In den Augen Doerners hätten in „Kasein-Fresko“ ausgeführte Wandmalereien an „Tiroler, Oberbayr[ischen] Bauernhäusern Jahrhunderte gehalten“.147 Wie sich die noch neue Technik Schmids verhalten werde, sei dagegen unsicher. Doerner, von Natur aus vorsichtig, sieht so wenig Grund, die noch junge „moderne Enkaustik“ zu lehren. Ein zweiter Vorbehalt mag für ihn darin gelegen haben, daß sich die Vertreter der Schmidschen Enkaustik auf Berger berufen, der sich wiederum auf die antiken Schriften und dort auf Plinius bezieht. Vor allem ist es die Interpretation der Plinius-Stelle – „alieno parietibus genere“148 –, die Eibner und Schmid als Beweis für eine antike Wachsmalerei auf der Wand im Innen- wie im Außenbereich ansehen. Wie Doerner in einem Schreiben an seinen Freund Heinrich Ernst Kromer erwähnt, hätten sich schon Keim und Berger über diesen Punkt gestritten,149 und jetzt übernehme Eibner die Fehlinterpretation Bergers. Doerner, seiner Lateinkenntnisse nicht sicher, wendet sich sogar an Oberstudiendirektor Bodensteiner vom Maximilian-Gymnasium München, um die Passage richtig zu übersetzen. Er sieht sich in seiner Interpretation bestätigt, denn die Technik sei gerade für Wände ungebräuchlich. Doch gleich wie dieser Streit endet, in Doerners Augen geht es bei Malerei nie nur um Theorie: „Wichtiger als alle Zeugnisse alter Schriftsteller ist uns die practische Erprobung“.150 Nicht nur schließt Doerner Wachsfarben auf Wänden gänzlich aus, sondern seine eigenen Beobachtungen z. B. an der Münchner Residenz, am Augsburger Weberhaus151 oder in der Wasserburgerstraße152 lassen zunehmend Zweifel an der Eignung der Schmidschen Enkaustik im Außenraum aufkommen.153 Doerners Zeichnung des Portals der Aussegnungshalle am Nordfriedhof ist beredtes Zeugnis einer 102

intensiven Auseinandersetzung: Daß ihn sein Schüler und Kollege Adolf Ziegler dorthin am ersten Weihnachtsfeiertag 1934 begleitet, zeigt den Stellenwert, den die Auseinandersetzung besitzt.154 Sich häufende Meldungen über mangelhafte Haltbarkeit zwingen selbst Eibner, Abstand von Schmid nehmen.155 Doerner dagegen übt öffentlichen Widerspruch: Ob es Wandmalereien in Miesbach am Waitzingerbräu,156 an einem Strebepfeiler und einem Fenster an der Nordseite des Augsburger Doms, am Augsburger Rathaus157 oder an besagtem Weberhaus sind,158 überall beobachtet er Versprödungen und Nachdunklungen, das Abblättern ganzer Partien, ja den Totalverlust nach wenigen Jahren. Eine Entscheidung suchend, vermittelt Doerner dem Enkaustikforscher Schmid, wie sich dieser zwischenzeitlich bezeichnet, deshalb die Möglichkeit, im Sommer 1932 ein Musterfeld an der Akademie anzulegen, um so die Haltbarkeit unter den Augen der Professoren- und der Studentenschaft zu bezeugen. Doch bereits Anfang 1933 zeigen sich weißliche Trübungen, die Doerner als „crepierte Harze“ ansieht.159 Der Zustand der Musterfelder verschlechtert sich rasch: Schmid sucht die Ursachen in studentischer Sabotage, Doerner dagegen in den Zusätzen von Harzen oder Carnaubawachs und anderen „Geheimmitteln“ Schmids. Während die Akademie ihre Studenten vor der Schmidschen Enkaustik deshalb als zu wenig wetterbeständig warnt und eventuelle Interessenten auf Doerner verweist, „für dessen Unterricht […] von der Akademie die Apparate und einiges Material angeschafft“ wurden,160 während der Künstlerfarbenhersteller Neisch das „Enkaustik-Abenteuer“ nach einer Besichtigung der Musterflächen an der Akademie beendet, die Firma Flamuco dagegen noch weiter an Enkaustikstiften arbeitet,161 versucht Schmid immer noch, Doerner für seine Sache zu gewinnen. Er lädt ihn sogar in sein Atelier ein, wo die Künstler Cuno Amiet und Nils Adler Enkaustikbilder auf Innenwänden geschaffen hätten.162

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Nils Adler ist zum damaligen Zeitpunkt als Lehrer an der Nya Malarskolan, der Neuen Malschule, einer privaten Kunstschule in Stockholm tätig.163 Es ist jener Adler, der im Dezember 1932 ein „Enkaustisches Manifest“ verfaßt, das in Schmid den Begründer einer neuen, kommenden Kunst für das Volk feiert. So unerfreulich eine Auseinandersetzung mit diesem Manifest ist, so sehr führt es vor Augen, welch politischen Stellenwert die „moderne Enkaustik“ im Nationalsozialismus bekommen wird: „[…] Sehen wir den Weg, den die Lebensarbeit Hans Schmids uns neu erschloß. Finden wir uns zusammen in der Bodenständigkeit des Handwerks. Dann wird die Kunst als organischer Bestandteil des Ganzen neue Wurzeln im Leben des Volkes schlagen und von dort, bodenständig verankert, bluttief und echt den Weg ins Freie gehen können, – in die Welt […] Reicht Euch die Hände. Lernt Eure Sprache sprechen. Erobert die deutscheste Malweise, die Enkaustik. Schließt Euch zu Gilden zusammen, die auch dem Ärmsten von uns die Handhabung seines ureigensten Arbeitsmaterials ermöglichen. Prägt damit den Stil der Nation, der Zeit. Schenkt unserem deutschen Land eine deutsche Kunst. Deutschland ist das Herz der Welt. Von Deutschland ausgehend muß die Kunst der Völker neues Eigenleben erhalten […] Der Weg dahin ist hart. Die ewig Gestrigen bauen bereits die Barrikaden verlogener Reaktion. Wir werden sie nehmen. Ohne Übermut. In stolzer Demut. Denn unser ist der Glaube, unser ist die Zeit.“164 Eibner, der Adlers Manifest im Mai 1933 für einen Bericht in den Technischen Mitteilungen für Malerei übernimmt, fügt einzig an, daß diese Auffassung nur für die von Schmid „wiederentdeckte und verbesserte Einbrenntechnik auf vorgewärmtem normalem Malgrund gelte“ und immer wieder beobachtete Fehlschläge auf der Nichtbeachtung dieser Tatsache zu erklären wären.165 Eibner macht gleichwohl deutlich, daß man sich unter veränderten politischen Verhältnissen mit der „modernen Münchener Enkaustik“ jetzt am Ziel sehe. Er hält die „echte Enkaustik“ nach Schmid der „Wachslösetechnik“ wie auch der „Wachsemulsionstechnik“ Bergers weit überlegen. Man glaubt sich so am Ende einer 70jährigen 104

Entwicklung und sieht in der Schmidschen Enkaustik die „Malerei der Zukunft“.166 Diese Prognose muß Widerstand wecken: Allen voran bei Verfechtern der Keimschen Mineralfarben. Aus deren Umfeld oder gar aus der Keimschen Fabrik selbst gelangt eine Zuschrift an die Deutsche Malerzeitung, die sich auf das Weberhaus in Augsburg bezieht. Das Weberhaus galt schon Doerner als schlagender Beweis für die Überlegenheit der Keimschen Technik über die „moderne Enkaustik [oder] Wachseinbrenntechnik“. Allerdings scheinen zwei der drei Gemälde 1927 in Kaltenkaustik,167 also nicht in „moderner Enkaustik“ ausgeführt: Genau diese zwei sind 1933 weitgehend abgewittert, während sich das dritte, mit Keimschen Mineralfarben gemalte Wandfeld unverändert hält.168 Doerner geht auf derartige Einlassungen nicht ein, selbst eine positive Stellungnahme Eibners vom 30.09.1933 kann ihn nicht umstimmen. Ende des Jahres läßt er alle Punkte, die er je zur Schmidschen Enkaustik gesammelt hat, in ein ausführliches Gutachten einfließen. Doerners Kritik überzeugt, denn bei der Beratung des Gutachtens im Professorenkollegium verwendet sich keiner mehr für Schmid: Zwar wird eine Eignung der Technik für die Tafelmalerei nicht ausgeschlossen, jedoch für die Malerei im Freien aufgrund ihrer geringen Haltbarkeit abgelehnt. Vor allem jedoch wird eine weitere finanzielle Förderung abgelehnt, da Schmid vor allem kommerzielle Interessen verfolge.169 Schmid berührt diese Ablehnung wenig, er sucht andere Wege: Seine an die NSDAP-Parteizentrale im „Braunen Haus“, an Rudolf Heß als „Stellvertreter des Führers“ gerichtete Denkschrift fordert eine „vollständige Umgestaltung der deutschen Maltechnik“. Dieses Ansinnen muß nicht nur Doerner auf die Barrikaden bringen, verfolgt er doch ähnliche Ziele, Schmid wird gefährlicher Konkurrent. Vermutlich in enger Abstimmung mit Doerner lehnt diesmal Adolf Ziegler als „Sachberater für bildende Kunst des Stellvertreters des Fuehrers“ die Schmidsche Enkaustik unter Nennung der bekannten Negativ105

beispiele erneut ab. Vor allem weist er die Behauptung Schmids als schlichtweg unwahr zurück, daß weite Kreise der deutschen Künstlerschaft sich für die „Schmidsche Enkaustik jemals entscheiden“ würden. Die bemängelte Haltbarkeit führt Ziegler auf immer wieder neue Zusätze von Öl oder Harzen zurück. Schmids Enkaustik erscheint ihm darüber hinaus als wenig förderungswürdig, hätte sie doch „sehr erhebliche materielle Unterstuetzungen von der Regierung des alten Systems bezogen“.170 Ist der Fall damit erledigt? Das Drängen des Hauptamtes für Kommunalpolitik der NSDAP, eine weitere Eingabe Schmids an Heß vom November 1934171 aufs „peinlichste“ zu überprüfen, zwingt Ziegler schon wenige Wochen später zu einer erneuten Beschäftigung mit der Thematik.172 Schmids Versprechen, durch seine Technik „Tausenden von Künstlern und Arbeitern Arbeit, sowie für Deutschland neue Ausfuhrmöglichkeiten zu schaffen“,173 muß in Anbetracht des Künstlerprekariates Hoffnungen wecken. Doch nicht Doerner, sondern eine bislang nicht in unserem Zusammenhang in Erscheinung getretene „Gesellschaft für Kolloidstoffe“ lehnt das Verfahren ab und listet nicht weniger als 19 Objekte – darunter die bekannten –, an denen in Schmidscher Enkaustik bemalte Flächen „total abgewittert[,] fleckig und unansehnlich“ seien.174 Möglicherweise auf politischen Druck hin, nimmt Ziegler die Eingabe Schmids gleichwohl ausgesprochen ernst und versucht sich gegen Einwände zu wappnen, ja fragt beim Hochbauamt der Stadt München,175 bei Weggefährten Schmids,176 bei Regierungsbaumeister Richard Murr,177 beim Ministerium178 und der Schlösserverwaltung179 noch einmal an, um herauszufinden, was der Wahrheitsgehalt der Äußerungen Schmids sei. Erneut wird, dieses Mal aber durch die Reichskammer, bei Doerner ein Gutachten zum Einsatz der Schmidschen Enkaustik „als Steinschutz, als Wandanstrich außen und innen und in freier künstlerischer Verwendung für Leinwand“ angefordert.180 Das Gutachten ist nicht überliefert, doch war es ohne Zweifel kritisch und ablehnend. 106

Schmid gibt nicht auf und sucht auch noch Jahre später, 1937, Doerner für seine Technik zu gewinnen. Er wolle seine „langjährigen Erfahrungen [ihm] und [seinem] neugegründeten Institute zur Verfügung stellen“ und halte „eine gemeinsame Wegbereitung für die Weiterentwicklung unserer deutschen Kunst von höchster Wichtigkeit.“181 Eine Antwort Doerners auf dieses Angebot ist nicht überliefert, doch selbst der Glückwunsch Schmids zur Einweihung des Institutes wird ungelegen gekommen sein: Dem beigefügten Wunsch nach einer persönlichen Unterredung kommt Doerner nicht nach.182 Schmids Ersuchen an das Sicherheitshauptamt in Berlin um Zuschüsse wird nicht nur im Hinblick auf die fehlende „maltechnische Haltbarkeit“, sondern auch als „künstlerisch völlig belanglos“ abgelehnt.183 Stößt Schmid also in maltechnischen Kreisen auf anhaltende Ablehnung, findet er nach wie vor beim städtischen Kulturamt Münchens Förderung: Einer 1940 und somit kurz vor dem Tode Schmids ergangenen Einladung zu einer „Vorführung der Enkaustiktechnik“184 wird jedoch weder ein Mitglied der Akademie noch ein Mitarbeiter des Doerner-Institutes, hier Richard Jacobi, dem Ziegler einen Besuch freistellt, gefolgt sein.185 Aber damit greifen wir der Geschichte vor. DAS KÜNSTLERFARBENGESETZ I Aus Doerners Sicht bildet die Pinakothek eine Front, Schmids Enkaustik eine zweite, Eibner eine weitere. Wie bereits erwähnt, nehmen Ende 1921 die Pläne, ein Künstlerfarbengesetz zu erarbeiten, konkrete Gestalt an. Die Bemühungen um eine die Interessen des Künstlers wie auch der Industrie wahrnehmende Regelung geht auf Forderungen Keims aus dem Jahr 1884 zurück. Seine und die Arbeiten anderer Maltechniker zur Normalfarbenthematik können hier nicht Gegenstand sein,186 doch schon 1905 findet in München – dem damaligen Zentrum der Maltechnik in Deutschland – ein Kongreß zur Bekämpfung der Farben- und Materialfälschungen statt. 1906/1907 konstituiert sich dann in Nürnberg bzw. Hannover eine Kommission zur Bekämpfung von Mißständen in der 107

Herstellung, im Handel und in der Verarbeitung von Farben und Malmaterialien, die 1907 die sogenannte „Resolution Marr“, eine „Vereinbarung zwischen Fabrikanten und Verbrauchern“,187 zwischen Künstlerfarbenherstellern, Künstlern und Käufern beschließt. Nicht zuletzt vor den desaströsen Erfahrungen mit nur Jahrzehnte alten Gemälden müsse sich die Künstlerschaft der Erwartung der Öffentlichkeit stellen, „Werke von höchster Haltbarkeit herzustellen“. Soll dies gelingen, so sei es in den Augen des Maltechnikers Urban Sache des Staates, „dem Künstler Gelegenheit zu bieten, werkstattmäßig, wie in alten Zeiten, zu erlernen, wie seinen Schöpfungen die gewünschte Haltbarkeit zu erteilen ist.“ Denn die Erfolge und Mißerfolge von Künstlern wie dem maltechnisch sehr experimentierfreudigen „[Charles] Palmié“, ein heute weitgehend vergessener Künstler, wie „Leibl [oder] Böcklin, Sandreuter, Lenbach, Marées, Makart, Segantini oder Pidoll“ erzwängen eine verbesserte Unterweisung der Künstler in maltechnischen Fragen.188 Neben die Lehre der Maltechnik solle ein Farbengesetz treten. Dieses wird aus dem Umfeld Eibners und seiner Versuchsanstalt erwartet. Das Farbengesetz ist danach erst wieder 1921 auf der in München stattfindenden Farbentagung Gegenstand der Diskussion,189 und der unüberhörbare Ruf nach einer gesetzlichen Regelung manifestiert sich in einschlägigen Organen.190 Katalysiert wird diese Entwicklung durch ein Referat Wilhelm Ostwalds, der einleitend über „Wissenschaftliche und praktische Farbkunde“ spricht. Seine auf einer eigenen Farblehre basierenden Thesen schlagen hohe Wellen,191 ja er legt in Zusammenarbeit mit den Pelikan-Werken in Hannover sogar Tubenölfarben vor, die statt einer chemisch korrekten Bezeichnung nur noch die Nummer des Ostwaldschen Farbkreises tragen.192 Eine solche Entwicklung muß Doerners vehementen Widerspruch finden. Seine auch im Namen der Akademie193 ausgesprochene Kritik formuliert er in Presse, Vorträgen und Aufsätzen.194 Noch 1937 und nach dem Tode Ostwalds polemisiert Doerner gegen die „Sozialisierung des Farbsehens“, gegen die in 108

den Augen des Praktikers lächerliche Farborgel,195 gegen Ostwalds „Farbatlas“ mit seinen „hervorragend lichtunechten“ Farben und die verfehlten Bemühungen der Industrie um die Ostwaldfarben.196 Eibner verhält sich gegenüber dem angesehenen Nobelpreisträger wohlwollend, wieder andere, wie Günther Wagner von den PelikanWerken Hannover, entschließen sich gar, besagte Künstlerölfarben nach der Ostwaldschen Farbenlehre auf den Markt zu bringen. Doch sie finden geringen Zuspruch, und am Ende entschließen sich die Pelikan-Werke, den Protesten Rechnung zu tragen und die Ostwaldfarben wieder vom Markt zu nehmen.197 Autorisiert durch den Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands und empfohlen durch sein Buch „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ kommt Doerner nach 1921 eine maßgebliche Rolle bei der Erarbeitung eines Farbengesetzes zu.198 Einmal offiziell beauftragt,199 sucht Doerner sogar die Unterstützung Eibners.200 Das zuständige bayerische Ministerium wiederum bekräftigt den Willen der Versuchsanstalt, Doerner bei seinem Vorhaben zu unterstützen,201 und fordert Eibner explizit hierzu auf.202 Eibner dagegen – immer um ministerielle Anerkennung bemüht – faßt dies als Auftrag auf, in eigener Regie ein Farbengesetz vorzulegen. Dieses Mißverständnis wird sich in den folgenden Jahren zu einer der Hauptursachen für das Zerwürfnis zwischen Doerner und Eibner auswachsen, doch zunächst kann sich Eibner des Dankes Doerners sicher sein: Ist es doch Eibner, der die Ostwaldfarben analysiert und feststellt, daß sie aus „Teerfarben und anderen organischen Farben“ bestehen203 und damit lichtunecht sind, wie Doerner es formuliert. Wie seine Randmarkierungen vermuten lassen, muß Doerner zudem tiefe Genugtuung beim Lesen eines Artikels empfunden haben, indem die wissenschaftliche Grundlage der Ostwaldschen Lehre durch einen mit Farbtheorien offenkundig Vertrauten in den Technischen Mitteilungen erschüttert wird.204 Nicht zuletzt dieser Artikel gibt ihm den Impuls, mit einem „Schlußwort“, besser einem Machtwort, im Namen der deutschen Künstlerschaft die 109

Auseinandersetzung um Ostwalds Lehre zu beenden. Doerners Appell gegen die „Mechanisierung der Farbenempfindung“ und die „geschäftliche Ausmünzung solcher Lehre“ suchen Ostwalds Lehre den Todesstoß zu versetzen. In den Augen Doerners will die Künstlerschaft „endlich mal Ruhe haben“ vor der „anmutigen Verquickung von Wissenschaft und Geschäft“.205 Der auf diese Weise erstickte Konflikt mag Doerner die drängende Notwendigkeit eines Künstlerfarbengesetzes einmal mehr vor Augen geführt haben: Im März 1922 legt er einen sechsseitigen Entwurf für „Gesetzliche Schutzbestimmungen für Künstlerfarbmaterial“ vor.206 Eibner kommentiert diesen Entwurf in Ausführlichkeit, wobei er – wieder einmal – die gesamte Vorgeschichte aufrollt.207 Zentraler Punkt ist seine Ablehnung der „Normalfarbenskala“ und des von Trillich geplanten „Deutschen Farbenbuchs“.208 Eibner sieht ein Künstlerfarbengesetz, für das der Zeitpunkt ansonsten günstig sei, alleine in den Händen der Künstler.209 Sind sich Eibner und Doerner also einig? Schon wenige Wochen später ist die Atmosphäre zwischen beiden getrübt: Im Mai schreibt Eibner, daß er wenig Zeit habe und es sich wohl „jetzt um die Zusammenarbeitung Ihres Entwurfes mit meinem handelt“. Doerner notiert lakonisch auf Eibners Schreiben: „Der vorgeschlagenen Zusammenkunft am Montag 22. Mai konnte Prof[essor] Eibner nicht Folge leisten. Ich nicht seiner Anregung.“210 Ob Taktik oder nicht, Doerner überhäuft Eibner mit Vorschlägen: Eine gewisse Anspannung macht sich auf der Seite Eibners bemerkbar.211 Seinen Entwurf, den er Anfang September 1922 dem Ministerium vorlegt, solle Doerner von der maltechnischen Seite her ergänzen,212 Doerner sieht bei Eibner „den wissenschaftlichen […] Teil“,213 und auch Eibner äußert sich in dem Sinne, daß Maltechnik nur vom Künstler, nicht jedoch vom Wissenschaftler ausgeübt werden könne. Doch trotz dieser klaren Aufteilung bleibt die Beziehung angespannt: So befürchtet Eibner, der auf seine Überarbeitung keine Reaktion von Doerner bekommt, das Manuskript für das Farbengesetz sei auf dem Postweg nach Weß110

ling verloren, wo Doerner eine kleine Wohnung im Sanktjohanserhof unterhält. Doch selbst wenn es ankäme, gestehe er Doerner nur zu, den ihn betreffenden praktisch-maltechnischen Teil des Entwurfes zu besprechen. Selbst eine Terminfindung zwischen beiden wird schwierig, da „in der V[ersuchs] A[nstalt] der Vollbetrieb mit Einarbeitung eines neuen Assistenten und der Praktikanten begonnen [habe] und [er, Eibner] möchte, dass wir nicht gestört sind.“214 Doerners Arbeiten für das Farbengesetz scheinen umfassender zu sein, sind jedoch selbst dem Auftraggeber, dem Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands in Berlin, im Detail nicht bekannt: Irritationen über die Begleichung von Spesen durchziehen die Korrespondenz mit Berlin.215 Die Diskussion um das Farbengesetz zieht weite Kreise, weit über Doerner und Eibner hinaus: So bezieht Heinrich Trillich in den Technischen Mitteilungen Stellung, Doerner wiederum hält eine Erwiderung für unverzichtbar. Der Punkt „Farbenbuch und Farbengesetz“ wie auch „die Entwicklung der Ostwaldfrage“ wird deshalb auf die Tagesordnung der Sitzung der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren im Dezember 1922 gesetzt. Doerners Position, der sich aufgrund des Auftrags des Wirtschaftsverbandes als Vertreter der gesamten Künstlerschaft Deutschlands sieht, deckt sich dabei nicht mit der Trillichs. Vor allem scheint Doerner die Sache der Maler durch die Intervention der Gesellschaft gehindert zu sehen, die seit Jahrzehnten kein Farbengesetz zustande gebracht hätte. Prinzipiell erachtet Doerner die Pläne für ein Farbenbuch als „zu weit gespannt“. Er erfährt in seinen Bestrebungen, das Farbengesetz zwar mit Eibner, aber ohne die Gesellschaft zu formulieren, sogar ministerielle Unterstützung, auch wenn dort, in den Worten Doerners, eine „Einheitsfront mit der D[eutschen] G[esellschaft]“ gewünscht sei.216 Es kommt, wie es kommen muß: Eibner entwickelt eigene Ideen für das Farbengesetz, Doerner dagegen sieht die Verantwortung für einen Entwurf ausschließlich bei sich und die Rolle der Versuchs111

anstalt auf die Prüfung von Farbstoffen beschränkt.217 Doch trotz allem sind beide um ein geeintes Zeichen aus München bemüht: So besteht Übereinkunft, daß ein Künstlerfarbengesetz eher machbar wäre als ein allgemeines Farbengesetz,218 das auch „alle Strich- und Malfarben, ja auch […] die Druckfarben umfaßt“.219 Aus Doerners Sicht könne es „keiner […] uns verargen, wenn wir bis zu Schaffung eines solchen [allgemeinen Farben]Gesetzes, das heute noch in uferloser Ferne liegt[,] ein Notdach zimmern.“ Denn der Maler müsse schließlich „wissen, womit er arbeitet, sonst [könne] er unmöglich einstehen für die Haltbarkeit seines Werkes“.220 Voraussetzung für eine gesetzliche Regelung sei allerdings, daß die Landesregierung ihre Unterstützung zusage,221 der Wille von Maltechnikern wie Doer­ner oder der Deutschen Gesellschaft alleine sei hier nicht ausreichend.222 Anfang 1923 übermittelt Doerner Eibner seinen Entwurf, doch der Adressat zeigt Unsicherheit, wie er damit umgehen soll. Eibner sieht seine Anmerkungen, die er in dem Entwurf anbringt, als eine „nötige Ergänzung von der anderen autoritativen Seite“, ja vermutet durch die Zusammenarbeit mit Doerner die Position Münchens gestärkt. Im Gegensatz zu früher grenzt sich Eibner jetzt vorsichtig gegenüber den Positionen Ostwalds ab, die Haltung Doerners ist ihm natürlich bekannt.223 Alles scheint in Ordnung: Von der engen Zusammenarbeit in diesen Tagen zeugt ein umfassender Schriftverkehr, in dem es zumeist um fachliche Detailfragen Doerners geht, die Eibner mit Geduld und umgehend beantwortet.224 Im März 1923 treffen Doerner und Eibner offenkundig einvernehmlich Festlegungen für das Künstlerfarbengesetz: Diese reichen von der Bezeichnung als „Deutsches gesetzl[ich] geschütztes Künstlermaterial“ bis hin zu der Vereinbarung, daß billigere Studienfarben und Skizzenfarben „in Bezeichnung und Reinheit denselben [gesetzlichen] Bedingungen [unterliegen sollten], nur ist hier eine Streckung bis zu 35% zulässig, wenn sie im Preise zum Ausdruck kommt“.225 Beide kennen die Methoden der Künstlerfarbenhersteller, die Gewinnspannen zu 112

erhöhen: Stichworte wie „Reinheit, Stoffechtheit […] Stoffbezeichnung […] sowie […] Verwendungsechtheit“ begleiten deshalb einen intensiven Findungsprozeß, von dem Doerners Notizen zeugen.226 In ihnen wendet sich Doerner wieder – wir kennen dies schon aus den Auseinandersetzungen mit den Pinakotheken – gegen Phantasiebezeichnungen wie „Phöbus“ oder „Niederländischer Rubensfirnis“. Beiden ist klar, daß zwar die Forderungen von den beteiligten „Farbverbrauchern“ – den Künstlern – kommen müssen, daß es aber am Ende Aufgabe des Staates sei, ein Gesetz zu erlassen. Daß Eibner hierbei vor allem den bayerischen Staat in der Pflicht sieht, begrüßt Doerner lebhaft, da „man mit Fug und Recht von einem kulturellen bairischen Reservatrecht auf diesem Gebiete sprechen darf“.227 Das Künstlerfarbengesetz wird so zu einer Landesangelegenheit. Doch der Zeitpunkt eines erneuten Zerwürfnisses naht: Am 06.09.1923 legt Eibner seinen Entwurf für ein Künstlerfarbengesetz vor. Dies muß umgehend auf Doerners Protest stoßen: „Eibner überarbeitete fast ohne Änderung meinen Entwurf und sandte ihn zum Ministerium ein, obwohl er nur beauftragt war, mich zu unterstützen.“228 Doerner sehe sich deshalb gezwungen, eine separate Stellungnahme abzugeben, obgleich er „eigentlich die Absicht hatte, erst mit einem von wissenschaftlicher [also Eibner] wie praktischer [also seiner] Seite gemeinsam durchberatenen Entwurf hervorzutreten“. Er unterstreicht in seiner Stellungnahme, daß das Farbengesetz aus Machbarkeitsgründen auf die Künstlerfarbe zu beschränken sei, sei es Ölfarbe, Tempera, Pastell, Aquarell oder Wandmalerei. Doerner stellt dabei seine künstlerische Position gegen die durch Trillich vertretene der Fabrikanten. Er wendet sich gegen rein chemische wie auch Phantasiebezeichnungen, plädiert für die Beibehaltung bisheriger Benennungen („Chromoxydgrün feurig“), spricht sich gegen ein Schönen der Farben und nichtdeklarierte Zusätze aus, fordert eine Verkleinerung der Palette auf eine überschaubare Anzahl eingeführter Farben und sieht die Kontrolle neueingeführter Materialien bei Eibner und seiner Versuchsanstalt, keinesfalls jedoch bei 113

der Akademie. 229 Es würde deutlich mehr Raum verlangen, allen Details von Doerners Entwurf nachzugehen, doch was erstaunt, ist sein Wille, Geschlossenheit nach außen zu zeigen. Und doch ist es das von gegenseitigem Mißtrauen bestimmte Verhältnis zwischen Doerner und Eibner, das eine Verwirklichung der Pläne verhindert. Und es sind auf beiden Seiten das Ringen um Anerkennung und eine komplexe Persönlichkeit, die einen gemeinsamen Anlauf auf allen politischen Ebenen verhindern. Gerade dies erklärt, daß die 1920er Jahre kein Künstlerfarbengesetz sehen werden. Vielleicht um Ausgleich bemüht, verleiht die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren Eibner und Doerner am selben Tag, am 15.04.1926, die Ehrenmitgliedschaft. SPÄTE ANERKENNUNG 1929 hält Doerner auf der Farbentagung in München eine viel beachtete Rede, in der es um die „Sicherung des künstlerischen Farbmaterials“ geht.230 Von Doerner referierte Fehlentwicklungen auf dem Künstlerfarbenmarkt und Abb. 16 | Ernst Würtenberger, „Arnold seine Klagen über geschönte und Böcklin“, 1894 verfälschte Farben sowie den Einzug der Teerfarben auf die Palette zielen auf einen „Mangel [an] Vermittlung zwischen Farbchemiker und Maler“. Er erinnert seine Zuhörer an die bereits geschilderten jahrzehntelangen Bemühungen in dieser Hinsicht, die Forderung nach „Überwachung des Handelsmaterials“ auf dem 1. Farbenkongreß in München 1893, ja erwähnt seinen Besuch bei Böcklin (Abb. 16) in Florenz im selben Jahr, wo dieser in seinem Beisein

zwei Farbstoffe aus Paris als mit Teerfarben geschönt getestet habe. Zwangsläufig kommt er auf Ostwalds Versuche der „Sozialisierung des Farbsehens“ und dessen „Einbruch in die Sicherung unseres Farbmaterials […] durch seine ganz unhaltbaren Farbstoffe“ zu sprechen. Eibner, der sicherlich unter den Zuhörern weilt, bleibt bezeichnenderweise als Einziger unerwähnt, doch Doerner versäumt nicht anzumerken, daß „die Wissenschaft […] oft über mangelndes Interesse seitens der Maler [klage]. Vielleicht liegt es hier doch manchmal an der Art ihrer Einstellung gegen uns.“ Gleichwohl sieht sich Doerner der Deutschen Gesellschaft und deren Farbenbuch verpflichtet, meint dieses allerdings nur als eine Grundlage für ein kommendes Farbengesetz nutzen zu können.231 In einer überarbeiteten Fassung, die Doerner wenige Tage später erstellt, konkretisiert er den Konflikt zwischen Maler und Chemiker und merkt an, daß zwar „die Künstlerfarbenfabriken […] zweifellos den guten Willen [hätten] und deren Lieferanten[,] die Farbenfabriken[,] haben ihn sicher ebenso, aber es fehlt eine Vermittlungsstelle, die dem Farbenchemiker ausdeutschen würde, was der Maler haben muss. So reden Chemiker und Maler wie in fremden Sprachen zueinander und verstehen sich nicht.“232 Diese Zuspitzung ist umso interessanter, als sie den Kern für zukünftige Entwicklungen bildet: Nicht Eibner und seine Versuchsanstalt können Ausgangspunkt einer Einrichtung sein, die den Künstler bei seinen praktischen Problemen berät, sondern ein Maltechniker – die Rolle des Chemikers sei die eines Hilfswissenschaftlers. Diese Sichtweise teilen breite maltechnische Kreise, unter ihnen Wehlte: Er sieht nach Gesprächen mit den beiden Künstlern Max Slevogt wie auch Emil Orlik schon 1928 die „Notwendigkeit der Existenz einer maltechnischen Versuchsanstalt, aber nicht im Sinne Eibners“. In für spätere Jahre ungewöhnlicher Bescheidenheit berichtet Wehlte, daß „der in Forschungssachen sehr bewanderte Universitätsprofessor Plesch [Berlin] […] als Forderung eine Forschungs- und Lehrstelle [entwarf], die von einem Maltechniker geführt werden müsse, der Maler ist. Ihm zur Seite solle ein im gleichen Sinne geschulter Assistent stehen, auf dessen 115

exakte Beobachtungsgabe man sich verlassen kann und als zweiter Assistent (!) [unterstrichen] ein Chemiker mit guten Kenntnissen in der Kolloidlehre.“ Wie sehr Doerner diese Sichtweise behagt, läßt sich an der handschriftlichen – ja sogar doppelten – Unterstreichung des Wortes „Assistent“ ablesen. Daß Plesch dabei seinen politischen Einfluß in Sachsen geltend machen wolle, um auf die „bescheiden angefangene Einrichtung [Wehltes] in Dresden“ hinzuweisen, teilt Wehlte Doerner nur im Vertrauen, jedoch sicherlich mit Befriedigung mit.233 Zu diesem Zeitpunkt ahnt Doerner nicht, daß Wehlte, eine Generation jünger als er, konzeptionell stärker und zudem nach 1933 mit politischem Opportunismus agierend, die maßgebende Größe einer „deutschen“ Maltechnik werden sollte. Doch noch ist es nicht soweit: Doerners enorme Anerkennung, die er in weiten Künstlerkreisen erfährt, erklärt sich aus seiner Lehrtätigkeit und seinem Buch. Aus dem Ersten entsteht das Zweite: Abb. 17 | Max Doerners Vorlesungsmanuskript vom WS 1934/35

Doerners legendäre Vorlesungen, die an Hand einer Fülle praktischen Unterrichtsmaterials gestaltet waren, bilden die Grundlage für das 1921 erstmalig erschienene, außerordentlich erfolgreiche Buch „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“.234 Auch wenn die früheren Vorlesungsmanuskripte wohl als verloren gelten müssen, hat sich eine Kladde mit Vortragsnotizen zum Wintersemester 1934/35 erhalten.235 Die Notizen sind dem Thema „Grundierung“ gewidmet, umfassen jedoch weit mehr. Doerner umreißt eingangs in knappen Stichworten sein Vorlesungskonzept. Es solle um „Handwerk in der Kunst“ (Abb. 17) gehen, also nicht um geistige Dinge allein, wie es die „Literatur dem Künstler vormach[e], weil sie das Handwerk nicht verstehe“. Doerner bezieht sich dabei auf die alten Meister, namentlich Giotto, Leonardo, Dürer, Michelangelo, Böcklin, Marées, Reynolds und Rubens. Immer solle die „handwerkliche Tradition […] mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung“ in Übereinstimmung gebracht werden. Es gehe aber auch um die „VerAbb. 18 | Max Doerners Vorlesungsmanuskript vom WS 1934/35

antwortlichkeit des Künstlers für die Haltbarkeit seines Werkes“, wobei auch hier die alten Meister die „Lehrmeister“ seien. Doerner hebt hervor, daß die „freie Beherrschung des Werkstoffs notwendig [sei,] um höchste Möglichkeiten herauszuholen“, ja „nicht Zufallsergebnisse, sondern [der] feste Wille [sei es], der den Stoff meistert“. Seine Vorlesungen, fügt er hinzu, würden sich eng an die Praxis anlehnen. Es ginge dabei um den „Aufbau des Bildes von Grund auf“, wozu „verschiedene Techniken. Tempera[,] Öl[,] Aquarell[,] Pastell [und] Fresko“, aber auch „Restaurierung und Konservierung“ gehörten. Dabei dienten die „Techniken alter Meister als Beispiel [für das,] was hält“. Ihm ginge es dabei jedoch in keinem Fall darum, Kopisten zu erziehen. Diskussion und praktische Übungen, sowie vor allem der Unterricht in der Alten Pinakothek würden hierzu wesentlich beitragen. Der Nachsatz ist programmatisch: All dies sei „Forderung an den Künstler im III. Reich“. Mit dem handschriftlichen Zusatz „Aus Vergangenem und Gegenwärtigem baut sich die Zukunft auf“ (Abb. 18) bezieht sich Doerner explizit auf die „Rede des Führers 1933 [in] Nürnberg“.236 Bedauerlicherweise gibt es nur wenige Zeugnisse dafür, wie Doer­ ners legendäre Vorlesungen und praktische Übungen auf seine Schüler gewirkt haben. Überliefert ist jedoch, daß sie Studenten aus allen Klassen der Akademie, ja aus aller Herren Länder anziehen – unter ihnen besagter Daniel V. Thompson, der schreibt: “[Doerner] presented a great deal of material in an interesting way – again beautifully [unterstrichen] organized – these German lectures are like fruitcake!“237 Doerners „in Verehrung dankbar ergebener“238 Schüler Czerny beschreibt in seinem Nachruf, daß Doerners Vorlesungen in dem „über dem Treppenhaus der Münchener Akademie gelegenen großen Vortragssaal [stattgefunden hätten], in dem früher Kaulbach und Piloty ihre Riesenbilder gemalt hätten[. Dort] fanden sich an den Wänden, auf Gestellen und Staffeleien unzählige Demonstrationstafeln, Farbproben, Grundierungen, Kopien, und der Meister stand bei seinem Vortrag hinter zusammengerückten, mit 118

zahllosen Oelfläschchen bedeckten Tischen – eindrucksvoll für jeden, der seine Vorlesungen besuchte! […] Für den Hörer war sein Vortrag […] ein lebendiges Ereignis! Hinter seinem Platz an der Wand aber hing die Totenmaske von Professor Becker-Gundahl*, dem großen, viel zu wenig bekannten Münchener Künstler, mit dem ihn eine lange Bekanntschaft [und später] Freundschaft verbunden hat. Oft brach der Abend über dem Vortrag, der am Nachmittag stattfand, an; die Dämmerung hüllte den riesigen Raum ein, und schon damals ist manchem unter uns […] der Gedanke gekommen, daß dieser Vortrag, der doch ganz von materiellen Dingen handelte, nicht mehr von dieser Welt ist […] War der Vortrag beendet, so stellte [Doerner] sich den Fragen der Hörer. Wieviele Mißverständnisse traten da zutage und wie nett erhielten auch die unmöglichen Frager, sichtliche Anfänger oder Uebereifrige, ihren Bescheid!“239 Doerners Lehrtätigkeit wirkt nach: Unter den zahlreichen, ihr Leben lang Doerner zu Dank verpflichteten Hörern findet sich auch Bohuslav Slánský*, der 1929 bei Doerner Maltechnik und Restaurierung studiert, 1930 möglicherweise auf dessen Empfehlung an das Frans-Hals-Museum in Haarlem geht – Doerner war von der dortigen Restaurierungspraxis stark beeindruckt –, 240 dann 1947 die Restauratorenausbildung an der Akademie der bildenden Künste in Prag begründen und ein zweibändiges Werk über Maltechnik verfassen wird. Inmitten dieser Erfolge und der Beachtung, die sein Lebenswerk zunehmend findet, begeht Doerner am 01.04.1930 seinen 60sten Geburtstag. Hierzu gehen herzliche Glückwünsche voller Anerkennung aus der Hand von Carl von Marr,241 Fritz Behn*242 und Fritz Erler ein. Letzterer, nahezu gleich alt wie Doerner, fühlt sich diesem eng verbunden, hätten sie doch beide „durch lange Jahre den Münchener Weg gemacht, der uns nicht gerade immer mit Blumen bestreut wurde, sondern öfters auch mit erheblichen Knüppeln“.243 Doerners Dankesbrief an seinen Freund Würtenberger zieht eine ähnliche Bilanz. Es gab also etwas zu feiern und ein von Anton Marxmüller* entworfenes Plakat lädt zu einem „Doernerabend“ ein.244 119

In den nächsten Jahren dringt Doerners Expertise auch nach Übersee. Im Sommer 1933 folgt der Maler Eugen Neuhaus* (Abb. 19) seiner Einladung, in Weßling letzte Hand an die Übersetzung von Doerners Buch ins Englische zu legen. Neuhaus muß diesen Aufenthalt sehr genossen haben, denn er schreibt: „The delightful days spent in the primitive environment of a small and picturesque village are among the most pleasant memories of my visit […] There in the cool shade of the beech forests of the Bavarian Uplands Professor Doerner and I discussed Abb. 19 | Eugen Neuhaus im Böhmerwald every phrase of his book. In the evening several of his colleagues would join our conversation at the wooden tables under the great chestnut trees in front of the village inn. Later in autumn, when his duties at the Academy called Professor Doerner back to Munich, these friendly informal gatherings were continued in one of the many typical Munich settings where painters meet in the evening to discuss their mutual problems over a stein of beer.”245 Neuhaus sucht Doerner also nicht nur in Weßling auf, sondern folgt ihm auch nach München an den Stammtisch im Regensburger Hof. Dort mag er viele von Doerners Freunden und Schülern kennengelernt haben, darunter Roth und Neufang. Neuhaus stützt sich mit seiner Übersetzung246 auf die vierte Ausgabe, die im Mai 1933 erschienen war.247 Der Kontakt zu Neuhaus reißt nach diesem, von beiden Seiten als befruchtend empfundenen Besuch nicht ab, der letzte Austausch ist für Januar 1938 belegt.248 Die Qualität der Übersetzung 120

werden weder Doerner noch Roth beurteilt haben können: Ein nie beantwortetes Schreiben des Zoologen und Hobbymalers Thomas Alan Stephenson mit zahlreichen praktischen Fragen u. a. zu Produkten von Winsor & Newton endet mit dem Hinweis, daß „in the English translation [also in Neuhaus Übersetzung], the meaning is not always perfectly clear“.249 Zu Doerners Tätigkeit in der Lehre kennen wir nur wenige Darstellungen, Ausnahme stellt der Besuch eines gewissen Peter Breuer250 in der Freskoübung Doerners dar. Zeugnisse dieser Art werden vermutlich selten bleiben, war doch Doerner „das Malen […] an der Akademie mit Ausnahme bescheidener Freskoübungen nicht gestattet“.251 Breuers im Rahmen der Reihe „Von Münchener Künstlern und ihrem Schaffen“ publizierter Beitrag erscheint zum ersten Mal 1932 in der Bayerischen Staatszeitung.252 Der Artikel wird nach 1933 wohl ein zweites Mal im Völkischen Beobachter gedruckt und 1937 in einen Sammelband zu „Münchner Künstlerköpfen“ anläßlich des „Tages der Deutschen Kunst“ aufgenommen.253 Der Beitrag Breuers erlaubt nicht nur einen Blick in die maltechnische Praxis, sondern belegt zugleich, wie grundlegend sich die Zeiten nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten geändert haben. Bereits die Tatsache, daß ein Artikel über Doerner 1937 für diesen, mit einem Geleitwort von Adolf Wagner – NSDAP-Gauleiter für München und Nürnberg – versehenen Band ausgewählt wird, zeigt nicht nur seine einflußreiche Position in der Kunststadt München, sondern auch seine kulturpolitische Stellung in der „Hauptstadt der Deutschen Kunst“. Breuers Schilderungen – so ein Werbetext254 – berichten „in frischem Gesprächston aus eigenem Erleben […] vom Leben, Schaffen, Kämpfen und Siegen in den Münchner Ateliers“, erspart dem Leser jedoch eine „weitschweifige und tiefgründige Abhandlung für die Fachwelt; vom überspitzten Aesthetizitismus und Kritizismus [zwei nationalsozialistische Feindbilder] bleiben wir verschont.“ Die ausführliche Schilderung aus dem Freskokurs Doerners vermittelt einen lebendigen Einblick von dessen Lehrbe121

trieb. Breuer beschreibt, daß sich „Mittwochs und Donnerstags […] die Akademiker in Dutzenden in einem bereits zu eng gewordenen Erdgeschoßraum zum Freskokurs von Max Doerner [einstellen], des bewährten Malers und Maltheoretikers am Institut. Heute sind es, dem schönen Wetter zum Trotz, über zwanzig, jugendliche Gesichter mit mancherlei Haarschöpfen, auch einige Damen. Ein bärtiger Klosterbruder im Ornat sitzt zwischen Kollegen in kurzer Wichs und Trachtenhemd. Ein braver Maurer in weißer Drillichhose und extra gewichsten Schuhen bringt die Materialien: Kalk und Sand verschiedener Sorten, dazu als Werkzeug Spitzhammer, Kelle und Glättbrett.“ Doerners theoretische Ausführungen zielten auf die Frage der Haltbarkeit von Fresken, ob innen oder außen, auf die sorgsame Wahl der Materialien und auf die Qualität des Untergrunds. Breuer stellt seine Schilderung dabei unter die zeitgemäße Beobachtung, daß die Architektur der Zeit mit ihren großen, freien glatten Flächen nach farbigen Ausdrucksmöglichkeiten verlange, wozu das Fresko im Außen- wie im Innenraum prädestiniert sei. Der Theorie folgt die Praxis (Abb. 20 Abb. 20 | In Doerners Freskokurs und 21), und „im sogen[annten] Freskoraum sind die Wände bereits bedeckt mit Dutzenden von gut gelungenen Schülerarbeiten; kaum ein Fleckchen ist noch frei, es leuchtet und lodert von allen Seiten. Bezüglich der Farben sind mannigfache Versuche angestellt und Lehrtafeln vom Professor vorbereitet […] So wird dem Kreis werdender Künstler die Technik im Fresko erklärt. Jetzt werden leider viele der schönen Studien auf den Wänden hier heruntergeschlagen, denn die neuen Teilnehmer

am Kurs erhalten Farben und Material von der Akademie gratis und werden nun ihrerseits mit Arbeiten al fresko beginnen. Frisch auf!“ Doerners Wunsch, den Künstlern in technischen Belangen eine gewisse „fahrplanmäßige Sicherheit“ zu geben, suche er auch mit seinem Buch Ausdruck zu geben, das Breuer „das populärste Malbuch der Welt“ nennt. Während die Schülerarbeiten entstehen, habe sich Doerner gegenüber Breuer zum Stand der Maltechnik in München geäußert und seine häufiger vertretene Ansicht wiederholt, daß „die allzu enge Auslegung [maltechnischer Vorgaben] aber leider zur gänzlichen Abkehr vieler von technischen Interessen [führte], und es kam der Satz auf, es sei sogar rein künstlerisch hemmend, wenn man es allzu sehr studiere“.255 1937 lautet der letzte Passus schon anders: „Die allzu enge Auslegung [maltechnischer Vorgaben] führte jedoch zur gänzlichen Abkehr vieler vom technischen Interesse, und zumal in der impressionistischen und expressionistischen Zeit kam der Satz auf, es sei künstlerisch hemmend, handwerklich nach bestimmten Regeln der Haltbarkeit vorzugehen oder gar eigene, persönliche Arbeitsarten auszubilAbb. 21 | Auf dem Freskogerüst den.“256 Es sind jetzt also nicht mehr nur der Kubismus oder Dadaismus aus Hitlers Rede von 1933, sondern der Kreis der Ablehnung wird weiter gezogen. Wir können annehmen, daß diese Ausweitung auf die Impressionisten und die Expressionisten aus der Feder Breuers stammt, eine antiimpressionistische Haltung äußert aber in gleicher Weise bereits Doerners Freund Würtenberger 1922 wie auch später Doerners Schüler Czerny. Zwar macht Breuer deutlich, daß „Doerner der

modernen Malerei [zwar nicht] die Gesetze der alten Meister aufzwingen [wolle,] wohl aber wolle er jeden, der danach strebt, in seiner persönlichen Malart sichern und auch den eigenwillig Suchenden von vornherein auf den richtigen Weg führen.“ Breuer läßt 1937 nicht nur den Satz mit dem bärtigen Klosterbruder weg und erweitert seinen Beitrag um ein aktuelleres Bildnis Doerners – eine Zeichnung Abb. 22| Jakob Huber, „Max Doerner“, 1936 aus der Hand eines Jakob Huber (Abb. 22) –, sondern macht noch auf zwei weitere Bereiche und Begriffe aufmerksam, in denen Doerner weit in die Künstlerschaft hineingewirkt habe und die bis heute diskutiert würden: „Mischtechnik“ (Abb. 23) und „Konservieren statt Restaurieren“. Neben dem Leitspruch Doerners, die „Verfahren der Alten Meister auf moderne Malerei [zu] übertragen“, müssten diese beiden als zentrale Säulen seiner Lehre angesehen werden. Breuer fährt fort: „Viele junge Maler arbeiten heute in sogenannter Mischtechnik, das heißt sie legen das Bild auf sorgfältig bereitetem Untergrund in Tempera ‚mager‘ an und vollenden es in ‚fetteren‘ Harz- oder Leinölfarben. Und mancher wurde so Doernerschüler, ohne den Meister selbst je gesehen zu haben, nämlich allein durch das Studium seines Buches in Verbindung mit Beobachtungen vor den alten Meistern und eigenen Experimenten. Und Doerner war es wieder, der seit Jahrzehnten mit aller Schärfe für die Konservierung alter Tafelbilder an Stelle der Restaurierung eintrat. Seine Rekonstruktion der altmeisterlichen Techniken befruchtete weiter das Gebiet der richtigen Kopie.“

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Doerners Wirken zieht so immer weitere Kreise und erfährt durch die Übersetzung seines Buches ins Englische internationale Wahrnehmung.257 1934 korrespondiert Doerner mit dem In- wie Ausland rege über praktische Fragen des Freskos, wobei die meisten Anfragen von ehemaligen Schülern stammen. Eine der Anfragen kommt gar aus Mexiko und beschreibt die Freskomaltechnik von José Clemente Croszco und Diego Rivera.258 Doerners Rat ist aber ebenso für die Fresken in der Danziger Marienkirche gefragt.259 Die Anfragen beschränken sich jedoch nicht aufs Fresko: Als neuartiger Bildträger werden „feuerbeständige“ Malplatten aus Asbest und Kreide angeboten, die Doerner probieren solle – ein Vorschlag, der sich glücklicherweise nicht durchgesetzt hat.260 Von dem Chemiker Ludwig Vanino* aus Zürich, den Doerner als Ratgeber in chemischen Fragen schätzen lernte, erfährt Doerner Wissenswertes zum Dammar, 261 zu Karnauba-Wachs262 und vermutlich zu vielem anderen. Manches hiervon fließt direkt in die Neuauflagen seines Buches ein. Mit anderen, so mit den Industriewerken Lohwald bei Abb. 23 | Der Mischtechniker Theo Scharf beim Anfertigen eines Bildnisses

Augsburg, tauscht sich Doerner zu Keimschen Mineralfarben aus, zu denen er in seinem Kapitel „Mineralmalerei“ eine Reihe von Korrekturen einarbeiten soll. In der Korrespondenz geht die Firma kritisch und zugleich ungläubig mit einem Beitrag Eibners um, in den sich eine „Reihe von Irrtümern eingeschlichen“ hätten und fährt fort: „Dass diese veraltete Darstellung von Eibner stammen soll, ist ganz unerklärlich. Man muß hier schon an einen Irrtum in der Berichterstattung glauben.“ Dem Schreiben liegt eine kurze Zusammenfassung der Grundzüge der „Stereochromie und [der] Keim’sche[n] Mineralmalerei“ bei, das Doerner für das entsprechende Kapitel in seinem Buch zur Verfügung gestellt wird.263 Doerner ist sich einer weiten Leserschaft sicher: So veröffentlicht er 1937 im Völkischen Beobachter Artikel über Fresko und Enkaustik, zwei Techniken, für die er „heute erhöhtes Interesse“ verspürt. Denn „überall in Stadt und Land regt es sich. Öffentliche Gebäude und die hell und luftig gewordenen Betriebe arbeitender Volksgenossen schmücken sich mit Kunstwerken. Die leidenschaftliche Anteilnahme des Führers an allem Kunstgeschehen gibt hier fruchtbarsten Antrieb. Alle Wandmalerei […] erfordert strenge Selbstzucht, auf das Große gerichteten Sinn und ein Höchstmaß an künstlerischem, aber auch handwerklichem Können.“264 Der Strahlkraft seiner Lehre steht die karge Wirklichkeit Doerners gegenüber. Doch gleich, wie bescheiden die Umstände sind, unter denen Doerner lebt, immer richtet sich sein Blick auf die praktischen Aspekte der Malerei. Viele briefliche Zeugnisse belegen die Dankbarkeit, die ihm ehemalige Schüler oder Leser entgegenbringen, ja man kann von Verehrung und lebenslanger Bindung sprechen. Diesen Respekt verspürt man in gleicher Weise in dem, was ihm Kollegen aus dem Lehrkörper der Akademie und selbst seine ehemaligen Lehrer in seinen späten Jahren schreiben. Max Doerner: Aus dem jungen, mittellosen Künstler und schlecht bezahlten Lehrbeauftragten entwickelt sich der führende Maltech126

niker Deutschlands. Unbeirrt von allen Zeitläufen – Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik – bekommt München als Zentrum der Maltechnik in Max Doerner ein unverwechselbares Gesicht. Früh von Maltechnik fasziniert, ein bewunderter Lehrer, vielen ein Vorbild, zugleich geschwächt durch fehlende Unterstützung der Akademie, ihre Widerstände, Maltechnik als vollwertiges Fach anzuerkennen, und die damit verbundene Schmach einer über Jahre verweigerten ordentlichen Professur formt sich ein sperriger Charakter. Der grenzenlosen Bewunderung seiner Schüler und zahlloser Leser, seinem großen praktischen Wissen, seiner Bescheidenheit, Bedürfnislosigkeit und Hingabe stehen Streitlust, Unversöhnlichkeit und Einsamkeit gegenüber. Doerner sieht vor allem in beamteten Kunstverwaltern und der Wissenschaft seine Widersacher. Jede Auseinandersetzung schärft sein Profil und beengt zugleich seinen Spielraum. Doch die Zeiten ändern sich, im „Dritten Reich“ wird Doerner reüssieren.

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ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 3 1 2

Gerhart et al. 2008, S. 543 und 559. Bestätigung von Wilhelm Diez vom 14.12.1892, Nachlaß MD, Briefe/Notizen 1874–1930, Bl. 11. 3 Siehe hierzu Mai 1987, S. 31. 4 Max Doerner: „Zur Sicherung des Künstlerischen Farbenmaterials“, unpublizierte Niederschrift eines Redemanuskriptes vom 23.01.1929, gehalten auf der IV. Farbentagung im Februar 1929 in München, in ARDI 55, 5. 5 Ebd. 6 HStAM MK 40921 vom 21.11.1911 und PA Max Doerner, AdbK. 7 AdbK an StMIKSch am 02.11.1912, HStAM MK 40921. 8 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten Nr. 99 (01.08.1912), S. 295 f., in ARDI 53, 1. 9 StMIKSch an die AdbK am 07.11.1912, HStAM MK 40921. 10 So im WS 1904, siehe StMIKSch an AdbK am 27.04.1904, HStAM MK 14112; zur Bestellung Bergers zur probeweisen Haltung von Vorträgen an der AdbK im Jahr 1902 siehe HStAM K 40921 und Kinseher 2012. 11 Kinseher 2014, S. 193 und S. 226 ff. 12 Handschriftliche Aufstellung MDs, PA Max Doerner AdbK. 13 AdbK an das StMIKSch am 02.11.1912, HStAM MK 40921. 14 Anon. 1935b. 15 AE an das Rektorat der THM am 01.12.1913, HStAM MK 40921. 16 StMIKSch an den Senat der THM am 05.08.1913, HStAM MK 40921. 17 AE an das Rektorat der THM am 09.12.1913, HStAM MK 40921. 18 Hiermit gemeint ist Eibner 1909. 19 AdbK an StMUK am 31.01.1914, HStAM MK 40921. 20 Alle vorstehenden Zitate aus AE an das Rektorat der THM am 09.03.1914, HStAM MK 40921. 21 Rektorat der THM an das StMIKSch am

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12.03.1914, HATUM C 317. 22 HStAM MK 14112. 23 Zahlreiche Glückwunschschreiben im Nachlaß MD, Briefe Notizen 1930–1940 24 PA Max Doerner, AdbK und HStAM MK 40921. 25 AdbK an das StMUK am 18.07.1919 und am 06.02.1921, HStAM MK 14112. 26 AdbK an StMUK am 18.07.1919. 27 Zur Geschichte des maltechnischen Unterrichts an der Berliner Akademie siehe Kinseher 2014, S. 225 ff. 28 Carl von Marr (AdbK) an StMUK am 28.06.1923, PA Max Doerner, AdbK. In einem Schreiben in Sachen Nachfolge MD von Bestelmeyer an StMUK am 27.03.1939 wird fälschlicherweise davon berichtet, daß MD eine ordentliche Professur einnahm, PA Toni Roth, AdbK; vergleiche auch Bernhart an die AdbK am 08.02.1955, PA Max Doerner, AdbK. 29 Siehe hierzu auch die Ausführungen in von der Goltz 2002, S. 171 ff. 30 Ebd. 31 Siehe hierzu ausführlich ebd., S. 159–170. 32 BStGS München, Alte Pinakothek Inv. Nr. 315, siehe auch Doerner 1923b. 33 Handschriftliche Listen MDs zu „Durch Waschungen 1910 beschädigte[n] Bilder[n]“ in der Alten Pinakothek in NMD Maltechnik, Bl. 148 und 149. 34 Anon. 1910, zur Vorgeschichte siehe auch Gräff 1920a bis d. 35 NMD, Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 137. 36 Von Bode 1919. 37 NMD, Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 41v. 38 Undatiertes handschriftliches Manuskript MDs zu Fragen der RestaurierungKonservierung und spätere getippte Fassung (12 S.), ARDI 39, 3. 39 Gräff 1920a und 1920b, wie Gräff 1920d in ARDI 53, 1 mit handschriftlichen Anmerkungen MDs. 40 Die Loggien der Alten Pinakothek waren von den letzten Jahrzehnten des

19. Jhs. bis 1930 für den Publikumsverkehr geschlossen und wurden als Lagerflächen genutzt, siehe Hipp 2011, S. 51. 41 NMD, Briefe/Notizen ohne Datum, aber nach 1930, dem Zeitpunkt der Wiederöffnung der Loggien durch Dörnhöffer, Bl. 62 ff. 42 Z. B. Doerner 1936, S. 327. 43 Pettenkofer 1870. 44 Ebd., S. 3. 45 Ebd., S. 68 f. 46 Über den Umgang MDs mit Zitaten Pettenkofers siehe Gräff 1920c. 47 Huse 1984 und Scheurmann 2005b. 48 Huse 1984, S. 84. 49 Zitiert aus der Rede Dehios von 1901 nach Scheurmann 2005b, Anm. 49. 50 Doerner 1936, S. 302. 51 Aus der Rede Georg Dehios 1901, abgedruckt bei Huse 1984, S. 110. 52 Handschriftliche Notiz aus den vermutlich frühen 1930er Jahren, NMD Maltechnik, Bl. 26. 53 Ebd. 54 Schreiben des StMIKSch an MD am 10.03.1918, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 72 f. 55 MD an AE am 03.01.1919, ARDI 37, 2. 56 MD, „Gang der Verhandlungen über Gemälderestaurierung an der Pinakothek“, Aufstellung mit einem erfaßten Zeitraum Februar 1918 bis April 1923 in ARDI 39, 6. 57 Abschrift eines Schreibens MD an Dörnhöffer am 28.02.1918, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 70 f., handschriftlicher Entwurf vom 25.02.1918 in ARDI 36, Erg. 1. 58 MNN vom 14.03.1918, NMD Briefe/ Notizen, Bl. 74. 59 Heinrich Osel (1863–1919), Abgeordneter der Zentrums- bzw. der Bayerischen Volkspartei BVP im deutschen Reichstag (1903 bis 1907) sowie im Bayerischen Landtag (1918 bis 1919). Osel wird 1919 im Landtag ermordet. 60 MD an Dörnhöffer am 30.03.1918, ARDI 39, 6 und handschriftlich ARDI 36, Erg. 1. 61 Briefentwurf MDs an Dörnhöffer am

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21.03.1918, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 76 f. MD an Dörnhöffer am 30.03.1918, ARDI 39, 6. Paul Cézanne, „Selbstbildnis“, BStGS Neue Pinakothek Inv. Nr. 8648. Arnold Böcklin, „Im Spiel der Wellen“, BStGS Neue Pinakothek Inv. Nr. 7754. Arnold Böcklin, „Pan im Schilf“, BStGS Neue Pinakothek Inv. Nr. WAF 67. Handschriftliche Notiz MDs am 30.01.1917, NMD Briefe/Notizen, Bl. 65. Briefentwurf MDs an Dörnhöffer vom 15.08.1918, ARDI 39, 6 und NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 82 f. sowie MD an Dörnhöffer am 19.08.1918, Dörnhöffer an MD am 12.10.1918 und MD an Dörnhöffer am 14.10.1918, alle ARDI 36, Erg. 1. Briefentwurf MDs an einen ungenannten Ministerialrat vom 19.11.1918, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 91 f. NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 151. MD, „Über staatliche Gemälderestaurierung an staatlichen Stellen“ vom 15.11.1918, Dörnhöffer und Kinkelin überreicht am 26.11.1918, ARDI 39, 6. Briefentwurf MDs an die Direktion der Staatsgalerien, o. D., jedoch kurz nach 26.11.1918, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 97 f. Vermutlich da Tschudi 1909 aus Berlin gekommen war und noch die Unterstützung des vorgesetzten Ministeriums genoß. Handschriftliches Manuskript MDs zu „Restaurierungen in der alten Pinakothek zu München“, 02(?).08.1910, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl.17. Zu Phoebus A und B siehe Anon. 1960; zur genauen Zusammensetzung von Phoebus A siehe Schmincke an RDI am 16.10.1940, ARDI 21, 4. So wurde auch Phoebus B von Konservator Mayer (Augsburg) „mit einwandfreiem Erfolge“ eingesetzt, handschriftliche Notiz Dörnhöffers o. D. Zur Rolle Büttners in der Ausbildung von

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Künstlern in restauratorischen Fragen siehe Kinseher 2014, S. 228 f. MD an AE am 16.03.1918, ARDI 37, 2. AE an MD am 20.03.1918 und am 25.03.1918, ARDI 37, 2. AE an MD am 15.04.1918, ARDI 37, 2. MD an AE am 11.07.1918, ARDI 37, 2. Ebd., siehe auch weitere handschriftliche Entwürfe vom 20.08.1920 in NMD Briefe/Notizen 1874–1930, Bl. 17 ff. Handschriftlicher Entwurf eines Schreibens an Dörnhöffer vom 28.02.1918, NMD Briefe/Notizen, Bl. 70 f. Doerner 1920a. Lt. freundlicher Mitteilung von Martin Schawe war der Isenheimer Altar vm 15.02.1917 bis September 1919 in der Alten Pinakothek. Rudolf Oldenbourg (1887–1921), deutscher Kunsthistoriker, seit 1911 tätig an der Alten Pinakothek, später am Kaiser-Friedrich Museum in Berlin, siehe unter http://www.dictionaryofarthistorians.org/oldenbourgr.htm, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. Zu den Gründungsumständen der photographischen Abteilung an den Pinakotheken siehe Burmester 2011, S. 28 ff. Erklärung MDs zum Isenheimer Altar vom 05.03.1919 und Schreiben MDs an Oldenbourg desselben Datums, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 113 f. Briefentwurf MDs an die Redaktion der MNN vom 21.02.1919, NMD Briefe/ Notizen 1874–1931, Bl. 110 ff. MD an Dörnhöffer am 13.02.1919, ARDI 39, 6. In der Alten Pinakothek zumindest seit den 1890er Jahren. Vollständiger Fragebogen WGs mit Anschreiben der Direktion der Staatsgemälde-sammlungen vom 02.01.1920 in ARDI 39, 6 und weiterhin Gräff 1920e. Auch Gräff 1919, zu Einzelheiten des Fragebogens siehe dort die Anmerkung auf S. 67. Abschrift eines Schreibens von WG an die AdbK vom 24.01.1920, NMD Briefe/ Notizen 1874–1931, Bl. 118 ff. Gräff 1920d. Gräff an MD am 23.02.1920, NMD

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Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 119 f. 94 MD an die Redaktion der MNN am 24.03.1920, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 126 f. 95 MD an BStGS am 25.01.1920 und MD, „Bemerkung zum Fragebogen der Pinakothekleitung“ vom 10.02.1920, ebenso wie ein Entwurf des Fragebogens, alle in ARDI 39, 6. 96 AE an MD am 19.06.1920, ARDI 37, 2. 97 Briefentwurf MDs an AE vom 27.05.1920, ARDI 37, 2. 98 Doerner 1921a. 99 Julius Diez an MD am 08.06.1920, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 130 f. 100 Pallenberg (Rom) an MD am 21.06.1920, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 135 f. 101 Handschriftliche Notizen MDs vom 21.06.1920, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 137. 102 MD an Dörnhöffer am 10.07.1920, ARDI 39, 6 und Dörnhöffer an MD am 10.07. oder 10.08.1920, NMD Briefe/ Notizen 1874–1931, Bl. 138 f. 103 Zitat aus MD an Mayer am 17.02.1921, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 145. 104 Umfangreiches Konvolut zu dieser Thematik aus dem Jahr 1921 in ARDI 39, 6 und Doerner 1920b. 105 Würtenberger o. J. 106 Doerner 1923a, S. 18. 107 Friedrich August von Kaulbach (1850– 1920), deutscher Maler, seit 1886 tätig an der AdbK. 108 Von der Goltz 2002, S. 164. 109 Handschriftliche Notizen MDs vom 01.02.1922, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 165. 110 Widerruf vom 10.06.1924 mit handschriftlichen Ergänzungen MDs, PA Max Doerner AdbK 111 Briefentwurf MDs an das Ministerium vom 04.05.1924 und handschriftliche Notiz MDs vom 30.04.1924, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 207a-c 112 Doerner 1923b 113 StMUK an AdbK am 07.07.1924, PA Max Doerner AdbK und NMD Briefe/

Notizen 1874–1931, Bl. 213 ff. 114 Alfred von Wagner (Achersdorf) an MD am 28.12.1926, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 245 ff. 115 Albrecht Dürer, „Vier Apostel: Hll. Markus und Paulus“, 1526, BStGS Alte Pinakothek Inv. Nr. 540. 116 StMUK an AdbK in Sachen MD am 07.07.1924, PA Max Doerner AdbK. 117 MD an AdbK am 11.12.1924, ergänzt zum 12.02.1925, zusätzliches korrigiertes Original vom 12.02.1925 im PA Max Doerner AdbK. 118 StMUK an AdbK am 03.01.1927, PA Max Doerner AdbK. 119 Von Hugo von Habermann (1849–1929) gezeichnetes Protokoll, vor 1929, NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 92 ff. 120 NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 146. 121 MD an Bernhart (AdbK) am 21.02.1931, PA Max Doerner AdbK. 122 Undatierter (nach August 1933), an die AdbK gerichteter Apell MDs „Restaurierung oder Konservierung? und andere Fragen“, 22 S., ARDI 39, 4. 123 Max Cordier (München) an Schmid o. D., ARDI 38, 1. 124 Poggendorf 2011 125 Siehe z. B. Doerner 1923c und Kinseher 2014, S. 27 ff. 126 Kinseher 2014, S. 33 f. und dort genannte Literatur sowie zur Enkaustik die bei Kinseher in Fußnote 95 genannte umfassende aktuelle Literatur. 127 Würth o. J. a. 128 Schmid o. J. 129 Zum Konflikt Würth mit AE siehe Würth o. J. b. 130 MD an Würth am 04.03.1928, ARDI 38, 5. 131 Würth an MD am 29.02.1928, ARDI 38, 5. 132 Eibner 1925. 133 Schmid 1930a und b, zur Beschreibung des Verfahrens siehe auch Lampe 1938. Der Artikel des „Naivlings“ Lampe wurde möglicherweise von Schmid selbst verfaßt, siehe hierzu das Schreiben von Hans Flüggen ((1875–1942), Maler und

Kulturstadtrat Münchens während der NS-Zeit) an AZ am 19.06.1938, ARDI 38, 4. Des weiteren bezieht sich AE auf Rathgen, der den Einsatz von Wachs „als bestes Steinschutzmittel“ empfehle, AE an MD am 26.09.1932, ARDI 38, 5. 134 Würth an MD am 10.03.1928, ARDI 38, 5. 135 ER an MD am 16.03.1934, ARDI 38, 4. 136 Neben Schmid 1930a und b, Lampe 1938 auch Anon. 1931e, S. 220. 137 Anzeige in TM 46 (1930), Heft 24, S. 277. 138 Manuskript AEs über die „Neugestaltung der antiken Enkaustik durch Dr. Hans Schmid, München“, 7 S. in ARDI 38, 3. 139 Wehlte 1930. 140 Würth o. J. a, S. 5. 141 17. bis 19.08.1931. 142 Anon. 1931e. 143 Albert Leo Schlageter (1894–1923), Weltkriegsteilnehmer, während der Besetzung des Ruhrgebiets Mitglied eines Freikorps gegen die französische Armee, hingerichtet durch die Franzosen, gilt im „Dritten Reich“ als NS-Märtyrer. 144 Anon. o. J. a (dort werden die Wandmalereien als von Schmid selber ausgeführt bezeichnet) sowie von Bestelmeyer und Bernhart unterzeichnete und an das StMUK gerichtete Stellungnahme der AdbK vom 24.12.1933, hier S. 15, in ARDI 38, 2 (dort von Barthel Gilles). 145 Undatiertes Werbeblatt in ARDI 38, 7 mit Anwendungsbeispielen am Rathaus von München oder Hannover, dem Dom zu Augsburg, dem Leibnizhaus in Hannover und anderen. 146 Lampe 1938. 147 Handschriftliche Aufzeichnungen MDs zu „Enkaustik“ o. D., vermutlich 1934 in ARDI 38, 6. 148 Siehe hierzu MDs handschriftliche Aufzeichnungen „Waren römische Aussenwände enkaustisch bemalt?“ und „Gab es Wachsfarben auf römischen Aussenwänden?“, beide o. D., vermutlich 1934 in ARDI 38, 6 sowie Plinius zur Enkaustik in lib. 31 c. 41, übersetzt als „eine auf der Wand ungebräuchliche Technik“. Schreiben Bodensteiner an MD am 26.02.1928,

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ARDI 38, 5 zu der Passage bei Plinius, dort benannt als lib. XXXV 7, 31. 149 Kinseher 2014, S. 213 ff. 150 Handschriftliche Aufzeichnungen MDs zu „Enkaustik!“ o. D., vermutlich deutlich vor 1934 in ARDI 38, 6. 151 Anon. o. J. b. 152 Handschriftliche Aufzeichnungen MDs zu „Enkaustik Dr. Schmidt“, o. D., vermutlich Anfang 1935 in ARDI 38, 6. 153 MD „Zusammenfassung“ seiner Beobachtungen und Überlegungen zur Schmidschen Enkaustik, o. D. jedoch nach 1933 in ARDI 38, 3. 154 Skizze MDs zu dem Ortstermin am Nordfriedhof vom 25.12.1934, ARDI 38, 6. 155 Würth o. J. a, S. 6. 156 Ludwig Johst (ehemals künstlerischer Leiter der Enkaustik-Gesellschaft) an KW (Reichsverband bildender Künste, Technische Abteilung) und in Abschrift an MD am 07.04.1932, ARDI 38, 5. 157 Zu beiden Landbauamt Augsburg an MD am 13.12.1932, ARDI 38, 5. 158 Handschriftliche Notizen MDs zur Enkaustik o. D., jedoch vermutlich aus dem Oktober 1934 in ARDI 38, 6. 159 Handschriftliche Aufzeichnungen MDs zu „Schmidtsche Enkaustik“ sowie „Enkaustik! Enkaustik-Bilder von Dr. H. Schmidt an der Aussenwand der Aula der Akademie d. b. K.“, beide o. D., vermutlich Ende 1934, Anfang 1935 in ARDI 38, 6. 160 Bestelmeyer an den Asta der AdbK am 10.03.1933, ARDI 38, 5. 161 Neisch an MD am 18.04.1933, ARDI 38, 5. 162 Schmid an MD am 01.03.1933, ARDI 38, 5. 163 Adler an Schmid am 04.12.1934, ARDI 38, 1. 164 Das „Enkaustische Manifest“ von Nils Adler ist abgedruckt in Eibner 1933, S. 120 f. 165 AE berichtet von historisch-maltechnischen Veranstaltung in München am 22.05.1933, Eibner 1933, S. 121. 166 Eibner 1933, S. 118 sowie die dort abgedruckte Beurteilung des Malers Barthel

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Gilles (Köln), S. 119 f. Gilles wie Adler sind Mitglieder der Enkaustik-Gilde Schmids. 167 Städtisches Hochbauamt Augsburg an AdbK am 27.11.1933, ARDI 38, 2. 168 Anon. 1933c in ARDI 38, 2. 169 Von Bestelmeyer und Bernhart unterzeichnete und an das StMUK gerichtete Stellungnahme der AdbK vom 24.12.1933, ARDI 38, 2 und Ablehnung des Fördergesuchs Schmids durch das StMUK am 30.05.1934, ARDI 38, 1. 170 Alle Zitate aus AZ an den Stellvertreter des Führers (Heß) im Braunen Haus (München) am 06.11.1934 in Reaktion auf die bislang nicht nachweisbare Denkschrift Schmids zur „Vollständigen Umgestaltung der deutschen Maltechnik“ und einer Rückäußerung Schmids an Heß vom 28.11.1934, ARDI 38, 4 und 1. 171 Ebd., der Eingabe Schmids liegen positive Empfehlungen von Nils Adler (Stockholm), Hermann Urban (München), Joseph Leiss (Kassel), Barthel Gilles (Köln), Joseph Pilartz (Wasserburg), P. Hecker (Köln), Rudolf Sieck (München), AE, Eugen Max Cordier (München), Schmuderer, S. Utinger (Breslau), Paul Bürck (München) sowie von Reinhold Vetter und Frau (Leipzig) bei. 172 AZ an Pietzsch am 07.01.1935, ARDI 38, 2. 173 Schmid an Heß am 28.11.1934, S. 1 in ARDI 38, 1. 174 Gesellschaft für Kolloidstoffe (München) an Pietzsch (Höllriegelskreuth) am 02.01.1935, ARDI 38, 2. 175 AZ an den Vorstand des Hoch- und Tiefbauamtes der Stadt München am 04.01.1935, ARDI 38, 2. 176 AZ an Bürgermeister i. R. Kuefner (München) am 04.01.1934, ARDI 38, 2. 177 AZ an Murr (München) am 04.01.1935, ARDI 35, 2. 178 AZ an StMUK (München) am 04.01.1935, ARDI 38, 2. 179 AZ an die Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen (München) am 04.01.1935, ARDI 38, 2. 180 AZ an MD am 07.01.1935, ARDI 38, 2.

181 Schmid an MD am 21.11.1937, ARDI 38, 4. 182 Schmid an MD am 18.07.1938 und RDI an Schmid am 20.07.1938, ARDI 38, 4. 183 RdbK (Polus) an RDI am 11.05.1939 und TR an RdbK am 30.05.1939, ARDI 1, 2. 184 Der Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung (Kulturamt) an Bestelmeyer am 12.11.1940, ARDI 38, 4. 185 Kulturamt der Stadt München an AZ am 18.11.1940 und Bestelmeyer an das Kulturamt der Stadt München am 19.11.1940, ARDI 38, 4. 186 Kinseher 2014, S. 117 ff. 187 MD vermutlich an StMUK, Gesetzliche Schutzbestimmungen für Künstlerfarbenmaterial, März 1922, ARDI 55, 6. 188 Urban 1916, ARDI 55, 6. 189 Farbentagung vom 31.01. bis 02.02.1921, Programm in ARDI 37, 5 und AE 1929; zusammenfassender Bericht in Trillich 1921; zahlreiche undatierte Zeitungsartikel aus den MNN (?) in ARDI 53, 4. 190 Anon. 1921. 191 ARDI 53, 4. 192 Anon. 1921, hier S. 1. 193 Siehe hierzu der Entwurf einer Resolution der AdbK vom 16.02.1921 aus der Hand MDs, in ARDI 53, 4. 194 Beispielhaft Doerner 1921c. 195 Doerner 1921b, der Titel des Beitrags repliziert den Titel von Krüger 1921. Krüger war Direktor der deutschen Wertstelle für Farbkunde in Dresden. 196 Max Doerner: „Über die deutsche Werkstelle für Farbkunde und die Ostwaldsche Farblehre“, unveröffentliches Manuskript vom 23.02.1937, 2 S., in ARDI 26, QR. 197 Schreiben Wagners vom 06.02.1922, ARDI 56, 10. 198 Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands (Berlin) an MD am 18.11.1921, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 155 f. 199 Wirtschaftlicher Verband bildender Künstler (München) an vermutlich Kultus-Ministerium am 21.03.1922, HStAM MK 40955. 200 MD an AE am 28.03.1922, ARDI 55, 6. 201 Bayerische StMUK an AdbK am

25.04.1922, ARDI 55, 6. 202 ARDI 55, 1 und Schreiben des StMUK an AdbK am 16.05.1922, ARDI 39, 1. 203 Doerner 1922d. 204 Kaiser 1922, dort S. 11, auch in ARDI 53, 4. 205 Doerner 1922b, S. 48. 206 ARDI 55, 6 und handschriftliche Notizen MDs „Zum Künstlerfarbengesetz. Forderungen und Wünsche der Praxis“ in NMD Maltechnik, Bl. 127. 207 AE an StMUK am 07.04.1922, 28 S., ARDI 55, 6. 208 Trillich 1923a und b. 209 AE an MD am 25.04.1922, ARDI 55, 6. 210 AE an MD am 16.05.1922, ARDI 55, 6. 211 Z. B. AE an MD am 02.06.1922, ARDI 55, 6. 212 AE an StMUK am 06.09.1922, ARDI 55, 6. 213 Doerner 1922c. 214 AE an MD am 15. und 25.09.1922, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 187 und 189. 215 Reichswirtschaftsverband bildender Künstler Deutschlands (Berlin) an MD am 28.09.1922, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 190. 216 Handschriftliche Notiz MDs vom 17.02.1923, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 196. 217 Schreiben MDs an vermutlich das zuständige Ministerium am 23.12.1922, ARDI 55, 6. 218 AE an MD am 09.02.1923, ARDI 55, 6 219 Trillich 1923a, S. 4. 220 Undatiertes Manuskript MDs, ARDI 55, 6. 221 AE an MD am 26.11.1922, ARDI 55, 6. 222 Undatiertes Manuskript MDs, ARDI 55, 6. 223 AE an MD am 08.02.1923, ARDI 55, 6. 224 AE an MD im Jahr 1923, ARDI 55, 6. 225 Handschriftliche Niederschrift MDs, bez. als „Unterredung zwischen Herrn Prof. AE und mir [MD]. 07.03.1923“, ARDI 55, 5. 226 Handschriftliche Notizen MDs zum Künstlerfarbengesetz o. D., 10 S, ARDI 55, 5.

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227 Handschriftliche Niederschriften MDs zum Künstlerfarbengesetz o. D., ARDI 55, 5. 228 Stellungnahme MD o. D., aber nach dem 06.09.1923, ARDI 55, 2 und 6. 229 Ebd. 230 Siehe hierzu den ausführlichen Bericht von der Farbentagung mit Kurzfassungen der Vorträge unter Anon. 1929b bis g. 231 Bezeichnet als „Farbtagung. Meine Rede“, gehalten am 29.01.1929, ARDI 55, 5. 232 Von MD überarbeitetes Redemanuskript „Sicherung des künstlerischen Farb­ materials“ vom 09.02.1929, ARDI 55, 5. 233 KW an MD am 12.06.1928, ARDI 51, 4. 234 Doerner 1921a. 235 NTR, Schriftstücke vor 1945. 236 Alle Zitate aus NTR, Schriftstücke vor 1945, Bl. 1 bis 3. 237 Bewer 2010, S. 274, dort Anm. 35. 238 Czerny an MD am 14.01.1935, ARDI 38, 5. 239 Czerny 1939, S. 35. 240 Katalog Prag 1971. 241 Von Marr an MD am 24.03.1930, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 288 ff. 242 Behn an MD am 31.03.1930, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 292. 243 Erler an MD am 01.04.1930, NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 295 f. 244 Radierung von Anton Marxmüller in NMD Briefe/Notizen 1874–1931, Bl. 294.

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245 Doerner 1934. 246 Ebd., siehe auch die Besprechung durch Smith 1935, Wellington 1935 und später Ruhemann 1964. 247 Doerner 1933. 248 RJ (Wernberg) an Eugen Neuhaus (Berkeley USA) am 15.08.1946, NTR. 249 Stephenson an MD am 23.06.1939, ARDI 28, St. 250 Nicht personengleich mit dem Bildhauer Peter Breuer (1856–1930). 251 Wehlte 1942, S. 2. 252 Breuer 1932. 253 Alle folgenden Zitate aus Breuer 1937. 254 Werbung Breuer 1937. 255 Breuer 1932. 256 Ebd., S. 57. 257 Doerner 1934. 258 James D. Egleson (z. Zt. in Mexiko) an MD am 01.02.1936, ARDI 35, 7. 259 Rest. Fritz Kuchel (Danzig) an MD am 20.07.1936, ARDI 35, 7. 260 Unbekanntes Unternehmen an die AdbK (Abschrift) am 27.12.1935, ARDI 35, 7. 261 Vanino an MD am 15.05.1935, ARDI 35, 7. 262 Notizen Vaninos zum Karnauba-Wachs o. D. in ARDI 38, 5. 263 Industriewerke Lohwald (Lohwald bei Augsburg) an MD am 21.02.1938, ARDI 35, 5. 264 Doerner 1937a und b, Manuskript o. D. in ARDI 53, 2.

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VOM KONZEPT ZUM REICHSINSTITUT

EINE DEUTSCHE MALTECHNISCHE ANSTALT Anfang der 1930er Jahre verfolgen Doerner, Eibner und Gräff ein gleiches, wenn auch nicht gemeinsames Ziel. Alle drei richten ihr Hoffen auf eine Einrichtung, die sich mit Fragen der Maltechnik befaßt. Die Idee war nicht neu, schon 1913 fordert Urban eine „Atelierwerkstatt“ in einem Kunstinstitut, die „aus einer Schule zur Erlernung der Maltechnik, einer chemischen Versuchsanstalt für Materialkunde und einer Restauratorenschule zu bestehen“ hätte. Ihr sei ein Archiv anzugliedern, in dem „jeder Künstler Präparate und Erfahrungen hinterlegen“ könne, die nach seinem Tode anderen Künstlern „Leben und Arbeit erleichtern“ sollten.1 Urbans Vorschlag findet keine Umsetzung, denn über den Weg dahin, die Frage der institutionellen Anbindung, die Inhalte, die Finanzierungsmodelle und die Zielgruppen herrscht völlige Uneinigkeit. Aber in gleicher Weise bleiben die bereits erwähnten Denkschriften Gräffs2 und Eibners3 Visionen. Doch selbst Abb. 24 | Adolf Ziegler vor seinem Triptywenn in diesen Jahren politische chon, „Die vier Elemente“, 1937 Entscheidungen für eine solche Einrichtung gefallen wären, mußte ihre Verwirklichung in Zeiten wirtschaftlicher Depression und Massenarbeitslosigkeit ein Traum bleiben. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ändern sich alle Konstellationen. Anläßlich eines Besuches dreier Vertreter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege – es sind Georg Lill*, Joseph Schmuderer* und Rudolf Pfister – im September 1933, bei dem Fragen der Neubesetzung der Leitung 137

des Landesamtes im Zuge der „Gleichschaltung“ – der parteilose Lill soll dem NSDAP-Mitglied Hans Kiener* weichen – wie auch der Restauratorenstelle an den Pinakotheken besprochen werden, erfährt der in Bad Wiessee im Landhaus Marinus auf Kur weilende Doerner ganz nebenbei „Nachrichten, die alles so ziemlich über den Haufen warfen, was in letzter Zeit im Werden war“. Das Verhältnis Doerners zum Landesamt und insbesondere zu Generalkonservator Lill ist in den damaligen Jahren von fachlicher Anerkennung geprägt, ja Lill schätzt Doerners Rat in Restaurierungsfragen.4 Die Neuigkeiten, die Doerner übermittelt werden, betreffen zunächst die bereits hinlänglich bekannten Bemühungen, die Versuchsanstalt Eibners vor der Abwicklung zu retten bzw. sie an anderer Stelle mit neuen Aufgaben und Inhalten zu versehen. Hierum bemühen sich nicht nur Akademie und Pinakotheken, sondern es scheint auch im Interesse des Landesamtes zu liegen. Doch Doerners Schreiben nimmt eine überraschende Wende: Er berichtet, daß „Herr Ziegler [(Abb. 24)] seine Pläne entwickelt habe wegen seiner Tätigkeit an der Akademie. Ich dachte mir seine Stelle vorerst gewissermassen als Assisten[z]stelle, nun höre ich, er wolle eine Schule und mich daran beteiligen. Diese Dinge erscheinen mir nicht spruchreif [bis hier unterstrichen] […] Diese Sache mit Zieglers Mitwirkung müßte sich organisch aufbauen und entwickeln. Ich will darüber nachdenken, wie sie am besten zu lösen ist. Fest steht, daß Ziegler ein Mann mit großen Kenntnissen und gutem Können ist und ein durchaus anständiger Mensch. Da wird sich schon ein Weg finden. Mein Gesundheitszustand ist ja auch derart, daß ich damit rechnen muß, daß meiner Arbeit jederzeit ein Ziel gesetzt sein kann und da ist es gut, den Nachfolger noch einweisen zu können.“5 Den Unterstreichungen nach zu urteilen, ist Bernhart von der Akademie, an den sich das Schreiben richtet und der Ziegler kennt, alarmiert. Aber auch Doer­ ner läßt die Angelegenheit keine Ruhe, ja er äußert, daß ihm „die Pläne des Herrn Ziegler ganz unbekannt waren. Ich wußte nur, daß Ziegler sich bemühte um eine Stelle an einer städt[ischen] Fachschule und daß er Pläne hatte wegen einer einheitlichen [Lesart unsicher] 138

Grundlage für die Künstlererziehung. Nun höre ich, daß er an eine Schule Doerner – Ziegler an der Akademie denkt. Ich könnte bei diesen Dingen nicht mittun, ich vermied es immer einen Schulbetrieb zu schaffen, weil für die Techniken alter Meister nur Leute in Frage kommen, die selbst den Drang in sich haben […] Ich weiß nicht, wieweit der Begriff Lehrauftrag geht und bin sehr erstaunt, dass Ziegler an eine ordentliche Professur denkt. Ich dachte an eine Assistentenstelle bei mir, wo er sich erst mal praktisch einarbeiten könnte. Was ich über seine Leistungen schrieb, bezieht sich natürlich nur auf mein Gebiet, auf Maltechnik. Seine künstlerischen Leistungen zu beurteilen ist die Sache Anderer. Es scheint, der Appetit kommt mit dem Essen. Herr Ziegler will mich in 8 Tagen besuchen, aber ich werde ihm nicht sagen können, wie sich derartige Ideen praktisch verwirklichen lassen. Sie widersprechen ja auch dem, was ich in Jahrzehnten aufgebaut habe. Ich denke, eine Assistentenstelle wäre auch immerhin schon etwas, ich mußte 10 Jahre warten, bis ich eine Stelle bekam.“6 In beiden Schreiben verspürt man, wie perplex Doerner ist – doch ihm sind die Hände gebunden, er ist von sei- Abb. 25 | Adolf Zieglers „Vier Elemente“ im Kaminzimmer des „Führerbaus“ ner Genesung in der Kuranstalt völlig in Anspruch genommen. Ab diesem Zeitpunkt setzt eine Entwicklung ein, die weit außerhalb von Doerners Einflußbereichs liegt: Denn sein Schüler, Adolf Ziegler*, ein vor 1933 erfolgloser Künstler, jedoch frühes NSDAP-Mitglied, wird im „Dritten Reich“ rasch an Gewicht gewinnen. Über den Industriellen Albert Pietzsch7 bekommt Ziegler schon um 1925 Kontakt zu Hitler.8 Nach der 139

„Machtergreifung“ wird aus Ziegler, dem Maler gefälliger Aktdarstellungen, der Maler der „Vier Elemente“ – ein Triptychon, das direkt aus der Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst für die Repräsentationsräume der NSDAP-Verwaltungsbauten am Münchner Königsplatz angekauft wird (Abb. 25). Noch während es im Atelier stand, muß dieses Triptychon große Aufmerksamkeit erregt haben. Nach einem Besuch von Reichsminister Darré schreibt Ziegler diesem: „Doch bitte ich Sie […] die Fotos vorerst nicht herumzuzeigen, da der Führer das Herausstellen meiner Arbeit mit der Eröffnung des ‚Hauses der Deutschen Kunst‘ verknüpft sehen möchte. Die Arbeit stellt unsere Weltanschauung dar. Ihr philosophischer Kern, die Bejahung der Naturgesetzlichkeit, ist dargestellt durch 4 Elemente: Feuer, Wasser, Erde und Luft.“9 Aber, weit wesentlicher, es sind nicht nur die Bilder Zieglers, die ins Machtzentrum rücken, sondern es ist auch die Person selbst, die im unmittelbaren Umkreis Hitlers ihre Machtfülle entfaltet. Vor diesem Hintergrund muß sich Doerners Einschätzung, Ziegler würde nur eine Assistentenrolle übernehmen, rasch als Fehleinschätzung entpuppen. Wie von Doerner befürchtet, wird Ziegler bereits Anfang November 1933 zum ordentlichen Professor berufen.10 Diese Berufung war nicht unumstritten, das Kollegium zeigt sich zunächst ablehnend, nicht zuletzt, da die Direktive von höherer Stelle kommt, ja, es formt sich sogar Protest: „Das Kollegium [nimmt] von der Absicht, den Maler Ziegler an die Akademie zu berufen, Kenntnis […] und bedauert seinerseits, dazu keine Stellung nehmen zu können, da ihm über die Arbeiten Zieglers nicht[s] bekannt ist […] Das Kollegium kann deshalb auch seinerseits keine Verantwortung für diese Berufung tragen. Der einzige von uns, der Herrn Ziegler seit längerem kennt, Professor Doerner, hat geäußert, daß er ihn auf dem Gebiete der Maltechnik schätzt und glaubt, daß er einmal für später als Nachfolger für ihn in Betracht käme. Freilich wäre dafür notwendig, daß sich Ziegler von Doerner erst in dieses Gebiet einführen ließe.“11 Doerners Reaktion ist also offenkundig gespalten: Denken wir an den Besuch in Bad Wiessee zurück, so ist wohl Doerner einer der wenigen, die früh 140

von den Plänen Zieglers wissen. Zwar kann er sich Ziegler als seinen Nachfolger vorstellen, lehnt ihn also nicht rundweg ab, jedoch macht er deutlich, daß Ziegler empfindliche fachliche Lücken erst schließen müsse. Nach der Vorstellung des Kollegiums soll Ziegler seine Tätigkeit an der Akademie zunächst für drei Jahre befristet ausüben – eine vermutlich von Bernhart durchgesetzte Vorstellung, die allerdings rasch fallengelassen wird. Ziegler wird vielmehr Sitz und volles Stimmrecht im Kollegium eingeräumt. Die in zahllosen Konflikten in den Jahren vor 1933 gelebte Blockade zwischen Eibner, Gräff und Doerner wird durch Zieglers Aufstieg in den Jahren 1933 und 1934 abrupt aufgebrochen. Aber es ist nicht nur dies, sondern am 01.03.1934 wird Eibner in den Ruhestand geschickt: Es ist kein freiwilliger Abschied aus einem noch überaus aktiven Wissenschaftlerleben und Eibner ist sich bewußt, daß die Zukunft der Versuchsanstalt in höchster Gefahr ist. In diesem Zusammenhang schreibt Doerner auf Anraten von „Freund Ziegler“ an den Präsidenten der Akademie, daß für die Nachfolge Eibners „Gräff von der Pinakothek in Aussicht genommen sei“. Er, Doerner, halte dies für einen großen Fehler, da dadurch seine über „dreissigjährigen Kämpfe um die Verbesserung des Restaurierungswesens an unseren Galerien“ zunichte seien. Er fährt fort „Es hätte keinen Sinn, Konservatoren heranzubilden, wenn diese[n] jede Wirkungsmöglichkeit an Galerien genommen ist. Denn Dr. Gräff ist Vertreter der Restaurierung, die ich bekämpfte, bekämpfen mußte. Vom zumeist jüdischen Kunsthandel wurden unglücklicherweise die Methoden übernommen, aus den Bildern etwas zu machen, sie wie neu herzurichten […] Wir wollen Konservierung der Bilder, Erhalt des Echten und keine Verfälschung durch Übermalen oder Austupfen […] Die Tradition in der Bildenden Kunst, auf deren Wert der Führer in seiner Nürnberger Rede hinwies, verlangt unverfälschte Werke.“12 Ein von dieser Brieffassung überkommener Entwurf enthält noch den Zusatz, daß er bei einem Gespräch mit dem Syndikus der Technischen Hochschule erfahren habe, daß die Versuchsan141

stalt Eibners wegen der hohen laufenden Kosten geschlossen werden solle13 – ein wichtiger Baustein für die Überlegungen der kommenden Wochen. Welche Rolle Doerner in dieser Phase spielt, bleibt im Einzelnen unklar. Gesichert dagegen ist, daß Doerner am 01.05.1933 der NSDAP betritt. Er erweist sich für Machtmenschen wie Ziegler zumindest als nützlich, verfügt Doerner doch über ein dichtes Netzwerk, das sich über alle Münchner Kulturinstitutionen spannt. So mischt er Anfang Oktober bei der Neubesetzung besagter Restauratorenstelle in der Alten Pinakothek mit14 und wird von nationalsozialistisch gesinnten Bekannten um Vermittlung zu Ziegler gebeten. Dem Lehrer wächst so in mancherlei Hinsicht die Rolle eines Gehilfen zu, ja die Akademie gibt gar per Aushang bekannt, Ziegler werde seine neue ordentliche Professur „unter Mitwirkung von Herrn Professor Doer­ner […] unter besonderer Berücksichtigung des handwerklichen Bildaufbaues von der Zeit der altmeisterlichen Schulen und ihre jeweiligen Materialverwendung her bis zur Gegenwart“ ausüben.15 Die Verhältnisse drehen sich um, auch wenn der Widerstand nicht ganz gebrochen ist: Durch den Bildhauer Bernhard Bleeker* erfolgt ein Antrag, das gesamte Kollegium möge angesichts der Ernennung Zieglers zurücktreten – was aufgrund des Beharrens Bestelmeyers allerdings ohne Wirkung bleibt.16 Und aus Ablehnung wird rasch Zustimmung: Am 09.05.1934 ergeht eine devote Gratulation der Professorenschaft der Akademie an Ziegler.17 Mit der Professur ändern sich nach kargen Jahren auch Zieglers wirtschaftliche Verhältnisse, erhält er doch als ordentlicher Professor ein Grundgehalt von 8.000 RM pro Jahr, das bis 1944 auf 12.800,88 RM steigt.18 Die Nähe Zieglers zu Doerner ist überdeutlich. Dieser teilt seinem Lehrer mit, „der Wunsch ist schon bei unsern Gegnern vorhanden, die Stellen zu stopfen, aber sie kennen doch auch, was heute hinter Ihnen steht“.19 Er rät Doerner, sich mit seinen Sorgen über Wehlte an Reichsminister Bernhard Rust zu wenden.20 Aber auch „bei 142

der Kammer der bildenden Künste ist Ihre Sache auch dadurch in Ordnung, da ich dort jetzt Einfluss habe, da ich Mitglied des Präsidialrates bin. Vorgestern erhielt ich die Ernennungsurkunde von Goebbels. Bei der höchsten Parteistelle Reichsminister Heß, Stellvertreter des Führers, ist die Sache doppelt für Sie in Ordnung, da ich dort im Amte für Kulturpolitik Vertrauensmann für bildende Kunst bin, den Leiter des Amtes Reichsleiter [der NSDAP Philipp] Bouhler gestern durch die Pinakothek führte, ich auf die Schäden aufmerksam machte, er alles einsah! Obendrein ist dort im Amte als dritter ein neuer tätig. [Ernst] Schulte-Strathaus, dessen erste Frau Ihre Schülerin gewesen ist, Ihre Kämpfe genauestens kennt, wie ich feststellte beim ersten Besprechen. Er sagt auch seine Unterstützung zu. Besser kann alles garnicht liegen […] Selbst, kommt überraschend etwas quer, können wir es bei den Positionen leicht rückgängig machen. Aber es ist keine Gefahr.“21 Doerner erfährt also durch zwei Schüler, Ziegler und Wehlte, Unterstützung; Beziehungen werden geknüpft, oder – wie Wehlte anläßlich der Eröffnung des Institutes sagt – die Sache „marschiert“. Unerwartet kommt das Schicksal Doerner zu Hilfe: Am 11.05.1934 verstirbt Gräff überraschend. Eibner ist verbittert im Ruhestand. Zurück bleiben zwei unserer Protagonisten, Doerner und Ziegler. Ziegler ist jung, Doerner dagegen weiß um seine nahende Pensionierung, auch wenn die Akademie einer Verlängerung über seinen 65. Geburtstag hinaus zustimmt. Hierbei scheint seine Rolle als überragender Lehrer für Maltechnik ebenso Gewicht zu haben wie seine „Mitarbeit beim Aufbau einer Maltechnischen Versuchsanstalt für Künstler, wie sie unseres Wissens nach von reichswegen beabsichtigt ist […] Zu dieser Bitte [einer Verlängerung] halten wir uns geradezu verpflichtet, weil der Führer und Reichskanzler unserem Akademieprofessor Ziegler gegenüber den Wunsch geäußert hat, dass von jedem Abbau im Lehrerkollegium der Akademie bis zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst abgesehen werden solle.“22 143

Nur wenige Wochen später rückt Doerner ins Zentrum wichtiger kulturpolitischer NS-Institutionen: Am 04.06.1934 wird er auf der ersten Tagung der Reichskunstkammer23 in den Verwaltungsbeirat der Reichskammer der Bildenden Künste berufen.24 Ein euphorischer Bericht im Völkischen Beobachter schildert den Ablauf dieser viertägigen Veranstaltung, die in der Sicht der nationalsozialistischen Machthaber wie auch der gleichgeschalteten Presse Zeugnis der „Sendung Münchens“ als Hauptstadt der Deutschen Kunst ist. Der Völkische Beobachter stellt fest, daß dieser Tag für München „in mehr als einer Hinsicht von epochemachender Bedeutung [sei]. Ist er doch ein erneuter Beweis für die hohe Mission, die der Führer der Geburtsstadt der Bewegung als Kunstzentrum des Reiches zuerkennt.“ Der durch Musik von Bach gerahmte Festakt findet im Lenbachsaal des Münchner Künstlerhauses statt, dem neu bezogenen Sitz der Reichskammer der Bildenden Künste. „In feierlicher Stimmung, die der eindrucksvoll mit grünen Girlanden und dem riesigen Hoheitsabzeichen geschmückte Festsaal des Künstlerhauses hervorrief, und erfüllt von der Bedeutung der historischen Stunde für die weiteren Geschicke der Kunststadt München, erwarteten der Präsident der Reichskammer, Eugen Hönig, der Landesleiter für Bayern, [der Maler Oswald] Poetzelberger,25 die als Verwaltungsbeiräte ausersehenen Künstler aus dem ganzen Reiche und eine große Anzahl geladener Gäste, darunter Träger hervorragender Namen, die Ankunft des Reichsministers Dr. Goebbels.“26 Die Münchner Neuesten Nachrichten berichten, daß „die nähere Umgebung des Künstlerhauses von einer großen Menschenmenge erfüllt [gewesen sei], die auch noch den ganzen Lenbachplatz umsäumte. Gegen die Mittagsstunde verdichtete sich das Erscheinen der geladenen Gäste zu einem festlichen Einzug. Dann brausten Heil-Rufe den Weg entlang, und der große Wagen, in dem Reichsminister Dr. Goebbels und Reichskammerpräsident Prof[essor] Hönig sowie die Begleiter des Reichsministers vom Flugplatz [München-Oberwiesenfeld] kamen, fuhr durch das Tor in den Hof bis zur Freitreppe“ des Künstlerhauses. Der Festakt 144

findet gegen Mittag seinen Höhepunkt, als Goebbels „von der Versammlung stehend begrüßt“ wird.27 Nach einer programmatischen Rede des Reichs­ propagandaministers verliest Hönig die Namen der 52 Beiräte, unter ihnen uns vertraute Namen: neben Doerner auch der Akademiepräsident Bestelmeyer,28 die Bildhauer Bleeker und Josef Wackerle, der Verleger Abb. 26 | Siegfried Czerny Alfred Bruckmann, der Maler und Schüler Doerners, Czerny (Abb. 26),29 der Architekt Albert Speer und der Kunsthändler Adolf Weinmüller. Die bei dieser Gelegenheit überreichte Ernennungsurkunde Doerners hat sich nicht erhalten, sie wird einer Bereinigung des Nachlasses zum Opfer gefallen sein. Hönig richtet dann folgende Schlußworte „an die Teilnehmer der festlichen Weihestunde […] Wenn wir heute unser bescheidenes Richtfest als Reichskammer der Bildenden Künste feiern, so ist das nur ein ganz kleiner Teil des großen, gewaltigen Gebäudes des deutschen Volkes, das uns der Führer, unser großer Baumeister geschaffen hat. Und darum, was immer wir tun, gründen wir alles auf seine Tat. Daher wollen wir an dieser Stelle seiner gedenken in tieffster Dankbarkeit und innigster Verbundenheit.“30 Die Ernennung Doerners zum Beirat ist offenkundig sorgfältig vorbereitet: Bereits Monate vor der Sitzung überprüft die NSDAP Doerner auf politische Zuverlässigkeit.31 Am Tag nach dem Festakt wird die Errichtung einer Reichsanstalt für künstlerische Maltechnik verkündet. Aus der Sitzung wird berichtet, daß der Präsident der Reichskammer, Hönig „unter lebhaftem Beifall als eine zweite sehr große Aufgabe die Gründung eines Institutes für Maltechnik für die Erforschung von Malweisen, 145

Malmitteln usw.“ skizzierte.32 Entgegen der von Czerny Jahre später anläßlich des Todes von Doerner geäußerten Auffassung, bei der ersten Aufgabe habe es sich um die Altersversorgung der Künstler gehandelt,33 ging es um die geplanten Großen Deutschen Kunstausstellungen. Diese sollten die „besten künstlerischen Schöpfungen eines Jahres [zeigen], die auf die Reise durch ganz Deutschland“ geschickt würden.34 Interessant ist, in welche Details Hönig geht: Er bezieht sich in seinen Ausführungen auf die „Privatinitiative Dr. Keim’s“, würdigt auch die Rolle der Technischen Hochschule und der Versuchsanstalt, ohne allerdings den Namen Eibners zu erwähnen, spricht von notwendigen technischen Grundlagen in der Kunsterziehung und sieht das neue Institut in der Nähe der Akademie. Hönig entwirft so die Vision eines Institutes, „in dem die Malmittel, die Malmethoden untersucht würden, und zwar sowohl vom Standpunkt des Malers, wie vom Standpunkt des Naturwissenschaftlers und vom Standpunkt des Kunstgelehrten aus“. Hönig spricht dann den „erbitterten Kampf […] zwischen den Professionisten, also den Malern, den Empirikern, dann den Kunstgelehrten und den Naturwissenschaftlern“ an. Kennt man die dahinterstehende Geschichte, erinnert sich an den Rubens-Streit, die Kontroverse um die sogenannten Waschungen, hat die drei Protagonisten – Doerner, Gräff und Eibner – vor Augen, versteht man Hönigs Ausführungen als einen Versuch der Aufarbeitung, der Zusammenfassung, aber auch als Versuch der Schlichtung: „Der Künstler hat die Zuständigkeit des Kunstgelehrten zur Untersuchung oder gar zur Behandlung eines Werkes alter Kunst häufig getadelt, sicherlich manchmal auch sehr mit Recht. Der Kunstgelehrte hat dem Künstler die Fähigkeit abgesprochen, seinerseits so scharf zu sehen und zu erkennen, was hier alles an Verborgenem darunter liegt. Der Naturwissenschaftler mit seinem Doppelmikroskop, mit der Quarzlampe, mit Röntgenstrahlen hat erst recht für sich in Anspruch genommen, daß niemand der Sache so nahekommt wie er, er sehe durch alles hindurch! So zeigt sich oft, dass keiner ganz recht hat, dass aber alle drei, zu gleichen Zwecken mobilisiert, vermut146

lich doch der Wahrheit so nahekommen müssten, wie es irgendwie möglich ist.“ An anderen Stellen meint man die Diktion Gräffs durchzuspüren: „Wenn wir uns also ein Institut schaffen könnten, das […] die Frage der Erhaltung alten wertvollen Kunstbesitzes, die Frage der Instandsetzung, der Renovation [… die] Frage vor allen Dingen der Klärung der Urheberschaft eindeutiger gestalten könnte wie bisher“, dann könnten die erarbeiteten Grundlagen in die Erziehung lebender Künstler einfließen und ein „wohltätiges Institut“ entstehen, das „weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus Bedeutung gewinnt. Denn wir Deutsche waren, soviel ich unterrichtet bin, eigentlich so ziemlich das einzige Volk, welches in seiner etwas – sagen wir – schulmeisterlichen, aber sicherlich ausserordentlich gründlichen Art sich mit dieser Frage der Expertise so streng wissenschaftlich befasst hat, dass in der Tat die Träger dieser Methoden [Gräff und Eibner] auch ins Ausland [gemeint ist Rom] berufen wurden, um dort ihre Methoden vorzuführen.“35 Mit der Vision, daß mit dem von den Nationalsozialisten geplanten neuen Institut „die gegenseitigen Schwierigkeiten der Zuständigkeit oder des Einander-nicht-Verstehenwollens ausgeschaltet würden und unter einer einheitlichen Leitung in der Tat Naturwissenschaftler, Kunstgelehrte und Künstler“ zusammenarbeiten würden, löst sich ein Jahrzehnte währender Konflikt in eine Verheißung auf, die von der Versammlung sicherlich mit großer Zustimmung entgegengenommen und honoriert wird. Aus heutiger Sicht ist unwesentlich, ob Hönigs Vision im Gespräch mit Doerner gewachsen ist oder – wahrscheinlicher – aus der Feder Zieglers stammt, der mit den Münchner Verhältnissen bestens vertraut war. Die von Hönig angesprochene Frage der Leitung des Institutes wird zumindest einen der Teilnehmer der Sitzung in Hochgefühle versetzt haben, glaubt Doerner sich doch knapp vor seinem Ziel. In einer zweiten Rede verleiht Ziegler den Plänen Hönigs einen kulturpolitischen Bezug und konkretisiert sie zugleich, was sich in der gleichgeschalteten Presse wie folgt niederschlägt: „Nachdem 147

[Ziegler] des ideale und ideelle Ergebnis des ersten Jahres im Neuen Deutschland, soweit es die Malerei betrifft, unter Hinweis auf die Nürnberger Kunstrede des Führers gekennzeichnet hatte, gab er dem ‚Marsch in die Zukunft‘ eine Grundlage in der handwerklichen Schulung des Malers, die auf genauester Kenntnis und Pflege des Malmaterials beruhen müsse, zu dessen Schutz, zugleich zum Schutz des Künstlers, Ziegler die Erlassung eines KünstlerfarbenGesetzes fordert.“36 Doerners jahrzehntelange Forderungen werden so im Nationalsozialismus zu öffentlich formulierten, kulturpolitischen Zielsetzungen, die von der Presse aufgegriffen werden und sich rasch in der deutschen Künstlerschaft verbreiten. DOERNERS GUTACHTEN Jetzt überschlagen sich die Ereignisse: Am 18.06.1934 beauftragt Hönig Doerner mit den Vorarbeiten zur Errichtung einer „Deutschen maltechnischen Anstalt“ in München.37 Schon Ende Juni faßt Doerner den „[g]egenwärtigen Stand der maltechnischen Abteilung an der Akademie der bildenden Künste, München“ zusammen. Man ahnt, daß Doerner die volle Tragweite der Pläne der Reichskammer noch gar nicht erfaßt hat, auch wenn sich der Text mit weit Größerem befaßt, denn Doerner weist nicht nur auf die derzeit unzureichende Ausstattung hin, sondern fordert auch Personal, Räume und Material für eine „Deutsche maltechnische Anstalt“. Als künftige Aufgaben faßt Doerner das Künstlerfarbengesetz, die Erforschung von „Malerfarbstoffen“ und Bindemitteln in Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaften sowie der Technik alter Meister, der Wandmalerei, die Vorbereitung eines Konservierungsgesetzes mit einer Konservierungsschule, Gutachten für Behörden und Privatpersonen, die Schaffung einer maltechnischen Sammlung und eine „Arbeitsgemeinschaft mit anderen Instituten im In- und Ausland“ ins Auge. Handschriftlich ist zugefügt: „Vorträge für freischaffende Künstler mit praktischen Übungen“. Offenkundig ziehen sich praktische Aspekte durch das gesamte Konzept und unterstreichen Doerners Grundeinstellung, daß die „Praxis die Führung haben soll“. 148

Interessanterweise hängt dem Konzept jedoch auch eine Aufstellung für eine Laborausstattung nebst Personal bei, die aus der Feder des Chemikers Wolf stammt.38 Bereits wenige Wochen später fordert Bestelmeyer, der offenkundig von einer engen Anbindung der maltechnischen Anstalt an die Akademie ausgeht, Doerner auf, den Raumbedarf hierfür zu nennen. Bestelmeyer bietet an, „sämtliche Räume für Präsidium und Verwaltung dafür in Anspruch zu nehmen und für diese durch Umbau im Mittelbau der Akademie unter Benützung der Treppenhäuser usw. neue Räume zu schaffen“.39 Auch wenn der Architekt Bestelmeyer eigene Pläne für einen Umbau der Akademie verfolgt haben mag, verdeutlicht sein großzügiges Angebot den politischen Stellenwert des Projektes, aber auch die gestiegene Bedeutung Doerners, der sich bislang in keiner Weise der finanziellen Unterstützung der Akademie hat sicher sein können. Erinnert man sich an die Geschichte der Versuchsanstalt und die 1901 in aller Deutlichkeit formulierte Weigerung der Akademie, diese Einrichtung an der Akademie anzusiedeln,40 begreift man den tiefgreifenden Meinungswandel. Alles läuft auf Doerner zu: Wenige Tage später fordert auch das für die Akademie zuständige Ministerium in München ein Gutachten von Doerner über die Frage an, wie die Versuchsanstalt nach der Pensionierung Eibners weiterzuführen wäre. Hierbei solle sie, wird zugesichert, zukünftig „den Bedürfnissen des Künstlers, nicht auch denen des Gewerbes dienen“.41 Sein „Gutachten über die Frage der Weiterführung der Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik“ legt Doerner bereits Mitte August 1934 vor.42 Wenig verwunderlich wiederholt er darin seine Sichtweise des Scheiterns der Versuchsanstalt, wiederholt die von ihm beobachtete Abwendung des praktischen Künstlers von einer an der Technischen Hochschule angebundenen Einrichtung und betont den Mangel, daß die Anstalt nicht durch einen „praktische[n] Maltechniker und ausübenden Maler“ – gemeint ist er selbst – geleitet werde. Doer149

ners Klassifizierung von Chemikern und Physikern – Eibner und seine Mitarbeiter – als Hilfswissenschaftler gießt weiteres Öl ins Feuer. Diese abfällige Einschätzung hindert Doerner jedoch nicht, in einem handschriftlichen (Teil-)Entwurf für das Gutachten zu betonen, daß die „Zusammenarbeit von Maler und Maltechniker, Naturwissenschaftlern und Kunstgelehrten […] lange herbeigewünscht [wurde] und […] jetzt erst im neuen Reich verwirklicht werden [könne]“.43 Ausgangspunkt für seine Überlegungen sei die Lehre an der Akademie, sein Ansatz, die Technik „alter und neuer Meister“ zu studieren, wobei „die Pflege der Tradition nach dem Wort des Führers zu ihrem Recht kommen“ soll. Er regt hierzu – und das deckt sich mit den obsoleten Plänen Gräffs – eine Schulung „vor den Originalen der alten Meister in der Pinakothek“ an. Seine seit langem immer wieder vorgetragene Kritik an der Qualität der Restauratoren und Konservatoren mündet erneut in den Vorschlag einer Konservierungsschule, die „gerade ein internationales Bedürfnis ist, und nun in München ihren Platz haben sollte“. Dabei plant er eine enge Zusammenarbeit mit den „Restaurierungsabteilungen der Staatsgalerien und des Landesamtes für Denkmalpflege“. Neben diese Aspekte der Praxis wie der Ausbildung stellt Doerner als drittes Standbein die Forschung: Hierbei räumt er der Physik größere Bedeutung als der Chemie ein, denn nur sie vermittele Aufschluß über die Techniken der alten Meister. Weitere Themen sind das Künstlerfarbengesetz – von Doerner 1921 angefangen, aber nicht durchgesetzt –, Wandmalerei auf Beton – von ihm bereits 1928 thematisiert –,44 die Grundierung von Tafelbildern, systematische Versuchsreihen mit Farbstoffen und Bindemitteln, auch Teerfarbstoffen, dann vor allem aber auch die „Kontrolle von Handelsmaterialien“ für Konservierungszwecke. Doerner skizziert auch die benötigten Räumlichkeiten: Im Zusammenhang mit der Einrichtung der Labors äußert er, daß „[…] von der jetzigen Versuchsanstalt alles übernommen werden [könne], was maltechnischen Zwecken dient“. Hiermit bezieht er sich auf den letzten Satz in Eibners Konzept für die Reichskammer der Bildenden Künste, 150

wo eben dies angeboten wird. Es ist ein Vorschlag, den er vier Monate zuvor noch mit einem handschriftlichen „nein!“45 kategorisch abgelehnt hat. Aber auch vor dem Nachlaß von Gräff machen seine Vorschläge nicht halt, denn „wahrscheinlich [könne] aus dem Nachlaß Dr. Gräffs manches Wertvolle […] erhalten“ werden. Als Vorbild sieht Doerner „Einrichtungen an den Akademien in Berlin und Weimar, die aus dem Münchner Beispiel die Lehre gezogen haben und Wissenschaft und Praxis der Maltechnik bei sich vereinen“. Als Fernziel zieht er gar in Erwägung, einen Kunsthistoriker hinzuzuziehen. Sein abschließendes Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Rolle der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren: Nach seiner Einschätzung habe die „an sich bestehende Absicht A. W. Keims, alle Farbinteressenten in der D[eutschen] Gesellschaft z[ur] F[örderung] rat[ioneller] Malverfahren zu vereinen, nur zu einem Kampf aller gegen alle [geführt] und die Arbeit häufig genug lahm[gelegt], aber auch die Arbeit der Versuchsanstalt nicht selten erschwert“. Unerwähnt läßt er hierbei seinen eigenen maßgeblichen Anteil an diesen Streitigkeiten; den Namen und die Verdienste Eibners oder des verstorbenen Gräffs – beide wichtige Impulsgeber für sein Konzept – erwähnt er mit keinem einzigen Wort. Die Akademie stützt Doerners Pläne, ja begrüßt die „Errichtung einer Versuchsanstalt und Auskunftstelle für künstlerische Maltechnik […] auf das lebhafteste“. Vor allem jedoch wird betont, daß die „Akademie der Weiterführung der Versuchsanstalt, wie sie bisher bestanden hat, in keiner Weise das Wort reden [will], da sie die Fühlung mit der Künstlerschaft vollkommen verloren und für sie keinen Wert hatte. [Die Akademie ist] deshalb grundsätzlich für die Errichtung einer Versuchsanstalt und Auskunftstelle für künstlerische Maltechnik an unserer Akademie.“46 Die Platznot der Pinakotheken und der Unwille der Technischen Hochschule, der Versuchsanstalt weiter ein Dach zu bieten, spielen so der Akademie in die Hände. 151

Doch wieder fällt keine Entscheidung: Hierfür mögen sich verschiebende Zuständigkeiten im Deutschen Reich, eine Verlagerung auch kulturpolitischer Entscheidungen von den Ländern nach Berlin oder die Idee verantwortlich zeichnen, das neue Institut unter dem Dach des Kaiser-Wilhelm-Institutes in Berlin anzusiedeln – wie von Ziegler nach dem Krieg behauptet.47 Vor allem bilden sich erstaunliche, man könnte meinen, posthume Allianzen: Ausdruck hierfür ist ein weiteres Gutachten Doerners, das er am gleichen Tag wie das Münchner Gutachten an die Berliner Reichskammer richtet. Sein politischer Tenor und seine offene Bezugnahme auf die Denkschrift Gräffs machen es zu einem bemerkenswerten Dokument der Gründungsgeschichte des Doerner-Institutes. Hierin entwickelt Doerner jetzt sein Konzept für eine „Deutsche maltechnische Anstalt“.48 Nach Bezugnahme auf Ausführungen Zieglers auf der ersten Sitzung des Verwaltungsbeirates der Reichskammer Anfang Juni schreibt er: „Auch die Denkschrift von Professor Dr. Gräff über Bilderpflege und Errichtung einer Lehranstalt für Kunstwissenschaft entwickelt ähnliche Gedanken und ist heute nach dem Tode des Verfassers ein schätzbares Material für den Aufbau der Anstalt.“ Hieraus wird deutlich, daß Doerner – obgleich nie an ihn adressiert – nicht nur die Ausführungen Eibners, sondern auch die Denkschrift Gräffs bestens kennt. Die restliche Argumentation folgt in weiten Strecken seinem vom Münchner Ministerium angeforderten Gutachten. Er sieht den Sitz in der „Hauptstadt der Bewegung“, grenzt sich wieder deutlich gegen Eibner und die Technische Hochschule ab, verortet die Anstalt in die Nähe der Akademie, wiederholt sein Argument der „Hilfswissenschaften“ und sieht „erst heute im Dritten Reich“ die Möglichkeit nahen, seine Pläne umzusetzen. Dann fährt er fort: „Das neue Deutschland wird damit über seine Grenzen hinaus wirken auf die ganze Kulturwelt […] Die Pflege der Tradition nach dem Wort des Führers in Nürnberg war mir von jeher besonders am Herzen gelegen [… Der Künstler] soll sich mehr als bisher der Verantwortlichkeit bewusst werden, die er gegenüber dem Auftraggeber und seinem Volk hat, seinem Werk Dauer zu geben.“ Aus seiner 152

Sicht ist eine der „brennendsten neuen Aufgaben […] die einer Konservierungsschule“. Mit der Äußerung, „Es war eine schwere und nicht mehr gutzumachende Versündigung am wertvollsten Kulturgut, als unter der Systemregierung [also in der Weimarer Republik] übelste Kunsthandelspraktiken im Restaurierungswesen der Galerien Eingang fanden“, bedient er die Erwartungen nationalsozialistischer Kulturpolitik. Er fordert insgesamt eine Belegschaft von 18 Personen für die maltechnische Anstalt und skizziert deren Räumlichkeiten. Zum Abschluß entwickelt Doerner – scheinbar geläutert aus den Erfahrungen der Vergangenheit – eine für die damalige Zeit erstaunliche Vision: „Auf allen Gebieten der Maltechnik wird die Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaftlern, Kunstgelehrten, Malern und Maltechnikern befruchtend wirken.“ Im Spätsommer und Herbst 1934 konkretisiert Doerner seine Pläne in vielen Details,49 setzt Akzente künftiger Tätigkeiten und sucht den Rat von Naturwissenschaftlern für den Teil, den er wohl auch nach eigener Einschätzung am schlechtesten beurteilen kann. In seinem immer neuen Wandlungen unterworfenen Konzept sieht er die „Bemalung von Beton“, „Vorträge für die freie Künstlerschaft“ und die Zusammenarbeit mit vergleichbaren Einrichtungen im In- und Ausland als weitere thematische Schwerpunkte. Der Personalstand wird auf 19 erhöht, vor allem jedoch fordert er für sich die „Zuweisung einer maltechnisch gebildeten Hilfskraft […] denn ich bin an der Altersgrenze und muss mit meinen Kräften sehr haushalten, um der verdoppelten Arbeit gewachsen zu sein“.50 Was hier noch als eine leise Ahnung formuliert ist, wird sich wenige Jahre später als schwerwiegende Einschränkung erweisen. Doch in seiner Schaffenskraft zunächst ungebrochen, verdichtet Doerner all seine Ideen, seine Kraft, seine Erfahrung und seine maltechnischen Grundsätze in dem Leitsatz: „Was nicht im Bilde fruchtbar werden kann, ist [in der „Deutschen maltechnischen Anstalt“][…] fehl am Platze.“51 Interessanterweise geht Doerners Konzept zu diesem Zeitpunkt noch von einer Anstalt mit vier Abteilungen aus: einer maltechni153

schen, einer chemischen, einer physikalischen und einer kunstwissenschaftlichen. Für letztere sieht er neben einem Kunsthistoriker, ein bis zwei Assistenten, einem „Diener“ auch einen Photographen vor. Ein üppiges Raumprogramm rundet das Konzept ab. Doch Doerner vergrößert sich nicht nur im Vergleich zu seinen bisherigen beschränkten räumlichen Möglichkeiten, sondern fordert in einem ersten „Ausserordentlichen Haushalt der Reichsanstalt für Maltechnik“ auch Mittel in Höhe von 800.000 RM ein. Dies schließt neben dem Erwerb eines geeigneten Grundstückes in der Nähe der Akademie ebenfalls Neubau- und Einrichtungskosten ein.52 Bereits zu diesem Zeitpunkt sind spürbare Kürzungen im Konzept zu beobachten: Für sich selbst fordert Doerner eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 6.000 RM jährlich, jedoch entfällt die Stelle eines Naturwissenschaftlers, der „Physico-Chemiker“ soll ein Gehalt von 8.400 RM bekommen, zwei Assistenten je 4.800 RM, ein Kunsthistoriker 4.200 RM, drei Laboranten je 3.000 RM, drei Stenotypistinnen je 1.800 RM; vier sonstige Mitarbeiter runden die Personalliste ab.53 In naturwissenschaftlichen Belangen gänzlich unsicher, wendet sich Doerner hilfesuchend auch an das Röntgenlaboratorium von Philips in Eindhoven. Dabei geht es wieder primär um die Art und die Kosten für die Einrichtung des Labors.54 Doerner denkt offenkundig auch über den Erwerb einer Röntgenanlage nach – bislang Gräffs Metier – und bittet um Auskunft, ob Bleiweiß sich unter dem Einfluß von Röntgenstrahlung verändere. Ihm ist die aktuelle Kontroverse zu dieser Thematik wohl bewußt,55 doch eine durch Versuchsreihen belegbare Antwort liefert erst Jahre später ein Mitarbeiter Wehltes aus Berlin,56 Friedrich Müller (Müller-Skjold*). Aus der Einleitung des Schreibens an Philips wird sichtbar, daß Doerner für die Gründungsbesprechungen auch in Berlin war, denn sein Korrespondenzpartner beglückwünscht ihn „zu dem Erfolg Ihrer Berliner Besprechungen. Endlich eine Anerkennung Ihrer langjährigen unverdrossenen Mühe!“ Doerners holländischer 154

Ratgeber sieht in der Kombination von Forschung und Lehre, die für das zukünftige Institut vorgesehen ist, eine große Chance für den „deutschen Maler“. Dabei schätzt er die Rolle des Physikers, oder besser Physikochemikers als zentral ein, fügt jedoch hinzu, daß dieser unter Leitung des praktizierenden Malers stehen solle: Hiermit wird Doerner höchst einverstanden gewesen sein. Während besagten Berlinaufenthaltes trifft Doerner offenkundig auch seinen Schüler Wehlte, der uns eine für das Verständnis der Gesamtsituation wichtige Schilderung liefert: „[…] Heute vor 8 Tagen stand ich noch auf dem obersten Deck der ‚Bremen‘ neben dem Katapultflugzeug, vor mir die weite Wasserfläche der Wesermündung. Dann ging es im Eiltempo nach Berlin, wo am nächsten Morgen pünktlich Prof[essor] Doerner erschien und zwar in Begleitung des Präsidenten der Reichskunstkammer [Hönig] und des Kunstreferenten [vermutlich Theodor Deisel] im Stabe Hess im Auftrag des Führers. Mein Chef [Max Kutschmann] war auch zugegen u[nd] noch weitere Herren. Alles klappte wie am Schnürchen. Die hohen Herren waren etwas erstaunt, dass alles das, was sie als Forderung aufstellen für die handwerkl[iche] Kunsterziehung im Dritten Reich, bei mir bereits fertig dasteht. Mein Direktor schmunzelte und Doerner beneidete mich offen, weil er darum in München seit 15 Jahren kämpft[,] aber nur Teilerfolge erzielte. Am Abend waren wir zu Viert zusammen mit dem Präsidenten; ich blieb dann noch bis spät nachts im vertraulichen Gespräch mit dem Referenten, der mir viel von seinem Verkehr mit Hitler erzählte, darunter auch, dass er ihm meine Denkschrift über maltechn[ische] Erziehung ausgehändigt hat, da er diese Neuerungen mit großem Interesse verfolge. Er gehört zu Hitlers engerem Freundeskreis. Die Bedenken, die erst Doerner und ich hatten, beruhten auf falschen Presseangaben. Es hat sich alles zum Guten gewendet. Mein Institut wird nicht durch die Wünsche des Führers beeinträchtigt. Prof[essor] Doerner soll das Münchner Institut einrichten nach meinem Muster und bat mich um Unterstützung. Ich war noch bis Freitag mit ihm zusammen.“57 In der hier zitierten Postkarte an seine Eltern weitet Wehlte den Blick: 155

Der Besuch schenkt ihm nicht nur die Nähe und Aufmerksamkeit für ihn wichtiger Vertreter der nationalsozialistischen Machthaber, sondern stärkt sein durch die Münchner Entwicklungen unterminiertes Selbstbewußtsein. In der Tat könnten die Pläne des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda seiner eigenen Karriereplanung, den Vorhaben Kutschmanns und der Staatlichen Hochschule für bildende Künste und damit des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung entgegenlaufen. Die Anwesenheit des Kunstreferenten aus dem Stabe Heß könnte einen unmittelbaren Durchgriff der Reichskanzlei auf seine „Lehr- und Versuchswerkstätten für Maltechnik“, ja ihre Abwicklung bedeuten, stehen diese doch in unmittelbarer Konkurrenz zu den Plänen für München. Daß Doerner allerdings Wehltes Einrichtung als Vorbild für sein Institut nehmen würde, kann getrost in den Bereich der Legende verwiesen werden: Auch wenn sich eine große Nähe zwischen Doerner und seinem einflußreichen Schüler ablesen läßt, wird Wehltes Selbstüberschätzung an den einsamen Vorstellungen Doerners scheitern. Berlin reagiert rasch auf Doerners Konzept. Bereits Anfang September 1934 ergeht eine „Erste Anordnung des Präsidenten [Hönig] der Reichskammer der Bildenden Künste“ betreffend der Errichtung einer „Reichsanstalt für Maltechnik mit dem Sitz in München“. Aufgaben und Struktur stehen fest, die Anbindung ans Reich ist klar ablesbar, die Vorgaben kommen nicht aus München, sondern aus Berlin. Das Institut solle zwar seinen Sitz in unmittelbarer Nähe zur Münchner Akademie haben und unter Führung eines Malers und Maltechnikers stehen, jedoch als Reichsinstitut errichtet werden und ungewöhnlicherweise als unmittelbares Mitglied in die Reichskulturkammer aufgenommen werden. Aller Schriftverkehr der Reichsanstalt solle über den Präsidenten der Reichskammer laufen. Die Organisationsstruktur ist straff,58 der Durchbruch geschafft. Hönig richtet sich bereits vier Wochen später direkt an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, um ihn über die Errichtung 156

dieser „Reichsanstalt für künstlerische Maltechnik“ zu unterrichten. Das Goebbels unterbreitete Konzept, auf zwei Seiten verdichtet, folgt dem Entwurf Doerners. Einzig eines fehlt: der Namenszusatz als Doerner-Institut.59 Über die Reaktion von Goebbels zu diesen Plänen wissen wir nichts, doch sein Interesse wird nicht allzu groß gewesen sein: Obgleich immer wieder eingeladen, besucht er das Doerner-Institut wohl nie. Doerner macht sich als Nächstes auf die Suche nach geeignetem Personal. Wahrscheinlich veranlaßt von Ziegler, wird eine Einstellung des Malers und Maltechnikers Urban unterbunden.60 Auf den ersten Blick überraschend, sieht Doerner dagegen in Roßmann, einem langjährigen Mitarbeiter Eibners, einen denkbaren Kandidaten für die Stelle des Physikochemikers. Roßmann schreibt: „Was Sie mir im Vertrauen mitgeteilt haben, hat mich natürlich sehr interessiert. Ich habe sofort versucht, Sie zu besuchen, konnte Sie aber im Atelier nicht antreffen“. Roßmann spricht auch seine desolate finanzielle Situation an: „Sie wissen, daß ich die letzten Jahre in der Techn[ischen] Hochschule bei sehr geringem Gehalt gearbeitet habe. Sollten Sie mich in Ihrem neuen Institut als Mitarbeiter wünschen, dann könnte meine Existenz so weit gesichert sein, daß ich standesgemäß leben kann.“ Roßmann verspricht einen ausführlicheren Entwurf für ein zukünftiges Laboratorium auf der Grundlage von Eibners Vorarbeiten. Diesen Entwurf übersendet er Doerner, fügt jedoch hinzu, er könne „nicht verstehen […] wie Geh[eim] Rat Eibner für die Neuanschaffung eines Institutes einen so hohen Betrag ansetzen konnte.“ Roßmann hofft, „aus der Versuchsanstalt […] die Oelpresse, die Gemäldelampe und das z. T. noch von Keim stammende, maltechnische Demonstrationsmaterial“ zu bekommen. „Eine Röntgenanlage […] wäre natürlich sehr nötig.“61 Roßmann berichtet von seinem Interesse für Physik,62 die er nicht nur an der Technischen Hochschule gelernt habe, sondern er habe auch „in den 9 Jahren, die ich bei Geh[eim] Rat Eibner war, mir alles an maltechnischer Physik angeeignet, was dort in der V. A. 157

[Versuchsanstalt] geboten wurde. Daß Geh[eim] Rat Eibner immer auf Physik in der Maltechnik großen Wert gelegt hat, ist Ihnen ja bekannt […] Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie bei der Bildung des neuen Maltechn[ischen] Instituts an mich dachten.“ Er regt an, „alles von der V. A. [zu bekommen], was man braucht. Denn dann könnte man fast ohne Geldaufwand arbeiten und müßte sich wegen Röntgenaufnahmen oder größeren Photographien an die Staatl[ichen] Gemäldesammlung wenden.“63 Roßmann zeichnet „mit Deutschem Gruß“, setzt jedoch „Heil Hitler“ in Anführungszeichen – eine distanzierende Haltung, die ihm zu späterem Zeitpunkt noch zum Nachteil gereichen soll. Auch der bereits mehrfach erwähnte Wolf, den Doerner zu Rate zieht, äußert sich „einigermaßen erschüttert […] über Eibners exorbitante Voranschläge […] Die Laboratorien unserer größten Chemiker wie Justus v[on] Liebig oder Bunsen waren bessere Spelunken, aber es ist mehr aus ihnen hervorgegangen als aus manchem RiesenInstitut […] Auf die Einrichtung aus dem alten Eibner’schen Laboratorium verzichten Sie am besten; es ist dort alles überaltert.“64 Diesem Schreiben geht die erwähnte Aufstellung Wolfs „der für das chemische Laboratorium erforderlichen Apparate“ voraus. Wolf hält für das Labor zwei Akademiker und zwei Laboranten erforderlich. Doerner wendet sich noch an einen Dritten: Es ist Friedrich Müller, der am physikalisch-chemischen Laboratorium der Maltechnischen Werkstätten der Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin als Chemiker bei Wehlte wirkt und der Doerner eine Kostenaufstellung übersendet.65 Daß der Kontakt zueinander über Wehlte läuft, ist wahrscheinlich. Doerner hat so drei Kostenrahmen vorliegen, auf die er dringend angewiesen ist. Denn in diesen Wochen scheint alles zu eilen: Nach Aussagen Doerners bedränge Ziegler ihn, einen vorläufigen Haushalt aufzustellen, der „endgültige Etat der Anstalt“ könne nachgereicht werden. Die Angelegenheit müsse noch im Oktober 1934 über die Bühne sein, da sonst die 158

Aussicht auf Realisierung gering sei.66 In einem Haushaltsentwurf für die „Reichsanstalt für künstlerische Maltechnik“ verdichten sich die Aufgaben und die Struktur eines Institutes, das seinen Sitz in München in unmittelbarer Nähe zur Akademie haben und unter Führung eines Malers und Maltechnikers stehen solle. Ob mit der Formulierung einer unmittelbaren Nähe bereits das Anwesen in der Leopoldstraße 3, der spätere Sitz des Institutes, gemeint ist, ist unklar. Aus dem Passus „Chemie, Physik und Kunstwissenschaften sind hier Hilfswissenschaften und nicht Selbstzweck“ ist aber deutlich Doerners Handschrift zu spüren. Für die vier Institutsabteilungen – Maltechnik mit Versuchs- und Lehrwerkstätten, Chemie mit Spezial-Laboratorium für Farbenchemie, Physik mit SpezialLaboratorium für Farbenphysik und Kunstwissenschaft mit photographischem Atelier – wird jetzt ein Haushalt unterbreitet und um dessen Genehmigung gebeten.67 Auch wenn von Doerner selber nicht die Rede ist, läuft alles auf ihn hinaus. Der Kontakt ist eng, schickt Hönig doch eine Durchschrift an Doerner, der zum damaligen Zeitpunkt in Saas im Grund (Schweiz) bei seinem Arzt Ludwig Gelpke* weilt.68 Personelle Überlegungen dieser Tage werden mehrfach durchkreuzt: So steht Doerners Lieblingsschüler Toni Roth Anfang 1935 zuerst einmal nicht mehr zur Verfügung, weil er die Leitung der Werkstätten für Malerei und Plastik beim Landesamt innehat. Ähnliches gilt für Roßmann, den es wieder zurück zur Anstrich- und Maltechnik drängt, wechselt dieser doch Anfang 1935 von den I. G. Farben nach Berlin. An anderer Stelle sind erste Erfolge zu verzeichnen: 800.000 RM sollen für die „Errichtung einer neuen Reichsanstalt für Maltechnik in München“ vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda für den Haushalt 1935 eingestellt werden. Vorgesehen ist, daß „diese Anstalt […] als selbständiges Institut der Akademie der bildenden Künste angegliedert werden, wissenschaftlich und besonders praktisch arbeiten und in ständiger Fühlungnahme mit dem Kunsthochschulbetrieb und zugleich der freien Künstlerschaft blei159

ben [soll]“. Gerätschaften der Versuchsanstalt sollten der Akademie überlassen und Anfragen aus dem Bereich der Anstrichtechnik an das Institut Ubbelohes in Berlin verweisen werden, wo Roßmann tätig ist.69 Am 01.05.1935 verstirbt Eibner nach kurzer Krankheit.70 Sein Tod wird Doerner deutlich gemacht haben, daß Vorsorge zu tragen ist, da sich auch seine Situation rasch ändern kann. Doerner ist 65 und, auch wenn seine Versetzung in den Ruhestand hinausgeschoben wird,71 dürfte ihm bewußt geworden sein, daß ihm womöglich nur noch wenig Zeit verbleibt. Hinzu gerät sein Projekt einer „Deutschen maltechnischen Anstalt“ zunehmend in das Kompetenzgerangel zwischen Technischer Hochschule, Akademie der bildenden Künste, dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin. Man erwägt sogar, die „Anstalt vorerst in kleinerem Rahmen ins Leben zu rufen“, ja meint sich mit 75.000 RM bescheiden zu können.72 Doch alle Bemühungen verlieren sich im „polykratischen Dickicht”73 des nationalsozialistischen Deutschland, im Konkurrieren zwischen Berlin und München, ihren Ministerien und Parteistellen. Noch ein Jahr später verhallt die Stimme der Akademie ungehört, daß eine Anstalt nur in München und vor allem nur in unmittelbarer Nähe oder gar in der Akademie errichtet werden könne, nachdem „München als die Kunststadt des Reiches vom Führer selbst ausdrücklich erklärt worden“ sei.74 Alleine, Bestelmeyers und Bernharts Einfluß ist zu klein, um Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen. Die Bemühungen in München stehen nicht alleine da, denn auch andere versuchen, auf aktuelle Fragen der Ausbildung, der Professionalisierung und der Ausstattung Antworten zu finden. Neben der Stimme Wehltes in Berlin ist dies vor allem die des Restaurators Victor Bauer-Bolton aus der Kunsthalle Hamburg, der dem dortigen Senat eine visionäre Denkschrift zukommen läßt. In ihr 160

beklagt er nicht nur die geringe Wertschätzung, die man den Gemälden alter Meister entgegenbrächte, sondern vor allem auch die Ausbildungssituation für Restauratoren. Er fordert eine mindest dreijährige, an eine Akademie angebundene Ausbildung. Aus der Sicht der musealen Praxis beklagt er den Stand der Restaurierung in vielen Häusern, bemängelt fehlende Zustandsdokumentationen und aktuell durchgeführte Maßnahmen und sieht die „Werke der Malerei [als] eine Frage des praktischen Denkmalschutzes“. Ebenso weitblickend ist seine Benennung des Restaurators als „Gemäldekonservator“, dessen Handeln „in einer Form [erfolgen solle], daß der objektive Nachweis der Richtigkeit und Glaubwürdigkeit jederzeit erbracht werden kann“. Diesem „Gemäldekonservator [müsse nach der Ausbildung] die volle Lehr- und Forschungsfreiheit zuerkannt werden“. In gleicher Weise wie mit Fragen der Konservierung und Restaurierung von Gemälden müsse dieser gleichfalls mit der „Technologie der Malerei“ vertraut sein, ebenso wie mit den „großen Möglichkeiten, welche unsere moderne Technologie bietet“, ja dieses Wissen sei Grundvoraussetzung für jeden Eingriff. Nur durch dieses Bündel von Maßnahmen meint Bauer-Bolton, die ihm anvertrauten Gemälde dauerhaft schützen zu können und mahnt vor dem Hintergrund des Brandes im Glaspalast in München, bei dem die Kunsthalle 1931 wichtige Bilder verlor, die Unersetzlichkeit der Werke der Malerei an. Im täglichen Austausch mit den Hamburger Kuratoren vermißt er die Frage, „in welcher Weise Bilderschäden systematisch zu verhüten seien, d. h. also, wie Bilder prophylaktisch behandelt, konserviert werden sollten oder könnten.“75 Bauer-Bolton, später ebenso wie Doerner Mitglied des Verwaltungs­ beirates der Reichskammer, bezieht sich in seinen Forderungen nicht nur auf Pettenkofer, sondern auch auf Ziegler, der Name Doer­ners fällt dagegen nicht. Es sei dahingestellt, ob Bauer-Boltons Denkschrift in Hamburg irgendeine Wirkung gezeitigt hat, doch in München stagnieren alle Bemühungen. Dort möchte man sich einer Abwicklung von Eibners Versuchsanstalt nicht in den Weg stellen, nimmt auch Wehltes „Versuchs- und Prüfungsanstalt für 161

Malmaterialien und Maltechnik“ wahr, die sich aber mit „den Belangen der bildenden Kunst nicht befaßt“ – doch der entscheidende Impuls für die Verwirklichung einer „maltechnischen Versuchsanstalt für Fragen der künstlerischen Malerei“ unterbleibt.76 Erst mit der Ernennung Zieglers zum Präsidenten der Reichskammer im November 1936 nimmt das Vorhaben wieder Fahrt auf.77 Mit sicherem Instinkt für die neuen Machtverhältnisse wendet sich auch Bauer-Bolton an Ziegler, welcher die Korrespondenz Ende April 1937 umgehend Doerner zuleitet.78 Obgleich Doerner die Denkschrift sorgfältig durcharbeitet, überläßt er anderen die Aufgabe, in einer kühlen Absage Bauer-Bolton mitzuteilen, daß man zwar die Wichtigkeit erkannt habe, sich jedoch derzeit noch nicht damit befassen könne.79 Eine verpaßte Chance. AUFLÖSUNG UND NEUGRÜNDUNG Doch schauen wir noch einmal in Richtung Technischer Hochschule: Die Auflösung der Versuchsanstalt ist unaufhaltsam, denn die Hochschule teilt mit, daß die Räumlichkeiten für andere Zwecke in Anspruch genommen werden sollten. Das Institut werde aufgelöst und das Inventar der chemisch-technischen Abteilung übereignet. Allerdings sieht das Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Hochschule in der Pflicht, „die Einrichtungsgegenstände und Vorräte der Anstalt, soweit sie für den besonderen Zweck einer solchen Anstalt bestimmt sind, für die etwaige Übertragung an die […] Reichsanstalt für Maltechnik sicherzustellen“.80 Ob dies de facto geschah, ist zu bezweifeln, wanderten doch nach späteren Aussagen Wehltes „alle Eibnerschen Untersuchungsresultate und die seit Jahrzehnten sorgsam aufbewahrten Beweisstücke [mit der Auflösung der Versuchsanstalt] in den Müllbehälter“.81 Während „die Versuchs- und Auskunftstelle für Maltechnik“ mit Zustimmung aus Berlin von der Technischen Hochschule abgetrennt wird,82 wird allen Beteiligten immer deutlicher, daß der Impuls für eine Neugründung nur aus Berlin kommen kann.83 162

An dieser Stelle taucht ein unerwartetes Problem auf, das erst in der Zeit nach 1945 seine volle Wirkung entfalten wird: Das Berliner Ministerium folgt zwar der Sichtweise, daß das Institut an die Akademie anzugliedern sei, es unterstehe jedoch damit wie alle anderen Akademien dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Wenn dagegen das Institut unmittelbar der Reichskammer und damit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zugeordnet würde, dürfte eine Unterstellung unter die Akademie Probleme schaffen. Deshalb wird die Akademie darum gebeten zu erläutern, in welcher Form die „Angliederung“ erfolgen solle:84 Mit dem Verweis auf die nahenden Hochschulferien sucht die Akademie sich Zeit zu verschaffen.85 Ende November 1936 wird Adolf Ziegler Präsident der Reichskammer: Er übernimmt die Nachfolge Hönigs, der sich mit „Rücksicht auf sein fortgeschrittenes Alter und zur Erfüllung persönlicher künstlerischer Aufgaben von seinem Amte entbinden“ läßt.86 Ziegler trifft, beschäftigt er sich einmal mit den Planungen für München, auf eine komplexe Situation, gibt es doch zwischenzeitlich in Weimar und in Berlin Versuchsanstalten für Maltechnik und ist eine solche durch Czerny auch in Karlsruhe geplant. Für die Münchner Akademie stellt sich also die Frage, ob eine weitere Versuchsanstalt überhaupt notwendig sei.87 Diese Frage wie auch die der Zuständigkeit richtet sich an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.88 Da eine Anbindung an die Reichskammer unerwünscht ist, ist diese jetzt aus allen Überlegungen ausgeklammert. Erneut ersticken alle Bemühungen im Wirrwarr der Kompetenzen. Seine neue Position erlaubt es Ziegler, den Knoten zu durchschlagen. Anfang Februar 1937 teilt er mit, daß die Reichskammer beabsichtige, „in der [Münchner] Leopoldstraße 3 unter der Bezeichnung „Werkprüfungs- und Forschungsanstalt für Maltechnik (DoernerInstitut)“ ein Institut zu errichten. Ort wie auch der enge Namens163

bezug zu Doerner stehen zu diesem Zeitpunkt fest: Es ist das erste Mal, daß die Bezeichnung „Doerner-Institut“ auftaucht.89 Sie findet sich auch auf einem vorläufigen Briefpapier.90 Bereits wenige Tage danach wird der Kaufvertrag für das Institutsgebäude in der Leopoldstraße unterzeichnet: Der Kaufpreis beträgt 135.000 RM,91 weitere 110.000 RM sind für den Umbau und die Ersteinrichtung vorgesehen.92 Die Liegenschaft, deren Garten unmittelbar an die nördliche Grenze des Akademiegartens anschließt, besitzt neben dem repräsentativen Hauptgebäude noch ein Rückgebäude, in dem neben einer Garage auch eine Hausmeisterwohnung untergebracht ist.93 Voreigentümer war der praktische Arzt Ludwig Schmitt*,94 der dort seit 1930 eine Klinik betrieb. Eingesessenen Münchnern war das Haus unter dem Namen „Geistervilla“95 (Abb. 27) bekannt: Seit 1934 unbewohnt, stand das Haus schon längere Zeit zum Verkauf. Die näheren Kaufumstände sind heute nicht mehr zu rekonstruieren, doch im Zusammenhang Abb. 27 | Die „Geistervilla“ in der Leopold- mit der Rückgabe des Hauses straße 3 in der Nachkriegszeit berichtet nach Kriegsende ein späterer Mitarbeiter des Institutes, „dass das Haus bereits schon vor 1933 zum Verkauf angeboten war; wahrscheinlich habe auch ein dementsprechendes Schild an der Türe gehängt. Es hiesse auch damals gerüchteweise, dass in diesem Haus Wohnungen mietfrei angeboten wurden, weil niemand in dieses Haus ziehen wollte. [Zuerst einmal …] war die Frage des Hauskaufes noch nicht endgültig entschieden. Es fand […] damals […] mit dem ehemaligen Landesleiter der 164

Reichskammer der Bildenden Künste [aus München], dem Architekten und Regierungsbaumeister Jaeger, eine Besichtigung des nebenan liegenden Hauses Leopoldstr. 5 statt, das ebenfalls – und zwar zu einem Preis von etwas über RM 200 000.- – zum Verkauf angeboten war. Das Haus hatte den Vorteil, dass die Räume sowie das Mauerwerk und der Dachstock intakt waren und es keinerlei Umbaukosten erforderte. Der Preis für das Haus Leopoldstr. 3 war mit etwa RM 135.000.- veranschlagt, wozu erhebliche Kosten für die Instandsetzung kamen. Man hat damals gerechnet, dass der Preis beider Häuser (Leopoldstr. 3 zuzügl. Umbaukosten) nahezu gleich sein werde, und hat sich mit Rücksicht auf die Nachbarlage zur Akademie dann doch für das Haus Leopoldstr. 3 entschieden. [Später …] beliefen sich dann die Kosten für Umbau und Instandsetzung wesentlich höher als veranschlagt, auf insgesamt etwa RM 150 000.-, wobei RM 100 000.- auf die reinen Umbaukosten fielen.“96 Der Kaufvertrag enthält die Zusicherung, daß „das Grundstück frei von Hausschwamm“ sei.97 Am 21.02.1937 ist Übergabetermin: Nasse Stellen führen zu Verunsicherung, doch der Vertreter des Voreigentümers sichert erneut zu, daß das Haus keinen Schwammbefall habe und zudem 1932 im Hinblick auf Feuchtigkeit saniert worden sei.98 Vielleicht wachsen vor diesem Hintergrund in Ziegler Zweifel, bekommt er doch zudem ein weitaus nobleres, 1934 erbautes Anwesen mit großem Atelier im Biedersteiner Park am Nordrand Schwabings angeboten.99 Es ist ebenso wie das vorher in Erwägung gezogene Anwesen in der Leopoldstraße 5 eine repräsentative Villa. Doch der Kauf der „Geistervilla“ ist rechtskräftig geschlossen: Mitte April 1937 ist auch die Finanzierung des neuen Institutes gesichert und das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda erklärt sich zur Auszahlung von 220.000 RM für das „Maltechnische Institut in München“ bereit.100 Von der bewilligten Summe sind die „Kosten des Erwerbs des Grundstücks, des Umbaues und der ersten Einrichtung“ zu bestreiten.101 165

Ziegler drängt Doerner zu neuen Konzepten. Dieser legt im Februar 1937 ein Programm einer „Reichsanstalt für Maltechnik“ vor. Das in zeitgebunden-kämpferischer Diktion verfaßte Programm ist eine Aneinanderreihung der Glaubensgrundsätze Doerners, die hier nicht im Einzelnen wiederholt werden müssen. Eibners Tod gibt ihm die Freiheit, jetzt auf die Tätigkeit von auch im Gehalt gleichgestellten Chemikern und Physikern Wert zu legen, denen er jedoch auferlegt, daß „alles unfruchtbare Theoretisieren […] vermieden werden [solle], denn wir Maler haben dreissig Jahre unter der für uns sehr wenig nützlichen Tätigkeit der früheren Eibnerschen Versuchsanstalt für Maltechnik zu leiden gehabt und sehnen uns nach fruchtbarer Arbeit“,102 oder, wie es Doerner an anderer Stelle formuliert: „[Natur]Wissenschaft kann uns sehr viel nützen, wenn sie uns dort berät, wo wir sie brauchen und wir brauchten sie oft bitter nötig dort, wo sie uns bisher nie zur Hilfe bereit stand.“103 Doerners Programm wird auf Betreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda auch nach außen getragen: Bereits im Mai 1937 stimmt eine in den Technischen Mitteilungen für Malerei abgedruckte Unterredung mit Doerner die reichsdeutsche Künstlerschaft auf die zukünftigen Aufgaben des Institutes ein.104 Spätestens zu diesem Zeitpunkt muß Doerner große Befriedigung darüber empfunden haben, daß er in neuen politischen Strukturen an Eibners Versuchsanstalt und an Gräffs Untersuchungsstelle, an kleinteiligen örtlichen Strukturen, staatlichen bayerischen Einrichtungen, an allen Planungen der untergegangenen Weimarer Republik – der auch von Doerner so bezeichneten „Systemzeit“ – vorbeizieht. Alle vorausgegangenen „Kämpfe“ scheinen überwunden, all seine Ressentiments gegen die Wissenschaft und die Theoretiker, vertreten in den Personen Eibners und Gräffs, all sein Ringen um Anerkennung, um ein Institut für Maltechnik, ja um das Primat der Maltechnik, münden in eine neue Struktur, eine Struktur, die seinen jahrelangen Traum verwirklicht. In der sicherlich vielgelesenen Unterredung benennt Doerner neben Fragen der Haltbarkeit von Fresken und Malerei auf Beton 166

auch Fragen der „Bilderpflege und der Konservierung“, die künftige „Erziehung der Künstler“ und das Künstlerfarbengesetz, dem sich das Institut vordringlich widmen solle. Der Text unterstreicht aber gleichermaßen Doerners vorbehaltloses Bekenntnis zum Nationalsozialismus, sein Bekenntnis zu Hitlers Wort auf seiner ersten Kulturrede anlässlich des Nürnberger Parteitages 1933: „Ohne Angst, das gefundene und überlieferte Gut der Vorfahren zu verwenden, mutig genug, das selbstgefundene Neue mit ihm zu verbinden“ und sein Interesse für „monumentale Malerei, die dem Führer am Herzen liegt“. Die Unterredung gipfelt im Dank an Ziegler, der den „kräftige[n] Kampf, den [Doerner] seit mehr als 30 Jahren für [seine] Forschungsideen führen mußte, [durch die Institutsgründung] in schönster Weise belohnt“.105 Der persönliche Anteil Doerners an den Formulierungen ist unklar und möglicherweise ist Vorsicht geboten, stammt der Text doch aus der Feder von Oskar Liskowsky, einem überzeugten Nationalsozialisten und ausgewiesenen Antisemiten.106 Dieser ist im Büro von Hans Hinkel im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin tätig und fungiert zudem als Pressereferent des Geschäftsführers der Reichskammer, Walter Hoffmann.107 Unzweifelhaft aber wird Doerner Teil der NS-Propaganda. Der Erfolg hat zudem viele Väter, unter ihnen auch Wehlte, mit dem Doerner immer wieder in Kontakt steht. Aus der Sicht Wehltes „schrieb [Doerner] jetzt sehr nett. Er [Doerner] will nichts von aller Sensation wissen, mit der von der Reichskunstkammer über sein Institut berichtet wird. Gut, dass dort ein aufrichtiger Mensch steht. Ich bin froh, dass ich im Febr[uar] in München war und dass er meinen Bitten gefolgt ist und die Leitung des maltechn[ischen] Doerner-Instituts angenommen hat.“108 Mag man diese Darstellung auf den ersten Blick in den Bereich der Selbstüberschätzung des jungen Wehlte verweisen, könnte Doerner in der Tat noch im Frühjahr 1937 gezögert haben, die Leitung des Institutes zu übernehmen. Vielleicht fürchteten beide, daß Ziegler diese Position selbst beanspruchen würde, so daß Doerner dem dringlichen Rat seines Schülers Wehltes folgt, trotz seines hohen Alters diese neue Aufgabe anzunehmen. 167

Max Doerner wird in weiten Kreisen der reichsdeutschen Künstlerschaft als Leiter des neuen Reichsinstituts gefeiert.109 Kaum publik, wenden sich Künstler mit allen denkbaren praktischen Fragen an ihn. Derartige Anfragen kennt Doerner schon seit Erscheinen seines Buches, doch die Meldung über das neue Institut sowie der Tod Eibners, bei dem zuvor zahlreiche Anfragen zusammengelaufen sind, mag die Nachfrage noch einmal erhöht haben. So wendet sich z. B. der Künstler Hans Kohl110 in bedrängter wirtschaftlicher Lage mit einem maltechnischen Problem – Koks in Putzbewurf – an Doer­ner. Die Anfrage wird nicht beantwortet, womöglich, weil sich Kohl auf die „Eibnersche Vorstellung des pun[ischen] Wachses“ bezieht.111 Der Maler Maximilian Keller beschränkt seine Zuschrift auf die Gratulation zur Gründung des Institutes. Er drückt in seinem Schreiben jedoch das aus, was sicherlich viele Künstler damals denken: Mit dem neuen Institut sei „ein ganz anderer Boden wie bisher geschaffen für Ihre [Doerners] Tätigkeit mit all Ihren reichen Erfahrungen. Und daß dies trotz aller zu überwindenden Schwierigkeiten und Hemmungen aller Art erreicht werden konnte, läßt auch die Erwartung steigen, daß die Künstlerschaft der Zukunft u[nd] Gegenwart, was die Solidität des Handwerks anbetrifft, allmählich wieder auf eine gesunde Grundlage gestellt wird und damit auch die Entwicklung jedes einzelnen künstlerisch Schaffenden.“ Daran knüpft sich auch Kellers Erwartung, daß die Technischen Mitteilungen unter Doerners Führung wieder aufleben.112 Der Berchtesgadener Georg Waltenberger113 gratuliert und bietet sein Wissen um Wandmalerei an, sieht in der neuen Rolle Doerners aber vor allem Auftrieb für seine eigenen künstlerischen Ansichten.114 Weitaus zwiespältiger, irgendwie distanziert liest sich der Glückwunsch aus den Reihen der Akademie an die Adresse Zieglers: Bestelmeyer und Bernhart feiern die Gründung als „für die Kunst der deutschen Malerei […] hochwichtiges Ereignis“, würdigen auch Zieglers Verdienst um die Errichtung einer „selbständigen und nicht mehr einer anderen Anstalt angegliederten“ Institution, betonen jedoch zugleich die Berufung Doerners „zum Leiter des neuen Institutes“ und die 168

räumliche Nähe zur Akademie. Dort scheint man sich Ziegler vom Leibe halten zu wollen. Wie die „besten Wünsche für eine recht erfolgreiche Entwicklung Ihrer neuen Schöpfung“, mit denen das Gratulationsschreiben abschließt, zu lesen sind, sei dahingestellt.115 Einen Tag nach der Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst durch Hitler wird am 19.07.1937 das Doerner-Institut mit den Abteilungen Physikalische Chemie, Maltechnik und Kunsthistorik offiziell gegründet. Daß dieses Datum mit der Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ durch Ziegler (Abb. 28) zusammenfällt, Abb. 28 | Eröffnung der Ausstellung „Entartete Kunst“ durch Adolf Ziegler

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ist eine programmatische Koinzidenz, verknüpft sie doch die Einrichtung des Institutes mit der „Neuen Deutschen Kunst“ im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber: Rückblickend beschreibt Ziegler die „große Wende des Sommers 1937 überall im Reich auf dem Gebiet der Malerei, Graphik und Bildhauerei“.116 Diese Wende setzt in den Augen Zieglers, aber auch seines Lehrers Doerner die Kenntnis der Maltechnik voraus. Zwar bezieht sich Zieglers Äußerung zuerst einmal auf die „Große Deutsche Kunstausstellung“ im Haus der Deutschen Kunst, doch schließt sie alle Hoffnungen, die die deutsche Künstlerschaft auf das neu gegründete Institut richten, mit ein.117 Auch wenn die Eröffnung des Doerner-Institutes selbst in kleinem Rahmen stattfindet, muß sie im Kontext zahlreicher anderer Veranstaltungen anlässlich des Eröffnungswochenendes für das Haus der Deutschen Kunst gesehen werden.118 Die Ereignisse rund um das von der deutschen Künstlerschaft ersehnte Institut finden zwar im Mitteilungsblatt der Reichskammer der Bildenden Künste,119 allerdings weder im offiziellen Eröffnungsprogramm der „Tage der deutschen Kunst“120 noch in den Technischen Mitteilungen für Malerei ihren Niederschlag.121 Unerklärlich verspätet, zeigt sich dieses zentrale Organ erst im Januar 1938 über die „Verwirklichung eines von A. W. Keim gehegten Planes, die Schaffung des dem Propagandaministerium unterstellten Reichsinstitutes für Maltechnik in München unter Leitung unseres hochverehrten Ehrenmitgliedes, Herrn Akademieprofessors M. Doerner“ erfreut.122 PERSONALSUCHE Auf die Gründungsveranstaltung folgen arbeitsreiche Monate. Noch ist das Haus nicht saniert, fehlt die Ausstattung, fehlt Personal. Der zwischenzeitlich schwerkranke Doerner kümmert sich um vieles, wovon unter anderem eine handschriftliche Auflistung von 21 Briefadressaten zeugt, die er alleine an einem Tag, dem 14.08.1937, anschreibt. Unter ihnen finden sich eine ganze Reihe von Malern, 170

Mitarbeitern und Kollegen wie Roth, Jacobi – damals noch nicht eingestellt – und Müller-Skjold – damals noch bei Wehlte in Berlin –, aber auch politische Stellen wie der Landesleiter Jaeger, ein Dr. Franke in der Hitlerkaserne123 oder Walter Hoffmann, Geschäftsführer der Reichskammer Berlin.124 In Doerners handschriftlichen, jedoch undatierten Notizen haben sich Skizzen zur personellen Ausstattung erhalten, die neben zahlreichen Hilfskräften wie Laboranten, Assistenten oder Photographen je einen ordentlichen Professor für die Chemie, Physik und Kunstgeschichte vorsehen. Für ihn selbst, der das Amt neben seiner Professur an der Akademie wahrnehmen will, plant er einen maltechnischen Assistenten ein. Er ahnt bereits, daß der Chemiker und der Physiker nur mit „Schwierigkeit anzulernen“ sein dürften.125 Um die Organisationsstruktur, Zuständigkeiten und Pflichten zu umreißen, entwirft Doerner mehrere „Arbeitsordnungen“, in denen vor allem die Zusammenarbeit zwischen „Wissenschaft und Praxis“ geklärt wird: „Der Leiter des Institutes ist nach dem Führerprinzip voll verantwortlich. Alle Äuße­ rungen des Institutes[,] die rechtsverbindlich sein sollen, müssen von Abb. 29 | Max Doerner im Kreise seiner Mitarbeiter, links Toni Roth, rechts Richard Jacobi

ihm unterzeichnet sein. Er entscheidet gemäß dem Führerprinzip [die letzten drei Wörter von Doerner gestrichen] in den Beratungen des Institutes und bestimmt die vorzunehmenden Arbeiten [/,] den Arbeitsgang.“ In einer Reihe von „Arbeitsanweisung[en]“ legt Doerner fest, daß z. B. „Künstler, die Konservierungsarbeiten im Auftrag des D. I. [Doerner-Institut] übernehmen wollen und dafür als geeignet befunden werden […] eine Arbeitsanweisung unterschreiben [müssen], (vor Beginn der Arbeit), aus der hervorgeht, daß sie über die Art der Arbeit und die zu verwendenden Mittel und deren Tragweite belehrt wurden und gewillt sind, in diesem Sinne zu arbeiten“.126 Parallel dazu kümmert sich Doerner um die Rekrutierung von Mitarbeitern: Bereits im März veranlaßt Ziegler auf Drängen Doerners, aber möglicherweise gegen seine eigene innere Überzeugung, die Abordnung des Malers und Restaurators Anton (Toni) Roth* (Abb. 29), der seit 1928 für das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege tätig ist. Hierzu wird der verbeamtete Roth zuerst für zwei Jahre beurlaubt, eine Rückkehr vom Institut ins Landesamt bleibt vorbehalten.127 Andere bewerben sich von sich aus, so der Kunsthistoriker Helmuth Rinnebach*, den Doerner aus der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren kennt. Rinnebach war durch Publikationen z. B. zum Röntgen in einschlägigen Fachzeitschriften wie den Technischen Mitteilungen oder Mouseion128 bekannt. Doerner wird nicht vergessen haben, daß Rinnebach bei der wichtigen Tagung in Rom 1930 eine Rolle spielte, zu der Gräff und Eibner eingeladen waren, nicht jedoch er selbst. Der überzeugte Nationalsozialist und verhinderte Autor eines „Handbuches der Gemäldekunde“, aus finanziellen Gründen zum Zeitpunkt der Bewerbung in einer Berliner Behörde tätig, versucht, einen Lehrauftrag zur Gemäldekunde im Doerner-Institut zu bekommen. Sein Beweggrund ist, daß „bislang die Museumsleute und Kunsthistoriker […] keinerlei Sachkenntnis auf diesem Gebiete aufzuweisen [hätten] und eben deshalb konnte leider soviel Unheil in den Muse172

en durch falsche Bildbehandlung etc. angerichtet werden! Mit den Gemälden der Verfallskunst müßte[n] tunlichst zugleich planmäßig auch die rettungslos verputzten Bilder – schon aus Pietät unserer alten Meister gegenüber – aus den öffentlichen Kunstsammlungen schonungslos entfernt werden!“ Hinter diesem Ausfall Rinnebachs verbirgt sich ein Hinweis auf seine Berliner Tätigkeit: Dort setzt er „durch den Machtanspruch unseres Führers“ – wie er schreibt – „die Säuberung unseres Kunsttempels und damit auch eine gründliche Reinigung unserer Museen von der Verfallskunst durch“.129 Die Absage aus der Feder Doerners ist distanziert.130 Unter den Bewerbern ist auch der erwähnte Kunsthistoriker Ludwig Schütz. Der an kunsttechnologischen und maltechnischen Arbeiten lebhaft interessierte Schütz, dessen Doktorarbeit bei Hans Jantzen über „Kunstwissenschaftliche und materialtechnische Studien zur Grundierung auf Tafelbildern“ im Juni 1937 kurz vor dem Abschluß steht, jedoch wohl nie eingereicht oder angenommen wird, war auch Hörer von Doerner. Bei seiner Themenwahl naheliegend, sucht Schütz diesen als Koreferent für seine Arbeit zu gewinnen.131 Seine ungesicherte Zukunft veranlaßt ihn darüber hinaus, sich um eine Anstellung am Doerner-Institut zu bewerben.132 Aus den zahlreichen Künstlern, die sich bewerben und wie Schütz abgelehnt werden, sei der bereits erwähnte Keller – approbierter Apotheker, Kriegsteilnehmer, frühes Parteimitglied und Schüler Doerners – herausgegriffen. Seiner Bewerbung als maltechnischer Mitarbeiter liegt seine „weltanschauliche Einstellung“ bei, die Doerners jahrzehntelangen maltechnischen Bemühungen mit einer ideologische Begründung im Sinne des Nationalsozialismus zu untermauern sucht. Wie Keller schreibt, habe er im „Kampf“ zwischen Maler und Wissenschaftler stets auf Doerners Seite gestanden: „Es war der Kampf des internationalen Weltkapitals, der Kampf des krassen Materialismus gegenüber dem Freiheit-Ringen des Volkes auf allen Gebieten. Die Gleichgültigkeit und der auffal173

lende Mangel an Volksbewußtsein so vieler läßt sich nur erklären durch Geheim-Bindungen an den Weltkapitalismus resp[ektive] an die großen Farben-Konzerne oder durch Entwurzelung aus seinem Volkstum besonders auf kulturellem Gebiet. In allen Widerständen gegen völkische Belange diente die Wissenschaft so häufig als Deckmantel, um geheime Ziele zu verdecken, die gegen das Volkswohl sich richteten und hemmend sich auswirkten. Der freie Deutsche war machtlos gegenüber diesem ungeheurem Reichtum und dieser Machtgruppe des Farben-Konzernes u[nd] der Groß-Industrie […] Die Augen der Künstler sind heute auf das neu zu errichtende maltechn[ische] Institut gerichtet. Der Boden zur gedeihlichen Entwicklung ist durch den heutigen völkischen Staat vorbereitet, die Widerstände, die noch zu überwinden sein werden, können mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung gebrochen werden.“133 In den Grundzügen vertraute Ausfälle gegen Eibner werden die Zustimmung Doerners gefunden haben, auch wenn er keine Verwendung für seinen ehemaligen Studenten sieht.134 In der Photoabteilung – ihre Einrichtung wird erst seit Frühjahr 1938 ins Auge gefaßt, die kunsthistorische Abteilung entfällt dagegen135 – scheitert die Besetzung der Planstelle mit Zieglers Wunschkandidaten am Einspruch Doerners: Es bewirbt sich der frühere Mitarbeiter Walter Gräffs, Michael Riedmann. Sein im Juli 1938 an Ziegler gesandtes Bewerbungsschreiben strotzt vor Selbstbewußtsein, fordert er doch eine befristete Teilzeitbeurlaubung von seiner schlecht besoldeten Stelle bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die Anrechnung seiner Dienstzeit auf seine Pension und eine Besoldung analog der eines außerordentlichen Professors an der Akademie der bildenden Künste.136 Ziegler scheint die Einstellung Riedmanns umgehend zu wünschen,137 doch die Sache bleibt zuerst einmal liegen. Nach der Einweihung des Institutes interveniert Doerner dann massiv:138 Riedmanns Vorstellungen wühlen bei ihm alte Geschichten und Empfindlichkeiten auf. Zwar bewirbt sich Riedmann nur als „Leiter der wissenschaftl[ich]-photographischen 174

Abteilung des Doerner-Institutes“,139 doch Doerner befürchtet aufgrund von Äußerungen Riedmanns, daß sich dieser eine „selbständige Stellung als Leiter des Expertisenwesens und eine gehobene Stellung im Rang und der Bezüge eines Akademieprofessors“ erwarte. Er sei ein guter Photograph, doch fehlten ihm Kenntnisse als „Röntgenbildner“. Diese Einschätzung ist zwar in Anbetracht der Kenntnisse, die sich Riedmann sich bei Gräff erworben haben muß, wenig glaubhaft, doch betreibt Riedmann sein Anliegen zu offensiv. Vor allem scheint eine Ausstellung, die Riedmann anläßlich der Eröffnungsveranstaltung des Institutes eingerichtet hat, Doerner wenig überzeugt zu haben. Daß Riedmann zudem noch „sensationelle Verbesserungen im Konservierungswesen plane“, erregt Doerner über alle Maßen: „Ich halte nichts von Sensation, sondern nur von Arbeit.“140 Doerners vehementes Veto verhindert eine Anstellung. Der Einstellung des Kirchenmalers Franz Ostenrieder* dagegen steht nichts im Wege: Roth kennt ihn aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit im Augsburger Dom.141 Die Suche nach einem Naturwissenschaftler gestaltet sich dagegen weit schwieriger. So bewirbt sich unter anderen der Diplomingenieur und Maler Hans Hebberling.142 Hebberling vermittelt Doerner auch die Anschrift des Farbenchemikers und Karlsruher Lackfabrikanten Heinrich Trillich, bekannter Verfasser des Deutschen Farbenbuchs.143 Möglicherweise ist Hebberling jüdischer Abstammung, denn Trillich bedauert, daß Hebberling gezwungen sei, sich nach „einer neuen Tätigkeit umzusehen“ und vermutet, daß sich auf die neuen Positionen in der „Forschungs- und Untersuchungsanstalt für Maltechnik“ verschiedenste Bewerber aus der Wissenschaft melden würden, von denen „wohl die weltanschaulichen Erziehungsnachweise vorgeleistet sein müssen. Ich persönlich will mich in diese Sache so wenig wie möglich einschalten.“ Trillich hat gleichwohl Kandidaten für die „wissenschaftliche Leitung der von Ihnen [Doerner] geleiteten Reichsanstalt für Maltechnik“ im Auge: Er nennt Hans Wagner in Stuttgart und den schon von Eibner favorisierten Johan175

nes Scheiber aus Leipzig. Trillich ist sich bewußt, daß es schwer sei, geeignete Leute zu finden, als Beispiel nennt er die Suche nach einem Nachfolger für Roßmann in Berlin, der dort zwischenzeitlich aus politischen Gründen ausgeschieden ist. Er bedauert zudem, daß die Eibnersche Versuchsanstalt geschlossen wurde: Für Doerner sicherlich unbequem, vertritt Trillich die Ansicht, daß „die wissenschaftliche Forschung andere Wege gehen muss, als die praktische Erfahrung […] Eibner hat sich meines Erachtens schwer genug zu der Einsicht durchgerungen, dass die Wissenschaft scheinbar ganz einfache Fragen des Praktikers jetzt noch nicht beantworten kann.“ Trillich erkennt, daß eines der Kernprobleme das Verständnis der „Bindemittel und deren kolloiden Eigenschaften“ sei und deshalb einen „absolut sicheren Analytiker“ benötige. Den Vertretern der Farbenindustrie jedoch sei in Anbetracht der Uneinigkeit unter den praktizierenden Künstlern kein Vorwurf zu machen, wenn „sie Materialien nach den Rezepten von bestimmten Künstlern herausbringen“. Trillichs abschließende Einschätzung, daß es wohl „das Beste [wäre], wenn die Versuchsanstalt an der T[echnischen] H[ochschule] möglichst bald wieder in Betrieb käme“, und daß es eine Arbeitsteilung zwischen der Versuchsanstalt und dem neuen Institut geben sollte, wird bei Doerner kaum auf Gegenliebe gestoßen sein.144 Die Suche nach einem geeigneten Naturwissenschaftler bleibt lange erfolglos: Doerner, der wieder erkrankt ist, steht hierzu mit Georg Schöfer aus Sieberlehn bei Dresden in Korrespondenz, einem ehemaligen Schüler, praktischen Arzt145 und späteren Oberstabsarzt.146 Schöfer, der Doerner auch als Arzt mit Rezepten versorgt,147 hat sich bereits früher zum Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Praxis geäußert.148 Wahrscheinlich alleine deshalb sucht Doerner seinen Rat, doch Schöfer scheint mit den Münchner Verhältnissen wenig vertraut zu sein: „Ist denn das Institut an der Technischen Hochschule aufgeflogen?“ Im Gegensatz zu Trillich rät er Doerner dringlich zu einem eigenständigen, nicht an die Hochschule angegliederten Institut und äußert sich überhaupt skeptisch zur Wir176

kung eines Chemikers. Schöfer fährt fort „Weit wichtiger [als die Frage des Chemikers] erscheint mir, dass Sie durch den Druck der Autorität Ihrer Person, der jetzigen Situation durch den genialen Sinn unseres Führers Kunstjünger möglichst ausnahmslos […] in ihre Schulbänke zwingen! Ferner vor allem auch dass nunmehr die Restauratorenschule (aus doppeltem Grunde: Zur Hebung und Durchd[ringung?] des Restaurat[ions] Wesens an der Öffentlichkeit, andererseits zur Wiederaufnahme des jahrhundertealten Weges für Künstler etwas aus alten Meistern zu lernen!!!! [letzten vier Wörter unterstrichen]) lebendig wird.“ Doerner markiert diese Sätze zusätzlich mit drei Ausrufezeichen ebenso wie Schöfers Aussagen „Nur technisch-handwerkliches läßt sich lehren“, „Kunstfertigkeit lässt sich üben“ und „Den Künstler muss man mitbringen!“149 Doerners Suche nach einem „jungen tüchtigen Chemiker mit physikalischen Kenntnissen, der auch Freude hat an der Malerei“, scheitert vor allem am Umstand, daß er in der Welt der Wissenschaft nicht zu Hause ist. Deshalb wendet er sich unter anderem an Albert Pietzsch, den Leiter der Reichswirtschaftskammer. Als vordringliche Aufgabe, mit der sich der Chemiker befassen solle, nennt Doerner das „Künstlerfarbengesetz […, die] dauernde Kontrolle des Handelsmaterials […] zum Schutze des Künstlers und des reellen Handels [sowie] die Erforschung einheimischer Rohstoffe resp[ektive] verwendbarer Ersatzstoffe“.150 Der Kontakt Doerners zu Pietzsch wird über Ziegler zustande gekommen sein. Wir wissen nicht, ob Pietzsch sich daraufhin direkt an den Naturstoffchemiker, Nobelpreisträger und Professor an der Ludwig-MaximiliansUniversität München Heinrich Otto Wieland*, der in der Folge einige Kandidaten vorschlägt, wendet. Vielleicht wurde Wieland auch durch den Besuch eines ehemaligen Schülers aus seiner Freiburger Zeit, Albrecht Keller, auf die offene Position aufmerksam. Keller weiß zwar um seinen fehlenden Doktortitel – er erwägt eine rasche Promotion bei Wieland auf der Grundlage einer bereits vorliegenden Arbeit zur Oelsäure –, betont jedoch seine Teilnahme am Welt177

krieg, vor allem seine NSDAP- und SA-Zugehörigkeit.151 Wieland hat Keller mit Sicherheit nicht in Erwägung gezogen, sondern denkt an Begabtere unter seinen Schülern. An erster Stelle ist dies der Chemiker Hermann Sutter, der sich aus ungekündigter Stelle bei der Industrie sehr für die Tätigkeit am Institut interessiert, ja sich mit Doerner Ende Juni 1937 rasch einig ist.152 Das vermutlich niedrigere Gehalt, die nicht vorhandene Möglichkeit zur Verbeamtung und eine fehlende Universitätsdozentur veranlassen Sutter jedoch, seine Bewerbung zurückzuziehen.153 Und auch ein zweiter Wunschkandidat zieht zurück: Georg-Maria Schwab, ein Physikochemiker, der im chemischen Laboratorium der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München tätig ist. Der erfahrene und durch zahlreiche Publikationen ausgewiesene Anorganiker stellt allerdings in Bezug auf Räumlichkeiten und Gehalt Bedingungen,154 welche die Reichskammer kaum hätte erfüllen können. Erschwerend kann Schwab den von ihm verlangten „Ariernachweis“ nicht bringen, so daß ihm Doerner in Anerkennung seiner besonderen Eignung eine Absage erteilt.155 Schwab muß 1939 emigrieren.156 Als nächsten Kandidaten – aber sicherlich nicht als dritte Wahl – empfiehlt Wieland Richard Jacobi*, einen engen Mitarbeiter. Abb. 30 | Max Doerner, Toni Roth und Jacobi hat mit ihm Mitte der Richard Jacobi 1920er Jahre über Gallensäure publiziert,157 für deren Entdeckung Wieland 1927 den Nobelpreis erhält. Jacobi ist inzwischen allerdings bei einer Mannheimer Firma unter Vertrag und dort auch ansässig.158 Anfang August verhandelt Doerner mit ihm, befürchtet jedoch, daß Jacobi ebenfalls abspringt,159 doch nach wenigen Tagen sind sie sich handelseinig.160 Zwar verzögert sich die Einstellung,161 aber für 178

Doerner ist eine lange Suche am Ende: Sein schon 1926 geäußerter Wunsch, einen Chemiker an seiner Seite zu haben, erfüllt sich endlich. Jacobi beginnt am 01.10.1937 (Abb. 30).162 Weil weder die Räumlichkeiten des Institutes nutzbar noch die Gerätschaften vorhanden sind, richtet sich Jacobi vorübergehend und gegen Bezahlung im Labor Wielands in der Sophienstraße ein.163 Seine Anstellung ist in vielerlei Hinsicht glücklich: Jacobis zwischen Chemie und Physik, Maltechnik und technischer Photographie gelagerte Begabung macht Doerners ursprünglichen Plan, neben einem Chemiker einen Physiker einzustellen, obsolet. Es ist nie mehr die Rede davon. Andere Bewerber werden abgelehnt bzw. auf ihren Rat beim Aufbau des Institutes nicht zurückgegriffen, darunter auch der in Fachkreisen wohlbekannte Chemiker und Volkswirt Karl Würth, ein ehemaliger Schüler und Doktorand von Schultz und Lipp an der Technischen Hochschule.164 Für Doerner kommt Würth damit nicht nur aus dem Umfeld Eibners und kann sich deshalb einer Ablehnung sicher sein, sondern er hält Würth auch aufgrund seiner anerkannten Spezialisierung auf Anstrichfarben und das Malergewerbe für nicht geeignet: Würth wird mitgeteilt, das Institut sei rein für „künstlerische Anforderungen aufgebaut, nicht für anstrichtechnische“.165 Schon Jahre zuvor war Würth von Wehlte in Berlin abgelehnt worden.166 Würth war als Ausbilder im Malerhandwerk tätig und leitet zum Zeitpunkt seiner Bewerbung die Beratungsund Auskunftstelle der Deutschen Maltechnischen Vereinigung in Leverkusen-Schlebusch,167 die sogenannte Mal- und Anstrichtechnische Versuchsanstalt. Mit der Ablehnung ist ein erneuter Versuch Würths, nach München zurückzukehren, gescheitert: Würth – dessen schwierige Persönlichkeit schon angedeutet wurde – verbleibt an seiner Versuchsanstalt, zu der leider wenig bekannt ist. Dabei wäre eine Auseinandersetzung vermutlich lohnenswert, erscheint ihr Tätigkeitsgebiet doch wie eine Doppelung des Doerner-Institutes: „[1] Ausarbeitung von Gutachten, [2] Beratung in allen mal- und anstrichtechnischen Fragen, [3] Untersuchung und Begutachtung 179

von Mal- und Anstrichstoffen aller Art, [4] Untersuchung und Altersbestimmung von Gemälden[,] Wandmalereien und Anstrichen [sowie] [5] Unabhängige Prüfungs- und Auskunftstelle für das Gesamtgebiet der Malerei und des Anstrichwesens.“168 Wieder rückt Doerner selbst ins Bild: Roth verspricht ihm, sich bei der Reichskammer wegen des ins Auge gefaßten und möglicherweise auch von Ziegler versprochenen Gehaltes als Leiter des Institutes zu verwenden.169 Dieses Ansinnen steht in Widerspruch zu Doerners anfänglicher Aussage, daß er, da auf der Gehaltsliste der Akademie stehend, kein Gehalt beanspruche. Hintergrund ist jedoch, daß „eine Kürzung [des] Akademie-Professorengehaltes und gar [des] Pensionsgehaltes“ droht. Wie erwähnt, wird deshalb eine Aufwandsentschädigung von 6.000 RM angestrebt,170 um Doerner keine Verluste entstehen zu lassen. Jacobi und Roth reisen in dieser heiklen Angelegenheit sogar persönlich nach Berlin, wo in einer dem Haushalt des Institutes gewidmeten Besprechung wichtige Entscheidungen fallen. So sollen die Beschaffungen aus haushaltstechnischen Gründen ebenso wie die Einstellungen rasch, auf jeden Fall vor dem 01.04.1938 erfolgen. Die Erweiterung des Rückgebäudes sei beschlossen, die Frage des Gehaltes Doerners bleibt jedoch offen.171 Womöglich nach einem weiteren Besuch in Berlin überbringt Roth die schlechte Nachricht, daß Doerner kein Gehalt bekäme. Dies sei auch bereits vor geraumer Zeit dem Bayerischen Kultusministerium mitgeteilt worden und mit Ziegler abgestimmt. Roth wird von der Reichskammer beauftragt, die Angelegenheit direkt in München zu regeln, bleibt jedoch erst einmal erfolglos. An diesem Zustand ändert sich bis Ende 1937 nichts,172 vor allem da das Münchner Ministerium Doerners Tätigkeit als Nebentätigkeit sieht, gegen die es zwar keine Einwände erhebe, die jedoch kein zusätzliches Gehalt aus Staatsmitteln rechtfertige. Am Ende verbleibt die Reichskammer mit Doerner so, daß er 500 RM monatlich als Aufwandsentschädigung ausbezahlt bekommt.173 Der Haushaltsplan für 1937 zeigt, daß neben Jacobi die Einstellung von zwei As180

sistenten, drei Laboranten und zwei Stenotypistinnen geplant war; ein Werkmeister, ein „Faktotum (Maurer und Schreiner)“ und eine Putzfrau runden die „Gefolgschaft“ ab.174 Doch bereits 1938 zieht eine realistischere Sichtweise ein: Man beschränkt sich auf einen Assistenten (Ostenrieder) und eine Schreibkraft (von Nagel), die Laboranten entfallen.175 MALTECHNISCHE BETRIEBSAMKEITEN Noch bevor die Genehmigung für den Umbau des Hauses vorliegt, ist Jacobi mit den Planungen für den „Umbau der chemischen Abteilung“ befaßt.176 In Wielands Laboratorium untergebracht, findet Jacobi dort all die Gerätschaften – er nennt ein Mikroskop, einen Polarisationsapparat, eine Analysen-Quarzlampe, eine Zentrifuge, ein Zeiss-Photometer, ein Ionometer (Säurebestimmung), eine Porzellan-Kugelmühle und ein Schnellviskosimeter – die er zur Farbenuntersuchung braucht.177 Zeitgleich beginnt Roth, seine maltechnische Abteilung aufzubauen und fordert von den Farbenfabriken Schmincke, Schoenfeld, Wagner, Neisch, Behrendt und Kreul Kataloge an,178 versucht frühere Auflagen von Doerners Buch einzutauschen und bestellt Farbmaterialien bei Düll. Jacobi arbeitet neben den Planungen für das Labor an einem Entwurf zum Deutschen Farbengesetz.179 Er arbeitet sich rasch ein, doch betragen die Lieferfristen für bestellte Gerätschaften drei bis vier Monate. Da Doerner krankheitsbedingt zumeist ausfällt, wickelt Roth in diesen Monaten den Großteil der täglichen Geschäfte ab: Die Flut der Anfragen, die sich teilweise sogar noch an die Versuchsanstalt der Technischen Hochschule wenden – viele vermuten den Sitz des neuen Institutes dort – erfordern eine sorgsame Abgrenzung: Fragen aus dem Handwerk oder von Behörden aus allen Teilen des deutschen Reichs werden ausnahmslos abgelehnt.180 Anfragen von Künstlern, die sich auf Doerners Standardwerk beziehen und zumeist maltechnischer Natur sind, beantwortet Roth dagegen geduldig. In der Regel sind es Vertreter einer gegenständlichen Malerei, 181

deren an der Malerei der alten Meister orientierte Technik sich stark an Doerner ausrichtet. Dabei wird offenkundig, daß es vor allem die zahlreichen Schüler der Lehrveranstaltungen Doerners sind, die den Ruf und die Technik ihres Meisters in alle Teile des Reichs tragen: Hierzu rechnet auch der Stolper Maler und Graphiker Günter Pahl, der im Juni 1938 in Hinterpommern ausstellt (Abb. 31).181 In Abb. 31 | Günther Pahl, „SA“, o. D. anderen Fällen reicht allein die Lektüre von Doerners Buch, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß das „Buch für einen Maler nützlicher sein kann als alle Akademien und Lehrer zusammen, außerdem ist es so fesselnd wie ein Detektivroman“. Man kann über diese Einschätzung streiten, doch so oder ähnlich hätten sich viele Schüler Doerners geäußert; daß es jedoch in diesem Fall die junge, zudem jüdische und nach Paris emigrierte Malerin Alexandra Pregel ist, bildet die Ausnahme.182 Aufforderungen zu Ortsterminen aus der Denkmalpflege nimmt Roth mit Jacobi wahr, vor allem, um dort den Grundsatz „Konservieren statt Restaurieren“ zu vertreten.183 Letzterer schiebt angeforderte Analysen an eingeschicktem Probematerial zwischen alle anderen Arbeiten: Hierzu rechnen die Prüfung von künstlerischen Materialien bis hin zu Farbbändern von Schreibmaschinen der Münchner Bibliotheken. Zu diesem eher ungewöhnlichen Auftrag einer Prüfung der Lichtechtheit von Kristallviolett – einem Triphenylmethanfarbstoff – hat sich in den Akten sogar ein Meßblatt aus Jacobis Pulfrich-Photometer erhalten.184 Andere Anfragen begreift Roth als wertvolle Aktualisierung und Ergänzung zu Doerners Standardwerk, ohne zu wissen, daß die Verantwortung für dieses Werk in wenigen Monaten in seinen 182

Händen liegen wird: So geht ihm umfangreiches Bildmaterial zu den sogenannten OSSA-Malbrettern (Abb. 32) zu – eine mit Leisten verstärkte Sperrholzkonstruktion –, die in diesen Jahren trotz ihres vergleichsweise hohen Preises von vielen Künstlern, darunter auch von Otto Dix verwendet werden.185 Trotz seiner Erkrankung scheut Doerner Auseinandersetzungen nicht: Anfang 1938 gerät er über den Begriff des „Deutschen Fresko“ in Streit mit Rupflin, dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren.186 Doerner wendet sich gegen durch Firmen eingeführte Bezeichnungen, da er sie als irreführend empfindet, plädiert jedoch für die weitere Verwendung des Begriffs „Keimsche Mineralfarbe“, den er für etabliert und eindeutig hält. Er verbindet seinen Angriff auf Rupflin mit gewohnten Ausfällen auf die VersuchsanAbb. 32 | OSSA-Malbrett der Maße stalt und schließt mit: „Deutsch 4,25m x 1,45 m mit dem Maler H. Haas, sein, heißt wahr sein – aber Miausgeführt für das Reichsneubauamt/ neralmalerei ist eben kein FresLeibstandarte Adolf Hitler ko.“187 Dieser Dissens wird auch der Grund dafür gewesen sein, daß Roth einer kurz danach ausgesprochenen Einladung der Gesellschaft für rationelle Malverfahren, über „Kaseinmalerei“ zu reden, nicht folgt.188 Roth und Ostenrieder wenden sich vielmehr praktischen Aufgaben zu und bereiten Kaseingründe nach Angaben Doerners vor,189 kümmern sich um Vitrinenlieferungen190 und beraten in Stellvertretung für den erkrankten Doerner in Restaurierungsfragen z. B. in der Kriegerge-

dächtniskapelle in Breitbrunn am Ammersee.191 Die Verbindung zu Doer­ner ist also eng, Roth zeichnet zumeist mit „Ihr dankbarer“ oder ähnlichen Formulierungen und tritt ebenso oft als Übermittler von Grüßen von Doerner an Ziegler auf.192 Während Roth und Jacobi gezwungen sind, nach räumlichen Zwischenlösungen zu suchen, die sie schließlich in der Akademie finden, ist von Ziegler kaum Unterstützung zu erwarten. Dieser ist ab März 1938 aufgrund seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Erlaß Goebbels zur „Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“193 kaum für Belange des Institutes ansprechbar, ja er stellt nach seinen eigenen Aussagen auch seine künstlerische Tätigkeit zurück. Ziegler, von Hitler hierzu bereits 1937 persönlich beauftragt, sieht vielleicht auch deshalb seine Aktivitäten als zeitlich begrenzt, schreibt jedoch, daß er „den großen Sonderauftrag des Führers, die deutschen Museen zu bereinigen, in nächster Zeit zum Abschluß zu bringen hoffe“.194 Die Aktion war noch zwei Jahre zuvor umstritten, hatte sich doch das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gegen die Beschlagnahme französischer Impressionisten aus großen deutschen Museen ausgesprochen.195 Noch 1936 wäre dies als ein massiver Übergriff auf die Häuser abgelehnt worden, doch 1937/38 setzen sich die Parteilinie und Goebbels Reichsministerium durch. Die konfliktgeladene Konkurrenz zwischen dem für die Museen, Hochschulen und Akademien zuständigen Reichsministerium und den Führungsspitzen der Partei, insbesondere dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda196 bleibt allerdings für die gesamte Dauer des „Dritten Reichs“ bestehen. Die deutsche Künstlerschaft ist über Zieglers Auftrag wohlinformiert, denn Goebbels erwähnte Verordnung zur „Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ wird in den Technischen Mitteilungen für Malerei nicht nur veröffentlicht, sondern von der Schriftleitung sogar ausdrücklich begrüßt. Sie bedeute „die endgültige Bereinigung eines Problems, das so unerfreuliche Begleiterscheinungen gezeitigt und immer wieder Anlaß 184

zu vollauf berechtigten Klagen und Beschwerden gegeben“ habe. Man befreie sich so „um der Kunst und des Volkes willen von einer Erbschaft, die ihm aus den degenerierten Kunstanschauungen der Systemzeit überkommen ist“. Ganz wohl scheint der Schriftleitung der Technischen Mitteilungen aber nicht zu sein, mag doch mancher Abonnent von den Maßnahmen betroffen sein. Sie versichert deshalb, daß „Vorsorge dafür getroffen [sei], daß die Prüfung unter Berücksichtigung aller fachmännischen Gesichtspunkte erfolgt, und daß ein Schaden nicht eintritt“.197 Dieser Exkurs soll nicht den Eindruck erwecken, daß die Thematik „entartete Kunst“ für das Leben im Institut irgendeine Rolle gespielt hätte, zumindest spiegelt sich nichts davon in den Akten wider. Unbeeindruckt vom Geschehen im Großen, bemüht sich Jacobi vielmehr darum, seine Meßvorrichtung für die Emissionsspektralanalyse von Abb. 33 | Kleinröntgenapparat „Kristalloflex“ von Siemens & Halske

Carl Zeiss198 mit einer Ergänzung zum Pulfrichphotometer (Kolorimeter), ein Abbé-Refraktometer, eine Zeiss-Ultraphot-Ausrüstung für die Mikrophotographie, Projektionsgeräte (einen Spektrenprojektor, ein Epidiaskop sowie einen Schreibprojektionsapparat „Belsacar“) noch rechtzeitig bis zum 01.07.1938 geliefert zu bekommen. Doch obgleich er schon im Januar des Jahres Angebote einholt, noch im selben Monat zur Auswahl eigens nach Jena fährt, dort mündliche Aufträge erteilt und Ende Mai die notwendigen Schulungen macht, kann Zeiss das Photomikroskop nicht rechtzeitig liefern: Die Firma stellt deshalb ein „anderes Gerät“ für die Einweihungsfeierlichkeiten auf, das später gegen das endgültige ausgetauscht wird.199 Analysen- wie Mikrowaagen, Hängezentrifugen, Trockenschränke, Mörser, Extraktionsapparate, Analysen-Quarzlampen, Lupenmikroskope sowie zahllose Chemikalien für Analyse und maltechnische Versuche runden das Bild ab.200 Eine der Beschaffungen ist eine „Röntgenprüfungseinrichtung für Gemälde-Untersuchungen“, wofür ein „kleiner Röntgen-Apparat Kristalloflex“ der Fa. Siemens & Halske beschafft wird.201 Der „Kristalloflex“ (Abb. 33) war eigentlich für Röntgenfeinstrukturanalysen entwickelt worden.202 Es wird sich allerdings bald herausstellen, daß Röhrenspannungen von 30 kV (bei einer Leistung von 25 mA), 37 kV (20 mA) und 45 kV (17 mA) für die Erstellung kontrastreicher Röntgenaufnahmen zu hoch sind. Dies auch vor allem deshalb, weil das ausgeleuchtete Feld nur 30 x 40 cm bei einem Film-Fokus-Abstand von einem Meter mißt, also der bis heute üblichen Größe eines normalen Röntgenfilms für diesen Zweck entspricht. Die mit einer Wolfram-Röhre bestückte Röhrenhaube wird über ein Stativ gehalten, der „KleinRöntgenapparat“ ist so für einen mobilen Einsatz transportabel.203 Jacobi nimmt bei dieser wohl erstmalig umgesetzten Modifikation auf die Fertigung des 4.600 RM teuren Gerätes Einfluß und behält dabei sogar den Arbeitsschutz im Blick.204

186

Abb. 34 | Vom Ballon aufgenommenes Luftbild vom Areal rund um die Akademie, um 1900 (Detail), rechts an den Akademiegarten angrenzend die Gebäude Leopoldstraße 3 (weißer Pfeil) und rechts daneben 5

UMBAU Das Gebäude Leopoldstraße 3 entpuppt sich rasch als zweite Wahl. Bereits früh kündigt sich an, daß der Keller des Gebäudes so durchfeuchtet ist, daß eine ursprünglich ins Auge gefaßte Nutzung als Laboratorium schwer vorstellbar ist. Bald wird klar, daß größere Umplanungen erforderlich sind, wozu auf Empfehlung der Reichskammer die Architekten Heinrich Rettig und Friedrich Lämmle aus München beauftragt werden.205 Rettig hatte sich kurz zuvor durch den 1937 übergebenen Neubau des Pasinger Rathauses in München empfohlen. Nicht untypisch für die Umnutzung eines Altbaus wie der Leopoldstraße 3 – bislang eine Klinik (Abb. 34) –, wandern die Laboratorien zuerst in ein nach Süden, also zur Akademie orientiertes Rückgebäude. Die Idee einer Verlängerung des Haus nach Nordwesten wird noch vom Voreigentümer übernommen,206 die dieser vermutlich aufgrund seiner Verhaftung durch die Nationalsozialisten nie hat realisieren können.207 Anfang November 1937 legt Doerner Ziegler Pläne für die rückwärtige Erweiterung 187

des Hauptgebäudes vor: Sie tragen seine Handschrift, soll doch die „fensterfreie Seitenwand (gegen die Akademie zu gelegen) mit reinem Kalkverputz – reiner Kalkputz ohne Zement – [ausgeführt werden], um dieselbe als Untergrund für Malproben zu verwenden“. Mit den Gepflogenheiten des öffentlichen Haushaltsrechtes wenig vertraut, schlägt Doerner vor, die Mehrkosten für den Anbau durch die Personalkosten des eingesparten Physikers zu kompensieren.208 Weitere Planungen scheint Jacobi mit den Architekten auszuhandeln, die sich im Januar 1938 endgültig auf eine Erweiterung der Rückseite festlegen (Abb. 35). Nur ein solcher Eingriff verspricht, die Büros, die Bibliothek, die Laboratorien und die Dunkelkammer im Erdgeschoß, die maltechnische Abteilung nebst Materialschausammlung und den Vortragsraum im Obergeschoß sowie ein Atelier im Dachgeschoß unterzubringen.209 Für diese Pläne müssen allerdings zusätzliche Mittel aus Berlin beschafft werden. Es ist wenig verwunderlich, daß Ende Januar 1938 der Umbau noch nicht einmal begonnen hat.210 Da die lokale Presse jedoch schon über anstehende Arbeiten berichtet,211 steigt der Druck aus Berlin. Signale aus der Reichskammer nötigen zur Eile, ja die Sanierung und die Einrichtung des Institutes soll noch vor dem 01.04.1938 abgeschlossen sein, denn nach allgemeiner Auffassung droht Krieg. Doch erst Anfang März beginnen die Bauarbeiten und ein Ortstermin in Gegenwart Zieglers, Jaegers und der Architekten macht klar, daß der alte Bau Überraschungen bereithält: Wasserleitungen sind durch Frost gesprengt, Decken verfault, Balken morsch.212 Mitten in die Hiobsbotschaften platzt ein Ersuchen des „Deutschen Jungvolks i. d. H. J. [in der Hitlerjugend] Fähnlein 33/2 L“, Räume im Rückgebäude beziehen zu wollen, was Roth jedoch zurückweist.213 Aufgrund fehlender statischer Berechnung liegt Mitte März noch nicht einmal die Baugenehmigung vor214 und der von Ziegler vorgegebene Terminplan mit einem unverrückbaren, rein aus politischen Überlegungen entstandenen Eröffnungstermin anläßlich des „Tages der Deutschen Kunst“ läßt die Architekten vehement intervenie188

Abb. 35 | Erweiterungsplanung für das Haus Leopoldstr. 3

ren.215 Zum Richtfest Ende April 1938, das die Gaststätte Großer Wirt Schwabing unter anderem mit „135 l Bier (hell oder dunkel)“ beliefert, sind 45 Gäste geladen, unter ihnen neben Vertretern von Doerners Stammtisch und dem Personal des Institutes auch Rupflin, Lill, Bestelmeyer, Buchner, Vertreter der Partei, Jaeger und vor allem die zu Professorenwürden aufgestiegenen Schüler und Freunde Doerners, Ziegler, Czerny und Wehlte216 und von den Nachbarn Reichskultursenator Brinkmann. Ein anderer, potentieller Nachbar fehlt: In die Villa Leopoldstraße 5, als deren Eigentümer 1937 die Firma „Merck, Fink und Co“ eingetragen ist,217 sollte womöglich Hitler selbst einziehen, ordnet Ziegler doch schon Monate zuvor an, daß in die Mauer zwischen beiden Anwesen ein „Durchgang gebrochen wird, damit der Führer ungehindert in das Institut kommen kann“.218 Auch ein anderer ist nicht dabei: Max Doerner bleibt krankheitsbedingt dem Richtfest fern. Dem Drängen aus Berlin stehen simple Fakten entgegen: Der miserable bauliche Zustand des Gebäudes erzwingt eine weitaus umfassendere Sanierung als gedacht, oder wie Jacobi – Jahre später – berichtet: „Das Gelände, auf welchem das Haus steht, liegt tiefer 189

als die Nachbargrundstücke und glich eher einem Sumpf. Nach jedem Regen stand das Wasser im Garten gegen die Akademie zu 10–20 cm hoch ohne Ablauf. Die Kellerräume waren dadurch vollkommen nass und unbenützbar. Das Mauerwerk war vollkommen feucht, und zwar war der [Haus]Schwamm, wie sich nachher herausstellte, vom Keller bis zum Dachstock [(Abb. 35)] durchgewachsen. Die gesamte Installation des Hauses war völlig unbrauchbar, da man es unterlassen hatte, das Wasser sowohl aus den Leitungen als auch aus der Heizung zu entleeren. Die Heizkörper sowohl als auch die Rohre waren durch den Frost gesprengt.219 Die meisten Fensterflügel waren morsch und mussten erneuert werden. Die Deckenbalken waren an den Enden, wo sie auf dem Mauerwerk aufliegen, abgefault und mussten ebenfalls erneuert werden. Die Wände der kleinen Räume lagen nicht übereinander, sondern waren willkürlich eingesetzt und wurden z[um] T[eil] entfernt, z[um] T[eil] versetzt. Der Dachstuhl war in einem ausserordentlich schlechten Erhaltungszustand und bedurfte totaler Erneuerung. Das Hinterhaus wies ähnliche Mängel auf. Nach der Südseite war das Mauerwerk vollkommen nass, und durch das Dach ging der Regen beliebig durch. Auch dieses Gebäude musste entfeuchtet werden.“220 Nachdem die Reichskammer Anfang Februar 1938 Mittel für den Umbau freigibt,221 bestätigen Baugutachten den schlechten Zustand des Hauses. An einem Holzbruchstück eines der Fensterstöcke im Untergeschoß wird der von Jacobi erwähnte echte Hausschwamm festgestellt.222 Ein alarmierender Befund, der unmittelbares Handeln erfordert: Zwar feiert die Münchner Presse „den Umbau des Geisterhauses an der Leopoldstraße zur Forschungsanstalt“,223 doch ein zweites Gutachten224 – fährt Jacobi fort – ergab „bezügl[ich] der Schwammbildung im Haus […] eine geradezu erschreckende Verbreitung dieses Übels. Es musste das Mauerwerk bis unmittelbar zum Dach ersetzt werden, sogar noch ein Teil der Dachbalken. Die Installation und vor allem die gesamte Zentralheizung wurden praktisch vollständig erneuert. Die Heizung wurde bis zum Hinter190

haus durchgeführt, damit dieses austrocknen konnte und bewohnbar wurde. Der Dachstock wurde nachträglich für Atelierräume ausgebaut und mit Fussböden versehen. Auf dem Hinterhaus wurde eine vollständig neue Bedachung mittels Blechdach ausgeführt, weil die alte Bedachung nicht mehr reparaturfähig war. Im Hinterhaus wurden die unteren Räume in Werkstätte und Garage umgebaut. Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass diese gesamten nachträglichen Arbeiten einen wesentlichen Kostenaufwand verursachten und überhaupt erst dazu dienten, das Haus auf die Dauer bewohnbar zu machen.“225 Der von Jacobi so anschaulich geschilderte bauliche Zustand muß deshalb eine böse Überraschung gewesen sein, vor allem da der Kaufvertrag zusicherte, daß „das Grundstück frei von Hausschwamm“ sei. Verantwortlich für die Durchfeuchtung war in der Tat die leichte Hanglage des Grundstücks und das somit stetig gegen die Kellermauern anstehende Wasser – ein Zustand, der nach Ansicht des Gutachters schon „vor dem Verkauf des Hauses wiederholt zu Entfeuchtungsmaßnahmen Anlaß gegeben“ habe.226 Zudem stand das Haus nicht auf Kiesgrund, sondern direkt auf der Erde.227 Nachteilig war aber insbesondere, daß das Haus „verlassen und dann 3–4 Jahre abgeschlossen wurde, ohne daß in dieser Zeit die Räume gelüftet wurden“.228 Nicht nur Hausschwamm, sondern auch Wurmfraß und Rotfäule sind die Folgen. Auch Vorsatzbeton und Luftschächte können keine Abhilfe schaffen, eine Horizontalsperre und ein „ringsum laufender Isolierschacht“, der an die Kanalisation angeschlossen werden soll, sind jetzt weit kostenaufwendigere Vorschläge, eine Behandlung mit Xylamon229 und Neuverputzen unmittelbare Konsequenz.230 Die wahren Verhältnisse lassen sich nicht lange verbergen: Im Mai 1938 teilt Jacobi Ziegler mit, daß das Haus von Hausschwamm befallen sei und daß wegen dessen schnellen Wachstums umgehend Maßnahmen nötig seien.231 Über die Vorgehensweise besteht Unsicherheit, eine Horizontalsperre mit Asphaltbleiplatten oder der Einbau poröser Knapenziegel,232 die zur Entfeuchtung des Mau191

Abb. 36 | Doerner-Institut von der Leopoldstraße aus gesehen

Abb. 37 | Rückseitige Ansicht des Institutes

Abb. 38 | Rückgebäude

erwerks führen sollen, werden diskutiert.233 Zur Beseitigung des Hausschwamms und für Nutzeranforderungen sind zusätzliche 31.000 RM nötig.234 Insgesamt sollen sich die Aufwendungen jetzt auf 91.950 RM belaufen235 – hierin ist die Innenausstattung noch nicht enthalten. Die den Firmen zu zahlenden Vorschüsse bringen Jacobi immer wieder in Schwierigkeiten, da die Anweisungen der Reichskammer aus Berlin säumig eingehen. Die Handwerker drohen sogar, die Arbeiten einzustellen, da „sie bei der Materialbeschaffung heute alles bar vorlegen müssen“, die Eröffnung im Juli steht also mehr als in Frage.236 Aber es sind nicht nur die laufenden Sanierungskosten, sondern auch die Gehälter und Sachmittel für den laufenden Betrieb, die den mit der Geschäftsführung betrauten Jacobi immer wieder in Bedrängnis bringen.237 Ausbleibende Weihnachtsgratifikationen tragen zudem zur schlechten Stimmung der „Gefolgschaft“ bei. Zieglers Sorge gilt dagegen der Tatsache, daß Hausmeister Max 193

Abb. 39 | Grundriß Kellergeschoß, Planungsstand Januar 1938 Abb. 40 | Grundriß Erdgeschoß mit eingezeichneter Möblierung, Planungsstand Januar 1938

Abb. 41 | Grundriß Obergeschoß mit eingezeichneter Möblierung, Planungsstand Januar 1938 Abb. 42 | Grundriß Dachgeschoß mit eingezeichneter Möblierung, Planungsstand Januar 1938

Abb. 43 | Büro

Abb. 44 | Schreibzimmer

Abb. 45 | Bücherei

Abb. 46 | Farbenprüfraum

Abb. 47 | Vortragsraum mit Glühlampen-Epidiaskop der Fa. Zeiss Jena

Kittel immer noch keine „Chauffeuruniform und Mütze mit Hoheitszeichen“ wie alle anderen Fahrer der Kammer habe, obgleich er Jacobi hiermit beauftragt hätte. Dieser, als dringend bezeichnete Auftrag scheitert daran, daß sich Berlin außerstande sieht, die genaue „Art der Uniform“ anzugeben.238 Das Mobiliar wird am 20.12.1937 für rund 8.600 RM bei den Münchner Kunstgewerblichen Werkstätten in Auftrag gegeben, die nicht nur für die Anfertigung sondern auch für den Entwurf verantwortlich zeichnen.239 Eine Reihe von nach Herbst 1938 zu datierende Photos vermitteln ein Bild des Institutes und seiner Einrichtung. In den Akten erhaltene Pläne geben einen guten Einblick in die Raumaufteilung und die geplante Möblierung (Abb. 36 bis 47). Wie dem Inventarverzeichnis zu entnehmen ist, besteht der Wandschmuck aus sechs „Hitlerbildern“ zu 43 RM und einem „Führerbilde“ zu 100 RM, die noch vor den Gerätschaften beschafft wurden, des weiteren drei „Fahnen“ für 45 RM und eine „Doppelfahne“ zu 17 RM. Diese Fahnen werden ebenso wie zwölf 198

Stück Girlanden für die Eröffnung gedient haben,240 eine Fahnenstange vor dem Haus wird jedoch erst Ende Juli 1938 aufgestellt.241 Darüber hinaus ist jedes Büro wie die Bibliothek mit Bildern von Goebbels und Gauleiter Wagner (Abb. 48) geschmückt, im Büro Zieglers hängt zudem neben diesen beiden ein Photo Doerners. Einzig ein Pressephoto (Abb. 49) zeigt das Hakenkreuz und wohl oben erwähntes „Führerbild“, aber auf keiner der überkommenen Photos mit Innenansichten des Institutes sind diese Bilder zu sehen. Ist es das Auge des Photographen Hans Roth*, Nichtparteimitglied, das die Hoheitszeichen meidet? Am 14.08.1938, also erst nach den Eröffnungsfeierlichkeiten, beginnen die Sanierungsarbeiten, mit denen man dem umfangreichen Hausschwammbefall Herr zu werden versucht. Sind die Decken abgestützt, werden die kompletten Kellerwände nach Osten wie Norden abgebrochen, das Anschlußmauerwerk ausgebrannt und mit „Xylamon u[nd] Antimonin“ getränkt, die Wände in „Hartbrandund Klinkersteinen“ neu aufgeAbb. 48 | Fritz Erler, „Staatsminister mauert und verputzt. Alle vom Gauleiter Adolf Wagner“, 1936 Schwamm befallenen Fensterund Türstöcke im Keller sowie sein gesamter Holzboden müssen erneuert werden. Die schwierigen Arbeiten ziehen sich bis in den Oktober 1938 hin.242 Ebenfalls erst nach der Einweihung werden die Vorhänge für das ganze Haus geliefert und aufgehängt.243 Größere Umbauarbeiten „anlässlich der Freilegung des Siegestores“ und die Bauarbeiten in der Leopold­ straße 3 machen eine Erneuerung des Gehweges vor dem Haus nötig,

die alten Pflastersteine werden im Hofraum verlegt.244 Auch die Warmwasserheizung und neu gesetzte Heizkörper werden erst im Juni 1939 übergeben.245 EINWEIHUNG UND TOD Bereits im Vorfeld wird in der Fachpresse der „Tag der deutschen Kunst“ vom 08. bis 09.07.1938 mit dem – fiktiven – Abschluß der Umbauarbeiten des Institutes in Verbindung gebracht.246 An dem Termin für die Eröffnung wird festgehalten, auch wenn allen Beteiligten, ob in Berlin oder München, klar ist, daß die Beseitigung des Hausschwamms und damit die Sanierung des Hauses auf die Zeit nach der Einweihung verschoben werden muß. Auch die Umbauarbeiten im Innern müssen außerordentlich gedrängt gewesen Abb. 49 | Offizielle Eröffnung des Instituts am 09.07.1938

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sein: Erst eine Woche vor den Einweihungsfeierlichkeiten beginnt der Bezug des Gebäudes. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Lieferungen werden in der benachbarten Akademie zwischengelagert,247 wo das Institut im Atelier 64 eine vorübergehende Bleibe gefunden hat.248 Bis zum Vortag der Eröffnung unterstützt das Personal einer Münchner Spedition die Mitarbeiter des Institutes bei der Einrichtung der Räume.249 Auf Einladung Zieglers findet schließlich am „Sonnabend, dem 9. Juli 1938, 11.00 Uhr […] in kleinem Kreise geladener Gäste die Einweihung der Werkprüfungs- und Forschungsanstalt für Maltechnik“250 statt. Interessanterweise – und von Doerners Freund Wilhelm Graf handschriftlich auf der Einladungskarte vermerkt251 –, fehlt der Zusatz „Doerner-Institut“. Die von Ziegler formulierte und gezeichnete Einladung unterschlägt ihn vermutlich bewußt, hätte er doch allen Glanz auf Doerner geworfen. Spätestens mit der Ausschmückung des Büros Zieglers, aber auch vor dem Hintergrund von Presseanfragen anläßlich der Eröffnung, muß außerdem die Frage nach einem offiziellen Photo Doerners aufgetaucht sein. Die schon 1937 verbreitete Aufnahme, die sich auch in vielen Ausgaben seines Buches findet, stammt wohl aus den Ateliers von Heinrich Hoffmann.252 Man muß Roths Absicht, „bei der Eröffnung des Doerner-Institutes mit anderen Persönlichkeiten [gemeint sind Hitler, Goebbels und Wagner] auch ein gutes Lichtbild von Professor Doerner in den Räumen aufzuhängen“, fast subversiv nennen, denn hierzu scheint er Hoffmanns Aufnahme nicht zu rechnen. Vielmehr wendet er sich an einen Privatmann, der „eine besonders gute Aufnahme“ von Doerner gefertigt haben soll.253 Auch wenn dieser die Glasplatte wie gebeten einliefert, ziert Hoffmanns Photo die Wände und bestimmt bis heute das öffentliche Bild Doerners. Bedauerlicherweise haben sich keine weiteren Aufnahmen des Festaktes (Abb. 49) erhalten. Ob die Vertreter der Presse fehlten oder ob die Aufnahmen, auf denen das Hakenkreuz zu sehen gewesen sein muß, den Aktenbereinigungen der Nachkriegszeit zum Opfer 201

fielen, wissen wir nicht. Der Festakt selbst ist von kurzer Dauer, Zieglers Rede ist knapp, die von Jacobi und Roth niedergelegten Stichworte werden übergangen, sein Bezug auf seinen „hochverehrten Lehrer Max Doerner“ umso deutlicher.254 Doerner selbst schweigt: Vermutlich gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage, bleiben seine niedergeschriebenen Gedanken zur Vorgeschichte, zum Auftrag und dem zukünftigen Tätigkeitsfeld des Institutes ungesagt.255 Sie bewegen sich im Spannungsfeld der „Hauptstadt der deutschen Kunst“, den angeblichen Verfehlungen der „Systemzeit“, dem unterstellten Versagen der Versuchsanstalt, seinen eigenen 30jährigen „Kämpfen“, den zu rühmenden Verdiensten Zieglers als seinem Schüler, der als einziger seiner „Überzeugung und eigner Erfahrung […] im Dritten Reich […] Tat[en] folgen“ habe lassen, und dem bereits zitierten „Führerwort“ aus der Kulturrede 1933.256 Zieglers Tagesprogramm ist dicht gefüllt: Schon mittags nimmt er an der Übergabe des sogenannten Diskuswerfers von Myron durch Hitler in der Glyptothek teil.257 Um 15:30 Uhr lädt Ziegler dann „anläßlich des Tages der deutschen Kunst 1938“ zu einer Festsitzung im Rahmen der 3. Jahresversammlung der Reichskammer der Bildenden Künste. Im reichgeschmückten Festsaal des Deutschen Museums marschieren „unter dem brausenden Ruf der Brucknerfanfare“ Hitler, Goebbels und Ziegler ein. Während Goebbels Rede keinen Hinweis auf das Doerner-Institut gibt, schließt Ziegler seine Rede mit dem „Hinweis auf die Einweihung der Werkprüfungs- und Forschungsanstalt für Maltechnik, die am Vormittag stattgefunden hatte. Neben der Erforschung geeigneter Konservierungsmethoden habe sie die Aufgabe, zuverlässige Gutachten über die Echtheit von Kunstwerken zu erstatten, sowie bei der Einführung neuer Werkstoffe für künstlerische Zwecke mitzuhelfen.“258 Wir wissen nicht, ob Ziegler dabei den Namen Doerners erwähnt, auch ob dieser teilnimmt, ist ungewiß.259

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Abb. 50 | Festumzug anläßlich des „Tages der Deutschen Kunst“ am 10.07.1938

Am Tag danach, dem 10.07.1938, hält Hitler eine programmatische Rede anläßlich der Eröffnung der „Großen Deutschen Kunstausstellung“. Überraschenderweise fehlt auch in dieser Rede jeglicher Hinweis auf das Institut. Es bleibt so wieder Ziegler überlassen, das von ihm ins Leben gerufene Institut in den größeren Kontext von Deutscher Kunst, der eröffneten Kunstausstellung und des von Abertausenden Besuchern mit Spannung erwarteten Festumzugs zu stellen. Dieser Festzug (Abb. 50) am Nachmittag führt erstmalig auch am Institutsgebäude vorbei: Statt wie in den Vorjahren vor der Universität auf der Ludwigstraße zu wenden, verläuft die veränderte Streckenführung über die Königinstraße in die Ohmstraße und biegt von Norden kommend in die Ludwigstraße ein, passiert das Institut und das Siegestor.260 Wir können annehmen, daß die der Straße naheliegenden Fensterfronten von Mitgliedern des Institutes besetzt sind, da sie vermutlich einen vorzüglichen Blick auf den Festzug bieten. 203

In den Wochen nach der Eröffnung laufen von allen Seiten Gratulationen ein, von denen hier nur zwei genannt sein sollen. So schreibt Wehlte, der bemerkenswerterweise nicht geladen war, am Eröffnungstag aus Berlin über die Schwierigkeiten, die Doerner mit der Durchsetzung seiner Lehre gehabt hätte, und wie er sich über die, wenngleich späte Anerkennung für Doerners Lebenswerk – dieser ist bereits 68 Jahre – freue. Er spielt dabei auch auf die lange Zeit an, in der sie sich beide für die „Sache der Maltechnik“ eingesetzt hätten. Wehlte erinnert sich „des Raumes im Obergeschoss der [Münchner] Akademie, [er] denke an die wenig anerkennenden Bemerkungen der ewigen „Impressionisten“ über maltechnische Fragen und Einrichtungen und lernte schließlich den Kampf gegen die Unbelehrbaren aus eigenster Erfahrung kennen in einer Zeit, in der mir Ihr Beistand viel bedeutete […] Eine ansehnliche Zeitspanne liegt dazwischen. Mehrere Ihrer Schüler haben unterdessen Lehrstühle inne und die Sache ‚marschiert‘. Ihr Werk ist gesichert.“261 Dem Brief, den Wehlte mit „Heil Hitler Ihr stets dankbarer Kurt WehlAbb. 51 | Lehr- und Versuchswerkstätten von Kurt Wehlte in Berlin, um 1938

te“ schließt, liegt ein Photo aus dem Freskokurs Wehltes (Abb. 51) und ein Artikel aus dem Völkischen Beobachter zur Bedeutung der „Kunsterziehung […] als Kernstück der kulturellen Aufbauidee unserer Zeit“262 bei. Sechs Wochen später kommt Wehlte noch einmal auf die kleine Feier zurück: Das als vertraulich bezeichnete Schreiben geht dabei in einer – von wem ist unklar – überklebten Passage auf einen überraschenden Punkt ein. Wehlte schreibt dort in Reaktion auf ein heute leider nicht mehr erhaltenes Schreiben Doerners vom 19.07.1938: „Ich hatte einen kollegialen dauernden Kontakt mit dem Münchner Institut für selbstverständlich gehalten und mich auf die Einweihungsfeier in Ihrer Gegenwart gefreut. Nun hoffe ich auf einen späteren Zeit-[ab hier überklebt]punkt, der vielleicht viel geeigneter ist als die offizielle Feier, für Sie weniger anstrengend und für mich interessanter. Ihre Darlegungen betrüben mich trotzdem, da sie zeigten, daß man Ihre Wünsche nicht so estimiert wie sich das gehört hätte.“263 Doerner ordnet – durchaus ungewöhnlich – in einem separaten Schreiben an, daß Wehltes Schreiben zu den Akten gehen solle, vorher sei es jedoch Jacobi vorzulegen: Jacobi sollte die Botschaft Wehltes unbedingt lesen. Möglicherweise entschied Ziegler, Wehlte gegen den ausdrücklichen Wunsch Doerners nicht einzuladen. Jacobi mag diesen Passus als für Wehlte gefährlich empfunden haben und könnte derjenige gewesen sein, der für die zensierende Überklebung verantwortlich zeichnet. War Jacobi bewußt, daß Ziegler mit einem Federstrich über das Wohl und Wehe einer Karriere entscheiden kann? Unter den Gratulationsschreiben fällt das des Malers Fritz Erler auf, den Doerner vermutlich bereits seit 1895, auf jeden Fall seit den Zeiten ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zum Kuratorium der Versuchsanstalt kennt.264 Erler schreibt, er „hätte [Doerner gerne] neulich bei der Eröffnung des neuen Institutes an der Leopold­straße begrüßt, allein ich war nicht eingeladen, wie man mich überhaupt nach Möglichkeit auszuschalten beliebt. Nun, ich kann es einstweilen ertragen.“ Anders als Wehlte schließt er seinen Brief „Mit 205

herzl[ichen] Grüßen Ihr Fritz Erler“.265 Doerner ist Erler seit langem über maltechnische Themen verbunden, so berät er ihn 1932 bei der Ausmalung der Apsis der von German Bestelmeyer errichteten Münchner Auferstehungskirche.266 Wenige Tage vor oder nach der Eröffnung lädt Erler Doerner nach Berlin ein, um ihn zu einer Vorbesichtigung von ihm geschaffener Marmormosaiken im Neubau der Reichsbank zu bewegen. Er, Erler, habe die Einladung „nur an Einige geschickt, bei denen man etwas Interesse vorauszusetzen glaubt“.267 Diese vorsichtige, fast sarkastische Formulierung unterstreicht Erlers offenbar schwierige Situation. Seine Verbindung zu Doerner ist auch unter geänderten politischen Bedingungen freundschaftlich und offen, was für Erler nicht selbstverständlich zu sein scheint, „denn es gibt nicht sehr viel[e] Männer, denen ich vertraulich sein möchte u[nd] könnte. Auch wird der Kreis derer, welche die lange Lebensarbeit der Anderen umfassen u[nd] verstehen können, ja auch nur davon wissen[,] immer enger.“ Erler zeichnet in „Verehrung und Freundschaft“.268 So erfreulich die Entwicklung für Doerner sein mag – er muß sich am Ziele wägen –, so instabil ist sein Gesundheitszustand: Mitte Juli hält er sich in Weßling auf und besucht, sofern es seine Kräfte erlauben, immer wieder das Institut. Roth ist in diesen Tagen viel unterwegs, so auch in Hindelang und Schrobenhausen, wo er mit Ziegler das Lenbachmuseum besucht, für das er zeitlebens beratend tätig sein wird.269 Anfang August verschlechtert sich der Zustand Doerners wieder: Roth und Jacobi künden deshalb ihren Besuch in Weßling an, wobei Roth vorausschickt, „daß es keine aufregenden Angelegenheiten sind“.270 So wird Jacobi berichtet haben, daß es noch Schwierigkeiten mit der Justierung des Spektralphotographen gebe, die er mit Zeiss Jena zu klären suche.271 Wiederholte Auf- und Abbauten des Gerätes, Kontrollmessungen für Zeiss und zahlreiche Rückfragen kosten wertvolle Zeit, die für die anstehenden Arbeiten dringend gebraucht würde. Doerner wird den technischen Details wenig hinzugefügt haben, er erkundigt sich nach Reisen der beiden auf die Wartburg und 206

nach Regensburg,272 Roths Fahrt nach Weiler „zur farbigen Fertigstellung des Hochaltars von Herrn Professor Killer“ belegt noch weitere Ziele.273 Allerdings schwebt über Roth das Damoklesschwert des Wehrdienstes: Am 26.08.1938 wird er erneut eingezogen,274 einen Monat später wieder und Tage später noch einmal. Ziegler verspricht gleichwohl, sich für seine Uk-Stellung einsetzen, auch wenn Roth meint, „die Kriegsgefahr [sei] nicht mehr vorhanden“.275 Zumindest temporär wird Roth in Bezugnahme auf die wichtigen Aufgaben des Institutes bis März 1940 vom Wehrdienst freigestellt.276 Roth ist in diesen Monaten in Vertretung Doerners und in Wahrnehmung seiner früheren Aufgaben beim Landesamt scheinbar überall: So hält er mit Doerner Rücksprache zur Farbfassung von Skulpturen in der Wieskirche, für die sich auch Ziegler interessiere,277 oder bringt großformatige Gemälde in das Jagdmuseum im nördlichen Flügel des Nymphenburger Schlosses, das am 17.10.1938 eröffnet werden soll.278 Die von ihm restaurierten Jagdbilder besichtigt ein „Obersturmbann-Führer im Institut“, der „über die Ausführung sehr erfreut“ gewesen sei.279 Jacobis Schwierigkeiten mit dem Emissionsspektrographen dagegen sind anhaltend, so daß er sich gezwungen sieht, das Gerät wieder nach Jena zu schicken. Mitte Oktober ist es repariert zurück,280 und Jacobi kann unter anderem seine wegweisenden Arbeiten zum Bleizinngelb aufnehmen: Seine „spektrographischen Farbuntersuchung[en]“ beginnen bereits eine Woche nach dem Wiederaufbau des Gerätes mit der Untersuchung von Tubenfarben.281 Wenige Tage später hat Jacobi seine Arbeiten bereits auf 300 bis 350 kommerzielle Farben ausgeweitet,282 Ende Januar 1939 sind die Untersuchungen abgeschlossen.283 Jacobi sucht jetzt, mit dem Ultraphot auch Farbaufnahmen zu machen, eine damals sicherlich ganz neue Anwendung, für die „Filmbänder“, also Rollfilme im Format 6 x 6 cm, eingesetzt werden.284 Auch bei Aufnahmen der technischen Photographie – wie im reflektierten UV mit „Quarz-Anastigmaten“ oder bei Lumineszenzaufnahmen – steht Zeiss beratend zur Seite.285 207

Das Doerner-Institut stellt sich 1938 in Ausstattung und Innovationskraft an die Spitze reichsdeutscher Einrichtungen: Hierbei ist Jacobis Anteil beträchtlich, wenn nicht gar entscheidend. So ist es wenig verwunderlich, wenn auch internationale Einrichtungen wie das „Office International des Musées“ in Paris über die Arbeit des Institutes informiert werden möchten.286 Ende Oktober geht der Bericht nach Paris.287 Es ist einer der wenigen internationalen Kontakte des Institutes während des „Dritten Reichs“, sieht man einmal von Schreiben und Reisen in die besetzten Gebiete nach 1939 ab. Umso mehr ist die nationale Aufmerksamkeit auf das DoernerInstitut gerichtet, 1938 geben sich zahlreiche Besucher in der Leopoldstraße die Klinke in die Hand: darunter Heinrich Hoffmann288 in Begleitung Zieglers, „Landeskulturverwalter“ Jaeger289 wie auch der Generaldirektor der Pinakotheken, Ernst Buchner.290 Da sich im August 1938 Doerners Gesundheitszustand erneut verschlechtert, hält Roth ihn schriftlich auf dem Laufenden. So berichtet er z. B. auch von einem Besuch von „Dr. Hanfstängl auf seiner Rückreise nach Berlin […] Wir haben vor seinem Kommen Herrn Präsident Ziegler verständigt und den Besuch so neutral wie möglich behandelt ohne jedoch unliebenswürdig gewesen zu sein.“291 Hanfstaengl kommt offensichtlich, um Einsicht in Untersuchungsunterlagen zu nehmen, die ihm Roth aber nicht ohne die Zustimmung Zieglers genehmigen will.292 Der Besuch ist heikel, war doch der Kunsthistoriker Eberhard Hanfstaengl* 1937 im Zusammenhang mit der Aktion „Entartete Kunst“ seines Amtes als Direktor der Nationalgalerie enthoben worden.293 Eine politisch schwierige Situation, die Roth und Jacobi jedoch zu meistern scheinen. Doerner, der in diesen Wochen wieder einmal im Sanatorium weilt, wäre gerne bei dem Besuch Hanfstaengls wie Buchners dabeigewesen.294 Anfang September führt Doerner einen Vertreter der Münchner Presse durch das inzwischen in allen Abteilungen arbeitsfähige Institut. Die in dessen Artikel geschilderten Aufgaben sind hinläng208

lich bekannt – Künstlerfarbengesetz, der „Kampf der Fälschung“ oder das Fresko –, doch Doerner läßt unbeirrt auch seine alten Feindbilder – die Versuchsanstalt, der Name Eibner fällt nicht, oder Ostwald – wieder aufleben. Der in Grundzügen rückwärtsgewandte Beitrag formuliert den Anspruch Doerners, sich „wieder auf das Handwerkliche in der Kunst […] zu besinnen“, die „Wissenschaft der Maltechnik“ – einen Begriff Eibners, den Doerner noch 1928 vehement bekämpft hat – weiter auszubauen und sich auf „Bilderhaltung und Wiederherstellung“ zu konzentrieren. Letzteren Punkt sieht Doerner als „einen der wichtigsten Aufgabenkreise des Instituts“. Roth und Jacobi führen den Journalisten dann durch „große Ateliers, ein[en] geräumigen Vortragssaal, eine reichhaltige Bücherei“, ein Farbreibzimmer, „eine großartige photographische Abteilung“, zeigen die Mikroskopie und den Universal-Spektrographen295 Jacobis und den neuen Röntgenapparat.296 Doch der Artikel macht unmißverständlich klar, daß „einzig durch die Sorge seines einstigen Schülers und Mitarbeiters, des Präsidenten Prof[essor] Adolf Ziegler, [Doerner] eine großangelegte Wirkungsstätte erhalten“ habe.297 Zwischen all den Besuchen geht der Alltag weiter: Immer neue Spitzwegfälschungen, Arbeiten für die Schwind-Fresken auf der Wartburg, Bilder aus dem Eigentum von Reichskultursenator Woldemar Brinkmann298, dem direkten Nachbarn des Institutes, 299 oder die Suche nach der „Blaukrankheit“ auf Alten Meistern – ein von Buchner angestoßenes Thema – beschäftigen das Institut. Roth vermutet im Hinblick auf die „Blaukrankheit“, daß in allen diesen Fällen gelbe Lasuren über Blaupartien durch Putzen verlorengegangen seien, ein Lichtschaden an den Gelblasuren wird nicht in Erwägung gezogen.300 Möglicherweise im Auftrag Zieglers wird „durch Herrn Ostenrieder ein größeres dekoratives altes Landschaftsbild konserviert“, „aus verschiedenen wichtigen Gründen [sei] diese Arbeit vordringlich“, welche Gründe dies waren, wird allerdings nicht angegeben.301 209

Die Sanierungsarbeiten am Institut schreiten rasch fort, doch die eigentliche Sorge ist Doerners Gesundheitszustand. Bereits im Oktober 1934 hat ihm sein Arzt Gelpke in Basel, in dessen Sanatorium Doerner häufig weilt, die dringende Notwendigkeit attestiert, sich zu schonen.302 Ungeachtet dieses ärztlichen Rates wird die Pensionierung Doerners im April 1935 bis auf weiteres hinausgeschoben.303 Ende Mai 1938, und damit wenige Wochen vor der Einweihung seines Institutes, verschlechtert sich Doerners Zustand und zwingt ihn zur Erholung aufs Land. Diesem Tatbestand häufiger Aufenthalte außerhalb Münchens verdanken wir umfangreichen Schriftverkehr: darunter auch ein knapper handschriftlicher Entwurf Doerners, in dem er das Institut für das Jahrbuch der Reichskammer vorstellt.304 Ansonsten erschwert ihm seine Erkrankung eine aktive Teilnahme am Alltag. Seit Ende Oktober befindet sich Doerner wieder in Gelpkes Sanatorium in Glattfelden, nordwestlich von Winterthur, ohne daß der Aufenthalt spürbare Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand hat. Eine Einladung zu einem Vortrag vor der Jahrestagung des Reichsamtes „Schönheit der Arbeit“, zugehörig der Deutschen Arbeitsfront (DAF), zu Wandmalereien, die „in Kameradschaftsräumen der Betriebe“ entstehen sollen, sagt Roth deshalb für Doerner ab, begründet dies mit wichtigen Arbeiten, verschweigt jedoch den ernsten Zustand Doerners.305 Dessen Verfassung verschlechtert sich bedrohlich, weshalb Roth der Frau Gelpkes seine Telefonnummer im Doerner-Institut für den Fall mitteilt, daß „sich irgend etwas Wichtiges ereignen“ solle.306 Nicht unerwartet vermeldet Gelpke einen Rückfall, „eine momentane Lebensgefahr besteht nicht“.307 Pläne Doerners, aus der Schweiz nach München heimzukehren, scheitern allerdings.308 Unterstützt von zwei alten Freunden Doerners, Joseph Damberger* und Wilhelm Graf*, sucht Roth eine neue Wohnung für Doerner, die sich Anfang November in der Nähe der Akademie in der Leopoldstraße 7 findet.309 Roth übernimmt quasi die Betreuung Doerners und regelt alle Bankgeschäfte.310 Das bescheidene Atelier 210

in der Schleißheimer Straße 27/I Rückgebäude, das Doerner bislang auch als Wohnung dient, bleibt ungekündigt. Die Ärzte und Roth versuchen die Rückfahrt des offenkundig stark geschwächten Doerners aus Glattfelden zu organisieren,311 was Devisen und die Erlaubnis des Polizeipräsidiums München erfordert.312 Mitte November wird Doerner nach Konstanz in das Sanatorium von Dr. Büdingen im Konstanzer Hof verlegt.313 Ziegler hofft anläßlich dieser Fahrt, „dass sich Ihr [Doerners] Gesundheitszustand wieder einem besseren zuwendet. Ich [Ziegler] glaube ja, schon alleine das Gefühl, sich auf reichsdeutschem Gebiet zu befinden, wird das Seinige dazu tun.“314 Ende November ist der Umzug in die Leopoldstraße, den Roth in Abwesenheit Doerners weitgehend übernimmt, geschafft. Noch im Januar 1939 weilt Doerner in Konstanz315 und keiner rechnet mit seinem Ableben,316 doch Doerner weiß, daß seine Tage gezählt sind, und trifft letzte Verfügungen:317 Am Sterbebett gibt Ziegler Doerner das Versprechen, Roth als Leiter des Institutes zu bestellen.318 Abb. 52 | Sogenanntes Sterbezimmer Doerners in der Leopoldstr. 7

In seinem mehrfach geänderten Testament vermacht Doerner alle Rechte an seinem Buch und eine Leibl-Zeichnung Toni Roth, bedenkt seinen treuen Freund Wilhelm Graf mit drei Bildern, eine Reihe von Freunden, Unterstützern wie auch die NSDAP-Ortsgruppe mit Geldlegaten und vermacht den Rest seines Vermögens den beiden Töchtern seines Bruders Wilhelm, sein Bruder Hans geht leer aus.319 Max Doerner verstirbt am 01.03.1939 in einem Münchner Krankenhaus.320 Ein Photo seines angeblichen Sterbezimmers in der neuen Wohnung (Abb. 52) bildet den ersten heroisierenden Baustein rund um Max Doerner. Die Resonanz auf Doerners Tod ist überwältigend: Viele wohnen der Trauerfeier und Beisetzung auf dem Ostfriedhof in München bei. Vor der Aussegnungshalle bezieht die NSDAP-Ortsgruppe Richard-Wagner-Straße mit Hakenkreuzfahnen Stellung, Mitglieder des Orchesters des Theaters am Gärtnerplatz spielen den zweiten Satz aus Schumanns Streichquartett in A-Dur. Gauamtsleiter Wüster würdigt das Lebenswerk Doerners,321 eines „Nationalsozialisten der Tat“ und einen „deutschen Menschen“, den „handwerkliches Können, [… ein] kämpferischer Wille und [ein] nordisch-faustischer Geist“ ausgezeichnet hätten. German Bestelmeyer gedenkt dem Verstorbenen als einem „liebenswerten Menschen, eines aufrechten Berufskameraden [und] eines treuen Freundes“, der sich „seine[n] Studenten […] immer als väterlicher Freund gezeigt“ habe. Ziegler „als einer seiner treuesten Schüler“, der wohl nur kurz redet, legt ebenso wie die NSDAP-Ortsgruppe, die Reichsstudentenführung, die Kameradschaft der Künstler München, die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren wie auch eine Abordnung aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda im Auftrag von Goebbels einen Kranz nieder.322 Die Beileidschreiben eint, in Doerner nicht nur „einen Künstler und bedeutendsten Fachmann und Forscher als Maltechniker [verloren zu haben], sondern auch einen herrlichen Menschen mit einem hervorragenden Charakter.“323 212

Bereits 1938 wurde Doerner zum tragenden Element im „stolzen Bau einer erneuerten, grossen nationalen Kunst“ erklärt. Reichsweit erschienene Nachrufe würdigen nun sein Wirken als Maltechniker und Lehrer wie auch seine Bemühungen um die richtige „Konservierung“.324 Andere sehen in ihm den „aufrechte[n] Deutschen Mann[, der] einer der Ersten [war], die für die Erneuerung der Deutschen Malerei kämpften. Er erkannte den Hauptgrund ihres Verfalls im Nichtkönnen! […] Auf seinen Lehren bauten die sich zu artechter Deutscher Kunst bekennenden ‚Deutsch-Schaffenden‘ auf, die um 1920 mit uns den Kampf um unsere Kunst begannen. Sein leidenschaftliches Ringen führte zum Sieg, als Adolf Hitler die Bedeutung dieses Lebenskampfes erkannte und ihn mit der Errichtung des Doerner-Institutes in München krönte!“325 Man mag diese Darstellungen – abgesehen von nationalsozialistischer Terminologie und Rhetorik – dem eigenen Charakter von Nachrufen zuweisen, doch ganz ähnlich lautete bereits 1938 eine Darstellung des Enke Verlages anläßlich der Neuerscheinung der 6. Auflage von Doerners Buch:326 „Indem der Präsident der Reichskammer die Errichtung eines Reichsinstitutes für Maltechnik in München verfügte, das den Namen ‚Doerner-Institut‘ führt und zu dessen Leiter Akademieprofessor Max Doerner ernannt wurde, ist die kunstgeschichtliche Bedeutung seines Hauptwerkes für alle Zeit anerkannt. Man darf ruhig sagen, dass mit Doerners maltechnischem Wirken eine neue Epoche der Malerei in Deutschland begann. Die Aufrechterhaltung seiner handwerklich gesunden Technik war bis dahin schließlich nur noch Einzelgängern vorbehalten, die den Verfall der leichtfertigen, unsoliden ‚Moderne‘ nicht mitmachten und sich in ungezählten Versuchen eine eigene, aus dem Studium der alten Meister geschöpfte Technik erringen hatten müssen. Bald wurde auch das Ausland auf die Bemühungen Max Doerners aufmerksam, seine Schrift bildet nicht nur im Reich in vielen Akademien die Grundlage des technischen Unterrichtes; eine in den Vereinigten Staaten Amerikas erschienene englische Ausgabe erlebte auch bereits mehrere Auflagen. [/] Der Maler bekommt durch das Werk alles Erlernbare mit auf 213

den Weg, und auch der fertige Künstler findet dort alle Fragen der Technik und des Materials beantwortet. Das aus der Praxis hervorgegangene Buch folgt durchaus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung, ist aber trotzdem in klarer, verständlicher Sprache geschrieben. Für den Maler, der in seiner Kunst lebt und aufgeht, gibt es kaum eine spannendere Lektüre, ja, man kann heute schon behaupten, dass einer, der ‚den Doerner‘ nicht kennt und anwendet[,] als Maler nicht ins Dritte Reich passt. Denn mehr und mehr werden diese Erkenntnisse doch Gemeingut, der Kreis bedeutender und dankbarer Schüler des berühmten Münchner Akademieprofessors und Erneuerers echten deutschen Meisterhandwerks erweitert sich im In- und Ausland von Jahr zu Jahr. Doerners Hauptwerk aber wurde auf dem Gebiet der Malerei zum festen Boden, der den stolzen Bau einer erneuerten, grossen nationalen Kunst trägt.“327 Dieser als Werbung gedachte Passus liest sich zwar wie ein zu Lebzeiten geschriebener Nachruf, nennt jedoch bereits wesentliche Momente, die ein Jahr später in Wehltes Schilderung des „Kampfes“ Doerners um die „gesundend wirkende deutsche Sendung in der Malerei der Gegenwart“ gipfeln.328

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ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 4 1 2 3 4 5 6 7

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Urban 1913. Gräff 1932. Denkschrift AE vom 07.04.1934, HStAM MK 40110. Dieses Zitat wie das nächste aus MD an Bernhart (AdbK) am 23.09.1933, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627. Lill an MD am 07.09.1936 und Antwort MDs am 09.09.1936, NMD Briefe/ Notizen 1930–40, Bl. 399–402. MD an Bernhart (AdbK) am 24.09.1933, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627. Albert Pietzsch (1874–1957), Industrieller, NSDAP-Mitglied seit 1927, Leiter der Reichswirtschaftskammer Berlin, siehe auch Bescheid des StMUK vom 22.08.1955, in Sachen Adolf Ziegler, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627, S. 6 und http://www.ifz-muenchen.de/archiv/ ed_0458.pdf, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. Fuhrmeister 2008. AZ an Darré am 11.11.1936, BArch (ehem. BDC) RK G 97, 152 mit weiterem Schriftverkehr zu den „Vier Elementen“, darunter eine Anweisung von Rust vom 04.12.1936, auf Geheiß Hitlers Gobelins für die Weltausstellung fertigen zu lassen. Schreiben des StMUK an die AdbK am 13.10.1933, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627; präzisierende Angaben im PA Ziegler, AdbK, dort ab 01.11.1933 Dienst als Lehrbeauftragter, Professor ab 01.04.1934. Zitiert nach Grasskamp et al. 2008, S. 545, dort ohne Angabe der Quelle. MD an Bestelmeyer am 06.04.1934, HStAM MK 40110. Konzept im NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 118. Ministerialdirektor Fischer am 03.10.1933, ARDI 35, 8. Bekanntmachung der AdbK vom 19.10.1933, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627. Bestätigung Bernhart vom 12.04.1946 und RA Dettweiler an Kassationshof

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München am 04.07.1947, StAM Spruchkammerakten K 153: Bleeker, Bernhard. AdbK (Jank) an AZ am 09.05.1934, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627. Aufstellung der Bruttobezüge von AZ für den Zeitraum von 1934 bis 1945 vom 28.11.1958, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627, Bl. 100404. AZ an MD am 05.05.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 352 f. Hierbei verweist AZ auch auf Boepple, der beiden offenkundig bekannt ist. AZ an MD am 05.05.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 352 f. AdbK an das StMUK am 01.04.1935, PA Max Doerner AdbK. Die Bezeichnung „Reichskunstkammer“ wurde synonym zur Bezeichnung „Reichskammer der Bildenden Künste“ (RdbK) verwendet. Die 1934 gegründete Reichskunstkammer hat im Januar 1935 bereits rund 40.000 Mitglieder, siehe Anon. 1935e. Hönig an MD am 05.05.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 351; Briefkonzept MD vom 20.07.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 368; VB vom 05.06.1934, zur RdbK siehe Faustmann 1995, S. 170–183. Oswald Poetzelberger (1893–1966), deutscher Maler und Illustrator. Anon. 1934a. Anon. 1934b. Siehe zu Bestelmeyer auch Breuer 1937, S. 72–74. Siehe zu Czerny auch Breuer 1937, S. 193–195. Anon. 1934a. Doll (NSDAP, Der Stellvertreter des Führers, Wirtschaftsstab, Abt. Wahrung der Berufsmoral) an AZ am 20.03.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 344 f. Programm zur Tagung der RdbK vom 03. bis 06.06.1934, Stadtarchiv München Kulturamt 150. Czerny 1939, S. 38.

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34 Anon. 1934c. 35 Alle Zitate aus einem Auszug aus der Eröffnungsansprache von Hönig auf der ersten Sitzung des Verwaltungsbeirates der RdbK am 05.06.1934, ARDI 35, 3. 36 Wolf 1934. 37 Hönig an MD am 18.06.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 360. 38 Schreiben MD vom 30.6.1934, ARDI 35, 1. 39 Bestelmeyer an MD am 23.07.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–40, Bl. 365. 40 Kinseher 2014, S. 100. 41 StMUK an AdbK am 12.07.1934, HStAM MK 40110 und ARDI 35, 8. 42 Alle folgenden Zitate aus MD, „Gutachten über die Frage der Weiterführung der Versuchsanstalt und Auskunftstelle für Maltechnik“ o. D., ARDI 2, 9 und ARDI 35, 2. 43 Briefkonzept MD vom 20.07.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 368. 44 „Antrag: Die Versuchsanstalt für Malerei und Auskunftstelle für Maltechnik möge die Bemalungsmöglichkeiten der Betonwand zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen“ o. D. in ARDI 2, 10; Antrag der AdbK an die Versuchsanstalt zu „Bemalungsmöglichkeiten der Betonwand“ o. D. (1928) in ARDI 53, 2 sowie Protokoll einer Besprechung „Über Bemalung von Beton“ am 13.03.1929 zwischen u. a. dem Rektor der THM Dantscher, Bestelmeyer, AE und MD nebst handschriftlichen Notizen MDs. 45 AE an Hönig am 15.05.1934, ARDI 35, 2. 46 Schreiben der AdbK an das StMUK am 16.08.1934, PA Max Doerner AdbK und HStAM MK 40921. 47 Schriftsatz RAe Karl F. Fees und OttoHeinrich Stumpf (München) an das StMUK am 17.12.1954, PA Adolf Ziegler, HStAM MK 60627. 48 MD, „Die deutsche maltechnische Anstalt“ vom 21.08.1934, ARDI 35, 2. 49 MD, „Voranschlag für die Deutsche maltechnische Anstalt“ vom 25.08.1934, ARDI 2, 9. 50 MD an die RdbK (?) am 25.08.1934, ARDI 35, 2. 51 Wie Anm. 49.

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52 RdbK, Ausserordentlicher Haushalt der Reichsanstalt für Maltechnik o. D., ARDI 2, 9. 53 RdbK, Ordentlicher Haushalt der Reichsanstalt für Maltechnik o. D., ARDI 2, 9. 54 MD an J. Alfter (Philips, Eindhoven) am 29.08.1934, ARDI 35, 8. 55 Zur Entwicklung der Auseinandersetzung um die Schädigung durch Röntgenstrahlen siehe z. B. Wehlte 1936e. 56 Müller-Skjold 1936b und 1937. 57 KW an seine Eltern am 09.09.1934, Nachlaß Wehlte in der Hochschule für Bildende Künste Dresden Archiv. 58 „Erste Anordnung des Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste, betr. Künstlerische Maltechnik (1934)“, ARDI 2, 9, in ARDI 60 auch als Entwürfe aus dem Jahr 1934. 59 RdbK (Hönig) an Goebbels am 13.10.1934, ARDI 2, 9. 60 Hönig an MD am 12.09.1934, ARDI 35, 8, mit Prof. U. ist vermutlich Hermann Urban gemeint. 61 ER an MD am 24.09.1934, ARDI 35, 8. 62 Zu seiner Wahrnehmung als Physikochemiker mag ein Beitrag zur Farbenmessung in den Technischen Mitteilungen beigetragen haben, siehe hierzu Roßmann 1933a. 63 ER an MD am15.09.1934, ARDI 35, 8. 64 Wolf an MD am 30.09.1934, ARDI 35, 8. 65 FMS an MD am 28.11.1934, ARDI 55, 6. 66 MD an RdbK (Hoffmann) am 26.09.1934, ARDI 35, 2. 67 RdbK (Hönig) an RMVP (Berlin) (Abschrift) am 13.10.1934, ARDI 35, 2. 68 RdbK (Hoffmann) an MD am 15.10.1934, ARDI 60; zu Gelpke siehe Thierolf 1994. 69 AdbK an StMUK am 26.02.1935, HStAM MK 40921. 70 Todesanzeige in TM 51 (1935), Heft 9, S. 78 und in MNN vom 02.05.1935, PA Eibner, HATUM. 71 PA Max Doerner, AdbK 13.04.1935. 72 Adbk (Bestelmeyer, Bernhart) an StMUK am 26.02.1935, HStAM MK 40921. 73 Berghoff 2000, S. 12 f. 74 Adbk (Bestelmeyer, Bernhart) an StMUK

am 21.03.1936, HStAM MK 40921. 75 Alle Zitate aus Victor Bauer-Bolton, Kleine Denkschrift zu „Gemäldepflege und Technologie der Malerei“ vom 27.03.1935, Abschrift in ARDI 39, 1. 76 AdbK (Bestelmeyer und Bernhart) an StMUK am 21.03.1936, HStAM MK 40110. 77 Anon. 1936a und HStAM K 60627. 78 Bauer-Bolton an AZ am 21.02.1937 und RdbK an RDI am 30.04.1937, ARDI 39, 1. 79 TR an Bauer-Bolton am 29.09.1937, ARDI 39, 1. 80 StMUK an den Rektor der THM am 02.04.1936, HStAM MK 40110. 81 Anon. 1964, S. 21 f. 82 StMUK an den Rektor der THM am 16.05.1936, HStAM MK 40110. 83 StMUK an RMVP am 02.04.1936, HStAM MK 40110. 84 StMUK an AdbK am 30.04.1936, HStAM MK 40110. 85 AdbK an StMUK am 20.07.1936, HStAM MK 40921. 86 MNN vom 24.11.1936 und HStAM K 60627. 87 AdbK an StMUK am 03.12.1936, HStAM MK 40921. 88 StMUK an RMWEV am 21.12.1936, HStAM MK 40921. 89 RdbK (Ziegler) an RMVP am 06.02.1937, BArch R 55/869 Bl. 172 f. 90 TR an RdbK am 09.06.1937, ARDI 1, 1. 91 Kaufvertrag vom 05.02.1937, BArch R55/869, Bl. 136 f. 92 Außerordentlicher Haushalt des RDIs vom 04.05.1938, ARDI 44, 4. 93 Grundbuchauszug Max Vorstadt Band 128, S. 1–10, Blatt Nr. 2618, BArch 55/869 Bl. 14 ff. und 136. 94 Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.12.1929 und Kaufvertrag vom 16.10.1929 zum Erwerb des Hauses Leopoldstraße 3, ARDI 44, 3. 95 Andernorts auch bezeichnet als „Geisterhaus“, siehe Anon. 1938a, in ARDI 60; als „Geistervilla“ in Anon. 1938g. 96 RJ an EH am 21.03.1947, ARDI Eng. Supply Control Office, Mappe Dr. Aub. 97 Interner Vermerk des RMVP vom

24.05.1941 in Bezugnahme auf §4 des Kaufvertrags vom 05.02.1937, BArch R 55/869, Bl. 124 f. 98 Landesleiter Jaeger an Hoffmann (RdbK) am 26.02.1937, BArch R 55/869 Bl. 133 ff. 99 Ingeborg Zeh (Oberwösen/Chiemgau) an AZ am 05.02.1937 und nachfolgender Schriftverkehr, ARDI 44, 1; zum Park Biederstein siehe http://www.stadtgrenze. de/s/bav/bied/bied3.htm#park, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. 100 Ott (RMVP) an Leiter II (RMVP) am 26.04.1937, BArch 55/869 Bl. 13. 101 Biebrach (RMVP) an Ziegler (RdbK) am 11.05.1937, BArch R 55/869 Bl. 173. 102 MD an AZ am 20.02.1937, ARDI 35, 2 und gleichlautend MD an Albert Pietzsch (Berlin) am 22.03.1937, ARDI 15, PQ. 103 Undatiertes Manuskript „Über Wandmalerei in Theorie und Praxis“ aus der Hand MDs, ARDI 53, 2. Kinseher 2014, S. 28 f. weist darauf hin, daß Klenze bereits 1826 die Beteiligung eines Chemikers gefordert habe, statt die Malerei dem Künstler alleine anzuvertrauen. 104 Liskowsky 1937a und b, letzteres in ARDI 60. 105 Ebd. 106 Verfasser der antisemitischen Schrift Liskowsky 1936. Die Hetzschrift enthält ein Vorwort von Hans Hinkel. Hinkel (1901–1960) war Mitglied des Reichstags, Reichskulturverwalter und „Sonderbeauftragter zur Überwachung der geistig und kulturell tätigen Juden und Nichtarier im deutschen Reichsgebiet“ (Vorwort zu Liskowsky 1936). 107 Hoffmann an Hinkel am 25.08.193(?), BArch R56I/129. 108 KW an seine Eltern am 13.06.1937, Nachlaß Wehlte in der Hochschule für Bildende Künste Dresden Archiv. 109 Wie Anm. 104. 110 Hans Kohl (1897–1990), deutscher Graphiker und Maler, Studium an der Münchner Akademie bei Jank, Exner und MD. 111 Kohl (Frankfurt/Main) an MD am 11.05.1937, ARDI 35, 6. 112 Maximilian Keller (Dresden) an MD am 12.05.1937, ARDI 35, 6.

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113 Georg Waltenberger (1865–1961), Maler, Studium an der AdbK bei Lindenschmit, Thiersch und Keim. 114 Waltenberger (Prien am Chiemsee) an MD am 06.06.1937, ARDI 35, 6. 115 AdbK (Bestelmeyer und Bernhart) an AZ am 07.06.1938, ARDI 1, 1. 116 Abschrift der Eröffnungsrede von AZ in StAM Spruchkammerakten K 2038: Ziegler, Adolf. 117 Anon. 1937b. 118 Von Lüttichau 1987, S. 88. 119 Czerny-Heidelberg (Karlsruhe) an MD am 04.07.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 513 f. 120 Ebd. 121 Anon. 1937a. 122 Anon. 1938b. 123 Heute Barackenkasernement Oberwiesenfeld in München-Schwabing. 124 Zuschlag 1995, S. 376. 125 NMD Maltechnik, Bl. 16 und 17. 126 MDs handschriftlicher Entwurf einer „Arbeitsordnung des D Institutes“ o. D. sowie Entwürfe für „Arbeitsanweisung[en]“ o. D. in ARDI 35,4. 127 Beurlaubung vom 01.04.1937 bis 31.03.1939, PA Toni Roth, AdbK. 128 Bauer et al. 1931. 129 Helmuth Rinnebach (Berlin) an MD am 09.08.1937, ARDI 15, R. 130 MD an Rinnebach am 17.08.1937, ARDI 15, R. 131 Ludwig Schütz (München) an MD am 11.05.1937, ARDI 15, Sch. 132 Absageschreiben TRs an Schütz am 26.06.1937, ARDI 15, 1. 133 Bewerbungsschreiben Maximilian Keller vom 29.07.1937, ARDI 15, K. 134 MD an Keller am 03.11.1937, ARDI 15, K. 135 RJ an RdbK am 12.04.1938, ARDI 1, 1. 136 Michael Riedmann (München) an AZ vom 21.07.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 523 f. 137 TR an MD (Weßling) am 22.07.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 524 f. und im Hinblick auf die notwendige Beurlaubung Riedmanns TR an RdbK am 22.07.1938 und am 02.08.1938, beide ARDI 1, 1.

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138 Handschriftlicher Entwurf für ein Schreiben von MD (Weßling) an AZ vom 02.09.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 526 f. und NMD Briefe/ Notizen ohne Datum, Bl. 110. 139 Riedmann an AZ am 21.07.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 523 f. 140 Handschriftlicher Entwurf für ein Schreiben von MD (Weßling) an AZ vom 02.09.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 526 f. 141 Lill 1935, S. 69. 142 Hebberling 1936 und 1938 sowie spätere Schriften zum Korrosionsschutz. 143 Trillich 1925, digital einsehbar unter http://mediatum2.ub.tum.de/ node?id=16580, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. 144 Heinrich Trillich an MD am 23.03.1937, ARDI 35, 6. 145 Im Autorenverzeichnis der Technischen Mitteilungen von 1927 wohl fälschlicherweise als Kunstmaler und Chemiker bezeichnet. 146 05746 Dr. Georg Schöfer, Matrikelbuch 1884–1920, http://matrikel.adbk. de/05ordner/mb_1884-1920/jahr_1919/ matrikel-05746, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. Schöfer wird bereits früher mit mehreren maltechnischen Zuschriften z. B. zum Thema Mischtechnik in den TM öffentlich, siehe Schöfer 1927, 1930b und c sowie Schöfer 1931. 147 Schöfer an MD am 19.07.1934, ARDI 38, 4. 148 Schöfer 1930a. 149 Schöfer an MD am 29.07.1937, ARDI 35, 6. 150 MD an Albert Pietzsch (Berlin) am 22.03.1937, ARDI 15, PQ. 151 Albrecht Keller an RDI am 06.06.1937 und am 14.06.1937, ARDI 15, K. 152 TR an Hermann Sutter (Oestrich/Rhein) am 01.07.1937, ARDI 15, S. 153 Sutter an TR o. D. und TR an den RdbK (Hoffmann) am 20.07.1937, ARDI 15, S und MD an AZ am 28.08.1937, ARDI 44, 1. 154 Georg-Maria Schwab (München) an MD am 05.06.1937, ARDI 15, Sch. 155 MD an Schwab am 21.06.1937, ARDI 15, Sch.

156 Zu Schwab siehe Möckel 2007. 157 Wieland et al. 1925. 158 RJ an MD am 19.09.1937, ARDI 1, 1. 159 MD an AZ am 09.08.1937, ARDI 44, 1. 160 MD an RdbK am 16.08.1937, ARDI 15, N. 161 MD an RdbK (über Akademiestraße 2) am 19.09.1937, ARDI 1, 1. 162 TR an Heinrich Th. Mayer am 30.10.1937, ARDI 15, M. 163 TR an MD am 30.10.1937, ARDI 35, 4; Rechnung des Chem. Laboratoriums des Staates (München) vom 14.04.1938, ARDI 5, C und TR an MD am 30.10.1938, ARDI 35, 4. 164 Würth 1904. 165 Briefentwurf MD an Würth vom 19.04.1937, ARDI 35, 4 und TR an Würth am 19.06.1937, ARDI 15, W. 166 KW an MD am 17.12.1933, NMD Briefe/Notizen 1930–40, Bl. 332. 167 Würth 1941. 168 Ebd., vor Titelblatt. Dem Akt HStAM MK 40110 liegt eine Broschüre „1927–1937. 10 Jahre Mal- und Anstrichtechnische Versuchsanstalt von Dr. Dr. K. Würth, Leverkusen-Schlebusch“ bei. 169 TR an MD am 30.10.1937, ARDI 35, 4. 170 Haushaltsentwurf für das Jahr 1937, ARDI 4, 9. 171 Aktennotiz von TR und Jacobi vom 10.11.1937, ARDI 35, 4. 172 TR an MD am 28.12.1937, ARDI 35, 4. 173 RJ an RdbK am 27.04.1939, ARDI 1, 2, bestätigt in Philipp Stengel (München-Großhadern) an das StMUK am 28.09.1939, ARDI 36, 5. 174 RdbK (München-Oberbayern) an AZ am 10.11.1937, ARDI 4, 9. 175 Entwurf zum Haushaltsplan 1938, ARDI 4, 9. 176 TR an MD am 29.09.1937, ARDI 35, 4. 177 RJ an MD am 21.10.1937, ARDI 35, 4. 178 TR an MD am 30.09.1937, ARDI 35, 4. 179 TR an MD am 20.10.1937, ARDI 35, 4. 180 So eine Anfrage zu einer Verbräunung einer Heizkörperfarbe vom Preußischen Staatshochbauamt (Gumbinnen) an das „Institut für Malertechnik“ an der THM am 23.03.1938, ARDI 26, P. 181 Günter Pahl an MD am 14.06.1938,

ARDI 26, P. 182 Alexandra Pregel (1907–1984) (Paris) an MD am 17.03.1938, ARDI 26, P; Pregel verließ Paris am Tage der deutschen Besetzung am 14.06.1940 unter Zurücklassung ihres gesamten Eigentums, darunter das Buch MDs; Freundliche Mitteilung Julia Gauchman vom 15.02.2014. 183 Minoritenkirche zu Köln, ARDI 26, M; Fresken in der Sakristei des ehem. Nonnenstiftes Göß bei Leoben (Österreich), ARDI 26, P. 184 Prüfung von Katalogkarten im November 1938 aus der Stadtbibliothek München ARDI 26, O. 185 OSSA-Werkstätten von O. A. Schumacher (Berlin) an RDI am 23.03.1937, ARDI 26, O. 186 Zu Rupflin siehe Anon. 1939e und Rupflin 1937. 187 MD an die Deutsche Gesellschaft für rationelle Malverfahren am 04.01.1938, ARDI 35, 5. 188 TR an Rupflin am 24.01.1938, ARDI 26, M. 189 TR an MD am 28.02.1938, ARDI 35, 4. 190 TR an MD am 04.03.1938, ARDI 35, 4. 191 TR an MD am 08.03.1938, ARDI 35, 4. 192 TR an MD am 18.10.1937, ARDI 35, 4. 193 Goebbels anläßlich der „Verabschiedung des Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei am 17.03.1938, BArch R43 II/1235, Bl. 63 f., des weiteren ein Erlaß des Preußischen Ministerpräsidenten (Göring) vom 28.07.1937 in BArch R 43 II/1646, Bl. 133 ff. 194 AZ an Reichsminister Walther Darré am 03.12.1937, BArch (ehem. BDC) RK G 97, 150. 195 RMWEV an Hitler am 24.11.1935, BArch R 43 II/1235a, Bl. 43 f. Beim Preußischen Finanzminister bestehen dann 1938 Bedenken, ob die Eigentümer – darunter auch private Leihgeber – bei Verwertung (Verkauf im Ausland) nicht Entschädigungsansprüche an das Reich stellen würden, siehe dazu Der Preußische Finanzminister an RMWEV und andere

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Reichsminister am 22.03.1938, BArch R 43 II/1235b, Bl. 66 f. Einwendungen gegen eine Verwendung bei Ausstellungen oder gegen Vernichtung bestehen dagegen nicht, siehe hierzu RMWEV an RMVP, die Reichskanzlei und andere Reichsminister am 24.03.1938, BArch R 43 II/1235b, Bl. 67. 196 RMWEV an RMVP am 23.11.1935, BArch R 43 II/1235a, Bl. 45. 197 Anon. 1938c. 198 Die Kosten belaufen sich auf rund 4.500 RM, Angebot Fa. Carl Zeiss vom 13.01.1938, ARDI 11, 1. 199 Fa. Carl Zeiss an RDI am 31.05.1938 und vorausgehender Schriftverkehr in ARDI 11, 1 und in ARDI 11, 4. 200 U. a. Schreiben der Fa. Bender Hobein (München) vom 04.12.1937, ARDI 12b, 6. 201 Angebot der Fa. Bender & Hobein (München) vom 02.12.1937, ARDI 12b, 6. 202 Firmenschrift S&H zum Kleinröntgenapparat „Kristalloflex“, Sonderdruck aus dem Archiv für Technisches Messen vom Januar 1936, in ARDI 12b, 6. 203 Auftragsbestätigung der Fa. S&H an das RDI vom 13.12.1937, ARDI 10. 204 S&H an RDI am 21.04.1938, ARDI 10. 205 Ministerium des Innern (München) an AZ am 28.04.1937, ARDI 44, 1. 206 TR an AZ am 26.10.1937, ARDI 1, 1. 207 „Baubeschrieb mit Kostenberechnung für Verlängerung des Rückgebäudes und Umbauarbeiten im Anwesen Leopoldstrasse Nr. 3 in München Herrn Dr. L. J. Schmitt, prakt. Arzt gehörig“ vom 30.11.1933, ARDI 44, 3. 208 MD an AZ am 03.11.1937, ARDI 44, 1. 209 Siehe Grundrißplan mit Möblierung vom Januar 1938 in ARDI 44, 2. 210 MD (?) an den Maler Richard Lindmar am 28.01.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 487 f. 211 Anon. 1938i. 212 TR an AZ am 22.03.1938, ARDI 44, 1. 213 TR an RdbK am 11.03.1938, ARDI 1, 1. 214 Vermerk TR zum Umbau des RDIs vom 16.03.1938, ARDI 44, 5. 215 Architekturbüro Rettig und Lämmle (München) an AZ am 15.03.1938, ARDI

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44, 1. 216 Vorschlagsliste für Teilnehmer am Richtfest mit handschriftlicher Karte MDs o. D. in ARDI 44, 1. 217 Lageplan zum Umbau des Hauses Leopoldstraße 3 in ARDI 44, 6. 218 MD an TR am 20.01.1938, ARDI 44, 1 und Erwähnung der „Rechnung für die Hofmauertür“ in RdbK (Daumen) an RDI am 17.10.1938, ARDI 1, 1. 219 Bestätigt in Architekturbüro Rettig und Lämmle (München) an das Arbeitsamt München am 31.05.1938, ARDI 44, 1. 220 RJ an EH am 21.03.1947, ARDI Eng. Supply Control Office, Mappe Dr. Aub. 221 RdbK an RMVP am BArch R 55/869 Bl. 129 vom 2(?).05(?).1938. 222 Erstes Gutachten von S. Göschel, THM vom 04.05.1938, BArch R 55/869 Bl. 120 ff., Gutachten selbst 152 und 153, dito in ARDI 44, 1. 223 Anon. 1938a. 224 Zweites Gutachten von Göschel vom 20.05.1938, BArch R 55/869 Bl. 120, 124, Gutachten 146–151 und ARDI 44, 1 sowie HStAM MK 50882. 225 RJ an EH am 21.03.1947, ARDI Eng. Supply Control Office, Mappe Dr. Aub. 226 Wie Anm. 224. 227 RJs Stellungsnahme zu den unvorhergesehenen Ausgaben vom 05.05.1938, ARDI 44, 1. 228 Ähnlich lautend auch in einem internen Vermerk des RMVP vom 24.05.1941, BArch R 55/869 Bl. 124 f. 229 Firmenbroschüre zu Xylamon-Schwammschutz in ARDI 44, 1. 230 Wie Anm. 224. 231 RJ an AZ am 23.05.1938, BArch R 55/869 Bl. 128 und gleichlautend in ARDI 1, 1 und ARDI 44, 1. 232 Firmenbroschüre zum Verfahren nach A. Knapen zur Entfeuchtung von Mauerwerk in ARDI 44, 1. 233 Göschel an RDI am 21.05.1938, ARDI 44, 1. 234 BArch R 55/869 Bl. 129 f. vom 29(?).05.1938 sowie Aufstellung unvorhergesehener Ausgaben mit handschriftlicher Liste vom 05.05.1938 in ARDI 44, 1.

235 Zusammenstellung der Baukosten durch den Architekten Lämmle vom 23.06.1938, ARDI 44, 1. 236 RJ an AZ am 14.06.1938, ARDI 44, 1. 237 RJ an AZ am 17.04.1939 und 02.05.1939, ARDI 44, 4. 238 RJ an AZ am 20.02.1939, ARDI 44, 4. 239 Auftrag TR an Georg Schöttle, Kunstgewerbliche Werkstätte München, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 467 f. 240 Alles erworben im Juli 1938, Archiv Doerner Institut Laboratoriums-Inventar 1937–1952. 241 Rechnung Bau-Unternehmung Ludwig Mathes (München) über 144,91 RM vom 28.07.1938, ARDI 5, M. 242 Rechnung Bau-Unternehmung Ludwig Mathes (München) über 2.687,38 RM vom 15.10.1938, ARDI 5, M. 243 Rechnung Joseph Sechser Jun. (München) über 3.632,25 RM vom 15.08.1938, ARDI 5, S. 244 Stadt München an RdbK (München) am 30.09.1938 und RJ an AZ am 29.11.1938, ARDI 44, 1. 245 Fa. Sulzer Centralheizungen GmbH (München) an RDI am 22.06.1939, ARDI 44, 4. 246 Anon. 1938h. 247 U. a. Rechnung der Schreibwarenhandlung C. Sigl (München) an das RDI, Akademiestr. 2 vom 12.03.1938. 248 TR an Hed. Pontoppidan (München) am 24.01.1938, ARDI 26, P und RJ an die Städtischen Elektrizitätswerke am 08.06.1938, ARDI 44, 1. 249 Rechnung Spedition Joh. Dietrich (München) über 652,25 RM am 12.07.1938, ARDI 5, D. 250 Von AZ unterzeichnete Einladungskarte in ARDI 60. 251 NWGraf o. D., Archiv Doerner Institut. 252 Liskowsky 1937b, dort Abbildung „Professor Doerner Aufn.: Hoffmann“, ARDI 60. 253 TR an Kriminaloberinspektor Josef Rubner (München) am 11.05.1938, ARDI 26, R. 254 AZs Eröffnungsrede und überarbeitete Entwürfe in ARDI 60. 255 Anforderung eines Manuskripts durch die RdbK (Hoffmann) an MD am

19.05.1938 und MD an Hoffmann am 27.05.1938, beide in ARDI 60. 256 Handschriftliches Manuskript MDs in ARDI 60. 257 Anon. 1938d. 258 Anon. 1938e, Goebbels vollständig abgedruckte Rede in der derselben Ausgabe des VBs. 259 Einladung zur Festsitzung am 09.07.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 517. 260 Programm Festzug 1938 und Schweizer 2007, S. 200. 261 KW an MD am 09.07.1938, ARDI 35, 5. 262 Scholz 1938. 263 KW an MD am 21.08.1938, ARDI 51, 4. 264 HATUM C 317 vom 20.04.1914. 265 Erler an MD o. D., von fremder Hand bez. Juli 1938, ARDI 35, 5. 266 Erler an MD am 01.08.1932, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 319f. 267 Erler an MD o. D., von fremder Hand bez. Juli 1938, ARDI 35, 5. 268 Undatierter Brief Erlers an MD vom 17.12. (?), NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 186 f. 269 ARDI 35, 5 vom 22.07.1938; Zur Gründung des Museums siehe Schreiben des StMUK zur Errichtung einer LenbachMuseums-Stiftung vom 05.10.1937 nebst Stiftungsurkunde vom 16.06.1937 usw., in NTR, Schriftstücke vor 1945. Zur Würdigung der Leistungen Roths für das Lenbachmuseum siehe unter Anon. 1937c. 270 TR an MD am 04.08.1938, ARDI 35, 4. 271 RJ an Fa. Carl Zeiss am 18.08.1938 und vorausgehender Schriftverkehr, ARDI 11, 1. 272 TR und RJ holen den authentischen Spitzweg „Gedanken sind zollfrei“ aus Privatbesitz in Regensburg ab, ARDI 26, S. 273 TR an MD am 20.08.1938, ARDI 35, 4. 274 MD an das Wehrbezirkskommando II (München) am 26.08.1938, ARDI 35, 5. 275 TR an MD am 29.09.1938, ARDI 35, 4. 276 Uk-Stellung Roths vom 16.10.1939 bis zum 31.03.1940, PA Toni Roth, AdbK vom 04.11.1939. 277 TR an MD am 04.10.1938, ARDI 35, 4. 278 Zur Geschichte des Jagdmuseum siehe http://www.jagd-fischerei-museum.de/, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015,

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und Fuchsberger et al. 2014. 279 TR an MD am 14.10.1938, ARDI 35, 4. 280 Fa. Carl Zeiss an RDI (RJ) am 10.10.1938, ARDI 11, 1. 281 RJ an MD am 22.10.1938, ARDI 35, 5. 282 TR an MD (Glattfelden) am 02.11.1938, ARDI 35, 4. 283 RJ an Fa. Carl Zeiss am 20.01.1939, ARDI 11, 3. 284 Fa. Carl Zeiss an RJ am 10.11.1938 und vorausgehender Schriftverkehr, ARDI 11, 1. 285 Fa. Carl Zeiss an RJ am 12.11.1938, ARDI 11, 1. 286 Office International des Musées an MD am 15.10.1938, ARDI 62. 287 Bericht an das Office International des Musées in Paris über „Die Ziele und Aufgaben des neuen RDIs, Werkprüfungsund Forschungsanstalt für Maltechnik“ vom 27.10.1938, ARDI 60 und ARDI 62. 288 TR an MD (Glattfelden) am 02.11.1938, ARDI 35, 4. 289 TR an MD (Glattfelden) am 17.10.1938, ARDI 35, 4. 290 TR an MD (Glattfelden) am 14.10.1938, ARDI 35, 4. 291 RJ und TR an MD (Glattfelden) am 28.10.1938, ARDI 35, 5. 292 TR an AZ am 20.10.1938, ARDI 1, 1. 293 Frühe Hinweise auf geplante Beschlagnahmen und die Rolle Hanfstaengls in Schnellbrief des RMWEV vom 24.11.1935, Bl. 43 f., weiterhin Rust an Goebbels am 23.11.1935, Bl. 45, beide BArch R 43 II/1235a. Dazu Erlaß Görings vom 28.07.1937, BArch R 43 II/1646 Bl. 133 f. sowie Vorbereitungen für ein Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst RMVP an die Reichskanzlei vom 17.03.1938, Bl. 63 ff., alle BArch R 43 II/1235b. 294 MD an TR am 25.10.1938, ARDI 55, 2. 295 Erworben am 23.02.1938, Archiv Doerner Institut Laboratoriums-Inventar 1937–1952. 296 Von S&H Berlin, aufgestellt im Juli 1938, Archiv Doerner Institut LaboratoriumsInventar 1937–1952. 297 Anon. 1938f. 298 Woldemar Brinkmann (1890–1959),

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Architekt, seit 1938 Reichskultursenator. 299 RJ an Brinkmann am 07.03.1939, ARDI 61 und Aktennotiz von Zerbonis zu „Luftschutzmassnahmen“ vom 18.09.1942, ARDI 30, 7. 300 RJ an MD (Glattfelden) am 22.10.1938, ARDI 35, 5. 301 TR an MD (Glattfelden) am 27.10.1938, ARDI 35, 4. 302 Attest Gelpke vom 25.10.1934, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 392 303 StMUK an die AdbK am 08.04.1935, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 375. 304 ARDI 60 vom 27.05.1938. 305 Deutsche Arbeitsfront NS-Gemeinschaft (Kraft durch Freude) an MD am 29.10.1938 und Absage TRs vom 15.11.1938, beide ARDI 35, 5. 306 TR an MD am 31.10.1938, ARDI 35, 4. 307 Gelpke (Glattfelden) an TR am 31.10.1938, ARDI 35, 5. 308 MD an die Devisenstelle der Reichsfinanzverwaltung (München) am 11.10.1938, ARDI 35, 5. 309 TR an MD (Glattfelden) am 02.11.1938, ARDI 35, 4 und Mietvertrag für die Wohnung in der Leopoldstraße 7 vom 02.12.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 582 f. 310 Hiervon zeugt eine nach dem Tode MDs erstellte Kostenaufstellung von TR vom 17.12.1938, ARDI 36, 1. 311 TR an MD (Glattfelden) am 02.11.1938, ARDI 35, 4. 312 RJ an das Polizeipräsidium (München) am 03.11.1938, ARDI 35, 5. 313 Von Nagel (RDI) an AdbK (Bernhart) am 17.11.1938, ARDI 35, 5. 314 AZ an MD am 11.11.1938, NMD. 315 TR an Richard Pfeiffer (Berlin) am 02.01.1939, ARDI 28, P. 316 RJ berichtet vom „unerwarteten Tod“ MDs in einem Schreiben an die Fa. Carl Zeiss vom 08.03.1939, ARDI 11, 3. 317 TR (?) an das Sanatorium Dr. Büdingen (?) am 17.01.1939, ARDI 35, 5. 318 Erklärung TRs vom 16.08.1946 in HStAM MK 40109. 319 NMD Briefe/Notizen 1930–40, Bl. 392.

320 Anon. 1939q, Anon. 1939v und Pfeiffer 1939. 321 Redemanuskript Wüsters in ARDI 61, 7 S. 323 Zitate aus Anon. 1939n, Anon. 1939o und Anon. 1939p. 323 So Richard Klein, Direktor der Akademie für angewandte Kunst (München) am 02.03.1939, ARDI 61. 324 Zahlreiche Ausschnitte und Traueranzeigen in ARDI 61, siehe auch den Nachruf

im Mitteilungsblatt der RdbK, Anon. 1939u, S. 2 und die Todesanzeige MDs auf S. 16. 325 Traueranzeige in „Das Bild“, Heft März 1939 in ARDI 61. 326 Doerner 1938. 327 Werbeblatt des Enke Verlags zur 6. Auflage von Doerner 1938 in NWGraf. 328 Wehlte 1939c, sowie viele Zeitungsausschnitte zu diesem Thema in ARDI 62.

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DOERNER, WÜRTENBERGER, KROMER UND GRAF

Eine Auseinandersetzung mit Biographien nährt immer die unterschwellige Befürchtung, den Protagonisten Teile ihrer Persönlichkeit zu verwehren. Dies gilt in besonderem Maße für Max Doerner, zu dem bislang nur wenige Zeugnisse vorliegen. Um so wertvoller sind die Briefwechsel mit Ernst Würtenberger, Heinz Ernst Kromer und Wilhelm Graf, die uns Einblick in Doerners Leben, in seine Interessen, seine Reisen und seinen Alltag geben. Die in diesem Kapitel gewählte Wiedergabe auch persönlicher Passagen ist bewußt in Kontrast zu einem größeren politischen Geschehen gesetzt, das Doerners Heimat in einen verheerenden Ersten Weltkrieg, durch die Jahre der Inflation in ein sich vorübergehend stabilisierendes Deutschland und schließlich in die nationalsozialistische Diktatur führt. Doerner (Abb. 53) lernt über seinen Kommilitonen Würtenberger den späteren Bankkaufmann Graf kennen. In den Kreis gehört auch ein Schulfreund Grafs, der Maler, Bildhauer und Schriftsteller Heinrich Ernst Kromer*. RäumAbb. 53 | Ernst Würtenberger, lich getrennt, verbindet alle drei „Max Doerner“, Aquarell von 1889 lebenslang eine enge Korrespondenz. Doch einzig Würtenberger (Abb. 54), der 1888 ebenso wie Doerner sein Studium an der Münchner Akademie aufnimmt, hat uns in seinen Erinnerungen Momentaufnahmen seiner Aufenthalte in München, der gemeinsamen Zeit mit Doerner in der Malklasse von Wilhelm von Diez und vom Kopieren in der Alten Pinakothek hinterlassen.1 In seinen Jugenderinnerungen schildert Würtenberger seinen Freund Doerner: „[Beim Studium der verschiedenen Techniken

der alten Meister] erstand mir nun unter meinen Klassengenossen der Diezschule ein getreuer Helfer: Max Doerner. Ein hochaufgeschossener, junger Mensch, gebildet und mit scharfem Verstande ausgezeichnet, war Doer­ ner in der Schule durch seine halb bissigen, halb humorvollen Sarkasmen, mit denen er unsere Arbeiten beurteilte, bekannt. Da er seine Eltern früh verloren hatte und ohne Vermögen war, so mußte er sich ziemlich schwer Abb. 54| Ernst Würtenberger, „Selbstdurchschlagen […] Doerner beportrait“, 1901 saß eine fast genial zu nennende Gabe, das Technische eines Bildes durch alle Stufen des Aufbaues zu erkennen. Es war, als ob sein Auge unmittelbar auf den Grund eines Bildes sehen könnte, denn er vermochte die schwierigste Technik in allen ihren Stadien und Wechselfällen sofort aus jedem Bilde herauszulesen, jedes technische Rätsel eines Bildes zu lösen. Diese Gabe war bei ihm von Anfang an, als ich ihn kennen lernte, ganz entwickelt.“2 Die Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern muß eng gewesen sein. Würtenberger erinnert sich, daß Doerner und er vieles gemeinsam ausprobieren, ja „es gab nichts, was wir nicht versucht hätten“. Auch wenn sich ihre Wege nach der Münchner Zeit trennten – Würtenberger sollte zurück nach Konstanz, dann nach Zürich und Karlsruhe gehen, während Doerner zeitlebens in München blieb – war Doerner Würtenberger bis zum Tode verbunden. Die wenigen überkommenen Briefe zwischen Doerner und Würtenberger3 geben uns einen lebendigen Einblick in beider künstlerische Welt.

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Die Korrespondenz mit Kromer4 dagegen ist von größerer Distanz. Doerner scheint die Rolle des maltechnischen Ratgebers gegenüber dem begabten Autodidakten Kromer einzunehmen, unterstützt ihn durch die Beauftragung maltechnischer Skizzen im Rahmen seiner engen Möglichkeiten auch finanziell. Doch die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Kromers lassen sich weder durch dessen schriftstellerische Tätigkeit noch Restaurierungen, zu denen ihm Doerner rät, lindern. Die hier erstmals veröffentlichte Korrespondenz mit Wilhelm Graf5 zeigt ein ganz anderes Bild des Menschen Max Doerner: Es ist das Bild eines Privatmenschen, dessen Interessen im Wandern und Fischen liegen, und der sich trotz aller Reisen nach Italien und Holland in seiner bayerischen Heimat am wohlsten fühlt. Es ist Abb. 55 | Ernst Würtenberger, „Max Doer­ ner“, Federzeichnung vom 05.11.1891, von zugleich das erschütternde Bild Würtenberger eigenhändig bez. mit „Diezeines nach kurzer Ehe Verwitschüler vom Ende des XIX Jahrhunderts“, weten und von schwerer Krankmit der Widmung „Dir Max Doerner“ heit Gezeichneten. 1902 BIS 1910 Bereits der erste Brief führt uns in ein Münchner Spezifikum: in eine der legendären Ausstellungen im Münchner Glaspalast bzw. der Münchner Sezession. Doerner (Abb. 55) bietet einen Eindruck vom örtlichen Ausstellungsgeschehen, ja zeigt seine Vorlieben für eine tief in der Tradition der Münchner Malerei des späten 19. Jahrhunderts stehenden Kunst.

Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (vermutlich Zürich) am 24.08.1902 Lieber Ernst! [/] Endlich habe ich die Ausstellungen absolviert und will dir gleich davon ein Bild geben. Was den Glaspalast6 betrifft, so bewegt er sich, ausgenommen die Luitpoldgruppe [der Münchner Künstlervereinigung], auf der Höhe einer Kunstvereinsausstellung (der „Ehrensaal“ ist darin geradezu einzig). In der L[uitpold] Gr[uppe] sind auch recht wenig gute Sachen. Von [Albert] Welti [München] ein paar sehr fein empfundene (der Geiz)7 Bildchen, die wirklich Freude machen, [Hermann] Urbans [München] an allen Ecken und Enden,8 dazu die sonst üblichen Leute nicht gerade aufregende Sachen. Den c[irca] 12 Landschaften von dem Lugoschüler [Edmund] Steppes [München] misst Anetsb. [Johann Anetsberger* München] große Bedeutung bei, ich finde sie ganz gut, aber zu monoton, zu hohl in Stimmung als in der Mache des Details. Geschlossene Wirkung geben sie allerdings. Die beiden Ausstellungen von [Ernst] Zimmermann und Faber d. f.9 [Otto Faber du Faur] sagen nichts Neues, bloß wirkt ein so großer Saal voll F.d.F. [Faber du Faur] nicht gerade angenehm. Die Scholle tritt sehr anspruchsvoll auf, aber – von Berlin xx [etc.] laß mich schweigen. Die Trübnerausstellung [Wilhelm Trübner, Frankfurt] dachte ich mir besser. Ganz unvergleichlich besser ist die Sezession.10 Allen voran [Franz von] Stuck. Dessen Doppelbildnis von ihm und seiner Frau11 ist ein wirklich hervorragend schönes Werk und erst wenn mans im Detail ansieht – wie schön und geschmackvoll da alles gemacht ist, das ist ein Genuß. Auch seine andern Sachen, der [unleserlich] „Pips“12 und das Bild seiner Frau13 sind geschmackvoll und dabei so sicher, dass man nur seine Freude an dem Ding haben kann. [John] Lavery [London] bringt ein schönes Damenporträt14, das leider zu wenig sichtbar ist, wie auch das Herrenporträt von [Antonio de la] Gandara15 [Paris]. Von beiden Bildern in ganzer Figur sieht man eigentlich nur die Fußspitzen und sonst ein paar Licht [Lesart unsicher] Reflex. [Ignacio] Zuluoga[s] [Madrid] 230

Bild einer Spanierin16 ist merkwürdig. Zuerst ist man nicht gerade angenehm überrascht von dem grellen Anilinrot, lebt man sich aber hinein, muß man doch die Mache bewundern wie z. B. die Spitzen gemalt sind und wie vollendet die Wirkung ist. Den Kopf sieht man auch da kaum. Die Zügelschule scheint den Höhepunkt erreicht zu haben und als erster [Emanuel] Hegenbarth daraus hervorzugehen, wenigstens ist der Ausnahmefall zu verzeichnen, dass Schramms Riesenschwarte17 [Rudolf SchrammZittau, München]hochgehängt und unschädlich gemacht ist. Anetsb[ergers] Bild von dem jungen Roßner18 fällt leider sehr ab. Ein wahnsinniger Cellospieler ist auch wieder da und den dann neben ihm graußt es auch. Da möchte ich auch einen Saal voll. [Adolf] Hengeler19 [München] hat sehr schöne Sachen in bekannter Art, Jul[ius] Diez wieder Pastellbilder. [Angelo] Janks [München] großes Porträt einer Reiterin20 vermag mir gar nicht Interesse abzugewinnen. Von [Hermann] Frobenius [München] ist eine ganz gute Haider-Böcklinsche Landschaft21 da und manches Gute von [Julius] Exter [Übersee am Chiemsee] neben rechts einem unfertigen [Hugo von] Habermann [München] hat ein [Lesart unsicher] Familienporträt22, einfach ein Plakat, da. So ein Weib23 von ihm habens natürlich für die Pin[akothek] gekauft. [Leo] Sambergers Kohlezeichnungen sind sehr gut und oft verblüffend ähnlich. Von [Albert] Besnard [Paris] sind große Kartons da, von [Charles] Cottet [Paris] ein Riesenbild, Prozession24. Viele kleine nette Sachen von [Rudolf] Riemerschmid, [Ludwig von] Zumbusch xx [etc.]. [/] So das wärs! Wie gehts dir und deiner lieben Frau? Ich hoffe das Beste, auch bei dir Zuhause in E[mmishofen]. Ich habe mich nun entschlossen im Herbst ins Hegau zu gehen, wie du mir oft rietest. Aber ich möchte es gerne so treffen, dass du auch dort wärest. Leider bin ich die ganze Zeit gar nicht gut daran gewesen in punkto Gesundheit. In nächster Zeit gehe ich in die Umgegend von München, nach Marzling bei Freising wo schöne malbare Sachen sind. Mit der Copie habe ich mich zu Ende geplagt, sie aber noch nicht abschicken können, 231

da W[?]s anscheinend verreist sind. Roßner wird baldig heiraten. Ich freue mich sehr, dich und deine Frau bald zu sehen und bin mit einem herzlichen Gruß dein Freund Max. Unter den zahlreichen Namen sei nur einer herausgegriffen: Johann Anetsberger gehörte zum gemeinsamen Freundeskreis von Würtenberger und Doerner. Mit Würtenberger, der bis zu seiner Hochzeit 1902, dem Umzug des Paares nach Zürich und dem Tod des Vaters 1903 auch ein Atelier in seinem Elternhaus in Emmishofen vor den Toren von Konstanz betrieb,25 tauscht Doerner sich in dieser Zeit rege über maltechnische Fragen aus. Es ist die Phase, in der sich der noch werdende Maler (Abb. 56 und 57) in den Maltechniker Max Doerner wandelt. Vor allem ist es seine Leidenschaft für die Malerei in der Natur, die ihn für Würtenbergers Versuche mit Temperafarben einnimmt, immer auf der Suche nach schnelltrocknenden und gegenüber weiteren Malschichten robusten Bindemittelsystemen. Offenkundig hat der vergleichsweise wohlhabende Würtenberger, dessen Vater eine Ziegelei in der Nähe von Konstanz besaß, Doerner auch finanziell unter die Abb. 56 | Max Doerner, „Doerners Mutter Arme gegriffen: Anna“, o. D.

Max Doerner (Marzling bei Freising) an Ernst Würtenberger am 18.10.1902 Lieber Ernst! [/] Diesmal ists schiefgegangen mit dem geplanten Aufenthalt im Hegau. Ich wollte eigentlich noch Mitte Oktober hinfahren, aber nun wartete ich, leider umsonst, auf eine günstige Erledigung der Sache in bezug auf die rest[aurierte] Dürerkopie. Das Wetter war hier infam schlecht, so dass mir der

Abb. 57 | Max Doerner, „Die Verlobten“, 1912

Aufenthalt nicht die gehofften Resultate brachte und jetzt wird’s wohl auch fürs Hegau zu spät geworden sein. Ich hatte mich das ganze Jahr hindurch drauf gefreut, und möchte nun im Vorfrühling meine Absicht ausführen, denn die dortigen Motive und die vom Friedinger Schlösschen gehen mir nicht aus dem Kopf. [/] Ich dachte dir auch mal meine Schulden persönlich zurückerstatten zu können. Nun werde ich es von M[ünchen] aus tun und bitte dich um Entschuldigung, dass es so lang sich hinauszog. Anetsb[erger] ist in München und hat mich einmal besucht. Die Gegend hier am Steilrand des rechten Isarufers ist malerisch sehr reizvoll, die Leute aber recht wenig von der Kultur beleckt. Was machst du? Du wirst wohl viele Porträts in Z[ürich] zu machen haben? Hast du auch kompositionelle Sachen gemacht? Wenn du mir einmal schreiben würdest, würde ich mich sehr darüber freuen, namentlich wenn du über deine Arbeit auch ausführlich 233

berichten wolltest. Ich habe diesmal viel Tempera vor der Natur gemalt; (Eige[lb], Leinölfirniß, Terpentin, Damar, Wasser) es ließ sich gut damit arbeiten, allerdings hat’ ich auch Pech damit, einmal hat mir ein Platzregen die Arbeit mehrerer Tage abgewaschen. Schwer ists mir, wenn man nach einigen Tagen Pause drüber gehen will, ohne den Grund zu firnissen. Die Tempera muß der deinen sehr ähnlich sein, sie hält sich auch gut. Anetsb[erger] schleift nun Gipsgründe, von denen er sich sehr viel verspricht (Ich riet ihm, einen Versuch mit Kalk und Topfen zu machen, er hat von Roßn[er] ein Porträt gemacht). Grüße bitte aufs beste deine liebe Frau und schreibe einmal wieder dein Freund M. D. Herrn [Emil] Strauß bitte ich auch zu grüßen. Der am Ende des Schreibens erwähnte Schriftsteller Emil Strauß ist wiederum eng mit Würtenberger befreundet. Wenige Wochen später spricht Doerner Würtenberger nicht nur auf maltechnische Rezepturen an, sondern erwähnt auch einen weiteren Freund Würtenbergers aus der Konstanzer Schulzeit, den Schriftsteller und Dichter Emanuel von Bodman26: Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger am Dienstag, den 18.11.1902 (Datum handschriftlich von fremder Hand zugefügt) Lieber Ernst! [/] Wieder einmal von dir zu hören, was du treibst, hatte ich mir schon lange gewünscht und drum freute mich dein ausführlicher Brief desto mehr. Wenn ich übrigens eine Ahnung gehabt hätte, dass du im September auf dem Braunenberg warst, wäre ich sofort dorthin gegangen – ich dachte aber, du gingest wohl erst im Spätherbst und ich rechnete dabei im stillen auf Nachricht von dir. Die dortigen Motive wälze ich in Gedanken immer noch hin und her und habe sie auch über Marzling nicht vergessen. Dass du mit Eiweißmalerei so gute Erfolge hast, interessiert mich natürlich besonders – ich mache mit Eiweiß, Eigelb, Leinölfirnis, Damar und Terpentin zusammen Versu234

che und bin das einemal ganz befriedigt davon, um dann gleich beim nächsten Mal einen Hacken in der Sache zu finden. Sonst beschäftige ich mich in den Sachen, die ich grade male, hauptsächlich mit dem Problem der Lichtführung (auch so ein verzwicktes Ding!) und der Vereinfachung der Kontraste, wobei ich noch öfter schön aufsitze. Ein Porträt von meiner Tante, mit Herbstlandschaft dahinter will ich dieser Tage beginnen. Mit den oben berührten kitzligen Fragen hast du dich schon länger beschäftigt und ich wäre drum sehr erfreut gewesen, hätte sich Gelegenheit zu mündlicher Aussprache in dieser und anderen Dingen geboten. [/] Bodman soll ja hier sein – ich habe ihn zwar nicht gesehen, aber Anetsb[erger] traf ihn. A[netsberger] hat jetzt eine schlimme unfruchtbare Zeit. Er trägt sich ernstlich mit dem Plan, mit Rossner zu brechen (der ihm zuviel dreinredet) oder er hat es schon getan. Er will wieder mehr für die [Zeitschrift] Jugend arbeiten. [Unleserlicher Name] ist wieder mal aufgetaucht und hat mich merkwürdigerweise diesmal nicht gefragt: [„]du wo ist dein Freund, der die Palettmesser von mir hat“? Roßner ist, wie ich vermute, mit seiner Frau noch in Steinkirchen. Pfleiderer in Nördlingen, Weber sehr überhäuft mit Aufträgen und Besuchen, sodaß Anetsb[erger] und ich allein die Stammtische bevölkern – aber es ist mir so eher lieber. Der Fischer Karl soll schon wieder mal ganz bestimmt kommen. Von E[mil] Thoma 27 sah ich neulich 2 Landschaften im Kunstverein, nicht schlecht, aber – zu liebenswürdig gemacht. Mit der Kopie für Gerhart Hauptmann ists so eine Sache. Er möchte sie bestimmt, wie mir Fr[eund] Strauß schrieb, aber er muss warten bis er Geld hat resp[ektive] ob sein neues Stück Erfolg hat oder nicht. [/] Stunden geb ich z. Zt. [zur Zeit] nur sehr wenige, in nächster Zeit beginne ich ein neues Altarbild. Heuer scheints ein böser Winter für die Maler werden zu wollen, die letzten Tage waren schon ein schöner Vorgeschmack. 9o im Atelier trotz aller Heizung und dabei ziehts in dem Loch ganz erbärmlich. Wenn du mal wieder Zeit findest, schreibe doch bald wieder. Ich freue mich jederzeit 235

sehr von dir zu hören und grüße deine Frau und dich herzlich dein MD auch von Anetsb[erger] Ob Doerner die Kopie für Gerhart Hauptmann28 je angefertigt hat, ist unbekannt. Der Auftrag hing offenkundig vom Bühnenerfolg des neuen Dramas „Der arme Heinrich“ ab, das 1902 uraufgeführt wird. Der Kontakt zwischen Doerner und Hauptmann wird über Emil Strauß (Abb. 58), der seit 1891 mit Elisabeth Marschalk verlobt und seit 1901 verheiratet ist, zustande gekommen sein. Marschalk, die in Berlin ein Photoatelier betreibt, das ein Treffpunkt der Künstlerschaft Berlins ist, steht in enger Verbindung zu Hauptmann, der ihre Schwester Margarete heiratet.29 Doerners Brief an Würtenberger wirft ein Schlaglicht auf die wirtschaftlich schwierigen Umstände, und seine Schilderungen über die große Kälte im Atelier geben eine Vorstellung, wie beschwerlich die damaligen Verhältnisse waren. Seine BeAbb. 58 | Ernst Würtenberger, fürchtungen im Hinblick auf ei„Emil Strauß“, 1898 nen kalten Winter scheinen sich bewahrheitet zu haben, denn er schreibt: Max Doerner an Ernst Würtenberger (Konstanz) Donnerstag (ohne Datum), aber vermutlich auch Ende 1902 Lieber Ernst! [/] Inzwischen wirst du meinen Brief in Händen haben, wie ich deine zweite Karte. Ich freue mich herzlich, dass dir die Sache munter von der Hand geht, ich dachte immer, das Malmittel sei für dich besonders geeignet. Ich machte gern einen Versuch, aber die Räumlichkei-

ten sind äußerst ungeeignet dazu, dabei ist eine barbarische Kälte, denn auf den Bergen hat es frisch angeschneit. Ich habe einige Sachen begonnen in größeren Formen, die aber eben vor der Natur durchgearbeitet werden müßten, denn das dargestellte Terrain ist sehr mannigfach gegliedert. Wie gehts mit dem Böcklinbild? Und hast du die Braunenbergerlandschaft ausgeführt? Ich male nun auch alles auf selbstgrundierte Leinwand und möchte keine andre mehr nehmen. Ich gebe ihr aber einen leichten Kreideüberzug, in dem ich sie erst mit Leimwasser tränke und dann mit dünnerem Leim, Kreide und etwas Leinöl, worauf ich mit einer alten stumpfen Spachtel so mit der Schneide drüber fahre, dass der Überschuß entfernt wird; dabei legen sich die Fäden und Knoten schön an, so dass eine völlig gleichmäßige Fläche entsteht. Die Kreide muß ich nehmen, da draussen das durchscheinen der Leinwand stört. Anetsb[erger] und Weber, eventuell auch Pfleiderer erwarte ich heut. Ich hätte dir gleich geantwortet, wenn es nicht so sehr schwierig hier wäre, sich Marken und Karten zu verschaffen, wenn ich nicht eben den Postposten erwische, gelingts mir nicht. Grüße Alle zu Hause und alle sonstigen Bekannten und empfange du die besten Grüße von deinem M. Doerner. 1911 BIS 1920 Doerner ist immer wieder im Konstanzer Raum, kann jedoch nicht immer den Einladungen Würtenbergers auf den Braunenberg folgen. Dort auf dem Braunenberger Hof leben die Schwiegereltern Würtenbergers. Max Doerner (München ) an Ernst Würtenberger (Freiburg) am Sonntag, den 26.08.1911 Lieber Ernst! [/] Besten Dank für deine Karte und die frl [freundliche] Einladung! Doch weiß ich leider nicht, ob ich ihr folgen kann. Meine Zeit ist gerade jetzt sehr knapp, ich kann wohl nur einen oder eineinhalb Tage für den Ausflug von Konst[anz] ab aufwenden und das ist wohl zu kurz, um Alles in Basel xx [etc.] 237

Abb. 59 | Max Doerner, „Berglandschaft“, 1912

zuseh’n, so sehr gern ich auch gerade Basel gesehen hätte und eben namentlich zusammen mit Dir. Voraussichtl[ich] bin ich Mittwoch – Donnerstag Nachm[ittag] in Konstanz. Vielleicht kannst Du mir noch Nachricht postlag[ernd] [unterstrichen] dahin zukommen lassen! Wie stehts denn mit Deinen Absichten auf Greco? Ich verreise sofort wieder nach meiner Rückkehr nach U. und bin wohl vor Mitte Nov[ember] nicht hier. Herzliche Grüße an Dich wie deine Frau Dein Freund M. D. Doerners Leben ändert sich grundlegend, beginnt er doch ab Wintersemester 1912/13 im Rahmen eines Lehrauftrags Maltechnik an der Akademie in München zu unterrichten. Doch hiervon läßt sich nicht leben: Neben seiner Malerei (Abb. 59) widmet sich Doerner vor allem der Kopie, was aufgrund des schmalen Salärs an der Akademie wirtschaftliche Notwendigkeit ist. In einem Brief aus dem Allgäu – neben dem Hegau eine weitere Region, in der sich Doerner gerne aufhält – erwähnt er Kontakte zu Würtenbergers Freund Wilhelm Graf (Abb. 60) sowie zu den Malern Franz Pallenberg und Joseph Damberger, die Doerner auch in Italien trifft. 238

Max Doerner an Ernst Würtenberger (Zürich) am 08.07.1912 Lieber Herr Ernst! [/] Möchtest du nicht so freundlich sein gelegentlich bei „Kunst und Spiegel“ dir die Photos nach den Kollerbildern anzusehen und mir zu schreiben, wie hoch du ungefähr diese einschätzen würdest. Der betr[effende] Herr kann sich vorerst nicht entschließen, sie zur Ansicht zu senden, was aber vielleicht nachher der Fall sein könnte. Ich war schon einmal auf dem Wege, dich zu besuchen. Bin aber nur in die Oberstdorfer Gegend gekommen, wo ich ein paar Berge porträtieren musste. Plötzlich musste ich von da fort nach Berlin zu einem Schiedsgericht. Vorgestern hat die Pinakothek eine Landschaft von mir im Glaspalast angekauft, was mich natürlich recht freute und im gegenwärtigen Moment gerade viel wert ist, wo mit Akad[emie] und Politechnikum manche Dinge in der Schwebe sind. Ich habe die Absicht im Herbst nach Italien zu gehen wahrscheinlich nach Terracina, um dort zu studieren. Es kann sein, dass Damberger mitgeht. Du könntest vielleicht mit von der Partie sein? Bald hoffe ich in Z[ürich] oder sonst wo dich zu treffen. [Unleser- Abb. 60 | Ernst Würtenberger in seinem Atelich] deine Frau und Kinder lier vor einem Bildnis von Wilhelm Graf, o. D wie dich herzliche Grüße von deinem Freund Max. In Mühlhausen nördlich vom Hohentwiel findet er Unterschlupf bei einem gewissen Fräulein Reichle, die ihn auch in den kommenden Jahren immer wieder rührend umsorgt und ihn, was Doerner sehr schätzt, zu Neujahr mit Geräuchertem bedenkt.30 Doerners Hinweis auf die Entwicklungen im Polytechnikum bezieht sich auf die Ver-

suchsanstalt Eibners. Mit ihr und der im gleichen Atemzug erwähnten Akademie sind zwei Pole genannt, zwischen denen Doerners Gedanken bis zu seinem Tode oszillieren werden. Max Doerner (Wasach bei Oberstdorf im Allgäu) an Ernst Würtenberger (Zürich), undatiert, jedoch wahrscheinlich November 1912 Lieber Ernst! Ich bin wieder mal hier im Allgäu, habe aber das schlechteste Wetter, Nebel und Schnee und bin drum in meiner Arbeit weit zurück. Ende der Woche fahre ich voraussichtlich nach Konstanz und muß von da nach Mühlhausen[,] wo ich den Hohentwiel für Frn. [Fräulein] Reichle malen soll. Ich wäre gerne zu dir nach Zürich gefahren, aber die Zeit langt wohl nicht mehr. Ich soll am 15.ten in München wieder eintreffen, da ich nun ständig an der Acad[emie] Vorträge halten soll und im Künstlerinnenverein in nächster Zeit ebenfalls einen. Ich hätte dich gerne über deine Temperaversuchsreihen gründlicher ausgefragt und dich wegen der Arbeiten Anderer (Hodler) um Aufschluß gebeten. Das elende Wetter hat mich hier festgehalten, dabei kriege ich die Berge, die ich malen soll, einfach nicht zu sehen. Fr[eund Wilhelm] Graf und seine Frau besuchten mich am letzten Sonntag und erzählten mir von dir und deinen Werken. Ich habe übrigens in letzter Zeit den Böcklin [Lesart unsicher] in der Klinik in Tempera kopiert für das kunsthist[orische] Institut der Universität München. [/] Die Sache ging ganz fahrplanmäßig, die Töne blieben im Glanz stehen und stehen heute noch, nach mehr als einem Monat, obwohl sie ungefirnißt sind. Du weißt vielleicht auch etwas in älterer oder neuerer Literatur auf das du mich aufmerksam machen kannst in bezug auf Tempera. Du schreibst mir wohl am besten: Konstanz, postlagernd, denn vielleicht erreicht mich deine Karte hier nicht mehr. Pallenberg schrieb mir, er lässt die Hesperiden von Marees sich von einem jungen Maler kopieren. Ich habe mir die Arbeit neulich angesehen. Ich wollte im Herbst mit Damberger nach Italien, nun wird 240

mir wohl keine Zeit bleiben. Herzlich grüßt dich und die deinen dein Freund Max Doerner Die von Doerner erwähnten „Hesperiden“ von Hans von Marées31 rechnen seit 1891 zu den Hauptwerken der Neuen Pinakothek. Zu Doerners großer Freude gelingt es ihm 1912, das bereits erwähnte Bild „Herbsttag“ an die Pinakotheken zu verkaufen.32 Am 20.11.1912 äußert sich Würtenberger dann zu seiner Maltechnik.33 Er bezweifelt allerdings, ob seine mit zwei Bleistiftskizzen illustrierte Beschreibung Doerner „etwas gibt“. Neben der sorgfältigen Wahl seiner Leinwände und einer Grundierung mit „Albumingrund (Firniß – Zinkweiß)“ widmet sich die Schilderung besonders den Vorarbeiten, zu denen eine präzise zeichnerische Festlegung der Konturen gehöre, sowie der Untermalung, die er „mit dem Spachtel in großen einfachen Tönen [ausführt], die [er] sehr genau gegeneinander abwäge“. Bereits in diesem Stadium der Komposition macht sich Würtenbergers graphische, an ruhigen Flächen orientierte Bildauffassung bemerkbar. Einmal so angelegt, trockne das Bild vor der endgültigen Ausführung drei bis vier Tage. Würtenberger, der sein Kommen für nach Weihnachten ankündigt, scheint wenig mit den Gepflogenheiten an deutschen Akademien vertraut, ja verwechselt in seinem Brief den Doerner erteilten Lehrauftrag mit einer „Festanstellung“. Doerners Antwort läßt seine Ungeduld mit den langsamen und „unabsehbaren“ Entwicklungen in der Akademie spüren: Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Zürich) am Freitag, den 23.11.1912 Lieber Ernst! [/] Herzlichen Dank für deinen ausführlichen, klaren Bericht. Ich würde mich ganz ungemein freuen, wenn du an Weihnachten hierher kämest! Professor bin ich aber nicht [unterstrichen], vielleicht in unabsehbarer Zeit mal[.] Gerne hätte ich von dir erfahren wie du deine Sachen auf Kontrast aufbereitest, irre ich mich, auf Grün und Rot? Darüber möchte ich dich genau ausfragen. Deine Malweise ist sehr rationell und muß gut 241

halten. Hier sind wir z. Zt [zur Zeit] mit sozialen Fragen der Künstlersch[aft] beschäftigt[,] auch deine Farbenschaber wüßt ich gerne. Auf Wiedersehen und viel Grüße bis dahin! Dein Freund Max D. Bereits einen Tag später antwortet Würtenberger auf Doerners Nachfrage mit einem noch ausführlicheren Brief, der dieses Mal vier farbige Skizzen enthält.34 Zweifel, ob diese erneute Mühe Doerner „in irgend einer Weise dient“, bleiben bestehen. Würtenberger betont, daß „bei [s]einen Sachen überhaupt die Farbe sekundär [sei], in erster Linie beschäftigen [ihn] beim Bild die Formalelemente, vor allem das Kubische und dann das Lineare. Also wie die Dinge im Raum stehen […] Dann kommt allerdings gleich das Farbige.“ Die farbliche Abstimmung kontrastierender Flächen gestalte Würtenberger bis in alle „Nuancen“. „Im Grunde [sei] es Nichts anderes als durch Überleitungen mit verwandten Tönen zum Contrast zu gelangen.“ Würtenberger macht deutlich, daß er viel von Hodler, aber auch „sehr viel von den Alten“ gelernt habe. Darunter sei es insbesondere El Greco, dem er viel verdanke. Zu Doerners großer Enttäuschung kommt Würtenberger, der seit 1909 zweifacher Vater ist, dann doch nicht nach München: Max Doerner an Ernst Würtenberger (Zürich) am 31.12.1912 Lieber Ernst! [/] Ich bin dir vielen Dank schuldig für dein ausführliches Schreiben. Ich glaubte immer, du kämest an Weihnachten. Roßner war sehr von seinem Züricher Aufenthalt und dem Zusammensein mit dir befriedigt und rühmte deine Arbeiten. Hoffentlich kommst du doch noch! Inzwischen wünscht dir und den deinen ein recht frohes Neujahr dein Freund Max Doerner. Umgekehrt scheinen aber auch Doerners Versuche, Würtenberger in Zürich zu besuchen, immer wieder zu scheitern: 242

Max Doerner (Konstanz) an Ernst Würtenberger (Zürich) am 25.11.1913 Lieber Ernst! Leider langte es nur bis Konstanz, nicht bis Zürich: Ich muss morgen wieder in M[ünchen] sein. Herzlichen Gruß an deine Frau, deine Kinder wie Dich Dein M. Doerner Pallenberg war seit Anfang Okt[ober] in M[ünchen]. Er lässt dich grüßen. Im Freundeskreis um Würtenberger und von Bodman lernt Doerner auch den bereits erwähnten Heinrich Ernst Kromer kennen, mit dem er sich immer wieder über maltechnische Fragen austauscht: Max Doerner (München) an Heinrich Ernst Kromer (Konstanz) am 31.08.1918 Lieber Herr Kromer! [Des Münchner Farbenherstellers Dr. Karl] Fiedlers Angaben beruhen auf meinen Rezepten, sie sind von ihm nur anders gefasst. Als Anstreichmittel gilt Damarharz, gelöst in rek[tifiziertem] Terp[entin]öl 1:3 = Damarlösung. Ölzugabe verdirbt lediglich die Klarheit der Farbe und macht sie mit der Zeit gilben. Auf Brettern macht man nur Kreidegrund [unterstrichen] und überstreicht dann die Tuschzeichnung mit dem Damar. Besser als Kreide ist Naturgips (Analin, Leichtspat, Lensin), der nicht geschliffen zu werden braucht, sondern geschabt wird, trocken, mit der Spachtelkante. Ihr Malmittel habe ich nun probiert, es ist wunderbar! Eine Flasche überliess ich Keppler [möglicherweise Doerners spätere Frau Frieda Keppler, seine Assistentin]. Ich bange vor dem Ende! Ich habe z. Zt. [zur Zeit] Besuch meines Auftraggebers aus Berlin und habe aufs Äusserste angestrengt vorher gearbeitet. Nun muss ich eine Wiederholung der Marees Diana35 noch rasch nach Hamburg malen. Daneben richte ich den neuen großen Hörsaal in der Academie ein und führe die Restau[rierungs] Offensive weiter. Ich ginge gerne in den Hegau, aber heuer gehts nimmer, ich muss ja hier noch zuviel tun. Wo ich lande zum Studienmalen, ist noch ganz ungewiss. Ich gratuliere der Grossmutter und grüsse Sie herzlich! Ihr Max Doerner 243

Doerners Korrespondenz wirkt losgelöst von den umwälzenden Geschehnissen dieser Jahre. Das Ende des Ersten Weltkrieges, die Ausrufung der Weimarer Republik, die Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner wie des Landtagsabgeordneten Heinrich Osel am 21.02.1919, Hyperinflation und politische Umsturzversuche gehen scheinbar spurlos an Doerner vorbei. Ganz anders ein bislang nicht identifizierter Briefpartner Doerners aus Berlin-Steglitz, der über die schwierigen finanziellen Verhältnisse, über politische Unruhen, über Mängel in der Versorgung, die Spanische Grippe und zugleich seine Hoffnungen im Hinblick auf einen demokratischen Staat, der sich von seinen „Fürstenhäusern“ befreit hat, spricht. Doerner muß ihm allerdings von seinen Befürchtungen über die bewaffneten Auseinandersetzungen im Januar 1919 – dem sogenannten Spartakusaufstand – berichtet haben, die dieser zu zerstreuen sucht.36 1921 BIS 1930 Wenngleich auch als Maler tätig (Abb. 61), erwächst in Doerner der führende Maltechniker der 1920er Jahre. Da seine Vorlesungen immer größeren Zulauf erfahren, wird ihm sogar ein größerer Hörsaal zugewiesen. Es ist überliefert, daß zahlreiche maltechnische Versuchstafeln und Studien die Wände bedeckten. Fast zeitgleich mit der 1921 erscheinenden Erstausgabe seines Buches „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ wird Doerner Anfang Juni 1921 zum außerordentlichen Professor ernannt, eine ordentliche Professur jedoch bleibt ihm verwehrt. Mit vergrößerten Räumlichkeiten, dem Buch und seiner Professur verbindet Doerner dennoch Hoffnungen, daß sich seine persönlichen Verhältnisse bessern würden: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 07.08.1921 Lieber Graf! [/] Ich danke Dir bestens für Deine rasche Antwort und Auskunft. Meine Tante bittet Dich, die Papiere für M. 20000 besorgen zu wollen. Kann man es so machen, dass 244

Abb. 61 | Max Doerner, „Voralpenlandschaft“, 1920

sie diese hier an der Handelsbank in Empfang nehmen kann? Es wäre vielleicht der einfachste Weg. [/] Ich gehe Mitte April bis Anfang Juli nach Wessling, da könntest Du vielleicht doch hinauskommen? Wenn ich von Holland zurück komme, gehe ich wieder nach Wessling. Die Beratung des Kultusetats hat begonnen, nun muss endlich auch mal meine Sache zum Klappen kommen. Ich bin dabei, Fliegen zu wässern und Angelstöcke zu flicken, denn in ein paar Tagen will ich anfangen. Ein Genossenschaftsrecht (bei ca 20 Teilhabern) wurde mir um 16.000 M. angeboten. Der Verkäufer schrieb dazu, wenn ichs nähme, wolle er mich 2 Jahre umsonst ausserdem in einem guten Wasser fischen lassen! Das mag schön sein! Kommst Du bald wieder? Mit herzlichen Grüßen an die ganze Familie, Dein Max Doerner 245

Die Reise nach Holland in spätsommerlicher Hitze des Jahres 1921 scheint äußerst anregend gewesen zu sein, berichtet Doerner doch in den Technischen Mitteilungen lebhaft von seinen Streifzügen durch Galerien und Museen.37 Daß selbst diese Aufenthalte in der Fremde Doerner zu einer Auseinandersetzung mit den Münchner Restaurierungspraktiken – wie der malerischen Retouche Hausers, der auch in Holland arbeitete – oder den von Doerner angeprangerten, aber auch im Frans-Hals-Museum in Haarlem durchgeführten Waschungen anregen, ist wenig verwunderlich. Umso überraschter ist Doerner, mit welcher Offenheit er in Haarlem in neue Restaurierungspraktiken Einblick erhält, was so in keiner Weise seinem Bild eines „Geheimbetriebs“ oder des „stillen Teilhaber[s] am Werke, [dem] Restaurator“ entspricht.38 Würtenberger, dessen Schwiegereltern – 1902 hatte er seine Cousine Karolina Schönenberger geheiratet – auf dem Hofgut Braunenberg bei Stockach am Bodensee ansässig sind, ist dort häufig Gastgeber. Die Landschaft rund um das Hofgut lädt immer wieder zum Malen ein, doch die Arbeit hält Doerner in München fest. In einem Brief an den zwischenzeitlich nach Karlsruhe an die Akademie berufenen Würtenberger schildert Doerner die Nöte, die er mit der zweiten Auflage seines Buches hat. Es ist zugleich der erste Beleg für gesundheitliche Schwierigkeiten, die sich ab jetzt durch die Korrespondenz der Jahre bis zu seinem Tod ziehen werden. Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 23.02.1922 Lieber Ernst! [/] Durch einen Schüler ist mir Deine Kritik meines Buches in der N.Z.Ztg [Neuen Züricher Zeitung] zugegangen.39 Ich habe mich sehr darüber gefreut, weil sie das besonders betonte, was ich eigentlich wollte. Es würde mich interessieren, wenn du mir mitteilen wolltest, was Du speziell danach mit Erfolg versucht hast, wie ich Dir auch für Mitteilungen Deiner Praxis dankbar wäre. Ich muss nemlich Hals über Kopf die II. 246

Auflage fertig stellen, an die ich vorerst gar nicht dachte. Das Buch findet überall gut Aufnahme. So schrieb mir der Direktor der Königsberger Academie[,] diese wolle es ihren Schülern als Prämie geben, weil es jeder Maler haben müsse. Ich war übrigens Anfang September in Karlsruhe, auf der Rückreise von Holland und wollte Dich aufsuchen. Hoffentlich ist Dir mein Gruß ausgerichtet worden. Vor 14 Tagen erschien der Braunenberg, 3 Mann hoch, was mich ganz besonders freute. Ich hoffe, dass es Dir und Deiner Familie recht gut ergeht, ich könnte sehr zufrieden sein, wenns nur gesundheitlich besser ginge. Pallenberg war hier, er hat einen grossen Teil seines Vermögens eingebüsst und sucht nun Porträts zu malen. Lass einmal etwas von Dir hören! Ich grüsse Dich wie Deine Frau herzlich. Dein Max Doerner. Ende März 1922 berichtet Doerner ausführlich über seine Situation in München. Sein Rückblick auf die Wirren der Räterepublik 1919 läßt eine starke Gegnerschaft zu Malern wie Hermann Urban oder Franz Büttner Pfänner zu Thal – einem seinem Vorgänger als Lehrer für Maltechnik – spüren. Doerners Stellung an der Akademie scheint sich gefestigt zu haben: Er findet die Anerkennung, die er sich lange gewünscht und mit großer Hartnäckigkeit erarbeitet hat. Es sollen auch seine stärksten Jahre als Maler werden, wobei er seine Motive rund um Weßling sucht (Abb. 62 und 63). Sein labiler Gesundheitszustand, die Anstrengungen, die ihn sein Buch gekostet haben, sowie die inflationsbedingt miserablen finanziellen Verhältnisse trüben allerdings das Bild. Die „Kämpfe“ mit den Pinakotheken oder dem Landesamt für Denkmalpflege in Restaurierungsfragen treiben ihn in kräftezehrende Auseinandersetzungen. Um so anregender erscheint Doerner die Korrespondenz mit Gleichgesinnten: Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 27.03.1922 Lieber Ernst! [/] Dein ausführlicher Brief hat mir wirklich Freu247

de gemacht. Was Du von [Hans] Thoma40 schreibst, interessiert mich natürlich sehr. Ich erinnere mich noch dunkel, bei einem Besuch bei ihm in Frankfurt, wo mich [Karl Michael Valentin von] Pidoll [zu Quintenbach]41 einführte, von ihm eine sehr pastos in Weiß oder Grau gehöhte Temperauntermalung einer großen Landschaft mit Schafen gesehen zu haben. Aber damals waren mir solche Dinge noch gar zu fremd. Eine streng formhöhende Untermalung im Sinne van Eycks würde nur dann zweckmäßig sein, wenn man auf ähnliche stilistische Strenge ausgehen wollte. Wie Tizian sich im Gegensatz zu Dürer nicht festlegen wollte in der Form bei der Untermalung, so geht es nun Vielen und aus deinem Briefe geht hervor, dass Thoma das Prinzip, Abb. 62 | Max Doerner, „Blick gegen den Ammersee“, o. D.

Lichter ohne Vorwegnahme der Tiefen zu untermalen, trotz aller Variationen doch festhielt. [/] Es war sehr schade, dass ich Dich damals in Karlsruhe noch nicht antraf. Ich sah das Thomamuseum und einen Teil der Galerie, die wohl gerade in der Umhängung begriffen war. Ich war offen gestanden, recht enttäuscht über den Zustand der Grünewalds, bei denen sich der stille Teilhaber, der Restaurator, gar zu laut vordrängte. Feine Landschaften von Thoma blieben mir in Erinnerung. [/] Ihr müsst ja an der dortigen Academie sehr fortschrittlich vorgegangen sein, nachdem was ich von dem Secretär in bezug auf die Malerschulen hörte. Wir haben hier zur Rätezeit viele Stürme erlebt und eine Gruppe der Unentwegten (von Anderen die Gruppe der Abb. 63 | Rückseite zu Abb. 62

Selbstversorger genannt), die Herren [Hermann] Urban, [Franz] Büttner [Pfänner zu Thal] u.s.w. haben damals im Auftrage des „Volksbeauftragten“ [Gustav] Landauer42 die Academie geschlossen und die Professoren abgesetzt, nicht ohne dass nachträglich ein starker moralischer Kater den starken Wein der Hoffnung eklig versäuert hätte. Geredet wurde damals über Kunsterziehung. Das kann man gar nicht schildern und immer von Leuten, die keinen Dunst vom Erziehen hatten. Heute ists ja bei uns ruhiger geworden. All die schönen Pläne werden schon wegen Geldmangels ins Wasser fallen. Die Academie und die Künstlerschaft wollen heute eine gute handwerkliche Grundlage des Studiums. Was Du von Deiner Stellung schreibst und dem, wie Du die Leute arbeiten lässt, interessierte mich sehr. Meine Stellung ist insoferne sehr angenehm, weil mir Niemand was reinredet, sodass ich ganz machen kann, was mich freut. Die jungen Leute haben grossen Eifer in technischen Dingen und plagen mich manchmal gar sehr. Grade treiben wir intensiv Freskomalerei und das ist eine reizvolle Sache. Manchmal sind tüchtige Leute dabei, die gute Sachen machen, dann wieder blutige Anfänger. Ich habe eben Material aus allen Schulen und das ist sehr ungleich. Ich komme mit den Schülern sehr gut aus, was man nicht von allen Professoren hier sagen kann. Anfänglich war meine Stellung wohl etwas schwierig, weil ich natürlich oft den Schülern etwas anderes sagen musste, als sie von ihrem Lehrer lernten. Heute kommen die Professoren selber zu mir und einige haben ihren Bildaufbau nun ganz umgeändert und nicht zu ihrem Nachteil. Ich habe schwere Kämpfe mit der Pinakothek und dem Landesamt für Denkmalpflege wegen der Art der Restaurierung der Bilder. Aber ich wills durchfechten, trotz aller Widerstände. Man glaubt nicht, wieviel da im Argen liegt und wie unsere alten Bilder gefährdet sind – und wie viel davon heute schon verfälscht ist. Jede neue Restaurierung zerstört wieder unersetzliche, nie mehr zu schaffende Werte, häufig ohne jede Notwendigkeit und die Allgemeinheit nimmt das so hin, als müsste das so sein. 250

Noch ärger ist es bei der Freskenrestaurierung. [/] Ich bin eigentlich recht erstaunt gewesen, dass Du dich so sehr mit Untermalungsfragen beschäftigt hast, weil ich glaubte, du seiest ein Gegner der Untermalung. Die Kapitel über die alten Meister wollte ich eigentlich gar nicht in mein Buch aufnehmen, weil ich vermutete, dass das Interesse daran kein grosses sei. Ich sah aber inzwischen das Gegenteil. Hätte ich das Buch nicht schon geschrieben, ich täte es wahrhaftig nimmer. Ich schrieb es in einem Zustand körperlicher Erschöpfung, dass ich glaubte, es überhaupt nicht mehr vollenden zu können. Ich leide seit Jahren an heftigstem Ohrensausen, sodass ich oft schwer höre und damals kamen Schwindelanfälle dazu, dass mich einmal die Rettungsgesellschaft von der Strasse heimbringen musste. In dem Zustand schrieb ich das Buch, das dabei in seinen Grundzügen noch nicht einmal fertig war. Nebenbei ist so etwas auch kein gutes Geschäft. Ich verdiene mit Landschaften, die ich draussen in Wess­ ling male [(Abb. 64)], in einem Nachmittag oft dasselbe, was mir das ganze Buch einbringt, das mich ein Jahr Arbeit und Jahrzehntelange Vorarbeit kostete. [/] Ich freue mich, dass ich wenigstens vielen Malern nützen konnte. Der Wirtsch[schaftsverband] B[ildender] K[ünstler] wollte gleich zwei Auflagen für seine Mitglieder erwerben, das liess sich aber nicht machen aus buchhändlerischen Gründen, an die der Verlag gebunden ist. Der Director der Academie in Königsberg wollte das Buch als Prämie für sämtliche Schüler. Ich musste ihn aber auf die II. Auflage vertrösten. Diese habe ich bei allen Kapiteln noch wesentlich erweitert, ohne dass etwas von der I. Auflage umgestossen worden wäre. [/] Der Verlag teilte mir sr. Zt [seinerzeit] mit, dass plötzlich viele Exemplare nach der Schweiz gingen und einige Zeit danach brachte mir ein Schüler deinen Artikel. Ich hörte überhaupt hie und da von Schweizer Academikern von Dir. Das wäre sehr nett, wenn Du bald einmal nach München kämest und wir könnten uns gegenseitig über technische Fragen unterrichten. [/] Ich führe grade einen grossen Kampf in den M.N. [Münchner Neue251

Abb. 64 | Max Doerner, „Ansicht auf Weßling“, o. D.

sten] Nachrichten, deren Mitarbeiter ich bin, gegen Ostwald und seine Lehre, besonders aber gegen die Einführung in die Praxis.43 Wenn es Dich interessiert, kann ich Dir mal ein paar solcher Artikel schicken. [/] Ich sitze noch in meiner alten Bude [in der Schleißheimer Str. 27], weil eben schlechterdings nichts zu kriegen ist bei der Wohnungsnot und ich auch kein Atelier im IV. Stock mehr möchte. Ich hätte ja in der Academie einen sehr großen Raum, aber ich komme vor Schreiben überhaupt kaum mehr zur Arbeit und nur zu Primaskizzen vor der Natur, die mir eine Erholung sind. Ich glaubte, nach Erscheinen meines Buches Ruhe zu haben; nun sind der Anfragen mehr als vorher geworden und ich brauchte bald eine Schreibkraft dafür. Das ist ja fatal, dass Du Wohnungsschwierigkeiten hast in Karlsruhe und ich wünsche Dir, dass die Sache mit dem eignen Hause zum Herbst zu Stande komme. [/] Ich ginge gern auch auf den Braunenberg, und es wäre famos, wenn ich mit Dir dort zusammentreffen 252

könnte. Aber wir haben heuer nur ganz kurze Ferien und wenn ich mir auch meinen Stoff nach meinem Willen einteilen kann, kann ich doch nicht zu weit weg von hier. [/] Holland hat mir manche Anregung gebracht. Die Hitze hat mir ja viel verleidet und mir Holland z. T. [zum Teil] in falschem Lichte gezeigt. Bei ewig blauem und sehr blauem Himmel. [/] Ich ginge gerne nach Italien oder Spanien und laboriere damit herum, wie ich die Idee realisieren solle. Technisch wäre mir da Vieles sehr wichtig und notwendig und ich hoffe, dass die Academie sich meiner Pläne nicht verschließen wird – Graf aus Kempten war eben hier und lässt Dich grüssen. Vielleicht besucht er Dich über Ostern von Kempten aus mit dem Auto auf dem Braunenberg. Wir haben die Absicht, zusammen nach Italien zu gehen, aber die Valuta hat auch noch mitzureden. [Joseph] Damberger [München] geht es gut, er lässt Dich ebenfalls grüssen wie auch der Bildhauer Kiefer. Ich werde bald wieder aufs Land gehen, aber nur in die Nähe Münchens und wohl wieder nach Wessling, wenn noch Quartier zu haben sein wird. Denn [die Festspiele in] Oberammergau und Abb. 65 | Doerners Refugium im Sanktjohanser Hof in Weßling

[die Münchner] Gewerbeschau werfen ihre Schatten voraus. [/] Grüsse die Braunberger von mir, wenn Du zu Ostern hinkommst. Ich grüsse Dich wie Deine Frau herzlich dein Max Doerner Auch wenn sich Doerner seit 1919 immer wieder in eine angemietete Wohnung im Sanktjohanser Hof in Weßling (Abb. 65) zurückzieht, lassen ihn die Verhältnisse in München nicht los: Er hofft auf Veränderungen an der Akademie, wo seine Lehrtätigkeit zwar anerkannt, jedoch nur geringe finanzielle Unterstützung erfährt. Ob erwartet oder nicht, verkauft sich sein Buch allerdings so gut, daß bereits Ende 1921 eine Neuauflage im Gespräch ist. Doerners eigentliches Motiv, durch die Veröffentlichung seiner Vorlesungsmanuskripte Ruhe vor den zahlreichen Nachfragen praktizierender Künstler zu bekommen, geht allerdings nicht auf: Max Doerner (Weßling) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 30.10.1922) Lieber Ernst! Ich will gerne wegen Deines Schülers tun, was sich erreichen lässt – aber das Resultat hängt ja leider auch von anderen Dingen ab. Mein Buch soll dieser Tage in II. Auflage erscheinen, die bisher durch Streik verzögert wurde. Es kommen viele Maler aus aller Herren Länder zu mir, um mich auszufragen. (Ich dachte, durch das Buch mir Ruhe zu verschaffen) Es freut mich, dass es Dir in Untermalungstechnik von Vorteil war. Ich war vor einigen Wochen in Konstanz[,] um die Wandbilder im Münster und auch Reichenau zu studieren. Ich wäre bei gutem Wetter gerne auf den Braunenberg. Graf wollte mit, blieb aber des Wetters wegen daheim. Es goss vom ersten bis zum letzten Tag. Deine Fibelillustration interessiert mich, die unsre hat [Adolf] Hengeler gemacht. Kannst Du mir nicht gelegentlich Aufschluss geben, wie Maltechnik an Eurer Academie betrieben wird. Ich konnte voriges Jahr wegen der Ferien an Ort und Stelle nichts erfahren. Mit bestem Gruß an Dich und Deine Frau dein Max Doerner 254

Ein weiteres Schreiben an Kromer gibt einen aufschlußreichen Einblick in das didaktische Vorgehen Doerners: Skizzen unterschiedlichster Künstler dienen ihm als Anschauungsmaterial in der Lehre. Daß Doerner diese eigens beauftragt und aus eigener Tasche finanziert, bringt ihn an die Grenze seiner finanziellen Möglichkeiten. Die Inflation der Jahre zwischen 1914 und 1923 machen ein Überleben für Künstler schwierig, und auch die Professur an der Akademie erlaubt offenkundig keine großen Sprünge. Doch die wirtschaftliche Situation von Kromer erscheint noch viel schlechter, so daß diesem ein Auftrag Doerners sehr willkommen gewesen sein wird.44 Max Doerner (München) an Kromer am 22.05.1925 Lieber Herr Kromer! [/] Ich empfing heute ihr Paket mit Bild und Brief und danke Ihnen herzlichst dafür. Sie schreiben mir, dass wir keine feste Vereinbarung getroffen hätten. Es stimmt: Aber doch eine ungefähre. Ich fragte Sie, wieviel Sie für ein derartiges Bild ansetzen und sagte ihnen dann, dass es mir drum zu tun wäre, ein Anschauungsobjekt für meinen Unterricht zu bekommen. Es solle aber skizzenhaft sein, kein durchgeführtes Bild, weil ich diesen Preis nicht zahlen könne. Ich sprach davon, dass ich für eine Skizze [unterstrichen] bis 200 M[ark] geben könne. Die Sache ist nemlich so, wie ich ihnen auch sagte: Ich muss diese Dinge aus eigner Tasche bezahlen und dazu steht mir nur mein Gehalt zur Verfügung in gegenwärtiger Zeit. Ich lasse von verschiednen Malern solche Arbeiten machen, auch von Akademikern [also Akademiestudenten], die tüchtig sind. Aber meine Mittel sind dadurch begrenzt, denn das andere schluckte die Inflation und Verkaufen von Bildern ist gegenwärtig kaum möglich. Ausserdem will ich mich gerade hierin aus kollegialen Gründen zurückhalten. Ich sehe nun, dass Sie sich leider viel zu viel Arbeit gemacht haben und mir ein fertiges Bild gemacht haben, für das Sie einen höheren Preis fordern müssen. [/] Ich schlage Ihnen nun Folgendes vor: Ich schicke Ihnen Hundert 255

Mark gleich zu und möchte Sie bitten, das Bild, das Sie verkaufen können, zurückzunehmen und mir dafür gelegentlich eine Skizze zu machen und zwar nur den Christuskopf ausgeführt, das andere in blossen Umriss und vielleicht einmaliger leichter Weisshöhung auf die Imprimitur und ohne weitere Farbe. Dass Ihr Weiss nicht trocknete, ist mir rätselhaft. Bei mir trocknet es nur zu schnell. Es muss mit sehr dicker Ölfarbe gerieben sein, dicker als Tubenweiss. [/] Ich hoffe, dass Sie meinem Vorschlag zustimmen werden und grüsse Sie wie Frau Clara und Hanne herzlich. Ihr Max Doerner Kromers Schwierigkeiten sind anhaltend und der deutschnational eingestellte Künstler wird im „Dritten Reich“ Unterstützung aus der Notstandskasse der Reichsschrifttumkammer beziehen.45 Im Laufe des Jahres 1925 bereist Doerner die Schweiz und berichtet in den Technischen Mitteilungen von seinen Reiseeindrücken „dortiger neuer Kunst […] nachdem Krieg und Inflation lange Jahre genaueren Einblick verwehrt hatten“.46 Doerners Wunsch, auf Reisen in die Galerien benachbarter Länder Anregungen zu finden, wird ab Mitte der 1920er Jahre immer wieder von gesundheitlichen Problemen überschattet: Max Doerner (München) an Kromer am 21.02.1926 Lieber Kromer! [/] Für Ihren Brief danke ich Ihnen herzlich. Ich habe eine sehr schwere Zeit durchgemacht und viele Monate hatte ich das Gefühl, im nächsten Augenblick sei Alles zuende. Jetzt hat sich einige Besserung eingestellt und ich hoffe, dass es weiter besser geht. Aber sicher ists leider nicht. Sie schickten mir die Papiere wegen der Saluskur. Diese habe ich selbst 3 Wochen lang betrieben, dann aber wegen gänzlicher Erfolglosigkeit wieder aufgegeben, nachdem ich mehr als ½ Ltr. [Liter] Öl getrunken. Ich habe das gleiche von verschiedenen Seiten gehört. Der Arzt, der die Kur herausgab, ist ein eingefleischter Vegetarier, wie ich hörte, dürr wie ein Skelett und lebt meist von Dörrobst. 256

Die Meisten, die die Kur machen, holen sich Magenübel davon. Mir gings jedenfalls so. Ich hörte nur von einer Frau, die an die achtzig Jahre alt ist, dass ihr das Öl gut tue. Das Öl ist Paraffinöl, das unverseifbar ist und ebenso wieder abgeht aus dem Körper wie es genommen wurde. Die ganze Sache ähnelt sehr der Tonerdeschluckerei, bei der ja auch der Darm gereinigt werden soll und Geschwüre vergehen. Ich habe die Jodkur, die mich ganz kaput machte, völlig bei Seite gelassen und bin nun bei einem Homöopathen, einem Privatdozenten, der meint, meine Krankheit sei falsch diagnostiziert worden und beruhe lediglich auf Abbauerscheinungen des Körpers. Die Schwindelanfälle sind wohl zurückgegangen, aber nicht behoben und irgendwelche geistige Tätigkeit, sogar das Briefeschreiben strengt mich unverhältnismässig an. [/] Ich kann Ihnen also nicht zu der Saluskur raten. Wollen Sie es aber doch probieren, kann ich Ihnen noch etwas Öl und Kali zur Probe senden. Man muss dabei sehr nach Vorschrift leben, sonst verträgt der Magen das Öl gar nicht. Ich habe jedenfalls genug davon! [/] Graf hatte jedenfalls die Absicht Sie aufzusuchen. Wenigstens sagte er es mir. Die Herren Farbenfabrikanten halten sich, wie Sie mit Recht schreiben, sehr an mein Buch – wenn’s ihnen grade in den Kram passt und sie suchen oft etwas daraus zu beweisen, was wieder nicht in meinen Kram passt. Die Chemiker befinden sich hier auf dünnem Glatteis, das spürt man oft. Ich hoffe, dass Ihre Bilder gut nach Leipzig gekommen sind und dass Sie damit Erfolg haben. Hier wird von den Meisten sehr wenig oder auch gar nichts verkauft, andere Maler haben trotzdem alle Hände voll zu tun, so besonders Porträtmaler. Das Geschäft geht immer. Ich habe seit Jahresfrist nichts verkauft, es allerdings auch nicht angestrebt. [/] Ich bin noch im Unklaren, was ich in nächster Zeit tun werde. Univers[itäts] Prof[essor] Gelpke in Liestal bei Basel will, dass ich zu ihm komme und eine Kalomel – Stoffwechselkur bei ihm mache und nachher wieder ½ – Jahr hinaufgehe ins Wallis zu seinem Ohm. Ich bin mir aber noch nicht schlüssig geworden 257

über diese Sache und kann kaum auf langen Urlaub rechnen. Ausserdem sollte ich nach Schleswig zur Begutachtung alter Fresken, die restauriert werden sollen. Alles hängt davon ab, wie es mir gesundheitlich weiter ergeht und ob ich nicht am Ende mein Amt aufgeben muss. Sie werden vielleicht meinen Artikel in den Tech[nischen] Mitt[eilungen] [für] Malerei gelesen haben – Hodler, Böcklin und außerdem Mischtechnik werden da besprochen. Man will das Kopieren alter Meister an der Akademie einführen zum Studium[,] auch um der Unkultur im Handwerk entgegenzuarbeiten. Ich bin nicht recht dafür. An sich könnte es gut sein, doch fürchte ich, dass allerhand Einflüsse die Sache hemmen und auf falsches Gebiet schieben werden. [/] Fuchs tauchte wieAbb. 66 | Max Doerner, „Waldstück“, o. D.

der auf. Er wollte Ihnen schreiben. Er rauchte wie immer und wie immer ist „Alles eh wurscht!“. Wenn ich nach Basel gehe werde ich natürlich in Konstanz Station machen. Grüssen Sie Frau Clara und Hanne herzlichst wie Sie grüsst Ihr Max Doerner Doerner, der nicht allzu häufig Bilder (Abb. 66 und 67) zu verkaufen scheint – nicht zuletzt, weil er zu seinen ehemaligen Studenten nicht in Konkurrenz um die wenigen Bilderkäufer treten will –, verdient sich auch durch Restaurierungen immer wieder Geld. Sein Rat und Abb. 67 | Rückseite zu Abb. 66

seine Fähigkeit als Restaurator sind gesucht. Mit der Malerei steht es generell schlechter, ja die miserablen wirtschaftlichen Verhältnisse für junge Künstler zwingen die Akademie weniger Maler auszubilden. Doerner zeichnet so das Bild eines verelendeten Künstlerproletariats. Aber auch Kromer, dessen Vermögen in den Jahren der Inflation verlorengeht, kämpft in dieser Zeit ums Überleben. Die Verhältnisse zwingen ihn, den Autodidakten, von der Malerei Abstand zu nehmen und sich mehr der Schriftstellerei zuzuwenden. Dabei meint er sich in Konstanz weit schlechter gestellt als in Berlin oder München.47 Doerner (München) an Kromer am 13.11.1926 Lieber Herr Kromer! [/] Ich wollte längst zu einem ordentlichen Schreiben an Sie ausholen, aber es kam so Vielerlei daher, dass der Plan bis heute unausgeführt blieb – bis Ihr Brief dem Meinen zuvorkam! Das Ellenriedersche Bild ist lange in der Hauptsache fertig. Aber es braucht eine endlose Geduld, bis es völlig in Ordnung ist. Immer wieder muss nachgekittet und retuschiert werden. Solche Dinge lassen sich nicht in kurzer Zeit fertigmachen, da hätte nur der Besitzer Schaden davon. Ich will keine Arbeit abliefern, die ich nicht vertreten kann. In Bälde hoffe ich das Bild zurückschicken zu können. [/] Fuchs war gestern da und ich fragte ihn, ob er Ihnen geschrieben, wie er mir versprochen hatte. Er sagt, er trage einen Brief an Sie schon drei Monate mit sich herum und könne sich nicht zum Absenden entschliessen. Bodman ist hier. Ich sah ihn aber nicht, weil ich bis gestern in Weßling war und er in Württemberg im Augenblick ist. Vielleicht treffe ich ihn vor seiner Abreise. [/] Das Hans Sachsbild war mir unbekannt. Es scheint, wie wenn die Arbeit viel älter ist als die engl[ische] Darstellung. Ob sie Original oder Kopie ist, ist ohne genauere Untersuchung nicht zu entscheiden. Jedenfalls lohnen sie eine Reinigung. Es wird sich empfehlen, nicht zu stark zu reiben bei der Reinigung, sondern mit Watte Reinigungsmittel öfter nur aufzutupfen und antrocknen zu lassen und dann 260

erst zu reiben und diese Betupfung auch weiter zu widerholen. Immerhin ist es ein interessantes Bild und wohl wert, wiederhergerichtet zu werden. Ob sich die untergespannte Leinwand [Doublierleinwand] wieder ganz entfernen lässt, ist wohl fraglich, aber doch möglich. Vielleicht nach öfterem Einreiben mit Kopaivabalsam und nach Erwärmen beim Bügeln, vielleicht aber auch auf trockenem Wege, etwa von einem Eck aus. An Herrn Kempter erinnere ich mich wohl und bitte, ihn zu grüßen. Ich rate Ihnen, das Bild zu restaurieren. Es ist zwar sicher eine grosse Drecksarbeit, bis all der Tabaksaft wieder weg ist, aber ich glaube, dass das Bild ganz gut werden wird. Gesundheitlich bin ich wohl besser dran als vor einem Jahr, wo ich von einem Tag auf den anderen nicht mehr weiterrechnen konnte und unfähig für alle Arbeit war. Ich bin nicht wieder hergestellt, aber doch viel besser dran. Ich lebe sehr solid und beginne frühmorgens mit Obst oder rohem Gemüse wie Tomaten und vermeide salzige Speisen wie‚ Geräuchertes und Würste und rauche nicht. Gearbeitet habe ich weniger als sonst, woran das anfänglich zu häufige schlechte Wetter schuld war und ein Berg von Schreiberei, dem ich dar nimmer Herr werde. So kam ich auch leider nicht an den Bodensee, um den Neuen und den Alten zu probieren. – Ich habe eben wieder an der Ellenriederei gearbeitet und bin noch ganz „damisch“ davon. Wenn man eine Zeitlang in diese ewig himmelnden Augen blickt, regt sich ein Gefühl der Seekrankheit, aber wenigstens ist sie nun glatt und wird in Kürze fertig. Sie muss mit einem Ölfirnis übergangen worden sein, der vollkommen gebräunt ist. Der lässt sich sehr schwer entfernen. Geduld über die Massen gehört zu dieser Arbeit. Wir haben so schönes Wetter, dass ich damit umgehe, wieder aufs Land zu gehen. Fuchs will heute von Türkenfeld laufen nach Schondorf am Ammersee. Er arbeitet gar nichts und behauptet, er könne nicht wegen seiner Nerven. Aber er raucht wie ein Schlot. [/] Die Malerei ist auch hier ein schlechtes oder eigentlich gar kein Geschäft. In den ewigen Auktionen werden so viele Bilder 261

und so billig angeboten, dass man das Bild dreinbekommt zum Rahmenpreis. Die Frequenz der Akademie ist künstlich zurückgedämmt worden, sonst würden noch allzu viele dieses Handwerk ohne Boden ergreifen. Restaurieren ist heute das bessere Geschäft, wenn einer für Kunsthändler arbeitet. Aber dann ist er eben auch Taglöhner. Gegenwärtig habe ich einen „genannten“ Rembrandt in der Akademie, ein grosses Bild, Bergpredigt. Es war im 18. Jahrh[undert] im Besitz eines Kardinals und später gehörte es dem Galeriedirektor von Kretin, aber doch ists kein Rembrandt. Die Leute versprechen sich goldne Berge von ihrem Bild, aber ich muss alle Hoffnungen zerstören. Prozesse schweben wegen des Bildes in Kürze, eine angenehme Sache! Hoffentlich geht es Ihnen gut und ebenso Frau Klara und Hanne. Ich halte nun wieder Vorträge. Ost – und Westjuden, Nonnen und Franziskaner sitzen da vor mir. [/] Herzlichst grüsst Sie, Frau Clara und Hanne Ihr Max Doerner In diesen Tagen restauriert Doerner ein Bild von Maria Ellenrieder48, einer Künstlerin, die ebenso wie Kromer aus Konstanz stammt. Mit dem Hinweis auf die Ost- und Westjuden in seiner Vorlesung enthält Doerners Schreiben erste antisemitische Töne. Die Auseinandersetzung zwischen Akademismus und Avantgarde beäugt Doerner mit Argwohn, wobei seine künstlerische Position, seine Haltung als Maltechniker wie auch sein menschliches Umfeld fest in der Tradition verhaftet sind: Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 23.11.1926 Lieber Ernst! [/] Herrn Wiedmann49 habe ich leider nicht zu sehen bekommen. Denn ich bin, wie gewöhnlich, bis Mitte November auf dem Lande gewesen und finde nun die Karte vor. Ich höre hie und da von dir durch Schüler, die von Karlsruhe hierher kommen. Bodman war vor ein paar Tagen hier. [Wilhelm] Hummel50 traf ich voriges Jahr in Zürich. Pallenberg will 262

dieser Tage kommen[,] um einen Delacroix zu verkaufen, den ich ihm wieder hergerichtet habe. Ich wollte dich einmal in Karlsruhe aufsuchen – es war den Tag vor Oppau [dem Wohnort von Doerners Freund Hans Curt Wolf]. Du warst noch in Zürich. Ich kam von Holland. Der Kampf der Richtungen wird in K[arlsruhe] wohl gemässigter verlaufen als hier? Mit herzlichem Gruß an dich und deine Frau dein Max Doerner 1927 verliert Doerner seinen Freund Karl Fiedler, Eigentümer der Münchener Künstlerfarbenfabrik. Fiedler war möglicherweise ebenso wie Doerner Mitglied der Restaurierungskommission der Pinakotheken.51 Die von Fiedler vertriebenen Farben (Abb. 68) wurden nach den Grundsätzen der Deutschen Gesellschaft und denen Doerners hergestellt. Nach dem Tod Fiedlers geht die Künstlerfarbenfabrik dann 1932 in der Firma H. Schmincke & Co. auf, 52 die allerdings an seinen bzw. Doerners Rezepturen für die „Fiedler-Farben“ festhält.53 Da mit Eibner überworfen, kommt Doerner mit Fiedler einer seiner wichtigsten Gesprächspartner in chemischen Belangen abhanden. Auf einen Rat in diesen Abb. 68 | Fiedler Farbe, Klebeetikette der Fragen ist er jedoch dringend anMünchener Künstlerfarben-Fabrik Dr. Fiedler gewiesen, enthält doch sein Buch eine Fülle von materialbezogenem Wissen. Vom Tod Fiedlers berichtet Doerner auch Kromer: Max Doerner an Kromer am 12.11.1927 Lieber Herr Kromer! [/] Ihren Brief habe ich seit 2 Tagen, das Paket erst seit gestern abend. Die Post wollte es wieder einmal meiner Zugeherin nicht ausliefern, trotzdem sie Vollmacht hat von mir. Ich habe

eben das Terpentinöl angesehen und ein wenig probiert. Erstens wird die Bezeichnung: „Terpentin“ Schwierigkeiten im Handel hervorrufen. Denn Terpentinöl soll ätherisches, aus dem Balsam von Pinusarten durch Dest[illation] ohne Druck gewonnenes Öl sein. Hier handelt es sich offenbar um einen Ersatzstoff. Der Geruch wird die Verwendung in Ateliers [unleserliche Streichung] beeinträchtigen. Das Öl riecht ähnlich wie Dekalin und Tetralin und andere heute viel angebotene Ersatzterpentine. Zu prüfen wäre sein Verhalten gegen Harzfirnisse, ob es diese nicht ausfällt und ob es nicht bräunt oder verharzt. Vermutlich trocknet es wie Petrol- oder Steinkohlenteer-Destillate ohne Sauerstoffaufnahme, die ein Kennzeichnen echten Balsamterpentinöles ist. [/] [Der Münchner Künstlerfarbenhersteller] Dr. [Karl] Fiedler ist leider am 22. Mai plötzlich gestorben am Gehirnschlag. Wir waren an seinem letzten Tag noch viel beisammen und sprachen über allerhand Pläne, die nun zerstört sind. Sein Tod ist für mich ein schwerer Verlust; er war mir ein guter Freund und dazu war er einer der so seltnen Chemiker[,] der den Maler verstand. Seine Töchter, von denen eine Chemikerin ist, und sein Schwiegersohn, auch ein Chemiker, führen die Firma fort und werden viele Mühe haben, bis sie das Wissen des Verstorbnen ersetzen und bei der Künstlerschaft dessen Ansehen sich erringen. [/] Mit Eibner bin ich ganz übers Kreuz. Es führt kein Faden mehr von ihm zu mir und umgekehrt und mir ist’s recht so. Wir hatten doch nichts von ihm und seine Aufgeblasenheit wird jetzt schon pathologisch. [/] Der Herr könnte aber ruhig die Ölproben an die Versuchsanst[alt] für Malerei, Prof[essor] Alex[ander] Eibner, ans Polytechnikum, einsenden zur Prüfung. Er müsste aber wohl die Grundstoffe angeben und sich die Herstellungsweise patentieren lassen. Ich glaube, dass das Material für gewerbliche Zwecke, für Anstriche brauchbarer wäre als für künstl[erische] Malerei und die Verwendung dort auch nutzbringender. Ich glaube, dass der Verein deutscher Ingenieure, Berlin oder auch der Polytechnische Verein München nützliche Auskunft geben 264

könnte. Ich will auch Proben machen. Herzlichst grüsst Sie wie Frau Clara und Hanne Ihr Max Doerner Der Passus zu Eibner macht deutlich, daß eine Einigung zwischen Doerner und Eibner auf ein gemeinsames Vorgehen keinerlei Grundlage gehabt hätte, sie sind „ganz übers Kreuz“. Kennt man die Korrespondenz Eibners, könnte die Formulierung auch von ihm stammen, nur auf Doerner gemünzt. Überraschend empfiehlt Doerner die Versuchsanstalt zur Überprüfung des von Kromer geschickten „Terpentin“, mißtraut Eibner aber im selben Moment und empfiehlt Kromer eine vorherige Patentierung, um das Produkt in seiner spezifischen Zusammensetzung zu schützen. Doerners Reiselust wird durch seinen gesundheitlichen Zustand gebremst und seine Lehrverpflichtungen binden ihn mit dem nahenden Wintersemester 1928/29 wieder an München. Doerner, Anhänger der alten „Münchner Secession“, befürchtet Auseinandersetzungen um die Wiederbesetzung der durch den Tod Franz von Stucks, der 1895 an die Akademie berufen worden war, freigewordenen Professur. Aber auch die Sitzung des Kuratoriums der Versuchsanstalt verläuft nicht konfliktfrei, ja Eibner erregt Doerners Widerspruch auf ganzer Linie. Mit der Enkaustik des Stadtkuraten Hans Schmid54 befaßt sich von etwa 1928 bis in die frühen 1940er Jahre jeder, der in der deutschen Maltechnik Rang und Namen hat.55 Max Doerner an Kromer ohne Datum, jedoch nach dem 30.08.1928 (Tod Stucks) Lieber Herr Kromer! [/] Lange schon wollte ich Ihnen ausführlicher schreiben, aber ich fand nie die rechte Musse dazu. Ich dachte auch immer, am Bodensee vorbeizukommen, da ich wieder ins Saastal im Wallis wollte. Ich fühlte mich gar nicht recht wohl heuer im Gebirge und habe immer noch an diesen üblen Dingen zu leiden, namentlich an Schwindel, der mir das Reisen sehr schwer macht. Ich hatte es mir sehr schön ausgemalt, wie265

der einmal am Bodensee zu bummeln und dabei guten Wein zu trinken und ich wollte durch Graubünden zum Gotthard und dann zum Simplon. Nun bin ich wieder in der Tretmühle. Die Akademie muss für Stuck Ersatz schaffen und das wird einen schweren Kampf geben. Slevogt wäre die allen am meisten zusagende Lösung. Bei allen anderen Namen würde sich der Gegensatz alter und neuer Sezession scharf bemerkbar machen. Die alte Sezession hat mehr Stimmen im Kollegium, doch kann es allerhand Überraschungen geben und das Ministerium kann auch noch den Plan ändern. Viele und heftige Kämpfe in technischen Fragen hatte ich in dieser Zeit mit Eibner, dem Leiter der Versuchsanstalt für wissensch[aftliche] Maltechnik am Polytechnikum. Vorgestern endete die dortige Kuratoriumssitzung mit einem großen Krach. Eibner gebärdete sich auf die sachliche Kritik der Maler hin wie ein Tollwütiger und der Schluss war: Rector und Ministerialvertreter gingen ohne Gruß fort und ließen Eibner stehen und wir andern folgten alle. Mich beehrte Eibner mit seinem besonderen Hass und der Forscher in ihm ist so vom Gegenteil von Sympathie gegen mich überwuchert, dass er meine Arbeit z. B. bei Besprechungen von Grundierungen u.s.w. zu erwähnen vergisst und tut, als ob sie gar nicht vorhanden wäre. So hat er denn die Priorität in Dingen, die er aus meinem Buch genommen[.] Hinter ein schönes Stückchen bin ich ihm gekommen. Hier spuckte eine Zeit lang die Enkaustik sehr. (Nun hat das „farbige Haus“ [in der Wasserburger Straße] Pleite gemacht). Eibner suchte offenbar seinem Freund [Kurat Dr. Hans] Schmid zu helfen. So erschuf er aus eigner Machtvollkommenheit eine römische Aussenwandenkaustik und weils gleich ist, auch noch einen Wachsfarbenanstrich durchs ganze Altertum, obwohl der Forscher Eibner selbst sagt, nie sei in Pompeji oder Rom Enkaustik an Wänden gefunden worden. Das entspricht genau dem Bericht des Plinius, der Enkaustik „alieno parietibus genere“56 bezeichnet. Eibner übersetzt nun „Zimmerwände“, obwohl das ganz dem Gedanken des Plinius und den Tatsachen widerspricht. 266

Die Stelle gab schon einmal Anlass zu jahrzehntelangem Streit zwischen Keim und Berger. Berger wurde sie mit Recht bei seiner Wachs-Stucco-Lustro-Rekonstruktion Pompeji[anischer] Bilder entgegengehalten und nun vergewaltigt sie Eibner ebenso. So hat Eibner auch noch „entdeckt“, dass das Einbrennen kein notwendiger Bestandteil der Enkaustik sei, sondern jede wachshaltige Farbe könne den Namen führen – offenbar, weil Freund Schmid mit dem reinen Wachsauftrag nicht zurecht kam. Eibner hat gleich ein ganzes Buch und in den gröbsten Ausdrücken gegen mich geschrieben, aber aufs Schlagendste bewiesen, dass er von Malerei keinen Dunst hat. So muss man sich mit solchen Dingen herumschlagen, die eigentlich ganz unnötig wären. Eibner stellt solche Forschung als Hauptaufgabe der V. A. [Versuchsanstalt] voran, wir sind der Meinung, er müsste eine Art angewandte Wissenschaft betreiben, so etwas, wie der Arzt den Patienten befragt und untersucht und aufgrund des Augenscheins handelt. Doch E. [Eibner] hat wohl noch nie beim Malen zugesehen, dazu dünkt er sich zu hoch. Er urteilt aus Büchern. Die Konstitution des Leinöles zu finden, ist sein Ehrgeiz und dann erst breche für uns Maler das goldne Zeitalter an – meint er, nicht aber wir. (Ende des Brieffragments) Bedauerlicherweise hat sich dieser Brief nur als Fragment erhalten, gibt er uns doch einen tiefen Einblick in Doerners fachliche Auseinandersetzung mit Eibner, seinem – möchte man oft denken – alter ego. Die Empfehlung für Slevogt überrascht aus dem Munde Doerners, teilt ihm doch wenige Wochen zuvor sein Schüler Kurt Wehlte mit, wie wenig Slevogt auf maltechnisches Handwerk Wert legt.57 Offenkundig sucht Doerner in diesen Monaten eine gute, eigene Übersetzung für die Passage von Plinius zur Enkaustik.58 Wenige Wochen später schickt Doerner Kromer die gerade erschienene dritte Auflage seines Buches mit der Widmung an „Herrn H. E. Kromer in Freundschaft Max Doerner Mai 1928“. Ende des Jahres folgt dann ein vergnügter Brief: 267

Max Doerner an Kromer am 10.11.1928 (Seite 1 und 2 fehlen) […] Das wäre ja fein, wenn Ihr Bruder sich am See ansässig machen würde. Ich kann mir wohl vorstellen, dass es ihm da gefallen haben mag. Der Wein mag wohl gut geraten sein bei der Hitze und dem schönen Herbst[.] Bei uns war’s wenig mit der Färbung. Ich kam aus gesundheitlichen Gründen an sich schon weniger zum Malen und früheinsetzende starke Fröste nahmen das Laub eher als sonst und hinderten volle Verfärbung. Im Februar soll hier eine „Farbentagung“ [die IV. Farbentagung] stattfinden. Vielleicht kommt Ostwald wieder [Ostwald hatte auf der Farbentagung 1921 gesprochen] und erneuert den Kampf mit mir. Ich will ihm gerne heimleuchten. Wir müssen nun wieder „Märzen trinken“, nachdem wir das Oktoberfest kaum überstanden haben. Auch in Galerien gibt’s allerhand zu sehen, sodass sichs wohl verlohnte wenn Sie einmal hierherkämen. Fuchs habe ich nicht mehr gesehen, er wird wohl bald einen Abend oder im Zwielicht wie ein Komet auftauchen und seinen schönen Spruch von sich geben „Is ja eh Alles wurscht!“ [/] Einen freundschaftlichen Vorschlag möchte ich Ihnen zum Schluss machen, den ich freundschaftlich aufzunehmen, Sie bitten möchte. Wenn es Ihnen recht ist, würde ich Ihnen 200 M [Mark] senden und wir könnten dann[,] wenn ich wieder an den See komme, darüber beraten, welche technische Probe Sie mir dafür machen. Einstweilen grüsse ich Sie und Bernhards herzlich. Ihr Max Doerner Die weitere Korrespondenz mit Kromer führt uns einen unbekannten Doerner vor Augen: Seine Sorge um die Urbanisierung der Landschaften rund um Städte wie Rom oder Zürich spiegelt die Angst wider, für seine Malerei wichtige Motive zu verlieren: Max Doerner (München) an Kromer am 02.12.1928 Lieber Herr Kromer! [/] Schon längst wollte ich Ihnen schreiben, aber es erging mir wie dem Herrn Fuchs, der vor lauter guten Vorsätzen auch nicht zur Ausführung kommt. Ich danke 268

Ihnen herzlich für Ihre guten Wünsche für 1928 und ich wünsche Ihnen natürlich auch alles Gute, Erfolg und Gesundheit dazu. Es freut mich sehr, dass Sie nun in Zürich so gute Tage verleben. Was Sie von der Ausdehnung der Stadt schreiben, ist ein Übel, das sich wohl wo anders mehr bemerkbar macht als bei uns. So kam gestern Pallenberg zu mir und sagte mir das gleiche von Rom wie Sie von Zürich, dass viele schöne Fleckchen Landschaft heute nicht mehr zu finden wären und weit hinaus um die Stadt aller ursprünglicher Reiz verloren sei und dafür Gärtner, Stadions und Fussballplätze oder gar Fabriken getreten seien. In Deutschland fehlt, fast könnte man sagen, glücklicherweise das Geld, um im gleichen Tempo die internationale Narrheit mitmachen zu können: Unnötigerweise landschaftliche Schönheiten zu ruinieren. Aber es fehlt an weitausschauenden Männern und erst, wenn es spät ist, entdeckt man, dass das Verschwundene auch etwas wert war. Sicher ist der Sport etwas an sich Gutes, ja Notwendiges unter heutigen Verhältnissen. Aber, dass er Alles so überwuchert, wie das heute der Fall ist, ist hoffentlich nur eine Übergangskrankheit. Die Kunst kommt bedenklich zu kurz und der Wissenschaft ergehts kaum anders. Trotz der ungünstigen Zeit ist der Andrang zur Akademie immer gleich gross. Zwar werden weniger aufgenommen, aber die andern gehen eben in die Privatschulen. Ich habe mit Vergnügen gelesen, dass Ihnen die Wiederherstellung einer Kreidezeichnung so gut gelungen ist. Warum wollen Sie sich nicht an die anderen Sachen wagen? Ich habe eben für Frau Dr. Strohmeyer eine mühselige Arbeit fertiggestellt. Durch ungeschickte Restaurierung war das Bild stark verputzt worden und ein anderes darunter sehr störend gerade in der Luft herausgekommen. Es war eine mühsame Sache, die stark herausgefallenen Umrisse zweier Bäume in die helle Luft wieder hinzutonen und die Besitzerin hat wohl keine Ahnung, wie schwierig das war. Wenn sie nicht selber die Arbeiten in Zürich machen wollen, bin ich bereit, sie auszuführen. Sicher werde ich kaum Zeit dazu finden vor August – September ev. 269

[eventuell] October. Ich könnte die Arbeit dann mit der lang geplanten Bodenseefahrt verbinden. Lieb wäre es mir nur, zu wissen, welchen Umfang die Beschädigungen haben, ob etwa neue Leinwand unterspannt werden muss. Ich habe mit Schauern vernommen, dass der Besitzer das Bild von hinten auffrischen lassen wollte. Da könnte es in Kürze ganz verloren sein. [/] Wenn Sie Hummel sehen, grüssen Sie ihn, bitte, von mir. Ich kam ihm das Letztemal mit meinem Besuch grad arg in die Quere, aber er war sehr nett zu mir. Hier spuckt immer noch die Nachwirkung der Behn’schen Diktatur [Fritz Behn] und eine notgedrungene Klage des Minist[erial] Directors Hendschel wegen Behns Artikel in den Südd[eutschen] Monatsheften kann allerhand Dinge zutage fördern, die man lieber verbergen möchte. Gesundheitlich geht’s mir im Ganzen besser, jedenfalls viel besser als mit der massenhaften Jodschluckerei. Ich esse viel Obst und Gemüse und das tut mir gut – (neben Schweinshaxn und Kalbsköpfen). Mit meinem Buch [im „Verlag für praktische Kunstwissenschaft“ im Jahr 1928 erscheinende 3. Auflage] habe ich ewige Schererei. Zu Weihnachten sollte es erscheinen, aber es verzögert sich immer mehr. Malen Sie viel in Tempera oder Mischtechnik? Ich wüsste gerne darüber Näheres! Freskomalerei bewegt hier stark die Gemüter. C[arl] Kaspar hat die Arbeit im Bamberger Dom fertig und überall bleibts ruhig im Blätterwald, während gegen den armen [Carl-Johann] Becker-Gundahl ein Kesseltreiben losging. Ich grüße Sie herzlich und bitte, ebenso Bernhards zu grüßen Ihr Max Doerner Den Nöten freischaffender Künstler, von denen aus seiner Sicht weit zu viele ausgebildet werden, meint Doerner mit einer Verlagerung auf restauratorische Aufgaben begegnen zu können. Er ermuntigt hierzu auch Kromer, der in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, doch zögerlich ist. Der Hinweis auf die „Behnsche Diktatur“ bezieht sich auf das kurze Intermezzo der Präsidentschaft des Bildhauers Fritz Behn bei der Münchner Künstlergenossenschaft. Mit 270

Abb. 69 | Wilhelm Graf und Max Doerner

dem Fresko seines Professorenkollegen Karl Caspar* im Ostchor des Bamberger Doms scheint Doerner wenig einverstanden, zumindest wundert er sich über das Ausbleiben von negativen Pressestimmen. Caspar als Begründer der Neuen Münchner Sezession und später von den Nationalsozialisten als „entartet“ verfolgter Künstler gehört zu den Akademiekollegen, mit denen Doerner – wie er 1922 erwähnt – kein gutes Auskommen hat. Becker-Gundahl dagegen, vor Caspar mit der Ausmalung des Ostchors betraut und ein enger Freund Doerners, verstarb 1925 über diesem kontrovers diskutierten Projekt. Das verzögerte Erscheinen der dritten Auflage seines Buches muß Doerner über alle Maßen beschäftigt haben, denn 1927 erscheint das „Lehrbuch der Maltechnik“ des Malers Herman Sachs,59 das sich – falls „der Doerner“ in den Regalen der Buchhandlungen nicht greifbar sein sollte – durchaus zu einer Konkurrenz entwickeln könnte. Aber nicht nur deshalb ist es ein Ärgernis: Sachs nennt in seinem Literaturverzeichnis Berger und Eibner, unterschlägt jedoch das Werk seines Lehrers Doerner. Es seien von Sachs ge271

Abb. 70 | Ansichtskarte Doerners an Graf aus Neapel – Mergellina, 1929

wählte „Patenschaften“ – so meint zumindest sein Schüler Wehlte –, „auf deren Gesellschaft [Doerner] vom Standpunkt technischer Meinungen aus sicher gern verzichte“.60 Daß Wehltes Büchlein zur Ölmalerei61 dann 1928 den gleichen unlauteren Weg beschreiten soll, ahnt Doerner noch nicht. Die Korrespondenz mit seinem Freund Wilhelm Graf (Abb. 69) bewegt sich zwischen zwei anderen Lebenspolen Doerners: seinem Leben und seinen Hoffnungen an der Akademie einerseits und seiner bescheidenen Bleibe in Weßling auf dem Hof der Familie Sanktjohanser andererseits. Von seinen Reisen nach Holland und Italien bringt der Landschaftsmaler Doerner wichtige Impressionen zurück, die er in zahlreichen Bildern verarbeitet. 1929 reist Doerner nach Italien (Abb. 70): Max Doerner an Wilhelm Graf, wohl 1929 L[ieber] Graf! Ich danke dir für deine Karte, aber rechten Grund zum „Neid“ hast du leider nicht, die Sammlungen ausgenommen. Denn Italia hat sich sehr verändert – das siehst Du schon daraus, 272

dass ich Niemand singen hörte und noch Niemand Mandoline spielen oder Guitarre. Alles hat sich [unleserlich], dagegen ist der ganze Golf von Neapel bis hieher am Meer entlang mit Gebäuden gepflastert und gestern sahen wir das gleiche in Salerno. Die alte Trattoria existiert hier wenigstens nicht mehr, alles Hotelküche, auch der offene Wein ist nicht mehr da, alles in Flaschen. Das Wetter war endlos kalt, wir haben elend gefroren, nun ists doch nicht mehr so eisig, aber sehr stürmisch und staubig. Die andere Seite der Straße bildet das Meer, das lässt mich vor Brausen nicht schlafen. Vom Frühling merkt man fast nichts, nur Mandelbäume blühen. Bei uns ist der Frühling schöner. Wir fahren dieser Tage weg von hier. Herzliche Grüße an die ganze Familie, dein Max Bereits im Oktober 1925 schließt Ernst Würtenberger seine Arbeiten an einem Buch über die malerischen Prinzipien des französiAbb. 71 | Ernst Würtenberger, „Michelangelo in Carrara“ (Reproduktion nach dem Gemälde in der Fassung von 1927)

schen Künstlers Ingres ab,62 das er offenkundig erst 1929 an Doerner schickt. Der Hinweis, daß er, Max Doerner, wenig von Ingres kenne, verweist auf die Tatsache, daß die Münchner Pinakotheken kein Werk dieses Künstlers besitzen, ja Doerner im Gegensatz zu Würtenberger wohl nie in Frankreich war. Die Entwicklung der Malerei im Nationalsozialismus vorausahnend, nimmt Doerner wahr, daß die Zeit der „reinen Malerei“ vorbei sei und „die straffe Formdarstellung“ Boden gewinnen würde. Max Doerner an Ernst Würtenberger am 16.05.1929 Lieber Ernst! [/] Als ich von Italien zurückkam, fand ich dein Buch, das mir schon angekündigt worden war, hier vor. Ich habe mich gleich drüber hergemacht und es liess mich nicht mehr los. Ich habe es nun mehrmals hintereinander durchgelesen und muss es noch oft vornehmen, bis ichs innerlich so verarbeitet habe, dass mir die Gedanken fruchtbar werden. Es erinnerte mich an das Gespräch, das wir in meinem Atelier über dein Bild „Michelangelo“ [(Abb. 71)] führten,63 wobei du den Verzicht auf starke Farbe zugunsten der unmittelbaren Wirkung der Idee aussprachst. Und ich der Meinung war, dass es in Fresko ausgeführt werden sollte. Mich interessiert natürlich als Lehrer ganz besonders die von Dir entwickelte Theorie der reinen Formdarstellung im Bilde, bei der die Farbe nur als eine Art Begleitmusik erscheint. Nachteilig ist für mich, dass ich sowenig kenne von Ingres und du hast recht, es ist dieser Meister in Deutschland weniger bekannt als alle anderen französischen Maler[.] Dein Buch hat in mir die Begierde erweckt, diese Dinge einmal selber zu sehen. Zweifellos wird als Gegenbewegung zur reinen Malerei der letzten Jahre die straffe Formdarstellung allgemein Boden gewinnen und dein Buch wird die Pionierarbeiten leisten. Man merkt überall beim lesen, dass du den Stoff viele Jahre lang nach allen Seiten durchdacht und ausgeprobt haben musst, sonst wäre solch geschlossene Arbeit nicht denkbar. Seit Jahren hörte man hier Eingeweihte flüstern, dass Ingres der Führer der neuen Be274

wegung in Frankreich sei, aber Niemand wusste genaueres zu sagen. Dass ich von Haus aus zur Farbe neige und die Form für mich mehr abseits liegt, kann mich nicht abhalten, dein Werk zu würdigen. Und die hohe Stosskraft zu erkennen, die ihm innewohnt und den Gedanken zum Siege führen muss. Ich danke Dir herzlich dafür, dass du mir ein Exemplar deines Werkes gewidmet hast. Ich werde viel Anregung aus ihm schöpfen. Kopien meiner Schüler waren auch in Karlsruhe ausgestellt. Eine Zeitung soll dort geschrieben haben, dass Prof[essor] Eibners Lehre diesen Arbeiten zu Grunde gelegen sei. Eibner ist daran ganz unschuldig. Gegenwärtig sind hier die russischen Ikonen ausgestellt in der Akademie. Sie geben manchen Aufschluss über die Technik der byzanthinischen und romanischen Zeit. In Italien hatten wir leider recht schlechtes Wetter, Schnee und Stürme, aber die Arbeit in den Museen wurde dadurch nicht gestört. Kennst du die Museen in Siena und Perugia? Da gibts ungemein viele Anregungen. In Pompeji und Neapel habe ich viel studiert. Ich Abb. 72 | Anton Marxmüller, Doernerabend (Einladung zum 60ten Geburtstag), 1930 grüße Dich und deine Frau und deine Kinder herzlich. Dein Max Doerner 1930 BIS ZUM TOD Wie viele andere gratuliert Würtenberger zum 60. Geburtstag Max Doerners (Abb. 72) am 01.04.1930. Doerners Dank ist ein nachdenklicher Rückblick auf seinen Werdegang als Maltechniker, voller Stolz auf das Erreichte und in keiner Weise der Kämpfe müde. Bei dem Stichwort „Kampf“ muß die Rede zwingend wieder auf Eibner kommen.

Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 06.04.1930 Lieber Ernst! Dein Brief hat mich vor allem gefreut. Ich bekam deren so viele, dass meine Antwort leider verspätet erfolgen muss. Ich denke oft an die Zeit, wo wir gemeinsam allerhand ausprobierten, wie Eiweißdammar und andre Dinge. Wie merkwürdig hat sich doch Alles gestaltet! Wenn ich es so überlege, wie ich in die Maltechnik hineingekommen bin und allmählig damit durchgedrungen bin, so traute ich mir das nicht ein zweitesmal zu machen. Es hätte ja auch andersrum gehen können und ich erinnere mich mancher so halb mitleidiger, halb spöttischer Reden von Malern: So treibst du das noch allerweil? Als ich mit meinem Pack unter dem Arm zum ersten Vortrag in der Akademie antrat, da sprach der Hausmeister das tiefe Wort: ja, die Maltechnik, das ist der Stier in der Arena! So war es auch, nachdem Keim, Eibner, Berger, [Franz] Büttner Pfänner zu T[h]al und andere keinen Fuss hatten fassen können. Heute kann ich auf diese Dinge mit einigem Humor zurücksehen, aber Wahrheiten in der Maltechnik aussprechen, bedeutet Kampf mit Jenen, die ohne eigene Kenntnis von der Malerei, doch den Malern Gesetze geben wollen, wie es etwa bei uns die Versuchsanstalt für Maltechnik und ihr Leiter Geheimrat Eibner tun. Der betrachtet meine Arbeit und meinen Erfolg als Raub an seinem Eigentum und kann es nicht fassen, warum die Maler zu mir stehen. Hast du meinen Artikel gelesen in den Techn[ischen] Mitt[eilungen] für Malerei gegen Eibner und den anderen über den sensationellen „Uleim“ Urbans? Ich könnte ihn dir andernfalls schicken. Es zeigt sich, dass auch in der Wissenschaft Manches anders ist als man sich das als Laie vorstellt und man begreift, warum uns von dort so wenig Hilfe kommt. Das interessiert mich natürlich sehr, dass du Freskoversuche gemacht hast. Hoffentlich hast Du Gelegenheit, bald einen grossen Auftrag darin auszuführen. Denn diese Technik muss Dir doch besonders liegen und meiner Meinung nach gibts nichts Schöneres für den Maler. Dass Du mich in deinem 276

neuen Buch erwähnen willst, freut mich natürlich sehr. Herzlich grüsst dich und die Deinen und dankt für die Glückwünsche dein Max Doerner. Daß Doerner die Bemühungen anderer Maltechniker wie Keim, Eibner, Berger und von Büttner Pfänner zu Thal als wenig erfolgreich, seine eigenen dagegen als Durchbruch in der Vermittlung maltechnischer Inhalte sieht, zeugt von Doerners über die Jahrzehnte gewachsenem Selbstbewußtsein. Manchmal scheint es so, als ob Konflikte Doerner Bereitschaft zum „Kampf“ geradezu befeuern. Der Ausspruch des Hausmeisters „ja, die Maltechnik, das ist der Stier in der Arena!“ wird in Kreisen der Schüler Doerners noch lange tradiert. Die Ablehnung gilt nicht allen: Den von Hermann Urban entwickelten Rezepturen, insbesondere dem U-Leim-Grund mit Zuschlägen von Kaolin und Zinkweiß, schenkt Doerner durchaus Beachtung.64 Seine Vorfreude auf die Nennung seiner Person im neuen Buch Würtenbergers muß sich auf den Erinnerungsband „Vom Werden des Malers“ beziehen, in dem Würtenberger mehrmals auf die Bedeutung seines Kommilitonen für seinen Werdegang eingeht.65 Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger am 16.07.1930 Lieber Ernst! [/] Anbei eine Kritik, die am letzten Sonntag [den 13.07.1930] in den M.N.N. [Münchner Neuesten Nachrichten] erschien! Möchtest du es für möglich halten, dass sich junge Leute an mich wandten, (die wissen, dass wir uns kennen) und die sehr entrüstet waren, weil sie in deinem Bild antipatriotische, pazifistische Ideen widderten? Ich habe den Leuten gründlich den Staat gestochen und kann, da ich selbst das Bild sah, nicht verstehen, wie die jungen Leute solche Idee fassen konnten. Sie gaben sich nun zufrieden. Ich schicke dir die Fortsetzung des Ruhemannschen Artikels sowie sie da ist. Dein Artikel wird sogleich erscheinen nach Einsendung und viele freuen sich schon drauf. Ich nicht zum wenigsten. Ich habe mit Ludwigshafen kor277

respondiert. Ende August gehe ich hin und besuche dich dann in Karlsruhe. Herzlichst grüße dich und deine Frau und deine Schwester Thusneld und Frau Schönenberger wie den Braunenberg dein Max Doerner Ob Doerner die Reise seinem Vertrauten, dem Chemiker Hans Wolf und seiner Familie nach Ludwigshafen antreten kann, ist ungewiß. So schreibt er am 17.07.1930 aus München: Lieber Graf! Deinen Brief samt Einlage empfing ich, als ich von einem erfolgreichen Fischen heimkam. Herzlichen Dank für die angenehme Überraschung. Ernst W[ürtenberger] hat sich in M[ünchen] ordentlich voll gesogen mit Malerei. Ich war in Anspruch genommen und hatte gesundheitliche Störungen, die mir dringend nahe legen, nach Gallspach [in Oberösterreich] zu gehen. Ich habe schon Alles gepackt. Was ich dann tue, ist noch ganz unsicher. Vielleicht muss ich in Monatsfrist die Sache wiederholen, denn die Ohrengeschichte ist schlimmer geworden. Nun, du wirst am Bodensee wohl richtig ausspannen können von aller Arbeit und ich wünsche Dir herzlich recht gute Erholung. Schade, dass wir nicht zusammen fischen konnten, aber der Bach wird wohl unter der Hitze sehr gelitten haben oder gar ausgetrocknet sein. Ich führe auch gern an den See [vermutlich den Bodensee], aber wie machen? Vielleicht gehe ich vierzehn Tage ins Oytal [bei Oberstdorf] im September. Herzlich grüßt Dich und Ihn und die ganze Familie dein Max Doerner Und in Vorbereitung auf seine Reise und ein Wiedersehen mit Ernst Würtenberger und dessen Familie: Max Doerner (München) an Line Würtenberger (Stockach) am 06.08.1930 Liebe Frau Professor! [/] Eben erhalte ich Ihre Karte. Ich hatte vorsorglich gestern nach Karlsruhe an die Akademie geschrie278

ben. Ich reise hier am nächsten Mittwoch, 20. Aug[ust] ab und bleibe voraussichtlich 2 – 3 Tage in Ludwigshafen. Meine dortige Adresse ist: Rupprechtstraße 40 bei Herrn Dr. Hans Wolf. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ernsts Arbeiten und seine technischen Versuche sehen und mich mit ihm drüber unterhalten könnte. Hoffentlich haben sie besseres Wetter als wir. Herzliche Grüße, auch an Ihre Mutter von Ihrem sehr ergebenen Max Doerner Die überlieferte Korrespondenz der 1930er Jahre ist weitaus mehr von dem Briefwechsel zwischen dem in Kempten wohnenden Graf und Doerner geprägt als mit seinen Malerfreunden. Hierdurch ist der Grundtenor persönlicher, es geht ums Fischen, Reisen und um Krankheiten. Doch zuerst einmal kommt Doerner angeregt und besten Mutes von der Reise an den Oberrhein zurück: Max Doerner (Weßling) an Wilhelm Graf (Kempten) am 05.09.1930 Lieber Graf! Ich bin nun von der Reise zurück, die mich sehr befriedigte und habe mich mit gutem Erfolg gründlich ausgefischt. Ich gehe auch viel auf die Steinpilzjagd in Wessling. Ich war mehrere Tage bei Ernst Würtenberger in Karlsruhe. Es war eine schöne Zeit, sehr anregend und ich fühlte mich dort sehr wohl. Natürlich haben wir viele Bilder und Maltechnik genossen. Zuletzt waren wir mitsammen in Stuttgart und sahen das neurestaurierte Grünewaldbild, die Stuppacher Madonna. Ich schreibe gerade einen Artikel darüber oder dagegen! Da wirds wieder allerhand Krach geben, denn die Pinakothek steckt dahinter. Aber das kann mich nicht hindern zu sagen, was gesagt werden muss. Übel haben mir die Rheinschnacken mitgespielt, namentlich in Karlsruhe. Ich muss sagen, ich bin doch lieber in München, schon allein die Hitze dort auch bei Nacht war mir schädlich. Ausserdem sind unerquickliche Verhältnisse an der Akademie, dort und mit den Kritikern. Ernst hat einen Prozess 279

damit. Der Kerl hat ganz unsachlich in unverschämter Weise geschrieben. So was gibt’s hier doch noch nicht. [/] Hoffentlich gehts Dir wieder gut! Ich glaube, dass ich heuer kaum mehr ins Oytal kommen kann, aber nochmals nach Gallspach. Kommst Du mal nach München? Herzliche grüßt die ganze Familie, „Ihn“ [vermutlich der Schwiegersohn Grafs aus Rostock] besonders, dein Max Doerner Die nur beiläufig erwähnte „Stuppacher Madonna“ bzw. ihre Restaurierung beschäftigt Doerner in den kommenden Wochen über die Maßen. Der Maler Felix Hollenberg,66 Mitglied der beratenden Kommission, stellt ihm seine umfangreichen Notizen zu der von Joseph Tettenborn durchgeführten Maßnahme zur Verfügung. Diese exzerpiert Doerner minutiös und versieht sie mit den gewohnten Unterstreichungen: „Waschung“, „Putzwasser“, „Geheimmittel“, „Nähren mit Öl“, „neutrales Ausgleichen der Fehlstellen“.67 Doerner mißtraut grundsätzlich. In der Nacht vom 06.06.1931 brennt der Glaspalast bis auf die Grundmauern nieder: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 17.06.1931 Lieber Graf! Wie geht es Dir? Ich hoffte, dich bald hier zu sehen! Ich muss Dich leider noch mal bitten, mir zwecks Vermögenssteuer Auskunft über mein Guthaben am 1. Jan[uar] 31 zu vermitteln. Ich bitte darum, dass mir die Spesen gleich mitgeteilt werden. Ich bereinige sie dann sofort. Der Glaspalastbrand ist ein schwerer Schlag für die Münchner Künstlerschaft und mir tun die vielen armen Kerle leid, die nun noch Schulden obendrein bei Vergoldern u.s.w. haben. Ich gehe viel zum Fischen, habe auch einigen Erfolg, aber wenn es heiss ist, gehe ich nach Wessling, lege mich auf die faule Haut oder suche Schwammerl [Pilze]. Das Malen in der Hitze muss ich aufstecken, das spürte ich. Die Nemosauction ist in vollem Gange, aber die Preise sind mit wenigen Ausnahmen sehr enttäuschend und wenn der große 280

„Rembrandt“ vom Auctionsleiter selbst eingesteigert würde „im geschätztem Auftrag“, so fallen doch nur Ahnungslose darauf herein. Im Sept[ember] gehe ich auf 14 Tage ins Oytal. Ich hoffe sehr, dich diesmal dort auf einige Tagen haben zu können, am besten Du kommst mit der ganzen Familie! Ich bin recht froh, wenn die Ferien beginnen, denn es ist keine angenehme Sache, bei solcher Hitze 2 Stunden unter dem Blechdach [sein Hörsaal über dem Haupttreppenhaus der Akademie] vorzutragen. Danach ist der Abend am Arzberger-Keller reichlich verdient. Herzlich grüsst dich und die deinen, „Ihn“ aber besonders, Dein Max Doerner Doerner begibt sich im Herbst nach Graz und von dort möglicherweise in das für seine alternativen elektromedizinischen Heilmethoden einschlägig bekannte Zeileis Institut in Gallspach. Graf und Würtenberger treffen sich dagegen im Hegau: Max Doerner (Graz, Steiermark) an Wilhelm Graf (Kempten) am 04.09.1931 Lieber Graf! Ich war gerade ausgegangen, um noch allerhand zu besorgen zur Fahrt nach Gallspach, als du bei mir warst. Deine und E[rnst] W[ürtensbergers] Karte aus dem Hegau freute mich sehr. Ich will Ernst nach Stockach schreiben. Zeiler68 hat mich heute gründlich in die Kur genommen und ich hoffe, dass es mir hilft. [/] Was in München von hier erzählt wird, ist Alles Unsinn, es ist so voll als je und die verkrachten Hotels gehen ebenfalls ruhig weiter und sind besetzt. Ich halte viel von den Bestrahlungen und habe heute die starke Wirkung auf den Organismus wieder kennen gelernt. Hast du keine Schneid? Schad ists nur, dass ich so viel Zeit (bis zum 15.) verliere, die zum Fischen gut angebracht wäre. Wenn ich nach M[ünchen] komme, muss ichs nachholen. Dazu habe ich in der zweiten Hälfte Sept[ember] Akademiesitzungen, so dass ich leider nicht nach Kempten kommen kann, höchstens erst später. Dass es mit der Nemosstif281

tung für die Künstler blauer Dunst war, steht heute sogar in den M.N.N. [Münchner Neueste Nachrichten]. Herz[lichen] Gruß ans ganze Haus und „Ihn“ Dein Max Gänzlich unerwartet teilt Doerner Graf im Dezember 1931 mit, daß er geheiratet habe. Seine Frau Frieda Keppler69, langjährige Assistentin aus der Akademie und auch Malerin, scheint Graf nur flüchtig begegnet zu sein. Einzig drei mundartlich geprägte Briefe vermutlich aus dem Herbst 1931 aus ihrem Konstanzer Klinikaufenthalt70 zeichnen heute noch ein Bild der Beziehung zwischen Doerner und seiner Frau. Frieda Keppler (Dr. Bürdingens Kuranstalt, Konstanzer Hof) an Max Doerner, ohne Datum (jedoch bezeichnet mit 1.)71 Donnerstag Abend 6 Uhr [/] Lieber Maxlche! Heut ist ein besonderer Glückstag! Heut in der Früh ist Deine Karte und am Nachmittag Dein Brief gekommen. Ich habs schon kaum erwarten können, eine Masse Post ist diese 2 Tage gekommen wie ich sonst in der ganzen Woche nicht zu sehen krieg bloß von Dir wars so anständig. Es wär so kaum früher gegangen, denn Du hast ja erst auf eine Nachricht von mir warten müssen, für mich wars aber doch eine lange Zeit. Ich war ja allerweil beschäftigt wie Du aus der Karte weißt so ist die Zeit ja schnell rumgegangen so daß ich gar nicht zu einem Briefschreiben kommen konnt. – Gerade soweit hat der Häusler geschrieben – da hats zum Abendessen geläutet. – Freitag früh. Gestern bin ich nimmer zu etwas tauglich gewesen […] Aber ich habe Dir noch gar nicht genaueres erzählt wie die Reise war […] Also, bald nach der Abfahrt in München – mein Neffe hat mich brav begleitet – u. ich hab mir den besten Platz rausgesucht im Coupee – hat das Wetter recht verdächtig hergeschaut. Fast bis zur Abfahrt war ich allein. Es war auch schuld, daß der Neffe dabei gewesen ist, so sind die Leute alle in die anderen Coupés gegangen, weil [sie] meistens zu 2 waren u. Fensterplätze wollen haben. Wie er dann 282

ausstieg kam noch eine einzelne Dame u. das war ausgerechnet die Perspektivprofessorin von der Kunstschule. Zuerst waren wir beide reserviert bei Gelegenheit einer Bouillon die der Kellner anbot kam dann doch zur Unterhaltung. In [den] Speisewagen ist sie auch nicht gegangen das machen anscheinend die Frauenzimmer alle. Auf der linken Seite war der Gang, also wäre die Platzkarte ganz unnütz gewesen. Die Allgäuer Berge waren bis herunter verschneit u. erinnerten mich in der Stimmung gelblicher Himmel auf dem die Berge grau mit viel weiß standen an Karten die Du zu Neujahr öfters gemacht hast – nur war ganz im Vordergrund mehr grün u. schon herbstl[ich] gelb. Ich seh erst jetzt wie gut Deine Berge gemalt waren. – In Lindau bin [ich] gleich aufs Schiff, habe schon im Zug die Karte an Dich angefangen. Die Fahrt auf dem Schiff war ganz schön es ist wahr wenn man immer rumlaufen kann vergeht die zeit rasch, ich war beständig im wandern – im Freien wars sehr kalt, trüb, wenig zu sehen bis gegen Friedrichshafen da ist [es] etwas freundlicher geworden. Daß [es] beim Fischen so schlecht war hätte ich nicht gedacht. Auf meiner ganzen Fahrt hats nur in Lindau ein paar Tropfen geregnet. Schön wars draußen zu stehen u. zu schauen wie die Möwen immer mitgeflogen sind. – an der Bahn war bloß der Hausdiener ha[t] mein Koffer geholt und hat mir den Weg gezeigt. Vom Dampfer aus ist da eine ¼ Stunde da geht man über die Rheinbrücke, ich habe allerdings einen Umweg gemacht nach der Beschreibung u. bin beinahe vorbeigelaufen weil ich auf der anderen Seite gegangen bin. Konstanz hat mir einen sehr lebendigen Eindruck gemacht – das macht schon das viele Wasser mit den verschiedenen Verkehrsarten – Dampfer, Motorschiffchen, Kähne, Weschel [?] im Stadtpark gibt es schwarze Schweine u. 2 sich sehr humoristisch benehmende Pelikane. Die Bahn fährt auch durch die Stadt, es geht geradezu zu. Der Dialekt freut mich furchtbar u. die Leute gefallen mir sehr – Ich muß allerweil an die Frau Hundsstupferle u. an den Habramaya [vermutlich Habermayer] denken. Mit meiner Zimmermitbewohne283

rin bin ich auch sehr zufrieden sie ist eine Oberlehrerstochter aus Prüfening wo die berühmten Fresken sind – zwar sehr fromm – das färbt aber nicht ab – wenn sie morgens 6 schon in die Kapelle geht bleib ich ruhig liegen. Aber ein nettes bescheidenes Ding ist sie auch schon 31 Jahre alt – wir sind schon zusammen fotografiert worden und ich [… unleserlich] die so ähnlich sind wie in Wessling im Bäckerhaus oben droben wo man sich immer den Kopf an der schiefen Wand angerannt hat. Vom Fenster aus sogar hier vom Tisch aus sehe ich Segelschiffe. Abends saust immer ein Wasserflugzeug daher wie ein kleines Ungeheuer da kann man für 5 Mark einen Rundflug machen es soll interessant sein vorläufig lass ichs aber noch. Ausflüge konnte ich noch keine machen. Außer Sonntag darf man auch nur Nachmittag v. 4 – 6 ausgehen – is das ja schon ganz angenehm ich hab gemeint daß man überhaupt nicht fort darf ohne Erlaubnis. Ich hab mich schon ganz eingewohnt bediene dan Fahrstuhl wie ein Liftboy – Treppen steigen soll ich nicht […] Meine Zimmerkollegin […] macht […] Handarbeit – ich hab geschimpft darüber, weil sie eine Rückgratverkrümmung hat, ist gerade die richtige Arbeit – so ein Frauenzimmer läßt sich von nichts abbringen und so macht sie halt ihre Kreuzelstickdecke weiter. z. Glück ist das auch nicht ansteckend, so wie die Religion. Unser Zimmer ist herrlich warm die Dampfheizung ist doch das einzige richtige in der Übergangszeit sind die Öfen auch zuwider da findet sich sogar ein Ersatz u. kaum Dreck machts. Man braucht auch nicht mit diesen ewigen Strickjacken laufen. Hier trag ich Sommerkleider bloß im Speisesaal geht’s nicht ohne eine Jacke. Daß es kein Bier und keinen Wein gibt ist schlimm, besonders wenns lauter Sachen abends gibt auf die man einen großen Durst kriegt. Am Sonntag schau ich daß ich zu einem Masserl [1 Maß] komme, und wenn ich ganz allein in ein Wirtshaus gehen muß. Frieda Keppler (Dr. Büdingens Kuranstalt, Konstanzer Hof) an Max Doerner, ohne Datum (jedoch bezeichnet mit 2.) 284

Lieber lieber Maxelche! Heute früh habe ich Deine Karte vom Sonntag aus Wessling gekriegt. Seit Donnerstag habe ich an dem andern Brief geschrieben, in einem fort ist was gewesen daß ich aufhören hab müssen u. dann hab ich immer wieder eine Karte dazwischen an Dich losgelassen – darum dauerts dann noch länger. So viel Post krieg ich in München in 6 Wochen nicht wie hier […] Kam lauter Sache auf die man auch nur hat gleich antworten müssen. Zu allem Überfluß hat mir die Selma geschrieben daß sie die bei mir hinterlegten Miniaturen jetzt plötzlich braucht weil sie einen Interessenten hätte, nachdem sie sich Jahr u Tag nicht darum gekümmert hat. – Da mußt ich wieder statt an Dich an Selma u. die Karolin schreiben weil ich alle Schubladen zugesperrt hatte. Durch die Eile in der ich das machte habe ich übersehen den Brief zu frankieren das andere waren alles Karten wo die Marke schon drauf ist. Damit die Selma nun rasch das Geld für d. Nachzahlung erhält habe ich sofort nach Empfang Deiner Karte mit der betr. Mitteilung wieder einen Brief an sie geschrieben mit eingeklebten Marken, u. so bist Du wieder zurückgestellt worden. Die einzige freie Zeit die man hat ist von 4 – ½ 7 nachmittag u. hat man am Anfang immer was zu besorgen. Heute bin ich daheim geblieben damit endlich was wird mit dem Brief. Der andere Teil erscheint mir jetzt so schon beinahe unnötig ich schicke ihn aber doch noch mit. Gestern Sonntag waren wir von der Liegekur dispensiert u. haben alle d.h. die mobileren Frauenzimmer einen Ausflug mit Schiff nach Me[e]rsburg gemacht – Die Karte hab ich dort in der Winzerstube geschrieben da hatte ich schon ein ¼ Wein getrunken. Der hat auf alle eine eindrucksvolle Wirkung gehabt nach dem man die ganze Woche bloß ein Wasser zu trinken kriegt. Das kommt am härtesten an wenn man auch eine Speise kriegt die Durst macht, wie auch ein Käse z.B. Aber ich will Dir nur noch schnell so einen Tag beschreiben[.] Morgens steh ich so um ½ 7 auf gehe eine ganze Stunde zu spät es ist um ½ 6 allweil noch stocknacht. Um ½ 8 geh od. fahr ich zum Kaffee runter dann muß man entweder 285

baden od. man wird massiert u. um 9 Uhr kommt der Arzt da müssen wir am Zimmer sein – da hat man sich schon 2 mal umgezogen – u. ist schon wieder müd. Dann kommt von ½ 11 – ½ 12 Freiliegekur die ich ein paar mal zum Schreiben verwendet habe. Dann um ¾ 12 Mittagessen danach muß ich gleich zum Arzt […] Dann kommt von 1 – 3 wieder Liegekur in der Halle nach dem Park zu offen mit Wein umrankt ganz oben hängen die Trauben wo man nimmer hinlangen kann. Die Tür zum Haus ist zugesperrt so daß man sie nicht drücken kann. Zuwider ist dann daß alle beieinander sind auch die Mannsleute, da wenn man in der Nähe wo ein Schnarcher liegt hat man genug, und ich hab so ein Glück. Heut hab ich meinen Stuhl von den andern weggerückt u. dann hat sich doch noch einer dem es woanders nicht gepaßt hat dazwischen gedrängt. Im Speisesaal sind wir Gott sei Dank an getrennten Tischen. Wir kriegen 5 Mahlzeiten am Tag 1 Frühstück Kaffee Butter Semmel 2 Frühstück Milch, Brot Mittagessen Suppe, Fleisch wenig, Gemüse Kartoffeln viel, od. Salat u. einen Pudding jeden Tag. Zum Trinken bloß Wasser. – Manche kriegen fettlose Kost aus rohem Obst, da gehöre ich nicht dazu. Ich darf alles essen. Sobald [es] möglich ist mache ich aber wieder einen Weinausflug jetzt ist gerade die richtige Zeit dazu. Me[e]rsburg ist ja ein ganz reizendes Nest kennst Du’s? In die Reichenau möchte ich auch einmal. Das Ufer was wir vom Fenster aus sehen ist schweizerisch – es soll Kreuzlingen sein u. weiter rechts Emmishofen. Heute ist [es] eine ganze Woche daß ich hier bin – wir haben herrliches Wetter morgens etwas neblich mittags warm sonnig die Palmen stehen noch immer im Freien u. die Blumen blühen in Me[e]rsburg wars ganz sommerlich bis auf ein paar verfärbte Kastanien. Vom Fenster beobachte ich wie die Färbung tägl. fortschreitet, ich glaube daß sie hier sehr gut wird. Ich sehe auf eine wunderbare orangfarbige Buche, die Pappeln sind noch grünlich. Da unser Zimmer so gut geheizt ist, kann man den ganzen Tag das Fenster aufhaben, eben um 6 abends sogar noch. Später zieht man die Schnakenschwärme u. macht 286

gern zu. [/] Hoffentl. lieber Maxeleh geht es Dir weiter gut die Fischerei hat jetzt ein Ende und das Wetter wird sich wieder gebessert haben – Heut hat eine erzählt sie hätte von München gehört daß [es] die ganze Zeit schön sei. Da regnet es sich bloß in Wessl[ing]] wenn Du kommst anscheinend. jetzt ist schon wieder Zeit zum Abendessen. Es tut mir leid daß Du so viel Arbeit noch mit dem Buch in der Akademie gehabt hast. Da muß ich nachher schon ein bißchen nett sein zu Dir ich habs bestimmt vor. Viele Küsse Dein Evahl Frieda Keppler (Dr. Büdingens Kuranstalt, Konstanzer Hof) an Max Doerner, ohne Datum (jedoch bezeichnet mit 3.) Lieber armer Mann! Nun kommt der Brief so spät fort, u. ich bin gar nicht zufrieden damit wie er beieinand ist der Brief einen neuen kann ich aber jetzt nicht gleich schreiben da vergingen noch mal ein paar Tage u. du tätest denken es ist was los mit mir. Es geht mir ganz gut das Essen geht schon ein bisserl besser. Der Wein gestern hat mir auch nicht geschadet ich hab ein 1/4 u. noch ein 1/8 getrunken. Daß wir lustig waren hast an der Karte gemerkt denke ich. Das glaube ich daß [es] keine Schwammerl mehr gibt höchstens Ziegenlippe und Ritterling, Du wirst ja so jetzt bald die Maleritis kriegen u. dann hast keine Zeit mehr zum Schwammerlkochen. Falls Du wieder nach Wessling fährst sagst einen schönen Gruß wem Du gerade magst, den Sanktjohannes [dem Weßlinger Hauswirt Sanktjohanser] schreib ich einmal eine Karte. [/] Denke ja nicht weil ich erst z. Schluß über die Akademie geschrieben hab, daß mir das was Du für mich getan hast, nebensächlich wär! Ich hab die ganze Zeit daran gedacht, daß Du nochmal hast Ferientage opfern müssen u. im Schweiß für mich gearbeitet hast. Dafür darfst Du auch eine Unordnung machen in Wessl. ich räum es dann nur auf. Die Zeit wird auch rasch vergehen wenn sie nur auch einen Erfolg hat die Kur ich will alles daran setzen. Der Arzt sagt die Hauptsache ist zunehmen. Auch nach dem Essen krieg ich immer noch Zwiback Milch und 287

Butter aufs Zimmer gebracht. Ich zwinge mich und freß alles was reingeht […] Ich habe die Neuesten abonniert, hier gibt’s für die Patienten von der Versicherung kein Lesezimmer gar keine Zeitung. – Bloß Bücher die mag ich gar nicht gern – die SS habe ich überschreiben lassen, das kostet keinen Pfennig mehr wie in der Stadt München weil ich Abonnent bin. Die Zeitung kommt immer erst um ½ 2 Nachmittag[.] Am Sonntag gibt’s hier in der Früh Post u. die Sonntagabend Zeitung Also Maxelche Jetzt mußt [Du] halt den Wasser-fallbrief über Dich ergehen lassen wirst dann schon wieder trocken werden danach. Mir darfst schon einen langen Brief schreiben zum Lesen hat man leichter Zeit das strengt nicht so an. Die anderen Leute dürfen mir eine Ruh lassen. Das Oktoberfest ist verlängert gel! Bei dem Wetter wird es dann doch noch was einbringen so einer frischen Maß Bier und einem Brathering wär [ich] nicht abgeneigt aber schon ganz und gar nicht, das weiß man zu schätzen wenn man’s nicht haben kann. Der Wein ist auch Abb. 73 | Hermann Groeber, „Bildnis Max nicht schlecht Also noch einmal Doerner“, vor 1932 viele Küsse [/] Dein Evahl. [/] Ich bin fei auch mit einer Karte zufrieden falls Du zu müde bist zu einem Brief. [/ Kopfzeile verkehrt beschrieben] Soll ich nicht die S.S. als Drucksache an Dich schicken? od. liest [Du] das woanders? Möglicherweise war Frieda Keppler nicht die erste Frau in Doerners Leben, zeigt doch Doer­ners 1912 in der Zeitschrift „Die Jugend“ abgebildetes Gemälde „Die Verlobten“ (Abb. 57) den jungen Maler mit einer

heute nicht mehr identifizierbaren Gefährtin. Es ist nur zu vermuten, daß Doerner (Abb. 73) erst viele Jahre später eine neue Bindung wagt. Daß diese nicht lange währt, gehört zur Tragik von Doerners Leben: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf am 15.12.1931 Lieber Graf! Für Deine Karte aus Würzburg habe ich Dir Abb. 74 | Frieda Keppler, „Blumenstilleben“, o. D. noch immer nicht gedankt. Mich hat, als ich von Galls­ pach zurückkam, gleich beim ersten Versuch, draussen zu malen, im October eine Bronchitis überfallen, die mir heute noch schwer zu schaffen macht. [/] Und dann: Halt dich ein oder setz Dich vorsichtshalber! Ich habe vor Kurzem meine Assistentin, Frau Fri[e]da Keppler, die du einmal in der Nymphenburger Str. kennen lerntest, geheiratet. [/] Leider ist auch meine Frau krank. Sie war zuerst erfolglos, in Konstanz, im K[onstanzer]-Hof, nun brachte ich sie nach Traunstein […] Wir wollten eine Wohnung nehmen, Atelier mit 4 Zimmern, Bad u.s.w., das muss nun Alles vorerst bleiben wie es ist. Mehrmals erging es mir wie Dir beim Wohnungssuchen. [/] Herzliche Grüße ans ganze Haus Dein Max Doerner Wilhelm Graf an Max Doerner, undatierter Briefentwurf vermutlich vom 15.12.1931 oder wenig später Mein lieber Doerner, die Nachricht von deiner Vermählung war für mich und meine Frau keine geringe Überraschung. Nehme für dich und deine liebe Frau unsere herzlichsten Glückwünsche. Es ist nur recht bedauerlich daß deine Frau so schwer an ihrem Gesundheitszustand zu leiden hat und du selbst nicht auf dem 289

Damm bist. [/] Hoffentlich gibt sich noch beides in nicht allzu langer Zeit und daß die leidige Wohnungsfrage bald ihre befriedigende Lösung findet. [/] Es ist recht schade daß wir noch nicht in München sind. Wir hätten ganz gewiß Gelegenheit gefunden dir und deiner Frau in diesen Tagen irgendwann nützlich zu sein. So müssen wir es für Weitere verschieben. Ich glaubte immer noch nach den Feiertagen doch in München aufwarten zu können, glaube aber nicht daß es mir noch gelingt. Grüße deine Frau recht herzlich von uns. Wir wollen nun hoffen daß sich ihr Zustand bald wieder gründlich bessert und auch du wieder bald auf den Damm kommst. [/] Mit herzlichen Grüßen, allen guten Wünschen, besonders für die Feiertage als auch überhaupt von uns allen dein Graf Aber auch der Wechsel in ein Sanatorium in Traunstein scheint nicht die gewünschte Besserung zu bringen, so daß die in Aussicht genommene große Wohnung nebst Atelier wie auch ein Wiedersehen mit dem Freunde Graf in den Sternen stehen. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf am 18.02.1932 Lieber Graf, gestern Abend bin ich mit meiner Frau hier angekommen. Als wir ihr Atelier betraten, stand ein wunderbarer Rhododendronstock auf dem Tisch und machte den ganzen Raum festlich. [/] Frau Schuster sagte mir, du seiest der edle Spender gewesen. Meine Frau und ich danken dir herzlich, du hast uns eine grosse Freude gemacht. [/] Meine Frau ist ja sehr schwach. Sie musste sich gleich zu Bett legen und hat nun den Blumenstock davor stehen und malt in Gedanken [(Abb. 74)]. [/] Ich bekam deinen Brief am Montag abend in Traunstein. Aber da musste ich packen und es gab so viel zu tun vor der Reise meiner Frau, dass keine Zeit blieb zum Schreiben. Ich hatte Sorgen, wegen der Reise. Es ging aber besser als ich dachte. [/] Gern hätte ich Dich hier begrüsst. Hoffentlich kommst du bald wieder. Wegen der weiteren ärztlichen Behandlung meiner Frau bin ich 290

recht im Zweifel. Ich danke dir für deine Mitteilung. Zuerst soll sie sich mal ausruhen. [/] Damberger war kurz in Kempten bei den Elhards und firnisste ihre Bilder. Herzlich grüsst dich, deine Frau, Frl. Wilhelmine [Tochter von Anna und Wilhelm Graf] und „Ihn“ dein Max Doerner. Der Oytalwirt Fischer ist ja jetzt im Engel in Riezlern. Am 02.04.1932 verstirbt Frieda Keppler. Ihr wohl schon länger von Doerner vorausgeahnter Tod erfüllt ihn mit Bitterkeit: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 03.04.1932 Lieber Graf. Meine liebe arme Frau ist gestern nach unsäglicher Qual sanft eingeschlafen. Mein Leben ist arm geworden. Sie war mir die treueste Mitarbeiterin, meine Assistentin in der Akademie und künstlerisch gleichstrebend mit mir. [/] Ich wollte ihr gute Tage schaffen und mit ihr den Lebensabend beschliessen. Nun musste sie nach 4 monatlicher Ehe, während der sie vom Krankenbett nicht weg kam, ihr armes Leben beschliessen. Sie hoffte trotz allen Jammers und voll Hoffnung auf bessere Zeiten. Ich wusste die bittere Wahrheit. Es ist hart zu ertragen. Herzlich grüsst Dich und die deinen dein Freund Max Doerner Offenkundig kümmert sich die Familie Graf um Doerner, der zur gleichen Zeit Angebote aus den USA für die amerikanische Ausgabe seines erfolgreichen Buches erhält, die dann 1934 erscheint. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 12.4.1932 Lieber Graf! Um Aitrang [im Ostallgäu] ist Alles schneefrei und wie es scheint, trocken, so dass die Fischerei bald losgehen kann. Ich gehe vielleicht morgen schon, denn hier stürmte wieder so viel auf mich ein, dass ich der Stadt entfliehen muss. Gleich zwei Anerbieten aus Amerika, sogar mit der Zusicherung einer festen 291

Summe waren inzwischen eingetroffen – zu spät, als dass sie mir rechte Freude machen könnten. Bestelmeyer hat wieder geschrieben. Ich möchte ihn besuchen, sein Sohn welke dahin und kein Arzt wisse warum. Der Aufenthalt in Deinem Hause, den du und die Deinen mir so angenehm machten, hat mir rechten Trost gegeben und die furchtbare Verzweiflung von mir genommen. Als deine Frau mir davon sprach, was ihr Vater zu erdulden hatte und mit ihm seine Angehörigen, habe ich erfahren, dass es noch Schlimmeres gibt als wie das traurige Ende meiner Frau. Ich danke dir noch einmal herzlich für den Freundschaftsdienst, den Du und die deinen mir erwiesen haben in der Stunde der Not. Herzliche Grüße dein Max Doerner Zehn Tage nach dem Tod seiner Frau versucht Doerner, sich wieder dem Alltag zuzuwenden: Abb. 75 | Max Doerner, Dem Fischen, Malen und seinen Manuskriptseite für „Malmaterial“, 1933 Freunden am Stammtisch: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf am 13.04.1932 Lieber Graf! Heut war auch hier Schneewetter und mit dem Fischen war es nichts. Es scheint aber wärmer zu werden und dann zieh ich gleich los. Ich schicke dir ein Vorfach [Angelschnur vom Haken bis zur Hauptschnur], damit du dich leichter tust beim Fischen mit der Fliege. Wässere es vor Gebrauch dann ¼ Stunde auch am Abend vorher genügt es oder pack es in feuchtes Fliesspapier, lass es aber nicht im warmen Zimmer. Petri Heil! [/]

Eben sprach ich mit dem Maler Karl Gerhard wegen des Aquarellporträts. Er war sehr erfreut über dein Interesse und wäre dankbar und recht froh, wenn was zu malen wäre. Ich fragte ihn, was er verlange. Er meinte, 25 M. ich sagte ihm, dass du kein Preisdrücker wärest und wüsstest, wie es bei Malern zugehe und dass du dich für ihn einsetzen wolltest. Er freut sich, dich kennen lernen zu können; wenn du wieder mal nach München und an den Stammtisch kommst. [/] Herzlich grüsst dich, deine Frau, die mit mir so viel Arbeit hatte, Frl. Wilhelmine und den Herrn Major, dein Max Doerner. [/] NB. Bei steigendem Barometerstand hatte ich immer bessere Fischereierfolge als bei fallenden. Doch die Ablenkungen helfen wenig, überschatten der Tod seiner Frau, die mit der Auflösung ihres Haushalts verbundenen Mühen und der Druck, die vierte Neuauflage seines Buches (Abb. 75) erfolgreich abzuschließen, Doerner die Sommermonate 1932. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 17.5.1932 Lieber Graf! Es freute mich sehr, von dir zu hören, wenn zwar auch nicht die erhoffte Ausbeute mit der Fliege sich realisierte. Probier es nur wieder, es wird schon gehen. Die Stauden muss man eben mit einiger Übung umgehen. Bei mir ists recht wenig mit der Fischerei. Der Besitzer hat heuer, da ich nicht wusste, ob ich zum Fischen käme, an einen sehr jungen Mann, den Sohn eines Malers, des „hl Huber“ eine Karte ausgegeben und der raubt den ganzen Tag und nimmt einfach Alles. Ich fing die ersten Male noch ganz gut, dann wurde es schlecht. Allerdings wars ein wolkenloser Tag. Ich arbeite z. Zt. wieder an meinem Buch und habe noch viel zu tun mit der Durchsicht und Verteilung des Hausrates meiner Frau. Die Pfingsten verbrachte ich recht trübselig zu Hause in Erinnerung trotz des schönen Wetters. Es bedarf langer Zeit, bis man wieder ins Geleise kommt. Nach 293

Wessling bin ich gar nicht mehr gekommen. Es fehlt mir zu Allem die rechte Lust. Biechteler hat seinen Verkauf anscheinend noch nicht bewerkstelligt. Ich bin nicht so ganz zufrieden mit seinem Werke. Wenn du kommst, gebe ich dir die Kopie nach der „Mutter des Rubens“72 von meiner Frau. Es war doch schön in Kempten trotz des üblen Wetters und jetzt muss es herrlich sein. Herzlich grüsst dich und die deinen – den Herrn Major besonders – dein Max Doerner Die gesundheitlichen Umstände und der heiße Sommer 1932 zwingen Doerner, in Weßling zu bleiben. Ursprüngliche Reisepläne werden fallengelassen, neue leben auf. Max Doerner (Weßling) an Wilhelm Graf (Kempten) am 04.09.1932 Lieber Graf! Ich dachte mir oft, du würdest mit den deinen irgendwo am Bodensee sein und mit Ernst W[ürtenberger] zusammentreffen. Mir ging es wie dir. Ich bin nicht von Wessling losgekommen. Bei der heissen Zeit war es hier immer noch am besten. Zum fischen kam ich leider gar nicht. Der Arzt verbot mir, in der Sonne zu gehen und ich lebe hier Kurgenuss, meist vegetarisch und schlucke allerhand Pillen gegen Schwindel. Ich wollte ins Wallis, das verbot mir der Arzt auch. Vielleicht, dass ich im Spätherbst nach Rom gehe. Pallenberg bat mich, ihm behilflich zu sein bei Herrichtung seiner Ausstellung. Er malt den Papst. Aber es ist unsicher ob ich fortkann an der Akademie. Es würde November in Betracht kommen. Führest du ev. [eventuell] mit? Was macht die Fischerei? Herzliche Grüße an dich, deine Frau und Tochter und den Herrn Major! Dein Max Doerner Im Herbst 1932 kündigt sich mit der Erkrankung Würtenbergers ein weiterer Verlust an. Aber auch Doerners Gesundheitszustand ist angeschlagen, weshalb er seinen Arzt Ludwig Gelpke im Saastal aufsuchen will. Gelpke, der nicht nur Arzt ist, sondern sich vor allem als Maler 294

sieht, war vielleicht schon bei einem früheren Besuch auf Doerner aufmerksam geworden und sucht auch dessen maltechnischen Rat.73 Aus diesem wechselseitigen Nutzen entsteht eine enge Freundschaft zwischen Doerner, Ludwig Gelpke und dessen Frau Adelheid, die bis zum Tode Doerners anhält. Doch 1932 verzögern sich Doerners Pläne für eine Italienreise, wo er Pallenberg zu unterstützen hofft: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf am 19.10.1932 Lieber Graf! Deine Nachricht über Ernst Württenbergers Erkrankung hat mich sehr ergriffen. Ich wünsche ihm von Herzen recht rasche Wiederherstellung. Meine Pläne wegen der durch den Arzt verlangten Reise nach dem Süden geraten immer mehr durcheinander. [/] Pallenberg, dem ich von früher verpflichtet bin, bat mich, zu ihm nach Rom zu kommen und eine Ausstellung seiner Werke mit ihm vorzubereiten. Im Sommer wars zu heiss dazu. Und jetzt, als ich ihm schrieb ich käme, schrieb er mir, er müsse weg nach Berlin, wo er ein Porträt zu malen habe. Es geht ihm ja jetzt auch nicht mehr gut in finanzieller Hinsicht. [/] Ich richtete nun alles anders ein, wollte über die Schweiz fahren und schrieb an Dr. Gelpke im Saastal – nun schreibt Pallenberg, er könne doch noch 14 Tage bleiben, ich solle sofort kommen. Jetzt aber packte mich ein Rheumatismus und heftiges Zahnweh. Der Arzt sagt, der Zahn könnte blombiert werden, der Nerv soll getötet werden und ich bin mit Freitag deshalb hier und der Kerl wird und wird nicht tot! Vor Mitte nächster Woche habe ich so keine Aussicht, abfahren zu können als am 26. (unleserlich). Von da sind 70 % Ermässigung hin und zurück nach Rom. Aber alle Pläne hängen bei mir nun in der Luft. Das wäre schön gewesen, wenn wir zusammen hätten reisen können oder wenn du wenigstens nachkommen könntest nach Oberitalien, an den Gardasee. Ich schreibe dir von Rom aus, wohin ich gehe. Man kann ja bloss 200 M. mitnehmen, da gibt’s keine grossen Sprünge. [/] Herzlich grüsst dich, deine Frau und Tochter wie den Herrn Sohn dein Max Doerner 295

Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit reist Doerner dann doch: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Nürnberg) am 27.10.1932 Lieber Graf! Endlich ist es so weit, dass ich morgen fahren kann! Die leidige Zahngeschichte hielt mich fast 14 Tage auf und ist doch noch nicht ganz in Ordnung. Ich fahre durch bis Rom, da Pallenberg bald weg will. Leider ist grade das Faschistenfest und alles wird übervoll sein auf der Reise. Zurück fahre ich über Spezia, Genua und Mailand – Simplon Bern – Zürich Lindau und möchte in Hegge [dem Wohnort Grafs einige Kilometer südlich von Kempten] einen Zug überspringen, um dich und die deinen geschwind zu begrüßen. Das wäre so nach dem 1. Dezember etwa, wenn alles gut geht. [/] Ich habe ja gar keine rechte Freude an dieser Italienreise. Meiner armen Frau ihr Wunsch war, Italien zusehen und ich hätte es ihr so gerne gezeigt. Dann kann man auch mit den mageren Devisen keine Sprünge machen. Geht man in Museen, so ist man zu rasch mit dem Geld fertig und in den Hotels noch rascher. 200 M. für den Monat sind sehr weAbb. 76 | Ansichtskarte Doerners an Graf aus Forti dei Marmi am 17.11.1932

nig, nach der Schweiz sind 700 erlaubt. Nun ja, man muss halt manchen Fresko dann nur von aussen ansehen! Herzlich grüsst dich und die deinen – den Herrn Major natürlich besonders – dein Max Doerner. Es freute mich herzlich, dass es E[rnst] W[ürtenberger] besser geht. Einmal in Rom, sehnt sich Doerner nach der Ruhe eines stillen Küstenortes: Max Doerner (Rom) an Wilhelm Graf (Kempten) am 13.11.1932 Allerseelen Lieber Graf! Endlich ist hier schönes Wetter, aber auch in der Sonne kühl und Nachts erbärmlich kalt. Da heizt man halt mit Wein und Frascati und Genzano haben noch immer gute Tropfen. Hier ist es ein unglaubliches Leben und es heisst, sehr Obacht geben auf die Autos. Ich habe schon viel Studien auf dem Forum und in Galerien [gemacht] und gehe nun bald in irgend ein kleines Nest am Meer um auszuruhen und den Geldbeutel zu schonen. Schade, dass du nicht hier bist, zu zweit wäre alles noch schöner. Herzlich grüsst dich und die deinen dein Max Doerner An der ligurischen Küste mietet sich Doerner in dem mondänen Ort Forte dei Marmi (Abb. 76) ein, der damals bei vielen Künstlern ob der landschaftlichen Reize der Versilia gefragt war. Das nahe Meer und die dahinterliegenden Berge der Apuanischen Alpen mit ihren Marmorbrüchen ziehen nicht nur Schriftsteller wie Thomas Mann an, der 1926 hier weilte, sondern auch Maler wie Lovis Corinth. Vor allem jedoch ist es der von Doerner bewunderte Arnold Böcklin, welcher ab 1892 immer wieder in diesem Küstenort Erholung suchte. Max Doerner (Forte dei Marmi) an Wilhelm Graf (Kempten) am 17.11.1932 Lieber Graf. Hier habe ich es sehr gut getroffen, Ich wohne bei deutschen Freunden Pallenbergs direct am Meer. Es ist gutes 297

Wetter, aber doch sehr kühl und früh immer starker Reif. In Wessling war es oft noch wärmer um diese Zeit. Ich bin froh, den Trattorien entronnen zu sein! Da hat sich viel geändert[.] Denke dir, Du bekommst einen ganz miserablen grünen Insalata in einem Suppenteller und angemacht mit viel Essig, fast ohne Öl. Nun überall! Wo sind die schönen Zeiten geblieben? Herzlich grüsst Dich und die deinen dein Max. Ich komme dann am 1. durch Kempten Die Karten Doerners an Graf sind von Wehmut durchzogen, ein anderes, ein verändertes Italien wiedergefunden zu haben. Das schlechte Wetter, die feuchten Unterkünfte, ja die falsche Jahreszeit für eine Reise nach Italien setzen Doerner zu: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) am 06.12.1932 Lieber Graf! Deine Karte ist meiner Absicht, dir zu schreiben, zuvorgekommen. Ich bin Montag mit dem Abendzug durch Hegge gekommen. Da war es zu spät, dich noch zu überraschen. Die letzte Zeit in Italien war nicht besser als hier, neblig und regnerisch bis an den Simplon. Drüben im Wallis war es besser, da konnte ich aber nur mehr zwei Tage bleiben und dann war ich noch über Nacht in Pratteln bei Basel, wo mich Univ. Prof[essor] Gelpke untersuchte. Von Bern an war Nebel wie drüben in Italien bis an den Bodensee. [/] Das Italien, wie wir es kannten, gibts nicht mehr. Vielleicht, dass sich irgendwo in einem Winkel noch so eine alte Trattoria erhalten hat. Es ist wie bei uns auch, alles anders geworden und dazu recht teuer. Ich war darum froh, dass ich am Meer in Forte dei Marmi bei einer mit Pallenberg befreundeten deutschen Familie sein konnte. Da war es sehr nett, bis auf das Wetter. Es ist eben auch in Italien Winter und Schnupfen auch Rheuma kann man sich dort noch viel besser holen als bei uns. Herzlich grüsst dich und die ganze Familie dein Max Doerner. 298

Im Februar 1933 schließt Doerner endlich seine Arbeiten zur Neuauflage seines Buches ab, die nach der Trennung von seinem jüdischen Verleger Benjamin Harz* im Ferdinand Enke Verlag erscheinen soll. Außer diesem Hinweis ist in der Korrespondenz Doerners von den politischen Umwälzungen dieser Tage nichts zu spüren. Doerner schreibt nur zwei Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler aus München: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Kempten) an 01.02.1933 Lieber Graf! Ich danke dir herzlich für deine Karte und freue mich, dass die zweite Nachricht über Ernst besser war als die erste. Wenn ich dir längere Zeit nicht antwortete, kam das davon, dass ich äusserst angestrengt arbeiten musste, um die IV. Auflage meines Buches im Abb. 77 | Lina und Ernst Würtenberger in Text zu vollenden, was eben Karlsruhe, 1931 heute geschah. Dabei bin ich sehr übel dran […] Also, du siehst, ich bin beschäftigt und habe zu tun mehr als mir lieb ist. Ich hoffe immer, du kommst eines Morgens zu mir. Herzlich grüsst dich, deine Frau, Frl. Wilhelmine und „Ihn“, den Herrn Major, der wohl schon ein Skimeister ist. Dein Max Doerner. Aufenthalte in den Kurkliniken von Bad Wiessee gehören ab 1933 zum Alltag. Doerner vermerkt stolz, daß vier seiner Schüler Professuren verliehen bekommen. Es sind Adolf Ziegler, Kurt

Wehlte, Siegfried Czerny-Heidelberg und Georg Siebert*: Daß alle vier lupenreine Nationalsozialisten sind und ihre Professuren einzig – Wehlte sei ausgenommen – diesem Umstand verdanken, stößt auf sein stilles Einverständnis. Doerners Unterstützung für CzernyHeidelberg, der in Konflikten mit dem Redaktionsteam der Technischen Mitteilungen steckt, läßt große Nähe spüren. Sein Dissens mit der Alten Pinakothek in Fragen der Restaurierung ist weiteres Thema: Max Doerner (München) an Ernst Würtenberger (Karlsruhe) am 25.10.1933 Lieber Ernst! [/] Eben erfahre ich durch Professor Czerny – H[eidelberg] dass du deinen 65. Geburtstag feiertest. Da möchte ich dir doch noch nachträglich herzlich gratulieren. Ich hörte vom Graf, dass du zeitweilig recht übel gesundheitlich dran warst, aber dass es dir nun glücklicherweise wieder gut geht und freute mich darüber. Ich habe auch schwere Zeiten durchgemacht und fiel von einer Krankheit in die andere. Nun scheint mir die Kur in Wiessee am Tegernsee Besserung gebracht zu haben. Mein Freund und Schüler Czerny Heidelberg wird dir allerhand erzählen können, wie es hier zugeht. Leider hat man ihm hier bös mitgespielt. Er ist ein grundehrlicher und anständiger Mensch, den ich sehr schätze. Nun höre ich von ihm, dass auch ein zweiter Schüler von mir in Karlsruhe angestellt ist: Prof[essor] Siebert. Das ist der vierte meiner Schüler, der in diesem Monat an einer Akademie angestellt wurde. Ich wünsche sehr, dass wir uns bald einmal wiedersehen könnten. Die schönen Tage in Karlsruhe, wo du und deine Frau [(Abb. 77)] mir den Aufenthalt so angenehm machten, habe ich nicht vergessen. Ich habe hier viele Kämpfe um die Konservierung an den Galerien durchzusetzen und die Kunsthistoriker sind mir gar nicht grün. Du würdest mir eine große Freude machen, wenn du mir einmal schreiben würdest. Dich und deine Frau grüßt herzlichst dein Max Doerner 300

Czerny-Heidelberg hat zu diesem Zeitpunkt gerade einen Lehrauftrag für Bildnismalerei und Maltechnik an der Kunstakademie Karlsruhe übernommen, der mit einer Titularprofessur verbunden war. Siebert erhält ebenfalls zum Wintersemester 1933/34 einen mit einer Titularprofessur verbundenen Lehrauftrag für figürliches Zeichnen in Karlsruhe. Erst Anfang der 1940er Jahre bekommen beide eine ordentliche Professur. Die von Siebert in dieser Zeit gewählten Motive sind innerhalb eines Themenbereichs angesiedelt, der sich mit Krieg, Arbeit und Heimat umschreiben läßt. Seine altmeisterliche Malerei, der er sich als „Volksmaler“ verpflichtet sieht, bedient die Anforderungen der neuen Zeit und markiert einen grundlegenden Wandel an der Kunsthochschule in Karlsruhe. Diesem Wandel fallen Künstler wie Georg Scholz oder Karl Hubbuch zum Opfer. Sie werden im Juli 1933 fristlos entlassen. Doerners Freund Würtenberger dagegen scheidet altersbedingt aus und verstirbt wenige Monate später. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 07.02.1934 Lieber Graf. Eben erhalte ich von meinem Schüler Czerny, der Abb. 78 | Ansichtskarte Doerners an Graf aus Bad Wiessee am 25.04.1934

Abb. 79 | Kuraufenthalt in Bad Wiessee, vermutlich 1934

Professor an der Akad[emie] Karlsruhe ist, die Todesnachricht von Ernst Würtenberger. Er sei nach masslos schmerzhaftem Leiden […] gestorben am 6.II.34.74 Er hat noch vor einem Monat lebhaft und angeregt mit meinen drei Schülern dort an der Akademie gesprochen und wollte mir und außerdem über mein Buch schreiben. Es ist schade um ihn und um sein großes Können. Ich denke daran, was wir alles zusammen erlebten und wie im Leben der Weg immer einsamer wird. Furchtbar, dass er so leiden musste! [/] Du warst einmal bei mir. Ich hatte grade die Sitzung an der Akademie […] Herzlich grüsst dich wie die deinen Dein Freund Max Doerner Doerners Gesundheitszustand zwingt ihn im April 1934 zu einem erneuten Klinikaufenthalt in Bad Wiessee (Abb. 78 und 79): Max Doerner (Bad Wiessee) an Wilhelm Graf (München) am 25.04.1934 Bad Wiessee, Haus Marinus, 25.IV.34. Lieber Graf! Die erste 302

Zeit hier steht unter dem Zeichen der Reaction, man ist ganz kaputt und erledigt. Jetzt geht es hoffentlich aufwärts. Aber es ist nach den warmen Tagen empfindlich kalt. Es wäre nett, wenn du mich besuchen würdest. 9 [Uhr] 10 vom Holzkirchner Bahnhof, in Gmund in das Postauto umsteigen Pension Rose verlangen. Da würde ich dich erwarten. Aber bitte, vorher schreiben und nicht am kommenden Sonntag. Da kommt X-facher Besuch. Am besten wärs du brächtest die ganze Familie mit! Herzliche Grüße ans ganze Haus dein Max Doerner Doerner hält viel auf seinen Schüler Toni Roth, der auch in ganz anderem Zusammenhang von Czerny-Heidelberg empfohlen wird.75 Roth ist im Juli 1934 im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege tätig, jedoch als Referent für Schwaben76 viel auf Reisen: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 05.07.1934 Lieber Graf! Ich sprach gestern abend Toni Roth. Er wüsste keinen jungen Mann[,] für den er garantieren könnte. Das ist auch sehr schwer, da die jungen Leute oft sehr unausgeglichen sind in ihren Arbeiten. [/] Aber Toni Roth würde selbst die Sache machen und da kann ich ihn nur empfehlen. Ich sah ganz reizende Landschaften von ihm. Er ist auch ein netter und verträglicher Mensch. Er könnte allerdings immer nur wochenweise kommen, auf einmal bekommt er nicht so viel Urlaub. Ich rate deinem Schwager sehr [unterstrichen] zu Roth, dem ich wieder die Erholung gönne auf die Arbeit am Augsburger Dom. Beide Teile werden zufrieden sein. Die Adresse von Roth ist: Herrmann Lingg Straße 18/IV. Roth ist viel auf Dienstreise, aber seine Frau ist da. Herzlichen Gruß, dir und den deinen, dein Max Doerner Der Kontakt zwischen Roth und dem Schwager Grafs scheint zustande zu kommen, obgleich Roth zu diesem Zeitpunkt mit den Freilegungen und Retouchen im Augsburger Dom befaßt ist. Hier303

für bleibt ihm nur der Zeitraum zwischen Ostern und Dezember 1934, ein in Anbetracht der weitreichenden Eingriffe außerordentlich knapper Zeitrahmen von rund acht Monaten für eine umfassende Maßnahme, an der zeitweise über 100 Mann arbeiten.77 Doerner erfreut sich für kurze Zeit besserer Gesundheit, ja feiert zusammen mit seinem Stammtisch. Zu diesem gehören neben Doerner Adolf Ziegler,78 Richard Jacobi, seine Frau Frieda Jacobi, Toni Roth, Karl Gerhard, O. Stölzl, der Maler Joseph Damberger, auch der Kunstmaler, Restaurator und Photograph Wilhelm Panzerbieter, Heinrich Hofmeier und Hans Röhm.79 Wie Roth berichtet, war dies ein Stammtisch „mit sehr guten Künstlern. Ich ging sehr oft zu dem Stammtisch und dort wurden mit Prof[essor] Doerner alle fachlichen Dinge besprochen.”80 Dieser Stammtisch im Regensburger Hof war für Doerner Familienersatz: Czerny-Heidelberg berichtet im Nachruf, daß „man dann abends am Stammtisch Doerners in einer Wirtschaft an ungedecktem Tisch – wie es nur in München möglich ist und hoffentlich nie aufhört – zusammen[kam]. Der Kreis der Ständigen ortsansässigen oder von auswärts gekommenen Tischgenossen war eine Art Familie Doerners, da fühlte er sich wohl unter Gleichgesinnten und – im guten Sinn – Unruhigen, die ja doch immer allein den Fortschritt bringen. Hier war er munter, und es gab Abende, an denen über nichts weniger gesprochen wurde wie über Maltechnik!“81 Offenkundig steht Doerner weiter in Kontakt mit Kromer, der ihm sein gerade in Leipzig erschienenes Buch „Von Schelmen und braven Leuten. Ein Anekdotenbuch“, illustriert von Egon Pruggmayer, zusendet. Parallel zu dieser harmlosen Lektüre stellt Doerner, ohne sich wohl über die Reichweite der Entwicklung ganz im Klaren zu sein, die entscheidenden Weichen für eine „Deutsche maltechnische Anstalt“. Die in der Karte an Graf gewählte Formulierung läßt auch hier vermuten, daß Doerner das von ihm erbetene Gutachten zu einer derartigen Anstalt als „wenig erwünschte Ferienaufgabe“ sieht. Ähnlich äußert er sich auch gegenüber einem Besucher, der 304

sich erinnert, daß Doerner, „damals körperlich stark herunten“, ihm erzählt habe, daß man ihm „die Einrichtung des Instituts für Maltechnik aufbürde“, obgleich sein Gesundheitszustand dies eigentlich nicht mehr erlaube.82 Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (Konstanz) am 14.08.1934 Lieber Graf! Es tat mir leid, dass du mehrmals vergeblich bei mir warst. Ich war meist in Wessling und der Stammtisch feierte bei mir 12 Mann hoch das „Grünsinker Fest“ [eine Wallfahrt nahe Weßling83]. Da gab es allerhand vorzubereiten. Ich traf Herrn Roth, der bereits zweimal bei Herrn Hindelang84 war. Ich hoffe, dass beide Herren miteinander zufrieden sein werden. Roth sagt, es sei ein gutes Fresko in Steingaden aufzudecken. [/] Hier ist auch meist gutes Wetter und ich kann mir wohl denken, dass Abb. 80 | Max Doerners Vorlesungsmanuskript vom WS 1934/35

es Dir wieder am See gefällt. Hast du Herrn Kromer getroffen? Wenn du ihn siehst grüsse ihn, ich lese grade in Wessling sein neues Buch. Ich habe allerhand weniger erwünschte Ferienaufgaben in Gestalt von Gutachten u.s.w. Heute bin ich in München, um nachher die Fische im Gröbenbach zu beunruhigen, hoffentlich mit Erfolg. [/] Herzlichst grüsst Dich und die Deinen dein Max Doerner. Anfang September 1934 sind die Weichen für die Gründung eines maltechnischen Instituts gestellt, die Vorlesungen für das Winter­ semester 1934/35 sind vorbereitet (Abb. 80), doch Doerner erkrankt erneut schwer – ein Zustand, der sich bis weit in den Spätsommer 1935 hinzieht. Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (München) am 11.04.1935 Tegernsee, Krankenhaus. Samstag 11.4.35. Ich bin hier zum zweitenmale operiert […] Ich bin in sehr guter Pflege. Aber gut 8 Tage dauert es, bis der tiefe Schnitt heilt. Die Sache wäre bei einem Haar recht schlimm geworden. Herzlich grüsst Dich und die Deinen, Dein Max Doerner. Heil Hitler Diese wenige Tage nach Doerners 65stem Geburtstag geschriebene Karte – Doerner muß seinen Geburtstag in der Klinik verbracht haben – beschreibt einen anderen als den „jugendliche[n] 65er in voller Schaffenskraft“, wie es anläßlich seines Geburtstages in der Lokalpresse heißt.85 Und Besserung ist nicht in Sicht, Graf erhält Karte um Karte mit neuen Hiobsbotschaften: Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (München) am 22.05.1935. Lieber Graf! Mit dem Weg der Besserung ists sehr müde [Lesart unsicher]. Ich wurde viermal operiert, einmal sehr gefährlich, liege seitdem im Bett, verbunden und mit großen Schmerzen. 306

Dabei werde ich täglich vorgenommen zu äusserst schmerzhafter Behandlung. Es ist eben besser als es in dem kritischen Zustand war, wo ich nicht mehr glaubte, am Leben zu bleiben vor Elend und Schmerzen. Ich bin sehr müde. Die ewigen Schmerzen setzen mir sehr zu. Dir und deine Frau und den Herrn Sohn dein M.D. PS: ich kann selten schreiben. Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (München) am 09.07.1935 Lieber Graf. Ich hoffte dir bald mitteilen zu können, dass ich entlassen werde – stattdessen ist morgen die 5. Operation […]. Ich bin dabei sehr erkältet […]. Ich bitte Dich, komme – falls du kommen willst, nicht jetzt gleich, sondern erst etwa nächster Woche, wenn du noch in M[ünchen] bist. Ich vergass ja ganz, dass die Ferien kommen. Herzlich grüsst dich, deine Frau und den Pimpf [Grafs Sohn Alexander ist in der Hitlerjugend], dein Freund Max Doerner. Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (München) am 21.7.1935 Lieber Freund Graf! Ich glaubte, Dir bald melden zu können, dass ich hier entlassen werde und dass ich dich vor deiner Nordlandreise in München besuchen könnte. Nun höre ich, dass ich zumindest noch 3 Wochen hier sein muss zur richtigen Ausheilung. Da kann man leider nichts machen. Ich möchte dir noch herzlichst danken für deine kostbare Gabe und dafür, dass du sie an dem heissen Tage noch selber herausgetragen hast. Alle beiden Weine sind ein wahrer Genuss und ich könnte nicht sagen, welcher besser ist – es ist wie bei Schiller und Göthe – immer froh, dass wir zwei solche Kerle hatten. Aber ich bitte dich doch, mir keinen Wein mehr zu schicken. Ich trinke ihn in ganz kleinen Quantitäten, so dass er lange vorhält und Völlerei darf ich hier nicht betreiben. Herzlichst grüsst Dich, deine Frau und den Pimpf, Max Doerner 307

Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (München) am 27.07.1935 Lieber Graf! Du bist falsch unterrichtet worden, wenn du glaubst, ich käme so bald nach Wessling. Vermutlich von Gerhard, denn der schrieb heute, dass er meine Karte falsch gelesen habe und mich zu bald erwartet habe. Es geht so langsam aufwärts, die grosse Wunde heilt gut, die Narben haben sich verbessert „direct schön“ nach Meinung des Arztes. Ich bin also reif für eine Schönheitskonkurrenz. Auch die neue Wunde heilt gut, aber es dauert seine Zeit und darüber wird es Herbst. Ich grüsse dich und deine Frau wie den Pimpf herzlich und bitte, auch deine Tochter zu grüssen. Ich wünsche recht gutes Wetter, Alles andre gibt sich von selber. Dein Max Doerner Max Doerner (Tegernsee) an Wilhelm Graf (Rostock) am 08.08.1935 Lieber Freund Graf! Eben kam Deine Karte und traf mich noch am alten Platz, den Du ja auch genügsam kennst. Hast Du nun das Kaiser Friedrichmuseum auch gesehen und den Pergamonaltar und die Nofretete? Ich warte voller Ungeduld auf den Tag, wo ich hier loskomme. Aber gestern war es ein Vierteljahr, dass ich hier bin. Noch ist die Wunde am Rücken nicht geschlossen. Die grosse Genickwunde heilt gut. Jetzt kommt es erst heraus, wie wenig Hoffnung meine Freunde, aber auch die Ärzte noch hatten für mich. Es wird Dir wohl sehr gefallen droben an der Ostsee und nun wirst du auch gutes Wetter haben. Mache doch rasch eine Meerfahrt nach Kopenhagen! Ich danke deiner Tochter für ihre Zeilen und freue mich[,] dass die Bilder ihren Zweck erfüllen. Ist etwas dabei aus dem Allgäu? Dass der Pimpf sich da wohl fühlt kann ich mir denken. Für einen frischen Hitlerjungen ists doch eine Freude, so durchs ganze Vaterland zu fahren. Schau dir Lübeck an, das ist ganz nahebei – von hier aus gesehen. Aber dann müsstest du Hamburg und Kassel mit seinen Rembrandts auch sehen. Herzlich grüsst Dich, deine Frau, deine 308

Tochter und deinen Schwiegersohn wie den Pimpf, dein Max Doerner Gräff und Eibner sind gestorben, die Versuchsanstalt aufgelöst, die hochgreifenden Pläne für ein neues Institut stecken im Kompetenzgerangel zwischen Akademie und Technischer Hochschule, zwischen München und Berlin. Scheinbar unauflösbare Verzögerungen – und der Gesundheitszustand von Doerner verschlechtert sich weiter: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 10.01.1936 Lieber Graf! Leider hast du es gestern schlecht getroffen, da gerade der Arzt da war. Ich möchte dir mitteilen, dass du Dienstag [unterstrichen] und Freitag [unterstrichen] möglichst nicht zu mir kommen möchtest. Da sind meine Vortragstage. Ich muss an denen erst für den Vortrag arbeiten und mich dann ruhig hinlegen, sonst kann ichs nicht machen. Donnerstag [unterstrichen] früh bin ich in der alten Pinakothek aber ab ½ 12 gewöhnlich schon daheim. Die Erkältung habe ich nicht angebracht, aber dafür kommen […] immer neue böse Dinge, gerade wenn ich glaubte, es sei nun alles vorbei. Der Rostocker Kümmel ist mein Trost. Herzlich grüsst dich, deine Frau und den Herrn Pimpf dein Max Doerner PS: Morgen, Samstag, muss ich aufs Steueramt, hoffe aber, bis ½ 12 daheim sein zu können. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 26.01.1936 Lieber Graf! Die Stimme, die du hörtest, war die des Arztes. Er war heute bei mir, während ich die letzten 14 Tage zu ihm kam. Aber gestern ging es mir schlecht […] Meine treue Frau Schuster hat schwer zu leiden […] Nun hat sie noch dazu den Star auf beiden Augen und wird in 8 Tagen operiert. Ich hoffe, es geht dir und den Deinen gut. Herzlich grüssend. Dein Max Doerner Heil Hitler 26.I.36 309

Ende 1936 hält Doerner die Jugenderinnerungen Würtenbergers,86 die gerade posthum erschienen sind, in den Händen. Die Passagen Würtenbergers, in denen er von Doerner, vom gemeinsamen Kopieren, aber auch von durchlebten künstlerischen Krisen schreibt, finden ihren Widerhall in Doerners Dankbarkeit für die Stunden mit dem langjährigen Freund, auch für Würtenbergers finanzielle Unterstützung in schwierigen Zeiten: Max Doerner (München) an Line Würtenberger (Karlsruhe) an Allerheiligen 01.11.1936 Liebe Frau Professor Würtenberger! [/] Mit herzlichem Dank und wehmütiger Freude empfing ich das Buch von Ernst. Da ich auf dem Lande gewesen war, traf es sich gerade, dass ich an seinem Geburtstag die Kapitel über seine Kindheit noch am Abend lesen konnte. Ich musste am nächsten Morgen auf eine mehrtägige Reise ins Allgäu, um Freskobilder zu begutachten. Aber ich kam nicht los von dem Buche und leuchtend stand die Jugendzeit wieder vor mir, die Tage, wo wir beide miteinander strebten und probierten und uns freuten, wenn wir Neuland errungen hatten. Ernst war mir ein treuer Freund und hat oft genug selber gedarbt, um meine Not zu lindern. Wie oft habe ich es bedauert, ihn mit dem [„]Thronfolger[“] auf falsche Bahn gedrängt zu haben. Aber Irren ist eben menschlich und ich riet nach bestem Wissen. Freund Graf besuchte mich dieser Tage und wir liessen die alte Zeit in unseren Gesprächen neu erstehen und sprachen von Ernst. Als ich in Stuttgart vor Grünewalds [„] Stuppacher Madonna[“] von Ernst nach froh verlebten Tagen Abschied nahm, ahnte ich nicht, dass wir uns nimmer sehen sollten. Inzwischen habe ich schwere Krankheit durchgemacht und es schien, als würde ich sie nicht überstehen können. Ich habe die Altersgrenze überschritten, erfülle aber meinen Beruf noch solange es geht. Ich hoffe, dass es Ihnen und ihren Kindern gut geht und ich wünsche ihnen herzlich, dass sie rechte Freude an ihnen erleben. Mit bestem Gruß und Dank ihr Max Doerner 310

Doerner ist durchaus bewußt, daß sich sein und Würtenbergers künstlerischer Weg anläßlich Würtenbergers zweiten Münchner Aufenthalts – der ungefähr auf 1898 zu datieren ist – ein Stück weit getrennt hat. In Rückblick bedauert er dies und die Gründe hierfür sind ihm gegenwärtig: Nach dem Abschluß seiner Meisterklasse in Karlsruhe kehrt Würtenberger nach München zurück. In seinem Atelier in der Zieblandstraße mit Blick auf den Nordfriedhof entsteht eine sorgsam konzeptionell erarbeitete Komposition, der „Thronfolger“87. Eines Tages kommt Doerner zu Besuch und kritisiert das vor einen durchgängigen dunklen Grund gestellte Halbfigurenbild als kompositorisch mißlungen. „Und da er es von früher her gewohnt war, nahm er [also Doerner] meine Palette, mischte einen tiefen, rotbraunen Ton […] und ließ das ganze Bild ein.“ Würtenberger sieht sich um das über Monate „erhoffte Resultat gebracht“, ja bezeichnet das Bild als „Wechselbalg“. Selbstkritisch schreibt er in seinen Erinnerungen den Ausgang des Geschehens seiner „eigenen Unsicherheit und Widerstandslosigkeit“ zu, meint in München und vielleicht auch bei seinem Freund Doerner „nicht im geringsten Verständnis für meine künstlerischen Ziele“ gefunden zu haben. Würtenberger verläßt deshalb München.88 Im Herbst 1937 – das neue Institut ist gegründet und hat erfolgreich seine Arbeit aufgenommen – verschlechtert sich Doerners Gesundheitszustand erneut: Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 18.11.1937 Lieber Graf! Herzlichen Dank für Grusskarte und Spende. Mir geht es noch recht schlecht. Es darf niemand zu mir. Der Husten muss erst untersucht werden […] Ich bin ganz kaputt. Ich kann nicht schreiben oder lesen, du siehst es an meiner Schrift. Ich danke dir inzwischen herzlich, Dein Freund Max Doerner

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Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 24.11.1937 Lieber Freund Graf! Du und deine Frau haben mich neulich so reich beschenkt, dass ich mich schäme, Dir noch immer nicht geantwortet zu haben. Aber gerade das Schreiben fiel mir schwer und oft entstand ein Durcheinander von Buchstaben, das ich selber nicht mehr lesen konnte. Ich glaubte, tagelang irgendwo in Afrika zu sein und dann wieder in der Arktis und habe jetzt noch zeitweise solche Anwandlungen. Heute gelingt mir zum erstenmal eine Schreiberei und da möchte ich Dir und deiner lieben Frau zu allererst danken für die Sorge um mich. Es waren schwere Tage und sie sind noch nicht vorbei, das fühle ich. Aber es geht hoffentlich aufwärts und wenn ich erst wieder hinaus kann, wirds auch besser. Wenn Langeweile gesund ist, muss ich gesund werden. Herzlichen Gruß an Dich, deine Frau [unleserlich] und Rostock Dein Max Doerner Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 27.11.1937 Lieber Graf! Schon wieder muss ich Dir herzlichst danken für Deine nahrhafte und ausgiebige kostbare Gabe! [/] Es geht mir jetzt besser, so dass ich Abends etwas in den Regensb[urger] Hof gehen kann. Bis es mir aber wirklich wieder gut geht, wird es noch lange dauern. Ich wünsche Dir sehr, dass Du deinen Husten auch rasch anbringst. Dich und die Deinen grüsst herzlich dein Max Doerner Max Doerner (München) an Wilhelm Graf im Dezember 1937 Lieber Graf! Herzlich nehme ich teil an deiner Trauer um die Schwester89. Ich danke Dir für deine Einladung zu Weihnachten. Ich würde am 25ten mittags ½ 1 h zu dir kommen. Hoffentlich macht mir die sehr schwankende Gesundheit keinen Strich durch! Ich grüsse Dich, deine Frau und Alex inzwischen herzlich Dein Max Doerner Heil Hitler 312

Seine gesundheitliche Situation steht unter keinem guten Stern, teilt doch Doerner im Februar 1938 Roth mit, daß „der Arzt [ihm] böse Dinge mitgeteilt“ habe.90 Absagen z. B. zur Durchsicht von Manuskripten, um die Doerner gebeten wird, sind die Folge.91 Fast als ob er es geahnt hätte, läßt sich auch das Frühjahr 1938 schlecht an. Seine körperliche Verfassung ist sogar so, daß Doerner nicht am Richtfest im Institut teilnehmen kann. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf am 11.05.1938 Lieber Freund Graf! Deinen Brief habe ich nun schon einige Tage, aber erst heute kann ich meine Hände wieder so weit gebrauchen, dass ich das Schreiben probieren kann. [/] Das[s] du auch krank warst, tut mir sehr leid. Bei mir kams noch nach langer Steigerung in der Erkältung nach einem Bade zu einer Katastrophe. Ich glaubte kaum mehr, sie überstehen zu können. Ganz besonders freute mich in deinem Briefe die gute Nachricht wegen des Fischwassers, in dem mich dein Schwager fischen lassen will. Jetzt bin ich ja so elend daran, dass ich nicht weiss, wie das je werden soll. [/] Schön wär es, wenn wir Beide wieder mal zusammen fischen können und zu dem Zweck ein paar Tage in Steingaden wohnen würden. Abb. 81| Ernst Würtenberger, „FreundDass geht bei mir aber nur schaftsbildnis mit H. E. Kromer“, 1894 in den Ferien. Ich bitte Dich, deinem Schwager meinen herzlichsten Dank zu sagen. Er hat mir eine ganz außerordentliche Freude gemacht. Hoffentlich werde ich wieder so gesund, dass ich noch einmal die Angel ins Wasser hängen kann. [/] Ich konnte nicht mal zum Richtfest der Anstalt, so übel war ich dran. [/] Dich, deine Frau und

Alex (wie auch Rostock) grüsst herzlich Heil Hitler dein Max Doerner. [/] Kromer versucht die Bilder von Ernst, die der Frau Clara gehörten, zu verkaufen. Die Korrespondenz mit Graf hinterläßt den Eindruck, daß Doerner das Geschehen im Institut nur wenig berührt: Krankheit und der Wunsch zu genesen, nach draußen zu kommen, vielleicht zu fischen, stehen im Vordergrund. Auch in den 1930er Jahren verkauft Kromer wenig und seine schriftstellerische Tätigkeit reicht nicht zum Leben, so daß der inzwischen über 60Jährige sich genötigt sieht, das Freundschaftsbildnis, das Würtenberger 1894 von ihm gemalt hatte (Abb. 81), zu veräußern. Doerner wird diesen Schritt mit Bedauern verfolgt haben: Max Doerner (Weßling) an Wilhelm Graf (München) am 19.05.1938 Lieber Graf! Ich pendle zwischen Wessling und München hin und her, bin meist so dran, dass ich gleich wieder umkehren darf. Ich danke Dir herzlich, dass Du dich bei deinem Schwager so für mich verwandt hast und freue mich darauf, wenn wir zusammen losziehen. Kromer wird, das glaube ich auch, wenig Geschäfte machen, aber er probierts. Er hat dem bad[ischen] Staat das Doppelbild von Ernst und ihm angeboten wohl zu gutem Preis. Ich bin […] übel dran, heute wäre mein Vortragstag, aber das geht nicht. Möglicherweise muss ich aber heute noch zum Arzt, obwohl ich erst gestern dort war. Ich habe mit herzlichem Bedauern gelesen, dass du dir den Husten noch nicht abgewöhnt hast. Mit allen guten Wünschen für Dich und die deinen Dein Max Doerner Heil Hitler Doerners Erkrankung unterbricht immer wieder seine Lehrtätigkeit und verhindert seine Anwesenheit in München. In seinen häufigen Briefen an Roth und Jacobi, krankheitsbedingt zwischen Weßling, München und dem Sanatorium in Glattfelden hin- und 314

hergeschickt, nimmt er wieder am Geschehen im Institut teil. Er fragt nach Besuchern, schlägt vor, Schautafeln zur gerade etablierten Spektralanalyse aufzuhängen, und macht sich über deren, auch für den unkundigen Maler verständlichen Beschriftungen Gedanken, „damit es nicht wie bei Eibner geht“.92 In der Korrespondenz Doerners mit seinen Freunden dagegen spielt das Institut so gut wie keine Rolle. Nur am Rande erwähnt Doerner, daß die sechste Auflage seines Buches erschienen ist, polnische und japanische Ausgaben stehen an. Max Doerner (München) an Wilhelm Graf (München) am 12.10.1938 Lieber Graf! Seit ich Dich nicht mehr gesehen habe, ging es bei mir rapid abwärts. Ich bekam vielerlei Besuche, Pallenberg aus Rom, Geheimrat Probst aus Garmisch, Dr. Gelpke aus der Schweiz waren da. Es hatten mich diese Besuche sehr angestrengt […] Es war zum Verzweifeln. [/] Dr. Murr und Dr. Gelpke kamen überein, ich müsse in ein Krankenhaus oder besser zu Dr. Gelpke nach Glattfelden. Toni Roth bemüht sich gestern den ganzen Tag um Devisen und brachte es tatsächlich fertig, mir Abends 105 Franken zu überbringen. Ich hatte es für unmöglich gehalten, ebenso Dr. Murr. Nun fahre ich morgen früh in Begleitung von Toni Roth nach Lindau und von da mit dem Auto nach Glattfelden und hoffe auf gesundheitliche Besserung. Dir[,] deiner Frau, Alex und in Rostock herzliche Grüsse. Am Lumpentäle [das sog. Lumpental bei Oberstdorf] zehre ich noch in schöner Erinnerung! Ich freue mich, dass wir das zusammen gemacht haben und wünschte, wir täten es noch öfter. Eine neue Auflage meines Buches ist erschienen. Es kommt jetzt auf polnisch und japanisch heraus! Heil Hitler Dein Max Doerner. Mittw[och] Oct[ober] 38 Gelpke, der 1936 seine Praxis aus dem Saastal nach Glattfelden verlegt hat,93 – und dem Doerner die fünfte Auflage seines Buches 315

„in Freundschaft“ widmet94 und der „ein väterlicher Freund und Berater“ war95 – kümmert sich ebenso wie Roth und Graf um die gesundheitlichen, persönlichen und finanziellen Belange Doerners: Max Doerner (Glattfelden bei Zürich) an Wilhelm Graf (München) am 24.10.1938 Lieber Graf! Ich bin gut hier angekommen und gleich ins Bett verpackt worden und liege seitdem den ganzen Tag trotz des schönsten Herbstwetters. Ich bin recht übel dran, schlimmer als voriges Jahr und trotz aufopferndster Pflege wird es nicht leicht sein, meinen Zustand zu bessern. Ich könnte es ja zur Kur zu Haus besser haben als hier. Meine Arbeit wird jedenfalls sehr zurücktreten müssen, wenn ich überhaupt noch welche leisten kann. Sagte ich dir schon von der japanischen Auflage? Toni Roth hat sich meiner sehr angenommen und tut es jetzt noch. Ich freute mich sehr, dass du zur Bahn gekommen bist. Hast Du Herrn Scheuerle getroffen? Hier gäbe es schöne Motive und allgemach Herbstfärbung, aber es wird auch gehörig frisch. Ich fahre hie und da mit dem Auto, denn gehen kann ich gar nicht und darf auch nicht. So gut wie in Steingaden war es mir seitdem nimmer. Herzliche Grüsse Dir und deiner Frau und Alex sowie nach Rostock. Heil Hitler! Dein Max Doerner. Glattfelden Zürich bei Dr. Gelpke 22. Oct[ober] 38 Ein letzter Brief gibt uns einen erschütternden Einblick in den todesnahen Zustand Doerners. Während draußen Ziegler, Roth und Jacobi mit dem sanierten und jetzt voll funktionstüchtigen Institut in der Fachwelt und der Presse Erfolge feiern, verengt sich Doerners Horizont auf das Krankenbett: Max Doerner (Sanatorium Dr. Büdingen, Konstanz (Abb. 82)) an Wilhelm Graf am 28.11.1938 Lieber guter Freund Graf! Du weißt, dass mich die Todesschatten schwer umrauschten und dass Schwester und Ärzte keine 316

drei Pfennige mehr für mein Leben gaben. [/] Es geht mir hier gut, ich fühle die Kur tut gut, wenn es auch sehr schmerzhaft ist, so dürsten zu müssen. [/] Ich bin bald fertig mit deinem Fontane und bitte um einen anderen Band. Gestern war deine Schwester96 da und brachte mir wieder Birnen von jener köstlichen Sorte, wie ich sie bisher nicht kannte. Welche Labsal das für einen Verschmachtenden ist, kannst du dir gar nicht vorstellen. In dieser todesnahen Zeit ging oft mein Leben an mir vorüber und ich würde es dir übers Grab hinaus danken, was du alles an mir getan hast. [/] Ich hätte eine Bitte: Toni Roth macht in selbstloser und wie ich glaube, für ihn verlustreicher Weise alle Dinge, die ich heute nicht machen kann, an Akademie, Finanzamt und Geschäften. Sei du so gut, ich bitte dich, und hilf ihm und mir mit deinem Wissen und Können. [/] So habe ich gestern der Hyp u. Wechselbank geschrieben, dass Toni Roth aus meinem Guthaben […] 2000 Mark abgezweigt werden, über die er nach Rechnungslage neben mir, aber ohne meine Unterschrift verfügen kann. Doch Rechnungen, Finanzamt, Miete x [etc.] werden viel mehr verschlucken. Ich grüsse herzlich deine liebe, gute Frau und Sohn und Tochter. Ob du lesen kannst, was ich schreibe, ist fraglich. Ich bin wie ein dreijähriges Kind, muss gehoben werden Abb. 82 | Sanatorium Dr. Büdingen in Konstanz, 1944

– es gibt Leute, die glauben, ich ginge spazieren. Ach, wenn es so wäre, dahin sind noch Monate. Meine [Kranken]Schwester ist sehr gut, sehr streng, aber das muss sein. Meine Ärzte auch. Ich hätte nur die Bitte, dass deine Frau Schwester mich besucht, damit ich ihr danken kann. In Todesnöten dachte ich dankbar an die schönen Tage in Steingaden. Die Schwester lässt grüssen, sie verehrt dich sehr. Sag es dem alten Herrn Hindelang und dem jungen Paar. Ich bin noch zu müd zum Schreiben. Dein alter Freund Max Doerner

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ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 5 1 2 3

Würtenberger 1936, S. 116 ff. Ebd., S. 136 f. Aus dem Ernst Würtenberger-Archiv Freiburg. 4 Aus dem Nachlaß Heinrich Ernst Kromer, Kreisarchiv Waldshut. 5 NWGraf. 6 Siehe hierzu den Ausstellungskatalog Katalog Glaspalast 1902. 7 Nr. 1390 in Katalog Glaspalast 1902, S. 113. 8 Nr. 1343 bis 1349 in Ebd., S. 110. 9 Ebd., S. 119. 10 Katalog Secession 1902. 11 Ebd., Nr. 191. 12 Ebd., Nr. 194b. 13 Ebd., Nr. 194 „Damenbildnis“ oder Nr. 194a „Frauenkopf im Profil“. 14 Ebd., Nr. 125 „Eine Dame in Schwarz“ oder Nr. 126 „Nora“. 15 Ebd., Nr. 61 „Porträt des Herrn Escudier, Präsident des Conseil Municipal in Paris“. 16 Ebd., Nr. 223 „Bildnis der Schauspielerin Consuelo (Eigentum der Kunsthalle Bremen)“. 17 Ebd., Nr. 176 „Schwäne“. 18 Ebd., Nr. 2 „Porträt von Heinz Rossner (Im Besitz des Herrn Rossner in Zeitz)“. 19 Adolf Hengeler (1863–1927), deutscher Maler und Karikaturist, Studium an der AdbK, seit 1912 dort als Professor tätig. 20 Katalog Secession 1902, dort Nr. 105 „Fräulein K. zu Pferde“. 21 Ebd., Nr. 60 „Abendlandschaft im Frühling“. 22 Ebd., Nr. 70 „Dekoratives Familienportrait“. 23 Ebd., Nr. 68 „Damenbildnis“ oder Nr. 69 „Weibliches Bildnis“, heute unter „Bildnis einer Dame“, BStGS, Inv. Nr. 8259 geführt. 24 Ebd., Nr. 34 „Die Prozession“. 25 Sander 2010, S. 46. 26 Emanuel von Bodman (1874–1946), deutscher Schriftsteller und Dichter. 27 Emil Thoma (1869–1948), Schweizer Maler und Graphiker, Studium ab 1890

an der AdbK. 28 Gerhard Hauptmann (1862–1946), deutscher Dramatiker und Schriftsteller, Nobelpreisträger für Literatur 1912. 29 Freundliche Mitteilung Jürgen Schweier, Kirchheim/Teck vom 02.04.2012. 30 A. Reichle (Konstanz-Allmannsdorf) an RDI am 01.06.1940, ARDI 28, QR. 31 Hans von Marées, „Hesperiden“, 188587, BStGS, Neue Pinakothek München, Inv. Nr. 7854 a-f. 32 Max Doerner, „Herbsttag“, 1912 erworben, BStGS Inv. Nr. 8692. Zu dem Bild, das leider zu den Kriegsverlusten zu rechnen ist, existiert zwar eine ausführliche Inventarbeschreibung, aber keine Abbildung. 33 Würtenberger an MD am 20.11.1912, NMD Briefe/Notizen 1874–1931. 34 Würtenberger an MD am 24.11.1912 (vermutlich unvollständig), NMD Briefe/ Notizen 1874–1931. 35 Hans von Marées, „Rast der Diana“, 1863, BStGS Inv. Nr. 7866. 36 Postkarten eines nicht identifizierten Briefpartners (Berlin) an MD am 24.11.1918 und am 25.08.1918, 07.11.1918 sowie am 16.11.1918; Gedenkkarte für Kurt Eisner von fremder Hand beschriftet unter dem Datum vom 21.02.1919, alle in NMD Briefe/Notizen 1874–1931. 37 Doerner 1923a und 1924. 38 Doerner 1923a, S. 19. 39 Würtenberger o. J. 40 Hans Thoma (1839–1924), deutscher Maler und Graphiker. 41 Karl Michael Valentin von Pidoll zu Quintenbach (1847–1901), österreichischer Maler. 42 Gustav Landauer (1870–1919), Schriftsteller, Kommunist und Exponent der Münchner Räterepublik. 43 Doerner 1921b. 44 Stark 2004, S. 66. 45 Reichsschrifttumkammer an Kromer am 22.11.1940, BArch (ehem. BDC) RK B 0102, 1145 ff.; aus dieser Zeit hat sich

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im selben Konvolut ein aufschlußreicher handschriftlicher Lebenslauf Kromers aus dem Jahr 1937 oder später erhalten. Doerner 1925. Stark 2004, S. 65 f. Maria Ellenrieder (1791–1863), deutsche Malerin, Studium an der AdbK als erste Frau, die aufgenommen wurde, tätig u. a. in Konstanz. Vermutlich Ernst Widmann, eingeschrieben ab WS 1919/20 in der Zeichenklasse von Hermann Groeber an der AdbK unter der Matrikelnummer 05793 Ernst Widmann, Matrikelbuch 1884–1920, http:// matrikel.adbk.de/05ordner/mb_18841920/jahr_1919/matrikel-05793, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. Wilhelm Hummel (1872–1939), Schweizer Maler, Zeichner und Graphiker, lehrend tätig an der Zürcher Kunstgewerbeschule 1921 bis 1927, siehe auch http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen. aspx?id=4025478, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. MD an Dörnhöffer am 21.12.1918, ARDI 39, 6. Anon. 1932a. Schmincke an RDI am 29.09.1938, ARDI 56, 6. ARDI 38. Darunter auch Roßmann 1933b. Plinius zur Enkaustik in lib. 31 c. 41, übersetzt als „eine auf der Wand ungebräuchliche Technik“. KW an MD am 12.06.1928, ARDI 51,4. Der Syndikus der AdbK an MD am 20.02.1928, ARDI 51, 4. Sachs 1927. KW (Dresden) an MD am 12.06.1928, ARDI 51, 4. Wehlte 1928. Würtenberger 1925. Freundliche Mitteilung Simone Sander vom 19.06.2013. Die letzte Fassung von 1930 befindet sich heute in Privatbesitz. Doerner 1930a, spätere Urteile zum ULeim siehe Anon. 1931c, ARDI 26, U. Würtenberger 1934. Felix Hollenberg (1868–1945), deutscher Maler und Graphiker.

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67 Hollenberg an MD am 25.12.1930 nebst umfangreichen Notizen MDs in ARDI 39, 2. 68 Möglicherweise Reichsgerichtsrat Alois Zeiler (Leizig), siehe Korrespondenz aus den Jahren 1938/39 zwischen Zeiler und Graf im NWGraf. 69 Der PA Frederike (Frieda) Keppler an der AdbK ist nicht mehr existent. Keppler genoß ihre Ausbildung vermutlich an einer der zahlreichen Privatschulen Münchens, da ihr als Frau der Zugang auf die AkdB verschlossen war. 70 Undatierte Briefe Frieda Kepplers im NMD Briefe/Notizen ohne Datum. 71 Der Autor dankt Melanie Eibl und Willihard Kolbinger für die Transkription der Briefe Frieda Kepplers. 72 Möglicherweise Kopie nach einer „Kopfstudie einer alten Frau“ von Peter P. Rubens, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. 333. 73 Thierolf 1994, S. 28 f. 74 Richtig am 05.02.1934. 75 Czerny-Heidelberg an MD am 15.04.1934, ARDI 29, 8. 76 TRs Zuständigkeit für Schwaben seit ca. 1930, siehe TR und Marxmüller an Lill am 27.8.1930, PA Toni Roth, HStAM MK 60574. 77 Kiener 1934; siehe auch Huber 1996, S. 51 f.; Lill 1935, S. 71. 78 Stellungnahme TRs zu eidesstattlicher Erklärung Kieners vom 15.01.1949, hier S. IV, Punkt 12, NTR, Schriftverkehr 1949. 79 NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 559, 539, 574 und 577 und Karte MDs zum Richtfest o. D. in ARDI 44, 1. 80 Stellungnahme TRs zu eidesstattlicher Erklärung Kieners vom 15.01.1949, hier S. IV, Punkt 12, NTR, Schriftverkehr 1949. 81 Czerny 1939, S. 36. 82 A. Zeiler an Wilhelm Graf am 11.11.1938, NWGraf. 83 Freundliche Mitteilung Erich Rüba (Weßling) vom 15.02.2015. 84 Der Käsefabrikant Hindelang (Steingaden) war ein Sammler von Bildern

Doerners, NWGraf. 85 Anon. 1935c. 86 Würtenberger 1936. 87 Heute Städtische Wessenberg-Galerie, Konstanz. 88 Würtenberger 1936, S. 165 f. 89 Henrike Graf (–Dezember 1937). 90 MD an TR am 27.02.1938, ARDI 58, 4. 91 Ebenso erwähnt in TR an Arthur Mühl-

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berg (Leipzig) am 11.12.1937, ARDI 26, M. MD (Glattfelden) an TR am 25.10.1938, ARDI 55, 2. Thierolf 1994, S. 31 f. So die Widmung in Gelpkes Exemplar von Doerner 1936 (in Privatbesitz). Thierolf 1994, S. 29. Sophie Conrad, geb. Graf (–02.12.1943).

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DAS DOERNER-INSTITUT VON 1939 BIS 1941

Max Doerner verstirbt (Abb. 83). Sein Tod ändert alles. Roth, der bereits im April 1939 in der Nachfolge Doerners zum außerordentlichen Professor ernannt wird, hält ab Wintersemester 1939/40 Vorlesungen über „Malmaterialien und ihre Verwendung im Bilde“1. Roths Ernennung stößt allerdings auf den heftigen Widerstand Zieglers. Josef Bernhart erinnert sich, daß die Akademie „diesen Antrag [auf Ernennung] ohne jede Beeinflussung durch Partei oder Parteifunktionäre gestellt [habe], auf Vorschlag des Professors Dörner war Roth längst zu dessen Nachfolger ausersehen. Insbesondere hat Ziegler auf diesen Antrag keinen Einfluß gehabt.“2 Roth wiederum stellt die Geschichte so dar, daß „es […] Doerners Wunsch [gewesen sei], daß ich Leiter des Institutes werden sollte […] durch das Eingreifen des Herrn Geheimrat Bestelmeyer bekam ich […] den Lehrstuhl [Doerners] als sein Nachfolger an der Akademie […] Täglich gedenke ich an Döerner und ich bin froh, daß er [Zieglers] Intrigen nicht erleben mußte. Ich habe 25 Jahre mit Doerner gearbeitet. Ich habe Freud und Leid mit ihm geteilt.“ Roth schreibt weiter, „daß […] eben auch behauptet [würde,] ich hätte die Stelle an der Akademie durch Ziegler beAbb. 83 | Totenmaske Doerners kommen.“3 Wenig überraschend äußert der 1949 als Zeuge im Spruchkammerverfahren gegen Roth verhörte Ziegler, „R[oth sei] alles durch [ihn] geworden. Als Präsident der Reichskammer d[er] b[ildenden] K[ünste] konnte ich die Beurlaubung vom Landesamt bewerkstelligen usw. Gauleiter Wagner hat erst als Kultusminister hinzugezogen werden müssen als R[oth] die Nachfolge Prof[essor] Doerners an der Akademie erhielt.“4 Und wenig später: „Ich hatte ihn

[Roth], nicht Pg.[Parteigenosse,] als Präsident der Reichskammer d[er] b[ildenden] K[ünste] von seiner Tätigkeit im Landesamt für Denkmalpflege beurlauben, ihn von Hitler zum Professor ernennen lassen, als Künstler befördert, und ihm die Leitung der maltechnischen Abteilung am Doernerinstitut gegeben und, gebunden an mein Prof[essor] Doerner gegebenes Wort, ihm zu dessen Nachfolge an der Akademie verholfen“.5 Jacobi erwähnt dagegen 1946, es sei der ausgesprochene Wunsch Doerners gewesen, daß Roth nicht nur sein Nachfolger als Leiter des Institutes werde, sondern auch Nachfolger auf seinem Lehrstuhl für Maltechnik. Bestelmeyer habe diesen Wunsch unterstützt und auch durchgesetzt. Ziegler habe jedoch 1939 von Roth eingefordert, daß er die Berufung nicht annehme, ein Ansinnen, das Roth klugerweise unbeantwortet ließ. Darüber habe er, Jacobi, sich jedoch nicht gewundert, „da das Verhältnis zwischen den beiden Herren sehr gespannt war. Vielleicht war es Prof[essor] Ziegler bekannt, dass Prof[essor] Roth sich oft dahin äusserte, es sei haarsträubend, dass ein derartiger Dilettant [wie Ziegler] an der Spitze der Deutschen Kunst stehe.“ Ziegler habe sich in dieser Angelegenheit sogar persönlich zu Kultusminister und Gauleiter Wagner bemüht, erfährt jedoch dort, daß Roth den Ruf zwischenzeitlich angenommen habe. Jacobi schildert, daß „Prof[essor] Ziegler maßlos erbost war“.6 Es ist zu vermuten, daß Roths Zusage Zieglers Absicht im Wege steht, nicht nur im Institut Nachfolger Doerners zu werden, sondern auch die Professur für Maltechnik zu übernehmen. Seine von ihm vermutlich als zweitrangig empfundene Professur für „Unterricht im Malen und Zeichnen vor der Natur“ bzw. später „Lehraufgabe für Zeichen und Malen auf handwerklicher überlieferter Grundlage“ wäre so obsolet geworden. Im Institut nimmt Roth weiterhin die Funktion eines kommissarischen Leiters ein. Er spielt so eine schwierige Doppelrolle, allerdings erwägt das Institut, einen „geeigneten jüngeren Maler“ als Entlastung einzustellen, da Roth mit seinen „Vorlesungen stark in Anspruch genommen ist“. Daß er zu diesem Zeitpunkt erst 40 Jahre alt ist und die Entlastungskraft „zunächst [nur] für eine begrenzte 326

Zeit“ vorgesehen sein soll, läßt aufhorchen: Künden sich hier größere personelle Veränderungen an?7 Die Presse ist voll von Anzeigen und Nachrufen, die des Maltechnikers und Akademieprofessors Max Doerner gedenken. Immer wieder genannt sind zwei Pole im Denken Doerners: „Das Handwerk muß wieder die feste Grundlage der Kunst werden. Anders kommen wir aus dem Chaos nicht heraus“8 und „Konservieren statt restaurieren“. Sein Vermächtnis sehe man vor allem in seinem Buch. Das dort vorangestellte Wort Hitlers sei Bestätigung seiner Lehre.9 Der Nachruf des Völkischen Beobachters bezieht sich neben der Schilderung von Doerners Bemühen, für die „Künstlerschaft […] einwandfreies Material zu schaffen“, auf dessen angebliche Freundschaft mit Arnold Böcklin wie auch mit Hans Thoma. In einem anderen Nachruf wird Doerner in Zusammenhang mit Hermann Urban gestellt, eine Nähe, die er vermutlich wenig goutiert hätte.10 Noch weniger dürfte ihm behagt haben, daß erst „Adolf Ziegler den lang gehegten Wunsch der Stadt der deutschen Kunst“ verwirklicht habe, Doerners Vorstellung zu realisieren, die „künstlerische Praxis mit der Wissenschaft“ zusammenzuführen. Dies sei in Form jenes Institutes geglückt, das Doerners Namen trage. Hervorgehoben wird, daß „eine Reihe von Schülern […] in seinem Sinne an den Akademien [arbeitete …] Seine treuen Schüler werden ihre Dankbarkeit an Max Doerner, der in guten und schlimmen Stunden immer der echte deutsche Mann war, jederzeit beweisen, wenn es gilt, seine geleistete Arbeit zu vertreten und zu verwirklichen.“11 Der Alltag im Institut geht weiter: Während sich Ziegler um die Aufnahme des Doerner-Institutes in den Haushalt der Reichskammer bemüht,12 organisiert Roth für August 1939 in den Räumen der Akademie eine Gedächtnisausstellung (Abb. 84). Roth hatte schon zu Lebzeiten Doerners eine Sonderausstellung in einem Kunstverein geplant, um den weitgehend unbekannten Maler Max Doerner zu zeigen. Er zweifelte allerdings daran, daß Doerner seinen 327

Abb. 84 | Gedächtnisausstellung August 1939

Plänen zustimmen würde.13 Der Impuls für eine Ausstellung nach seinem Tode kommt aus der Familie Doerners. Entsprechend der Machtverhältnisse im „Dritten Reich“ wendet sich die Familie zuerst an Kurt Wehlte und Siegfried Czerny-Heidelberg,14 beide von professoralem Stand und mitten im nationalsozialistischen Beziehungsgeflecht verwurzelt. Czerny vermutet wohl nicht zu Unrecht, daß „die Damen aber auch Wert auf Verkauf“ legen, umfasse der Nachlaß doch rund 400 Bilder.15 Vor allem jedoch weiß er, daß Doerner nur „zu seiner Erholung“ gemalt habe, ja gute Bilder oder gar die gerühmten Kopien, da in Privatbesitz, für eine Ausstellung nur schwer auszuleihen seien. Nachvollziehbarerweise will er deshalb die Oberleitung der Ausstellung in die Hände eines Münchner Künstlers, in die Zieglers oder gar in die von Bestelmeyer legen, der mit „Prof[essor] Doerner befreundet war“. Vor allem treibt ihn die Sorge, daß eine derartige Ausstellung qualitativ enttäuschen und somit Doerner schaden könnte, ein bis heute gültiger Einwand.16 Da die als Wanderausstellung konzipierte Schau auch in Berlin gezeigt werden soll, schalten die Erben zusätzlich Wehlte ein. Dieser wiederum wendet sich umgehend an Roth, verweigert aber am Ende 328

seine Mithilfe ebenso wie Czerny.17 Roth, der Doerner wohl am nächsten stand und sein künstlerisches Werk genau kennt, übernimmt die neue Aufgabe ohne Zögern, fühlt er sich doch Doerner durch „20-jährige Freundschaft“ verbunden. Er beabsichtigt, einen „Querschnitt aus dem Lebenswerk des Verstorbenen“ zu zeigen, stößt jedoch „in diesem Bestreben bei den Erbinnen auf absoluten Widerstand […] da dieselben an einer solchen Nachlaßausstellung völlig uninteressiert waren und lediglich aus dem geerbten Nachlass eine reine Verkaufausstellung machen wollten“. Obgleich es Roth für ausgeschlossen hält, die Leistungen Doerners als „Künstler, Maltechniker und auf dem Gebiet der Konservierung“ umfassend zu würdigen, kommt es am Ende doch zu einer Einigung mit der Familie.18 Die Zeit drängt, noch Ende Juni wendet sich Roth mit der Bitte um Leihgaben an ehemalige Freunde Doerners, darunter Damberger, Graf und Panzerbieter.19 Mit der Akademie einigt sich Roth rasch in der Raumfrage, die Kostenzusage beschränkt sich jedoch auf 14 Tage – also die halbe Laufzeit – für „Beleuchtung, Heizung und Reinigung“, Roth solle „unter Oberaufsicht“ von Ziegler als „Kommissar die Ausstellung durchführen“.20 Die Fülle der Leihgaben ermöglicht eine dichte Hängung in der Ausstellung. Als einziger Leihgeber verweigert sich Hans Röhm (Kempten) – jener Röhm, der auf Empfehlung Doerners bei der Konservierung der Schwindschen Fresken hinzugezogen wird, 21 mit dem Roth aber Schwierigkeiten hat. Den Plakatentwurf für die „Gedächtnisausstellung“ vom 01.08. bis 31.08.1939 liefert Roth selbst.22 An alles ist gedacht: Im Zentrum der Ausstellung steht – so zumindest im Urteil Roths – die „weitaus künstlerisch […] wertvollste […] Führerbüste“ aus der Hand von Bernhard Bleeker, möglicherweise einer der vielen Güsse der Büste, von denen auch die Pinakotheken einen ihr eigen nannte.23 Der Hauptraum ist dem Maltechniker Doerner gewidmet, um seine Totenmaske24 (Abb. 83) gruppieren sich vor allem eigenhändige Kopien nach Alten Meistern. Drei weitere Räume zeigen rund 170 Bilder aus Doerners künstlerischem 329

Abb. 85 | Eröffnung der Gedächtnisausstellung

Schaffen, vorwiegend Landschaften aus dem Umfeld von Weßling, den Alpen und der Gegend um München. Bereits eine Vorbesprechung der Ausstellung drückt die Überraschung aus, hier einen Unbekannten zu entdecken. Dies ist kaum verwunderlich, war doch der Maler Doerner die letzten fünf Jahre auf keiner Ausstellung in München vertreten, einem Zeitraum, der von der mühsamen Konzeptfindung, der Gründung und Einrichtung des Institutes, ersten vielbeachteten Erfolgen über lange Krankheitsjahre bis zu seinem Tode reicht. Die Schilderung hebt darauf ab, wie sehr er in seinen frühen Naturstudien von der französischen Malerei der Zeit beeinflußt war: „Zusammen mit [Hermann] Groeber*, Bürgers und anderen gehörte auch Max Doerner zu den Malern, die die aus Paris kommenden revolutionierenden Anregungen münchnerisch verarbeiteten. Zum Unterschied von Monet, Renoir, Pissarro und anderen französischen Impressionisten spürt man bei diesen Münchner Malern immer die vollblütige gesunde Natur heraus, in der sich durch reiche farbige Klänge etwas von der süddeutschen Lebensart äußert. [/] Der französische Impressionismus ist eine kultivierte, aber müde und schlaffe Kunst. Von einer Malerei des 330

schönen, aber oberflächlichen Scheins, mit welchem Schlagwort der deutsche Impressionismus oft abzutun versucht wird“, könne allerdings bei dem Landschafter Doerner keine Rede sein. „Die Natur, bei Doer­ner als Wald- oder Seelandschaft, erscheint hier nicht in festen, zeichnerisch umschriebenen Formen, sondern im Zusammenklang der durch das Licht gesteigerten Lokaltöne.“ Der Rezensent sieht neben den Landschaften Doerners allerdings „eine Schau von maltechnischen Versuchen“ im Mittelpunkt. Wie er berichtet, „sieht [man] hier Kopien nach berühmten Meisterwerken von Botticelli bis Marées, an denen der Forscher [Doerner] den Aufbau der verschiedenen Malweisen bloßlegte. Seine Totenmaske inmitten feierlichen Lorbeers gibt diesem Raum, der etwas von der persönlichen Werkstätte des Verstorbenen an sich hat, eine besondere Weihe.“25 Auch andere Besprechungen bemühen den Vergleich mit französischen Impressionisten, doch im Gegensatz zu ihnen fügten sich „bei Doerner […] die farbigen Flecken zum süddeutsch empfundenen Bild zusammen, zu einer Neuschöpfung der Landschaft, nicht zu ihrer Auflösung“.26 Vermutlich zur Überraschung aller Gäste ist Ziegler nicht anwesend: Er verreist einen Tag vor der Eröffnung und kommt einen Tag nach dem Ende der Ausstellung wieder.27 An seiner Stelle eröffnet Bestelmeyer die Gedächtnisausstellung.28 Rund um die „Führerbüste“ versammeln sich nicht nur zahlreiche Familienmitglieder Doerners – so die beiden Brüder Hans und Wilhelm 29 –, sondern auch Persönlichkeiten aus Künstlerkreisen, Wissenschaft, Kirche und Politik (Abb. 85). Auf der Liste der Geladenen stehen die Professoren Bernhard Bleeker, Olaf Gulbransson*, Julius Heß, Hermann Kaspar30, Karl Killer, Franz Klemmer, Adolf Schinnerer, Josef Thorak und Josef Wackerle. Neben Dozenten der Akademie sind auch deren Ehrenmitglieder geladen, darunter die Maler Julius Diez, Ludwig Dill, Fritz Erler, Leo Putz, Leo Samberger, Heinrich von Zügel, der Studienfreund Doerners, Joseph Damberger, und Eduard Thöny. Auf der Gästeliste finden sich aber vor allem auch 331

Schüler Doerners wie Siegfried Czerny31, Heinrich Neufang, Kurt Wehlte oder Reinhard Lischka*, die Bildhauer Karl Roth* und die Maler Toni Stadler* und Constantin Gerhardinger, der neue Besitzer der „arisierten“ Münchner Kunsthandlung Heinemann, Friedrich Heinrich Zinckgraf*, Doerners Verleger Ferdinand Enke, die Kunsthistoriker Fritz Haeberlein, Georg Lill und Ernst Buchner sowie andere leitende Persönlichkeiten der Münchner Museumswelt. Nicht fehlen dürfen hohe Behördenvertreter und zugleich Vertreter der NSDAP, neben Gauleiter und Innenminister Adolf Wagner Vertreter des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus wie Staatsrat Ernst Boepple*, dann Reichsminister Rudolf Heß, der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert, Reichsstatthalter General Ritter Franz von Epp, der Münchner Oberbürgermeister Karl Fiehler oder Hitlers Leibphotograph Heinrich Hoffmann*, neben dem Landesleiter der Reichskammer der Bildenden Künste, Jaeger, auch sein Referent für Kunsthandelsfragen, Max Heiß32, sowie der Geschäftsführer der Reichskammer aus Berlin, Reichskultursenator Abb. 86 | Besuch von Olaf Gulbransson in der Gedächtnisausstellung

Walter Hoffmann. Nun, wie immer bei solchen Anlassen, ist die Gästeliste länger als die Liste der Erschienenen,33 aber die Bewunderung für Doerners Lebenswerk wird manche ehemalige Weggefährten und Schüler Doerners wenigstens zum Besuch der Ausstellung bewogen haben. Doch einzig – und vielleicht bezeichnenderweise – vom Besuch Gulbranssons (Abb. 86) hat sich eine Aufnahme erhalten. Roth war mit Gulbransson eng befreundet. Der Kriegsbeginn durchkreuzt alle ursprünglichen Pläne, die Gedächtnisausstellung auch in anderen Städten zu zeigen, einzig einige Pressenotizen und Wehltes ausführliche Besprechung in den Technischen Mitteilungen tragen noch zum Nachruhm Doerners bei.34 Einen großen Leserkreis erreicht Wehlte hierbei über die Leipziger Neuesten Nachrichten, in denen er unter der Überschrift „Gesundung der europäischen Kunst“ über die Ausstellung berichtet. Wehltes Artikel ist ein bemerkenswertes Konglomerat nationalsozialistischer Topoi, welche die Person Doerners als einen Messias in Zeiten der „Verfallskunst“ feiern. Doerners „Missionsarbeit“ – so die Formulierung Wehltes – wird „ohne Ueberheblichkeit als eine gesundend wirkende deutsche Sendung in der Malerei der Gegenwart angesprochen.“ Wehltes Bogen reicht hierbei von der Entstehung der Akademien zur französischen Revolution, in der die „Bindungen der Zünfte und deren strenge handwerkliche Forderungen [fielen]. Der Akademieschüler wurde ‚frei‘. Damit war der Verfall bereits eingeleitet. Er vollzog sich folgerichtig und führte nach einem Verlauf von 100 Jahren bald zur Katastrophe.“ Wehlte beschreibt in der Folge die Trennung von handwerklichen Techniken und die Überschätzung von Begabung, das Aufkommen industrieller Farben und deren Verbesserung, zugleich jedoch „eine Entartung ihrer Anwendung“. Das Überangebot an Künstlern habe zudem zu einer wirtschaftlichen Verelendung geführt, aber ebenso sei die „Fühlung und Verbundenheit mit dem Volk […] beeinträchtigt oder gar unterbrochen“. Erst Böcklin und Thoma – zwei Fixsterne für Doerner – hätten den „Anschluß an alte längst vergessene hand333

werkliche Traditionen“ gesucht. Zweifel von Corinth oder Slevogt an der maltechnischen Entwicklung, die den Künstler immer wieder mit „durch Alterung stark veränderte[n] Werke[n] seiner Hand“ konfrontiere, habe Liebermann mit den „Worten beruhigt: ‚Alle guten Bilder haben Risse‘35“. Doch statt sich in die Entwicklung zu fügen wie der – im übrigen von den Nationalsozialisten verfemte – Liebermann, sei im fernen München ein Max Doerner aufgestanden, „still und von vielen Kollegen verkannt, unermüdlich und voller Zuversicht an der handwerklichen Erziehung des deutschen Künstlernachwuchses“ und habe die Malerei „zum ‚Handwerk‘ der alten Meister“ geführt. „Wir begannen unsere Malgründe im Sinne Dürers oder Tizians, unsere Farben, unsere Malmittel und Firnisse nach alten einfachen Regeln wieder selbst zu bereiten, wenngleich wir sie unseren neuzeitlichen Forderungen entsprechend anwendeten und aus den Techniken der Alten nur das entnahmen, was unserem künstlerischen Weg dienlich erschien.“36 Diesem Doernerschen Vermächtnis fühlen sich alle Schüler, Wehlte wie Roth, ein jeder auf seine Weise, zeitlebens verpflichtet. Das Verhältnis zwischen Roth und den Erben bleibt angespannt: Vermutlich nicht unbegründet, weist Roth darauf hin, daß im Falle eines Verkaufs eines Bildes dieses bis zum Ende der Ausstellung an seinem Ort verbleiben müsse, um ein „würdiges Bild“ der Gedächtnisausstellung zu wahren.37 Verkäufe sind im Hinblick auf die Finanzierung der Ausstellung dringend notwendig, da weder Akademie noch das Institut Kosten über den erwähnten Rahmen hinaus übernehmen können. Möglicherweise schon im Vorgriff auf Verkäufe hatten die Erben unsignierte Bilder mit einem Nachlaßstempel versehen. Roth übergibt diese in seinen Augen unverständliche Tatsache sogar einem Rechtsanwalt,38 ja schaltet den Vertreter der Kammer in München, Landeskulturverwalter Heiss, ein.39 Doch am 29.08.1939 greifen die Kriegsvorbereitungen auf die Ausstellung durch, Roth befürchtet in einer eiligen „Rohrpost“ an die Erben, daß seine beiden Mitarbeiter, Ostenrieder und Niederreuther,40 ein334

gezogen würden und somit nicht als Hilfe bei der Rückrahmung der Leihgaben zur Verfügung stünden.41 Eile ist geboten, die Ausstellung schließt, doch der Ärger endet nicht. Wenige Wochen später läuft eine Forderung der Erben auf Herausgabe aller maltechnischen Studien (Abb. 87) und zusätzAbb. 87 | Max Doerner, maltechnische licher Bilder von Doerner ein – Studie zur Mischtechnik darunter ein Bildnis seiner Frau –, die sich angeblich im Besitz des Institutes befinden sollen.42 Gleichzeitig wenden sich die Erben in offenkundiger Unkenntnis der rechtlichen Zuständigkeiten an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, um nicht nur die Herausgabe der maltechnischen Studien Doerners zu bewirken, sondern auch die Ausgaben für die Ausstellung einzufordern, die alleine ihnen aufgebürdet worden seien. Wie oft nach Todesfällen, wird die Sachlage unübersichtlich: Offenkundig lagern in der Tat nicht nur die maltechnischen Studien im Institut, wohin sie auf Bitte Doerners verbracht wurden – er beabsichtigte aus gesundheitlichen Gründen dort seine Vorlesungen zu halten –, sondern auch der gesamte Inhalt seines Ateliers. Einmal gelingt es den Erben sogar, bis in den Keller vorzudringen, wo sie das vermißte Bildnis finden. Ein Vertreter der Familie sucht sogar seinen Parteigenossen Ziegler mit seinen Forderungen auf Rückgabe auf, wird jedoch von dem schreienden Ziegler des Zimmers verwiesen.43 Das Institut selbst reagiert gelassener und verweist darauf, daß sich nichts aus der Wohnung im Institut befände und daß Doerner „im Laufe der Zeit“ für die Studien eine Entschädigung von 12.000 RM entsprechend monatlich 500 RM bekommen habe.44 Wohl zur 335

Rückversicherung wird Wehlte angeschrieben, der sich durchaus an einzelne maltechnische Studien und Kopien erinnern kann – darunter „auch Arbeiten von Schülerhänden […] so z. B. der eine Flügel des Baumgartner Altars. Den hatte wohl Ludowici werkgerecht kopiert?“45 Er macht den Vorschlag, „gemeinsam mit Prof[essor] Czerny, Ludowici, Frau Dr. Busch, Frl. [Fräulein] Lange, vielleicht auch mit Prof[essor] Siebert, Prof[essor] Herberholz, Prof[essor] Pfeiffer46“ vor das Material zu treten, um so die „Erinnerung […] gegenseitig“ zu ergänzen.47 Offenkundig holt das Bayerische Kultusministerium in Anbetracht der Vorwürfe dann aber doch eine Stellungnahme von Roth und Jacobi ein. Diese reagieren gereizt, ja schicken den Vorwurf voraus, daß die beiden Erben den schwerkranken Doerner nur ein einziges Mal besucht und erst ab dem Zeitpunkt ein großes „Interesse an ihrem Onkel bekundet hätten […] nachdem sie ausser dem künstlerischen Nachlaß bare RM 26‘000.- geerbt hatten.“ Der Wert der maltechnischen Studien liege einzig in ihrem didaktischen Wert, der „phantasierte Wert“ von 100.000 RM48 sei „lächerlich“ und „eine Utopie“.49 Die Kosten der Ausstellung sollten ursprünglich durch den Verkauf von sechs Bildern unter anderem an die Stadt München gedeckt werden, was jedoch an den überzogenen Preisvorstellungen der Familie scheiterte. Aufforderungen, hinterstellte Bilder – u. a. das eingeforderte Bildnis der Tante – abzuholen, sei die Familie bislang nicht nachgekommen.50 Bald steht eine Klage im Raum und sowohl die Akademie51 als auch das Institut52 suchen ihr Heil im Rückzug: Nicht unüblich, hätte man zwar eines verdienstvollen Lehrers der Akademie gedenken wollen, die Ausstellung sei jedoch einzig von der Familie veranlaßt und Roth lediglich Beauftragter der Akademie gewesen, nicht jedoch des Doerner-Institutes. Die ersten anwaltlichen Schreiben halten sich deshalb an Roth, der Doerners Betreuung in den letzten Monaten übernommen hatte.53 Der folgende juristische Schlagabtausch fokussiert sich auf die Frage, ob das Lehrmaterial Doerners durch die 12.000 RM, die Doerner über die Jahre von der Reichskam336

mer erhielt,54 abgegolten und folglich in das Eigentum der Kammer übergegangen sei.55 Doch war dies eine Entschädigung für die Überlassung der Studienarbeiten oder nicht doch eine Aufwandsentschädigung, welche die Kammer Doerner für seine Funktion als Leiter des Institutes zahlte oder, wie es heißt, für seine „Ehrenämter“?56 Der Dienstherr Doerners, das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus war seinerzeit davon ausgegangen, daß Doerner die Leitung des Institutes als eine unbezahlte Nebentätigkeit wahrnehmen würde.57 Ein Vertreter der Reichskammer meint sich dagegen zu erinnern, daß die Aufwandsentschädigung „nicht nur für [Doerners] Leistungen sondern auch für das gesamte von ihm zur Verfügung gestellte wissenschaftliche und technische Material festgesetzt worden“ sei.58 Die Erben erheben aus taktischen Gründen keinen Anspruch auf die Studientafeln und vertreten den Standpunkt, daß dieses Material eine Schenkung an das Institut gewesen sei und nichts mit der Aufwandsentschädigung zu tun habe.59 Eine unglückliche Formulierung Wehltes in seiner Besprechung der Gedächtnisausstellung60 löst allerdings bei den Erben das Gefühl aus, „wertvolle maltechnische Rekonstruktionen“ aus der Hand Doerners seien ihnen vorenthalten worden. Roth meint, damit könnten nicht die eigenhändigen Kopien Doerners in der Ausstellung gemeint sein, und fordert Wehlte auf mitzuteilen, „wo sich diese Tafeln befinden“.61 Offenkundig hat Wehlte Schülerarbeiten mit eigenhändigen Arbeiten Doerners verwechselt, darunter auch solche, die Roth selbst gehören.62 Die Leibl-Zeichnung, die Doerner Roth noch auf dem Sterbebett vermacht, wird weiterer Streitpunkt: Die Erben vertreten den Standpunkt, daß Doerner „nicht mehr im Vollbesitz seiner Geisteskräfte war“ und deshalb auch diese Schenkung unwirksam sei. Doch da ursprünglich der Akademie zugedacht, bleibt die Leibl-Zeichnung außerhalb des eigentlichen Streitgeschehens.63 Andere eingeforderte Bilder, wie besagtes Bildnis von Doerners Frau oder Kopien aus der Hand Doerners sollen an die Erben zurückgehen,64 Abrechnungen über letzte Ausgaben wer337

den von Jacobi offengelegt.65 Möglicherweise mit dem Verlauf des Verfahrens nicht einverstanden, beauftragen die Erben Monate später einen neuen Anwalt, der postwendend die Herausgabe des Studienmaterials fordert.66 Das Institut reagiert zunächst mit Unverständnis, wurden doch die Arbeiten noch kurz zuvor von den Erben selbst als Schenkungen Doerners an das Institut bezeichnet.67 Aber der vermutete hohe Wert der Arbeiten und die unklaren Umstände der Übergabe an das Institut mögen die Erben veranlaßt haben, eine gerichtliche Entscheidung zu suchen.68 Ohne auf Details des Verfahrens einzugehen, entpuppt sich die von Ziegler und Doerner gewählte finanzielle Konstruktion als eine Umgehung der Nebentätigkeitsbestimmungen: Die einmalige, und im Geschäftsjahr 1937 auch von der Kammer bezahlte Entschädigung für das Studienmaterial war eigentlich ein verdeckte monatliche Gehaltszahlung in Höhe von 500 RM an Doerner. Wäre es als ein Gehalt bezahlt worden, wäre Doerner die Nebentätigkeit für das Reichsinstitut vom zuständigen Münchner Ministerium verweigert worden. Weitere 6.000 RM werden 1938 bezahlt,69 weshalb sich das Institut als Eigentümer der maltechnischen Studien sieht. Nachweise für eine Schenkung bzw. eine rechtsgültige Eigentumsübertragung kann das Institut allerdings nicht vorlegen. Roth, Jacobi wie auch Ziegler werden deshalb vom Gericht als Zeugen vernommen. Die Aussage Zieglers entpuppt sich dabei als ausschlaggebend, denn dieser hatte die Verhandlungen mit Doerner geführt:70 Am 24.12.1937 habe die Kammer Doerner bestätigt,71 „dass ihm für seine bisherige Mitarbeit und die Zurverfügungstellung des gesamten wissenschaftlichen Materials […] für das Jahr 1937 ein Betrag von 6.000 RM ausbezahlt wird“.72 Trotz erneuter Einlassungen der Erben wird die Klage als nicht zulässig abgewiesen, die Begründung hierfür ist nicht überliefert.73 Noch Jahre nach Beendigung der Gedächtnisausstellung versucht eine Spedition, angefallene Kosten einzutreiben.74 Doch Fritz Haeberlein, 338

der spätere Geschäftsführer des Institutes, verweist auf die Erben75 und darauf, daß er Anweisung der Kammer habe, keinerlei „Schulden, die aus der Ausstellung anfallen […] aus den Mitteln der Kammer zu begleichen.“ Ähnliches gelte für die Akademie.76 Doerners Nachlaß wird Mitte der 1950er Jahre erneut Gegenstand der Lokalpresse77 und die auch noch nach Jahrzehnten vitale Legende einer vermeintlich durch die NS-Unrechtsjustiz begangenen Enteignung tradiert sich bis in die heutigen Tage.78 Anders als für Doerners Lehrmaterial bleibt sein Vermächtnis im Hinblick auf sein Buch unumstritten: Roth unterwirft das Buch allerdings zeitgemäßen Änderungen, so schmückt eine Radierung des mit ihm befreundeten Gulbransson den Bucheinband der von Roth herausgegebenen Nachkriegsausgabe von Doerners Buch.79 Gulbransson war, möglicherweise auf Initiative Roths, bereits am Entwurf des Bucheinbandes der 8. Auflage von 1945 beteiligt.80 Beide bleiben dem Buch ihr Leben lang verbunden und Roth fungiert bis zu seinem Tode im Jahre 1971 als dessen Herausgeber. Weit einschneidender als der Tod Doerners ändert am 01.09.1939 der Kriegsbeginn mit dem Angriff Deutschlands auf Polen alles. Zwar führt noch am 16.09.1939 der Festzug anläßlich des „Tages der Deutschen Kunst“ am Siegestor und damit am Institut vorbei, jedoch bestimmen ab jetzt kriegswichtigere Ereignisse das Geschehen einer Welt vor den Toren des Institutes. Hierzu gehört auch die Umsetzung einer bereits im September 1938 erfolgten Anordnung des „Führers“, daß „für wertvollen Kunstbesitz in deutschen Galerien unverzüglich bombensichere Keller“ geschaffen werden.81 Roth begibt sich deshalb mit dem Restaurator der Pinakotheken, Hermann Lohe*, nach Neuschwanstein, um dort eingelagerte Gemälde zu kontrollieren. Nach einer Besichtigung durch Vertreter des Staatsministeriums des Innern im März 194082 muß der im Institut vorhandene „trümmer-, feuer- und gassichere Schutzraum“ im Keller zusätzlich gegen Einbruch gesichert werden. Innerhalb dieses 339

Schutzraumes befindet sich ein abgemauerter kleiner Depotraum. Auch wenn die Untersuchungsobjekte in der Regel nur wenige Tage im Institut seien, wird der für Heimatschutz zuständige Vertreter des Staatsministeriums des Innern, Alfred Jacob*, angewiesen, hier umgehend Abhilfe zu schaffen. Die Bergung wertvollen Kulturgutes fällt dabei den Mitarbeitern zu, auf „Entlastung durch Kräfte der örtlichen Luftschutzleitung“ könne nicht gerechnet werden. Befindet sich ein wertvolleres „Stück mehr als 1 Tag“ im Institut, „ist […] ein Wächter im Hause“83, die Beschaffung einer Dienstpistole wird allerdings abgelehnt.84 Ungeachtet des Kriegsbeginns und unbeirrt von allen Vorsichtsmaßnahmen behalten die von Ziegler im Jahr 1937 formulierten Vorgaben ihre Gültigkeit: „Im Interesse der Schaffung und Erhaltung nationalsozialistischer Kunst“ solle sich das Institut der „1. Ausarbeitung und Erlass eines Farbengesetzes [/] 2. Überwachung seiner Durchführung [/] 3. Schaffung neuer Werkstoffe für Kunsthandwerkerstätten unter Berücksichtigung der herrschenden Materialverknappung [/] 4. Erprobung neuartiger Methoden für die Farbzusammenstellung [/] 5. Beruf[s]betreuung und fachliche Unterweisung der Restauratoren [und] [/] 6. Fachliche[n] Anweisungen für den Kunsthandel“ widmen. Dabei soll den ersten drei Aufgabenbereichen mit dem Ziel einer Reglementierung und Kontrolle des Künstlerfarbenmarktes Vorrang gegeben werden. Gleichzeitig „sollen Richtlinien für die Künstlerschaft aufgestellt werden, die die Verwendungsmöglichkeit der Farben für die einzelnen Arten der Maltechnik angeben.“ Die Materialverknappung bedinge darüber hinaus die Entwicklung „gebrauchsfähiger Ersatzstoffe“.85 Die bereits von Doerner als dringlich erkannte Aufgabe einer Konservierungsschule, die „gerade ein internationales Bedürfnis ist, und nur in München ihren Platz haben sollte“,86 wird zurückgestellt. Die Umsetzung von Zieglers Vorgaben spiegelt sich in einem Tätigkeitsbericht, der die Zeit von der Gründungsveranstaltung bis Ende 340

Abb. 88 | Für UV-Aufnahmen modifizierte Analysen-Glaslampe D 350

1939 umfaßt.87 Darin wird von Arbeiten an Wandmalereien wie den Schwind-Fresken auf der Wartburg als auch von Malerei auf zementhaltigen Putzen berichtet. Im Falle der Konservierung von Tafelbildern scheint man Gräffs Vorgehen aufzugreifen, mit allen damals bekannten Verfahren der technischen Photographie mehr über den Zustand und den Bildaufbau zu erfahren, um so tragfähige Konzepte zur Konservierung zu entwickeln. Hierbei werden „Röntgen-, Lumineszenz-, Kurz- und Langwellige Ultraviolett-Untersuchungen sowie mit Infrarot“ eingesetzt. Die Entwicklung dieser Verfahren ist damals noch lange nicht am Ende: Vermutlich zusammen mit dem Photographen des Institutes, Hans Roth, modifiziert Jacobi eine Höhensonne von „Original Hanau“ (Abb. 88). Man beabsichtigt, Gemälde großflächig mit ungefilterter UV-Strahlung auszuleuchten, um „Aufnahmen im kurzwelligen Ultraviolettbereich“ bei rund 312 Nanometern zu machen. Hierbei soll kameraseitig ein Silberfilter genutzt werden.88 Fluoreszenzaufnahmen sind nichts Neues,89 Orientierungspunkte für Jacobi bieten dabei wiederum die von Gräff seit 1928/29 genutzten und von diesem90 und Helmuth Rinnebach91 1931 publizierten technischen Lösungen. Die umfassende gutachterliche Tätigkeit, von der noch ausführlich zu berich341

ten sein wird, manifestiert sich vor allem im Hinblick auf rund 30 Fälschungen von Künstlern des 19. Jahrhunderts, die in einem Stuttgarter Strafprozeß verhandelt werden. Im Zusammenhang mit Vorarbeiten zur Farbenverordnung wird zudem die Untersuchung von rund 500 handelsüblichen Künstlerfarben abgeschlossen. In hohem Umfang nachgewiesene Streckungsmittel unterstreichen die Notwendigkeit einer derartigen Verordnung, die den Künstler wie auch den Restaurator in seinem Bemühen um Farb- und Lichtechtheit und lange Haltbarkeit unterstützen soll. Obgleich schon in den Jahren zuvor von wirtschaftlicher Bedeutung, bekommt die Frage der „Austauschwerkstoffe“ während des Krieges besonderes Gewicht: Holz soll durch Holzfaserplatten, Leinwand durch Zellstoffleinwand oder sogenanntes Eloxal („elektrisch oxydiertes Aluminium“) ersetzt werden. Hierüber berichtet das Doerner-Institut im Mitteilungsblatt der Reichskammer: Eine auf Aufforderung Zieglers geänderte Einführung zu einem dieser Artikel zielt auf kriegsbedingte Einschränkungen hin. Sie sucht aber zudem die Unverzichtbarkeit des Institutes bei der Suche nach Ersatzmaterialien gerade in Kriegszeiten deutlich zu machen.92 Hier heißt es, daß „die heutige Zeit […] bei den Malmaterialien Einschränkungen vorzunehmen“ erzwinge. Doch man könne aus der Not eine Tugend machen, weshalb es „für den ernsten Maler nur erwünscht [sei], wenn das gesamte Malmaterial verkleinert und so mit übersichtlicher und verbessert wird. Solche Einschränkungen planmäßig durchzuführen, gehört mit in de[n] Aufgabenkreis des Doerner-Institutes.“93 Ziegler spielt offenkundig im Alltagsgeschäft des Institutes eine periphere Rolle, die nur bei Kontakten zu übergeordneten Dienststellen sichtbar wird. So weist er in einem Schreiben an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda darauf hin, daß im Zusammenhang mit der gutachterlichen Tätigkeit auch im Krieg Vergleichsbilder aus Galerien des Reichs angefordert würden. Da 342

es sich bei den begutachteten Bildern „[…] zum Teil um Werke von sehr hohem Wert handelt, werden für diese Gutachten Vergleichsbilder aus deutschen Galerien benötigt, die naturgemäß entsprechend außer­gewöhnlich hohe Versicherungssummen erfordern. Zur Zeit hat das Institut z. B. ein Gutachten für den Führer über ein Bild durchzuführen, das mit RM 1.000.000,-- versichert werden muß.“94 Bei dem Bild handelt es sich um die „Madonna di Gaëta“, angeblich von Raphael, ein Fall, von dem noch zu sprechen sein wird. Das Gesuch Zieglers wird mit dem Hinweis abgelehnt, daß auch die Kosten für die Versicherung der Vergleichsbilder vom Auftraggeber zu tragen seien.95 Sind die Auftraggeber Parteistellen, muß das Institut die Versicherungspolice, wie für die mit 2.000.000 RM versicherte „Heilige Familie aus dem Hause Canigiani“ von Raphael96 aus der Alten Pinakothek, damals in der Residenz München, selbst übernehmen.97 In anderen Fällen werden hochversicherte Vergleichsbilder, so die „Schlafende Diana“ von Rubens98 oder die „Landschaft von Tieren“ von Jan Brueghel d. Ä.99, sogar aus einem Auslagerungsort zum Institut und zurück transportiert.100 Da das Institut für seine gutachterliche Rolle auf die Untersuchung von Vergleichsbildern angewiesen ist, beantragt Ziegler im regulären Haushalt alleine für 1940 20.000 RM für die „Heranholung von Kunstwerken aus den Galerien und Museen zum Zwecke der Schaffung und Anreicherung von Studien- und Vergleichsmaterial“, eine Versicherung wohl eingeschlossen.101 Die Gründung des Institutes und seine ersten erfolgreichen Jahre strahlen bis weit in die Öffentlichkeit hinein. Aus diesem Grund sucht Karl Baur, Präsidialrat der Reichsschrifttumskammer, Mitglied des Reichskultursenats und Inhaber des Georg D. W. Callwey Verlages in München, dem Institut die Schriftleitung der Technischen Mitteilungen anzuvertrauen. Die „Entwicklung einer wirklich brauchbaren malwissenschaftlichen Zeitschrift“ sieht er durch die Verbindung zur „Gesellschaft für rationelle Malverfahren“ gehemmt,102 das Doerner-Institut dagegen als zukünftig maßgebliche 343

Größe unter den deutschen maltechnischen Einrichtungen. Baurs Idee war in einer Besprechung mit Jacobi entstanden, doch sein Ansinnen läuft ins Leere: Kaum etwas beschreibt die Abhängigkeit des jungen Reichsinstitutes von Berlin besser als die knappe Absage Roths, aus der deutlich wird, daß die Reichskammer beabsichtige, ihr eigenes Mitteilungsblatt zu erweitern und so die Erfolge der „Werkprüfungs- u[nd] Forschungsanstalt für Maltechnik von Zeit zu Zeit bekannt“ zu geben.103 Roths Antwort läßt seine Enttäuschung über die Entscheidung Zieglers spüren, hätte doch der Einzug in die Schriftleitung der Technischen Mitteilungen das Institut an herausgehobener Stelle sichtbar werden lassen. DAS KÜNSTLERFARBENGESETZ II Die Arbeiten am Künstlerfarbengesetz müssen in den Jahren von 1923 bis 1937 weitgehend geruht haben, über die komplexen Gründe ist nur zu spekulieren. Hieran ändert auch ein kurz nach der „Machtübernahme“ der NSDAP von einem Parteigenossen und Mitglied des „Kampfbundes für deutsche Kultur“, dem Maler Alfred Wiener, gestellter Antrag wenig, ein Künstlerfarbengesetz zu erlassen. Dieser sieht bisherige Bemühungen durch „marxistisch jüdische“ Einflüsse vereitelt.104 Die von der Künstlerschaft – und Wiener ist nur einer von ihnen – und den Künstlerfarbenherstellern sorgsam verfolgte Entwicklung in München gibt der seit über 50 Jahren diskutierten Thematik Aufwind. Noch Mitte 1937 verweigert Doerner ein Treffen mit einem Vertreter der Pelikan-Werke, die anläßlich der Neugründung des Institutes mit ihm Kontakt aufnehmen. Es erscheint ihm schlichtweg zu früh für ein Treffen in einem Institut, dessen Neugründung ja erst wenige Wochen später erfolgen soll. Man trifft sich deshalb in der Akademie und sein Gegenüber drückt die Hoffnung aus, zukünftig engen Kontakt zum Institut halten zu können, „um die Sicherheit des Materials zu verwirklichen“.105 Vielleicht wollte Doerner aber auch Jacobis Arbeiten nicht durch verfrühte Interventionen der Industrie gestört wissen. Denn wenige Monate später legt Jacobi einen ersten Entwurf zu ei344

nem Künstlerfarbengesetz vor. 106 Dieser Entwurf ist der Grundstein für alle folgenden Entwürfe: Jacobi muß neben Doerner als der eigentliche spiritus rector der Jahre später von Haeberlein in Berlin eingereichten Künstlerwerkstoffverordnung gelten. Allen Einwendungen Roths zum Trotz zielt Jacobis Entwurf auf drei Klassen von Ölfarben und sieht das Doerner-Institut „für alle Fragen [rund um die Künstlerfarben als] zuständig.“107 Jacobi erachtet das Künstlerfarbengesetz insbesondere vor der Tatsache als notwendig, daß gewöhnliche Anstriche zwar ohne weiteres ersetzt werden könnten, daß es jedoch von den Künstlerfarben abhinge, „ob unsere heutigen malerischen Kunstwerke noch in Jahrhunderten Zeugen künstlerischen Schaffens und nationalsozialistischen Gestaltungswillen“ seien.108 Das Interesse ist durchaus wechselseitig: Jacobi sucht ein Jahr später den Kontakt zu den Pelikan-Werken.109 Die Pläne für ein Künstlerfarbengesetz werden nicht nur dort, sondern auch von Schmincke in Düsseldorf „sehr begrüßt“, um so „den Verbrauch an Künstlerfarben, Firnissen und Malgründen in maltechnisch gesunde Bahnen zu lenken“.110 Der Blick des Dresdner Farbenfabrikanten Hermann Neisch richtet sich dagegen auf einen anderen Punkt. Er sieht sich im In- wie Ausland scharfer Konkurrenz ausgesetzt und würde deshalb ein Künstlerfarbengesetz wie auch die Regulierung des Marktes als „erheblichen Eingriff in die Wirtschaft der deutschen Künstlerfarbenfabriken“ betrachten, sofern das Gesetz Importware aus dem Ausland nicht einschließe. Nach seiner Meinung dürfe sich „umgekehrt […] das Gesetz keinesfalls auf deutsche Exportware beziehen, deren Zusammensetzung bisweilen von den Gepflogenheiten ausländischer Konkurrenzfirmen diktiert“ werde. Er erwähnt aber ebenso, wie schwierig die Rohstoffversorgung im Deutschen Reich geworden sei, was die „Buntfarbenfabrikation mit neuen Erfindungen“ doch deutlich erschwere. Gelte dies für Farbstoffe, so erst recht für Bindemittel, deren Zusammensetzung noch schwieriger zu kontrollieren sei, und dies nicht nur für den Endkunden, den Künstler, sondern gleichermaßen für die Fabrikanten im Einkauf. Für ganz 345

problematisch hält man den geplanten Eingriff in die Etikettierung der Tubenfarben, wo „alteingebürgerte Markenbezeichnungen (z. B. Rubens, Pelikan, Mussini usw.)“ unterbunden werden sollen. In manchen Fällen hat aber selbst der Reichsverband der Werbungstreibenden in Berlin Zweifel,111 ob die Tube das enthält („Feinste Akademie-Oelfarbe“), was das Etikett verspricht. Daß dieser Zweifel nicht unberechtigt ist, bestätigt Jacobi, der das „Chromoxydgrün“ von Schmincke als mit Gips gestreckt beschreibt.112 Hierin kündigt sich bereits vor Kriegsbeginn ein eklatanter Mangel an Chromgrünpigmenten an, die im rohstoffarmen Deutschland zu Kriegszeiten kaum mehr zu beziehen sind.113 In einem Punkt besteht jedoch völlige Einigkeit: Ein Künstlerfarbengesetz sei nur dann sinnvoll, wenn parallel dazu die maltechnische Ausbildung der Künstler verbessert würde. Aber selbst dann würde die prekäre wirtschaftliche Situation der Künstlerschaft den Verkauf hochwertiger Künstlerfarben, deren Absatz stetig sinke, behindern.114 Parallel zu den Bemühungen um ein alle Interessen berücksichtigendes Künstlerfarbengesetz stürzt sich das Institut in die Untersuchung handelsüblicher Tubenfarben. Alle Hersteller bekunden Interesse an den Untersuchungsergebnissen Jacobis. Auch wenn dies so nicht ausgesprochen wird, erhoffen sie sich offenkundig verkaufsfördernde Argumente aus dem Munde eines oder besser des maßgeblichen Reichsinstitutes.115 Zudem sind die Künstlerfarbenfabrikanten von den Buntfarbenherstellern der chemischen Industrie abhängig und können die Reinheit und Qualität der von ihnen zu Tubenfarben verriebenen Pigmente und Füllstoffe mit ihren beschränkten Möglichkeiten oft selbst nicht beurteilen. Das Doerner-Institut eröffnet so ungeahnte Möglichkeiten: Die pure Menge eingeschickter Tubenfarben und die komplexe Analytik stellen Jacobi jedoch vor große Herausforderungen. Seine bereits zwei Wochen nach der Lieferung arbeitsfähige Emissionsspektralanalyse – ein Novum für die damaligen Untersuchungsstellen und Anstalten – erlaubt eine Überprüfung anorganischer Pigmente und Füllstoffe.116 Erst mit 346

Hilfe dieses neuen analytischen Werkzeugs läßt sich jetzt der alten Forderung der Künstlerschaft nachkommen, die Angaben auf den Etiketten der Tubenfarben zumindest ansatzweise zu überprüfen. Weit schwieriger ist die Analyse von Bindemitteln und organischen Farbstoffen – den Teerfarben –, was zur damaligen Zeit außerhalb der Möglichkeiten Jacobis liegt. Die Idee, die Farbenhersteller mögen deshalb jene organischen Bestandteile auf den Etiketten angeben, wird von der Industrie mit Verweis auf praktische Hindernisse blockiert. Jacobi mangelt es nicht an Arbeit. Seine Bitte nach Mustern angebotener Künstlerölfarben richtet sich dabei an alle gängigen Hersteller des Deutschen Reichs einschließlich Österreichs. Die meisten reagieren umgehend und zuvorkommend, darunter neben den bereits genannten auch Dr. Fr. Schoenfeld & Co. (Düsseldorf mit LUKASKünstler-Ölfarben) oder Kaspar & Co (Wien mit „Tintoretto“Harz-Ölfarben oder „Pereira“-Künstler-Temperafarben). Letztere Firma kann schon rund ein halbes Jahr nach dem „Anschluß“ Österreichs eine „Reichsmarktubenfarbenpreisliste“ vorlegen.117 Es ist dabei nicht zu übersehen, daß bei allen Anfragen der Name und die Reputation Doerners außerordentlich förderlich sind, stand dieser doch seit Jahren mit den Herstellern in regem fachlichem Austausch.118 Fachlichen Austausch mag sich auch der Künstler Richard Lindmar aus Berlin erhofft haben, der seine „WOE-Farben“, ölmischbare Emulsionsfarben unbekannter Rezeptur, prüfen lassen will.119 Lindmar ist von seiner Erfindung derart überzeugt, daß er eine Lehrstelle an einer Akademie für sich eingerichtet und die deutsche Künstlerfarbenindustrie an seiner Seite sehen will. Bereits 1936 äußert sich der damals in Berlin tätige Roßmann positiv über die neuen Emulsionsfarben.120 Doerners Reaktion dagegen ist ablehnend, behauptet Lindmar doch, daß man „jetzt das Geheimnis der alten Meister [kenne], wir wissen, daß die Sache geht, daß durch das 347

WOE-Farbensystem zu der Malweise der alten Meister zu kommen ist“.121 Lindmar bewegt sich somit in Doerners ureigenem Terrain, ja trägt die Auseinandersetzung in die Technischen Mitteilungen.122 Was in den kommenden Jahren folgt, sind eine unendliche Reihe von Mißverständnissen, Zurückweisungen, Forderungen und Unterstellungen rund um die Causa Lindmar: Eine Auseinandersetzung ganz nach dem Geschmack Doerners, mit der sich auch Roth, Haeberlein und andere – wie Wehlte in Berlin – befassen. Doch zu einer auch durch die Reichskammer gewünschten Prüfung durch das Doerner-Institut123 wird es nie kommen, da Lindmar seine Tubenemulsionsfarben de facto nie zur Untersuchung freigibt.124 In anderen, ebenso unangenehmen Fällen wenden sich die Anfragenden nach einer abschlägigen Auskunft des Institutes direkt an Parteistellen. Einmal führt der Weg sogar über die Hauptabteilung der Hitlerjugend in Franken, die Reichsleitung der NSDAP bis in den „Führerbau“: Wie auch heute erledigt eine aufs Fachliche beschränkte Auskunft den Fall.125 Jacobi prüft Tubenfarbe um Tubenfarbe,126 bildet sich eine Meinung, welche Farbtöne er für „unnötig“ oder „überflüssig“ hält,127 und teilt das Ergebnis Einsendern wie Neisch mit: Er schickt ihnen sogar Photos von Spektralplatten. Sind die Untersuchungen anfangs rein qualitativer Natur, scheint sich Jacobi bald um eine Quantifizierung zu bemühen.128 Daß seine analytischen Kapazitäten dabei ausgeschöpft sind, ist der gleichzeitigen Begutachtung zahlreicher Spitzwegfälschungen im Rahmen des erwähnten Stuttgarter Fälschungsprozesses zuzuschreiben. Mit der Analyse der Tubenfarben ist es zudem meist nicht getan, sucht doch das Institut mehr über die Herkunft der verwendeten Materialien zu erfahren. Dies stößt zumeist auf verständnisvolle Unterstützung wie bei der Zinkfarbenfabrik J. H. Dudek Söhne in Dresden, die Details zu dem von ihnen fabrizierten „Schneeweiß 00 Weißsiegel EXTRA“ mitteilt.129 Daß diese Angaben mit den Analyseergebnissen von eingesandten Tubenfarben manchmal nicht in Einklang zu bringen sind, mag 348

das Institut in der Notwendigkeit eines Künstlerfarbengesetzes nur bestärkt haben. Andere Künstlerfarbenhersteller verhalten sich weit zurückhaltender, so begreift der Münchner Farbenhersteller Georg Düll die Rückfragen des Doerner-Institutes als „einen starken Eingriff in mein Geschäftsgeheimnis […] denn letzten Endes habe ich doch selbst ein ganze[s] Menschenalter daran gearbeitet[,] von den vielen auf dem Markt befindlichen Erzeugnissen die erfahrungsgemäss besten und brauchbarsten Sorten herauszufinden“.130 Doch auch Düll beugt sich am Ende und legt die Bezugsquellen für „Farben und Malmaterialien“ detailliert offen,131 Vertraulichkeit wird zugesichert.132 Der kleine Betrieb des Kunstmalers Fritz Behrendt in Grafrath133 nahe München hält sich dagegen völlig bedeckt, stellt er doch seine Tubenfarben nur in kleinen Mengen und „nicht fabrikatorisch“ her.134 Wenige Monate später führt „die Beschlagnahme der Bindemittel“ zur Einstellung der Produktion.135 Die erwähnten Engpässe beschränken sich nicht auf Farben, selbst „reine Leinengewebe [dürfen] nur noch für hochwertige künstlerische Gemälde abgegeben werden“. Als Ersatzstoff werden von den Pelikan-Werken Zellstoffgewebe als Bildträger vertrieben, die sich für „Skizzen- und Studienzwecke“ eignen.136 Dabei eignen sich Tuche aus feinen Garnen wenig, da das Zellwollgewebe zum „Beuteln“ neige.137 Auch hier wird das Institut eingeschaltet und um ein Gutachten gebeten.138 Parallel zu den Analysen Jacobis erprobt die maltechnische Abteilung auf dem Markt erhältliche Fertigfarben verschiedenster Hersteller wie auch eigene Rezepturen auf Leinwänden und starren Bildträgern. Freskofarben werden auf der Mauer zur Akademie im Garten des Institutes geprüft. Gerade diese Versuche resultieren in differenzierten Hinweisen Jacobis, welche Freskofarben als stabil anzusehen und bei welchen Zurückhaltung angezeigt ist. Im Falle neuer Farbtöne wie „Ultramarin-rot und Ultramarin-grün (keine Mischungen, sondern ihrer Zusammensetzung nach echte Ultramarine)“ sei eine „längere Beobachtungszeit“ im Fresko angezeigt, auch wenn diese sich „nach den bisherigen Versuchen [als] außer349

ordentlich haltbar“ erwiesen hätten.139 In anderen Fällen stoßen Jacobis Schlußfolgerungen auf geteilte Zustimmung, ja beobachtete Verfärbungen auf der Mauer werden sogar angezweifelt. So könnten braune Verfärbungen von Neapelgelb, einem Bleiantimonoxid, durchaus durch eine Streckung mit Bleiweiß oder Bleioxid erklärbar sein, die beide den Außenbedingungen kaum standhalten dürften. Spektralanalytisch wären solche Zusätze in der Tat nicht zu finden, eine Quantifizierung schwierig. Der Vorgang offenbart die Abhängigkeit der Künstlerfarbenfabriken von den Buntfarbenfabrikanten und den Rohstofflieferanten. Die wiederholt aufgeworfene Frage, wie denn die Prüfung von Teerfarben erfolgen solle, für die doch die Spektralanalyse Jacobis nicht in Frage komme, zeigt, daß die Künstlerfarbenhersteller sehr wohl um die Grenzen der Möglichkeiten Jacobis wußten. Daß dies unter den „durch den Krieg bedingten Verhältnissen“ kaum einfacher wird, Abb. 89 | Max Doerner, maltechnische Studie war beiden Seiten klar.140 Jacobi reagiert sachlich und verweist darauf, daß man mit der Quantifizierung über die Spektralanalyse in enger Zusammenarbeit mit Zeiss weit gekommen sei, daß aber zur Absicherung seiner Analysen naßchemische Quantifizierungsverfahren eingesetzt würden. Die Prüfung der Teerfarben scheint dagegen noch unklar, eine Prüfung auf Lichtechtheit oder spektroskopische Methoden denkbar.141 Die maltechnische Abteilung Roths nutzt die eingesandten Muster auch für einen künstlerischen Zweck: Dieser folgt

Doerners Maxime, die „Verfahren der Alten Meister auf moderne Malerei [zu] übertragen“, wie auf einer der hierbei entstandenen Maltafeln aus der Hand Doerners (Abb. 89) vermerkt ist. Doerner und seinen Schülern geht es hierbei darum, mit neuen Werkstoffen die Wirkung der alten Meister zu erreichen, nicht jedoch – ein stetes Mißverständnis –, um herauszufinden, mit welchen Mitteln die Alten wirklich gemalt hätten. Oder wie Wehlte es ausdrückt: „Es kommt uns nicht so sehr darauf an, mit welchen Mitteln die Alten wirklich gemalt haben. Viel wichtiger ist für uns, mit welchen heute für uns erlangbaren Werkstoffen und auf welchem Wege wir die gleichen Wirkungen erreichen können und ob wir sie für unsere künstlerische[n] Absichten auch brauchen.“142 In der Konsequenz werden Probeaufstriche der Fertigfarben und eigens angeriebene Farben durch maltechnische Skizzen ergänzt, welche die Anwendbarkeit des im Experiment Gefundenen im künstlerischen Alltag sofort überprüfen. Die Anfertigung von Maltafeln und Aufstrichen setzt so nahtlos die mit seiner Lehre verbundene Praxis Doerners fort,143 faßt jedoch als Fernziel die Künstlerfarbenverordnung ins Auge. Es ist vor allem die Kontingentierung wichtiger Grundstoffe zur Farbenherstellung, die 1939 zur Triebfeder für einen neuen Anlauf für eine gesetzliche Regelung wird. So ist z. B. das als Oxid stabile Manganschwarz nicht lieferbar, das Neisch für die Palette des Freskomalers als unverzichtbar hält. Dies ist offenkundig schmerzlich, besteht doch aufgrund der von den Nationalsozialisten vielfach geförderten Monumentalmalerei ein erhöhter Bedarf an Freskofarben.144 Wirtschaftliche Schwierigkeiten durchdringen auch sonst den Alltag des Künstlers: Temperafarben sollen in Pulverform in Glasröhrchen auf den Markt kommen, die Herstellung des Bindemittels solle dabei dem Maler obliegen. Firmen, die sich nicht an die Auflagen halten, werden öffentlich gemacht. Nicht nur Lein- und Mohnöl sind kontingentiert,145 sondern auch Zinn und Blei, die für die Herstellung von verzinnten Bleituben benötigt werden. Für jede 351

gekaufte Farbtube soll eine leere Tube zurückgegeben werden. Einer Verordnung vom Sommer 1938 folgend, sollen verzinnte Bleituben innerhalb einer Übergangsfrist von drei Monaten sogar gänzlich vom Markt genommen146 und gegen Farbtuben aus Aluminium ersetzt werden. Hiergegen wendet sich z. B. Schmincke mit einer vehement formulierten Denkschrift: Befürchtet wird nicht nur das erhöhte Reaktionsvermögen von Aluminium, sondern auch, daß die innen zum Schutz aufgebrachte Lackschicht rasch durch die Nutzung schadhaft wird und die Tuben brechen, wegen der geringen Plastizität von Aluminium Bindemittel am Hut und am Tubenende austreten und die Farben eintrocknen würden. Schmincke fürchtet als Hersteller dabei nicht nur Schadensersatzforderungen der Künstler, sondern sieht diese gar zu ausländischen Herstellern abwandern.147 Jacobi begründet seine Ablehnung der Aluminiumtube aus naturwissenschaftlicher Sicht, ergänzt um den praktischen Hinweis, daß die verzinnten Bleituben im Atelier und im Freien einer starken Beanspruchung durch den Künstler unterliegen und deshalb robust sein müssten. Ersatzstoffe und damit Materialeinsparungen seien noch am ehesten in der Dekorationsmalerei denkbar, müßten jedoch die Künstlerfarbe ausnehmen.148 ERSATZSTOFFE Bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn verschärft sich die Lage bei der Versorgung mit „Künstler-Arbeitsmaterial“ und Ziegler wendet sich umgehend mit konkreten Vorschlägen an den Reichswirtschaftsminister. Leinwände „für große und bleibende Werke“ sollen nach seinem Vorschlag auf der Grundlage eines „Zuteilungsgutachtens“ der Reichskammer vergeben werden, kleinere Arbeiten sich auf Papier oder Holzfaser als Bildträger beschränken. Die Künstlertubenfarben, die mengenmäßig im Vergleich mit dem Verbrauch an Farben in der Industrie zu vernachlässigen seien, sollten vor dem Hintergrund von „Wert und […] Dauerhaftigkeit der Kunstwerke“ qualitativ gut sein, könnten sich jedoch auf wenige Farbtöne beschränken. Daß Ziegler sich mit seinen Forderungen 352

auf den „Führer“ bezieht, ist wenig überraschend, habe dieser doch „stets die hohe Bedeutung der lebenden Kunst und ihre Aufgabe, als Zeugnis unserer Zeit für die ferne Zukunft zu wirken, betont“.149 Daß Ziegler auch in diesem Zusammenhang „sein“ Institut empfiehlt, mag auf einen Vorstoß von Roth und Jacobi zurückgehen, die ihn wenige Tage zuvor bedrängen, die Qualitätskontrolle für Künstlermaterialien alleine in die Hände des Institutes zu legen. Die beiden erhoffen sich, daß sich dadurch „das Ansehen des DoernerInstitutes erheblich steigern“ ließe und erbitten eine Vollmacht zur Durchführung dieser „außerordentlich wichtigen Aufgaben für die deutsche Künstlerschaft“.150 Aufgabe der Kammer werde es aber auch im Kriegsalltag sein, „die Durchführung von Ausstellungen wie bisher zu fördern und ebenso allen Stellen nahezulegen, ihre Kunstförderung wie bisher aufrecht zu erhalten“.151 Soll hier die Unabkömmlichkeit des Institutes die Abkömmlichkeit seiner Mitarbeiter an der Front begründen? Die Industrie reagiert auf die neue Situation rasch, schon Ende 1939 werden Ersatzstoffe die Regel: So bietet Schmincke in Form von Hydroterpin und Dekalin nur noch „Austauschstoffe“ für Terpentinöl an, welche die Firma für maltechnisch gleichwertig hält. Da jedoch auch diese Austauschstoffe verknappt sind und kriegsbedingt ein Wechsel zu anderen Produkten notwendig sein könnte, sollte das „Verdünnungsmittel Schmincke“ auf dem Etikett den Zusatz „Gleichwertiger Austauschstoff für Terpentinöl“ tragen. Diesem Vorschlag widerspricht Ziegler – ganz die Schule Doerners – mit der Randnotiz „Kein Grund jetzt nicht klar zu bezeichnen“.152 In weiser Voraussicht spricht sich Jacobi zeitgleich gegen den von Schmincke vorgeschlagenen Einsatz von „Kunststoffen […] als Firnisse“ aus, weil diese „in Verbindung mit der heutigen Maltechnik (Ölmalerei, Mischtechnik) nicht […] geeignet [seien], da die [Firnisse] stets schwerer löslich sind als das Bild, so dass bei einer Firnisreinigung eine Bildbeschädigung nie zu vermeiden ist“.153 Schmincke schlägt gleichwohl Kunstharzfirnisse vor, da der Bezug von Mastix nicht mehr möglich sei und nach einem Austauschstoff Ausschau gehalten werden müsse.154 353

Vermutlich wird in Verhandlungen mit anderen Reichsstellen die Frage aufgekommen sein, welche Mengen an Rohstoffen im Deutschen Reich benötigt würden. Um eine Vorstellung hierüber zu erhalten, wird bei Schmincke der „Jahresbedarf an Ölen und Harzen […] zur Herstellung von Künstlerfarben, Malgründen und Malmitteln“ abgefragt. Anfang 1940 legt Schmincke die Zahlen für 1939 offen, die neben vielem anderen 9.950 kg Leinöl, 4.415 kg Äthylenglykol und 1.745 kg Gummi Kordofan umfassen.155 In Anbetracht dieser Mengen stellt sich sofort die Frage, wie bei gleichbleibender Qualität Rohstoffe eingespart werden sollen. Eine gängige Möglichkeit ist, die Rezepturen zu strecken, was häufig durch den Inhalt verschleiernde Bezeichnungen wie „Moosgrün“ oder „Laubgrün“ verdeckt wird. GEMALT AUF ALUMINIUM Auch in anderen Bereichen führt das Bestreben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit und der gleichzeitige Mangel an Rohstoffen – Deutschland ist ein rohstoffarmes Land – zu einer fieberhaften Suche nach synthetischen Ersatzstoffen. Diese waren der Bevölkerung meist schwer zu vermitteln, waren doch im Ersten Weltkrieg aufgekommene Ersatzstoffe aufgrund ihrer schlechten Qualität in Verruf geraten. Um sich deutlich hiervon abzusetzen, sucht das „Dritte Reich“ mit aufwendig beworbenen Neuentwicklungen das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen und zugleich wirtschaftliche Engpässe zu überwinden.156 Die von Ziegler aufgestellte Forderung einer „Schaffung neuer Werkstoffe für Kunsthandwerkerstätten unter Berücksichtigung der herrschenden Materialverknappung“157 ist deshalb in einem weiteren Kontext zu sehen: Es sind nicht alleine der Mangel, sondern vor allem die oben genannten Motive, die das Thema der Ersatzstoffe in das Doerner-Institut tragen. Wohin die Entwicklung gehen könnte, zeigt auch das Deutsche Museum in einer großangelegten, politisch motivierten Ausstellung „Neue Werkstoffe – Neue Wege“, die 1935 breiten Bevölkerungskreisen Neuentwicklungen der deutschen Chemie und der Baustoffwirt354

schaft nahebringen soll. Darunter befinden sich neben Buna – einem synthetischen Kautschuk mit exzellenten Eigenschaften als Ersatz für natürlichen Gummi – auch aus Kohle gewonnener Treibstoff, Fluoreszenzfarben oder Sekuritgläser. Schwermetalle werden durch Leichtmetalle wie Aluminium ersetzt, aber auch erste Kunstharze vorgestellt, um deren Entwicklung sich die deutsche chemische Industrie in den 1920er und 1930er Jahren in besonderem Maße verdient macht.158 Vor diesem Hintergrund lassen sich drei Entwicklungen des Doerner-Institutes besser einordnen: Eloxal, das sogenannte Jacobi-Verfahren und Immunin. Die in Zusammenarbeit zwischen Jacobi und Siemens & Halske in den Jahren 1938 und 1939 als Bildträger erprobten eloxierten Aluminiumbleche sollten als Austauschwerkstoff für schwer erhältliche Leinwände, aber auch für Fresken genutzt werden.159 In der zweiten Auflage seines Buches noch als umstritten bezeichnet, setzt sich Doerner in der dritten Auflage von 1928 bereits mit der konkreten Eignung von Aluminiumplatten als Bildträger auseinander.160 Er läßt unerwähnt, daß sein großer Kontrahent Wilhelm Ostwald bereits 1904 den Vorschlag machte, auf oxidiertem Aluminium zu malen.161 Doerners Befürchtungen vor einer sich rasch bildenden und nicht zu entfernenden „Oxydschicht“ wird Gegenstand eines Schriftwechsels mit dem Chemiker Hans Wolf, dem wir bereits weiter oben in anderem Zusammenhang begegnet sind. Wolf ist es, der Doerner vorschlägt, auf aufgerauhtes Aluminium zu verwenden, um so die Haftung der Malschichten zu verbessern. Er verweist Doer­ner auf elektrolytisch oxidiertes Aluminium, sogenanntes Eloxal, der Vereinigten Aluminium-Werke Lautawerk in der Lausitz hin.162 Im Spätherbst 1937 wendet sich Jacobi an Siemens & Halske, um eloxierte und nicht nachverdichtete Aluminiumplatten zu beziehen. Die ersten Bleche werden im Dezember 1937 geliefert, Siemens & Halske macht allerdings darauf aufmerksam, daß die Platten nur mit Handschuhen angefaßt werden dürfen, da Fingerabdrücke nur 355

schwer zu entfernen seien. Eine Eignung für Ölfarben wird für möglich gehalten, ob die saugfähige Oberfläche sich auch für Aquarellfarben eigne, sei unklar.163 Offenkundig sind Eloxal-Platten bereits als Ersatz für „Enso-Papp-Kartons“ im Reichsluftfahrtministerium in Berlin vorgesehen – ein Fall, um den sich Jacobi vor Ort, vermutlich auf Anweisung aus Berlin, kümmert.164 Den Mengen nach zu urteilen, die in den folgenden Monaten bestellt werden,165 müssen umfangreiche maltechnische Versuche mit „nicht nachgedichteten“ Eloxalplatten angestellt worden sein. Andere, eher großformatige Platten finden anscheinend eine konkrete Nutzung, da die Einhaltung präziser Maßangaben gefordert wird.166 Wie hoch der Stellenwert der Innovation war, läßt sich daran ablesen, daß für die Einweihung des Institutes im Juli 1938 eine besonders große Platte angefordert wird, da „unser Institutsneubau […] bei dieser Gelegenheit von höheren Stellen besichtigt wird“. Hierbei soll ein „1 x 2 m“ großes Eloxalbild ausgestellt werden, als Künstler ist vermutlich Julius Hess vorgesehen.167 Im März 1939 zieht Jacobi positive Bilanz, haben doch die Versuche mit Eloxalplatten „zu einem vollen Erfolg geführt“. Ihre Brauchbarkeit sieht er darin, daß „durch die heutigen Verhältnisse der Warmwasserheizung sowie auch der Zementverwendung bei Neubauten die bisherigen Tafelbilder auf Holz oder Leinwand, bzw. auch die Wandbilder nicht mehr die frühere Haltbarkeit aufweisen“. Es ist also nicht die Materialverknappung, die für eine Nutzung von Eloxal spricht – bei Aluminium wie bei anderen Metallen gibt es massive Lieferschwierigkeiten –, sondern zeitgebundene Anwendungen wie auch ein Ersatz natürlicher Materialien durch synthetische Stoffe stehen im Vordergrund. Vor allem die geringe thermische Ausdehnung von Aluminium verspricht, „ein Aufstehen und Abblättern der Farbe“ zu verhindern. In Anbetracht der Lieferschwierigkeiten erhöht Jacobi deshalb den Druck auf Siemens & Halske und weist darauf hin, daß Eloxal „für eine Reihe großer Malereien an den Neubauten für Partei und Staat […] in Aussicht genommen“ sei. 356

Jacobi droht gar, falls „die Behandlung dieser Frage [nicht …] die richtige Würdigung erfährt […] noch andere Stellen zur Durchführung einzuschalten“.168 Der neuartige Bildträger findet weite Beachtung in der Künstlerschaft. So berät – ohne zu wissen, daß dieser eines Tages sein Nachfolger wird – Roth im April 1939 Heinrich Neufang zu Eloxal.169 Das maltechnische Interesse an einem Einsatz besteht auch an anderer Stelle, weist doch Siemens & Halske darauf hin, daß die neuartigen Bildträger es sogar bis auf die Weltausstellung in New York 1939 schafften, wo großformatige „Wandmalereien auf eloxierten Aluminiumblechen“ im Ausstellungsgebäude Norwegens präsentiert wurden (Abb. 90).170 Abb. 90 | Eloxal als neuer Bildträger auf der Weltausstellung 1939 in New York

1939 verfaßt Jacobi ein für das Mitteilungsblatt der Kammer gedachtes Manuskript, in dem er Eloxal gegen Sperrholz,171 Papiere und auch Pappen abgrenzt, die aufgrund der wäßrigen Medien weit schlechter zu grundieren seien.172 Die Kammer weist Ziegler allerdings umgehend darauf hin, daß Eloxal „während der Kriegszeit nur in ganz speziellen Sonderfällen zu erhalten ist“. Wie Jacobi bekannt sein müßte, werde Eloxal, oder besser Aluminium, jetzt für Rüstungszwecke in der Waffenproduktion in großem Umfang eingesetzt. Ziegler annotiert: „Ich bitte die aus der Not sich ergebenden vordringlichen Fragen vorerst zu behandeln“.173 Auf ein Erwiderungsschreiben Jacobis notiert Ziegler wenig später gereizt: „Dr. Jacobi, es bleibt bei meinem Ihnen in der Besprechung vom 31. XII [vermutlich XI] erteilten Weisung, den während der Kriegszeit beschränkten Raum des M. Bl. [Mitteilungsblattes] für vordringliche Fragen aus Materialverknappung und Verschlechterung zu verwenden.“174 Diese Situation verhindert vermutlich eine breite Anwendung von Eloxal, das erst nach dem Krieg, z. B. beim Wiederaufbau der Münchner Residenz und bei der Übertragung der RottmannFresken im angrenzenden Hofgarten, eingesetzt wird.175 AUF DER WARTBURG Ein weiteres und nicht erst in Zeiten der Monumentalmalerei des „Dritten Reichs“ überaus aktuelles Thema sind unterschiedliche Freskotechniken, über die Doerner mit zahlreichen Künstlern korrespondiert.176 So äußert er sich z. B. schon 1919 zu Tiepolos Europafresko im großen Treppenhaus der Würzburger Residenz.177 Freskotechniken sind aber auch zentrales Thema im neu gegründeten Institut: Von umfangreichen Versuchen an der Mauer zum Akademiegarten (Abb. 91) zeugt ein ausführlicher Bericht von Roth und Jacobi.178 Auf eben derselben Mauer legt auch der Kunst- und Dekorationsmaler Josef Stallhofer* wahrscheinlich im Auftrag von Hermann Kaspar179 – kurz zuvor als Nachfolger von Diez berufener Professor für Monumentalmalerei – Versuchsflächen an: Seine Notizen zur „Wandmalerei auf Marmor-Frischkalkmörtelputz und 358

die Wergfaser-Verputztechnik“ lassen ahnen, worüber im Alltag des Institutes geredet wird. Dabei sind es aber nicht nur die zahlreichen praktischen Hinweise zum Umgang mit Kalk, zu Bewurftechniken oder zur Farbgebung mit Naturfarben, sondern Stallhofers Schrift ist auch ganz im Geiste seines Lehrers Hermann Kaspar verfaßt: „Freskomalerei ist auch Monumentalmalerei, sie hat die Bestimmung, in denkmalartiger Weise ihre Mission zu erfüllen. Abb. 91 | Maltechnische Versuchsreihen in [/] Das Wort ‚Monumental‘ Freskotechnik auf der Mauer zur Akademie will aber richtig verstanden sein; im allgemeinen wird es meist so ausgelegt, daß damit ein in großen umfangreichen Ausmaßen angefertigtes Werk gemeint ist. [/] Monumental sein ist aber noch mehr, denn auch das kleinste Bild kann in dem, was es ausspricht groß sein. [/] Monumental heißt gewaltig, großartig, majestätisch.“180 Die bei den maltechnischen Versuchen gewonnenen praktischen Erkenntnisse sind nicht nur bei der Beantwortung zahlloser Zuschriften aus weiten Kreisen der Künstlerschaft hilfreich. Sie erweisen sich auch bei der konservatorischen Beratung anläßlich der Sanierung der berühmten Schwindfresken auf der Wartburg als dienlich.181 Gewaltig, großartig, majestätisch: Doerner war bereits im November 1924 auf der Wartburg,182 und auch alle anderen, die in der Maltechnik dieser Jahre Rang und Namen haben, äußern sich. So besucht Wehlte die Fresken 1925,183 Eibner 1926,184 und handschriftliche Notizen Doerners belegen, daß dieser sich auch noch nach 1928 ausführlich mit der Thematik befaßt.185 Ende 1937 359

erreicht ihn dann der Hilferuf der „Freunde der Wartburg“: Sollen die Fresken abgenommen und auf einen neuen Träger übertragen, oder soll nur die „aufsteigende Feuchtigkeit im Mauerwerk“ beseitigt und die Malerei gefestigt werden? Zwei gänzlich unterschiedliche Auffassungen prallen offenkundig aufeinander, der Meinung Doerners kommt so höchstes Gewicht zu.186 Zum Ortstermin gebeten, sieht Doerner sich krankheitsbedingt außer Stande, noch vor dem Sommer nach Eisenach zu reisen. Auch wenn ihm der Fall aus vorangegangenen Besuchen vertraut ist, fehlen ihm frühere Restaurierungsdokumentationen. Ein Konzept hat er aber schon im Kopf: „Absägen des Mauerwerks, Bleiplatten. [/] Lüftung [/] Warnung vor Fixierung“.187 Doerner, da anhaltend krank, schickt im Mai 1938 Roth und Jacobi auf die Wartburg: Ihr ausführliches Gutachten188 zu den großformatigen Fresken von Moritz von Schwind – darunter der „Sängerkrieg“, durch Wagners „Thannhäuser“ einer der Mythen des Nationalsozialismus –, ist der Beginn eines prominenten Projektes, welches das Institut bis 1942 begleiten wird.189 Roth und Jacobi gehen in ihrer in drängend dicht gefüllten Wochen vor der Eröffnung des Institutes erstellten Stellungnahme auf maltechnische wie auf bauliche Besonderheiten ein: Diskutiert werden die feuchte Wand, steter Feuchtetransport von der Wand durch das labile Fresko in den Raum sowie wasserundurchlässige Wandanstriche und nicht hinterlüftete Verkleidungen aus Blech und Holz.190 Auf jeden Fall verhindert werden sollte jedoch die Abnahme und Neumontage der Fresken. Kernpunkt der Maßnahme sei die Trockenlegung des Mauerwerks: Zur Beheizung wird eine „elektrische Bodenheizung der Süddeutschen Kabelwerke Mannheim-Waldhof“ in Erwägung gezogen,191 die auch die umliegenden Räume auf moderate Temperaturen bringen soll. Vor allem wird die Abnahme von Ölübermalungen und Zementkittungen empfohlen. Umliegende Wandanstriche mit sperrenden Ölfarben oder gipshaltige Putze müßten entfernt werden, so daß aufsteigende Feuchte ohne ein Ausblühen von Sulfa360

ten dort verdunsten könne. Als abschreckendes Beispiel bezieht man sich – wie auch Wehlte, wir werden hierauf noch eingehen – auf Slevogts Mißerfolge mit Seccomalerei, wo mit Teer isolierte Wandpartien einen Austritt aufsteigender Feuchte aus dem Fresko erzwangen und dieses in kurzer Zeit zerstörten. Im Fall der Wartburg solle die schwach gebundene Festigung mit „Kalk-Baryt-Wasser“ erfolgen.192 Der blau übermalte Hintergrund der Medaillons solle mit Brot abgetupft und so in seiner Farbwirkung zurückgenommen werden. Fehlstellen sollen mit Neutralretouchen geschlossen werden. Das gesamte Maßnahmenbündel wird im Sommer 1938 von den Münchner (Maler-)Restauratoren Hans Röhm und Joseph Damberger193 sowie ab 1939 durch zwei weitere Mitarbeiter des Institutes, den Vergolder Franz Ostenrieder und den Maurer Josef Reichl, ausgeführt.194 Obwohl die Arbeiten auf der Wartburg gut vorangehen,195 ist die komplexe Maßnahme, die nur eine von vielen in der Geschichte der vielbesuchten Schwindfresken ist, nicht konfliktfrei: Über Abb. 92 | Konservierung der Schwindfresken auf der Wartburg

das Vorgehen des Restaurators Röhm196 entzündet sich nicht nur Streit mit dem Burgobmann, sondern auch mit Röhm selbst, der sich nicht an die Vorgaben des Institutes zu halten scheint. Roth greift mit Bestimmtheit ein, seinem Schreiben an Röhm mangelt es nicht an Deutlichkeit.197 Zusätzlich schaltet sich Doerner persönlich ein, seine kompromißlose Ablehnung der angeblich von Röhm eingesetzten „Geheimmittel“ verwundert wenig. Doerner verteidigt die Festigung mit anorganischen Mitteln vehement und warnt vor organischen Festigungsmitteln wie Topfenkasein. Dieses dürfe nur „an nebensächlichen, unzweifelhaft nicht von Schwind herrührenden Stellen“ zum Einsatz kommen, doch müßten diese „genau festgelegt werden, am besten durch Einzeichnung in Photos und sie dürfen nirgends eine Originalstelle berühren“.198 Retouchen werden als dem Volumen folgende Strichelretouchen (Abb. 92) ausgeführt, größere Fehlstellen nur farblich eingestimmt.199 Doch, weit wichtiger, entwickeln Roth und Jacobi erstmalig eine systematische Sicht der Gesamtproblematik 200 und setzen ein für die damalige Zeit modernes Konservierungskonzept zum Nutzen der Schwindfresken um. Die Aufmerksamkeit ihrer Zeit war dem Doerner-Institut dabei sicher: Dem Projekt auf der Wartburg wird, wie auch der Konservierung der Glasmalereien in Naumburg, höchste politische Priorität eingeräumt. Im März 1939 versammelt man sich noch einmal vor Ort, um den Erfolg der Maßnahme zu kontrollieren. Dabei werden ebenfalls Versuche angesprochen, die das Doerner-Institut über den Winter an der Mauer zum Akademiegarten durchgeführt hat. Eine ausreichende Belüftung vorausgesetzt, hielten sich die Fresken dort selbst bei „ungünstigen Mauerverhältnissen“. In Übereinstimmung mit den Beobachtungen auf der Wartburg erwiesen sich öl- und wachshaltige Anstriche wie auch Holzvertäfelungen im Umfeld der Probeaufstriche als problematisch. In der Konsequenz werden die Holzvertäfelungen ein Stück von der Wand abgesetzt, um Luftzirkulation zu erlauben, Ölfarbenanstriche und ungeeignete Mörtel 362

wie auch Zementverfugungen entfernt, die durch die Wasserdiffusion geschädigten Partien fixiert und dünne Gazevorhänge vor den Fenstern angebracht, um eine direkte Besonnung der Fresken und damit eine verstärkte Verdunstung zu verhindern. Zum ersten Mal wird vom Einbau einer „Luft[fern]heizung, bzw. Klimaanlage“ gesprochen, eine direkte Gasbeheizung aber ausgeschlossen: Jacobi und Roth erkennen, daß „die Feuchtigkeitswanderung“ zentrale Ursache für das Schadensbild sei.201 Da durch gutachterliche Pflichten im Stuttgarter Fälschungsprozeß abgehalten, wird an Stelle Roths wieder Joseph Damberger auf die Wartburg geschickt, um die anstehenden praktischen Arbeiten mit Röhm durchzuführen.202 Und noch an anderer Stelle dringt der Alltag des Institutes in die Burg­ räume vor: Man überlegt, ob jüngst angefertigte Kopien – 19 der 22 Schwindfresken wurden durch den Weimarer Künstler Otto Fröhlich kopiert – nicht „auf Eloxal rentoiliert“ werden sollten, um so deren Haltbarkeit auf den feuchten Wänden zu verlängern.203 Einen Tag vor den „Wartburgmaientagen“ 1939 ist die Maßnahme weitgehend abgeschlossen: Bei der nationalsozialistisch durchdrungenen Festveranstaltung, finanziert durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, finden die Arbeit des Institutes breite Erwähnung.204 Restliche Putzarbeiten sucht Roth an die Münchner Firma Mayrhofer zu vergeben, die mit Roth auch im Augsburger Dom und in anderen Kirchen tätig war.205 Zwar sind die zementhaltigen Putze als Problem erkannt, doch wird deutlich, daß alle Bemühungen ohne eine Trockenlegung der Mauern selbst auf kurze Sicht vergeblich sind. Offenkundig reicht die natürliche Belüftung auf der Wartburg nicht aus, der kurzfristige Einbau einer Heizungs- oder gar Klimaanlage ist aber illusorisch. Neben einer Trockenanlage mit niedrigen Luftwechseln scheint es sich vor allem zu empfehlen, zusätzlich den Wasserspiegel des Burgbrunnens abzusenken.206 Trotz des Besucherverkehrs werden die Arbeiten für den Monat August festgesetzt, doch ein scharfer Einspruch des einflußreichen Burghauptmannes 363

von der Gabelentz gegen die Planung einer Trockenanlage und die dadurch bedingten baulichen Eingriffe wie vor allem seine Befürchtung, daß die Schwindfresken durch die Trockenlegung erst recht leiden würden, ja gar verlorengingen, plädiert für den Beibehalt der Elektroheizung, die sich im Großen und Ganzen bewährt habe.207 Dies provoziert ein neues Gutachten, das die Notwendigkeit, nachströmende Feuchtigkeit auch über Entwässerungsgräben im Burghof zu unterbinden, sperrende, spätere Malschichten zu entfernen und eine gasbetriebene Trockenanlage zu errichten, noch einmal unterstreicht.208 Streit entzündet sich auch an anderer Stelle: Das Doerner-Institut reagiert äußerst ungehalten auf die Behauptung von Gabelentz, daß die von Roth, Röhm und Kollegen durchgeführte Konservierung schon längst keine Konservierung mehr, sondern bereits eine Restaurierung sei: Roth und Jacobi stellen die Vertrauensfrage.209 Die Antwort ist nicht erhalten, doch aus der Beauftragung der Firma Mayrhofer wie auch den Terminplanungen ist zu schließen, daß sich das Doerner-Institut mit seinem Konzept durchsetzt. Die Arbeiten werden im August 1939 in angespannter Atmosphäre fortgeführt. Ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister in Eisenach und dem Burghauptmann verschiebt sich mehrfach, ja Roth verweigert am Ende eine Auseinandersetzung mit Gabelentz, den er weder in der Verantwortung noch in Fragen der Konservierung als kompetent ansieht, habe dieser doch die Abnahme aller Fresken oder eine Behandlung „mit Enkaustik“ vorgeschlagen.210 Mitten in diese Diskussion bricht der Krieg: Jacobi versucht zum Jahreswechsel 1939/40 noch deutlich zu machen, daß die Trockenanlage „absolute Notwendigkeit“ sei, um zukünftige neue Schäden zu vermeiden,211 doch schon im Frühjahr 1940 sinken die Besucherzahlen, Einnahmen fehlen, Entscheidungsträger sind im Feld, das Jahrbuch der „Freunde der Wartburg“ stellt sein Erscheinen ein und die Fortsetzung der Maßnahme ist mehr als ungewiß. Die Fresken 364

selbst kommen „ausgezeichnet durch den Winter […], desgleichen der Sängersaal“,212 Röhm ist dort immer wieder sporadisch tätig – so noch 1941213 – und das Doerner-Institut beschränkt sich auf gelegentliche Kontrollbesuche.214 Ein Manuskript über „Die Konservierung der Schwind-Fresken auf der Wartburg“215, das für das Jahrbuch wie für die Zeitschrift „Kunst dem Volke“ geplant ist, erscheint nie.216 Aus heutiger Sicht war die Umsetzung der vom Doerner-Institut empfohlenen Maßnahmen bedingt erfolgreich: Die optische Verbesserung der Fresken hält, Ergänzungen auf Neuputz waren dagegen nicht von langer Dauer, bauliche Maßnahmen wie auch die geforderte „Trockenanlage“ zur Entfeuchtung konnten kriegsbedingt nicht umgesetzt werden.217 Auch eine Kampagne in den 1960er Jahren löste die Probleme der Schwindfresken nicht, bis heute sind sie Gegenstand restauratorischer Bemühungen. IM NAUMBURGER DOM Jacobi wendet sich neuen Aufgaben zu: Im Zusammenhang mit Versuchen in Naumburg, geschädigte Glasfenster des Doms zu konservieren, entwickelt er mit Vertretern der Industrie im Mai 1940 ein Verfahren, um historische Gläser zu stabilisieren. Jacobi beschreibt das neue Verfahren in einem Artikel für die Zeitschrift Angewandte Chemie: „mittels der modernen Sicherheitsglastechnik [werde] auf die Innenseite [des Glasfensters], welche die Zeichnung des Schwarzlotes trägt, mit einer Zwischenschicht von entsprechenden Eigenschaften, z. B. Acrylsäureester, eine Deckglasscheibe“ aufgebracht.218 Hierdurch werde die Schwarzlotzeichnung gesichert und die Scheibe vor Schwitzwasser geschützt. Aus einer Anfrage des Glasmalers Josef Oberberger*219 zur Problematik der Konservierung von Glasfenstern des Naumburger Doms entwickelt sich eines der wichtigsten und erfolgreichsten Projekte des Institutes. Roth ist beteiligt, denn der Glasmaler und – wie 365

Oberberger ihn nennt – der „Maler und Farbkämpfer Toni Roth“ sind freundschaftlich verbunden.220 Noch am Tag der Anfrage, in Naumburg tätig zu werden, antwortet Roth, daß sich das Institut dieser Aufgabe bereits mit Teilerfolgen angenommen habe. Hierbei unterscheidet er zwischen künstlerischer und technischer Herausforderung, ja er ist sich der „aussergewöhnlichen Verantwortung“ bewußt, da der Naumburger Dom, und insbesondere die Stifterfiguren im Westchor in der NS-Ideologie einen zentralen Platz einnehmen. Roth sieht die erfolgreiche Lösung des Problems allerdings „durch die Kriegslage zeitraubend erschwert“.221 Wie angedeutet, hatte Jacobi zu diesem Zeitpunkt bereits mit der I. G. Farbenindustrie AG in Ludwigshafen Kontakt aufgenommen. Ein Treffen mit Mitarbeitern der I. G. Farben, unter ihnen Roßmann, der ehemalige Assistent Eibners und spätere Mitarbeiter des Doerner-Institutes, 222 findet rund eine Woche später statt. Roßmanns Protokoll spricht die bisherige, unbefriedigende Restaurierungspraxis im sogenannten Zettler-Verfahren – Aufschmelzen einer neuen Glasschicht bei 800 °C, dadurch Mineralisierung und Sprungbildung – an. Auch Versuche bei 400 °C hätten zu keinem besseren Ergebnis geführt, so daß Experimente mit „dem Aufbringen von modernen Lackrohstoffen“ gemacht worden seien. Die Dauerhaftigkeit dieser Lacke wird jedoch angezweifelt, so daß die Anwendung der „heute in breitem Masse angewandte[n] Verbundglastechnik“ angeregt wird.223 Das ins Auge gefaßte Verfahren entspricht im Prinzip der damals gängigen Doublierung in der Gemälderestaurierung: Ein neuer Träger in Form einer dünnen Klarglasscheibe stabilisiert mechanisch, und die Verklebung erfolgt mit einer „Verbundmasse“. Zur Sicherung locker gewordenen Schwarzlotes wie auch des sogenannten Wettersteins wird zusätzlich ein Überzug mit „einer Schutzschicht von [… Kunstharz]Lackrohstoffen“ empfohlen, die „der später aufzutragenden Verbundschicht stofflich verwandt“ sein müsse. Roth, Jacobi, Roßmann und ein weiterer Mitarbeiter der I. G. Farben trennen sich in der Überzeugung, daß „bei der Durchführung eines solchen Verfahrens keine Gefahr für die Glasfenster besteht 366

Abb. 93 | Werkphoto der Sicherheitsglas GmbH Lausitz, 1940

und diese Methodik einer absoluten Konservierung ohne jegliche Beschädigung des Originals entspricht. Bei dieser vorgeschlagenen Methode [sei] es auch jederzeit möglich, die aufgebrachte Verbundglasschicht wieder zu entfernen, ohne das Original zu schädigen“224 – eine nach heutigen Maßstäben zwar damals zeitgemäße, jedoch irrige Einschätzung. Bereits am nächsten Tag schickt die I. G. Farben „Plastopal-Lack auf der Basis von Plastopal AT – Plastopal AW“, der „bei 160° 1 bis 2 Stunden eingebrannt werden“ müsse.225 Anstrengungen des Doerner-Institutes, die Verbundglas G.m.b.H. in Berlin bzw. Röhm und Haas in Darmstadt für weitere Versuche mit „thermoplastische[n] Stoffe[n auf …] Polyacrylsäureesterbasis“ zu gewinnen,226 scheitern an fehlender Erfahrung beider Firmen.227 Weit vertrauter mit Verbundgläsern – insbesondere aus dem Automobilbereich – ist dagegen die Sicherheitsglas G.m.b.H., die sogenannte SIGLA in Kunzendorf (Niederlausitz) mit einem Zweigwerk in Wernberg (Oberpfalz) (Abb. 93). Dieser Kontakt entwickelt insbesondere für Jacobi auf 367

lange Sicht Bedeutung, wird doch die SIGLA Jacobis späterer Arbeitgeber. In einem Prospekt der SIGLA wird das dort hergestellte Sicherheitsglas als nichtalternd beworben, es lasse sogar „durch Einwirkung der Witterung“ mit der Zeit immer mehr Licht durch.228 Beides erscheint für die Konservierung historischer Glasfenster günstig: Jacobi wendet sich deshalb an die SIGLA, die allerdings im Hinblick auf lose und unebene Oberflächen von historischen Gläsern beim Aufziehen der „Acrylsäurefolie“ (Plexigum) Blasenbildung befürchtet229 und darin einen Grund sieht, die Gewährleistung auszuschließen.230 Jacobi zerstreut die Einwände: Er schlägt vor, das lose Schwarzlot zuerst durch „Plastopal- oder Nitrolacke“ zu fixieren. Die möglicherweise eintretende Blasenbildung hält er aufgrund der großen Entfernung zwischen Betrachter und Glasfenster für unkritisch.231 Geschäftstüchtig schlägt die SIGLA vor, nicht nur Scheiben mit losem Schwarzlot zu behandeln, sondern „auch die neuen Fenster von Anfang an“ mit dem neuen Verfahren zu schützen.232 Die Versuche bei der SIGLA laufen an und Roth verspricht dem Preußischen Staatsbauamt in Naumburg bereits für Ende April Ergebnisse.233 Jacobi fährt hierzu eigens in das SIGLA-Werk in Sorau in der Niederlausitz, und bereits am 08.05.1940 übersendet die SIGLA Glasstücke, zwei Fixative – leider ohne Angabe der Zusammensetzung – und eine Anleitung, wie hiermit praktisch zu verfahren sei.234 Der Druck, zu einer Lösung zu kommen, scheint immens, denn bereits zwei Tage später geht ein Schreiben aus Naumburg ein, daß Ende Mai in München „die künstlerische und technische Instandsetzung der Fenster durchzusprechen“ und „der Vertrag über die Instandsetzung der Fenster im Dom zum Abschluß zu bringen“ sei.235 Die Sache erscheint so vielversprechend, daß sich Oberberger, bislang in der Entwicklung nicht in Erscheinung getreten, ohne Verweis auf Jacobi oder die SIGLA direkt an das Landesamt für Denkmalpflege in München wendet. Es sei ihm „gelungen […] an einigen Stücken einen neuen Weg, den ich künstlerisch und technisch für 368

die Konservierung alter Glasfenster für einwandfrei erachte, zu zeigen“.236 Offenkundig scheint man für einen Einsatz des neuen Verfahrens „ausser dem Naumburger Dom noch eine Anzahl weiterer Dome in Betracht“ zu ziehen.237 Dem späteren Schriftverkehr ist zu entnehmen, daß hierbei an bombengeschädigte Dome, Münster und Kirchen in Augsburg, Köln, Nürnberg oder Ulm gedacht ist. Zu dem Termin Ende Mai 1940 reisen auch zahlreiche Teilnehmer aus Naumburg, Halle und der SIGLA an: Zentraler Punkt eines fünftägigen Reiseprogramms ist ein Vertragsabschluß mit Oberberger und der ausführenden Firma Mayer – vermutlich der Mayer’schen Hofkunstanstalt – über die Konservierung der Naumburger Fenster. Visiten des Augsburger Doms, der Lorenzkirche in Nürnberg und ein Besuch im Atelier Bleekers – vermutlich auf Vermittlung Roths, der mit dem Künstler befreundet ist – runden das Programm ab.238 Jacobis Aktennotiz zu dem Treffen im Doerner-Institut ist ein bemerkenswertes Dokument, vereinbart er doch „in einer privaten Unterredung“, daß die SIGLA „von keiner anderen Stelle Aufträge entgegen nimmt, wenn nicht das Doerner-Institut begutachtend eingeschaltet ist“. Ob Jacobi zu diesem Zeitpunkt von Oberbergers Werben um das Landesamt weiß, ist unbekannt, doch ursächlich zeichnet die Befürchtung, daß das Institut z. B. bei den anstehenden Konservierungsarbeiten am Kölner Dom „ausgeschaltet werden könnte“. Man beschließt, einige Flügel des Naumburger Doms nach dem neuen Verfahren in München zu konservieren.239 Vom Erfolg überzeugt, beabsichtigt man, das in Zusammenarbeit mit der SIGLA und Oberberger erarbeitete „Neue Verfahren zur Konservierung alter Glasmalereien“ seitens des Doerner-Institutes zu patentieren.240 Der Eingang der Patentanmeldung wird am 30.05.1940 vom Reichspatentamt in Berlin bestätigt,241 ob das Patent jedoch je erteilt wurde, ist unklar, vor allem da Karl Würth von der Mal- und Anstrichtechnischen Versuchsanstalt aus Leverkusen369

Schlebusch bereits ein Jahr zuvor ein ähnliches Patent angemeldet hatte.242 Als Jacobi dies erfährt, reagiert er verunsichert, holt gar die Meinung der SIGLA ein.243 Würth mahnt,244 das Doerner-Institut blockt, ja will vor einer Antwort erst Einsicht in das Patent Würths.245 Doch auch Würths Patent scheint Anfang 1941 noch nicht zugelassen, und noch im Sommer 1942 befaßt sich das Doerner-Institut mit der anhängigen Thematik.246 Auch wenn die Frage des Patentes also längerfristig ungeklärt bleibt, werden zwei Naumburger Glasflügel in Zusammenarbeit mit Oberberger gereinigt und fixiert und dann am 16.06.1940 per Bahn auf den langen Weg zur SIGLA nach Sorau geschickt.247 Zeitgleich schreibt Jacobi an dem erwähnten Artikel für die Zeitschrift Angewandte Chemie. Die SIGLA, der ein Entwurf zugeht, moniert allerdings, daß sich Jacobi „mit einer geradezu übergroßen Bescheidenheit im Hintergrund“ halte, dagegen den Beitrag der I. G. Farben zu sehr betone. Dies würde nicht der Wahrheit entsprechen und zudem patentrechtliche Probleme aufwerfen.248 Jacobi rückt dies zurecht, die Arbeit in Sorau an den beiden Flügeln läuft an, und die Reichskammer schaltet sich ein. Abb. 94 | Konservierung von Glasfenstern in Naumburg

Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekommt das Projekt eine politische Dimension: Auf Betreiben Zieglers wird eine Vorbesichtigung mit dem Denkmalpfleger und Ministerialdirigenten Robert Hiecke* aus dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wie einem Beauftragten von Gauleiter Adolf Wagner geplant.249 Der Termin soll unter Beteiligung Zieglers stattfinden,250 der durchsetzt, daß auch ein Nürnberger Fenster gezeigt wird, das nach dem Zettler-Verfahren behandelt wurde. Anfang Juli ist ein Fensterflügel aus dem Naumburger Dom „bereits beinah fertig gestellt und sieht sehr ordentlich aus“ (Abb. 94).251 Offenkundig ist der politische Druck hoch, denn Jacobi erwähnt einen weiteren Flügel, der ab Ende Juli in München besichtigt werden könne.252 Versuche des Landesamtes für Denkmalpflege, die konservierten Flügel schon vorher zu sehen,253 wehrt Jacobi ab:254 Anscheinend will auch Oberberger das Landesamt nicht oder noch nicht beteiligt sehen. Jacobi drängt das Bauamt in Naumburg, müssen doch die beiden Flügel noch nach München transportiert und dort verbleit werden. Wahrscheinlich einer Anweisung Zieglers folgend, reisen Roth und Jacobi nach Nürnberg, um von den Hallerfenstern in St. Lorenz im Zettler-Verfahren konservierte und auch nicht behandelte Fenster für den Termin in München auszuleihen. Die Reise ist erfolglos, denn „alle Fenster [seien] z. Zt. in Kisten verpackt und in einem für die Allgemeinheit geheimen Luftschutzkeller der Stadt Nürnberg untergebracht“.255 Am 29.07.1940 findet die entscheidende Besichtigung in Anwesenheit von Behördenvertretern aus Berlin, Merseburg und Naumburg, Repräsentanten der beteiligten Firmen, Ziegler, Jacobi und Roth im Doerner-Institut statt – ein Termin, der über die Zukunft des neuen Verfahrens entscheidet. Völlig überraschend für die meisten Beteiligten kommt dabei zur Sprache, daß die SIGLA erst „nach Kriegsende […] mit dieser Friedensfertigung“ beginnen könne. Ziegler wird deshalb gebeten, sich beim zuständigen Arbeitsamt dafür einzusetzen, daß fünf Leute ausgebildet würden, so daß „mit 371

den Vorarbeiten sofort“ begonnen werden könne.256 Doch es soll nicht nur bei dieser Schwierigkeit bleiben: Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege – Lill, Schmuderer, Voraus, Marxmüller und Goering – melden schriftlich Bedenken gegen die Reversibilität der Maßnahme an.257 Ihr Schreiben ist allerdings nicht an das Doerner-Institut, sondern verwunderlicherweise an die Kameradschaft der Künstler gerichtet, einer nationalsozialistischen Organisation mit Sitz im Künstlerhaus am Lenbachplatz, der Gauleiter Wagner vorsteht. Darin verteidigt Lill – ohne hier in die Details zu gehen – die bisherige Praxis der Glaskonservierung, die auf die historische Glasoberfläche einen „neuen Glasfluss […] mittels einer Paste aus Bindemittel und Glaspulver“ im erwähnten Zettler-Verfahren aufschmilzt. Um die Qualität und die Langlebigkeit der Maßnahme zu beurteilen, beauftragt Lill sogar „Stoiss [richtig Adolf Stois, späterer Mitarbeiter des Doerner-Institutes nach dem Krieg] vom mineralogisch-geologischen Institut der Technischen Hochschule“ mit einem Gutachten, das er in weiten Passagen für seinen Schriftsatz übernimmt. Die damit von Lill angestoßene Fachdiskussion um das „neue Verfahren mit Kunstglas“ konzentriert sich auf die aus heutiger Sicht nachvollziehbaren „Bedenken, dass trotz der bisherigen Erfahrungen auf langen Zeitraum hinaus eine Veränderung (vergilben u. dgl.) des Kunstglases stattfinden und damit zur künstlerischen Zerstörung der Fenster führen könne“. Dieser Einwand „wurde durch die Versicherung behoben, dass es jeder Zeit möglich sei, die Verkittung der Scheiben ohne jede Beschädigung des Originals wieder zu lösen. Da es für uns nur schwer vorstellbar ist, dass auch bei Scheiben, bei denen das Schwarzlot mit dem Glas keinerlei Verbindung mehr hat, wie das z.B. in Nürnberg vielfach der Fall ist, die nachträgliche Trennung der beiden Gläser ohne Schaden für die Zeichnung möglich ist, so müßte in dieser Hinsicht ein Versuch die zunächst noch bestehenden Bedenken ausschalten.“ Beide, Lill und Schmuderer, halten gleichwohl das neue dem alten Verfahren für überlegen 372

und wollen zukünftig „die bessere Neuerfindung“ empfehlen, auch wenn sie „das Verdecken der originalen Oberfläche, die bekanntlich bei alten Glasfenstern einen hohen künstlerischen Reiz darstellen“ durch das Verbundglas und damit eine massive ästhetische Beeinträchtigung bemängeln.258 Aus Jacobis Sicht erhöht die Klebung die statische Festigkeit z. B. gegen Winddruck. Vor allem seien die eingesetzten Polyacrylsäureester „durch [ihre] Bedeutung für Heer und Luftwaffe“ eingehend im Hinblick auf Vergilbung getestet worden. Andere Einwände wie die befürchtete Spiegelung zerstreut er mit dem Hinweis, daß die Anregung eines Einsatzes von „Antikglas“ schon aufgenommen worden sei.259 Wie wir heute wissen, bestätigten sich die Befürchtungen, verfärben sich doch Klebungen mit Epoxidharzen, während sich das farblich unveränderte Polyacrylat der Laminierung dagegen bis heute als in Ethylacetat löslich erweist.260 Erst ein – merkwürdigerweise Monate später erstelltes – Protokoll Jacobis aus dem Oktober 1940 berichtet uns von den wegweisenden, Ende Juli gefallenen Entscheidungen: Wesentlichster Punkt ist, daß das neue Verfahren das auch vom Landesamt bislang eingesetzte Zettler-Verfahren reichsweit ersetzen soll. Der erwähnte Hiecke soll von Berlin aus alle Denkmalämter und Provinzialkonservatoren hierüber unterrichten. Wo das Verfahren zum Einsatz kommt, ergeht Anweisung, Probestücke ins Doerner-Institut zu schicken, „um den jeweiligen Weg der Vorkonservierung festzulegen“.261 Diese Regelung wird die Intentionen Jacobis getroffen haben, denn mit dieser grundlegenden Entscheidung bekommt das Doerner-Institut eine Schlüsselrolle in der Konservierung von Glasfenstern zugewiesen. Jacobi vermerkt stolz, daß die Neuigkeit Besucher anziehe, unter ihnen Vertreter von Denkmalämtern, Dombauhütten und Baubehörden aus dem ganzen Deutschen Reich, was wenig verwunderlich ist, richten doch alle ihren Blick auf die Zeit nach dem – vermeintlich bald beendeten – Krieg und auf die Aufgaben des Wiederaufbaus.262

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Wie schon im Zusammenhang mit der Eloxal-Thematik beobachtet, ist der Ton zwischen Ziegler und Jacobi Ende 1940 zunehmend gereizt. So bekommt Jacobi eine Aufforderung der Reichskammer – mit Sicherheit im Auftrag Zieglers erstellt –, innerhalb von fünf Tagen zu begründen, warum sein Protokoll zu der Besprechung im Juli nicht an die Reichsminister Rust bzw. Goebbels gegangen sei.263 Jacobi antwortet wahrheitsgemäß, daß keine Weisung Zieglers vorgelegen habe, das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu informieren.264 Für eine Beantwortung der Rückfrage, warum er dies im Falle von Hiecke unter Umgehung des Dienstweges getan habe, verbleiben Jacobi wiederum nur fünf Tage. Die Vorwürfe gipfeln darin, daß Jacobi dies bisher verschwiegen habe.265 Dieser Vorwurf mag Jacobi absurd erschienen sein, denn Hiecke hatte am Termin Ende Juli selbst teilgenommen. Zudem glaubt Jacobi im Auftrag Zieglers gehandelt zu haben, gab ihm doch das Sekretariat Zieglers die Anschrift Hieckes.266 Am 12.12.1940 meldet sich Jacobi bei Ziegler krank.267 Während interne Konflikte das Institut schwächen, mehrt sich sein Ruhm durch Artikel im Naumburger Tageblatt268 sowie in der Berliner269 und der Kölnischen Volkszeitung270. Um die Jahreswende 1940/41 verändern sich die Koordinaten: Möglicherweise auf Betreiben Oberbergers wird die Rolle Jacobis auf eine Beratung in technischen Fragen zurückgestutzt, während Ziegler das Institut in künstlerischen Fragen als für nicht zuständig erklärt. Mit dem Treffen im Juli „betrachtet das Doerner-Institut [in den Worten Oberbergers] seine Arbeit in der Angelegenheit Naumburg zunächst als beendet“.271 Wie gereizt die Stimmung ist, läßt sich aus einer Äußerung Oberbergers schließen, daß man „persönliche Debatten über Doerner-Institut, Prof[essor] Roth, Bayer. Konservatorenbibel [vermutlich Doerners Buch] u. s. w. bis zur negativsten Satire treiben [könne]. Im Dom werden aber nicht persönliche Debatten, sondern die Glasfenster aufgestellt“. Aus großer Nähe – Oberberger schickt noch 1937 eine Postkarte voller Bewunderung für den Künstler 374

Toni Roth anläßlich der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst, auf der Roth vertreten war,272 – wird Konkurrenz. Auch eine Mitsprache Roths in Sachen Glasfenster ist nicht mehr gewünscht und Zieglers Zerwürfnis mit Roth offenkundig zu weit gediehen, als daß er ihn noch stützt. Bei einer weiteren Sitzung, auf der beschlossen wird, daß bei „50% der alten Glasstücke“ am Naumburger Dom das „Verbund-Deckglas-Verfahren“ zum Einsatz komme,273 fehlen Roth wie Jacobi. Das später nach Jacobi benannte Verfahren und heute trotz aller Kritik als für seine Zeit wegweisend gewertete Doublierungsverfahren kommt nicht nur in Naumburg, sondern nach dem Krieg auch am Kölner Dom,274 St. Maria im Kapitol in Köln 275 und andernorts zum Einsatz. TECHNOLOGIE DER MALEREI Auch wenn nicht bekannt ist, ob die bereits erwähnte visionäre Denkschrift des Hamburger Restaurators Victor Bauer-Bolton bei Doerner oder seinem Umfeld irgendeine Spur hinterlassen hat – ob also der von Bauer-Bolton verwendete Begriff „Technologie der Malerei“ je im Alltag ankam –, würden wir heute die intensive Auseinandersetzung des Institutes mit Gemäldefälschungen, die Beurteilung von Erhaltungszuständen und wegweisende Arbeiten zu historischen Pigmenten in den Jahren zwischen 1937 und 1941 unter diesem Begriff zusammenfassen. Neben dem Künstlerfarbengesetz und der Suche nach Ersatzstoffen entwickelt sich die Kunsttechnologie zum Hauptarbeitsgebiet von Roth, Jacobi und Haeberlein. Restaurierungen dagegen, vertraut man den in den Akten befindlichen Arbeitsanweisungen und Monatsberichten, gehörten nie zu den Kernaufgaben des Institutes: Einschlägige Anfragen werden deshalb abgelehnt bzw. von Mitarbeitern als Privatauftrag angenommen.276 Für NS-Parteistellen und NS-Größen wie den Architekten Hans Reger aus der Reichskanzlei277 werden jedoch immer wieder Aus375

nahmen gemacht. Hierunter fallen 1939 auch Restaurierungen von „40 Bildern im Auftrage des Führers“.278 Ostenrieder und vermutlich Roth übermalen auf einer Kopie nach Guido Reni, einer „Danae“, auf Wunsch der Frau Heinrich Hoffmanns einen „Amor“ mit einer Landschaft.279 Einmal schreibt Roth, daß unter seiner und Jacobis Anleitung „durch Herrn Ostenrieder ein grösseres dekoratives altes Landschaftsbild konserviert [werde]. Aus verschiedenen wichtigen Gründen [sei] diese Arbeit vordringlich“,280 als Auftraggeber ist ein höhergestellter Auftraggeber aus Staat oder Partei zu vermuten. Eine Beurteilung derartiger Vorgänge ist schwierig, muß doch das sogenannte Eingangsbuch aus dem Sekretariat des Institutes als verloren gelten. In diesem waren, wie Jacobi im November 1940 noch einmal eindringlich festlegt, alle Ein- und Ausgänge an Bildern zu verzeichnen.281 Das Eingangsbuch hätte z. B. nähere Auskunft darüber gegeben, was mit einem „Hieronymus“ von Lukas Cranach aus dem Nachlaß Stahl (Rom) geschieht, den 1940 der Adjudant MarAbb. 95 | Kopie nach Francesco Guardi, „Blick auf Maria della Salute“

tin Bormanns, Heinrich Heim 282, einliefert. Offenkundig gehört die Beurteilung von Erhaltungszuständen von Gemälden aus Privatbesitz oder dem Kunsthandel zum Alltag: Knappe Stellungnahmen von Roth, Jacobi oder Haeberlein basieren in gleicher Weise auf visuellen Einschätzungen wie auch auf technischen Aufnahmen.283 Weit umfangreicher dokumentiert sind 51 Gutachten, denen neben den schriftlichen Stellungnahmen auch Normal- und Röntgenaufnahmen sowie weitere technische Photographien zugehören. Die Gutachten wirken außerordentlich sorgsam gemacht und sind auf ungewöhnlich großformatige Bögen geschrieben, getippt mit einer Langwagen-Schreibmaschine.284 Jedes Gutachten trägt auf der letzten Seite Felder für die Unterschriften Roths, Jacobis, Haeberleins und, als Leiter des Institutes, Zieglers. Beispielhaft sei hier die Untersuchung einer venezianischen Vedute in der Art des Guardi (Abb. 95) genannt. Die umfangreiche schriftliche Stellungnahme285 kommt mittels einer Vielzahl von Detailaufnahmen im Sichtbaren, von Röntgenaufnahmen, UV-Aufnahmen, an Hand des unter dem Mikroskop untersuchten Craquelés sowie vor allem aufgrund von Resten einer entfernten Signatur zu dem Ergebnis, daß es sich bei dem Bild um keinen echten Guardi handeln könne, sondern um eine freie Kopie nach dem Original aus dem Bestand des Louvre. Der Fall dokumentiert nicht nur den für die damalige Zeit außergewöhnlich hohen wissenschaftlichen Standard, sondern wirft auch die Frage nach dem Auftraggeber auf. Die Spuren wirken in diesem Fall bewußt verwischt, sind jedoch rekonstruierbar: Es ist Hitler persönlich, der Reichskultursenator Woldemar Brinkmann hiermit beauftragt. Brinkmann erbittet, „zu Vergleichszwecken […] den im Besitz der alten Pinakothek befindlichen ‚Quardi‘ [dem Institut] für einige Tage zu überlassen“. Gemeint ist Guardis „Venezianisches Galakonzert“286, das hierzu eigens von der Spedition Wetsch aus Herrenchiemsee, dem Ort seiner Auslagerung, geholt wird.287 Das fertige Gutachten wird durch den Hausmeister des Institutes, Kittel, direkt im „Führerbau“ abgegeben, Ziegler sogar eine Kopie nach Rom gebracht. 377

Die Provenienz dieser Vedute wie auch anderer untersuchter Bilder ist nicht in jedem Fall zu ermitteln: So liefert der erwähnte Heim eine „Kreuzigung aus der Brueghel-Zeit“ ein, die das Institut innerhalb weniger Tage im Hinblick auf den Zustand und die Zuschreibung begutachten soll.288 Im Gegensatz zu heute liegen damals kaum Vergleichsdaten vor, so daß eine Untersuchung von authentischen Vergleichsbildern unverzichtbar erscheint.289 Doch nicht immer wird ein „Galakonzert“ zur Verfügung stehen, vor allem da die Herausgabe von Vergleichsbildern oft aufgrund ihrer kriegsbedingten Auslagerung, aber auch wegen winterlicher Wetterverhältnisse verweigert wird.290 Die Begutachtung von Erhaltungszuständen sowie die Echtheitsgutachten werden Roth, Jacobi und Haeberlein vor immer wieder neue Herausforderungen gestellt haben. Für uns heute kaum nachvollziehbar, bot die Literatur der 1930er Jahre wenig Anhaltspunkte, stand doch die Kunsttechnologie in ihren Anfängen. Weder war über die Maltechnik der alten Meister noch über die Behandlung von Bildträgern, über Grundierungen oder gar historische Pigmente viel bekannt. Zwar bieten z. B. die von Berger veröffentlichten Quellenschriften vielfältige Anhaltspunkte und ist auch einzelnen, wie Haeberlein, der Umgang mit Quellenschriften vertraut;291 Roth und Jacobi aber zeigen nur geringes historisches Wissen. Umso beglückender muß für Jacobi die Wiederentdeckung von Bleizinngelb und für Roth der maltechnische Vergleich von Originalen und Kopien Raphaels oder Spitzwegs gewesen sein. Es ist ein Aufbruch zu unbekannten Ufern! Heute jedem Kunsttechnologen als Pigment ein Begriff, ist die Identifizierung von Bleizinngelb auf Gemälden alter Meister ein pigmenthistorischer Meilenstein: Die Entdeckung, oft Hermann Kühn zugerechnet,292 gelingt Jacobi im September 1940. Jacobi weist dieses wichtige historische Pigment mit Hilfe der optischen Emissionsspektralanalyse in einer Probe aus einer gelben Malschicht eines 378

Bildes aus der sogenannten Lenbach-Sammlung erstmalig nach. Ob der erste Nachweis dabei auf einem „Männerportrait“293 oder auf einem „Holländischen Stilleben ca. 1650“294 geführt wurde, darüber finden sich abweichende Angaben. Diesem Nachweis folgen weitere auf deutschen und niederländischen Bildern des 15. bis 17. Jahrhunderts,295 auch auf einem Sarburgh, einem Fyt, Rubens und Bassano.296 Da die optische Emissionsspektralanalyse nur qualitative Rückschlüsse auf die in den Proben vorhandenen Elemente erlaubt, führt Jacobi Brennversuche zu Gelb- und Grünpigmenten durch.297 Der Nachweis eines von Jacobi synthetisch hergestellten Bleizinnmischoxids, das Bleizinngelb, widerlegt die Theorien Raehlmanns298 wie auch de Wilds, daß es sich bei dem Bleigelb der alten Meister um Neapelgelb bzw. gelbe Bleioxide handle.299 Jacobi ist sich der Bedeutung seiner Entdeckung bewußt, reicht er doch bereits vier Wochen später einen Beitrag zur Entdeckung und Synthese von Bleizinngelb bei der angesehenen Zeitschrift Angewandte Chemie ein.300 Detaillierte Rückfragen der Redaktion zeugen von einem kritischen Begutachtungsprozeß:301 Jacobi ist sich jedoch sicher, das Gelb der alten Meister gefunden zu haben, das „in einer Zeitspanne von 1400–1750 als mineralisches Gelb ausschließlich Verwendung fand“. Er weist auch auf die analytische Schwierigkeit quantitativer Bestimmungen an Mikroproben hin – ein Problem, das er in Zusammenarbeit mit dem Hersteller seines Spektrographen, Zeiss Jena, weitgehend gelöst habe. Auf den Einwand, daß es sich bei Bleizinngelb nicht zwingend um ein Bleizinnmischoxid handle, sondern ebenso ein Gemisch von Bleioxid und Zinnoxid sein könne, versteht Jacobi elegant zu erwidern, denn er kennt die mangelnde Lichtechtheit von Bleioxid wie auch den zu geringen Gelbton bei falschen stöchiometrischen Verhältnissen von Blei zu Zinn.302 Daß letzteres nicht nur im Labor so ist, sondern sogar von „farbprennern“ und Künstlern bewußt angewandt wurde, soll rund 60 Jahre danach mit der Entdeckung eines weißen Bleizinngelbs auf 379

dem berühmten „Selbstbildnis von 1500“ von Albrecht Dürer seine Bestätigung finden.303 Jacobi versucht, die Firma Schmincke sogar dazu zu bewegen, nach seiner Rezeptur gebranntes Bleizinngelb in ihr Programm zu nehmen.304 Obgleich die Bereitschaft in Düsseldorf groß ist, liefern Brennversuche unbefriedigende Ergebnisse. So verfärbt sich das Gelb beim Anreiben ins „schmutzig-graue“.305 Möglicherweise plant Jacobi noch weitere Brennversuche: Die Beschaffung eines neuen Muffelofens, ein in Friedenszeiten alltäglicher Vorgang, entpuppt sich im Krieg jedoch als schwierig, müssen doch die für den Ofen benötigten 38 kg Eisen und 500 g Chrom bei der Kriegswirtschaftsstelle im Reichsforschungsrat beantragt und bewilligt werden.306 Um keine Zweifel an der Dringlichkeit aufkommen zu lassen, beantragt Jacobi den Ofen „für die weitere Durchführung der Pigmentherstellung für Künstlerfarben“.307 Vermutlich führen alle Versuche zur Herstellung von „orthozinnsaurem Blei“ am Ende zu keinem Ergebnis, weswegen man später – um den Ruf des Institutes bedacht – sogar anregt, den Passus über die Herstellung von Bleizinngelb aus Doerners „Malmaterial" zu streichen.308 Für 1941 Abb. 96 | Fälschung nach Carl Spitzweg, „Dirndl auf der Alm“

in Aussicht gestellte Publikationen zu diesem Thema sind aber wohl nie erschienen, Jacobi muß an die Front. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre erschüttern mehrere große Fälschungsprozesse den Kunstmarkt. In ihnen spielt das DoernerInstitut eine zentrale Rolle, ja das breite309 und von Jacobi aktiv verfolgte310 Presseecho verankert das neu gegründete Münchner Institut rasch im öffentlichen Bewußtsein des Deutschen Reichs. Die reichsweite Bedeutung des Stuttgarter Falls wird alleine schon dadurch unterstrichen, daß unter den Geschädigten auch Hitler ist, der wie andere NS-Größen falsche Spitzweg-Bilder erworben hat. Darunter finden sich auch die „Dirndl auf der Alm“ (Abb. 96), die der „Führer“ für Reichsminister Kerrl als Geschenk vorgesehen hatte.311 Aber es ist nicht nur dieses Politikum und die Anfälligkeit führender Nationalsozialisten für die Bilder der Münchner Schule, welche die Stuttgarter Fälschungsprozesse bedeutsam machen – die Gerichtsverfahren werden außerdem zu einem Fanal gegen den „verjudeten“ Kunsthandel und das korrupte Gutachterwesen stilisiert. Klagen über die immer noch nicht überwundenen Mißstände des Kunsthandels der „Systemzeit“ und antisemitische Töne sind in vielen Artikeln der gleichgeschalteten Presse unüberhörbar. Auch gegen Mitglieder der Reichskammer wird ermittelt, was für Ziegler beträchtliche Probleme aufwirft. Augrund der prinzipiellen Bedeutung des Stuttgarter Falls sucht Ziegler deshalb zusammen mit der Staatsanwaltschaft nach Lösungen, wie Fälschungen zukünftig zu begegnen sei. Im Raum steht dabei nicht nur die juristisch schwer durchsetzbare Einziehung von Fälschungen oder eine Entfernung von Signaturen, sondern auf Wunsch der Staatsanwaltschaft soll das Institut zukünftig eine zentrale Rolle spielen: Mögen andere – vor allem kunsthistorische – Gutachter irren, schließt dies Ziegler für sein Institut mit dem kategorischen Hinweis auf die „Ausstattung mit den neuesten wissenschaftlichen Instrumenten chemischer und physikalischer Art“ aus.312 Um die Aufmerksamkeit Hitlers für die Thematik zu erringen, plant Ziegler zudem, Fälschungen aus 381

dem Stuttgarter Verfahren in einer nichtöffentlichen Ausstellung zu zeigen, „eine öffentliche Ausstellung wäre im Interesse des Kunsthandels [dagegen] zu unterlassen“. Als besonders wichtig, jedoch nach den Erfahrungen der Vergangenheit deutlich verbesserungsbedürftig, sieht die Staatsanwaltschaft die Beteiligung von Kunsthistorikern. Diese Einschätzung wird ein weiterer Auslöser für die Einrichtung einer kunsthistorischen Abteilung im Doerner-Institut gewesen sein. Ziegler schwebt sogar eine zentrale Rolle seines Institutes bei sämtlichen Transaktionen auf dem Kunstmarkt vor, indem sich die „grossen Kunsthändler“ dort Rat zu Echtheit, Erhaltungszuständen und „der Art der Konservierung“ holen sollten.313 Im ersten Stuttgarter Verfahren wird im April 1939 der Bilderfälscher Anton Steichele, der „mindestens 100 Fälschungen“ im wesentlichen der Münchner Schule mit gefälschten Signaturen versehen haben soll, zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die zahlreichen, auffällig billig aufgekauften oder – wie es die Presse darstellt – „hinterlassenen“ Bilder stammen angeblich aus der Privatsammlung des jüdischen Zahnarztes Isidor Deutsch. Der Hinweis, daß die „Sammlung des Juden [Deutsch …] bereits zweimal durch Sachverständige durchkämmt [worden war], bevor Steichele von dem übriggebliebenen Bestand eine große Anzahl Bilder zum Stückpreise von 2 – 3 Mark erwarb“, deutet darauf hin, daß hier die letzten Reste einer jüdischen Privatsammlung verwertet wurden.314 Doch es ist nicht dies, was damals für öffentliche Empörung sorgt, sondern – in der Sicht der gleichgeschalteten Presse – die Tatsache, daß Steichele mit seinen gefälschten Signaturen „deutsches Kulturgut ‚verhunzt und damit geaast‘ [habe]“, indem er „unbekannte Maler zu berühmten Meistern erhob“. Hiermit habe er auch „unsere berühmten Meister herabgewürdigt [und] den reellen Kunsthandel gefährdet“.315 In einem zweiten, noch einmal deutlich größeren Verfahren316 nehmen der jüdische Kunsthändler Ludwig Heymann und der Kunsthistoriker und Kunstkritiker Willy Burger, der pikanterweise bis zu 382

seiner Entlassung Referent bei der Landesleitung München-Oberbayern der Reichskammer gewesen war, eine zentrale Stellung ein. Während bei Heymann, der im Herbst 1937 nach Italien emigriert und in Mailand verhaftet wird, alle Fäden des Vertriebs von rund 60 Fälschungen über ein ausgedehntes Handelsnetz in Stuttgart und Umland zusammenlaufen, bescheinigt Burger „in gewinnsüchtiger Absicht“ immer wieder die Echtheit ihm vorgelegter Bilder.317 Neben gängigen Motiven von Spitzweg werden angebliche Werke der Münchner Schule wie solche von Leibl, Stuck oder Defregger wohlhabenden Sammlern aus führenden Kreisen als günstige Gelegenheiten angedreht. Das Vorgehen erfolgt dabei immer wieder demselben Schema: Minderwertige Werke drittklassiger Künstler oder Kopien werden von dem Münchner Kunsthändler Franz Gerg ihrer originalen Monogramme und Signaturen beraubt und mit einträglicheren Signaturen versehen. Dank positiver kunsthistorischer Gutachten Burgers, einem auf den Hauptangeklagten Heymann zugeschnittenen Netz zumeist vorbestrafter Zwischenhändler, einem eher für Hausierer als für den Kunsthandel üblichen Vertrieb an der „Haustüre“ und vor allem dank der Behauptung der Betrüger, daß es sich um eine „günstige Gelegenheit“ handle, verkaufen sich die angeblichen Meisterwerke glänzend. Keines der Bilder wird dabei in München gehandelt, Kunden finden sich vorwiegend im Südwesten des Deutschen Reichs.318 Kaum etwas zeigt den Geist der Zeit besser, als daß die „günstige Gelegenheit“ mit dem Hinweis verknüpft wird, daß das angebotene Werk aus „dem Besitz jüdischer Emigranten“ stamme:319 Hiermit erklärt sich nicht nur der vergleichsweise niedrige Preis, sondern die jüdische Provenienz – Juden waren als kenntnisreiche Sammler bekannt und horteten, so das verbreitete Stereotyp, wahre Schätze – täuscht über das für den angeblichen Künstler mit großem Namen eher untypische Erscheinungsbild hinweg. Im dritten Stuttgarter Verfahren320 spielt ein bis zum Ende des Prozesses im unbesetzten Teil Frankreichs flüchtiges Paar eine zentrale 383

Rolle, das von einem bekannten Traunsteiner Spitzweg-Kopisten zahlreiche Kopien aufkauft. Auch hier liegt der Preis im Einkauf wieder bei wenigen Reichsmark pro Bild. Beide, der in München gebürtige, mehrfach vorbestrafte Kunsthändler Friedrich Blum und Martha Landhäuser, die einem gängigen nationalsozialistischen Klischee folgend als attraktive und geschäftstüchtige „Volljüdin“ geschildert wird,321 sind sich offenkundig des Marktwertes von Originalen Spitzwegs bewußt. Durch den Münchner Restaurator Josef Hastreuter wird der Kopistenvermerk ohne Wissen des Traunsteiner Urhebers entfernt, die aus drei bis fünf Lagen bestehenden Sperrholztäfelchen bis auf die oberste Holzschicht abhobelt, der verbleibende Rest auf ein künstlich gealtertes Holztäfelchen aufgeleimt und dann die Ränder retouchiert. Zahlreiche weitere Personen im Umfeld der beiden Hauptangeklagten sorgen für den Vertrieb. Mit der Fälschungsproblematik und insbesondere dem Werk Spitzwegs Vertraute mögen in all dem noch nichts Ungewöhnliches sehen, alleine die Menge von rund 50 weiteren, in fälscherischer Absicht veränderten Gemälden macht diesen Stuttgarter Prozeß zu einer Besonderheit. Bei 20.000 bis 25.000 RM pro Gemälde, welche die Täter im direkten Verkauf erzielen, beläuft sich der Schaden auf über eine Million Reichsmark, eine für die damalige Zeit sehr große Summe: „35 Rembrandtfarben sort[iert]“ kosten 46,95 RM,322 5.000 Blatt Briefpapier mit gedrucktem Kopf 65,00 RM323 oder das gesamte Mobiliar des Instituts 8.604 RM.324 Einmal in den Kreislauf des Kunsthandels gekommen, erzielen einzelne Bilder noch weit höhere Preise, im Falle der „Mondscheinserenade“ unerhörte 37.500 RM.325 Da der Kopist nicht rasch genug liefern kann, kaufen die Betrüger sogar seine Kopien aus dem Kunsthandel auf, um sie zu verfälschen und so die knapp gewordene Ware einem offenkundig begierigen Abnehmerkreis zukommen zu lassen. Zwar gelingt es dem Gericht nicht, dem Täterkreis bandenmäßig organisierten Betrug nachzuweisen, doch am Ende stehen langjährige Zuchthausstrafen, Berufsverbote und Ehrverlust. 384

Abb. 97 | Fälschung nach Carl Spitzweg, „Serenade“

In Zeiten, in denen kunsttechnologische Untersuchungen eine absolute Ausnahme waren und vermutlich im Rechtswesen kaum zum Tragen gekommen sein dürften, baut sich im Laufe der einzelnen Verfahren eine offenkundig vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Doerner-Institut und dem Stuttgarter Staatsanwalt Heinzelmann auf.326 Die Fäden, die von beiden zur Lösung der Fälle geknüpft werden, reichen über das Institut hinaus bis hin zu Kunsthistorikern wie Hanfstaengl oder Buchner – beide als Gutachter befragt – oder dem „Ariseur“ Zinckgraf327 und dem Vertreter der Reichskammer, Heiss328. In die Begutachtung schaltet sich sogar Doer­ner persönlich ein, ja er wird dringlich von der Staatsanwaltschaft von Weßling nach München gebeten, um erwartete Gutachten abzuschließen.329 Aus zwei handschriftlichen Entwürfen ist seine Ablehnung streitgegenständlicher Spitzwegbilder wie des „Zollhaus[es] aus dem Besitz Prof[essor] Hoffmanns [und] fünf [weiterer] Bilder in Verwahrung des Herrn Justizrates Kollmanns“ ablesbar. Hierbei grenzt Doerner die Fälschungen gegen ihm bekannte Originale an Hand kunsttechnologischer Merkmale ab, greift jedoch – was überrascht – nicht auf die analytischen und photographischen Möglichkeiten seines Institutes zurück, sondern verläßt sich alleine auf 385

sein Auge und seine Kennerschaft; möglicherweise schreibt er die Gutachten von Weßling aus.330 Ab November 1938 erstellen Roth und Jacobi weitere Gutachten. Fast alle – bis auf eine bezeichnende Ausnahme: das zu der Spitzweg-Fälschung „Die Gedanken sind zollfrei“331 – sowie umfangreiches Bildmaterial sind bis heute erhalten. Spitzweg-Fälschungen mit Titeln wie „Serenade“ (Abb. 97), „Der Abschied“ (Abb. 98) oder „Präsentiert das Gewehr“ folgt eine ganze Reihe weiterer Bilder, für deren Untersuchung manchmal nur wenige Tage bleiben. Die gutachterliche Tätigkeit bindet alle Kapazitäten des jungen Institutes, bereits nach wenigen Monaten legt Heinzelmann den ersten Teil seiner Anklageschrift vor.332 Bei wichtigen Fällen, wie bei der von Hitler angekauften Spitzweg-Fälschung „Dirndl auf der Alm“ (Abb. 96) wird seitens der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zusätzlich zu Abb. 98 | Fälschung nach Carl Spitzweg, Buchner noch der Restaurator „Der Abschied“ der Alten Pinakothek, Reinhard Lischka, eingeschaltet.333 Im Fall von „Nur Gedanken sind zollfrei“ mischt sich selbst der Pressereferent des Reichjustizministeriums ein und veranlaßt bei Heinzelmann „auf Wunsch des Führers“ eine nachträgliche Aufnahme in das Ermittlungsverfahren. Das Bild selbst befindet sich bei Heinrich Hoffmann, von wo es die Staatsanwaltschaft einzieht.334 Bereits im Vorfeld hat die Staatsanwaltschaft ermittelt, daß viele der Bildträger aus Gabunholz, einem Balsaholz, auch Ok(o)umé­ holz genannt, bestehen. Dieses

Tropenholz wurde allerdings erst seit 1891 in größeren Mengen nach Deutschland eingeführt und konnte so von dem 1885 verstorbenen Spitzweg nicht genutzt worden sein. Es mutet fast tragisch an, daß die Täter das ursprüngliche Sperrholz abhobelten – ihnen war offenkundig bekannt, daß es drei- bzw. fünflagiges Sperrholz erst seit 1891/1893 gab –, um dann ausgerechnet Gabunholz aufzuleimen, von dem sie augenscheinlich weit weniger wußten. Die übliche Ausflucht einer späteren Übertragung auf diesen exotischen Bildträger kann das Doerner-Institut aber ebenso überzeugend widerlegen wie die Tatsache bestätigen, daß alle Fälschungen eine identische Zusammensetzung der Grundierung zeigen wie bei dem Traunsteiner Spitzweg-Kopisten beschlagnahmte, vorgrundierte Maltäfelchen. Die leichte Löslichkeit der Malschichten und die Beobachtung, daß einzig der Firnis, nicht jedoch die Malschichten durchkraqueliert sind, sprechen ebenfalls gegen die streitgegenständlichen Werke. Insgesamt empfindet man den Fall als einen Erfolg der „moderne[n] Technik […], die ‚durchleuchtend‘ mit Quarzlampe und Röntgenphotographie und analysierend die letzten Zweifel zu klären vermag“.335 Begreiflicherweise ermittelt die Staatsanwaltschaft auch die Herkunft der Fälschungen: Viele stammen angeblich aus jüdischen Kunsthandlungen, deren Eigentümer „ausgewandert“336 seien – wie es in den Akten heißt – oder deren Kunsthandlungen nicht mehr existierten.337 Da gutgläubiger Erwerb und Weiterverkauf also nicht ausgeschlossen werden kann, wird das Verfahren so in mehreren Fällen eingestellt, obgleich die Bilder gefälschte Signaturen tragen. Betrachtet man diese Argumentation im weiteren Kontext, liegt der Verdacht nahe, daß die Beschuldigten absichtlich auf ihnen bekannte jüdische Kunsthandlungen verwiesen – wohlwissend, daß weitere Nachforschungen erfolglos bleiben würden. Die Stuttgarter Verfahren stellen auch in anderer Hinsicht eine Besonderheit dar: Auch wenn sich dies in den Presseberichten so nicht niederschlägt, berichtet Roth dem erneut erkrankten Doerner aus einer der Hauptverhandlungen in Stuttgart, daß weder die kunsthi387

storischen Stellungnahmen noch die Einlassungen der Verteidigung das Gericht überzeugt hätten. Der Prozeß nimmt – folgt man der Darstellung Roths – jedoch eine Wende, als der ursprünglich nur als Besucher anwesende Jacobi nach kurzer Beratung des Gerichts vernommen wird.338 Roths und Jacobis kunsttechnologisch geprägte Einschätzungen bilden so die entscheidende Grundlage für das Urteil. Dieses Ergebnis beeindruckt auch den ebenfalls befragten Buchner, obgleich dieser zuerst seine rein kunsthistorischen Argumente für ausreichend erachtet. So werden die Stuttgarter SpitzwegVerfahren in gewisser Weise zum Wendepunkt in der deutschen Rechtsprechung: Kunsttechnologische Stellungnahmen entpuppen sich in Fälschungsprozessen als prozeßentscheidend, ja „die heutige Technik [sei] in der Lage[,] mit den Methoden der modernen Werkstoffprüfung […] ein zunächst subjektives Gefühl als objektiven Tatbestand zu beweisen.“339 Diese erkenntnis stützt die Entscheidung in einem weiteren Verfahren, das die Industriellenwitwe und Mäzenin Caroline Oetker anstrengt. Auch fünf von ihr 1936 erworbene Werke von Spitzweg entpuppen sich samt und sonders als Fälschungen.340 Der vor einer Zivilkammer angestrengte Prozeß verurteilt den Beklagten nicht nur zur Rückzahlung von 132.100 RM nebst Zinsen, sondern involviert auch Hanfstaengl, Buchner, Andreas Mayer-Schleißheim (München), Posse (Dresden), Martin (Karlsruhe) und viele andere, darunter auch Zinkgraf, als Gutachter. Einzig der heute höchst umstrittene Spitzweg-Spezialist Uhde-Bernays sowie der Enkel Spitzwegs verbürgen sich noch für die Echtheit.341 Der Kauf wird rückgängig gemacht,342 die Aufmerksamkeit der Presse ist in Anbetracht der prominenten Klägerin gewiß. Der Erfolg löst eine große Medienresonanz aus:343 Der Ausgang der Stuttgarter Bilderfälscherprozesse und die Rolle des Doerner-Institutes sind nicht alleine deshalb ein Triumph für Ziegler; der Erfolg wird auch ideologisch ausgeschlachtet. Ziegler stimmt sich im Mai 388

1939 nach dem Abschluß des ersten Verfahrens mit dem Reichs­ propagandaamt München-Oberbayern bezüglich einer Pressemitteilung ab, in der es lautet: „Der reelle organisierte Kunsthandel vernimmt daher mit Freude, dass keiner seiner Kameraden mit diesen Hausierern, deren Fälschungsauslieferungslager natürlich in den Händen eines Juden lag, etwas gemein hatte. In Durchführung der Reichskulturkammergesetzgebung sind nicht nur alle art- und rassefremden Spekulationselemente aus dem vor der Machtübernahme völlig verjudeten deutschen Kunsthandel ausgeschaltet worden, sondern auch alle von der jüdischen Geschäftsmoral angekränkelten sonstigen unzuverlässigen Elemente, zu denen auch diese verurteilten Betrüger gehörten […] Die Ergebnisse deutscher Forschung, exakter Wissenschaft und Kunstwissenschaft werden in der durch den Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste [Ziegler] mit Unterstützung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda errichteten Werkprüfungs- und Forschungsanstalt für Maltechnik – Doerner-Institut – München, das mit seinen Untersuchungsmethoden in starkem Masse im Stuttgarter Prozeß mitgewirkt hat, ihre reiche Auswertung finden und zu einer positiven Unterstützung für die Erkenntnis der Fälschung und Verfälschung von Kunstwerken beitragen.“344 Der Autor des Textes muß zwar im Reichspropaganda­amt gesucht werden, aber der Inhalt ist sicherlich im Sinne Zieglers, der im übrigen auf rasche Veröffentlichung drängt. In dasselbe Horn stößt die Münchner Lokalpresse, die sich nach dem Abschluß des zweiten Verfahrens erhofft, daß der von den Medien als Sensation verfolgte Prozeß eine „weitgreifende Säuberung des Kunsthandels mit sich [bringe], der teilweise immer noch unter den Nachwirkungen bedenklicher Korruptionserscheinungen einer hinter uns liegenden Zeit stand, einmal weil er personell nicht überall so gefestigt werden konnte, wie es erstrebt war, zum anderen aber, weil eben ‚Kunst als Geschäft‘ von Natur aus ein Betätigungsfeld ist, in das dort, wo nicht Fachwissen und Charakter die Vertrauenswürdigkeit verbürgen, unter günstigen Umständen Scharlatane und gewissenlose Elemente leicht Eingang finden können.“345 389

Zieglers zweifaches Ansinnen, eine rechtliche Grundlage für die gerichtliche Einziehung von Fälschungen ungeachtet der Eigentumsverhältnisse zu schaffen346 und die Bearbeitung aller im Deutschen Reich aufkommenden Fälschungsfälle dem Stuttgarter Staatsanwalt Heinzelmann im Sinne einer „Zentralstrafverfolgungsbehörde für Bilderfälschungen“ zuzuweisen,347 stößt allerdings auf Widerstand. Ausgelöst wird Zieglers Bemühen durch die Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden, die Stuttgarter Fälschungen nach Entfernen der Signaturen wieder an die Eigentümer zurückzugeben. Zwar juristisch sicherlich korrekt, befürchtet Ziegler – vermutlich nicht unbegründet – erneuten Mißbrauch.348 Vor den Erfahrungen der Stuttgarter Bilderfälscherprozesse will Ziegler in jedem Fall das Doerner-Institut als begutachtende Instanz eingeschaltet sehen. Hier sollen auch alle gefälschten Werke nach ihrer Einziehung zusammengezogen und mitsamt den Begleitinformationen archiviert werden.349 Zieglers Initiative scheitert zwar an den gesetzlichen Rahmenbedingungen,350 doch, vielleicht hierdurch veranlaßt, organisiert das Reichsministerium der Justiz in Berlin spätestens ab 1940 die Bekämpfung von Kunstfälschungen neu.351

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PA Toni Roth, AdbK vom 31.05.1939. Zeugenaussage Bernhart im Verfahren vor der Hauptkammer München vom 24.06.1950, StAM, Spruchkammerakten K 1460: Roth, Anton; ähnlich lautend in einem Konvolut von 22 Seiten Abschriften von Schreiben aus dem Umkreis von Lill „Allgemeine Korrespondenz des Konservators Toni Roth“ o. D., Bernhart an StMUK am 12.05.1948, NTR, Schriftverkehr 1950. TR (Valley) an vermutlich die Nichte MDs, Frau Stengel-Doerner (München) am 03.08.1948, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 679 f. Schreiben AZs am 09.03.1949. Zeugenaussage AZ am 12.04.1949. Eidesstattliche Erklärung RJ vom 23.08.1946, StAM, Spruchkammerakten K 1460: Roth, Anton. RJ, Entwurf für das Haushaltsjahr 1941 vom 29.11.1940, ARDI 4, 4. Aus dem Vorwort der ersten Auflage von MDs Standardwerk, Doerner 1921a. Anon. 1939a. Siehe auch Anon. 1939c und b. Anon. 1939c. AZ an das RMVP Berlin am 02.06.1939, BArch R55/869 Bl. intern 2. TR an Graf am 17.06.1937, NWGraf. Czerny an Marga Stengel-Doerner am 14.06.1939, ARDI 36, 3. Czerny an RJ am 14.06.1939, ARDI 36, 3. Czerny an Marga Stengel-Doerner am 14.06.1939, ARDI 36, 3. KW an TR am 14.06.1939, ARDI 36, 3. TR an Bestelmeyer am 21.06.1939, ARDI 36, 3. ARDI 36, 3 nennt eine Vielzahl von Eigentümern von betitelten Gemälden, Aquarellen oder Kopien MDs in privater wie öffentlicher Hand. Bestelmeyer an TR am 03.07.1939, ARDI 36, 3. TR an Röhm am 07.07.1939, ARDI 36, 3. Plakatentwurf von TR in ARDI 36, 3. Inventarisiert unter der Nummer B217,

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gilt heute als verschollen; Anfrage TR an Bleeker um Leihgabe am 27.07.1939 und Dankschreiben TRs an Bleeker am 31.07.1939, ARDI 36, 3. Die von einem Professor Keim abgenommene Totenmaske war damals im Besitz einer der Erbinnen. Talmon-Gros 1939. Anon. 1939r, siehe auch z. B. Frobenius 1939. Philipp Stengel (München-Großhadern) an das StMUK am 28.09.1939, ARDI 36, 5. Anon. 1939d. Laut freundlicher Mitteilung von Willihard Kolbinger vom 07.05.2012 wurde Dr. Hans Doerner am 23.11.1882 geboren und verstarb am 19.05.1954. Die Lebensdaten von Wilhelm Doerner sind vergessen, geboren ca. 1865. Der Kommilitone MDs, Nachfolger von Julius Diez an der AdbK und im „Dritten Reich“ zahlreichen NS-Größen nahestehende Künstler Hermann Kaspar war MD „in alter Anhänglichkeit und aufrichtiger Verehrung“ verbunden, Kaspar an MD am 08.02.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 491 f. Sagt ebenso wie Hans Röhm am 30.07.1939 ab, ARDI 36, 3. Schreibweise auch Heiss, nicht personengleich mit Max Heiß, Stadtmuseum München, siehe Till 2010, S. 62ff (freundliche Mitteilung Henning Rader, Stadtmuseum München vom 14.03.2011). So fehlt Lill, den TR mit Schreiben vom 29.08.1939 noch für einen Besuch der Ausstellung zu gewinnen sucht, ARDI 36, 5. Besprechungen der Ausstellung finden sich bei Roth 1939, Wehlte 1939a und 1939b. In Anlehnung an Sir Joshua Reynolds‘ Ausspruch „All good pictures crack“. Wehlte 1939b. TR an Marga Stengel am 02.08.1939, ARDI 36, 5.

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38 TR an RA Otto Franz (München) am 15.09.1939, ARDI 36, 5. 39 TR an Heiss am 02.08.1939, ARDI 36, 5. 40 Stellungnahme von TR und RJ zu dem Bericht von Philipp Stengel an das Kultusministerium o. D., ARDI 36, 5. 41 TR an Philipp Stengel am 29.08.1939, ARDI 36, 5. 42 RA A. Heilmannseder (München) an RA Franz am 21.09.1939, ARDI 36, 5. 43 Philipp Stengel (München-Großhadern) an das StMUK am 28.09.1939, ARDI 36, 5. 44 RA Franz an RDI am 26.09.1939, ARDI 36, 5. 45 Die Kopie befindet sich bis heute in der Sammlung des Doerner Institutes. 46 Gemeint ist der deutsche Maler Richard Pfeiffer, ehemaliger Student der AdbK und Freund MDs, Professor an der Königsberger Akademie, später in Berlin tätig, siehe auch 02189 Richard Pfeiffer, Matrikelbuch 1884-1920, http://matrikel.adbk.de/05ordner/mb_1884-1920/ jahr_1900/matrikel-02189, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015, siehe auch Pfeiffer 1939. 47 KW an RDI am 05.10.1939, ARDI 36, 1 und 5. 48 Dazu die Zeugenaussage Roth bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht München I am 06.11.1940, ARDI 36, 2. 49 RJ äußert später vor Gericht, daß Czerny KW am 22.10.1939 mitgeteilt habe, daß das Studienmaterial MDs „keinen Verkaufswert“ besitze, Bericht RJs an die Kammer vom Verhandlungstermin am 11.09.1940, ARDI 36, 2. 50 Stellungnahme von TR und RJ zu dem Bericht von Philipp Stengel an das Kultusministerium o. D., ARDI 36, 5. 51 Briefentwurf der AdbK nach dem 15.10.1939, ARDI 36, 5. 52 RJ an RdbK (Hoffmann) am 29.12.1939, ARDI 36, 5. 53 RA Heilmannseder (München) an TR am 20.03.1939, ARDI 36, 1. 54 So für 1938 „4.000 RM als Entschädigung für Ehrenämter, 2.000 RM als Aufwandsentschädigung ab Auto etc.“,

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Aufstellung der Einnahmen für 1938 in NWGraf. Siehe z. B. RA Heilmannseder und RA Franz am 24.04.1939, ARDI 36, 1. Die erwähnte Aufstellung der Einnahmen für 1938 in NWGraf. StMUK an die AdbK am 25.11.1937, ARDI 36, 1. Walter Dihm (München) an RJ am 29.03.1939, ARDI 36, 1. RA Heilmannseder an RDI am 06.06.1939, ARDI 36, 1. Wehlte 1939b. TR an KW am 22.09.1939, ARDI 36, 1. TR an Czerny-Heidelberg am 27.10.1939, ARDI 36, 1. RA Heilmannseder an RA Franz am 31.03.1939, ARDI 36, 1. Am 25.04.1940 und am 07.05.1940 ausgehändigt an Marga Stengel, ARDI 36, 1. RA Franz an RA Heilmannseder am 15.04.1939, ARDI 36, 1. RAe Hardt Seuffert (München) an RdbK am 29.02.1940, ARDI 36, 1. RJ an RdbK am 20.03.1940, ARDI 36, 1 sowie RA Heilmannseder an RA Franz am 15.06.1940, ARDI 36, 2. Klageschrift RAe Hardt Seuffert (München) an Landgericht München I am 03.07.1940, ARDI 36, 2. Zeugenaussage RJ in der öffentlichen Sitzung der 11. Zivilkammer des Landgerichts München I am 11.09.1940, ARDI 36, 2. Siehe hierzu auch AZ an das Landgericht München I am 24.09.1940, ARDI 36, 2. In dem Schreiben von TR und RJ an MD sind gemäß einer Regelung der Kammer (AZ und Hoffmann) einmalig 6.000 RM für das gesamte wissenschaftliche Material und die bisherigen Forschungsergebnisse erwähnt, die Bezüge MDs werden auf 200 RM monatlich festgesetzt, zusätzliche „wissenschaftliche Beiträge, Gutachten etc.“ würden gesondert vergütet, ARDI 36, 2. RA Franz an das Landgericht München I am 03.08.1940 basierend auf der Stellungnahme RJs vom 31.07.1940, beide in ARDI 36, 2.

73 RA Franz an RJ am 30.12.1940, ARDI 36, 2. 74 Spedition Taurer (München) an RDI am 11.09.1940, ARDI 36, 4. 75 FH an Taurer am 10.01.1941, ARDI 36, 4. 76 FH an Bestelmeyer am 18.02.1941 und Bestelmeyer an RDI am 19.03.1941, beide in ARDI 36, 4 sowie FH an Taurer am 07.04.1941, ARDI 33, 3. 77 Anon. 1956. 78 So an Erich Steingräber, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen am 31.12.1980, ARDI 35 Erg. 1. 79 Doerner 1949a. 80 Diebow 1945. 81 Reichskanzlei (Lammers) an RMWEV am 09.09.1938, BArch R 43 II/1236, Bl. 74. 82 Auszugweise Wiedergabe eines als geheim eingestuften „Bericht[es] über die Prüfung der Münchner Museen, Sammlungen und Anstalten in Bezug auf Luftschutzmässige Sicherung ihrer Werke gem. Anweisung des Herrn Staatsministers des Innern“, mitgeteilt durch das Polizeipräsidium München am 01.04.1940, ARDI 28, P. 83 RJ an Polizeipräsidium (München) am 29.04.1940, ARDI 28, P. 84 RJ an Fa. Carl Stiegele Hof-Gewehrfabrik (München) am 18.03.1940 und Fa. Carl Stiegele an RJ am 28.03.1940, ARDI 28, St. 85 RdbK (Ziegler) an RMVP am 06.02.1937, BArch R 55/869 Bl. 172 f. 86 Gutachten MDs vom 21.08.1934, ARDI 35, 2. 87 „Tätigkeitsbericht bis Ende 1939“ in ARDI 1, 3. 88 RJ an die Fa. Quarzlampen-Gesellschaft (Hanau/Main) am 19.07.1939, ARDI 12b, 6. 89 Burmester 2011, S. 36 ff. 90 Gräff 1931a und b. 91 Rinnebach 1931b. 92 Manuskript „Bildschäden durch den Ölgrund (Die Nachteile bei Bemalung von Ölgrund). Unbrauchbare Gründe – Ölgrund“ vermutlich aus der Hand von Toni Roth vom 08.12.1939, AZ geändert vorgelegt am 11.12.1939, ARDI 58, 6. 93 Auf Forderung AZs eingeschobene Einlei-

tung o. D., AZ vorgelegt am 11.12.1939, ARDI 58, 6. 94 RdbK an RMVP am 09.03.1940, BArch R55/869 Bl. 24, intern 30. 95 RMVP an RdbK am 21.03.1940, BArch R55/869 Bl. intern 32. 96 Heute BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. 476. 97 Versicherungspolice vom 19.04.1940 und Verlängerung der Police am 12.06.1940, BStGS Registratur 61/3, Doerner-Institut 1940–64. 98 BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. 344. 99 Möglicherweise „Waldlandschaft“, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. 4995. 100 Versicherungspolice vom 12.06.1940, BStGS Registratur 61/3, Doerner-Institut 1940–64. 101 AZ an RMVP am 05.04.1940, BArch R 55/869 Bl. 21, intern 26. 102 Baur an RDI am 16.05.1939, ARDI 58, 6. 103 TR an den Callwey Verlag am 30.05.1939. 104 Alfred Wiener an Reichsminister Frick (Berlin) am 15.06.1933, HStAM MK 40955. 105 Wilhelm Grabow, Farbenfabrik Günther Wagner (Pelikan Hannover) an MD am 05.06.1937, ARDI 56, 10. 106 Entwurf zu einem Künstlerfarbengesetz Oktober 1937 mit einem Anschreiben RJs an MD vom 20.10.1937, ARDI 55, 2. 107 RJ an MD (Glattfelden) am 20.10.1937, ARDI 55, 2. 108 Entwurf zu einem Künstlerfarbengesetz Oktober 1937 mit einem Anschreiben RJs an MD vom 20.10.1937, ARDI 55, 2, hier S. 2. 109 RJ an Wagner am 22.09.1938, ARDI 56, 10. 110 Schmincke an RDI am 17.10.1939, ARDI 56, 6. 111 Reichsverband der Werbungstreibenden e. V. (Berlin) an RDI am 01.11.1938, ARDI 26, QP. 112 RJ an den Reichsverband der Werbungstreibenden am 28.11.1938, ARDI 26, QR. 113 RDI an RdbK am 09.01.1942 und damit zusammenhängender Schriftverkehr in ARDI 2, 6.

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114 Alle Zitate aus Neisch (Dr. H. Ehlert, Betriebsführer bei Neisch und vermutlich Chemiker) an RDI am 28.11.1938, ARDI 56, 13. 115 Siehe z. B. die Aufforderung von Neisch an RDI am 01.08.1939, die verkaufsfördernden Ergebnisse noch vor der Herausgabe einer neuen Preisliste zu schicken, ARDI 56, 13. 116 RJ an MD (Glattfelden) am 22.10.1938, ARDI 55, 2. 117 Kaspar an RDI am 12.10.1938, ARDI 56, 9. 118 So 1936 mit der Firma Neisch zu Retouchierfirnissen, ARDI 56, 11. 119 Lindmar 1935. 120 ER (Berlin) an Lindmar am 28.04.1936, ARDI 30, 9. 121 Nichtdatierter Schriftsatz Richard Lindmars (5 S., wohl 1937/38) in ARDI 30, 9. 122 Lindmar 1937. 123 So die Bitte FHs um Überlassung von Lindmar-Farben an RdbK am 05.01.1943, ARDI 2, 2. 124 Zum bis 1945 andauernden Fall Lindmar siehe den umfangreichen Schriftverkehr in ARDI 30, 9. 125 Umfangreiche Korrespondenz zwischen Benno Schedel (Fürth) und dem RDI 1940/41, ARDI 32, 6. 126 Siehe zahlreiche Protokolle in ARDI 57, 3. 127 Die Akten enthalten eine lange Liste von 115 untersuchten Buntpigmenten einschließlich der Wertung RJs, ARDI 57, 3. 128 Siehe z. B. Untersuchungen an Cobaltblau mit den genauen Untersuchungsbedingungen, ARDI 57, 4. 129 J. H. Dudek Söhne Dresden an Neisch am 14.04.1939, ARDI 56, 13. 130 Georg Düll Farben- und Lackfabrik (München) an MD am 03.12.1937 nebst Anlagen, ARDI 56, 33. 131 Georg Düll Farben- und Lackfabrik (München) an RDI, Anlage zum Schreiben vom 03.12.1937, ARDI 56, 3. 132 TR an Düll am 20.12.1937, ARDI 56, 3. 133 Zu Behrendt siehe auch Kinseher 2014, Fußnote 673. 134 Fritz Behrendt an RDI am 28.01.1939,

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ARDI 56, 5. 1941/42 ist die Fa. Behrendt weder der Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie noch der Reichsstelle für industrielle Fettversorgung, über die die Rohstoffe bezogen werden, bekannt, siehe RdbK (Hoffmann) an RDI am 21.01.1942, ARDI 2, 6. 135 Fritz Behrendt an RDI am 09.11.1941; am 10.09.1941 fragt FH in Berlin nach, aufgrund welcher Bestimmungen die Beschlagnahme geschehen sei, beide ARDI 2, 7. 136 Fa. Wagner an RDI am 08.11.1939, ARDI 56, 10. 137 Fachuntergruppe Technische Gewebe der Fachgruppe Textilveredlungsindustrie an Günther Wagner (Hannover) am 25.11.1939, ARDI 56, 10. 138 Günther Wagner (Hannover) an RDI am 28.11.1939, ARDI 56, 10. 139 RJ an Neisch am 28.10.19339, ARDI 56, 13. 140 Fa. Neisch (H. Ehlert) an RDI am 16.12.1939, ARDI 56, 13. 141 RJ an Neisch (H. Ehlert) am 20.12.1939, ARDI 56, 13. 142 Wehlte 1939a, S. 116. 143 Auch wenn sich der Umfang nicht abschätzen läßt, müssen Versuchstafeln sowie von Doerner erworbene und dem Institut gestiftete Bilder, die zu Lehr- und Demonstrationszwecken eingesetzt werden sollten, heute als verlustig angesehen werden. Andere dagegen befinden sich in der Sammlung des heutigen Doerner Institutes: Dazu rechnet z. B. ein in der Oberflächenerscheinung drastisch verändertes Bild von Johann Anetsberger, „Hl. Hubertus“ (DOE 26) von 1894, das dem RDI am 26.10.1937 von privat gestiftet wurde, ARDI 26, Sch. 144 Hermann Neisch an RDI am 24.03.1939, ARDI 56, 13. 145 Schmincke an RDI am 30.09.1940, ARDI 56, 6. 146 Anordnung 44 der Überwachungsstelle für unedle Metalle, betr. Verwendung von unedlen Metallen zur Herstellung von Tuben vom 24.08.1938, ARDI 56, 6. 147 Fa. Schmincke & Co, Denkschrift über

die Möglichkeit der Verwendung von Aluminiumtuben für Künstlerfarben nach dem Stande der heutigen Erfahrung vom 07.01.1939, ARDI 56, 1. 148 RJ an RdbK am 01.04.1939, ARDI 2, 7. 149 AZ an den Reichswirtschaftsminister am 11.11.1939, ARDI 56, 1. 150 TR und RJ an AZ am 01.11.1939, ARDI 56, 1. 151 RdbK an Fa. Schmincke am 31.10.1939, ARDI 56, 1. 152 Schmincke in einem als vertraulich bezeichneten Schreiben an RDI am 12.12.1939, ARDI 56, 6. 153 RJ an Schmincke am 02.12.1939, ARDI 56, 6. 154 Schmincke an RDI am 27.11.1939, ARDI 56, 6. 155 Fa. Schmincke Co. (Düsseldorf) an AZ (RdbK) am 07.02.1940, ARDI 56, 1. 156 Vaupel 2010. 157 RdbK (Ziegler) an RMVP am 06.02.1937, BArch R 55/869 Bl. 172 f. 158 Vaupel 2010. 159 BStGS Registratur 61/3, Doerner-Institut 1940–64 vom 09.10.1947. 160 Doerner 1922a, S. 34, dort in MDs Exemplar sein handschriftlicher Zusatz „Zerfall“ und Doerner 1928, S. 39. 161 Pohlmann 2013, S. 94. 162 Hans Wolf (Ludwigshafen) an MD am 05.02.1934 und weiterer umfassender Schriftverkehr mit Wolf in ARDI 35, 8. 163 S&H an RJ am 23.12.1937, ARDI 10. 164 TR an RdbK (Hoffmann) am 09.02.1938, ARDI 1, 1. 165 So S&H an RJ am 16.05.1938 und Rechnung S&H vom 30.07.1938, ARDI 10. 166 RJ an S&H am 21.12.1938, ARDI 10. 167 RJ an S&H am 14.04.1938, ARDI 10 und in Bezug auf ein ebenfalls für die Eröffnung vorgesehenes „Stilleben“ auf Eloxal RJ an RdbK (Holzkamm) am 29.06.1938, ARDI 1, 1. 168 Alle Zitate aus RJ an S&H am 28.03.1939, ARDI 10. 169 HN (Berlin) an TR am 21.04.1939 und TR an HN (Berlin) am 28.04.1939, ARDI 28, N. 170 Kloumann 1939, als Teilkopie in S&H an

RDI am 29.01.1940, ARDI 10. 171 Zur Entwicklung des Sperrholzes siehe Anon. 1929h, in ARDI 62. 172 RJ, „Untersuchungen über ELOXAL als Malgrund“, 4 S., unpubliziertes Manuskript vom 03.10.1939 in ARDI 10 und 58, 6. 173 Hoffmann (RdbK) an RDI am 02.12.1939, ARDI 58, 6. 174 RJ an AZ am 04.12.1939, ARDI 58, 6. 175 Roßmann 1956a und mündliche Mitteilung Katrin Janis (München) am 31.07.2008. 176 Siehe z. B. die Korrespondenz aus den Jahren 1926/27 mit dem Künstler Cassian Dapoz (1874–1946), Südtiroler Maler und Restaurator, ARDI 51, 4. 177 Gutachterliche Stellungnahme MDs „Über den Zustand der Tiepolofresken in der Residenz in Würzburg“ vom 27.08.1919, ARDI 39, 2 und ARDI 38, 3. 178 Reich bebilderte Berichte von TR und RJ „Über Freskoversuche“ vom März 1939 sowie ein Verzeichnis der auf der Mauer durchgeführten „Fresko-Versuche [/] Beginn 1. August 1938“, ARDI 51, 2. 179 Hermann Kaspar (1904–1986), deutscher Maler und Professor an der AdbK, Mitgestalter der Festumzüge zum „Tag der Deutschen Kunst“ und u. a. tätig am Haus der Deutschen Kunst, dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände und der Neuen Reichskanzlei in Berlin. 180 Vermutlich unveröffentlichtes und undatiertes (wohl 1938) Manuskript des akademischen Malers Josef Stallhofer, 31 S, hier S. 25, ARDI 51, 1. 181 ARDI 50, 4 und 5. 182 Ebd.; Doerner 1926 und dort zitierte Literatur. 183 Wehlte 1925. 184 Möller 1998, S. 67. AE wird dort fälschlicherweise an der Kunstakademie München angesiedelt, zur Schadensproblematik siehe auch AEs Gutachten vom 08.10.1926 in Thüringisches Landesamt 1998, S. 280–283. 185 Im NMD Briefe/Notizen ohne Datum, Bl. 1-5 finden sich Anmerkungen MDs zum Gutachten von Hofferbert 1928, im

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Nachdruck siehe Thüringisches Landesamt 1998, S. 269–278, dort Anhang 1. 186 Verein „Freunde der Wartburg“ (Eisenach) an MD am 10.12.1937, ARDI 50, 7. 187 Briefentwurf MDs an den Verein „Freunde der Wartburg“ (Eisenach) am 27.12.1937, ARDI 50, 7. 188 Gutachten des RDIs zu den SchwindFresken auf der Wartburg vom 26.05.1938, ARDI 50, 5. 189 Schall 1998, S. 51 ff. und Möller 1998, S. 70 ff. 190 Gutachten TR und RJ vom 09.07.1938 in Thüringisches Landesamt 1998, S. 286 f., sowie in diversen undatierten Entwürfen und Abschriften in ARDI 50, 5. 191 Zu anderen baulichen Maßnahmen siehe in „Gutachterliche Anmerkungen, betr. die Wartburg“ des Konservators der Kunstdenkmäler Hiecke (Berlin) o. D. (jedoch vor 04.07.1938), ARDI 50, 5. 192 Rezeptur zum Festigungsmittel u. a. in einer Arbeitsanweisung des RDIs an Röhm vom 19.08.1938, ARDI 50, 5. 193 Möglicherweise für die Firma Mayrhofer (München) tätig. 194 Siehe auch Gutachten Röhm vom 03.11.1938 und vom 10.05.1939 in Thüringisches Landesamt 1998, S. 287 f. 195 TR an MD am 14.10.1938, ARDI 35, 4. 196 Restaurierungsbericht Röhm vom 03.11.1938, ARDI 50, 5. 197 TR an Röhm am 13.09.1938, ARDI 50, 5. 198 MD an Röhm am 17.09.1938, ARDI 50, 5. 199 Zur Wertung siehe Möller 1998, S. 75. 200 Siehe hierzu aus heutiger Sicht Thüringisches Landesamt 1998. 201 Anon. 1939s, Anon. 1939t und RJ an die Freunde der Wartburg am 28.03.1939 mit der Anlage „Bericht (Reise Wartburg, März 1939)“ und Abschlußbericht vom 10.05.1939, beide ARDI 50, 4. 202 RJ an die Freunde der Wartburg am 01.04.1939, ARDI 50, 4. 203 TR an die Freunde der Wartburg am 25.04.1939, ARDI 50, 4. 204 Festansprache von Kommerzienrat Schemmer (?) am 21.05.1939, ARDI 50, 4. 205 Bericht von RJ und TR vom 25.05.1939, ARDI 50, 4.

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206 Bericht „Trockenanlage–Wartburg“ von TR und RJ vom 03.06.1939, ARDI 50, 4. 207 Burghauptmann von der Gabelentz an den Oberbürgermeister von Eisenach und stellvertretenden Vorsitzenden der Wartburgstiftung (Janson) am 26.05. und 27.06.1939, ARDI 50, 4. 208 H. Gröber (Technische Hochschule Berlin) an die Freunde der Wartburg (Eisenach) am 12.06.1939, ARDI 50, 4. 209 TR und RJ an den Oberbürgermeister von Eisenach und stellvertretenden Vorsitzenden der Wartburgstiftung (Janson) am 13.07.1939, ARDI 50, 4. 210 TR an Röhm am 21.08.1939, ARDI 50, 4. 211 RJ an Peschel (Freunde der Wartburg) am 04.01.1940, ARDI 50, 3. 212 Peschel (Freunde der Wartburg) an RJ am 04.01.1940, ARDI 50, 3. 213 Zwei weitere Berichte Röhms zu seinen Arbeiten vom 25.04.1940 in ARDI 50, 6 und vom 12.01. und 15.01.1942 in ARDI 50, 4. 214 So im Mai 1940 durch RJ, ARDI 50, 6. 215 Manuskript in ARDI 50, 6. 216 Hofferbert an RJ am 31.05.1940, ARDI 50, 4. 217 Schall 1998, S. 55 und Möller 1998, S. 76. 218 Jacobi 1940a. 219 Oberberger an RDI am 15.02.1940, ARDI 49, 5. 220 Oberberger an TR o. D. (Eingangsstempel 19.05.1938), ARDI 58, 4. 221 TR an Oberberger am 15.01.1940, ARDI 49, 5. 222 Zur Person von ER siehe Burmester 2010, S. 111. 223 Aktennotiz von ER, I. G. Farben zur Besprechung am 26.02.1940, ARDI 49, 5. 224 Ebd. 225 I. G. Farben an RDI am 27.02.1940, ARDI 49, 5. 226 RJ an Verbundglas GmbH (Berlin) am 01.03.1940, ARDI 49, 5. 227 Verbundglas GmbH (Berlin) an RDI am 05.03.1940 und Röhm & Haas (Darmstadt) an RDI am 18.03.1940, ARDI 49, 5. 228 Ein Katalog der SIGLA (SIcherheitsGLAs), Mehrschichtenglas mit der splitterbindenden Plexigum-Schicht,

übersandt am 27.03.1940, hat sich in ARDI 46, S erhalten. 229 So die Angabe in SIGLA an I. F. Lehmanns Verlag (München) am 25.06.1940. 230 SIGLA an RDI am 27.03.1940, ARDI 49, 5. 231 RJ an SIGLA am 29.03.1940, ARDI 49, 5. 232 SIGLA an RDI am 01.04.1940, ARDI 49, 5. 233 TR an Hiecke, Preußisches Staatshochbauamt (Naumburg) am 17.04.1940, ARDI 49, 5. 234 SIGLA an RDI am 08.05.1940, ARDI 49, 5. 235 Preußisches Staatshochbauamt (Naumburg) an RJ am 10.05.1940, ARDI 49, 5. 236 Oberberger an Lill am 13.05.1940, ARDI 49, 5. 237 SIGLA an RJ am 17.05.1940, ARDI 49, 5. 238 Preußisches Staatshochbauamt (Naumburg) an RJ am 20.05.1940, ARDI 49, 5. 239 Alle Zitate aus Aktennotiz RJs vom 24.05.1940, ARDI 49, 5. 240 Es haben sich mehrere Konzepte für ein derartiges Patent sowie die Patentanmeldung in ARDI 49, 5 erhalten. Ein vollständiger Entwurf als Anhang zu RJ an Mertens (SIGLA) am 24.05.1940 bzw. SIGLA an RJ am 27.05.1940, ARDI 33, 10. 241 SIGLA an RJ am 04.06.1940, ARDI 49, 5. 242 Würth an RDI am 19.10.1940, ARDI 33, 10. 243 SIGLA an RJ am 28.10.1940, ARDI 33, 10. 244 Würth an RDI am 01.11.1940, ARDI 33, 10. 245 RDI an Würth am 18.11.1930, ARDI 33, 10. 246 Würth an RDI am 21.01.1941 und in vertraulicher Mitteilung des Reichspatentamtes an RDI am 25.04.1941, ARDI 33, 10. Siehe hierzu auch RdbK an RDI am 07.07.1942 und RDI an RdbK am 08.09.1942, beide ARDI 2, 5. 247 RJ an SIGLA am 12.06.1940, ARDI 49, 5. 248 SIGLA an RJ am 14.06.1940, ARDI 49, 5. 249 RJ an Oberberger am 21.06.1940, ARDI 49, 5. 250 Erwiderung TRs auf die eidesstattliche

Erklärung AZs vom 12.04.1949, aufgestellt am 15.06.1950, NTR, Schriftverkehr 1950. 251 SIGLA an RJ am 05.07.1940, ARDI 49, 5. 252 So RJ z. B. an Pfister (Staatsministerium des Innern in München) oder Scherer (Kameradschaft der Künstler München) am 05.07.1940, ARDI 49, 5. 253 Schmuderer an RJ am 03.07.1940, ARDI 49, 5. 254 RJ an Schmuderer am 06.07.1940, ARDI 49, 5. 255 Lill an Oberberger am 18.07.1940, ARDI 49, 5. 256 SIGLA an AZ am 07.08.1940, ARDI 49, 5. 257 Ausführliche Stellungnahme von Lill, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (München) zum „Konservierungsverfahren bei alten Glasmalereien“ an den geschäftsführenden Präsidenten der Kameradschaft der Künstler Robert Scherer (München) vom 12.08.1940, in Abschrift an RDI, ARDI 49, 5. 258 Lill an Scherer vom 12.08.1940, ARDI 49, 5. 259 Aktenvermerk RJs vom 29.10.1940 zum Schriftsatz Lills vom 12.08.1940, ARDI 49, 2. Der Aktenvermerk geht Scherer, AZ und Lill zu. 260 Kleine 2012, S. 40. 261 Protokoll zur Besprechung am 29.07.1940 aus der Hand RJs vom 15.10.1940, ARDI 49, 2. 262 Ebd. Der Aktenvermerk geht Scherer, AZ und Lill zu. 263 Hoffmann an RDI am 07.09.1940, ARDI 49, 2. 264 RJ an AZ am 14.11.1940, ARDI 49, 2. 265 Hoffmann an RJ am 16.11.1940, ARDI 49, 2. 266 RJ an AZ am 20.11.1940, ARDI 49, 2. 267 TR an AZ am 12.12.1940, ARDI 49, 2. 268 Jacobi 1940b. 269 Anon. 1940a. 270 Anon. 1940b. 271 Oberberger an TR am 11.01.1941. 272 Oberberger an TR mit Grüßen von Lischka am 22.07.1937 (Poststempel), NTR, Schriftstücke vor 1945. 273 Bericht Oberbergers vom 18.01.1941,

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NTR, Schriftstücke vor 1945 und ARDI 49, 1. 274 Wolff 1985. 275 Kleine 2012, S. 40. 276 TR an Friedrich Schrempp (Durlach) am 17.10.1940, ARDI 28, Sch. 277 Zu Reger, der im „Führerbau“ mit Katalogisierungsarbeiten zum „Führermuseum Linz“ befaßt war, siehe Hopp 2012, S. 195. 278 „Ziele und Aufgaben des RDIs“ und „Tätigkeitsbericht bis Ende 1939“, ARDI 2, 9 und 10. 279 Es handelt sich hierbei vermutlich um das am 26.06.1940 eingelieferte Bild Hoffmanns, ARDI 21, 5, siehe zum Thema auch Stellungnahme RJ vom 10.11.1948, NTR, Schriftverkehr 1948. 280 Schreiben von TR an MD vom 27.10.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 560. 281 Entwurf eines Rundschreibens an alle Mitarbeiter des RDIs am 08.11.1940, ARDI 19, 2. 282 Zu Heinrich Heim siehe Institut für Zeitgeschichte (München), Sign. ED 416, siehe auch unter http://www.ifz-muenchen.de/archiv/ed_0416.pdf, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. 283 In ARDI 24 haben sich 19 einzelne, zumeist knapp gehaltene Berichte erhalten, die keine weiteren Rückschlüsse erlauben. Zwischen Juli 1938 und Mai 1945 wurden um die 210 Bilder beurteilt, schriftliche Unterlagen liegen zu den meisten nicht vor. 284 RJ an RdbK am 23.05.1940, ARDI 1, 3. 285 Gutachten Nr. 31 im Auftrag Adolf Hitlers vom 13.03.1940, ARDI 21, 13. 286 Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek Inv. Nr. 8574. 287 Schreiben Brinkmanns an Buchner am 04.01.1940, BStGS Registratur 61/3, Doerner-Institut 1940–64. 288 Siehe hierzu Gutachten Nr. 28 vom 24.10.1940 an Dr. Heinrich Heim (Führerbau München), ARDI 21, 10. 289 So durch die Untersuchung von zwei Originalen von Carl Spitzweg, „Picknick im Freien“ und „Der Eremit“ aus den

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Beständen des Stadtmuseums München, Gutachten Nr. 33 vom 12.04.1940, ARDI 21, 15. 290 So im Falle des Gutachtens Nr. 32 für den Kunstsalon Franke (Leipzig) vom 12.04.1940, hier TR an Franke am 31.01.1940, ARDI 21, 14. 291 Haeberlein 1936. 292 Kühn 1968 mit der Erwähnung der Leistung RJs auf S. 9. 293 Monatsbericht vom September 1940, ARDI 34, 4. 294 ARDI 57, 2. 295 Monatsbericht vom September 1940, ARDI 34, 4 und RJ an das Finanzamt München-Nord am 06.04.1940, ARDI 42, 1. 296 Protokolle zur „Farbenuntersuchung alter Meister“ vom 12.10.1940, ARDI 57, 2. 297 So eine „Versuchsreihe zur synthetischen Herstellung einer grünen Farbe nach den spektralanalytischen Feststellungen an Bildern alter Meister“ vom 14.10.1940, ARDI 57, 2. 298 Eduard Raehlmann (1848–1917), deutscher Mediziner, siehe dazu auch Kinseher 2014, Anm. 1036. 299 Jacobi 1941 und Anon. 1941a und b; ARDI 34, 3 und ARDI 41, 1. 300 RJ an die Redaktion der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ am 10.10.1940, ARDI 54, 6. Der Artikel erscheint als Jacobi 1941. 301 Angewandte Chemie an RJ am 31.10.1940, ARDI 54, 6. 302 RJ an Angewandte Chemie am 05.11.1940 und am 04.12.1940, ARDI 54, 6. 303 Burmester et al. 1998b, S. 65 f. 304 RJ an Hesse (Schmincke) am 16.10.1940, ARDI 54, 6. 305 Hesse (Schmincke) an RJ am 18.10.1940 und 19.10.1940, ARDI 54, 6. 306 FH an RdbK am 18.01.1941, ARDI 12a, 2a. 307 RJ an AZ am 29.10.1940, ARDI 12a, 2a. 308 FH an Ferdinand Enke Verlagsbuchhandlung (Stuttgart) am 21.05.1942, ARDI 29, 5. 309 ARDI 43, 3. 310 „Entwurf für Pressenotiz“ aus der Hand

RJs vom 19.01.1939 auf eine Aufforderung von Heinzelmann an RDI vom 17.01.1939, ARDI 43, 6. 311 Heinzelmann an RDI am 11.05.1939 sowie Heinzelmann an Buchner am 17.05.1939, ARDI 43, 6; des weiteren Heinzelmann an RDI am 14.12.1942 und Gutachten Nr. 22, dort benannt als „Dirndl auf der Alm“ in ARDI 21, 3. 312 Siehe dazu auch einen Vorstoß AZs an den Reichsminister der Justiz (Berlin) über das RMVP am 12.04.1939, ARDI 1, 2. 313 Aktennotiz zu einer Besprechung zwischen AZ und Staatsanwalt Heinzelmann (Stuttgart) vom 13.02.1939, ARDI 1, 2. 314 Anon. 1939i und Anon. 1939j. 315 Anon. 1939k. 316 Siehe die 146seitige Anklageschrift von Heinzelmann vom 18.11.1938, ARDI 43, 1. 317 Anon. 1939l. 318 Anon. 1939h. 319 Anon. 1939m. 320 Siehe die 127seitige Anklageschrift von Heinzelmann vom 18.07.1939, ARDI 43, 1. 321 Anon. 1940c. 322 Rechnung Anton Brugger vom 23.02.1939, ARDI 5, B. 323 Rechnung Bürobedarf Barwisch (München) vom 02.03.1938, ARDI 5, B. 324 Auftragsbestätigung Georg Schöttle, Kunstgewerbliche Werkstätte. Herstellung einfacher und reicher Möbel, sowie Innenausbau (München) vom 24.12.1937, ARDI 26, Sch. 325 Anon. 1940c. 326 ARDI 43. 327 Siehe auch http://heinemann.gnm.de/de/ willkommen.html, letztmalig aufgerufen am 30.09.2015. 328 TR an MD am 27.10.1938, NMD Briefe/Notizen 1930–1940, Bl. 560. 329 TR an MD (Wekling) am 10.09.1938, ARDI 35, 4. 330 ARDI 35, 5 am 22.09.1938. Entsprechend dieser Feststellung ist das Gutachten zu „Zollhaus“ im Archiv des Doerner Institutes nicht aufgenommen. 331 Nur wenige Schreiben aus dem September

1938 zu diesem Fall und einem authentischen Vergleichsbild aus Regensburger Privatbesitz haben sich in den Akten des Doerner Institutes erhalten, siehe hierzu in ARDI 26, S. 332 Heinzelmann an RDI am 01.12.1938, ARDI 43, 6. 333 Heinzelmann an Buchner am 17.05.1939, ARDI 43, 6. 334 Heinzelmann an RDI am 07.06.1939 mit Vermerk „Eilt sehr!“, ARDI 43, 6. 335 Anon. 1940d. 336 So zu einem angeblichen Defregger (nicht im RDI untersucht) gehandelt über die Kunsthandlung Hirsch, Verfügung des Oberstaatsanwaltes bei dem Landgericht Stuttgart vom 23.03.1939, ARDI 43, 6. 337 So zu einem angeblichen Vautier (nicht im RDI untersucht) gehandelt über die Odeonsgalerie München (Inhaber Emil Michels und Jordan), Beschluß des Oberstaatsanwaltes bei dem Landgericht Stuttgart vom 20.12.1938, ARDI 43, 6. 338 Die Namen TRs und RJs tauchen auf der Ladung zur Hauptverhandlung vom 12., 13., 17., 18., 20. und 24.04.1939 als Zeugen oder Sachverständige nicht auf. Ursächlich waren fehlende Gutachten, eine Nachladung sollte erfolgen, so Heinzelmann an RDI am 15.03.1939, ARDI 43, 6. 339 Aus einem für die „Kunst-Rundschau“ des RMVP vorgesehenen und von RJ durchgesehenen Artikel aus dem Juni 1940, ARDI 58, 7. 340 Zu den Hintergründen des Falls siehe Anon. 1938j und Anon. 1938k. 341 Siehe hierzu die Gutachten aus dem Jahr 1938 in ARDI 20, 5. 342 Anon. 1938k. 343 Anon. 1939f und Anon. 1939g. 344 AZ an Pg. Wüster, Reichspropagandaamt München-Oberbayern am 08.05.1939, ARDI 43, 6. 345 Anon. 1940c. 346 AZ an den Reichsminister der Justiz (Berlin) am 12.04.1939, ARDI 43, 2. 347 Heinzelmann (unter seiner Privatanschrift in Stuttgart) an AZ am 12.12.1939 und AZ an den Reichsmini-

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ster der Justiz (Berlin) am 08.01.1940, ARDI 43, 2 und ARDI 1, 3. 348 AZ an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei (Göring) am 08.01.1940, ARDI 1, 3. 349 AZ an den Reichsminister der Justiz (Ber-

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lin) am 12.04.1939 und am 15.02.1940, ARDI 43, 2. 350 Schmidt-Leonhardt (RMVP Berlin) an AZ am 24.01.1940, ARDI 43, 2. 351 AZ an das RMVP (Berlin) am 09.07.1940, ARDI 43, 2.

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EIN GESCHENK FÜR HITLER

Der Fall der „Madonna di Gaëta“ ist aus heutiger Sicht eigentlich nur eine Zuschreibungsfrage, jedoch erzwingt die auffallende Dichte an Archivalien sein Studium in allen Details. Bereits die Tatsache, daß Bilder von Raphael aus Wien, Berlin und der Alten Pinakothek im Institut zusammengezogen werden, läßt aufhorchen. Die aktive Beteiligung von Himmler und Heydrich, von Göring, Lammers, Bormann, Rust und Frick, von Heinrich Hoffmann und der Gestapo verweisen auf einen prominenten Auftraggeber. Der bereits an anderer Stelle1 unvollständig geschilderte Fall läßt sich auf der Grundlage neuer Quellen 2 lückenlos rekonstruieren. 1936 weist der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Karl Theodor Koetschau3 auf ein Gemälde von Raphael hin, das daraufhin von Göring als Geburtstagsgeschenk für Hitler vorgesehen wird. Es läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen, welche Rolle Heinrich Hoffmann,4 „der Direktor der Münchener Künstlergenossenschaft Walter Zimmermann und der Direktor des Münchener Kunstvereins Hofrat Erwin Pixis“ in dieser Affäre haben,5 der Initialimpuls für die Geburtstagsüberraschung muß jedoch von Hoffmann ausgegangen sein.6 Hitler jedenfalls, von den hehren Absichten informiert, stimmt erfreut einer Schenkung zu. Göring überantwortet den Fall Himmler. Bei dem Gemälde handelt sich um die sogenannte „Madonna di Gaëta“ oder die „Putbus-Madonna“ (Abb. 99), einem – was Hitler, Göring, Himmler oder die SS wiederum nicht wissen – seit den 1920er Jahren in kunsthistorischen Kreisen kontrovers diskutierten Gemälde. Sein Eigentümer, der Maler Alfred Lüdke*,7 und eine ganze Reihe von Kunsthistorikern sind jedoch von der Autorschaft Raphaels fest überzeugt.8 Lüdke hatte das Bild um 1920 „von den Fürstlich Putbus’schen Erben im Münchner Kunstverein“ zusammen mit einschlägigen Gutachten erworben.9 Abschriften dieser Gutachten und weiterer Stellungnahmen legt Lüdke seinen zahllosen Schreiben und Eingaben bei, in denen abweichende Meinungen 403

– die durchaus bekannt waren – mit keinem Wort erwähnt werden. Lüdke bemüht für sein Bild in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre eine Vielzahl von Kunsthistorikern wie Restauratoren in Italien, Deutschland und Österreich, hierzu rechnen auch Mitarbeiter der großen Sammlungen in Berlin, Dresden und München.10 Die Argumentationsmuster der Stellungnahmen ähneln sich: Deutliche Schwächen der „Madonna di Gaëta“ werden mit Unsicherheiten im Frühwerk Raphaels, mit mißglückten Retouchen oder dem fragwürdigen Zustand begründet, vermeintliche Pentimente als Argument für ein Original herangezogen und das Vorliegen einer zeitgenössiAbb. 99 | Kopie nach Raphael, „Madonna di Gaëta (sog. Putbus-Madonna)“

schen Kopie nach der „Madonna Alba“ – damals noch in der Eremitage in Leningrad, heute in der National Gallery Washington (Abb. 100) – wegen stilistischer Überlegungen ausgeschlossen. In den Augen Lüdkes und seines Umfeldes ist so die Autorschaft Raphaels unzweifelhaft gesichert. Lüdkes deutschnationale Gesinnung und sein fester Glaube an den „Führer“ veranlassen ihn, 1936 anläßlich des in Aussicht stehenden Verkaufs der „Madonna di Gaëta“ mit seiner Familie von der Schweiz nach München umzusiedeln. Er lebt dort von den EinAbb. 100 | Raphael, Madonna Alba, um 1510

nahmen aus einem Hausverkauf, tritt jedoch nicht mehr als „Maler und maltechnischer Wissenschaftler“11 – wie er sich selbst bezeichnet – auf. Sein Bild, die „Madonna di Gaëta“, wird im Juni 1936 auf Befehl Himmlers aus der Schweiz ausgeführt und auf Veranlassung von Reichsinnenminister Frick sofort als national wertvolles Kulturgut mit einem Wiederausfuhrverbot belegt.12 Beide Fakten sind zunächst kein Hindernis, bestehen doch von Seiten des Käufers wie des Verkäufers an einer Abwicklung und umgehenden Begleichung der Verkaufssumme zu diesem Zeitpunkt noch keine Zweifel. Aus heute nicht mehr bekannten Gründen, doch wohl zu seiner eigenen Absicherung, beauftragt Himmler weitere Gutachten und läßt das Gemälde zu diesem Zweck von der SS nach Berlin bringen. Anfang Dezember 1936 erstattet Koetschau sein Gutachten, das sich im wesentlichen auf vorausgehende kunsthistorische Einschätzungen beruft. Der dabei von Koetschau angestrengte Vergleich zwischen Lüdkes Bild und der „Madonna aus dem Hause Alba, früher in Leningrad, jetzt im Besitz des amerikanischen Sammlers Mellon, der sich für 4 Millionen Mark das Bild erwarb“ fällt zugunsten der „Madonna di Gaëta“ aus: Koetschau hält diese für ein Original Raphaels voller „unberührter herber Jugendfrische“, die „Madonna Alba“ dagegen für einen „weitere[n] wohllautende[n], aber auch weniger charaktervolle[n] Versuch“ Raphaels.13 Ganz so eindeutig ist die Lage allerdings nicht: Im einleitenden Passus erwähnt Koetschau, daß er das Bild „in den maltechnischen Versuchswerkstätten der Vereinigten Staatsschulen für bildende Kunst“, also in Berlin bei Wehlte und Müller, begutachten habe lassen. Über mehrere Tage hinweg untersuchen die beiden mit Hilfe des Photographen Hannes Schmitt das Bild mit Röntgenstrahlen, machen Infrarot- und Mikrophotographien.14 Wehlte berichtet später, daß „die Laboratoriumsräume […] für den Verkehr gesperrt [gewesen seien]. Das Gemälde wurde von SS-Leuten des Sicherheitsdienstes transportiert und in unserem Haus auch des Nachts bewacht.“15 Am Ende fällt das Urteil negativ aus, ja Wehlte erkennt, daß sich „Be406

urteiler und Stifter irren [unterstrichen]“. Da die „Auswertung der Untersuchungen [jedoch] in anderer [unterstrichen] Hand“ liegt, nämlich in der Koetschaus – der sich bereits für die Echtheit ausgesprochen hat –, geraten Wehlte und Müller in eine schwierige Lage. Des positiven Urteils Koetschaus bewußt, wendet sich Wehlte deshalb hilfesuchend an Ziegler, den er als Hitlers „Vertrauten in Kunstdingen“ ansieht. „Mir wurde mitgeteilt, dass sich der Führer bereits selbst ein positives Urteil gebildet habe […] Jedenfalls fühle ich mich als (wenn auch gebundener) Mitwisser verpflichtet, meinen obersten Parteiführer nach Möglichkeit vor einer Irreführung zu bewahren. Ich bitte um Ihre [Zieglers] Hilfe. Meine Behauptung soll für Sie nicht massgeblich sein aber sie möchte Sie warnen. Unterdessen erfuhr ich, dass bedeutende Museumsbeamte meine Meinung teilen. In gut informierten Kreisen ist dieser Fall nicht unbekannt […] Vielleicht hat Sie [Ziegler] der Führer schon befragt? Es ist der Gedanke für mich schmerzlich, dem Führer vielleicht eine Enttäuschung bereiten zu müssen aber das wäre weniger zu bedauern als eine Täuschung.“16 Ziegler reagiert umgehend, denn wenige Tage später wird Wehlte von der „Gaëta-Stiftung“, welche die Finanzierung sichern soll, mit einem technischen Gutachten beauftragt.17 Zu diesem Zeitpunkt ist noch geplant, daß Wehltes Gutachten die Grundlage für einen maltechnischen Beitrag bildet, der „zusammen mit dem Gemälde […] Hitler als Geschenk überreicht werden sollte“ – eine Vorstellung, die Wehlte im ersten Moment mit Sicherheit im Hinblick auf seine Karriere gelegen kommt, die ihn jedoch nach Ausgang der Begutachtung eher mit Schrecken erfüllt haben mag.18 Allerdings verzögert sich die Erstellung des Gutachtens, da Lüdke Anfang 1937 Wehlte wie Müller-Skjold die „wissenschaftliche Bearbeitung der Röntgenaufnahmen etc. etc.“ untersagt: Die Ergebnisse der Strahlenuntersuchung und die einer Zuschreibung an Raphael entgegenstehende Interpretation müssen also auf irgendeinem Wege durchgesickert sein. Lüdkes Schreiben entbehrt nicht eines drohenden Untertons, rät er dem „Kollegen“ Wehlte doch, „mit Prof[essor] Kötschau in Einklang zu bleiben“. Die „ausgezeich407

neten Röntgenaufnahmen [sollten] bei Übergabe des Bildes an den Führer an seinem Geburtstag […] aufgestellt [und übergeben] werden“. Der Brief endet mit einem Bestechungsversuch: Lüdke will sich Wehlte und Müller „in freiwilliger persönlicher Anerkennung […] erkenntlich“ zeigen – ein Ansinnen, das Wehlte am Rande des Schreibens handschriftlich als „abgelehnt“ vermerkt.19 Unterredungen zwischen Vertretern der SS, Wehlte und Müller thematisieren die Gemengelage in aller Offenheit: Ob der „Führer“ wisse, daß es sich bei dem Bild um eine Kopie nach der „Madonna Alba“ möglicherweise aus der Hand des Francesco Penni handele? Der „Führer“ kenne die „wahre Vorgeschichte des umstrittenen Gemäldes“ nicht! Hierzu gehören auch negative Gutachten, darunter eines von Bode. Selbst die Eigentumsverhältnisse und der genannte Preis werden angezweifelt. Am Ende verweigern Wehlte und Müller Koetschau und anderen die Nutzung der technischen Aufnahmen.20 Ende 1937 legt Wehlte dann sein Gutachten vor. Es ist keine Überraschung, bleibt Wehlte doch bei seiner Meinung. Interessanterweise berichtet er, daß Lüdke ältere Röntgenaufnahmen vorgelegt hätte, auf denen Koetschau und Lüdke Pentimente erkannt hätten, „die als Echtheitsbeweise angesehen wurden“. Diese hätten sich jedoch „bei meinen Kontrollaufnahmen als fototechnische Unexaktheiten“ erwiesen. Neben einem vergleichsweise guten Zustand des Gemäldes sei die „Überraschung“, daß „der maltechnische Aufbau […] allein durch die Röntgenaufnahmen zu starken Zweifeln an der Autorschaft Raffaels Anlass [gebe]. Diese Auffassung wurde durch eine Vergleichsaufnahme bestätigt, die ich später von dem unangezweifelten Raffaelwerk ‚Madonna Colonna‘, das der Entstehungszeit der ‚Madonna Alba‘ entspricht, herstellte.“ Wehlte weist explizit darauf hin, daß derartige maltechnische Expertisen vergleichsweise neu seien und diesen nur eine „Teilaufgabe zufalle“, womit er sich durchaus der methodischen Grenzen bewußt ist. Insbesondere seien Vergleichsaufnahmen von der „Madonna Alba“ vonnöten, die unter gleichen physikalischen Bedingungen aufgenommen werden müß408

ten. In einer abschließenden Bemerkung macht Wehlte deutlich, daß er sich auch im Namen seiner Mitarbeiter Müller-Skjold und Schmitt dagegen verwehre, daß „unser Untersuchungsmaterial fahrlässig und wissentlich irreführend als Echtheitsbeweis missbraucht und veröffentlicht würde. Wenn sich der Führer […] ein positives Urteil […] gebildet hat, so ist das wohl nur darauf zurückzuführen, dass ihm das vorhandene wissenschaftliche Material über dieses Streitobjekt nicht lückenlos vorgelegt worden ist.“21 An der seit Ende 1936 gefestigten Ablehnung Wehltes ändert sich auch nichts, als Lüdke Röntgen- und Mikroaufnahmen der „Hl. Familie aus dem Hause Canigiani“ aus der Alten Pinakothek vorlegt, welche aus der Sicht Lüdkes „die Übereinstimmung der Pinselschrift Raffaels in beiden Bilder belegen“.22 Auf der Suche nach Vergleichsmaterial röngt Wehlte bereits im Juni 1936 Raphaels „Madonna Terranuova“ aus Berlin. Sein naheliegender Wunsch nach einer Röntgenaufnahme der „Madonna Alba“ bleibt ihm jedoch aufgrund der politischen Situation verwehrt, auch wenn er Alan Burroughs aus dem Fogg Art Museum Harvard, der ein großes Röntgenarchiv zusammengetragen hat, von früher kennt.23 Wehlte bespricht seine Beweisführung sogar mit Fachkollegen in Rom, wohin er im Herbst 1938 reist.24 Wie bereits angedeutet, soll die Finanzierung der „Madonna di Gaëta“ nach dem Willen Himmlers durch die sogenannte „GaëtaStiftung“ erfolgen, der bis zum Jahreswechsel 1936/37 Heinrich XXXIII Prinz Reuss vorstand. Danach übernimmt der süddeutsche Unternehmer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Stuttgart und des Württembergischen Industrie- und Handelstages,25 Fritz Kiehn, den Vorsitz.26 Der spätere SS-Obersturmbannführer gilt als einer der schillerndsten Nationalsozialisten Süddeutschlands: In seiner Hand scheint sich im März 1937 alles zum Besten für Lüdke zu wenden, teilt er ihm doch schriftlich mit, daß er zwischenzeitlich mit Himmler und seinem Adjutanten, SS-Gruppenführer Karl Wolff27, gesprochen habe. Man sei sich einig, daß das Bild zu „Führers Geburtstag“ am 20.04.1937 überreicht werden 409

solle. Der Preis ist auf 800.000 RM festgesetzt. Er bekräftigt, daß „das Bild hiermit fest gekauft und übernommen und damit in den Besitz des Herrn Reichs-SS-Führers übergegangen“ sei. Alles weitere liege nun bei Himmler, Ziel sei jedoch „nicht nur unserem deutschen Vaterlande eines der herrlichsten und wertvollsten Gemälde [zu] erhalten, sondern in erster Linie unserem Führer damit eine reine und grosse Freude bereiten zu dürfen“.28 Ursprünglich war noch von 1.250.000 RM die Rede, doch in die Verkaufsverhandlungen drängt sich die Notwendigkeit, ein weiteres Geschenk an Hitler zu finanzieren. Es geht hierbei um ein nicht näher beschriebenes Bild von Menzel, das Hitler 1937 anläßlich seines Geburtstages von Präsidenten verschiedener Wirtschaftskammern, darunter Fritz Kiehn, überreicht wird. Die Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 350.000 RM, um die sich wiederum Kiehn kümmern will, soll aus Kreisen der Industrie erfolgen, was dort allerdings auf Widerstand stößt, nicht zuletzt, weil der Preis nach Einschätzung des Sicherheitsdienstes der SS als überteuert gilt.29 Es kann als gesichert angesehen werden, daß der Lüdke abgepresste Preisnachlaß für die „Madonna di Gaëta“ von 450.000 RM in Verbindung mit diesem Bildankauf steht. Möglicherweise ist die Schenkung des Bildes von Menzel gar eine Notlösung, da die Zweifel an der Echtheit der „Madonna di Gaëta“ immer greifbarer werden und sich damit die ursprünglichen Pläne eines Geburtstagsgeschenks an den „Führer“ zerschlagen. Die Bezahlung der „Madonna di Gaëta“ wird Monat um Monat verschoben, ja im Sommer 1938 sucht Kiehn gar den Vertrag mit Lüdke zu lösen.30 Die Situation kippt. Der Aufschrei der kunsthistorisch Beteiligten, der sofortige Verdacht der Bestechlichkeit, Klagen über Ehrverletzung und die Suche nach einer Lösung bestimmen nun den Tenor allen Schriftverkehrs. Wer hat sich geirrt? Wer hat wen betrogen? Ist das Bild eine Fälschung? Rasch ist ein Feind ausgemacht, werde doch angeblich die Klärung der Provenienz des Bildes durch die „Feindschaft des internationalen Kunst410

handels, dem schmutzigsten Geschäft des Judentums, der wütend ist, weil ihm ein Geschäft entging“ erschwert.31 Während sich die NS-Größen zurückziehen und ihre Adjudanten vorschicken, was Raum für vielfältige Mißverständnisse eröffnet, entwickelt sich die geplante Schenkung zu einem Fall für Juristen. Eine im Februar 1939 aufgesetzte, mühsam ausgehandelte Vereinbarung sucht den Fall einvernehmlich zwischen Himmler und Lüdke zu klären. Sie sieht vor, daß (1) der Kaufvertrag aufgehoben und (2) das Bild in die Schweiz zurückgebracht und dort Lüdke übergeben wird. (3) Eine Anzahlung in Höhe von 43.000 RM solle bei Lüdke zur Begleichung seiner Auslagen verbleiben. Vor allem jedoch solle (4) nicht mehr behauptet werden, daß die „Madonna di Gaëta“ eine Fälschung sei, um Lüdke einen Weiterverkauf außerhalb Deutschlands zu ermöglichen. Im Gegenzug sei die Behauptung zu unterlassen, das Bild von Menzel sei Hitler nie geschenkt worden. Sind die Punkte (1) bis (4) erfüllt, würden sich gegenseitige Forderungen für alle Zukunft erledigen.32 Die Umsetzung dieser Übereinkunft scheitert allerdings wenige Monate später an der Forderung Lüdkes, in Wien eine Kommission zur Überprüfung des Zustandes wie auch der Gutachten einzusetzen, zudem einen „Auftrag zur Wiederinstandsetzung des Bildes“ zu erteilen, das Bild nach Rom zur endgültigen Rehabilitierung zu überführen und es sodann unter Kostenübernahme in die Schweiz zu verfrachten. Sollte Himmler außerdem einem Verkauf des Bildes durch das Münchner Bankhaus Seiler & Co. zustimmen, das wiederum Lüdke einen „Nettopreis von 800.000.- RM gewährleistet“, sei eine vorzeitige Haftungsentlastung möglich.33 Grund für den letzten Passus muß die angespannte wirtschaftliche Situation Lüdkes gewesen sein, der seit Jahren von seinen Ersparnissen lebt. Die Erträge aus dem Verkauf des Bildes sollten seine Altersversorgung sichern. Lüdke sieht sich zudem massiven Forderungen des Finanzamtes München ausgesetzt: Auch wenn er außer den genannten 43.000 RM nichts erhalten hat, soll er die volle Verkaufssumme 411

versteuern. Zu Recht weist Lüdke darauf hin, daß das von Frick verhängte Wiederausfuhrverbot aufgehoben werden müsse, um eine Überstellung nach Italien und die Schweiz zu ermöglichen.34 Der Kriegsbeginn verhindert jedoch alle Pläne eines Weiterverkaufs durch das genannte Bankhaus und erschwert eine Rückführung in die Schweiz. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Bild im Kunsthistorischen Museum in Wien, wohin es im Juni 1939 verbracht worden ist. Da sich Himmler durch Lüdke beleidigt fühlt, nimmt ihn die Gestapo für rund einen Monat in „Ehren-Schutzhaft“.35 Nach seiner Freilassung bleiben Gesuche Lüdkes an Hitler wie an Göring unbeantwortet.36 Vielleicht deshalb unterbreitet Lüdke 1940 Hitler die Idee, die „Madonna di Gaëta“ im Doerner-Institut untersuchen zu lassen. Er meint hiermit dem Fälschungsvorwurf entgegentreten zu können. Daß das Bild bereits von Restauratoren und Maltechnikern in Dresden und Berlin sorgfältig untersucht wurde, wird verschwiegen.37 Der Auftrag an das Doerner-Institut birgt potentielle Konfliktfelder, soll doch das Bild dort nicht nur auf den Vorwurf der „Fälschung“ überprüft, sondern auch der wissenschaftliche Austausch mit allen aus dem Umfeld Lüdkes aufgenommen werden, die sich mit dem Bild befaßt haben.38 Vom Ergebnis des Gutachtens hinge, wie Lüdke dies sieht, die Entscheidung ab, ob der Kaufvertrag erfüllt oder eine Rückabwicklung erfolgen solle.39 Lüdkes Sichtweise kann nur als eine Fehleinschätzung der Lage gewertet werden, sind doch die maßgeblichen Stellen zu diesem Zeitpunkt, allen voran Himmler, an einem Kauf in keiner Weise mehr interessiert. Zwischenzeitlich scheint das Bild von Wien nach Berlin transportiert worden zu sein, wo Hitler es in der Reichskanzlei erstmalig im Original sieht. Von dort wird das Bild im Februar 1940 mit der ausdrücklichen Maßgabe Hitlers nach München verbracht, das „abschließende Gutachten [des Doerner-Institutes] über die Frage der Echtheit des Bildes“ in „2 bis 3 Wochen“ vorgelegt zu bekommen.40 412

Es soll allerdings bis Anfang Juli dauern, bis das Gutachten vorliegt, auch wenn die Untersuchung der „Madonna di Gaëta“ höchste Priorität erhält. Denn aufstehende Farbschollen und eine mangelhaft angebrachte Parkettierung erschweren die Untersuchung. Sofortige Sicherungsmaßnahmen, ein vergilbter Firnis, Übermalungen und Retouchen erfordern eigentlich weitergehende restauratorische Maßnahmen. „Da sich […] Lüdke z. Zt. [zur Zeit] nicht als Eigentümer des Bildes betrachtet“,41 besteht Unsicherheit, wer den Auftrag für die Restaurierung erteilt und die Kosten trägt. Der für die Arbeiten beauftragte externe Restaurator Wilhelm Hauf, der mit Roth einen ausführlichen Befund erstellt,42 wird zu einem Pauschalsatz genötigt, da Ziegler die Kosten aus dem Institutshaushalt finanzieren muß.43 Es wird deshalb nur das Nötigste gemacht. Ein zwischenzeitlich aus Mitteln Lüdkes sowie der Deutschen Botschaft in Rom beschaffter Rahmen der Zeit ersetzt offenkundig den mit dem Bild aus Fürstlich Putbusschen Eigentum erworbenen späteren Rahmen. Allerdings muß auch hier die Kaufsumme komplett vorgestreckt werden, da Lüdkes Anteil wiederum aus dem Verkaufserlös bestritten werden soll.44 Haeberlein versucht Photos zu einer Kopie nach der „Madonna di Gaëta“ vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Kunstgeschichte – der heutigen Hertziana in Rom – einzuholen. Daß er sich hierbei an den ihm offensichtlich gut bekannten Kunsthistoriker Werner Hoppenstedt wendet und nicht an den Direktor der Einrichtung, Leo Bruhns, führt zu Verstimmungen. In atemraubender Offenheit schreibt Bruhns: „Sie [Haeberlein] scheinen vergessen zu haben, dass unser Institut auch eine kunstwissenschaftliche Abteilung besitzt. Ich überlasse Hoppenstedt die Pflege der faschistisch-nationalsozialistischen Kulturbeziehungen, und er gönnt mir neidlos die kunsthistorische Arbeit. Wir beide wären dankbar, wenn dies auch vom Doerner-Institut zur Kenntnis genommen würde.“ Hoppenstedt bleibt diese Äußerung nicht verborgen, zeichnet er doch am Rand mit handschriftlichen Grüßen. Bruhns schließt ohne Hitler413

gruß.45 Wie komplex die Einschätzung dieses Verhaltens ist, wird deutlich, wenn man weiß, daß Bruhns – ehemals Doktorand bei Wilhelm Pinder – zu den Unterzeichnern des „Bekenntnis[ses] der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ am 11.09.1933 gehörte, wie im übrigen Martin Heidegger, Wilhelm Pinder oder Ferdinand Sauerbruch. Doch die anfängliche Begeisterung ist einer Ernüchterung gewichen, was Bruhns nicht von Offenheit abhält. Nach dieser Klarstellung befaßt sich Bruhns mit Haeberleins Anfrage, rekapituliert den Wissenstand um die „Madonna di Gaëta“, bezieht sich auf die positiven Gutachten von Hermanin (Rom), Bercken oder Pauli (Hamburg), verschweigt aber auch ablehnende von Wilhelm Niemeyer oder Venturi nicht. Und er fährt fort: „1924 sprach sich übrigens auch ein so bekannter Bilderkenner wie Georg Swarzenski durchaus gegen die These aus, daß Raphael selbst die Gaëta-Replique gemalt haben könnte. Auf diesen Mann darf man sich heute aber nicht mehr berufen.“ Wäre das Schreiben in falsche Hände gelangt, hätten Bruhns beträchtliche Schwierigkeiten erwachsen können. Er selbst lehnt das Bild, das er 1924 im Original studieren konnte, ab und bezeichnet die „Madonna di Gaëta“ als „Kopie oder richtiger [als] eine nicht ganz befriedigende Übersetzung einer Tondo-Komposition in das quadratische Format“. Er meint in Sabbatini aus Neapel oder in Francesco Penni mögliche Urheber zu erkennen, verspricht aber Nachforschungen zu der von Haeberlein angefragten, in dem Städtchen Gaëta vermuteten Kopie.46 Ziegler hält still, weist jedoch Haeberlein an, all die Informationen aus Rom in seinem Gutachten zu verwenden. Haeberlein sucht ebenfalls um Leihgaben aus Wien und Berlin nach, für die das Doerner-Institut „einen Sonderkurier zur Verfügung stellen“ könne, für „sichere Aufbewahrung und Luftschutzunterbringung [sei] Sorge getragen“.47 So fordert er für den „Sonderauftrag“ eine ältere Kopie der „Madonna Alba“48 aus Wien an. Auch an Dresden richtet sich ein Ausleihwunsch,49 doch dort wie 414

in Wien scheint man sich zu sperren. Der Verweis auf höhere politische Stellen und Zusagen aus Berlin erinnern an heutige Zwänge, konservatorisch nicht verantwortbaren Leihgesuchen am Ende doch stattzugeben. Eingeschaltete höhere Stellen, hier Reichsminister Rust, geben dem „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ in Wien unverblümt Anweisung, das angefragte Bild umgehend nach München zu schaffen.50 Am 06.04.1940 treffen die beiden Tafeln Raphaels aus Berlin in Begleitung eines Kuriers mit dem Zug in München ein,51 die Versicherung muß auf Anweisung von Reichsminister Rust vom Institut getragen werden.52 Die Akademie in Wien bedient die Wünsche dann doch, auch wenn die eigens für diesen Zweck rasch gereinigte Kopie nach der „Madonna Alba“ eher aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts stammen würde.53 Das Wiener Kunsthistorische Museum verweist dagegen darauf, daß sich die angeforderte „Madonna im Grünen“ an ihrem Bergungsort in Gaming befinde und somit nur bedingt zugänglich sei.54 Auch ein Penni zugeschriebenes Bild könne „aus konservatorischen Gründen [vom Auslagerungsort] nicht entfernt werden.“ Ziegler habe zudem schon seinen Verzicht mitgeteilt,55 ja im übrigen sei die „Madonna di Gaëta“ in Wien „von massgebenden Fachleuten nicht anerkannt“.56 Die Untersuchung der Bilder aus Berlin, die bereits sechs Tage später in Begleitung des zweiten Restaurators der Gemäldegalerie, Böhm, zurückgebracht werden, erfolgt umgehend. Schwieriger gestaltet sich die Untersuchung des Wiener Raphael wie auch des Penni in Gaming, da fraglich ist, ob am Bergungsort 220 Volt Wechselstrom zur Verfügung steht, was Haeberlein für die photographischen Arbeiten unerläßlich erscheint.57 Gegen eine Ausleihe dieser beiden Bilder aus dem abgelegenen Ort sprechen auch einfache wirtschaftliche Gründe: Die mit dem aufwendigen Transport der für die Untersuchung benötigten Vergleichsbilder und der üblicherweise erforderlichen Begleitung durch einen Restaurator verbundenen Kosten sucht Ziegler wieder einmal auf das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda abzuwälzen. Hierzu rechnen auch den Haushalt des 415

Institutes sprengende Versicherungskosten: So ist die „Madonna di Gaëta“ mit 1.000.000 RM versichert.58 Doch Berlin antwortet kühl, daß die „Versicherungskosten für Bilder […] in allen Fällen von der Stelle zu tragen [seien], die den Auftrag für die Erstattung eines Gutachtens erteilt hat“.59 Die Erwartungen an den Ausgang der Begutachtung könnten kaum unterschiedlicher sein. Ziegler kann zu einer auch München von Lüdke angebotenen Spende „zur Zeit keine Stellung nehmen“, mahnt ihn zur Zurückhaltung und weist alle Versuche zurück, das Doerner-Institut in mehr als das maltechnische Gutachten hineinzuziehen.60 Wehlte erfährt von der Neubegutachtung, wendet sich „zur Vermeidung eines Betrugsmanövers“ offiziell an Ziegler und bietet seine Unterlagen und Vergleichsaufnahmen an, was Ziegler auch annimmt. An Wehltes Urteil, daß es sich bei der „Madonna di Gaëta“ um eine zeitgenössische Kopie nach der „Madonna Alba“ handle, hat sich auch 1940 nichts geändert, ja seine Einschätzung scheint sich eher gefestigt zu haben.61 Für die Anfertigung der Kopien des gesamten photographischen Materials wird offenkundig sogar der Photograph Schmitt vom Wehrdienst zurückgeholt. In diesem Zusammenhang behauptet Wehlte, er hätte Doerner zu Lebzeiten das ganze Material gezeigt.62 Inwieweit dies stimmt, ist nicht mehr zu beurteilen, doch sucht sich Wehlte immer wieder in die Nachfolge Doerners zu stellen – ein Aspekt, auf den noch einzugehen sein wird. Für den Transport der Röntgenmontage bedient sich Wehlte des berüchtigten Sicherheitsdienstes der SS, die Abschriften erfolgen auszugsweise im Sitz der Reichskammer in Berlin.63 Himmler selbst scheint sich durch Lüdke derart bedrängt zu fühlen, daß er ihn durch die Gestapo erneut in Haft nehmen läßt.64 Vorsichtiger geworden, richtet sich Lüdkes Zorn in einem erneuten Schreiben an Hitler gegen Kiehn und Wolff. Er versichert, daß „Himmler, mein Vertragspartner […] mir also für seine Person nichts Böses getan [habe], auch nicht den beteiligten in- und 416

ausländischen Wissenschaftlern“. Kiehn und Wolff jedoch hätten es versäumt, das Bild zur Untersuchung an „unser maltechnisches Dörner-Institut in München“ zu schicken, dessen „Aufbau“ eine der „Grosstaten“ des „Führers“ sei. Einzig dieses Institut könne ihn, Lüdke, jetzt noch von dem Vorwurf entlasten, Hitler eine Fälschung verkauft zu haben.65 Lüdkes erneute Eingabe an Hitler stellt die Reichskanzlei vor Probleme, reagiert doch Himmler auf alle Anfragen in dieser Sache seit Monaten nicht. Dieser Zustand dauert bis in den Juni an und sämtliche Versuche Lüdkes, einen Termin mit Himmler im Doerner-Institut vor dem Bild zur Lösung aller Schwierigkeiten zu vereinbaren, scheitern.66 Alles läuft parallel: Obgleich aus der Sicht Roths nicht ausreichend, wird an der „Madonna di Gaëta“ nur das Notwendigste gemacht: Einlassen der „aufgestandenen Stellen mit Copaiva-Balsam“ und Festigung mit Leim, auf eine Neuverleimung der Tafel muß verzichtet werden.67 Roth stellt die Ergebnisse der maltechnischen Untersuchung der Vergleichsbilder, des „Dreiheiligenbildes“ und der „Madonna Solly“ aus Berlin wie die Münchner „Madonna Canigiani“ – heute „Hl. Familie aus dem Hause Canigiani“ –, denen der Untersuchung der „Madonna di Gaëta“ gegenüber. Seine Schlußfolgerung, daß es weder maltechnische Übereinstimmungen mit dem Frühwerk wie mit späteren Werken Raphaels gebe, führt zu einem eindeutigen Ergebnis.68 Die aus Dresden stammende These, daß unter der schwarzen Imprimitur der „Madonna di Gaëta“ ein vom jungen Raphael partiell entferntes Bild zu finden sei, was die Röntgenaufnahme verunkläre, widerlegt Jacobi mit Querschliffen.69 Ein zusätzlicher maltechnischer Bericht zur „Madonna Canigiani“ aus der Feder Roths unterstreicht die überragende Qualität dieses Bildes, wogegen die malerische Ausführung der „Madonna di Gaëta“ deutlich abfalle.70 Es eilt offenkundig, denn bereits einen Tag später holt die Spedition Wetsch die „Madonna Canigiani“ wieder ab. Da sich die Untersuchung der „Madonna im Grünen“ an ihrem Auslagerungsort in Gaming als schwierig zu gestalten droht – obwohl Wien 417

die Nutzung all ihrer Gerätschaften für technische Aufnahmen und mikroanalytische Untersuchungen anbietet – fordert Haeberlein zunächst Röntgenaufnahmen an.71 Die umfangreiche Korrespondenz rund um die „Madonna di Gaëta“ birgt auch Hinweise auf eine zunehmende Schwächung der Position Zieglers oder des Institutes: So mißbilligt der Geschäftsführer der Reichskammer, Walter Hoffmann, im Zusammenhang mit der Versicherungspolice, die für diesen umfangreichen Fall anfiel,71 daß diese versehentlich doppelt angewiesen wurde.72 Der darauf erfolgte Protest der Kammer richtet sich unmittelbar gegen Ziegler und das von ihm geleitete Institut, ja die Kammer sieht die „Angelegenheit [als] restlos […] verfahren“ an.73 Ziegler scheint auch nicht darüber informiert zu sein, daß sich die „Madonna Alba“ nicht mehr in der Eremitage befindet, sondern längst an Mellon in Amerika verkauft ist.74 Sein Versuch, aus Leningrad Bildmaterial zu bekommen, bleibt deshalb wohl unbeantwortet. Kein Aufwand wird gescheut: Roth untersucht Werke Peruginos75 und dessen Schule76 aus der Alten Pinakothek, vergleicht sie mit den authentischen Werken Raphaels und erkennt, daß diese in der Maltechnik nichts mit der „Madonna di Gaëta“ zu tun haben. Am Ende hält er die „Madonna di Gaëta“ für „eine Malerei […] die mindestens 100 Jahre später gemalt wurde.“77 In dieses Geschehen platzt eine weitere Intervention Lüdkes, die zu einer tiefen Verstimmung zwischen ihm und dem Doerner-Institut führt. Bereits Monate zuvor hat Lüdke versucht, Ziegler mit besagter Spende von 25.000 RM für sein Anliegen gewogen zu machen. Das Geld solle für eine Reise nach Florenz und Rom zu den Lüdke bekannten Experten, zu geeigneten Vergleichsbildern wie auch für eine angemessene Publikation der Ergebnisse „unseres“ Doerner-Institutes dienen.78 In der Finanzierung rudert Lüdke zurück, sollen doch die 25.000 RM aus dem Verkaufserlös genommen werden. Dies gelte allerdings nur, wenn er diesen in Händen halte, eine zu diesem Zeitpunkt aussichtlose Hoffnung.79 In seinem Ansinnen scheint Lüdke die Unabhängigkeit des Institutes gründlich zu un418

terschätzen, ja er sieht sein Bild durch den „hochherzig-weitsichtigen Entschluss des Führers […] endlich wieder in die Hände der reinen, exact forschenden Wissenschaft zurückgelangt“.80 In einem nicht erhaltenen Schreiben bezichtigt Ziegler Lüdke dann offenkundig der „Bestechung“. Lüdke fühlt sich daraufhin zutiefst gekränkt und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Kaum erholt, setzt er sich zur Wehr und will die Entscheidung über Ablehnung oder Annahme der Spende dem „Führer“ überlassen. Zeitgleich fordert er das Gutachten an, das nach Informationen aus dem Umkreis Hoffmanns bereits vorliege.81 Diese Information ist offenkundig falsch, gehen die Röntgenaufnahmen aus Wien erst wenige Tage danach auf den Postweg.82 Auch das Gutachten des Doerner-Institutes verzögert sich, da Haeberlein im „Heeresdienst“ ist. Das dann übersandte Gutachten83 – ausgestellt von Haeberlein, Roth und Jacobi, gezeichnet von Ziegler als Leiter – erweist sich gegenüber allen Versuchen der Einflußnahme, sei es von Seiten des Auftraggebers oder von Seiten politischer Kreise, als unabhängig. In einem einleitenden Text klärt Haeberlein die umfangreiche Literatur und geht schon auf dieser Grundlage vom Vorliegen einer Kopie nach der Madonna Alba aus.84 Der Ton ist sachlich und knapp, sein Urteil vernichtend: Die „Madonna di Gaëta“ sei weder von Raphael noch aus der Schule des Perugino. Schon von vornherein weist das Gutachten auf methodische Mängel der mitgelieferten Gutachten hin, da „keines […] eine einwandfreie Methode für den Echtheitsbeweis einschlug“. Die „Madonna di Gaëta“ sei seit ihrem Auftauchen um 1835 und auch in jüngsten, 1936 erschienenen kunsthistorischen Publikationen immer umstritten gewesen. Nach einem Exkurs zu den bisherigen, in ihrer Zuschreibung an Raphael einmütigen, aber in der Datierung ins Frühwerk kontroversen Gutachten berichten die Autoren, daß die drei erwähnten Werke Raphaels aus Berlin und München, „ferner Bilder des Lehrers von Raffael, Pietro Perugino und dessen Schule um 1500“ aus der Alten Pinakothek zu Vergleichszwecken in das 419

Institut geholt wurden.85 Verwertet werden ebenso Röntgenaufnahmen der „Madonna Terranuova“ und der „Madonna Colonna“ aus Berlin, ohne dabei ihre Herkunft von Wehlte zu erwähnen. Ein sorgsamer maltechnischer Vergleich unter Hinzuziehung sämtlicher Möglichkeiten der technischen Photographie – Infrarot- und Lumineszenzaufnahmen sowie Röntgenaufnahmen – liefert ein eindeutiges Ergebnis: Bei der „Madonna di Gaëta“ muß es sich um die Kopie handeln, die sich in Aufbau, Vorbereitung und Ausführung, in Unterzeichnung, Pinselhandschrift und malerischer Umsetzung grundlegend von allen untersuchten Originalen Raphaels, Peruginos und seiner Schule unterscheidet. Insbesondere die lasierende Malweise Raphaels in „Mischtechnik“ (Tempera und Harzölfarbe) meinen die Autoren in deutlichem Unterschied zur pastosen Malweise des Kopisten zu sehen. Dieser „habe nur darauf [geachtet], die Raffael-Komposition und äussere Bildwirkung wiederzugeben und [habe] das Bild von aussen nach innen [gemalt], es jedoch nicht wie die Originalmalereien von Raffael von innen nach aussen entwickelt“. Haeberlein verweist noch auf ein Konvolut von Zeichnungen nach angeblichen Raphaelbildern in der Ambrosiana in Mailand, in dem „von einer alten Kopie der Madonna Alba in einer Kirche zu Gaëta gesprochen wird“ – es sei an Haeberleins Schreiben an das Kunsthistorische Institut in Rom erinnert. Erwähnt wird auch ein „massgenaue[r] Karton […] in der Laterankirche zu Rom […] der als Vorwurf für die Gaëta zu bezeichnen“ sei.86 Die sorgsame Argumentation wird in einem dem Gutachten beigehängten und reich bebilderten Erläuterungsbericht vertieft.87 Völlig unerwähnt bleibt bezeichnenderweise, daß Wehlte bereits 1936 alleine aufgrund der Röntgenaufnahmen zu einer ablehnenden Stellungnahme kam – ein Faktum, das Ziegler durchaus bekannt war.88 Eigentlich ist alles geklärt, doch Lüdke wird das Gutachten vorenthalten. Alle seine Versuche, Hoffmann zur Intervention zu bewegen, scheitern ebenso wie sein Vorschlag, Hitler möge anläßlich der Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung im späten 420

Juli 1940 die Gelegenheit nutzen, das Doerner-Institut zu besuchen. Möglicherweise hält Ziegler dies für eine ernstzunehmende Option, denn er weist Jacobi an, „wie bisher mit L[üdke] nicht zu verkehren […] solange eine Entscheidung des Führers aussteht“.89 Lüdke sieht sich in einer „unschilderbar schwierigen Lage“, gesundheitlich wie wirtschaftlich. Er könne nicht „auf die Dauer den Fragen ausweichen und [s]ich der Oeffentlichkeit entziehen“, ja hofft immer noch auf eine Zusammenarbeit seiner „wissenschaftlichen Mitarbeiter“ mit dem Institut. Doch Ziegler fährt erst einmal in Urlaub, Lüdkes Schreiben bleibt liegen.90 Die Berliner Reichskanzlei sucht in den kommenden Wochen, Himmler zu einer Stellungnahme zu bewegen, um endlich die von Lüdke an Hitler direkt gerichteten Eingaben beantworten zu können. Himmler reagiert nicht, alle Mahnungen der Reichskanzlei verhallen ungehört. Erst Anfang September läßt Himmlers Adjudant Wolff von sich hören: Auch wenn das Schreiben einzig Bekanntes wiederholt, ist erstmalig davon die Rede, daß aus „Fachkreisen Stimmen laut geworden [seien], die an der Autorschaft Raffaels Zweifel aufkommen ließen“.91 Himmler jedenfalls betrachte den Kaufvertrag aufgrund der Übereinkunft aus dem Februar 1939 als aufgehoben, weder er noch eine seiner Dienststellen habe noch Interesse an dem Gemälde. Ein Weiterverkauf sei anheimgestellt, weshalb er, Himmler, im Januar 1940 Anweisung gegeben habe, das Ausfuhrverbot aufzuheben, was Lüdke auch mitgeteilt worden sei. Lüdkes Versuche, „alle möglichen Dienststellen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens […] in einer völlig den Tatsachen zuwiderlaufenden Weise“ zu informieren, betrachte der Reichsführer-SS Himmler als Verleumdung. Aus diesem Grund sei Lüdke bereits zweimal kurzzeitig in Schutzhaft genommen worden. In einer überraschenden Wende läßt Himmler abschließend durch Wolff mitteilen, daß derzeit Hoffmann „die Echtheit und den Wert des Bildes nachprüfen läßt“, womit nur die Begutachtung im Doerner-Institut gemeint sein kann. „Er [Hoffmann] beabsichtigt, das Gemälde aus 421

einem ihm zur Verfügung stehenden Fonds anzukaufen, sodaß die ganze unliebsame Angelegenheit eine positive Erledigung finden würde.“92 Die Reichskanzlei bearbeitet den Fall sofort, rät allerdings, von einer Stellungnahme vorläufig Abstand zu nehmen; man warte auf eine „Erledigung des ganzen Falles“ – z. B. Ankauf durch Hoffmann – und erwarte eine Mitteilung von Wolff. Im September 1940 gerät der ganze Fall ins Stocken, ja spiegelt das Kompetenzchaos konkurrierender NS-Dienststellen wider: Weder wird Lüdke das Ergebnis der Begutachtung im Doerner-Institut mitgeteilt noch ihm eine Ausreisegenehmigung für einen Kuraufenthalt in Italien genehmigt. Lüdke läßt trotz aller Drohungen der SS und der Gestapo nicht davon ab, sein Bild an Himmler einmal verkaufen, dann wieder nicht zu verkaufen, weiterzuverkaufen, auszuführen und erneut begutachten zu lassen. Das Finanzamt München wiederum läßt nicht von Lüdke ab, auch wenn dieser den mitgeteilten Kaufpreis nie erhalten hat. Die bedrängte wirtschaftliche Lage, sein Nervenzusammenbruch und die Kriegssituation setzen Lüdke und seiner Familie in der Folge hart zu, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Aus manchen von Lüdkes langatmigen und sich immer wiederholenden Eingaben an höchste NS-Dienststellen ist zudem ein empfindlicher Wirklichkeitsverlust abzulesen: So teilt er der Gestapo mit, daß „das Bild zur Verfügung unseres Führers im Dörner-Institut [stehe]. Das Gutachten wurde Ihm [Hitler] erstellt, aus welchem zu ersehen ist, dass das Bild keine ‚Fälschung‘ ist.“93 Woher Lüdke letzteres weiß, ist unbekannt, das Gutachten des Doerner-Institutes kennt er zu diesem Zeitpunkt im Wortlaut jedenfalls nicht. Doch nichts passiert, Reichskanzlei wie SS verfallen in Schweigen, erneute Eingaben Lüdkes bleiben unbeantwortet, kein Reisepaß, keine Ausreise. Die Reichskanzlei beobachtet Lüdke gleichwohl, liegt ihr doch seit Anfang Oktober, vermittelt von Hoffmann, das Ergebnis der Begutachtung im Doerner-Institut vor.94 Immer noch auf Antwort wartend, versucht Lüdke jetzt, das Bild in die Schweiz zu bekommen, fragt sich jedoch, wie er die 40.000 bis 422

60.000 Schweizer Franken Einfuhrzoll aufbringen soll.95 In seiner Verzweiflung wendet er sich erneut an Hitler, schildert den ganzen Fall nochmals, bittet um seinen Pass und zumindest um die Zinsen aus dem nie vollzogenen Verkauf. Er erneuert dabei seinen Vorschlag einer Spende an das Institut: Voraussetzung sei aber eine Entscheidung des „Führers“ über Ankauf oder Rückabwicklung.96 Aus diesem waghalsigen Vorgehen kann nur geschlossen werden, daß Lüdke das Ergebnis des negativen Gutachtens des DoernerInstitutes auch Ende Oktober 1940 immer noch nicht bekannt ist. Über die Gründe, warum ihm das Gutachten vorenthalten wird, kann nur spekuliert werden, sie könnten jedoch in den Kaufabsichten Hoffmanns liegen. Die Reichskanzlei agiert zunehmend verärgert gegenüber Himmler und erinnert beiläufig, daß der „Ausgangspunkt ein beabsichtigtes Geschenk an den Führer war“, weshalb eine abschließende Klärung zwingend sei.97 Die Antwort aus Himmlers Umkreis fällt deutlich aus: Den anhaltenden Behauptungen, die „bis zur böswilligen Verleumdung des Reichsführer-SS bzw. dessen Stellvertreter reichen“, habe man mit einer erneuten Inhaftierung begegnen wollen, die nur der schlechte Gesundheitszustand Lüdkes verhindert hätte. Das immer wieder von Wolff angeforderte Gutachten des Doerner-Institutes läge in Abschrift bei, Schlüsse werden allerdings nicht gezogen, vermutlich da seit langem von einem Ankauf Abstand genommen wurde. Die Reichskanzlei wird gebeten, „auf etwaige Schreiben des Lüdke im Interesse des Ansehens des Reichsführers-SS nicht mehr zu antworten“.98 Vermutlich weil Lüdke selbst die Aussichtslosigkeit seines Bemühens erkennt, verwendet sich der Kunsthistoriker und Kunstschriftsteller Carl Meissner für Lüdke bei Mary H. Heilmann-Stuck, die mit Hoffmann über das Bild verhandelt. Zentrales Anliegen ist, das Lüdke immer noch unbekannte Gutachten des Institutes zur Einsicht zu bekommen. Meissner war wohl ein enger Vertrauter Koetschaus.99 Seine Ausführungen wenden sich dabei gegen den unsinnigen Vorwurf einer „Fälschung“ und richten das 423

Augenmerk vielmehr auf eine denkbar fehlerhafte Zuschreibung des in seinen Augen qualitativ hochwertigen Bildes der Zeit Raphaels. Meissner war das Bild, das er persönlich für ein Werk Raphaels hält und das er noch wenige Jahre zuvor als solches auch publiziert hat,100 aus eigenem Augenschein bekannt, mehr noch, er kennt selbst die „Madonna Alba“ aus Besuchen in Leningrad. Im Gegensatz zu Lüdke versäumt er nicht zu erwähnen, daß es auch Kunstwissenschaftler gebe, die beide Bilder für nicht aus der Hand Raphaels hielten. Gleichwohl gelte es zu verhindern, daß die „Madonna di Gaëta“ in den Kunsthandel gelange.101 Das daraufhin verfaßte Schreiben Mary Heilmann-Stucks an Hitler kommt Lammers über Meissner zu:102 In treuer Verehrung unterbreitet sie Hitler den Fall und bittet um Abschrift des Gutachtens, bietet auch an, das Bild in ihre Verwahrung zu nehmen, ja weist eindringlich auf die schwierige Lage Lüdkes und die permanente Bedrohung durch die Gestapo hin.103 Die Reichskanzlei will jetzt in Kenntnis des Gutachtens des Doerner-Institutes – das seinen „Nachweis rein farben- und maltechnisch, nicht stilkritisch“ erbracht habe – den Fall zu einem Abschluß bringen. Anfang Januar 1941 teilt Lammers Lüdke aus dem Führer-Hauptquartier mit, daß „kein Anlaß besteht, die Angelegenheit beim Führer zum Vortrag zu bringen“.104 Eine erneute Eingabe Lüdkes führt zu einer weiteren Inhaftierung durch die Gestapo, aus der er im Mai 1941 noch nicht zurückgekehrt ist.105 So unter Druck gesetzt, stimmt Lüdke einer bedingungslosen Rückgabe zu, der Vorschuß in Höhe von 43.000 RM verbleibt ihm zur Deckung seiner Kosten.106 In Anbetracht der Kriegssituation bedrängt das Institut Lüdke auf Rücknahme des Bildes, das zwar im Luftschutzkeller des Institutes verwahrt werde, jedoch unversichert sei.107 In dieser verzweifelten Lage wird aus dem Umfeld Hoffmanns laut, daß „der Führer entschieden hätte, dass das Bild ‚Madonna di Gaëta‘ an Herrn Professor Lüdke unter Wahrung bestimmter Ablieferungsbedingungen auszuliefern sei“.108 Welche Bedingungen dies waren, 424

läßt sich nicht erschließen: Lüdke hofft jedoch, nach Klärung der steuerlichen Fragen mit seiner Familie und dem Bild in die Schweiz zurückkehren zu können.109 Trotz der endgültigen Entscheidung Hitlers zur Rückgabe zögert Ziegler, ob das Bild „an eine Dienststelle der SS oder direkt an Herrn Professor Lüdke abzugeben wäre“.110 Grund für sein Zögern mag gewesen sein, daß Ziegler von dem an Lüdke ausgezahlten Vorschuß weiß und so eine Entscheidung auch bei der SS sieht, vielleicht meint er die SS auch in der Pflicht, für einen Rücktransport in die Schweiz zu sorgen. Doch im März 1941 bekräftigt der Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS, Heydrich, daß das Bild ja bereits am 06.06.1939 an Lüdke formal zurückgegeben worden sei und dieser als Entschädigung für die angefallenen Kosten den Vorschuß behalten könne. Er wiederholt, daß „weder der Reichsführer SS noch eine seiner Dienststellen weiteres Interesse an diesem Bilde“ habe. Zudem habe sich Lüdke mit der Aufhebung des Kaufvertrags einverstanden erklärt.111 Im Mai 1941 werden zuerst die das Bild begleitenden umfangreichen Akten zurückgegeben. Die Übergabe des Bildes selbst scheitert immer wieder, nicht zuletzt, weil sich Lüdke in Haft befindet. Erst ein Jahr später holt der Sohn Lüdkes, Hellmut Lüdke – Versteigerer und Sachverständiger in München, der unter derselben Adresse wie sein Vater firmiert –, Bild und Rahmen ab.112 Hellmut Lüdke verwertet in seinem Auktionshaus sogenanntes „minderwertiges“ Kulturgut, darunter auch Hausrat enteigneter Juden, der von besseren Auktionshäusern wie Weinmüller nicht versteigert wird.113 Über das weitere Schicksal des Bildes geben die Akten keine Auskunft und ob es je zu der von Haeberlein geplanten Veröffentlichung des Gutachtens kommt, ist bis heute ungewiß.114

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ANMERKUNGEN ZU KAPITEL 7 1 2

Haase 2008, S. 116–118. ARDI 21, 7 bis 9; Doerner Institut Archiv Lfd. Nr. 307 sowie umfangreiche Unterlagen des Office of Military Government for Germany (OMGUS), Central Collecting Points (Ardelia Hall Collection), zitiert als NARA RG 260, Box 479. 3 Karl Theodor Koetschau (1868–1949), deutscher Kunsthistoriker, Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums Berlin, dann der Städtischen Kunstsammlung Düsseldorf. 4 Lüdke an Göring am 09.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 5 Lüdke in einer für ihn typischen, weitschweifigen Erklärung an Eidesstatt an die Mitglieder der Reichsregierung, die Mitglieder der Bayerischen Regierung, die Geheime Staatspolizei, die beteiligten Anwälte und Kunstwissenschaftler am 04.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 6 Lüdke an RDI am 16.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 7 Katalog Lüdke 1913 und dort zu Alfred Lüdke verzeichnete Literatur. 8 Anon. 1929a mit Gutachten von Emil Waldmann (Bremen), Federico Hermanin (Rom), E. A. Stückelberg (Basel), Ludwig Baldaß (Wien), erneut Waldmann und Alfred Lüdke, sowie Baldaß, E. von der Bercken (München), Umberto Gnoli (Perugia), R. Graul (Leipzig), Eberhard Hanfstaengl (München), A. Huppertz (München), Theodor Krause (Dresden), Raimond van Marle (Perugia), Bartolomea Nogara (Rom), Gustav Pauli (Hamburg), Ludwig Pollak (Rom) und J. Wilpert (Rom), alle Gutachten in englischer Übersetzung. 9 Lüdke an RDI am 16.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 10 Abschriften der Gutachten von E. A. Stückelberg (Basel) o. D.; A. Huppertz (Düsseldorf) vom 22.03.1923; B. Nogara vom 15.04.1924; E. von der Bercken vom 12.09.1925; Eberhard Hanfstaengl vom 20.02.1926; Theodor Krause vom 18.07.1926. Eine Überprüfung der Richtigkeit der vermutlich im Auftrag des

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Eigentümers erfolgten Abschriften gegen die Originale konnte nicht vorgenommen werden. Lüdke an Hoffmann am 06.03.1940, ARDI 21, 7 bis 9. Lüdke an Hitler am 28.10.1940, ARDI 21, 7 bis 9. Abschrift des Gutachtens von Karl Koetschau vom 01.12.1936, NARA RG 260, Box 479 und NARA M1947 RG 260, p. 5. Darunter 10 Röntgenaufnahmen 30 x 40 cm, 1 panchromatische Aufnahme, 1 Aufnahme der Rückseite, 1 Infrarotaufnahme 850 nm 18 x 18 cm, dito bei 950 nm, ARDI 21, 7 bis 9 undatierte Aufstellung KWs. Aus dem Gutachten KWs vom 04.12.1937, ARDI 21, 7 bis 9. KW an AZ am 16.12.1936, ARDI 21, 7 bis 9. Der Vorsitzende der Stifung (Reuss) an KW am 19.12.1936, ARDI 21, 7 bis 9. Wie Anm. 15. Lüdke an KW am 23.01.1937, ARDI 21, 7 bis 9. Interner Vermerk zur „Gaeta-Stiftung“ vom 14.04.1937, ARDI 21, 7 bis 9. Gutachten KW vom 04.12.1937, ARDI 21, 7 bis 9. Lüdke an KW am 22.02.1937, ARDI 21, 7 bis 9. KW an Kutschmann am 28.06.1938, ARDI 21, 7 bis 9. KW an Staatliche Hochschule für bildende Kunst Berlin am 20.09.1939, ARDI 21, 7 bis 9. Berghoff et al. 2000, S. 58 f. Zur Person von Kiehn siehe Berghoff et al. 2000. Karl Wolff (1900–1984), seit 1935 Chef des Persönlichen Stabes des Reichsführers-SS Himmler, seit September 1939 „Verbindungsoffizier der Waffen-SS“ zu Hitler im „Führerhauptquartier“. Kiehn (Trossingen) an Lüdke am 06.03.1937, NARA RG 260, Box 479. Berghoff et al. 2000, S. 82. Kunstschriftsteller Carl Meissner (Berlin)

an Göring am 04.08.1938, NARA RG 260, Box 479. 31 Ebd. 32 RA Carl Langbehn (Berlin) an Bankhaus Seiler & Co. (München) am 06.02.1939, NARA RG 260, Box 479. 33 RA Gerbl (München) an Langbehn am 31.07.1939, NARA RG 260, Box 479. 34 Lüdke am 04.01.1940, NARA RG 260, Box 479 und NARA M1947, RG 260, S. 13 ff. 35 Ebd. und Lüdke an Hitler am 05.06.1940, NARA RG 260, Box 479 36 Lüdke an Hitler und gleichlautend an Göring am 09.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 37 Lüdke an Hitler wie auch gleichlautend an Göring am 12.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 38 Lüdke an RDI am 16.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 39 Lüdke an Hitler und in ähnlicher Formulierung an Göring am 20.01.1940, NARA RG 260, Box 479. 40 Protokoll anläßlich der Einlieferung des Bildes im RDI, gezeichnet durch RJ am 16.02.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 41 Zustandsprotokoll des RDIs vom 17.02.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 42 Befund von Hauf und TR vom 29.02.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 43 RJ an AZ am 06.03.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 44 Lüdke an Hoffmann am 06.03.1940, ARDI 27, 7. 45 Bruhns (Rom) an FH am 18.04.1940, ARDI 21,7. 46 Ebd. 47 FH an Kunsthistorisches Museum Wien am 30.03.1940, sowie am 29.03.1940 an Staatliche Museen Berlin, ARDI 21, 7 bis 9. 48 Dort Inv. Nr. 494. 49 „Dame in Weiß“ von Tizian, FH an Posse (Dresden) am 04.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 50 Rust an AZ am 12.03.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 51 RJ an FH (Residenz München) am 06.04.1940 und Staatliche Museen zu Berlin an RDI am 12.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 52 Staatliche Museen Berlin an AZ am

11.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 53 Robert Eigenberger, Akademische Gemäldegalerie der AdbK Wien an RDI am 05.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. Das Bild wird am 15.11.1940 wieder nach Wien zurückgesandt. 54 Direktion der Österreichischen Galerie an AZ am 30.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 55 Ein Verzicht deutet sich im Schreiben AZs an das Kunsthistorische Museum vom 26.04.1940 an, ARDI 21, 7 bis 9. 56 Kern (Staatliche Verwaltung des Reichsgaues Wien, Generalreferent für Kunstförderung Staatstheater, Museen und Volksbildung) an Rust am 11.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 57 Stellungnahme FH vom 16.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 58 AZ an RMVP am 09.03.1940, BArch R55/869, Bl. 24. 59 RMVP an AZ am 21.03.1940, BArch R55/869. 60 AZ an Lüdke am 12.03.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 61 KW an AZ am 08.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 62 KW an Hans Böhm (München) am 08.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 63 Die RdbK hat ihren Sitz in Berlin W 35, Blumeshof 4–6. Zu den Abschriften siehe KW an RDI am 19.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 64 Lüdke an Hitler am 05.06.1940, NARA RG 260, Box 479. 65 Ebd. 66 U. a. Lüdke an Lammers am 03.07.1940, NARA RG 260, Box 479. 67 Restaurierbericht Hauf, mitgezeichnet von TR vom 03.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 68 Maltechnischer Bericht von TR vom 20.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 69 Bericht RJs zu Querschliffen vom 22.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 70 Maltechnischer Bericht von TR vom 26.04.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 71 FH an Kunsthistorisches Museum (Wien) am 07.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 72 Hoffmann an AZ am 15.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9 und RJ an AZ am 20.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9.

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73 Mai (RdbK) an AZ am 28.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 74 AZ an Eremitage (Leningrad) am 11.05.19440, ARDI 21, 7 bis 9. 75 „Vision des hl. Bernhard“, um 1492, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. WAF 764 sowie „Maria, Johannes und Nikolaus“, um 1500, vermutlich identisch mit „Maria mit Kind, Johannes der Täufer und Hl. Hieronymus“, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. 2342. 76 „Taufe Christi“, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. WAF 765 sowie „Auferstehung Christi“, BStGS, Alte Pinakothek Inv. Nr. WAF 766. 77 Maltechnischer Befund TRs vom 21.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 78 Lüdke an AZ am 06.03.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 79 Lüdke an AZ am 03.07.1940, NARA RG 260, Box 479. 80 Lüdke an Hoffmann am 06.03.1940, ARDI 27, 7. 81 Lüdke an AZ, TR und RJ am 21.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 82 Kunsthistorisches Museum (Wien) an RDI am 24.05.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 83 RJ an FH am 10.07.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 84 Zusammenstellung der kunsthistorischen Literatur zur „Madonna di Gaëta“ von FH vom 06.02.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 85 Gutachten Nr. 27 des RDIs vom 06.07.1940, NARA RG 260, Box 479 und Doerner Institut Archiv, lfd. Nr. 307. 86 Ebd. 87 Erläuterungsbericht zum Gutachten Nr. 27 des RDIs vom 06.07.1940, NARA RG 260, Box 479 (ohne Bildmaterial) und Doerner Institut Archiv, lfd. Nr. 307, dort auch das Bildmaterial. 88 ARDI 21, 7 bis 9, Scheiben KWs an AZ vom 16.12.1936. 89 Lüdke an AZ am 03.07.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 90 Lüdke an AZ am 22.07.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 91 Wolff an Lammers am 06.09.1940, NARA RG 260, Box 479. 92 Ebd. 93 Lüdke an Geheime Staatspolizei am 20.09.1940, NARA RG 260, Box 479.

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94 Reichsführer-SS, Persönlicher Stab, im Auf­ trag Wolff an Ministerialdirektor Friedrich Wilhelm Kritzinger, Reichskanzlei am 01.10.1940, NARA RG 260, Box 479. 95 Lüdke an Langbehn am 25.10.1940, NARA RG 260, Box 479. 96 Lüdke an Hitler am 28.10.1940, NARA RG 260, Box 479 und ARDI 21, 7 bis 9. 97 Interner Vermerk der Reichskanzlei mit Entwurf eines Schreibens an Wolff vom 18.11.1940, NARA RG 260, Box 479. 98 Wolff an Lammers am 31.12.1940, NARA RG 260, Box 479. 99 Siehe Vorwort zu Meissner 1937. 100 Meissner 1934. 101 Carl Meissner (Berlin) an Mary H. Heilmann (München) am 02.01.1941, NARA RG 260, Box 479. 102 Meissner an Lammers am 06.01.1941, NARA RG 260, Box 479. 103 Heilmann-Stuck an Hitler am 04.12.1940, ARDI 21, 7 bis 9. 104 Interner Vermerk der Reichskanzlei mit Entwurf eines Schreibens an Lüdke vom 11.01.1941, NARA 260, Box 479. 105 RA Greiner an RDI am 21.05.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 106 Chef der Sicherheitspolizei und des SD an AZ am 26.03.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 107 FH an AZ am 16.12.1940, ARDI 21, 7 bis 9; derselbe an Lüdke am 02.05.1941 und frühere Schreiben, ARDI 21, 7 bis 9. 108 Aktennotiz RDI vom 13.01.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 109 Lüdke an Heinrich Hoffmann am 15.01.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 110 AZ an Heydrich am 27.01.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 111 Chef der Sicherheitspolizei und des SD an AZ am 26.03.1941, ARDI 21, 7 bis 9. 112 Empfangsbestätigung für das Bild vom 20.03.1942 und Vollmacht Hellmut Lüdkes für die Abholung des Rahmens vom 08.07.1942, ARDI 21, 7 bis 9. 113 Freundliche Mitteilung Meike Hopp (München) vom 05.10.2012, siehe auch Hopp 2012, S. 175, dort Anm. 642. 114 FH an die Schriftleitung der Zeitschrift „Kunst dem Volke“ (Wien) am 28.01.1941, ARDI 21, 7 bis 9.