Der informelle Trilog: Das Schattengesetzgebungsverfahren der Europäischen Union [1 ed.] 9783428556854, 9783428156856

Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren der EU wird häufig nicht allein im unionsvertraglichen Korsett des Art. 294 AEUV

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German Pages 323 [324] Year 2019

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Der informelle Trilog: Das Schattengesetzgebungsverfahren der Europäischen Union [1 ed.]
 9783428556854, 9783428156856

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Schriften zum Europäischen Recht Band 188

Der informelle Trilog Das Schattengesetzgebungsverfahren der Europäischen Union

Von Fabian Giersdorf

Duncker & Humblot · Berlin

FABIAN GIERSDORF

Der informelle Trilog

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 188

Der informelle Trilog Das Schattengesetzgebungsverfahren der Europäischen Union

Von Fabian Giersdorf

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2018/2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15685-6 (Print) ISBN 978-3-428-55685-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85685-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Franzi, Lena und Felix

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zwischen März 2016 und Mai 2018 während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei Prof. Dr. Bernhard W. Wegener. Sie wurde im Wintersemester 2018/19 vom Fachbereich Rechtswissenschaft als Dissertation angenommen. Rechtsprechung, Literatur und Organpraxis konnten vor Drucklegung bis Anfang November 2018 berücksichtigt werden. Über die Entstehungszeit dieser Arbeit hinweg haben mich viele Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle aufrichtig danken möchte. Mein erster Dank gebührt dabei meinem Doktorvater und Förderer Prof. Dr. Bernhard W. Wegener. Er hat diese Arbeit nicht nur durch einen umfangreichen Stellenanteil und die zur Forschung notwendigen Freiräume ermöglicht, sondern mich auch stets in fachlicher Hinsicht unterstützt und motiviert. Mit seiner ehrlichen, bedachten und gütigen Art wird er mir immer ein akademisches und menschliches Vorbild sein. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Markus Krajewski für den fortlaufenden akademischen Diskurs über meine Arbeit und die rasche Erstellung des überaus wohlwollenden Zweitgutachtens. Herr Prof. Dr. Andreas Funke hat mir frühzeitig die Möglichkeit gegeben die Thesen meiner Arbeit in seinem Kolloquium vorzustellen. Die daraus hervorgegangenen Diskussionen und sein Interesse an meiner Arbeit waren von unschätzbarem Wert für den Fortgang meiner Dissertation. Hierfür danke ich Herrn Prof. Dr. Funke. Ebenfalls danken möchte ich den Herausgebern der Schriftenreihe zum ­Europäischen Recht für die Aufnahme in selbige. Herr Tobias Gotthardt, MdL, hat als ehemaliger Mitarbeiter des Europäischen Parlaments einige Quellen nach langer Recherche aus den tiefsten Archiven der Europäischen Union ausgegraben und mein theoretisches Wissen an den praktischen Realitäten der Organe gemessen. Ohne ihn wäre das Erstellen einer praxisbezogenen Arbeit schlicht unmöglich gewesen. Für diese Unterstützung, trotz begrenzter Zeit, danke ich ihm recht herzlich. Meinen Freunden Dominik Meier und Florian Eckert bin ich für die unzähligen Gespräche über meine Arbeit in den unzählbaren gemeinsamen Pausen in den Hallen des Erlanger Juridicums zu Dank verpflichtet. Ihr zivilrechtlich geprägter Blick hat mir so manche neue Sichtweise auf meine Problemstellungen verschafft. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl, Monika

8 Vorwort

Wehrhahn, Anja Nestler, Moritz Gabriel, Tom Kuhfuss, Florian Zeitner, Moritz Scheffer und Emilia Nestler, bin ich auf Grund vielfältiger, verschiedenartiger Unterstützungsleistungen zu Dank verpflichtet. Damit auch sprachlich Recht und Ordnung herrscht, hat sich Herr Jürgen Schreier bei der Korrektur der Arbeit erfolgreich hervorgetan. Auch dafür vielen Dank. Meiner Mutter Anita Giersdorf, die mich alleine großgezogen und mich mein ganzes Leben lang mit voller Hingabe unterstützt hat, bin ich zu größtem Dank verpflichtet. Sie und meine Schwester Natalie Giersdorf waren und sind immer für mich da, um mich menschlich zu unterstützen und zu stärken. Meine Ehefrau Franziska Giersdorf, hat nicht nur die ganze Arbeit durchgelesen, sondern mich jeden einzelnen Tag der Bearbeitung motiviert, unterstützt und ab und zu auch getröstet. Ihre vielfältigen, unaufzählbaren Hilfestellungen haben mir das Leben in der Zeit meiner Dissertation so angenehm wie möglich gestaltet. Die damit einhergehende Dankbarkeit kann nicht in Worte und erst Recht nicht in Buchstaben gefasst werden. Der letzte Dank gilt schließlich meinen beiden Kindern Lena und Felix. Lena möchte ich dafür danken, dass sie mir mit ihrer fröhlichen und zugleich liebevollen Art immer wieder gezeigt hat, worauf es im Leben wirklich ankommt. Felix möchte ich dafür danken, dass er erst eine Woche nach Abgabe der hier vorliegenden Dissertation auf die Welt gekommen ist, was in der Schlussphase der Arbeit Vieles vereinfacht hat. Nürnberg, im März 2019

Fabian Giersdorf

Inhaltsübersicht Einführung und Gang der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Erster Teil Geschichtliches 

21

A. Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren . . . . . . . . . . 26 C. Zwischenergebnis: Gesteigerter Einfluss des Parlaments – gesteigerte Informalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zweiter Teil

Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs 

35

A. Gemeinsame Erklärungenzu den praktischen M ­ odalitäten des Mitentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe  . . . . . . . . . . . . . . . 70 E. Zwischenergebnis: Deformalisierung, Reformalisierung, Verfassungs­ entwicklung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Dritter Teil

Der informelle Trilog in der Praxis der Organe 

79

A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Die Beteiligtenstrukturdes Mitentscheidungsverfahrens und des informellen Trilogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 C. Der Ablauf des Verfahrensin den einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 D. Statistische Angabenzum Wandel des ordentlichen Gesetzgebungs­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 E. Zwischenergebnis: Der informelle Trilog als „neues Vermittlungsverfahren“ . 166

10 Inhaltsübersicht Vierter Teil

Transparenz der Triloge: Black hole of decision making? 

171

A. Die Transparenz der Europäischen Union  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 B. Transparenz und Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 C. Die Transparenz der Triloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D. Zwischenergebnis: Auftrag zu grenzenloser Transparenz? . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Fünfter Teil

Der informelle Trilog im Demokratietrilemma? 

226

A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. Verwirklichung der Demokratieim ordentlichen Gesetzgebungsverfahren . . . 246 C. Demokratie der Triloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 D. Zwischenergebnis: Demokratische Herausforderungen europäischer Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Inhaltsverzeichnis Einführung und Gang der Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Erster Teil Geschichtliches 

21

A. Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragliche Anfänge – das Anhörungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steigende Bedeutung des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Von der Zusammenarbeit zur Mitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 21 22 24

B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren . . . . . . I. Steigende Komplexität erfordert flexible Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . II. Das gesteigerte Machtbedürfnis des Europäischen Parlaments als Grundlage informeller Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Haushaltsverfahren als Wiege informeller ­Verhandlungen und Vereinfachungen auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der informelle Trilog erobert das Rechtsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . .

26 26 27 28 30

C. Zwischenergebnis: Gesteigerter Einfluss des Parlaments – gesteigerte Informalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Zweiter Teil

Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs 

A. Gemeinsame Erklärungenzu den praktischen M ­ odalitäten des Mitentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtscharakter der gemeinsamen Erklärung als interinstitutionelle Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliches Rangverhältnis interinstitutioneller Vereinbarungen . . . . . 2. Grenzen interinstitutioneller Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderung und Ergänzung vertraglich fixierter Entscheidungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das institutionelle Gleichgewicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit anderen grundlegenden Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindungswirkung interinstitutioneller Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . .

35

35 36 37 38 38 44 45 46 47

12 Inhaltsverzeichnis 4. Zustandekommen interinstitutioneller Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 51 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Inhalt der gemeinsamen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung . . . . . . . . . . . I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 57 58 59

C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtscharakter der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments . . . 1. Grenzen des organinternen Selbstorganisationsrechts . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindungswirkung organinternen Selbstorganisationsrechts . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 61 62 65 66 67 69

D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe . . . . . . . . . . . . I. Rechtscharakter und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 71 74

E. Zwischenergebnis: Deformalisierung, Reformalisierung, Verfassungs­ entwicklung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Dritter Teil

Der informelle Trilog in der Praxis der Organe 

A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Effizienz und Effektivität im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Effizienz als Notwendigkeit der Verträge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Effizienzsteigernde Mittel der Triloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit: Effizienz als Mittel zum Machterhalt . . . . . . . . . . . . . . II. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit als Pneuma der Inter­ organbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenfazit: Effizienz und loyale Zusammenarbeit als besondere Vertragsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 79 80 80 83 86 90 92 96

B. Die Beteiligtenstrukturdes Mitentscheidungsverfahrens und des infor­ mellen Trilogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Beteiligte und Beteiligungsmöglichkeiten nach den Verträgen und den Geschäftsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis13 2. Europäisches Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Rat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Mitwirkung der nationalen Parlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 6. Beteiligung der Bürger und Interessenvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Die Teilnehmer des informellen Trilogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Zwischenfazit: Verengung der Beteiligtenstruktur im informellen Trilog . 117 C. Der Ablauf des Verfahrensin den einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Initiativphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Stadium der ersten Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Stadium der zweiten Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Vermittlungsausschuss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Stadium der dritten Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der informelle Trilog in den Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der formelle informelle Verfahrensablauf der einzelnen Trilog­ sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede in den einzelnen Phasen des Mitentscheidungs­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Triloge vor der ersten parlamentarischen Lesung . . . . . . . . . . . . . . b) Triloge vor der ersten Lesung des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Triloge vor der zweiten parlamentarischen Lesung . . . . . . . . . . . . . d) Triloge zur Unterstützung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit: Die Verwandlung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121 122 122 125 131 136 142 143 144 149 149 156 157 159 162

D. Statistische Angabenzum Wandel des ordentlichen Gesetzgebungs­ verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 E. Zwischenergebnis: Der informelle Trilog als „neues Vermittlungs­ verfahren“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Vierter Teil

Transparenz der Triloge: Black hole of decision making? 

A. Die Transparenz der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rolle der Transparenz in den Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenfazit: Transparenz und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 173 176 178

B. Transparenz und Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Allgemeine Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

14 Inhaltsverzeichnis II. Veröffentlichung und Zugang zu Dokumenten im Gesetzgebungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Zwischenfazit: Die Gesetzgebung als offenes Buch? . . . . . . . . . . . . . . . . 198 C. Die Transparenz der Triloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Inhalt und Ergebnisse der strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS  . 201 II. Rechtliche Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Keine Sitzungsöffentlichkeit der Trilogsitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Bereitstellung von Trilogkalendern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Veröffentlichung der Sitzungsteilnehmer und Ausgangsstandpunkte der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Veröffentlichung der Vierspaltendokumente. Gleichzeitig Besprechung der Entscheidung EuG, Rs.T-540/15 (De Capitani/Parlament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Zwischenfazit: Recht vs. Realität – Wer kontrolliert den Gesetzgeber?  . 221 D. Zwischenergebnis: Auftrag zu grenzenloser Transparenz? . . . . . . . . . . . . 224 Fünfter Teil

Der informelle Trilog im Demokratietrilemma? 

A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichtliche Entwicklung – Demokratie vor dem Hintergrund der europäischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäische Demokratie nach dem Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . III. Demokratische Legitimation der Europäischen Union durch ihre ­Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäisches Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ministerrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenfazit: Die Wechselwirkung gegenseitiger Verantwortlichkeit . . . B. Verwirklichung der Demokratieim ordentlichen Gesetzgebungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufgabenverteilung im institutionellen Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Europäische Kommission als Institution sui generis . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Parlament – Legitimation durch Inklusion . . . . . . . . . . . 3. Der Ministerrat als nationale Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die strukturelle Schwachstelle des ordentlichen ­Gesetzgebungsverfahrens und deren Ausgleichsversuche . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenfazit: Die Gesetzgebungstätigkeit als Zukunftsfaktor der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 226 228 229 234 234 238 243 246 246 247 251 252 253 258

C. Demokratie der Triloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Informelle Einflüsse auf Gesetzgebungsprozesse in ausgewählten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Inhaltsverzeichnis15 2. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Zwischenfazit: Funktionen von Informalität und der unions­ europäische Vergleich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 II. Verletzung des institutionellen Gleichgewichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Aufwertung der Kommission gegenüber Parlament und Rat? Gleichzeitig Bewertung der Entscheidung EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Machtverschiebungen zwischen den Gesetzgebern? . . . . . . . . . . . . . . . 273 3. Zwischenfazit: Der Ausschluss Dritter als negative Konsequenz trilogisierter Verhandlungsführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Auswirkungen der Triloge auf die Legitimationsleistung im Gesetz­ gebungsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 1. Veränderungen innerhalb des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . 279 2. Veränderungen innerhalb des Ministerrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 IV. Zwischenfazit: Die Technokratisierung des Mitentscheidungsverfahrens . 283 D. Zwischenergebnis: Demokratische Herausforderungen europäischer Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Einführung und Gang der Bearbeitung Steigende Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens durch zunehmende Informalisierung? Unverzichtbarer Bestandteil des europäischen Entscheidungsfindungsprozesses? Oder doch eher „Aushöhlung der Demokratie durch die Hintertür“1 und „Sinnbild für mangelhafte Transparenz in der Union“2? Wer den informellen Trilog, die nahezu formlosen Dreiertreffen von Kommissions-, Rats- und Parlamentsvertretern im unionsrechtlichen Gesetzgebungsprozess, mit wenigen Worten zu beschreiben versucht, wird bald merken, dass dieses Unterfangen kaum Erfolg haben kann. Zu groß und zu vielschichtig sind die sich in diesem Zusammenhang ergebenen Fragestellungen. Während nämlich der Vertrag von Lissabon in Art. 289 Abs. 1 AEUV und Art. 294  Abs. 1  AEUV das Mitentscheidungsverfahren mit seinen ausdifferenzierten Regulierungen primärrechtlich zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erhoben hat,3 hat in der Praxis der informelle Trilog als auf den ersten Blick nahezu ungeregelter Teil des Verfahrens den vertraglich fixierten Abläufen längst den Rang abgelaufen. Bisweilen drängt sich sogar der Eindruck auf, der informelle Trilog sei das eigentliche Gesetzgebungsverfahren, das ordentliche Gesetzgebungsverfahren hingegen bloße Makulatur.4 Dieses 1  Simantke, Tagesspiegel.de, 21.05.2015, http://www.tagesspiegel.de/themen/ agenda/eu-trilog-wie-bruessel-im-hinterzimmer-die-demokratie-aushoehlt/11793136. html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 2  Wendt, euractiv.de, 28.05.2015, https://www.euractiv.de/section/eu-innenpolitik/ news/eu-gesetzgebung-mehr-offenheit-statt-speed-dating-notig/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 3  Die Bezeichnungen Mitentscheidungsverfahren und ordentliches Gesetzgebungsverfahren werden im Folgenden synonym verwendet, obwohl die Verträge seit dem Vertrag von Lissabon in Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV nur noch vom ordentlichen Gesetzgebungsverfahren sprechen. 4  Vgl. hierzu nur der Wortlaut zahlreicher Artikel über öffentlichkeitsrelevante Gesetzgebungsprojekte: „Im Zuge informeller Trilog-Verhandlungen haben sich Repräsentanten der Kommission, des Europäischen Rates und des Parlaments noch im Dezember 2015 auf einen Kompromiss für die kommende Richtlinie geeinigt“, Redeker/Pres, Noerr.com, 22.01.2016, https://www.noerr.com/de/newsroom/News/updatefortschritte-im-eu-richtlinienverfahren-zum-geheimnisschutz-trade-secret-directive. aspx (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); „Gebäudeeffizienz ist durch den Trilog“, dnr.de, 21.12.2017, https://www.dnr.de/eu-koordination/eu-umweltnews/2017-klimaenergie/gebaeudeeffizienz-ist-durch-den-trilog/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Einführung und Gang der Bearbeitung

Gefühl verfestigt sich bei einem Blick in die Statistiken: Während in der Legislaturperiode von 1999 bis 2004 nur 29 % der Mitentscheidungsverfahren in erster Lesung abgeschlossen werden konnten, wurden in der ersten Hälfte der aktuellen Legislaturperiode zwischen 2014 und 2016 bereits 97 % der Dossiers in der ersten oder frühen zweiten Lesung verabschiedet.5 Hintergrund der Zunahme dieser sog. First-Reading-Agreements ist der Drang, mögliche Konflikte im Gesetzgebungsverfahren bereits zu seinem Beginn durch informelle Triloge abzutragen. Diese informale Ergänzung formaler Strukturen führt zwar nur zu einer geringen Beschleunigung des Gesamtverfahrens,6 erhöht jedoch die Flexibilität der Institutionen signifikant. Doch die vielgelobte Flexibilisierung könnte auch ihren Preis haben. Denn die zunehmenden Informalisierungstendenzen betreffen Bereiche, die der Europäischen Union und jedem anderen Souverän Struktur und Legitimation verleihen. An dieser Stelle sei beispielhaft die kritische Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Transparenz der Triloge7 genannt, die in den Medien reichlich Aufmerksamkeit gefunden und zu interinstitutionellen Verstimmungen geführt hat.8 Die zunehmende „Trilogisierung“9 kann neben der Transparenz auch weitere Aspekte des vor allem in Art. 2 EUV und Art. 10 EUV verankerten Demokratieprinzips beeinträchtigen. So stellt sich die grundsätzliche Frage nach der demokratischen Legitimation der Dreiertreffen und nach deren Einfluss auf die Machtstrukturen im Interorganverhältnis. Ebenfalls näherer Betrachtung bedarf die Frage, ob und inwieweit durch das informelle Vorverfahren das eigentlich vertraglich vorgesehene Mitentscheidungsverfahren in nicht zu rechtfertigender Art und Weise umgangen wird. Um diese grundsätzlichen Probleme in den integrationsprozessualen Gesamtkontext einordnen zu können, soll zunächst die geschichtliche Entwicklung der Rechtsetzungsverfahren auf europäischer Ebene betrachtet werden. Dabei gilt es besonders die zunehmende Bedeutung des Europäischen Parlaments in den Blick zu nehmen. Dass informelle Absprachen auf europäischer Ebene keine Erfindung der letzten Jahre sind, sondern sich parallel zum 5  Zu

den statistischen Erhebungen ausführlich unten S. 163 ff. dazu die Tabelle zur durchschnittlichen Gesamtverfahrensdauer in Relation zur Dauer der einzelnen Lesungen auf S. 166. 7  Fall OI/8/2015/JAS, Geöffnet am 26.05.2015, Entscheidung am 12.07.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/case.faces/de/46048/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 8  Dazu ausführlich Melzer, verfassungsblog.de, 01.12.2015, http://verfassungsblog. de/trilogverfahren-und-transparenzgebot-wer-kontrolliert-den-europaeischen-gesetz geber/ (zuletzt aufgerufen am: 07.11.2018). 9  Vgl. auch von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 469 ff. 6  Vgl.



Einführung und Gang der Bearbeitung19

Machtzuwachs des Europäischen Parlaments entwickelt haben, wird ebenfalls kurz angerissen. Dargestellt wird dies exemplarisch anhand des Haushaltstrilogs, der als Vorbild für die informellen Triloge gesehen wird. Der zweite Teil der Bearbeitung setzt sich mit den Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs auseinander. Obwohl dieser primärrechtlich nicht vorgesehen ist, haben die Organe auf der Ebene des sekundären Inter- und Innerorganrechts Regelungen geschaffen, die die eigentlich informelle Praxis reformalisieren sollen. Neben einer inhaltlichen Beschreibung der einzelnen Vorschriften sollen auch deren Bindungswirkungen und -grenzen hergeleitet werden, um so eine umfassende Bewertungsgrundlage für die anschließenden Bearbeitungsteile schaffen zu können. Im Anschluss daran wird die Praxis der informellen Triloge dargestellt. Ausgehend von den verfahrensleitenden Prinzipien der Effizienz und der loyalen Zusammenarbeit werden die Beteiligtenstruktur und der Verfahrensablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens untersucht und der Einfluss der informellen Triloge auf diese herausgearbeitet. Neben der Bestimmung grundlegender Begrifflichkeiten sollen jeweils erste Bewertungen der Praxis vorgenommen werden. Durch den Vergleich zwischen ordentlichem Gesetzgebungsverfahren und informellem Trilog soll vor allem aufgezeigt werden, wie das formale Gesetzgebungsverfahren durch die Organe angewandt wird und zu welchen inner- und interinstitutionellen Verschiebungen dies führt. Der vierte und fünfte Abschnitt der Bearbeitung widmen sich dann zwei speziellen rechtlichen Problemkreisen. So soll zunächst die vielgescholtene Transparenz der Triloge genauer untersucht werden. Um dafür eine ordentliche Bewertungsgrundlage schaffen zu können, wird in drei Schritten vorgegangen: Nachdem zunächst die Bedeutung der Transparenz für die Europäische Union herausgearbeitet wird, soll deren Verwirklichung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren aufgezeigt werden. Davon ausgehend, kann dann die Transparenz der Triloge einer näheren Betrachtung zugeführt werden. In diesem Rahmen gilt es vor allem die bereits angesprochene Untersuchung der Bürgerbeauftragten aus dem Jahr 2016 in den Blick zu nehmen. Anhand der herausgearbeiteten Grundsätze ist dann rechtlich zu beurteilen, ob und wie die Transparenz der Triloge verbessert werden müsste. Das letzte Unterkapitel setzt sich schließlich mit der Frage auseinander, ob weitere demokratische Grundsätze auf europäischer Ebene durch den Gebrauch informeller Triloge beeinträchtigt werden. Hierbei sollen zunächst die Besonderheiten der Demokratieverwirklichung innerhalb der Europäischen Union betrachtet werden, bevor die demokratische Leistungsfähigkeit des Gesetzgebungsverfahrens beurteilt wird. Ob es durch die Triloge zu einer signifikanten Verschiebung der Machtverhältnisse im interinstitutionellen Rahmen oder zu weiteren Auswirkungen auf die Legitimationsleistung

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Einführung und Gang der Bearbeitung

kommt, wird im Anschluss daran einer näheren Betrachtung zugeführt. Dabei soll jedoch auch beachtet werden, dass informelle Prozesse nicht nur ein Element europäischer Entscheidungsfindung sind, sondern auch in mitgliedstaatlichen Rechtsetzungsverfahren Einzug gefunden haben. Zum Abschluss dieses Unterkapitels soll vor allem die Frage beantwortet werden, ob informelle Triloge tatsächlich die Antwort auf die demokratischen Herausforderungen europäischer Gesetzgebung darstellen. Am Ende der Bearbeitung steht eine thesenartige Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse.

Erster Teil

Geschichtliches A. Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens Die Geschichte des informellen Trilogs ist notwendigerweise mit der Geschichte des Rechtsetzungsverfahrens der Europäischen Union verbunden. Während spätestens seit dem Vertrag von Lissabon (in Kraft seit 1.12.2009) das Mitentscheidungsverfahren zwischen Parlament und Rat das wesentliche Verfahren zum Erlass von Gesetzgebungsakten darstellt,1 war in den vorhergehendenden Rechtsetzungsverfahren insbesondere die Rolle des Parlaments als Co-Gesetzgeber in unterschiedlicher Art und Weise ausgeprägt.

I. Vertragliche Anfänge – das Anhörungsverfahren Nachdem im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1951) dem Parlament keinerlei Beteiligungsrechte am Rechtsetzungsverfahren eingeräumt worden waren2 und der Normerlass eher dualistisch durch den auf Vorschlag der Hohen Behörde (Kommission) handelnden Rat erfolgte,3 wurde in den Verträgen von Rom (1957) bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen 1  Vgl. hierzu Art. 289 Abs. 1 AEUV nach dem das ordentliche Gesetzgebungsverfahren regelmäßig bei der Annahme einer Verordnung, Richtlinie oder eines Beschlusses durchzuführen ist. Besondere Verfahren erfolgen nach Art. 289 Abs. 2 AEUV nur in den durch die Verträge bestimmten Ausnahmefällen, vgl. zu diesen Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 289, Rn. 3 ff. Von den Gesetzgebungsakten, die im Verfahren nach Art. 289 Abs. 1, Abs. 2 AEUV zu erlassen sind, sind die sonstigen Rechtsetzungsakte, wie beispielsweise delegierte Rechtsakte nach Art. 290 AEUV oder Durchführungsrechtsakte nach Art. 291 Abs. 3 AEUV zu unterscheiden. Diese sind gemäß Art. 289 Abs. 3 AEUV explizit keine Gesetzgebungsakte. 2  Art. 20–25 EGKS-Vertrag regelten die Befugnisse der Versammlung näher, insbesondere die Beratungsfunktion gegenüber der Hohen Behörde (heute ist dies die Kommission) und die Möglichkeit diese durch Misstrauensvotum zu entlassen, vgl. Art. 24 EGKS-Vertrag. 3  Vgl. dazu auch Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 289 AEUV, Rn. 6. Ausführlich zu Struktur und Funktion der Organe vgl. Jaenicke, ZaöRV 14 (1951), S.  46 ff.

22

Erster Teil: Geschichtliches

Atomgemeinschaft eine erste Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft eingeführt. Das Parlament wurde damals noch Versammlung genannt und zum ersten Mal 1979 von der Bevölkerung der Vertragsstaaten direkt gewählt.4 Die Rechtsakte5 und Maßnahmen wurden nach dem EWG-Vertrag regelmäßig durch den Rat auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung der Versammlung erlassen.6 Die Versammlung hatte somit zwar gemäß Art. 137 EWGVertrag lediglich bestimmte Beratungs- und Kontrollbefugnisse,7 jedoch auch gemäß Art. 144 EWG-Vertrag die Möglichkeit, die Kommission durch Misstrauensantrag zum Rücktritt zu zwingen. Eine unverbindliche Änderungsbefugnis wurde der Versammlung lediglich im Rahmen der Haushaltsplanerstellung eingeräumt.8 Am damit vorherrschenden Anhörungsverfahren änderte sich auch durch den Fusionsvertrag (1965),9 in dessen Rahmen die Räte und Kommissionen der drei Gemeinschaften zusammengelegt wurden, zunächst nichts.10

II. Steigende Bedeutung des Parlaments Das Gesetzgebungsverfahren und insbesondere die Parlamentsbeteiligung entwickelten sich dann durch die Einführung des Rechtsetzungskonzertierungsverfahrens im Rahmen einer gemeinsamen Erklärung von Europäischem Parlament, Rat und Kommission aus dem Jahr 1975 weiter.11 Der Grund für diese Übereinkunft war eine vorausgehende stärkere Haushaltsbehierzu näher Kühner, Rechtsetzung, 1997, S. 29 f. der EWG-Vertrag spricht in Art. 189 von Verordnungen und Richtlinien und ist damit dem Wortlaut des heutigen Art. 288 AEUV sehr ähnlich. 6  Vgl. Art. 7; Art. 14 Nr. 7; Art. 43 Nr. 2; Art. 54 Nr. 1, 2; Art. 56 Nr. 2; Art. 57 Nr. 1, 2; Art. 63 Nr. 1, 2; Art. 75 Nr. 1; Art. 87 Nr. 1, Art. 100; Art. 126; Art. 127; Art. 201, Art. 234, Art. 235; Art. 236; Art. 238 EWG-Vertrag. 7  In der Praxis sind lediglich ein Drittel der Vorschläge im Rahmen des Anhörungsverfahrens vom Rat übernommen worden, vgl. Seeler, EuR 1990, S. 99, 108. 8  Vgl. Art. 203 EWG-Vertrag, nach dem die Versammlung dem Rat gewisse Änderungsvorschläge unterbreiten kann und diesen somit zu einem neuen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit verpflichten kann. Freilich war dieses Vorgehen vor allem der Komplexität des Haushaltsverfahrens geschuldet und stand somit nicht in erster Linie für eine Zusatzkompetenz der Versammlung. 9  ABl. Nr. 152 v. 13.07.1967, S. 2 ff. 10  Die hier dargestellte Kompetenzverteilung galt entsprechend auch für den EAGVertrag, vgl. Art. 31; Art. 76; Art. 85; Art. 90; Art. 97; Art. 98; Art. 107; Art. 114; Art. 177 (Haushaltsverfahren); Art. 203; Art. 204; Art. 206 EAG-Vertrag. 11  Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. C 89 v. 22.04.1975, S. 1 f. 4  Vgl.

5  Bereits



A. Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens23

teiligung des Parlaments,12 die vom Rat im Wege des Gesetzgebungsverfahrens nicht ausgehöhlt werden sollte. Folglich kam das Konzertierungsverfahren immer dann zur Anwendung, wenn es um den Erlass gemeinschaftlicher Rechtsakte von allgemeiner Tragweite, die ins Gewicht fallende finanzielle Auswirkungen hatten, ging.13 Dabei sah es vor, dass für derartige Rechtsakte eine Beschlussfassung unter Einvernehmen von Rat und Parlament erreicht werden sollte.14 Beim Konzertierungsverfahren handelte es sich allerdings um kein neues Rechtsetzungsverfahren im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um eine Art Ergänzungsverfahren, das im Rahmen des Anhörungsverfahrens anzuwenden war.15 Und auch in der Praxis blieb das Verfahren hinter seinem Anspruch zurück, da sich nicht aufklären lies, ob die endgültige Entscheidungshoheit im Fall einer Nichteinigung beim Rat verblieb16 oder ob aus der Präambel der gemeinsamen Erklärung folgte, dass es keine Rechtsetzung ohne eine Einigung geben konnte.17 Zu einer verbindlicheren, weitergehenden Beteiligung des Parlaments im Rechtsetzungsverfahren kam es deswegen erst durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) im Jahr 1986.18 Sie führte für bestimmte Rechtsetzungsakte das Verfahren der Zusammenarbeit ein.19 Dieses Kooperationsverfahren war von besonderer praktischer Relevanz, da mit Antidiskriminierungsmaßnahmen nach Art. 7 EWG-Vertrag, Harmonisierungsmaßnahmen im Bereich der Grundfreiheiten nach Art. 49, 54, 56 und 57 EWG-Vertrag und insbesondere mit der Binnenmarktrechtsetzung nach Art. 100 a EWG-Vertrag, wesentliche Unionskompetenzen nach diesem Verfahren auszuüben waren. Inhaltlich stieg mit diesem Verfahren allerdings die Komplexität des europäi12  Die Stärkung des Parlaments ergab sich hier konkret durch den ersten Finanzvertrag (ABl. L 2 v. 2.1.1971) in dessen Rahmen dem Parlament das Budgetrecht für nicht-obligatorische Ausgaben verliehen wurde und dem zweiten Finanzvertrag (ABl. L 359 v. 31.12.1977) durch den das Parlament den Haushalt als Ganzes ablehnen konnte, vgl. hierzu näher Fugmann, Gesamthaushalt der EG, 1992, S. 368 ff. 13  Vgl. Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. C 89 v. 22.04.1975, S. 1 f., Erw. Nr. 2. 14  Vgl. Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. C 89 v. 22.04.1975, S. 1 f., Erw. Nr. 5, 6. 15  Näher hierzu Giebenrath, Das Mitentscheidungsverfahren, 2000, S. 50 f. 16  Dies könnte beispielsweise aus der Vereinbarung zum Konzertierungsverfahren selbst geschlossen werden, vgl. hierzu Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. C 89 v. 22.04.1975, S. 1 f., Erw. Nr. 7. 17  Vgl. dazu m. w. Nw. Magiera, in: Münch, Ingo von (Hrsg.), Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer zum 75. Geburtstag am 28. März 1981, 1981, S. 829, 850 f. 18  ABl. L 169 v. 29.06.1987, S. 1 ff. 19  Vgl. Art.  7 EEA, der das Verfahren der Zusammenarbeit entsprechend in Art. 149 des EWG-Vertrages einfügt.

24

Erster Teil: Geschichtliches

schen Rechtsetzungsprozesses, wenngleich sich durch den erhöhten Machtanteil des Parlaments nichts an der faktischen Letztentscheidungsbefugnis des Rates änderte.20 Denn selbst wenn das Parlament in der zweiten Lesung den gemeinsamen Standpunkt mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder ablehnte oder abänderte, konnte der Rat sich einstimmig über das Votum des Parlaments hinwegsetzen.21 Zusätzlich wurde das Europäische Parlament mit verschiedenen Zustimmungsbefugnissen ausgestattet, unter anderem bei der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten und dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge.22

III. Von der Zusammenarbeit zur Mitentscheidung Der Vertrag von Maastricht (1992)23 führte schließlich das Mitentscheidungsverfahren ein.24 Dieses zeichnete sich dadurch aus, dass dem Parlament erstmals ein echtes Veto-Recht eingeräumt wurde und es dadurch im Vermittlungsausschuss gemeinsam mit dem Rat als rechtssetzendes Organ tätig werden konnte.25 Ein wesentlicher Unterschied zum aktuellen ordentlichen Gesetzgebungsverfahren bestand jedoch darin, dass das Mitentscheidungsverfahren nach Maastricht noch nicht explizit in verschiedene die Gesetzgeber gleichberechtigende Lesungen eingeteilt war. So beschloss der Rat nach dem Kommissionsvorschlag und der Stellungnahme des Europäischen Parlaments einen gemeinsamen Standpunkt, der sodann innerhalb eines starren Fristenregimes vom Parlament gebilligt, abgelehnt oder modifiziert werden konnte.26 Verhandlungen und Annäherungen über den gemeinsamen Standpunkt waren damit hauptsächlich in der Phase zwischen dem gemeinsamen Standpunkt des Rates und im Rahmen des Vermittlungsausschusses zielführend, da das Verfahren noch nicht im Stadium der ersten Lesung abgeschlossen werden konnte. Obwohl neben dem skizzierten neuen Verfahren der Mit­entscheidung, das Verfahren der Zusammenarbeit, das Zustimmungsverfahren und das Konsultationsverfahren weiterhin existierten, ergab sich durch 20  Eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens der Zusammenarbeit findet sich bei Glaesner, EuR 1988, S. 121 ff., Bieber, NJW 1989, S. 1395 ff. und Axmann, Genese Europäischer Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 199 ff. 21  Vgl. dazu im Detail Bieber, NJW 1989, S. 1395, 1401 f. 22  Vgl. Art. 8 EEA zur Änderung von Art. 237 I EWG-Vertrag und Art. 9 EEA zur Änderung von Art. 238 II EWG-Vertrag. 23  ABl. C 191 v. 29.07.1992, S. 1 ff. 24  Vgl. Art. 189 b des durch den Vertrag von Maastricht in Artikel G geänderten EG-Vertrages (vormals EWG-Vertrag), vgl. hierzu auch Giebenrath, Mitentscheidungsverfahren, 2000, S. 36 ff. 25  Vgl. dazu im Detail Burchard, DÖV 1992, S. 1035, 1038 ff. 26  Vgl. Art. 189 b Abs. 2 EGV-Maastricht.



A. Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens25

den Vertrag von Maastricht erstmals eine Beteiligung des Parlaments, die trotz weiter bestehender Defizite,27 mit mitgliedstaatlichen, demokratischen Strukturen zumindest vergleichbar war. Im Vertrag von Amsterdam (1997)28 wurde der Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens vergrößert, ohne allerdings die Beteiligungsverfahren als solche, wie ursprünglich gewünscht, entsprechend zu reduzieren.29 Zudem wurde die Möglichkeit eingeführt, das Gesetzgebungsverfahren bereits im Stadium der ersten Lesung zum Abschluss zu bringen, da der Rat nun den Rechtsakt in Form der Stellungnahme des Europäischen Parlaments erlassen konnte.30 Nachdem sich im Vertrag von Nizza (2003)31 keine bzw. kaum32 Neuerungen für das Rechtsetzungssystem ergaben, sollte durch den an den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten Verfassungsvertrag (2004)33 die Entwicklung des Rechtsetzungsverfahrens hin zu einer nahezu vollständigen Parlamentsbeteiligung in allen Politikbereichen beendet werden.34 Am Ende schloss schließlich erst der Vertrag von Lissabon (in Kraft seit 1.12.2009),35 der inhaltlich im Wesentlichen dem Verfassungsvertrag von 2004 entsprach,36 den Prozess der fortschreitenden Parlamentarisierung der Europäischen Union vorerst ab. Mit ihm wurde das Mitentscheidungsverfahren zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erhoben und das Verfahren der Zusammenarbeit gänzlich abgeschafft.37

hierzu näher Boest, EuR 1992, S. 182, 195 f. C 340 v. 10.11.1997, S. 1 ff. 29  So wurde insbesondere die stärkere Position des Rates in der dritten Lesung beseitigt, vgl. hierzu näher und m. w. Nw. Streinz, EuZW 1998, S. 137, 143 ff.; Gündisch/Mathijsen, Rechtsetzung und Interessenvertretung in der Europäischen Union, 1999, S.  57 f. 30  Vgl. Art. 251 Abs. 2 EGV-Amsterdam. Nach Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 30 sei dies hauptsächlich eingeführt worden um die Trilogpraxis bereits in der frühen Phase des Mitentscheidungsverfahrens eta­ blieren zu können. 31  ABl. C 325 v. 24.12.2002, S. 1 ff. 32  Es kam lediglich zu einer weiteren Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Mitentscheidungsverfahrens, vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294, Rn. 2. 33  ABl. C 310 v. 16.12.2004, S. 1 ff. 34  Vgl. im Detail hierzu Trüe, ZaöRV 2004, S. 391, 393 f. 35  ABl. C 306 v. 17.12.2007, S. 1 ff. 36  Ein lesenswerter Vergleich zwischen Verfassungsvertrag und Vertrag von Lissabon findet sich bei Weber, EuZW 2008, S. 7 ff. 37  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 289 AEUV Rn. 14. 27  Vgl.

28  ABl.

26

Erster Teil: Geschichtliches

B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren I. Steigende Komplexität erfordert flexible Maßnahmen Umso komplexer formelle Verfahren werden, umso größer erscheint in der Praxis der Bedarf diese Verfahren sowohl in zeitlicher, als auch in formeller Hinsicht zu umgehen.38 Gerade das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, dem mittlerweile fast 90 % der von der Kommission angenommenen Legislativvorschläge unterliegen,39 scheint hier auf Grund verschiedener Faktoren besonders anfällig zu sein. So waren und sind im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 294 AEUV mit Kommission, Rat und Europäischem Parlament drei Institutionen mit entscheidenden Zuständigkeiten im Rahmen der Gesetzgebung betraut.40 Die Kommission ist hierbei mit dem grundsätzlich alleinigen Gesetzesinitiativrecht nach Art. 289 Abs. 1 S. 1, 294 Abs. 2 AEUV ausgestattet41 und kann dieses in verschiedenen Phasen des Mitentscheidungsverfahrens einsetzen, um eine Annäherung der Standpunkte von Rat und Europäischen Parlament zu erreichen42 oder einmal getätigte Gesetzesinitiativen unter bestimmten Umständen wieder zurückzuziehen.43 Nach einer Initiative der Kommission wirken Rat und Europäisches Parlament als Co-Gesetzgeber zusammen und sind bei vollumfänglicher Beachtung des formalen Verfahrens nach Art. 294 AEUV bei der Kompromissfindung an verschiedene, teilweise 38  Die steigende Komplexität der unionsrechtlichen Rechtsetzungsverfahren wurde bereits früh kritisiert und als integrationshemmend wahrgenommen, vgl. Fastenrath, EuR Beiheft 1/1994, S. 101, 115. Auch Reh, The informal politics of codecision, 2008, S. 26 stellt fest, dass Informalität die Antwort auf immer kompliziertere Entscheidungsgeflechte auf nationaler, supranationaler und globaler Ebene ist. 39  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 38. 40  Zur Beteiligtenstruktur des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens insgesamt vgl. S.  99 ff. 41  Den wesentlichen, rechtlichen Einfluss auf das Initiativmonopol der Kommission durch das Europäische Parlament und den Rat stellen deren Initiativaufforderungsrechte aus Art. 225 AEUV bzw. Art. 241 AEUV dar. Ersteres wird in der Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission, ABl. L 304, v. 28.10.2010, S. 47 ff., Ziff. 16 näher konkretisiert; vgl. dazu auch unten S. 122 ff. 42  Vgl. hierzu Art. 294 Abs. 11 AEUV; dazu auch Böttner, EuR 2016, S. 105 ff. 43  Vgl. hierzu Deutelmoser, NVwZ 2015, S. 1577 ff. Allerdings hat sich die Kommission in der aktuellen Form der interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung, ABl. L 123 v. 13.04.2016, S. 1 ff., Ziff. 9 dazu verpflichtet Gesetzgebungsvorschläge nur mit einer Begründung im Einklang mit den Grundsätzen loyaler Zusammenarbeit zurückzunehmen; zur Rücknahme einer Initiative im Einzelfall EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015.



B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren 27

zeitaufwendige Schritte gebunden.44 Der Vorschlag muss hier durch bis zu drei Lesungen mit wechselseitigem Standpunktaustausch und durch einen Vermittlungsausschuss getragen werden; womit allerdings nicht sichergestellt ist, dass der Rechtsakt am Ende nicht doch scheitert.45 Mit diesen Vorgaben zu Beratungsabläufen und -folgen, Entscheidungsformen, Transparenz und politischer Verantwortlichkeit organisiert das Verfahren nicht nur demokratische Legitimation, sondern beschränkt auch die gesetzgeberische Handlungsfähigkeit.46 Praktische Folge hiervon war, dass in der Legislaturperiode von 1999–2004 das Gesetzgebungsverfahren durchschnittlich 22 Monate dauerte.47 Aus der von den Verfahrensbeteiligten empfundenen Notwendigkeit der Verfahrensvereinfachung entwickelten sich so im Vorfeld, zu Beginn und während des eigentlichen Gesetzgebungsprozesses informelle Maßnahmen, die noch einer genaueren Betrachtung zu unterziehen sind.

II. Das gesteigerte Machtbedürfnis des Europäischen Parlaments als Grundlage informeller Verfahren Historisch gesehen beinhalteten die ersten interinstitutionellen Vereinbarungen allerdings keine Verfahrensvereinfachungen, sondern vielmehr Kompetenzerweiterungen des Europäischen Parlaments. Bereits in den ersten Gemeinschaftsjahren zeigte sich dieses mit seinen vertraglich zugesicherten Kompetenzen unzufrieden und drängte auf eine größere Beteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen.48 Im Zuge dessen entstanden neben dem formellen Konzertierungsverfahren49 auch eine Reihe weiterer gemeinschaftsvertraglich nicht vorgesehener Kompetenzerweiterungen des Parlaments, wie die Erweiterung der Anhörungsrechte bei Gesetzesinitiativen der Kommission,50 kleinere Informationspflichten des Rates gegenüber dem Parlament im Bereich der Außenbeziehungen und eine Reihe von ad hoc 44  Zur Verfahrensordnung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ausführlich S.  121 ff. 45  Vgl. Art. 294 Abs. 13 S. 2 AEUV. 46  Vgl. von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 20. 47  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 42. 48  So auch Kühner, Rechtsetzung, 1997, S. 28; Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation, 1988, S. 24 f. 49  S. o. S.  22. 50  So wurde dem Parlament eingeräumt, dass die Kommission Änderungsvorschläge des Parlaments mündlich oder schriftlich begründet ablehnen muss. Damit wurde garantiert, dass sich die Kommission auch tatsächlich mit den Einwänden des Parlaments auseinandersetzt, vgl. Bieber, Das Parlament, 1974, S. 36 f.

28

Erster Teil: Geschichtliches

Zugeständnissen bei der Durchführung des Haushaltsverfahrens und der Herausbildung des Interpellationsrechts, die in den Folgejahren vertraglich fixiert wurden.51 Auch die Einführung der Direktwahl des Europäischen Parlaments im Jahr 1979 führte zu einem neuen parlamentarischen Selbstbewusstsein, das sich in der Einforderung weiterer parlamentarischer Funktionsrechte manifestierte. All diese Weiterentwicklungen waren Teil einer bemerkenswerten Vielfalt von Absprachen, Erklärungen und Briefwechseln, in denen sich die Organe einerseits kooperativ zeigten, andererseits aber erbittert um deren Bindungswirkungen stritten.52 Es dauerte bis zum Ende der 1990er Jahre, ehe diese Interorganvereinbarungen Regierungskonferenzen beschäftigten und in den Geschäftsordnungen der Gemeinschaftsorgane auftauchten.53

III. Das Haushaltsverfahren als Wiege informeller ­Verhandlungen und Vereinfachungen auf Unionsebene Neben dem erfolgreichen Kampf des Parlaments um Macht und Einfluss im Allgemeinen, steht die besondere historische Entwicklung im Haushaltsverfahren. Dieses Verfahren kann auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und der verschiedenen hierbei auftretenden Interessenvermischungen als Synthese der europäischen Integrationsgeschichte und damit auch für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand als lohnendes Vergleichsmaterial gewertet werden.54 In den Verfahren zur Erstellung des Haushalts wurde das Parlament im Gegensatz zum allgemeinen Rechtsetzungsverfahren zeitlich frühzeitig mit Mitentscheidungskompetenzen ausgestattet. Auf Grund dieser Beteiligungsstruktur und der Komplexität55 des Verfahrens erwuchsen Konfliktfelder, die oftmals fast zu einem Scheitern der Planaufstellung und zu erheblichen Verzögerungen führten.56 Um diese Problemfelder anzugehen zum Ganzen näher Läufer, Integration 1979, S. 19, 23 f. in: Bieber/Bleckmann/Capotori (Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, Bd. 1, S. 327, 329. 53  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 55 ff. 54  Vgl. zur Geschichte des Haushaltsverfahrens vertieft Fugmann, Der Gesamthaushalt der EG, 1992, S. 366 ff. 55  Nach dem Ersten Finanzvertrag aus dem Jahr 1970 war vor allem umstritten, ob es sich bei den einzelnen Finanzmaßnahmen um obligatorische oder nicht-obligatorische Ausgaben handelt, die dann jeweils unterschiedlichen Letztentscheidungsbefugnissen unterstanden, vgl. auch Magiera, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 324 AUEV, Rn. 2; Bieber, DVBl. 1986, S. 960, 961 m. w. Nw. 56  Ein historischer Überblick über die Haushaltskonflikte Ender der 1970er Anfang der 1980er Jahre findet sich bei Theato/Graf, Parlament und Haushalt, 1994, S. 70 ff. 51  Vgl.

52  Bieber,



B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren 29

und das Verfahren zu effektivieren, entwickelten sich für das Haushaltsverfahren erste Ansätze von Vereinbarungen mit verfahrensordnendem und vereinfachendem Charakter.57 Ein Meilenstein hierbei war die gemeinsame Erklärung zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens aus dem Jahr 1982.58 Neben der Regelung verschiedener, umstrittener Kompetenzfragen wurde auch der sog. Haushaltstrilog der Präsidenten von Rat, Kommission und Europäischem Parlament eingerichtet, um dort anstehende Fragen zu prüfen und entsprechend gemeinsame Lösungsvorschläge vorzubereiten, die sodann den Organen vorzulegen waren.59 Der Haushaltstrilog zeigte sich in den folgenden Jahren als dazu geeignet, Konfliktlinien zu glätten. Er diente als wichtiges Instrument bei der Weiterentwicklung des europäischen Haushaltsfindungsprozesses.60 Der Haushaltstrilog war in der Praxis insbesondere flexibler als ein formelles Konzertierungsverfahren, da Gespräche in kleinerem Rahmen detaillierter und kompromissbereiter ablaufen konnten.61 Nur unter den vermittelnden Bemühungen dieses Trilogs konnten schließlich in den Jahren 198862 und 199363 interinstitutionelle Vereinbarungen über die Haushaltsdisziplin zwischen Kommission, Rat und Parlament verabschiedet werden. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um mittelfristige, trilaterale Finanzpläne, die Orientierungsdaten und Höchstsätze für das eigene Haushaltsgebaren der Unionsorgane darstellten.64 Der informelle Haushaltstrilog wurde schließlich durch 57  Ausführlich zur interinstitutionellen Kooperation im Haushaltsverfahren Eiselt/ Pollak/Slominski, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S.  225 ff. 58  Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens ABl. C 194 v. 28.07.1982, S. 1 ff. 59  Vgl. hierzu die gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens, ABl. C 194 v. 28.07.1982, S. 1, 2 f. Näher auch Strohmeier, DÖV 1993, S. 217, 221 f. 60  Näher dazu Axmann, Genese, 2001, S. 178 f.; krit. Theato/Graf, Parlament und Haushalt, 1994, S. 78 f. 61  Vgl. Theato/Graf, Parlament und Haushalt, 1994, S. 76 ff. Noch weitergehende Zusammenarbeitsvorschläge finden sich bei Timmann, EuR1989, S. 13, 25 f. 62  Interinstitutionelle Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens, ABl. L 185 v. 15.07.1988, S. 33 ff. Eine sehr eingängige Beschreibung der Genese und des Inhalts dieser Vereinbarung findet sich bei Timmann, EuR 1988, S. 273 ff. 63  Interinstitutionelle Vereinbarung vom 29. Oktober 1993 über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens, ABl. C 331 v. 07.12.1993, S. 1 ff. 64  Läufer, Organe der EG, 1990, S. 162 f.

30

Erster Teil: Geschichtliches

den Vertrag von Lissabon in Art. 324 AEUV gemeinsam mit der finanziellen Vorausschau in Art. 312 AEUV als Institutionalisierung der Vereinbarungen über die Haushaltsdisziplin normiert und so in den Rang des Primärrechts erhoben.65

IV. Der informelle Trilog erobert das Rechtsetzungsverfahren Auch im originären Rechtsetzungsverfahren selbst waren seit der verstärkten Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsprozess informelle Absprachen integraler Bestandteil der Kompromissfindung.66 Während in den reinen Anhörungsverfahren, einschließlich des Rechtsetzungskonzertierungsverfahrens, auf Grund des lediglich moralischen Einflusses67 des Parlaments informellen Verfahrensvereinfachungen noch keine große Bedeutung zugemessen wurde, änderte sich dies mit der Einführung der Verfahren der Zusammenarbeit, Zustimmung und insbesondere des heutigen Mitentscheidungsverfahrens.68 So kam es bereits im Verfahren der Zusammenarbeit vor allem auf Grund des starren Fristenregimes zu einer unerwartet intensiven Kooperation und Koordinierung der Organe.69 Im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens war es dann im Kern das neu geschaffene Vermittlungsverfahren, welches erstmals zu einer annähernden Gleichberechtigung des Parlaments und damit zu einer nahezu echten Kodezision führte.70 Hierzu wurden bereits kurz nach Einführung des Verfahrens interinstitutionelle Erklärungen und Vereinbarungen zwischen Parlament, Rat und Kommission geschlossen, die im Wesentlichen die Zusammenarbeit im Vermittlungsverfahren präzisieren, die Demokratie und Transparenz des Verfahrens erhöhen und so zu einer schnelleren Kompromissfindung beitragen sollten.71 Daneben fand in den einzelnen Abschnitten des Mitentscheidungs65  Vgl.

Dauses/Ludwigs/Rossi EU-WirtschaftsR-Hdb., 2017, A. III. Rn. 75. sehr umfassend Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 52 ff. 67  Freilich darf der moralische Einfluss des Parlaments nicht unterschätzt werden, da Entschließungen und Debatten des Parlaments oftmals dazu geeignet waren, großen Widerhall zu finden und so einen „moralischen Druck“ auf den Rat auszuüben, vgl. dazu m. w. Nw. Schorkopf, EuR 2000, S. 365, 374; Seeler, EuR 1990, S. 99, 109. 68  Vgl. auch Hölscheidt, in: GHN EUV/EGV, 2009, Art. 192 EGV, Rn. 16. 69  Vgl. Bieber, NJW 1989, S. 1395, 1402. 70  Boest, EuR 1992, S. 182, 193 f. Zu beachten ist allerdings, dass es sich bereits beim Rechtsetzungskonzertierungsverfahren um eine Art Vermittlungsverfahren gehandelt hat, wenngleich in diesem Rahmen keine Gleichberechtigung zwischen Rat und Parlament existierte. 71  Dies waren insbesondere die interinstitutionelle Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 133 ff. und die gemein66  Hierzu



B. Einfluss informeller Absprachen auf die Rechtsetzungsverfahren 31

verfahrens ein reger informeller Austausch der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe und verschiedener Interessengruppen statt.72 Bei allem Willen zur Zusammenarbeit muss aber auch bedacht werden, dass sich die historisch bedingte Konfliktlage zwischen Parlament und Rat noch nicht vollständig aufgelöst hatte. So versuchte das Parlament gerade in der Zeit nach Maastricht, durch einen harten Verhandlungskurs im Mitentscheidungsverfahren seinen Einfluss auch auf Rechtsbereiche auszudehnen, in denen alleine dem Rat eine Entscheidungsbefugnis zustand.73 Trotz dieser Konflikte und dem gleichzeitig beginnenden informellen Austausch wurde das Gesetzgebungsverfahren in seinen Anfangsjahren regelmäßig noch in seiner vollen Länge angewandt.74 In der Praxis kamen Rat und Parlament jedoch schnell überein, dass das Verfahren im Vermittlungsausschuss zu unflexibel sei, um Einigungen und Kompromisse zu erzielen.75 In der Folgezeit kam es deswegen zunächst im Rahmen des Vermittlungsausschusses zu einem Anstieg informeller Verhandlungen und insbesondere zur Herausbildung der informellen Triloge, da sich letztere als deutlich flexibler und kompromissgeeigneter erwiesen.76 Im Jahr 1997 zeigte sich dann im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens zur Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen77 eine erste Annäherung an die heutige Praxis des informellen Verhandelns im Vorfeld der ersten parlamentarischen Lesung.78 Nach gut zehn Jahren redaktioneller Arbeit und einem Scheitern des ersten Kommissionsentwurfs nach sechsjährigen Verhandlungen im Vermittlungsverfahren, hatte man das Bedürfnis, das Verfahren doch noch zu einem same Erklärung zu den Modalitäten für die Abwicklung der Arbeiten des Vermittlungsausschusses, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 141 f. Näher zu den Vereinbarungen Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 24 ff. 72  Vgl. hierzu Giebenrath, Mitentscheidungsverfahren, 2000, S. 77 ff., der vor allem für die Initiativphase sehr schön skizziert wie das Initiativmonopol der Kommission durch Lobbyisten, aber auch Vertreter anderer Organe beeinflusst wurde. Gerade in inhaltlich komplizierten Gesetzgebungsverfahren war es hier bereits üblich zu versuchen, im Vorfeld der tatsächlichen Initiative einen möglichen Kompromiss zu entwickeln. Dies geschah teilweise auch durch die Herausgabe von Positions- und Diskussionspapieren. 73  Bei Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 21 wird beispielhaft das „battle over comitology“ angeführt. 74  Vgl. Axmann, Genese, 2001, S. 229 f. m. w. Nw. 75  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codeci­ sion, S. 4. 76  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codeci­ sion, S. 4. 77  RL 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl. L 213 v. 30.07.1998, S.  13 ff. 78  Vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 285.

32

Erster Teil: Geschichtliches

erfolgreichen Ende zu bringen.79 Nach erstmalig im Vorfeld der ersten Lesung durchgeführten Absprachen zwischen dem parlamentarischen Berichterstatter und Ratsvertretern nahm der Rat in seiner ersten Lesung nahezu alle der gut vierzig Änderungsvorschläge des Parlaments an, woraufhin das Parlament diesen in seiner zweiten Lesung bestätigte.80 Die weitere Ausweitung des informellen Trilogs auf andere Verfahrensabschnitte wurde zusätzlich durch die im Vertrag von Amsterdam neu geschaffene Möglichkeit der Mitgesetzgeber, eine Einigung bereits im Rahmen der ersten Lesung zu erzielen, begünstigt.81 Vorbild für den informellen Trilog im Rechtsetzungsverfahren war, auf Grund der guten Erfahrungen im Rahmen des Haushaltsverfahrens, der bereits angesprochene82 Haushaltstrilog.83 Rechtlich verfestigt wurde die Trilogpraxis im Jahr 1999 durch die gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens.84 In dieser wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die bisherige Handhabung der informellen Kontakte bewährt habe und unter Beachtung der jeweiligen Geschäftsordnungen nach Möglichkeit in allen Stufen des Mitentscheidungsverfahrens angewandt werden solle.85 In den Jahren nach dem Vertrag von Amsterdam schritt die Trilogisierung des Mitentscheidungsverfahrens immer weiter voran und gewann so im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zunehmend an Bedeutung.86 Dies hatte zur Folge, dass Einigungen in erster und früher zweiter Lesung, sog. early agreements, zur Regel wurden.87 Diese Entwicklung wurde in der Folgezeit 79  Zum Hintergrund dieses Gesetzgebungsverfahrens vgl. Kienle, EWS 1998, S.  156 ff. 80  Vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 285. 81  S.  o. S. 24. Vgl. auch Art. 251 EGV-Amsterdam, dazu Farrell/Héritier, CPS 2004, S. 1184, 1197. 82  S. o. S.  28 f. 83  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 4. 84  ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1–2. 85  Vgl. Präambel der Gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f. 86  Dafür sprechen neben der gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 1999 auch deren Bestätigung im Jahr 2007, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., sowie die ausdrücklichen Regelungen in der IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff. Vgl. auch Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 12 f.; Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 286. 87  Einen guten Überblick geben hier die im Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 39 ff. veröffentlichten Statistiken über das Mitentscheidungsverfahren.



C. Zwischenergebnis33

vor allem auf der Seite des Parlaments kritisch gesehen.88 Nachdem in jüngerer Zeit auch die öffentliche Kritik an der Intransparenz der informellen Trilogverfahren zugenommen hatte,89 wurde das Verfahren zuletzt von der europäischen Ombudsfrau Emily O’Reilly kritisch untersucht und ein entsprechender Bericht veröffentlicht.90

C. Zwischenergebnis: Gesteigerter Einfluss des Parlaments – gesteigerte Informalität Mit dem gesteigerten Einfluss des Parlaments im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere mit der Einführung des Mitentscheidungsverfahrens, stieg auch die Bedeutung und Tragweite des informellen Trilogs. Dies lag zum einen an der von den beteiligten Organen wahrgenommenen Komplexität und Inflexibilität des Verfahrens, zum anderen aber auch an den Besonderheiten des unionsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens mit drei beteiligten Institutionen. Der informelle Trilog hatte sein Vorbild im seit 1982 existierenden Haushaltstrilog, der sich bereits als geeignet erwiesen hatte, im Rahmen des komplizierten Haushaltsverfahrens die Konfliktlinien zwischen Rat und dem hier zeitlich früh beteiligten Parlament zu glätten. Dies erscheint nicht selbstverständlich, da die historische Genese des Haushaltsverfahrens vor allem durch die frühzeitige Parlamentsbeteiligung mit der Entwicklung des allgemeinen Rechtsetzungsverfahrens nicht zwangsweise gleichgesetzt werden kann. Die Konfliktlinien im Haushaltsverfahren waren wesentlich konturierter, so dass das Verfahren regelmäßig vor dem Scheitern stand. Hintergrund der Haushaltskonflikte war neben unterschiedlichen Budgetierungsvorstellungen der beteiligten Organe der Wunsch des Parlaments, durch das Haushaltsverfahren seine Macht auszuweiten.91 Das Parlament nutzte das Haushaltsverfahren also im Wesentlichen als Beteiligungsventil, in 88  Im Ergebnis wird davon ausgegangen, dass manche Kompromisse unter dem besonderen Druck einer zweiten und/oder dritten Lesung besser zustande gekommen wären, vgl. hierzu Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S.  12 f. 89  Vgl. nur Simantke, Tagesspiegel.de, 21.05.2015, http://www.tagesspiegel.de/ themen/agenda/eu-trilog-wie-bruessel-im-hinterzimmer-die-demokratie-aushoehlt/ 11793136.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); Wendt, euractiv.de, 28.05.2015, https://www.euractiv.de/section/eu-innenpolitik/news/eu-gesetzgebung-mehr-offen heit-statt-speed-dating-notig/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 90  Fall: OI/8/2015/JAS, Geöffnet am 26.05.2015, Entscheidung am 12.07.2016; https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/case.faces/de/46048/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); vgl. dazu grob Stöbener de Mora, EuZW 2016, S.  721 f. 91  Vgl. Theato/Graf, Parlament und Haushalt, 1994, S. 70.

34

Erster Teil: Geschichtliches

welchem der durch mangelhafte Teilhabe am allgemeinen Rechtsetzungsprozess aufgestaute Druck abgebaut wurde. Die Ausgangslage zur Einführung des Mitentscheidungsverfahrens hingegen war eine gänzlich andere. Hier hatte das Parlament gerade die gewünschte Beteiligung erreicht, es standen keine wesentlichen Gesetzgebungsprozesse vor dem Scheitern, und nicht zuletzt hatten die Institutionen im Verfahren der Zusammenarbeit bereits bewiesen, dass sie bei guter Koordinierung mit den starren Fristenregeln umgehen und zu befriedigenden Verfahrensergebnissen kommen konnten.92 Es erscheint damit erstaunlich, dass sich das Parlament, das jahrzehntelang auf eine verstärkte formelle Beteiligung am inhaltlichen Prozess der Gesetzgebung hinwirkte, relativ schnell in informelle Verhandlungsformen drängen ließ. Gerade das Parlament als von den Unionsbürgern direkt gewähltes Gremium und im besonderen Maße von der europäischen Öffentlichkeit sowohl abhängig, als auch bevollmächtigt, verschenkt durch diese Praxis möglicherweise ein Potential, für das es jahrelang gekämpft hat. Die Trilogisierung zeigt sich damit zumindest aus historischer perspektive diametral zu der hier skizzierten Fortentwicklung des Demokratisierungsprozesses auf unionsrechtlicher Ebene. Bezeichnend ist hierbei, dass im Vertrag von Amsterdam, nach der Weiterentwicklung und Stärkung des Mitentscheidungsverfahrens, auch die vertikale Wirkung der Demokratie zwischen Union und den Mitgliedstaaten in Art. 6 Abs. 1 EUV-Amsterdam93 an bedeutsamer Stelle in den Vertragstext eingeführt worden ist.94 Gerade der Vertrag von Amsterdam markiert aber eine wichtige Wegmarke für die Ausweitung des Trilogverfahrens. Ob und inwieweit die Trilogpraxis gegen dieses Demokratiebekenntnis verstößt oder zumindest mit diesem kollidiert, wird noch einer näheren Betrachtung zu unterziehen sein.95

92  Für letzteres vgl. die Bestandsaufnahme ein Jahr nach Einführung des Kooperationsverfahrens bei Bieber, NJW 1989, S. 1396, 1399. 93  Der Vertrag von Maastricht sprach in Art. F Abs. 1 EUV-Maastricht lediglich davon, dass die Regierungssysteme der Mitgliedstaaten auf demokratischen Grundsätzen beruhten, vgl. dazu ausführlich Hilf/Schorkopf, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 2 EUV, Rn. 27. 94  Axmann, Genese, 2001, S. 243. 95  Vgl. unten S. 226 ff.

Zweiter Teil

Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs Zunächst sollen allerdings die Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs herausgearbeitet und in das Rangverhältnis der unionsrechtlichen Vorschriften eingeordnet werden. Eine explizite Regelung bzw. Institutionalisierung des informellen Trilogs im vertraglichen Primärrecht, wie dies beim Haushaltstrilog in Art. 324 AEUV der Fall ist, existiert nicht. Allerdings wird der informelle Trilog in mehreren gemeinsamen Erklärungen von Parlament, Rat und Kommission zu den praktischen Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens1 und in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung2 erwähnt und dort teilweise fragmentarisch geregelt. Daneben finden sich in der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments und in organinternen Leitlinien Regelungsvorschriften, die auf ihre inhaltliche Ausgestaltung und ihre Verbindlichkeit hin untersucht werden müssen.3

A. Gemeinsame Erklärungenzu den praktischen ­Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens Eine erste Teilverrechtlichung des informellen Trilogs erfolgte durch die gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 1999,4 die im Jahr 2007 aktualisiert und gerade hinsichtlich der Triloge inhaltlich erweitert wurde.5 Bevor auf den Inhalt der gemeinsamen Erklärungen eingegangen werden kann, muss geklärt werden, welcher Rechtscharakter der gemeinsamen Erklärung anhaftet.

1  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 1999, ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f.; Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 2007, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 2  ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff. 3  Vgl. auch von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 165 ff. 4  ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f. 5  ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff.

36

Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

I. Rechtscharakter der gemeinsamen Erklärung als interinstitutionelle Vereinbarung Bei einer gemeinsamen Erklärung handelt es sich um eine interinstitutionelle Vereinbarung.6 Diese haben ihren Ursprung im Haushaltsrecht der Union und konkretisieren die Zusammenarbeit der Organe zueinander.7 Ziel der interinstitutionellen Vereinbarungen ist es, die Kooperations- und Konsultationspflicht der EU-Organe zu fördern und im Rahmen der Zusammenarbeit der Organe unionsvertragliche Grauzonen auszuleuchten.8 Ihre primärrechtliche Grundlage hat die interinstitutionelle Vereinbarung, ausgehend vom Gebot der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV in der expliziten Vorschrift des Art. 295 S. 2 AEUV.9 Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich um eine unionsrechtliche Besonderheit, da die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten keine oder nur vereinzelte vergleichbare Kooperationsformen kennen.10 Die Bezeichnungen für interinstitutionelle Vereinbarungen sind darüber hinaus nicht einheitlich. So werden sie als gemeinsame Erklärung, Rahmenvereinbarung,11 interinstitutionelle Erklärung12, modus vivendi13 oder eben seit 1988 auch als interinstitutionelle Vereinbarung benannt.14 Die Abkommen weichen im Einzelnen 6  Dazu umfassend und grundlegend von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006; Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001; Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation, 1988; Driessen, ELR 2008, S. 550 ff.; Läufer, Organe der EG, 1990, S. 261 ff.; Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49 ff. 7  Vgl. näher Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 13 EUV, Rn. 25 ff. 8  Und hierbei natürlich auch eine Präzisierung der Verfahrensabläufe im Mitentscheidungsverfahren zu schaffen, vgl. Voet van Vormizeele, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 295 AEUV, Rn. 4 f. 9  Durch letzteres hat sich zumindest der Streit um die rechtliche Zulässigkeit interinstitutioneller Vereinbarungen aufgelöst, vgl. hierzu Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 51. 10  Dazu näher von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 143 m. w. Nw. 11  Vgl. Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, ABl. L 304 v. 20.11.2010, S. 47 ff. 12  Vgl. Interinstitutionelle Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, ABl. C 329 v. 6.12.1993, S. 133 ff. 13  Vgl. modus vivendi zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission betreffend die Maßnahmen zur Durchführung der nach dem Verfahren des Artikels 251 (ex-Artikel 189b) EG-Vertrag erlassenen Rechtsakte, ABl. C 102 v. 04.04.1996, S.  1 f. 14  Anschauliche Statistiken zur Bezeichnung, Inhalt, Erscheinungsjahr und beteiligten Organen finden sich bei Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 55 ff.



A. Gemeinsame Erklärungen37

thematisch, inhaltlich und in ihrer Form deutlich voneinander ab, sind nicht einheitlich registriert und zudem regelmäßig in unterschiedlichen Serien des Amtsblatts veröffentlicht.15 1. Rechtliches Rangverhältnis interinstitutioneller Vereinbarungen Die Einordnung der Rechtsgrundlage für den Erlass von interinstitutionellen Vereinbarungen und die Rechtsnatur derselben gestaltete sich vor dem Vertrag von Lissabon als schwierig, obwohl die Vereinbarungen seit Beginn der Gemeinschaft existierten16 und vom EuGH17 anerkannt wurden.18 Mit der Einführung des Art. 295 AEUV wurde eine ausdrückliche Rechtsgrundlage zum Erlass von interinstitutionellen Vereinbarungen geschaffen. Somit ist die interinstitutionelle Vereinbarung als nicht in Art. 288 AEUV aufgezählte, sonstige Handlungsform des Unionsrechts anzuerkennen.19 Neben der allgemeinen Vorschrift20 des Art. 295 AEUV existieren noch eine Reihe weiterer spezieller, im vorliegenden Untersuchungszusammenhang nicht einschlägiger, Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von interinstitutionellen Vereinbarungen.21 Als sonstige Handlungsform des Unionsrechts stehen interinstitutionelle Vereinbarungen im Rang unterhalb des Primärrechts, da dieses regelmäßig nicht durch Handlungen der Unionsorgane erschaffen werden kann.22 Sie gelten daneben ausschließlich zwischen den beteiligten 15  Näher dazu Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 295 AEUV, Rn. 7. 16  Vgl. Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 52 ff. 17  Vgl. EuGH Rs. C-25/94 (Kommission/Rat), Urt. v. 19.03.1996, Leitsatz 4, EuGH Rs. C-34/86 (Rat/Parlament), Urt. v. 03.07.1986, Rn. 50. 18  Vgl. dazu näher und grundlegend von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S.  128 ff. m. w. Nw. 19  Voet van Vormizeele, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 295 AEUV, Rn. 3; allerdings ohne vertiefte Auseinandersetzung. 20  Es wird davon ausgegangen, dass der Abschluss von interinstitutionellen Vereinbarungen nach Art. 295 S. 2 AEUV nicht nur auf das Rechtsetzungsverfahren beschränkt ist, sondern dass auf dessen Grundlage die spezifische Rollenverteilung zwischen den Organen über das Legislativverfahren hinaus geregelt werden kann, vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2016, Art. 295 AEUV, Rn. 16. 21  Zu nennen sind hier der bereits erwähnte Art. 324 AEUV zum Erlass von Vereinbarungen zur Erleichterung des Haushaltsverfahrens, Art. 17 Abs. 1 aE EUV zur Programmplanung der Kommission und Art. 287 Abs. 3 UAbs. 3 S. 1 AEUV zum Zugang des Europäischen Rechnungshofes zu Dokumenten der Europäischen Investitionsbank. 22  Eine Ausnahme bildet insoweit der Eigenmittelbeschluss des Rates nach Art. 311 AEUV, allerdings kommt auch dieser nur nach Zustimmung der Mitglieds-

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Organen und sind damit dem organgeschaffenen, sekundären Gemeinschaftsrecht zuzuordnen.23 2. Grenzen interinstitutioneller Vereinbarungen Da es sich bei interinstitutionellen Vereinbarungen um besonderes Sekundärrecht handelt, müssen sich deren Inhalte innerhalb bestimmter Grenzen bewegen. So normiert auch Art. 295 S. 2 AEUV, dass diese nur unter Wahrung der Verträge abgeschlossen werden können, also stets das Primärrecht zu beachten ist. In diesem Zusammenhang sind verschiedene spezielle und allgemeine Konfliktstellungen denkbar. a) Änderung und Ergänzung vertraglich fixierter Entscheidungsverfahren Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit vertraglich fixierte Entscheidungsverfahren, insbesondere das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 294 AEUV, durch interinstitutionelle Vereinbarungen geändert oder ergänzt werden können. Erstmals eingegangen wurde hierauf in der Erklärung (Nr. 3) zu Artikel 10 EGV24 in der Schlussakte des Vertrags von Nizza. Diese stellte fest, dass Interorganvereinbarungen die Vertragsbestimmungen weder ändern noch ergänzen dürfen.25 Daneben hat der EuGH entschieden, dass die Grundsätze über die Willensbildung der Gemeinschaftsorgane im Vertrag festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten oder der Organe selbst stehen.26 Wohl aus diesem Grund wurde vereinzelt angemerkt, dass die hier gegenständliche gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 199927 keine rechtsverbindlichen Maßstäbe setzt.28 Allerdings gebietet sich eine ordentliche Differenzierung zwischen Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bzw. der Verfahren. Dass Änderungen des Vertrages durch interinstitutionelle Vereinbarungen nicht möglich sind, staaten zustande, vgl. dazu näher Waldhoff, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 311, Rn. 5. 23  Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 80 f.; vgl. auch von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 226 f. 24  ABl. C 80 v. 10.03.2001, S. 77. 25  Vgl. auch Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 58 f. 26  EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 38. 27  ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1–2. 28  Vgl. Pernice, EuZW 2004, S. 743, 747.



A. Gemeinsame Erklärungen39

ergibt sich aus dem unmittelbaren Wortlaut des Art. 295 AEUV, aus dem Rangverhältnis zwischen Primär- und Sekundärrecht und nicht zuletzt ganz allgemein aus völkerrechtlichem Vertragsrecht.29 Hierfür normiert bereits Art. 39 WVK, dass eine Änderung völkerrechtlicher Verträge nur durch die Vertragsparteien erfolgen kann, was in diesem Fall die Gesamtheit der Mitgliedstaaten und nicht die Organe der Europäischen Union wären.30 Eine Änderung der vertraglich fixierten Entscheidungsverfahren würde eine solche Vertragsänderung darstellen und damit im Ergebnis den Verträgen zuwiderlaufen.31 Bevor auf die Unterscheidung zwischen Verfahrensänderung und Verfahrensergänzung eingegangen werden soll, muss geklärt werden, ob und inwieweit interinstitutionelle Vereinbarungen die Verträge und Verfahren überhaupt ergänzen dürfen. Der Wortlaut des Art. 295 AEUV spricht hier insofern lediglich von einer einvernehmlichen Regelung der Zusammenarbeit der Organe, die unter Wahrung der Verträge geschlossen werden muss. Eine eindeutige Aussage lässt sich hieraus zunächst nicht entnehmen. Zur Vertragsund damit zur Verfahrensergänzung äußerte sich damit nur explizit die gemeinsame Erklärung (Nr. 3) zu Artikel 10 EGV32 in der Schlussakte des Vertrags von Nizza, die neben einer Vertragsänderung auch eine Vertragsergänzung untersagte. Die Erklärung (Nr. 3) zu Artikel 10 EGV kann jedoch nur dann als maßgeblich angesehen werden, wenn ihr eine eigene Rechtsqualität zukommt, sie mithin eine verbindliche Aussage der Mitgliedstaaten trifft. Bei den Erklärungen in der Schlussakte des Vertrags von Nizza handelt es sich nicht um einen integralen Bestandteil vertraglichen Primärrechts,33 da der Inhalt nicht in die Verträge aufgenommen, sondern lediglich als Erklärung der Regierungskonferenz an die expliziten Vertragsbestimmungen angeschlossen wurde.34 Dies ergibt sich auch explizit aus der Vorschrift des Art. 51 EUV nach der die beigefügten Protokolle und Anhänge, nicht jedoch die gemeinsamen 29  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 74. 30  Allgemein zur Vertragsänderung im Völkerrecht, Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, S. 661 ff. 31  So auch von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 20. 32  ABl. C 80 v. 10.03.2001, S. 77. 33  So auch von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 20; Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.). Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 77. 34  Vgl. insoweit den Wortlaut zur Einleitung der Schlussakte des Vertrags von Nizza ABl. C 80 v. 10.03.2001, S. 70.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Erklärungen, Bestandteil der Verträge sind.35 Dennoch stellt sie eine Interpretation des Vertragstexts durch die Mitgliedsstaaten als Gesetzgeber dar, die sich zumindest als Auslegungsübereinkunft im Sinne von Art. 31 Abs. 2 a) WVK deuten lässt.36 An dieser authentischen Auslegung des Art. 10 EGV muss zunächst kritisiert werden, dass die Mitgliedstaaten bei Erstellung der Erklärung, die damaligen Realitäten der Interorganvereinbarungen anscheinend nicht hinreichend berücksichtigt haben. Zwar wurden interinstitutionelle Vereinbarungen in der Anfangszeit der Europäischen Union hauptsächlich geschaffen, um das Parlament mit zusätzlichen Befugnissen auszustatten,37 sie haben sich im Laufe der Jahre aber dahingehend weiterentwickelt, dass sie vertragliche Grauzonen ausleuchten und die Zusammenarbeit der Organe präzisieren sollten.38 Die Ergänzungsfunktion ist den Vereinbarungen damit geradezu immanent. Sie sollen sinnbildlich dort eingesetzt werden, wo die formellen Verfahrensweisen der Gründungsverträge versagen.39 Gerade deswegen wurden insbesondere das komplizierte Haushaltsverfahren40 und der bis dato primärrechtlich spärlich reglementierte Bereich der Komitologie41 durch eine Vielzahl von Interorganvereinbarungen geprägt. Somit muss es den Organen gestattet sein, unterhalb der Vertragsschwelle ihre Kompetenzen gegenseitig abzustecken, selbst wenn dies auf eine Selbstbindung des jeweiligen Organermessens unter dem Blickwinkel gegenseitiger Treuepflichten hinausläuft.42 35  Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 EUV, Rn. 6. 36  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 70. 37  Es war hier sogar Teil der Strategie des Parlaments, seine Rechte unter anderem durch interinstitutionelle Vereinbarungen zu stärken, vgl. Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 66. 38  Vgl. hierzu Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 82 f.; Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.): Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 74 ff. Bieber, in: Bieber/Bleckmann/Capotori (Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, Bd. 1, S. 327, 339 f. spricht bereits früh von einem nicht abgeschlossenen „Beziehungsraum“, der sich zwischen den Organen befindet und einer weiteren Ausfüllung bedarf. 39  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 75; Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001; S. 83; Bieber, in: Bieber/Bleckmann/Capotori (Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, Bd. 1, S. 327, 332. 40  Vgl. oben S. 28. 41  Das Verfahren zur Komitologie wurde durch den Vertrag von Lissabon mittlerweile grundlegend reformiert, vgl. Edenharter, DÖV 2011, S. 645 ff. Auf entsprechende interinstitutionelle Vereinbarungen zur Komitologie näher eingehend, Le­ naerts/Verhoeven, CML Review 2000, S. 645 ff. 42  Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 66.



A. Gemeinsame Erklärungen41

Daneben ist fraglich, ob die Auslegung von Art. 10 EGV überhaupt durch den EuGH beachtet werden müsste.43 Der EuGH berücksichtigt Erklärungen der Mitgliedstaaten dann nicht bei der Interpretation gründungsvertraglicher Bestimmungen, wenn ihr Inhalt im Wortlaut der gegenständlichen Bestimmung keinen Niederschlag gefunden hat und ihm somit keine rechtliche Bedeutung zukommt.44 Vorliegend ist schon zweifelhaft, ob der Interpretationsinhalt der beschriebenen gemeinsamen Erklärung im Wortlaut des Art. 10 EGV ausreichend angedeutet war.45 Aber selbst, wenn man die Erklärung der Mitgliedsstaaten als verbindliche Auslegung charakterisieren würde, bleibt sie lediglich eine Interpretation des im Jahr 2001 als Rechtsgrundlage für Interorganvereinbarungen bemühten Art. 10 EGV. Sie trifft damit in jedem Falle keine verbindliche Aussage über den nachfolgend in den Rang des Primärrechts erhobenen Art. 295 AEUV. Obwohl dort keine explizite Regelung erfolgt ist, deutet sich im Wortlaut des Art. 295 AEUV kein Verbot der Vertragsergänzungsfunktion, sondern vielmehr deren Notwendigkeit an. Eine einvernehmliche Regelung der Einzelheiten der Zusammenarbeit durch die Organe46 wird nämlich dann erschwert bzw. nahezu unmöglich gemacht, wenn wie auch immer geartete vertragsergänzende Maßnahmen von vornerein nicht Gegenstand von Interorganübereinkünften sein dürfen. Bei einer genaueren Interpretation fordert Art. 295 AEUV die Organe vielmehr dazu auf, ihre Kooperation auf der Ebene unterhalb der Verträge zu regeln. Insbesondere im Rahmen des Mitent­ scheidungsverfahrens, für welches Art. 295 AEUV auf Grund der systematischen Stellung eine herausragende Bedeutung hat, kann die Zusammenarbeit sogar nur im Rahmen von Maßnahmen erfolgen, die das Verfahren in irgendeiner Art und Weise beeinflussen und damit notwendigerweise auch ergänzen. Folglich darf das Mitentscheidungsverfahren durch interinstitutionelle Vereinbarungen auf der Ebene unterhalb der Verträge ergänzt werden, wenn damit die Zusammenarbeit der am Verfahren beteiligten Organe konkretisiert wird. Es erscheint somit sachdienlich, den Problemschwerpunkt auf die sich daraus entwickelnde Folgefrage zu verlagern: Wo endet die grundsätzlich erlaubte Vertragsergänzung und wo beginnt die unzulässige Vertragsänderung? Diese Grenzziehung gelang insbesondere im Bereich der Vereinbarungen zum Haushaltsverfahren nicht immer. So erweckten die interinstitutio43  Zur grundsätzlichen Beachtung von gemeinsamen Erklärungen der Mitgliedstaaten vgl. EuGH, Rs. C-135/08 (Rottmann), Urt. v. 02.03.2010, Rn. 40. 44  EuGH, Rs. C-233/97 (KappAhl), Urt. v. 03.12.1998, Rn. 23. 45  Ablehnend Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 77 f. 46  Vgl. Art. 295 S. 1 AEUV.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

nellen Vereinbarungen über die Haushaltsdisziplin47 aus den Jahren 1988 und 1993 den Verdacht, die Vorschriften des EG-Vertrags zu umgehen. Während Art. 272 Abs. 9 EGV statuierte, dass über den Höchstsatz für die Erhöhung der nichtobligatorischen Ausgaben jedes Haushaltsjahr abgestimmt werden müsse, hatten die Vereinbarungen, geknüpft an die finanzielle Vorausschau, einen solchen Höchstsatz bereits für die folgenden fünf Jahre vorausberechnet und vor allem vorausverhandelt.48 Zur Bereinigung dieses Widerspruchs bediente man sich verschiedener rechtlicher Ansatzpunkte. Das Parlament ging gerade in der Hoffnung der Verbindlichkeit der interinstitutionellen Vereinbarung49 davon aus, dass bereits mit den Vereinbarungen zur Haushaltsdisziplin der jährlich fällige Beschluss entsprechend antizipiert wurde.50 Der Rat hingegen war der Ansicht, dass es trotz der interinstitutionellen Vereinbarung jedes Jahr eines Beschlusses bedürfe und die Vereinbarung insoweit nicht rechtsverbindlich sein könne.51 Gegen eine antizipierte Beschlussfassung sprach schon die Tatsache, dass die Festlegung des Höchstsatzes in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem jährlichen Haushaltsverfahren stand und es eigentlich die Verpflichtung der Kommission war, den jährlichen Höchstsatz festzustellen.52 Aber selbst wenn man sich hier auf die vertragsfreundlichere Ansicht des Rates stützen würde, hätte dieses Vorgehen mehr Bedenken auslösen müssen. Zwar mag der Beschluss über den jeweiligen Höchstsatz rein formal gesehen53 jährlich gefällt worden sein, der Entscheidungsprozess, der diesem Beschluss zu Grunde lag und die damit verbundene inhaltliche Auseinandersetzung fanden aber bereits viel früher und im Rahmen eines anderen Verfahrens statt.54 Maßgeblich ist jedoch, dass gerade die Grundsätze über die Willensbildung im Vertrag festgelegt sind und nicht umgangen werden sol47  Jeweils

ABl. L 185 v. 15.07.1988, S. 1 ff. und ABl. C 331 v. 07.12.1993, S. 1 ff. Vorausberechnung wurde sogar als wesentlicher Inhalt der jeweiligen Vereinbarungen herausgestellt, vgl. Timmann, EuR 1988, S. 273, 284. 49  Vgl. Timmann, EuR 1989, S. 13, 23 f., 28 f. 50  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 230. 51  Vgl. hierzu auch von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 230 ff.; Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 57; Timmann, EuR 1988, S. 273, 284 ff. 52  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 231. 53  Nämlich konkludent durch die Annahme des Haushaltsentwurfes durch die beiden Teile der Haushaltbehörde, vgl. von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 232. 54  Nicht ohne Grund spricht Timmann, EuR 1988, S. 273, 284 ausgehend von einer fehlenden rechtlichen Bindung der Interinstitutionellen Vereinbarung in diesem Punkt von einer „quasi-Vorausfestlegung“. 48  Diese



A. Gemeinsame Erklärungen43

len.55 Die inhaltliche Willensbildung selbst fand aber gerade nicht nach dem vertraglich vorgesehen jährlichen Haushaltsverfahren statt, sondern im Vorfeld oder bestenfalls noch im Rahmen der Änderungen der finanziellen Vo­ rausschau, der wiederum ein gänzlich anderes Entscheidungsverfahren zu Grunde lag.56 Sicherlich mag der EuGH grundsätzlich und gerade auch im Zusammenhang mit dem Haushaltsverfahren interinstitutionelle Vereinbarungen anerkannt und als bedeutend für den im Haushaltsverfahren unabding­ lichen Dialog zwischen den Organen bewertet haben.57 Allerdings bedeutet dies nicht, dass dem interinstitutionellen Dialog vertraglich fixierte Willensbildungsprozesse geopfert werden durften.58 Im Ergebnis lehrt der hier aufgeworfene und mittlerweile unter anderem durch Art. 312 AEUV obsolet gewordene Konflikt zweierlei: Zunächst muss die Grenzziehung zwischen Vertragsergänzung und Vertragsänderung für jede einzelne Vereinbarung und für jedes einzelne Verfahren unter Berücksichtigung der jeweiligen Verfahrensbesonderheiten betrachtet werden. Dies beinhaltet eine Abwägung, ob und inwieweit die Willensbildung noch innerhalb der vertraglich vorgesehenen Verfahrensabläufe erfolgt, oder ob ein Parallelverfahren geschaffen wurde, das die Anwendung vertraglich fixierter Entscheidungsabläufe überflüssig macht.59 Dabei muss auch beachtet werden, dass die Organe zu einer redlichen Zusammenarbeit ähnlich wie zwischen Mitgliedstaaten und Union verpflichtet sind und interinstitutionelle Vereinbarungen dazu geschaffen wurden, um Organkonflikte und damit verbundene Blockaden zu lösen.60 Ob und inwieweit durch die Praxis des informellen Trilogs die hier skizzierte Grenze auch unter Beachtung der Besonderheiten des Mitentscheidungsverfahrens nach Art. 294 AEUV überschritten wird, bedarf noch einer genaueren Auseinandersetzung.61

55  EuGH,

Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 38. gutes Beispiel liefert hier der Haushalt für das Jahr 1991. In diesem geschichtsträchtigem Jahr (Wiedervereinigung, Golf-Krise) musste die finanzielle Vorausschau entsprechend angepasst werden, vgl. Timmann, EuR 1991, S. 121, 123 ff. 57  EuGH, Rs 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 16. 58  Insofern müssen die Aussagen von Timmann, EuR 1989, S. 13, 28 f. kritisch hinterfragt werden, da er nicht zwischen interinstitutionellem Dialog auf der einen und vertraglich fixiertem Wortlaut auf der anderen Seite unterscheidet. 59  Das Problem der faktischen Ersetzung sieht auch Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 76, obwohl er sich ansonsten den interinstitutionellen Vereinbarungen gegenüber sehr aufgeschlossen zeigt. 60  Vgl. Bieber, in: Bieber/Bleckmann/Capotori(Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, Bd. 1, S. 327, 346; von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 231. 61  Vgl. dazu insbesondere S. 166 ff. 56  Ein

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

b) Das institutionelle Gleichgewicht Eine weitere kompetenzbedingte Schranke für interinstitutionelle Vereinbarungen ergibt sich aus dem institutionellen Gleichgewicht. Hierbei handelt es sich um ein mit dem deutschen Gewaltenteilungsprinzip vergleichbares System von checks and balances auf Unionsebene.62 Der Grundsatz wurde vom EuGH63 herausgebildet, um Kompetenzverschiebungen zwischen den einzelnen Unionsorganen beurteilen und entsprechend korrigieren zu können.64 Die Grundregel ist hierbei, dass das System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen von den Verträgen geschaffen wurde und dieses System jedem Organ seinen eigenen Auftrag innerhalb des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft und bei der Erfüllung dieser übertragenen Aufgaben zuweist.65 In diesem Zusammenhang erscheint es bereits bedenklich, dass Interorganvereinbarungen in den Anfangsjahren der Gemeinschaft gerade zu dem Zweck geschlossen wurden, dem Parlament eine stärkere Beteiligung am Willensbildungsprozess der Gemeinschaft einzuräumen. Deswegen erschienen derartige Vereinbarungen bezüglich der Beeinträchtigung des interinstitutionellen Gleichgewichts von vornherein verdächtig.66 Eine rein formale Betrachtung würde folglich zu dem Ergebnis kommen, dass sämtliche, selbst nur marginale Verschiebungen durch interinstitutionelle Vereinbarungen – und seien es auch bloß zusätzliche Konsultations- und Anhörungsbefugnisse – dazu geeignet sind, das institutionelle Gleichgewicht in der Gestalt zu berühren, dass das tatsächliche Machtgewicht verschoben wird.67 Dies würde jedoch zu weit gehen. Entscheidendes Merkmal bei der Abgrenzung zwischen Berührung und tatsächlicher Verletzung des Prinzips muss deswegen viel mehr die Frage 62  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 88. Eine ausführliche dogmatisch vertiefte Auseinandersetzung mit dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts findet sich bei von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 407 ff.; krit. Bieber, Verfahrensrecht der Verfassungsorgane, 1992, S. 101 ff. 63  So wird erstmals in EuGH, Rs. 9/56 (Meroni I), Urt. v. 13.06.1956, von der Garantie des „Gleichgewichts der Gewalten“ gesprochen, das durch die Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf unzuständige Organe verletzt werden würde; vgl. ebenfalls EuGH, Rs C-70/88 (Parlament/Rat), Urt. v. 22.05.1990. 64  Schorkopf, EuR 2000, S. 365, 369. 65  Vgl. EuGH, Rs C-70/88 (Parlament/Rat), Urt. v. 22.05.1990, Rn. 21. 66  Hummer, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 88. 67  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 232.



A. Gemeinsame Erklärungen45

sein, ob einem Organ durch eine interinstitutionelle Vereinbarung eine Ermessensbefugnis im Sinne eines eigenen Entscheidungsspielraums eingeräumt wird, die in den Verträgen nicht vorgesehen ist.68 Die Grenze ist folglich die Verschiebung der Entscheidungsbefugnisse zwischen den Organen.69 Neben diesem sog. Delegationsverbot verbietet das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts auch, dass sich ein Organ alleine oder mit Hilfe eines anderen Organs Aufgaben selbst zuweist, die durch die Verträge eigentlich einem anderen Organ zugewiesen sind und insofern dessen Kompetenzausübung vereitelt.70 Ausgehend von diesem knappen Problemrahmen wird im Folgenden noch darauf einzugehen sein, inwieweit es bei der Praxis des informellen Trilogs zu einer Berührung oder gar Verletzung des institutionellen Gleichgewichts kommen kann.71 c) Vereinbarkeit mit anderen grundlegenden Verfassungsprinzipien Neben den bereits aufgezeigten typischen Grenzfeldern der Verfahrensänderung und der Kompetenzverschiebung haben sich die interinstitutionellen Vereinbarungen selbstverständlich auch innerhalb der Grenzen allgemeiner Unionsprinzipien zu bewegen. Insofern müssen Interorganvereinbarungen im Bereich des Rechtsetzungsverfahrens insbesondere das aus Art. 10 EUV hervorgehende Demokratieprinzip in seinen einzelnen Ausprägungen wahren. In diesem Rahmen sind, ausgehend von der Besonderheit der dualen demokratischen Legitimation72 der Europäischen Union (Art. 10 Abs. 2 EUV) im Allgemeinen und des europäischen Gesetzgebungsverfahrens im Speziellen, folgende Konfliktpunkte vorgezeichnet: Zunächst erscheinen interinstitutionelle Vereinbarungen im Bereich des Rechtsetzungsverfahrens verdächtig, durch Verfahrensvereinfachungen die grundlegende Legitimationsstruktur des demokratischen europäischen Gesetzgebungsverfahrens zu relativieren oder zumindest zu tangieren. Hierbei müssen insbesondere die Rechte des Europäi­ schen Parlaments, der Fraktionen und Parteien, sowie der Einzelabgeordneten auch Kämmerer, NVwZ 2013, S. 830, 834 m. w. Nw. anschauliches Beispiel für das Verfahren der Komitologie nach der Vertragsänderung von Maastricht, in welchem einerseits das Mitentscheidungsverfahren eingeführt wurde, aber andererseits die Delegation für die Modalitäten der Durchführungsbefugnisse noch alleine beim Rat lag, findet sich bei Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 65. 70  Vgl. dazu näher von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 417 f. 71  Vgl. dazu insbesondere S. 268 ff. 72  Vgl. dazu ausführlich von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S.  300 ff. 68  Vgl. 69  Ein

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

in den Blick genommen werden. Daneben gilt es allerdings auch, die individuelle Teilhabe der Bürger und ihrer Interessenvertretungen am demokratischen Leben der Union aus Art. 10 Abs. 3 S. 1, 11 EUV zu beachten.73 Teil des demokratischen Lebens ist auch, dass die Union ihre Entscheidungen möglichst offen und bürgernah trifft.74 Um diesem Grundprinzip gerecht zu werden, müssen die Entscheidungen im europäischen Gesetzgebungsverfahren transparent getroffen werden. Den Zweck von Transparenz beschreiben die Organe selbst in den Erwägungsgründen zum Erlass der VO (EG) Nr. 1049/2011 treffend: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei […].“75 Durch Transparenz wird damit zum einen erreicht, dass die Bürger Entscheidungen nachvollziehen, aber zum anderen auch, dass sich diese durch ihren Wissenszuwachs effektiver und besser an den Entscheidungsverfahren beteiligen können. Die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens wird deswegen speziell in Art. 15 AEUV in den Blick genommen. So sind nach Art. 15 Abs. 2 AEUV die Sitzungen des Europäischen Parlaments und des Rates, sofern dieser Gesetzgebungsakte berät, öffentlich und nach Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV haben das Parlament und der Rat zusätzlich dafür zu sorgen, dass Dokumente, die das Gesetzgebungsverfahren betreffen, grundsätzlich öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Somit müssen sich die interinstitutionellen Vereinbarungen zum Rechtsetzungsverfahren auch und gerade an diesen Maßstäben der Demokratie, Teilhabe und Transparenz messen lassen.76 d) Zwischenfazit Da es sich bei interinstitutionellen Vereinbarungen um besonderes Sekundärrecht handelt, müssen sie mit den Verträgen konform gehen. Allgemeine Grenzlinie ist hierbei zunächst die Veränderung von vertraglich fixierten 73  Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 10 EUV, Rn.  11 ff. 74  Das Prinzip der Offenheit und Bürgernähe findet seine Erwähnung nicht nur in Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV, sondern wird bereits in Art. 1 Abs. 2 EUV an hervorgehobener Stelle wortgleich manifestiert. 75  VO (EG) Nr. 1049/2011, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff., Erw. 2.; vgl. auch Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 399. 76  Vgl. zum Grundsatz der Transparenz S. 171 ff., zum Grundsatz der Demokratie S.  226 ff.



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Entscheidungsabläufen, die im Einzelfall klar von der gerade durch die von Interorganvereinbarungen gewünschte Verfahrensergänzung zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung muss nach der vorliegend skizzierten Auffassung vor allem anhand der Grundsätze der Willensbildung vollzogen werden. Bewegt sich die Willensbildung der Gemeinschaftsorgane wie vom EuGH gefordert77 innerhalb der Grundsätze der Verträge, spricht dies nicht für eine grundsätzlich unzulässige Verfahrensänderung, sondern für eine Verfahrensergänzung. Weiterhin gilt es, die vertraglich angelegte Kompetenzordnung der Gemeinschaftsorgane zu achten. So würde es dem institutionellen Gleichgewicht widersprechen, wenn die Organe durch Vereinbarungen ihre von den Verträgen eingeräumten Entscheidungsbefugnisse untereinander verschieben oder einzelne Organe die Kompetenzausübung eines anderen Organs verhindern würden. Daneben müssen interinstitutionelle Vereinbarungen im Bereich des Rechtsetzungsverfahrens besonders an anderen grundlegenden Prinzipien gemessen werden, an der Demokratie, der Teilhabe und der Transparenz. 3. Bindungswirkung interinstitutioneller Vereinbarungen Eng verbunden mit der Frage um die Grenzziehung der Interorganvereinbarungen, gestaltete und gestaltet sich der Diskurs um die Frage nach deren Verbindlichkeit für die partizipierenden Organe. Während die grundsätzliche Frage nach der Bindungswirkung in den Anfangsjahren interinstitutioneller Vereinbarungen zwischen den Organen78 und auch in der Literatur79 heftig umstritten war, normiert nun Art. 295 S. 2 AEUV, dass Interorganvereinbarungen einen verbindlichen Charakter haben können. Im Gegensatz zum organinternen Selbstorganisationsrecht, in dessen Rahmen sich die Bindung des handelnden Organs aus der primärvertraglichen Ermächtigung zum Erlass einer Geschäftsordnung ergibt,80 stellt Art. 295 S. 2 AEUV damit klar, dass die Bindungswirkung nicht alleine aus der Ermächtigung zur Handlung 77  EuGH,

Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 38. das Parlament, zu dessen Stärkung Interorganvereinbarungen hauptsächlich geschlossen worden waren, grundsätzlich von einer solchen Bindungswirkung ausging, stellte sich der Rat zur Stärkung und Erhaltung seiner Rechte umso erbitterter gegen selbige, vgl. hierzu Bieber, in: Bieber/Bleckmann/Capotori (Hrsg.): Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, 1981, Bd. 1, S. 327, 329 m. w. Nw.; Timmann, EuR 1989, S. 13, 26 ff. 79  Vgl. hierzu Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 91 ff.; Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S.  87 ff.; von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S.  24 ff., S.  236 ff., jeweils m. w. Nw. 80  Vgl. dazu unten S. 62 ff. 78  Während

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erfolgt, sondern anhand besonderer Umstände nachgewiesen werden muss.81 Der Vertrag beantwortet somit nur die wesentliche Frage nach der grundsätzlich möglichen Verbindlichkeit von Interorganvereinbarungen, nicht aber, ob eine rechtliche Bindung in der konkreten Vereinbarung zwischen den Organen bezweckt sein sollte.82 Ob eine einzelne Interorganvereinbarung nun rechtlich verbindlich wirkt, muss im Einzelfall nach allgemeinen Regeln ermittelt werden.83 Ausschlaggebend hierfür ist im Wesentlichen, ob die fragliche Äußerung der Organe vom Standpunkt eines objektiven Beobachters aus dazu bestimmt ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen.84 Bei der vorzunehmenden Auslegung der einzelnen Vereinbarung können neben dem Wortlaut85 auch formale Aspekte,86 Sinn und Zweck der Regelung, entstehungsgeschichtliche Hintergründe87 und die entsprechende Systematik von Nutzen sein.88 Bei der Feststellung der Rechtsverbindlichkeit sind daneben die Besonderheiten der interinstitu­ tionellen Vereinbarungen zu beachten. Da diese die Organe in einem „einzig81  Bei einer vertieften Betrachtung wirkt die Formulierung von Art.  295 S. 2 AEUV missverständlich. Anders als diese vermuten lässt, erscheint nämlich nicht die Möglichkeit einer rechtlichen Bindung („die auch bindenden Charakter haben können“) klarstellenswert, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich die rechtliche Bindungswirkung im Gegensatz zum organinternen Selbstorganisationsrecht nicht automatisch aus der zum Erlass ermächtigenden Norm oder aus der unmittelbaren Handlung der Organe ergibt. Die Besonderheit der Vorschrift ist somit, dass interinstitutionelle Vereinbarungen gerade nicht automatisch rechtlich bindend sind, sondern nur unter besonderen, näher zu definierenden Voraussetzungen. 82  In der einschlägigen Literatur wurde bereits früh und vor der ausdrücklichen Normierung des Art. 295 AEUV zwischen dem objektiven Geltungsgrund, also der Frage, ob sich aus den Verträgen oder Sekundärrecht grundsätzlich die Möglichkeit ergibt, eine verbindliche Interorganvereinbarung zu schließen, und zwischen dem subjektiven Geltungsgrund, also der Frage, ob sich eine Verbindlichkeit im Einzelfall aus dem Willen der Organe ergeben kann, unterschieden, vgl. Bobbert, Interinstitu­ tionelle Vereinbarungen, 2001, S. 87 ff. 83  Vgl. EuGH, Rs. C-25/94 (Kommission/Rat), Urt. v. 19.03.1996, Rn. 49. Zur Auslegung allgemein Bleckmann, NJW 1982, S. 1177 ff. 84  Vgl. hierzu Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 55. Für von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 248 ff. stellt zu veralteter Primärrechtslage der Rechtbindungswille der Organe kein Kriterium für die Verbindlichkeit von Interorganvereinbarungen dar Vielmehr ergebe sich dieser bereits aus der Handlung selbst. 85  Zur Wortlautauslegung im Rahmen des vielsprachigen Unionsrechts näher Weiler, ZEuP 2010, S. 861 ff. 86  Wenngleich diese nur zurückhaltend und im Zusammenhang mit anderen Auslegungsmethoden gewichtet werden dürfen, vgl. EuGH, Rs. 60/81 (IBM/Kommission), Urt. v. 11.11.1981, Rn. 9. 87  Zur historischen Auslegung Leisner, EuR 2007, S. 689 ff. 88  Vgl. Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 106 ff.



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artigen kontraktualistischen Verpflichtungsmodus“89 schließen, ist eine Rechtsverbindlichkeit im Sinne einer Bindungswirkung zwischen den Organen grundsätzlich zu vermuten. Dafür sprechen auch die Prinzipien der Or­ gantreue und des Vertrauensschutzes.90 Denkbar ist sogar, dass Dritte durch Interorganvereinbarungen mittelbar gebunden werden, wenn in einer Vereinbarung Regelungen getroffen werden, die sich auf deren Rechtspositionen auswirken.91 Allerdings ist zu beachten, dass einzelne Interorganvereinbarungen zwar rechtsverbindlich sein können, diese aber selbst wiederum explizit nicht verbindliche Teilabsprachen enthalten können.92 Eine immer wiederkehrende Überlegung stellt die Verbindung zwischen Rechtsverbindlichkeit und Vertragskonformität der Interorganvereinbarungen dar. So wird aus systematischer Sicht vertreten, dass interinstitutionelle Vereinbarungen im Zweifel dann nicht rechtsverbindlich seien, wenn sie sich außerhalb der dargestellten Grenzen der Verträge bewegten, wodurch ein entsprechendes Nichtigkeitsurteil des EuGH nach Art. 263, 264 AEUV verhindert werden könne.93 Die Nichtigkeitsklage sei nur dann zulässig, wenn es sich bei der angegriffenen Interorganvereinbarung um eine Handlung mit zumindest verbindlichen (Außen-)Rechtswirkungen handle.94 Dieser Ansicht kann mehrfach entgegengetreten werden. Zunächst trennt sie nicht zwischen Bindungswirkungen im Allgemeinen und Justiziabilität im Besonderen. Bindungswirkungen können sehr wohl aus Handlungen her­ vorgehen, die keine (Außen-)Rechtswirkung nach der Rechtsprechung des EuGH aufweisen. So können nach der hier vertretenen Auffassung auch aus reinem Organinnenrecht mittelbare Bindungswirkungen für andere am Gesetzgebungsverfahren beteiligte Organe erwachsen, wenn die Ausübung ihrer Verfahrensrechte durch das Innenrecht eines anderen Verfahrensbeteiligten beeinflusst wird.95 Nichts anderes kann entsprechend für Interorganrecht 89  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 262. 90  Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 61. 91  Vgl. dazu Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 195. 92  So zum Beispiel die interinstitutionelle Vereinbarung vom 22.12.1998 – Gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, ABl. C 73 v. 17.03.199, S. 1; vgl. dazu näher von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 249. 93  Vgl. dazu Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 112 f.; angedeutet auch bei Pernice, EuZW 2004, S. 743, 747. 94  EuGH, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Urt. v. 30.04.1996, Rn. 25; Dörr, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 263 AEUV, Rn. 39 ff. Ausführlich zur Justiziabilität interinstitutioneller Vereinbarungen differenzierend von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 281 ff., insbesondere S. 283 ff. 95  Vgl. dazu unten S. 63 f.

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gelten. Daneben muss angemerkt werden, dass sich der Begriff der Rechtswirkungen in der Rechtsprechung des EuGH nicht an der Form der angefochtenen Handlung, sondern an deren Inhalt orientiert.96 Somit muss sich die mangelnde Rechtsverbindlichkeit explizit aus der Zusammenschau der inhaltlichen Bestimmungen des Klagegenstandes ergeben. Die dargestellte systematische Überlegung ist damit zirkelschlüssig. In einer entsprechenden Entscheidung müsste der EuGH nach dieser Überlegung im Rahmen der Begründetheit erst zum Schluss kommen, dass die Vereinbarung die Grenzen des Vertrags überschreitet, bevor er sie dann sehenden Auges nicht aufhebt, weil sie deswegen ja kein tauglicher Klagegenstand sei. Ebenfalls nicht bedacht wird, dass die Frage der Zulässigkeit einer inter­ institutionellen Vereinbarung einerseits und deren rechtlicher Verbindlichkeit andererseits, zwei unterschiedliche und deswegen getrennt zu betrachtende Themenkomplexe darstellen.97 Eine Interorganvereinbarung, die nicht wie von Art. 295 S. 2 AEUV gefordert unter Wahrung der Verträge zustande gekommen ist, wird nicht allein dadurch rechtmäßig, dass die beteiligten Organe auf deren Rechtsverbindlichkeit verzichten. Art. 295 S. 2 AEUV macht bezüglich der Vertragskonformität keinen Unterschied zwischen verbindlichen und unverbindlichen Interorganvereinbarungen. Auch eine unverbindliche Vereinbarung, die unter Missachtung der Verträge zustande gekommen ist, bleibt rechtswidrig, zumal sich durch eine verfestigte Handlungspraxis der Organe aus ursprünglich nicht rechtsverbindlich gedachten Vereinbarungen faktische und am Ende rechtliche Selbstbindungen entwickeln können. Nicht umsonst wurde anfänglich die Bindungswirkung der Interorganvereinbarungen aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit des Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV und Elementen des gegenseitigen Vertrauensschutzes hergeleitet.98 So kann eine rechtsverbindliche und damit voll justiziable Handlungspraxis gerade auch aus einer ursprünglich nicht für rechtsverbindlich betrachteten Interorganvereinbarung entstehen, wenn diese sich gewohnheitsrechtlich verfestigt.99 Und selbst wenn man in gewissen Fällen keine Bindung in der Form einer Klagbarkeit annehmen kann, haben die betroffenen Interorganver96  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 289. 97  Insoweit auch Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 91, der bemerkt, dass sich viele Autoren nicht mit der prinzipiellen Zulässigkeit von Interorganvereinbarungen, sondern nur mit deren Wirksamkeit auseinandersetzen. 98  Vgl. EuGH Rs. 81/72 (Kommission/Rat), Urt. v. 05.06.1973, Rn. 13. 99  Maßgebliches Kriterium hierfür ist neben der lang andauernden Übung das Vorliegen der „opinio iuris“; vgl. dazu näher Bobbert, Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2001, S. 121 f. Skeptisch zur Entwicklung des Gewohnheitsrechts dagegen Hummer, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 51, 96.



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einbarungen zumindest einen verfestigten Ordnungs- und Geltungsanspruch dessen Befolgung durch soziale Sanktionsmechanismen gesichert wird.100 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass durch den Vertrag von Lissabon und die Einführung des Art. 295 Abs. 2 AEUV lediglich die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit rechtlich verbindlicher interinstitutioneller Vereinbarungen primärvertraglich geregelt wurde. Ob eine solche Verbindlichkeit auch in der konkreten Vereinbarung gewollt ist, muss nach den hier dargelegten Grundsätzen im Einzelfall bestimmt werden. Zu beachten ist allerdings, dass sich aus einer ursprünglich nur politisch gedachten,101 eine gewohnheitsrechtlich bindende Vereinbarung entwickeln kann. Gänzlich unabhängig von der rechtlichen Bindung ist hingegen die Frage zu betrachten, ob eine interinstitutionelle Vereinbarung die Vertragsgrenzen überschreitet. 4. Zustandekommen interinstitutioneller Vereinbarungen Zuletzt gilt es an dieser Stelle zu klären, wie Interorganvereinbarungen überhaupt zustande kommen. Art. 295 S. 2 AEUV macht bezüglich des Verfahrens zum Erlass von Interorganvereinbarungen keinerlei Vorgaben. Da diese keine Rechtsakte im Sinne des Art. 288 AEUV, sondern lediglich sonstige Handlungen sind, ist zu deren Erlass kein Gesetzgebungsverfahren nach Art.  289 ff. AEUV erforderlich.102 Damit entfallen sowohl das Initiativmonopol der Kommission,103 als auch das formelle Begründungs- und Veröffentlichungserfordernis aus Art. 296 f. AEUV.104 Aus Art. 15 Abs. 1, 2 AEUV lässt sich jedoch zumindest für die das Gesetzgebungsverfahren betreffende Interorganvereinbarungen ein Veröffentlichungsgebot konstruieren, da dieses nach der Konzeption der Verträge unter erhöhte Transparenzanforderungen gestellt wird.105 In der Praxis erfolgt deswegen die Veröffentlichung entsprechender Vereinbarungen regelmäßig im Amtsblatt der Europäischen Union. ausführlich von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 16. beachten ist allerdings, dass auch eine Interorganvereinbarung, die den Titel „Politische Erklärung“ trägt, durchaus rechtsverbindlich sein kann. Dies verdeutlicht noch einmal, wie willkürlich die Überschriften und Titel von Interorganvereinbarungen gewählt worden sind, vgl. Gemeinsame Politische Erklärung vom 27. Oktober 2011 des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu Erläuternde Dokumente, ABl. C 369 v. 17.12.2001, S. 15. 102  Vgl. auch Voet van Vormizeele, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 295 AEUV, Rn. 6. 103  Vgl. Art. 289 Abs. 1 S. 1, 294 Abs. 2 AEUV, Art. 17 Abs. 2 S. 1 EUV. 104  Vgl. auch Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 295 AEUV, Rn. 19. 105  Vgl. insoweit Erw. 6 und Art. 12 Abs. 2 der Transparenz-VO (EG) Nr. 1049/ 2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. Zur Transparenz im Gesetzgebungsverfahren ausführlich unten S. 180 ff. 100  Vgl. 101  Zu

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Interinstitutionelle Vereinbarungen stellen allgemein formuliert mehrseitige Willensakte der Unionsorgane dar, die nach den jeweiligen organinternen Willensbildungsprozessen der beteiligten Organe zustande gekommen sind. Die Initiative zum Erlass der Vereinbarungen geht dabei oftmals von Parlament oder Kommission aus.106 Für die organinterne Willensbildung des Parlaments regelt Art. 140 GO-EP (2017), dass das Parlament zur Anwendung der Verträge und zur Verbesserung und Verdeutlichung der Verfahren Vereinbarungen mit anderen Organen treffen kann. Diese Vereinbarungen werden nach einer Prüfung durch den für konstitutionelle Fragen zuständigen Ausschuss und nach Zustimmung des Parlaments vom Präsidenten unterzeichnet. Die Geschäftsordnung des Rates regelt bezüglich des Zustandekommens der Vereinbarungen in Art. 8 GO Rat lediglich, dass die Beratungen über Rechtsakte, die die interinstitutionellen Beziehungen betreffen, nichtöffentlich stattfinden. Keine Sonderregelung trifft hingegen die Geschäftsordnung der Kommission. Bevor die Organe jedoch einen Vereinbarungsentwurf annehmen können, muss dieser zunächst ausgehandelt werden. Dies geschieht auf politischer Ebene vor allem in Trilogen107 und interinstitutionellen Konferenzen, in denen sich die Organe gleichrangig gegenüberstehen, wobei wesentliche rechtstechnische Vor- und Unterstützungsarbeiten durch die Hochrangige Gruppe auf technischer Ebene für interinstitutionelle Zusammenarbeit geleistet werden.108 Nach der Aushandlung und den organinternen Beschlüssen entscheiden die Organe selbst, ob und inwieweit eine Veröffentlichung der Vereinbarung vorgenommen wird. Zwar werden interinstitutionelle Vereinbarungen mittlerweile regelmäßig im Amtsblatt veröffentlicht, allerdings ist dies für deren Existenz nicht konstitutiv, zumal nicht einmal die Veröffentlichung im Amtsblatt einheitlich erfolgt.109

106  Dazu näher von Alemann, in: Kietz/Maurer u.  a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 111, 118 ff. 107  So kamen die ersten Interinstitutionellen Vereinbarungen zur Haushaltsdisziplin (1988, 1993) nur unter den vermittelnden Bemühungen des informellen Trilogs zustande, vgl. S. 28 f. 108  Vgl. dazu ausführlich von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 81 ff. 109  So werden die Vereinbarungen in der Serie L, in der Serie C und teilweise sogar nur als Anlage zum Zustimmungsbeschluss des Europäischen Parlaments veröffentlicht, vgl. dazu näher von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 86 ff.



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5. Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei interinstitutionellen Vereinbarungen, wie der hier gegenständlichen gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, um besonderes, organgeschaffenes, sekundäres Gemeinschaftsrecht handelt. Diese Vereinbarungen wurden bereits vor der primärrechtlichen Verfestigung in Art. 295 S. 2 AEUV von der Rechtsprechung des EuGH als Ausfluss des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit anerkannt.110 Ihre Grenzen finden die Vereinbarungen in den Vorschriften der Verträge. Diese sind dann überschritten, wenn es zu einer Änderung der vertraglich vorgesehenen Verfahren, in Abgrenzung zur bloßen Vertragsergänzung, kommt. Ebenfalls nicht verletzten dürfen Interorganvereinbarungen das institutionelle Gleichgewicht. Dies wäre der Fall, wenn Unionsorganen durch die Vereinbarungen eine Entscheidungskompetenz zugesprochen wird, die ihnen die Verträge gerade nicht eingeräumt haben. Die Vereinbarungen im Bereich des Rechtsetzungsverfahrens sind daneben vor allem anhand des unionsrechtlichen Demokratieprinzips aus Art. 10 Abs. 2 EUV und dessen besonderen Ausprägungen der Teilhabe der Unionsbürger aus Art. 10 Abs. 3, 11 EUV und des Transparenzgrundsatzes zu messen. Die Interorganvereinbarungen können grundsätzlich auch rechtsverbindlich sein. Maßgeblich dafür ist nach der hier vertretenen Auffassung, dass die Organe sich entsprechend rechtlich binden wollten.111 Dies ist anhand einer Auslegung vorzunehmen, die neben dem Wortlaut auch die systematische Stellung, den Zweck und die Entstehungsgeschichte der gegenständlichen Vereinbarung in den Blick nimmt. Die Zulässigkeit einer interinstitutionellen Vereinbarung sowie die rechtliche Bindungswirkung sind allerdings strikt voneinander zu trennen. Zum Zustandekommen der Interorganvereinbarungen existieren keine primärrechtlichen Vorschriften und auch in den Geschäftsordnungen der Organe befinden sich nur fragmentarische Regelungen. Die Aushandlung der Vereinbarungen findet deswegen regelmäßig in Trilogen oder auf interinstitutionellen Konferenzen statt, wobei die Organe durch die Hochrangige Gruppe auf technischer Ebene für interinstitutionelle Zusammenarbeit unterstützt werden. Die organinterne Zustimmung richtet sich dann nach den Vorschriften der Organe zu deren Willensbildung. Eine Veröffentlichung der Vereinbarung ist zwar nicht zwingend, erfolgt mittlerweile aber regelmäßig im Amtsblatt der Europäischen Union. 110  Vgl. EuGH Rs. C-25/94 (Kommission/Rat), Urt. v. 19.03.1996, Leitsatz 4; EuGH Rs. C-34/86 (Rat/Parlament), Urt. v. 03.07.1986, Rn. 50. 111  Vgl. EuGH, Rs. C-25/94 (Kommission/Rat), Urt. v. 19.03.1996, Rn. 49.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Interinstitutionelle Vereinbarungen stellen damit nach ihrer Konzeption grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur näheren Ausgestaltung des Mitentscheidungsverfahrens dar. Die Praxis dieser Interorganvereinbarungen hat sich seit den 1970er Jahren bewährt und nicht zuletzt auch deswegen eine Verankerung in Art. 295 S. 2 AEUV erfahren. Neben der allgemeinen Praxis der interinstitutionellen Vereinbarung wurden auch viele einzelne Interorganvereinbarungen im Vertrag von Lissabon primärrechtlich verfestigt.112 Dies zeigt, dass interinstitutionelle Vereinbarungen wesentlich zur Verfassungsentwicklung der Europäischen Union beigetragen haben und immer noch beitragen.113

II. Inhalt der gemeinsamen Erklärung Vergleicht man den Inhalt der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten aus dem Jahr 2007114 mit dem der Vorgängererklärung aus dem Jahr 1999115 fällt auf, dass sich das Verfahren der Triloge zwischen den Jahren 1999 und 2007 wesentlich entwickelt hat. Während die Organe im Jahr 1999 noch bekräftigt haben, dass sich die Kontakte zwischen den Organen im Rahmen des Vermittlungsausschusses bewährt haben und deswegen auf alle Stadien des Mitentscheidungsverfahren ausgebaut werden müssen, meldet die Erklärung aus dem Jahr 2007 einen Vollzug, indem sie feststellt, dass sich die Praxis in allen Stadien des Verfahrens entwickelt hat und weiter gefördert werden soll.116 Hier zeigt sich, dass sich der informelle Trilog, angestoßen durch die gemeinsame Erklärung im Jahr 1999, zunächst im Raum 112  Vgl. Art. 324 AEUV als Verrechtlichung des Finanztrilogs, der durch die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Absicherung des Haushaltsverfahrens vom 30.06.1982, ABl. C 194 v. 03.07.1982, S. 1 ff. eingeführt und durch die Vereinbarungen vom 29.10.1993, ABl. C 331 v. 07.12.1993, S. 1 ff. und 06.05.1999, ABl. C 172 v. 18.6.1999, S. 1 ff. zunächst auf interinstitutioneller Basis fortentwickelt wurde. Vgl. auch Art. 312 AEUV als Verrechtlichung der Finanziellen Vorausschauen und das unter anderem auf Grund der vielen Interorganvereinbarungen veränderte Verfahren der Komitologie, zu Letzterem näher Möllers/von Achenbach, EuR 2011, 39 ff.; Edenharter, DÖV 2011, 645 ff.; aktuell Fabricius, EuZW 2014, S.  453 ff. 113  Ausführlich hierzu von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 321 ff.; Kietz/Slominski, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 13 ff.; Hummer, Paradigmenwechsel im Europarecht, 2004, S. 113, 113 ff. 114  ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 115  ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f. 116  Vgl. Präambel Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 1999, ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f. und Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 2007, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 2.



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der Zusammenarbeitspraxis entwickelt hat und anschließend wiederum in der Erklärung aus dem Jahr 2007 teilverrechtlicht wurde.117 Dies kann man knapp als Deformalisierung des Gesetzgebungsprozesses mit anschließender Reformalisierung zur Einhegung der Organpraxis beschreiben.118 Nach dieser läuft die Zusammenarbeit der Organe häufig im Rahmen von leistungsfähigen und flexiblen Dreiertreffen („Triloge“) ab, die die Möglichkeiten zu einer Einigung in den frühen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens wesentlich verbessert haben.119 Zu den Treffen kann es dabei in allen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens kommen, sie sind nicht auf die Anfangsphase des Verfahrens oder wie ursprünglich auf das Verfahren im Vermittlungsausschuss120 beschränkt.121 Sie können regelmäßig im informellen Rahmen und auf verschiedenen Repräsentationsebenen stattfinden, wobei die einzelnen Organe nach dem Maßstab ihrer Geschäftsordnungen die Teilnehmer der jeweiligen Sitzung und das entsprechende Verhandlungsmandat festlegen.122 Zur Verbesserung der Transparenz sollen die Triloge angekündigt werden.123 Wird in den Stadien der ersten und zweiten Lesung des Europäischen Parlaments durch die informellen Verhandlungen im Rahmen von Trilogen schließlich eine Einigung erzielt, übermittelt der Rat an den Vorsitzenden des zuständigen Parlamentsausschusses ein Schreiben mit Einzelheiten über den Inhalt der Einigung. Gleichzeitig erklärt der Rat in diesem Schreiben die grundsätzliche Bereitschaft, dieses Ergebnis zu akzeptieren, falls es durch eine Abstimmung im Parlament bestätigt wird.124 Wird eine Einigung hingegen im Rahmen des Standpunktes des Rates erzielt, gestaltet sich das Verfahren nach der Einigung diametral.125 117  Von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 198 f. spricht insoweit von einer „bottom-up“ Entwicklung der Verfahrenspraxis im Mitentscheidungsverfahren. 118  Dazu ausführlich und grundlegend von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 19 ff. 119  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 7. 120  Vgl. hierzu S. 32. 121  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mit­ entscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 2, 4, 8, 23, 25. 122  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mit­ entscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 8. 123  Dies allerdings nur, wenn die Triloge beim Europäischen Parlament oder beim Rat stattfinden und eine Ankündigung entsprechend praktisch durchführbar ist, vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 124  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mit­ entscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 14, 23. 125  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 18.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Eine besondere Rolle im Rahmen der Zusammenarbeit und insbesondere im Trilogverfahren nimmt die Kommission ein, da sie beauftragt ist, die Kontakte der Co-Gesetzgeber Rat und Parlament zu unterstützen und hierbei unter Wahrung des interinstitutionellen Gleichgewichts insbesondere durch einen konstruktiven Einsatz ihres Initiativrechts zu einer Annäherung der Standpunkte des Parlaments und des Rates beizutragen.126 Weiterhin wird erklärt, dass die Organe die entsprechenden Verpflichtungen im Einklang mit den Grundsätzen der Transparenz, der demokratischen Kontrolle und der Effizienz uneingeschränkt einhalten werden und dass deren Zusammenarbeit loyal ablaufen soll.127 Da durch die Erklärung keine näheren Ausführungen zur Wahrung dieser bereits primärrechtlich festgelegten Grundsätze getroffen werden, bleibt deren Wiedergabe rein deklaratorisch und ohne näheren Wert für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand. Und auch ganz allgemein ist festzustellen, dass die Erklärung lediglich dazu geeignet ist, einen Rahmen für das Verfahren des informellen Trilogs zu bilden. Dieser Rahmen ist aber uneingeschränkt einzuhalten, womit die Organe ausdrücklich die Verbindlichkeit der interinstitutionellen Vereinbarungen ausdrücken. Weitergehende Regelungen zum genaueren Ablauf der Sitzungen, zu deren Leitung oder zur Art der Kompromissfindung finden sich allerdings nicht, oder sind, wie im Fall der Bestimmung der Beteiligten, den Geschäftsordnungen der Organe überlassen.128

B. Interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung Einige wenige Bestimmungen hinsichtlich der vielfach kritisierten Transparenz der Triloge enthält die interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung aus dem Jahr 2016.129 Diese hat die entsprechende Vereinbarung aus dem Jahr 2003130 ersetzt und soll die oben dargestellte Vereinbarung über die praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens ergänzen.131 126  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 13, 17, 22. 127  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 3, 4. 128  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 8. 129  ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff. 130  ABl. C 321 v. 31.12.2003, S. 1 ff. 131  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 9.

B. Interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung57



I. Hintergrund Insbesondere der Kommission war der Abschluss der vorliegenden Vereinbarung wichtig, weswegen von ihr auch die entsprechende Initiative ausging.132 Als Zielvorstellung wurde unter anderem benannt, dass mehr Offenheit und Transparenz in jeder einzelnen Phase des Gesetzgebungsverfahrens gewährleistet werden soll und zwar „von der Formulierung der ersten Idee über die Vorlage eines Kommissionsvorschlags und die Verabschiedung von Rechtsvorschriften bis zu ihrer Evaluierung.“133 Dabei sei es insbesondere wichtig, den vom Rechtsakt betroffenen Bürgern dessen Inhalte besser zu erklären, damit diese seine Auswirkungen bereits frühzeitig erfassen können.134 Die Kommission hat zur entsprechenden Beteiligung der Bürger und Interessenvertreter einige Maßnahmen entwickelt.135 Sie erkannte aber auch, dass ihre ersten Schritte bisweilen nicht alle Probleme europäischer Gesetzgebung lösen können, da sich ihr Einfluss regelmäßig auf die Initiativphase beschränkt. Deswegen erschien der Kommission der Abschluss einer interinstitutionellen Vereinbarung mit den beiden Co-Gesetzgebern Rat und Europäisches Parlament unumgänglich.136 Zum informellen Trilog an sich, einem der Hauptkritikpunkte des europäischen Gesetzgebungsverfahrens, wurde in der Initiative der Kommission allerdings keine genauere Aussage getroffen. Dies bedauerte auch der Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in der entsprechenden Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag.137 Er kritisierte die informellen Triloge vor allem im Hinblick auf deren Transparenz und die regelmäßig vereinbarten package deals138 und mahnte an, dass zumindest die Ergebnisse der einzelnen Trilogsitzungen sowie das Trilogergebnis veröffentlicht werden sollten.139 Im Interesse einer vollen demokratischen Legitimität und Beteiligung solle sichergestellt werden, dass informelle Triloge auf besondere Notfälle reduziert 132  Vgl.

COM(2015) 215 final. COM(2015) 215 final, Abschnitt 2.1. 134  Vgl. COM(2015) 215 final, Abschnitt 2.2. 135  Sog. „Roadmaps“ und „inception impact assessments“ in deren Rahmen sich zu Beginn der Ausgestaltung einer Initiative eine Beteiligungsmöglichkeit für Interessenvertreter eröffnet wird, vgl. COM(2015) 215 final, Abschnitt 2.1; direkte Konsultation aller EU Bürger im Rahmen des REFIT-Programms bei der Evaluierung bestehender Rechtsvorschriften oder Initiativen, vgl. COM(2014) 368 final, S. 14 f. 136  Vgl. COM(2015) 215 final, Abschnitt 5. 137  ABl. C 13 v. 15.01.2016, S. 192 ff. 138  Das ein Verhandlungspaket teilweise sogar zu einer unzulässigen Kompetenzverschiebung im Bereich des Art. 42 Abs. 2, 3 AEUV führen kann beschäftigte sogar den EuGH, vgl. EuGH, Rs. C-113/14 (Deutschland/Parlament und Rat), Urt. v. 07.09.2016, Rn. 13, 16, 18. 139  Vgl. Stellungnahme des EWSA, ABl. C 13 v. 15.01.2016, S. 192 ff., Erl. 4.3.9. 133  Vgl.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

würden und die überwiegende Mehrheit der Rechtsetzung im normalen Gesetzgebungsverfahren erfolge.140 Beachtet werden muss dabei, dass die Ansicht des EWSA auch von der Tatsache gefärbt ist, dass er als reines Beratungsgremium nach Art. 13 Abs. 4 EUV, Art. 304 AEUV lediglich ein Anhörungsrecht und das auch nur in den von den Verträgen vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren hat. Dadurch wird der EWSA auch nicht an den Trilog-Verhandlungen beteiligt. Ob es dadurch zu einer Verletzung der Rechte des EWSA kommt, kann jedoch an dieser Stelle noch offenbleiben.141

II. Inhalt Keinen Wiederhall fand die Stellungnahme des EWSA in den Inhalten der am Ende abgeschlossenen interinstitutionellen Vereinbarung. Dort sind weder einzelne Maßnahmen zur Herstellung der Transparenz innerhalb des Trilogs noch dessen Eindämmung vorgeschlagen. Es wird lediglich formuliert, dass die drei Organe „auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung für Transparenz bei den Gesetzgebungsverfahren sorgen, indem sie unter anderem auch die trilateralen Verhandlungen angemessen handhaben.“142 Daneben verpflichteten sich die Organe dazu, bis Ende 2016 Plattformen weiterzuentwickeln, die den jeweiligen Stand des Gesetzgebungsdossiers wiedergeben sollen.143 Statt der geforderten Verringerung der Trilogpraxis bekennen sich die Organe vielmehr dazu „dass sich das ordentliche Gesetzgebungsverfahren auf der Grundlage regelmäßiger Kontakte auf allen Stufen des Verfahrens entwickelt hat.“144 Daneben soll es gerade das Ziel der Vereinbarung sein, die Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu erleichtern.145

140  Vgl.

Stellungnahme des EWSA, ABl. C 13 v. 15.01.2016, S. 192 ff., Erl. 4.3.10. zum Ausschluss der unterstützenden Ausschüsse im informellen Trilog vgl. S.  119 f. 142  IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 38. 143  IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 39. 144  IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 32. 145  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“ aus dem Jahr 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 7. 141  Krit.



B. Interinstitutionelle Vereinbarung über Bessere Rechtsetzung59

III. Bewertung Trotz der umfassenden Kritik am Trilogverfahren in der Öffentlichkeit, den Medien, sowie durch den EWSA und die Europäische Bürgerbeauftrage haben es die Organe versäumt, in der interinstitutionellen Vereinbarung zur Besseren Rechtsetzung Maßnahmen zu treffen, die der geäußerten Kritik gerecht werden. So scheint weder ein Interesse an der generellen Eindämmung der Trilogpraxis, noch an einer wirklich ausdifferenzierten inhaltlichen Regulierung derselben zu bestehen. Im Zusammenhang mit der interinstitutionellen Vereinbarung getroffene Maßnahmen, wie beispielsweise der vom Europäischen Parlament ins Leben gerufene legislative train146 sind zwar moderne und innovative Ideen, die den Stand des jeweiligen Gesetzgebungsverfahrens mit dazugehörigen Dokumenten anzeigen, allerdings kaum zur inhaltlichen Transparenz der Triloge beitragen. Dokumente über Zeitpunkt, Abläufe, sowie wesentliche Inhalte der Trilogsitzungen sucht man in diesem Angebot, ebenso wie im legislative Observatory147 des Parlaments, der codecision database148 des Rates oder dem Verzeichnis EUR-LEX149 vergeblich. Bei einem Blick in die dort wiedergegeben Gesetzesdossiers fällt auf, dass im Anschluss an die Veröffentlichung des Initiativvorschlags der Kommission bis zu zwei Jahre keinerlei Unterlagen über den aktuellen Stand des Verfahrens veröffentlicht werden. Dies entspricht in etwa eben der Dauer des informellen Trilogs. Damit ist diese zeitlich ausgedehnte Phase des Prozesses faktisch ausgeblendet. Weitreichendere Regelungen des informellen Trilogs scheiterten im Ergebnis auch daran, dass im Vorfeld der Vereinbarung, ironischerweise in den entsprechenden Trilogsitzungen, entsprechende Maßnahmen nicht in den Vereinbarungstext eingeführt wurden.150 Zu beantworten bleibt damit die Frage, ob und inwieweit die getroffen Maßnahmen ausreichen, um dem noch genauer herauszuarbeitenden Transparenzgrundsatz aus Art. 15 AEUV gerecht zu werden.151

146  Vgl. http://www.europarl.europa.eu/legislative-train/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 147  Vgl. http://www.europarl.europa.eu/oeil/home/home.do (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 148  http://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/ordinary-legis lative-procedure/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 149  Vgl. http://eur-lex.europa.eu/collection/legislative-procedures.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 150  Vgl. hierzu die entsprechende Parlamentsdebatte vom 8. März 2016 mit unterschiedlichen Redebeiträgen, CRE 08/03/2016 – 13, http://www.europarl.europa.eu/ sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20160308+ITEM-013+DOC+XML+ V0//EN (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 151  Dazu näher S. 171 ff.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments Regelungen in Bezug auf den informellen Trilog befinden sich nicht nur in interinstitutionellen Vereinbarungen, sondern auch in Art. 69b  ff. GO-EP (2017) und in dem in Art. 69b GO-EP (2017) erwähnten Verhaltenskodex für interinstitutionelle Verhandlungen.152 Obwohl Triloge schon weitaus früher im interinstitutionellen Recht verankert waren, finden sich Vorschriften über die Mandatierung und Arbeitsweise des Parlaments in den Trilogen erst seit 2009 in der Geschäftsordnung.153 In den Geschäftsordnungen der anderen beiden am Trilog beteiligten Unionsorgane, Rat und Kommission, finden sich derartige Regelungen überhaupt nicht.

I. Rechtscharakter der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments Bei der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments handelt es sich um parlamentarisches Innenrecht.154 Erlassen wird sie von der Mehrheit der Parlamentsmitglieder auf Grundlage von Art. 232 Abs. 1 AEUV. Sie ist damit Ausdruck des den EU-Institutionen zustehenden Selbstorganisationsrechts.155 Dieses Selbstorganisationsrecht beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Geschäftsordnung, sondern umfasst alle zum Funktionieren des Organs erforderlichen Maßnahmen.156 Für die Bearbeitung von Relevanz erscheint nun parallel zum organübergreifenden Selbstorganisationsrecht durch interinstitutionelle Vereinbarungen insbesondere die Frage nach den Grenzen und der Bindungswirkung der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments.

152  Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f. 153  Vgl. von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 7. Die Vorschriften wurden im Dezember 2012 erweitert und bei der Geschäftsordnungsrevision 2016/2017 grundlegend reformiert. Zu den Hintergründen der Reform im Jahr 2012, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 23 f. Zur jüngsten Reform der Geschäftsordnung zum Ende des Jahres 2016 mit Wirkung zu Beginn des Jahres 2017, vgl. http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference =2016/2114(REG) (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 154  Vgl. Hölscheidt, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 232 AEUV, Rn. 6. 155  Vgl. Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 232, AEUV, Rn. 1. 156  Vgl. dazu ausführlich Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 37 ff., 81 ff.



C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments61

1. Grenzen des organinternen Selbstorganisationsrechts In seiner Funktionsweise ist das organinterne Selbstorganisationsrecht mit dem Interorganrecht vergleichbar. Während sich die Organe durch interinstitutionelle Vereinbarungen selbst Regeln zu ihrer Zusammenarbeit setzen, schaffen sie durch Innerorganrecht Kriterien für ihren eigenen Entscheidungsprozess. In beiden Varianten sind die Organe aber sowohl Rechtsetzer, als auch Unterworfene ihres eigenen Rechts. Deswegen kann bezüglich der Grenzen des organinternen Selbstorganisationsrechts in den Grundlagen auf die bereits oben erwähnten Maßstäbe im Rahmen der interinstitutionellen Vereinbarungen verwiesen werden.157 Die wesentliche Schranke für die Regelungen der Geschäftsordnung des Parlaments ist somit wiederum das vertragliche Primärrecht. Dabei müssen allerdings neben den bereits dargestellten Prinzipien insbesondere die Individual- und Funktionsrechte der Parlamentsmitglieder beachtet werden.158 Bezüglich der organinternen Selbstorganisation existieren auch einige das Europäische Parlament betreffende Spezialvorschriften, die durch seine Geschäftsordnung nicht umgangen werden dürfen. Hierbei handelt es sich um inhaltlich vorgeprägte Handlungsermächtigungen, deren Rechtswirkung nicht durch die Geschäftsordnung begründet, sondern lediglich konkretisiert wird.159 So normiert beispielsweise Art. 232 Abs. 2 AEUV, dass die Verhandlungsniederschriften nach Maßgabe der Verträge und der Geschäftsordnung veröffentlicht werden. Dies ist direkter Ausdruck des „demokratischen Prinzips der Öffentlichkeit parlamentarischer Tätigkeit“,160 das durch die ausdrückliche Nennung in Art. 232 Abs. 2 AEUV nochmals betont wird. Es handelt sich, trotz der nicht eindeutigen Wortlautformulierung, um ein Veröffentlichungsgebot, dass nicht durch die GO-EP abbedungen, sondern lediglich konkretisiert werden kann.161 Durch die Geschäftsordnung dürften zu Gunsten des Parlaments zudem keine Zuständigkeiten eingeräumt werden, die diesem nicht ausdrücklich durch Primärrecht eingeräumt wurden.162 Neben der Neuschaffung von 157  Vgl.

dazu oben S. 38 ff. Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 141 ff. 159  Dazu näher Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 98 ff. 160  Vgl. Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 232 AEUV, Rn. 13. 161  Zur Genese der Vorschrift vgl. Hölscheidt, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 232 AEUV, Rn. 21. 162  Vgl. EuGH, Rs. C-200/07 (Marra/De Gregorio), C-201/07 (Clemente), Urt. v. 21.10.2008, Rn. 38; EuGH, Rs. C-393/07 (Italien/Parlament), C-9/08 (Donnici/Parlament), Urt. v. 20.04.2009, Rn. 48. 158  Ausführlich

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Kompetenzen ist es damit dem Parlament erst Recht nicht gestattet, das interinstitutionelle Gleichgewicht dergestalt zu beeinträchtigen, dass es sich Zuständigkeiten anderer Organe aneignet. Konfliktlinien ergaben sich hierbei in der Vergangenheit insbesondere bei der Besetzung der Kommission.163 Das Parlament hat in diesem Bereich ohne entsprechende vertragliche Grundlagen mit Hilfe der Geschäftsordnung und seiner sonstigen Organpraxis Fakten geschaffen, die erst im Anschluss nach und nach im Rahmen von Vertragsrevisionen berücksichtigt worden sind.164 Dies war einerseits dem Wunsch nach einer zunehmenden Parlamentarisierung geschuldet, beschnitt damit aber andererseits die Kompetenzen des Rates und der Mitgliedstaaten. Zu einer juristischen Auseinandersetzung kam es trotz entsprechender Kritik an dieser Praxis dennoch nicht. Dies lag sowohl am politischen Charakter der Kommissionsbestellung, als auch an der Tatsache, dass der Vertragswortlaut insoweit bewusst offen normiert wurde.165 Auch die immer wieder vorgetragene Überlegung166 bezüglich eines konsultativen Referendums, also einer Befragung der Unionsbürger durch das Parlament zu einem bestimmten Thema, könnte zu einer Beeinträchtigung des interinstitutionellen Gleichgewichts führen, weil sich der Rat so einem faktischen großen Druck ausgesetzt fühlen würde, da er den plebiszitär legitimierten Wünschen des Europäischen Parlaments kaum entgegenstehen könnte.167 2. Bindungswirkung organinternen Selbstorganisationsrechts Wesentlich umstrittener ist dagegen die Frage, ob und inwieweit das organ­interne Selbstbindungsrecht des Europäischen Parlaments, hier in Form der GO-EP, dieses bindet und damit verbunden die Frage, ob und inwieweit 163  Seit längerem umstritten ist hier insbesondere die im Auswahlprozess erfolgende Anhörung einzelner potentieller Kommissionsmitglieder in den Parlamentsausschüssen nach Art. 118 Abs. 1 GO-EP (2017), die möglicherweise im Widerspruch zu Art. 17 Abs. 7 UAbs. 3 S. 1 EUV steht, nach welchem sich die Kommission als Kollegium dem Zustimmungsvotum des Parlaments stellen muss, vgl. hierzu näher und m. w. Nw. Eickhoff, Funktionsrecht des Europäischen Parlaments, 2008, S. 48 ff. In jüngerer Zeit sorgte die Durchsetzung eines „Spitzenkandidaten“ als Kommissionspräsident durch das Europäische Parlament im Anschluss an die Europawahl für Diskussionsstoff. So war im Jahr 2014 Jean-Claude Junker gegenüber dem Europäischen Rat als Präsident durchgesetzt worden, krit. hierzu Holzner, EuR 2015, S. 525 ff.; vgl. auch Lehner, NVwZ 2015, S. 20 ff. 164  Vgl. hierzu Holzner, EuR 2015, S. 525, 526 f. 165  Vgl. insoweit Art. 17 Abs. 7 EUV, dazu näher Hrbek, Integration 2014, S. 205, 226. 166  Vgl. Böttger, EuR 2002, S. 898, 902. 167  Dazu näher Huber, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2.  Aufl. 2012, Art. 232 AEUV, Rn. 4.



C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments63

Dritte, insbesondere die anderen Organe, durch diese Regelungen (mittelbar) gebunden werden. Grundsätzlich handelt es sich bei Maßnahmen des organinternen Selbstorganisationsrechts um Organinnenrecht, das nach vielfach vertretener Auffassung keine Außenwirkung entfaltet.168 Dennoch entwickelt sich aus der Geschäftsordnung insoweit eine Bindungswirkung für das Europäische Parlament, dass ein Rechtsakt, der entgegen der Geschäftsordnungsvorschriften zustandegekommen ist, nichtig sein kann.169 Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV wären die einzelnen Vorschriften der Geschäftsordnung insoweit als wesentliche Formvorschriften im Sinne des Art 263 Abs. 2 AEUV anzusehen.170 Denn diese Verfahrensregeln sind selbst dann zu beachten, wenn mit einer größeren Mehrheit entschieden wird, als dies zur Änderung der Geschäftsordnung erforderlich ist.171 Die rechtliche Bindung des Parlaments an seine Geschäftsordnung kann damit nur durch eine förmliche Änderung der Geschäftsordnungsvorschrift aufgelöst werden. Damit ergibt sich die Bindungswirkung des Parlaments an seine Geschäftsordnung unmittelbar aus seiner primärvertraglichen Berechtigung zum Erlass derselben nach Art. 232 Abs. 1 AEUV.172 Fraglich ist nun, ob entgegen der oben zitierten Auffassung, diese Bindung des Parlaments an sein Selbstorganisationsrecht auch in der Gestalt Wirkung entfalten kann, dass Organteile oder Dritte davon betroffen sind oder sich auf eine Einhaltung dieser Vorschriften berufen können. In Betracht kommen insoweit Mitglieder, Teile oder Bedienstete des Europäischen Parlaments, andere am Gesetzgebungsverfahren beteilige Organe oder am Verfahren unbeteiligte Dritte, wie beispielsweise Unionsbürger. Bezüglich der Wirkung seines Selbstorganisationsrechts unterscheidet das Europäische Parlament selbst zwischen Organhandlungen, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entwickeln und Handlungen, die im Rahmen der internen Selbstorganisation ergehen und ihre Rechtswirkungen nur innerhalb des Parlaments entfalten.173 Auch der EuGH scheint in seinen maßgeblichen Entscheidungen zwischen 168  Hölscheidt, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 232  AEUV, Rn. 6; Huber, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 232 AEUV, Rn. 3, 7, wohl anknüpfend an dogmatische Erwägungen im Rahmen des deutschen Verfassungsrechts, allerdings ohne nähere Begründung. 169  Die Rechtsprechung des EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, in welcher dieser einen Rechtsakt des Rates für nichtig erklärt hatte, nachdem dieser entgegen der einschlägigen Geschäftsordnungsvorschriften zustande gekommen ist, kann auf das Europäische Parlament übertragen werden. 170  EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 49. 171  EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 48. 172  Vgl. Eickhoff, Funktionsrecht des Europäischen Parlaments, 2008, S. 44 f. 173  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Oktober 1986, ABl. C 283 v. 10.11.1986, S. 85; dazu ausführlich Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 136.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

reinen Innen- und Außenrechtswirkungen abzugrenzen, wobei er zunächst im Rahmen der Zulässigkeit174, mittlerweile im Rahmen der Begründetheit175 herausarbeitet, ob der Kläger durch die gegenständliche Organmaßnahme in seinen Rechten verletzt sein könnte. Er betont aber ausdrücklich, dass die formale Charakterisierung als organinterne Maßnahme einer Rechtswirkung gegenüber Dritten nicht im Wege steht.176 An der Unterscheidung des EuGH und des Parlaments muss allerdings kritisiert werden, dass sich die Einteilung in Innen- und Außenrechtswirkung zu sehr am Maßstab der Justiziabilität orientiert.177 Dies lässt außer Acht, dass es Funktionsnormen gerade immanent ist eine gewisse Außenwirkung zu erzeugen, da sie dazu bestimmt sind, die Ausübung der Befugnisse eines Organs zu ermöglichen und sich damit in Handlungen konkretisieren, die auch außerhalb des Organs wirken.178 Die möglicherweise fehlende Sanktion eines Verstoßes gegen diese Handlungen schließt damit nicht die objektive Bindung an selbige aus.179 Zur Charakterisierung der Rechtswirkung nach außen erscheint es damit zielführender, die Wirkung nach dem Ausmaß der möglichen Betroffenheit der Adressaten zu kategorisieren und dabei die unterschiedlichen Normgehalte der Vorschriften zu berücksichtigen.180 Legt man diesen Bewertungsmaßstab zu Grunde, erscheint es durchaus möglich, dass einzelne Geschäftsordnungsvorschriften die anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe zumindest mittelbar binden und insoweit auch Rechtswirkung gegenüber diesen entfalten. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich um Funktionsnormen handelt, die Verfahren in Gang setzen und damit für die Wahrnehmung der Befugnisse von anderen Organen von unmittelbarer Bedeutung sind.181 Derartige Maßnahmen 174  Im Rahmen der Urteile des EuGH, Rs. 124/78 (List/Kommission), Urt. v. 12.07.1979, Rn. 4 f.; EuGH, Rs. 338/82 (Albertini und Montagnami/Kommission), Urt. v. 17.05.1984, Rn. 46 ging es um beamtenrechtliche Streitigkeiten. Der EuGH hat jeweils die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung abgelehnt, dass die organinternen Maßnahmen nicht dazu geeignet waren die Beamten in ihrer Rechtsstellung zu verletzen; vgl. auch EuGH, Rs. 78/85 (Groupe des Droites européennes/Parlament), Urt. v. 04.06.1986, Rn. 11. 175  EuGH, verb. Rs. C-237/11, C-238/11 (Frankreich/Parlament), Urt. v. 13.12. 2012, Rn. 20. 176  Vgl. EuGH, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Urt. v. 30.04.1996, Rn.  38 m. w. Nw. 177  So auch Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 137 f.; vgl. Eickhoff, Funktionsrecht des Europäischen Parlaments, 2008, S. 43 f. 178  Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 138. 179  Vgl. von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S.  238 m. w. Nw. 180  Ausführlich Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 138 ff. 181  Eickhoff, Funktionsrecht des Europäischen Parlaments, 2008, S. 45.



C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments65

können nicht auf den internen Organisationsbereich des Europäischen Parlaments begrenzt werden.182 Mittelbare Bindungswirkungen entstehen insbesondere dann, wenn durch das Organinnenrecht des Parlaments interne Vorgaben für Frist- und Verfahrensregeln im kooperativ ausgeformten Gesetzgebungs- oder Haushaltsverfahren erlassen werden.183 Zu beachten ist allerdings, dass eine mittelbare Bindungswirkung nicht aus rein deklaratorischen, also höherrangiges Recht reproduzierenden, oder aus den Verträgen widersprechenden Funktionsnormen erwachsen kann.184 Im ersteren Fall erwächst die Bindungswirkung bereits aus der primärrechtlichen Regelung, im zweiten Fall wird sie durch deren Vorrang verhindert. 3. Zwischenfazit Die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments ist dem organinternen Selbstordnungsrecht zuzuordnen. Ihre Ausgestaltung unterliegt dabei im Wesentlichen denselben Schranken, die bereits im Rahmen der Zulässigkeit der interinstitutionellen Vereinbarungen herausgearbeitet wurden. Besonders zu beachten ist beim Erlass der Geschäftsordnung allerdings, dass durch diese die Arbeit des Parlaments betreffende Spezialvorschriften in den Verträgen nicht derogiert werden dürfen. Daneben sind die einzelnen Funktionsnormen stets mit den Individual- und Funktionsrechten der Parlamentsmitglieder in Einklang zu bringen.185 Die Vorschriften der Geschäftsordnung sind für das Parlament bindend und können nicht durch Beschluss oder Entschließung, sondern allein durch die formale Änderung der Geschäftsordnung aufgehoben oder geändert werden.186 Bei nicht rein deklaratorischen oder lediglich orientierenden Normen, deren Bindungswirkung generell nicht aus der Geschäftsordnung erwächst,187 ist es zudem möglich, dass die Geschäftsordnung auch die anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe mittelbar bindet. Dies ist dann der Fall, wenn die Ausübung der eigenen Organrechte von Kommission und Rat durch die Vorschriften der Geschäftsordnung des Parlaments unmittelbar beeinflusst werden.

182  Eickhoff, 183  Vgl.

Funktionsrecht des Europäischen Parlaments, 2008, S. 45. dazu ausführlich Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992,

S.  163 ff. 184  Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 165 f. 185  Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 141 ff. 186  EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988. 187  Zur Unterscheidung Bieber, Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S.  138 ff.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

II. Inhalt In Art. 69b ff GO-EP (2017) wird der genauere Ablauf der Triloge, natürlich vor allem im Blick auf die Arbeitsweise im Parlament und in den Ausschüssen, beschrieben. Das wichtigste zuständige Parlamentsgremium während der informellen Verhandlungen in erster und zweiter Lesung ist der federführende Parlamentsausschuss.188 Dieser legt das Mandat und die Zusammensetzung für die informellen Verhandlungen durch Beschluss der Mehrheit seiner Mitglieder fest.189 Das Mandat besteht aus einem Bericht zum gegenständlichen Gesetzgebungsakt, der im Ausschuss angenommen wurde und zur späteren Überprüfung an das Plenum eingereicht wird.190 Durch die Geschäftsordnungsnovelle vom Ende des Jahres 2016 wurde zudem die Möglichkeit der Verfahrenseröffnung nach Art. 74 GO-EP (2014) abgeschafft.191 Nach dieser, ohnehin selten bemühten Regelung,192 konnten die Verhandlungen auch vor Annahme eines Berichts im Ausschuss begonnen werden, wenn das Mandat aus einer Reihe von Änderungsanträgen oder aus einer Reihe klar definierter Ziele, Prioritäten oder Leitlinien bestand.193 Dadurch erhoffte man sich, dass das Verhandlungsteam möglichst unvorbelastet in den Diskurs mit dem Rat einsteigen und so dessen Standpunkt besser entgegenkommen könne.194 Die Abschaffung der Verhandlungen vor Annahme eines Berichts im zuständigen Ausschuss verfolgt demgegenüber in erster Linie zwei Ziele, nämlich die Verbesserung der Transparenz der informellen Verhandlungen, sowie die Stärkung der Stellung der legislativen Ausschussberichte als Verhandlungsgrundlage.195 Daneben wurde auch die Beteiligung des Parlamentsplenums bei der Aufnahme von Verhandlungen vor der ersten parlamentarischen Lesung verbessert.196

188  Art. 69c Abs. 1 GO-EP (2017) i. V. m. Ziff. 1 des Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017). 189  Art. 69c Abs. 1 GO-EP (2017), Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017). 190  Art. 69c Abs. 1 GO-EP (2017), Art. 69f Abs. 4 GO-EP (2017). 191  Zu den Hintergründen der Geschäftsordnungsnovelle ausführlich und m.w.Nw: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=20 16/2114(REG) (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 192  In der Legislaturperiode zwischen 2009 und 2014 wurden nur ca. 5 % aller Beschlüsse zur Aufnahme von informellen Verhandlungen nach Art. 74 GO-EP (2014) in diesem „Sonderverfahren“ getroffen, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 25. 193  Vgl. Art. 74 GO-EP (2014). 194  Von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 7. 195  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 21 f. 196  Vgl. dazu Art. 69c Abs. 2, 3, 4 GO-EP (2017).



C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments67

Das Verhandlungsteam des Parlaments wird vom zuständigen Berichterstatter geleitet. Den Vorsitz in den Trilogen führt der Vorsitz des zuständigen Ausschusses oder ein von ihm benannter Stellvertreter. Daneben gehören dem Verhandlungsteam auch die Schattenberichterstatter jeder Fraktion, die sich beteiligen möchte, an.197 Eine Veröffentlichung der Namen der Berichterstatter und Schattenberichterstatter in den jeweiligen Verhandlungsteams erfolgt im Internet.198 Wichtigstes Hilfsmittel in den interinstitutionellen Verhandlungen sind die auf das Vermittlungsverfahren zurückgehenden Vierspaltendokumente. In den jeweiligen Spalten werden die Standpunkte der drei beteiligten Organe und eine Kompromisslösung wiedergegeben.199 Dieses Dokument ist dem Verhandlungsteam mindestens 48 Stunden, in dringenden Fällen 24 Stunden vor der Verhandlung zur Verfügung zu stellen.200 Nach jedem Trilog erstattet das Verhandlungsteam dem zuständigen Ausschuss einen Bericht. Der Ausschuss kann dann das Mandat je nach Fortschreiten der Verhandlungen erweitern.201 Dem Ausschuss müssen dabei lediglich die Dokumente zur Verfügung gestellt werden, die die Ergebnisse des Trilogs, nicht aber einzelne Verhandlungsinhalte, wiedergeben.202 Kommt es schließlich im Rahmen des Trilogs zu einem Kompromiss, wird der vereinbarte Text dem zuständigen Ausschuss zur Billigung vorgelegt.203 Im Anschluss daran wird die Einigung dem Plenum vorgelegt, wobei die durch den Trilog herbeigeführten Änderungen kenntlich gemacht werden müssen.204

III. Bindungswirkung Bei den gegenständlichen Regelungen der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments handelt es sich nicht um lediglich deklaratorische Normen, da sie ein informelles Verfahren kodifizieren,205 das im Detail weder in den 197  Vgl.

Zum Ganzen Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017). für den jeweiligen Gesetzgebungsakt den „Legislative Observatory“ des Europäischen Parlaments, http://www.europarl.europa.eu/oeil/home/home.do (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 199  Vgl. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 5. 200  Art. 69f Abs. 2 GO-EP (2017). 201  Art. 69f Abs. 3 GO-EP (2017). 202  Art. 69f Abs. 4 GO-EP (2017). 203  Art. 69f Abs. 4 GO-EP (2017). 204  Art. 69f Abs. 4 GO-EP (2017). 205  Vgl. beispielhaft zu den Beweggründen der mittlerweile geänderten Art. 73, 74 GO-EP (2014) Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014 S. 26. 198  Vgl.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

Verträgen noch in den bindenden interinstitutionellen Vereinbarungen beschrieben wird. Die Vorschriften sollen auch nicht rein orientierend sein, sondern durch ein festes Verfahren die parlamentsinternen Arbeitsmethoden harmonisieren.206 Folglich ist die Einhaltung der gegenständlichen Verfahrensvorschriften nach den bereits erarbeiteten Grundsätzen für das Parlament und die zuständigen Ausschüsse bindend. Durch das beschriebene Verfahren werden der Rat als Co-Gesetzgeber und die beteiligte Kommission ebenfalls mittelbar gebunden. Sie können ihre in der gemeinsamen Erklärung207 selbst aufgestellten Verfahrensrechte nur dann wahrnehmen, wenn das Parlament an diesen nach Maßgabe seiner Geschäftsordnung ebenfalls teilnehmen kann. Insoweit stellen die Art. 69b ff. GO-EP eine Konkretisierung der gemeinsamen Erklärung dar, nach welcher jedes Organ nach der Maßgabe seiner Geschäftsordnung seine Teilnehmer der jeweiligen Sitzung benennt und das Mandat für die Verhandlungen festlegt.208 Eine Einhaltung der Geschäftsordnungsvorschriften gebietet sich damit auch gegenüber Rat und Kommission, da interinstitutionelle Verhandlungen nur dann Sinn ergeben, wenn man sich auf eine hinreichende Legitimation der an den Gesprächen beteiligten Vertreter verlassen kann. Dies stellt nichts anderes als die Verwirklichung des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit der Organe aus Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV dar. Daneben bewirkt das innerparlamentarische Verfahren auch eine gewisse Transparenz gegenüber Rat und Kommission. Die den Trilog vorbereitenden Ausschusssitzungen sind grundsätzlich öffentlich und werden größtenteils sogar per Web-Stream übertragen.209 Außerdem kann Rats- und Kommissionsvertretern gemäß Art. 206 Abs. 2 GO-EP (2017) sogar die Teilnahme an Ausschusssitzungen eingeräumt werden. Die Praxis des Parlaments sorgt dafür, dass Kommission und Rat sich im Vorfeld der interinstitutionellen Verhandlungen umfassend mit dem Standpunkt des Parlaments bzw. seiner Ausschüsse auseinandersetzen können. Durch die Verfestigung des innerparlamentarischen Verfahrens zum Trilog sind also mittelbar bedeutende Informationsmöglichkeiten für die anderen beteiligten Organe entstanden, die diesen zu Gute kommen. 206  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014 S. 26. 207  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 208  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 8. 209  Vgl. Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017). Im online Bereich des Europäischen Parlaments können daneben auch die Tagesordnungen und Protokolle der Sitzungen eingesehen werden, vgl. http://www.europarl.europa.eu/committees/de/about-commit tees.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



C. Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments69

IV. Zwischenfazit In Art. 69b ff. GO-EP (2017) wird das innerparlamentarische Verfahren bezüglich des informellen Trilogs umfassend geregelt. Neben der Zusammensetzung und Mandatierung des Verhandlungsteams wird auch die Arbeitsweise innerhalb der Trilogsitzungen dargestellt. Die entsprechenden Vorschriften binden das Parlament im Vorgehen und entfalten darüber hinaus auch mittelbare Bindungswirkungen für Kommission und Rat, indem sie deren Rechtskreis berühren. So handelt es sich um eine Konkretisierung der in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens angelegten Regelungen, in welcher sich die Organe auf eine loyale Zusammenarbeit im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens verpflichtet haben.210 Die aus der Geschäftsordnung erwachsenden Legitimationswirkungen für das parlamentarische Verhandlungsteam und die mit dem Verfahren einhergehenden Informationsmöglichkeiten für Rat und Kommission schaffen ein entsprechendes Vertrauen in die parlamentarische Praxis, das nicht ohne weiteres aufgelöst werden darf. Kritisch angemerkt werden muss allerdings, dass sich aus den parlamentarischen Verfahrensvorschriften zwar eine gewisse Transparenz für das Verfahren im Parlament und in den Ausschüssen ableitet, die Transparenz der Triloge an sich aber kaum berührt wird. Damit verfehlen die Regelungen teilweise immer noch das selbst auferlegte Ziel des Parlaments, durch die Geschäftsordnungsvorschriften „die Transparenz des Legislativverfahrens zu verbessern.“211 Deutlich wird dies insbesondere anhand von Art. 69f Abs. 4 GO-EP (2017), nach welchem das Verhandlungsteam den Ausschuss lediglich über das Ergebnis der Verhandlungen, nicht aber über den Verlauf der mündlichen Diskussion an sich unterrichten muss. Selbst die öffentliche Ankündigung der Trilogsitzungen steht nur unter Vorbehalt.212

210  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 4. 211  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 26. 212  Vgl. insoweit den Wortlaut von Ziff. 5 des Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S.  78 f.: „Triloge des Europäischen Parlaments und des Rates werden grundsätzlich angekündigt, um eine größere Transparenz zu erreichen.“

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe Ein Überblick über die Trilogpraxis erfolgt auch in einzelnen Leitfäden der Organe zum Mitentscheidungsverfahren. Alle beteiligten Organe haben entsprechende Dokumente veröffentlicht.213 In diesen Veröffentlichungen werden im Wesentlichen das Verfahren und die Beteiligten des informellen Trilogs, teilweise bezugnehmend auf die hier erarbeiteten Rechtsgrundlagen, dargestellt.

I. Rechtscharakter und Bindungswirkung Bei den von den Unionsorganen herausgegeben Leitfäden handelt es sich um Informationsdokumente, die sich an alle richten, die am Gesetzgebungsprozess mitwirken oder sich für diesen interessieren.214 Sie werden nicht in einem legitimierenden Verfahren erlassen, sondern von intern Beauftragten herausgegeben.215 Damit kann den Leitfäden an sich weder eine Rechtsnoch eine Bindungswirkung zugesprochen werden, da sie lediglich deskriptiv das angewandte Verfahren der Triloge beschreiben. Dennoch strahlen die Leitlinien durch die Beschreibung einer verfestigten Organpraxis eine generalisierend verfahrensordnende Wirkung aus.216 Es kommt durch die Leitlinien zwar zu keiner Rechts- und Bindungswirkung, diese können aber sehr wohl aus den in den Leitlinien beschriebenen nicht kodifizierten Handlungen erwachsen. Hierbei muss zwischen organinternen Maßnahmen des Selbstorganisationsrechts, wie beispielsweise der Mandatierung und Zusammensetzung des Verhandlungsteams des Rates und den Maßnahmen der interinstitutionellen Zusammenarbeit unterschieden werden.

213  Das Parlament hat den Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014 und das Handbuch für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 11/2017, der Rat den Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016 und die Kommission hat sogar einen Verhaltenskodex für interne Verfahren veröffentlicht, Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73. 214  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, Vorbemerkung. 215  Der Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung wurde beispielsweise vom Referat Vermittlungs- und Mitentscheidungsverfahren (CODE) erarbeitet, den Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren hat das Generalsekretariat des Rates herausgegeben. 216  Von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 167 m. w. Nw., insbesondere zur politikwissenschaftlichen Diskussion, für die die rechtliche Qualifikation der Leitlinien nahezu irrelevant ist.



D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe 71

Die Maßnahmen des organinternen Selbstorganisationsrechts beschränken sich wie bereits erwähnt217 nicht alleine auf den Erlass von Geschäftsordnungen, sondern umfassen auch alle anderen zum Funktionieren des Organs erforderliche Maßnahmen.218 Werden diese allein in den Leitlinien beschrieben, stehen sie zwar nicht in der Geschäftsordnung, bleiben damit aber dennoch eine Maßnahme der organinternen Selbstorganisation mit entsprechenden Rechts- und den beschriebenen mittelbaren Bindungswirkungen gegenüber den anderen Organen. Denn auch durch eine verfestigte Organpraxis wird ein Vertrauen geschaffen, das nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Organe aus Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV Berücksichtigung finden muss. Nach diesem Grundsatz kann nichts anderes für die in den Leitlinien beschriebenen nicht kodifizierten interinstitutionellen Maßnahmen gelten. Durch die verstetigten Verhaltensweisen der Beteiligten entstehen entsprechende Verhaltenserwartungen, die in Richtung eines Interorgangewohnheitsrechtes weisen.219 Dieses entwickelt nach dem Prinzip der Organtreue und des Vertrauensschutzes ebenfalls grundsätzlich Bindungswirkung zwischen den Organen.220

II. Inhalt In den Leitlinien von Rat und Parlament werden die Teilnehmer und das Verfahren der Triloge relativ ausführlich dargestellt. Kommt es zu einem Gesetzesvorschlag durch die Kommission, prüfen zunächst die Arbeitsgruppe des Rates und der zuständige Parlamentsausschuss das Dossier.221 Die Arbeitsgruppe des Rates informiert sich hierbei laufend über den Stand der Beratungen im zuständigen Parlamentsausschuss.222 Stehen schließlich die Standpunkte der Delegationen in den wichtigsten Fragen fest, können entsprechende Kontakte und Verhandlungen im Rahmen des Trilogs aufgenommen werden.223 Zweck dieser Kontakte ist es, eine Einigung über ein Paket

217  Vgl.

dazu oben S. 60. Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 37 ff., 81 ff. 219  Zur Möglichkeit der Entstehung von Gewohnheitsrecht vgl. auch von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 166. 220  Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 61. 221  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 222  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 223  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 218  Bieber,

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

von Abänderungen zu erzielen, das für Rat und Parlament akzeptabel ist.224 Der Rat unterscheidet hierbei zwischen politischen und fachlichen Trilogen.225 Während bei einem politischen Trilog wichtige politische Fragen auf Repräsentantenebene geklärt werden sollen, werden bei einem fachlichen Trilog auf untergeordneter Ebene fachliche Fragen nicht umstrittener Natur und/oder Fragen besprochen, die fachlich so komplex sind, dass eine gründliche Erörterung erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass die beiden gesetzgebenden Organe ein gemeinsames Verständnis haben.226 Welche Fragen fachlich und welche politisch sind, sollte möglichst frühzeitig im Rahmen der interinstitutionellen Verhandlungen festgestellt werden.227 Die Triloge werden entweder in den Räumen des Parlaments oder des Rates abgehalten, die dafür jeweils eigene Sitzungsräume eingerichtet haben.228 Die Mandatierung und Zusammensetzung der Verhandlungsteams wird ebenfalls beschrieben. Innerhalb des Ministerrates mandatiert der Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV)229 in der Regel den Ratsvorsitz zur Verhandlungsführung, obwohl es kein formales Erfordernis auf dieser Ebene gibt.230 Während dagegen die Beauftragung und Zusammenstellung des parlamenta224  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 225  Die „fachlichen Triloge“ werden auch als Fachsitzungen bezeichnet und sind nicht Gegenstand dieser Bearbeitung, da sich die allgemeine Diskussion um den informellen Trilog in der einschlägigen Literatur auf Grund deren rechtlicher Präzisierungsbedürftigkeit ausschließlich mit „politischen Trilogen“ befasst. Um Missverständnissen vorzubeugen, wird mit der allgemeinen Verwendung des Begriffs (informeller) Trilog immer auf „politische Triloge“ Bezug genommen. Roederer-Rynning/ Greenwood, Journal of European Public Policy 2015, S. 1148, 1153 ff. teilen aus politikwissenschaftlicher Sicht die Triloge gar in drei verschiedene Praxisebenen ein: Auf der ersten Ebene befinden sich die politischen Triloge als „full trilogue“, auf der zweiten Ebene befinden sich die vorbereitenden und technische Details besprechenden „technical trilogues“, während auf der dritten Ebene sonstige informelle bilaterale Kontakte zwischen Parlament und Rat aufgezählt werden. 226  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22 f. 227  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 228  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22, 24, Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 24. 229  Zum AStV siehe im Folgenden S. 104 ff. 230  Hier wird deutlich, dass die Geschäftsordnung des Rates keine Aussage zu Mandatierung und Zusammensetzung des Verhandlungsteams trifft und sich insoweit eine entsprechende Organpraxis verfestigt haben könnte, vgl. Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 30 f.; Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23.



D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe 73

rischen Verhandlungsteams in weitestgehend formalisierter Form abläuft,231 variieren die Teilnehmer der Verhandlungsteams des Rates und der Kommission je nach Phase der Verhandlung und Bedeutung des verhandelten Themas.232 Für den Rat entscheidet nach entsprechender Mandatierung der jeweilige Ratsvorsitz, ob der Präsident des AStV das Verhandlungsteam des Ratsvorsitzes anführt.233 Dieser nimmt dann allerdings nur an politischen Trilogen teil, während der Vorsitzende der zuständigen Ratsarbeitsgruppe an fachlichen Trilogen teilnimmt.234 Das Verhandlungsteam des Rates wird unterstützt durch den für das Dossier zuständigen service traitant235, den Juristischen Dienst und das Referat Gesetzgebung.236 Die Kommission wird in den Trilogen normalerweise von Vertretern der zuständigen Generaldirektion, bei politisch bedeutsamen Themen vom zuständigen Generaldirektor oder dem zuständigen Kommissionsmitglied, repräsentiert.237 Das Verhandlungsmandat wird vom Kommissionskollegium über die Gruppe für interinstitutionelle Beziehungen erteilt und in nahezu wöchentlichen Sitzungen aktualisiert.238 Über den genauen Ablauf und Inhalt der Trilogsitzungen treffen auch die Leitlinien kaum Aussagen. Lediglich, dass diese jeweils von dem Mitgesetzgeber geleitet werden, der Gastgeber der Sitzung ist, die einzelnen Standpunkte der Organe wiedergegeben werden und sich im Anschluss daran eine Debatte entwickelt, wird grob beschrieben.239 Diese Debatten finden mündlich und im komplett informellen Rahmen statt, der Teilnehmerkreis ist auf die Verhandlungsteams beschränkt, es wird kein Protokoll geführt, und es findet keine Veröffentlichung über die Inhalte der Diskussion statt.240 Im Leitfaden des Parlaments wird allein das vierspaltige Arbeitsdokument als wichtigstes Arbeitsmittel näher beschrieben. In den ersten drei Spalten wer231  Siehe

oben S. 60 ff. Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 233  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 234  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 235  Als „service traitant“ wird die zuständige politische Generaldirektion des Generalsekretariats des Rates bezeichnet. 236  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 237  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, 28. 238  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 29. 239  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 240  Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 8. 232  Europäisches

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

den die jeweiligen Standpunkte der drei Organe dargestellt. Die vierte Spalte ist für Kompromissvorschläge vorgesehen.241 Die Ergebnisse des Trilogs werden jeweils von den Delegationen an die Mandatsgremien übermittelt, dort wird die Einigung bewertet und das Verhandlungsmandat entsprechend angepasst.242 Kommt es in einem ersten Trilog zu keiner Einigung, werden weitere Triloge nach jeweiliger Anpassung der Verhandlungsmandate durchgeführt.243 Die Häufigkeit und Zahl der Triloge hängt hierbei vom jeweiligen Thema und den spezifischen politischen Umständen, wie einer bevorstehenden Neuwahl im Parlament oder der Rotation des Ratsvorsitzes, ab.244 Wird ein Trilog mit einem Kompromiss beendet, ist dieser informell und ad referendum, muss also vom zuständigen Parlamentsausschuss, dem AStV und dem Kommissionskollegium bestätigt werden, bevor Parlament und Rat abschließend den Rechtsakt erlassen.245 Informelle Triloge können nicht nur in der Phase der ersten Lesung des Parlaments einberufen werden, sondern auch erst in späteren Stadien des Gesetzgebungsverfahrens als Konfliktlösungsinstrument bemüht werden.246 In der Praxis stellen später beginnende Triloge, gerade auf Grund des starren Fristenregimes des Art. 294 AEUV, jedoch die Ausnahme dar.247

III. Bewertung Die veröffentlichten Leitlinien geben das Verfahren um die informellen Triloge relativ genau wieder. Die Teilnehmer, deren Mandatierung, die notwendige Anpassung der Verhandlungsmandate und das abschließende Verfahren nach einer Einigung werden entsprechend dargestellt. Nach den einzelnen Leitlinien scheint sich in Bezug auf die Teilnehmer und deren Beauftragung in Rat und Kommission zwar eine Organpraxis entwickelt zu haben, 241  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 242  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22, Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 243  Vgl. hierzu die Übersicht in Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 25. 244  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 245  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 246  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 23. 247  Vgl. dazu auch die Zusammenfassung zum informellen Trilog in den einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens auf S. 149 ff.



D. Darstellung der Trilogpraxis in den Leitfäden der Organe 75

deren Verfestigung wird durch die ungenauen Formulierungen allerdings offengelassen. So wird das Verhandlungsmandat des Rates nur „üblicherweise“248 oder „im Allgemeinen“249 vom AStV erteilt. Dabei kommt es in der Praxis nicht einmal zu förmlichen Abstimmungen über die Erteilung des Mandats.250 Auch der genaue Teilnehmerkreis der Kommission ist nicht gleichbleibend und variiert je nach Bedeutung des politischen Themas.251 Gegen entsprechende Verfestigungen spricht auch, dass sich die Leitlinien von Rat und Parlament bei der Beschreibung der Mandatierung des Verhandlungsteams des Rates unterscheiden. So kommt der Leitfaden des Parlaments bei äußerlicher Betrachtung der Entscheidungsabläufe innerhalb des Rates zum Schluss, dass der Ratsvorsitz in der Praxis entscheidet, wie die Überarbeitung der Mandate und die Trilog-Informationssitzungen zu behandeln sind.252 Dem Ratsleitfaden zu Folge legt der Ratsvorsitz hingegen die Ergebnisse dem AStV vor, der gegebenenfalls unter Rücksprache mit der zuständigen Arbeitsgruppe, die Verhandlungen bewertet und das Mandat anpasst.253 Diese Ungenauigkeiten in der Verfahrensbeschreibung sind in erster Linie damit zu erklären, dass Rat und Kommission keine formalisierenden Regelungen zum Umgang mit dem Trilog in ihre Geschäftsordnungen aufgenommen haben. Dadurch ist ein Formalisierungsgefälle zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen entstanden. Weiterhin zeigt sich, dass sich die einzelnen Handreichungen in unterschiedlicher Weise dem Verfahrensphänomen Trilog annähern. Das Parlament versucht möglichst offen die informellen Verfahren anhand von Abläufen, Abfolgen, Arbeitsmitteln und mit Hilfe von graphischen Aufbereitungen254 darzustellen, um damit dem Ziel eines transparenteren Legislativverfahrens näher zu kommen.255 Im parlamentarischen Leitfaden wird damit sichtbar 248  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 249  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 30¸ Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 250  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, S. 29. 251  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, S. 30 f. 252  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, S. 31. 253  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 254  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 24 f. 255  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 26.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

deutlich, welche besondere Stellung der informelle Trilog mittlerweile im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einnimmt. Die aus der Ratsperspektive formulierten Leitlinien des Rates haben den (informellen) Verhandlungen ebenfalls ein ganzes Kapitel gewidmet. Bei der Schilderung zeigt man sich bemüht, die Arbeitsverfahren im Rat möglichst generalisiert darzustellen, ohne dabei allerdings wirklich konkret zu werden. So werden die Triloge zwar knapp beschrieben, insgesamt bleibt deren Darstellung aber oberflächlich. Die besondere Stellung des Trilogs in der interinstitutionellen Praxis kommt auch deswegen nicht zur Geltung, da dieser nur als kleiner Teil umfassender Verhandlungen dargestellt und noch dazu mit den auf untergeordneter Ebene stattfindenden und kaum umstrittenen Fachsitzungen vermengt wird. Aus diesen unterschiedlichen Schilderungsweisen lässt sich schließen, dass das Parlament ein deutlich größeres Interesse daran hat, den informellen Trilog rechtlich einzuhegen und transparenter zu gestalten. Untermauert wird dies insbesondere dadurch, dass allein das Parlament entsprechende Geschäftsordnungsregelungen erlassen hat. Ob entsprechende rechtliche Einhegungen und verfestigte Verfahrensstrukturen für den Fortschritt und die Effizienz des politischen Prozesses sinnvoll erscheinen, ist dennoch fraglich. Bei einer zu großen Formalisierung informeller Prozesse besteht die Gefahr, dass sich die politischen Verhandlungen auf einen anderen informellen Schauplatz verlagern.256

E. Zwischenergebnis: Deformalisierung, Reformalisierung, Verfassungsentwicklung? Die Übersicht über die vielfältigen Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs hat gezeigt, dass die politischen und inhaltlichen Auseinandersetzungen während des Trilogs zwar weiterhin im informellen Rahmen stattfinden, das Verfahren an sich aber großteils auf der Ebene des Inner- und Interorganrechts formalisiert wurde. Während sich so auf der einen Seite eine Erosion der vertraglich vorgesehenen Entscheidungsabläufe beobachten lässt, zeigt sich auf der anderen Seite das Bedürfnis der Organe diesen Prozess weitestgehend rechtlich einzuhegen. Die Deformalisierung des Mitentscheidungsverfahrens geht so Hand in Hand mit der Reformalisierung der Verhandlungsprozesse unterhalb der Vertragsschwelle. 256  So wird im Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 26 ein neues informelles Verfahren während des Vermittlungsausschusses beschrieben, bei dem der Präsident des AStV und der Berichterstatter des Parlaments ein Angebot aushandeln, das danach den Delegationen des Rates und des Parlaments zur Billigung vorgelegt wird. Diese Verhandlungstechnik wird immer öfters angewandt.



E. Zwischenergebnis77

Die Informalisierung der Verfahrensabläufe des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens führt dabei zu dessen in tatsächlicher Hinsicht beachtlichem Wandel.257 Nicht umsonst wird das Mitentscheidungsverfahren in Teilen der sozialwissenschaftlichen Literatur mittlerweile als „de facto […] single-reading legislative procedure“258 beschrieben. Gleichwohl gestattet insbesondere Art. 295 S. 1 AEUV den Organen ihre Zusammenarbeit einvernehmlich zu regeln und so ihren Beziehungsraum im Gesetzgebungsverfahren näher auszugestalten. Dies darf aber nicht zur Unterminierung primärvertraglicher Bestimmungen führen.259 Die Formalisierung des Trilogverfahrens soll deswegen unter anderem zur Achtung der primärvertraglichen Grundsätze beitragen. So bekräftigen die Organe in ihrer gemeinsamen Erklärung, dass Triloge „im Einklang mit den Grundsätzen der Transparenz, der demokratischen Kontrolle und der Effizienz“260 abzuhalten sind. Die erhöhte Transparenz der Triloge und die Rückbindung der Ergebnisse an den zuständigen Parlamentsausschuss und das Plenum waren die Ziele der letzten Geschäftsordnungsrevision des Europäischen Parlaments.261 Daneben kann durch Formalisierung auch Verlässlichkeit und Vertrauen erzeugt werden, indem sich die Organe in ihren Vereinbarungen gegenseitig an die Formen ihrer Zusammenarbeit binden. Weiterhin vermittelt sie nicht beteiligten Dritten einen Einblick in die verfestigten Entscheidungsabläufe. In der Geschichte der Europäischen Union kam es vielfach zur Informalisierung vertraglicher Verfahren mit deren anschließender Reformalisierung in interinstitutionellen Vereinbarungen. Die in Informalität gewachsenen Verfahren und politischen Realitäten wurden im Anschluss daran oftmals in das Primärrecht überführt.262 So geht auch die durch den Vertrag von Amsterdam geschaffene Möglichkeit der Co-Gesetzgeber eine Einigung bereits in erster Lesung erzielen zu können auf die damals beginnende Verhandlungspraxis der Organe zurück.263 Die Organe schufen in ihrem Beziehungsraum die praktischen Realitäten, an denen sich dann die Regierungskonferenzen bei der Ausgestaltung des Primärrechts orientierten. Die Vereinbarungen der Organe zu ihrer Zusammenarbeit können somit als Elemente einer kontinuierli257  Vgl.

dazu insbesondere die statistischen Angaben auf S. 163 ff. Roederer-Rynning/Greenwood, Journal of European Public Policy 2015, S. 1148, 1148. 259  Vgl. dazu explizit Art. 295 S. 2 AEUV. 260  Vgl. dazu Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 3. 261  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 21 f. 262  Als Beispiel kann der Haushaltstrilog in Art. 324 AEUV angeführt werden. 263  Vgl. Farrell/Héritier, Governance Vol. 16 (2003), S. 577, 588 ff. 258  Vgl.

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Zweiter Teil: Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs

chen Verfassungsentwicklung gesehen werden, die sich in den „Tälern der Europäischen Integration zwischen den formalen Vertragsrevisionen“ vollzieht.264 Offen bleibt damit jedoch die Frage, ob der informelle Trilog oder der durch diesen verursachte Wandel des Mitentscheidungsverfahrens in einer der folgenden Vertragsrevisionen im Primärrecht aufgegriffen wird.

264  Vgl. dazu Kietz/Slominski, in: Kietz/Maurer u. a. (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen, 2010, S. 13 ff.

Dritter Teil

Der informelle Trilog in der Praxis der Organe A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe „Die Organe arbeiten während des gesamten Verfahrens loyal zusammen, um ihre Standpunkte möglichst weitgehend anzunähern und dabei, soweit zweckmäßig, den Erlass des Rechtsakts in einem frühen Stadium des Verfahrens zu ermöglichen.“1

Mit diesen Worten beschreibt die gemeinsame Erklärung über die praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens neben dem Ziel, eine Einigung in einem frühen Verfahrensstadium zu erreichen,2 auch den verfahrensleitenden Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 13 Abs. 3 S. 2 EUV. Daneben sei die Zusammenarbeit der Organe auch im Einklang mit den Grundsätzen der Transparenz, der demokratischen Kontrolle und der Effizienz zu gestalten.3 An dieser Stelle sollen zunächst ausführlich die Prinzipien besprochen werden, die von den Organen positiv als Begründung für die Abhaltung von Trilogen angeführt werden. Dies sind insbesondere die Grundsätze der Effizienz und der loyalen Zusammenarbeit. Eine Auseinandersetzung mit den möglicherweise widerstreitenden Prinzipien der demokratischen Kontrolle und Transparenz erfolgt im Fortgang der Arbeit.4

1  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 4. 2  In der politik- und sozialwissenschaftlichen Literatur werden die tatsächlich auslösenden Faktoren für diese „fast track legislation“ genauer herausgearbeitet. Als Parameter dienen dort unter anderem die Arbeitsbelastung der Institutionen, der Konfliktgrad des gegenständlichen Dossiers, die Abgrenzung zwischen technischen und politischen Fragen, die Arbeitsbeziehung der Organe und parteipolitische Präferenzen, vgl. dazu Rasmussen, EUI Working Paper MWP No. 2007/31, S. 7; dazu ausführlicher, Reh/Héritier/Bressanelli/Koop, Comparative Political Studies 2011, S. 1112, 1129. 3  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 3. 4  Vgl. zur Transparenz S. 171 ff., zur Demokratie S. 226 ff.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

I. Effizienz und Effektivität im Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union Die Begriffe der Effizienz und Effektivität finden sich hauptsächlich im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext, werden dort allerdings ebenso wenig wie in der Rechtswissenschaft einheitlich gebraucht.5 Größtenteils werden die Begriffe auch synonym und ohne Abgrenzung zueinander verwendet.6 Deswegen gebietet sich zunächst eine Definition des unionsrechtlichen Effizienz- und Effektivitätsmaßstabs für das Gesetzgebungsverfahren. 1. Begriffsdefinition Die beiden Bezeichnungen entstammen dem lateinischen Sprachgebrauch und können zumindest synonym mit Wirksamkeit übersetzt werden.7 Da die Rechtswissenschaft keinen eigenständigen Effizienzbegriff entwickelt hat, verbinden Juristen mit diesem Begriff oftmals, dass ein vorgegebenes Ziel mit einem möglichst geringen Aufwand in möglichst hohem Ausmaß erfüllt werden müsse.8 Sie folgt damit im Wesentlichen dem ökonomisch geprägten Effizienzbegriff der Wirtschaftlichkeit im Wege einer Zweck-Mittel-Relation.9 Allerdings finden sich durchaus auch differenzierende Definitionsversuche. So versucht man entweder den Begriff der Effizienz in mehrere Dimensionen10 aufzugliedern oder sich zumindest kritisch mit der rein ökonomisch geprägten Betrachtungsweise auseinanderzusetzen.11 Teilweise 5  Vgl. Leidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183, 188; grundlegend zur Effizienz als Rechtsprinzip aus rechtsökonomischer Perspektive, Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015. 6  Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 94  ff.; im Ergebnis findet sich eine Verquickung der Begrifflichkeiten bzw. Definitionen auch bei von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 371; ebenso Leidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183, 188 ff. 7  Leidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183, 188. 8  Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 55. 9  Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 4. Aufl. 2015, S. 55. 10  Vgl. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971, S. 7 f., der Effizienz in Zielerreichungseffizienz, Zweck-Mittel-Effizienz und Oganisationseffizienz aufteilt; vgl. auch Kyrer, Effizienz und staatliche Aktivität, 1972, der Produktionseffizienz, Planungseffizienz, Allokationseffizienz, Stabilisierungs- und Wachstumseffizienz, sowie Umverteilungseffizienz unterscheidet. 11  Vgl. Timmermann, in: Seibel/Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik, 1995, S. 104, 106 f., der klarstellt, dass man marktwirtschaftliche Effizienz von der öffentlichen Verwaltung überhaupt nicht verlangen dürfe, da der Bereich der öffentlichen Verwaltung ja bewusst aus dem Marktmechanismus herausgenommen sei; krit. insoweit auch Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 58 ff.



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe81

wurde sogar jeder Versuch einer Definition aufgegeben und die Effizienz als intuitive Größe rein am Maßstab von Synonymen wie Leistungsfähigkeit, Ergiebigkeit, Sachlichkeit und Vorteilhaftigkeit dargestellt.12 Auch weite Teile der Unionsrechtswissenschaft umschreiben den Grundsatz der Effizienz regelmäßig mit der Optimierung von Leistungsabläufen.13 Selbst die Mitgliedstaaten verstehen Effizienz als die Fähigkeit der Organe, die übertragenen Aufgaben in einem einheitlichen institutionellen Rahmen besser wahrzunehmen.14 Wesentlich scheint damit, dass bei der Effizienz als Prinzip die optimale Leistungswirksamkeit unter Berücksichtigung der gegebenen Mittel herausgestellt werden muss. Legt man diese Definition der Untersuchung zu Grunde, bedeutet das für das Gesetzgebungsverfahren der Union, dass die Organe mit möglichst geringem interinstitutionellem Aufwand ein möglichst gutes Gesetz erlassen sollen. Der Grundsatz der Effizienz darf sich jedoch nicht alleine im Verfahren erschöpfen, sondern muss auch regelmäßig und vor allem im entsprechenden Gesetzgebungsakt selbst verwirklicht werden.15 Damit ergeben sich für das Gesetzgebungsverfahren als solches zwei Dimensionen von Effizienz: Effizienz des Verfahrens an sich und der Erlass eines effizient wirkenden Gesetzes.16 Im Folgenden ist somit zwischen Verfahrens- und Ergebniseffizienz zu unterscheiden. Davon abzugrenzen ist entgegen der allgemeinen Verwendung der Begriff der Effektivität. Dieser beschreibt vor allem im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext das Verhältnis des erreichten Ziels zum zuvor definierten Ziel und damit, wie nahe das erzielte Ergebnis dem angestrebten Wunschergebnis gekommen ist, unabhängig vom getätigten Aufwand.17 Effektives Handeln ist damit ergebnisorientierter als effizientes Handeln, da es den Leistungsaufwand der Zielerreichung unterordnet, mithin die Ergebniseffizienz über die Verfahrenseffizienz stellt. Ein anschauliches Beispiel für das EffektivitätsgeLeidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183, 189. Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 129 ff., der „praktische Anregungen zur Effizienzsteigerung des […] Entscheidungsverfahrens“ gibt, indem er Verbesserungsvorschläge zur Zusammenarbeit und Koordinierung der Organe entwickelt. 14  Vgl. hierzu die Präambel des Vertrages von Lissabon. 15  Die Untersuchung der Effizienz von Gesetzen ist vor allem im Bereich des Umweltrechts von besonderer praktischer Relevanz, vgl. Leidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183 ff. 16  Bereits Gzuk, Messung der Effizienz von Entscheidungen, 1975, S. 185 ff. unterscheidet aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Wesentlichen zwischen prozessbezogenen Effizienzindikatoren, die sich auf die Effizienz des Entscheidungsverfahrens beziehen und entschlussbezogenen Effizienzindikatoren, die sich auf die Effizienz des getroffenen Entschlusses beziehen. 17  Vgl. Staats, Metriken zur Messung von Effizienz und Effektivität, 2009, S.  31 ff. 12  Vgl. 13  Vgl.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

bot zeigt sich im Unionsrecht vor allem im effet-utile-Grundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV. Nach diesem sind die Mitgliedstaaten unabhängig von innerstaatlichen Differenzen dazu verpflichtet, dem Unionsrecht bestmöglich Geltung zu verschaffen.18 Etwaige Effizienzgedanken werden somit dem Grundsatz der bestmöglichen Wirksamkeit des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten hintangestellt. Ebenso wie die Effizienz, lässt sich auch die Effektivität des Gesetzgebungsprozesses in zwei Dimensionen darstellen. Einerseits in die bereits angedeutete effektive Wirkung des zu erlassenden Gesetzes,19 andererseits in die Effektivität des Prozesses als solchen. Ein möglichst effektives Gesetzgebungsverfahren kennzeichnet sich daran anschließend dadurch, dass an dessen Ende der Erlass eines Rechtsakts steht, der der Zielvorstellung eines gelungenen Rechtsakts nahe kommt. Eben jene Zielvorstellungen für gelungene Rechtsakte haben sich die am Gesetzgebungsverfahren der Union beteiligten Organe aber gerade selbst diktiert. So haben sie sich in ihrer interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung verschiedenste Verpflichtungen auferlegt, die beim Erlass eines Rechtsakts zu berücksichtigen sind.20 Durch umfassende Folgenabschätzungen und ex-post Evaluierungen sollen unter anderem die erlassenen Rechtsakte insbesondere auch im Hinblick auf ihre Effizienz und Effektivität untersucht werden.21 Damit muss der Effektivität des unionsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens bei Anwendung eines effizienten Verfahrens besonderes Augenmerk geschenkt werden. Eine reine Zweck-Mittel-Relation zur Bestimmung der Effizienz ist deswegen im besonderen rechtsstaatlichen Kontext des Gesetzgebungsverfahrens abzulehnen. Die Verfahrenseffizienz muss vielmehr von der Effektivität des Verfahrens begrenzt werden, womit die Ergebniseffizienz grundsätzlich an Bedeutung gewinnt. Für die Leistungsbemühungen der Organe beim Erlass eines Rechtsakts hat das zur Folge, dass sie sich grundsätzlich am Optimum des bestmöglichen Rechtsakts orientieren müssen, wenn sie versuchen, mit verfahrensspezifischen Mitteln ihre Effizienz zu steigern. Die Verfahrenseffizienz selbst kann dann beispielsweise anhand der Dauer des Gesetzgebungsprozesses, der Koordinationsfähigkeit und Problemlösungs18  Vgl. zur bundesstaatlichen Aufgliederung in Österreich, EuGH, Rs. C-358/03 (Kommission/Österreich), Urt. v. 16.12.2004, Rn. 13. 19  Ein Gesetz wird gemeinhin dann als effektiv bezeichnet, wenn sich die Normadressaten an dieses auch halten bzw. halten müssen, vgl. hierzu Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 1987, S. 167 ff., der die Verbindlichkeit einer Rechtsnorm anhand deren Effektivität misst. Die Effektivität der Rechtsnorm steht hierbei in Abhängigkeit davon, ob die Normunterworfenen sich normkonform Verhalten oder nicht. 20  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff. 21  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 12. 22.



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe83

umsicht der Organe oder der Gründlichkeit des Verfahrens gemessen oder beurteilt werden.22 Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich für die weitere Bearbeitung folgende Definition: Der Grundsatz der Verfahrenseffizienz kennzeichnet sich dadurch, dass sich die Organe bemühen, mit möglichst geringem institutionellen Aufwand einen Rechtsakt zu erlassen, der im Rahmen der Ergebniseffizienz den von den Organen selbst in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung aufgestellten speziellen Anforderungen möglichst gut entspricht. 2. Effizienz als Notwendigkeit der Verträge? Es stellt sich nun die Frage, ob der in der Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens genannte Grundsatz der Effizienz23 über die sekundärrechtliche Verpflichtungserklärung hinaus auch primärrechtlich begründet werden kann. Die Steigerung der Unionseffizienz war hierbei zunächst eines der Leitziele einer jeden Vertragsreform und spielte damit auch bei der Erstellung des Vertrags von Lissabon eine maßgebliche Rolle.24 Dort wird die Stärkung der Effizienz direkt neben der Demokratie bereits in der Präambel als Wunschziel der Vertragsrevision angegeben.25 Auch bei einem Blick in die Bestimmungen der einzelnen Organe zeigt sich, dass zur Erleichterung der Handlungs- und damit Leistungsfähigkeit der Organe gewisse Grenzlinien gezogen wurden.26 So wird die Anzahl der Parlamentsmitglieder auf 750 begrenzt27 und die Zahl der Kommissionsmitglieder soll auf die Anzahl zwei Drittel der Mitgliedstaaten reduziert werden.28 Durch eine feste und begrenzte Anzahl von Mitgliedern kann 22  Zu verschiedenen Gesichtspunkten der Verfahrenseffizienz vgl. Gzuk, Messung der Effizienz von Entscheidungen, 1975, S. 186 ff. 23  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 3. 24  Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 13 EUV, Rn. 2. 25  Vgl. Präambel des Vertrags von Amsterdam: „IN DEM WUNSCH, Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken, damit diese in die Lage versetzt werden, die ihnen übertragenen Aufgaben in einem einheitlichen institutionellen Rahmen besser wahrzunehmen[…].“ 26  Dazu ausführlich Calliess, Die neue Europäische Union, S. 117 ff. 27  Vgl. Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 EUV. 28  Vgl. Art. 17 Abs. 5 UAbs. 1 EUV; entgegen des Wortlauts des Vertrags ist die Verkleinerung der Kommission allerdings bis heute noch nicht durchgeführt worden, da der Europäische Rat nicht vom Grundsatz „ein Kommissar pro Mitgliedstaat“ abweichen wollte, vgl. Güßregen, EuZW 2013, 525.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

sichergestellt werden, dass die Handlungsfähigkeit des Organs erhalten bleibt und ihm damit ein effizienter Organisationsablauf möglich ist.29 Eine Aufwertung hat auch der Europäische Rat30 erfahren, da er zum einen in den Status eines Unionsorgans im rechtlichen Sinne erhoben wurde,31 zum anderen aber auch die Effizienz und Kontinuität seiner Arbeit durch die Wahl eines festen Präsidenten mit mindestens zweieinhalbjähriger Amtszeit gestärkt wurde.32 In der Gestaltung der doppelt qualifizierten Mehrheit im Ministerrat nach Art. 16 Abs. 4 EUV lässt sich ebenfalls eine Abwägung zwischen den Befürchtungen der kleineren Mitgliedstaaten und der Effizienz des Entscheidungsprozesses erkennen.33 Daneben wurde durch den Vertrag von Lissabon auch die sog. Teampräsidentschaft, nach welcher die jeweils drei aufeinanderfolgenden Ratsvorsitzländer ein gemeinsames Achtzehnmonatsprogramm entwickeln, ermöglicht.34 Dies erlaubt trotz des halbjährlichen Wechsels des Ratsvorsitzes eine langfristige, kontinuierlichere und damit im Ergebnis auch eine effizientere Programmplanung des Ratsvorsitzes.35 Damit zeigt sich der Vertrag von Lissabon besonders offen für effiziente Entwicklungen, womit die Mitgliedstaaten im Ergebnis wohl auch dem Ruf einer überbürokratisierten und ineffizienten Europäischen Union entgegentreten wollten.36 Die im institutionellen Bereich begonnenen Effizienzsteige29  Kritisch gesehen wird in diesem Zusammenhang die „Aufblähung“ des deutschen Bundestags auf Grund von Überhang- und Ausgleichsmandaten, vgl. Meyer, DÖV 2015, S. 700 ff., insbesondere 701 f. 30  Vgl. Art.  15 EUV; der Europäische Rat darf nicht mit dem Ministerrat (Art. 16 EUV), der im Gegensatz zum Europäischen Rat gesetzgeberisch tätig wird, verwechselt werden. 31  Vgl. zur alten Rechtslage Art. 4 EUV-Nizza, Art. 7 EGV-Nizza; vgl. Hilf/ Pache, in: GHN EUV/EGV, 2009, Art. 4 EUV, Rn. 7 ff. 32  Vgl. Art. 15 Abs. 5 S. 1 EUV. 33  Vgl. Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 16 EUV, Rn. 35. 34  Die rechtliche Grundlage für die Teampräsidentschaft findet sich in Art. 2 Abs. 6 GO-Rat. Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch Art. 16 Abs. 9 EUV i. V. m. Art. 236 b) AEUV, die die Festlegung des Ratsvorsitzes einem mit qualifizierter Mehrheit getätigten Beschluss des Europäischen Rates überlassen; vgl. daran anknüpfend Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses des Europäischen Rates vom 01.12.2009, ABl. L 315 v. 02.12.2009, S. 50 und Art. 3 der gemeinsamen Erklärung Nr. 9 zu Art. 16 Abs. 9 EUV der Mitgliedstaaten in der Schlussakte des Vertrags von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 341 f. 35  Vgl. Pache/Rösch, NVwZ 2008, S. 473, 477. 36  Um dem Ruf der Überbürokratisierung entgegenzutreten hat die Europäische Union im Jahr 2007 die sog. „High-Level-Group“ zum Bürokratieabbau unter Leitung des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber eingerichtet. Deren Arbeit habe laut Stoiber bis 2014 zur Einsparung von Bürokratiekosten in Höhe von 33,4 Milliarden Euro beigetragen, vgl. Küstner, tagesschau.de, 14.10.2014,



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe85

rungen wurden schließlich auch von den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen aufgegriffen und im Rahmen der Ergebniseffizienz als Programmatik für die Inhalte der eigenen Gesetzgebung übernommen.37 Der Maßstab der Effizienz wurde allerdings nicht nur in der Ausgestaltung der Zusammensetzung und Rechte der Organe direkt verwirklicht, sondern auch in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV gemeinsam mit der Kohärenz und Kontinuität als allgemeines Handlungsmotiv für Politik und Maßnahmen der Union proklamiert. Damit soll für die ausdifferenzierte Struktur der Entscheidungsprozesse eine normative Einheit geschaffen werden, die ein aufgabengerechtes Zusammenwirken der Entscheidungsträger ermöglicht.38 Da die Aufgaben der Europäischen Union auf unterschiedlichsten Ebenen von verschiedenen Hauptfiguren wahrgenommen werden, die teilweise alleine oder im Verbund miteinander tätig sind, ist ein gewisses Maß an Effizienz für die geregelte Entscheidungsfindung und ein gesamtheitliches Auftreten der Union unerlässlich.39 Alleine im Rechtsetzungsverfahren existieren beispielsweise mit dem ordentlichen und den besonderen Gesetzgebungsverfahren, den Komitologieverfahren nach Art. 290, 291 AEUV, Kommissionsbeschlüssen im Bereich der Marktaufsicht und einstimmigen Ratsbeschlüssen verschiedenste Prozesse, denen am Ende regelmäßig auch noch durch die Mitgliedstaaten Wirksamkeit verschafft werden muss. Für ein effizientes Zusammenspiel dieser vielschichtigen Organisation bedarf es deswegen im besonderen Maß an Kooperation und Koordinierung, um die Handlungsfähigkeit der Union als Ganzes überhaupt erst gewähren zu können. Daneben bedingen auch schnell voranschreitende Entwicklungen in technisch komplexen Regelungsgebieten vor allem zeitlich effiziente Lösungen.40 Im Gesetzgebungsprozess erfordert dies vor allem Anstrengungen der Organe selbst, die primärrechtlich zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind.41 https://www.tagesschau.de/ausland/stoiber-kommission-eu-101.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 37  Dies ist im Gegensatz zur rudimentären Regelungen der informellen Triloge der maßgebliche Inhalt der bereits angesprochenen interinstitutionellen Vereinbarungen „Bessere Rechtsetzung“ aus den Jahren 2003, ABl. C 321 v. 31.12.2003, S. 1 ff. und 2016, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff. 38  Vgl. Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 13 EUV, Rn. 4, der allerdings anmerkt, dass die ausdifferenzierte Struktur der Entscheidungsprozesse im Vertrag und insbesondere in Art. 13 EUV nur unvollständig zum Ausdruck komme. 39  Vgl. Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 13 EUV, Rn. 2, der das Organisationsmodell der Europäischen Union als Schichtmodell beschreibt und die Entscheidungsträger auf unionsrechtlicher Ebene in vier Schichten einteilt. 40  Dazu näher von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 159. 41  Vgl. Art. 13 Abs. 2 S. 2. EUV; auf das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit wird auf S. 92 ff. näher eingegangen.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Damit bleibt festzuhalten, dass das Effizienzgebot den Verträgen sowohl ausdrücklich, als auch mittelbar anhaftet. Es stellt ein wesentliches Leitmotiv des unionsrechtlichen Handelns dar, da es im vielschichtigen Entscheidungsgeflecht der EU die Entscheidungsfähigkeit der Union als Ganzes sicherstellen kann. Der Effizienzgrundsatz kann hierbei auch zur Feinoptimierung angewandt werden, wenn die Effektivität der Entscheidungsfindung im Rahmen des vertraglich vorgesehenen Verfahrens wesentlich erschwert wird. Denn die demokratische Herrschaft der Union würde sich selbst ad absurdum führen, wenn sie auf Grund innerer Blockaden nicht mehr in der Lage wäre, eigene Entscheidungen zu fällen.42 Insofern lassen sich die Effektivität und damit verbunden auch die Effizienz als Notwendigkeiten und Teile des Demokratieprinzips verstehen, die in innerer Spannung zu anderen Ausprägungen des Prinzips wie Transparenz und öffentlicher Kontrolle stehen.43 Für die folgende Bearbeitung bedeutet dies allerdings auch, dass die Verfahrenseffizienz sowohl ihren Ursprung als auch ihre Begrenzungen in den primärvertraglichen Bestimmungen findet und etwaige effizienzsteigernde Aktivitäten in eine originäre Abwägung mit widerstreitenden Vertragsinteressen gestellt werden müssen. 3. Effizienzsteigernde Mittel der Triloge Offen bleibt damit die Frage, ob Effizienz und Effektivität des Gesetzgebungsverfahrens durch Anwendung des informellen Trilogverfahrens überhaupt gesteigert werden können. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die durch Triloge proklamierte Informalisierung und Flexibilisierung des Verfahrens dazu geeignet wäre, die Effizienz im Sinne einer möglichst effektiven Entscheidungsfindung zu erhöhen. Betrachtet man allein die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens, lässt sich aus dessen geringer Verkürzung bei steigender Anwendung der Triloge kein signifikanter Effizienzgewinn ableiten. Denn die Gesamtverfahrensdauer des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens hat sich zwischen 1999 und 2016 im Schnitt nur um ein bis drei Monate verringert.44 Bemerkenswert scheint allerdings, dass sich die Phase der ersten hierzu näher von Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S. 62. von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 371. 44  So betrug die durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer in der Legislaturperiode von 2009–2014 19 Monate, wobei 93 % der Gesetzesdossiers in der frühen Phase angenommen wurde. Dies stellt nur einen geringen Unterschied zur durchschnittlichen Gesamtverfahrensdauer von 22 Monaten in der Legislaturperiode von 1999– 2004 dar, vgl. dazu ausführlich S. 163 ff.; zu diesem Ergebnis kommt auch der kommissionsinterne Leitfaden, wenn er feststellt, dass Verhandlungen im Stadium der ersten Lesung manchmal länger dauern können, als die Fortsetzung des Gesetzge42  Vgl. 43  Vgl.



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe87

Lesung in der aktuellen Legislaturperiode zwischen 2014 und 2016 um durchschnittlich fünf Monate im Vergleich zur Legislaturperiode von 1999– 2004 verlängert hat, dafür aber auch 97 % der Gesetzesdossiers in einem frühen Stadium angenommen werden konnten.45 Dieser Effekt ist in erster Linie auf die gehäufte Anwendung des Trilogverfahrens im Stadium der ersten und frühen zweiten Lesung zurückzuführen.46 Den wesentlichen Vorteil intensiver Verhandlungen und einer Einigung in einem frühen Verfahrensstadium stellt insofern die erhöhte Verfahrensflexibilität dar. Kommt es nach der ersten Lesung in Parlament und Rat zu keiner Einigung, wird das starre Fristensystem des Art. 294 AEUV in Gang gesetzt, das die Organe zur Entscheidungsfindung und einem Kompromiss in einem zeitlich fest fixierten Rahmen zwingt.47 Liegen die Standpunkte von Rat und Parlament in diesem späteren Verfahrensstadium zu weit auseinander, wird die Einigung allerdings nicht nur von der starren Frist, sondern auch von der öffentlichen Festlegung der Organe auf ihre Auffassung beeinflusst. Ein Kompromiss wird deswegen in der Regel schwerer zu erreichen sein und ein Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens steht im Raum. Die flexibilitätssteigernden Vorteile des Trilogverfahrens liegen insoweit auf der Hand: Durch die Verhandlungsführung im Status der ersten Lesung können die Organe ohne zeitlichen Druck an einem Kompromissvorschlag arbeiten und durch wiederholte gemeinsame Treffen besser aufeinander eingehen. Durch dieses bungsverfahrens in einer zweiten Lesung, vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 9. 45  Vgl. hierzu Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 11/2017, S. 61 ff. 46  In der Legislaturperiode von 2009–2014 und in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von 2014–2019 wurden ca. zwei Drittel aller angenommenen Gesetzgebungsdossiers zuvor in informellen Trilogen behandelt, vgl. dazu ausführlich S. 163 ff.; ohne Verhandlungen wurden in der Regel unumstrittene Dossiers wie Kodifikationen oder neugefasste Vorschläge alter Verfahren frühzeitig angenommen, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 20. 47  Im Detail hat das Parlament nach Art. 294 Abs. 7 AEUV binnen drei Monaten nach Überlieferung des Ratsstandpunktes in Erster Lesung den Standpunkt zu billigen, abzulehnen oder abzuändern. Äußert sich das Parlament binnen drei Monaten nicht gilt der Rechtsakt in der Form des Ratsstandpunktes als erlassen. Ändert das Parlament den Ratsstandpunkt ab, hat dieser wiederum drei Monate Zeit den Abänderungen des Parlaments zuzustimmen oder binnen nochmaliger sechs Wochen den Vermittlungsausschuss anzurufen, Art. 294 Abs. 8 AEUV. Der Vermittlungsausschuss selbst hat ebenfalls nur sechs Wochen Zeit einen gemeinsamen Entwurf zu billigen, da der Rechtsakt andernfalls als nicht erlassen gilt, Art. 294 Abs. 12 AEUV. Diesen gemeinsamen Entwurf können Rat und Parlament nach Art. 294 Abs. 13 AEUV abschließend wiederum nur in einer Sechswochenfrist billigen oder ablehnen. Die Fristen können jeweils lediglich um einen Monat bzw. zwei Wochen verlängert werden, Art. 294 Abs. 14 AEUV.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Vorgehen wird zumindest die Effizienz in der Gestalt gestärkt, dass der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bei komplexen Gesetzgebungsvorhaben mit stark divergierenden Ansichten zwischen Parlament und Rat wahrscheinlicher erscheint. Das Paradoxon dieses Vorgehens offenbart sich allerdings, wenn man bedenkt, dass es gerade der Sinn der Fristvorschriften ist, das Verfahren effizienter zu gestalten. Diese sind nämlich dazu geeignet, einen Rationalisierungund Koordinationsdruck im Rahmen der organinternen Entscheidungsfindung zu generieren.48 Im Ergebnis stellen die Organe damit ihre Verfahrensflexibilität über die in den Verträgen angelegten Verfahrensbeschleunigungsmechanismen. Dieses Vorgehen lässt sich mit den bereits erarbeiteten Effizienzdimensionen durchaus begründen. Wie dargestellt, muss sich die Verfahrenseffizienz an der Ergebniseffizienz insbesondere in Form der Effektivität messen lassen. Während die Fristenregelungen nun in erster Linie der Verfahrenseffizienz dienen, da sie vor allem dazu geeignet sind, die zeitliche Dimension des Gesetzgebungsprozesses zu begrenzen und einen Koordinierungsdruck auf die Organe auszuüben, tritt bei den Verhandlungen im Rahmen der informellen Triloge primär eine Effizienzsteigerung im Hinblick auf die Ergebniseffizienz in den Vordergrund. Durch die Triloge soll ermöglicht werden, dass in einem flexiblen Rahmen ohne zeitlichen Druck ein möglichst guter Kompromiss zwischen den Co-Gesetzgebern unter Beteiligung der Kommission ausgearbeitet werden kann.49 Ob jedoch Gesetzgebungsakte, die inhaltlich wesentlich im informellen Trilog gestaltet wurden, mehr den ergebniseffizienten Zielvorgaben entsprechen als solche, die das vollständige Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, ist Spekulation und empirisch nicht nachzuprüfen.50 Dennoch schafft der flexible und unbegrenzte Verhandlungsrahmen in komplizierten Gesetzgebungsfällen zumindest eine Basis für eine gründliche Annäherung der gegenseitigen Standpunkte. Den kompromisserzwingenden Wirkungen der starren Fristenregelung kann insoweit entgegengehalten werden, dass die Unionsorgane auf Grund der Verflechtungen des Unionsrechts, gegenseitigen Abhängigkeiten und der primärvertraglichen Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit sowieso schon kompromissbereiter sind, als man dies aus beispielsweise aus der Bundesrepublik Deutschland kennt.51 Bieber, NJW 1989, S. 1395, 1402. Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 198 ff., werden beispielhaft die Vorteile eines offenen Zeithorizonts dargestellt. 50  Vgl. dazu aus der Perspektive des Europäischen Parlaments, Corbett/Jacobs/ Neville, The European Parliament, 2016, S. 290. 51  So ergeben sich beim Erlass von Zustimmungsgesetzen oftmals starke Konflikte zwischen Bundestag und Bundesrat, vor allem dann, wenn die Gremien von 48  Vgl. 49  Bei



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe89

Neben der Flexibilisierung in zeitlicher Hinsicht muss auch dem Merkmal der Informalität besondere Beachtung geschenkt werden. Die Informalität der Triloge findet neben der formfreien Verhandlungsführung besonders darin ihren Ausdruck, dass diese komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Als funktionale Vorteile einer formfreien Verhandlungsführung können zunächst die erhöhte Anpassungsfähigkeit der Organe, die mögliche Senkung von Transaktionskosten im politischen Betrieb und die Schaffung eines gewissen Sicherheitsgefühls angeführt werden.52 Eine Sicherheit, die insbesondere daraus erwächst, dass die Organe frühzeitig Orientierung über den inhaltlichen Weg des zu beschließenden Gesetzgebungsakts erfahren können und nicht im formalen Verfahren von unerwarteten Standpunktentwicklungen überrascht werden. Der zweite Aspekt informellen Verhandelns, die geheime Konsensfindung, ist für den Bereich des Unionsrechts nicht untypisch, sondern war vor der verstärkten Parlamentsbeteiligung jahrelang prägendes Element der Entscheidungsfindung im Rat.53 Etwaigen Reformbestrebungen zur Herstellung der Öffentlichkeit in den Ratstagungen wurde stets entgegenhalten, dass die Mitgliedstaaten vor einem nicht hinnehmbaren Rechtfertigungsdruck in der Öffentlichkeit stünden, wenn sie entgegen innerstaatlich kundgetaner Äußerungen im unionsrechtlichen Entscheidungsprozess öffentlich zu Zugeständnissen bereit seien.54 Diese Begründung trifft den wesentlichen Vorteil geheimen Verhandelns. Verhandeln die Verhandlungspartner unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sind sie eher bereit einzulenken, Kompromisse zu schließen und niedrigere Forderungen zu stellen, da sie so die Gefahr vermeiden, sich für ihr Handeln vor einer breiteren Öffentlichkeit rechtfertigen zu müssen.55 Die interne Meinungsbildung kann so von

unterschiedlichen parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen geprägt sind. Die Oppositionsparteien im Bundestag nutzten dann in umstrittenen Gesetzgebungsverfahren über ihre Beteiligungen in Landesregierungen das Verfahren im Bundesrat zur Blockade von Vorhaben, die ihrer Parteipolitik widersprechen. Beispielhaft aus jüngerer Zeit können die Blockaden des Bundesrates zur Verschärfung des Asylrechts, vgl. Meiritz, Spiegel Online, 14.06.2016, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sichereherkunftsstaaten-im-bundesrat-gruene-lassen-merkel-auflaufen-a-1097488.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) und zur Erbschaftssteuerreform, vgl. Bohsem, Süddeutsche Zeitung, 30.06.2016, http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesrat-blockadebei-erbschaftsteuer-1.3056960 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) genannt werden. 52  Vgl. dazu näher Morlok, in: VVDStRL 62 (2002), S. 37, 46 ff. 53  Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 200 stellte insoweit fest, „daß der Rat das einzige Gesetzgebungsorgan der westlichen Welt zu sein scheint, das hinter verschlossenen Türen beschließt.“; krit. auch Lamprecht, NJW 1997, 505, 505. 54  Vgl. hierzu näher Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 95 f. 55  Vgl. Benz, in Seibel/Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik, 1995, S. 83, 89.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

der unmittelbaren Einwirkung durch äußere Faktoren befreit werden und die geschützte Trilogdiskussion effizienter gestaltet werden.56 4. Zwischenfazit: Effizienz als Mittel zum Machterhalt Während sich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland keine explizite Aufforderung zur Durchführung eines effizienten Gesetzgebungsverfahrens auffinden lässt57 und sich die Diskussion um dieses Prinzip hauptsächlich auf den Output legislativer Tätigkeit58 erstrecken, wird der Effizienz gesetzgeberischen Handelns in den EU-Verträgen ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt. Hintergrund ist der unterschiedliche Herrschaftsaufbau der Mitgliedstaaten auf der einen und der Europäischen Union auf der anderen Seite. Während die Mitgliedstaaten ihre Macht und Hoheitsgewalt aus der eigenen Staatlichkeit ableiten können, ist die Europäische Union seit Beginn ihrer Existenz als supranationale Organisationseinheit auf die Machtübertragung durch die Mitgliedsstaaten angewiesen.59 Sofern etwaige Kompetenzen übertragen wurden, bedurfte es auf Grund der vielfältigen Organund Organisationsverflechtungen auf der Ebene der Union einer effizienten Zusammenarbeit, um die erworbenen Kompetenzen auch ausfüllen zu können. Damit zeigt sich die Effizienz als strukturell notwendiges Mittel, um den Machterhalt der Europäischen Union sicherzustellen. Denn nur, wenn die Union ihre Kompetenzen auch ausüben kann, werden ihr diese durch die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge nicht wieder entzogen. Dies hatte zur Folge, dass die Effizienzsteigerung der Union das Ziel einer jeden Vertragsrevision war und effizientes Handeln den Unionsorganen in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV als Leitmotiv festgeschrieben wurde. Die besondere Bedeutung von Effizienz wird auch bei einem Blick in die Integrationsgeschichte deutlich. So übertrugen die Mitgliedstaaten der Union ihre Kompetenzen auch in der Hoffnung, im supranationalen Rahmen einheitliche und zweckmäßige Entscheidungen zu treffen, deren Verwirklichung auf mitgliedstaatlicher Ebene nur schwer zu erreichen war.60 Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 82. wird ein allgemeines Rechtsprinzip der Effizienz ganz ablehnt und dieses gar als „Staatsromantik der Technokratie“ abgetan, vgl. Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971, S. 59 f. 58  So beispielsweise für den Bereich des Umweltrechts Leidig, GfR Seminarbericht 49 (2006), S. 183 ff. 59  Vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV; dazu näher Folz, Demokratie und Integration, 1999, S. 266 ff. 60  In der politikwissenschaftlichen Theoriebildung wird dies als einer von mehreren Gründen für die fortschreitende Integration der Europäischen Union herausgearbeitet, vgl. dazu Steinhilber, in: Bieling/Lerch (Hrsg.), Theorien der europäischen 56  Vgl.

57  Teilweise



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe91

Im Vordergrund stand dabei die Fähigkeit der Europäischen Union Probleme zu lösen. Teilweise wurde und wird vertreten, dass sich aus dieser Komponente sogar eine, wenn nicht sogar die, Legitimation unionsrechtlichen Handelns ableiten lasse.61 Unterschieden werden müsse dabei zwischen input- und output-orientierter Legitimation.62 Nach der input-orientierten Perspektive sind politische Entscheidungen dann legitim, wenn sie vom, beispielsweise in Wahlentscheidungen, geäußerten Willen der Normunterworfenen abgeleitet werden können.63 Die output-orientierte Sichtweise schließt dagegen von der Richtigkeit bzw. Zweckmäßigkeit des Ergebnisses auf die Berechtigung zum Normerlass.64 Aus einer Herrschaft durch das Volk wird eine „Herrschaft für das Volk.“65 Anstatt der Legitimation des oder der Entscheidenden, wird die Legitimität der Entscheidung betont. Die Richtigkeit, Zweckmäßigkeit und Effizienz des Ergebnisses der Unionshandlungen könne dann dem auf der input-orientierten Sichtweise wahrgenommenen Demokratiedefizit entgegnet werden.66 Doch die Kompetenzen der Europäischen Union sind zu umfassend und die politischen Maßnahmen der EU zu umstritten, um deren Legitimität alleine aus der Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen ableiten zu können.67 Der bereits geäußerte Wille der Normunterworfenen muss schon im Verlauf des Entscheidungsverfahrens gebührend berücksichtigt werden, so dass auf input-orientierte Legitimation nicht verzichtet werden darf.68 Gleichwohl können sich Elemente der input-orientierten Legitimation mit Elementen der output-orientierten Legitimation ergänzen und zu einer stimmigen Gesamtkonzeption zusammengefasst werden.69 Etwaige Defizite der input Legitimation, sollen dann durch möglichst gute, also zweckmäßige und effiziente, Entscheidungen ausgeglichen werden. Da in der Europäischen Union anders als in einem Nationalstaat input-orientierte Legitimation deutlich schwieriger

Integration, 2011, S. 141 ff.; Wolf, in: Bieling/Lerch (Hrsg.), Theorien der europäischen Integration, 2011, S. 55. 61  Vgl. Schäfer, Integration 2006, S. 187, 190 ff. m. w. Nw. 62  Dazu grundlegend Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 16 ff. 63  Vgl. dazu Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 16. 64  Schröder, JA 2017, S. 809, 813. 65  Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 20. 66  Vgl. bei Schäfer, Integration 2006, S. 187, 190 f. 67  Schäfer, Integration 2006, S. 187, 198 f. 68  Dies war auch ein Grund für den immer stärkeren Ausbau der Entscheidungsbefugnisse des Europäischen Parlaments, vgl. dazu unten S. 234 ff. 69  Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 21, merkt an, dass in demokratischen Nationalstaaten input- und output-orientierte Legitimität Seite an Seite koexistiere und sich gegenseitig verstärke, ergänze und ersetze.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

zu erreichen ist,70 räumen die Verträge gerade den Maßnahmen eine hervorgehobene Stellung ein, die den Erlass möglichst guter Gesetze im Blick haben. Als Teil dieser Maßnahmen kann das Effizienzprinzip, wenn es als Schlüssel zur Problemlösung angewandt wird, zur Legitimation unionsrechtlicher Handlungen ergänzend beitragen.

II. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit als Pneuma der Interorganbeziehungen Neben der in der Unionsrechtsordnung besonders verorteten Effizienz tritt der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Organen als weiteres verfahrensleitendes Motiv hinzu. Diese besondere Ausprägung des allgemein anerkannten Prinzips der Organtreue71 hatte ihre unionsrechtsdogmatische Anknüpfung zunächst in der Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber der Union. So wurde das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit der Organe durch den EuGH aus Art. 7 EGV entwickelt, indem eine Analogie zu Art. 10 EGV gebildet wurde.72 Denn die Zusammenarbeit der Organe beruhe im Wesentlichen auf deren Dialog, in dessen Rahmen die gleichen Pflichten zu redlicher Zusammenarbeit wie zwischen Mitgliedstaaten und Organen bestünden.73 Tatsächlicher Hintergrund dieser Rechtsprechung war die enge Kooperation von Rat und Parlament im Rahmen des Haushalts­ verfahrens,74 das bereits als Wiege der Interorganzusammenarbeit herausgearbeitet wurde. Gerade deswegen wurde der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vor der Einführung des Art. 295 AEUV auch als mögliche Rechtsgrundlage für den Erlass von interinstitutionellen Vereinbarungen angesehen.75 Durch den Vertrag von Lissabon wurde das Prinzip der loyalen 70  Vgl. zu den input-orientierten Problemen des Gesetzgebungsverfahrens unten S.  253 ff. Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 21, stellte im Jahr 1999 gar die These auf, die Europäische Union könne überhaupt keine input-orientierte Legitimation erreichen. 71  Zum Begriff der Verfassungsorgantreue in der Bundesrepublik Deutschland grundlegend Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977; für das Unionsrecht Hilf, EuR 1984, S. 9, 18 ff., insbesondere 24 f. 72  Zur Loyalitätspflicht zwischen den Organen vgl. EuGH, Rs. 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 16; die Loyalitätspflicht zwischen Mitgliedstaaten und Organen stand bei einer Auseinandersetzung um den Sitzungsort des Europäischen Parlaments im Mittelpunkt, vgl. EuGH, Rs. 230/81 (Luxemburg/Parlament), Urt. v. 10.02.1983, Rn. 37 f. 73  EuGH, Rs. 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 16. 74  Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 13 EUV, Rn. 28. 75  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV 2016, Art. 13 EUV, Rn. 37; bereits Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation, 1988, S. 133, versucht in Einzelfällen



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe93

Zusammenarbeit der Organe schließlich ausdrücklich in Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV primärrechtlich verankert, ohne dabei jedoch an der Rechtslage etwas zu verändern.76 Unabhängig von der Genese und Verankerung dieses Grundsatzes muss dessen Inhalt und Funktionsweise genauer betrachtet werden. In der einschlägigen Literatur wird hauptsächlich auf die für die Organe beschränkend wirkenden Ausprägungen des Prinzips eingegangen. So wird die Organtreue als „Missbrauchsschranke“ bei der Kompetenzausübung durch ein Organ,77 als Begründung für die Einhaltung von Verfahrensabsprachen78 oder als Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf andere Organe dargestellt.79 Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland ist der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Bundesorgane hauptsächlich auf die Rücksichtnahmefunktion beschränkt, da ihm lediglich eine kompetenzbeschränkende und keine rechtsbegründende Dimension anhaftet.80 Dies vermag sicherlich auch die zunächst zögerliche Herangehensweise der deutschen Unionsrechtswissenschaft an den Grundsatz zu erklären.81 Ungeachtet dessen hat der EuGH, dem die Ausgestaltung des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit obliegt,82 nicht nur die beschränkende Wirkung des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit herausgearbeitet, sondern mit diesem zugleich mehrfach die Zusammenarbeitsformen der Organe im Haushaltsverfahren gerechtfertigt. So überließ er grundsätzlich die Unterscheidung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben den Organen im 1982 eingerichteten Haushaltstrilog,83 mit der Maßgabe lediglich in Misseine Bindungswirkung von Interorganvereinbarungen aus dem Grundsatz der Organtreue zu entwickeln; vgl. auch Bieber, CML Review 1984, S. 505, 520; Hilf, EuR 1984, S. 9, 24 f. 76  Vgl. Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 13 EUV, Rn. 79. 77  Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S. 43 f.; ein praktisches Beispiel zur Blockadepolitik des Bundesrates im Rahmen der Steuerrechtsetzung findet sich bei Schmidt, DÖV 2005, S. 973 ff. 78  Schwarze, EuR Beiheft 2/1995, S. 49, 54. 79  Vgl. Voßkuhle, NJW 1997, S. 2216 ff., der aus dem Prinzip der Verfassungs­ organtreue das Rücksichtnahmegebot als Grenze der Kritik an Urteilen des Bundesverfassungsgerichts herausarbeitet. 80  Starski, DÖV 2016, S. 750, 760. 81  So orientiert sich Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation, 1988, S. 117 ff. alleine am Maßstab des deutschen Verfassungsrechts; zurückhaltend insoweit auch Hilf, EuR 1984, S. 9, 25, der das Prinzip der Organtreue ebenfalls nur als Missbrauchsgrenze deklariert. 82  Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 13 EUV, Rn. 79. 83  Vgl. Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens, ABl. C 194 v. 28.07.1982, S. 1, 2.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

brauchsfällen einzugreifen.84 Das Funktionieren des Haushaltsverfahrens beruhe dabei dem EuGH zu Folge wesentlich auf dem Dialog der Organe, die zu einer redlichen Zusammenarbeit verpflichtet seien.85 Dieses Selbstverständnis lässt sich unter Beachtung bestehender Differenzen in Kompetenzverhältnis und Konfliktlage durchaus auf das allgemeine Rechtsetzungsverfahren übertragen.86 Damit beinhaltet der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach der Betrachtungsweise des EuGH nicht nur Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme, sondern auch die implizite Aufforderung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Dialog im Kooperationsverhältnis zu verbessern. Dies ist ein Ausdruck des besonderen interinstitutionellen Verhältnisses der Organe zueinander, das sich gleich einem roten Faden durch die Verträge schlängelt und auch in der Ausgestaltung der anderen Interorganprinzipien, wie dem institutionellen Gleichgewicht und dem Selbstorganisationsrecht der Organe, zu Tage tritt. Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit kann damit als allgemeines Motiv verstanden werden, aus dessen Mitte Verpflichtungen erwachsen, die sowohl berechtigender als auch einschränkender Art sind.87 Die Interorganprinzipien bilden eine miteinander verwachsene Einheit, die als interinstitutionelle Gesamtprojektion verstanden werden muss.88 Während das Selbstorganisationsrecht und das interinstitutionelle Gleichgewicht in erster Linie die Stellung der Organe im Gefüge des Gemeinschaftsrechts konturieren, lockert die loyale Zusammenarbeit als verfahrensleitendes Motiv starre Strukturen, um den Beziehungsraum zwischen den Organen zu fördern. Diese Verbundenheit zeigt sich in Verfahren vor dem EuGH insbesondere darin, dass bei einer möglichen Verletzung des interinstitutionellen Gleichgewichts oftmals auch eine Verletzung der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit gerügt wird.89 Aus dieser Zusammengehörigkeit erwachsen allerdings auch gegenseitige Beschränkungswirkungen. Dabei gilt nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz, dass die Organe zwar zur redlichen Zusammenarbeit ver84  EuGH, Rs. 34/86 (Rat/Parlament), Urt. v. 03.07.1986, Rn.  50; EuGH, Rs. 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 17. 85  EuGH, Rs. 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 16. 86  EuGH, Rs. C-65/93 (Parlament/Rat), Urt. v. 30.03.1995, Rn. 23; dafür auch Schwarze, EuR Beiheft 2 1995, S. 49, 54; vgl. zur Beeinflussung des institutionellen Gleichgewichts durch die informellen Triloge unten S. 268 ff. 87  Bereits Everling, in Lüke/Rees/Will (Hrsg.), Rechtsvergleichung, Europarecht und Staatenintegration: Gedächtnisschrift für Léontin Constantinesco, 1983, S. 133, 141, hat diese wechselseitigen Verpflichtungen der Organe aus der gemeinsamen Ausrichtung auf die Vertragsziele hergeleitet. 88  Von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 424 spricht in diesem Zusammenhang von einer trias der interinstitutionellen Verfassungsprinzipien. 89  Vgl. zuletzt EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015.



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe95

pflichtet sind, diese aber in den Grenzen der den einzelnen Organen durch die Verträge zugewiesenen Befugnisse ablaufen muss.90 Für das Gesetzgebungsverfahren bedeutet dies insbesondere, dass durch die Organkooperation keine Entscheidungsbefugnisse verlagert werden dürfen.91 Ebenso wie die Zusammenarbeit ihre Grenze in den Kompetenzverteilungsnormen der Verträge findet, kann es bei einem Verstoß gegen die Zusammenarbeitspflicht dazu kommen, dass einem Organ die Ausübung einer Befugnis verwehrt wird. So wurde dem Parlament durch den EuGH das Anhörungsrecht versagt, nachdem dieses trotz anderslautender Zusicherungen einen Verordnungsvorschlag des Rates nicht innerhalb der versprochenen Frist beriet.92 Dem Rat könne die Nichtbeachtung des wesentlichen Formerfordernisses der Anhörung des Parlaments nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn die Ursache darin liege, dass das Parlament seiner Verpflichtung zur redlichen Zusammenarbeit mit dem Rat nicht nachgekommen sei.93 Ebenso kann die Kommission ihr Initiativrecht bei der Rücknahme von Initiativvorschlägen nur unter Rücksichtnahme auf die Kooperation mit Rat und Parlament gebrauchen.94 Unabhängig von der bereits aufgeworfenen Frage nach der Berechtigung der Kommission zu einem nahezu unbegrenzten Rücknahmerecht,95 gebiete der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit dem EuGH zu folge, dass die Kommission zunächst versuchen müsse, den inhaltlichen Kompromiss mit Rat und Parlament zu finden.96 Damit verfestigt sich auch in der jüngeren Rechtsprechung der bereits gewonnene Eindruck eines

90  EuGH,

Rs. C-48/14 (Parlament/Rat), Urt. v. 12.02.2015, Rn. 57 f. wurde vom EuGH jüngst ein Verordnungsteil für nichtig erklärt, der auf Grund eines Trilogkompromisses im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments nach Art. 42 Abs. 2 AEUV beschlossen wurde, obwohl die Entscheidung in Gestalt einer Preisfestsetzung eigentlich alleine dem Rat nach Art. 43 Abs. 3 AEUV oblag; vgl. hierzu EuGH, Rs. C-113/14 (Deutschland/ Parlament und Rat), Urt. v. 07.09.2016. 92  EuGH, Rs. C-65/93 (Parlament/Rat), Urt. v. 30.03.1995, Rn. 23 ff.; zu beachten ist, dass das Anhörungsverfahren keine Frist für die Stellungnahme des Parlaments vorsah, so dass der EuGH den Anhörungszeitraum eher großzügig bemaß und im Zweifel dem Rat auferlegte zur Abgabe der Stellungnahme ein Dringlichkeitsverfahren nach der Geschäftsordnung des Parlaments zu beantragen, vgl. dazu EuGH, Rs. C-138/79 (Isoglucose I), Urt. v. 29.10.1980, Rn. 36, was im vorliegenden Verfahren auch geschah. 93  EuGH, Rs. C-65/93 (Parlament/Rat), Urt. v. 30.03.1995, Rn. 28. 94  Vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 97  ff.; eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Entscheidung findet sich auch bei Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 494 ff. 95  Krit. hierzu Deutelmoser, NVwZ 2015, S. 1577 ff. 96  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 103 ff.; vgl. auch Scharf, EuZW 2015, S. 632, 633. 91  So

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

janusköpfigen Loyalitätsprinzips, das der Verpflichtung zum Dialog eine besondere und in diesem Fall sogar begrenzende Funktion zukommen lässt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach der Ausgestaltung durch den EuGH als organübergreifendes Verfahrensprinzip, die Organe zu einer Kooperation aufruft, die über die gegenseitige Rücksichtnahme hinausgeht und den Dialog in den Vordergrund stellt. Die Grenzen der Zusammenarbeit markieren jedoch die in den Verträgen aufgestellten Befugnisse der einzelnen Organe und damit ­insbesondere das institutionelle Gleichgewicht. Diese sind indes nicht starr, sondern von gewissen Dynamiken geprägt, die sich aus den dargestellten Wechselwirkungen der Prinzipien zueinander ergeben. Verfestigt wird der Aufruf zur Zusammenarbeit insbesondere durch die mittlerweile in Art. 295 S. 2 AEUV ausdrücklich normierten Möglichkeit, zum Zwecke der Zusammenarbeit auch interinstitutionelle Vereinbarungen abzuschließen.97

III. Zwischenfazit: Effizienz und loyale Zusammenarbeit als besondere Vertragsprinzipien Die nähere Betrachtung der Prinzipien der Effizienz und der loyalen Zusammenarbeit hat gezeigt, dass deren Bedeutung im Unionsrecht die deutschen Standards überragt. Während die Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens im deutschen Verfassungsrecht nicht ausdrücklich erwähnt wird, sondern lediglich durch die Einrichtung des Vermittlungsausschusses inzident in den Blick genommen wird,98 zeigen sich die Unionsverträge ungleich effizienzfreundlicher. Dort findet die Effizienz bereits in der Präambel als Ziel der letzten Vertragsrevision und in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV als Handlungsmaxime der Organe Erwähnung. Ähnlich verhält es sich mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Dieser ist im deutschen Verfassungsrecht als sog. Verfassungsorgantreue vor allem auf gegenseitige Rücksichtnahmepflichten beschränkt, ohne jedoch explizit zu einer dialogbasierten Zusammenarbeit aufzufordern.99 Im Gegensatz dazu verpflichtet wiederum Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV die Unionsorgane direkt zur loyalen Zusammenarbeit. Die Aufforderung zur redlichen Zusammenarbeit erschöpft sich hierbei aber nicht nur in ihrer beschränkenden Wirkung, sondern verlangt von den Organen nach der dargestellten Rechtsprechung des EuGH alles dafür zu tun, um den reibungslosen Ablauf der von den Verträgen vorgesehen Verfahren zu gewäh97  Zu interinstitutionellen Vereinbarungen bereits oben S. 36  ff.; vgl. auch Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 13 EUV, Rn. 15. 98  Zur effizienzsteigernden Funktion des Vermittlungsausschusses vgl. BVerfGE 72, S. 175, 188. 99  Vgl. Voßkuhle, NJW 1997, S. 2216 ff.; Starski, DÖV 2016, S. 750, 760.



A. Verfahrensleitende Prinzipien und Hintergründe97

ren.100 Ausprägung dieser Zusammenarbeitsverpflichtung ist die in Art. 295 S. 2 AEUV genannte Möglichkeit, die Kooperation durch die bereits besprochenen Interorganvereinbarungen auf der Ebene des sekundären Gemeinschaftsrechts zu verrechtlichen. Die Prinzipien der Effizienz und loyalen Zusammenarbeit nehmen damit in erster Linie die Eigenverantwortung der Unionsorgane in den Blick. Die Effizienz soll hierbei die Handlungsfähigkeit der Union und damit verbunden deren Machterhalt sicherstellen. Insoweit fordert sie die Organe dazu auf, ihre Leistungsbemühungen zum Erlass eines möglichst guten Gesetzgebungsakts zu optimieren. Die optimalen Leistungsbemühungen müssen dabei aber von den Organen im Wege der loyalen Zusammenarbeit getragen werden. Für das Gesetzgebungsverfahren soll nach der Vorstellung der Organe der informelle Trilog die Verzahnung dieser beiden Prinzipien darstellen, indem die Zusammenarbeit und Konsensfindung in einem flexiblen Rahmen erleichtert wird.101 Dieser Ansicht mag auch grundsätzlich zuzustimmen sein, wenn man bedenkt, dass politische Konflikte durch Triloge frühzeitig angegangen und nach der Vorstellung der Organe auch gelöst werden können. Die innerhalb des Interorganrechts erstellten Vereinbarungen bilden darüber hinaus einen verpflichtenden Rahmen, der die Zusammenarbeit im Trilog auf der Ebene unterhalb des Vertragsrechts rechtlich einhegt. Dennoch zeigen sich bereits bei einem reinen Blick auf die Prinzipien der Effizienz und Zusammenarbeit erste Schwächen der gängigen Trilogpraxis. Bedenklich erscheint vor allem die Tatsache, dass mittlerweile 97 % der Gesetzgebungsvorschläge, teilweise nach langwierigen informellen Trilogen, in den frühen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens abgeschlossen werden können.102 Was einerseits für die Einigungsbereitschaft und Kooperation der Organe spricht, setzt andererseits die verfahrensbeschleunigenden Mechanismen der in Art. 294 AEUV aufgestellten Fristenregelungen außer Kraft. Dies kann zwar grundsätzlich mit einer Fixierung auf die Ergebniseffizienz in Form der Effektivität begründet werden, greift aber in einfach gelagerten Gesetzgebungsverfahren nicht durch. Die Abkehr der Trilogpraxis vom Schlichtungszum Standardverfahren im Gesetzgebungsprozess erscheint deswegen mit Blick auf die erarbeiteten Dimensionen der Verfahrenseffizienz zweifelhaft.103 100  So auch Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 13 EUV, Rn. 15. 101  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 4. 102  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 39. 103  Selbst der Verhaltenskodex des Parlaments für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 2 merkt an, dass das Parlament in der Regel „sämtliche Möglichkeiten aller Phasen des

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Wenn man darüber hinaus die Tatsache zu Grunde legt, dass der EuGH seine Rechtsprechung zur loyalen Zusammenarbeit verbunden mit der Dialogaufforderung im Rahmen der Haushaltskonflikte herausgebildet hat, verfestigen sich diese Bedenken zusätzlich. Der EuGH hat dabei betont, dass die Probleme der Abgrenzung der nichtobligatorischen gegenüber den obligatorischen Ausgaben Gegenstand eines interinstitutionellen Schlichtungsverfahrens seien.104 Hierbei wird deutlich, dass es dem EuGH in erster Linie um die Streitbeilegung105 der Organe im Rahmen des komplexen Haushaltsverfahrens durch Kooperation ging, nicht aber um die Etablierung eines Parallelverfahrens, in dem sämtliche Haushaltsangelegenheiten besprochen werden sollten. Dies klingt auch in der entsprechenden gemeinsamen Erklärung an, die den Haushaltstrilog lediglich in Fällen von Meinungsverschiedenheiten und zur Prüfung ausstehender Fragen vorsieht, um dort gemeinsame Lösungsvorschläge zu entwickeln.106 Die Kooperation war damit von ihrer Konzeption und Idee her für Fälle gedacht, in denen das Scheitern des Haushaltsverfahrens im Raum stand.107 Im Gegensatz dazu birgt das Mitentscheidungsverfahren zwar ebenfalls Konfliktpotential, allerdings nicht in dem Maße, dass die generelle Einrichtung eines Vorverfahrens in Form der zunehmenden Trilogisierung damit gerechtfertigt werden kann. Die Entwicklung des informellen Trilogs vom Teil des Vermittlungsverfahrens108 zum nahezu standardisierten Arbeitsprozess109 zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens kann damit nur bedingt, nämlich in besonders umstrittenen Gesetzgebungsvorhaben, mit den Grundsätzen der Effizienz und loyalen Zusammenarbeit begründet werden. Die Anwendung auf momentan knapp zwei ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens“ ausschöpfen soll. Auch die kommissionsinternen Leitlinien warnen vor einer standardmäßigen Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens in erster Lesung, vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 9. 104  EuGH, Rs. 204/86 (Griechenland/Rat), Urt. v. 27.09.1988, Rn. 16. 105  Zu den Konfliktlinien im Haushaltsrecht der 80er Jahre vgl. Timmann, EuR 1988, S. 273, 273 ff.; Strohmeier, DÖV 1993, S. 217, 223 bezeichnet das Verfahren gar als „Schlachtfeld“. 106  Vgl. Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens ABl. C 194 v. 28.07.1982, S. 1 ff., Erl. II 3, 4, 5 und Erl. III 5. 107  Dies zeigt auch der geschichtliche Hintergrund der Kooperation im Haushaltsverfahren, das nach der ersten Direktwahl des Europarlaments zweimal gescheitert und viermal Gegenstand einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof war, vgl. Timmann, EuR 1988, S. 273, 273. 108  Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 4. 109  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Erl. 2, 7, 8.



B. Die Beteiligtenstruktur99

Drittel der erfolgreichen Gesetzesdossiers erscheint hingegen bereits an dieser Stelle bedenklich.110

B. Die Beteiligtenstrukturdes Mitentscheidungsverfahrens und des informellen Trilogs Bereits bei der vorangehenden Darstellung der Rechtsgrundlagen wurde das Teilnehmerfeld des informellen Trilogs insbesondere in der Darstellung der einzelnen Leitlinien in Ansätzen beschrieben.111 Im Folgenden sollen die Beteiligten am Mitentscheidungsverfahren und deren organinterne Willensbildungsprozesse näher aufgezeigt und mit dem Teilnehmerfeld der informellen Triloge verglichen werden. Hierbei sollen auch die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgern und Interessenvertretungen in den Blick genommen werden.

I. Beteiligte und Beteiligungsmöglichkeiten nach den Verträgen und den Geschäftsordnungen Gemäß Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV werden im Mitentscheidungsverfahren Gesetzgebungsakte auf Vorschlag der Kommission gemeinsam durch das Europäische Parlament und den Rat erlassen. Über das jeweilige organinterne Verfahren zur Willensbildung werden nach Maßgabe der Verträge und der Geschäftsordnungen auch einzelne Organmitglieder und Organteile aktiver Teil des Gesetzgebungsprozesses. Im Folgenden werden die einzelnen Organe, sowie die für die Willensbildung entscheidenden Organmitglieder kurz systematisiert, eingeordnet und vorgestellt. Daneben sollen auch die Einflussmöglichkeiten der sonstigen Beteiligten am Gesetzgebungsverfahren, wie der beratenden Ausschüsse, der Interessenvertreter und der übrigen Unionsbürger kurz beleuchtet werden. 1. Kommission Obwohl der Kommissionspräsident112 die politische Führungsrolle innerhalb der Kommission einnimmt, trifft die nach Art. 289 Abs. 1, 294 Abs. 1 AEUV für die Gesetzesinitiative zuständige Kommission ihre Beschlüsse 110  Zur

Statistik vgl. unten S. 163 ff. S.  72 f. 112  Zur Rechtsstellung des Kommissionspräsidenten vgl. insbesondere Art.  17 Abs. 6 EUV; dazu ausführlich Schima, in: Eilmansberger/Griller/Obwexer (Hrsg.), Rechtsfragen der Implementierung des Vertrags von Lissabon, S. 251, S. 257 ff. 111  S. o.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

gemäß Art. 250 AEUV mit der Mehrheit ihrer Mitglieder. Dabei wird deutlich, dass sie trotz der unterschiedlichen Aufgabenzuweisung der einzelnen Kommissionsmitglieder im Rahmen der politikbezogenen Generaldirektionen113 ein kollegiales Entscheidungsorgan ist, weswegen grundsätzlich jeder einzelne Kommissar am Initiativverfahren zu beteiligen ist. Seinen Ursprung hat das Kollegialprinzip dem EuGH zu Folge in der Gleichheit der Mitglieder der Kommission bei der Entscheidungsfindung. Es fordere, dass Entscheidungen gemeinsam beraten würden und, dass alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche der zu erlassenden Entscheidungen politisch gemeinsam verantwortlich seien.114 In der Praxis können allerdings auf Grund der Vielzahl und des oftmals technischen Charakters nicht alle Entscheidungen im Kollegium getroffen werden. Deswegen etabliert Art. 4 GO-Komm. vier unterschiedliche interne Beschlussverfahren,115 die die Handlungsfähigkeit der Kommission sicherstellen sollen. Insbesondere das Ermächtigungsverfahren nach Art. 13 GO-Komm. verdient hier Beachtung, da durch dieses eines oder mehrere Kommissionsmitglieder ermächtigt werden können, im Namen der Kommission Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung zu treffen. Dieses Vorgehen hat bei den Unionsgerichten grundsätzlich Anerkennung erfahren.116 Zentrales Element zur Wahrung des Kollegialitätsprinzips ist, dass die Ermächtigung auf Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung begrenzt ist und damit politische Entscheidungen und Entscheidungen von besonders großer Tragweite nicht im Wege der Vorabermächtigung entschieden werden dürfen.117 Damit kann die Annahme eines Vorschlags für einen Gesetzgebungsakt als politische Entscheidung nicht im Wege der Vorabermächtigung von einzelnen Kommissionsmitgliedern, sondern nur vom Kollegium als Ganzes beschlossen werden.118 Allerdings kann das Kollegium ein Kommissionsmitglied dazu ermächtigen, Abänderungen eines Gesetzgebungsvorschlags durch Rat oder Parlament zuzustimmen.119 An der Gesamtverantwortlichkeit des Kollegiums ändert sich dadurch freilich nichts. 113  Vgl. dazu im Einzelnen Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV 2016, Art. 17 EUV, Rn. 38 f. 114  Vgl. EuGH, Rs. 5/85 (AKZO), Urt. v. 23.09.1986, Rn. 30. 115  Im Einzelnen zählt Art. 4 GO-Komm. das mündliche Verfahren nach Art. 8 GOKomm., das schriftliche Verfahren nach Art. 12 GO-Komm., das Ermächtigungsverfahren nach Art. 13 GO-Komm. und das Verfahren der Delegation nach Art. 14 GOKomm. auf. 116  Vgl. hierzu Martenczuk, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 250 AEUV, Rn. 9 m. w. Nw. 117  Zu Unterscheidungskriterien näher Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 250 AEUV, Rn. 35. 118  Vgl. Martenczuk, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 250 AEUV, Rn. 13.



B. Die Beteiligtenstruktur101

Unabhängig davon sind für den organinternen Willensbildungsprozess die Generaldirektionen und internen Dienste als behördlicher Unterbau der Kommission von besonderer Bedeutung.120 Diese gliedern sich wiederum in Direktionen und Referate auf.121 Die inhaltliche Ausarbeitung eines Legislativvorschlags obliegt dann einem Kommissionsbeamten der federführenden Referatsabteilung (sog. chef de dossier), bevor dieser anschließend zwischen den Generaldirektionen abgestimmt und am Ende nach teilweise langwierigen, teilweise auch informellen Diskussionen vom Kommissionskollegium beschlossen wird.122 In diesem Prozess lässt sich die Kommission oftmals auch von externen Expertengruppen beraten, um Fachwissen in komplizierten und spezialisierten Gebieten zu erlangen.123 2. Europäisches Parlament Bei der Beschlussfassung im Parlament werden die einzelnen Parla­ments­ mitglieder,124 die gemäß Art. 231 AEUV im Allgemeinen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen die Beschlüsse des Parlaments fassen, sowie im Rahmen der parlamentarischen Meinungsbildung vor allem die Parteien,125 die Fraktionen126 und die einzelnen, jeweils zuständigen Ausschüsse127 beteiligt. 119  Dies allerdings auch nur dann, wenn das Kollegium bei Erteilung der Ermächtigung über den Inhalt des sich abzeichnenden Kompromisses unterrichtet war, vgl. EuGH, Rs. C-445/00 (Österreich/Rat), Urt. v. 11.09.2003, Rn. 41. 120  Diese werden nach Art. 21 GO-Komm. durch die Kommission zur Vorbereitung und zur Durchführung ihrer Amtstätigkeit, sowie zur Verwirklichung der vom Präsidenten festgelegten Prioritäten und politischen Leitlinien eingerichtet. 121  Vgl. Art. 21 GO-Komm. 122  Vgl. Mross, Bürgerbeteiligung am Rechtsetzungsprozess, 2010, S. 143, der konstatiert, dass der Weg vom ersten Entwurf des zuständigen Kommissionsbeamten bis zur endgültigen Verabschiedung des Vorschlags teilweise mehr als ein Jahr in Anspruch nimmt. 123  Vgl. Ullner, EuR 2014, S. 346, 357. 124  Zur Rechtsstellung der Abgeordneten des Parlaments vgl. Art. 2  ff. GO-EP (2017); Böttger, EuR 2002, S. 898 ff. 125  Primärrechtliche Regelungen zu Parteien auf der Ebene der Europäischen Union enthalten Art. 10 Abs. 4 EUV, Art. 12 Abs. 2 GRCh und Art. 224 AEUV. Auf der Ebene des Sekundärrechts sind die Verordnung (EU) Nr. 1141/2014, ABl. L 317 v. 4.11.2014 und die Art. 223 ff. GO-EP (2017) zu beachten. Zur Rechtsstellung der Parteien und deren Einfluss auf das demokratische Leben vgl. die einzelnen Aufsätze in Poguntke/ Morlok/Merten (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer europäischen Parteiendemokratie, 2013. 126  Die Rechtsstellung und Zusammensetzung der Fraktionen des Europäischen Parlaments ist in den Art. 32 ff. GO-EP (2017) geregelt. 127  Das Ausschusssystem des Europäischen Parlaments wird alleine in den Art. 196 ff. GO-EP (2017) geregelt. Lediglich die Existenz des Untersuchungsausschusses ist in Art. 226 AEUV primärrechtlich verankert.

102

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Die politischen Parteien sollen hierbei gemäß Art. 10 Abs. 4 EUV zur Herausbildung eines europäischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Unionsbürger beitragen. Darüber hinaus fördern sie die Bildung und Arbeit der Fraktionen des Europäischen Parlaments.128 Kommt es zu einer Gesetzesinitiative durch die Kommission, wird das innerparlamentarische Verfahren nach Art. 38 ff. GO-EP (2017) in Gang gesetzt. Es erfolgt zunächst eine Beteiligung des zuständigen Ausschusses, dem der Rechtsakt vom Präsidenten zur Prüfung weitergeleitet wird.129 Im Ausschussverfahren beteiligt sind die Abgeordneten, die auf Vorschlag der Fraktionen und der fraktionslosen Mitglieder gewählt wurden, wobei die Zusammensetzung des Ausschusses soweit möglich die Zusammensetzung des Parlaments widerspiegeln soll.130 Eine besondere Rolle im Ausschussverfahren und damit im Rahmen seines Willensbildungsprozesses nehmen der Ausschussvorsitz,131 der Berichterstatter132 und die Schattenberichterstatter der Fraktionen133 ein. Vor allem der Berichterstatter trägt im Folgenden eine spezielle Verantwortung, da sein Bericht zum Legislativvorschlag, nach Annahme im zuständigen Ausschuss, maßgeblich für die Prüfung des Parlaments in erster Lesung ist.134 Zudem tritt er innerhalb der informellen Triloge als Gesicht und Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments auf.135 Die Zuteilung der Berichte erfolgt anders als die Ausschussbesetzung136 nicht direkt unter Beachtung des Proporzprinzips.137 Stattdessen wird in den meisten Ausschüssen die „Versteigerung“ der Berichte mittels eines Punktesystems vorgenommen.138 Dabei werden den einzelnen Fraktionen je nach ihrer Stärke im Ausschuss oder im Plenum Punkte zugeteilt, mit denen sie dann auf die einzelnen Legislativberichte bieten können.139 Dies hat zur Folge, dass 128  Vgl. Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 10 EUV, Rn. 26. 129  Vgl. Art. 47 GO-EP (2017); das Verfahren in den Ausschüssen ist in Art. 49 ff. GO-EP (2017) näher beschrieben. 130  Art. 199 Abs. 1 GO-EP (2017). 131  Art. 204 GO-EP (2017). 132  Vgl. näher Art. 49 GO-EP (2017). 133  Art. 205 a GO-EP (2017). 134  Dazu näher Mross, Bürgerbeteiligung am Rechtsetzungsprozess, 2010, S. 147 ff. 135  Vgl. Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017). 136  Vgl. dazu Art. 199 GO-EP (2017). 137  Kaeding, in: Selck/Veen (Hrsg.), Die politische Ökonomie des EU Entscheidungsprozesses, 2008, S. 163, 164. 138  Yoshinaka/McElroy/Bowler, Legislative Studies Quarterly 2010, S. 457, 463 f. 139  Eine sehr ausführliche Beschreibung des Versteigerungssystems findet sich bei Benedetto, Journal of European Public Policy 2005, S. 67, 71.



B. Die Beteiligtenstruktur103

Berichte der als wichtig empfundenen Mitentscheidungsdossiers entsprechend „teurer“ sind, während als unwichtig empfundene Dossiers nahezu punktelos vergeben werden. Die Fraktionen haben darüber hinaus die Möglichkeit auf ihre Punkte zu verzichten oder mit diesen zu handeln.140 Empirische Studien haben ergeben, dass dies zu Proportionalitätsverzerrungen führen kann. So ist beispielsweise die Fraktion der Grünen bei der Zuteilung von Berichten im Verbraucher- und Umweltausschuss deutlich überrepräsentiert.141 „Gewinnt“ eine Fraktion den Bericht, entscheidet diese fraktionsintern welches ihrer Ausschussmitglieder als Berichterstatter fungieren soll. Bevorzugt werden dabei Fraktionsmitglieder die keine extremen Positionen vertreten, ausgewiesene Experten auf dem Gebiet des Dossiers sind und auch allgemein wenige Abwesenheitszeiten im Europäischen Parlament vorweisen.142 Zusätzlich entstammen die Berichterstatter oftmals den Mitgliedstaaten in denen ein besonderes Interesse an der Verwirklichung der Ausschussziele besteht.143 Trotz der aufgezeigten Proportionalitätsverzerrungen ist das Berichtverteilungssystem im arbeitsteiligen Aufbau des Europäischen Parlaments144 von Vorteil. Denn es schafft die Möglichkeit, dass Berichte an die Ausschussmitglieder vergeben werden, für die das Gesetzesdossier eine besondere politische Bedeutung hat. Der Sachexpertise des Berichterstatters kommt dabei insbesondere in informellen Trilogen eine tragende Rolle zu. Denn so kann gewährleistet werden, dass das Europäische Parlament in den Verhandlungen bestmöglich repräsentiert wird.145 Dabei nehmen die Berichterstatter eine Doppelrolle ein, indem sie einerseits als Vertreter ihrer parteipolitischen Präferenzen und andererseits als Konfliktlöser auftreten müssen.146 Berichterstatter, und damit auch das Parlament, sind in informellen Verhandlungen dann besonders erfolgreich, wenn sie es schaffen eine breite Mehrheit der Parlamentarier hinter ihrem Standpunkt zu vereinen.147 Durch geschicktes 140  Benedetto,

Journal of European Public Policy 2005, S. 67, 71. Kaeding, in: Selck/Veen (Hrsg.), Die politische Ökonomie des EU Entscheidungsprozesses, 2008, S. 163, 165 f. 142  Vgl. Yoshinaka/McElroy/Bowler, Legislative Studies Quarterly 2010, S. 457, 472 ff. 143  So stellt Kaeding, in: Selck/Veen (Hrsg.), Die politische Ökonomie des EU Entscheidungsprozesses, 2008, S. 163, 176 fest, dass im Umweltausschuss ein großer Anteil der Berichterstatter aus den nordischen, „green minded“ Mitgliedstaaten entstammt. 144  Allgemein zum arbeitsteiligen Vorgehen innerhalb des Europäischen Parlaments Farrell/Héritier, CPS 2004, 1184, 1195 f. 145  Vgl. dazu Benedetto, Journal of European Public Policy 2005, S. 67, 85. 146  Bei Yoshinaka/McElroy/Bowler, Legislative Studies Quarterly 2010, S. 457, 477 werden die Berichterstatter deswegen als „Jekyll-and-Hide figures“ bezeichnet. 147  Benedetto, Journal of European Public Policy 2005, S. 67, 85. 141  Vgl.

104

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Verhandeln im Vielparteiensystem mit gleichzeitig fortlaufenden Trilogen zwischen den Organen könnte es ihnen aber auch gelingen, ihre politischen Präferenzen mit Hilfe des Ministerrates und der Kommission innerparlamentarisch durchzusetzen. 3. Rat Eine Beteiligung der mitgliedstaatlichen Regierungen erfolgt durch die Beschlussfassung im Rat.148 Dieser entscheidet im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hauptsächlich mit der doppelt qualifizierten Mehrheit des Art. 16  Abs. 4 EUV.149 Er tagt dabei je nach behandeltem Sachgebiet in verschiedenen Zusammensetzungen,150 wobei die Mitgliedsstaaten durch jeweils einen Vertreter auf Ministerebene repräsentiert werden.151 Dies ermöglicht mittelbar auch den nationalen Parlamenten, Einfluss auf das Stimmverhalten des nationalen Repräsentanten zu nehmen.152 Bei der Willensbildung innerhalb des Rates nehmen der Ratsvorsitz und der Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV) zentrale Rollen ein. Im Regelfall ist der Fachminister des Mitgliedstaates, der die Ratspräsidentschaft innehat, für die Einberufung des Rates in der entsprechenden Formation153 die Erstellung der vorläufigen Tagesordnung unter Berücksichtigung des Achtzehnmonatsprogramms des Rates154 und die Veranlassung zur Beschlussfassung155 zuständig.156 Der Ratsvorsitz ist für die Erstellung eines Programms für die Tätig­ 148  Ausführlich zum Aufbau und zur Entscheidungsstruktur des Rates von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, 2009, S. 13 ff. 149  Nach Art. 16 Abs. 3 EUV beschließt der Rat immer mit qualifizierter Mehrheit, sofern in den Verträgen nichts anderes geregelt ist. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren normiert lediglich Art. 294 Abs. 10 AEUV eine Abweichung im Rahmen der zweiten Lesung des Rates. Hat die Kommission zu einem Änderungsvorschlag des Parlaments mit einer ablehnenden Stellungnahme reagiert, kann der Rat diesem nur einstimmig zustimmen. 150  Vgl. Art. 16 Abs. 6 UAbs. 1 EUV, Art. 2 Abs. 1 GO-Rat; eine Liste der Ratsformationen findet sich in Anhang 1 GO-Rat. 151  Vgl. Art. 16 Abs. 2 EUV. 152  Dies hängt von den jeweils innerstaatlichen Regelungen zum Einfluss des Parlaments auf das Stimmverhalten der Regierung ab. In jüngerer Zeit war der Einfluss nationaler Parlamente insbesondere bei der Aushandlung von Handelsverträgen Gegenstand der juristischen Diskussion, vgl. hierzu Mayer, ZEuS 2016, S. 389 ff. 153  Vgl. Art. 237 AEUV; Art. 1 Abs. 1, Abs. 4 UAbs. 2, Abs. 5 UAbs. 2 GO-Rat. 154  Vgl. Art. 3 Abs. 1 GO-Rat. 155  Vgl. Art. 11 Abs. 1 GO-Rat. 156  Eine Ausnahme bildet der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, dem nach Art. 16 Abs. 9, 18 Abs. 3 EUV grundsätzlich der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vorsteht.



B. Die Beteiligtenstruktur105

keiten des Rates,157 die Anwendung der Geschäftsordnungen und den or­ dentlichen Ablauf der Aussprachen158 zuständig, der AStV das wesentliche Vorbereitungsgremium für die einzelnen Ratstagungen.159 Er tritt in zwei verschiedenen Formationen,160 AStV I und AStV II, zusammen und ist insbesondere dafür verantwortlich, dass in der Ratsarbeit die in Art. 19 Abs. 1 GORat genannten Grundsätze161 gewahrt werden. Darüber hinaus kann der AStV in der Geschäftsordnung nicht näher bezeichnete Ausschüsse und Unterarbeitsgruppen einsetzen, um zuvor bestimmte vorbereitende Arbeiten oder Untersuchungen durchzuführen162 und eigene Verfahrensbeschlüsse zu erlassen.163 Die Ratsarbeitsgruppen, neben dem Ministerrat und dem AStV, die dritte Organisationsstufe des Rates, setzen sich dabei aus einzelnen Mitarbeitern der nationalen Ministerien zusammen.164 Daneben gewährt das Generalsekretariat vor allem koordinatorische Unterstützung.165 157  Sog.

Achtzehnmonatsprogramm, vgl. dazu bereits oben S. 84 f. Art. 20 GO-Rat; der Rat hat sich in seiner Geschäftsordnung relativ ausführliche Regeln zum Ablauf der Aussprachen aufgestellt, vgl. hierzu auch Anhang V GO-Rat. 159  Vgl. Art. 240 Abs. 1 AEUV, Art. 19 GO-Rat. 160  Mitglieder des AStV I sind die Vertreter der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten. Sie beraten die Tagungen von sechs politisch weniger brisanten Ratszusammensetzungen vor. Im AStV II sind dagegen die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten vertreten, die Tagungen für vier brisantere Ratszusammensetzungen vorbereiten. Vgl. zum Ganzen Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Erläuterungen zur Geschäftsordnung des Rates 03/2016, S. 18 ff. 161  Im Einzelnen sind das a) die Grundsätze der Legalität, Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und der Begründungspflicht bei Rechtsakten; b) die Vorschriften über die Befugnisse der Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union; c) die Haushaltsbestimmungen; d) Verfahrensregeln, Transparenz und redaktionelle Qualität. 162  Vgl. Art. 19 Abs. 3 GO-Rat; zu beachten ist allerdings, dass das Verzeichnis der Vorbereitungsgremien vom Generalsekretariat öffentlich zugänglich gemacht werden muss und nur Ausschüsse, die in diesem Verzeichnis aufgeführt sind, als Vorbereitungsgremien des Rates zusammentreten dürfen. Eine Liste der über 150 (!) Arbeitsgruppen, die teilweise durch die Verträge oder den Rat selbst, größtenteils aber auf Grundlage von Art. 19 Abs. 3 GO-Rat durch des AStV eingerichtet wurden, findet sich unter http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5183-2016-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 163  Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in Art. 240 Abs. 1 S. 2 AEUV i. V. m. Art. 21 Abs. 7 GO-Rat. So liegt es beispielsweise in der Hand des AStV, die in Art. 294 Abs. 14 AEUV genannten Fristen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu verlängern. 164  Larsson, Precooking in the European Union – the World of Expert Groups, 2003, S. 43. 165  Vgl. Art. 240 Abs. 2 AEUV, Art. 23 GO-Rat; ausführlich zur Rolle des Generalsekretariats Bauer, in: Dagger/Kambeck (Hrsg.), Politikberatung und Lobbying in Brüssel, 2007, S. 90. 158  Vgl.

106

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

4. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen Bei Gesetzgebungsverfahren in bestimmten unionsrechtlichen Kompetenzbereichen166 sind zusätzlich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) und/oder der Ausschuss der Regionen (AdR) in Form von Pflichtstellungnahmen zu beteiligen. Aufgabe der beiden nicht ganz zutreffend bezeichneten „Nebenorgane“167 ist die Beratung der gesetzgeberisch tätigen Hauptorgane. Sie können nicht zu den Organen der Europäischen Union gezählt werden, da sie in der abschließenden Aufzählung des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV nicht als Organ aufgeführt werden und sie darüber hinaus über keine außenwirksamen Handlungsbefugnisse verfügen.168 Ihnen sind im Gesetzgebungsverfahren keine Mitentscheidungskompetenzen eingeräumt.169 Neben den Pflichtstellungnahmen können die Ausschüsse auch fakultativ angehört werden170 oder auf eigene Initiative171 tätig werden. Dem Ausschuss der Regionen ist darüber hinaus in allen Fällen, in denen der EWSA obligatorisch oder fakultativ angehört wird, die Möglichkeit einzuräumen, ebenfalls eine Stellungnahme abzugeben, sofern er der Auffassung ist, dass spezifische regionale Interessen berührt werden.172 Ziel dieser Beteiligungsrechte ist die Stärkung der Legitimität und Akzeptanz der EU-Rechtsakte, durch die Hinzuziehung des transparenten Einflusses der Vertreter der Zivilgesellschaft und die Rücksichtnahme auf regionale und lokale Belange.173 Der Wirtschafts- und Sozialausschuss174 besteht aus Vertretern von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, sowie aus anderen Vertretern der Zivilge166  So ist der EWSA beispielsweise in Fällen der Binnenmarktangleichung nach Art. 114 Abs. 1 AEUV und im Bereich des Verbraucherschutzes nach Art. 169 Abs. 2 AEUV anzuhören; der AdR ist insbesondere in den Bereichen der geteilten Zuständigkeiten zwischen Union und Mitgliedstaaten anzuhören, so z. B. im Bereich des Gesundheitsschutzes nach Art. 168 Abs. 4, Abs. 5 AEUV, vgl. dazu näher Schladebach, LKV 2005, S. 95, 96. 167  Hilf, Organisationsstruktur der EG, S. 17; zur Begrifflichkeit vgl. auch Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 13 EUV, Rn. 11. 168  Zur Begrifflichkeit näher Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 13 EUV, Rn. 11. 169  Vgl. Art. 13 Abs. 4 EUV, Art. 300 , 304, 307 AEUV. 170  Sog. Sondierungsstellungnahmen nach Art.  304 S. 2 AEUV bzw. Art. 307 Abs. 1 Alt. 2 AEUV. 171  Sog. Initiativstellungnahmen nach Art. 304 S. 3  AEUV bzw. Art. 307 Abs. 4 AEUV. 172  Sog. akzessorische Stellungnahme nach Art. 307 Abs. 3 AEUV. 173  Vgl. Burgi/Hölbling, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 300 AEUV, Rn. 6. 174  Vgl. dazu ausführlich Hayder, EuZW 2010, S. 171 ff.; Pflaumer, NJW 1966, S.  265 ff.; Vierlich-Jürcke, Der WSA der Europäischen Gemeinschaften, 1998; Brüske,



B. Die Beteiligtenstruktur107

sellschaft.175 Die Mitglieder werden vom Rat nach Anhörung der Kommission auf Grundlage einer Vorschlagsliste der Mitgliedstaaten ernannt.176 Der 1957 eingerichtete und mittlerweile aus 350 Mitgliedern bestehende EWSA sieht sich selbst als Brücke zwischen Europa und der organisierten Zivilgesellschaft in all ihrer Vielfalt und Komplexität.177 Insoweit stellt der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine institutionalisierte Beteiligungsform von Interessenvertretern dar, die in der Tradition der Wirtschaftsräte einzelner Mitgliedstaaten steht.178 Gemäß Art. 303 Abs. 2 AEUV gibt er sich eine eigene Geschäftsordnung, die die internen Verfahren und die interne Organisation näher regelt.179 Ersucht der Rat, die Kommission oder das Parlament eine Stellungnahme, teilt der EWSA die Stellungnahmen in drei Kategorien, gestaffelt nach deren Bedeutung, ein.180 Davon abhängig ist dann, ob die Stellungnahme durch Studiengruppen (Kategorie A), einen Berichterstatter der zuständigen Fachgruppen (Kategorie B)181 oder in einem Standardverfahren durch das Präsidium (Kategorie C) erarbeitet wird.182 Initiativstellungnahmen werden hierbei regelmäßig auf Grund ihrer politischen Bedeutung der ersten Kategorie zuzuordnen sein.183 Der Ausschuss der Regionen184 setzt sich dagegen aus 350 regionalen und kommunalen Mandatsträgern zusammen.185 Er wurde durch den Vertrag von Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaften. Die institutionalisierte Interessenvertretung als Faktor der europäischen Integration, 1978. 175  Vgl. Art. 300 Abs. 2 AEUV. Der EWSA teilt seine Mitglieder deswegen selbst in drei Hauptgruppen ein, in die Arbeitgeber, in die Arbeitnehmer und in die sonstigen wirtschaftlichen und sozialen Bereiche der organisierten Zivilgesellschaft vertreten, vgl. Art. 27 GO-EWSA. 176  Vgl. Art. 302 AEUV. 177  Vgl. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Regierungskonferenz 2000 – Die Rolle des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 117 v. 26.04.2000, S. 28, 28. 178  In der Bundesrepublik Deutschland existiert kein vergleichbares Gremium, sehr wohl aber beispielsweise in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, vgl. dazu näher Ballreich, ZaöRV 1952, S. 790 ff.; ausführlich zur Struktur, Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Wirtschafts- und Sozialräte der EG, 1989. 179  Die kodifizierte Geschäftsordnung des EWSA ist ABl. L 324 v. 09.12.2010, S.  52 ff. 180  Vgl. Art. 30 Abs. 3 GO-EWSA. 181  Die Fachgruppen sind mit Ausschüssen vergleichbar und in Art. 14 ff. GOEWSA näher geregelt. 182  Vgl. Art. 30 Abs. 3 GO-EWSA. 183  Vgl. Hayder, EuZW 2010, S. 171, 173. 184  Dazu ausführlich Hasselbach, Der Ausschuss der Regionen, 1996; KalbfleischKottsieper, DÖV 1993, S. 541 ff.; Wuermeling, EuR 1993, S. 196 ff.; Schladebach, LKV 2005, S. 95 ff. 185  Art. 300 Abs. 3 AEUV.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Maastricht vor allem auf Drängen der deutschen Bundesländer geschaffen.186 Obwohl dem Ausschuss lediglich ein Anhörungsrecht zukommt, wurde seine Einrichtung als entscheidender Schritt zur Anerkennung der innerstaatlichen Gebietskörperschaften durch die Union gesehen.187 Die wesentliche Aufgabe des AdR ist es deswegen, regionale und lokale Interessen zu diskutieren und in das Rechtsetzungsverfahren mit einzubringen.188 Dabei kommt dem Ausschuss eine besondere Rolle bei der Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips auf Unionsebene zu, wenn man bedenkt, dass dieser im Gegensatz zum EWSA als teilprivilegierter Kläger nach Art. 263 Abs. 3 AEUV die Wahrung seiner Rechte und des Subsidiaritätsprinzips vor dem Gerichtshof einklagen kann.189 Die Mitglieder des AdR werden vom Rat auf Vorschlag der nationalen Regierungen für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt.190 Die Repräsentativität des Gremiums soll dadurch erhalten werden, dass Mitglieder mit dem Verlust ihres nationalen Mandats automatisch aus dem Ausschuss ausscheiden.191 Die organinterne Organisation und das organinterne Verfahren zur Erstellung der Stellungnahmen des AdR regelt wiederum die nach Art. 306 Abs. 2 AEUV zu erlassende Geschäftsordnung des Ausschusses.192 Danach werden die Stellungnahmen je nach zeitlicher Dringlichkeit in den Fachgruppen193 oder von einem Hauptberichterstatter erarbeitet und anschließend dem Plenum zu Abstimmung vorgelegt.194 Eine Kategorisierung der Stellungnahmen nach deren Bedeutung nimmt der AdR im Gegensatz zum EWSA nicht vor. Doch welchen Einfluss können die beratenden Ausschüsse tatsächlich auf den Willensbildungsprozess der gesetzgebenden Organe nehmen? Dies ist unter anderem maßgeblich davon abhängig, wann die Ausschüsse im Verfahren anzuhören sind. Das Hauptaugenmerk soll hierbei auf die Fälle der verpflichtenden Anhörungen gelegt werden, da nur diese eine zwingende Beteiligung der Ausschüsse garantieren. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Anhö186  Melin,

EuR 2011, S. 655, 663. DÖV 2008, S. 1018, 1022. 188  Schladebach, LKV 2005, S. 95, 96. 189  Zum geschichtlichen Hintergrund näher Blanke, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 300 AEUV, Rn. 55 f., sowie Rn. 79 ff. 190  Vgl. Art. 305 Abs. 3 S. 1 AEUV. 191  Vgl. Art. 305 Abs. 3 S. 4 AEUV. 192  Die kodifizierte Geschäftsordnung des AdR ist abzurufen in ABl. L 6 v. 09.01.2010, S.  14 ff. 193  Die Fachgruppen werden nach Art. 45 Abs. 1 GO-AdR zu Beginn einer jeden fünfjährigen Wahlperiode durch die Plenarversammlung eingesetzt. Klassisch hat sich eine Aufgliederung in sechs Fachkommissionen bewährt. Da jedes Ausschussmitglied nach Art. 45 Abs. 2 GO-AdR in zwei Fachkommissionen Mitglied sein darf, besteht eine Fachkommission regelmäßig aus ca. 100 Mitgliedern. 194  Das Verfahren wird ausführlich in den Art. 39 ff. GO-AdR geregelt. 187  Holtschneider,



B. Die Beteiligtenstruktur109

rungen immer zu konkreten Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission durchgeführt und deswegen regelmäßig direkt im Anschluss an die Verabschiedung des förmlichen Gesetzgebungsvorschlags durch die Kommission eingefordert werden.195 Ausnahmsweise ist die Anhörung allerdings wiederholt durchzuführen, wenn der Kommissionsvorschlag im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich inhaltlich geändert wird.196 Andernfalls käme es zu einer Aushöhlung der Beratungsrechte der Ausschüsse, da deren Expertise dann nicht mehr in einen substantiell geänderten Rechtsakt einfließen könnte. Obwohl die Stellungnahmen der beratenden Ausschüsse die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe nicht zu deren inhaltlicher Befolgung zwingen, verlangt Art. 296 Abs. 2 AEUV doch zumindest eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen.197 Die Rechtsakte sind mit einer Begründung zu versehen, die auch auf die in den Verträgen vorgesehenen Stellungnahmen Bezug nehmen soll. Kontrovers bewertet wird der Einfluss der beiden Ausschüsse auf die Willensbildung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe. Während in den Teilgliederungen der Kommission die Stellungnahmen aufmerksam verfolgt werden, scheint dies in Rat und Parlament nicht immer der Fall zu sein.198 Darüber hinaus ist anzumerken, dass die obligatorischen Stellungnahmen der Ausschüsse erst nach der Initiative der Kommission erstellt werden. In diesem Status des Gesetzgebungsverfahrens liegen jedoch bereits erste Vorschläge vor, die zwar nicht verbindlich sind, aber bei den Beteiligten schon zu einer Meinungsbildung geführt haben können.199 Aus diesem Grund wünschen sich die Mitglieder des EWSA bereits seit längerem,200 dass der Wirtschafts- und Sozialausschuss bereits in der Initiativphase durch die Kommission häufiger um Sondierungsstellungnahmen nach Art. 304 Abs. 1 S. 2 AEUV gebeten wird.201 Neben dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen besitzt auch der Rechnungshof ein Anhörungsrecht, das allerdings im 195  Hayder, EuZW 2010, S. 171, 172.; so auch EuGH, verb. Rs. 281, 283–285 und 287/85 (Deutschland ua./Kommission), Urt. v. 09.07.1987, Rn. 39. 196  Vierlich-Jürcke, Der WSA der Europäischen Gemeinschaften, 1998, S. 161 f. 197  Vgl. Burgi/Hölbling, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2.  Aufl. 2012, Art. 304 AEUV, Rn. 4. 198  Vgl. für den Wirtschafts- und Sozialausschuss, Hayder, EuZW 2010, S. 171, 173. 199  Blanke, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 304 AEUV, Rn. 10; vgl. auch Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, S. 20. 200  Vgl. Brüske, Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaften. Die institutionalisierte Interessenvertretung als Faktor der europäischen Integration, 1978, S. 127. 201  Krit. hierzu gerade auch mit Blick auf eine Vermischung von Vorschlags- und Beratungsphase Siebecke, Institutionalisierte Interessenvertretungen in der Europäischen Union, 1996, S. 80 f.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf die Kompetenznorm des Art. 325 Abs. 4 AEUV für Maßnahmen zum Schutz finanzieller Interessen der Gemeinschaft beschränkt und somit nur von untergeordneter Bedeutung ist.202 5. Mitwirkung der nationalen Parlamente Unabhängig von der mitgliedstaatlichen Vertretung im Ministerrat,203 werden auch die nationalen Parlamente unmittelbar durch die Verträge in das Gesetzgebungsverfahren mit einbezogen. Nach Art. 12 AEUV tragen die nationalen Parlamente aktiv zur guten Arbeitsweise der Union bei. Aus diesem Grund werden ihnen die Gesetzesinitiativen der Kommission gleichzeitig mit der Übermittlung an das Europäische Parlament und den Rat zugeleitet.204 Nach dieser Unterrichtung ist es die wesentliche Aufgabe der Parlamente, die Vereinbarkeit des Legislativvorschlags mit dem Subsidiaritätsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 3 EUV zu überprüfen. Dabei können auch Verstöße gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 EUV geltend gemacht werden, da dies eine Vorfrage im Hinblick auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips darstellt.205 Erhebt dann eine gewisse Anzahl der mitgliedstaatlichen Parlamente entsprechende Subsidiaritätsrügen, ist die Kommission dazu verpflichtet, sich mit diesen auseinanderzusetzen.206 Daneben steht den mitgliedstaatlichen Parlamenten genauso wie dem Ausschuss der Regionen der Klageweg offen.207 Die direkte Mitwirkung der mitgliedstaatlichen Parlamente im gesetzgeberischen Willensbildungsprozess ist al202  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 18. 203  Zur Beteiligung der mitgliedstaatlichen Parlamente, insbesondere des deutschen Bundestags, bei der Entscheidungsfindung im Rat vgl. ausführlicher unten S.  238 ff. 204  Vgl. Art. 12 a) AEUV, Art. 2 des Protokolls (Nr. 1) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 203; Art. 4 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 206. Die Protokolle sind gemäß Art. 51 EUV als Vertragsteil anzusehen. Werden die Initiativen vom Parlament der Kommission vorgeschlagen oder von übrigen ausnahmsweise Initiativberechtigten die Gesetzesvorschläge gesetzt, sind das Parlament bzw. der Rat für die Unterrichtung der mitgliedstaatlichen Parlamente zuständig, vgl. näher Hölscheidt, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 12 EUV, Rn. 27 ff. 205  Vgl. dazu ausführlich Buschmann/Daibler, DÖV 2011, S. 504 ff. 206  Art.  7 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 206; dazu ausführlich Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 16 f.; Bickenbach, EuR 2013, S. 523 ff. 207  Art.  8 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 206. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Subsidiaritätsklage sogar als parlamentarisches Minderheitenrecht ausgebaut worden, vgl. § 12 Abs. 1 Integrationsverantwortungsgesetz, obwohl dies nach der europarechtlichen Konzep-



B. Die Beteiligtenstruktur111

lerdings auf die Geltendmachung einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips beschränkt. Ein weitergehendes, direktes, inhaltliches Beratungs- oder Empfehlungsrecht wird ihnen nicht eingeräumt.208 Dieses ist vielmehr über ihren Einfluss auf die im Rat vertretenen mitgliedstaatlichen Regierungen geltend zu machen.209 6. Beteiligung der Bürger und Interessenvertretungen Neben den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen und den beratenden Ausschüssen räumen die Verträge auch Bürgern und Interessenvertretungen Teilhabe am demokratischen Leben der Union und damit auch am Gesetzgebungsverfahren ein.210 Das wesentliche direktpartizipatorische Element stellt hierbei zweifellos die europäische Bürgerinitiative nach Art. 11 Abs. 4  EUV dar,211 auch wenn sie in ihrer Wirkung nicht über eine unverbindliche Initiativaufforderung an die Kommission hinausgeht.212 Aber auch ganz allgemein scheint sich die Beteiligung der nicht im EWSA vertretenen Zivilgesellschaft im Wesentlichen auf die Vorbereitungsphase des Legislativvorschlags durch die Kommission zu konzentrieren.213 Sehr konkret normiert hierzu Art. 11 Abs. 3 EUV, dass die Kommission dazu beauftragt tion überhaupt notwendig zu sein schien, vgl. Uerpermann-Witzack/Edenharter, EuR 2009, S. 313 ff., vgl. auch Shirvani, JZ 2010, S. 753 ff. 208  Zu den weiteren Rechten der mitgliedstaatlichen Parlamente außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 12 EUV, Rn. 45 ff. 209  Der Einfluss des Deutschen Bundestags auf die Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union wird in Art. 23 Abs. 3 GG und im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) geregelt. Nach Art. 23 Abs. 3 GG und § 9 EUZBBG ist der Bundestag dazu berechtigt, Stellungnahmen vor der Mitwirkung der Bundesregierung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union abzugeben. Die Bundesregierung ist dann dazu beauftragt, diese Stellungnahmen bei den Verhandlungen zu berücksichtigen, ohne jedoch strikt an die Stellungnahme des Bundestags gebunden zu sein, vgl. dazu näher Nettesheim, NJW 2010, S. 177, 181. 210  Vgl. Art. 10 Abs. 3 S. 1, 11 EUV; dazu grundlegend, Mross, Bürgerbeteiligung am Rechtsetzungsprozess der Europäischen Union, 2010. 211  Dazu ausführlich Epiney, in: Kadelbach, Stefan (Hrsg.), Europäische Verfassung und direkte Demokratie, 2006, S. 33, 46 ff.; Hieber, Die Europäische Bürgerinitiative nach dem Vertrag von Lissabon, 2014; Guckelberger, DÖV 2010, 745 ff. Ein praktisches Beispiel der ersten der Kommission vorgelegten Bürgerinitiative im Jahr 2014 zum „Recht auf Wasser“ findet sich bei Sule, EuZW 2014, S. 725 ff. 212  So zumindest das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil, vgl. BVerfGE 123, S. 267, 377 f.; zur Diskussion vgl. Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 11 EUV, Rn. 27. 213  Strohmeier, in: Dagger/Kambeck (Hrsg.), Politikberatung und Lobbying in Brüssel, 2007, S. 61, 61.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

ist, umfangreiche Anhörungen der von einem Gesetzgebungsakt möglicherweise Betroffenen durchzuführen. Obwohl daraus keine individuellen Ansprüche auf Anhörungen erwachsen, sind die Unionsorgane doch aus einer Gesamtschau des bürgerlich-partizipativen Charakters der Demokratie nach Art. 9 ff. EUV dazu verpflichtet, Verfahren zu entwickeln, die eine gleichberechtigte Teilnahme an Entscheidungsprozessen ermöglichen.214 Nach Art. 11 Abs. 2 EUV sind aber auch das Parlament und der Rat dazu aufgerufen einen „offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog“ mit den Verbänden und der Zivilgesellschaft zu führen. Dies ermöglicht den Interessenvertretern und den Bürgern in bereits laufenden Legislativverfahren auf die beiden Gesetzgeber einzuwirken.215 Von dieser Dialogfreudigkeit erhofft man sich die europäische Formierung und Vermittlung unterschiedlicher gesellschaftlicher Interessen durch die ein transnationaler Raum entstehen kann, der die Politik der Europäischen Union unterstützt und dynamisiert.216 Vertreter der Institutionen betonen in diesem Zusammenhang, dass sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf die Beratung aus dem gesellschaftlichen Raum angewiesen sind.217 Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass nur Partikularinteressen besonders gut vernetzter Interessenvertreter beachtet werden. Zur Nachvollziehbarkeit des partizipativen Einflusses auf das Gesetzgebungsverfahren gebietet sich deshalb die Strukturierung des Dialogs durch die Aufstellung von Mindeststandards.218 In diesem Zusammenhang hat die Kommission im Jahr 2001 die mit der Begründung des Bürgerrechts im Vertrag von Maastricht begonnene Entwicklung der bürgerschaftlichen Beteiligung im Weißbuch der Kommission Europäisches Regieren219 konsolidiert.220 Nach diesem bedürfe es einer verstärkten Konsultations- und Dialogkultur, die insbesondere auch das Europäische Parlament in seiner Rolle als Vertreter der Bürger in die Pflicht nehme.221 Davon ausgehend entwickelte die Kommission verschiedene Aktions214  Ruffert,

in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 11 EUV, Rn. 8. in: Dagger/Kambeck (Hrsg.), Politikberatung und Lobbying in Brüssel, 2007, S. 21 ff. beschreibt das Lobbying aus seiner Sicht als Parlamentarier und Fraktionsvorsitzender. 216  Vgl. dazu Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 11 EUV, Rn. 19. 217  Vgl. dazu Florenz, in: Dagger/Kambeck (Hrsg.), Politikberatung und Lobbying in Brüssel, 2007, S. 42, 59. 218  Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 11 EUV, Rn. 19. 219  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 1 ff. 220  Vgl. Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 11 EUV, Rn. 2. 221  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 13. 215  Schulz,



B. Die Beteiligtenstruktur113

pläne, die in den folgenden Jahren von den Institutionen umgesetzt wurden. Auf der Informationsebene stellt das Portal EUR-LEX222 die zentrale Plattform dar, auf der die interessierte Bevölkerung politische Vorschläge während des gesamten Entscheidungsprozesses verfolgen kann.223 Daneben hat auch das Parlament mit dem Legislative Observatory224 eine eigene Datenbank zur Darstellung der EU-Entscheidungsprozesse eingerichtet.225 Durch wiederholte „Transparenzoffensiven“ sollte zudem vor allem das Handeln der Kommission nachvollziehbarer gestaltet werden.226 So wurde ein bisher freiwilliges Transparenzregister eingerichtet, das unter anderem die Einflüsse von Lobbygruppen auf den Gesetzgebungsprozess und deren finanzielle Interessen nachvollziehbar machen soll.227 Neben der bloßen Information, soll auf einer zweiten Ebene bürgerschaftlicher Beteiligung228 der Dialog mit den nationalen Verbänden der Regional222  Vgl. zum Portal EUR-Lex http://eur-lex.europa.eu/homepage.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 223  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 9; das Rechtsetzungsverfahren selbst kann unter http://eurlex.europa.eu/collection/legislative-procedures.html (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018) von der Vorlage bis zur Verabschiedung verfolgt werden. 224  Vgl. zum „Legislative Observatory“ http://www.europarl.europa.eu/oeil/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 225  Wenig praktikabel gestaltet sich die Datenbank des Rates, http://www. consilium.europa.eu/en/documents-publications/ordinary-legislative-procedure/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 226  Vgl. Grünbuch der Kommission „Europäische Transparenzinitiative“, KOM(2006), 194 endgültig, ABl. C 151 v. 29.06.2006, das vor allem die Verwaltungstransparenz der Union stärken wollte. Im Jahr 2014 startete die Kommission Juncker in ihren politischen Leitlinien vor allem im Zusammenhang der Verhandlungen um TTIP und CETA eine erneute Transparenzoffensive, vgl. Juncker, Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission, 2014, S. 9, 13, 22. 227  Das Transparenzregister wird gemeinsam von Kommission und Europäischem Parlament geführt und findet sich unter http://ec.europa.eu/transparencyregister/ public/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); vgl. auch die interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Europäischen Parlament und der Kommission über das Transparenzregister, ABl. L 277 v. 19.09.2014, S. 11 ff. Aktuell soll das Transparenzregister auch auf die Arbeit des Rates ausgeweitet werden und darüber hinaus die Registrierung für bestimmte Arten der Zusammenarbeit verbindlich machen – eine entsprechende Initiative wurde bereits von der Kommission erlassen, COM(2016) 627 final. Allgemein zu rechtlichen Hintergründen des Transparenzregisters, Krajewski, Legal Framework for a Mandatory EU Lobby Register and Regulations, 2013, https://ssrn.com/ abstract=2284843 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 228  Im Rahmen der Bürgerbeteiligung erscheint es sinnvoll, die Beteiligung in drei Ebenen einzuteilen. Auf der ersten Ebene, der Informationsebene, können sich die Bürger über Vorhaben und Inhalte informieren, während sich auf der zweiten Ebene, der Beteiligungsebene, die Bürger durch Beratungs- und Teilhabemöglichkeiten aktiv am Diskurs beteiligen können. Die dritte Ebene ist schließlich die auf Unionsebene

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

und Kommunalbehörden,229 sowie der allgemeinen Zivilgesellschaft230 vorangetrieben werden. Zu diesem Zwecke wurden 2002 allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien entwickelt,231 die auf Grundlage der Initiative zur interaktiven Politikgestaltung232 dazu geführt haben, dass ein Online-Portal zur Befragung von Bürgern und interessierten Gruppen eingerichtet worden ist.233 Daneben erfolgen Konsultationen auch mit Hilfe anderer Instrumente wie Grün- und Weißbüchern, Mitteilungen, beratenden Ausschüssen und Testgruppen der Wirtschaft.234 Besonders den in Art. 11 Abs. 2 EUV normativ adressierten Lobbygruppen235 wird dadurch eine Möglichkeit gegeben, sich überproportional am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen, da sie auf Grund ihrer finanziellen Möglichkeiten stark partizipieren können.236 Insoweit ist es zu begrüßen, dass im aktuellen Kommissionsvorschlag zum Transparenzregister bestimmte Arten der Zusammenarbeit von Lobbygruppen mit Unionsorganen von einer Registrierung abhängig gemacht werden sollen.237 Dies würde weitere Transparenzstandards für das Agieren von Interessenvertretern schaffen. Die besondere Stellung öffentlicher Konsultationen wurde zuletzt auch von den Organen in der aktuellen interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung238 unterstrichen. Diese seien für die fundierte Beschlussfassung und eine bessere Qualität der Rechtsetzung von wesentlicher Bedeutung und müssten deswegen in Gesetzgebungsverfahren und bei der Ex-post-Evaluanicht verwirklichte Entscheidungsebene, die Bürgern die Möglichkeit einer Sachentscheidung einräumt. 229  Vgl. Europäische Kommission (Hrsg.), Arbeitsunterlage der Kommission. Ständiger und systematischer Dialog mit den Verbänden der Gebietskörperschaften über Politikgestaltung, http://ec.europa.eu/regional_policy/archive/consultation/permanent dialogue_de.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 230  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 11 ff. 231  Vgl. Mitteilung der Kommission – Hin zu einer verstärkten Kultur der Konsultation und des Dialogs – Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation betroffener Parteien durch die Kommission, KOM(2002) 704 endgültig. 232  Initiative zur interaktiven Politikgestaltung, IPM – C (2001)1014. 233  Vgl. http://ec.europa.eu/info/consultations_de (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 234  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 12. 235  Zur näheren Bestimmung der Lobbygruppen vgl. Bieber, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 11 EUV, Rn. 10 f. 236  Vgl. zur Kritik allgemein Ullner, EuR 2014, S. 346, 350 f. 237  Vgl. Art. 5 des Vorschlags über eine interinstitutionelle Vereinbarung über ein verbindliches Transparenzregister, COM(2016) 627 final. 238  IIV „Bessere Rechtsetzung“ ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff.



B. Die Beteiligtenstruktur115

tion von Rechtsakten durchgeführt werden.239 Da die Kommission mit der Konsultation der Öffentlichkeit betraut wird,240 zeigt sich auch an dieser Stelle der besonders partizipative Charakter des Initiativverfahrens.

II. Die Teilnehmer des informellen Trilogs In den Sitzungen des informellen Trilogs sind hingegen lediglich die Organe beteiligt, die von den Verträgen mit Entscheidungsbefugnissen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV ausgestattet worden sind. Die beratenden Ausschüsse, die Öffentlichkeit und die repräsentativen Verbände werden in den Dreiertreffen bewusst ausgeklammert, um in einem informellen Verfahren eine weitestgehende Annäherung der Standpunkte der zur Entscheidung berufenen Organe erreichen zu können. Wie die Organe in den einzelnen Trilogsitzungen repräsentiert werden, richtet sich der Gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens zu Folge jeweils nach der Maßgabe ihrer Geschäftsordnungen.241 Explizit den Trilog betreffende Regelungen finden sich jedoch nur in Art. 69b ff. GO-EP (2017), während die Geschäftsordnungen von Kommission und Rat hierzu keine eigenständigen Vorschriften vorweisen können. Bezüglich der beiden letztgenannten Organe muss deswegen auf die Schilderungen in den von den Organen selbst veröffentlichten Leitfäden zurückgegriffen werden.242 Die Kommission wird in den Dreiertreffen durch den zuständigen Referats­ leiter oder Direktor und je nach Phase der Verhandlung oder politischer Bedeutung des Themas vom Generaldirektor oder einem Kommissionsmitglied vertreten.243 Dabei wird die Verhandlungslinie des Kommissionsvertreters im Hintergrund maßgeblich von der Gruppe für interinstitutionelle Beziehungen geprägt, die sich nahezu wöchentlich trifft und über das kommissionsinterne Vorgehen diskutiert.244 Nach den kommissionsinternen Leitlinien ist zudem 239  Vgl.

20.

IIV „Bessere Rechtsetzung“ ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 19,

240  So wird die Kommission „vor Annahme eines Vorschlags auf offene und transparente Weise öffentliche Konsultationen durchführen“, vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“ ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 19. 241  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 8. 242  Zur Rechtsnatur der Leitfäden siehe oben S. 70 ff. 243  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 244  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 29; ausführlich zur Rolle der GRI, Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 6 f.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

das Generalsekretariat zur Teilnahme an den Verhandlungen einzuladen und darüber hinaus auch über alle weiteren informellen Kontakte zu informieren.245 Das Verhandlungsteam des Parlaments setzt sich mindestens aus dem Vorsitz des zuständigen Parlamentsausschusses, dem Berichterstatter als Leiter und den Schattenberichterstattern der Fraktionen zusammen.246 Mit dieser politisch breiten Aufstellung des parlamentarischen Verhandlungsteams steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine potentielle Einigung im Trilog im Plenum über die Fraktionsgrenzen hinaus akzeptiert werden kann. Die besondere Einbeziehung des zuständigen Ausschusses durch das Verhandlungsteam ist dabei unerlässlich, da dieser grundsätzlich für den Beschluss zur Aufnahme der Verhandlungen und die Aktualisierungen des Ausschussberichts als Verhandlungsmandat verantwortlich ist.247 Eine Beteiligung des Plenums erfolgt nach den Art. 69c ff. GO-EP (2017) durch die Bekanntgabe des Ausschussbeschlusses zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen in der jeweils folgenden Sitzung.248 Beschließt der Ausschuss, vor der ersten parlamentarischen Lesung Verhandlungen aufzunehmen, kann das Parlament deren Aufnahme ablehnen.249 Das Verhandlungsteam des Parlaments wird durch die zuständige Dienstelle des Generalsekretariats des Europäischen Parlaments bei der praktischen Organisation unterstützt.250 Daneben steht ihm ein „unterstützendes Verwaltungsteam“ zur Seite.251 Das Mandat für die Verhandlungsführung des Rates wird vom Ausschuss der ständigen Vertreter im Allgemeinen dem Ratsvorsitz zugeteilt.252 In der Regel obliegt dann die Führung des Verhandlungsteams den Vorsitzenden des 245  Kommission

(Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 11. Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017); zur geschichtlichen Entwicklung des parlamentarischen Verhandlungsteams vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 286. 247  Vgl. Art. 69c ff. GO-EP (2017), Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 6. 248  Außer das Plenum selbst hat dem Ausschuss das Gesetzesdossier zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen zurücküberwiesen, vgl. Art. 69b GO-EP (2017). 249  Vgl. Art. 69c Abs. 2, 3 GO-EP (2017). 250  Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 4. 251  Dieses besteht aus dem Ausschusssekretariat, dem politischen Berater des Berichterstatters, dem CODE-Sekretariat und dem Juristischen Dienst, vgl. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 7. 252  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 246  Vgl.



B. Die Beteiligtenstruktur117

AStV I oder II und damit den ständigen Vertretern des Ratsvorsitzes.253 Allerdings kann es auch vorkommen, dass das Team des Rates von den Vorsitzenden der einzelnen Ratsarbeitsgruppen und bei politisch sehr bedeutenden Themen von Ministern vertreten wird.254 Die Anpassung des Verhandlungsmandats erfolgt jedoch wiederum durch den AStV, der etwaige Kompromisse am Ende dem Ministerrat zur Entscheidung vorlegen muss.255

III. Zwischenfazit: Verengung der Beteiligtenstruktur im informellen Trilog Der Blick auf die Beteiligtenstruktur des Mitentscheidungsverfahrens hat gezeigt, dass die Verträge und die organinternen Geschäftsordnungen die gesetzgeberische Verantwortung auf eine Vielzahl von Schultern verteilen. Im Gegensatz dazu verengt der informelle Trilog in der Beratungsphase des Verfahrens diese Struktur auf die maßgeblich für die gesetzgeberische Letztentscheidung zuständigen Organe und innerhalb derer auf die für die organinterne Willensbildung verantwortlichen Organteile. Dieses Vorgehen mag zunächst nachvollziehbar erscheinen, wenn man bedenkt, welche Hürden bei einer Kompromissfindung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu nehmen sind. So erfordert bereits die Initiativphase der Kommission mit ersten Abstimmungen zwischen den verschiedenen Politikbereichen und den anderen Organen, Konsultationen der Öffentlichkeit und der Interessenvertreter und nicht zuletzt der Hinzuziehung von externen Expertengruppen vor allem zeitlichen Aufwand.256 Kommt es dann nach der Gesetzesvorlage der Kommission zur Beratungsphase, muss der Gesetzgebungsakt am Ende des Prozesses den Ansprüchen der Parlamentsmehrheit und am besten aller 28 mitgliedstaatlichen Regierungen Rechnung tragen, die jeweils noch ihren innerstaatlichen Politikunterbau257 im Rücken haben. Den Stellungnahmen der beratenden Ausschüsse sollte hierbei ebenfalls 253  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23; Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 31. 254  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, 31. 255  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 256  Zu den zeitlichen Dimensionen des Initiativverfahrens vgl. Mross, Bürgerbeteiligung am Rechtsetzungsprozess, 2010, S. 143. 257  Vgl. für die Bundesrepublik Deutschland Art. 23 Abs. 3 GG, § 9 ff. EUZBBG zur Beteiligung des Bundestags und Art. 23 Abs. 4 GG, § 3 ff. EUZBLG zur Beteiligung des Bundesrates und der Länder; zur daraus folgenden Legitimationsleistung des Rates vgl. unten S. 238 ff.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Rechnung getragen werden. Dazu kommt noch der wachsende Erwartungsdruck der europäischen Öffentlichkeit. Auf Grund der Unpraktikabilität des Vermittlungsverfahrens258 und des beschriebenen Leistungsdrucks erscheint es deswegen verständlich, einen neuen Rahmen für die interorganschaftliche Kompromissfindung entwickeln zu wollen, der faktische Kompetenzen auf wesentliche Entscheider unter Ausblendung hemmend wirkender Nebengeräusche konzentriert. Auf der anderen Seite muss aber auch bedacht werden, welche Folgen die praktische Entscheidungsfindung in einem verengten Verfahren für die Beteiligten des Mitentscheidungsverfahrens haben können.259 So werden den für die organinterne Willensbildung ohnehin schon maßgeblichen Organteilen im informellen Trilog noch mehr faktische Befugnisse eingeräumt. Im Parlament kommt es zu einer weiteren Aufwertung der Berichterstatter, im Rat nimmt die Bedeutung des Ratsvorsitzes im Verhältnis zum AStV weiter zu. Dieser Zuschnitt auf wenige Personen und die damit verbundene Verhandlungsführung im engen Rahmen führten dazu, dass sich die Bildung ganz neuer Allianzen über das Kammersystem hinweg beobachten ließ. Gehören zum Beispiel Berichterstatter und Ratsvorsitz der gleichen Parteiengruppe an, ist es deutlich wahrscheinlicher, dass es durch informelle Triloge zu einem erfolgreichen Abschluss eines inhaltlich strittigen Gesetzgebungsverfahrens kommt.260 Diesen Effekt können in der Regel nur die größeren Parteiengruppen nutzen, die so gegenüber den kleineren Parteien des Europaparlaments weitere Vorteile erlangen. Neben der Bevorteilung größerer Parteiengruppen lassen sich vereinzelt auch Machtverschiebungen zu Gunsten größerer Mitgliedstaaten beobachten, da die ausgedehnte Verhandlungsphase dazu führen kann, dass Regierungen an einzelne Abgeordnete des Europarlaments herantreten, um gemeinsam effektiver nationale Interessen über die Organgrenzen hinweg durchzusetzen.261 Die Auswirkungen der trilogischen Beteiligungsstruktur beschränken sich allerdings nicht auf Machtverschiebungen in organinternen Entscheidungsprozessen, da sie auch auf die sonstigen Beteiligten des Gesetzgebungsver258  Dieses wurde vor allem auf Grund der immer weiter steigenden Zahl von Mitgliedstaaten als nicht ausreichend erachtet, um Kompromisse zu schließen, vgl. dazu und Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 5. 259  Mit den praktischen Folgen verengter Entscheidungsstrukturen und den damit zu erreichenden „early agreements“ setzt sich vor allem die politik- und sozialwissenschaftliche Literatur auseinander, vgl. dazu Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003. 260  Diese Beobachtung findet sich bei Rasmussen, EUI Working Paper MWP No. 2007/31, S. 12 f. 261  Vgl. Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 9.



B. Die Beteiligtenstruktur119

fahrens ausstrahlen. Aus der Begrenzung auf die Entscheidungsträger folgt ein Ausschluss derjenigen, die zwar sonstige Mitwirkungsrechte haben, nicht aber zur Entscheidung berufen sind. Namentlich sind das die in Art. 10 Abs. 3, 11EUV zur Teilhabe berechtigten Bürger und Interessenvertreter, die nationalen Parlamente, sowie die nach Art. 13 Abs. 4 EUV unterstützenden, beratenden Ausschüsse. Für die Beteiligung der Bürger und Interessenvertreter kann dieser Ausschluss allerdings teilweise relativiert werden, da sich deren aktive Beteiligung nach der Konzeption der Verträge und der Praxis der Organe hauptsächlich auf die Initiativphase der Kommission erstreckt. So nehmen die in Bezug auf eine aktive Beteiligung konkretesten Beteiligungsvorschriften des Art. 11 Abs. 3, 4 EUV allein die Kommission und damit die legislative Vorbereitungsphase in den Blick. In bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren rückt an die Stelle proaktiver Beteiligung der Gedanke größtmöglicher Information.262 Diese gedankliche Trennung wird auch in der interinstitutionellen Vereinbarung zur besseren Rechtsetzung für die Organpraxis festgehalten.263 Trotzdem darf nicht ignoriert werden, dass auch während des Gesetzgebungsverfahrens bei den Gesetzgebern Lobbyarbeit betrieben wird. Doch auch dieser in Art. 11 Abs. 2 EUV primärrechtlich garantierte Dialog kann durch informelle Triloge beeinträchtigt werden. Insbesondere kleinere und nicht so gut vernetzte Interessentenvertretungen werden durch die geheime Verhandlungsführung im engen Kreis vom Informations- und Gedankenaustausch ausgeschlossen, während finanziell potenten und gut vernetzten Vertretern auch während informeller Triloge Information und Einfluss gewährt wird.264 Die Beteiligung der institutionalisierten Interessenvertretung durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen erstreckt sich stattdessen nicht auf die Initiativphase, sondern generell auf die sich 262  So normieren die einzelnen Vorschriften für die organinternen Willensbildungsprozesse der Gesetzgeber lediglich, dass Sitzungen, die über die Beratung und Abstimmung von Entwürfen zu Gesetzgebungsakten öffentlich stattfinden und entsprechende Niederschriften veröffentlich werden; vgl. auszugsweise für den Rat (nicht aber für dessen vorbereitende Ausschüsse) Art. 16 EUV Abs. 8 S. 1 EUV; vgl. für das Parlament Art. 115 GO-EP (2014); daneben generalisierend Art. 15 Abs. 2, 3 UAbs. 5 AEUV. 263  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 19, 20. 264  Dies wurde zumindest von einigen Interessenvertretern im Rahmen der Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Transparenz der Triloge moniert, vgl. Stellungnahme EKD, v. 08.03.201, Ziff. 5, https://www.ombudsman.europa.eu/ de/cases/correspondence.faces/de/67662/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018), Stellungnahme Transparency International v. 31.03.2015, Ziff. 5, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67617/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

daran anschließende und vom informellen Trilog betroffene Beratungsphase.265 Dort werden die beratenden Ausschüsse in den Fällen einer obligatorischen Anhörung nach Art. 304 Abs. 1 S. 1 AEUV bzw. Art. 307 Abs. 1 Alt. 1 AEUV direkt nach der Initiativsetzung durch die Kommission zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.266 Das Parlament muss dann vor seiner Beschlussfassung in Erster Lesung die Stellungnahmen der Ausschüsse abwarten,267 wobei deren Erstellung durch Kommission, Rat oder Parlament befristet werden kann, um eine zu starke Verzögerung des Gesetzgebungsprozesses zu verhindern.268 Ändert sich der Gesetzgebungsvorschlag durch die Verhandlungen von Rat und Parlament im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, wurde den beratenden Ausschüssen durch den EuGH ein Recht zur erneuten Anhörung eingeräumt, das spätestens unmittelbar vor Erlass der Rechtsakte oder Verfestigung der wesentlichen Änderung gewährt werden muss.269 Eben jenes Rekonsultationsrecht wird durch die Abhaltung von informellen Trilogen unter dem Ausschluss der beratenden Ausschüsse zur bloßen Makulatur und Förmelei. Werden in den informellen Verhandlungen wesentliche Veränderungen zum Kommissionsvorschlag beraten und angenommen, hat die erneute Anhörung der Ausschüsse keinen Wert mehr, da sich die Organe im Anschluss an den Trilog faktisch und politisch an den Trilogkompromiss gebunden fühlen und insoweit, selbst wenn die Stellungnahme vom ausgehandelten Ergebnis abweicht, keine Änderungen mehr vornehmen werden.270 Nach der Systematik des Art. 294 AEUV wäre die Rekonsultation der unterstützenden Ausschüsse jedoch nur bei einer Einigung im Rahmen des Vermittlungsausschusses auf Grund dessen besonderer Eigenart und Stellung am Ende des Gesetzgebungsverfahrens obsolet.271 Der informelle Trilog findet dagegen in der Regel bereits als vorgezogenes und noch dazu nicht in den Verträgen reguliertes Vermittlungsinstrument Anwendung. Kommt es dann in inhaltlich einfachen Gesetzgebungsverfahren sogar schon vor der 265  Vgl. Siebecke, Institutionalisierte Interessenvertretungen in der Europäischen Union, 1996, S. 80 f. 266  Hayder, EuZW 2010, S. 171, 172. 267  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 35. 268  Vgl. Art. 304 Abs. 2 AEUV, Art. 307 Abs. 2 AEUV. 269  Vgl. Vierlich-Jürcke, Der WSA der Europäischen Gemeinschaften, 1998, S.  161 ff. 270  Vgl. hierzu bereits die klaren Formulierungen in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 14, 18, 23 nach denen die Organvertreter im Trilog auf die gefundenen Kompromisse verpflichtet quasi verpflichtet werden. 271  Vgl. Vierlich-Jürcke, Der WSA der Europäischen Gemeinschaften, 1998, S.  167 ff.



C. Der Ablauf des Verfahrens121

Abgabe einer ersten Stellungnahme der unterstützenden Ausschüsse zu einem Kompromiss der Co-Gesetzgeber im Trilog, ist zu befürchten, dass deren Expertise im Gesetzgebungsdossier überhaupt nicht mehr den gewünschten Niederschlag findet. Unter diesem Blickwinkel erscheint die grundsätzliche Kritik des EWSA am informellen Trilog im Zuge des Entstehungsprozesses der Vereinbarung Bessere Rechtsetzung durchaus verständlich, obwohl sich diese nicht eigens auf den eigenen Ausschluss bezieht.272 Um die Beteiligungsrechte der unterstützenden Ausschüsse zu wahren und nicht faktisch leerlaufen zu lassen, müsste in den Trilogen ihre Einbeziehung sichergestellt werden. Dies könnte beispielsweise durch die Teilnahme273 eines Ausschussvertreters im Trilog, das Abwarten der Ausschussstellungnahmen vor der frühen Kompromissentscheidung oder die Rekonsultation vor der endgültigen Abänderung des ursprünglichen Legislativentwurfs durch den Trilog erreicht werden.

C. Der Ablauf des Verfahrensin den einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens Im Anschluss an die Darstellung der verschiedenen Beteiligtenstrukturen, muss nun auch die Ablauforganisation dieses Verfahrens dargestellt werden, um aufzuzeigen, inwieweit diese durch die Anwendung der informellen Triloge modifiziert, beeinflusst und verändert wird. Dabei sollen zunächst die einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens unter Berücksichtigung der vertraglichen Verfahrensordnung, der Organgeschäftsordnungen, der gegenständlichen interinstitutionellen Vereinbarungen274 und der Organleitfäden beleuchtet werden, bevor die genaue Beschreibung und Inkontextstellung der Trilogpraxis erfolgt.275 272  Vgl. Stellungnahme des EWSA zur IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. C 13 v. 15.01.2016, S. 192 ff., Erl. 4.3.9, 4.3.10. 273  Der EWSA hatte sich beispielsweise bereits im Jahr 1996 dafür ausgesprochen, an den Arbeiten des (nur bedingt mit den Trilogen vergleichbaren) Vermittlungsausschusses als Beobachter teilnehmen zu dürfen, vgl. ABl. C 39 v. 12.02.1996, S. 85, 86; krit. hierzu Vierlich-Jürcke, Der WSA der Europäischen Gemeinschaften, 1998, S. 168. 274  Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, ABl. L 304 v. 20.11.2010, S. 47 ff.; IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff.; Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S.  5 ff. 275  Eine ausführliche Gegenüberstellung der hier bereits vermischten Ebenen primärrechtlicher Verfahrensablauf vs. Selbstorganisationsrecht der Verfahrensbeteiligten findet sich bei von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 163 ff.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

I. Die einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV lässt sich in zwei Hauptphasen, die Initiativphase der Kommission und die Beratungsphase zwischen den Co-Gesetzgebern einteilen, die sich, wie gerade herausgearbeitet, in ihrer Beteiligtenstruktur deutlich voneinander unterscheiden.276 Die Beratungsphase zwischen Parlament und Rat, in der auch die Triloge stattfinden, gliedert sich wiederum in verschiedene Verfahrensschritte auf, die gemeinhin als Lesungen bezeichnet werden und im Wesentlichen auf der Aktion und Reaktion der beiden Gesetzgeber beruhen und je nach Einigungszeitpunkt unterschiedlich oft durchgeführt werden. 1. Die Initiativphase Die Phase der Entwicklung eines Legislativvorschlags wird durch das Initiativmonopol der Kommission geprägt. Gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 AEUV darf ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden, wenn die Verträge nichts anderes festlegen. Die vertraglichen Ausnahmen sind jedoch rar und beschränken sich auf einzelne, größtenteils das Organisationsrecht der zur Initiative berechtigten Organe betreffende Bereiche.277 Dem Rat und dem Europäischen Parlament steht deswegen in den allermeisten Fällen lediglich ein unverbindliches Aufforderungsrecht an die Kommission zur Initiativsetzung zu.278 Dennoch konnte zumindest das 276  Die genaue Einteilung des Mitentscheidungsverfahrens in unterschiedliche Phasen erfolgt in der kommentierenden Literatur nicht einheitlich. So wird es beispielsweise in drei Phasen mit acht Verfahrensschritten bei Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 294 Rn. 6, vier Phasen bei Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 8, fünf Verfahrensstufen bei Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6.  Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 2, oder gar 13 Abschnitte bei Schoo, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 13, eingeteilt. Eine Auftrennung zwischen Initiativ- und Beratungsphase erfolgt dabei nur oberflächlich, obwohl sich diese beiden Phasen in der Beteiligtenstruktur deutlich voneinander unterscheiden. 277  Ausgangspunkt für eine vom Grundsatz abweichende Gesetzesinitiative ist Art. 289 Abs. 4 AEUV, der eine Abweichung von Art. 294 Abs. 2 AEUV vorsieht. So ist ausnahmsweise eine Gruppe von Mitgliedstaaten zur Initiative berechtigt, wenn es um die polizeiliche oder justitielle Zusammenarbeit geht (Art. 76 b) AEUV). Das Parlament, die EZB, der EuGH (und sein Präsident) und die EIB werden hauptsächlich dann zur Initiative berechtigt, wenn es um deren innere Organisation geht, vgl. dazu Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 289 AEUV, Rn. 7; Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 10. Wird die Initiative nicht durch die Kommission gesetzt, ändert sich gem. Art. 294 Abs. 15 AEUV auch deren Mitwirkungsgrad im weiteren Gesetzgebungsverfahren. 278  Vgl. für den Rat Art. 241 AEUV; für das Parlament Art. 225 AEUV, Art. 46 GOEP (2017).



C. Der Ablauf des Verfahrens123

Parlament der Kommission im gemeinsamen Rahmenabkommen einige Zugeständnisse in Bezug auf ihre Initiativ-Initiativen abringen, die nahezu einer Befolgungsabsichtserklärung gleichen.279 Diese Aufforderungsfreundlichkeit klingt ebenfalls, nun auch den Rat betreffend, in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung an.280 Mit dem gemeinsam vereinbarten Instrument der jährlichen Programmplanung281 wurde das Initiativmonopol zudem teilweise aufgeweicht. Die gemeinsame Planung existiert bereits seit Ende der 80er-Jahre und wird seitdem als ein wichtiges Element in den interinstitutionellen Beziehungen gesehen.282 Nach der aktuellen Vereinbarung erlässt die Kommission nach einem umfassenden Dialog mit Rat und Parlament ein Arbeitsprogramm,283 auf welchem aufbauend die drei Organe einen Gedankenaustausch zu den Initiativen für das kommende Jahr führen, der im Erlass einer jährlichen interinstitutionellen Programmplanung münden soll.284 Die erste gemeinsame Erklärung zu den gesetzgeberischen Prioritäten wurde im Anschluss an den skizzierten Prozess für das Jahr 2017 verabschiedet.285 Sie enthielt sechs gesetzgeberische Prioritäten für das Jahr 2017, die die dringendsten Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, zu bewältigen versuchen und deswegen als Schlüsselprioritäten angesehen werden. Im Ergebnis stellt diese Programmplanung aber nur einen Fahrplan dar, welche gesetzgeberischen Projekte überhaupt angegangen werden sollen. Die genaue inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Gesetzgebungsvorschläge obliegt damit weiterhin der Kommission.286 279  Vgl. Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, ABl. L 304 v. 20.11.2010, S. 47 ff., Ziff. 16; dazu und zu den politischen Hintergründen der Rahmenvereinbarung näher Dauses, EuZW 2010, S. 241. 280  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 10. 281  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 6. 282  Zur geschichtlichen Entwicklung der legislativen Programmplanung vgl. Giebenrath, Das Mitentscheidungsverfahren, 2000, S. 79 ff. 283  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 6. Das Arbeitsprogramm für das Jahr 2017 findet sich in der Mitteilung der Kommission vom 25.10.2016, COM(2016) 710 final. Dort werden in den Anhängen auch die beabsichtigten Initiativvorschläge dargestellt. 284  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 7; vgl. auch Art. 37 GO-EP (2017). 285  Joint Declaration on the EU’s legislative priorities for 2017 v. 13.12.2016, https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/joint-declaration-legislativepriorities-2017-jan2017_en.pdf (zuletzt abgerufen: 07.11.2018); vgl. auch die Anschlusserklärung für das Jahr 2018 und die erste Hälfte des Jahres 2019, https://ec. europa.eu/commission/sites/beta-political/files/joint-declaration-eu-legislative-priori ties-2018-19_en.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 286  Dies merkt auch Generalanwalt Jääskinen in einem Verfahren um die Reichweite des Initiativmonopols der Kommission an: „Obwohl bisweilen von der politi-

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Bevor es jedoch zu einer konkreten Initiative durch die Kommission kommt, muss das Gesetzesdossier den bereits dargestellten Kommissionsapparat durchlaufen und am Ende Zustimmung im Kommissionskollegium erfahren.287 In diesem Verfahren muss die Kommission auch die Öffentlichkeit, insbesondere die vom Gesetzgebungsvorschlag Betroffenen nach Art. 10 Abs. 3 EUV und die repräsentativen Verbände, beteiligen und entsprechend Konsultationen durchführen.288 Daneben kann es sinnvoll erscheinen, bereits in der Initiativphase die beratenden Ausschüsse fakultativ anzuhören, obwohl hierzu nach der Systematik der Verträge keine Pflicht besteht.289 Zum Abschluss des kommissionsinternen Verfahrens wird der Gesetzgebungsvorschlag nach Art. 294 Abs. 2 AEUV gleichzeitig Parlament und Rat zugeleitet.290 Dem Vorschlag in Form eines vollständigen Normtextes, der mit Präambel, Erwägungen und dispositivem Teil versehen ist, liegen eine Folgenabschätzung und ein Finanzbogen über die finanziellen Auswirkungen des Rechtsakts bei, so dass der Rechtsakt ohne weitere Ergänzungen oder Änderungen durch die Co-Gesetzgeber erlassen werden könnte.291 Gleichzeitig mit der Übermittlung an Rat und Parlament erfolgt die Zusendung an die Parlamente der Mitgliedstaaten zur Überprüfung des Subsidiaritätsgrundsatzes292 und in Fällen der obligatorischen Anhörung an die beratenden Ausschüsse zur Abgabe einer Stellungnahme.293 Zur Beschleunigung des Verfahrens können der Wirtschafts-und Sozialausschuss, sowie der Ausschuss der Regionen dabei zur Abgabe der Stellungnahme in einer bestimmten Frist aufgefordert werden, nach deren Ablauf das Fehlen der Stellungnahme unberücksichtigt bleiben kann.294 schen Erosion dieser Befugnis der Kommission die Rede ist, ist der Hinweis von besonderer Bedeutung, dass die verschiedenen Reformen des institutionellen Rahmens den Inhalt des Initiativrechts der Kommission nicht verändert haben“, Schlussanträge Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Rn. 43. 287  S. o. S.  99 ff. 288  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 19; zur Öffentlichkeitsbeteiligung ausführlich oben S. 111 ff. 289  Vgl. Art. 304 Abs. 1 S. 2 AEUV, Art. 307 Abs. 1 Alt. 2 AEUV. 290  Dies wird als äußeres Zeichen für die Gleichberechtigung der Co-Gesetzgeber gewertet, vgl. Krajewski/Rösslein, 2016, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Rn. 19; Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 15; Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 9. 291  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 19; Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 15; zum Instrument der Folgenabschätzung vgl. die IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 12 ff. 292  Vgl. Art. 12 a) AEUV, Art. 2 des Protokolls (Nr. 1) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 203; Art. 4 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 206. 293  Zur Beteiligung der beratenden Ausschüsse s. o. S. 106 ff.



C. Der Ablauf des Verfahrens125

2. Das Stadium der ersten Lesung Nach der Zuleitung der Gesetzesvorlage durch die Kommission beginnt die Beratungsphase zwischen den Co-Gesetzgebern mit der ersten Lesung im Parlament.295 Auch wenn das Parlament rein formal zuerst handeln muss, starten die organinternen Verfahren zur Ermöglichung der informellen Verhandlungen im Stadium der ersten Lesung nach den Geschäftsordnungen in Parlament und Rat parallel zueinander.296 Aus diesem Grund haben sich die Organe selbst dazu verpflichtet, ihre indikativen Zeitpläne für die einzelnen Verfahrensstadien aufeinander abzustimmen.297 Das Verfahren im Parlament beginnt zunächst nach Art. 47 GO-EP (2017) mit der Zuweisung des Vorschlags an den zuständigen (federführenden) Parlamentsausschuss zur inhaltlichen Überprüfung.298 Berührt der Legislativvorschlag die Zuständigkeitsbereiche verschiedener Ausschüsse, können untergeordnete Ausschüsse zum mitberatenden Ausschuss bestimmt werden (Art. 53 GO-EP (2017)), bei inhaltlich nahezu gleichwertig zuständigen assoziierte Ausschüsse gebildet werden (Art. 54 GO-EP (2017)) oder ein gemeinsames Ausschussverfahren (Art. 55 GO-EP (2017)) abgehalten werden.299 Zu Beginn des Ausschussverfahrens überprüft der zuständige Ausschuss die von der Kommission gewählte Rechtsgrundlage, was auch die Überprüfung von Art. 5 EUV beinhaltet,300 die Vereinbarkeit des potentiellen Rechtsakts mit dem Finanzrahmen301 und die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.302 Im Anschluss daran wird, außer in Fällen des vereinfachten Verfahrens nach Art. 50 GO-EP (2017), der für die inhaltliche Begleitung des Legislativvorschlags in den einzelnen Stadien des Mitentscheidungsverfahrens verantwortliche Berichterstatter als zentrale Figur des 294  Die Frist beträgt jedoch mindestens einen Monat, vgl. Art. 304 Abs. 2 AEUV, Art. 307 Abs. 2 AEUV. 295  Vgl. Art. 294 Abs. 3 AEUV. 296  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 6; Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22; Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 8. 297  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 35. 298  Eine Liste der zwanzig Parlamentsausschüsse und ihre Zuständigkeitsabgrenzungen findet sich in Anlage V GO-EP (2017). 299  Vgl. dazu näher Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 6 f. 300  Vgl. Art. 39 GO-EP (2017); zu Hintergrund und Bedeutung vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 23. 301  Vgl. Art. 41 GO-EP (2017). 302  Vgl. Art. 42 GO-EP (2017).

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Ausschussverfahrens ernannt.303 Ihm werden die Schattenberichterstatter der übrigen Parlamentsfraktionen zur Seite gestellt, die den Fortgang des jeweiligen Berichts verfolgen und im Auftrag ihrer Fraktion innerhalb des Ausschusses nach Kompromissen suchen sollen.304 Schon während der Phase der ersten Lesung haben sich die Organe zu einem umfassenden Dialog mit gegenseitiger Unterrichtung verpflichtet, der bereits in das parlamentarische Ausschussverfahren einfließen soll.305 Diese Gesprächskultur, die schließlich im Anschluss an den Ausschussbericht im informellen Trilog kulminieren kann,306 soll dazu führen, dass sich die Organe in einem möglichst frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens einigen können.307 Als wesentliches Vermittlungsorgan wird hierzu die Kommission tätig, die sich dazu verpflichtet hat, ihr Initiativrecht so zu gebrauchen, dass die Annäherung der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates gefördert wird.308 Um dies zu verwirklichen, nehmen Kommissionsvertreter an einzelnen Ausschusssitzungen teil, um dort über wesentliche Ergebnisse der Beratungen in den Gremien des Rates zu berichten und so die Möglichkeiten einer schnellen Einigung zu sondieren.309 Im Anschluss an die Vorarbeiten durch den Berichterstatter wird der Gesetzesvorschlag im Ausschuss beraten und nach einem Beschluss mit einfacher Mehrheit in Form eines legislativen Berichts an das Plenum weitergeleitet.310 Gemeinsam mit der Annahme des legislativen Berichts kann der Ausschuss mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließen, auf Grundlage dieses Beschlusses Trilogverhandlungen aufzunehmen.311 Diese können aber nur stattfinden, wenn das Parlament kein Veto nach den in Art. 69c Abs. 2 GOEP (2017) normierten parlamentsinternen Verfahrensvorschriften für inter­ 303  Vgl. Art. 47 Abs. 3 GO-EP (2017), Art. 49 GO-EP (2017); vgl. insbesondere Art. 52 a GO-EP (2017), in welchem nun auch Einzelheiten zum legislativen Bericht und zum Minderheitenschutz in die Geschäftsordnung eingeführt wurden. 304  Vgl. Art. 205a GO-EP (2017). 305  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 33 ff. 306  Vgl. Art. 69c GO-EP (2017). 307  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 4. 308  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 13. 309  Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn. 23. 310  Nach Art. 49 Abs. 3 GO-EP (2017) enthält der legislative Bericht etwaige Änderungsanträge zur Änderung des Kommissionsvorschlags, den Entwurf einer legislativen Entschließung nach Art. 59 Abs. 5 GO-EP (2017), gegebenenfalls eine Begründung einschließlich, falls erforderlich, eines Finanzbogens und eine Bezugnahme auf die Folgenabschätzung durch das Parlament, falls sie vorliegt. 311  Art. 69c Abs. 1 GO-EP (2017).



C. Der Ablauf des Verfahrens127

institutionelle Verhandlungen einlegt.312 Wenn nach den Verhandlungen im Trilog der endgültige Legislativbericht des Ausschusses vorliegt und – falls nötig – die Stellungnahmen der beratenden Ausschüsse bereits abgegeben wurden,313 kommt es zur Abstimmung über den im Trilog modifizierten Kommissionsvorschlag im Plenum. Dabei hat das Parlament nach seiner Geschäftsordnung grundsätzlich die Möglichkeit, den Vorschlag anzunehmen, zu ändern oder abzulehnen.314 Wenn das Plenum den Gesetzesvorschlag nicht von vornherein im Plenum ablehnt, wird vorrangig über die gemeinsame Einigung der Organe in den interinstitutionellen Verhandlungen abgestimmt.315 Haben Parlament und Rat im Vorfeld der ersten parlamentarischen Lesung hingegen noch keine Einigung in informellen Trilogen erzielt, kommen, nach einer hypothetischen Sondierung der Kommission und des Rates durch den Parlamentspräsidenten, die allgemeinen Änderungsanträge und der legislative Bericht des federführenden Ausschusses zur Abstimmung.316 Daneben besteht auch die Möglichkeit, den Gegenstand an den zuständigen Ausschuss zum Zwecke von weiteren interinstitutionellen Verhandlungen zurückzuverweisen.317 Nach allen im Plenum getätigten Abstimmungen beendet der Präsident die erste Lesung, um im Anschluss daran den parlamentarischen Standpunkt Kommission und Rat zuzuleiten.318 Weicht der Standpunkt des Parlaments vom Initiativvorschlag der Kommission ab, ist diese dazu angehalten ihren Gesetzesvorschlag im Sinne des Parlamentsvotums anzupassen, um weiterhin eine frühzeitige Annäherung zwischen Parlament und Rat zu ermöglichen.319 Ändert die Kommission ihren Vorschlag nicht ab, kann dies Auswirkungen auf die Quoren zur Mehrheitsfindung im Rahmen der ersten Lesung des Rates haben. Art. 294 312  Zum

genauen Ablauf der informellen Triloge sogleich unten S. 144 ff. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 35. 314  Vgl. Art. 59 Abs. 1 GO-EP (2017). Die Möglichkeit zur Ablehnung des Kommissionsvorschlags entspricht grundsätzlich nicht der Systematik des Art. 294 AEUV, da dieser in Absatz 3 kein ausdrückliches Ablehnungsrecht vorsieht, vgl. Krajewski/ Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn. 26; krit. hierzu Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 27. Faktisch kann das Parlament durch eine Blockadehaltung in der zeitlich unbefristeten ersten Lesung den Erlass des Rechtsakts freilich verhindern; zum organinternen Vorgehen in solchen Fällen vgl. besonders Art. 59 Abs. 2 GO-EP (2017). 315  Zum Verfahren im Einzelnen, Art. 59 Abs. 3 GO-EP (2017). 316  Art. 59 Abs. 4 GO-EP (2017). 317  Art. 59 Abs. 4, Art. 59a GO-EP (2017). 318  Art. 59 Abs. 5 GO-EP (2017). 319  Zur Zielsetzung in dieser Phase des Verfahrens vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 17. 313  Vgl.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Abs. 4, 5 AEUV stellen zwar insoweit keine besonderen Anforderungen an die Beschlussfassung im Ministerrat, dennoch wird teilweise vertreten, dass in den Fällen, in denen der Standpunkt des Parlaments vom Kommissionsvorschlag abweicht, der Rat bei einer fehlenden Anpassung der Kommission den Standpunkt des Parlaments nach Art. 294 Abs. 4 AEUV nur einstimmig annehmen könne.320 Begründet wird dies mit der Vorschrift des Art. 293 Abs. 1 AEUV, die die Änderung eines Kommissionsvorschlags durch den Rat nur bei Einstimmigkeit zulässt. Nach der Gegenauffassung ist das Quorum zur Beschlussfassung des Rates in erster Lesung stets die qualifizierte Mehrheit.321 Denn der Rat führe nach der Systematik des Art. 294 Abs. 4, 5 AEUV seine erste Lesung nicht mehr auf Grundlage des Kommissionsvorschlags, sondern auf Grundlage des Parlamentsstandpunktes durch.322 Daneben komme nur dann der besondere Charakter des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens als Verfahren zweier gleichberechtigter Co-Gesetzgeber zur Geltung, wenn das Einverständnis der Kommission keinen Einfluss auf die Beschlussfassung derselben habe.323 Diese Ansicht verkennt allerdings, dass der Kommission zum Schutz ihres Initiativmonopols im Stadium der ersten Lesung durchaus grundsätzliche Mitwirkungsrechte einzuräumen sind. Dafür spricht sowohl die ihr durch Art. 293 Abs. 2 AEUV eingeräumte Möglichkeit, ihren Vorschlag bis zum Ratsbeschluss abändern und damit auch zurücknehmen zu können,324 als auch die Tatsache, dass das ordentliche Gesetzgebungsverfahren explizit im Wortlaut des Art. 293 Abs. 1 AEUV Erwähnung gefunden hat.325 Für ein Mitspracherecht der Kommission und damit für die Anwendung von Art. 293 Abs. 1 AEUV im Stadium der ersten Lesung spricht nicht zuletzt auch, dass im Rahmen der zweiten Lesung nach Art. 294 Abs. 9 AEUV Abänderungen, zu denen die Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, vom Rat einstimmig beschlossen werden 320  Vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 20; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 36; dagegen offengelassen bei Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 30. 321  Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 8.; von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 174 f.; im Ergebnis wohl auch Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 294 Rn. 12. 322  Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 6. 323  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 175. 324  Vgl. dazu zuletzt EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015. 325  So wird das Erfordernis des einstimmigen Ratsbeschlusses zum Schutz des Initiativrechts der Kommission nach Art. 293 Abs. 1 für das Vermittlungsverfahren explizit reduziert, vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 36.



C. Der Ablauf des Verfahrens129

müssen.326 Somit bedarf es in den Fällen, in denen der Standpunkt des Parlaments vom Kommissionsvorschlag abweicht, der Anpassung der Initiative durch die Kommission, um das Einstimmigkeitserfordernis bei der Beschlussfassung des Rates nach Art. 293 Abs. 1 AEUV zu umgehen und so im Wege der gemeinsamen Kontakte zu einer frühzeitigen Annäherung der CoGesetzgeber beizutragen.327 Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn die Kommission den Standpunkt des Parlaments überhaupt mittragen möchte. Unabhängig von der Frage mit welchem Quorum die Beschlussfassung des Rates zu erfolgen hat, kann der Rat in seiner ebenfalls zeitlich unbefristeten ersten Lesung den Standpunkt des Parlaments entweder billigen,328 oder – falls er vom nicht durch das Parlament abgeänderten Kommissionsvorschlag oder dem Standpunkt des Parlaments abweichen möchte – einen eigenen Standpunkt in erster Lesung festlegen.329 Die gänzliche Ablehnung des Kommissionsvorschlags bzw. des parlamentarischen Standpunktes ist dagegen parallel zur ersten Lesung des Parlaments vertraglich nicht vorgesehen.330 Dem Rat ist es allerdings möglich durch Untätigkeit ein Gesetzesvorhaben zu blockieren,331 selbst dann, wenn das Parlament bereits einen Standpunkt in erster Lesung erlassen hat.332 326  Die Existenz von Art. 294 Abs. 9 AEUV spricht somit aus systematischen Gründen einerseits für eine Anwendung von Art. 293 AEUV im Stadium der ersten Lesung bis zur ersten Beschlussfassung des Rates, aber gleichzeitig gegen eine Anwendung desselben in den weiteren Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. 327  Diese Ansicht scheint sich auch in der Organpraxis durchgesetzt zu haben, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 11; Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 8. Zum kommissionsinternen Ablauf der Vorschlagsabänderung vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S.  32 ff. 328  Dann wird der Rechtsakt in der Fassung des Standpunktes des Parlaments in erster Lesung erlassen, Art. 294 Abs. 4 AEUV. 329  Vgl. Art. 294 Abs. 5 AEUV. Teilweise wurde aus systematischen Gründen und in Anlehnung an das Konsultationsverfahren vertreten, dass der Rat bei einer wesentlichen Abweichung vom Standpunkt des Parlaments dieses noch einmal anhören müsse, vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 31; zu Recht ablehnend von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 173 f. Fn. 576; Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 21; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn.  42 f. 330  Insoweit kann wiederum auf die faktische Suspendierung verwiesen werden, falls der Rat zu keiner Entscheidung findet vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/ AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 32. 331  Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Untätigkeit des Rates im Gesetzgebungsverfahren findet sich bei Schorkopf, EuR 2000, S. 365 ff. 332  Als Beispiel kann die Verweigerung der „Lissabonisierung“ der Transparenzverordnung aufgeführt werden, vgl. dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Der interne Meinungsbildungsprozess des Rates ist in seiner Geschäftsordnung geregelt. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass dieses Verfahren in der Praxis nicht erst mit der Zuleitung des parlamentarischen Standpunktes, sondern bereits im Anschluss an den Erlass des Kommissionsvorschlags beginnt.333 Insoweit wird die Legislativinitiative zur inhaltlichen Vorbereitung zunächst auf der Ebene der Arbeitsgruppen geprüft,334 bevor sie im AStV auf Botschafterebene vor allem politisch behandelt wird.335 In diesem Stadium erfolgen schließlich die der vorliegenden Bearbeitung zu Grunde liegenden trilateralen Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament.336 Die seit dem Vertrag von Lissabon öffentliche Beschlussfassung des Rates337 auf Grundlage der ausgearbeiteten Berichte bildet den Abschluss des internen Verfahrens. Obwohl die Vorbereitungsarbeiten zwischen Parlament und Rat zur Erleichterung der informellen Kontakte weitestgehend parallel abgehalten werden, schreibt die Verfahrensordnung des Art. 294 AEUV zwingend vor, dass der Rat seine inhaltliche Position in erster Lesung erst festlegt, nachdem ihm der Standpunkt des Parlaments zugeleitet wurde.338 Deswegen muss zuminAEUV, 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 10; dazu auch Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12.07.2013 zur Blockade der Revision der VO (EG) Nr. 1049/2001 (2013/2637/RSP)). 333  Der Rat achtet insbesondere darauf, seine Vorarbeiten parallel zum zuständigen Parlamentsausschuss vorzunehmen. Nur so kann gewährleistet werden, dass es bereits in der Phase der ersten Lesung zu informellen Beratungen kommen kann, vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 334  Sind Arbeitsgruppen nicht direkt durch die Verträge oder einen Ratsbeschluss eingerichtet worden, werden sie in der Regel vom AStV gebildet, wobei sie in einem Verzeichnis zu veröffentlichen sind, vgl. Art. 19 Abs. 3 GO-Rat; vgl. dazu ausführlich Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Erläuterungen zur Geschäftsordnung des Rates 03/2016, S. 20 ff. Die Arbeitsweise in den Ratsarbeitsgruppen wird in der Geschäftsordnung des Rates nicht näher geregelt, was sie wesentlich von den durchregulierten Parlamentsausschüssen unterscheidet. 335  Zum AStV vgl. Art. 240 Abs. 1 AEUV und Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Erläuterungen zur Geschäftsordnung des Rates 03/2016, S. 18 ff. 336  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 337  Zumindest im hier relevanten Bereich der Beratung von Gesetzgebungsakten, vgl. Art. 15 Abs. 2 AEUV, Art. 7 Abs. 1 GO-Rat. 338  Problematiken ergeben sich insbesondere dann, wenn der Rat bereits vor der ersten Lesung des Parlaments eine politische Einigung auf Arbeitsgruppenebene erzielt hat. Dies führt dazu, dass diese Dossiers in der Regel als A-Punkt auf der Tagesordnung des Rates behandelt werden, vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Erläuterungen zur Geschäftsordnung des Rates 03/2016, S. 24. A-Punkte sind diejenigen Punkte, die der Rat auf Grund der Vorbereitung im AStV voraussichtlich ohne Aussprache annehmen kann, während bei B-Punkten eine Aussprache und Abstim-



C. Der Ablauf des Verfahrens131

dest die erste Lesung des Rates in jedem Falle zeitlich nach der ersten parlamentarischen Lesung stattfinden. Hat der Rat in dieser Lesung einen vom Parlament abweichenden Standpunkt festgelegt, übermittelt er diesen dem Parlament und der Kommission.339 Gemäß Art. 294 Abs. 6 S. 1 AEUV unterrichtet der Rat dabei das Parlament über die Gründe aus denen er seinen Standpunkt festgelegt hat. Daneben ist auch die Kommission dazu angehalten dem Parlament in vollen Umfang ihren Standpunkt mitzuteilen.340 Dies soll zu einer umfassenden Information des Europäischen Parlaments beitragen, um dessen Meinungsbildung in der sich anschließenden Phase der zweiten Lesung zu erleichtern.341 3. Das Stadium der zweiten Lesung Das Stadium der zweiten Lesung beginnt im Anschluss an die Übermittlung des Ratsstandpunktes an das Parlament. Dies geschieht nach der Ansicht des Parlaments erst mit der Bekanntgabe des Standpunktes in der ersten Parlamentstagung nach den erfolgten Zuleitungen durch Rat und Kommission.342 Dem wird zwar teilweise entgegengehalten, dass diese Auslegung mit Wortlaut und Stellung der Regelung im Vertragstext nicht vereinbar sei,343 gleichwohl scheint auch der Rat diese Praxis zu akzeptieren.344 Gemeinsam mit der Bekanntgabe beginnt schließlich die in Art. 294 Abs. 7 AEUV bezeichnete Dreimonatsfrist zu laufen, die maximal um einen Monat verlängert345 werden mung vorgesehen ist, vgl. Art. 3 Abs. 6 UAbs. 2 GO-Rat, Obwexer/Hummer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 237 AEUV, Rn. 35 ff. In der Praxis hat dieses Vorgehen zur Folge, dass der Standpunkt des Parlaments bei einem Beschluss ohne Aussprache nicht mehr in die Erwägungen des Rates einfließen kann, vgl. zum Ganzen Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn. 33. 339  Vgl. Art. 294 Abs. 5 AEUV. Dass eine Übermittlung ebenfalls an die Kommission erfolgen muss, ergibt sich aus Art. 294 Abs. 6 S. 2 AEUV, vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 2016, Art. 294 Rn. 12. 340  Art. 294 Abs. 6 S. 2 AEUV. 341  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 22. Bei Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 44, wird dies vor allem als Grundlage für die weiteren, an die erste Lesung anknüpfenden, informellen Verhandlungen gesehen. 342  Vgl. Art. 64 Abs. 1 GO-Parlament (2017). 343  Vgl. hierzu Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 47. 344  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 13. 345  Vgl. Art. 294 Abs. 14 AEUV; zur organinternen Ausgestaltung vgl. Art. 65 GOEP (2017).

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

kann.346 Denn das ordentliche Gesetzgebungsverfahren wird ab der Phase der zweiten Lesung, im Gegensatz zur ersten Lesung, die zeitlich nahezu unbegrenzt andauern kann, einem starren Fristenregime unterworfen. Dies hat zur Folge, dass mit dem Eintritt in die zweite Phase das Rechtsetzungsverfahren in jedem Falle zu einem Abschluss gebracht wird.347 Dem Parlament werden hierzu gemäß Art. 294 Abs. 7 AEUV drei Möglichkeiten eingeräumt. So kann es entweder durch die Billigung des Ratsstandpunktes mit einfacher Mehrheit oder durch die bloße Nichtäußerung binnen drei Monaten das Verfahren mit der Folge abschließen, dass der Rechtsakt in der Fassung des Standpunktes des Rates erlassen wird.348 Lehnt das Parlament dagegen mit der Mehrheit seiner Mitglieder349 den Standpunkt des Rates komplett ab, kommt der Rechtsakt nicht zustande und das Verfahren ist beendet.350 Als dritte Alternative kann das Parlament wiederum mit absoluter Mehrheit Abänderungsvorschläge zum Ratsstandpunkt vorschlagen, die dann wiederum Kommission und Rat zuzuleiten sind.351 Anhand der unterschiedlichen Mehrheitserfordernisse wird deutlich, dass Art. 294 AEUV eine Einigung der Co-Gesetzgeber verfahrenstechnisch privilegieren möchte.352 Das parlamentsinterne Entscheidungsverfahren im Rahmen der zweiten Lesung richtet sich nach Art. 64 ff. GO-EP (2017). Maßgeblich ist hierbei wiederum der federführende Ausschuss, der eine Empfehlung für die zweite Lesung des Parlaments ausarbeiten soll, wobei ihm im Gegensatz zur ersten Lesung durch die Geschäftsordnung die ausschließliche Verantwortung eingeräumt wird.353 Über den Ausschussvorschlag und weitere Anträge wird anschließend in einem mit der Beschlussfassung in erster Lesung vergleichbaren Ablauf im Plenum abgestimmt.354 Zu beachten ist allerdings, dass aus Effizienzgründen Änderungsanträge in der zweiten Lesung strengeren Krite346  Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 33. 347  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 46. 348  Zur Fiktion der parlamentarischen Billigung vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 183 ff. 349  Dies meint ausdrücklich die absolute Mehrheit (zurzeit mindestens 368 von 751 Stimmen), im Gegensatz zur ansonsten ausreichenden Mehrheit der abgegeben Stimmen nach Art. 231 Abs. 1 AEUV. 350  Dies kann allerdings die Kommission nicht daran hindern, einen neuen Vorschlag in der gleichen Sache vorzulegen, der im Wesentlichen auch inhaltsgleich sein kann, vgl. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 12. 351  Zu beachten ist allerdings, dass diese Änderungsanträge nur unter den Voraussetzungen des Art. 69 Abs. 2 GO-EP (2017) zulässig sind. 352  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 185. 353  Zu den Einzelheiten vgl. Art. 66 GO-EP (2017). 354  Vgl. Art. 67a GO-EP (2017).



C. Der Ablauf des Verfahrens133

rien unterliegen als in der Phase der ersten Lesung.355 Das gesamte Verfahren der zweiten parlamentarischen Lesung wird wiederum durch informelle Kontakte zwischen Parlament, Rat und Kommission begleitet, um ein besseres Verständnis der jeweiligen Standpunkte zu erreichen und das Rechtsetzungsverfahren möglichst zügig abzuschließen.356 Wenn das Verfahren allerdings nicht durch die zweite Lesung des Parlaments abgeschlossen werden kann, sondern der Standpunkt des Rates gemäß Art. 294 Abs. 7c) AEUV durch das Parlament Abänderungen erfährt, wird der parlamentarische Standpunkt wieder Rat und Kommission zugeleitet, was zur Folge hat, dass der legislative Spielball wiederum im Feld des Rates liegt.357 Der Rat kann den Spielball nun binnen drei Monaten aufgreifen und grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit358 alle parlamentarischen Abänderungen billigen, um den Rechtsakt zu erlassen.359 Nimmt der Rat dagegen nicht alle Änderungen an, ist nach Art. 294 Abs. 8b) AEUV binnen sechs Wochen der Vermittlungsausschuss anzurufen. Versäumt es der Rat, sich innerhalb der Dreimonatsfrist zu äußern, führt dies anders als bei der zweiten Lesung des Parlaments nicht automatisch zum Erlass des Rechtsakts, sondern lediglich dazu, dass ebenfalls der Vermittlungsausschuss einzuberufen ist.360 Bemerkt der Rat dabei bereits frühzeitig in der Phase seiner zweiten Lesung, dass er nicht alle Abänderungen des Parlaments billigen will, wird auf Grund des durch das Fristenregime ausgelösten Zeitdrucks bereits ein Teil der zweiten Lesung für informelle Sitzungen mit dem Parlament zur Vorbereitung des Vermittlungsausschusses genutzt.361 Während Art. 294 AEUV den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens zwischen Parlament und Rat in der zweiten Lesung genau regelt, ist die Rolle der Kommission in dieser Verfahrensphase umstritten. Die Verträge sehen insoweit lediglich vor, dass die Kommission über die Änderungsvorschläge 355  Vgl. Art. 69 GO-EP (2017), dazu näher Leitfaden für Mitentscheidung und Vermittlung, 12/2014, S. 16. 356  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 21 ff. 357  Zur ratsinternen Entscheidungsfindung in dieser Phase des Verfahrens vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 24 f. 358  Beachte allerdings Art. 294 Abs. 9 AEUV. 359  Art. 294 Abs. 8 a) AEUV. 360  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 22; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 54. 361  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25¸ Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 24.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

aus der zweiten parlamentarischen Lesung eine Stellungnahme abgibt und eine entsprechende Ablehnung einzelner Änderungsvorschläge gemäß Art. 294 Abs. 9 AEUV zu Folge hat, dass der Rat über diese einstimmig beschließen muss.362 Um eine Einigung in zweiter Lesung zu erleichtern, hat sich die Kommission gegenüber dem Parlament jedoch dazu verpflichtet, dessen Abänderungen weitestgehend zu berücksichtigen.363 Verzichtet die Kommission auf die Abgabe einer Stellungnahme oder versäumt sie diese, hat dies auch keine suspendierenden Auswirkungen für das Gesetzgebungsverfahren. Vielmehr wird in diesem Fall ihr Einvernehmen mit den parlamentarischen Abänderungen zu unterstellen sein.364 Fraglich ist, ob der Kommission über das Stellungnahmerecht hinaus in Ausübung ihres Initiativmonopols weitere Abänderungen des parlamentarischen Vorschlags in zweiter Lesung oder gar die Rücknahme365 desselben möglich ist. Anknüpfungspunkt hierfür wäre Art. 293 Abs. 2 AEUV, nach dem die Kommission ihren Vorschlag jederzeit im Verlauf der Verfahren zur Annahme eines Rechtsakts abändern kann, sofern noch kein Beschluss des Rates ergangen sei. Teilweise wird davon ausgehend vertreten, dass aus historischen Gründen unter dem Beschluss des Rates die endgültige Annahme des Rechtsakts zu verstehen sei und das Änderungsrecht der Kommission, einschließlich des Rücknahmerechts, bis zur endgültigen Annahme des Rechtsakts und damit auch in der Phase der zweiten Lesung bestehen müsse.366 Andere Autoren ­sehen hingegen bereits die Festlegung des Rates in erster Lesung als maßgeblichen Beschluss im Sinne des Art. 293 Abs. 2 AEUV an.367 Dieser grundsätz362  Die Vorschrift des Art. 294 Abs. 9 AEUV wird teilw. als fragwürdig kritisiert, vgl. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 14; Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 40. 363  Vgl. Rahmenvereinbarung über die Beziehung zwischen Parlament und Kommission, ABl. L 304 v. 20.11.2010, S. 47 ff., Ziff. 37 Abs. 2. 364  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 25.; Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 38. 365  Dieses wird teilweise aus Art. 293 Abs. 2 AEUV oder als Kehrseite des Initiativmonopols hergeleitet, vgl. von Butlar, Das Initiativrecht der Europäischen Kommission, 2003, S. 75 f. Der EuGH selbst leitet das Rücknahmerecht aus einer Zusammenschau der Vorschriften der Art. 17 Abs. 2  EUV, Art. 289, 293 Abs. 1, Abs. 2 AEUV her, vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 74; vgl. dazu krit. Deutelmoser, NVwZ 2015, S. 1577, 1578 ff. 366  Von Butlar, Das Initiativrecht der Europäischen Kommission, 2003, S. 69, 73; unklar von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 169 f.; S. 186 Fn. 623; S. 174 f.; differenzierend dagegen, Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 293 AEUV, Rn. 16 ff. 367  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 293 AEUV, Rn. 23; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6.  Aufl. 2013,



C. Der Ablauf des Verfahrens135

liche Streit könnte jedoch dann keiner Entscheidung bedürfen, wenn man Art. 293 Abs. 2 AEUV wie folgt im Lichte des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auslegt.368 Betrachtet man hierzu die Norm des Art. 294 AEUV genauer, wird deutlich, dass diese zumindest ab der Phase der zweiten Lesung speziellere Vorschriften zur Beteiligung der Kommission am Gesetzgebungsverfahren enthält. So deuten insbesondere Art. 294 Abs. 6 S. 2, Abs. 7 c, Abs. 9 AEUV an, dass die Kommission in der Phase der zweiten Lesung auf das Stellungnahmerecht beschränkt sein soll. Würde man von einer Geltung des Art. 293 AEUV in dieser Phase ausgehen und der Kommission ein weitergehendes Einflussrecht einräumen, wäre die Vorschrift des Art. 294 Abs. 9 AEUV auf Grund von Art. 293 Abs. 1 AEUV überflüssig.369 Für die an die zweite Lesung anschließende Phase der Vermittlung wird die Rolle der Kommission in Art. 294 Abs. 11 AEUV explizit auf die Vermittlerposition beschränkt. Zuletzt spricht auch Art. 294 Abs. 7 a) AEUV gegen eine weitere Einflussmöglichkeit der Kommission, da dieser normiert, dass der Rechtsakt in der Fassung des Rates erlassen wird, wenn das Parlament sich nicht äußert. Könnte die Kommission in dieser Phase den Ratsstandpunkt nochmals abändern oder gar zurücknehmen, würde dies zu Ergebnissen führen, die nach der Konzeption des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht vorgesehen sind. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass unabhängig von der Frage der genauen Wortlautauslegung des Art. 293 Abs. 2 AEUV die Änderungs- und Rücknahmebefugnis der Kommission im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren mit dem Beschluss des Standpunktes des Rates in erster Lesung erlischt.370 Die Rolle der Kommission unterliegt in dieser fortgeschrittenen Verfahrensphase Einschränkungen, die aus dem in Art. 294 AEUV normierArt. 294 AEUV, Rn. 3; Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 39; so wohl auch Böttner, EuR 2016, S. 105, 120 ff. Auch das Europäische Parlament kommt zu dieser Ansicht, vgl. ABl. C 297E v. 7.12.2006, S. 140 ff., insbesondere Ziff. 13. 368  Insoweit auch Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art.  293, AEUV Rn. 22. 369  Zum Verhältnis von Art. 293 Abs. 1 AEUV und Art. 294 Abs. 9 AEUV vgl. Böttner, EuR 2016, S. 105, 114 f. 370  Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 3, geht noch weiter, indem er die Änderungsbefugnis der Kommission bereits mit der ersten Lesung des Parlaments enden lässt. Dies überdehnt jedoch den Wortlaut des Art. 293 AEUV. Vgl. parallel zu Art. 293 Abs. 1 AEUV oben S. 127 ff. Auch Kommission und Parlament selbst gehen in ihrer Rahmenvereinbarung davon aus, dass die Kommission ihren Vorschlag auch nach Abgabe eines Standpunktes in erster Lesung zurückziehen kann, vgl. ABl. L 304 v. 20.11.2010, S. 47 ff., Ziff. 39.

136

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

ten Zusammenwirken von Rat und Parlament hervorgehen.371 Ab dem Stadium der zweiten Lesung ist nicht mehr der Vorschlag der Kommission Beratungsgegenstand, sondern die jeweiligen Standpunkte von Rat und Parlament bzw. der Entwurf des Vermittlungsausschusses.372 Dem kann auch nicht die Befürchtung einer Aushöhlung des Initiativmonopols der Kommission entgegengehalten werden, da der Kommission bei einer im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens folgenden wesentlichen Denaturierung ihres Vorschlags immer noch der Rechtsweg zum EuGH offen stehen würde.373 Der hier entwickelten Konzeption zum Einfluss der Kommission im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren haben sich auch die Organe in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens wenigstens implizit angeschlossen.374 4. Der Vermittlungsausschuss Fehlte es an dem für die Annahme eines Rechtsakts erforderlichen Einvernehmen zwischen Rat und Parlament, sollte dieses nach der Konzeption des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsausschuss gefunden werden.375 Dieser wurde, wie bereits dargestellt, vom Präsidenten des Rates in Absprache mit dem Parlamentspräsidenten einberufen,376 wenn der Rat den Standpunkt des Parlaments in zweiter Lesung nicht gebilligt hatte.377 Die dazu festgeschriebene Frist von sechs Wochen wurde eingeführt, um der früheren Praxis zu begegnen, nach der das Vermittlungsverfahren teilweise 371  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 26. 372  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 39. 373  Vgl. dazu näher Böttner, EuR 2016, S. 105, 121. 374  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 13, 17, 22, 27. Nach dieser macht die Kommission in der Phase der ersten Lesung des Parlaments (Ziff. 13) und des Rates (Ziff. 17) in konstruktiver Weise von ihrem Initiativrecht Gebrauch, um eine Annäherung zu fördern. In der Phase der zweiten Lesung (Ziff. 22) unterstützt die Kommission die Kontakte und nimmt Stellung, um eine Annäherung zu erreichen. Von einer Ausübung des Initiativrechts wird dagegen in der Phase der zweiten Lesung, ebenso wie im Rahmen des Vermittlungsausschusses (Ziff. 27), nicht mehr gesprochen. 375  Vgl. allgemein zum Vermittlungsausschuss, Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002; Mähring, JA 2000, S. 386 ff.; von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 189 ff. Dieser Unterabschnitt ist bewusst in der Vergangenheitsform formuliert um damit die faktische Überlebtheit des Vermittlungsverfahrens herauszustellen, vgl. dazu die statistischen Anmerkungen auf S. 163 ff. 376  Zum Begriff der „Einberufung“ vgl. Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 120 ff. 377  Art. 294 Abs. 8 b) AEUV.



C. Der Ablauf des Verfahrens137

erst Monate nach der zweiten Lesung des Rates eingeleitet wurde.378 Dieser sechswöchige Vorbereitungszeitraum wurde hauptsächlich für Triloge genutzt, um anschließend im Vermittlungsausschuss möglichst schnell zu einer Einigung gelangen zu können.379 Die informellen Treffen begleiteten dabei regelmäßig das gesamte Vermittlungsverfahren und fanden auch nach Beginn der eigentlichen Sitzungen des Vermittlungsausschusses statt.380 Darin zeigte sich die besondere, historisch begründete Bedeutung der Trilogpraxis im Stadium des Vermittlungsverfahrens.381 Die Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses erfolgte nach Art. 294 Abs. 10 AEUV paritätisch aus den Mitgliedern des Rates oder deren Vertretern und ebenso vielen Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Dies bedeutete zunächst, dass zuletzt alle 28 Mitgliedstaaten durch einen Vertreter auf Ministerebene oder ihre EU-Botschafter im Vermittlungsausschuss vertreten waren.382 Damit konnte zwar einerseits sichergestellt werden, dass kein Mitgliedstaat von der Kompromisssuche ausgeschlossen wird,383 andererseits muss bereits an dieser Stelle die Frage aufgeworfen werden, inwieweit ein aus nunmehr insgesamt 56 Mitgliedern bestehender Vermittlungsausschuss noch ergebnisorientiert Kompromisse entwickeln konnte.384 Die Zusammensetzung der parlamentarischen Delegation sollte nach der Ge378  Vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 28. 379  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 41; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 16; im Detail von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 191. 380  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn. 66; Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 25. 381  Vgl. hierzu bereits oben S.30 und die interinstitutionelle Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 133 ff., sowie die gemeinsame Erklärung zu den Modalitäten für die Abwicklung der Arbeiten des Vermittlungsausschusses, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 141. 382  In der Praxis setzt sich die Delegation des Rates aus den ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten unter Führung des Fachministers der Ratspräsidentschaft zusammen, vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 43; Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 30; Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 137 f. 383  Zu den Hintergründen der Beteiligung aller Mitgliedstaaten im Vermittlungsausschuss, Mähring, JA 2000, S. 386, 387. 384  Dazu kommen dann natürlich noch die Mitarbeiter der Mitglieder, praktische Berater, themenspezifische Experten, Rechtsberater und sonstige Personen, so dass der Ausschuss vermutlich sehr schnell auf über 100 Personen anwachsen kann, vgl. dazu Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 158 f. Dies alles galt als ein praktischer Faktor für die Herausbildung der informellen Triloge, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Conference Report. 20 Years of Codecision, S. 4.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

schäftsordnung des Parlaments proportional der Fraktionszusammensetzung entsprechen.385 Nach Art. 71 Abs. 3 GO-EP (2017) wurden dazu die Mitglieder der Delegation im Grundsatz für jedes einzelne Vermittlungsverfahren von den Fraktionen neu benannt, wobei zwingend der Vorsitz und der Berichterstatter des zuständigen Ausschusses in zweiter Lesung sowie die Berichterstatter von assoziierten Ausschüssen bei der Delegationsbildung zu berücksichtigen waren.386 Um dennoch eine gewisse Kontinuität in den parlamentarischen Delegationen zu wahren, wurden für den Zeitraum von zwölf Monaten drei ständige Delegationsmitglieder aus der Mitte der Vizepräsidenten benannt.387 Die Kommission war nach Art. 294 Abs. 10, Abs. 11 AEUV kein Teil des Vermittlungsausschusses, sondern lediglich dazu berufen, an den Arbeiten des Vermittlungsausschusses teilzunehmen und alle Initiativen zu ergreifen, um auf eine Annäherung der Standpunkte des Parlaments und des Rates hinzuwirken. Als solche Initiativen können beispielsweise die Ausarbeitung von Entwürfen für Kompromisstexte gesehen werden.388 Die Aufgabe der Kommission hatte sich in der Phase der Vermittlung damit nochmals deutlich verändert. Während sie in der ersten Lesung durch ihr Initiativrecht und in der zweiten Lesung durch ihre Stellungnahme noch als Verteidigerin ihres Vorschlags in eigener Sache tätig sein kann, war sie in der Vermittlungsphase nach der Konzeption des Art. 294 AEUV auf eine Mittlerrolle zwischen Rat und Parlament beschränkt.389 Dies wird auch deutlich, indem Art. 294 Abs. 10 AEUV explizit klarstellt, dass die Grundlage für die Vermittlung nicht mehr der (abgeänderte) Kommissionsvorschlag, sondern die Standpunkte von Parlament und Rat in zweiter Lesung waren. Die Arbeitsweise des Vermittlungsausschusses wird in Art. 294 Abs. 10 AEUV nur insoweit geregelt, dass der Vermittlungsausschuss binnen sechs Wochen390 eine Einigung zwischen den Standpunkten von Rat und Parlament 385  Vgl. Art. 71

Abs. 2 GO-EP (2017). unterscheidet sich der Vermittlungsausschuss im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene in seiner Konzeption als Ad-hoc-Ausschuss vom für eine jeweilige Wahlperiode zu bildenden, ständigen Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat auf bundesdeutscher Ebene, vgl. hierzu Art. 77 Abs. 2 GG, Art. 1 GOVA, dazu Kersten, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 2017, Art. 77 GG, Rn. 33. 387  Vgl. Art. 71 Abs. 3  GO-EP (2017); Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/ Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 43. Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 135, bezeichnet dies als Mischung aus einem ad-hoc Entsendeverfahren und einer anlassunabhängigen ständigen Mitgliedschaft. 388  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 27. 389  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 63. 390  Die maximal um zwei Wochen verlängert werden können, vgl. Art. 294 Abs. 14 AEUV. 386  Damit



C. Der Ablauf des Verfahrens139

erzielen soll. Da es sich beim Vermittlungsausschuss jedoch um einen Adhoc-Ausschuss für das jeweilige Gesetzgebungsverfahren handelte, war dieser keine unabhängige Einrichtung, sondern ein gemeinsam von Rat und Parlament getragenes Gremium.391 Aus diesem Grund konnte der Vermittlungsausschuss selbst auch keine Geschäftsordnung erlassen. Gleichwohl haben die Unionsorgane die Arbeitsweise des Vermittlungsausschusses bereits frühzeitig in interinstitutionellen Vereinbarungen auf der Ebene des Interorganrechts verrechtlicht.392 Dabei ließen sich die Arbeiten des Vermittlungsausschusses grundsätzlich in zwei Phasen einteilen, in die von Trilogen geprägte Vorphase und die formelle Vermittlungsphase selbst.393 Soweit klar wurde, dass der Rat nicht bereit war, alle Änderungen des Parlaments in zweiter Lesung zu übernehmen, begann die Vorphase.394 Es folgten die Benennung der Vermittlungsdelegationen, die zunächst die Mandate für die informellen Vorverhandlungen erteilen395 und die informellen Vorverhandlungen selbst. In der Praxis kam es oftmals bereits in dieser Phase zu einer Einigung, die dann in einer einmaligen ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses bestätigt werden konnte.396 Deswegen wurde darauf geachtet, den Vermittlungsausschuss nach Möglichkeit erst dann einzuberufen, wenn die Standpunkte von Rat und Parlament hinreichend angenähert sind.397 Die formelle Vermittlungsphase musste dann jedoch spätestens sechs (maximal acht)398 Wochen nach dem Abschluss der zweiten Lesung des Rates mit der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses beginnen.399 Dieser tagte 391  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 46. 392  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den Modalitäten für die Abwicklung der Arbeiten des Vermittlungsausschusses aus dem Jahr 1999, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 141, deren Regelungen in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 2007, ABl. C 145 v. 30.06.2007 aufgegriffen und erweitert worden sind. 393  Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 64. 394  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 24. 395  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 16 f. 396  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 16. 397  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 18. 398  Eine Verlängerung der in Art. 294 Abs. 8 b) AEUV aufgestellten Einberufungsfrist von sechs Wochen um bis zu zwei Wochen ist gemäß Art. 294 Abs. 14 AEUV auf Initiative des Rates oder des Parlaments möglich. 399  Vgl. Art. 294 Abs. 8 b) AEUV.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

dabei abwechselnd in den Räumlichkeiten des Parlaments und des Rates unter dem ebenfalls abwechselnden Vorsitz des Präsidenten des Rates und des Parlaments.400 Jeder einzelnen Sitzung des Vermittlungsausschusses gingen wiederum Triloge und Fachsitzungen voraus.401 Dabei konnte es auch dazu kommen, dass einzelne Sitzungen des Vermittlungsausschusses für Triloge und interne separate Sitzungen der Delegationen unterbrochen werden.402 Zusätzlich wurden die beiden Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses in besonderer Weise in die Pflicht genommen, indem vor allem sie dazu aufgerufen waren, dem Ausschuss Texte zur Billigung zu unterbreiten.403 Bestätigte schließlich eine qualifizierte Mehrheit der Ratsvertreter und die Mehrheit der Parlamentsvertreter einen gemeinsamen Entwurf,404 konnte die Arbeit des Vermittlungsausschusses erfolgreich abgeschlossen werden und der Entwurf Rat und Parlament zu endgültigen Abstimmung in dritter Lesung übermittelt werden.405 Kam es hingegen zu keiner Einigung binnen sechs (bzw. acht) Wochen, galt der Rechtsakt nach Art. 294 Abs. 12 AEUV als nicht erlassen. Die gesamten Arbeiten des Vermittlungsschusses fanden im Gegensatz zum ansonsten weitestgehend transparenten Gesetzgebungsverfahren406 unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.407 Hierin sah der EuGH keinen Verstoß gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie, da die abschließende Prüfung im Parlament, für welche die allgemeinen Vorschriften über die Transparenz gelten, eine wirksame Beteiligung des Parlaments am Gesetzge400  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 28, 32. 401  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25 f. 402  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 18 f. 403  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 34; Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 26. 404  Im Gegensatz zum deutschen Vermittlungsausschuss, der nach § 8 GO-VA mit der Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder einheitlich entscheidet, fand die Abstimmung im europäischen Vermittlungsausschuss innerhalb der beiden Delegationen getrennt voneinander statt, vgl. Mähring, JA 2000, S. 386, 368 f. Hierbei wird deutlich, dass die Kompromissfindung im Wesentlichen weiterhin auf den Schultern von Parlament und Rat und nicht auf einem einheitlichen Vermittlungsgremium als solchem lasten sollte. 405  Vgl. Art. 294 Abs. 10 AEUV; vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff.  36 f. 406  Vgl. hierzu nur Art. 15 Abs. 2 AEUV; dazu auch im Folgenden S. 180 ff. 407  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 67.



C. Der Ablauf des Verfahrens141

bungsverfahren unter Beachtung der Grundsätze der repräsentativen Demokratie gewährleiste.408 Ziel der Arbeiten im Vermittlungsausschuss war die Einigung über einen gemeinsamen Entwurf für den betreffenden Rechtsakt, wobei der Einigung auf Grund der Tatsache, dass sie auf Grundlage der Standpunkte aus zweiter Lesung erfolgen musste, Grenzen gesetzt waren.409 Während diese Grenzziehungen im bundesdeutschen Vermittlungsausschuss relativ eng sind und dieser keinen Vorschlag, der außerhalb der bisherigen Auffassungsunterschiede im Parlament oder der bisherigen Gegenläufigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat bleibt,410 unterbreiten darf, wurde im europäischen Vermittlungsverfahren als oberstes Ziel die Kompromissfindung in den Vordergrund gestellt.411 Insofern hat der EuGH betont, dass der Vermittlungsausschuss nicht darauf beschränkt gewesen sei, eine Einigung über die vom Parlament in zweiter Lesung vorgeschlagenen Abänderungen herbeizuführen, sondern dass aus Art. 294 Abs. 10 AEUV hervorgehe, dass eine Entscheidung des Vermittlungsausschusses lediglich auf Grundlage der Standpunkte von Rat und Parlament in zweiter Lesung beruhen durfte.412 Dies bedeutet, dass die Ergebnisse der zweiten Lesungen lediglich als Ausgangspunkte der Beratungen anzusehen waren, aber die beiden Organe grundsätzlich sämtliche Teile der Standpunkte in Frage stellen konnten, um am Ende eine gemeinsame Einigung erreichen zu können.413 Es war jedoch erforderlich, dass neue Elemente für einen Kompromiss in einem sachlichen Zusammenhang mit dem streitigen Punkt standen.414 Unzulässig war deswegen die Aufnahme von Regelungen, die erkennbar der Durchsetzung von Vorstellungen dienen sollten, für die im bisherigen Verfahren die erforderlichen Mehrheiten gefehlt hatten 408  Vgl.

EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 60 f. Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 294 AEUV, Rn. 18. 410  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 471 ff. 411  Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 19. 412  EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 57. 413  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 47; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn.  71 f.; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 19; Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 31. Der EuGH sprach in diesem Zusammenhang von einem weiten Ermessen des Vermittlungsausschusses, der eine Streitbeilegung durch eine Prüfung sämtlicher Aspekte des Dissens und der Vermittlung der Kommission erreichen solle, vgl. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 58. 414  Vgl. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 19; Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S.  71 f. 409  Vgl.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

oder die sich auf ein anderes Rechtsetzungsverfahren bezogen hatten.415 Ob in konkreten Vermittlungsverfahren einzelne Bestimmungen gegen diese Missbrauchsgrenze verstießen, musste in jedem Einzelfall anhand ihrer Stellung und Bedeutung im Kontext des Einigungsvorschlags untersucht werden.416 Zusätzlich war es dem Vermittlungsausschuss nicht erlaubt, einen gänzlich neuen oder den ursprünglichen Kommissionsvorschlag wesensverändernden Vorschlag zu unterbreiten, da ansonsten das Initiativmonopol der Kommission verletzt worden wäre.417 5. Das Stadium der dritten Lesung Billigte der Vermittlungsausschuss innerhalb der Frist einen gemeinsamen Entwurf, konnten das Parlament und der Rat den Rechtsakt in Form des Entwurfes binnen sechs Wochen in ihren organinternen Verfahren erlassen.418 Im Parlament war hierzu die Mehrheit der abgegebenen Stimmen,419 im Rat die qualifizierte Mehrheit notwendig.420 Die Rückbindung an die Organe zeigt nochmals, dass Rat und Parlament ihre Rechtsetzungsbefugnis nicht an den Vermittlungsausschuss delegierten, sondern diesem lediglich ein Vermittlungsmandat erteilten, um Meinungsverschiedenheiten auszuräumen.421 Eine Abänderungsbefugnis stand weder Parlament noch Rat zu, der Entwurf konnte alleine in seiner Gesamtheit gebilligt oder abgelehnt werden. Aus diesem Grund war es auch irrelevant, welches Organ zeitlich zuerst über den Entwurf abstimmte.422 Kam es zu einer Ablehnung des Entwurfs durch ein Organ, galt der Rechtsakt gemäß Art. 294 Abs. 13 S. 2 AEUV als nicht erlassen.423 415  Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 294, Rn. 18; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6.  Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 19. 416  Vgl. dazu Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 72. 417  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Rn. 31; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 73; Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 73 f. 418  Vgl. Art. 294 Abs. 13 AEUV. 419  Zum parlamentsinternen Verfahren vgl. Art. 72 GO-EP (2017). 420  Obwohl die Delegation des Rates im Vermittlungsausschuss der Gesamtzusammensetzung des Rates entspricht, ersetzt deren Entwurfsbilligung nicht die erneute Abstimmung im Rat. Die Ratsdelegation im Vermittlungsausschuss ist trotz möglicher Personenidentität formal strikt vom Rat zu unterscheiden. 421  Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV, Rn. 74. 422  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 18. 423  In der Praxis wurde ein Vermittlungsergebnis bisher lediglich zweimal durch das Europäische Parlament abgelehnt, vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/ Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 53.



C. Der Ablauf des Verfahrens143

II. Der informelle Trilog in den Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Bei der Darstellung des Verfahrensablaufs des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 294 AEUV wurde bereits deutlich, dass sich die Zusammenarbeit der Organe nicht in den primärvertraglichen Bestimmungen erschöpft. Während in Regelungen des Organinnenrechts, den Geschäftsordnungen, das organinterne Entscheidungsverfahren näher ausgestaltet wird, präzisieren die Regelungen des Interorganrechts die Kooperation der Organe im gesamten Verfahren. Teilweise werden die Verhandlungsverflechtungen als derart stark empfunden, dass das Gesetzgebungsverfahren eher als „continuous process than a series of discrete stages“ empfunden wird.424 Die wesentlichste Form dieser Zusammenarbeit im Mitentscheidungsverfahren stellen die informellen Triloge dar, die als Vermittlungsverfahren sui generis den ganzen Verfahrensablauf stark beeinflussen. So sind sie bereits in ihrer Zielsetzung darauf ausgerichtet, das Verfahren nach Möglichkeit in einem frühen Stadium abzuschließen.425 Die Statistik beweist, dass hauptsächlich durch die Bemühungen im Trilog,426 in der Legislaturperiode zwischen 2009 und 2014 93 %, sowie in der ersten Hälfte der achten Legislaturperiode zwischen 2014 und 2016 gar 97 % der Gesetzesvorschläge in der ersten oder frühen zweiten Lesung abgeschlossen werden konnten.427 Im Folgenden soll ausgehend von den den Trilog ausgestaltenden Rechtsgrundlagen428 und der Beschreibung in den Leitfäden der Organe die Arbeitsweise in den Trilogen näher beschrieben und in den Kontext des Gesetzgebungsverfahrens eingeordnet werden.

424  Kommission

(Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 8. Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 4. 426  In der Legislaturperiode von 2009–2014 und in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von 2014–2019 wurden ca. zwei Drittel aller angenommenen Gesetzgebungsdossiers zuvor in informellen Trilogen behandelt, ohne Verhandlungen wurden in der Regel unumstrittene Dossiers wie Kodifikationen oder neugefasste Vorschläge frühzeitig angenommen, vgl. dazu unten S. 163 ff. 427  Dagegen ging die Zahl der erfolgreichen Vermittlungsverfahren von 88 (5. Wahlperiode) auf acht (7. Wahlperiode) zurück. In der ersten Hälfte der achten Wahlperiode (2014–2016) kam es gar zu keinem einzigen Vermittlungsverfahren, vgl. dazu unten S. 163 ff. 428  Vgl. dazu ausführlich oben S. 35 ff. 425  Gemeinsame

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

1. Der formelle informelle Verfahrensablauf der einzelnen Trilogsitzungen Bevor es zu Verhandlungen zwischen Vertretern von Kommission, Rat und Parlament kommen kann, muss innerhalb von Rat und Parlament die Entscheidung zur Aufnahme von Verhandlungen getroffen werden. Dabei werden diese in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens dazu angehalten, die Mandatierung ihrer Verhandlungsteams nach der „Maßgabe“ ihrer Geschäftsordnungen vorzunehmen.429 Dies geschieht bei einem Verhandlungsstart vor der ersten parlamentarischen Lesung in der Regel dann, wenn nach der Gesetzesinitiative durch die Kommission die parallel ablaufenden Beratungen über das Gesetzesdossier so weit fortgeschritten sind, dass den Delegationen die wichtigsten Fragen bekannt sind.430 Aus diesem Grund soll sich der Ratsvorsitz bemühen, an den Sitzungen der Ausschüsse teilzunehmen, um bereits hier die Informationsgesuche über den Standpunkt des Rates sorgfältig berücksichtigen.431 Für das Europäische Parlament ist das Verfahren zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen seit Beginn des Jahres 2017 in den Art. 69b ff. GOEP (2017) geregelt.432 Dieses variiert je nach Stadium des Verfahrens.433 Wesentlich ist hierbei jedoch, dass interinstitutionelle Verhandlungen nur nach einem förmlichen Beschluss des federführenden Ausschusses oder nach einer Rücküberweisung durch das Parlament aufgenommen werden dürfen.434 Für den Rat fehlen vergleichbare Regelungen in der Geschäftsordnung. Aus diesem Grund kann lediglich aus den veröffentlichten Leitlinien eine teilweise verfestigte Organpraxis hergeleitet werden.435 Sollen auch von Seiten des Rates interinstitutionelle Verhandlungen aufgenommen werden, erhält der Ratsvorsitz hierzu vom Ausschuss der ständigen Vertreter ein entsprechendes Verhandlungsmandat.436 Das Mandat wird hierbei in der Praxis ohne Abstim-

429  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 8. 430  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 22. 431  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 10. 432  Zur Novelle der Geschäftsordnung Ende des Jahres 2016 vgl. oben S. 66 f. 433  Vgl. dazu im Folgenden S. 149 ff. 434  Vgl. Art. 69b GO-EP (2017). 435  Zur rechtlichen Verwertbarkeit der organinternen Leitlinien vgl. oben S. 70 ff. 436  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23.



C. Der Ablauf des Verfahrens145

mung erteilt.437 Im Anschluss daran ist es die Aufgabe der Kommission die Kontakte zu unterstützen und je nach Stadium des Verfahrens geeignete Maßnahmen hierzu zu treffen.438 Nach den kommissionsinternen Leitlinien soll der Kommissionsvertreter dabei insbesondere sicherstellen, dass die Änderungsvorschläge des Parlaments und des Rates mit den ursprünglichen Intentionen des Kommissionsvorschlags und den wechselseitigen Standpunkten der Co-Gesetzgeber vereinbar sind.439 Soll es im Anschluss daran zu Trilogsitzungen kommen, können diesen für gewöhnlich zunächst vorbereitende, technische Sitzungen vorausgehen, in denen komplizierte Detailfragen besprochen werden.440 Wenn jedoch die politischen Triloge selbst beginnen, finden diese nach der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens „gewöhnlich im informellen Rahmen“ statt.441 In der Praxis spielen sich alle Trilogverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der nicht beteiligten Parlamentsmitglieder ab.442 Aus diesem Grund gibt es generell keine Informationen über den inhaltlichen Ablauf der Verhandlungen.443 Zur Verbesserung der Transparenz sollen die Triloge jedoch zumindest angekündigt werden, wenn dies praktisch durchführbar ist.444 Sodann verhandeln die Vertreter der Organe, unter der Leitung des gastgebenden Mitgesetzgebers, in den einzelnen Sitzungen auf der Basis der Vierspaltendokumente über eine

437  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 31. 438  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 13, 17, 22, 27. 439  Vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 11. 440  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 441  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 8. 442  Vgl. dazu Reh/Héritier/Bressanelli/Koop, Comparative Political Studies 2011, S. 1112, 1120; von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 179; Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 9. 443  Der Ablauf bzw. Inhalt einzelner Sitzungen und Trilogabfolgen kann jedoch für einzelne Gesetzgebungsverfahren aus Verfahrensdokumenten und Gerichtsurteilen des EuGH hergeleitet werden. So werden die Inhalte der Trilogverhandlungen um Makrofinanzhilfen für Drittländer in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission) in Rn. 6 ff. anschaulich dargestellt. Einen Blick auf die Verhandlungspraxis in den Trilogen liefert auch das Verfahren um die gemeinsame Agrarmarktorganisation, EuGH, Rs. C-113/14 (Deutschland/Parlament und Rat), Urt. v. 7.9.2016, Rn. 13. 444  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 9.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Einigung,445 d. h. über eine erfolgreiche politische Übereinkunft der Co-Gesetzgeber über Inhalte des Rechtsetzungsvorhabens.446 In den dazugehörigen Vierspaltendokumenten werden in den ersten drei Spalten die einzelnen Standpunkte der Organe dargestellt, während die letzte Spalte für etwaige Kompromissvorschläge vorgesehen ist.447 Zur besseren Vorbereitung auf die einzelnen Trilogsitzungen sind diese Unterlagen den Teilnehmern vorab zu übermitteln.448 Nach jeder einzelnen Sitzung des Trilogs sind die Mandatierten dazu verpflichtet den jeweils aussendenden Organteilen Bericht zu erstatten. Das parlamentarische Verhandlungsteam unterrichtet den zuständigen Ausschuss grundsätzlich in seiner nächsten Sitzung,449 die Unterhändler des Rates den Ausschuss der ständigen Vertreter450 und die Kommissionsvertreter die Gruppe für interinstitutionelle Beziehungen.451 In diesen Gremien erfolgt je nach Verhandlungsstand die Anpassung des Verhandlungsmandats, um in weiteren Trilogen eventuell doch noch eine Einigung erreichen zu können.452 In der Folgezeit können die Triloge beliebig oft wiederholt werden, bis es entweder zu einer Einigung, der formellen Fortsetzung des Gesetzgebungsverfahrens, einer Rücknahme des Vorschlags durch die Kommis445  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22. 446  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 179. 447  Vgl. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 5. Der Rat benutzt bisweilen ein internes fünf Spalten Dokument, in dessen zusätzlicher Spalte die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten wiedergegeben werden, vgl. Corbett/Jacobs/ Neville, The European Parliament, 2016, S. 288. 448  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 9. Die Geschäftsordnung des Parlaments präzisiert dies dahingehend, dass die Dokumente ihrem Verhandlungsteam mindestens 48 Stunden bzw. in dringenden Fällen mindestens 24 Stunden vor dem Trilog an das Verhandlungsteam zu verteilen sind, vgl. Art. 69f Abs. 2 GO-EP (2017). 449  Vgl. Art 69f Abs. 3 GO-EP, Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 6. In der Praxis wird dem Ausschuss erst nach einigen Trilogsitzungen Bericht erstattet. Auf Grund der thematischen Brisanz wird stattdessen oftmals lediglich den Ausschusskoordinatoren berichtet, um eine Diskussion im öffentlichen Ausschuss zu vermeiden, vgl. zum Ganzen Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 288. 450  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 451  Die Gruppe für interinstitutionelle Beziehungen (GRI) ist über das Generalsekretariat über den Fortschritt der aller informellen Verhandlungen fortlaufend zu informieren, vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 12. 452  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23.



C. Der Ablauf des Verfahrens147

sion mangels Einigung oder der schlichten Nichtweiterbearbeitung durch die Co-Gesetzgeber kommt. Um eine Einigung zu erreichen werden dabei im Schnitt vier Trilogsitzungen benötigt, wobei in einzelnen Gesetzgebungsverfahren auch deutliche Ausschläge nach oben zu verzeichnen sind.453 Dass Trilogverhandlungen nicht immer erfolgreich verlaufen und deswegen Gesetzgebungsvorschläge der Kommission teilweise jahrelang liegenbleiben, hat sich zu Beginn der Legislaturperiode zwischen 2014 und 2019 gezeigt. In ihrem Arbeitsprogramm für 2015 hatte die Kommission deswegen vorgesehen 80 (davon 45 das ordentliche Gesetzgebungsverfahren betreffende) Initiativen zurückzuziehen,454 während im selben Jahr nur 23 neue Gesetzesvorschläge erlassen werden sollten.455 Zur Begründung wurde angeführt, dass die Vorschläge mittlerweile überholt seien oder seit längerem „keine Einigung [der beiden Gesetzgeber] in Sicht“ sei.456 In den Folgejahren nahm die Anzahl der zurückgezogenen Mitentscheidungsdossiers jedoch wieder ab.457 Münden die Trilogverhandlungen jedoch in einem Kompromiss der CoGesetzgeber, sind die Einigungen schriftlich in einem offiziellen Dokument zu bestätigen.458 Nach der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens geschieht dies in Form eines Briefs, mit welchem der Verhandlungspartner, der nicht die an die Verhandlungen anschließende Lesung durchführt, bestätigt, dass es eine Einigung gibt, wenn in der folgenden Lesung des Parlaments oder des Rates der Trilogkompromiss akzeptiert wird.459 Jedem dieser Briefe muss gewöhnlich mit 453  Beispielhaft kann hier das Gesetzgebungsverfahren um den Europäischen Fonds für strategische Investitionen angeführt werden. Dieser wurde im Juni 2015 nach zehn informellen Trilogen in einem Zeitraum von eineinhalb Monaten von Parlament und Rat erlassen, wobei die Triloge teilweise von über 100 Teilnehmern begleitet wurden, vgl. dazu Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 20 f. Eine graphische Darstellung der zeitlichen Abfolge der Triloge findet sich im Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 25. 454  Eine lesenswerte Aufstellung der zurückzuziehenden Vorschläge mit jeweiliger Begründung findet sich im Anhang II des Arbeitsprogramms der Kommission aus dem Jahr 2015, COM (2014), 910 final, vgl. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/ cwp_2015_annex_ii_de.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 455  Vgl. auch Bauer/Becker, Integration 2015, S. 292, 300. 456  Vgl. COM (2014), 910 final, Annex II. 457  So sollten im Jahr 2016 fünf, vgl. Annex IV des Arbeitsprogramms der Kommission 2016, COM (2015) 610 final, im Jahr 2017 sieben, vgl. Annex IV des Arbeitsprogramms der Kommission 2017, COM (2016) 710 final, und im Jahr 2018 zehn Mitentscheidungsdossiers zurückgenommen werden, COM (2017) 650 final. 458  Vgl. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 8. 459  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 14, 17, 23.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

der Mehrheit der Mitglieder des zuständigen Ausschusses oder des AStV zugestimmt werden.460 Abänderungen an den so angenommenen Texten dürfen nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der entsprechenden Ebene des Europäischen Parlaments oder des Rates vorgenommen werden.461 Anschließend an die informelle Einigung werden die so vereinbarten Kompromisse nach den Vorschriften des Organinnenrechts zunächst innerhalb der Organe abgestimmt,462 um bestenfalls am Ende im formellen Verfahrensablauf nach Art. 294 AEUV von den Gesetzgebern verabschiedet zu werden. Obwohl die Kommission kein Gesetzgeber ist und deswegen der Einigung auch grundsätzlich nicht zustimmen muss, darf ihr Einfluss nach einer Einigung durch Rat und Parlament nicht unterschätzt werden. Durch ihr über Art. 293 AEUV abgesichertes Initiativmonopol hat sie je nach Fortschritt des Gesetzgebungsverfahrens verschiedene Möglichkeiten, die Einigung der Gesetzgeber zu verhindern oder zumindest zu erschweren.463 Eine systematische Bekanntmachung oder Veröffentlichung der im Trilog erzielten Ergebnisse erfolgt nicht. Der genaue Wortlaut der Vereinbarung kann jedoch spätestens dem Protokoll der Ausschusssitzung des mit der Abstimmung betrauten Parlamentsausschusses entnommen werden. Gelegentlich erfolgt zumindest eine Information über die Einigung in Pressemitteilungen.464 Eine Darstellung wesentlicher Punkte der Vereinbarungen findet sich zudem oftmals relativ zeitnah auf den Webseiten gut vernetzter Interessenvertreter.465 460  Corbett/Jacobs/Neville,

The European Parliament, 2016, S. 289. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 8. 462  Im Parlament wird in den Phasen vor der Vermittlung zunächst der zuständige Parlamentsausschuss mit der Abstimmung betraut. Diesem sind die Dokumente, die die Ergebnisse des abschließenden Trilogs wiedergeben, zur Verfügung zu stellen, um im Anschluss daran mit einfacher Mehrheit über die Annahme des Kompromisses zu entscheiden. Darauf folgend ist der Text im Parlament einzureichen, wobei die Änderungen an dem Entwurf deutlich kenntlich zu machen sind, vgl. Art. 69 f. Abs. 4 GOEP (2017). Die Abstimmung im Parlament richtet sich dann nach Art. 59 Abs. 3 GOEP (2017). Im Rat werden die Einigungen zunächst in den Arbeitsgruppen und im AStV behandelt, bevor sie am Ende ins Ratsgremium getragen werden, vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 463  Aus diesem Grund erfolgt auch eine Weitergabe und Bewertung der Einigungen im Trilog innerhalb der Kommission; zu den jeweiligen kommissionsinternen Verfahren, vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 30. 464  Vgl. Pressemitteilung des Rates v. 18.12.2017, http://www.consilium.europa. eu/de/press/press-releases/2017/12/18/council-and-parliament-reach-provisionalagreement-on-new-eu-waste-rules/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 465  Vgl. zur EU Reform der Abschlussprüfung den Internetauftritt der Wirtschaftsprüferkammer, https://www.wpk.de/neu-auf-wpkde/alle/2014/sv/eu-reform-der-ab 461  Vgl.



C. Der Ablauf des Verfahrens149

Daran lässt sich auch an dieser Stelle erkennen, dass Lobbygruppen – trotz informeller Triloge – der Zugang zu den Gesetzgebern gelingt.466 2. Unterschiede in den einzelnen Phasen des Mitentscheidungsverfahrens Im Folgenden sollen die verfahrens- und machtpolitischen Unterschiede von Trilogverhandlungen in den einzelnen Phasen des Mitentscheidungsverfahrens genauer beleuchtet werden. Triloge können sinnvollerweise grundsätzlich in vier Phasen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens stattfinden: Vor der ersten Lesung des Parlaments, um eine Einigung in erster Lesung zu erreichen, vor der ersten Lesung des Rates, um eine Einigung in früher zweiter Lesung zu erreichen, vor der zweiten Lesung des Parlaments, um eine Einigung in zweiter Lesung zu erreichen und zuletzt begleitend zum Vermittlungsausschuss, um eventuell diesem noch zum Durchbruch zu verhelfen.467 a) Triloge vor der ersten parlamentarischen Lesung In der heutigen Praxis finden die Triloge am häufigsten im Stadium der ersten parlamentarischen Lesung statt.468 Die Dominanz der frühen Verhandlungsführung mit dem Ziel einer Einigung in erster Lesung mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, da sich sowohl die Leitlinien der Kommission469 als auch der Verhaltenskodex des Parlaments470 zumindest mit Blick auf komplizierte Gesetzgebungsverfahren sehr vorsichtig gegenüber Einigungen in der ersten Lesung äußern. Aus diesem Grund soll es nach dem Verhaltenskodex des Parlaments nur dann zu frühzeitigen informellen Verhandlungen kommen, wenn das Verfahren besonders dringlich,471 die Haltung eines bestimmten Ratsvorsitzes von besonderer Bedeutung ist472 oder schlusspruefungbr-ergebnisse-des-informellen-trilogs/ (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 466  Vgl. dazu bereits oben S. 111 ff. 467  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 23; Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 468  Vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 286. 469  Vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 9. 470  Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 2. 471  Als Beispiel kann hier das Gesetzgebungsverfahren um den Europäischen Fonds für strategische Investitionen angeführt werden, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 20 f. 472  So war es dem Parlament von Nutzen, die Transparenzverordnung VO 1049/2001 unter der Ratspräsidentschaft des als transparenzfreundlich bekannten Kö-

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

die politischen Prioritäten es erfordern.473 Auch der Leitfaden des Rates sieht die erste Lesung eher als Stadium „kontinuierlicher Kontakte“, in dem erst die gegenseitigen Verhandlungspositionen festgelegt werden und nicht zwingend Lösungen gefunden werden müssen.474 Trotz dieser Intention kam es zunächst auf Grund des Zeitdrucks kurz vor den Wahlen zum Europarlament 2004 und in der darauf folgenden Legislaturperiode wegen der guten Erfahrungen mit diesem Verfahren zu einem starken Anstieg der sog. early agreements, der bis heute fortdauert.475 Dabei hat zumindest das Europäische Parlament mit Hilfe seiner Geschäftsordnung versucht, die Triloge vor der ersten Lesung rechtlich einzuhegen, um damit ihre höhere Transparenz zu erreichen.476 Sollen insoweit Verhandlungen auf Grundlage des im Ausschuss angenommenen, legislativen Berichts bereits vor der ersten Lesung aufgenommen werden, ist dies dem Parlament in der auf den Beschluss folgenden Sitzung bekanntzugeben.477 Bis zum Ende des darauffolgenden Tages können Fraktionen oder Mitglieder des Parlamentes, die die mittlere Schwelle478 erreichen, schriftlich beantragen, dass der Beschluss des Ausschusses im Plenum zur Abstimmung gebracht wird.479 Wird ein solcher Antrag gestellt, können sowohl ein Befürworter des Ausschussbeschlusses, als auch ein Gegner eine Erklärung ihrer Position von höchstens zwei Minuten Dauer abgeben, bevor das Parlament

nigreichs Schweden abzuschließen, da man sich sicher war, unter dieser Präsidentschaft am ehesten zu einer Einigung zu kommen, vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 285. 473  Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 2. 474  Vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 475  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 10. 476  Zur Genese der den Trilog betreffenden Geschäftsordnungsvorschriften vgl. oben S.  60 ff. 477  Vgl. Art. 69c GO-EP (2017). 478  Das Schwellensystem wurde ebenfalls in der Geschäftsordnungsnovelle 2016/2017 neu eingeführt und in Art. 168a GO-EP (2017) näher definiert. Bei der „niedrigen Schwelle“ handelt es sich um ein Zwanzigstel der Mitglieder des Parlaments oder eine Fraktion. Bei der „mittleren Schwelle“ handelt es sich um ein Zehntel der Mitglieder des Parlaments, die sich aus einer Fraktion oder mehreren Fraktionen, einzelnen Mitgliedern oder einer Kombination aus beidem Zusammensetzen. Bei der „hohen“ Schwelle handelt es sich um ein Fünftel der Mitglieder des Parlaments, die sich aus einer Fraktion oder mehreren Fraktionen, einzelnen Mitglieder oder einer Kombination aus beidem zusammensetzen. Im vorliegenden Fall kann also ein Zehntel der Parlamentsmitglieder die Abstimmung über die Aufnahme von interinstitutionellen Verhandlungen schriftlich beantragen. 479  Vgl. Art. 69c Abs. 2 GO-EP (2017).



C. Der Ablauf des Verfahrens151

über die Aufnahme von Verhandlungen abstimmt.480 Die interinstitutionellen Verhandlungen können nur dann beginnen, wenn es keinen Antrag auf Abstimmung im Parlament gibt oder der Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen im Parlament gebilligt wurde.481 Das Mandat für die Verhandlungen bildet in diesem Fall der im Ausschuss nach Art. 49 GO-EP (2017) angenommene Legislativbericht.482 Lehnt das Parlament hingegen die Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen ab, werden der Entwurf des Rechtsakts und der dazugehörige legislative Bericht des zuständigen Ausschusses auf die Tagesordnung der nächsten Parlamentssitzung gesetzt.483 Sollen Verhandlungen vor der ersten Lesung durchgeführt werden, wird nun also eine Beteiligung des Plenums und damit die bessere Bindung an dieses sichergestellt.484 Die hier aufgezeigte Mandatierung durch den zuständigen Ausschuss ist statistisch gesehen mit 85 % das am häufigsten angewandte Verfahren innerhalb des Parlaments zur Aufnahme interinstitutioneller Verhandlungen vor der ersten Lesung.485 Als Alternative hierzu kann eine Mandatierung auch durch das Parlament selbst erfolgen, wenn dieses nach Art. 59 Abs. 4 GO-EP (2017) noch vor seiner ersten Lesung beschließt, die Gesetzesvorlage an den Ausschuss zum Zwecke interinstitutioneller Verhandlungen zurückzuverweisen.486 Mit diesem Verhandlungseinstieg durch sog. plenary mandates haben vor allem der Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON), sowie der Ausschuss für internationalen Handel (INTA) fast durchgehend frühzeitige Einigungen erreichen können.487 480  Vgl.

Art. 69c Abs. 2 GO-EP (2017). Art. 69c Abs. 4 GO-EP (2017). 482  Vgl. Art. 69c Abs. 1 GO-EP (2017). 483  Vgl. Art. 69c Abs. 3 GO-EP (2017). 484  Das Europäische Parlament selbst empfindet die Regelung sogar als so weitgehend, dass das Mandat für die informellen Verhandlungen nunmehr durch das Plenum und nicht mehr vom Ausschuss erteilt wird, vgl. die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments zur Geschäftsordnungsnovelle, http://www.europarl.europa.eu/ news/de/press-room/20161208IPR55155/uberarbeitung-der-geschaftsordnung-furmehr-transparenz-im-parlament (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). Diese Auslegung erscheint im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 69c GO-EP (2017) jedoch nicht präzise, da die genaue inhaltliche Mandatierung in der Regel weiterhin direkt im vom Ausschuss angenommenen legislativen Bericht niedergelegt ist. 485  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 21; Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 25. 486  Das Verfahren im Ausschuss richtet sich dann nach Art. 59a GO-EP (2017); im Zeitraum zwischen Dezember 2012 und Juni 2014 wurden auf diese Art ca. 14 % aller informellen Verhandlungen eröffnet, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 25. 487  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 11; zur unterschiedlichen „Verhandlungspolitik“ der einzelnen Ausschüsse vgl. Reh, The informal politics of codecision, 2008, S. 11. 481  Vgl.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Der Rat und die Kommission haben selbst keine unterschiedlichen Vorschriften zu Mandatierung und Verhalten ihrer Verhandlungsteams in den einzelnen Phasen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen. Dennoch variiert die Zusammensetzung und das Verhalten der Verhandelnden je nach Phase des Gesetzgebungsverfahrens. Nach dem Leitfaden des Rates bemüht sich der Ratsvorsitz, als Vertreter des Rates, die Verhandlungen im Rahmen der ersten Lesung so zu gestalten, dass das Ergebnis der ersten Lesung des Parlaments durch den Rat akzeptiert werden kann oder zumindest eine Einigung im weiteren Verfahrensverlauf wahrscheinlicher erscheint.488 Der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens zu Folge hat die Kommission bei Verhandlungen in erster Lesung die Aufgabe die Kontakte zwischen den Co-Gesetzgebern zu unterstützen und „in konstruktiver Weise von ihrem Initiativrecht Gebrauch [zu machen], um eine Annäherung der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates […] zu fördern.“489 In diesem Auftrag steckt gleichzeitig die Krux des Verhandelns vor der ersten parlamentarischen Lesung: Die Kommission kann über ihre in der Erklärung beschriebene Rolle als honest broker hinaus durch das über Art. 293 AEUV abgesicherte Initiativmonopol wesentlich stärker Einfluss auf informelle Verhandlungen in erster Lesung nehmen, als sie dies beispielsweise in einem formellen Vermittlungsverfahren nach Art. 294 Abs. 11 AEUV kann. Im Einzelnen ist es ihr möglich, sowohl nach Art. 293 Abs. 1 AEUV die Mehrheitsverhältnisse im Rat zu beeinflussen,490 als auch nach Art. 17 Abs. 1, 2 EUV, 289, 293 Abs. 1, Abs. 2 AEUV ihren Vorschlag mit einer entsprechenden Begründung vor dem Beschluss des Rates in erster Lesung zurückzuziehen.491 In dem der einschlägigen EuGH-Entscheidung zugrundeliegenden Fall legte die Kommission im Jahr 2011 zunächst einen Rahmenverordnungsvorschlag zur Regelung der Makrofinanzhilfen für Drittländer vor, zog diesen dann aber Mitte 2013 nach zweijährigen interinstitutionellen Verhandlungen in sechs Trilogen genau in dem Moment zurück, als sich Rat und Parlament politisch geeinigt hatten.492 Nach Ansicht der Kommission verfälschte der 488  Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 23. 489  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 13. 490  Vgl. dazu ausführlich oben S. 127 f. 491  Vgl. dazu EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015; Gundel, EWS 2015, S. 100 ff.; Scharf, EuZW 2015, S. 628 ff.; Deutelmoser, NVwZ 2015, S. 1577 ff. Im Gegensatz dazu ist die Rücknahme der Gesetzesinitiative durch die Kommission nach der ersten Lesung nicht mehr möglich, vgl. dazu oben S. 134 f.; krit. zur Rechtsprechung des EuGH vgl. unten S. 268 ff. 492  Vgl. zum geschichtlichen Hintergrund EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 2 ff.



C. Der Ablauf des Verfahrens153

von Rat und Parlament gefundene Kompromiss, die im Kommissionsvorschlag ursprünglich vorgesehene Durchführungsbefugnis der Kommission bei künftigen Beschlüssen über die Gewährung von Finanzhilfen durch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren zu ersetzen, den Gesetzgebungsvorschlag, weswegen eine Rücknahme nach Art. 293 Abs. 2 AEUV geboten gewesen sei.493 Der EuGH hat das grundsätzliche Rücknahmerecht der Kommission mit Einschränkungen bestätigt. Im Gegensatz zu Generalanwalt Jääskinen, der eine materiell rechtliche Prüfung der Rücknahmegründe auf Grund des Gewaltenteilungsgrundsatzes abgelehnt hatte,494 betonte der EuGH in seiner Entscheidung, dass die Rücknahme der Kommission eine Handlung sei, die mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden könne, da sie das Gesetzgebungsverfahren beende und damit das Parlament und den Rat daran hindere ihre Gesetzgebungsfunktion auszuüben.495 Deswegen müsse die Kommission die Rücknahme von Gesetzesvorschlägen stets auch in materieller Hinsicht begründen.496 Die auf den ersten Blick formalistisch wirkende Unterscheidung von Generalanwalt und EuGH hat praktisch gewichtige Konsequenzen. Würde man sich nämlich der Ansicht des Generalanwalts anschließen, dürfte der EuGH die Rücknahmen der Kommission nur formell, das heißt vor allem in zeitlicher Hinsicht, überprüfen. Indem sich der EuGH aber die materielle Überprüfung der Begründung vorbehält, wird er zum Mitspieler in laufenden Gesetzgebungsverfahren. Die Begründung der Rücknahme muss nämlich nicht nur die beiden Gesetzgeber, sondern auch den EuGH überzeugen, so dass aus der Rücknahmeentscheidung nicht bloß ein begründungs-, sondern auch ein rechtfertigungsbedürftiger Akt wird.497 Gerechtfertigt ist die Rücknahme der Kommission in materieller Hinsicht nur dann, „wenn eine von Parlament und Rat beabsichtigte Änderung den Vorschlag in einer Weise verfälscht, die der Verwirklichung der mit ihm verfolgten Ziele entgegensteht und ihm deshalb die Daseinsberechtigung nimmt.“498 Indem der EuGH konkrete, materiell-rechtliche Anforderungen für die Rücknahme des Kommissionsvorschlags aufstellt, möchte er verhindern, dass der Kommission eine Art politisches Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren zukommt.499 Denn die Rücknahmegründe müssen sich konkret auf 493  EuGH,

Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 24 ff. Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/ Kommission), Rn.  72 ff. 495  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 77. 496  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 78. 497  Vgl. Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 499 f. 498  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 83. 499  Vgl. Scharf, EuZW 2015, S. 628, 633. 494  Schlussanträge

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

den Vorschlag, seine Verfälschung und die dem Vorschlag zu Grunde liegenden Ziele erstrecken. Allgemeine Opportunitätserwägungen oder politische Schwankungen fallen dagegen als Grund weg.500 Obwohl der EuGH in der Rechtssache am Ende der Begründung der Kommission gefolgt ist, hat er deren Rücknahmeermessen stark begrenzt. Denn selbst wenn die Voraussetzungen der qualifizierten Verfälschung vorliegen, dürfe sie die Rücknahme nur im Geist der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Organen vornehmen.501 In der Sache hat sich der EuGH an dieser Stelle mit den Inhalten der einzelnen Trilogsitzungen auseinandergesetzt und festgestellt, dass die Kommission bereits in den Verhandlungen vor der Kompromisserzielung zwischen Rat und Parlament den Gesetzgebern mitgeteilt habe, dass deren Änderung ihre Initiative verfälsche und sie deswegen den Rahmenverordnungsvorschlag zurücknehmen werde.502 Da die Gesetzgeber „diese Warnungen der Kommission deutlich wahrgenommen haben“, verstoße die Kommission auch nicht gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, wenn sie ihren Vorschlag trotz einer Einigung im Trilog zurücknehme.503 Obwohl der EuGH in dieser Entscheidung die Rücknahmemöglichkeiten der Kommission eingegrenzt hat, ist die Kommission in dieser frühen Verhandlungsphase strukturell immer noch bessergestellt als in den späteren Verhandlungsphasen, da in diesen überhaupt kein Rücknahmerecht mehr besteht.504 Für die Trilogpraxis bedeutet dies, dass die Kommission in den Verhandlungen vor der ersten Lesung zwar kein politisches Vetorecht hat, in der Praxis aber doch mit einer Rücknahme ihres Vorschlags auf Grund einer wie auch immer gearteten Degenerierung drohen kann. Zwar würde der EuGH bei einer tatsächlichen Rücknahme deren materielle Rechtfertigung überprüfen, fraglich ist jedoch ob es Parlament und Rat darauf ankommen lassen wollen. Viel wahrscheinlicher ist doch, dass sie aus Effizienzgründen eher nachgeben werden, zumal eine qualifizierte Verfälschung des Kommissionsvorschlags nicht rechtssicher von den Organen bestimmt werden kann. Besonders in für den Rat oder das Parlament dringlichen Gesetzgebungsverfahren kann eine bloße Rücknahmedrohung der Kommission die Kompromissfindung beeinflussen. Durch das Verhandeln in der frühen Phase des Mitentscheidungsverfahrens wird die Verhandlungsposition der Kommission folglich aufgewertet, wenngleich in der Praxis damit gerechnet wird, dass die Kommission nur in absoHaltern, Europarecht Band I, 2017, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), 502  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), 503  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), 504  Vgl. dazu oben S. 134 ff. 500  Vgl.

501  EuGH,

S. 500. Urt. v. 14.04.2015, Rn. 83. Urt. v. 14.04.2015, Rn. 97 ff. Urt. v. 14.04.2015, Rn. 104 ff.



C. Der Ablauf des Verfahrens155

luten Ausnahmefällen die „Notbremse“ der Rücknahme ziehen wird.505 Doch auch mit der über Art. 293 Abs. 1 AEUV möglichen Beeinflussung der Mehrheitsverhältnisse im Rat, hat die Kommission in der ersten Lesung erheblichen Einfluss auf die Verhandlung zwischen Parlament und Rat, da die Weigerung der Kommission ihren Vorschlag abzuändern das Einstimmigkeitserfordernis im Ministerrat auslöst.506 Um diese Effekte des frühzeitigen Verhandelns abzufedern, haben die Organe versucht, zunächst das Rücknahmerecht der Kommission auf der Ebene des Interorganrechts näher auszugestalten. So wurde in der interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ niedergelegt, dass die Kommission „im Einklang mit den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit und des institutionellen Gleichgewichts die Gründe für diese Rücknahme darlegen, gegebenenfalls die geplanten nachfolgenden Schritte zusammen mit einem genauen Zeitplan angeben und auf dieser Grundlage ordnungsgemäße interinstitutionelle Konsultationen durchführen“ muss.507 Auch die Geschäftsordnung des Parlaments sieht vor, dass die Kommission die Rücknahme eines Initiativvorschlags im zuständigen Parlamentsausschuss und gegebenenfalls vor dem Parlament erläutern muss.508 Daneben hat sich die Kommission gegenüber dem Parlament verpflichtet, dessen Abänderungen in erster Lesung großzügig zu berücksichtigen, um insoweit das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 293 Abs. 1 AEUV zu umgehen.509 Kommt es schließlich bei den Trilogen der ersten parlamentarischen Lesung zu einer politischen Einigung zwischen Rat und Parlament, wird der Inhalt der Einigung in Form der Abänderungen am Vorschlag der Kommission vom Vorsitzenden des AStV in einem Schreiben an den Vorsitzenden des zuständigen Parlamentsausschusses übermittelt und gleichzeitig die Bereitschaft des Rates erklärt, das im Trilog gefundene Ergebnis zu akzeptieren, falls es durch die Abstimmung im Plenum bestätigt wird.510

Gundel, EWS 2015, S. 100, 101. dazu oben S. 127 f. 507  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 9; vgl. bereits Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission, Abl. L 304, 28.10.2010, S. 47 ff., Ziff. 39. 508  Art. 37 Abs. 4 GO-EP (2017). 509  Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission, ABl. L  304, 28.10.2010, S. 47 ff., Ziff. 37; zum internen Verfahren der Kommission bei der Anpassung des Vorschlags vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 13 f. 510  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 14. 505  Vgl. 506  Vgl.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

b) Triloge vor der ersten Lesung des Rates Konnten sich die Co-Gesetzgeber im Stadium der ersten parlamentarischen Lesung noch nicht einigen oder wurde beabsichtigt, die interinstitutionellen Verhandlungen erst nach der ersten Lesung des Parlaments zu beginnen, können Triloge mit Blick auf eine Einigung in früher zweiter Lesung im Stadium der ersten Lesung des Rates abgehalten werden. So gefundene Einigungen werden auch als negotiated common position bezeichnet.511 Statistisch gesehen wurden in der Legislaturperiode zwischen 2009 und 2014 8 % und zwischen 2014 und 2016 22 % der Gesetzgebungsverfahren in früher zweiter Lesung abgeschlossen.512 Die Verhandlungen in der Phase der ersten Lesung des Rates unterscheiden sich nur marginal von den Verhandlungen vor der ersten parlamentarischen Lesung. Der wesentliche Unterschied kann im modifizierten Verhandlungsmandat des Parlaments gesehen werden. Während im Rahmen der ersten parlamentarischen Lesung die Triloge hauptsächlich auf Grundlage des Ausschussberichts abgehalten werden, stellt bei Verhandlungen vor der ersten Lesung des Rates der Standpunkt des Parlaments das parlamentarische Verhandlungsmandat dar.513 Dieses Mandat wirkt deutlich legitimierender als der bloße Ausschussbericht.514 Die bereits skizzierte starke Rolle der Kommission bleibt in dieser Phase formal bestehen, da auch nach der ersten parlamentarischen Lesung kein maßgeblicher Beschluss des Rates nach Art. 293 Abs. 2 AEUV vorliegt.515 Trotzdem wird auch bei Verhandlungen in dieser Phase in der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens vor allem die Vermittlerposition der Kommission betont, die in konstruktiver und gerade nicht in destruktiver Weise von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen soll.516 Deswegen versucht 511  Kommission

(Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 17. dazu unten S. 163 ff.; die prozentuale Verschiebung hin zu 22 % für den Zeitraum zwischen 2014 und 2016, hat statistisch mit der hohen Anzahl der aus der vorherigen Legislaturperiode übernommenen Positionen in erster Lesung zu tun, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 9. 513  Vgl. Art. 69d GO-EP (2017). 514  Man merkt dies auch daran, dass der Ausschuss nun alleine und ohne Hinzuziehung des Plenums über die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden kann. Die Beschlüsse sind dann nur in der folgenden Plenartagung bekannt zu geben, vgl. Art. 69d GO-EP (2017). 515  A. A. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 6 ff., der den Einfluss der Kommission nach der ersten Lesung des Parlaments ablehnt, da die erste Lesung des Rates auf der Grundlage des parlamentarischen Standpunktes und nicht des Kommissionsvorschlags erfolge. 516  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 17. 512  Vgl.



C. Der Ablauf des Verfahrens157

die Kommission nach ihren internen Leitlinien eine Einigung der Co-Gesetzgeber durch die Anpassung ihres Initiativvorschlags vor der ersten Lesung des Rates zu unterstützen, um im Rat eine Einigung der Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zu ermöglichen.517 Kommt es in den Trilogen vor der ersten Lesung des Rates zu einer Einigung, verfasst der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments ein Schreiben an den Vorsitzenden des AStV, in welchem er seine Empfehlung an das Parlamentsplenum zur Kenntnis bringt, den Text des Standpunktes des Rates in erster Lesung unverändert zu akzeptieren, sofern dieser dem Trilogergebnis entspricht.518 Damit wird deutlich, dass der Ausschussvorsitzende die Abstimmung im Plenum nicht antizipieren kann und er zur Verwirklichung des Kompromisses auf eine formelle Bestätigung desselben angewiesen ist. c) Triloge vor der zweiten parlamentarischen Lesung Werden die Trilogverhandlungen nach Erlass des Standpunktes des Rates in erster Lesung erst aufgenommen oder fortgesetzt,519 stellen diese die letzte Möglichkeit dar, sich informell vor der Einberufung des Vermittlungsausschusses politisch zu einigen. Oberstes Ziel der informellen Verhandlungen in dieser Phase ist deswegen die Vermeidung der Vermittlung.520 Erfolgt die Kompromissfindung noch vor der zweiten Lesung des Parlaments, kann der Konsens in Form des parlamentarischen Standpunktes durch den Rat in zweiter Lesung akzeptiert werden. Praktisch sind Einigungen in dieser „späten“ Verfahrensphase jedoch selten, da Kompromisse größtenteils schon vorzeitig und ohne den zeitlichen Druck der zweiten Lesung erreicht werden können.521 Denn der Rat ist zwar bemüht, den fristauslösenden Termin der Übermittlung seines Standpunktes nach Möglichkeit mit dem Parlament und der Kommission abzustimmen, um so beispielsweise zu verhindern, dass die 517  Kommission

(Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 17. Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 18. 519  Wobei die gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 21, davon ausgeht, dass Verhandlungen regelmäßig bereits in der Phase vor der zweiten Lesung abgehalten werden, indem sie normiert, dass die geeigneten Kontakte in der zweiten Lesung „fortgesetzt“ werden sollen. 520  Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 20. 521  In der ersten Hälfte der Legislaturperiode von 2014 – 2019 wurden lediglich vier Mitentscheidungsdossiers, allesamt nach informellen Trilogen, in dieser Verfahrensphase abgeschlossen, was einem prozentualen Anteil von 3 % entspricht, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 10 f. 518  Gemeinsame

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

Übermittlung vor die parlamentarische Sommerpause fällt,522 allerdings stehen die Verhandlungen danach trotzdem unter dem Damoklesschwert der dreimonatigen Frist nach Art. 294 Abs. 7 AEUV. Um innerhalb der Frist überhaupt zielführend verhandeln zu können, müssen deshalb die Verhandlungen bereits kurz nach Übermittlung des Ratsstandpunktes und noch vor der Abstimmung im zuständigen Ausschuss beginnen.523 Das Mandat des parlamentarischen Verhandlungsteams bildet grundsätzlich der Standpunkt des Parlaments in erster Lesung, wobei dieses vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 69 GO-EP (2017) durch den Ausschuss abgeändert werden kann.524 Dieser normiert unter anderem, dass Änderungsanträge zum Standpunkt des Rates dann zulässig sind, wenn sie darauf abzielen, einen Kompromiss zwischen Rat und Parlament zu erreichen.525 Zusätzlich kann der zuständige Parlamentsausschuss nach Art. 69e GO-EP (2017) auch dann eigene Leitlinien für das Verhandlungsteam annehmen, wenn der Standpunkt des Rates in erster Lesung Elemente enthält, die im Entwurf des Rechtsakts oder im Standpunkt des Parlaments in erster Lesung nicht enthalten waren. Die besondere Bedeutung informeller Triloge in der zweiten Lesung zeigt sich auch daran, dass in dieser späten Verhandlungsphase der Rat für gewöhnlich durch höhere Repräsentanten als in Trilogen der ersten Lesung vertreten wird.526 Daneben ist die Kommission dazu aufgerufen, die Kontakte zwischen den beiden Gesetzgebern zu unterstützen und durch ihre Stellungnahmen eine Annäherung der Standpunkte zu erreichen.527 Nach dem Selbstverständnis der Kommission soll dies insbesondere durch eine aktive Rolle in den Trilogen und durch die Ausarbeitung von Kompromissvorschlägen geschehen.528 Zu beachten ist allerdings, dass die Kommission in dieser Verhandlungsphase nicht mehr über ihr in Art. 293 AEUV abgeschirmtes Initiativrecht gesichert und ihre Verhandlungsposition deswegen im Vergleich zu Verhandlungen in erster Lesung geschwächt ist. Ihr ist es lediglich möglich, durch eine ablehnende Stellungnahme zum Einigungsvor522  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 20; zur praktischen Anwendung ausführlich Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 18. 523  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 23. 524  Vgl. Art. 69e GO-EP (2017). 525  Vgl. Art. 69 Abs. 2b) GO-EP (2017). 526  Kommission (Hrsg.) Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 21. 527  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 22. 528  Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 20 f.



C. Der Ablauf des Verfahrens159

schlag in Gestalt des Standpunktes der zweiten Lesung des Parlaments nach Art. 294 Abs. 9 AEUV das Einstimmigkeitserfordernis im Rat auszulösen.529 In der Praxis wird es jedoch kaum zu einer Ablehnung kommen, da durch eine Ablehnung die Position der Kommission im weiteren Gesetzgebungsprozess nicht verbessert wird530 und sich darüber hinaus das Europäische Parlament dazu verpflichtet hat, die Stellungnahme der Kommission zum Standpunkt des Rates in seiner zweiten Lesung weitestgehend zu berücksichtigen.531 Kommt es in den Trilogen vor der zweiten parlamentarischen Lesung zu einer politischen Einigung zwischen Rat und Parlament, wird der Inhalt der Einigung in Form der Abänderungen am Vorschlag des Standpunktes des Rates vom Vorsitzenden des AStV in einem Schreiben an den Vorsitzenden des zuständigen Parlamentsausschusses übermittelt und gleichzeitig die Bereitschaft des Rates erklärt, das im Trilog gefundene Ergebnis zu akzeptieren, falls es durch die Abstimmung im Plenum bestätigt wird.532 d) Triloge zur Unterstützung des Vermittlungsausschusses Hatten die Co-Gesetzgeber in keiner der beiden Lesungen eine Einigung erreicht, kam es unausweichlich zum Vermittlungsverfahren. Dieses gilt, wie bereits dargestellt, als die Wiege der informellen Verhandlungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.533 Doch den Trilogen im Vermittlungsverfahren kann heute kaum noch eine Bedeutung zugemessen werden, da die Anzahl der Vermittlungen in den vergangenen Legislaturperioden auf Grund der 529  Zum kommissionsinternen Verfahren vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 22 f. 530  Die Ablehnung der Kommission würde bei grundsätzlicher Einigkeit zwischen Rat und Parlament das Gesetzgebungsverfahren nur unnötig in die Länge ziehen, da es bei einer fehlende Einstimmigkeit im Rat zum Vermittlungsverfahren kommen würde und auch in diesem die Kommission nach Art. 294 Abs. 11 AEUV auf die Vermittlerrolle beschränkt wäre. Deswegen wird die Regelung des Art. 294 Abs. 9 AEUV teilweise als in „doppelter Hinsicht fragwürdig“ angesehen, vgl. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 14. 531  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 19, vgl. auch Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 2. 532  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 23. 533  Vgl. hierzu bereits oben S. 30 und die interinstitutionelle Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 133 ff., sowie die gemeinsame Erklärung zu den Modalitäten für die Abwicklung der Arbeiten des Vermittlungsausschusses, ABl. C 329 v. 06.12.1993, S. 141.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

informellen Verhandlungen in den früheren Stadien des Mitentscheidungsverfahrens stark rückläufig war.534 Wurde dann „in sehr schwierigen Dos­ siers“535 doch noch der Vermittlungsausschuss bemüht, begleiteten die informellen Triloge sowohl die Vorphase des Vermittlungsverfahrens, als auch das Vermittlungsverfahren selbst.536 Die Triloge im Rahmen des Vermittlungsausschusses differenzierten sich dann zwar inhaltlich nicht stark von den Trilogen in den frühen Phasen des Mitentscheidungsverfahrens, Unterschiede ergaben sich jedoch im Hinblick auf die Mandatierung und Zusammensetzung der einzelnen Verhandlungsteams. Während auf der Seite des Parlaments in den frühen Verhandlungen die Mandatierung im Wesentlichen in den Händen des zuständigen Ausschusses liegt, erfolgte sie in den Trilogen der Vermittlungsphase durch die Parlamentsdelegation537 für das Vermittlungsverfahren.538 Die Leitlinien des gewöhnlich aus dem Vizepräsidenten, der den Vorsitz der Delegation führt, dem Vorsitzenden des federführenden Ausschusses und den Berichterstattern bestehenden Verhandlungsteams wurden dabei in der konstituierenden Sitzung der Parlamentsdelegation festgelegt.539 Für den Rat verhandelte dagegen weiterhin der Ratsvorsitz unter Leitung des Präsidenten des AStV I oder II auf Grundlage des vom AStV erteilten Mandats, da sich die Vermittlungsdelegation des Rates personell nicht vom Rat unterschied.540 In besonderes wichtigen und in unmittelbaren Zusammenhang mit der folgenden Vermittlungsausschusssitzung stehenden Trilogen wurde der Rat sogar vom zuständigen Minister des Ratsvorsitzes vertreten.541 Die Anpassung der Verhandlungsmandate und die interne Diskussion über etwaige Kompromissvorschläge erfolgten je nach Fortschritt der informellen Verhandlungen in den 534  So fanden in der Legislaturperiode von 2009–2014 lediglich 9 Vermittlungsverfahren (1999–2004 immerhin noch 88) statt, während es in der ersten Hälfte der Legislaturperiode von 2014–2019 zu gar zu keinem einzigen Vermittlungsverfahren kam, vgl. dazu sogleich unten S. 163 ff. 535  Im Allgemeinen soll es nur noch in diesen Fällen zu Vermittlungsverfahren kommen, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 10. 536  Zur Aufgliederung des Vermittlungsverfahrens in zwei Phasen vgl. oben S.  136 ff. 537  Zur Zusammensetzung der Parlamentsdelegation vgl. Art. 71 GO-EP (2017). 538  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 17. 539  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 17. 540  Vgl. Art. 294 Abs. 10 AEUV, Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25 f. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Vermittlungsdelegation des Rates und der Rat formal identisch sind, vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn. 61. 541  Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 26.



C. Der Ablauf des Verfahrens161

einzelnen Delegationen.542 Die Kommission begleitete dabei die einzelnen Delegationssitzungen, sowie die Triloge vor und während der Sitzungen des Vermittlungsausschusses, um so ihrer selbstbezeichneten Rolle als Mediator gerecht zu werden.543 In diesem Rahmen sollte sie alle notwendigen Initiativen ergreifen und insbesondere durch Kompromissvorschläge eine Einigung von Parlament und Rat herbeiführen.544 Dabei achtete die Kommission darauf, in den Trilogen durch möglichst hohe Repräsentanten vertreten zu sein.545 Die Bedeutung der Triloge im Vermittlungsverfahren darf jedoch keinesfalls unterschätzt werden: Sie waren das wesentliche Verhandlungselement des Vermittlungsausschusses und bestimmten maßgeblich die Einigungen im gesamten Verfahren.546 Der Vermittlungsausschuss selbst trat deswegen oftmals nur zu Sitzungen zusammen, um die in den Trilogen ausgehandelten Kompromisse abzusegnen.547 Kam es in den Trilogen während des Vermittlungsverfahrens zu Einigungen, wurden diese direkt in den einzelnen Delegationen und anschließend im Vermittlungsausschuss formal als gemeinsamer Entwurf des Vermittlungsausschusses abgestimmt, bevor der Entwurf Rat und Parlament zur dritten Lesung übersandt wurden.

542  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 18, Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25 f., Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 24 f. 543  Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 25. 544  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 27. 545  So wird die Kommission in den Trilogen auf jeden Fall durch einen General­ direktor oder einen Direktor für Triloge und in den Fällen, in denen ein Minister auf Seiten des Rates teilnimmt, durch ein Kommissionsmitglied vertreten, vgl. Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 26. 546  Eine anschauliche Darstellung eines Verhandlungstages des Vermittlungsausschusses mit separater Sitzung der einzelnen Delegationen, dazwischen stattfindenden Trilogsitzungen und einer am Abschluss des Verhandlungstages stattfindenden Sitzung des Vermittlungsausschusses findet sich bei Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 284. 547  Dies geschieht dann oftmals in sog. A-Punkt Verfahren ohne weitere inhaltliche Aussprache zum vormals strittigen Punkt, vgl. die gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 30, Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Leitfaden für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren 03/2016, S. 25.

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Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

3. Zwischenfazit: Die Verwandlung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Der Blick auf die einzelnen Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und die daran anschließende Gegenüberstellung der informellen Trilogverhandlungen in den einzelnen Verfahrensstufen hat gezeigt, dass die Arbeitsweise in Trilogen nicht nur Auswirkungen auf die faktische Beteiligungsstruktur am Kompromissfindungsprozess des Mitentscheidungsverfahrens hat, sondern dass auch der gesamte Verfahrensablauf als solcher wesentlich beeinflusst wird. Dort wo das Mitentscheidungsverfahren aus einem ausgeklügelten System aus steigender Dramatik, zu- und abnehmenden Verantwortlichkeiten, sowie Aktion und Reaktion der Co-Gesetzgeber besteht, nimmt der informelle Trilog nüchtern die möglichst frühzeitige und konfliktarme Einigung in den Fokus. Die durch die standardisierte Anwendung der Triloge entstanden statistischen Verschiebungen sind dabei eindeutig: In den vergangenen zehn Jahren konnten über 90 % der Gesetzgebungsvorschläge in der ersten Lesung oder dem frühen Stadium der zweiten Lesung abgeschlossen werden – Tendenz weiterhin steigend.548 Nicht verwunderlich erscheint es deswegen, wenn in Teilen der Sozialwissenschaften das ordentliche Gesetzgebungsverfahren mittlerweile als „de facto […] single-reading legislative procedure“ beschrieben wird.549 Neben der Tatsache, dass es kaum noch zu einer Anwendung des Gesetzgebungsverfahrens in seiner vollen Länge kommt, wird auch die Konzeption des Verfahrens in weiten Teilen ausgehöhlt. So hat insbesondere die Kommission in den frühen informellen Verhandlungen durch ihr über Art. 293 AEUV geschütztes Initiativrecht eine Machtposition, die ihr bei Verhandlungen im Vermittlungsausschuss durch Art. 294 Abs. 10 AEUV rein formal gerade nicht mehr eingeräumt wird. Die durch Triloge möglicherweise entstandenen Verschiebungen im interinstitutionellen Dreieck sind deswegen noch einer genaueren Untersuchung zuzuführen.550 Der legislative Spielball wird nach der Initiativsetzung durch die Kommission nicht mehr vom Parlament an den Rat, vom Rat zurück an das Parlament, vom Parlament nochmals an den Rat und vom Rat in den Vermittlungsausschuss gespielt, sondern von vornerein auf einen gemeinsamen, kleinen Verhandlungsplatz getragen, bevor er dann am besten mit einem Ass möglichst schnörkellos aus dem Spiel genommen werden kann. Durch das zeitlich unbegrenzte Verhandeln oder Verharren im Stadium der ersten Lesung können auch die eigentlich als Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 10. Roederer-Rynning/Greenwood, Journal of European Public Policy 2015, S. 1148, 1148. 550  Dazu näher unten S. 268 ff. 548  Vgl. 549  Vgl.



D. Statistische Angaben163

Beschleunigung gedachten Fristenregelungen der zweiten Lesung, des Vermittlungsausschusses und der dritten Lesung „umgangen“ werden. Trotz dieser wesentlichen tatsächlichen Veränderungen wird die Trilogpraxis in der juristischen Kommentarliteratur nur mit leiser Kritik,551 gar wohlwollend552 oder überhaupt nicht553 betrachtet. Dennoch muss auch klargestellt werden, dass sich ein Gesetzgebungsverfahren nicht alleine in seinem verfassungs- oder vertragsrechtlichen Biotop erschöpfen kann. Gewisse informelle Absprachen und Anpassungen sind schon aus organisatorischen Gründen nötig und nicht zuletzt durch Art. 295 AEUV primärrechtlich legitimiert.554 Die Praxis des informellen Trilogs führt diese Funktion allerdings dann ad absurdum, wenn sie ein faktisches Parallelverfahren anstelle des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens setzt. Deswegen entpuppt sich auch die Tatsache, dass die im Trilog erzielten Einigungen noch im formellen Verfahren durch das Parlament und den Rat erlassen werden müssen bei näherer Betrachtung als formalistische Nebelkerze. In juristischer Sicht mag es hierbei vielleicht zu einer legitimierenden Rückbindung des Ergebnisses an die Organe kommen, praktisch wird allerdings durch politische Mechanismen nahezu ganz verhindert, dass die Einigung innerhalb der Organe tatsächlich in Frage gestellt wird.555

D. Statistische Angabenzum Wandel des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Der gerade beschriebene Wandel des Mitentscheidungsverfahrens lässt sich empirisch verifizieren. In der Europäischen Union fallen seit dem Vertrag von Lissabon gut 90 % der von der Kommission angenommenen Gesetzgebungsvorschläge unter das ordentliche Gesetzgebungsverfahren.556 Wäh551  Vgl. Schoo, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 294 AEUV, Rn. 27, Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 294 AEUV Rn.  39 ff. 552  In der Hoffnung einer Verfahrensbeschleunigung sei die Fortsetzung der Trilogpraxis „wünschenswert“, vgl. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 294 AEUV, Rn. 7. 553  Vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 AEUV, Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 294 AEUV. 554  Vgl. dazu auch oben S. 38  ff.; die Darstellung der einzelnen Verfahrensschritte des Mitentscheidungsverfahrens auf S. 121 ff. stellt die Zusammenarbeit der Organe unter Ausblendung der Trilogpraxis ausführlich dar. 555  Vgl. dazu ausführlich Reh, The informal politics of codecision, 2008, S. 25 f. 556  Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 60.

164

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

rend in der Legislaturperiode zwischen 1999 und 2004 nur knapp 54 % der im Mitentscheidungsverfahren zu behandelnden Legislativvorschläge in einem frühen Stadium verabschiedet werden konnten, waren es zwischen 2014 und 2016 schon 97 %.557 Das folgende Schaubild558 stellt die prozentuale Verteilung der Annahmezeitpunkte der Mitentscheidungsdossiers seit 1999 dar. Prozentuale Verteilung des Annahmezeitpunkts der Mitentscheidungsdossiers Erste Lesung

Frühe zweite Lesung 5%

22%

13%

Zweite Lesung 2% 5% 8%

Dritte Lesung 3% 22%

10% 24%

25%

72%

85%

75%

29%

1999–2004 (insg. 403)

2004–2009 (insg. 454)

2009–2014 (insg. 488)

2014–2016 (insg. 152)

Mit dem Anstieg der frühzeitigen Verfahrensabschlüsse geht der Rückgang des eigentlich bei Unstimmigkeiten der Gesetzgeber stattfindenden Vermittlungsverfahrens nach Art. 294 Abs. 10 AEUV einher. Kam es zwischen 1999 und 2004 noch zu 88 erfolgreich angewandten Vermittlungsverfahren, waren dies zwischen 2009 und 2014 nur noch acht.559 In der ersten Hälfte der Legislaturperiode von 2014 bis 2019 fand zwischen 2014 und 2016 sogar überhaupt kein Vermittlungsverfahren mehr statt.560 Anstelle des Vermittlungsverfahrens werden in den frühen Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Triloge zur frühzeitigen Konfliktbeseiti557  Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 60 f. 558  Hierbei handelt es sich um eine selbst erstellte graphische Darstellung, die auf die Daten aus der graphischen Darstellung des Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 61 zurückgreift. 559  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 06/2014, S. 10. 560  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 9 f.



D. Statistische Angaben165

gung eingesetzt. Zwischen 2014 und 2016 wurden nahezu 300 Triloge zu 86 erfolgreich angenommenen Mitentscheidungsdossiers abgehalten.561 Im Schnitt ergibt dies vier Triloge pro Dossier, wobei deren Anzahl je nach Themenfeld stark variiert.562 49 Gesetze konnten ohne vorhergehende Triloge verabschiedet werden, allerdings handelte es sich bei 22 von diesen um Kodifikationen und bei dreien um wiederaufgegriffene Kommissionsvorschläge.563 Das folgende Schaubild564 stellt den prozentualen Anteil der mit und ohne vorhergehenden Triloge angenommenen Legislativakte zwischen 2014 und 2016 dar. Aktuell geht das Europäische Parlament davon aus, dass gar 70–80 % der Gesetzesvorschläge nach informellen Trilogen verabschiedet werden.565 Verteilung trilogisierter Gesetzgebung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zwischen 2014 und 2016

Verabschiedete Legislativakte mit vorhergehenden Trilogen

36% 64%

Verabschiedete Legislativakte ohne vorhergehende Triloge

Obwohl nunmehr 97 % der Gesetzgebungsverfahren bereits in der ersten Lesung oder der frühen zweiten Lesung abgeschlossen werden können, hatte sich die durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer zunächst nur leicht verbessert. Dies kann damit begründet werden, dass sich die durchschnittliche Verweildauer der Dossiers in der ersten Lesung durch die Nutzung der TriEuropäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 19. wurden beispielsweise im Gesetzgebungsverfahren um die Datschenschutz Grund-VO 14 Triloge abgehalten, vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 19 f. 563  Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 20. 564  Hierbei handelt es sich um eine selbst erstellte graphische Darstellung, die auf den Daten des Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 19 f. basiert. 565  Vgl. dazu die Aussage des Parlaments in der EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 70. 561  Vgl. 562  So

166

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

loge in dieser Phase merklich verlängert hat.566 Die folgende Tabelle567 zeigt die durchschnittliche Dauer des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens für Gesetzgebungsakte, die in erster, zweiter und dritter Lesung angenommen wurden und die durchschnittliche Gesamtdauer aller erfolgreich abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren. 1999–2004

2004–2009

2009–2014

2014–2016

1. Lesung

11 Monate

16 Monate

17 Monate

16 Monate

2. Lesung

24 Monate

29 Monate

32 Monate

37 Monate

3. Lesung

31 Monate

43 Monate

29 Monate



Durchschnittliche Gesamtdauer

22 Monate

21 Monate

19 Monate

22 Monate

E. Zwischenergebnis: Der informelle Trilog als „neues Vermittlungsverfahren“ Wenn nun, wie gerade statistisch verifiziert, die informellen Triloge den Vermittlungsausschuss als faktisches Vermittlungsverfahren abgelöst haben, scheint es zielführend, die beiden Verfahren einander gegenüberzustellen und dabei auch die für die weiteren Bearbeitungsschritte maßgeblichen Unterschiede herauszuarbeiten und zu bewerten. Sowohl dem formellen Vermittlungsverfahren, als auch dem informellen Trilog wohnt dabei zunächst das gemeinsame Ziel inne, die Ergebniseffizienz in Form der Effektivität zu steigern.568 Ihre Hauptfunktion liegt darin, einen Kompromiss zwischen den Co-Gesetzgebern mit Hilfe der initiativsetzenden Kommission auszuarbeiten. Während der Vermittlungsausschuss als formelles Vermittlungsverfahren in Art. 294 Abs. 10 AEUV primärrechtlich installiert wurde, sind die informellen Triloge lediglich auf der sekundärrechtlichen Ebene des Interorganrechts teilgeregelt.569 Gleichwohl lässt sich aus diesen Bestimmungen eine Art verfestigtes Standardverfahren entnehmen. Dieses geht trotz völlig unterschiedlicher geschichtlicher Entwicklung auf die Erfahrungen der Organe im 566  Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 62 f. 567  Die Tabelle wurde selbst erstellt, ist inhaltlich allerdings dem Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 63 entnommen. 568  Zum Begriff der Effizienz vgl. oben S. 80 ff. 569  Zu den Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs vgl. oben S. 35 ff.



E. Zwischenergebnis167

Haushaltsverfahren zurück.570 Im Gegensatz zum informellen Trilog wurde der Haushaltstrilog jedoch bei der Vertragsreform von Lissabon ausdrücklich in Art. 324 AEUV aufgenommen, um die Kultur dieser Zusammenarbeit zu erhalten.571 Dadurch wird den Organen nicht nur die Möglichkeit sondern unter Umständen sogar eine Rechtspflicht zu Trilogverhandlungen im Haushaltsverfahren auferlegt.572 Auch wenn das Haushalts- und das Gesetzgebungsverfahren sowohl funktional als auch ablauftechnisch573 nicht hundertprozentig miteinander vergleichbar sind, ist es doch verwunderlich, dass der Haushaltstrilog explizit Eingang in das Primärrecht gefunden hat, während dem Trilog im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren eine ausdrückliche primärrechtliche Regelung verwehrt blieb. Daraus soll freilich nicht geschlossen werden, dass dem informellen Trilog explizit die Billigung verweigert wurde.574 Kritisch hinterfragt werden muss unter diesem Aspekt jedoch seine Ausformung zum Standardverfahren. Denn es ist bedenklich, wenn ein durch Sekundärrecht und Absprachen geschaffenes Verfahren das primärrechtlich proklamierte Verfahren in seiner Funktion faktisch ersetzt. Dieses Verfahren kann noch dazu flexibel während aller Phasen des Mitentscheidungsverfahrens eingesetzt werden, während das formelle Vermittlungsverfahren erst nach der zweiten Lesung in Parlament und Rat bemüht wurde. In der Praxis wird mit den informellen Trilogen meistens bereits in der Phase vor der ersten parlamentarischen Lesung begonnen. Da beide Verfahren zur vermeintlichen Effizienzsteigerung575 unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, ergeben sich aus deren Verhandlungszeitpunkt gewisse Informationsunterschiede. So wurde nämlich vor dem formellen Vermittlungsverfahren bereits in jeweils zwei aufeinander Bezug nehmenden Parlaments- und Ratslesungen ausführlich öffentlich über das Gesetzgebungsvorhaben gesprochen.576 Dabei konnten insbesondere die unterschied­ lichen Standpunkte der Gesetzgeber sichtbar gemacht werden. Die beiden Standpunkte in zweiter Lesung bildeten dann auch gemäß Art. 294 Abs. 10 570  Zur geschichtlichen Entwicklung des informellen Trilogs vgl. insbesondere S.  26 ff. 571  Zum Entstehungshintergrund des Art. 324 AEUV vgl. Magiera, in: GHN EUV/ AEUV, 2017, Art. 324 AEUV, Rn. 1. 572  Dazu näher Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7.  Aufl. 2015, Art. 324 AEUV, Rn. 8. Die genauen Modalitäten, wann Triloge im Rahmen des Haushaltsverfahrens stattfinden, lassen sich der interinstitutionellen Vereinbarung v. 02.12.2013, ABl. C 373 v. 20.12.2013, S. 1 ff. entnehmen. 573  Zum Ablauf des Haushaltsverfahrens vgl. Art 314 AEUV; dazu näher Bux, EuR 2010, S. 711, 714 ff. 574  Dass die Zusammenarbeit der Organe im Gesetzgebungsverfahren erwünscht ist, lässt sich schließlich auch Art. 295 S. 2 AEUV entnehmen. 575  Vgl. dazu bereits oben S. 86 ff. 576  Vgl. Art. 15 Abs. 2 AEUV.

168

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

AEUV das Verhandlungsmandat des Vermittlungsausschusses. Wenn nun die informellen Triloge vor der ersten parlamentarischen Lesung stattfinden, ist nur der Standpunkt der Kommission in Form des Initiativvorschlags und des parlamentarischen Ausschusses in Form des im Ausschuss verabschiedeten Legislativberichts577 bekannt, während jedoch der Standpunkt des Rates und insbesondere der einzelnen Mitgliedstaaten verborgen bleibt.578 Aus diesem Grund ist es Bürgern, die den Entscheidungsprozess verfolgen möchten, nur schwer möglich, In- und Output der informellen Triloge miteinander zu vergleichen, da die Konfliktlinien vor den Verhandlungen in den Lesungen nicht öffentlich zur Schau getragen werden. Zudem erscheint zumindest auf den ersten Blick ein Informationsgefälle zwischen den Organen möglich, wenn der Rat auf Grund der öffentlichen Ausschusssitzungen den Standpunkt des Ausschusses und die innerparlamentarischen Konfliktlinien kennt und in informellen Verhandlungen möglicherweise für sich nutzen kann, während die parlamentarischen Verhandlungsführer weder den genauen Standpunkt des Rates, noch die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten kennen.579 Daneben könnte die Machtposition der Kommission unter Rekurs auf ihr in Art. 293 AEUV abgesichertes Initiativrecht durch frühe Verhandlungen gestärkt werden, obwohl sie gerade kein Gesetzgeber im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist.580 Im Gegensatz dazu wird die Rolle der Kommission im Vermittlungsverfahren durch Art. 294 Abs. 11 AEUV explizit auf die bloße Vermittlerposition beschränkt. Durch die im Vergleich zum vertraglichen Vermittlungsverfahren verengte Beteiligungsstruktur des informellen Trilogs wird nicht nur der Kreis der Verhandelnden auf die für die organinterne Willensbildung maßgeblichen Organteile beschränkt, sondern auch die gerade durch den Vertrag von Lissabon unter anderem in Art. 18 Abs. 8 S. 1 EUV statuierte Öffentlichkeit der Ratsarbeit im Gesetzgebungsverfahren teilweise konterkariert. Denn im Gegensatz zu den formellen Vermittlungsausschusssitzungen, in denen alle Mitgliedstaaten mit einem Vertreter vertreten sein müssen,581 können sich die Mitgliedstaaten in den informellen Trilogen hinter dem für sie mit dem Verhandlungsmandat des AStV ausgestatten Ratsvorsitz verstecken. Auch aus diesem Grund ist noch die demokratische Legitimation der Verhandlungsführer im Trilog zu hinterfragen.582 577  Vgl.

dazu Art. 69b ff. GO-EP (2017). Geheimhaltung innerhalb des Ministerrates vgl. sogleich unten S. 185 ff. 579  Dass diese Ansicht auf einen zweiten Blick die politischen Realitäten zu verkennen scheint zeigt sich auf S. 273ff. 580  Eine krit. Auseinandersetzung mit dieser These folgt auf S. 268 ff. 581  Vgl. Art. 294 Abs. 10 AEUV. 582  Vgl. dazu unten S. 278 ff. 578  Zur



E. Zwischenergebnis169

Der informelle Trilog ist damit nicht nur ein „neues“ Vermittlungsverfahren, sondern auch ein in wesentlichen Punkten anderes Verfahren mit früherem Einsetzungspunkt und nochmals verknappter Beteiligtenstruktur, dafür aber mit zeitlich unbegrenzter Verweildauer und größeren Transparenzbedenken. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob durch eine derartig verfestigte Organpraxis das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in rechtlich relevanter Weise umgangen wird. Zwar erlaubt und fördert Art. 295 AEUV die Zusammenarbeit der Organe gerade auch die Aufforderung, diese in interinstitutionellen Vereinbarungen zu regeln, allerdings dürfen diese nicht dazu führen, dass die Verträge geändert werden.583 Als maßgeblichen Gesichtspunkt zur Abgrenzung zwischen erlaubter Vertragsergänzung und unzulässiger Vertragsänderung hatte der EuGH festgestellt, „dass die Grundsätze über die Willensbildung […] im Vertrag festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten und der Organe selbst stehen.“584 Aus diesem Grund verneinte der EuGH im konkreten Fall die Möglichkeit, die Mehrheitsverhältnisse der Beschlussfindung im Rat durch Sekundärrecht zu verändern.585 Eine Vertragsänderung liegt somit immer nur dann vor, wenn durch Organvereinbarungen die Grundsätze der Willensbildung dergestalt verändert werden, dass vertraglich fest fixierte Entscheidungsverfahren nicht mehr oder zumindest wesentlich anders zur Anwendung gelangen. Die informellen Triloge verändern das ordentliche Gesetzgebungsverfahren zwar faktisch, nicht jedoch in der Gestalt, dass Mehrheitsverhältnisse in den Organen oder der formale Ablauf des Mitentscheidungsverfahrens durch diese verändert werden. Die entscheidenden Momente der abschließenden Willensbildung verbleiben formal gesehen bei den Organen, indem sie die im Trilog gefundenen Kompromisse nach ihrer organinternen Verfahrensordnung bestätigen müssen. Das Europäische Parlament trägt darüber hinaus dafür Sorge, den Entscheidungsprozess in den Trilogen möglichst gut in den innerparlamentarischen Willensbildungsprozess zu integrieren. Bedenklich erscheint allenfalls ein anderer Punkt: Die faktische Veränderung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens führt dazu, dass die Konflikte zwischen den beiden Gesetzgebern, wie soeben festgestellt, kaum noch im vertraglich vorgesehenen Vermittlungsverfahren nach Art. 294 Abs. 10 AEUV ausgetragen werden. Dass die Triloge als „neues Vermittlungsverfahren“ an dessen Stelle treten und es damit in seiner Konfliktlösungsfunktion faktisch ersetzen, könnte am Ende doch zu einer Beeinträchtigung des Ver583  Zur Grenze der Vertragsergänzungsfunktion interinstitutioneller Vereinbarungen vgl. oben S. 38 ff. 584  EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 38. 585  Vgl EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Urt. v. 23.02.1988, Rn. 37 f.

170

Dritter Teil: Der informelle Trilog in der Praxis der Organe

tragsänderungsverbots führen. Denn selbst wenn der formale Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens durch die informellen Triloge nicht berührt wird, ersetzen diese ein von den Verträgen formal eingerichtetes Instrument in dessen Funktion. Die Organe sollten deswegen die Standardisierung und Institutionalisierung der informellen Triloge überdenken und nach Möglichkeit deren Anwendungsbereich auf einzelne durch den Grundsatz der Effizienz besonders gerechtfertigte586 Gesetzgebungsverfahren beschränken.

586  Dies können beispielsweise besonders dringliche oder akut vom Scheitern bedrohte Gesetzgebungsverfahren sein; vgl. zu Effizienz und Effektivität im Gesetzgebungsverfahren und in den Trilogen ausführlich S. 80 ff.

Vierter Teil

Transparenz der Triloge: Black hole of decision making? Einen der größten Kritikpunkte informeller Triloge stellt deren vermeintlich mangelhafte Transparenz dar. Denn es ist die angebliche Intransparenz der Triloge, die das Verfahren in der Öffentlichkeit erst bekannt gemacht hat. Zeitungsartikel bezeichnen die Triloge deshalb als „Geheimabsprachen“,1 „back-room dealings“2 oder „Schattengremiumssitzungen“3. Auch die Vertre­ ter repräsentativer Verbände reiben sich hauptsächlich an ihren durch die Informalität geschmälerten Einflussmöglichkeiten.4 Diese Kritik führte jüngst dazu, dass die Europäische Bürgerbeauftrage Emily O’Reilly eine strategische Untersuchung über die Transparenz der Triloge durchführte.5 Obwohl von Seiten der Organe zunächst keine Bereitschaft bestand, die Untersuchung zu unterstützen,6 konnte die Ombudsfrau den Bericht abschließen und Verbesserungsvorschläge zur Transparenz der Triloge präsentieren. Im Folgenden soll, ausgehend von der Bedeutung der Transparenz in der Europäischen Union als Vergleichsmaßstab, zunächst die Offenheit des ordentlichen Ge1  Simantke, Tagesspiegel.de, 21.05.2015, http://www.tagesspiegel.de/themen/agen da/eu-trilog-wie-bruessel-im-hinterzimmer-die-demokratie-aushoehlt/11793136.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 2  Nielsen, EU-Observer, 24.01.2017, https://euobserver.com/institutional/136630 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 3  Mühlbauer, Telepolis, 26.01.2017, https://www.heise.de/tp/features/EU-TrilogSchattengremiensitzungen-ersetzen-ordentliches-Gesetzgebungsverfahren-3608043. html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 4  Vgl. hierzu den Bericht zu einer Umfrage der Europäischen Bewegung Deutschlands v. 06.06.2014, https://www.netzwerk-ebd.de/wp-content/uploads/2014/ 08/EBD-POL-EU-Good-Governance-Art.-11-Trilog-Bericht-zu-Trilogverfahren.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 5  Fall: OI/8/2015/JAS, Geöffnet am 26.05.2015, Entscheidung am 12.07.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/case.faces/de/46048/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 6  Im Kern wurde argumentiert, dass eine Untersuchung des Gesetzgebungsverfahrens nicht von der Kompetenz der Bürgerbeauftragten nach Art. 228 AEUV umfasst sei, da sie lediglich Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Union untersuchen dürfe, vgl. dazu Melzer, verfassungsblog.de, 1.12.2015, http://verfassungsblog. de/trilogverfahren-und-transparenzgebot-wer-kontrolliert-den-europaeischen-gesetz geber/ (zuletzt aufgerufen am: 07.11.2018).

172

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

setzgebungsverfahrens herausgearbeitet werden, bevor anschließend anhand der Untersuchung der Bürgerbeauftragten die Transparenz der Triloge als solche in den Blick zu nehmen ist.

A. Die Transparenz der Europäischen Union „Die EU muss den Goldstandard setzen, wenn es um Transparenz und Ethik geht.“7

Mit diesen Worten statuiert die Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly einen Grundsatz, der in der Europäischen Union jedoch erst mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 langsam forciert und in den folgenden Jahren und Vertragsrevisionen immer weiter ausgebaut wurde.8 Der wesentliche Motor hierzu war die allgemeine, gesellschaftliche Ablösung des vormals herrschenden Prinzips der beschränkten Aktenöffentlichkeit, die zu einem Paradigmenwechsel im Informationsfreiheitsrecht geführt hatte.9 In der Verstärkung der Transparenz sah man zudem einen möglichen Ausweg aus der damaligen Legitimationskrise der Europäischen Union.10 Dieser Entwicklungsprozess der Transparenz „Schritt für Schritt zu einem unionalen Verfassungsprinzip“11 wurde durch teilweise heftige Kritik12 an der in der Vergangenheit wahrgenommenen Intransparenz der Europäischen Union begleitet. Der Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1997 verewigte den Transparenzgrundsatz schließlich unter anderem an der prominenten Stelle des 7  Emily O’Reilly im Interview bei Uken, Zeit Online, 17.10.2013, http://www. zeit.de/wirtschaft/2013-10/ombudsfrau-eu (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 8  Vgl. zur Geschichte der Transparenz in der Europäischen Union Riemann, Die Transparenz der Europäischen Union. 2004, S. 18 ff. 9  Vgl. Schoch, EuZW 2011, S. 388, 390 m. w. Nw.; Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 7 bezeichnet dies als „Tendenz zur Informationsfreiheit“, die aus den Rechtsordnungen einzelner Mitgliedstaaten und außereuropäischen Staaten erwachsen ist. 10  Der EU Kommissar Kallas geht in seiner Rede vom 03.03.2005, http://europa. eu/rapid/press-release_SPEECH-05-130_en.htm (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) davon aus, dass die Legitimation der EU nur sichergestellt werden kann, wenn „political institutions are exposed to transparency, when people know that what they see is what they get.“ 11  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1  EUV, Rn. 84. 12  So spricht Lamprecht, NJW 1997, S. 505 f. der Union einen „Mangel an jeglicher Transparenz“ zu. Daneben seien „selbst interessierte und mündige Bürger“ nicht dazu in der Lage sich ein „Urteil über die europäische Politik zu bilden“ und ganz allgemein finde Europa „hinter verschlossenen Türen statt;“ zu dieser als „polemisch“ abgetanen Kritik vgl. Bandilla/Hix, NJW 1997, S. 1217 ff.



A. Die Transparenz der Europäischen Union173

Art. 1 Abs. 2 EUV.13 Obwohl die Transparenz bisher keine Erwähnung in der Präambel des EU-Vertrages fand,14 zeigt sich dadurch, dass die Offenheit einen Kernbereich der Weiterentwicklung der Europäischen Union darstellen soll.15 Denn für das Gelingen der ever closer union ist es unabdinglich, dass die Bürger an das weit entfernte und kompliziert anmutende Entscheidungsgeflecht in Straßburg und Brüssel herangeführt werden.16

I. Die Rolle der Transparenz in den Verträgen Das Begehren nach Transparenz staatlichen Handelns ist allerdings bei Weitem keine Erfindung der 1990er Jahre. Insoweit kann als erste für die heutige Gesellschaft wesentliche Transparenzbewegung das philosophische Aufbegehren gegen den Absolutismus in der Zeit der Aufklärung und des Liberalismus gesehen werden.17 Denn die Zeit der Aufklärung habe in einer beispiellosen Umwertung „das Dunkel des Geheimnisses zugunsten der Ästhetik des Lichts und der Information“ diskreditiert und so die größtmögliche Publizität staatlichen Handelns gefordert.18 Nur dort, wo Informationen und Transparenz den Raum öffentlichen Handelns erhellen, kann ein Diskurs entstehen, der die für die Öffentlichkeit verantwortlich Handelnden an die Allgemeinheit zurückbindet. Aus diesem Grund wird die Transparenz auch als wesentliches demokratisches Element anerkannt.19 Denn nur wenn die Unionsbürger informiert werden, können sie auch aktiv am demokratischen 13  Vgl. Art. 1 Abs. 2 EUV: „Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der Entscheidungen möglichst offen und bürgernah getroffen werden.“; dazu näher Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 1 EUV, Rn. 1. 14  Der 13. Erwägungsgrund spricht lediglich davon, dass „die Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah getroffen werden“ sollen. 15  Vgl. dazu Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 124. 16  Vgl. dazu Blanke/Kuschnick, DÖV 1997, S. 45, 47, Schroeder, KritV 1998, S. 423, 423. 17  Vgl. dazu ausführlich Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 120 ff. 18  Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 195. 19  Vgl. dazu Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004, S. 319 ff., 369 f.; Kahl, ZG 1996, S. 224, 226; Wewers, Das Zugangsrecht zu Dokumenten in der europäischen Rechtsordnung, 2003, S. 116 ff.; Heitsch, EuR 2001, S. 809 ff. Der EuGH bezeichnet Transparenz als „grundlegendes Merkmal einer demokratischen Ordnung“, vgl. EuGH, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Urt. v. 30.04.1996, Rn. 31.; vgl. auch Transparenz-VO (EG) Nr. 1049/2011, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff., Erw. 2: „Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei […].“

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Leben der Europäischen Union teilnehmen. Daran anknüpfend bekräftigt Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV bei der Darstellung des unionsrechtlichen Demokratieprinzips, dass Entscheidungen so offen und bürgernah wie möglich getroffen werden sollen.20 Und auch Art. 11 Abs. 1, 2 EUV verdeutlicht die demokratische Bedeutung der Transparenz, indem dort die politische Willensbildung unter das Paradigma des Informationsaustausches und Dialogs gestellt wird.21 Wenngleich die Normen wenig konkret sind und sich daraus kaum ein vollstreckbarer Inhalt ableiten lassen dürfte,22 wird die Offenheit und Zugänglichkeit doch als Handlungs- und Auslegungsmaxime für alle in der Union getroffenen Entscheidungen herangezogen.23 Insoweit glaubt auch die Kommission in ihrem Weißbuch Europäisches Regieren, dass es durch Transparenz und Offenheit zu weniger Eingriffen „von oben“ komme.24 Konkreter als die bisher aufgezählten Normen systematisiert Art. 15 AEUV das Transparenzgebot in drei wesentliche Teile.25 Absatz 1 nimmt nochmals die weitestgehende Offenheit der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union in den Blick, womit im Wesentlichen der Inhalt und Sinngehalt der Art. 1 Abs. 2 und Art 10 Abs. 3 S. 2 EUV wiedergegeben wird. Der Grundsatz größtmöglicher Transparenz gilt dabei nicht nur für das Verwaltungshandeln der Union, sondern muss als „sämtliche Tätigkeitsbereiche der Union durchdringende Handlungs- und Interpretationsmaxime“ verstanden werden.26 Neben dem Grundsatz möglichst umfassender Transparenz des allgemeinen Handelns, stellt Absatz 2 auf die Öffentlichkeit der Entscheidungsfindung im Gesetzgebungsverfahren ab, indem die Öffentlichkeit 20  Hierdurch wird die Bedeutung des Transparenzgebots für die Beteiligung der Bürger am politischen Leben in der europäischen Union besonders hervorgehoben, vgl. Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 10 EUV, Rn. 14. 21  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1  EUV, Rn. 85. 22  Vgl. zu Art. 1 Abs. 2 EUV EuG, Rs. T-191/99, Urt. v. 11.12.2001. Rn. 34 f.; Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 124; Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 14 f.; Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 142. 23  Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 10 EUV, Rn. 92. 24  Europäisches Regieren – Ein Weißbuch, KOM(2001), 428 endgültig, ABl. C 287 v. 12.10.2001, S. 2. 25  Nach Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 1 fasst Art. 15 AEUV die wesentlichen Elemente der rechtlich verbürgten Transparenz des Handelns der Union in einer zentralen Norm zusammen. 26  Vgl. Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 2; a.  A. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 15, Rn. 2 welcher der Ansicht ist, dass Art. 15 Abs. 1 AEUV alleine die Exekutive der Union als Verpflichtungsadressaten anspreche.



A. Die Transparenz der Europäischen Union175

der Parlamentstagungen und der Ratssitzungen, sofern über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten beraten oder abgestimmt wird, postuliert wird. Die damit verbundene partielle Zugänglichkeit der Ratstagungen wurde erst durch den Vertrag von Lissabon primärrechtlich verankert,27 um der teilweise heftig kritisierten Praxis28 der geheimen Ratsverhandlungen zu entgegnen. Die Trias der Transparenz rundet schließlich der in Absatz 3 primärrechtlich verbriefte Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane ab.29 Dieses Recht wird zusätzlich in Art. 41 Abs. 2b) GRCh über das Aktenzugangsrecht und Art. 42 GRCh über das allgemeine Dokumentenzugangsrecht unionsgrundrechtlich abgesichert, weswegen der Informationsfreiheit der „Rang eines verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechts“ zuzusprechen sei.30 Präzisiert werden die Zugangsregeln auf der Ebene des Sekundärrechts durch die Transparenzverordnung.31 Im rechtswissenschaftlichen Diskurs wird vor allem dem nunmehr letztgenannten Dokumentenzugangsrecht ein hoher publizistischer Stellenwert eingeräumt,32 während der Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens weni27  Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/ AEUV, 2017, Art. 15 AEUV, Rn. 17 ff.; Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/ Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 13. 28  Vgl. dazu nur Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 200; De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 296; Kahl, ZG 1996, S. 224, 230 ff. 29  Zu den Hintergründen und der Entstehungsgeschichte des Art. 15 Abs. AEUV vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV, Rn. 5 ff. 30  Vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 6. 31  Transparenz-VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff.; die Revision dieser Verordnung stagniert seit Jahren im Gesetzgebungsverfahren, vgl. dazu näher Wegener, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 10. 32  Vgl. dazu die Monographien allein über das Dokumentenzugangsrecht von Feik, Zugang zu EU-Dokumenten – Demokratie durch Transparenz, 2002; Castenholz, Informationszugangsfreiheit im Gemeinschaftsrecht, 2004; Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003; Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004; Wewers, Das Zugangsrecht zu Dokumenten in der europäischen Rechtsordnung, 2003. Selbst bei Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004 wird fast ausschließlich auf das Dokumentenzugangsrecht abgestellt. Die Abhandlung von Driessen, Transparency in EU Institutional Law, 2012 setzt sich auf über 220 Seiten mit dem Dokumentenzugang und auf nicht einmal 30 Seiten mit „other asprects of transparency“ auseinander. Neben den nicht erschöpfend dargestellten Monographien erschienen über die vergangenen Jahre noch mehr Aufsätze, die entweder die Transparenzverordnung oder deren Anwendung in speziellen Einzelfällen genauer beleuchtet haben, vgl. hierzu u. a. Wägenbauer, EuZW 2001, S.  680 ff.; Partsch, NJW 2001, S. 3154 ff.; Bartelt/Zeitler, EuR 2003, S. 487 ff.; Bock, DÖV 2002, S. 556 ff.; De Leeuw, ELR 2003, S. 324 ff.; Nowak, DVBl. 2004, S.  272 ff.; Driessen, ELR 2005, S. 675 ff.

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ger Aufmerksamkeit widerfährt.33 Dies mag vor allem an der praktischen Bedeutung des Zugangsrechts, der ausdifferenzierten sekundärrechtlichen Regelung und dem sich daraus ergebenden Konfliktpotential liegen,34 das schließlich in einer umfassenden Judikatur der europäischen Gerichtsbarkeit35 mündet. Es zeigt aber andererseits auch, dass innerhalb der Europäischen Union ein wesentlicher Fokus auf die Zugänglichmachung von Entscheidungsergebnissen gelegt wird, während die offene Entscheidungsfindung selbst nur teilweise verwirklicht wird.36

II. Grenzen der Transparenz Alle drei Ausprägungen des Transparenzgrundsatzes gelten jedoch schon kraft des Wortlauts der Verträge nicht unbegrenzt. Während der Offenheitsgrundsatz im Allgemeinen bereits nach Art. 1 Abs. 2 EUV, 10 Abs. 3 S. 2 EUV, 15 Abs. 1 AEUV unter den Vorbehalten des „möglichst offen“, „so offen wie möglich“ oder „unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes des Offenheit“ steht, wird auch die Öffentlichkeit des gesetzgeberischen Entscheidungsfindungsprozesses nach Art. 15 Abs. 2 AEUV nur partiell ermöglicht. Obwohl eindeutig die Zugänglichkeit der Parlamentssitzungen und der Ratstagungen, sofern der Rat über Gesetzgebungsakte beschließt, proklamiert wird, werden Teile der Gesetzgebung vom Offenheitsgebot ausgeblendet. So sind weder die Sitzungen der mit dem Initiativmonopol ausgestatten Kommission,37 noch die wesentlichen Vorbereitungssitzungen der Organ­ 33  Vgl. hierzu beispielsweise die Monographie von Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001 und die Aufsätze von De Leeuw, ELR 2007, S. 295 ff.; Kahl, ZG 1996, S. 224 ff. 34  Die Diskussionen in jüngerer Zeit drehten sich vor allem um den Zugang zu Dokumenten, die aus einem Mitgliedstaat stammen, vgl. hierzu Gross, EuZW 2008, S. 99  ff., oder Teil eines Gerichtsverfahrens waren, vgl. Scanner, EuZW 2011, S.  134 ff., Petsch, EuZW 2012, S. 51 ff. Darüber hinaus ist die Auseinandersetzung um den Zugang zu Informationen über den Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat, vgl. dazu Wegener, ZUR 2014, S. 32 ff., und die Frage des Zugangs zu Dokumenten aus Kartellverfahren unter dem Stichwort „Dokumentenzugang vs. Kronzeugenregelung“, Frenz EuZW 2013, S. 778 ff., Badtke/Lang, WuW 2016, S. 276 ff. zu beachten. 35  Vgl. nur beispielhaft die Urteile zu Dokumenten die aus Mitgliedstaaten stammen, EuGH, Rs. C-64/05P (Schweden/Kommission), Urt. v. 18.12.2007; zu Dokumenten aus Gerichtsverfahren, EuGH. Rs. C-213/15P (Kommission/Breyer), Urt. v. 18.07.2017; krit. hierzu Wegener, verfassungsblog.de, 18.07.2017, http://verfassungs blog.de/der-intransparenz-balken-im-auge-des-europaeischen-gerichtshofs/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); zur Information über Glyphosat, EuGH, Rs. C-673/13P (Kommission/Greenpeace), Urt. v. 23.11.2016. 36  Insoweit krit. Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 1 EUV, Rn. 38 ff. 37  Vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 2.



A. Die Transparenz der Europäischen Union177

gremien,38 noch der Vermittlungsausschuss39 von Art. 15 Abs. 2 AEUV explizit erfasst. Auch das Dokumentenzugangsrecht unterliegt nach Art. 15 Abs. 3 UAbs. 2 AEUV den auf Grund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen. Diese werden in Artikel 4 der Transparenz-VO (EG) Nr. 1049/2001 präzisiert und systematisiert.40 Nach Ansicht des EuGH seien diese Einschränkungen allerdings so auszulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten zu gewährleisen sei.41 Eine nähere Betrachtung verdient an dieser Stelle vor allem der allgemeine Grundsatz der Offenheit. Diesem Gebot, das anfangs als bloße „politischprogrammatische Absichtserklärung“42 gesehen wurde, wohnt nach heute einhelliger Meinung ein „Maximierungsgebot“43 inne. Daraus folgt, dass die Offenheit zur Regel wird und die Notwendigkeit geheimen Handelns positiv bewiesen werden muss.44 In diesem Zusammenhang wird regelmäßig die Effizienz des Entscheidungsprozesses als maßgebliche Transparenzschranke in die Diskussion eingeführt.45 Jegliches Transparenzbegehren müsse deswegen mit den sich aus dem Effizienzprinzip ergebenden Geheimhaltungsinteressen in Ausgleich gebracht werden.46 Daneben kann es auch zu Kollisionen mit anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern, wie beispielsweise dem Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 16 GRCh oder bestimmten nicht in der Effizienz begründeten Geheimhaltungsinteressen,47 kommen.48 38  Dazu

ausführlich sogleich S. 181 ff. Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 11.; EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 60 f. 40  Vgl. dazu ausführlich Bartelt/Zeitler, EuR 2003, S. 487, 493 ff.; Partsch, NJW 2001, S. 3154, 3156 f.; Wägenbauer, EuZW 2001, S. 680, 682 ff. 41  Vgl. EuGH, Rs. C-64/05P (Schweden/Kommission), Urt. v. 18.12.2007, Rn. 53. 42  Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 14. 43  Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 125. 44  Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 142. 45  Bandilla/Hix, NJW 1997, S. 1217, 1217 f. merken an, dass Transparenz keinen absoluten Wert darstelle, sondern immer gegen die „Effizienz dieser Mechanismen zur Erreichung sachgerechter Lösungen“ abgewogen werden müsse. Bei Kahl, ZG 1996, S. 224, 226 und Stein, in: Hummer (Hrsg.), Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, 1998, S. 141, 148 wird das so entstehende Verhältnis als Spannungsverhältnis „Transparenz versus Effizienz“ gesehen. 46  Vgl. Calliess, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1 EUV, Rn. 89. 47  Vgl. hierzu insbesondere die in Art. 4 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. niedergeschriebenen Ausnahmetatbestände für den Dokumentenzugang. 48  Vgl. Zerdick, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 15 AEUV, Rn. 6. 39  Vgl.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

III. Zwischenfazit: Transparenz und Effizienz Die knappe Zusammenfassung des Transparenzgrundsatzes auf der Ebene der Europäischen Union hat gezeigt, dass dieser zwar ein starkes Gewicht und eine ausdifferenzierte Regelungsdogmatik erfahren hat, aber dennoch bereits aus den jeweiligen Wortlauten heraus nur beschränkt zur Geltung kommen kann. Jegliches Begehren nach Offenheit unionsrechtlichen Handelns muss mit anderen Verfassungsgütern abgewogen werden.49 Zur Kontrolle dieser Abwägung fühlt sich dabei insbesondere der nach Art. 228 AEUV einzurichtende Bürgerbeauftragte50 verantwortlich. Denn Beschwerden in Bezug auf die Transparenz machten in den letzten Jahren zwischen 20 und 30 Prozent der im Büro der Bürgerbeauftragten eingegangenen Eingaben aus.51 Die in Art. 15 AEUV niedergeschriebene „Transparenztrias“, Offenheit der Unionshandlungen, Offenheit des Gesetzgebungsprozesses und der Dokumentenzugang, kann wiederum in zwei wesentliche Transparenzkategorien eingeteilt werden: Erstens die Entscheidungstransparenz, mit Blick auf den offenen und inklusiven Entscheidungsfindungsprozess, und zweitens die Ergebnistransparenz, die bereits getroffene Entscheidungen an die Unionsbürger vermitteln soll.52 Während die allgemeine Offenheit der Unionshandlungen und die Offenheit des Gesetzgebungsprozesses durch öffentliche Parlamentssitzungen und Ratstagungen die Öffentlichkeit des Entscheidungsprozesses vermitteln sollen, soll durch den Dokumentenzugang vor allem die Transparenz von Entscheidungsergebnissen aufgezeigt werden.53 49  Dabei ist jedoch sicherzustellen, dass die Transparenz das „prägende Merkmal exekutiver Tätigkeiten zu sein hat“, vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 15, Rn. 3. 50  Zum Bürgerbeauftragten allgemein Guckelberger, Der Europäische Bürgerbeauftragte und die Petitionen zum Europäischen Parlament, 2004; Peters, CMLR 2005, S.  697 ff.; Strempel, DÖV 1996, 241 ff. 51  Vgl. hierzu die Jahresberichte der Bürgerbeauftragten abzurufen unter www. ombudsman.europa.eu/activities/annualreports.faces (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 52  Nach Stein, in: Hummer (Hrsg.), Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, 1998, S. 141, 149 kann die Transparenz auch in die Kategorien „Öffentlichkeitsarbeit des Staates“ und „Zugang der Öffentlichkeit zu staatlichen Dokumenten“, also die aktive und passive Information durch den Staat, eingeteilt werden. 53  Selbstverständlich kann diese Grenzziehung nur als grober Anhaltspunkt dienen. So ist es natürlich auch möglich, dass noch während einem Entscheidungsfindungsprozess Zugang zu gewissen Dokumenten angefordert wird, vgl. hierzu Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff., oder die offene Darstellung des Entscheidungsprozesses auch nach Beendigung des entsprechenden Verfahrens zur Versinnbildlichung des Ergebnisses dargestellt werden kann.



A. Die Transparenz der Europäischen Union179

Aus geschichtlicher Perspektive war es vor allem das Dokumentenzugangsrecht, das den Weg zu einer transparenteren Europäischen Union ebnete.54 Dieses genügt jedoch nicht, um auch den Entscheidungsfindungsprozess hinreichend begleiten zu können. Aus diesem Grund hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung gefordert, dass auch die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sein müssen.55 Denn die Demokratie, sofern sie nicht lediglich ein formales Zurechnungsprinzip bleiben soll, sei insofern von einer „ständigen freien Auseinandersetzung zwischen den sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen“ abhängig, in der sich „auch die politischen Ziele klären und wandeln und aus der heraus eine öffentliche Meinung den politischen Willen verformt.“56 Der damit zu verwirklichenden Offenheit des Entscheidungsfindungsprozesses, insbesondere im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, muss deswegen in bestmöglicher Art und Weise zur Geltung verholfen werden. Dies muss bei der Abwägung zwischen der Offenheit von Verfahren und dem Effizienzgrundsatz beachtet werden. Sofern die Effizienz nämlich als maßgebliches Rechtfertigungskriterium für etwaige Geheimhaltungsbedürfnisse im Unionshandeln angeführt wird,57 bedarf es der grundsätzlichen Frage nach der Reichweite und Bedeutung des Effizienzgrundsatzes innerhalb der Europäischen Union. Wie hierzu bereits herausgearbeitet wurde,58 ist die Effizienz ein wesentlicher Garant zur Sicherstellung des Machterhalts der Europäischen Union. Nur wenn die Union dazu in der Lage ist, ihre Kompetenzen wahrzunehmen und Entscheidungen zu treffen, werden ihr diese durch die Mitgliedstaaten nicht wieder entzogen. Daneben kann eine effiziente Gesetzgebung auch zur Legitimität der gefundenen Entscheidungen beitragen. Insoweit räumen die EU-Verträge dem Bedürfnis nach Effizienz einen wesentlichen Stellenwert ein.59 In den Entscheidungsverfahren ist die Effizienz ebenso wie die Transparenz in zwei Dimensionen aufzugliedern: Die Verfahrenseffizienz, mit der Maßgabe, ein möglichst ressourcenschonendes Verfahren durchzuführen und die Ergebniseffizienz mit der Zielvorstellung, ein möglichst gutes Entscheidungsergebnis zu erreichen. Der Ergebniseffizienz ist hierbei im besonderen 54  Zur Entstehungsgeschichte vgl. Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 29 ff. 55  Vgl. BVerfGE 89, S. 155, 185. 56  Vgl. BVerfGE 89, S. 155, 185. 57  Vgl. Bandilla/Hix, NJW 1997, S. 1217, 1217  f.; Calliess, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1 EUV, Rn. 89; Blanke/Kuschnick, DÖV 1997, S. 45, 53. 58  Vgl. oben S. 80 ff. 59  Vgl. Präambel der Verträge Erwägungsgrund Nr. 7, Art. 13 Abs. 1 S. 1 EUV.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

rechtsstaatlichen Kontext der unionsrechtlichen Entscheidungsverfahren ein höherer Stellenwert als verfahrensvereinfachenden Mitteln einzuräumen. Denn je offenerer die Entscheidungsfindung ist, desto mehr trägt dies auch zu Ergebniseffizienz bei. Schließlich kann so demokratische Kontrolle erreicht und die Akzeptanz der Akte in den Augen der Unionsbürger erhöht werden. Für die folgende Bearbeitung bedeutet dies, dass bei der Abwägung zwischen Offenheit der Entscheidungsverfahren und Effizienz derselben, nicht alleine die vereinfachende Wirkung des trilogisierenden Verhandelns in die Waagschale gelegt werden darf. So kann beispielsweise nicht ausschließlich damit argumentiert werden, dass Trilogverhandlungen weniger kostenintensiv als die Durchführung eines umfassenden Gesetzgebungsverfahrens sind. Im Gegenteil: Intransparenz kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn es durch zu viel Offenheit der Entscheidungsverfahren zur Gefahr der Handlungsunfähigkeit der Unionsorgane und einem damit verbundenen Funktionsverlust kommen würde.

B. Transparenz und Gesetzgebung „Laws, like sausages, cease to inspire respect in proportion as we know how they are made.“60

Dieses Zitat von Jon Godfrey Saxe, das fälschlicherweise auch Otto von Bismarck zugeschrieben wurde,61 macht deutlich, dass die „Produktion von Gesetzen“ in der Vergangenheit als ein im übertragenen Sinne blutiger und mit einem gewissen Ekel zu betrachtender Prozess gesehen wurde. Um diesem „Ekelfaktor“ zu begegnen, hat sich das Verständnis hin zu einer größeren Transparenz und Verantwortlichkeit der gesetzgebenden Organe in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Denn genauso wie der Verbraucher in der heutigen Zeit wissen möchte, woher sein Fleisch kommt und wie genau sein Fleisch produziert worden ist, hat er ein Interesse daran, den Entstehungsprozess eines Gesetzes zu verfolgen. Nicht mehr allein das Ergebnis, eine gut schmeckende Wurst auf seinem Teller zu haben, ist relevant, sondern auch deren Herstellungsverfahren. Eine gewisse Gültigkeit des Zitates zeigt sich bei einem Blick in die jüngere Vergangenheit der europäischen Gesetzge60  Saxe, zitiert in Shapiro, NY-Times Magazine, 21.07.2008, http://www.nytimes. com/2008/07/21/magazine/27wwwl-guestsafire-t.html (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 61  „Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“; vgl. dazu Shapiro, NY-Times Magazine, 21.07.2008, http://www. nytimes.com/2008/07/21/magazine/27wwwl-guestsafire-t.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



B. Transparenz und Gesetzgebung181

bungsverfahren dennoch. Denn als größtes Transparenzhemmnis der unionsrechtlichen Entscheidungsverfahren sah man die große Anzahl der verschiedenen Entscheidungsfindungsprozesse und die damit verbundene Intransparenz des unionalen Gesamthandelns.62 Um bei der Wurstmetapher zu bleiben: Wenn der Verbraucher nicht einmal weiß, wo seine Wurst produziert wurde, kann er nur schwerlich deren Herstellungsprozess verfolgen. Deswegen kritisierte man vor allem, dass diese Unübersichtlichkeit den inneren Abläufen der Union schade und Rechtsstreitigkeiten über die jeweilig einschlägige Rechtsgrundlage fördere.63 Mit dem Vertrag von Amsterdam begann jedoch zur Steigerung der Effizienz und Nachvollziehbarkeit die Reduzierung und Vereinfachung der existierenden Verfahren.64 Der Vertrag von Lissabon vollendete diesen Prozess vorerst, indem er das Mitentscheidungsverfahren zum Hauptgesetzgebungsverfahren erhob und das Verfahren der Zusammenarbeit vollständig abschaffte.65 Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren werden mittlerweile gut 90 % aller Legislativvorschläge der Kommission angenommen.66

I. Allgemeine Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens Unabhängig von der Verschlankung der Entscheidungsverfahren ist jedoch die Frage, wie offen das Legislativverfahren der EU verfolgt werden kann. Die Öffentlichkeit der Beratung von Gesetzgebungsakten wird insbesondere in Art. 15 Abs. 2 AEUV normiert, wobei hier explizit nur auf solche Rechtsakte Bezug genommen wird, die auch im ordentlichen oder einem der besonderen Gesetzgebungsverfahren zustande kommen.67 Damit statuiert der Duktus des EU-Vertrages den für westliche Demokratien selbstverständlichen 62  Vor dem Vertrag von Amsterdam bildeten nach Schroeder, KritV 1998, S. 423, 425 „die knapp dreißig [!] verschiedenen, außerordentlich komplizierten Verfahren der Entscheidungsfindung“ das entscheidende Transparenzhindernis. 63  Vgl. Blanke/Kuschnick, DÖV 1997, S. 45, 53. 64  Krit. hierzu Schroeder, KritV 1998, S. 423, 425. 65  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 289 AEUV Rn. 14. 66  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 38. Zu beachten ist dabei aber auch, dass es neben den Gesetzgebungsverfahren, die wie benannt im ordentlichen oder in besonderen Gesetzgebungsverfahren zustande kommen, durchaus noch weitere nicht unter Art. 289 Abs. 3 AEUV fallende Entscheidungsverfahren innerhalb der europäischen Union gibt. Nur beispielsweise sei die sog. „tertiäre Rechtsetzung“ durch die Kommission im Rahmen der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte nach Art. 290, 291 AEUV genannt, vgl. hierzu Möllers/von Achenbach, EuR 2011, S. 39, 40 ff.; Edenharter, DÖV 2011, S. 645 ff. 67  Vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2.  Aufl. 2012, Art. 15, Rn. 4.

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Standard der Parlamentsöffentlichkeit.68 Durch diese spezielle Ausprägung des allgemeinen Offenheitsgrundsatzes wird versucht, die demokratische Legitimation des Gesetzgebungsverfahrens zu stärken, indem es spezifischen Transparenzerfordernissen unterworfen wird.69 Dabei nimmt Art. 15  Abs. 2 AEUV nur die direkt mit der Gesetzgebung betrauten Organe, Parlament und Rat, in den Blick, während die grundsätzlich alleinig zur Gesetzesinitiative berufene Kommission von der Vorschrift ausgeblendet wird. Trotz der vor allem in Hinblick auf die untergesetzliche Normgebung nachvollziehbaren Kritik70 fügt sich die Regelung in die Systematik der Verträge und des in diesen postulierten institutionellen Gleichgewichts ein. Durch sie wird nämlich auch auf der Ebene der Verfahrensoffenheit deutlich, dass Gesetzgebungsakte im Sinne des Art. 289 Abs. 3 AEUV nur von den beiden Co-Gesetzgebern Rat und Parlament erlassen werden. Die Kommission hat zwar gewichtige Mitwirkungsrechte, diese verwirklichen sich aber größtenteils in der von Art. 15 Abs. 2 AEUV nicht umfassten Initiativphase71 und in Unterstützungstätigkeiten im Rahmen der anschließenden Beratungsphase. Das im Stadium der ersten Lesung noch über Art. 293 AEUV geschützte Initiativrecht soll nämlich gerade nicht dazu führen, dass der Kommission ein politisches Vetorecht bei den Beratungen zwischen Parlament und Rat eingeräumt wird.72 Insofern ist es auch nicht verfehlt, die Kommission bei der Aufzählung in Art. 15 Abs. 2 AEUV auszusparen. Vielmehr ist das Handeln der Kommission auch im Rahmen ihrer Mitwirkung an Gesetzgebungsakten am Maßstab des allgemeinen Offenheitsgrundsatzes nach Art. 1 Abs. 2 EUV, 15 Abs. 1 AEUV zu messen. Trotz alldem sind die Sitzungen der Kommission, auch wenn dort über Gesetzesinitiativen, Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren oder den

68  Ein anschaulicher Rechtsvergleich zur Publizität der Gesetzgebung findet sich bei Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 19 ff.; vgl. auch Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 37. Die Öffentlichkeit parlamentarischer Sitzungen gilt als Frucht der Französischen Revolution und sollte beispielsweise in Deutschland erstmals in der am Ende von den größten deutschen Staaten nicht anerkannten Paulskirchenverfassung von 1849 aufgegriffen werden, vgl. Brocker, ZParl 2016, S. 50, 50. 69  Vgl. Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 7. 70  Krit. insoweit Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 2. 71  Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 AEUV spricht insoweit von Beratungen oder Abstimmungen über bereits getätigte Entwürfe zu Gesetzgebungsakten. 72  Vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 76  ff.; Scharf, EuZW 2015, S. 628, 633.



B. Transparenz und Gesetzgebung183

Fortschritt informeller Verhandlungen beraten wird, nichtöffentlich.73 Die dadurch hergestellte Vertraulichkeit der Beratungen soll es den Kommissionsmitgliedern ermöglichen, das Unionsinteresse über das Interesse ihres Heimatlandes zu stellen.74 Dies verdeutlicht die besondere Stellung des Kommissionskollegiums als Hüterin der Verträge und originäres Organ der Europäischen Union.75 Gleichwohl werden zumindest Tagesordnungen und Protokolle der Kommissionssitzungen im Internet veröffentlicht.76 Zwar wurde die absolute Öffentlichkeit der Parlamentstagungen erstmalig erst durch den Vertrag von Lissabon in das Primärrecht eingeführt.77 Das Parlament regelte aber bereits seit den 1980er Jahren die weitestgehende Offenheit der Parlamentssitzungen in seiner Geschäftsordnung.78 Die Geschäftsordnung des Jahres 1999 schaffte schließlich auch die noch verbleibende Ausschlussklausel ab, so dass ab diesem Zeitpunkt die vollständige Öffentlichkeit der Parlamentstagungen hergestellt wurde.79 In der aktuellen Fassung der Geschäftsordnung normiert nun Art. 115 Abs. 1 GO-EP (2017) die Transparenz der parlamentarischen Tätigkeiten, zu der nach Absatz 2 auch die Öffentlichkeit der parlamentarischen Aussprachen gezählt wird. Um diese Öffentlichkeit sicherzustellen, werden die Sitzungen des Parlaments im Internet live gestreamt80 und dort auch zum späteren Abruf zugänglich gemacht.81 73  Insoweit normiert Art. 9 GO-Komm., dass die Sitzungen der Kommission nichtöffentlich und die dort getroffenen Beratungen vertraulich zu behandeln sind. 74  Vgl. Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 250 AEUV, Rn. 7. 75  Die Aufgabe der Kommission wird treffend in Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUV umrissen: „Die Kommission fördert die allgemeinen Interessen der Union […]“. 76  Unter http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/index.cfm?fuseaction=gridyear (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) können die Tagesordnungen und Protokolle ab dem Jahr 2001 eingesehen werden. Die Veröffentlichung der Tagesordnungen erfolgt in deutscher, englischer und französischer Sprache. Protokolle werden hingegen nur auf Englisch und Französisch veröffentlicht. Allgemein sind die Protokolle vor allem im Rahmen der die Gesetzgebung unterstützenden Tätigkeiten sehr knapp gehalten. 77  Zuvor war in Art. 200 EGV-Nizza lediglich die Erörterung des von der Kommission vorzulegenden jährlichen Gesamtberichts in öffentlicher Tagung vorgesehen. 78  So hatte das Parlament lange Jahre grundsätzlich öffentlich zu verhandeln, wobei die Öffentlichkeit mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen hätte werden können, vgl. Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 183. 79  In der Praxis wurde die Ausschlussklausel jedoch kein einziges Mal benutzt, vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 400. 80  http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/plenary/ (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 81  http://www.europarl.europa.eu/plenary/de/debates-video.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Die für die parlamentarische Willensbildung äußerst bedeutenden Ausschüsse treten dagegen nur „grundsätzlich in öffentlicher Sitzung“ zusammen.82 Nach Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017) können sie nämlich spätestens zur Annahme der betreffenden Tagesordnung beschließen, die Tagesordnung einer bestimmten Sitzung in öffentliche und nichtöffentliche Punkte zu unterteilen. Die Öffentlichkeitsbegrenzung der Sitzung steht folglich im Ermessen des jeweiligen Ausschusses.83 Allerdings gilt zu beachten, dass diese Ausnahmen der Sitzungsöffentlichkeit im Hinblick auf den Grundsatz der größtmöglichen Offenheit der Gesetzgebung aus Art.  15 Abs.  1, 2 AEUV, Art. 115 Abs. 1 GO-EP (2017) durch den Ausschuss restriktiv zu handhaben sind.84 Dabei können sich die Ausschüsse an den in Art. 4 der Transparenzverordnung85 aufgezählten Ausschlussgründen orientieren. So werden beispielsweise Sitzungen des Rechtsausschusses teilweise nichtöffentlich abgehalten, wenn dieser das Parlament betreffende Rechtsstreitigkeiten erörtert.86 Daneben müssen die Sitzungen zum Schutz von Persönlichkeitsrechten immer dann nichtöffentlich sein, wenn über die Aufhebung der Immunität eines Parlamentsmitglieds beraten wird.87 Trotz der Möglichkeit, die Öffentlichkeit in einzelnen Ausschusssitzungen auszuschließen, verwirklicht die grundsätzliche Ausschussöffentlichkeit innerhalb des Europäischen Parlaments einen allgemeinen Transparenzstandard, der über die Regelungen in den ­ mitgliedstaatlichen Parlamenten hinausgeht.88 So ist beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen des deutschen Bundestages ebenso die Regel,89 wie in den 82  Vgl. Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017). Die generelle Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen wurde ebenfalls durch die Geschäftsordnungsnovelle im Jahr 1999 hergestellt. Die vorhergehenden Regelungen normierten entweder eine generelle Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen oder waren neutral formuliert, vgl. dazu De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 312 f. 83  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 16. 84  Dabei kann es dahinstehen, ob man die Beschränkung auf eine begrenzte Ausschussöffentlichkeit als eine „Interpretation des Art. 15 Abs. 2 AEUV“ sieht, vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 3, oder die Beschränkung der Nichtöffentlichkeit aus dem allgemeinen Grundsatz der Offenheit aus Art. 15 Abs. 1 AEUV herleitet, vgl. dazu Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 7, Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 15. 85  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 86  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 16. 87  Insofern stellt Art. 9 Abs. 11 GO-EP (2017) eine Spezialregelung zu Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017) dar. 88  De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 312. 89  Zur Frage einer bundesverfassungsrechtlichen Pflicht zur grundsätzlichen Öffentlichkeit der Ausschüsse, vgl. Brocker, ZParl 2016, S. 50 ff.; Linck, DÖV 1973, S.  513 ff.



B. Transparenz und Gesetzgebung185

ansonsten für ihre Transparenztradition bekannten nordischen Staaten Dänemark, Schweden90 und Finnland.91 Die Ausschusssitzungen des Europäischen Parlaments werden im Übrigen ebenso wie die Plenartagungen live im Internet übertragen und auch danach zur Verfügung gestellt.92 Während sich das Europäische Parlament nahezu selbstverständlich bereits vor der Vertragsreform von Lissabon der Öffentlichkeit präsentierte, bevorzugte es der Rat, zumindest bis weit in die 1990er Jahre seine Sitzungen im Geheimen abzuhalten, obwohl er zu dieser Zeit das wesentliche Gesetzgebungsorgan der Europäischen Union war.93 Begründet wurde dies vor allem mit der Besonderheit des Ratsgremiums, das in einer „Zwitterstellung“ zwischen der gemeinschaftlichen Verantwortung und der Rückbindung an mitgliedstaatliche Interessen stehe.94 Deswegen könne nur durch vertrauliche Verhandlungen gewährleistet werden, dass die Effizienz des Entscheidungsfindungsprozesses, die sich beispielsweise in gesetzesübergreifenden Kompromisslösungsvorschlägen niederschlage, erhalten bleibe.95 Daneben mag diese Sichtweise auch darin begründet sein, dass sich der Rat aus Mitgliedern der mitgliedstaatlichen Regierungen zusammensetzt, die als Teile der Exekutive vom Prinzip der ministeriellen Geheimhaltung wesentlich geprägt werden.96 Diese Besonderheit vermag jedoch nicht über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass der Rat als solcher weniger exekutive Tätigkeiten ausführt, sondern hauptsächlich gemeinsam mit dem Parlament als Gesetzgeber tätig ist.97 Deswegen kritisierte man den Rat auch als das „einzige Gesetzgebungsorgan der westlichen Welt[, das] stets hinter verschlossenen Türen be­ 90  Für Schweden vgl.: http://www.riksdagen.se/en/committees/the-parliamentarycommittees-at-work/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 91  Vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 400. 92  http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 93  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 17 f.; De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 300 ff. 94  Kahl, ZG 1996, S. 224, 235. 95  Bei De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 302 ff. finden sich noch weitere Argumente, die für die Nichtöffentlichkeit der Ratssitzungen angeführt wurden: So soll es nationalen Ministern in geheimen Sitzungen leichter möglich sein, von ihren in der nationalen Öffentlichkeit geäußerten Standpunkten abzuweichen. Außerdem könnte im Geheimen besser Vertrauen und Verständnis aufgebaut werden. Daneben befürchtete man, dass durch öffentliche Verhandlungen die Entscheidungen in andere nichtöffentliche Schauplätze verlagert werden. 96  So wird beispielsweise der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung als nicht ausforschbarer Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung definiert, der weder der parlamentarischen Kontrolle, noch informationsfreiheitsrechtlichen Ansprüchen unterliegt, vgl. dazu ausführlich Schnabel/Freund, DÖV 2012, S.  192 ff.; Busse, DÖV 1989, S. 45 ff. 97  Vgl. hierzu nur Art. 17 Abs. 1 S. 1 EUV.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

schließt.“98 Nach Jahren der Diskussion öffnete der Rat im Anschluss an den Vertrag von Amsterdam zumindest dann seine Sitzungen, wenn es um Beratungen im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens ging,99 bevor schließlich durch den Vertrag von Lissabon die Öffentlichkeit der Ratstagungen bei der Beratung von Gesetzgebungsakten in den Rang des Primärrechts erhoben wurde. Die genaueren Modalitäten hierzu finden sich nunmehr in Art. 7 GORat.100 Dabei muss nach der Literatur jedoch sichergestellt werden, dass es im Rat auch tatsächlich zu einer Aussprache über die Gesetzgebungsakte komme und diese nach inhaltlicher Vorbesprechung im AStV nicht nur im A-Punkt Verfahren verabschiedet würden.101 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da der Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 AEUV explizit von Beratungen über Gesetzgebungsakte spricht. Damit wird deutlich, dass die demokratische Rückbindung nicht nur durch öffentliche Abstimmungen, sondern auch durch öffentliche Beratungen erfolgen soll. Die öffentlichen Ratstagungen werden ebenfalls im Internet übertragen und im Anschluss an die Übertragung zum Abruf bereitgestellt.102 Im Gegensatz zu den grundsätzlich öffentlich stattfindenden Sitzungen der Parlamentsausschüsse, finden die Sitzungen der vorbereitenden Arbeitsgremien des Rates stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies erscheint insoweit bedenklich, da auf der Ebene der Arbeitsgruppen und des AStV103 bereits wichtige Weichenstellungen für das Gesetzgebungsverfahren getroffen werden.104 Hier zeigt sich ein erstes Informationsgefälle zwischen Parlament und Rat, das mit dem Grundsatz der größtmöglichen Offenheit des unionsrechtlichen Handelns nur schwer vereinbar sein dürfte. Über die Entwicklung des Ratsstandpunktes wird so nämlich nur wenig bekannt, während die gleichlaufende Kompromissfindung innerhalb des Plenums durch die grundsätzliche Öffentlichkeit der Ausschüsse nachvollziehbar bleibt. Gerade bei informellen Verhandlungen im Vorfeld der ersten Lesung hat der Rat aus diesem Grund einen möglicherweise entscheidenden Informationsvorsprung gegenüber dem Europäischen Parlament.105 Diese Intransparenz der Arbeits98  Sasse,

Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 200. den Details dieser Regelungen vgl. von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, 2009, S 128; De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 306 ff. 100  Eine knappe Zusammenfassung findet sich bei Zerdick, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 15 AEUV, Rn. 9. 101  Vgl. Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 20; Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 15. 102  Vgl. https://video.consilium.europa.eu/de/webcasts (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 103  Zum dreistufigen Aufbau der Ratsorganisation vgl. oben S. 102 ff. 104  Krit. Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 16. 105  Dazu ausführlicher S. 273 f. 99  Zu



B. Transparenz und Gesetzgebung187

ausschüsse des Rates wurde auch in einzelnen Stellungnahmen im Rahmen der Untersuchung der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Transparenz der Triloge mehrfach kritisiert.106 Wohl auch aus diesem Grund hat die Bürgerbeauftragte im Anschluss an dieses abgeschlossene Verfahren im Frühjahr 2017 eine strategische Prüfung der Transparenz der ratsinternen Vorbereitungsgremien eröffnet.107 In der abschließenden Empfehlung macht die Bürgerbeauftragte deutlich, dass Dokumente der Arbeitsgruppen und des AStV besser veröffentlicht werden müssen.108 Dies beinhalte vor allem die systematische Aufführung der Positionen und Identitäten einzelner Mitgliedstaaten, sowie die Verbesserung des direkten Dokumentzugangs.109 Genauso nichtöffentlich wie die Vorbereitungen der Ratstagungen liefen die Sitzungen des Vermittlungsausschusses und seiner Delegationen ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit dem unionsverfassungsrechtlichen Auftrag des Ausschusses, in der entscheidenden Phase des Mitentscheidungsverfahrens doch noch zu einem Kompromiss zwischen den Co-Gesetzgebern beizutragen. Vor allem so konnte die Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens gewährleistet werden.110 Auch das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in seiner Rechtsprechung zu informellen Arbeitsgruppen innerhalb eines Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat klargestellt, dass der Vermittlungsausschuss im „besonderen Maße geeignet“ sein solle, „einen Kompromiss zu erarbeiten.“111 Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müsse dem Ausschuss ein weiter Spielraum autonomer Verfahrensgestaltung eingeräumt werden.112 Trotz nur beschränkter funktioneller Vergleichbarkeit zwischen bundesdeutschem und europäischem Vermittlungsausschuss113 kann 106  Vgl. dazu z. B. die Stellungnahme von Transparency International v. 31.03. 2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67617/ html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018), S. 2. und die Stellungnahme von Carla Chiaretti v. 11.12.2015, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspon dence.faces/de/67630/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 107  Fall OI/2/2017/AB, Geöffnet am 10.03.2017, https://www.ombudsman.europa. eu/de/cases/caseopened.faces/de/75850/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 108  Vgl. Entscheidung im Fall OI/2/2017/AB v. 09.02.2018, Ziff. 37, https://www. ombudsman.europa.eu/cases/recommendation.faces/en/89518/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 109  Vgl. Entscheidung im Fall OI/2/2017/AB v. 09.02.2018, Recommendations 1–3, https://www.ombudsman.europa.eu/cases/recommendation.faces/en/89518/html. bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 110  Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV, Rn. 22. 111  Vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22.09.2015 – 2 BvE 1/11, Rn. 105. 112  Vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 22.09.2015 – 2 BvE 1/11, Rn. 105. 113  Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem europäischen und dem deutschen Vermittlungsausschuss stellen die Konzeption des europäischen Vermittlungs-

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

doch insoweit eine gewisse Wertungsgleichheit angenommen werden, als dass beiden Ausschüssen die Kompromissfindung zwischen an der Gesetzgebung beteiligten Organen zu einem späten Verfahrenszeitpunkt obliegt bzw. oblag.114 Diesen Gedanken griff auch der EuGH auf, indem er feststellte, dass bereits durch die Verwendung des Begriffs Vermittlung, dem Vermittlungsausschuss ein weites Ermessen in der Ausgestaltung des Verfahrens einzuräumen sei, um eine bestmögliche Annäherung der Standpunkte von Rat und Parlament zu erreichen.115 Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit werde auch nicht der Grundsatz der repräsentativen Demokratie verletzt, da über den gemeinsamen Entwurf des Vermittlungsverfahrens am Ende in der öffentlichen dritten Lesung des Parlaments abzustimmen sei.116 Die Begründung des geheimen Verhandelns mit der speziellen Aufgabe des Vermittlungsverfahrens erscheint unter diesem Blickwinkel nachvollziehbar, wenngleich die Argumentation des EuGH nicht überzeugend ist. Denn die Herstellung der Transparenz des Vermittlungsverfahrens sollte sich nicht allein in der Abstimmung über das Vermittlungsergebnis im Parlamentsplenum erschöpfen. Zu einer vollen Nachvollziehbarkeit der Verhandlungen wäre es vielmehr erforderlich gewesen, dass auch die Dokumente veröffentlicht werden, die den Verlauf und die Konfliktlinien des Vermittlungsverfahrens widerspiegelten.117 Gleichwohl schwebte in diesem späten Stadium des ordentlichen Gesetzgebungsprozesses das Damoklesschwert des Scheiterns über den Gesetzesdossiers, weswegen die Ergebniseffizienz im besonderen Maße zu aktivieren war. Durch geheimes und vertrauliches Verhandeln konnte gewährleistet werden, dass die Verhandlungspartner leichter von den durch die zwei vorausgegangenen Lesungen festgefahrenen Standpunkten abweichen und sich Kompromisslösungen öffnen, ohne sich dabei von den in der Öffentlichkeit vorhandenen Erwartungen unter Druck setzen zu lassen.118 Andererseits muss aber auch bedacht werden, dass sich damit der inhaltlich entscheidende Teil des Gesetzgebungsverfahrens hinter verschlossenen Türen abspielte und nur das Ergebnis der Verhandlungen der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

ausschusses als teilvariables ad-hoc-Gremium im Gegensatz zum personell ständig besetzten deutschen Vermittlungsausschuss, sowie die unterschiedlichen Beschlussmechanismen und Fristenreglungen dar, vgl. dazu Mähring, JA 2000, S. 386 ff. 114  Vgl. Rutschmann, Der europäische Vermittlungsausschuss, 2002, S. 38. 115  EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 58. 116  Vgl. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 61. 117  Vgl. dazu unten S. 208 ff. 118  Vgl. dazu allgemein Benz, Festschrift Ellwein, S. 83, 89; Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 82; Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 94 ff.



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Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die allgemeine Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens vor allem durch die Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen und Ratstagungen, sofern dieser über Gesetzgebungsakte berät oder abstimmt, verwirklicht wird. Zusätzlich hält das Parlament nach Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017) seine Ausschusssitzungen ebenfalls grundsätzlich öffentlich ab. Von diesem Grundsatz kann nur in besonders begründeten Einzelfällen119 abgewichen werden. Im Gegensatz dazu finden die Sitzungen der ratsinternen Vorbereitungsgremien und des gemeinsamen Vermittlungsausschusses gänzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

II. Veröffentlichung und Zugang zu Dokumenten im Gesetzgebungsverfahren Die offene Gesetzgebung vollzieht sich nicht ausschließlich in der Sitzungsöffentlichkeit. Auf einer zweiten Schiene kann die Transparenz legislativer Tätigkeit auch durch den Zugang zu Verfahrensdokumenten hergestellt werden. Das Dokumentenzugangsrecht entwickelte sich dabei auf der Ebene der Europäischen Union noch deutlich vor der grundsätzlichen Sitzungsöffentlichkeit. Nach den Diskussionen um verstärkte Transparenz in den 1980er und frühen 1990er Jahren verabschiedeten zunächst Rat und Kommission einen Verhaltenskodex zum Dokumentenzugang, der einen „möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates“120 sicherstellen sollte.121 Nachdem der Vertrag von Amsterdam das Zugangsrecht im damaligen Art. 255 EGV primärrechtlich statuiert hatte, wird es nunmehr seit dem Vertrag von Lissabon in Art. 15 Abs. 3 AEUV wiedergegeben. Im Gegensatz zur generellen Sitzungsöffentlichkeit stellt das Zugangsrecht einen individuellen Rechtsanspruch des einzelnen Unionsbürgers dar, dessen besondere Bedeutung sich auch in der inhaltsgleichen Garantie des Art. 42 GRCh 119  Für diese Interpretation des Art. 115 Abs. 3 sprechen sich sowohl Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 3 als auch Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 7 aus. 120  Vgl. Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten, ABl. L 340 v. 31.12.1993, S. 41, 41; zum Verhaltenskodex Röger, DVBl. 1994, S. 1182 ff. 121  Zur Geschichte des Informationszugangsrechts auf der Ebene der Europäischen Union vgl. u. a. Driessen, Transparency in EU Institutional Law, 2012, S. 1 ff.; Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 8 ff.; Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 59 ff.; Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 280 ff.; Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 29 ff.

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niederschlägt.122 Detaillierte Regelungen über das Zugangsrecht wurden im Jahr 2001 in der bereits genannten Transparenzverordnung123 von Rat und Parlament erlassen.124 Nach dieser kann die Veröffentlichung von Dokumenten auf drei unterschiedliche Arten erfolgen: Erstens durch proaktive Veröffentlichung im Amtsblatt, zweitens durch Zugänglichmachung in einem elektronischen Dokumentenregister und drittens erst nach Anfrage durch den Informationsbegehrenden.125 Aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV ergibt sich jedoch, dass die Legislativdokumente grundsätzlich proaktiv, also ohne einen vorherigen Antrag eines einzelnen Bürgers, zu veröffentlichen sind.126 Bezüglich des Gesetzgebungsverfahrens werden so nach Art. 13 TransparenzVO127 die Kommissionsvorschläge und die Standpunkte des Parlaments und des Rates im Amtsblatt veröffentlicht.128 Die weiteren legislativen Unterlagen sollen in den Registern der Organe129 zugänglich gemacht werden.130 Darunter fallen beispielsweise die Veröffentlichung von Abstimmungsergebnissen, Erklärungen zur Stimmabgabe, Protokollerklärungen, Sitzungskalen122  Vgl. dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 6; Zerdick, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 15 AEUV, Rn. 11. 123  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 124  Interessanterweise wurde die Verordnung, die die vermehrte Offenheit des unionsrechtlichen Handelns zum Ziel hatte, nachdem sich Parlament und Rat zunächst nicht einigen konnten, in informellen Trilogen, also hinter verschlossenen Türen, inhaltlich besprochen. Das Ergebnis wurde vor allem aus der Sicht der Kommission und des Parlaments als enttäuschend bewertet, vgl. zum Ganzen krit. De Leeuw, ELR 2003, S. 323, 325 ff. 125  Vgl. Driessen, ELR 2005, S. 675, 676. 126  Insoweit auch Wegener, in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 6; Zerdick, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013, Art. 15 AEUV, Rn. 20; Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/ Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 17. 127  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 128  Als zu eng wird diese Vorschrift bei Heitsch, Die Verordnung über den Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane im Lichte des Transparenzprinzips, 2003, S. 66 f. bewertet, da die Veröffentlichung legislativer Dokumente unter die Ausnahmetatbestände des Art. 4 Transparenz-VO gestellt wird. 129  Unterlagen zu den Gesetzgebungsverfahren findet man in den Registern der Kommission, http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/?fuseaction=home (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018), des Rates, http://www.consilium.europa.eu/de/documentspublications/public-register/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) und des Europäischen Parlaments, www.europarl.europa.eu/RegistreWeb/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018), wo auch die Tagesordnungen und Protokolle der jeweiligen Organsitzung zugänglich gemacht werden. 130  Vgl. Art.  12 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S.  43 ff.



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der und Tagesordnungen.131 Unter der Veröffentlichung in drei verschiedenen Registern leidet allerdings die Übersichtlichkeit, zumal Verfahrensdokumente zusätzlich noch in weiteren Datenbanken veröffentlicht werden.132 Die ganze Offenheit wird nämlich dann ad absurdum geführt, wenn sich der Informa­ tionsbegehrende auf Grund der Ungeordnetheit und Zerstreutheit der Informationen im Transparenzdickicht verirrt.133 Gerade die Vermittlung an den einfachen, nicht speziell vorgebildeten, Unionsbürger wird damit faktisch unmöglich gemacht, während die eigentlich umfassende Transparenz im Wesentlichen den vorgebildeten Eliten vorbehalten bleibt.134 Wohl aus diesem Grund haben sich die drei Organe in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung dazu verpflichtet, eine spezielle gemeinsame Datenbank zum jeweiligen Stand des Gesetzgebungsdossiers einzurichten.135 Auch hiermit wird jedoch nicht garantiert, dass wirklich alle ein spezielles Gesetzgebungsverfahren betreffenden Dokumente veröffentlicht werden. Denn nach Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV kann die Veröffentlichung dieser Unterlagen nach Maßgabe der Transparenzverordnung eingeschränkt werden.136 Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Transparenzverordnung im Jahr 2001 vor der Modifizierung des Informationsfreiheitsrechts in Art. 15 AEUV durch den Vertrag von Lissabon verabschiedet wurde. Zu dieser Zeit fehlte eine ausdrückliche primärrechtliche Garantie der Veröffentlichung von 131  Zerdick, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, 6. Aufl. 2013 2013, Art. 15 AEUV, Rn. 22. 132  So veröffentlicht das Europäische Parlament zusätzlich Dokumente in seinem Legislative Observatory, http://www.europarl.europa.eu/oeil/home/home.do (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) und im Legislative Train http://www.europarl.europa.eu/ legislative-train/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 133  So spricht auch Sobotta, Transparenz im Rechtsetzungsverfahren, 2001, S. 280 im Zusammenhang des Rechtsetzungsverfahrens von einer „undurchsichtigen Informationsflut“, die geprägt aus den einzelnen Organblickwinkeln zu einem „komplexen Abbild“ des ohnehin schon schwer durchschaubaren Gesetzgebungsverfahrens mutiert. 134  Vgl. hierzu auch die Kritik von Häge in seiner Stellungnahme im Rahmen der Konsultation zur Transparenz der Triloge, insbesondere Antwort 1, 2, 3, abzurufen unter https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67661/ html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 135  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 39. Zur Verwirklichung dieses Ziels trägt bisher die Datenbank EUR-Lex bei, auf der nach eigener Aussage der „gesamte Werdegang eines Vorschlags für einen Rechtsakt – von der Vorlage bis zur Verabschiedung“ verfolgt werden kann, vgl. http://eurlex.europa.eu/collection/legislative-procedures.html (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). Allerdings ist seit längerem eine neue Datenbank in Planung. 136  Beachte jedoch die spezielleren zwingenden primärrechtlichen Veröffentlichungsgebote: Veröffentlichung und Begründung von Gesetzgebungs- und Rechtsakten nach Art. 296, 297 AEUV; Veröffentlichung der Protokolle der Parlamentssitzungen nach Art. 232 Abs. 2 AEUV.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Dokumenten des Gesetzgebungsverfahrens.137 Deswegen müssen die in Art. 4  Transparenz-VO138 normierten Ausnahmetatbestände bei der Zugänglichmachung von Legislativdokumenten so lange bis sich Parlament und Rat auf eine „Lissabonisierung“139 der Verordnung einigen,140 im Lichte der durch den Vertrag von Lissabon gesteigerten Transparenzerfordernisse ausgelegt werden.141 Als Anknüpfungspunkt für die weite Auslegung kann zumindest bei den Anspruchsschranken mit Abwägungsvorbehalt142 der Begriff des „überwiegenden öffentlichen Interesses“ herangezogen werden, bei dessen Vorliegen Dokumente trotz Vorhandensein eines grundsätzlich schutzwürdigen Interesses nach Art. 4 Abs. 2, 3 Transparenz-VO143 verbreitet werden müssen. Daneben hat der EuGH bereits vor dem Vertrag von Lissabon festgestellt, dass Transparenz von besonderer Bedeutung sei, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig werde und deswegen im Rahmen der Gesetzgebungstätigkeit ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten zu gewähren sei.144 Dies muss nach der aktuellen Primärrechtslage erst Recht gelten. Von besonderer Relevanz für das Gesetzgebungsverfahren sind die Ausnahmen zum Schutz der Rechtsberatung und der internen Verfahren.145 So hatte der Rat in der Rs. Turco146 die Herausgabe einer Stellungnahme des Juristischen Dienstes des Rates zu einer Richtlinie unter Verweis auf das In137  Vgl. Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 15, Rn. 23. 138  VO

(EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12.07.2013 zur Blockade der Revision der VO (EG) Nr. 1049/2001 (2013/2637/RSP)), Ziff. 5. 140  Ob dies in naher Zukunft geschieht ist jedoch fraglich, schließlich liegt das zugehörige Gesetzgebungsverfahren seit Jahren auf Grund der Blockadehaltung des Rates auf Eis, vgl. dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 10. 141  Dagegen erkennt Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 17 zwar an, dass sich die Anforderungen an die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens durch den Vertrag von Lissabon erhöht habe, ohne jedoch davon abzuweichen, dass die Veröffentlichungspflicht nur „vorbehaltlich der fehlenden Einschlägigkeit einer der Ausnahmebestimmungen der VO Nr. 1049/2001“ gelte. 142  Die Transparenz-VO unterscheidet zwei Gruppen von Ausnahmen, die absoluten Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 ohne Abwägungsvorbehalt und die relativen Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 2, 3, bei denen trotz Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses eine Abwägung stattfindet; zur Charakterisierung vgl. Wegener, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 23. 143  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 144  Vgl. EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46 in Anlehnung an den sechsten Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001. 145  Vgl. Art. 4 Abs. 2  zweiter Gedankenstrich, Abs. 3 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 146  EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008. 139  Vgl.



B. Transparenz und Gesetzgebung193

teresse am Schutz der internen Rechtsberatung verweigert. Nachdem die Ansicht des Rates zunächst vom EuG147 bestätigt worden war, stellte der EuGH klar, dass die Transparenzverordnung grundsätzlich eine Verpflichtung zur Verbreitung der Stellungnahmen des Juristischen Dienstes des Rates zu Gesetzgebungsverfahren aufstelle und eine Geheimhaltung nur nach substantiierter Begründung in Ausnahmefällen in Betracht komme.148 Denn die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens trage trotz einer möglicherweise dem erlassenen Rechtsakt widersprechenden Stellungnahme dazu bei, den Organen in den Augen der europäischen Bürger eine größere Legitimität zu verleihen, da so durch eine offene Diskussion das Vertrauen in die Organe gestärkt werden könne.149 Aus diesem Grund fallen derartige Rechtsgutachten nicht unter die in der Literatur stark kritisierte allgemeine Vermutung der Nichtöffentlichkeit bestimmter Dokumentenkategorien.150 Nichts anderes darf auch für die sonstigen das Gesetzgebungsverfahren betreffenden Dokumentenkategorien gelten. Denn der EuGH hat bewusst die allgemeine Vermutung der Nichtöffentlichkeit nur bei Dokumentengruppen zugelassen, die in Abgrenzung zur Gesetzgebung dem Bereich der Verwaltungsaufgaben151 oder der laufenden Gerichtsverfahren152 zuzuordnen sind.153 Abweichend hat das EuG in der Rs. ClientEarth zuletzt eine allgemeine Vermutung für die Nichtöffentlichkeit von Folgenabschätzungsprüfungen der Kommission bejaht, auch wenn diese für einen Gesetzgebungsvorschlag verwendet werden.154 Begründet wurde dies vor allem mit dem Wesen des Ini147  EuG,

Rs. T-84/03, Urt. v. 23.11.2004. Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 68 f.; ausführlich zu diesem Urteil Koppensteiner, EuR 2014, S. 594, 605 f. 149  Vgl. EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 68 f.; bestätigt in EuGH, Rs. C-506/08 P (MyTravel), Urt. v. 21.07.2011, Rn. 113. 150  Dies betrifft insbesondere die Dokumente aus den Verfahren zur Beihilfen-, vgl. dazu EuGH, Rs. C-139/07 P (Technische Glaswerke Ilmenau), Urt. v. 29.07.2010, Rn. 54 ff. und Wettbewerbsaufsicht, sowie die Dokumente zu laufenden Gerichtsverfahren, vgl. dazu EuGH, Rs. C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P (API), Urt. v. 21.09.2010. In der Literatur wird daran insbesondere kritisiert, dass für betreffende Dokumentengruppen die Nichtveröffentlichung zur Regel werde und der Antragsteller die Beweislast trage, dass das von ihm begehrte Dokument nicht von der Vermutung erfasst sei, vgl. dazu Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 28 ff.; Koppensteiner, EuR 2014, S. 594, 602 ff. 151  Vgl. EuGH, Rs. C-139/07 P (Technische Glaswerke Ilmenau), Urt. v. 29.07.2010, Rn. 60; EuGH, Rs. C-506/08 P, Urt. v. 21.07.2011 (MyTravel), Rn. 87. 152  Vgl. EuGH, Rs. C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P (API), Urt. v. 21.09.2010. 153  Vgl auch die Übersicht bei EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14, Urt. v. 13.11.2015, Rn.  64 f. 154  EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14, Urt. v. 13.11.2015, Rn. 78 ff.; krit. hierzu Brauneck, NVwZ 2016, S. 489, insbesondere S. 494, der jedoch übersieht, dass die 148  EuGH,

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

tiativrechts, das vor jeglichem Einfluss öffentlicher oder privater Interessen außerhalb der organisierten Konsultationen geschützt werden müsse.155 Dieser Einschätzung könnte dann zugestimmt werden, wenn man bedenkt, dass die Kommission in Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV nicht zur Veröffentlichung legislativer Dokumente verpflichtet wird und darüber hinaus im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nicht als Gesetzgeber tätig ist.156 Auf der anderen Seite muss jedoch die besondere Bedeutung des Kommissionsvorschlags für den legislativen Prozess beachtet werden. Durch das Initiativmonopol kommt der Kommission ein wesentliches Gewicht bei der für den zukünftigen Gesetzgebungsakt vorprägenden Initiativphase zu, auf das die beiden Gesetzgeber nur eingeschränkten Einfluss haben.157 Die Öffentlichkeit in diesem Rahmen durch eine Vermutungsregel pauschal vom Informationszugang zu gewissen Dokumenten auszuschließen, erscheint umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die aktive Beteiligung der Bürger und Interessenvertretungen vor allem in der Initiativphase und weniger in der Beratungsphase verwirklicht wird.158 Dieser Argumentation hat sich schließlich auch der EuGH angeschlossen.159 Maßgeblicher Ausschlussgrund in der Rs. ClientEarth, war der durch Art. 4  Abs. 3  Transparenz-VO160 geschützte Bereich der internen Entscheidungsfindung.161 Dadurch soll ein „Space to think“162 geschaffen werden, in Kommission gerade kein Gesetzgeber ist und somit auch keine „Gesetzgebungstätigkeit“, zumindest nicht im Sinne des Art. 289 Abs. 3 AEUV, ausführt. 155  EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14, Urt. v. 13.11.2015, Rn. 95. 156  Insoweit kann auch nicht mit der sechsten Erwägung der VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. argumentiert werden, da nach dieser ein umfassender Zugang zu Dokumenten nur dann zu gewähren ist, „wenn die Organe, auch im Rahmen übertragener Befugnisse, als Gesetzgeber tätig sind.“ Ein umfassender Dokumentenzugang bei der Kommission kommt deswegen dann in Frage, wenn diese im Rahmen der Art. 290, 291 AEUV tätig ist. 157  Zur Initiativphase vgl. oben S. 122 ff.; so auch die Schlussanträge Generalanwalt Bott v. 28.11.2017 Rs. C-57/16 P, Rn. 63 ff., der nicht auf den Ersteller des Dokuments, sondern auf die Dokumentenart abstellt und in Folge dessen die Folgenabschätzungsprüfungen als legislative Dokumente einordnet. 158  Zur Beteiligung der Unionsbürger und der Vertreter repräsentativer Verbände oben S. 111 ff. 159  EuGH, Rs. C-57/16 P, Urteil v. 04.09.2018. 160  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 161  Die praktische Relevanz des Art. 4 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. zeigt sich insbesondere daran, dass der Schutz interner Entscheidungsprozesse der häufigste Ablehnungsgrund für Informationsbegehrende der Ratstätigkeit ist, vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Jahresbericht des Rates über den Zugang zu Dokumenten 2016, S. 15 ff., http://data.consilium.europa.eu/doc/ document/ST-7903-2017-INIT/de/pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). Ähnliches zeigt sich auch bei der Statistik des Europäischen Parlamentes, vgl. Europäisches



B. Transparenz und Gesetzgebung195

welchem man ein Projekt inhaltlich ausdiskutieren kann, ohne dabei politischem oder andersgeartetem Druck von außen ausgesetzt zu sein.163 Aus diesem Grund ist der Zugang zu einem Dokument zu verweigern, wenn dieses von einem Organ für den internen Gebrauch164 erstellt wurde, der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen ist und dieser durch die Veröffentlichung des Dokuments ernstlich beeinträchtigt werden würde.165 Besonders geschützt ist der organinterne Entscheidungsprozess nach Art. 4 Abs. 4 UAbs. 1 Transparenz-VO166 aber nur so lange, bis das Organ den Beschluss gefasst hat, zu dem das Dokument beitragen sollte. Für das Gesetzgebungsverfahren bedeutet dies, dass nach dem Wortlaut der Verordnung ein gegenständlicher organinterner Willensbildungsabschnitt jeweils mit Erlass eines Standpunktes und nicht erst nach Beendigung des gesamten Gesetzgebungsverfahrens abgeschlossen ist.167 Beinhaltet ein Dokument jedoch persönliche Stellungnahmen, die im Rahmen von Beratungen oder Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs angefertigt wurden, ist sogar nach dem Beschluss der Zugang zu verweigern, wenn dadurch der Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigt werden würde.168 Durch die fortdauernde Geheimhaltung nach Beendigung des Verfahrens erhofft man sich, dass beispielsweise Unionsbeamte auch in weiteren Entscheidungsprozessen ihre Parlament (Hrsg.), Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten 2016 – Jahresbericht des Europäischen Parlaments, S. 10 http://www.europarl.europa.eu/RegData/PDF/ rapport2016/1127323_1_DE.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 162  Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 218 m. w. Nw. und einem knappen Rechtsvergleich. 163  Vgl. dazu näher Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 236 f. Auch in den informationsfreiheitsrechtlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland finden sich entsprechende Ausnahmetatbestände zum Schutz laufender behördlicher Verfahren (vgl. § 4 IFG) und zur Vertraulichkeit behördlicher Entscheidungsfindung (§ 3 Nr. 3 b IFG, § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UIG). 164  Dazu können beispielsweise Aktennotizen, Entwürfe oder Diskussionspapiere für zu treffende Entscheidungen, sowie informelle Stellungnahmen oder Konsultationen innerhalb des Organs angeführt werden, vgl. Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 213. 165  Vgl. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S.  43 ff. 166  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 167  An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr die Reformbedürftigkeit der Transparenzverordnung, bei deren Erlass ein mehrstufiges Gesetzgebungsverfahren nicht die Regel war. Aus diesem Grund ist Art. 4 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. auf den organinternen Willensbildungsprozess im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nur schwer und vor allem nicht rechtssicher anzuwenden, vgl. dazu auch unten S. 213 ff. 168  Vgl. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S.  43 ff.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Meinung frei und vertraulich äußern, ohne eine nachträgliche Veröffent­ lichung befürchten zu müssen.169 In beiden Fällen des Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO muss jedoch in jedem Falle eine Abwägung mit einem überwiegenden, öffentlichen Interesse an der Verbreitung des Dokuments durchgeführt werden. Durch die Zweiteilung des Absatzes zeigt sich wiederum die den Verträgen immanente konzeptionelle Bevorteilung der Ergebnistransparenz gegenüber der Entscheidungstransparenz, indem auch auf der Ebene des Sekundärrechts deutlich wird, dass laufende Verfahren schützenswerter als abgeschlossene Verfahren sind.170 Auf einer zweiten Ebene muss ebenfalls unterschieden werden, ob es sich bei dem internen Verfahren um einen Teil der Gesetzgebungstätigkeit oder um einen Teil der Verwaltungstätigkeit der Union handelt.171 Denn das or­ ganinterne Verfahren bei der Entstehung von Legislativakten ist, wie bereits erwähnt, einer nochmals gesteigerten Offenheit zu unterwerfen.172 Diese Überlegung muss bei der Auslegung des Begriffs der ernstlichen Beeinträchtigung des Entscheidungsverfahrens berücksichtigt werden, bei deren Vorliegen die Dokumentenherausgabe zu verweigern ist. Eine solche Beeinträchtigung ist vom verweigernden Organ in substantiierter Art und Weise darzulegen und so nachvollziehbar zu machen.173 Dabei müsse sie dem EuG zu Folge „angemessen absehbar und nicht rein hypothetisch“ sein.174 Ernstlich sei die Beeinträchtigung in jedem Falle nur dann, wenn sich die Verbreitung auf den Entscheidungsprozess wesentlich negativ auswirkt.175 Eine derart ernstliche Beeinträchtigung eines gesetzgeberischen Entscheidungsprozesses 169  Vgl. hierzu Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 238; krit. zu dieser Argumentation Bock, DÖV 2002, S. 556, 559, der anmerkt, dass wohl jeder Stellungnehmende auch von seiner Stellungnahme inhaltlich überzeugt sei. Vgl. dazu die in Deutschland parallel verlaufende Diskussion vor allem im Bereich der Umweltinformation bei Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 2017, § 8 UIG, Rn. 23 f. m. w. Nw. 170  Vgl. EuGH, Rs. C-506/08 P, Urt. v. 21.07.2011 (MyTravel), Rn. 80; auch bei der Auslegung des Ausnahmetatbestands des Schutzes von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 Spiegelstrich 2 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. knüpft der EuGH an diese Differenzierung an, vgl. EuGH, Rs. C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P (API), Urt. v. 21.09.2010, Rn. 130 ff. 171  Nicht differenzierend Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S.  212 ff. 172  So hat der EuGH den Rat zu einem vollständigen Zugang zu internen Ratsdokumenten über die Änderungsvorschläge einzelner Mitgliedstaaten betreffend der Reform der Transparenzverordnung verpflichtet, vgl. EuGH, Rs. C-280/11 P (Access Info Europe), Urt. v. 17.10.2013, insbesondere Rn. 33. 173  Vgl. für ein bereits abgeschlossenes Verwaltungsverfahren, EuGH, Rs. C-506/08 P, Urt. v. 21.07.2011 (MyTravel), Rn. 89. 174  EuG, Rs. T-250/08, Urt. v. 24.05.2011, Rn. 78. 175  Vgl. EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14, Urt. v. 13.11.2015, Rn. 61.



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sollte aus der transparenzfreundlichen Warte der Verträge heraus zumindest im Gesetzgebungsverfahren nur dann zu befürchten sein, wenn durch die Veröffentlichung der Dokumente das laufende Verfahren scheitern könnte, also die besonders schützenwerte Ergebniseffizienz zur Disposition gestellt wird.176 Ein solcher Nachweis dürfte dem angefragten Organ nur schwer gelingen. Die bloße Befürchtung der Beeinflussung der gesetzgeberischen Tätigkeit von außen kann nicht als Begründung zur Geheimhaltung ausreichen, schließlich verpflichtet bereits Art. 11 Abs. 1, 2 EUV die Organe zu einem kontinuierlichen Dialog im Willensbildungsprozess. Den aus der Veröffentlichung von internen Verfahrensdokumenten möglicherweise entstehenden Austausch als ernstliche Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses einzuordnen, wäre dann zutiefst widersprüchlich. Unter dieser Prämisse dürfte erst recht nach den getätigten Beschlüssen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens kein Raum mehr für die Ausnahme des Art  4 Abs. 3  UAbs. 2  Transparenz-VO177 verbleiben. Es erscheint nämlich mit dem Grundsatz der größtmöglichen Offenheit legislativen Handels unvereinbar, einzelne Stellungnahmen, die zum organinternen Willensbildungsprozess innerhalb der gesetzgeberischen Tätigkeit möglicherweise entscheidend beigetragen haben, unter Verschluss zu halten. Aus deren Offenlegung nach Beendigung des organinternen Prozesses jedoch eine abstrakte Gefahr178 für den gesetzgeberischen Entscheidungsprozess der Zukunft herleiten zu wollen, widerspricht den Grundsätzen legislativer Verantwortung und Rückbindung. Schließlich haben die Unionsbürger ein berechtigtes Interesse daran, wenn schon nicht während des einzelnen Verfahrensschritts, dann doch spätestens nach Beendigung desselben alle Aspekte zu erfahren, die zu der gerade auch sie betreffenden gesetzgeberischen Entscheidung geführt haben. Aus diesem Grund darf in Legislativverfahren für die Ausnahme des Art. 4  Abs. 3  UAbs. 2 Transparenz-VO179 kein Anwendungsspielraum bestehen.180 176  Und auch derartige Fälle sind eigentlich schwer vorstellbar, so dass Koppensteiner, EuR 2014, S. 594, 611 die berechtigte Frage aufwirft, ob überhaupt noch ein durch die Transparenzverordnung zu schützender „Space to think“ im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bestehe. 177  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 178  Vgl. dazu Meltzian, Das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane, 2004, S. 238. 179  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 180  Vielleicht möchte das Europäische Parlament auch aus diesem Grund die Verweigerungsmöglichkeit nach Beendigung des Verfahrens generell abschaffen. Dies äußerte das Parlament zumindest in seiner legislativen Stellungnahme Ende des Jahres 2011, veröffentlicht im ABl. C 168 E v. 14.06.2013, S. 160, 169. Seitdem wird das weitere Gesetzgebungsverfahren jedoch durch die Untätigkeit des Rates blockiert, Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 10.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

III. Zwischenfazit: Die Gesetzgebung als offenes Buch? Die Transparenz des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union zeigt sich in verschiedenen Dimensionen unterschiedlicher Abstufung und Wertigkeit. Ausgehend vom Grundsatz größtmöglicher Offenheit des gesamten unionsrechtlichen Handelns nach Art. 1 Abs. 2 EUV treffen die Verträge in Art. 15 AEUV für das Gesetzgebungsverfahren besondere Regeln zur Sitzungsöffentlichkeit und zum Zugang zu den dazugehörigen Dokumenten. Damit wird deutlich, dass an die Offenheit der Gesetzgebung nochmals höhere Ansprüche zu stellen sind, denn sie trägt in dieser Hinsicht zur „Stärkung der Demokratie bei, indem sie den Bürgern ermöglicht, alle Informationen zu überprüfen auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist.“181 Doch Information fördert nicht nur Nachvollziehbarkeit, sondern schafft darüber hinaus auch die Möglichkeit einer aktiveren Teilhabe am gesamten Prozess. Die Offenheit des Gesetzgebungsprozesses soll durch zwei wesentliche Instrumente sichergestellt werden. In den nach Art. 15 Abs. 2 AEUV öffentlichen Sitzungen des Parlaments und des Rates soll Bürgern live oder bei späterem Abruf vor Augen geführt werden, wie innerhalb der Organe über den Legislativakt diskutiert und abgestimmt wird. Das Europäische Parlament ist in seiner Geschäftsordnung sogar noch weiter gegangen und hat zusätzlich die Sitzungen der Ausschüsse für die Öffentlichkeit geöffnet.182 Die Sitzungen der Vorbereitungsgremien des Rates, also der Arbeitsgruppen und des AStV, finden dagegen generell unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was einerseits im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 AEUV bedenklich erscheint und andererseits zu einem Informationsgefälle zwischen Europäischen Parlament und Rat führt. Als zweites Instrument sind vor allem von Parlament und Rat Dokumente aus dem und über das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 proaktiv zu veröffentlichen. In der Praxis zeigt sich allerdings eine gewisse Diskrepanz: So hat der Rat im Jahr 2016 4500 legislative Dokumente183 erstellt, von denen jedoch 2545 nicht direkt zugänglich gemacht worden sind.184 Dennoch kann auch im Falle einer nicht unmittelbaren Zugänglichmachung die Veröffentlichung nach Maßgabe der 181  EuGH,

Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46. Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017); zu den Ausnahmen der Sitzungsöffentlichkeit vgl. oben S. 184 f. 183  Der Rat versteht darunter Dokumente im Sinne des Art.  12 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 184  Von diesen Dokumenten wurden 1748 erst auf Antrag veröffentlicht, vgl. Rat der Europäischen Union (Hrsg.), Jahresbericht des Rates über den Zugang zu Dokumenten 2016, S. 4, http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7903-2017-INIT/ de/pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 182  Vgl.



B. Transparenz und Gesetzgebung199

das Dokumentenzugangsrecht genauer ausformenden Transparenzverordnung185 beantragt werden. Werden die Dokumente auch dann nicht zugänglich gemacht, wird dies meist mit dem Ausnahmegrund des Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO186 begründet, nach dem der Zugang zu Dokumenten verweigert werden kann, wenn sie für den internen Gebrauch erstellt wurden und durch ihre Veröffentlichung der Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigt werden würde. Während der Zugang zu sämtlichen internen Dokumenten verweigert werden kann, solange noch kein Beschluss getroffenen wurde, können zumindest nach Beschlüssen im Gesetzgebungsverfahren nicht einmal die Dokumente zurückgehalten werden, die persönliche Stellungnahmen enthalten.187 Darin zeigt sich was auch ansonsten bei einer systematischen Zusammenschau der einschlägigen Vertragsvorschriften deutlich wird: Sowohl die Verträge, als auch der Unionsgesetzgeber stellen den Schutz laufender Verfahren über den Schutz bereits abgeschlossener Entscheidungsprozesse. In den Verträgen wird dies deutlich, wenn in Art. 15 Abs. 2 AEUV nur die Sitzungen des Parlaments und des Rates dem Öffentlichkeitsprinzip unterworfen werden, während die Sitzungsöffentlichkeit der vorbereitenden Arbeitsgremien auf der Stufe des Primärrechts ungeregelt bleibt. Dem Bürger soll somit wiederum in den abschließenden Parlaments- und Ratsdebatten hauptsächlich das Ergebnis des Entscheidungsprozesses vermittelt werden. Diese Regelung ist nicht untypisch, greift sie doch die grundsätzliche, auch in Deutschland verwirklichte, Aufteilung in Elemente nichtöffentlicher Arbeit und öffentlicher Rede parlamentarischer Entscheidungsprozesse auf. Sie vermag aber unter Umständen vor allem im Rat zu „Fensterreden“188 führen, in denen inhaltlich im Geheimen breit ausdiskutierte Gesetzgebungsakte den Unionsbürgern vermittelt werden sollen. Und auch der EuGH scheint davon auszugehen, dass die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens vor allem dazu diene, dass Bürger die Beweggründe bei Erlass des Rechtsaktes nachvollziehen können, indem er feststellt, dass durch Transparenz den Bürgern ermöglicht werden solle, alle Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt „ergangen ist.“189 Die da­ raus folgende Begünstigung der Ergebnistransparenz gegenüber der Verfahrenstransparenz hat zur Folge, dass die aktive Einbeziehung der Zivilgesell185  VO

(EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 187  Zur Ausnahme vgl. Art. 4 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05. 2001, S. 43 ff.; zu deren Unanwendbarkeit im Gesetzgebungsverfahren vgl. oben S.  197 f. 188  Auf die Gefahr von Fensterreden eingehend, Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 200. 189  Vgl. EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46. 186  VO

200

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

schaft in der Beratungsphase erschwert wird. Zwar mag dies unter Berücksichtigung auf die hoch zu schätzende Ergebniseffizienz des Verfahrens zu rechtfertigen sein, wenn Verfahren oder Entscheidungsvorgänge so beeinträchtigt werden, dass eine Entscheidung schlechthin erschwert wird. Dies pauschal zu vermuten, erscheint jedoch auch unter dem zweiten Aspekt der Ergebnis­ effizienz,190 einer möglichst guten Entscheidungsfindung bedenklich. Nicht umsonst merkte Dahrendorf bereits 1973 an, dass weniger die Ineffizienz der Entscheidungsverfahren das Problem sei, sondern vielmehr „dass der frische Wind staatsbürgerlicher Kritik nicht hineinblasen kann in die klimatisierten Räume, in denen Entscheidungen getroffen werden.“191 Dies kann auch nur bedingt damit gerechtfertigt werden, dass sich die unmittelbar partizipative Einbeziehung der Bürger nach der Systematik der Verträge192 und der sekundärrechtlichen Ausgestaltung193 auf die Initiativphase konzentriert, da die Organe nach Art. 11 Abs. 2 EUV auch in der Beratungsphase zu einem offenen und transparenten Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft aufgefordert sind. Das Paradoxon offenbart sich zusätzlich, wenn man in der dritten Betrachtungsdimension die durch die Verträge gewährte Transparenz der Initiativphase mit der Transparenz der Beratungsphase vergleicht. Sowohl Art. 15 Abs. 2 AEUV, als auch Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV sparen bei der Verpflichtung zur Transparenz legislativen Handels die Kommission aus. Dies mag verständlich sein, wenn man bedenkt, dass die Kommission im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens explizit kein Gesetzgeber ist.194 Jedoch führte dies mit dazu, dass das EuG jüngst Folgenabschätzungsprüfungen der Kommission auch und gerade in Vorbereitung einer Gesetzesinitiative mit der widerleglichen Vermutung der Geheimhaltungsbedürftigkeit nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 Transparenz-VO195 versehen hat.196 Während nun eigentlich die aktive Einbeziehung der Unionsbürger vermehrt in der Initiativphase stattfinden soll, wird diese wesentlich durch dort angesiedelte nied190  Auf

die Merkmale der Ergebniseffizienz eingehend oben S. 68 f. Plädoyer für die Europäische Union, 1973, S. 219. 192  Vgl. hierzu insbesondere Art. 11 Abs. 3 EUV. 193  So wird nach der IIV „Bessere Rechtsetzung“ die Kommission „vor Annahme eines Vorschlags auf offene und transparente Weise öffentliche Konsultationen durchführen“, vgl. ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 19. 194  Nur die sechste Erwägung der VO (EG) Nr.  1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. stellt klar, dass die Kommission zumindest dann zu umfassender Transparenz verpflichtet ist, wenn sie im Rahmen der abgeleiteten Rechtsetzung nach Art. 290, 291 AEUV tätig ist. 195  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 196  EuG, Rs. T-424/14 und T-425/14, Urt. v. 13.11.2015, Rn. 78 ff., jedoch aufgehoben durch den EuGH unter dem Aktenzeichen C-57/16 P mit Urteil v. 04.09.2018. 191  Dahrendorf,



C. Die Transparenz der Triloge201

rigere Transparenzstandards erschwert – denn ohne Information ist auch keine sachgerechte Mitsprache möglich. Obwohl die Bürger in der Beratungsphase weniger aktiv einbezogen werden, sind sie hier besser zu informieren – jedoch hauptsächlich um den Gesetzgebungsprozess nachvollziehen zu können. Eine wirklich aktive und partizipative Mitgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens durch die Bürger wird so aber nicht gefördert.

C. Die Transparenz der Triloge Ordnet man nun den informellen Trilog in die gerade bezeichneten Dimensionen ein, kann zunächst festgestellt werden, dass sich dieser in der grundsätzlich transparenteren Beratungsphase des Gesetzgebungsverfahrens abspielt. Dennoch wird er selbst von der Kommission als „completely informal“197 bezeichnet. Aus diesem Grund ist zunächst anhand der strategischen Untersuchung der Bürgerbeauftragten zur Transparenz der informellen Triloge198 zu bewerten, inwieweit die Zugänglichkeit der Triloge bereits gewährt ist, bevor die dort getätigten Verbesserungsvorschläge und weitere Aspekte rechtlich beleuchtet werden können.

I. Inhalt und Ergebnisse der strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS Bei ihrer von Mai 2015 bis Juli 2016 andauernden Untersuchung beschäftigte sich die Bürgerbeauftragte alleine mit der proaktiven Transparenz der Triloge, wohingegen die Strukturierung des Gesetzgebungsverfahrens und der Triloge durch die Organe, sowie deren praktischer Umgang mit Dokumentenzugangsfragen bezüglich des Trilogs ausgeblendet wurden.199 Zu diesem Zweck hatte sie das Parlament, den Rat und die Kommission befragt,200 sowie zwei nach Trilogverhandlungen abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren untersucht, um im Anschluss daran eine öffentliche Konsul-

Kommission (Hrsg.), Guide to internal procedure, SPI (2007) 73, S. 9. Geöffnet am 26.05.2015, Entscheidung am 12.07.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/case.faces/de/46048/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 199  Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2017, Ziff. 10, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 200  Zu den anfänglichen Hindernissen vgl. Melzer, verfassungsblog.de, 01.12.2015, http://verfassungsblog.de/trilogverfahren-und-transparenzgebot-wer-kontrolliert-deneuropaeischen-gesetzgeber/ (zuletzt aufgerufen am: 07.11.2018). 197  Vgl.

198  Fall OI/8/2015/JAS,

202

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

tation durchzuführen.201 Dabei kam es zu gut fünfzig Eingaben von Bürgern, Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlern und nationalen Parlamenten.202 In den meisten dieser Schreiben wurde der Wunsch nach größerer Transparenz der Triloge verdeutlicht. Doch gab es auch Vorbehalte. So monierte beispielsweise der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen, dass sich größere Transparenz der Triloge negativ auf den Gesetzgebungsprozess auswirken würde, denn die „MdEP’s würden [dadurch zu] ‚Freiwild‘ für Lobbyisten und selbsternannte Gutmenschen“ werden.203 Die Befürchtung, dass es durch mehr Transparenz zu erhöhtem Lobbyismus komme, impliziert dabei, dass Lobbyismus grundsätzlich nicht wünschenswert sei. Allerdings ist die Beteiligung von und der Dialog mit Interessenvertretungen in Art. 11 Abs. 1, 2 EUV besonders normiert und damit sogar primärvertraglich legitimiert.204 Wesentlich problematischer sei es einzelnen Interessenvertretern zu Folge, dass es durch Triloge zu einer Ungleichbehandlung zwischen finanziell gut aufgestellten und bereits einflussreichen Lobbyisten und den nicht so stark vernetzten Verbänden komme, da Erstere durch ihre Kontakte leichter an „geheime“ Informationen kommen können.205 Eine faire Interessenvertretung könne deswegen nur dann stattfinden, wenn Informationen für alle gleichermaßen zugänglich gemacht werden.206 Durch die geheime Verhandlungsführung werde es erschwert den konkreten Entscheidungsprozess nachzuverfolgen. Dies treffe nach deren persönlicher Einschätzung sogar auf einzelne Europaabgeordnete zu.207 201  Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2017, Ziff. 11, abzurufen unter https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 202  Sämtliche Eingaben können unter https://www.ombudsman.europa.eu/de/ cases/case.faces/de/46048/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) abgerufen werden. 203  Vgl. Stellungnahme Langen v. 24.02.2016, https://www.ombudsman.europa. eu/de/cases/correspondence.faces/de/67616/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 204  Zur Beteiligung von Interessenvertretungen vgl. oben S. 111 ff. 205  Vgl. Stellungnahme EKD v. 08.03.201, Ziff.  5, https://www.ombudsman. europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67662/html.bookmark (zuletzt abgerufen am:), Stellungnahme Transparency International v. 31.03.2015, Ziff. 5, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67617/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 206  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2017, Ziff. 26, abzurufen unter https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html. bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 207  Vgl. Stellungnahme Jahr v. 05.04.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/ de/cases/correspondence.faces/de/67659/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018).



C. Die Transparenz der Triloge203

Wissenschaftler monieren, dass selbst wenn Dokumente über Triloge erstellt werden, diese nur schwer aufzufinden und zu verstreut in den verschiedenen Registern seien, so dass der durchschnittliche Unionsbürger diese kaum oder überhaupt nicht finden könne.208 Dieser Einschätzung kann zugestimmt werden, wenn man bedenkt, dass darüber hinaus viele Dokumente über einzelne Gesetzgebungsverfahren nur auf explizite und detaillierte Nachfrage zugänglich gemacht werden und auf diese Dokumente nicht einmal in Registern verwiesen wird.209 Damit ergibt sich zur Transparenz der Triloge folgender Standard: Die Trilogsitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ein direkter Zugang zu diesen Sitzungen ist für Nichtmitglieder der Verhandlungsteams nicht möglich.210 Entgegen dem Grundsatz aus der gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens211 werden einzelne Trilogsitzungen weder proaktiv angekündigt, noch etwaige Tagesordnungen veröffentlicht.212 Hinweise auf Dokumente zu den einzelnen Sitzungen lassen sich in diesen Datenbanken genausowenig wie die Zusammensetzung der einzelnen Verhandlungsteams finden.213 Allein im „Legislative Observatory“ des Europäischen Parlaments214 kann überhaupt erkannt werden, ob interinstitutionelle Verhandlungen stattfinden, bevor für den an diese Information anschließenden Zeitraum bis zum Abschluss der Verhand208  Vgl. dazu Stellungnahme Häge v. 31.04.2016, Ziff. 1,3, https://www.ombuds man.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67661/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 209  Vgl. dazu Stellungnahme Häge v. 31.04.2016, Ziff. 9, https://www.ombuds man.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67661/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 210  Vgl. Reh, The informal politics of codecision, 2008, S. 10 f. 211  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 9 nach der Triloge, die bei Parlament und Rat stattfinden, angekündigt werden, soweit dies praktisch durchführbar sei. 212  Für das hier beispielhaft herangezogene Verfahren zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG (2014/11/COD) findet sich auf der Seite EUR-Lex überhaupt kein Hinweis auf informelle Verhandlungen, vgl. http://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/20 14_11?qid=1504532137770&rid=1 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). Im legislative Observatory findet sich lediglich ein Hinweis darauf, dass der Ausschuss beschlossen habe interinstitutionelle Verhandlungen mit dem Rat auf Grundlage seines Ausschussberichts aufzunehmen, http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do? reference=2014/0011(COD)&l=en (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 213  Das Parlament veröffentlicht in seinem „Legislative Observatory“ jedoch zumindest den Berichterstatter und die Schattenberichterstatter, so dass das parlamentarische Verhandlungsteam ein Gesicht bekommt. 214  http://www.europarl.europa.eu/oeil/home/home.do (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

204

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

lungen keine Daten mehr zur Verfügung gestellt werden.215 Es ist damit nicht nur für den einfachen Unionsbürger nahezu unmöglich, Informationen über Sitzungen zu erhalten, von denen er nicht weiß, wann sie stattfinden und welche Dokumente in diesem Zusammenhang hergestellt wurden. Dies erscheint insbesondere mit Blick auf Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV problematisch, da dieser von einer proaktiven Bereitstellung von Dokumenten, die im Zusammenhang des Gesetzgebungsverfahrens entstanden sind, spricht.216 Zu Recht können die Triloge nach deren momentaner Ausgestaltung deswegen als „black box“217 des Mitentscheidungsverfahrens beschrieben werden. Doch nicht nur die Informationen über Triloge als solche sind für die Offenheit in diesem Zusammenhang wesentlich. Es fehlt auch dann an Nachvollziehbarkeit, wenn vor den Verhandlungen nicht einmal die einzelnen Ausgangsstandpunkte der Organe erkennbar sind. Denn nur so kann man die Konfliktlinien erkennen und ausmachen, durch welche Kompromisse Einigungen getroffen werden konnten. Während jedoch die Position der Kommission durch den bereits veröffentlichten Gesetzgebungsvorschlag218 und das Verhandlungsmandat des parlamentarischen Verhandlungsteams durch den Beschluss zur Aufnahme von Verhandlungen im Ausschuss219 öffentlich bekannt sind, fehlt es, wie bereits mehrfach erwähnt, an Informationen zum Standpunkt des Rates. Durch die Tatsache, dass Verhandlungen in informel215  So wurde beispielsweise beim Verfahren um die Datenschutzgrund-VO 2016/679 die Eröffnung der informellen Verhandlungen am 03.09.2014 nach Abschluss der ersten Lesung des Parlaments beschlossen und erst am 17.12.2015 durch den bestätigten Kompromiss im Ausschuss zu Ende gebracht, vgl. http://www. europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2012/0011(COD)&l=en #keyEvents (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 216  Präzisiert wird das Ganze auch noch durch Art.  12 Abs.  4 VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. nachdem das Register im Falle einer nicht proaktiven Veröffentlichung von Dokumenten zumindest möglichst genau angeben muss, wo das Dokument zu finden ist. 217  Vgl. Stellungnahme Jahr v. 05.04.2016, Ziff.  3 https://www.ombudsman. europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67659/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 218  Vgl. Art. 13 Abs. 1 a) VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S.  43 ff. 219  Seit der Geschäftsordnungsnovelle zu Anfang des Jahres 2017 werden die Ausschüsse in den Art. 69b ff. GO-EP (2017) dazu verpflichtet die informellen Verhandlungen auf Grundlage eines Ausschussberichts oder eines Parlamentsmandats durchzuführen. Die vorhergehende Regelung, dass Verhandlungen auch ausnahmsweise vor Erlass eines legislativen Berichts aufgenommen werden dürfen, wurde explizit zur Erhöhung der Transparenz der Triloge abgeschafft, vgl. Pressemitteilung v. 13.12.2016, http://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20161208IPR55155/ uberarbeitung-der-geschaftsordnung-fur-mehr-transparenz-im-parlament/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



C. Die Transparenz der Triloge205

len Trilogen regelmäßig bereits vor der ersten Lesung und nicht erst im Vermittlungsstadium stattfinden, hat der Rat zu dieser Zeit noch keinen Standpunkt erlassen und durch die Intransparenz der ratsinternen Vorbereitungsgremien erfährt man auch wenig über die Vorstellung des Gremiums und einzelner Mitgliedstaaten.220 Zwar veröffentlicht der Rat gelegentlich interne politische Einigungen in Form einer allgemeinen Ausrichtung, dies geschieht jedoch freiwillig und ist auch nicht selbstverständlich.221 Die Bürger müssen jedoch den Input und den Output des Verfahrens miteinander vergleichen können, um im Zweifel bei ihren Vertretern nachfragen zu können, wie die verschiedenen Interessen in Abwägung zueinander gebracht worden sind. Daran anknüpfend hat die Bürgerbeauftragte ihre Transparenzanforderungen an die informellen Triloge in drei Punkten zusammengefasst: Bürger müssen wissen, wann Triloge stattfinden, sie müssen generelle Informationen über den Inhalt der Verhandlungen beziehen können und sie müssen erfahren, wer an den Gesprächen teilnimmt.222 Um dieses Ziel zu verwirklichen, werden mehrere praktische Vorschläge in Erwägung gezogen. Durch die Erstellung eines Trilogkalenders solle sichergestellt werden, dass die Bürger zumindest die Basisinformation erhalten, wann es zu Trilogen kommt.223 Daneben wird den beiden Gesetzgebern angeraten, ihre Ausgangspositionen proaktiv zu veröffentlichen, selbst wenn dieser Standpunkt beispielsweise im Rat auf einer niedrigeren Repräsentationsebene getroffen wurde.224 Doch auch die Triloge selbst seien durch eine proaktive Veröffentlichung knapper Zusammenfassungen über den Inhalt der Sitzungen bevor oder kurz nach der jeweiligen Sitzung „zugänglicher“ zu machen.225 Als „Key Document“ der informellen Triloge seien nach dem Vorschlag der Bürgerbeauftragten auch 220  Auch dies wurde im Verfahren der Bürgerbeauftragten kritisiert, vgl. Stellungnahme Chiaretti v. 11.12.2015, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/ correspondence.faces/de/67630/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 221  Insoweit missverständlich von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 5. 222  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 32, https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 223  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 35 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 224  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 40 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 225  Die Bürgerbeauftrage bezeichnet diese Zusammenfassungen als „Trilogue agendas“; vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 46 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

206

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

die Vier-Spalten-Dokumente zu veröffentlichen, allerdings erst nach Abschluss der informellen Verhandlungen.226 Die Bürgerbeauftragte begründet diese im Vergleich zu den anderen Vorschlägen eher restriktive Forderung mit der besonderen, vom gegenseitigen Entgegenkommen geprägten, Verhandlungsführung der Gesetzgeber, die durch zu viel Druck von außen gefährdet werden könnte.227 Weiterhin wird vorgeschlagen, dass in der einzurichtenden Datenbank bzw. dem Trilogkalender Links zu öffentlichen Sitzungen, wie z. B. den Ausschusssitzungen des Parlaments, in denen über den Fortgang einzelner Triloge gesprochen wird, gesetzt werden sollten.228 Zuletzt seien auch die politisch Verantwortlichen des jeweiligen Organs für die einzelnen Triloge zu benennen und zu veröffentlichen. Falls dabei jedoch in technischen Trilogen auch einzelne, zivile Mitarbeiter betraut werden, seien deren Identitäten zu schützen.229 Ganz allgemein wird zum Abschluss der Entscheidung angeregt, so viele Dokumente wie möglich in einer möglichst einfachen und einfach verständlichen Datenbank zu veröffentlichen.230 Die Reaktionen der Organe auf diese Vorschläge waren verhalten. So lobt sich die Kommission in erster Linie für ihre eigenen Transparenzbemühungen im Rahmen von TTIP und der interinstitutionellen Vereinbarung zur „Besseren Rechtsetzung“, merkt aber an, dass die meisten Vorschläge der Bürgerbeauftragten alleine die beiden Co-Gesetzgeber beträfen.231 Das Parlament und der Rat sind sich zunächst einig, dass die Bürgerbeauftragte keine Gründe für „maladministration“ gefunden hat und ihre Vorschläge sich im Wesentlichen auf den Bereich der Gesetzgebung bezögen, für dessen Ausgestaltung den beiden Co-Gesetzgebern eine Einschätzungsprärogative zukom226  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 49 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 227  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 54 f., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 228  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 57 f., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 229  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 59 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 230  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 62 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 231  „The Commission will therefore hereafter express its views while noting that many of the specific recommendations of the Ombudsman are primarily for the European Parliament and the Council to respond to“, vgl. Commission reply to OI/8/2015/ JAS v. 16.12.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence. faces/de/75201/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



C. Die Transparenz der Triloge207

me.232 Der Rat weist darüber hinaus mehrfach auf das Bedürfnis möglichst vertraulicher Verhandlungen hin, die sich durch zu hohe formelle Anforderungen an die Triloge nur in andere Foren verlagern würden.233 Zudem merken alle einzeln angeschriebenen Organe an, dass etwaige Vorschläge ohnehin nur durch alle Organe gemeinsam umzusetzen seien, wozu dann insbesondere die noch einzurichtende gemeinsame Legislativdatenbank dienen soll. Bereits anhand dieser Reaktionen lässt sich erkennen, dass die Organe wenig Interesse daran haben, die Transparenz der Triloge grundlegend zu reformieren. Der Rat greift dabei die typische, bereits bei der Diskussion um die Öffentlichkeit der Ratssitzungen angeführte, Argumentation auf, nach der Transparenz dazu führen würde, dass Verhandlungen an anderer informeller Stelle geführt werden.234 Das Parlament erinnert an seine bereits getätigte Reform der Geschäftsordnung235 und verweist im Weiteren auf nötige Absprachen mit dem Rat. Die Kommission versteckt sich hinter den beiden Co-Gesetzgebern, obwohl ihre Verhandlungsposition durch das Verhandeln in frühen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens aufgewertet wird.236 Verantwortung wird sich gegenseitig zugeschoben, soll aber nicht selbst getragen werden. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Beteuerung der beiden Gesetzgeber, dass die Untersuchung der Bürgerbeauftragten größtenteils nicht von deren Auftrag gedeckt gewesen sei.237

232  Vgl. Response from the Council to OI/8/2015/JAS v. 21.12.2016, https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/75202/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); Response from the European Parliament to OI/8/2015/JAS v. 16.12.2017, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspon dence.faces/de/75200/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 233  Response from the Council to OI/8/2015/JAS v. 21.12.2016, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/75202/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 234  Zur Diskussion um die Öffentlichkeit der Ratstagungen vgl. oben S. 185 f. 235  In der bekanntlich auch die Mandatierung der Verhandlungsteams insoweit reformiert wurde, dass Verhandlungen nicht mehr vor Annahme eines Berichts stattfinden dürfen, vgl. dazu oben S. 66 ff. 236  Zur Aufwertung der Kommissionsposition durch Verhandlungen in frühen Stadien des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens vgl. oben S. 152 ff. 237  Vgl. Response from the Council to OI/8/2015/JAS v. 21.12.2016, https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/75202/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); Response from the European Parliament to OI/8/2015/JAS v. 16.12.2017, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspon dence.faces/de/75200/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

II. Rechtliche Bewertungen Dabei muss unabhängig von der Frage des Auftrags der Bürgerbeauftragten eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von ihr formulierten Vorschlägen vorgenommen werden, um die Frage beantworten zu können, ob diese Vorschläge eine sachgerechte und vertragskonforme Ausgestaltung der Konfliktlage darstellen. Der rechtliche Rahmen hierzu wurde bereits gezogen: Die Organe sind innerhalb ihrer Gesetzgebungstätigkeit auf Grund der besonderen Vertragsvorschriften der Art. 15  Abs. 2,  Abs. 3  UAbs. 5 AEUV zu größtmöglicher Transparenz verpflichtet. Zwar sind die Organe auch ausweislich des Art. 295 AEUV zur Selbstorganisation ihrer Zusammenarbeit berechtigt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die gesetzgeberische Tätigkeit der Europäischen Union insbesondere am Maßstab der Effizienz messen lassen muss. Denn nur wenn die Organe auch entscheidungsfähig sind, kann sich die Union ihre Kompetenzen erhalten.238 Die damit eröffnete Möglichkeit, sich unterhalb der Verträge eigene Verfahrenspräzisierungen zu schaffen, kann jedoch nicht dazu führen, dass wesentliche Vertragsprinzipien unterminiert werden.239 Denn allein aus der grundsätzlichen Berechtigung zum Handeln ergibt sich nicht die Rechtmäßigkeit des Handelns. 1. Keine Sitzungsöffentlichkeit der Trilogsitzungen Keinen Änderungsvorschlag gab die Bürgerbeauftragte zur Nichtöffentlichkeit der Trilogverhandlungen ab. Das mag einerseits verständlich sein, richtet sich doch die primärvertragliche Verpflichtung zur Sitzungsöffentlichkeit nach Art. 15 Abs. 2 AEUV explizit nur an die Sitzungen des Parlaments und des Rates, wenn er über Gesetzgebungsakte berät. Andererseits treten trotzdem zumindest die Parlamentsausschüsse grundsätzlich öffentlich zusammen. Dies wird zwar lediglich auf der Ebene der Geschäftsordnung normiert,240 aber in der einschlägigen Literatur als verpflichtende Interpretation der primärvertraglichen Bestimmungen erkannt.241 Allerdings sind Sitzungen im informellen Trilog von ihrer Funktion her nicht mit organinternen Vorbereitungsgremien, sondern mit dem nach Art. 294 Abs. 10 AEUV eingerichteten Vermittlungsausschuss zu verglei238  Vgl.

zum Zweck der Effizienz innerhalb der Verträge oben S. 90 ff. hierzu die Grenzen interinstitutioneller Vereinbarungen auf S. 38 ff. 240  Vgl. Art. 115 Abs. 3 GO-EP (2017). 241  Vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 15 AEUV, Rn. 3; Hofstötter, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 15 AEUV, Rn. 7; Krajewski/Rösslein, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 15 AEUV Rn. 15. 239  Vgl.



C. Die Transparenz der Triloge209

chen. Dieser tagt jedoch ebenfalls nichtöffentlich. Der EuGH hat in einer Entscheidung zur Gültigkeit der Fluggastrechteverordnung242 aus dem Jahr 2006 eher beiläufig festgestellt, dass dies nicht gegen die Grundsätze der repräsentativen Demokratie verstoße, da das Parlament in den Sitzungen des Vermittlungsausschuss vertreten sei und seine wirksame Beteiligung darüber hinaus durch die Bestätigung des Vermittlungsergebnisses in der dritten Lesung erfolge.243 Dort werde auch die Transparenz des Verfahrens hergestellt.244 Eine weitere Auseinandersetzung oder Abwägung erfolgt abseits dieser knappen Feststellung nicht. Verkannt wird dabei, dass nicht nur die Beteiligung des Parlaments, sondern auch die verantwortliche Rückbindung an die Bürger ein Element repräsentativer Demokratie ist. Zutreffend hat der EuGH selbst später im Rahmen des Zugangs zu Verfahrensdokumenten festgestellt, dass Transparenz zur Stärkung der Demokratie beitrage, indem sie dem Bürger ermögliche „alle Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist.“245 Dies wird jedoch insbesondere dann nicht ermöglicht, wenn zur Herstellung der Transparenz alleine auf die dritte Lesung verwiesen wird und das Vermittlungsverfahren nicht zumindest nachträglich nachvollziehbar gemacht wird. Trotz der insuffizienten Argumentation kann dem EuGH jedoch im Ergebnis zugestimmt werden. Denn es sprechen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens gewichtige Gründe dafür, der Effizienz den Vorrang gegenüber absoluter Transparenz einzuräumen. So findet die Vermittlung in der späten Phase des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens statt, nachdem sich Rat und Parlament in zwei Lesungen noch nicht einigen konnten. Das Verfahren droht zu scheitern, so dass im Rahmen vertraulicher Gespräche um gegenseitige Zugeständnisse gerungen werden muss. Etwaiger Druck von außen auf die Verhandlungspartner könnte dazu führen, dass sich diese weniger kompromissbereit zeigen und das Verfahren endgültig scheitert.246 Daneben wirkt sich auch der zeitliche Druck der auf sechs (bzw. maximal acht) Wochen beschränkten Vermittlungsphase belastend aus. Der Effizienz kann in diesem Fall aber auch deswegen ein Vorrang gegenüber der Transparenz eingeräumt werden, weil in der Vermittlungsphase durch die Verträge und die Organe selbst Möglichkeiten geschaffen wurden, die dem Bürger eine Nachvollziehbarkeit der im Geheimen stattfindenden Verhandlungen ermöglicht. So sind den Bürgern die Ausgangsstandpunkte der Organe bereits bekannt, da diese gemeinsam mit den Konfliktlinien bei den Diskussionen in den ersten beiden 242  VO

(EG) Nr. 261/2004, ABl. L 46 v. 17.02.2004, S. 1 ff. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 61. 244  Vgl. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006, Rn. 61. 245  EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46. 246  Vgl. zu den effizienzsteigernden Vorteilen informellen Verhandelns näher oben S.  89 f. 243  Vgl.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Lesungen zu erkennen waren. Durch die nachträgliche Zugänglichmachung der Vierspaltendokumente wird zudem die Phase der Vermittlung selbst greifbar.247 Weiterhin hat sich sogar der Rat in seiner Geschäftsordnung selbst dazu verpflichtet, die Abstimmungsergebnisse und Erklärungen zur Stimmabgabe der Ratsmitglieder im Rahmen des Vermittlungsausschusses proaktiv zu veröffentlichen.248 Für das Parlament existiert zwar keine vergleichbare Regelung, allerdings können identische Informationen aus dessen Bericht für die dritte Lesung herausgelesen werden.249 Für die Praxis der informellen Triloge lässt sich diese Argumentation zumindest auf komplizierte Gesetzgebungsverfahren übertragen.250 In diesen Verfahren wird die Vermittlung in ein Stadium zeitlich unbegrenzten Verhandelns getragen, um frühzeitig ein Scheitern des Vorhabens vermeiden und eine Einigung der beiden Gesetzgeber erreichen zu können. Die Vergleichbarkeit wird aber nur dann gegeben sein, wenn die Transparenz der Triloge durch eine ordentliche Verfahrensdokumentation hergestellt wird. Denn nur bei voller Nachvollziehbarkeit des Inputs und des Outputs wird die gesetzgeberische Verantwortlichkeit sichtbar. Hierzu muss vor allem im Ministerrat ein Umdenken stattfinden.251 Deswegen ist es notwendig, dass die Organe die Informa­ tionen über abzuhaltende und abgehaltene Triloge ebenso zugänglich machen, wie die Informationen über Vermittlungsverfahren zugänglich gemacht worden sind. Dies muss erst recht dann gelten, wenn man bedenkt, dass es auf Grund der Anwendung von Trilogen in den frühen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens faktisch zu keinen Vermittlungsverfahren mehr kommt.252 2. Bereitstellung von Trilogkalendern Einen ersten Schritt in diese Richtung würden die Organe gehen, wenn sie wie gefordert einen Kalender zu den stattfindenden Trilogen zur Verfügung 247  Auf Antrag kann eine Veröffentlichung der Dokumente auch schon vor Beendigung des Vermittlungsverfahrens erfolgen, vgl. dazu Leitfaden Vermittlungsverfahren und Mitentscheidung 07/2007, S. 25. 248  Vgl. Art. 7 Abs. 4 GO-Rat. 249  Vgl. De Leeuw, ELR 2007, S. 295, 314. 250  Die Anwendung der Triloge als Standardverfahren lässt sich bereits mit den Vertragsprinzipien der Effizienz und der loyalen Zusammenarbeit schwer begründen, vgl. dazu krit. oben S. 96 ff. 251  In seiner Antwort auf die Untersuchung der Bürgerbeauftragten merkte der Rat an, dass über die Publikation des Verhandlungsmandats vor Beginn der Triloge zumindest interne Diskussionen stattfinden, vgl. Response from the Council to OI/8/2015/JAS v. 21.12.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspon dence.faces/de/75202/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 252  Vgl. hierzu bereits oben S. 163 ff.



C. Die Transparenz der Triloge211

stellen würden. Dadurch könnten interessierte Unionsbürger erfahren, wann und wo die Treffen abgehalten werden und so auch leichter Anträge auf Zugänglichmachung einzelner Trilogdokumente aus der betreffenden Sitzung stellen. Darüber hinaus könnte so der informelle Fortschritt des Verfahrens nachvollzogen werden. Es sollte nicht sein, dass über wesentliche Kompromissentscheidungen hinsichtlich legislativer Akte in scheinbar nicht stattfindenden Sitzungen gesprochen wird. Damit stellt diese Forderung eigentlich eine Selbstverständlichkeit dar, zumal selbst die Organe bereits im Jahr 2007 vereinbart haben, dass „Triloge, die beim Europäischen Parlament und beim Rat stattfinden angekündigt [werden], soweit das praktisch durchführbar ist.“253 Auf den Internetseiten der Organe sucht man jedoch vergeblich nach systematisierten Terminen oder Zeitplänen der Triloge.254 Dies wird vor allem damit begründet, dass es andernfalls zu einer zu starken Formalisierung des eigentlichen informellen Prozesses käme und die Organe auf einzelne Termine festgelegt wären.255 Gleichwohl wäre es möglich, diese Zeitpläne zumindest unter Vorbehalt zu veröffentlichen, da sie intern existieren. Der Wille hierzu scheint jedoch unter den Organen nicht ausgeprägt zu sein, da sie jeweils auf die zuvor notwendigen Absprachen untereinander und auf die immer noch einzurichtende, in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung versprochene,256 gemeinsame Legislativdatenbank verweisen.257 Wenn die beiden Gesetzgeber in dieser Diskussion immer wieder auf ihre Einschätzungsprärogative und ihre Verantwortung für die Effizienz des Gesetzgebungsverfahrens verweisen,258 sollten sie bedenken, dass sie ebenfalls eine Verantwortung für die Akzeptanz der Europäischen Union in den 253  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 9. 254  Die Veröffentlichung von Trilog Timetables einzelner Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch nicht systematisch, sondern an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Beteiligten verfolgt. So hat beispielsweise die EVP-Fraktion den Zeitplan der Trilogverhandlungen um die Datenschutzgrund-VO im Internet verfügbar gemacht, vgl. http://www.eppgroup.eu/de/news/Data-protection-reform-timetable (zu­letzt abgerufen am: 07.11.2018). 255  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 38, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 256  ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 39. 257  Vgl. nur Response from the European Parliament to OI/8/2015/JAS v. 16.12.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/ 75200/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 258  Response from the Council to OI/8/2015/JAS v. 21.12.2016, https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/75202/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Augen der Unionsbürger haben. Durch die Verweigerung einfachster Veröffentlichungen dürfte diese Akzeptanz nicht steigen. 3. Veröffentlichung der Sitzungsteilnehmer und Ausgangsstandpunkte der Organe Weiterhin wurde gefordert, die Teilnehmer der einzelnen Triloge bzw. die Verantwortlichen innerhalb der Organe zu benennen.259 Das Parlament verweist jedoch in seiner Antwort auf die strategische Untersuchung zu Recht darauf, dass sein Verhandlungsteam in den informellen Trilogen bekannt sei.260 Dieses besteht mindestens aus dem Vorsitz des zuständigen Parlamentsausschusses oder einem seiner Stellvertreter, dem Berichterstatter als Leiter und den Schattenberichterstattern der Fraktionen.261 Die genaue namentliche Zusammensetzung lässt sich aus der Verfahrensdatenbank Legislative Observatory erschließen.262 Für eine größere Klarheit wäre es allerdings von Vorteil, wenn die durch verschiedene interne Vertretungsregeln teilweise variierenden Teilnehmer der Trilogsitzungen direkt neben den einzelnen Trilogterminen im noch einzurichtenden Trilogkalender veröffentlicht würden. Dies wäre insbesondere wichtig, um die Teilnehmer seitens der Kommission und des Rates auch namentlich bekannt zu machen. Denn im Gegensatz zum eher starren Verhandlungsteam des Parlaments während eines Dossiers, wandelt sich die Zusammensetzung der Kommissions- und Ratsvertreter je nach Stadium des Verfahrens und politischen Bedeutung des behandelten Themas.263 Bekannt ist lediglich, dass die Verantwortung für das Verhandlungsteam des Rates beim AStV und dem Ratsvorsitz liegt, während bei der Kommission der Name des zuständigen Kommissars an entsprechender Stelle veröffentlicht wird.264 Wenn Rat und Kommission zum scheinbaren 259  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 59 ff., https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 260  Allgemein und ausführlich zu den Teilnehmern des informellen Trilogs oben S.  115 ff. 261  Vgl. Art. 69f Abs. 1 GO-EP (2017); zur geschichtlichen Entwicklung des parlamentarischen Verhandlungsteams vgl. Corbett/Jacobs/Neville, The European Parliament, 2016, S. 286. 262  Dies allerdings nur, wenn man eine gewisse Vorkenntnis über die grundsätzliche Zusammensetzung des Trilogverhandlungsteams mitbringt, vgl. für das beispielhafte Verfahren um die Datenschutz-GrundVO http://www.europarl.europa.eu/oeil/ popups/ficheprocedure.do?reference=2012/0011(COD)&l=en (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 263  Vgl. dazu oben S. 115 f. 264  Im Portal EUR-Lex wird der verantwortliche Kommissar für einzelne Verfahrensschritte des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens explizit aufgeführt. Im prakti-



C. Die Transparenz der Triloge213

Gewinn einer höheren Flexibilität schon darauf verzichten, die Mandatierung ihrer Verhandlungsteams rechtlich zu vereinheitlichen, sollte zumindest bekannt werden, welche Teams für konkrete Verhandlungen bestimmt worden sind. Denn nur so lässt sich auf die für den Inhalt des erlassenen Rechtsakts maßgeblich Verantwortlichen auch Rekurs nehmen. Insoweit erscheint es auch zielführend, die Ausgangspositionen der Organe zu veröffentlichen, da nur so In- und Output der informellen Verhandlungen miteinander verglichen werden können. Ein Transparenzdefizit bei Verhandlungen vor der ersten Lesung zeigt sich hier insbesondere für den Verhandlungsstandpunkt des Rates.265 Denn im Gegensatz zum Standpunkt der Kommission, der in Form des Initiativvorschlags veröffentlicht wird und dem Standpunkt des Parlamentsausschusses, der dessen Verhandlungsmandat darstellt und deswegen vor den informellen Verhandlungen verabschiedet werden muss,266 wird der Verhandlungsstandpunkt des Rates bei Verhandlungen vor der ersten Lesung regelmäßig nicht proaktiv veröffentlicht. 4. Veröffentlichung der Vierspaltendokumente. Gleichzeitig Besprechung der Entscheidung EuG, Rs. T-540/15 (De Capitani/Parlament) Die Bestrebungen zur Erhöhung der Transparenz von Trilogen kulminieren schließlich in den Fragen ob, wann und in welcher Form die zentralen Verhandlungsdokumente der informellen Triloge veröffentlicht werden sollen.267 In den sog. Vierspaltendokumenten wird der Verhandlungsfortschritt der Triloge sichtbar gemacht, indem in den ersten drei Spalten die Standpunkte der einzelne Organe und in die vierte Spalte die Kompromisse eingetragen werden.268 In der Praxis stellen die Organe die Vierspaltendokumente nach Abschluss der Gesetzgebungsverfahren in ihre Dokumentenregister ein, wo sie jedoch teilweise nur auf Anfrage zugänglich gemacht schen Beispiel zur Datenschutz-GrundVO gab es auf Grund des zwischenzeitlichen Kommissionswechsels zwei unterschiedliche verantwortliche Kommissarinnen, vgl. http://eur-lex.europa.eu/procedure/DE/2012_11?qid=1505388514050&rid=1 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). Daraus kann auch geschlossen werden, welcher Kommissar die Verantwortung für die vorhergehenden informellen Triloge getragen hat. 265  Vgl. dazu oben S. 204 f. 266  Vgl. Art. 69b ff. GO-EP (2017). 267  Vor allem der Veröffentlichungszeitpunkt wird von der Bürgerbeauftragten als „key question“ gesehen, vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 53, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html. bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 268  Vgl. Verhaltenskodex für Verhandlungen im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, Textsammlung EP 05/2017, S. 78 f., Ziff. 5.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

werden.269 Dies entspricht zwar nicht dem Grundsatz der in Art. 15 Abs. 3 UAbs. 5 AEUV normierten proaktiven Veröffentlichung von Legislativdokumenten, trägt aber dennoch zur Herstellung größerer Ergebnistransparenz bei. Denn nach Abschluss des Verfahrens können interessierte Bürger so zumindest den In- und Output der Trilogverhandlungen nachverfolgen. Der in Art. 4  Abs. 3 Transparenz-VO270 aufgeführte Schutz interner Verfahren kann in diesem Stadium nicht mehr zur Rechtfertigung der Geheimhaltung herangezogen werden.271 Offen bleibt damit aber die Frage, ob nicht auch die von den Verträgen und der Transparenzverordnung weniger begünstigte272 Verfahrenstransparenz der Trilogverhandlungen gestärkt werden sollte, indem Vierspaltendokumente tagesaktuell und direkt im Anschluss an die einzelnen Trilogsitzungen zugänglich gemacht werden. So könnte man den Verhandlungsfortschritt und besonders strittige Aspekte des gegenständlichen Gesetzgebungsverfahrens leichter erkennen. Andererseits könnte darunter jedoch auch die effizienzsteigernde Funktion des Trilogverfahrens leiden. Denn die Bürgerbeauftragte merkte in ihrer Untersuchung an, dass in den Trilogverhandlungen oftmals wechselseitige und vorläufige Zugeständnisse gemacht und in die Vierspaltendokumente zunächst eingetragen, dann aber im Verlauf der weiteren Verhandlungen wieder zurückgenommen würden.273 Vom Europäischen Parlament wird dieses Verhandlungsprinzip als „nothing is agreed until everything is agreed“ bezeichnet.274 Eine Veröffentlichung der Vierspaltendokumente im Anschluss an jede einzelne Trilogsitzung könnte dazu führen, dass die Verhandlungsführer einem Erwartungsdruck ausgesetzt werden, indem die vorläufigen Zugeständnisse von den Beobachtern als politisch verbindlich angesehen werden. Als Folge könnten die einzelnen Organvertreter in Zukunft weniger dazu bereit sein, vorläufige Kompromisse zu erreichen, was den gesamten Verhandlungscharakter der politischen Entscheidungsfindung im Trilog erschwert. Um möglichen Schaden vom gesamten Trilogsystem abzuwenden, schlägt die 269  Vgl. Stellungnahme des Parlaments zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/ JAS v. 29.l0.2015, Ziff. 17 ff., https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspon dence.faces/de/61592/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 270  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 271  Gegen die Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO auf abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren vgl. oben S. 194 ff. 272  Vgl. dazu oben 157 f. 273  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 5., https://www. ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 274  Vgl. Stellungnahme des Parlaments zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/ JAS v. 22.l0.2015, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/ de/61591/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



C. Die Transparenz der Triloge215

Bürgerbeauftragte einen Kompromiss vor: Die Vierspaltendokumente sollen zwar nicht direkt im Anschluss an die einzelnen Trilogsitzungen proaktiv veröffentlicht werden, aber unmittelbar nach der abschließenden Trilogeinigung und vor formeller Annahme des Gesetzgebungsaktes.275 Obiger Argumentation muss jedoch entgegengehalten werden, dass sie das politische Verständnis der Verfahrensbeobachter unterschätzt und die Vorzüge der Veröffentlichung der jeweiligen informellen Verhandlungsschritte nicht in die Abwägung mit einbezieht. Durch deren Bekanntgabe kann nämlich eine bessere Nachvollziehbarkeit der strittigen Punkte des späteren Gesetzes erreicht werden, die nicht zuletzt auch den Rechtsanwendern zu Gute kommen würde. Die Gesetzgeber sollten diese Chance nutzen, um bei den Unionsbürgern ein besseres Verständnis für die besondere Bedeutung der vertieften Kooperation zu kreieren. Schließlich werden diese durch die Verträge gerade dazu ermutigt, effizient und loyal zusammenzuarbeiten.276 Geschieht dies auch noch transparent, könnte diese Besonderheit der unionalen „Verhandlungsdemokratie“277 zu einer höheren Akzeptanz der ganzen Europäischen Union führen. Die besondere Bedeutung der Kompromissfindung hat auch der EuGH anerkannt, indem er zur Gesamtverwirklichung eines Gesetzgebungsaktes im Rahmen des Vermittlungsausschusses auch Abänderungen über die Punkte zulässt, über die in den vorherigen Lesungen eigentlich bereits eine Einigung erreicht wurde.278 Genau deswegen ist auch die Rücknahme eines vorläufigen Kompromisses in Trilogverhandlungen keine Besonderheit, die die Beobachter des Entscheidungsprozesses überraschen würde. Sie ist vielmehr als Bestandteil der Konsensfindung zu akzeptieren. In der Rechtspraxis muss sich die Frage der Veröffentlichung dieser Dokumente jedoch nicht nur anhand rechtspolitischer Argumente, sondern auch an den in den Verträgen und insbesondere in der Transparenzverordnung279 aufgestellten Maßgaben messen lassen. Genau dies war jüngst Gegenstand des Verfahrens De Capitani/Parlament vor dem EuG.280 Im Vorfeld dieses Rechtsstreits hatte der Rechtswissenschaftler und ehemaliger Leiter des Sekretariats des Ausschusses Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Eu275  Vgl. Entscheidung im Fall OI/8/2015/JAS v. 12.07.2016, Ziff. 55, https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/decision.faces/en/69206/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 276  Zu den Grundsätzen der Effizienz und loyalen Zusammenarbeit vgl. oben S.  79 ff. 277  Auf diesen Begriff eingehend Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 182 f.; zum Demokratiebegriff auf der Ebene der europäischen Union ausführlich unten S. 226 ff. 278  Vgl. EuGH, Rs. C-344/04 (IATA), Urt. v. 10.01.2006. 279  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 280  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018.

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Vierter Teil: Transparenz der Triloge

ropaparlament (LIBE) vom Parlament zunächst Zugang zu sämtlichen Vierspaltendokumenten aller zum Zeitpunkt der Antragstellung laufenden informellen Triloge verlangt.281 Nachdem seine Anfrage auf Grund des Rechercheumfangs und der damit verbundenen Arbeitsbelastung abgelehnt wurde,282 beschränkte er diese auf das seine frühere Ausschusstätigkeit umfassende Politikfeld.283 Diesem Folgeantrag hat das Parlament dann zwar größtenteils entsprochen, allerdings wurde bezüglich zweier Dokumente der Zugang zu der die Kompromissvorschläge und die vorläufigen Positionen der Ratspräsidentschaft beinhaltenden vierten Spalte abgelehnt.284 Das Parlament stützte sich dabei im Wesentlichen auf den Ausnahmetatbestand zum Schutz der internen Entscheidungsfindung laufender Verfahren des Art. 4 Abs. 3  UAbs. 1 Transparenz-VO,285 da bei einer Veröffentlichung der vierten Spalte der Entscheidungsprozess des Parlaments und die interinstitutionelle Kompromissfindung „actually, specifically and seriously“ beeinträchtigt werde.286 Insbesondere das Verhältnis zwischen dem Berichterstatter und der Ratspräsidentschaft könne bei einer Bekanntmachung der vorläufigen Ratsposition nachhaltig beschädigt werden. Durch den öffentlichen Druck würde zudem die gemeinsame Entscheidungsfindung des Parlaments erschwert.287 Es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Spalten, denn das Transparenzprinzip und etwaige höhere Demokratieanforderungen als solche können nicht geltend gemacht werden, da sie bereits die Grundlagen für die Transparenzverordnung bildeten.288 Die 281  Zu den Hintergründen vgl. De Capitani, free-group.eu, 02.07.2015, https:// free-group.eu/2015/07/02/how-the-eu-legislative-triangle-is-becoming-a-bermudestriangle/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 282  In der Rs. C-127/13 P, Urt. v. 02.10.2014, Rn. 28 hatte der EuGH grundlegend festgestellt, dass ein Organ den Zugang zu Dokumenten verweigern könne, wenn die „mit der Verbreitung verbundene Arbeitsbelastung außer Verhältnis zu den mit dem Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten verfolgten Zielen steht.“ 283  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 3. 284  Der Ablehnungsbescheid vom 08.07.2015 findet sich bei De Capitani, free-group. eu, 12.07.2015, https://free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-youshould-never-watch-them-being-made/#more-2485 (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 285  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff.; zur Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO vgl. oben S. 194 ff. 286  Vgl. Ablehnungsbescheid vom 08.07.2015 bei De Capitani, free-group.eu, 12.07.2015, https://free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-you-shouldnever-watch-them-being-made/#more-2485 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 287  Vgl. Ablehnungsbescheid vom 08.07.2015 bei De Capitani, free-group.eu, 12.07.2015, https://free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-you-shouldnever-watch-them-being-made/#more-2485 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 288  Vgl. Ablehnungsbescheid vom 08.07.2015 bei De Capitani, free-group.eu, 12.07.2015, https://free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-you-shouldnever-watch-them-being-made/#more-2485 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



C. Die Transparenz der Triloge217

besondere Bedeutung des Verfahrens für die Organe zeigt sich auch daran, dass sowohl Rat als auch Kommission dem Rechtsstreit auf Seiten des Parlaments beigetreten sind.289 In ihren Interventionsstatements merkten Rat und Kommission an, dass für die vierte Spalte der Vierspaltendokumente eine generelle Vermutung der Nichtöffentlichkeit angenommen werden müsse.290 Denn nur so könne sichergestellt werden, dass der Einfluss Dritter auf das Gesetzgebungsverfahren klein gehalten werde und unter den Organen ein größtmögliches Vertrauensverhältnis herrsche.291 Die darauf folgende Entscheidung baut das Gericht in vier Abschnitten auf. In einem ersten Teil292 beschreibt es allgemein die Transparenzverordnung, die Veröffentlichungsausnahme nach Art. 4  Abs. 3  UAbs. 1  Transparenz-VO293 und die Voraussetzungen für die generelle Vermutung der Nichtöffentlichkeit bestimmter Dokumentenkategorien. Im Anschluss daran beschäftigt sich das Gericht mit der Natur und dem Wesen der informellen Triloge.294 Im dritten Abschnitt lehnt das Gericht das Vorliegen einer generellen Vermutung für die Nichtöffentlichkeit der vierten Spalte der Vierspaltendokumente ab,295 bevor es schließlich im letzten Teil der Entscheidung die Frage beantwortet, ob der Entscheidungsprozess des Parlaments durch die Veröffentlichung der vierten Spalte ernstlich beeinträchtigt worden wäre.296 Dabei kommt das Gericht zum Ergebnis, dass die vorgebrachten Gründe des Parlaments eine solche Beeinträchtigung nicht ausreichend darlegen können und die Verweigerung des Parlaments die vierte Spalte zu veröffentlichen unrechtmäßig war.297 Der Entscheidung des EuG ist größtenteils zuzustimmen. Insbesondere die Klarstellung, dass die vierte Spalte der Vierspaltendokumente nicht unter die allgemeine Vermutung der Nichtöffentlichkeit fallen könne, knüpft an das bereits oben Dargestellte an.298 Denn zum einen würde eine derartige Vermutung gegen die gesteigerten Transparenzanforderungen legislativen Handelns verstoßen und zum anderen wurde eine Vermutungsregel in der Unions­ rechtsprechung bisher nur bezüglich der Dokumente laufender Verwaltungs289  EuG,

Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 10 f. Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 51. 291  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 51. 292  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 57 ff. 293  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff.; zur Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Transparenz-VO vgl. oben S. 194 ff. 294  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 68 ff. 295  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 76 ff. 296  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 85 ff. 297  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 85 ff. 298  Vgl. dazu oben S. 189 ff. 290  EuG,

218

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

oder Gerichtsverfahren zugesprochen.299 Bezüglich der Frage, wann der Entscheidungsprozess eines Organs durch die Veröffentlichung der vierten Spalte beeinträchtigt werde, setzt sich das Gericht ausführlich mit der Argumentation des Parlaments auseinander. Dabei bemerkt es richtigerweise, dass sich eine ernstliche Beeinträchtigung nicht allein aus der Sensibilität eines besonderen Politikbereiches – hier polizeiliche Zusammenarbeit – ergeben könne, da ansonsten dieser gesamte Bereich nicht den legislativen Transparenzanforderungen unterliegen würde.300 Auch den Besorgnissen allgemeiner Natur tritt das EuG entgegen. So stellt es klar, dass das Ansteigen von öffentlichem Druck auf die Verhandlungsparteien in der Regel kein Grund für Geheimhaltung, sondern die öffentliche Information und Beteiligung vielmehr vertraglich und demokratisch gewünscht sei.301 Ebenso werde den Bürgern zugetraut, dass sich die Vorläufigkeit der Einigung in der vierten Spalte und damit das Prinzip des nothing is agreed until everything is agreed“ verstehen können.302 Darüber hinaus dürfen die Triloge auch nicht als besonders geschützter „space to think“ gesehen werden, da es sich bei den Trilogen um eine substantielle Phase des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens handle und darüber hinaus auch nur der Zugang zu Dokumenten des Trilogs und nicht zu den Trilogen selbst beantragt worden sei.303 Ein besonderes Veröffentlichungsbedürfnis ergebe sich zudem aus dem langen Zeitraum in dem Trilogverhandlungen stattfinden. Denn dadurch erfahren Bürger oftmals ein Jahr lang nichts über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens.304 Auch die in dieser Zeit stattfinden Sitzungen der jeweils zuständigen Parlamentsausschüsse reichen nicht aus, um den Bürgern verlässlich genügend Informationen über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zu gewähren.305 Gleichwohl stellt das Gericht am Ende seiner Entscheidung heraus, dass der Ausnahmegrund nach Art. 4  Abs. 3  UAbs. 1  Transparenz-VO306 nicht generell für laufende Trilogverhandlungen ausgeschlossen sei, da die legislative Tätigkeit nicht explizit aus dem Ausnahmetatbestand herausgenommen wurde.307 Damit haben die Organe durch entsprechende Argumentation und

299  Insoweit

auch EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 76 ff. Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 89. 301  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 98. 302  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 102. 303  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 105 f. 304  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 107. 305  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 108. 306  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 307  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 112. 300  EuG,



C. Die Transparenz der Triloge219

Beweisführung auch weiterhin grundsätzlich die Möglichkeit die Veröffent­ lichung der vierten Spalte der Vierspaltendokumente zu verweigern. Nicht auseinandergesetzt hat sich das Gericht mit einer anderen Frage, die vorliegend zu einer Unanwendbarkeit des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 Transparenz-VO308 führen könnte. Nach diesem kann nämlich nur der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde, verweigert werden. Es ist jedoch fraglich, ob es sich bei den Vierspaltendokumenten um interne Dokumente eines Organs handelt. Ein Dokument könnte nämlich gerade dann nicht mehr organintern sein, wenn es einem anderen Organ zur Verfügung gestellt wird.309 Denn der Ausnahmetatbestand kennt in seinem Wortlaut keine gemeinschaftsinternen, sondern bloß organinterne Dokumente.310 Die Vierspaltendokumente werden jedoch in der Praxis von dem Gesetzgeber erstellt, der für das einzelne Gesetzgebungsdossier federführend verantwortlich ist und den anderen beteiligten Organen zur Verfügung gestellt.311 Aus diesem Grund bezeichnet selbst der Rat die Vierspaltendokumente als „shared document[s].“312 Andererseits muss beachtet werden, dass die Transparenzverordnung in einer Zeit entstand, in der die institutionalisierte, organübergreifende, dokumentenbasierte Zusammenarbeit innerhalb informeller Triloge noch nicht absehbar war. Deswegen überdehnt es den Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 Transparenz-VO313 nicht, wenn man diesen dahingehend teleologisch auslegt, dass unter Dokumenten für den internen Gebrauch auch diejenigen zu verstehen sind, die die Organe für ihren gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess in Trilogen erstellen. Denn der wesentliche Schutzzweck des Ausnahmetatbestandes sind die jeweiligen organinternen Meinungsbildungsprozesse, die in informellen Trilogen in einem gemeinsamen Konsensfindungsprozess gipfeln. Die dazu erstellten Vierspaltendokumente dienen dabei sowohl der internen Meinungsbildung, als auch der gemeinsamen Kompromissfindung. Nur weil die Organe aus Praktikabilität hierzu ein gemeinsames 308  VO

(EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. diesem Fall kann sich lediglich das das Dokument erhaltende Organ auf den Ausnahmetatbestand berufen, wenn es sich auf den Standpunkt stellt, dass es für den internen Gebrauch bei ihm eingegangen sei, vgl. Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 213 f. 310  Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 213. 311  Vgl. Stellungnahme des Rates zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS v. 29.10.2015, Rn. 16, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence. faces/de/61592/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 312  Vgl. Stellungnahme des Rates zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS v. 29.10.2015, Rn. 16, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence. faces/de/61592/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 313  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 309  In

220

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

Dokument benutzten, wird daraus real betrachtet kein externes Dokument. Gleichwohl sind die Organe aus Gründen der Rechtssicherheit dazu aufgerufen den Wortlaut des Art. 4 Abs. 3  UAbs. 1Transparenz-VO314 entsprechend an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen oder besondere sekundärrecht­ liche Vorschriften zur Veröffentlichung der das Gesetzgebungsverfahren betreffenden Dokumente zu schaffen.315 Da das Gericht darüber hinaus bereits das Vorliegen einer ernsthaften Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses durch die Veröffentlichung der vierten Spalten der streitgegenständlichen Vierspaltendokumente verneinte, hat es nicht die Frage beantwortet, welche Parameter in die Abwägung mit widerstreitendem, öffentlichem Interesse einbezogen werden müssen. Dem Parlament zu Folge sollen hierbei gerade nicht Transparenz und höhere Demokratieanforderungen ins Feld geführt werden können, da sich die der Geheimhaltung entgegenstehenden, öffentlichen Interessen von den der Transparenzverordnung zu Grunde liegenden Interessen unterscheiden müssen.316 Dieser Ansicht liegt zu Grunde, dass die Transparenzverordnung gerade als Ausprägung der genannten Grundsätze geschaffen wurde und in ihren Tatbeständen eine Abwägung zwischen diesen und widerstreitenden Geheimhaltungsinteressen darstellt. Gleichwohl kann deswegen nicht vermieden werden, dass die Erwägungen, die die Grundsätze der Transparenz und demokratischen Kontrolle abstützen mit in das öffentliche Interesse einzubeziehen sind. Zusätzlich hat sich die der ursprünglichen gesetzgeberischen Abwägung zu Grunde liegende Primärrechtslage vor allem durch den Vertrag von Lissabon bedeutend geändert, wobei insbesondere die Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens nochmals gesteigert wurde. Diese höhere Gewichtung legislativer Transparenz stellt dann trotz der parlamentarischen Argumentation sehr wohl ein über das der Transparenzverordnung zu Grunde liegende hinausgehendes öffentliches Interesse dar, das in die Abwägung mit einfließen muss.317 Der Tatsache, dass es sich bei den Vierspaltendokumenten um legislative Dokumente handelt, muss also nicht nur bei der Frage, ob ein schützenswertes Entscheidungsverfahren vorliegt, Rechnung getragen werden, sondern auch im Rahmen der Abwägung zwischen Geheimhaltung und öffentlichem Interesse.

314  VO

(EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. Regelungen für legislative Dokumente hatte das Parlament zuletzt in seiner legislativen Entschließung zur Reform der Transparenzverordnung vom 15.12.2011 vorgesehen, vgl. dazu ABl. C 186 E v. 14.06.2013, S. 160, 170 f. 316  Vgl. Ablehnungsbescheid vom 08.07.2015 bei De Capitani, free-group.eu, 12.07.2015, https://free-group.eu/2015/07/12/eus-laws-are-like-sausages-you-shouldnever-watch-them-being-made/#more-2485 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 317  Vgl. hierzu bereits oben S. 191 f. 315  Spezielle



C. Die Transparenz der Triloge221

Damit bleibt festzuhalten, dass Vierspaltendokumente rechtlich gesehen grundsätzlich zumindest auf Antrag zu veröffentlichen sind. Nur wenn es einem Organ gelingt wirklich nachzuweisen, dass sein Entscheidungsfindungsprozess durch deren Veröffentlichung ernsthaft beeinträchtigt werden würde, darf es die Veröffentlichung nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 TransparenzVO318 verweigern. Nachdem das EuG jedoch viele der in diesem Zusammenhang geäußerten Standardargumente rechtlich entkräftet hat, dürfte eine derartige Beweisführung nur noch schwer gelingen. Doch die nahezu ausnahmslos positiven ersten Reaktionen319 auf dieses Urteil sind mit Vorsicht zu genießen. Denn zum einen zeigt das Urteil deutlich, dass das EuG das Trilogverfahren als Standardverfahren anerkannt hat, indem es das Verfahren keiner grundsätzlichen Kritik unterzog,320 und zum anderen kann die soeben skizzierte Rechtsprechung insgesamt nur zu einem geringen Teil zur Erhöhung der Transparenz der Triloge beitragen, da sie explizit nur die Veröffentlichung bestimmter Vierspaltendokumente auf Antrag, nicht jedoch eine Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung der Dokumente nach Art. 12  Abs. 2  Transparenz-VO321 zum Gegenstand hatte.322 Die Möglichkeit die Veröffentlichung von Vierspaltendokumenten zu beantragen, wird jedoch nur von sehr wenigen Unionsbürgern ausgeschöpft werden. Nur wenn die Organe das Urteil so auf- und annehmen, dass sie die Vierspaltendokumente direkt im Anschluss an die Trilogsitzungen geordnet und proaktiv veröffentlichen, können die dort niedergeschriebenen Informa­ tionen von allen Unionsbürgern wahrgenommen werden und zur allgemeinen Erhöhung der Transparenz der Triloge beitragen.

III. Zwischenfazit: Recht vs. Realität – Wer kontrolliert den Gesetzgeber? Bei näherer Betrachtung der Transparenz informeller Triloge lässt sich eine gewisse Diskrepanz zwischen den rechtlichen Rahmenbedingungen und der 318  VO

(EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. die erste Reaktion des Abgeordneten des Europäischen Parlaments Giegold vom 22.03.2018 unter https://sven-giegold.de/eugh-urteil-zu-trilogen-durchbruch-fuer-mehr-transparenz-bei-der-eu-gesetzgebung/ (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018) oder den online Beitrag der Zeit vom 22.03.2018 unter https://www.zeit.de/ politik/ausland/2018-03/europaeische-union-gesetzgebungsverfahren-eugh-gekippttrilog-transparenz (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 320  Vgl. insoweit gut differenzierend von Achenbach, zurgeschaeftsordnung.de, 15.05.2018, http://zurgeschaeftsordnung.de/triloge-vom-effizienten-geheimnis-zumnormalverfahren-der-eu-gesetzgebung/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 321  VO (EG) Nr. 1049/2001, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 322  Insoweit klarstellend EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018, Rn. 86. 319  Vgl.

222

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

faktischen Realität des Entscheidungsverfahrens feststellen. Während die Verträge gerade die Beratungsphase des Gesetzgebungsverfahrens unter erhöhte Transparenzanforderungen stellen,323 werden diese Anforderungen rein praktisch durch eine weitestgehend intransparente Anwendung der informellen Triloge konterkariert. Die Bemühungen der Organe zur Verbesserung der Transparenz beschränkten sich bis heute in bloßen Absichtserklärungen, denen zumeist keine Taten folgten.324 So wurde bis dato weder die im April 2016 in der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung versprochene gemeinsame Gesetzgebungsdatenbank eingerichtet,325 noch wurden entscheidende und konkrete Schritte zur Verbesserung der Verfahrensoffenheit unternommen. Im Gegenteil: Statt die Untersuchung der Bürgerbeauftragten ernst zu nehmen, verwies man darauf, dass diese überhaupt kein Mandat für die Untersuchung der gesetzgeberischen Tätigkeit habe und die Organisation des Gesetzgebungsverfahrens alleine im Ermessen der Gesetzgeber läge.326 Hintergrund dieser Interpretation sind der englische und französische Wortlaut des Art. 228 AEUV. Danach sei der Tätigkeitsbereich der Bürgerbeauftragen auf Beschwerden bzw. Untersuchungen über „maladministration“ bzw. „mauvaise adminisitration“ beschränkt.327 Die Gesetzgebungsarbeit an sich stellt aber gerade keine Verwaltungstätigkeit der Europäischen Union dar. Als Verwaltungsbehörde werden die Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nur dann tätig, wenn es um die Veröffentlichung bzw. Zugänglichmachung der das Gesetzgebungsverfahren betreffenden Dokumente geht. Anhand der fehlenden Prüfungskompetenz der Bürgerbeauftragen zeigt sich das vertragliche Dilemma: Denn auch die Möglichkeiten, die den Gesetzgebern unter anderem durch Art. 295 S. 1 AEUV eingeräumte Selbstorganisation des Verfahrens vor der europäischen Gerichtsbarkeit überprüfen zu lassen, sind gering. So sind die Vorschriften zur Transparenz in der Regel nicht klagbar, sondern hauptsächlich als Auslegungsmaxime innerhalb der übrigen beste-

323  Vgl.

dazu oben S. 198 ff. Ausnahme stellt insoweit lediglich die aktuelle Änderung der Geschäftsordnung des Parlaments dar, in welcher festgelegt wurde, dass Verhandlungen nicht ohne ein festes Mandat des Ausschusses oder des Plenums stattfinden dürfen, vgl. dazu oben S. 66 f. 325  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 39. 326  Vgl. Stellungnahme des Rates zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS v. 29.10.2015, Rn. 16, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence. faces/de/61592/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); Stellungnahme des Parlaments zur strategischen Untersuchung OI/8/2015/JAS v. 22.l0.2015, https:// www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/61591/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 327  Der deutsche Wortlaut spricht hingegen nur über „Missstände bei der Tätigkeit der Organe“, vgl. Art. 228 Abs. 1 AEUV. 324  Eine



C. Die Transparenz der Triloge223

henden Rechtsvorschriften anzuwenden.328 Vor den Unionsgerichten kann deswegen wie in der Rs. De Capitani/Parlament329 allein über das Dokumentenzugangsrecht aus Art. 15 Abs. 3 AEUV, Art. 42 GRCh versucht werden, die Veröffentlichung von Trilogdokumenten zu erreichen. Allerdings wird auch dies durch faktische Hürden wie beispielsweise der fehlenden Bekanntgabe von Sitzungsterminen oder der mangelnden Verschriftlichung von Diskussionen erschwert. Es liegt damit hauptsächlich in der Verantwortung der Gesetzgeber, das Trilogsystem transparenter zu gestalten. Ob diese jedoch ein Interesse an ihrer Selbstkontrolle haben, scheint fraglich. Zwar hat das Europäische Parlament in diesem Zusammengang bereits im Jahr 2014 in einer Resolution den Rat, sich selbst und die Kommission dazu aufgefordert, „für mehr Transparenz bei den informellen Trilogen zu sorgen, indem die Sitzungen öffentlich abgehalten und dokumentiert werden, etwa durch Sitzungskalender, Tagesordnungen, Protokolle, erörterte Dokumente, Änderungsanträge, getroffene Entscheidungen, Angaben zu den Delegationen der Mitgliedstaaten sowie zu ihren Positionen und Protokollen, die standardmäßig und unbeschadet der in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 aufgelisteten Ausnahmen in einer standardisierten und leicht zugänglichen Onlineumgebung veröffentlicht werden.“330 Jedoch wurden all diese Vorschläge über zwei Jahre später von der Bürgerbeauftragten immer noch aufgegriffen, da sie bis dato auch vom Parlament nicht verwirklicht wurden. Zudem widerspricht das Parlament mit seiner Verweigerung Vierspaltendokumente zu laufenden Verfahren vollumfänglich zugänglich zu machen, dem in der Resolution geäußerten eigenen Anspruch zu einer größtmöglichen Transparenz der Triloge beitragen zu wollen.331 Es ist damit höchst fraglich, ob es nicht nur in Worten, sondern auch durch Taten zu einem Umdenken in Sachen Transparenz kommen wird. Bis dahin gilt: Wo kein Wille ist, da ist auch kein Weg.

328  Für Art. 1 Abs. 2  EUV vgl. Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S.  124 f. 329  EuG, Rs. T-540/15, Urt. v. 22.03.2018. 330  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2014 zum Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (Artikel 104 Absatz 7 GO-EP [2017]) für die Jahre 2011–2013 (2013/2155[INI]), Ziff. 28, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2014-0203+0+DOC+XML+V0//DE (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 331  Vgl. dazu auch De Capitani, free-group.eu, 02.07.2015, https://free-group. eu/2015/07/02/how-the-eu-legislative-triangle-is-becoming-a-bermudes-triangle/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

224

Vierter Teil: Transparenz der Triloge

D. Zwischenergebnis: Auftrag zu grenzenloser Transparenz? Die umfassende Untersuchung zur Transparenz innerhalb der Verträge, der Gesetzgebung und der informellen Triloge hat dreierlei gelehrt. Transparenz dient erstens im Allgemeinen und besonders im Gesetzgebungsverfahren keinem Selbstzweck, sondern der Stärkung der Demokratie. Denn nur durch die Möglichkeit „sich über die Grundlagen der Gesetzgebungstätigkeit zu informieren“, werde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Bürger ihre demokratischen Rechte effektiv ausüben können.332 Dies soll zweitens theoretisch im Gesetzgebungsverfahren durch die Sitzungsöffentlichkeit und ein nochmals umfassenderes Dokumentenzugangsrecht gewährleistet werden. Drittens zeigt sich dort jedoch in der Praxis eine weitestgehende Konterkarierung dieser Standards durch die informellen Triloge. Diese Missachtung wird unabhängig von den oben dargelegten rechtlichen Feinheiten im Allgemeinen mit den effizienzsteigernden Vorteilen informellen Verhandelns gerechtfertigt. Die entscheidenden Fragestellungen bleiben damit immer gleich: Wie viel Transparenz ist einem effizienten Verfahren zuzumuten? Oder anders gefragt: Wie effizient kann ein völlig transparentes Verfahren sein? Um diese Frage zu beantworten, wurde hier beschrieben, wie die immer weiter gestiegenen Transparenzanforderungen der Verträge dem gesellschaftlichen Zeitgeist und Wunsch nach einer offeneren Entscheidungsfindung folgten.333 Entsprechend transparenzfreundlich zeigen sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Lohnenswert scheint es dennoch auch denen Raum einzuräumen, die sich kritisch mit dieser Gesellschaftsforderung auseinandersetzen. So kritisiert der koreanische Philosoph Byung-Chul Han einen vermeintlichen „Transparenzwahn“, durch den jeglicher Respekt vor Politikern zunichte gemacht werde.334 Denn die Forderung nach immer mehr Transparenz und Kontrolle gehe gleichsam einher mit einem immer weiter abnehmenden Vertrauen.335 Konsequent zu Ende gedacht, würde das Dilemma der EU-Organe deutlich: Durch informelle Triloge unter der Prämisse der heutigen Zeit schwindet das Vertrauen in ihr politisches Handeln. Dieser Vertrauensverlust wird mit Rufen nach verstärkter Transparenz quittiert. Kommen die Organe diesem nicht 332  EuGH,

Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46. dazu oben S. 172 ff. 334  Han im Interview mit Haberl, SZ-Magazin.de, Heft 50/2012, http://szmagazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39059/Wir-steuern-auf-eine-Katastrophe-zu (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 335  Han, Transparenzgesellschaft, 2017, S. 78 f. 333  Vgl.



D. Zwischenergebnis225

nach, sinkt das Vertrauen immer weiter. Erhören sie hingegen die Wünsche, geben sie sich größerer Kontrolle hin, die jedoch nicht zu einem Vertrauensaufbau, sondern zu einer bloßen Überwachung der Tätigkeit führt. Daraus erwächst die Befürchtung, dass sich Politiker dann zu sehr auf ihre erst geäußerte Meinung versteifen und weniger kompromissbereit seien oder irra­ tionalen Mehrheitsmeinungen folgen.336 Aus diesem Grunde müssen gewisse vorbereitende Arbeiten in nichtöffentlichen Sitzungen stattfinden, um sachgerechte Kompromisse erarbeiten zu können.337 Dieser knapp aufgezeigten Transparenzkritik muss jedoch für den Fall der informellen Triloge folgendes entgegengehalten werden: Das verlorene Vertrauen mag sich vielleicht in der Forderung nach größerer Transparenz äußern, dabei ist jedoch nicht die Forderung der Auslöser für den Vertrauensverlust, sondern vielmehr die Praxis das durch die Verträge geschaffene ordentliche Gesetzgebungsverfahren durch die Anwendung der Triloge derart zu degenerieren.338 Vor allem in den Vertragsrevisionen wurde der Offenheit des unionseuropäischen Entscheidungsprozesses ein besonderer Stellenwert zugeschrieben, um das Vertrauen in die Organe zu stärken. Denn Transparenz schafft Vertrauen, indem staatliches Handeln nachvollzogen werden kann. Eine in der Öffentlichkeit geführte Debatte kann dazu führen, dass man sich vermehrt an sachlichen und objektiven Gesichtspunkten messen lassen muss. Und Kompromisse können vielleicht sogar leichter geschlossen werden, wenn der auf seinem Standpunkt Verharrende der Beobachtung Dritter ausgesetzt ist.

336  Schnöckel, DÖV 2007, S. 676, 680 ff. führt als Beispiel für irrationale Befürchtungen die laut seiner Aussage nicht nachgewiesenen Gefahren von Mobilfunkanlagen an. 337  Bei Brocker, ZParl 2016, S. 50 ff. werden sämtliche Argumente in Bezug auf die Nichtöffentlichkeit der Ausschüsse des Bundestages nochmals gesammelt vorgetragen. 338  Zum Wandel des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durch die Triloge vgl. oben insbesondere S. 162 ff.

Fünfter Teil

Der informelle Trilog im Demokratietrilemma? Neben der Transparenz als besonderer Ausprägung der Demokratie muss auch der Frage Beachtung geschenkt werden, ob der informelle Trilog im Allgemeinen den Demokratieanforderungen der Verträge entspricht. Im öffentlichen Diskurs wird diese jedoch zumeist nur pauschal und unter Rekurs auf ein im nationalstaatlichen Demokratieverständnis verhaftetes Denken beantwortet.1 Aus diesem Grund erscheint es notwendig, sich zunächst knapp mit dem Status quo der Demokratie in der Europäischen Union auseinanderzusetzen, bevor deren Verwirklichung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und den informellen Trilogen hinterfragt werden kann.

A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union „Lassen sich die Institutionen nach dem Muster und mit den Begriffen der nationalstaatlichen Demokratie überhaupt ohne weiteres auf Europa übertragen?“2

Als der damalige Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1999 das Freiburger Symposium zum Thema „Demokratische Legitimation in Europa, in den Nationalstaaten, in den Regionen“ mit dieser Frage eröffnete, wollte er verdeutlichen, dass das in den EU-Verträgen verwirklichte Demokratieverständnis nur bedingt mit dem in den einzelnen Mitgliedstaaten vergleichbar sei.3 Die gemeinsame Grundlage moderner Demokratietheorien ist nämlich stets der Gedanke der Selbstregierung und Selbstbestimmung des Volkes.4 1  Vgl. hierzu beispielsweise Simantke, Tagesspiegel.de, 21.05.2015, http://www. tagesspiegel.de/themen/agenda/eu-trilog-wie-bruessel-im-hinterzimmer-die-demo kratie-aushoehlt/11793136.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 2  Herzog, Freiburg, 1999, http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/ DE/Roman-Herzog/Reden/1999/04/19990428_Rede.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 3  Franzius, EuR 2013, S. 655, 658 beschreibt das Problem folgerichtig damit, „dass wir keine Erfahrungen mit der Demokratie eines Gemeinwesens haben, die kein Staat ist, aber auch kein Staat werden will.“ 4  Vgl. hierzu m. w. Nw. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 30; von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014,



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union227

Oder um bei den Worten Abraham Lincolns zu bleiben: „[Democracy] is the government of the people, by the people, for the people.“5 Aus diesem Grund wurde und wird vertreten, dass die Europäische Union überhaupt keine Demokratie sein könne, da es ihr am dafür elementaren Element des eigenen Staatsvolkes fehle.6 Darüber hinaus existiere auch keine gemeinsame Sprache, wodurch eine hinreichende öffentliche Diskussion und Meinungsbildung als Ideal einer lebendigen Demokratie erschwert werde.7 Das Bundesverfassungsgericht knüpft in seiner Demokratiebegründung jedoch nicht nur an das gemeinsame Staatsvolk als Voraussetzung für Demokratie, sondern vor allem an die Selbstbestimmung der einzelnen Individuen an.8 Aus dieser erwachse die Hoheitsgewalt des Staates.9 Betrachtet man folglich die Gesamtheit der Individuen und nicht das Volk als Legitimationsgrundlage staatlichen Handelns, spricht auch nichts dagegen, Demokratie in einem Staatenverbund verschiedener demokratischer Staaten verwirklicht zu sehen.10 Folgerichtig stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung fest, dass die demokratische Legitimation der EU auch ohne eigenes Staatsvolk über die Staatsvölker und deren nationale Parlamente vermittelt werde.11 Daneben könne demokratische Legitimation auch über das Europäische Parlament erlangt werden.12

S. 15 f. bezeichnet dieses Demokratiemodell als Modell der „elektoralen Verfassung der Legislative“. 5  Lincoln, The Gettysburg Adress, 19.11.1863, http://www.abrahamlincolnonline. org/lincoln/speeches/gettysburg.htm (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 6  Vgl. hierzu die wiedergegebenen Ansichten bei Zuleeg, JZ 1993, S.  1069, 1071, der sich diesen Meinungen jedoch nicht anschließt; Schachtschneider, Argumente gegen die Zustimmung zum Vertrag über eine Verfassung für Europa, 2005, S.  4  ff., abzurufen unter http://www.arge-ja.at/herunterladen/schachtschneider-argu mente-eu-verfassung.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); Grimm, JZ 1995, S.  581 ff. 7  Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 17. Aufl. 2017, S. 346 f. 8  Vgl. dazu BVerfGE 44, S.  125, 142; dazu ausführlich Zuleeg, JZ 1993, S. 1069, 1072. 9  Vgl. BVerfGE 44, S. 125, 142. 10  Häberle, JZ 1977, S. 361, spricht deswegen nicht mehr von einer Volksdemokratie, sondern von einer „Bürgerdemokratie“; Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 66, spricht von einer „Demokratie ohne Volk“. 11  Vgl. BVerGE 89, S. 155, 186. 12  Das jedoch dem Bundesverfassungsgericht zu Folge damals nur eine stützende Funktion hatte, da es nicht einheitlich gewählt und zu wenig Mitentscheidungskompetenzen hatte, vgl. BVerGE 89, S. 155, 186.

228

Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

I. Geschichtliche Entwicklung – Demokratie vor dem Hintergrund der europäischen Integration Zu Beginn der europäischen Integration mussten die Europäischen Gemeinschaften lange Zeit nahezu ohne die legitimierende Wirkung des Parlaments auskommen, da dieses zunächst keinen und später kaum Einfluss hatte.13 Denn analog zur demokratischen Ausstattung der herkömmlichen internationalen Organisationen sah man es zur Begründung der demokratischen Legitimation der Gemeinschaften als ausreichend an, wenn gegen den Willen einzelner Mitgliedstaaten als Herren der Verträge auf Unionsebene keine Entscheidungen getroffen werden konnten.14 Mit der immer weiter fortschreitenden Integration wurden der Europäischen Union mehr Aufgaben übertragen, so dass die hauptsächliche demokratische Legitimation über die Mitgliedstaaten nicht mehr als ausreichend empfunden wurde.15 Auch aus diesem Grund wurden die Rechte des Europäischen Parlaments zunächst im Haushaltsverfahren und dann auch in den verschiedenen Gesetzgebungsverfahren schrittweise weiter ausgebaut. 1979 erfolgte schließlich die erste Direktwahl des Europaparlaments durch die Unionsbürger. Im Jahr 1980 entschied dann der EuGH im Rahmen des Anhörungsverfahrens, dass die Anhörungsrechte des Europäischen Parlaments als Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren im beschränkten Umfang ein grundlegendes demokratisches Prinzip widerspiegeln, nach dem die Völker durch die Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung der hoheitlichen Gewalt beteiligt seien.16 Damit machte der EuGH zweierlei deutlich: Einerseits bemaß er dem Europäischen Parlament bereits hier eine, wenn auch beschränkte, Legitimationsleistung zu, andererseits verwies er zur Begründung des demokratischen Prinzips auch auf die allgemeinen Rechts- und Verfassungsgrundsätze der einzelnen Mitgliedstaaten.17 Relativ früh wurde damit klar, dass sich die Demokratie auf europäischer Ebene aus zwei Quellen speist, nämlich einerseits aus den Verträgen selbst und andererseits aus den demokratischen Strukturen der Mitgliedstaaten.18 Deswegen findet sich auch in der Präambel für die Einheitliche Europäische Akte 1986 ein gemeinsames Bekenntnis 13  Zur geschichtlichen Entwicklung der Parlamentsbeteiligung vgl. oben S.  21 ff. 14  Wesentlich in diesem Zusammenhang war deswegen, dass damals dem einzelnen Mitgliedstaat im Rat eingeräumte Veto-Recht, vgl. dazu Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 10 EUV, Rn. 2. 15  Franzius, EuR 2013, S. 655, 657. 16  EuGH, Rs. C-138/79 (Isoglucose I), Urt. v. 29.10.1980, Rn. 33. 17  Zu Letzterem vgl. hierzu Zuleeg, JZ 1993, S. 1069, 1070. 18  Zuleeg, JZ 1993, S. 1069, 1070 m. w. Nw.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union229

der Mitgliedstaaten für die Demokratie einzutreten, „wobei sie sich auf die Verfassungen und Gesetze der Mitgliedstaaten […] stützen.“19 Aus diesem Grund wurde Mitte der 1980er in der EEA die Rolle des Europäischen Parlaments als Vertretung der Unionsbürger weiter gestärkt, indem beispielsweise das Verfahren der Zusammenarbeit eingerichtet wurde.20 Nachdem 1992/93 in der Präambel des Vertrags von Maastricht das Bekenntnis zur Demokratie nochmals gefestigt und darüber hinaus die Demokratie als Grundsatz der Arbeit der Unionsorgane aufgezählt wurde,21 fand sie sich schließlich gut sechs Jahre später im Vertrag von Amsterdam im damaligen Art. 6 Abs. 1 EUV an einer hervorgehobenen Stellung im Vertrag wieder. Als praktische Verkörperung dieser Entwicklung kann man die Erweiterung der Kompetenzen des Parlaments durch die Einführung des Mit­ ent­scheidungsverfahrens im Vertrag von Maastricht und dessen kompetenziellen Ausbau im Vertrag von Amsterdam sehen. Das Europäische Parlament galt damit als die institutionelle Antwort auf das durch die gehäufte Zuteilung von Kompetenzen entstandene Demokratiedefizit22 der Europäischen Union, indem es die Ausübung der supranationalen Herrschaft mit unmittelbarer demokratischer Legitimation durch die Unionsbürger versorgen sollte.23 Damit ist die Europäische Union aus heutiger Warte auf zwei unterschiedliche Arten demokratisch legitimiert, einerseits durch die Mitgliedstaaten selbst und andererseits durch das Europäische Parlament. Dies wird als „doppelt begründete demokratische Legitimation“24 der Europäischen Union bezeichnet. Wie genau die unterschiedlichen Legitimationsstränge im Einzelnen zu bewerten sind, wo sie im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zur Geltung kommen und ob diese durch den informellen Trilog belastet oder verändert werden, ist im weiteren Verlauf der Bearbeitung noch genauer zu untersuchen.

II. Europäische Demokratie nach dem Vertrag von Lissabon Zunächst ist allerdings noch knapp das Wesen und die Bedeutung der im Vertrag von Lissabon wiedergegeben Demokratiegrundsätze zu beleuchten. Die Demokratie ist hierbei direkt in Art. 2 S. 1 EUV neben der Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als Gründungswert der 19  Vgl.

Erwägungsgrund 3 der EEA, ABl. L 169 v. 29.06.1987, S. 1 ff. Art. 6 der EEA, ABl. L 169 v. 29.06.1987, S. 1 ff. 21  Vgl. Erwägungsgrund 5 des Vertrages von Maastricht, ABl. C 191 v. 29.07.1992, S.  1 ff. 22  Zur Diskussion vgl. nur Doehring, DVBl. 1997, S. 1133 ff. 23  Franzius, EuR 2013, S. 655, 657. 24  Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 87. 20  Vgl.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Europäischen Union aufgeführt.25 Diesen Fundamentalprinzipien ist jedoch nicht nur die Europäische Union, sondern auch jeder einzelne Mitgliedstaat verpflichtet.26 Verstößt ein Mitgliedstaat nämlich gegen eines der genannten Prinzipien, droht ihm das in Art. 7 Abs. 2, 3 EUV eigens geschaffene Sanktionsverfahren.27 Für die Feststellung einer Fundamentalprinzipverletzung ist nach Art. 7 Abs. 2 EUV jedoch ein einstimmiger Beschluss des Europäischen Rates, freilich unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates nötig. Nicht nur deswegen wurde dieses Verfahren noch vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Barroso als „nuclear option“28 bezeichnet, die wohl gerade deswegen niemals zum Einsatz kommen werde.29 Im Jahr 2017 wurden dann aber doch Forderungen laut, ein solches Verfahren gegen Polen und Ungarn einzuleiten.30 Insbesondere die Kommission sieht in der polnischen Justizreform, mit der eine willkürliche Entlassung von Richtern ermöglicht werde, einen Verstoß gegen den Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz, der das Verfahren nach Art. 7 EUV nach sich ziehen könne.31 Das Europäische Parlament wünscht sich dagegen ein Sanktionsverfahren insbesondere gegen Ungarn, da es dort in der jüngeren Vergangenheit zu einer Verschlechterung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte gekommen sei.32 Anhand des Umgangs mit diesen zwei Mitgliedstaaten wird sich zeigen, ob die Europäische Union wirklich dazu in der Lage ist, effektiv auf die Einhaltung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten zu drängen. Dass es am Ende wirklich zu durchgeführten Sanktionsverfahren als ultima ratio kommen wird, erscheint fraglich, obwohl die dialogbasierte Auseinanderset25  Art. 2 EUV geht direkt aus dem bereits benannten Art. 6 Abs. 1 EUV-Amsterdam hervor. 26  Vgl. Art. 49 EUV. 27  Zum Sanktionsverfahren am Beispiel der Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsgrundsatzes vgl. von Bogdandy/Ioannidis, ZaöRV 2014, S. 283 ff. 28  Barroso, Rede zur Lage der Union 2012 vor dem Europäischen Parlament, 12.09.2012, http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-12-596_en.htm (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 29  Insoweit zumindest Schorkopf, EuR 2016, S. 147, 150. 30  Zur Diskussion, ob das Verfahren gleichzeitig gegen beide Mitgliedstaaten, die sich gegenseitig Unterstützung zusprechen, möglich ist vgl. Thiele, verfassungsblog.de, 24.07.2017, http://verfassungsblog.de/art-7-euv-im-quadrat-zur-moeglichkeitvon-rechtsstaats-verfahren-gegen-mehrere-mitgliedsstaaten/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 31  Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 26.07.2017, https:// ec.europa.eu/germany/news/polen-vertragsverletzungsverfahren-und-empfehlungenzur-rechtstaatlichkeit_de (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 32  Vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments v. 17.05.2017, P8_ TA(2017)0216, insbesondere Ziff.  2, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2017-0216+0+DOC+XML+V0//DE (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union231

zung33 jahrelang nahezu wirkungslos verhallt ist. Denn gerade die nach Art. 7 Abs. 2 EUV erforderliche Einstimmigkeit im Europäischen Rat dürfte nur schwer zu erreichen sein. Ende des Jahres 2017 hat die Kommission jedoch zumindest ein sanktionsfreies Verfahren nach Art. 7 Abs. 1 EUV gegen Polen eingeleitet,34 das Parlament selbiges im September 2018 gegen Ungarn beantragt.35 Doch was bedeutet es für den Grundsatz der Demokratie in der Europäischen Union, wenn diese politisch nicht dazu in der Lage ist, gegen scheinbar undemokratische Vorgänge in einzelnen Mitgliedstaaten vorzugehen? Unterminiert sie damit nicht auch die an sie selbst gestellten Anforderungen des Art. 2 EUV? Dieses Bild erhärtet sich, wenn man bedenkt, dass gerade über die einzelnen Unionsmitglieder ein wesentlicher Teil der demokratischen Legitimation der Union übertragen wird. Unter einer Verringerung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in diesen Gliedern leidet damit am Ende auch der gesamte Unionskörper. Nicht umsonst sieht Art. 7 Abs. 3 EUV als Sanktion den Entzug der Stimmrechte und damit den vorübergehenden Ausschluss am demokratischen Entscheidungsprozess der Europäischen Union vor. Dadurch könnte sichergestellt werden, dass die Europäische Union als Ganzes auch dann demokratische Entscheidungen treffen kann, wenn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in einzelnen Mitgliedstaaten nicht mehr verwirklicht werden. Stehen einem erfolgreichen Sanktionsverfahren aber vertraglich zu hohe Hürden entgegen, könnte sich dies am Ende negativ auf den Demokratisierungsstand der Europäischen Union auswirken. In Art. 10 EUV wird schließlich das bereits knapp angesprochene Bild der doppelt demokratischen Legitimation erstmalig in den Verträgen aufgegriffen.36 Danach beruhe die Arbeitsweise der Europäischen Union auf der repräsentativen Demokratie. Die Bürgerinnen und Bürger seien dabei unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten, während die Mitgliedstaaten im Rat durch die ihrem nationalen Parlament und ihren Bürgerinnen und Bürgern verantwortlichen Regierungsvertreter vertreten werden. Von besonderer 33  Sofern man die mittlerweile jahrelange Auseinandersetzung mit Ungarn überhaupt als Dialog bezeichnen kann, vgl. dabei auch zu den Hintergründen des Konflikts Hummer, EuR 2015, S. 625 ff. 34  Hier kann der Rat mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner Mitglieder nach Zustimmung des Europäischen Parlaments feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte droht, vgl. Art. 7 Abs. 1 EUV; zum eingeleiteten Verfahren näher Kochenov/Pech/Scheppele, verfassungsblog.de, 23.12. 2017, https://verfassungsblog.de/the-european-commissions-activation-of-article-7-bet ter-late-than-never/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 35  Zu den Hintergründen vgl. Bachmann, verfassungsblog.de, 17.09.2018, https:// verfassungsblog.de/beyond-the-spectacle-the-european-parliaments-article-7-teu-deci sion-on-hungary/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 36  Vgl. Peuker, ZEuS 2008, S. 453, 457.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Bedeutung für die europäische Demokratie ist nach Art. 10 Abs. 3, 11 EUV die Beteiligung der Unionsbürger und der repräsentativen Verbände am politischen Willensbildungsprozess der Europäischen Union. Dem Element der direkten Demokratie wird zudem durch das europäische Bürgerbegehren nach Art. 11 Abs. 4 EUV Rechnung getragen.37 Insgesamt kann nicht mehr bestritten werden, dass es sich bei der Europäi­ schen Union grundsätzlich um ein demokratisches Gebilde handelt.38 Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Unionsdemokratie und mitgliedstaatlicher Demokratie liegt jedoch in deren Legitimationsmechanismen. Während die Parlamente und Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten direkt durch ihr Staatsvolk gebildet werden können, geschieht dies auf der Ebene des supranationalen Staatenverbundes in einer anderen und neuartigen Art und Weise. Aus diesem Grund muss Demokratie und damit auch demokratische Gesetzgebung auf der Ebene der Europäischen Union anders organisiert werden als auf mitgliedstaatlicher Ebene.39 Die differente Organisationsstruktur und die komplexe Legitimationslage der EU werden insbesondere dann offensichtlich, wenn man die umfassende Beteiligtenstruktur des Mitentscheidungsverfahrens in den Blick nimmt.40 In diesem Geflecht unterschiedlichster Beteiligter erscheint eine Einigung nur dann möglich, wenn die Zusammenarbeit der Organe im Sinne des Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV loyal abläuft.41 Daran knüpft auch Art. 295 AEUV an, indem er den Organen die Möglichkeit gibt, die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit einvernehmlich zu regeln. Aus diesen Bestimmungen können wiederum Rückschlüsse auf das Demokratieverständnis der Europäischen Union gezogen werden: Dort wo Zusammenarbeit den Organen so sehr ans Herz gelegt wird, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Demokratie auf der Ebene der Europäischen Union in ihrer Ausgestaltung um eine sog. Verhandlungsdemokratie handeln könnte. Deren maßgebliches Kennzeichen ist, dass wesentliche Entscheidungen im Wege von Aushandlungsprozessen getroffen werden.42 37  Dazu ausführlich Epiney, in: Kadelbach, Stefan (Hrsg.), Europäische Verfassung und direkte Demokratie, 2006, S. 33, 46 ff.; Hieber, Die Europäische Bürgerinitiative nach dem Vertrag von Lissabon, 2014; Guckelberger, DÖV 2010, 745 ff.; ein praktisches Beispiel der ersten der Kommission vorgelegten Bürgerinitiative im Jahr 2014 zum „Recht auf Wasser“ findet sich bei Sule, EuZW 2014, S. 725 ff.; mit diesem und anderen Elementen direktdemokratischer Partizipation auf Unionsebene setzt sich Mader, EuR 2013, S. 348 ff. auseinander. 38  Insoweit auch Triantafyllou, EuR 2014, S. 458, 458 f. 39  Vgl. Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 183. 40  Vgl. hierzu oben S. 99 ff. 41  Zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit S. 92 ff.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union233

Im Gegensatz dazu steht die vor allem in Großbritannien stark ausgeprägte parlamentarische Mehrheitsherrschaft, bei der eine oder nur wenige Parteien die Regierung stellen, um so nach den Wahlen konsequent „durchregieren“ können.43 Die Abgrenzungen zwischen diesen beiden Ausgestaltungsformen sind jedoch nicht immer trennscharf, so dass in den meisten Staaten Mischformen zwischen Mehrheits- und Verhandlungsdemokratie existieren.44 Obwohl nämlich beispielsweise die politische Entscheidungsfindung in Deutschland durch die Mehrheiten im Parlament maßgeblich geprägt wird und es somit zu einer Gegenüberstellung von Regierung und Opposition im Bundestag kommt, muss der Bundestag sich besonders im Fall von Zustimmungs­ gesetzen mit den Interessen der Bundesländer, vertreten im Bundesrat, ausei­ an­dersetzen. Doch auch im Rahmen der Kompromissfindung immer schwierigerer Koalitionsverhandlungen45 und durch die zunehmende gesellschaftliche Durchdringung der Politik wird das gemeinsame Verhandeln für politische Entscheidungsfindung immer wichtiger. So lassen sich also durchaus gewisse Züge der Verhandlungsdemokratie auch in der Bundesrepublik Deutschland wahrnehmen.46 Noch ausgeprägter ist diese jedoch auf der Ebene der Europäischen Union, wenn man bedenkt, dass auf dieser Ebene überhaupt keine Mehrheitsherrschaft möglich ist. So existiert kein mit einem Nationalstaat vergleichbares Verhältnis von Regierung und Opposition Die unionsinterne Entscheidungsfindung wird deutlich mehr durch den Grundsatz der Staatengleichheit geprägt, als dies in föderativen Bundestaaten der Fall ist. Dies spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments wieder.47 Gemeinsames Verhandeln, Kompromissbereitschaft und Kooperation sind genau deswegen als Leitmuster in die Verträge aufgenommen worden und müssen auch bei der Bewertung des unionsrechtlichen Demokratisierungsprozesses wahrgenommen werden.48 42  Vgl. hierzu ausführlich Czada, Dimensionen der Verhandlungsdemokratie, polis Nr. 46/2000, S. 4. 43  Aus diesem Grund wird die Mehrheitsdemokratie auch als „Westminster Model“ bezeichnet, vgl. hierzu Lijphart, Patterns of Democracy, 2. Aufl. 2012, S. 9 ff. 44  Eine eingehende Analyse von 36 unterschiedlichen Demokratien findet sich bei Lijphart, Patterns of Democracy, 2. Aufl. 2012. 45  Vgl. hierzu nur die komplizierte Regierungsbildung nach der Wahl zum Deutschen Bundestag im September 2017; zu den Hintergründen und mit Lösungsansätzen Schwarz, ZRP 2018, S. 24 f. 46  Vgl. hierzu krit. Grimm, in: Offe (Hrsg.), Demokratisierung der Demokratie. Diagnosen und Reformvorschläge, 2003, S. 203 ff. 47  Vgl. hierzu auch BVerfGE 129, S. 287, 376. 48  So auch Pelinka, in: Schrenk/Soldner (Hrsg.), Analyse demokratischer Regierungssysteme, 2010, S. 83, 91 wenn er feststellt, dass Demokratie auf Unionsebene in einem „Konsensmodell“ verwirklicht sei.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

III. Demokratische Legitimation der Europäischen Union durch ihre Gesetzgeber Von diesem Demokratisierungsstand ausgehend, ist die demokratische Legitimation der Co-Gesetzgeber Europäisches Parlament und Rat zu betrachten und auch hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten. Unterschieden werden soll dabei zwischen organisatorisch-personeller Legitimation auf der einen Seite und sachlich-inhaltlicher Legitimation auf der anderen Seite.49 Unter organisatorisch-personeller Legitimation versteht sich die Legitimation der Handelnden, während sich die sachlich-inhaltliche Legitimation auf die durch das Organ oder die Organe getätigte Handlung bezieht. Im Folgenden wird zunächst die organisatorisch-personelle Legitimation der beiden Gesetzgeber beleuchtet. Eine Auseinandersetzung mit der sachlich-inhaltlichen Legitimation unionseuropäischer Gesetzgebung erfolgt bei der Aufarbeitung der Grundsätze demokratischer Gesetzgebung auf Unionsebene.50 1. Europäisches Parlament Nach Art. 14 Abs. 2 EUV setzt sich das Europäische Parlament aus maximal 750 Vertretern der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zusammen, wobei die Zusammensetzung nach Mitgliedstaaten degressiv proportional auf mindestens 6, jedoch maximal 96 Abgeordnete pro Mitgliedstaat begrenzt ist. Die Europawahl zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments wird in diesem Zusammenhang als fundamentaler demokratischer Eigenlegitimationsakt der Union bezeichnet.51 Im Kern werden jedoch verschiedene Kritikpunkte formuliert, die sich auf die Legitimationsleistung des Europäischen Parlaments negativ auswirken sollen. So wird das in den Mitgliedstaaten uneinheitliche Wahlrecht mit zum Beispiel uneinheitlichen Sperrklauseln52 beklagt, das mit dem Fehlen europaeinheitlicher Wahlvorschlagslisten, die zur Herausbildung europäischer Parteien und eines gesamteuropäischen Willensbei Henke, EuR 2010, S. 118, 121 ff. dazu unten insbesondere S. 251 ff. 51  Vgl. Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 87. 52  Vgl. hierzu nur zuletzt die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur 5 % bzw. 3 % Klausel bei den Europawahlen, BVerfGE 129, S. 300 ff. und BVerfGE 135, S. 259 ff.; dazu ausführlich Misol, in: Scheffczyk/Wolter (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2016, S. 359 ff.; Roßner, NVwZ 2012, S. 22 ff.; Schönberger, JZ 2012, S. 80 ff.; Grzeszick, NVwZ 2014, S.  537 ff.; Kahl/Bews, DVBl. 2014, S. 737 ff.; Will, NJW 2014, S. 1421 ff.; Wernsmann, JZ 2014, S. 23 ff.; grundlegend Scheffer, One man – one vote – one value? Der schwierige Weg zu einem einheitlichen Wahlrecht für das Europäische Parlament, 2005. 49  Ähnlich 50  Vgl.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union235

bildungsprozess beitragen könnten,53 einhergeht. Damit verbunden wird auch auf die grundsätzlich niedrige Wahlbeteiligung bei Wahlen zum Europaparlament verwiesen.54 Als größten Kritikpunkt lässt sich jedoch die nicht vollständig verwirklichte Wahlrechtsgleichheit ausfindig machen.55 Durch die degressiv proportionale Sitzverteilung kommt es nämlich zu einem unterschiedlichen Stimmgewicht der Unionsbürger in den einzelnen Mitgliedstaaten.56 Gerade diesen Punkt hat das Bundesverfassungsgericht in seiner LissabonEntscheidung57 zum Anlass genommen der Europäischen Union ein Demokratiedefizit zuzuschreiben, das auch durch andere Ausgleichsmechanismen der Verträge wie Transparenz und Bürgerbeteiligung nicht ausgeglichen werden könne.58 Allerdings entspreche die EU trotzdem demokratischen Grundsätzen, da es sich bei der Europäischen Union ja gerade um keinen Staat und kein staatsanaloges Gebilde handle.59 Als Konsequenz dessen wurde in Anknüpfung an das Maastricht-Urteil60 festgestellt, dass die demokratische Legitimation der Europäischen Union weiterhin hauptsächlich über die Mitgliedstaaten erfolge und dem Parlament deswegen (trotz der im Vertrag von Lissabon weiter ausgebauten Rechte) nur eine ergänzende und abstützende Funktion zukomme.61 Denn „die Quelle der Gemeinschaftsgewalt und der sie konstituierenden europäischen Verfassung im funktionellen Sinne sind die in ihren Staaten demokratisch verfassten Völker Europas.“62 In Folge dessen forderte das Bundesverfassungsgericht auch eine stärkere Einbeziehung des Deutschen Bundestags in den unionsrechtlichen Entscheidungsprozess.63 Hierdurch wird innerstaatlich eine Beteiligung des nationalen Parlaments verordnet, die deutlich über das unionsrechtlich von Art. 12 53  Schreiber, NVwZ 2004, S. 21, 28 merkt dazu an, dass der „Wahl nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten […] große Symbolkraft für die europäische Integration zukäme.“ 54  Nach Holzner, EuR 2015, S. 525, 535 betrug die Wahlbeteiligung zum Europaparlament stets unter 50 %. 55  Vgl. Peuker, Zeus 2008, S. 454, 460. 56  Das Bundesverfassungsgericht hat ausgerechnet, dass bedingt durch die degressive Proportionalität der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments ein deutscher und ein französischer Abgeordneter jeweils ca. 857.000 Bürger vertreten, während ein luxemburgischer oder ein maltesischer Abgeordneter jeweils nur ein Zehntel, bzw. ein Zwölftel der Bürger vertreten, vgl. BVerfGE 129, S. 287, 374. 57  BVerfGE 129, S. 287 ff. 58  BVerfGE 129, S. 287, 377 ff. 59  BVerfGE 129, S. 287, 370 f. 60  BVerfGE 89, S. 155 ff. 61  Vgl. BVerfGE 129, S. 287, 364 f. 62  BVerfGE 129, S. 287, 349. 63  Hierzu gibt das Bundesverfassungsgericht sogar konkrete politische Vorschläge, vgl. BVerfGE 129, S. 287, S. 432 ff.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

EUV geforderte Maß hinausgeht. Die Rolle der nationalen Parlamente wird also herausgehoben, während die Rolle des Europäischen Parlaments bei der Legitimation unionsrechtlicher Entscheidungsverfahren bewusst klein gehalten wird. Bewusst deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht ausgehend von der unterstellten Legitimationsschwäche des Europäischen Parlaments die Idee einer wie auch immer gearteten Eigenlegitimation der Europäischen Union zurückzudrängen versucht.64 So gelte der Wahlrechtsgrundsatz der Erfolgschancengleichheit nur innerhalb eines Volkes, nicht aber innerhalb eines supranationalen Vertretungsorgans.65 Indem bei der Europawahl die Parlamentssitze innerhalb des mitgliedstaatlichen Wahlrechts nach Länderproporz verteilt würden, sei das Europaparlament konzeptionell gerade keine Vertretung der Unionsbürger, sondern eine Vertretung der Völker.66 Im Gegensatz dazu hat der EuGH stets die demokratische Legitimationsleistung des Europäischen Parlaments herausgestellt. Bereits Anfang der 1980er Jahre stellte er fest, dass die parlamentarische Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren ein grundlegendes demokratisches Prinzip widerspiegle.67 Indem er das Parlament zum Garanten für die Verwirklichung des Demokratieprinzips auf europäischer Ebene erhob, wollte er einerseits dessen Bedeutung bekräftigen, anderseits jedoch auch dessen Akzeptanz durch die anderen Unionsorgane und in der Öffentlichkeit erhöhen.68 Diese vollkommen unterschiedlichen Sichtweisen des BVerfG und des EuGH sind nicht erstaunlich, schließlich sind die Motivlagen und Ausgangsstandpunkte diametral entgegengesetzt. Während das Bundesverfassungsgericht die Stellung des Parlaments schwach auslegt, um damit die fehlende Eigenlegitimation der Union herauszustellen, versucht der EuGH die Rolle des Parlaments zu stärken, indem er seine Rechte in den Zusammenhang des Demokratieprinzips stellt. Doch ist es notwendig, das Europäische Parlament klein zu reden, um den Erhalt der eigenen Staatlichkeit rechtfertigen zu können? Es erscheint nämlich keinesfalls zwingend, dass durch ein stärkeres und gleich gewähltes Europäisches Parlament die Schwelle zur europäischen Eigenstaatlichkeit überschritten wird.69 Vielmehr widerspricht sich das Bundesverfassungsgericht selbst, wenn es zunächst konstatiert, dass die Europäidieser Argumentation vgl. auch bei Zuleeg, JZ 1993, S. 1169, 1171. BVerfGE 129, S. 287, 371. 66  BVerfGE 129, S. 287, 373 f. 67  EuGH, Rs. C-138/79 (Isoglucose I), Urt. v. 29.10.1980, Rn. 33; EuGH Rs. 139/79 (Isoglucose II), Urt. v. 29.10.1980, Rn. 34; aufgegriffen in EuGH Rs. C-300/89 (Kommission/Rat), Urt. v. 11.96.1991, Rn. 20. 68  Vgl. dazu ausführlich von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S.  307 f. 69  Von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 428. 64  Zu

65  Vgl.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union237

sche Union „gerade nicht staatsanalog aufgebaut ist“,70 im Anschluss daran aber die Legitimationsleistung des Parlaments anhand staatlicher Kriterien misst.71 Denn zunächst ist festzustellen, dass gewisse Proportionalitätsverzerrungen in Demokratien regelmäßig hingenommen werden72 und es zusätzlich Gründe für die Ungleichheit der Wahl gibt, die im Sonderstatus der Europäischen Union begründet sind. Durch die Begünstigung der kleineren Staaten bei der Sitzverteilung wird es nämlich ermöglicht, dass sich auch diese ausreichend im Parlament vertreten fühlen.73 Denn auf europäischer Ebene muss die parlamentarische Willensbildung in besonderer Weise pluralistisch verfasst sein, indem sich diese nicht nur richtungspolitisch, sondern auch entlang der Mitgliedstaaten politisch ausdrückt.74 Dem wird Rechnung getragen, indem sich die Zusammensetzung des Parlaments zwischen den Polen der demokratischen Gleichheit von Individuen und der Gleichheit von Staaten orientiert.75 Dass das Parlament trotzdem dazu in der Lage ist, eine Vertretung der Bürger der gesamten Europäischen Union und nicht nur wie vom Bundesverfassungsgericht behauptet der in den „Staaten organisierten Völker Europas“76 wahrzunehmen, hat es schon des Öfteren, gerade in Abgrenzung zum Rat bzw. Europäischem Rat bewiesen.77 Eine vollständige Angleichung der Stimmgleichheit hätte hingegen zur Folge, dass die politische Repräsentation in kleineren Mitgliedstaaten nicht mehr im Europäischen Parlament abgebildet werden könnte78 oder es zu einer Aufblähung des Europäischen Parlaments kommen würde, was wiederum dessen Hand70  BVerfGE

129, S. 287, 371. 129, S. 287, 371 ff. 72  Vor allem in Mehrheitswahlsystemen, kommt es zu nicht unbeträchtlichen Verzerrungen. So hat die Ukip bei den Wahlen zum britischen Unterhaus im Jahr 2015 12,6 % der Stimmen, aber lediglich einen Sitz erhalten, vgl. dazu Schuller, tagesspiegel.de, 26.6.2016, http://www.tagesspiegel.de/politik/grossbritannien-der-bre xit-zeigt-die-schwaechen-der-britischen-demokratie/13788444.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); krit. gerade am Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika Frenz, vr 2011, S. 193, 195 f. 73  Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 70. 74  Von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 429. 75  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 429. 76  BVerfGE 129, S. 287, 375. 77  Beispielhaft seien die parlamentarischen Entschließungen gegen Ungarn zur Wahrung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, Entschließung des Europäischen Parlaments v. 17.05.2017, P8_TA(2017)0216, insbesondere Ziff. 2, http://www. europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2017-0216+ 0+DOC+XML+V0//DE (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 78  Nach Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1994, S. 70 Fn. 22, stelle eine „ausreichende, d. h. nicht ins statistisch Unbedeutende absinkende Repräsentanz […] einen Fall der elementaren mitgliedstaatlichen Interessen dar, die von der Gemeinschaft zu achten sind.“ 71  BVerfGE

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

lungsfähigkeit negativ beeinträchtigen könnte.79 Denn bei einer nicht ausreichenden Widerspiegelung der einzelnen Mitgliedstaaten besteht die Gefahr, dass die Fähigkeit des Parlaments zur Repräsentation der Unionsbürger da­ runter leidet, dass sich verschiedene kleinere Bevölkerungsgruppen nicht mehr gehörverschaffend in dessen Mitte artikulieren können.80 Aus diesem Grund kann die mangelnde Wahlgleichheit unionsrechtlich gerechtfertigt werden. 2. Ministerrat Im Gegensatz zum Europäischen Parlament wird die Zusammensetzung des Ministerrates nicht unmittelbar von den Unionsbürgern bestimmt, sondern lediglich mittelbar durch die Wahlen zu den nationalen Parlamenten. Denn nach Art. 16 Abs. 2 EUV besteht der Rat aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung des von ihm vertretenen Mitgliedstaates verbindlich zu handeln. Die Legitimation des mitgliedstaatlichen Vertreters erfolgt damit dreifach vermittelt: Vom Volk an das Parlament, vom Parlament an die Regierung und von der Regierung an den zuständigen Fachminister.81 Doch direkt vergleichbar mit einer zweiten Kammer, wie beispielsweise dem Bundesrat, ist der Ministerrat nicht. Schließlich erhält die Europäische Union ihre Kompetenzen nicht wie ein eigener Staat durch sich selbst, sondern im Wege der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 1, 2 EUV nur vermittelt durch die einzelnen Staaten, denen dadurch als Herren der Verträge ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als einzelnen Gliedstaaten in einem Bundesstaat. Auch aus diesem Grund war der Ministerrat lange Zeit, wie bei der Entscheidungsfindung internationaler Organisationen üblich, der alleinige bzw. der Hauptgesetzgeber der Europäischen Union, dem das Parlament erst im Vertrag zu Lissabon weitestgehend gleichgestellt worden ist.82 Trotz dieser Stärkung des Parlaments werde nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts demokratische Legitimation nach wie vor hauptsächlich 79  A. A. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 429  f. die für eine Kombination aus Aufhebung der nationalen Kontingentierung und Erhöhung der Gesamtzahl der Parlamentssitze plädiert; a. A. auch Peuker, ZEuS 2008, S. 454 ff. 80  Vgl. Haag, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 10 EUV, Rn. 9; Hieratisch, in: Brandt (Hrsg.), Perspektiven der Unionsgrundordnung, S. 19, 26 verweist in diesem Zusammenhang auf Klauseln, die nationalen Minderheiten einen Platz im Parlament gewähren. 81  Vgl. auch von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 429 f. 82  Zur geschichtlichen Entwicklung der Parlamentsbeteiligung vgl. bereits oben S. 21 ff.; zu den mit der verstärkten Parlamentsbeteiligung beabsichtigen Demokratisierungsbestrebungen vgl. 228 ff.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union239

über den Ministerrat vermittelt.83 In der Wissenschaft wird dessen Legitimationsleistung jedoch teilweise kritisiert, da keine Rückbindung an ein einheitliches Volk, sondern an verschiedene Völker erfolge und einzelne Völker bei Mehrheitsentscheidungen, die nunmehr mit der doppelt qualifizierten Mehrheit des Art. 16 Abs. 4 EUV gefällt werden, überstimmt werden könnten.84 Diese Entscheidungen seien dementsprechend nur von einem Teil der europäischen Staatsvölker demokratisch legitimiert.85 Dem wird entgegengehalten, dass die Regierungsvertreter bei Mehrheitsentscheidungen im Rat als „Vertreter der Bevölkerungen – nicht von Völkern“ gesehen werden müssten, deren politische Entscheidung am Ende einer Mehrheit von Betroffenen zurechenbar sei.86 Und selbst, wenn man in der Mehrheitsentscheidung ein gewisses Demokratiedefizit sehen würde, könnte dieses Defizit durch die Beteiligung des Europäischen Parlaments aufgefangen werden.87 Gleichwohl erscheint es bei der Bewertung der personellen Legitimation des Rates zielführend, die einzelnen Schritte der Machtübertragung durch die Völker an den Ministerrat näher zu betrachten, um dort etwaige weitere Defizite aufzudecken. Der erste Legitimationsschritt erfolgt durch die einzelnen Völker bei den Wahlen zu den jeweiligen nationalen Parlamenten. Defizite könnten sich hier ergeben, wenn in einzelnen Mitgliedstaaten diese Wahlen nicht (mehr) demokratisch ablaufen, bzw. in dem Mitgliedstaat undemokratische Zustände herrschen.88 Dass dieser Gedanke nicht allzu fernliegend ist, wird deutlich, wenn man sich die bereits angesprochene Diskussion um die Demokratie- und Rechtsstaatsdefizite in Polen und Ungarn vor Augen führt.89 Gerade um diesen Demokratiemalus bei Entscheidungen im Ministerrat fernzuhalten, sieht Art. 7 Abs. 3 EUV vor solchen Mitgliedstaaten die Stimmrechte zu entziehen. 83  BVerfGE

129, S. 287, 370 f. hierzu Doehring, DVBl. 1997, S. 1133, 1334 f.; Hellmann, Der Vertrag von Lissabon, 2009, S. 66 sieht hierin als Konsequenz eine Schwächung der mittelbaren Demokratie. 85  Doehring, DVBl. 1997, S. 1133, 1334. 86  Vgl. von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 447 ff., die sich an dieser Stelle auch mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur demokratischen Legitimation des Rates auseinandersetzt; vgl. hierzu auch den geänderten Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 AEUV im Vergleich zu Art. 189 EGV-Nizza. 87  Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 10 EUV, Rn. 5; Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010, S. 167 f.; zu den Wechselwirkungen zwischen den beiden Legitimationssträngen vgl. sogleich unten S. 243 ff. 88  Haratsch, in: Brandt (Hrsg.), Perspektiven der Unionsgrundordnung, S. 19, 34 f. weißt zu Recht darauf hin, dass die demokratische Grundlage der Europäischen Union bei dem Wegbrechen demokratischer Strukturen in nur einem einzelnen Mitgliedstaat gefährdet sei. 89  Vgl. dazu oben S. 229 f. 84  Vgl.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

In der Praxis steht dieses Verfahren jedoch vor großen formalen Hürden, so dass es kaum zu einem Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedstaates kommen wird. Deswegen versucht die Kommission als Hüterin der Verträge vor allem mit Vertragsverletzungsverfahren Druck auf die betroffenen Länder aufzubauen – mit bisher mäßigem Erfolg.90 Ist die Europäische Union jedoch nicht dazu in der Lage, mit effektiven vertraglichen Mitteln gegen undemokratische Vorgänge in einzelnen Ländern vorzugehen, können sich daraus Konsequenzen für die Legitimationsleistung des Ministerrates ergeben. Eine größere Bedeutung wird der Verantwortlichkeit der im Ministerrat vertretenen mitgliedstaatlichen Regierungen gegenüber den nationalen Parlamenten, also dem zweiten Glied der Legitimationskette, beigemessen. Das parlamentarische Kontrollsystem soll dabei durch zwei Mechanismen verwirklicht werden: Einerseits im Wege der indirekten Kontrolle auf der Ebene der Mitgliedstaaten in deren jeweiliger verfassungsrechtlicher Ausgestaltung und Praxis, andererseits aber auch direkt auf der Ebene der Europäischen Union, indem Art. 12 EUV die Rolle der nationalen Parlamente für eine gute Arbeitsweise der Europäischen Union betont.91 Hierbei ist besonders die im Vertrag von Lissabon konkretisierte Subsidiaritätsrüge bzw. -klage in den Blick zu nehmen.92 Mit dieser können die nationalen Parlamente frühzeitig gegen Unionsrechtsakte vorgehen, die ihrer Meinung nach gegen den Subsidiaritätsgrundsatz aus Art. 5 Abs. 3 EUV verstoßen.93 Dies setzt natürlich eine umfassende Kenntnis der Sach- und Rechtslage durch die nationalen Parlamente voraus.94 Aus diesem Grund normiert Art. 12 a) EUV i. V. m. Art. 4 Protokoll (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, dass die nationalen Parlamente über Gesetzgebungsvorhaben zu informieren sind, indem ihnen die Entwürfe zu Gesetzgebungsakten, sowie die Standpunkte von Parlament und Rat zuzuleiten sind. Durch die bessere, direkte Beteiligung und damit Stärkung der Rechte der nationalen Parlamente erhoffte man sich, den Mitgliedstaaten die Befürchtung zu nehmen, dass es schleichend zu einer Aushöhlung ihrer Kompetenzen kommen könnte. Jedoch ist zu beachten, dass diese Inst90  So haben die im Jahr 2012 gegen Ungarn eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren kaum etwas an der dortigen Situation geändert; vgl. zur Situation in Ungarn ausführlich die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. PE 6-3000-46/13 v. 13.05.2013, https://www.bundestag.de/blob/408304/c4c6c0068c9c52 99545eaa7ee4ecb0ea/pe-6-046-13-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 91  Vgl. dazu Peuker, ZEuS 2008, S. 453, 465. 92  Vgl. hierzu insbesondere Art. 6, 7 des Protokolls (Nr. 2) zum Vertrag von Lissabon, ABl. C 83 v. 30.03.2010, S. 206. 93  Vgl. Buschmann/Daibler, DÖV 2013, S. 504, 504; zu den Hintergründen und der Entstehungsgeschichte des Subsidiaritätsprinzips vgl. Ritzer/Rutloff, EuR 2006, S.  116, 118 ff. 94  Vgl. Bickenbach, EuR 2013, S. 523, 528 f.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union241

rumente nur dann wirksam und eine echte Ergänzung der Legitimationsleistung sind, wenn sie auf nationaler Ebene so umgesetzt werden, dass die Verfahren auch durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Parlamentsmehrheit aus Loyalitätserwägungen regelmäßig nicht gegen die ohnehin im Ministerrat vertretene nationale Regierung stellen wird.95 Deswegen ist es zu begrüßen, wenn einzelne Mitgliedstaaten wie beispielsweise Deutschland oder Frankreich96 die Subsidiaritätsrüge bzw. -klage als Minderheitenrecht ausgestalten.97 Trotz der Subsidiaritätsrüge schöpfen die nationalen Parlamente ihren Haupteinfluss auf die Unionsverfahren nach wie vor aus der Kontrolle der Regierungstätigkeiten im Rat.98 Um diesen für das Bundesverfassungsgericht maßgeblichen Legitimationsakt zu stärken, hat das Gericht in seiner Lissabon-Entscheidung Vorschläge formuliert, wie die Beteiligung des deutschen Bundestages an bestimmten Entscheidungsfindungsverfahren – hauptsächlich ausformuliert im vom Bundesverfassungsgericht sehr weit gefassten Bereich der Vertragsänderung – im Rat auszusehen habe.99 Denn „die rechtliche und politische Verantwortung des Parlaments erschöpft sich – auch im Fall der europäischen Integration – insoweit nicht in einem einmaligen Zustimmungsakt, sondern erstreckt sich auch auf den weiteren Vertragsvollzug.“100 Die Verfahren in diesem Teilbereich werden im IntGV näher bezeichnet und in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter den Zustimmungsgesetzvorbehalt des Art. 23 Abs. 1 GG gestellt.101 bemerkt auch Peuker, ZEuS 2008, S. 453, 466 f. Deutschland vgl. §  12 Abs.  1 Integrationsverantwortungsgesetz; für Frankreich vgl. Art. 88-6 der französischen Verfassung; ein rechtsvergleichender Überblick findet sich auch bei Weber, DÖV 2011, S. 497, 502 f. 97  Uerpermann-Witzack/Edenharter, EuR 2009, S. 313 ff. sind hingegen der Ansicht, dass die Ausgestaltung der Subsidiaritätsrüge als Minderheitsrecht gegen Unionsrecht verstoßen würde, da Art. 8 Protokoll (Nr. 2) keinen Spielraum für eine derartige nationale Umsetzung lasse. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Lissabon-Entscheidung diese Ausgestaltung jedoch ausdrücklich begrüßt, vgl. BVerfGE 129, S. 287, 431. 98  Eine Übersicht über die Einflussmöglichkeiten der nationalen Parlamente auf ihre Regierungen findet sich bei Jensen/Martinsen, Government and Opposition 2015, S. 240, 253 f. 99  Vgl. BVerfGE 129, S. 287, insbesondere S. 432 ff.; krit. hierzu Schwarze, EuR 2010, S. 108, 112 f., der die konkreten Vorschläge des Bundesverfassungsgerichts als „verordnete Demokratie in Europaangelegenheiten“ bezeichnet; Weber, DÖV 2011, S. 497, 498 merkt an, dass diese Vorgaben „verfassungspolitisch vertretbar, aber kaum verfassungsrechtlich geboten“ seien. 100  BVerfGE 129, S. 287, S. 433. 101  Am Weitesten geht hier § 8 IntVG nach dem auch eine Zustimmung zu einem europäischen Rechtsakt der auf die Vertragsabrundungskompetenz des Art. 352 95  Dies 96  Für

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Im Bereich der allgemeinen Kompetenzwahrnehmung durch die Europäische Union blieben die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts jedoch eher vage.102 Rein gesetzlich wird der Bundestag in Art. 23 Abs. 3 GG und § 8 EuZBBG dazu berechtigt, Stellungnahmen vor der Mitwirkung der Bundesregierung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union abzugeben. Die Bundesregierung ist dann dazu beauftragt, diese Stellungnahmen bei den Verhandlungen zu berücksichtigen, ohne jedoch an die Stellungnahme des Bundestags gebunden zu sein. Daneben hat der Bundestag nach § 2 EuZBBG die Möglichkeit, die Stellungnahmen an einen Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union zu delegieren. Die Delegation ist als wesentliche Konsequenz der Lissabon-Entscheidung des BVerfG103 aber dann ausdrücklich ausgeschlossen, wenn es um Fragen der fortschreitenden Integration, wie z. B. im einfachen Vertragsänderungsverfahren nach Art. 48 Abs. 2 EUV geht.104 Gleichwohl geht die Bundesrepublik Deutschland in ihrer nach dem Lissabon-Urteil aktualisierten Begleitgesetzgebung nicht über die vom Bundesverfassungsgericht konkret geforderten Schritte hinaus.105 Damit versucht der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen Eigenverantwortlichkeit der Exekutive im „Exekutivföderalismus“106 und der Anforderung einer hinreichenden demokratischen Rückbindung der europäischen Hoheitsgewalt durch eine kontinuierliche Begleitung des Deutschen Bundestages zu schaffen.107 Der Einfluss des Bundesrates und damit der Bundesländer auf den deutschen Ratsvertreter wird zudem in Art. 23 Abs. 5 GG und im EuZBLG konkretisiert.108 Damit konnte für die Bundesrepublik Deutschland knapp aufgezeigt werden, inwieweit die im Rat vertretene Regierung an den Bundestag rückgebunden wird. Offen bleibt damit lediglich eine Betrachtung des dritten Gliedes in dieser Legitimationskette, die Bindung zwischen der Regierung und dem nationalen Vertreter im Ministerrat. Dabei muss es sich grundsätzlich um einen Minister handeln, jedoch kann sich dieser auch auf Staatssekretär­ AEUV gestützt wird dem Parlamentsvorbehalt unterliegt; krit. zu dieser Forderung des Bundesverfassungsgerichts Ruffert, DVBl. 2009, S. 1197, 1201. 102  Vgl. Nettesheim, NJW 2010, S. 177, 181, der auch skizziert, dass diese nicht ausformulierten Anforderungen im Folgenden kaum Einfluss auf die an das Urteil angeschlossene Begleitgesetzgebung hatte. 103  Vgl. BVerfGE 129, S. 287, 432 ff. 104  Vgl. insbesondere Art. 1 Abs. 2 IntVG: „Der Bundestag und der Bundesrat sollen über Vorlagen nach diesem Gesetz in angemessener Frist beraten und Beschluss fassen […].“ 105  Nettesheim, NJW 2010, S. 177, 181; ausführlich zur Anpassung der Begleitgesetze an das Lissabon-Urteil Buschmann/Daibler, DÖV 2010, S. 293 ff. 106  Dazu grundlegend Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, 2003. 107  Vgl. zum zweiten Aspekt Nettesheim, NJW 2010, S. 177, 177 f. 108  Dazu ausführlich Melin, EuR 2011, S. 655 ff.



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union243

ebene vertreten lassen.109 Der Vertreter im Rat muss aber nach Art. 16 Abs. 2 EUV befugt sein, für die Regierung seines Mitgliedstaates verbindlich zu handeln und das Stimmrecht auszuüben. Die genaue Ausgestaltung der Rückbindung richtet sich dabei nach innerstaatlichem Recht. In Deutschland bedeutet dies, dass der zuständige Minister der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und dem Kollegialprinzip verpflichtet ist.110 Eine besondere direkte Abhängigkeit und Rückbindung des Regierungsvertreters vom und zum Deutschen Bundestag ergibt sich dagegen nur im Bereich der Integra­ tionsverantwortung.111 Wenngleich sich aus der Länge der organisatorisch-persönlichen Legitimationskette des Ministerrates gewisse Friktionen ergeben,112 kann im Ergebnis doch sichergestellt werden, dass ein ausreichend organisatorisch-personeller Verantwortungs-, Kontroll- und Zurechnungszusammenhang zwischen den Entscheidungen des einzelnen Ratsvertreters und seinem Legitimationssubjekt besteht. Denn aus der aufgezeigten Kette folgt, dass die Wahl zum nationalen Parlament auch mittelbar als Wahlakt für die Repräsentation auf supranationaler Ebene dient.113

IV. Zwischenfazit: Die Wechselwirkung gegenseitiger Verantwortlichkeit Das vorstehende Unterkapitel hat gezeigt, dass der Demokratisierungsprozess der Europäischen Union ein einzigartiger Vorgang ist, der nicht alleine mit den Maßstäben national geprägter staatstheoretischer Dogmatiken verglichen und bewertet werden darf. Denn die Union ist, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, weder ein Staat noch ein staatsanaloges Gebil109  In Fällen des Art. 23 Abs. 6 GG wird die Bundesrepublik Deutschland von einem Landesminister vertreten, vgl. dazu ausführlich Stumpf, EuR 2002, S. 275 ff. 110  Ziegenhorn, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 16 EUV, Rn. 23; zu Richtlinienkompetenz, Ressortprinzip und Kabinettsgrundsatz ausführlich, Kahrenke, DVBl 1974, S. 101 ff. In der Praxis ergeben sich hierbei regelmäßig keine großen Rückbindungsprobleme. Problematisch wurde dies zuletzt aber beim innerdeutschen Streit um die Verlängerung der Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, der zwar keine Entscheidung im Rat, aber zumindest innerhalb des Verfahrens nach Art. 291 Abs. 3 AEUV einforderte, vgl. hierzu Roman, tagesschau.de, 28.11.2017, http://www. tagesschau.de/ausland/kommentar-glyphosat-101.html (zuletzt abgerufen am: 07.11. 2018). 111  Vgl. beispielsweise § 4 Abs. 1 IntVG oder § 8 S. 1 IntVG; zur sonstigen Verantwortlichkeit des Fachministers vor dem Bundestag vgl. Mehde, DVBl 2001, S.  13 ff. 112  Dazu auch ausführlich unter Bezugnahme auf die sog. Prinzipal-Agent-Theorie Henke, EuR 2010, S. 188. 113  Vgl. dazu auch von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, 2009, S. 13 ff.

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de.114 Sie besteht nicht aus einem Volk, sondern aus verschiedenen Völkern. Gleichwohl kann auch ohne ein einheitliches Staatsvolk ein demokratischer Zusammenschluss dieser Bevölkerungen erreicht werden.115 Dazu wurden im Laufe der Zeit Strukturen verwirklicht, die der EU eine gesamtdemokratische Prägung verschaffen. War es zunächst der Ministerrat, dem die alleinige Legitimationslast auferlegt wurde, erstarkte im Fortgang des Integrationsprozesses das Europäische Parlament als zusätzlicher Legitimationsfaktor. Die sich daraus ergebende doppelte demokratische Legitimation der Europäischen Union wurde zuletzt auch in Art. 10 Abs. 2 EUV primärvertraglich verankert. Anders als das Bundesverfassungsgericht116 räumen die Verträge dabei keinem der beiden Legitimationsstränge einen Vorrang ein. Betrachtet man jedoch die Legitimationsstränge im Einzelnen, lassen sich in beiden gewisse Defizite bei der Vermittlung demokratischer Verantwortlichkeit ausmachen. Während das Europäische Parlament im Wege der degressiven Proportionalität nach mitgliedstaatlichem Proporz und nicht unter dem Gesichtspunkt der strikten Wahlrechtsgleichheit zusammengesetzt wird,117 ist die Legitimationsleistung des Ministerrates, obwohl vom Bundesverfassungsgericht vielfach beschworen,118 gleich mehreren Bedenken ausgesetzt: Zum einen erweist sich die Legitimationskette als so lange, dass bei einer realistischen Betrachtung den Bürgern durch nationale Wahlen kaum eine effektive Gestaltung und Einflussnahme am politischen Entscheidungsprozess in Brüssel möglich sein dürfte.119 Zum anderen sind die einzelnen Kettenglieder selbst Bedenken ausgesetzt. So schaffen die Verträge nur träge Sanktionsmöglichkeiten gegen undemokratische Mitgliedstaaten, bei Mehrheitsentscheidungen könnte die Legitimationsleistung der überstimmten Mitgliedstaaten verloren gehen und durch Fachzusammensetzung der verschiedenen Ratsformationen können Zielkonflikte weniger effektiv und für die Öffentlichkeit weniger durchschaubar ausgetragen werden.120 Dies führt zur Frage, wie die Defizite der einzelnen Stränge untereinander ausgeglichen werden. Möglich ist dies nach dem sog. Kompensationsmodell. Dies besagt, dass sich die beiden Legitimationsstränge der Europäischen Union gegenseitig im 114  Vgl.

BVerfGE 123, S. 267, 371. grundlegend BVerGE 89, S. 155, 186. 116  BVerfGE 129, S. 287, 370 f. 117  Vgl. Art. 14 Abs. 2 EUV; dazu ausführlich oben S. 234 ff. 118  Vgl. BVerfGE 123, S. 267, 364. 119  So zumindest Nettesheim, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 10 EUV, Rn. 75. 120  Unter anderem deswegen bewertet von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 452 ff., die Legitimationsleistung des Rates unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten sogar schlechter als die des Europäischen Parlaments. 115  Dazu



A. Zum Demokratisierungsstand der Europäischen Union245

Wege einer Wechselwirkung ergänzen können, so dass Leistungsdefizite der unmittelbaren Demokratie auf unionaler Ebene durch Einbeziehung der Elemente mittelbarer Demokratie, verwirklicht im Ministerrat, kompensiert werden können und umgekehrt.121 Denn genauso wie demokratische Strukturen von Union und Mitgliedstaaten wechselseitig ein­ gefordert werden,122 können sich die Strukturen auch auf Ebene der Europäischen Union gegenseitig bereichern und gemeinsam ein demokratisches G ­ esamtbild generieren.123 Denn manche Schwäche eines einzelnen Legitimationsstrangs kann sich auf den zweiten Blick als Verstärkung der unionalen Gesamtdemokratie erweisen. Wenn beispielsweise dem Europäischen Parlament der Malus der ungleichen Stimmgewichtung vorgeworfen wird, kann als Kompensation auf der Ebene der vermittelten Demokratie im Rat auf die doppelt qualifizierte Mehrheit hingewiesen werden. Beide Regelungen entstanden in einem Abwägungsprozess zwischen Staatengleichheit und demokratischer Rückbindung an das Einzelsubjekt und ergeben am Ende ein einheitliches Bild. Während nämlich auf der Ebene der unmittelbaren Legitimation durch die Verteilung der Sitze nach Länderproporz die Repräsentation einzelner Mitgliedstaaten im Parlament sichergestellt werden soll, wird auf der Ebene der mittelbaren Legitimation die Staatengleichheit zu Gunsten der Länder mit höherem Bevölkerungsanteil gelockert. Wenn dem Rat weiterhin auf Grund der Länge der Legitimationskette und der unterschiedlichen Zusammensetzung der Ratsformationen eine gewisse strukturelle Undurchschaubarkeit innewohnt, kann diese durch öffentliche Debatten im Forum der unmittelbaren Legitimation wieder gewonnen werden. Wird der Europäischen Union vorgeworfen, dass sie mangels einheitlichen Staatsvolks keine öffentliche Meinung bilden könne, was zu einer Schwächung des unionsinternen Willensbildungsprozess führe,124 kann dem entgegengehalten werden, dass die Verträge darauf ausgelegt sind, diesen Schwachpunkt auszugleichen. Durch die Sicherstellung der Minderheitsvertretung im Europäischen Parlament, die Einbeziehung der nationalen Parlamente in die Entscheidungsfindung, die Beteiligung des Wirtschafts- und Sozialausschusses, sowie des Ausschusses der Regionen und den ausdrücklich in Art. 11 EUV normierten Dialog mit Bürgern und Vertretern repräsentativer Verbände ist der Entscheidungsprozess zumindest im Mitentscheidungsverfahren so aufgebaut, dass alle durch eine Entscheidung betroffenen Interessen 121  Ruffert,

Rn. 5.

in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 10 EUV,

122  Vgl. auf der Ebene der Bundesrepublik Deutschland Art. 23 Abs. 1 S. GG; auf der Ebene der Europäischen Union Art. 2, 7 EUV. 123  Vgl. Haratsch, in: Brandt (Hrsg.), Perspektiven der Unionsgrundordnung, S.  19, 34 ff. 124  Vgl. dazu Bleckmann, JZ 2001, S. 53, 57.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

berücksichtigt werden können.125 Schwächen bleiben insoweit jedoch bestehen, wenn neben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auch noch besondere Gesetzgebungsverfahren wie das Anhörungs- oder Zustimmungsverfahren zur Anwendung kommen, da in diesen die parlamentarische Legitima­ tionsleistung nicht zum Tragen kommen kann.126

B. Verwirklichung der Demokratie im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Der Aufbau und Ablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens müsste das eben skizzierte Demokratieverständnis auf der Ebene der Europäischen Union widerspiegeln. Aus diesem Grund soll das vertraglich vorgesehene Entscheidungsverfahren anhand des auf unionaler Ebene verwirklichten Demokratieprinzips überprüft werden. Die demokratische Funktion des Gesetzgebungsverfahrens hatte auch der EuGH betont, als er die Vorschriften zur Beteiligung des Parlamentes in den Kontext des Demokratieprinzips gestellt hat.127 Dabei hatte er das Demokratieprinzip mit dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts eng verbunden. Deswegen soll ausgehend von der Aufgabenverteilung im institutionellen Dreieck das Zusammenspiel der Kommission und der beiden Co-Gesetzgeber bewertet und in den Kontext des Demokratieprinzips gestellt werden.

I. Aufgabenverteilung im institutionellen Dreieck „The institutional balance is significant for understanding the EU’s democratic constitution.“128

Die Verteilung der Kompetenzen unter den Organen konstituiert das sog. institutionelle Gleichgewicht. Dieser mit dem deutschen Gewaltenteilungsprinzip vergleichbare Grundsatz wurde vom EuGH herausgebildet, um Kompetenzverschiebungen zwischen den einzelnen Unionsorganen beurteilen und entsprechend korrigieren zu können.129 Die Aufgabenverteilung unter den 125  Wohl a. A. das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 123, S. 267, 377 ff. wenn es feststellt, dass die Vorschriften der Verträge das Demokratiedefizit der europäischen Hoheitsgewalt nicht ausgleichen können. Jedoch misst das Bundesverfassungsgericht das Demokratiedefizit eher an „staatlichen Demokratieanforderungen“ und weniger im unionalen Gesamtkontext. 126  Vgl. hierzu von Achenbach, Demokratische Gesetzgebung, 2014, S. 461 f. 127  Vgl. EuGH, Rs. 139/79 (Isoglucose II), Urt. v. 29.10.1980, Rn. 34. 128  Yuratich, German Law Journal 2017, S. 99, 124. 129  Vgl. Schorkopf, EuR 2000, S. 365, 369. In EuGH, Rs. 9/56 (Meroni I), Urt. v. 13.06.1956 wird von der Garantie des „Gleichgewichts der Gewalten“ gesprochen,



B. Verwirklichung der Demokratie247

Organen entspricht dabei nicht in jeder Hinsicht dem klassischen Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative.130 Im Folgenden soll vor allem das institutionelle Gleichgewicht zwischen den drei am Gesetzgebungsverfahren wesentlich beteiligten Organen ausgelotet und bewertet werden. 1. Die Europäische Kommission als Institution sui generis Als zentrales Exekutivorgan der Europäischen Union ist die Europäische Kommission zwar am Gesetzgebungsverfahren beteiligt, allerdings nicht als Gesetzgeber im Sinne des Art. 289 Abs. 1, 3, und Art. 294 AEUV.131 Ihren wesentlichen Einfluss auf die unionseuropäische Gesetzgebungstätigkeit generiert sie seit Beginn der Europäischen Gemeinschaft über die „Schlüsselrolle“ des alleinigen Initiativrechts.132 Obwohl politisch teilweise aufge­ weicht,133 kann grundsätzlich134 kein Gesetz ohne die Initiative der Kommission erlassen werden.135 Die Absicherung des Initiativmonopols erfolgt im Gesetzgebungsverfahren zusätzlich über den bereits angesprochenen Art. 293 AEUV.136 Die Bedeutung des alleinigen Vorschlagsrechts wird deutlich, wenn man bedenkt, dass das Recht zur Gesetzesvorlage in allen Mitgliedstaaten zumindest auch den Parlamenten zusteht.137 Gerade deswegen wurde und wird zur Stärkung des Europäischen Parlaments immer wieder gefordert, dass durch die Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf unzuständige Organe verletzt werden würde; vgl. ebenfalls EuGH, Rs C-70/88 (Parlament/ Rat), Urt. v. 22.05.1990, Rn. 21. Zum Ganzen ausführlich von Alemann, Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung, 2006, S. 407 ff. 130  Martenczuk, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 17 EUV, Rn. 9. 131  Gemäß Art. 14, 16 EUV werden Parlament und Ministerrat gemeinsam als Gesetzgeber tätig. 132  Vgl. Elliesie, Kompetenzverteilung im institutionellen Dreieck der EU, 2010, S. 126; Deutelmoser NVwZ 2015, S. 1577, 1577 bezeichnet das Initiativrecht der Kommission gar als „Kernstück des institutionellen Gleichgewichts.“ 133  Vgl. dazu oben S. 122 ff. 134  Ausnahmen vom Initiativmonopol der Kommission ergeben sich nur für eng umgrenzte Themengebiete im Bereich der Organorganisation. So besteht beispielsweise ein Initiativrecht des Parlaments bezüglich der Festlegung der Aufgaben seiner Mitglieder (Art. 223 Abs. 3 AEUV), der Einzelheiten zu den Untersuchungsausschüssen (Art. 226 Abs. 3 AEUV) und den Amtsausübungsmodalitäten des Bürgerbeauftragten (Art. 228 Abs. 4 AEUV). 135  Vgl. hierzu Art. 289 Abs. 1, 294 Abs. 2 AEUV. 136  Vgl. dazu bereits oben S. 152  ff.; vgl. dazu allgemein Böttner, EuR 2016, S.  105 ff. 137  Obwohl auch in den Mitgliedstaaten Initiativen hauptsächlich von den Exekutiven ausgehen, vgl. dazu den knappen Rechtsvergleich bei von Buttlar, Das Initiativrecht der Europäischen Kommission, 2003, S. 16 f.

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auch diesem ein Initiativrecht zuzubilligen.138 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass sich die Mitgliedstaaten bewusst zu dieser Ausgestaltung entschieden hätten. Die Initiativsetzung der alleine dem Interesse der Union verpflichteten Kommission führe zu einem Gleichgewicht zwischen Unionsinteressen und mitgliedstaatlichen Interessen.139 Das Vorschlagsmonopol sei somit ein wesentlicher Bestandteil der sog. „Gemeinschaftsmethode“140 und Leitprinzip für die gesamte Europäische Union.141 Nach der Initiativsetzung durch die Kommission, die von vornerein die Belange kleiner und großer Mitgliedstaaten, sowie von Bürgern und Unternehmen berücksichtigen soll, seien die Grundvoraussetzungen für eine politische Debatte der beiden Gesetzgebungsorgane geschaffen.142 Diese Punkte vermögen zu überzeugen, wenn man bedenkt, dass die Europäische Union als Zusammenschluss von Staaten einen von nationalen Inte­ ressen befreiten Raum zur Ideenentwicklung braucht. Allerdings steht die Argumentation unter dem Paradigma, dass alleine die Kommission das reine Unionsinteresse im Blick hat. Nach Art. 10 Abs. 2 S. 1 EUV werden jedoch im Europäischen Parlament die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar vertreten. Trotz nationalstaatlicher Kontingentierung der Sitze sind die Abgeordneten nicht ihrem Mitgliedstaat verpflichtet143 und auch nicht in nationalen, sondern parteipolitischen Fraktionen über die Landesgrenzen hinweg zusammengeschlossen.144 Würde man dem Europäischen Parlament jedoch ein Initiativrecht zusprechen, hätte dies Verschiebungen zwischen den beiden ausdrücklich gleichberechtigten Gesetzgebern zu Folge. 138  Vgl. zu den Forderungen des Europäischen Parlaments selbst Bonse, handelsblatt.de, 18.10.2010, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gesetzgebungeu-parlament-fordert-initiativrecht/3348344.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); vgl. zur gesamten Diskussion m. w. Nw. von Buttlar, Das Initiativrecht der Europäischen Kommission, 2003, S. 274 ff. 139  Vgl. Schmidt/Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 17 EUV, Rn. 91. 140  Nach Oppermann, DVBl. 2007, 329, 330 sei der Kern der Gemeinschaftsmethode die „Balance zwischen der anfänglichen Artikulation des Gemeinschaftsinteresses und den abschließenden Beschlüssen, die unter Berücksichtigung der nationalen Interessen der Mitgliedstaaten gefasst werden“. 141  Vgl. Martenczuk, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 17 EUV, Rn. 50. 142  Vgl. Schmidt/Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, 7. Aufl. 2015, Art. 17 EUV, Rn. 75. 143  Stattdessen üben sie ein freies und unabhängiges Mandat aus, vgl. Art. 2 GOEP (2017); zur Gesamtrepräsentation des einzelnen Abgeordneten vgl. auch Frenz, vr 2011, S. 193, 196. 144  Vgl. Art. 32 GO-EP (2017), nach dem sich eine Fraktion aus mindestens 25 Abgeordneten aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten zusammensetzen muss; zu den Fraktionen im Europäischen Parlament ausführlich Neßler, EuR 1997, S. 311.



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Um dem zu entgegnen, müsste man konsequenterweise auch dem Ministerrat ein Vorschlagsrecht einräumen. Dies würde dann aber wiederum das Konzept der Gemeinschaftsmethode ad absurdum führen. Denn gerade die mit dem Initiativmonopol verbundene starke Stellung der Kommission unterscheidet sie von allen anderen Exekutiven internationaler Organisationen, deren Autonomiegrade hinter denen der Kommission deutlich zurückbleiben.145 Eine Ausweitung des Gesetzesinitiativrechts auf andere Organe sollte auch aus Effizienzerwägungen vermieden werden. Denn eine Vielzahl nicht aufeinander abgestimmter Gesetzesvorlagen der äußerst heterogen zusammengesetzten Gesetzgeber könnte die Gesetzgebungsmechanismen der Europäischen Union übermäßig belasten146 und am Ende die zunehmende Informalisierung weiter vorantreiben. Ihre demokratische Legitimation erfährt die Kommission in doppelt vermittelter Art und Weise.147 Nach Art. 17 Abs. 7 AEUV wählt das Europäische Parlament den Kommissionspräsidenten und die übrigen Kommissionsmitglieder auf Vorschlag des Europäischen Rates. Die Kommission ist dabei als Kollegium dem Parlament gegenüber verantwortlich.148 In der Praxis wird dieser Effekt jedoch durch die Vorauswahl der Kommissare durch die Mitgliedstaaten abgeschwächt.149 Das Bundesverfassungsgericht bewertet die Verantwortlichkeit der Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament als widersprüchlich, da die Europäische Union damit dem Muster eines Bundestaates folge, ohne hierfür die Voraussetzungen geschaffen zu haben.150 Denn so wachse die Kommission weiter in die Funktion einer parlamentarischen europäischen Regierung hinein, obwohl die demokratischen Voraussetzungen hierzu nicht von den Verträgen erfüllt werden.151 Die Kritik des Bundesverfassungsgerichts beruht dabei auf der Tatsache, dass die Verantwortlichkeit der Kommission gegenüber dem Parlament im Rahmen der Vertragsrevisionen immer weiter gewachsen ist.152 Die zunehmende Nähe von Parlament und Kommission hat sich zuletzt auch im Wahlkampf zur Europawahl 2014 gezeigt. Hier waren die Parteiengruppen mit eigenen Spitzenkandidaten zur Besetzung des Kommissionspräsidenten 145  Bauer/Becker,

Integration 2015, S. 292, 293. auch Martenczuk, in: GHN EUV/AEUV, 2017, Art. 17 EUV, Rn. 51. 147  Holzner, EuR 2015, S. 525 ff. 148  Vgl. Art. 17Abs. 8 S. 1 AEUV. 149  Vgl. hierzu krit. Fisahn/Viotto, ZRP 2007, S. 198, 200. 150  Vgl. BVerfGE 123, S. 267, 380. 151  Das Bundesverfassungsgericht stellt hier nochmals explizit auf die fehlende Wahlrechtsgleichheit ab, vgl. BVerfGE 123, S. 267, 380. 152  Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 17 EUV, Rn. 2. 146  So

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angetreten.153 Tatsächlich konnte im Anschluss an die Europawahl die die meisten Sitze haltende EVP-Fraktion ihren Kandidaten Jean-Claude Juncker auch gegenüber dem Europäischen Rat durchsetzen. Obwohl die Kommission damit tatsächlich in die Nähe einer „Parla­ments­ kommission“154 rückt, ist diese von ihrer Funktion her nicht zu einhundert Prozent mit dem vom Bundesverfassungsgericht gezeichneten Bild einer klassischen Regierung vergleichbar. Denn sie muss sich, wie das Bundesverfassungsgericht selbst festgestellt hat, ihre Regierungsfunktion mit dem Ministerrat und dem Europäischen Rat teilen.155 Der Vertrag von Lissabon hat insbesondere mit der unionsverfassungsrechtlichen Etablierung des Europäischen Rates zu besseren Koordinierungs- und Strukturierungsmöglichkeiten politischer Entscheidungen der Mitgliedstaaten beigetragen.156 Dies ermöglicht es den Mitgliedstaaten auf die Politikgestaltung in der Europäischen Union größeren Einfluss zu nehmen.157 Die kollektive Handlungsfähigkeit der intergouvernementalen Gremien stärkt die Politikgestaltung durch die Mitgliedstaaten und schwächt am Ende die Position der Europäischen Kommission. Der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, nach der es ­bereits eine „Verlagerung des Schwerpunktes politischer Gestaltung hin zur Kommission“158 gegeben habe, bricht damit in der Verfassungsrealität der Europäischen Union die Spitze ab. Dass die Kommission nicht in das klassische Muster einer alleinigen Exekutive gepresst werden kann, zeigt sich nicht zuletzt auch anhand ihrer legislativen Befugnisse. Denn ihre Handlungsberechtigung im Gesetzgebungsverfahren erlischt nicht mit der Initiativsetzung. Im Zusammenspiel von Art. 293 und Art 294 AEUV wandelt sich ihre Rolle von der Initiativverteidigerin im Rahmen der ersten Lesung zum honest broker bei Beratungen des Vermittlungsausschusses.159 Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren kommt ihr folglich eine besondere Rolle neben und zwischen den beiden Gesetzgebern zu, weswegen sie auch in informellen Trilogen als eigene Partei auftritt. Da dabei die Verhandlungsführung für gewöhnlich im Stadium der über Art. 293 AEUV „abgesicherten“ ersten Lesung stattfindet, wird noch zu 153  Vgl. dazu krit. Holzner, EuR 2015, S. 525 ff.; vgl. auch Lehner, NVwZ 2015, S.  20 ff. 154  Bauer/Becker, Integration 2015, S. 292, 292. 155  Krit. zur Regierungsfunktion des Europäischen Rates, Franzius, EuR 2013, S.  655 ff. 156  Bauer/Becker, Integration 2015, S. 292, 297. 157  Franzius, EuR 2013, S. 655, 659 versucht dies anhand der Finanzpolitik im Rahmen der Eurokrise darzustellen. 158  Vgl. BVerfGE 123, S. 267, 380. 159  Vgl. dazu ausführlich bereits oben S. 125 ff.



B. Verwirklichung der Demokratie251

überprüfen sein, ob durch den Gebrauch informeller Triloge die Verhandlungsposition der Kommission im Verhältnis zu den beiden Gesetzgebern rechtlich erheblich aufgewertet wird.160 2. Europäisches Parlament – Legitimation durch Inklusion Nach der Initiativsetzung durch die Kommission wird der Gesetzesvorschlag Parlament und Rat gleichzeitig zugeleitet.161 Sie sind die von den Verträgen explizit gleichberechtigten Gesetzgeber der Europäischen Union.162 Trotz des uneindeutigen Wortlautes in den expliziten Vorschriften zu den Organen163 ergab sich die Gleichberechtigung von Rat und Parlament auch bereits vor dem Vertrag von Lissabon aus der Struktur des damaligen Mitentscheidungsverfahrens.164 Denn das Mitentscheidungsverfahren stellte sicher, dass keine Maßnahmen verabschiedet werden konnten, die nicht von den beiden Gesetzgebern zuvor gebilligt worden waren.165 Nach dem vertraglichen Verfahrensablauf des Art. 294 AEUV obliegt es im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zunächst dem Parlament den Gesetzgebungsvorschlag der Kommission zu bewerten und seinen Standpunkt in erster Lesung festzulegen.166 Um dies zu verwirklichen, wird der organinterne Entscheidungsprozess mit der besonderen Verantwortlichkeit des federführenden Ausschusses und des Berichterstatters in Gang gesetzt.167 Ausgehend von dem bereits gezeichneten Gebilde der dualen demokratischen Legitimation unionsrechtlichen Handelns, ist es dabei zuvorderst die Aufgabe des Europäischen Parlaments die Unionsbürger in ihrer Gesamtheit im Gesetzgebungsverfahren unmittelbar zu vertreten. Ob es dabei ein „europäisches Volk“ oder die Bevölkerungen der einzelnen Mitgliedstaaten repräsentiert168 mag dogmatisch umstritten sein, muss jedoch praktisch kaum entschieden werden, wenn es dem Europäischen Parlament gelingt den Willen seiner Legitimationssubjekte im Gesetzgebungsverfahren zu spiegeln. Für die in160  Vgl.

dazu unten S. 268 ff. dazu bereits oben S. 125. 162  Dies ergibt sich aus den wechselseitigen Formulierungen der Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 16 Abs. 1 S. 1 EUV. 163  Vgl. Art. 189 und Art. 202 EGV-Nizza. 164  Vgl. Schlussanträge Generalanwalt Geelhoed v. 08.09.2005, Rs. C-344/04 (IATA), Rn. 64. 165  Vgl. Schlussanträge Generalanwalt Geelhoed v. 08.09.2005, Rs. C-344/04 (IATA), Rn. 64. 166  Vgl. Art. 294 Abs. 3 AEUV. 167  Vgl. hierzu ausführlich oben S. 125 ff. 168  Dazu m. w. Nw. Di Fabio, ZSE 2014, S. 7, 9. 161  Vgl.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

haltlich-sachliche Legitimation seiner Handlungen ist es deswegen von besonderer Bedeutung, den in den Europawahlen geäußerten Input der Unionsbürger aufzugreifen und in seine Gesetzgebungstätigkeit einzuführen. Da jedoch allein mit den Wahlen zum Europäischen Parlament eine gesamteuropäische Willensbildung mangels gemeinsamer Sprache und einheitlicher Öffentlichkeit169 nur schwer zu erreichen ist, ist das Europäische Parlament auch in den einzelnen Gesetzgebungsverfahren im besonderen Maße auf einen offenen und inklusiven Entscheidungsprozess angewiesen. Vor allem durch dessen besonders transparente Arbeitsweise mit generell öffentlichen Ausschusssitzungen170 und durch den umfassenden Dialog mit Bürgern und den Interessenvertretern kann zumindest für die einzelnen Gesetzgebungsverfahren eine gesamteuropäische Teilöffentlichkeit besonders Interessierter entstehen. Zusätzlich kann die offene Entscheidungsfindung zu medialer Beachtung und einsetzenden Diskussionen führen, die gerade im Hinblick auf den zentralen Legitimationsakt des Parlaments, die Europawahl, von wesentlicher Bedeutung sind. Denn nur durch öffentliche Debatten und die politische Konturierung von Grenzlinien kann der Wähler die Auswirkungen seiner Wahlentscheidung antizipieren. Die wesentliche Aufgabe des Europäischen Parlaments im ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ist damit die staatenübergreifende Vertretung der Unionsbürger durch offene und inklusive Entscheidungsfindung. 3. Der Ministerrat als nationale Interessenvertretung Die Vertretung der mitgliedstaatlichen Interessen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erfolgt schließlich durch den Ministerrat, wenn dieser nach der Verfahrensordnung des Art. 294 AEUV auf den Standpunkt des Parlaments reagieren muss. Hierbei entsteht das das Mitentscheidungsverfahren kennzeichnende System von Aktion und Reaktion der beiden Gesetzgeber, das schrittweise zu einer Annäherung der konträren Standpunkte führen soll und bei fortlaufender Diskrepanz am Ende im Vermittlungsverfahren kulminiert.171 Damit wird dem Rat die Verantwortung übertragen, das im europäischen Parlament geäußerte den Unionsbevölkerungen zurechenbare Votum mit den originär mitgliedstaatlichen (Eigen-)Interessen in Abwägung zu bringen. Ihre unbestrittene personelle Legitimation beziehen die nationalen Vertreter dabei aus der obig dargestellten Legitimationskette ausgehend von den 169  Vgl. 170  Zur

dazu Bleckmann, JZ 2001, S. 53, 57. Transparenz der parlamentarischen Entscheidungsfindung vgl. oben

S.  181 ff. 171  Vgl. Art. 294 AEUV.



B. Verwirklichung der Demokratie253

Wahlen zu den nationalen Parlamenten.172 Gewisse Schwierigkeiten im Kontext europäischer Gesetzgebung ergeben sich jedoch bei einer näheren Betrachtung der Fähigkeit des Ministerrates den in den nationalen Wahlentscheidungen geäußerten Willen der Bevölkerungen in legislativen Output umzuwandeln. Schließlich werden nationale Wahlkämpfe und damit der mittelbare Delegationsakt für die supranationionale Vertretung des Mitgliedstaates in der Regel nicht von europapolitischen Themen bestimmt. Erhalten hier die späteren Regierungen keinen Input, können sie diesen in konkreten Gesetzgebungsverfahren auch kaum in ihrer Arbeitsweise im Ministerrat widerspiegeln. Folglich müssen die im Ministerrat vertretenen Exekutivvertreter bzw. die nationalen Regierungen den mutmaßlichen Willen ihrer Bevölkerungen antizipieren. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die im Ministerrat gebündelten Exekutivvertreter der Mitgliedstaaten völlig losgelöst von ihren Legitimationssubjekten Entscheidungen treffen können. Denn zuletzt entstanden gerade über wichtige Entscheidungen im Rahmen der Finanz- und Fiskalpolitik Debatten, welche die europäische Politik in den Fokus der nationalen Öffentlichkeit gerückt haben.173 Aus diesen können dann jedoch auch politische Stimmungen erwachsen, die in folgenden nationalen Wahlergebnissen Niederschlag finden können.174 Hier wird deutlich, dass offene Entscheidungsfindung auch für die sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation der Handlungen des Ministerrates von erheblicher Bedeutung ist, da nur so eine ausreichende nachträgliche Kontrolle durch die Bürger der Mitgliedstaaten erfolgen kann.

II. Die strukturelle Schwachstelle des ordentlichen ­Gesetzgebungsverfahrens und deren Ausgleichsversuche Die oben beschriebene Aufgabenverteilung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ließ bereits anklingen, dass sich die Legitimation unionsrechtlicher Entscheidungsfindung nicht allein aus der personellen Legitimation der Gesetzgeber ergeben kann. Denn aus dieser kann nicht zwangsweise auf die sachlich-inhaltlich demokratische Rechtmäßigkeit der Gesetzgebungsakte geschlossen werden. Damit stellt sich zunächst die Frage, was neben der personellen Legitimation der Entscheidungsträger ein Gesetzgebungsverfahren demokratisch macht. Bereits zu Zeiten der Aufklärung hat 172  Vgl.

dazu oben S. 238 ff. den rechtlichen Hintergründen der politischen Entscheidungen in der Finanzkrise vgl. Kadelbach, EuR 2013, S. 489 ff. 174  Vgl. hierzu den damit eng verbundenen Aufstieg der eurokritischen AfD in Deutschland. 173  Zu

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Kant, ohne dabei konkret die Demokratie im Blick zu haben, festgestellt, dass Gesetze aus einem hypothetischen, vereinigten Willen des Volkes zu entspringen haben, da nur so der Gesellschaftsvertrag erfüllt werden könne.175 Und auch Rousseau bemerkte, dass für die „wirkliche Festigkeit und Dauerhaftigkeit“ einer Staatsverfassung die „Beobachtung aller Rücksichtigen“ notwendig sei, so dass die „natürlichen Verhältnisse und die Gesetze sich stets in denselben Punkten vereinigen.“176 Die beiden Aufklärer lassen sich damit zwei bereits angesprochenen Metriken demokratischer Legitimation von Entscheidungen zuordnen.177 Indem Kant klarstellt, dass Gesetze dem vereinigten Willen der Normunterworfenen „zu entspringen“ haben, unterstreicht er die Bedeutung input-orientierter Legitimation. Rousseau verdeutlicht hingegen den Wert output-orientierter Legitimation, da sich die Gesetze mit den natürlichen Verhältnissen in denselben Punkten vereinigen sollen und somit von der Rechtmäßigkeit des Gesetzes auf die Berechtigung zum Normerlass geschlossen werden kann. Die Elemente der Herrschaft durch das Volk und der Herrschaft für das Volk, oder mit anderen Worten Legitimation durch Input und Legitimation durch Leistung, koexistieren in demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen und können sich gegenseitig ergänzen.178 Daraus folgt, dass Gesetzgebung im Ganzen dem Mehrheitswillen der der Herrschaft unterworfenen Individuen entsprechen, verschiedene Interessenlagen berücksichtigen und nicht zuletzt auch das Gesellschaftsbild widerspiegeln sollte. Zusätzlich müssen dem Einzelnen bei der Gesetzgebung aber so viele Mitwirkungsrechte eingeräumt werden, dass er die Regeln der Gesetzgebung nachvollziehen kann, da er ansonsten gerade von seiner eigenen Meinung abweichende Gesetze nur schwer akzeptieren kann.179 Diese Mindestanforderungen input-orientierter Legitimation werden in einem repräsentativ demokratischen Gebilde wie der Europäischen Union im Wesentlichen durch Wahlen von Repräsentanten sichergestellt, die dem Bürger gegenüber verantwortlich legislative Entscheidungen treffen. Um den Einfluss der Individuen durch Wahlen ausreichend erscheinen zu lassen, muss die Bestimmung der Vertreter jedoch auch sachlich-inhaltliche Auswirkungen auf deren Entscheidungsfindung haben. Unter der Prämisse der doppelt demokratischen Legitimation der Europäischen Union offenbaren sich an dieser Stelle jedoch beachtliche Bruchstellen: Denn der Ministerrat wird zwar über die Wahlen zu 175  Vgl. Kant, Kleinere Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik, 1922, S.  94 f. 176  Vgl. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechts, hrsg. von Guth, übersetzt von Denhardt, 2016, S. 46. 177  Vgl. dazu bereits oben S. 90 ff. 178  Vgl. Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 21. 179  Vgl. hierzu Fisahn/Viotto, ZRP 2007, S. 198, 199 f.



B. Verwirklichung der Demokratie255

den nationalen Parlamenten personell demokratisch legitimiert, europapolitische Themen sind hierbei jedoch wie bereits festgestellt wurde kaum ausschlaggebende Wahlkriterien. Daraus folgt, dass der den Unionsentscheidungen unterworfene nationalstaatliche Wähler kaum erkennen kann, welche Auswirkungen seine Wahl auf die Entscheidungen der Europäischen Union haben werden. Bei den Wahlen zum Europaparlament könnte der Wille der Normunterworfenen dagegen rein theoretisch besser erfasst werden, da hier die Parteien primär europapolitische Themen in den Fokus der Bevölkerung rücken.180 Auch wenn auch dieser Wahlkampf größtenteils durch eine rein nationale Öffentlichkeitsdebatte geprägt wird, geht es den Parteien zumindest um die Artikulation einer Vision für die Europäische Union. Doch es ist fraglich, ob sich der bei den Wahlen zum europäischen Parlament erreichbare Input tatsächlich besser in legislativen Output umwandeln lassen kann. Denn die Europawahlen verzeichnen zum einen eine rückläufige Wahlbeteiligungsquote von mittlerweile nur noch gut 43 %,181 und zum anderen können aus den Wahlergebnissen lediglich Rückschlüsse auf gewisse Lagerbildungen gezogen werden. Denn inhaltliche Debatten über hypothetische EU-Maßnahmen werden regelmäßig von der grundlegenden Entscheidung des Wählers eine EU-freundliche oder eine EU-skeptische Partei zu wählen überlagert. Gleichzeitig werden Europawahlen wegen ihrer angeblich geringen Bedeutung für den persönlichen Alltag der Bürger, durch schmal gehaltene Wahlkämpfe der Parteien und auf Grund der Vernachlässigung durch die Massenmedien oftmals als im Vergleich zu rein nationalen Wahlen zweitranging angesehen.182 Es ist damit fraglich, ob eine weitere Aufwertung des Europäischen Parlaments tatsächlich zu einer größeren Legitimation europäischer Entscheidungsfindung beitragen würde.183 Denn auch politische und faktische Stär180  Vgl. hierzu beispielhaft die Parteiprogramme zur Europawahl 2014, gesammelt abzurufen und knapp beschrieben unter http://www.europawahl-bw.de/ europawahlprogramme.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 181  Verglichen mit einer Wahlbeteiligung von knapp 62 % bei den ersten Europawahlen im Jahr 1979. Eine Aufstellung der Wahlbeteiligungsquote nach Jahren und Mitgliedstaaten findet sich unter https://www.bpb.de/dialog/europawahlblog-2014/ 185215/interaktive-grafiken-die-wahlbeteiligung-bei-europawahlen (zuletzt aufgerufen am: 07.11.2018). 182  Eine empirische Analyse der Europawahlen findet sich bei Niedermayer, ZParl 2014, S. 523 ff., insbesondere S. 524. 183  A. A. wohl Altbundespräsident Roman Herzog nach der Vertragsreform von Lissabon: „Hierzu hätte der Rat, zumindest im Bereich der Gesetzgebung, zu einer zweiten Kammer im Sinne eines klassischen Zwei-Kammer-Systems weiterentwickelt werden müssen – einer Kammer, die zwar einer sachwidrigen Zentralisierung Einhalt gebietet, jedoch nicht selbst eine treibende Kraft für sachwidrige Zentralisierung darstellt, indem sie national nicht durchsetzbare Partikularinteressen über die Europäi-

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kungen des Parlamentes im Verhältnis zum Rat, wie die Nominierung von Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten bei der Europawahl 2014, konnten die Wahlbeteiligung und damit einhergehend das Inte­ resse an unionseuropäischer Politik zumindest kurzfristig nicht erhöhen. Auf EU-Ebene kann input-orientierte Legitimation durch Wahlen damit insgesamt schwieriger erreicht werden als in reinen Nationalstaaten. Um die sachlich-inhaltliche Legitimation von Entscheidungen dennoch gewährleisten zu können, entwickeln die Verträge ein abstützendes, diffiziles System mit dem sowohl der Input in gesetzgeberische Tätigkeit als auch der legislative Output verbessert werden soll. Denn wenn die Teilhabe der Bürger und Interessenvertreter am Entscheidungsprozess auch außerhalb von Wahlen sichergestellt werden kann, kann deren Zustimmung zu europäischer Gesetzgebung erhöht werden. Dazu nimmt Art. 11 EUV die Beteiligung der Unionsbürger und der Vertreter repräsentativer Verbände besonders in den Blick. Deren Mitwirkung soll sich explizit nicht nur in Wahlen sondern auch in einem „offenen, transparenten und regelmäßigem Dialog“184 verwirklichen. Da­raus kann dann zumindest für einzelne Gesetzgebungsvorhaben eine gesamteuropäische Teilöffentlichkeit besonders Interessierter entstehen. Der Dialogaufforderung kommt in institutionalisierter Art und Weise vor allem die Kommission in der Initiativphase durch Betroffenenanhörungen und öffentliche Konsultationen nach.185 Die besonders aktive Beteiligung in der Gesetzesvorlagenvorbereitungsphase zu verorten, macht auch Sinn, wenn man bedenkt, dass es im Rahmen der Gemeinschaftsmethode gerade die Aufgabe der Kommission ist, das gemeinsame Unionsinteresse herauszuarbeiten.186 Doch auch in bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren kommt es zu Lobbying und Interessenvertretung bei den beiden Gesetzgebern Rat und Parlament. Als Spiegelbild und Voraussetzung für die aktive Beteiligung soll die größtmögliche Transparenz187 im Gesetzgebungsverfahren dafür sorgen den Entscheidungsprozess an das Legitimationssubjekt zurück zu vermitteln. Denn nur durch Information können die Bürger alle Tatsachen nachvollziehen, die Grundlage der politischen Entscheidung geworden sind und dies dann beispielsweise in Wahlen goutieren.188 sche Union durchsetzt.“ vgl. Herzog/Gerken, welt.de, 17.02.2007, https://www.welt. de/dossiers/eu-macht/article720463/Europa-entmachtet-uns-und-unsere-Vertreter.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 184  Art. 11 Abs. 2 EUV. 185  Vgl. dazu bereits oben S. 111 ff. 186  Vgl. Oppermann, DVBl. 2007, S. 329, 330. 187  Krit. dazu oben S. 198 ff. 188  Vgl. EuGH, Rs. C-39/05 P und C-52/05 P (Turco), Urt. v. 01.07.2008, Rn. 46.



B. Verwirklichung der Demokratie257

Die dargestellten Beteiligungs- und Informationsrechte schaffen dem Einzelnen und den Interessenvertretern zwar die Möglichkeit am Gesetzgebungsverfahren teilzuhaben, sind aber nicht dazu in der Lage, den fehlenden europaweiten öffentlichen Meinungsbildungsprozess vollkommen zu ersetzen.189 Denn von den aufgezählten Rechten machen in der Regel nur diejenigen Gebrauch, die bereits stark interessiert sind oder ein Eigeninteresse an der entsprechenden Gesetzgebung haben.190 Weil aber die breite Masse der Legitimationssubjekte den Teilhabemöglichkeiten nicht nachkommt,191 kann auch durch diese Verfahren der mutmaßliche Wille der Gesamtheit der Unionsbürger nur schwer abgebildet werden. Daraus folgt, dass die Bedürfnisse der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Bevölkerungen im Gesetzgebungsverfahren größtenteils antizipiert werden müssen und die gemeinsame öffentliche Meinung fingiert werden muss. Dies gelingt aber nur dann, wenn es die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe schaffen, alle Interessen im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Hierzu bedient sich die Kommission in der Initiativphase vor allem dem Instrument der Folgenabschätzung, bei der das „Vorhandensein, der Umfang und die Auswirkungen eines Problems, sowie die Frage geklärt werden [soll], ob ein Tätigwerden der Union angezeigt ist oder nicht.“192 In der Beratungsphase stehen den beiden Gesetzgebern zusätzlich die zwei beratenden Ausschüsse zur Seite. Der Ausschuss der Regionen kann dabei die Interessen der lokalen Gebietskörperschaften artikulieren, während dem Wirtschafts- und Sozialausschuss als „Brücke zwischen Europa und der organisierten Zivilgesellschaft“193 die Rolle einer institutionalisierten Interessenvertretung in Wirtschaftsfragen zukommt.194 Am Europäischen Parlament liegt es dann, den Vorschlag entlang des europäischen Parteiensystems zu be­

krit. Bleckmann, JZ 2001, S. 53, 57. dazu beispielsweise den Aufruf des Bauernverbandes bei der Konsultation zur GAP teilzunehmen, http://www.bauernverband.de/gap-konsultation-2020 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018) oder die Beteiligung der Sparda Bank an speziellen bankenrechtlich relevanten Gesetzgebungsverfahren, http://www.sparda-verband. de/konsultationsbeteiligungen.php (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 191  Ein Hintergrundbericht mit einem Ursachenforschungsversuch findet sich bei Raible, bayern.landtag.de, ohne Datumsangabe, https://www.bayern.landtag.de/ aktuelles/blick-nach-europa/die-eu-kommission-will-mehr-aufmerksamkeit-fuer-ihrekonsultationen/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 192  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 12. 193  So zumindest das Selbstbild des EWSA, vgl. dazu die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Regierungskonferenz 2000 – Die Rolle des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 117 v. 26.04.2000, S. 28, 28. 194  Zur näheren Ausgestaltung der beratenden Ausschüsse vgl. oben S. 106 ff. 189  Dazu 190  Vgl.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

werten,195 bevor im Rat die Interessen der Mitgliedstaaten in Abwägung gebracht werden sollen. So soll durch die Gesetzgeber eine möglichst gute Entscheidung erlassen werden, durch die die Mängel input-orientierter Legitimation teilweise aufgefangen werden können.

III. Zwischenfazit: Die Gesetzgebungstätigkeit als Zukunftsfaktor der Europäischen Union Damit konnte knapp aufgezeigt werden, dass das ausdifferenzierte Kompetenzgefüge des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durchaus dazu in der Lage wäre, die verschiedenen Interessen von Staaten und Bevölkerungen sowie von Unternehmen und Einzelpersonen in Einklang zu bringen und einer argumentativ ausgewogenen Gesamtlösung zuzuführen. Gleichwohl sind die Europäische Union und ihre Organe in Zeiten abnehmender Akzeptanz europäischer Politik und zunehmender „Europamüdigkeit“196 der Unionsbürger dazu aufgerufen verantwortlich mit ihren Gesetzgebungskompetenzen umzugehen. Denn hörte man nicht immer wieder Beschwerden, dass zu viele Entscheidungen im fernen Brüssel ohne wirkliche Rücksicht auf die Belange der Bürger und aus falschem Symbolismus gefällt werden.197 Dass sich die Europäische Union nur um Kleinigkeiten wie die Krümmung von Gurken,198 nicht aber um die großen Probleme der heutigen Zeit wie Flüchtlings- und Migrationsströme kümmern könne. Dieser Eindruck in den Köpfen der Bevölkerung verfestigte sich zusätzlich durch das seit Anbeginn der Europäischen Union von den Mitgliedstaaten betriebene blame game. Bei diesem „Spiel über die Bande“199 wurden politisch der innerstaatlichen Öffentlichkeit nur schwer zu vermittelnde Entscheidungen bewusst auf die EU-Ebene transportiert, um im Anschluss an die europäische Regulierung innerstaatlich der EU die „Schuld“ zu geben.200 Die jahrelange Intransparenz der Entschei195  Zur Zusammensetzung der Fraktion vgl. Art. 32 GO-EP (2017), dazu näher und m. w. Nw. Frenz, vr 2011, S. 193, 199. 196  Vgl. Oppermann, DVBl 2007, S. 329, 333, der in den EU-Erweiterungen zwischen 2004 und 2007 eine wesentliche Ursache für die Europamüdigkeit und den Europaskeptizismus sieht. 197  Vgl. hierzu exemplarisch Wegener, ZUR 2009, S. 169, 169, der das „Glühbirnenverbot“ als Teil eines widersprüchlichen und irrationalen Verbotsregimes sieht, in dem Lobbyinteressen deutlich durchscheinen. 198  Zu Entstehung und Ende dieser „berühmt-berüchtigten“ Verordnung (EWG) Nr. 1677/88 v. 15.06.1988, vgl. Gandenberger, in: Bergmann (Hrsg.), Handlexikon der Europäischen Union, 5. Aufl. 2015, Stichwort: Gurkenkrümmung. 199  Henke, EuR 2010, S. 118, 124. 200  Priebe, EuZW 2015, S. 697, Fn. 4 führt hierzu beispielhaft die Regelung zu Anforderungen an Traktorsitze an. Diese sei wegen zunehmender Rückenschäden von



B. Verwirklichung der Demokratie259

dungsverfahren mit der geheimen Entscheidungsfindung im Rat hat dies zusätzlich begünstigt.201 Doch auch nach dem Vertrag von Lissabon wirkt der Entscheidungsprozess durch die Vielzahl der Verfahren, die Länge der Legitimationsketten und die nach wie vor bestehende Möglichkeit unliebsame Einzelentscheidungen auf die Kommission im Wege der untergesetzlichen Normgebung zu übertragen eher undurchsichtig.202 In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele dieser Beschwerden von der Kommission aufgegriffen. So kam es infolge der Better-Regulation Initiative zu Beginn der 1990er Jahre und der damit verbundenen Politik des „weniger, aber besser“ zu einer signifikanten Verringerung der gesetzten Initiativvorschläge durch die Europäische Kommission.203 Im aktuellen Weißbuch zur Zukunft Europas204 werden die geäußerten Bedenken ebenfalls erkannt und fünf verschiedene, aber miteinander kombinierbare Szenarien zur Entwicklung der Europäischen Union bis 2025 aufgezählt. In seiner Rede zur Lage der Union vom 17.09.2017 griff Kommissionspräsident Juncker diese Entwicklungsperspektiven auf und erläuterte die Sichtweise der Kommission.205 Als Kernbestanteil seiner Zukunftsagenda stellte er dabei ebenfalls den Wunsch nach weniger, dafür aber effizienterer Gesetzgebungstätigkeit heraus.206 Deswegen versuche die Kommission die Bürger nicht mit „RegelungsKlein-Klein“ zu „nerven“, sondern in „großen Dingen Größe zu zeigen und sich […] in kleinen Dingen zurückzuhalten.“207 Der gesetzgeberischen Tätigkeit der Unionsorgane kommt damit für die Zukunft der Europäischen Union eine besondere Bedeutung zu. Denn mit dem Wunsch nach besserer und pointierterer Regulierung, wird die Hoffnung auf wieder ansteigende Akzeptanz durch die Unionsbürger verbunden. Landwirten von den deutschen landwirtschaftlichen Krankenversicherungen an die Bundesregierung herangetragen worden und von dort aus zur Vermeidung jeglicher Kritik an die Europäische Gemeinschaft weitergeleitet worden. 201  Vgl. dazu bereits oben S. 185. 202  Beispielhaft sei hier nur das Verfahren um die Zulassung von Glyphosat genannt. Der Kommissionspräsident Junker hatte in diesem Zusammenhang oftmals kritisiert, dass sich zu viele Mitgliedstaaten enthielten, um dann bei einer Verlängerung der Zulassung der Europäischen Union den „schwarzen Peter“ zuschieben zu können, vgl. Roman, swr.de, 27.11.2017, https://www.swr.de/swraktuell/entscheidungueber-glyphosat-zulassung-letzte-chance-auf-abstimmung-der-eu-laender/-/id=396/ did=20599160/nid=396/1t6f2yo/index.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 203  Vgl. dazu Bauer/Becker, Integration 2015, S. 292, 294 f. 204  Weißbuch zur Zukunft Europas, COM (2017) 2025 final, 01.03.2017. 205  Juncker, Rede zur Lage der Union 2017, 13.09.2017, http://europa.eu/rapid/ press-release_SPEECH-17-3165_de.htm (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 206  Vgl. dazu Calliess, NVwZ 2018, S. 1, 5 ff. 207  Juncker, Rede zur Lage der Union 2017, 13.09.2017, http://europa.eu/rapid/ press-release_SPEECH-17-3165_de.htm (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

C. Demokratie der Triloge Zu erörtern ist nun, welchen Einfluss informelle Triloge auf das soeben dargestellte fragile System europäischer Gesetzgebung nehmen können. Schließlich hat sich das Mitentscheidungsverfahren in seiner Praxis durch die gehäufte Anwendung der Triloge derart stark verändert, dass nunmehr fast alle Legislativakte bereits in erster Lesung verabschiedet werden.208 Zu Recht wird deswegen gerade in der politik- und sozialwissenschaftlichen Literatur die Frage aufgeworfen, ob politische Entscheidungen dieser Gremien überhaupt hinreichend demokratisch legitimiert seien.209 Informelle Politik ist jedoch keine Eigenart der unionseuropäischen Entscheidungsfindung, sondern auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten über die die Europäische Union ja einen Teil ihrer demokratischen Legitimation bezieht, ein fester Bestandteil des Kompromissfindungsprozesses. Um einen knappen Vergleichsmaßstab herauszuarbeiten, sollen deswegen zunächst formelle und informelle Politikmechanismen auf der Ebene ausgewählter europäischer Staaten betrachtet werden, bevor der konkrete Einfluss der informellen Triloge auf die (Macht-)Strukturen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens bewertet wird. Im Anschluss daran ist die Frage zu beantworten, ob und inwieweit informelles Verhandeln gegen die zuvor herausgearbeiteten demokratischen Grundsätze auf Unionsebene verstößt.

I. Informelle Einflüsse auf Gesetzgebungsprozesse in ausgewählten Staaten Informelle bzw. informale210 Verfahren im Vorfeld oder während gesetzgeberischer Entscheidungsprozesse sind keine Erfindung der Europäischen Union, sondern auch in der Politik der einzelnen Nationalstaaten fest verwurzelt. Unter informellen Verhandlungen sollen deswegen im Folgenden politische Vorgänge verstanden werden, die nicht durch formale Regeln erfasst werden und neben den formellen Entscheidungsstrukturen zur Anwendung kommen.211 Der Blickwinkel soll hierbei besonderes auf die informale Ent208  Vgl.

dazu oben S. 162 f. beispielhaft Reh, Journal of European Public Policy, 2014, S. 822 ff. 210  Die beiden Begriffe können synonym verwendet werden. 211  Dabei soll es an dieser Stelle nicht darauf ankommen, ob man ein Verständnis vertritt, nach dem informale Handlungen die formalen Regeln in einem Handlungsspielraum ergänzen oder stattdessen der Ansicht ist, dass formelle und informelle Handlungen gemeinsam einen Funktions- und Handlungsspielraum konstituieren; vgl. dazu m. w. Nw. Bröchler/Lauth, in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 1, 3. 209  Nur



C. Demokratie der Triloge261

scheidungsfindung im Rahmen der Gesetzgebungstätigkeit gelegt werden, ohne an dieser Stelle die jeweiligen verfassungsmäßigen Grenzen des Handelns auszuloten. 1. Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland ist bereits seit Beginn der parlamentarischen Demokratie beklagt worden, dass es durch „Mechanismen innerhalb und außerhalb der parlamentarischen Formenwelt“ zur Aushöhlung parlamentarischer Staatsleitung komme.212 In jüngerer Zeit lasse sich vor allem bedingt durch die zunehmende europäische Integration eine Machtverschiebung vom Parlament hin zur Regierung beobachten.213 Doch auch ganz konkrete Formen inhaltlich vorgeprägter Entscheidungen verkleinern die faktische Macht des Parlaments zu Gunsten der Regierung.214 Von der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen durch juristische Experten,215 über die Vorbesprechung legislativer Maßnahmen in Expertengruppen,216 von politischen Vorentscheidungen in Parteigremien,217 bis hin zu „verbindlichen“ Einigungen in Koalitionsverhandlungen und Koalitionsverträgen,218 werden maßgebliche politische Entscheidungen zuerst an vielen anderen Orten getroffen, bevor sie im Bundestag formal abgesegnet werden. Durch die enge Verknüpfung zwischen Exekutive und Legislative entwickelt sich der Bundestag immer mehr vom Kontrolleur zum Garanten der von ihm gewählten Regierung.219 Daneben schwächt sich der Bundestag auch noch selbst, indem er legislative Aufgaben an Sachverständigengremien überträgt.220 dazu m. w. Nw. Herdegen, in: VVDStRL 62 (2002), S. 9, 9. NJW 2001, S. 1332, 1332 ist gar der Ansicht, dass europäische Integration und parlamentarische Demokratie in eine nur schwer überbrückbare Gegenläufigkeit abzudriften drohen. 214  Vgl. dazu Ruffert, DVBl 2002, S. 1145, 1146. 215  Vgl. dazu ausführlich Kloepfer, NJW 2011, S. 131 ff. 216  Die Expertengruppen oder Enquete-Kommissionen werden von der Bundesregierung zur Ausarbeitung eines Kompromissvorschlags im Vorfeld der Initiativsetzung eingesetzt. Beispielhaft sei die „Hartz-Kommission“ zur Reform des Arbeitsmarktes aufgeführt, vgl. hierzu und zu Entgegnungsmöglichkeiten des Parlaments Herdegen, in: VVDStRL 62 (2002), S. 9, 13 f.; vgl. auch Ruffert, DVBl 2002, S. 1145, 1147. 217  Zur „Problemlage“ um den sog. „Parteienstaat“ näher Morlok, in: VVDStRL 62 (2002), S. 37, 41 f. 218  Zur rechtlichen Wirkung von Koalitionsverträgen vgl. Leisner, NJW 2010, S.  823 ff. 219  Kirchhof, NJW 2001, S. 1332, 1332. 220  Herdegen, in: VVDStRL 62 (2002), S. 9, 22 bezeichnet dies als „Outsourcing“ legislativer Aufgaben; vgl. auch Steinbach, DÖV 2016, S. 286, 291. 212  Vgl.

213  Kirchhof,

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Freilich setzen die hier beschriebenen informellen Entscheidungen auf politischer Ebene nicht im laufenden Gesetzgebungsverfahren, sondern bei der Regierungstätigkeit in der Initiativphase oder gar noch früher an. Gleichwohl kommt es auch in laufenden Gesetzgebungsverfahren zu informellen Gesprächen, um Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat zu beseitigen.221 Diese Gespräche finden dann nämlich gerade nicht nur im formalen Vermittlungsausschuss,222 sondern auch in diesen begleitenden teils formalen223 und teils informalen Arbeitsgruppen statt. Obwohl dem deutschen Vermittlungsausschuss bei der inhaltlichen Entwicklung von Kompromissvorschlägen engere Grenzen gesetzt werden als dem europäischen Vermittlungsausschuss,224 hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt bezüglich der Wahl der Mittel eine großzügige Handhabung erlaubt. Im gegenständlichen Verfahren hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht verletzt werde, wenn einzelne Parteien in informalen Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses nicht beteiligt werden.225 Obwohl es in diesen Arbeitsgruppen zu „einer gewissen Vorformung des abschließenden Entscheidungsvorschlags des Vermittlungsausschusses“ komme, werde den Arbeitsgruppen keine den Vermittlungsausschuss ersetzende Funktion verliehen.226 Denn die auf Arbeitsgruppenebene gefundenen Ergebnisse müssen formal im dann wieder spiegelbildlich zusammengesetzten Vermittlungsausschuss verabschiedet werden. Das Gericht hat hierbei versucht, eine Abwägung zwischen demokratischer Legitimation von Vermittlungsergebnissen und Verfahrenseffizienz des Vermittlungsausschusses zu schaffen.227

221  Um diese Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern von vornerein zu vermeiden wird jedoch versucht auf Regierungsebene die Zustimmung der Länder zu „erkaufen“, indem beispielsweise Finanzierungszusagen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs getätigt werden, vgl. dazu Kirchhof, NJW 2001, S. 1332, 1333. 222  Zum deutschen Vermittlungsausschuss grundlegend Schenke, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses, 1984. 223  Vgl. § 9 GO-VermA. 224  Zur Grenzziehung unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Desens, NJW 2008 , S. 2892 ff.; allgemein Huber/Fröhlich, DÖV 2005, S.  322 ff. 225  BVerfGE 140, S. 115 ff. 226  BVerfGE 140, S. 115, 157. 227  Putzer, DÖV 2016, S. 168, 170.



C. Demokratie der Triloge263

2. Großbritannien Im Gegensatz zum deutschen Verfassungssystem ist das britische Regierungssystem stark von der Mehrheitsdemokratie geprägt und damit weniger auf Konsens angewiesen.228 Da in Großbritannien jedoch kein einheitliches Verfassungsdokument und damit eine geringere formale Regelungsdichte als in der deutschen Verfassungsordnung existiert, muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass informelles Handeln in Großbritannien weniger einer Vereinfachung der Verfahren, als vielmehr der Konkretisierung und Ergänzung ungeregelter Strukturen dient.229 Dabei kommt dem britischen Premierminister im Regierungssystem grundsätzlich eine stärkere Machtfunktion als dem deutschen Bundeskanzler zu, da dieser stets auch Parteivorsitzender der Mehrheitspartei ist.230 Die Konzentration auf den Premierminister ging teilweise so weit, dass sich unter Tony Blair eine Art „sofa government“ entwickelte, bei dem die wesentlichen politischen Entscheidungen nicht mehr im Kabinett, sondern in informellen Kaminrunden getroffen wurden.231 Als es in der anschließenden Legislaturperiode unter David Cameron jedoch zu einer Koalitionsregierung kam, wurde Informalität auf Regierungsebene nicht mehr zur Machtkonzentration, sondern zur Konsensfindung und Vertrauensbildung unter den Koalitionspartnern eingesetzt.232 Die Dominanz der Regierung zeigt sich auch im Gesetzgebungsverfahren daran, dass nahezu alle erfolgreich zustande gekommenen Gesetze auf einen Gesetzesentwurf der Regierung zurückgehen.233 Das verfassungsrechtlich nicht regulierte Verfahren selbst wird dann in einem Zwei-Kammer-System durchgeführt, wobei der Gesetzesvorschlag im Fall von Unstimmigkeiten zwischen den beiden Kammern hin und her gereicht wird.234 Ein Vermitt228  Zum Mehrheitssystem in Großbritannien vgl. Lijphart, Patterns of Democracy, 2. Aufl. 2012, S. 9 ff. 229  Vgl. dazu Glaab, in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 211, 217. 230  Glaab, in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 211, 225. 231  Zum „sofa government“ unter Tony Blair vgl. Hastings, theguardian.com, 16.05.2006, https://www.theguardian.com/commentisfree/2006/may/16/comment. labour (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 232  Glaab, in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 211, 225. 233  So wurden zwischen 1995 und 2007 insgesamt 92 Prozent aller Regierungsentwürfe am Ende von der Königin ausgefertigt, während nur acht Prozent der Private Members’ Bills im Unterhaus angenommen wurden, vgl. dazu Schüttemeyer/ Stiefken, in: Gabriel/Kropp (Hrsg.), Die EU-Staaten im Vergleich, 2008, S. 482, 492. 234  Zum Gesetzgebungsverfahren in Großbritannien vgl. http://www.parliament. uk/about/how/laws/passage-bill/ (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

lungsverfahren existiert nicht (mehr), da bei andauernden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem House of Commons (Unterhaus) und dem House of Lords (Oberhaus), das Gesetz auch ohne Zustimmung des Oberhauses erlassen werden kann.235 Weil es bei Unstimmigkeiten jedoch zu starken zeitlichen Verzögerungen kommen kann, ist die Regierung oftmals dazu bereit, sich mit den entscheidenden Akteuren des House of Lords in informellen Kompromissen zu einigen.236 Auf Grund der bereits angesprochenen fehlenden Verfassungskodifikation in Großbritannien kommt den informalen Verfahrenshandlungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine besondere Bedeutung zu.237 Informalität hat damit im Vereinigten Königreich neben der eher schwach ausgeprägten Konsensbildungsfunktion vor allem eine notwendige Ausgestaltungsfunktion des nur schwach reglementierten Entscheidungsbereichs.238 3. Frankreich Das politische System in Frankreich ist anders als die Systeme in Deutschland und Großbritannien durch ein starkes Staatsoberhaupt, den Staatspräsidenten, geprägt.239 Dieser wird von der französischen Verfassung an prominenter Stelle als erstes der Organe definiert240 und übt sowohl die Funktion des obersten Exekutivorgans, als auch des Hüters und Verwalters der Verfassung aus.241 Auf die Gesetzgebung hat der Staatspräsident jedoch zumindest formal nur wenig Einfluss, da er weder ein Recht zu Gesetzesinitiative, zum Veto oder zum Eingriff in den parlamentarischen Entscheidungsverlauf

235  Vgl. dazu ausführlich Bergkemper, Das Vermittlungsverfahren gemäß Art. 77 II GG, 2008, S. 74 ff.; Sturm, in: Ismayr (Hrsg.), Die politischen Systeme Westeuropas, 2009, S. 266, 272 f. 236  Vgl. dazu Saalfeld, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, 2008, S. 159, 182. 237  Vgl. Bröchler/Lauth in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 1, 9 die beispielhaft die Unterzeichnungspflicht der Königin anführen, die weder in einem der unterschiedlichen Verfassungsdokumente, noch in einfacher Gesetzesform geregelt ist. 238  In der Praxis kommt es deswegen immer wieder zu einem Prozess der „Neuinterpretation der ungeschriebenen Verfassung“, vgl. dazu Sturm, in: Ismayr (Hrsg.), Die politischen Systeme Westeuropas, 2009, S. 266, 301. 239  Zur Stellung des Staatspräsidenten ausführlich Kempf, in: Ismayr (Hrsg.), Die politischen Systeme Westeuropas, 2009, S. 348, 352 ff. 240  Vgl. Art. 4 ff. der französischen Verfassung. 241  Auf Grund parteipolitischer Vorprägung und politisch herausragender Stellung gelingt es dem Staatspräsidenten jedoch in der Praxis nicht, sich über den Parteienzwist zu erheben, vgl. Haensch/Tümmers (Hrsg.), Frankreich, 1998, S. 104 f.



C. Demokratie der Triloge265

hat.242 In der informellen Verfassungspraxis ist der Staatspräsident vor allem dann Akteur im Gesetzgebungsverfahren, wenn die Mehrheit der Abgeordneten der Nationalversammlung demselben politischen Lager entstammt.243 Zudem kann er indirekt durch die Ernennung der Regierung Einfluss auf das politische System nehmen. Der Ministerpräsident ist im Anschluss daran zwar formal dem Parlament verantwortlich, in der informellen Verfassungspraxis trat dieser aber stets dann zurück, wenn ihn der Staatspräsident dazu aufforderte.244 Im Bereich der Gesetzgebungsverfahren lässt sich wie in den anderen Vergleichsstaaten auch die Tendenz prozentual ansteigender Initiativtätigkeit der Regierung wahrnehmen.245 Im Initiativprozess kommt es, wie in den anderen Vergleichsstaaten auch, zu formellen und informellen Beratungen aller Art, in denen auch die verschiedenen Interessengruppen eingebunden werden.246 Das auf den Gesetzesvorschlag folgende Entscheidungsverfahren wird ebenfalls von der Regierung beherrscht.247 Ziel des Gesetzgebungsverfahrens ist, dass innerhalb des Parlaments sowohl in der Nationalversammlung als auch im Senat ein wortgleich übereinstimmendes Gesetz erlassen wird.248 Bestehen zwischen den beiden Kammern auch nach zwei Lesungen noch Unstimmigkeiten, kann der Ministerpräsident einen paritätisch besetzten Vermittlungsausschuss einberufen. Kommt es auch dann zu keiner Einigung, ist es der Regierung möglich die von den französischen Bürgern unmittelbar gewählte Nationalversammlung zu ersuchen, das Gesetz ohne Zustimmung des nur mittelbar legitimierten Senats anzunehmen. Das Verfahren 242  Vgl. Art. 39 ff. der französischen Verfassung. Der Präsident kann jedoch nach Art. 10 Abs. 2 der Verfassung eine neue Beratung des Gesetzes in der Nationalversammlung verlangen, die nicht versagt werden dar. 243  Vgl. Kimmel, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, 2008, S. 229, 229. 244  Haensch/Tümmers (Hrsg.), Frankreich, 1998, S. 133. 245  Kimmel, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, 2008, S. 229, 241. 246  Zum komplexen Prozess vor der formellen Initiative vgl. Kimmel, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, 2008, S. 229, 242 ff. mit weiteren statistischen Angaben. 247  Dies beruhe auf zwei Grundlagen: Einerseits sehe die Verfassung dies vor und andererseits sei die Regierungskoalition auch von der Regierung abhängig, vgl. Kempf, in: Ismayr, Die politischen Systeme Westeuropas, 2009, S. 348, 367. So kann der Ministerpräsident zum Beispiel nach Art. 49 Abs. 3 der französischen Verfassung ein wichtiges Gesetz mit der Vertrauensfrage verbinden. Wird das Parlament dann nicht binnen 24 Stunden aktiv, um mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder einen Misstrauensantrag zu stellen gilt die Gesetzesvorlage automatisch als angenommen, vgl. zum Ganzen Haensch/Tümmers (Hrsg.), Frankreich, 1998, S. 154. 248  Zum Gesetzgebungsverfahren vergleiche Art. 45 der französischen Verfassung.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

ist dabei jedoch so ausgestaltet, dass sich die Regierung Unstimmigkeiten zwischen den beiden Kammern zu Nutze machen kann, da sie stets Herrin des Gesetzgebungsverfahrens bleibt.249 In der Praxis kam es gerade unter sozialistischen Regierungen auf Grund der bürgerlich-konservativen Mehrheitsverhältnisse im Senat oftmals zu Vermittlungsverfahren, die dann oftmals im Letztentscheid durch die Nationalversammlung entschieden werden mussten.250 Der Verfahrenserfolg ist damit nicht von einer Übereinstimmung der beiden Kammern abhängig, weswegen auch Konflikten nicht zwangsweise schlichtend und kompromisserzielend begegnet werden muss. 4. Zwischenfazit: Funktionen von Informalität und der unionseuropäische Vergleich Der knappe Verfassungsvergleich hat gezeigt, dass sich ein mit dem informellen Trilog vergleichbares Konfliktlösungskonstrukt allenfalls in Deutschland finden lässt. Im Verfassungssystem Frankreichs und Großbritanniens sind die zweiten Kammern im Gesetzgebungsverfahren derart schwach ausgestaltet,251 dass ein Vermittlungsverfahren entweder überhaupt nicht existiert oder in seiner Funktion nicht mit dem deutschen oder europäischen Vermittlungsverfahren vergleichbar ist. Die informalen Arbeitsgruppen des deutschen Vermittlungsausschusses, können insoweit bedingt mit informellen Trilogen verglichen werden. Beides sind im Wege der Selbstorganisation herausgebildete Konfliktlösungsinstrumente, die in zu einer effizienten Wahrnehmung gesetzgeberischer Tätigkeit beitragen sollen. Während die informellen Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses jedoch erst in der Endphase des Gesetzgebungsverfahrens zur Anwendung kommen, finden die Triloge in der Regel bereits in der frühen Phase des Mitentscheidungsverfahrens statt. Der Notfalllösung des deutschen Gesetzgebungsverfahrens, kann das Standardverfahren auf europäischer Ebene damit nicht gleichgesetzt werden. Ebenfalls nur bedingt vergleichbar sind die durch Informalität bedienten Funktionen in den Vergleichsstaaten. Hier konnten im Wesentlichen vier un249  So könnte sie unliebsame Gesetzesvorschläge der Nationalversammlung verhindern, indem sie die Blockade im Senat aufrechterhält und entweder kein Vermittlungsverfahren oder keine Letztentscheidung nach Art. 45 Abs. 4 der Verfassung herbeiführt. Der Kompromiss des Vermittlungsausschusses muss zudem von der Regierung genehmigt werden, vgl. zum Ganzen Kempf, in: Ismayr (Hrsg.), Die politischen Systeme Westeuropas, 2009, S. 348, 369. 250  Kimmel, in: Ismayr (Hrsg.), Gesetzgebung in Westeuropa, 2008, S. 229, 57 mit weiteren statistischen Angaben. 251  Ein Befund der auf nahezu alle bikameralen Systeme in den Mitgliedstaaten übertragen werden kann, vgl. dazu Groß, ZaöRV 2003, S. 29 ff.



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terschiedliche Wirkungsweisen informeller Verhandlungsführung aufgefunden werden. Zunächst wird versucht, in informellen Verfahren einen politischen Konsens zu erreichen (Konsensfunktion). Diese Übereinstimmung soll dabei nach Möglichkeit bereits im Vorfeld des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens im Initiativprozess hergestellt werden, was zwangsläufig zu einer größeren Verantwortung der Exekutive führt. Dies hat unweigerlich zu Folge, dass die Regierungen ihre politische Macht weiter ausbauen können (Machtkonzentrationsfunktion). Droht eine politische Blockade, kann ein informeller Kompromiss zudem das Gesetzgebungsverfahren schneller zu einem Ende bringen (Beschleunigungsfunktion). Die vierte Funktion informaler Verfahrensabschnitte zeigt sich besonders anhand der unvollständigen bzw. uneinheitlichen Verfassung Großbritanniens:252 Hier dient Informalität gerade dazu, einen formal zu fragmentarisch geregelten Entscheidungsrahmen auszugestalten (Ausgestaltungsfunktion). In informellen Gremien treffen eine geringe Anzahl von Entscheidern politische Kompromisse, die zu einer „inhaltlichen Vorformung der Willens­ bildung“253 im letztentscheidungsbefugten Organ führen, faktisch allerdings in der Regel als politisch verbindlich angesehen werden. Ursache für die Informalisierungstendenzen auf Ebene der Vergleichsstaaten sind die engen Verflechtungen zwischen Mehrheitsfraktionen und Regierungen, die den formalen Vollzug außerparlamentarisch getroffener Entscheidungen garantieren können.254 Derartige Verbindungen existieren innerhalb der Europäischen Union nicht, da es keine klassische Aufgabenverteilung zwischen Opposition und Regierungskoalition gibt. Das umfassende Entscheidungsgeflecht macht ein „Durchregieren“ auf Unionsebene unmöglich und verkleinert gleichzeitig den Ausgestaltungsspielraum informaler Tätigkeit. Aus diesem Grund setzt die informelle Entscheidungsfindung in Trilogen auf der Ebene der Europäischen Union nicht hauptsächlich in der Initiativphase, sondern erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren ein. Durch die verengte Beteiligtenstuktur und den informellen Rahmen soll sichergestellt werden, dass die Organe das Verfahren zu einem effektiven und erfolgreichen Abschluss bringen. Rechtlich fassen und einhegen lassen sich informelle Praktiken dabei nur schwer, schließlich sind sie die „Muskeln, die das Skelet der Verfassung 252  Dazu näher Glaab, in: Bröchler/Lauth (Hrsg.), Von Government zu Governance, 2014, S. 211, 217. 253  Zu den informellen Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses, vgl. BVerfGE 140, S. 115, 155. 254  Ruffert, DVBl. 2002, S. 1145, 1150; Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 181 empfindet diese Abhängigkeit der Parlamente von den Regierungen als größere Schwächung der Parlamente, als von Fall zu Fall geführte informelle Verhandlungen.

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

bewegen.“255 Die sich im Fall der Europäischen Union im sekundären Organrecht bewegenden informellen Politikgestaltungen übersteigen jedoch dann die Grenze des Zulässigen, wenn sie Vertragsgrundsätze verletzen.256

II. Verletzung des institutionellen Gleichgewichts? Einer dieser im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip stehenden Grundsätze ist das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts.257 Eine Verletzung dieses Prinzips erfolgt immer dann, wenn die Machtverhältnisse zwischen den Organen so verändert werden, dass die Kompetenzausübung eines Organs verhindert wird, oder einem Organ Kompetenzen zugeteilt werden, die dieses nach der Konzeption der Verträge nicht hat. Dass informelle Triloge dazu geeignet sein könnten, das Machtverhältnis der Organe und damit das institutionelle Gleichgewicht zumindest zu beeinträchtigen, wurde in dieser Arbeit bereits an mehreren Stellen herausgearbeitet. Dies betrifft sowohl das Verhältnis der am Gesetzgebungsverfahren mit Entscheidungsbefugnissen betrauten Organe untereinander, als auch deren Verhältnis zu den sonstigen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Gremien. 1. Aufwertung der Kommission gegenüber Parlament und Rat? Gleichzeitig Bewertung der Entscheidung EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission) So finden die Triloge für gewöhnlich bereits in einer frühen Phase des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens statt, um bereits dort eine weitestgehende Annäherung der Standpunkte der beiden Co-Gesetzgeber zu erreichen.258 Damit erfährt die Stellung der Kommission im Verfahren auf den ersten Blick eine Aufwertung, da ihr Initiativmonopol vor Verabschiedung des Ratsstandpunktes in erster Lesung besonders über Art. 293 AEUV geschützt ist.259 Dies ermöglicht ihr selbst dann die Rücknahme eines Gesetzgebungsvorschlags, wenn sich die beiden Gesetzgeber im informellen Trilog schon inhaltlich geeinigt haben.260 Der EuGH hat das Rücknahmerecht der 255  Morlok,

in: VVDStRL 62 (2002), S. 37, 79. bereits oben S. 38 ff. 257  Vgl. dazu oben S. 44 f. 258  Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 7. 259  Zur Reichweite des Art. 293 AEUV Böttner, EuR 2016, 105 ff.; vgl. dazu bereits oben S. 134 f. 260  So zumindest EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015; vgl. dazu Gundel, EWS 2015, S. 100 ff.; Scharf, EuZW 2015, S. 628 ff.; Deutelmoser, NVwZ 20015, S. 1577 ff.; siehe auch die Darstellung des Urteils oben auf S. 152 ff. 256  Dazu



C. Demokratie der Triloge269

Kommission jedoch entgegen teilweise vertretener Ansicht nicht nahezu grenzenlos gelten lassen,261 sondern dieses unter zweifachen Vorbehalt gestellt. So müsse die Kommission einerseits darlegen, dass es durch die beabsichtige Änderung von Rat und Parlament zu einer qualifizierten Verfälschung ihres Vorschlags komme und anderseits dürfe die Rücknahme nur im „Geist der loyalen Zusammenarbeit“ erfolgen.262 Damit versucht der EuGH einen Ausgleich zwischen dem Schutz des Vorschlagsmonopols der Kommission und den Interessen der beiden Gesetzgeber zu schaffen. Das gewünschte Ziel der Entscheidung statuiert er selbst: „Die Rücknahmebefugnis, die der Kommission […] zusteht, kann ihr jedoch kein Vetorecht im Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens verleihen, das gegen die Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung und des institutionellen Gleichgewichts verstoßen würde.“263 Die Eingrenzung des EuGH soll folglich dazu beitragen, dass der Kommission gerade kein politisches Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren zukommt.264 Entgegen den Erwägungen des Generalanwalts, der die Prüfungskompetenz des EuGH auf die formellen Grenzen des Rücknahmerechts beschränken wollte,265 schwingt sich der EuGH dabei zum „Schiedsrichter im laufenden Gesetzgebungsverfahren“266 auf, der dazu bereit ist die Vorgänge in informellen Trilogen zu überwachen. Dies wird auch daran deutlich, dass er den Verfahrensablauf der Triloge in seinen Entscheidungsgründen mehrfach beschreibt und diese insbesondere anhand des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit auslegt.267 Aus der „politischen Dimension des Gesetzgebungsverfahrens“268 kann so doch eine rechtliche Bedeutung erwachsen. Die Folgen dieses Urteils für die gängige Trilogpraxis liegen auf der Hand: Einerseits kann die Kommission weiterhin ihre Vorschläge zurückziehen oder mit deren Rücknahme drohen, andererseits muss sie sich bereits dabei an der Rechtsprechung des EuGH orientieren. Jedoch könnten auch Rat und Parlament die Rechtsprechung nutzen, um der Kommission bei einer beabsichtigen Rücknahme ihre Grenzen aufzuzeigen.269 Doch das Urteil wirft auch eine 261  Deutelmoser,

NVwZ 20015, S. 1577, 1579. Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 83. 263  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 75. 264  Scharf, EuZW 2015, S. 628, 633. 265  Schlussanträge Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/ Kommission), Rn.  72 ff. 266  Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 501. 267  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 80, 92 ff. 268  Schlussanträge Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/ Kommission), Rn. 101. 269  So zumindest Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 501. 262  EuGH,

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Reihe von rechtlichen Unklarheiten auf, die trilogisiertes Verhandeln negativ beeinflussen können. Indem am Ende die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsrücknahme dem EuGH obliegt, wird dieser selbst zu einem aktivierbaren Akteur in laufenden Gesetzgebungsverfahren. Wann es zu einer qualifizierten Verfälschung des Kommissionsvorschlags kommt, kann in informellen Verhandlungen nicht zweifelsfrei festgestellt werden.270 Insbesondere in für den Rat und das Parlament dringlichen oder komplizierten Gesetzgebungsverfahren könnte alleine die Rücknahmedrohung der Kommission die beiden Gesetzgeber dazu verleiten, sich den Zielen des Kommissionsvorschlags anzunähern.271 Eine gewisse Rechtsunsicherheit ergibt sich aus der Verfahrensaufsicht des EuGH im Hinblick auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. In der konkreten Entscheidung hat der EuGH dazu sehr ausführlich den Ablauf, die Inhalte und die vorgeschlagenen Kompromisse der informellen Triloge überprüft, um am Ende zum Schluss zu kommen, dass die Kommission rechtzeitig ihr Rücknahmebegehren angekündigt und auch durchgeführt hatte.272 Allgemeine Kriterien, wann eine Rücknahme der Kommission gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen würde, zählt der EuGH jedoch nicht auf. Diese rechtliche Unsicherheit wirkt sich in Trilogen vor allem auf die Kommission negativ aus. Schließlich muss sie sich vor einer beabsichtigten Rücknahme die Frage stellen, ob sie genug dafür getan hat einen Kompromiss zwischen den beiden Gesetzgebern zu erreichen und ob sie ihre Rücknahme rechtzeitig angekündigt hat. Die Bewertung des Urteils in der Literatur ist ambivalent. Während auf der einen Seite die Frage aufgeworfen wird, ob das Initiativrecht der Kommission „keine Grenzen“ kenne,273 wird das Urteil an anderer Stelle als „Paukenschlag“, der das Initiativrecht der Kommission wesentlich begrenze, aufgefasst.274 Doch ist die Entscheidung des EuGH nicht eher als Kompromiss zwischen der Rolle der Kommission als Initiativverteidigerin und der praktischen Verhandlungspraxis in informellen Trilogen zu sehen? Indem der EuGH zunächst das grundsätzliche Rücknahmerecht im Stadium der ersten 270  Dies wird umso deutlicher, wenn man den konkreten, dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt betrachtet: Der Kommissionsvorschlag sah für die Gewährung von Makrofinanzhilfen für Drittländer eine konkrete Durchführungsbefugnis der Kommission vor, während die Co-Gesetzgeber aus Gründen demokratischer Kontrolle auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren zurückgreifen wollten, vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 18 ff. Damit scheint der EuGH der Kommission einen eher weiten Spielraum bei der Begründung der qualifizierten Verfälschung zuzugestehen. 271  Dass es zu derartigen Drohungen auch in fortgeschrittenen Trilogverhandlungen kommt beschreibt Deutelmoser, NVwZ 20015, S. 1577, 1579. 272  Vgl. EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 97 ff. 273  Deutelmoser, NVwZ 20015, S. 1577, 1579. 274  Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 499.



C. Demokratie der Triloge271

Lesung bestätigt, arbeitet er deren besondere Stellung im Gesetzgebungsverfahren heraus, die sich gerade nicht in der bloßen Initiativsetzung erschöpft.275 Vielmehr ergibt sich aus Art. 293 AEUV das Fortwirken ihres Vorlagerechts im Stadium der ersten Lesung. Im Verlauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens wird die Kommission jedoch schrittweise von der Hüterin der Initiative zum honest broker, dessen höchstes Ziel die kompromissfindende Vermittlung zwischen Parlament und Rat ist. Allein aus der praktischen Tatsache heraus, dass das Gesetzgebungsverfahren mittlerweile maßgeblich im Stadium der ersten Lesung durch informelle Triloge zum frühzeitigen Abschluss gebracht werden soll, kann aber keine Begrenzung der primärvertraglichen Bestimmungen in der Form erwachsen, so dass der Kommission ihr vertraglich vorgesehenes Rücknahmerecht nicht mehr zustünde. Gleichwohl hat der EuGH die durch die frühzeitige Verhandlungsführung möglichen Machtverschiebungen zu Gunsten der Kommission erkannt und klargestellt, dass das institutionelle Gleichgewicht dann verletzt werden würde, wenn der Kommission ein politisches Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren zukommen würde.276 Aus diesem Grund muss sie eine Rücknahme mit einer qualifizierten Verfälschung ihres Vorschlags begründen.277 Würde man dagegen der Ansicht des Generalanwalts folgen und dem EuGH die Prüfungskompetenz für die materielle Rechtmäßigkeit der Rücknahme verwehren,278 könnte die Kommission nahezu nach Belieben von ihrem Rücknahmerecht Gebrauch machen und dies gerade auch aus politischen- oder Opportunitätserwägungen ziehen. Die Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts wäre damit höher, als der durch das Urteil befürchtete Einfluss des EuGH auf das Gesetzgebungsverfahren. Gerade wenn man bedenkt, dass die Gesetzgebungstätigkeit ohnehin nur schwer der gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden kann,279 könnte die Aufsicht des EuGH zu einem verantwortlicheren Umgang der Akteure mit den demokratischen Grundsätzen des Gesetzgebungsverfahrens beitragen. Wenn der Generalanwalt stattdessen die materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kommissionsrücknahme mit dem Argument verneint, dass der EuGH so eine mittelbare Kontrolle „eines Gesetzgebungsaktes in statu nascendi“ vorneh275  EuGH,

Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 70 ff. Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 75. 277  Mit eben jener Begründung könnte sie im Übrigen auch einen bereits erlassenen Gesetzgebungsakt vor dem EuGH für nichtig erklären lassen. Dass die Kommission solche Klagen durchaus anstrengt, zeigt sich im dritten Klagegrund des Verfahrens EuGH, Rs. C-125/13 (Kommission/Rat), Urt. v. 01.12.2015. 278  Schlussanträge Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/ Kommission), Rn.  72 ff. 279  Vgl. dazu bereits oben S. 221 f. 276  EuGH,

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

men würde,280 verkennt er, dass es nach der Rücknahme durch die Kommission überhaupt keinen Gesetzgebungsakt im Geburtsstadium mehr gibt. Denn die Rücknahme des Vorschlags führe, wie der EuGH treffend ausführt, dazu, dass das von der Kommission eingeleitete Gesetzgebungsverfahren beendet werde und Rat und Parlament daran gehindert seien ihre Gesetzgebungsfunktion in der von ihnen gewünschten Art und Weise auszuführen.281 Dass die Rücknahmemöglichkeit dabei zusätzlich unter die Verfahrensaufsicht des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit gestellt wird, unterstreicht die bereits herausgearbeitete Bedeutung dieses Grundsatzes.282 Als verfahrensleitendes Prinzip der Kooperation fordert es die Organe zu mehr als bloßer Rücksichtnahme auf. Es schafft vielmehr einen die Konfliktlösung besonders begünstigenden Beziehungsraum zwischen den Organen. Die Vorschlagsrücknahme auch am Maßstab dieser Verflechtungen zu überprüfen, vermindert zwar vor allem für die Kommission die Rechtssicherheit, greift aber genau die Parameter auf, die die Organe in ihren interinstitutionellen Vereinbarungen zum Gesetzgebungsverfahren selbst aufgestellt haben. So hat sich die Kommission in der Gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens dazu verpflichtet im Stadium der ersten Lesung in „konstruktiver Weise von ihrem Initiativrecht Gebrauch“ zu machen.283 Auch nach der interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung soll die Kommission „im Einklang mit den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit und des institutionellen Gleichgewichts die Gründe für diese Rücknahme darlegen, gegebenenfalls die geplanten nachfolgenden Schritte zusammen mit einem genauen Zeitplan angeben und auf dieser Grundlage ordnungsgemäße interinstitutionelle Konsultationen durchfüh­ ren.“284 Daran anknüpfend hat der EuGH in seiner Entscheidung nicht nur überprüft, ob die Kommission ihr Rücknahmebegehren rechtzeitig angekündigt hat, sondern auch hervorgehoben, dass die Kommission um eine Kompromissfindung bemüht war.285 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die durch die frühe Verhandlungsführung im Gesetzgebungsverfahren befürchtete Machtverschiebung zu Gunsten der Kommission, durch die Rechtsprechung des EuGH weitestge280  Schlussanträge Generalanwalt Jääskinen v. 18.12.2014, Rs. C-409/13 (Rat/ Kommission), Rn. 74. 281  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 77. 282  Vgl. dazu oben S. 92 ff. 283  Vgl. Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitent­ scheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff., Ziff. 13. 284  Vgl. IIV „Bessere Rechtsetzung“, ABl. L 123 v. 12.05.2016, S. 1 ff., Ziff. 9; vgl. bereits Rahmenvereinbarung zwischen Parlament und Kommission, ABl. L 304, 28.10.2010, S. 47 ff., Ziff. 39. 285  EuGH, Rs. C-409/13 (Rat/Kommission), Urt. v. 14.04.2015, Rn. 102 f.



C. Demokratie der Triloge273

hend abgefedert wird. Damit schafft der EuGH einen Kompromiss zwischen dem vertraglich vorgesehenen Rücknahmerecht der Kommission und den praktischen Realitäten des Gesetzgebungsverfahrens. Die rechtlichen Unsicherheiten, die sich aus dieser Rechtsprechung ergeben, müssen von den Organen hingenommen werden, da nur so garantiert werden kann, dass der Kommission kein politisches Vetorecht im Gesetzgebungsverfahren zukommt. Die Gesetzgeber müssen jedoch auch akzeptieren, dass sie durch ihre frühe Verhandlungsführung der Kommission die Möglichkeit geben ihrer Position durch Rücknahmedrohungen Nachdruck zu verleihen. Zu einer gewichtigen Machtverschiebung kommt es dadurch allerdings nicht, zumal damit gerechnet wird, dass die Rücknahme von einmal getätigten Vorschlägen in der Praxis die Ausnahme bleiben wird.286 2. Machtverschiebungen zwischen den Gesetzgebern? Zunehmend hat sich die Ansicht verbreitet, dass besonders das Europäische Parlament Leidtragender der informellen Triloge sei, indem es durch diese zu einer Schwächung seiner Funktion und Position im Verhältnis zum Ministerrat komme.287 Der maßgebliche Grund hierfür könnte durch die frühe Verhandlungsführung bedingt sein. So kommt es innerhalb des Parlamentsausschusses zu einer öffentlichen Diskussion und Abstimmung über den als Grundlage für die informellen Verhandlungen dienenden Ausschussbericht, während innerhalb der ratsinternen Arbeitsgruppen und dem AStV die Vorbereitung des Ratsstandpunktes unter Ausschluss der Öffentlichkeit und damit auch ohne Wissen der Parlamentsdelegation stattfindet.288 Aus dieser asymmetrischen Informationslage könnten dann Machtvorteile des Rates gegenüber dem Parlament erwachsen. Denn während sich der Rat seine Kenntnisse über verschiedene inhaltliche Streitpunkte und Grenzlinien innerhalb des federführenden Ausschusses zu Nutze machen könne, hätten die Vertreter des parlamentarischen Verhandlungsteams kein Wissen über die Konflikte unter den Mitgliedstaaten.289 Doch beschränkt sich die eben skizzierte Auffassung nicht zu sehr auf eine formalistische Außensicht? Ist es nicht naiv zu vermuten, dass das professionell um den Berichterstatter290 gebildete Verhandlungsteam des Parlaments nicht dazu in der Lage wäre, sich durch eigene informelle Kanäle über die 286  Davon geht zumindest Gundel, EWS 2015, S. 100, 101 f. aus; vgl. auch Chamon, ELR 2015, S. 895, 903. 287  Vgl. dazu m. w. Nw. von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 34 f. 288  Zur Öffentlichkeit des Rates vgl. bereits oben S. 185 f. 289  Vgl. dazu von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 34 f. 290  Zur Auswahl der Berichterstatter vgl. oben S. 102 ff.

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Stimmungslage im Rat zu informieren? Gerade die besonders engen Kontakte zwischen Kommission und Parlament können zu einer umfassenden Information des parlamentarischen Verhandlungsteams beitragen.291 Denn der frühzeitige Informationsfluss zwischen Parlament und Kommission erscheint notwendig, da die parlamentarischen Änderungsvorschläge wegen Art. 293 Abs. 1 AEUV in der Praxis vor allem dann erfolgreich sein können, wenn sich die Kommission den Vorschlägen anschließt.292 Gleichzeitig beschreibt das Parlament selbst, dass der Rat auch bei Verhandlungen vor erster Lesung immer mehr dazu übergeht, seinen vorgefertigten Standpunkt im Wege allgemeiner Ausrichtungen vor den Trilogen zu veröffentlichen.293 Doch selbst wenn man dem Verhandlungsteam des Rates einen gewissen Informationsvorsprung einräumen würde, hätte dies nicht automatisch zur Folge, dass die Ergebnisse der Verhandlungen am Ende dem ursprünglichen Vorschlag des Rates näher kommen als dem ersten Ausschussbericht. Denn in der Praxis hat sich gezeigt, dass sich die Diskussionen in den Arbeitsgruppen des Rates eher um rechtstechnische Detailfragen drehen, die sich bei Fragen der Integration des entsprechenden Rechtsaktes in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben, während sich die parlamentarische Beratung auf politische Schwerpunkte konzentrieren kann.294 Bei der Klärung dieser Fragen wird der Rat zwar oftmals von der Kommission unterstützt, woraus sich jedoch nicht schließen lässt, dass sich dies gegen das Parlament richtet.295 Denn indem sich das parlamentarische Verhandlungsteam in den rechtlichen Detailfragen nachgiebig gezeigt hatte, ist es ihm mehrfach gelungen, bedeutende politische Kompromisse für sich zu erreichen.296 Damit drängt sich die Frage auf, ob die informellen Triloge nicht sogar die Machtposition des Parlaments im Verhältnis zum Rat stärken können. Dies könnte an zwei Aspekten festgemacht werden. Zunächst wurde bereits beschrieben, dass das Verhältnis von Kommission und Parlament durch enge Kontakte geprägt ist. Sie verbindet ein gemeinsames Ziel, da sie sich beide Organe besonders dem Interesse der Europäischen Union verpflichtet 291  Vgl. dazu umfassend Egberg/Gornetzka/Trondal, West European Politics 2014, S.  1 ff. 292  Vgl. dazu Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 521. 293  Europäisches Parlament (Hrsg.), Handbuch zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren 11/2017, S. 38. 294  Vgl. dazu Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 196 ff. 295  So jedoch von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 35. 296  Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 196 ff. verweist hierzu beispielhaft auf die Entstehungsgeschichte der Verordnungen zur Überwachung der Haushaltsdisziplin und der Richtlinie mit den Durchführungsbestimmungen zur Europäischen Bürgerinitiative.



C. Demokratie der Triloge275

fühlen.297 Die Wahl von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten hat dieses Verhältnis nochmals verstärkt. Selbiger war als Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten für die EVP-Fraktion in den Europawahlkampf 2014 gezogen.298 Im Anschluss an die Wahl hat das Europäische Parlament „seinen“ Kandidaten gegenüber dem Europäischen Rat durchgesetzt.299 Es erscheint deswegen nicht erstaunlich, dass in ersten Zwischenbilanzen zur Juncker-Kommission die Entwicklung in Richtung einer „Parlamentskommission“ beschrieben wird.300 Aus der Nähe von Kommission und Parlament könnte sich dann in informellen Trilogen ein zwei gegen eins Verhältnis zum Nachteil des Ministerrates ergeben. Doch auch die Professionalität des parlamentarischen Verhandlungsteams kann diesem in den Trilogen zum Vorteil gereichen. So sorgt vor allem der Auswahlprozess des Berichterstatters dafür, dass das Parlament in den Verhandlungen mit größtmöglicher Expertise vertreten wird.301 Dass dem Team zusätzlich die Schattenberichterstatter aller Fraktionen angehören und Verhandlungen nur nach Billigung des Plenums durchgeführt werden dürfen,302 stärkt den Verhandlungsführern zusätzlich den Rücken. Nicht umsonst waren auch in der Vergangenheit die Parlamentsausschüsse in informellen Verhandlungen besonders erfolgreich, die auf Grundlage sog. plenary mandates verhandelt haben.303 Gleichzeitig können die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments mit einem deutlich höheren Selbstbewusstsein als beispielsweise nationalstaatliche Abgeordnete in informelle Verhandlungen gehen. Denn anders als die mitgliedstaatlichen Parlamente, die durch die Gegenüberstellung von Regierungs- und Oppositionsfraktion geprägt werden,304 kennzeichnet sich das Europäische Parlament durch von Abstimmung zu Abstimmung wechselnde Mehrheitsverhältnisse. Einzelne Abgeordnete und damit vor allem die Berichterstatter haben hier viel mehr Möglichkeiten als wirklich aktiver Part in den Gesetzgebungsprozess einbezogen zu werden.305 Die Mögbei Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 521. den vertragsrechtlichen Bedenken dieses Vorgehens vgl. Holzner, EuR 2015, S.  525 ff. 299  Vor allem Großbritannien hatte hier deutliche Vorbehalte gegenüber Juncker geäußert, vgl. Berger, deutschlandfunkkultur.de, 28.06.2014, http://www.deutschlandfunkkultur.de/europaeische-union-juncker-und-das-demokratiedefizit.996.de.html? dram:article_id=290353 (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 300  Bauer/Becker, Integration 2015, S. 292, 292. 301  Zum Auswahlprozess der Berichterstatter vgl. oben S. 102 ff. 302  Vgl. dazu Art. 69b ff. GO-EP (2017). 303  Vgl. Europäisches Parlament (Hrsg.), Activity Report 12/2016, S. 11. 304  Vgl. dazu die rechtsvergleichenden Betrachtungen auf S. 260 ff. 305  Dem Verfasser wurde dies gerade zu überschwänglich von seinen Kontaktpersonen in Brüssel und Straßburg berichtet. 297  Vgl. 298  Zu

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lichkeit die eigene Leistung am Ende des Gesetzgebungsverfahrens in Händen halten zu können, sorgt so für einen zusätzlichen Ansporn in den interinstitutionellen Verhandlungen. Statistisch beweisen lässt sich eine konkrete Machtsteigerung des Europäischen Parlaments durch die Triloge jedoch nicht. Im Gegenteil: Empirische Studien haben ergeben, dass die Inhalte der Trilogergebnisse oftmals näher an der Position des Rates, als an der Position des Europäischen Parlaments liegen.306 Die Ursache hierfür muss aber nicht zwangsläufig der Verhandlungsführung in Trilogen entspringen. Vielmehr scheinen Kommission und Parlament grundsätzlich dazu geneigt für sie annehmbare Lösungsvorschläge des Rates zu akzeptieren, da sich der organinterne Kompromissfindungsprozess des Rates unter 28 Mitgliedstaaten mitunter schwierig gestalten kann.307 3. Zwischenfazit: Der Ausschluss Dritter als negative Konsequenz trilogisierter Verhandlungsführung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich die befürchteten Verschiebungen im Machtverhältnis der Organe durch Triloge in Grenzen halten. Weder im Verhältnis zwischen Kommission und Gesetzgebern, noch im Verhältnis der Gesetzgeber zueinander, lassen sich signifikante Beeinträchtigungen erkennen. So mag die Kommission zwar durch die frühe Verhandlungsführung und ihr damit verbundenes Rücknahmerecht strukturell bevorteilt sein, jedoch hat der EuGH die praktische Realität des Verfahrenswandels durch Triloge erkannt und das Rücknahmerecht wesentlich eingeschränkt. Der Einfluss der Kommission auf das Gesetzgebungsverfahren geht damit auch in Trilogen kaum über das Maß hinaus, den sie bereits vor informellen Trilogen auf das Gesetzgebungsverfahren hatte.308 Im Verhältnis der Gesetzgeber zueinander könnte aus dem verstärkten Zusammenwirken zwischen Parlament und der starken Verhandlungsposition des parlamentarischen Verhandlungsteams zwar grundsätzlich eine Machtverschiebung zu Gunsten des Parlaments erwachsen, empirisch belegen lässt sich dies jedoch nicht. Leidtragende der exklusiven politischen Entscheidungsfindung in Trilogen sind damit weniger die daran teilnehmenden Akteure, als vielmehr diejenigen die vom Prozess ausgeschlossenen werden. Denn das Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union ist im besonderen Maße auf Inklusion ausgelegt. Die Einbeziehung der beratenden Ausschüsse, der nationalen Parlamente, der Bürger und der Interessenvertreter in den offenen Entscheidungsprozess der 306  Costello/Thomson,

Journal of European Public Policy 2013, S. 1025, 1036 f. dazu Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 530. 308  So zumindest Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 529. 307  Vgl.



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ersten Lesung sollte eigentlich dazu beitragen den Mangel an input-orientierter Legitimation abzumildern. Denn mangels einer einheitlichen europäischen Öffentlichkeit, bedarf es besonderer Mechanismen die vielfältigen Interessen der europäischen Bevölkerung im Gesetzgebungsverfahren abzubilden. So wurde gerade im Vertrag von Lissabon die Beteiligung der mitgliedstaatlichen Parlamente weiter ausgebaut. Diese können die Gesetzgebungstätigkeit unmittelbar im Wege der Subsidiaritätskontrolle309 überwachen, aber auch mittelbar über ihre im Ministerrat vertretenen Regierungen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nehmen. Gerade letzteres wird durch die Entscheidungsfindung in Trilogen jedoch maßgeblich erschwert. Zum einen führt die Intransparenz der Triloge dazu, dass sich die Parlamente nicht selbst über den Fortschritt des Kompromissfindungsprozesses informieren können und damit auf die oftmals vorgefilterte Fremdinformation durch ihre Regierung angewiesen sind, zum anderen bietet das geraffte Verfahren weniger Anknüpfungspunkte zu einem aktiven Einwirken auf die eigene Regierung. Die damit verbundene Abnahme der parlamentarischen Kontrolle mitgliedstaatlicher Regierungen lässt sich empirisch bestätigen.310 Dabei konnte belegt werden, dass die meisten nationalen Parlamente über frühzeitige Verhandlungen in Trilogen nicht informiert werden und so auch nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.311 Dem Informationsdefizit nationaler Parlamente könnte vor allem durch eine stärkere Transparenz der informellen Triloge begegnet werden.312 Neben den nationalen Parlamenten werden auch die mit Stellungnahmerechten ausgestatteten beratenden Ausschüsse nicht inkludiert.313 Kommt es im Rahmen von informellen Verhandlungen zu einem politischen Kompromiss, bevor der Wirtschafts- und Sozialausschuss oder der Ausschuss der Regionen eine Stellungnahme zum Gesetzgebungsvorhaben abgegeben haben, kann deren Expertise im Verfahren kaum noch zur Wirkung verholfen werden.314 Um die Beteiligungsrechte dieser Gremien nicht ad absurdum zu führen, sind das Europäische Parlament und der Rat dazu angehalten, vor einem politischen Kompromiss im Trilog deren entsprechende Stellungnahmen abzuwarten. Weiterhin sind die Organe nach Art. 11 Abs. 2 EUV zu einem fortlaufenden Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft 309  Vgl.

Art. 12 EUV.

310  Jensen/Martinsen,

Government and Opposition 2015, S. 240 ff., beachte insbesondere die Tabelle auf S. 264 f. 311  Jensen/Martinsen, Government and Opposition 2015, S. 240, S. 248 ff. 312  Dazu schon oben S. 171 ff. 313  Zu diesen ausführlich oben S. 106 ff. 314  Dazu ausführlich bereits oben S. 119 f.

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aufgerufen. Durch den exklusiven Charakter der Triloge kann nicht garantiert werden, dass deren Belange umfassend vorgetragen werden können. Insbesondere finanziell und personell benachteiligte Vertreter haben schwerer Zugriff auf die Inhalte der Verhandlungen.315 Gut vernetzten Lobbyorganisationen gelingt es hingegen auch in Trilogen Einfluss geltend zu machen. Der eigentlich inklusive und umfassende Dialog kann so asymmetrisch werden. Den meisten dieser gerade vorgetragenen Bedenken kann jedoch recht simpel durch erhöhte Transparenz der Trilogverhandlungen begegnet werden. Denn wenn während laufenden Trilogverfahren regelmäßig Updates veröffentlicht werden, können sich die in den Trilogen Ausgeschlossenen informieren und auf die Organe, wie von den Verträgen gewünscht, einwirken.

III. Auswirkungen der Triloge auf die Legitimationsleistung im Gesetzgebungsverfahren Doch die interinstitutionelle informelle Verhandlungsführung hat nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis der Organe zueinander, sondern auch auf die bereits beschriebenen Grundsätze demokratischer Legitimation und Kontrolle. So wurde schon festgestellt, dass die Vermittlung des Willens der Normunterworfenen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren im Vergleich zu mitgliedstaatlichen Gesetzgebungsverfahren durch verschiedene Faktoren erschwert wird.316 Dem Europäischen Parlament fehlt die Rückbindung an eine einen gemeinsamen Willen formulierende europäische Bevölkerung, der Rat ist auf Grund der Länge und Undurchsichtigkeit seiner Legitimationskette nur bedingt dazu in der Lage, den Willen der einzelnen Staatsvölker zu transportieren. Fraglich ist nun, ob das ohnehin fragile Gebilde des europäischen Gesetzgebungsverfahrens durch den Gebrauch informeller Triloge so stark beeinträchtigt wird, dass dessen demokratische Leistungsfähigkeit absinkt. Dazu muss im Folgenden betrachtet werden, wie sich die Triloge und die damit verbundenen early agreements auf die Strukturen innerhalb der einzelnen Organe auswirken.

315  Vgl. Stellungnahme EKD, v. 08.03.201, Ziff.  5, https://www.ombudsman. europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67662/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018), Stellungnahme Transparency International v. 31.03.2015, Ziff. 5, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/67617/html. bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 316  Vgl. dazu oben S. 253 ff.



C. Demokratie der Triloge279

1. Veränderungen innerhalb des Europäischen Parlaments Zweifellos kann hierbei zunächst festgestellt werden, dass es durch die Verengung der Beteiligtenstruktur zu einer Aufwertung der am Trilog teilnehmenden Verhandlungspartner kommt.317 Als „Gewinner“ der informellen Praxis können auf Seiten des Parlaments deswegen vor allem die Berichterstatter318 und großen Parteiengruppen gesehen werden, während vor allem kleinere Fraktionen und die einzelnen Ausschussmitglieder an Einfluss verloren haben.319 In diesem Zusammenhang wird auch die Marginalisierung des einzelnen Abgeordneten beklagt,320 die im Parlament politischem Druck ausgesetzt werden, um dort informell geschlossene Vereinbarungen mit dem Ministerrat nicht zu hinterfragen.321 Doch dem kann entgegnet werden, dass die inhaltliche Ausarbeitung und Auseinandersetzung innerhalb spezieller Gesetzgebungsverfahren nicht erst durch den informellen Trilog in die Hände einzelner Abgeordneten gelegt wurde. Denn die dezentrale Steuerung des Parlaments mit vorbereitenden Ausschüssen, Suborganisationen, Berichterstattern und Schattenberichterstattern fordert auch unabhängig von Trilogen ein arbeitsteiliges Vorgehen der Abgeordneten.322 Die daraus folgende Spezialisierung ist für das Parlamentswesen typisch, ohne dabei die Verantwortungszusammenhänge zwischen einzelnen Abgeordneten, Ausschüssen und Plenum zu durchbrechen.323 Dabei verlassen sich die Parlamentarier auf die fachliche Expertise ihrer Kollegen und gewähren diesen dementsprechend einen Vertrauensvorschuss. Empirische Studien haben zudem erwiesen, dass durch die parlamentarische Rückbindung und Kontrolle den Berichterstattern auch in Trilogen nicht so viel Macht eingeräumt wird, um diese zu missbrauchen oder Kompromisse

317  Zur

Beteiligtenstruktur des informellen Trilogs vgl. oben S. 115 ff. Rolle des Berichterstatters vgl. Art. 49 GO-EP (2017); zum Verfahren um die Vergabe der einzelnen Berichte vgl. Kaeding, in: Selck/Veen (Hrsg.), Die politische Ökonomie des EU Entscheidungsprozesses, 2008, S. 163 ff. 319  Vgl. dazu Farrell/Héritier, CPS 2004, 1184, 1200 ff. 320  So beklagen sich einzelne Parlamentarier, dass sie nicht wüssten, was in informellen Trilogen ausgehandelt werde, vgl. hierzu die im Rahmen der Untersuchung zur Transparenz der Triloge abgegebene Stellungnahme des Europaabgeordneten Jahr v. 05.04.2016, https://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/ de/67659/html.bookmark (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018); vgl. dazu auch Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 204. 321  Reh, Journal of European Public Policy 2014, S. 822, 826. 322  Vgl. dazu Farrell/Héritier, CPS 2004, S. 1184, 1195 f. 323  Vgl. dazu für das deutsche Recht m. w. Nw. Morlok, in: VVDStRL 62 (2002), S.  37, 70 ff. 318  Zur

280

Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

durchzusetzen, die der Mehrheitsansicht im Plenum widersprechen.324 Von einer Marginalisierung des einzelnen Abgeordneten kann damit nicht die Rede sein. Man könnte vielmehr argumentieren, dass es durch die starke Stellung der einzelnen Abgeordneten als Berichterstatter zu einer Aufwertung des Abgeordnetenstatus insgesamt gekommen sei. Schließlich können Abgeordnete so zu angesehenen Akteuren in konkreten Gesetzgebungsvorhaben werden. Hier schließt sich ein weiterer geäußerter Kritikpunkt trilogisierten Verhandelns an. Die frühe Verhandlungsführung durch einen kleinen Kreis von Teilnehmern noch vor der ersten Lesung verhindere die „nicht-sektoralisierte, allgemeine und pluralistische Gesetzgebung im Parlament“.325 Dies könnte insbesondere dann erheblich sein, wenn man bedenkt, dass damit die zur Begegnung des Demokratiedefizits immer weiter verstärkte Rolle des Europäischen Parlaments konterkariert werden könnte.326 Denn als einziges unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren schöpft es einen gewichtigen Teil seiner Legitimation aus der Durchführung eines offenen und inklusiven politischen Prozesses.327 Es ist vor allem die Aufgabe des Europäischen Parlaments, in einer offenen und transparenten Weise die Unionsbürgerinnen und -bürger im europäischen Gesetzgebungsverfahren zu vertreten. Die Beteiligung an der Institutionalisierung einer derartigen informellen Verhandlungspraxis scheint das Parlament jedoch eher in die Nähe der typischen Entscheidungsfindung supranationaler Organisationen zu rücken.328 Auf der anderen Seite muss jedoch beachtet werden, dass die Verhinderung informeller Politik und damit verbunden die alleinige Beachtung des reinen Gesetzgebungsverfahrens eine staatsrechtliche Utopie darstellt.329 Während informelle Kontakte und Absprachen in den Mitgliedstaaten weithin ungeregelt ablaufen, hat das Europäische Parlament in seiner Geschäfts324  Denn die Wahrscheinlichkeit eine Einigung im frühen Verfahrensstadium zu erreichen nimmt umso mehr ab, desto größer die politische Distanz zwischen Berichterstatter und dem Parlamentsmittel ist, vgl. dazu Rasmussen, European Union Politics 2010, S. 41, 61; ein anschauliches Beispiel hierzu findet sich bei Benedetto, Journal of European Public Policy 2005, S. 67, 77 ff. 325  Von Achenbach, Der Staat 2016, S. 1, 36. 326  Vgl. dazu Reh/Héritier/Bressanelli/Koop, Comparative Political Studies 2011, S. 1112, 1113; Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 11. 327  Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 527. 328  Zu beachten ist hierbei insbesondere die Praxis bereits im Hintergrund getroffene Entscheidungen der UN im Rahmen von sog. „Fensterreden“ in der Vollversammlung zu diskutieren, vgl. dazu Fritschen, in: Vogler (Hrsg.), Grundlagen und Strukturen der Vereinten Nationen, 2007, S. 309, 325 f. 329  Vgl. hierzu den Verfassungsvergleich auf S. 260 ff.



C. Demokratie der Triloge281

ordnung zumindest eine Regelung geschaffen, die die Rückbindung des Verhandlungsteams an den zuständigen Ausschuss und das Plenum garantieren soll. So muss informellen Trilogen seit der Geschäftsordnungsreform Ende 2016 zumindest die Verabschiedung eines Berichts im federführenden Ausschuss oder die Verweisung durch das Plenum vorausgehen.330 Sind Verhandlungen vor der ersten Lesung geplant, hat das Plenum zudem die Möglichkeit, hiergegen ein Veto einzulegen.331 Damit können kleinere Fraktionen zwar nicht zwingend die Aufnahme informeller Verhandlungen verhindern, allerdings wird ihnen zumindest die Option gegeben dies im Plenum zu diskutieren. Durch die Institution der Schattenberichterstatter wird zudem gewährleistet, dass alle Fraktionen an den informellen Verhandlungen teilnehmen können.332 Darüber hinaus erfolgt auch eine ständige Kontrolle des Verhandlungsteams im zuständigen Parlamentsausschuss, da dort nach jedem informellen Trilog Bericht erstattet und das Verhandlungsmandat entsprechend angepasst werden muss.333 Die besondere Verantwortlichkeit des zuständigen Ausschusses für den Fortgang der informellen Verhandlungen entspricht im Übrigen auch der Konzeption der parlamentarischen Geschäftsordnung, wonach der freie Streit der Meinungen im Wesentlichen in den Ausschüssen und nicht im Plenum ausgetragen werden soll.334 Obwohl es also in informellen Trilogen zu einer Delegation der Verhandlungsführung innerhalb des Europäischen Parlaments kommt, kann damit nicht behauptet werden, dass sich die interinstitutionelle Entscheidungsfindung außerhalb der demokratischen Gesamtverantwortlichkeit des Plenums abspielt.335 2. Veränderungen innerhalb des Ministerrates Im Gegensatz zum Parlament hat der Ministerrat auf formale Regelungen zu Delegation und Rückbindung seines Verhandlungsteams verzichtet.336 In der Praxis könnte der Ratsvorsitz auf Grundlage eines weit gefassten Mandats des AStV die Verhandlungen so führen, dass seine Rolle im Vergleich zu 330  Vgl.

Art. 69b ff. GO-EP (2017). Art. 69c GO-EP (2017) können eine, mehrere Fraktionen oder ein Zehntel der Parlamentsmitglieder die Beschlussfassung über die Aufnahme informeller Verhandlungen beantragen. 332  Vgl. Art. 69f Nr. 1 GO-EP (2017). 333  Vgl. Art. 69f Nr. 3 GO-EP (2017). 334  Vgl. hierzu m. w. Nw. Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 206. 335  So im Ergebnis auch Schiffauer, in: Brandt (Hrsg.), Parlamentarisierung und Entparlamentarisierung, 2016, S. 179, 204 f. 336  Gleichwohl kann die Mandatierungspraxis den entsprechenden Leitfäden der Organe entnommen werden, vgl. dazu oben S. 70 ff. 331  Nach

282

Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

den anderen Mitgliedstaaten gestärkt wird.337 Dieser Macht könnten dann hauptsächlich größere Mitgliedstaaten entgegentreten, indem sie versuchen, ihren Einfluss auf nationale Parlamentarier des Europaparlaments geltend zu machen.338 Wenngleich kleineren Mitgliedstaaten damit eine gewisse Marginalisierung drohen würde, muss doch beachtet werden, dass der Rat auch vor Zunahme der informellen Triloge und trotz Einführung der qualifizierten Mehrheit regelmäßig im Einvernehmen entschieden hat bzw. entscheidet und auch der Ratsvorsitz versucht, die Ansicht des Rates im Ganzen wiederzugeben.339 Dieses Gegenargument wird dadurch empirisch untermauert, dass ein höheres Netzwerkkapital einzelner Ratspräsidentschaften nicht nachgewiesen werden konnte.340 Beobachtet werden konnte jedoch ein anderer Faktor. So führte die Ausweitung parlamentarischer Beteiligung im Gesetzgebungsverfahren und die damit verbundene Gegenüberstellung von Rat und Parlament zunächst zu einer stärkeren Politisierung des Ministerrates.341 Durch informelle Triloge und early agreements wurde dieser Effekt jedoch wieder abgeschwächt.342 Denn die Verhandlungen werden auf Ebene des AStV und der Arbeitsgruppen organisiert und durchgeführt.343 Eine Vertretung des Rates in Trilogen auf ministerieller Ebene erfolgt hingegen nur in Ausnahmefällen.344 Daraus folgen zwei Konsequenzen: Einerseits wird die ohnehin lange Legitimationskette des Rates durch einen weiteren Delegationsakt verlängert, andererseits könnte gerade die Politisierung des Ministerrates dazu beitragen die demokratische Legitimation seiner Entscheidungen zu verbessern. Denn die aus der Politisierung in den einzelnen Mitgliedstaaten entstehenden Diskussionen um Entscheidungen, könnten den Input des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens noch weiter erhöhen. 337  Vgl. zur Arbeitsweise der Ratspräsidentschaft in den Trilogen Roederer-Rynning/Greenwood, Journal of European Public Policy 2015, S. 1148, 1159 f. 338  Zu diesen neuen nationalstaatlichen Bündnissen über die Organgrenzen hinweg vgl. Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 13 f. Tatsächlich lässt sich empirisch nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit einer informellen Einigung höher ist, wenn die im informellen Trilog Verhandelnden aus demselben Mitgliedstaat stammen, vgl. Rasmussen, European Union Politics 2010, S. 41, 61. 339  Vgl. dazu Farrell/Héritier, CPS 2004, S. 1184, 1194 f. 340  Häge/Naurin, Journal of European Public Policy 2013, S. 953, 965 ff. 341  Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 529. 342  Vgl. Häge/Naurin, Journal of European Public Policy 2013, S. 953, 962 ff. 343  Haltern, Europarecht Band I, 2017, S. 529 formuliert dazu überspitzt, dass „im Trilogverfahren das Parlament und COREPER gemeinsam die Legislative bilden.“ 344  Europäisches Parlament (Hrsg.), Leitfaden Mitentscheidung und Vermittlung 12/2014, S. 22, 31.



C. Demokratie der Triloge283

Bedenklich erscheint darüber hinaus die bereits angesprochene Schwächung der Kontrolle des Ministerrates durch die nationalen Parlamente. Durch intransparentes Verhandeln in Trilogen wird diesen die Teilhabe am Entscheidungsfindungsprozess erschwert. Sie sind jedoch das maßgebliche Legitimationssubjekt der im Ministerrat vertretenen Regierungen. Entziehen sich die einzelnen Verfahrensabläufe nahezu gänzlich ihrer Kontrolle, kann dies zu einer Schwächung der demokratischen Verantwortlichkeit führen.

IV. Zwischenfazit: Die Technokratisierung des Mitentscheidungsverfahrens Anhand der vorstehenden Ausführungen konnte das Spannungsfeld zwischen Selbstorganisation des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und demokratischer Verantwortlichkeit verdeutlicht werden. Fraglich war insoweit, ob die Erosion des Mitentscheidungsverfahrens Auswirkungen auf die Stellung der Organe zueinander oder auf die demokratische Legitimation ihrer Entscheidungen hat. Dabei wurde zunächst herausgearbeitet, dass es durch die frühe Verhandlungsführung potentiell zu einer Machtverschiebung hin zur Kommission kommen kann. Denn im Vergleich zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren wird deren Verfahrensposition über den nur in erster Lesung geltenden Art. 293 AEUV aufgewertet. In seiner Entscheidung zur Reichweite des Rücknahmerechts der Kommissionsinitiativen hat der EuGH jedoch diese Position weitestgehend relativiert und das Rücknahmerecht unter zweifachen Vorbehalt gestellt. Zum einen dürfe die Kommission auch in der frühen Verhandlungsphase Vorschläge nur zurücknehmen, wenn es zu einer qualifizierten Verfälschung ihres Vorschlags komme, zum anderen müsse die Kommission ihr Rücknahmerecht im Wege der loyalen Zusammenarbeit wahrnehmen. Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen, denn so kann verhindert werden, dass der Kommission in den frühen Verhandlungen ein politisches Vetorecht zukommt. Obwohl die Kommission in informellen Trilogen weiter mit einer Rücknahme ihres Vorschlages drohen kann, bleibt die Machtverschiebung hin zur Kommission dadurch gering. Auch das Verhältnis zwischen den beiden Gesetzgebern wird durch die informellen Triloge kaum verändert. Eine befürchtete Machtverschiebung zum Ministerrat konnte nicht bestätigt werden, eher sprechen sogar einige Faktoren für eine Stärkung des Europäischen Parlaments. Zweifelsfrei empirisch bestätigen lässt sich keine der beiden Vermutungen. Informelle Triloge führen jedoch zu signifikanten Veränderungen in den organinternen Willensbildungsprozessen der Organe. So wird im Europäischen Parlament die Verhandlungsführung mit dem Ministerrat maßgeblich in die Hände des Berichterstatters gelegt. Indem das Europäische Parlament

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Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

den Mandatierungsprozess in seiner Geschäftsordnung eingehegt hat, kann seine demokratische Verantwortlichkeit jedoch sichergestellt werden. Im Ministerrat führt die Verhandlungsführung in informellen Trilogen zu einer Entpolitisierung des Gesetzgebungsverfahrens. Denn durch die geheime Verhandlungsführung werden die unterschiedlichen Standpunkte von Rat und Parlament in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, wie dies im inklusiven Gesetzgebungsverfahren der Fall wäre. Wenn das Parlament nun aber nicht öffentlichkeitswirksam auf seinem Standpunkt verharrt, ist es auch nicht nötig, dass der Rat sich auf ministerieller Ebene dem entgegenstellt. Stattdessen wird versucht auf Expertenebene einen frühzeitigen Kompromiss zu erreichen. Die ausgedehnte Verhandlungsphase im Stadium der ersten Lesung345 vermag jedoch zu völlig neuen Allianzen im Gesetzgebungsverfahren führen. So wurde beobachtet, dass Einigungen wahrscheinlicher sind, wenn Berichterstatter und verhandelnder Ratsvorsitz derselben Parteiengruppe angehören.346 Auch größere Mitgliedstaaten sind an ihre eigenen verhandelnden Abgeordneten herangetreten, um die Wahrscheinlichkeit eines Kompromisses zu erhöhen und nationale Interessen über die Organgrenzen hinweg durchzusetzen.347 Dabei wird deutlich: Durch Verbindungen und Verbündungen über die Kammersysteme hinweg, ist die Entwicklung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren in Richtung eines monokameralen Entscheidungssystems in informellen Trilogen vorgezeichnet. Dort treffen die ausgewiesenen Experten der jeweiligen Regelungsmaterie unter Ausschluss der Öffentlichkeit die politischen Entscheidungen, die im Anschluss an die Kompromissfindung Parlament und Rat zur „Ratifikation“ vorgelegt werden. Damit einhergehende Befürchtungen, dass die von den Organen eingesetzten Verhandlungsführer dies zu ihren eigenen Gunsten nutzen könnten, konnten zwar nicht bestätigt werden,348 gleichwohl ergeben sich aus dieser Praxis demokratische Verluste. Denn mit der Technokratisierung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, verliert es zwangsläufig seinen inklusiven Charakter. Dort wo einsame Entscheider fernab der öffentlichen Diskussion zusammensitzen um frühzeitige Kompromisse zu schließen, fehlt der erfrischende Wind politischer Debatten. Denn gerade das europäische 345  So dauert die Phase der ersten Lesung durch den Gebrauch informeller Triloge durchschnittlich 17 Monate, vgl. zu den Statistiken S. 163 ff. 346  Diese Beobachtung findet sich bei Rasmussen, EUI Working Paper MWP No. 2007/31, S. 12 f. 347  Vgl. Farrell/Héritier, The invisible Transformation of Codecision, 2003, S. 9. 348  So konnte weder festgestellt werden, dass der Berichterstatter seine Position in dem Maße nutzen kann, eine Position durchzusetzen, die der Mehrheit im Parlament widerspricht, vgl. Rasmussen, European Union Politics 2010, S. 41, 61, noch, dass der Ratsvorsitz die Verhandlungsposition zu seinen Gunsten ausnutzt, vgl. Häge/ Naurin, Journal of European Public Policy 2013, S. 953, 962 ff.



D. Zwischenergebnis285

Gesetzgebungsverfahren ist nach seiner vertraglichen Konzeption auf die Beisteuerung des Inputs „Außenstehender“ ausgelegt. Die Einbeziehung der beratenden Ausschüsse, der nationalen Parlamente und der Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft, soll das Fehlen einer einheitlichen europäischen Öffentlichkeit ausgleichen. Die durch die Stärkung des Europäischen Parlaments eingetretene Politisierung unionseuropäischer Entscheidungsfindung wird so wieder zurückgenommen. Informelle Triloge werden damit der inklusiven und deliberativen Funktion des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nicht gerecht. Freilich wohnt auch der Selbstorganisation und der damit verbundenen effizienten Entscheidungsfindung eine eigene Legitimation inne. Denn so kann sichergestellt werden, dass das Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union als Verfahren kollektiven Handelns funktioniert. Wenn jedoch ein in Selbstorganisation geschaffenes eigenes Verfahren durch seine standardisierte Anwendung funktionell wesentliche Elemente des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens ersetzt, stößt auch das den Organen eingeräumte Selbstorganisationsrecht an seine Grenzen. Die Organe müssen deswegen Maßnahmen schaffen, die den inklusiven Charakter des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens auch in informellen Trilogen sicherstellen. Größere Transparenz könnte hier ein Anfang sein, da so zumindest das Entstehen einer öffentlichen Debatte nicht im Keim erstickt wird.

D. Zwischenergebnis: demokratische Herausforderungen europäischer Gesetzgebung Das vorstehende Kapitel setzte sich mit der Frage auseinander, ob die demokratische Gesetzgebung der Europäischen Union durch die informellen Triloge wesentlich beeinträchtigt wird. Ausgehend von der Feststellung, dass Demokratie auf europäischer Ebene nur bedingt anhand der Maßstäbe staatlicher Strukturen gemessen werden kann, wurde die besondere duale demokratische Legitimation der Europäischen Union herausgearbeitet. Diese führt dazu, dass Demokratie einerseits mittelbar über die im Ministerrat vertretenen Mitgliedstaaten und anderseits unmittelbar durch das Europäische Parlament vermittelt wird. Leistungsschwächen der beiden Legitimationsstränge können dabei wechselseitig ausgeglichen werden. Zusätzlich versuchen die Verträge selbst durch besondere Beteiligungsrechte der Bürger und der Vertreter repräsentativer Verbände, sowie hohe Transparenzanforderungen demokratische Grundsätze abzusichern.

286

Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Die duale demokratische Legitimation der Europäischen Union kulminiert im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Dieses ist nach seiner formalen Verfahrensordnung so aufgebaut, dass Rat und Parlament auf Vorschlag der Kommission gemeinsam einen Gesetzgebungsakt erlassen. Das Gesetzgebungsverfahren weist jedoch, im Wesentlichen bedingt durch die Struktur der Europäischen Union, Schwächen im Rahmen der sachlich-inhaltlichen demokratischen Legitimation auf. So kann der Ministerrat auf Grund der Länge der Legitimationskette und der eingeschränkten Bedeutung europäischer Politik in rein nationalen Wahlkämpfen nur äußerst schwer den Willen der europäischen Bevölkerung im Gesetzgebungsverfahren deuten. Obwohl dagegen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament europäische Politik und Visionen Gegenstand der politischen Auseinandersetzung werden,349 fehlt es dennoch an einem einheitlichen Willensbildungsprozess der europäischen Bevölkerung und rein europäischen Parteien. Zwar versucht das Europäische Parlament, dieses Defizit durch die Zusammensetzung der Parlamentsfraktionen nach transeuropäischen Parteiengruppen350 und neue Innovationen wie die Aufstellung von Spitzenkandidaten zur Europawahl 2014351 auszugleichen, den grundsätzlichen strukturellen Probleme kann damit aber nicht entgegnet werden. Um dennoch die sachlich-inhaltliche Rechtmäßigkeit der Unionsentscheidungen gewährleisten zu können, sehen die Verträge umfassende direkte Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und Interessenvertreter vor. Dabei wird hauptsächlich die Kommission dazu aufgefordert, in der Initiativphase Betroffenenanhörungen und Folgenabschätzungsprüfungen ­ durch­zuführen. Doch auch in der Beratungsphase werden den Vertretern der Regionen und der organisierten Zivilgesellschaft in beratenden Ausschüssen Beteiligungsrechte eingeräumt und die beiden Gesetzgeber nach Art. 11 Abs. 2 EUV zu einem kontinuierlichen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft verpflichtet. Die unterschiedlichen Interessen von Parlament und Rat und deren gemeinsame Funktion als gleichberechtigte Gesetzgeber führen dazu, dass konsensorientierten Verhandlungen auf europäischer Ebene ein deutlich weiterer Raum eingeräumt werden muss, als dies aus den im Wesentlichen von Elementen der Mehrheitsdemokratie geprägten Mitgliedstaaten der Fall ist. Um die Entscheidungsfindung in diesem komplexen Interessengeflecht zu erleichtern und zu fördern, fordern die Verträge in Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUV die Organe zur loya349  Vgl. hierzu beispielsweise die Wahlprogramme der deutschen Parteien zur Europawahl 2014 unter http://www.europawahl-bw.de/europawahlprogramme.html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018). 350  Zur Zusammensetzung der Parlamentsfraktionen vgl. Art. 32 GO-EP (2017). 351  Vgl. dazu krit. Holzner, EuR 2015, S. 525 ff.; vgl. auch Lehner, NVwZ 2015, S.  20 ff.



D. Zwischenergebnis287

len Zusammenarbeit auf.352 Daneben räumt Art. 295 AEUV den Organen die Möglichkeit ein, ihre Kooperation einvernehmlich zu regeln. Als besonderer Teil dieses organschaftlichen Miteinanders wurden die informellen Triloge herausgebildet. Diese sollen bereits in einer frühen Phase des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Einigkeit zwischen den beiden Gesetzgebern herstellen.353 Die systematische Anwendung dieses Verfahrens führte in der Praxis zu einem signifikanten Anstieg von sog. First-Reading-Agreements.354 Gleichzeitig kommt das eigentliche Konfliktlösungsinstrument der Verträge, der nach Art. 294 Abs. 10 AEUV einzusetzende Vermittlungsausschuss, kaum noch zur Anwendung. Diese faktische Veränderung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens führt jedoch nur zu geringfügigen Machtverschiebungen der Organe zueinander. Beachtlich ist dagegen der durch die informellen Triloge verursachte Ausschluss derjenigen, die zur sachlich-inhaltlichen Legitimation der Gesetzgebungsakte beitragen sollen. Denn obwohl das Europäische Parlament die informellen Triloge weitestgehend in seinen organinternen Willensbildungsprozess eingebunden hat und diese unter der Grundverantwortlichkeit des Plenums durchgeführt werden, verursachen sie vor allem auf Grund mangelhafter Transparenz Schwächen im Bereich der demokratischen Kontrolle.355 Dem Ruf nach verstärkter Transparenz des Verfahrens wird dabei regelmäßig die effizienzsteigernde Wirkung geheimen Verhandelns entgegnet.356 Hierzu wurde in der Bearbeitung bereits festgestellt, dass sowohl die Effizienz als auch die Transparenz zwei in den Verträgen besonders hervorgehobene Grundsätze darstellen.357 Während die Effizienz vor allem in der Form der Entscheidungseffizienz im Hinblick auf den Kompetenz- und damit den Machterhalt der Europäischen Union von Bedeutung ist, soll die Transparenz zu einer größeren Durchschaubarkeit der für den Unionsbürger komplexen und entfernten Entscheidungsfindung beitragen. Bei dieser oberflächlichen Abwägung zwischen Transparenz und Effizienz bleibt jedoch ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt demokratischer Entscheidungsfindung außen vor: Die Akzeptanz der Handlungen in den Augen der Unionsbürger. Diese wird nur dann erreicht, wenn die Normunterworfenen von der Richtigkeit der in der Europäischen Union getroffenen Entscheidungen überzeugt sind.358 Sie nimmt aber tendenziell dann ab, wenn der 352  Zum

Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vgl. bereits oben S. 92 ff. dazu Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens, ABl. C 145 v. 30.06.2007, Ziff. 4. 354  Vgl. dazu oben S. 163 ff. 355  Zur Transparenz der Triloge vgl. insbesondere S. 201 ff. 356  Dazu beispielhaft Riemann, Transparenz der Europäischen Union, 2004, S. 95 f. 357  Vgl. zur Effizienz oben S. 80 ff. und zur Transparenz S. 171 ff. 358  Zum Legitimationskriterium der Akzeptanz allgemein von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, 2009, S. 117 f. 353  Vgl.

288

Fünfter Teil: Der informelle Trilog im Demokratietrilemma?

Eindruck vermittelt wird, die Europäische Union treffe ihre Entscheidungen „im Hinterzimmer“359 und unter undurchsichtigen Einflüssen. Allerdings kann nur aus einer grundsätzlichen Akzeptanz der Europäischen Union das erwachsen, was im europäischen Gesetzgebungsprozess so schmerzlich vermisst wird: Eine einheitliche europäische Willensbildung unter aktiver Beteiligung der Bürger an den Verfahren der Europäischen Union. Um das zu erreichen, sollte neben anderen Maßnahmen nicht zuletzt auch die standardisierte Anwendung der informellen Triloge überdacht werden. Denkbar wäre deren Begrenzung auf besonders dringliche oder unmittelbar vom Scheitern bedrohte Gesetzgebungsverfahren. Gleichzeitig muss die Transparenz der Triloge so erhöht werden, dass eine umfassende demokratische Kontrolle möglich wird. Die Einhegungsversuche des Europäischen Parlaments stellen hierbei nur den Beginn eines Weges dar, der gemeinsam mit dem Ministerrat und der Kommission zu beschreiten ist.

359  Simantke, Tagesspiegel.de, 21.05.2015, http://www.tagesspiegel.de/themen/ agenda/eu-trilog-wie-bruessel-im-hinterzimmer-die-demokratie-aushoehlt/11793136. html (zuletzt abgerufen am: 07.11.2018).

Fazit Zum ersten Teil – Geschichtliches 1.  Die Geschichte des informellen Trilogs ist eng verbunden mit der Geschichte des Rechtsetzungsverfahrens. Diese hat gezeigt, dass das Europäische Parlament im Rahmen der verschiedenen Vertragsrevisionen seine Kompetenzen immer weiter ausbauen konnte. Ausgehend von seiner stärkeren Beteiligung im Haushaltsverfahren, wurden ihm auch im Gesetzgebungsverfahren immer neue Aufgaben zugeteilt. So wurden aus anfänglich bloßen Anhörungsrechten später Mitarbeitsrechte und im Anschluss daran Mitentscheidungsrechte. Der Vertrag von Lissabon beendete diesen Prozess vorerst, indem er das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Ministerrat zum Gesetzgeber erhob und das Mitentscheidungsverfahren als ordentliches Gesetzgebungsverfahren deklarierte.1 2.  Informalität diente in der geschichtlichen Entwicklung dabei zunächst weniger der Verfahrensvereinfachung, als vielmehr der Machtsteigerung des primärrechtlich schwach ausgestatteten Europäischen Parlaments. Durch politischen Druck gelang es ihm dabei, die Kommission und den Ministerrat zu gewissen Zugeständnissen zu bewegen und seinen Einfluss auch ohne vertragliche Kompetenzen zu erweitern. Das Haushaltsverfahren, in dem das Europäische Parlament bereits frühzeitig mit Verantwortlichkeit ausgestattet wurde, diente dabei als perfektes Druckmittel. Gleichzeitig führte dies aber auch dazu, dass viele dieser Verfahren unmittelbar vor dem Scheitern standen. Um die Positionen von Parlament und Rat anzunähern, wurde zur besseren Abwicklung des Verfahrens im Jahr 1982 der sog. Haushaltstrilog eingeführt.2 3.  Diese flexiblen und nunmehr in Art. 324 AEUV primärrechtlich verfestigten Gespräche zwischen Ministerrat, Parlament und Kommission waren das Vorbild für den informellen Trilog im Rechtsetzungsverfahren. Dieser entwickelte sich nach dem Vertrag von Maastricht zunächst im Rahmen des Vermittlungsverfahrens, bevor im Jahr 1997 eine erste Annäherung an die heutige Praxis erfolgte. Begünstigt durch die vom Vertrag von Amsterdam geschaffene Möglichkeit, eine Einigung bereits in erster Lesung zu erreichen, 1  Vgl. 2  Vgl.

dazu S. 21 ff. dazu S. 27 ff.

290 Fazit

kam es in den folgenden Jahren zu einer immer stärken Ausweitung des Trilogsystems, was zu einer signifikanten Erhöhung sog. First-Reading-Agreements führte.3

Zum zweiten Teil – Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs 4.  Der damit verbundenen Informalisierung des Gesetzgebungsverfahrens auf primärrechtlicher Ebene wurde mit dessen Reformalisierung auf sekundärrechtlicher Ebene durch Inter- und Innerorganrecht entgegnet. So werden Ablauf und Beteiligte des Trilogs in interinstitutionellen Vereinbarungen und der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments näher beschrieben. Daneben lässt sich auch aus den von den Organen veröffentlichten Leitfäden eine teilweise verfestigte Organpraxis herauslesen.4 5.  Die wesentliche Rechtsgrundlage des informellen Trilogs ist dabei die ursprünglich aus dem Jahr 1999 stammende und im Jahr 2007 erneuerte gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens.5 In dieser rechtlich verbindlichen Vereinbarung werden die verfahrensleitenden Prinzipien und die Einsetzungszeitpunkte der Triloge knapp umrissen. Institutionellen Vereinbarungen auf sekundärrechtlicher Ebene sind jedoch auch Grenzen gesetzt. So dürfen sie vertraglich fixierte Verfahrensabläufe zwar ergänzen, nicht jedoch ersetzen. Weiterhin müssen sie das institutionelle Gleichgewicht beachten, damit keinem Organ eine Entscheidungskompetenz, die es nach dem Primärrecht nicht hat, zugesprochen wird.6 6. Die Einbindung der Trilogpraxis in den Willensbildungsprozess des Europäischen Parlaments steht im Mittelpunkt der Art. 69b ff. GO-EP (2017). Dieses hat als einziges der drei am Verfahren beteiligten Organe Regelungen geschaffen, die sowohl die Bestimmung des Trilogverhandlungsteams als auch dessen Mandatierungsprozess statuieren. Diese dem organinternen Selbstorganisationsrecht zuzurechnenden Normen sind für das Europäische Parlament bindend und entfalten auch mittelbare Bindungswirkungen gegenüber Rat und Kommission.7 3  Vgl.

dazu S. 30 ff. dazu S. 35 ff. 5  Vgl. dazu die Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 1999, ABl. C 148 v. 28.05.1999, S. 1 f.; Gemeinsame Erklärung zu den praktischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 2007, ABl. C 145 v. 30.06.2007, S. 5 ff. 6  Vgl. dazu S. 35 ff. 7  Vgl. dazu S. 60 ff. 4  Vgl.

Fazit291

7.  Keine Verbindlichkeit strahlen dagegen die von den Organen zum ordentlichen Gesetzgebungsverfahren bzw. zu den informalen Verfahren veröffentlichten Leitfäden aus. Gleichwohl kann aus den in diesen beschriebenen Handlungen eine Bindungswirkung erwachsen, sofern es sich bei diesen um eine verfestigte Organpraxis handelt. Da bezüglich der Verhandlungsführung und Mandatierung der Trilogverhandlungsteams des Rates und der Kommission keine Regelungen in den Geschäftsordnungen getroffen wurden, ist es notwendig, deren Praxis aus den Leitfäden herauszulesen. Dabei wählen die Organe jedoch derart unpräzise Formulierungen, dass nicht eindeutig von einer hinreichend verfestigten Organpraxis ausgegangen werden kann. Gleichwohl gestatten die Leitfäden einen generellen Blick auf die Handlungsweise in informellen Trilogen und deren Auswirkungen auf den gesamten Gesetzgebungsprozess.8

Zum dritten Teil – Der informelle Trilog in der Praxis der Organe Zu den verfahrensleitenden Prinzipien 8.  In der Praxis der Organe können zunächst die Grundsätze der Effizienz und der loyalen Zusammenarbeit als verfahrensleitende Prinzipien dargestellt werden. Der Grundsatz der Effizienz wird dabei in den Verträgen besonders begünstigt, da er ein wesentliches Mittel zum Machterhalt der Europäischen Union darstellt. Effizienz lässt sich dabei am besten in zwei unterschiedlichen Dimensionen darstellen: Während die Verfahrenseffizienz die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens und damit eine möglichst ressourcenschonende Durchführung zum Ziel hat, ist die Ergebniseffizienz auf eine möglichst optimale Zielerreichung fokussiert. Im besonderen, rechtsstaatlichen Kontext des Gesetzgebungsverfahrens ist der Ergebniseffizienz gegenüber der Verfahrenseffizienz eine höhere Bedeutung beizumessen. Deswegen sind etwaige verfahrensvereinfachende Mittel stets am Maßstab einer möglichst optimalen Zielerreichung zu messen.9 9.  Die Triloge bedienen sich der effizienzsteigernden Mittel der Flexibilisierung und der Informalisierung. So soll durch zeitlich unbegrenztes Verhandeln vor allem im Stadium der ersten Lesung ein Kompromiss erreicht werden, bevor das starre Fristenregime des Art. 294 AEUV in Gang gesetzt wird. Durch die geheime Verhandlungsführung sollen zudem öffentliche Vor8  Vgl. 9  Vgl.

dazu S. 70 ff. dazu S. 79 ff.

292 Fazit

festlegungen der Organe vermieden und damit die Kompromissbereitschaft erhöht werden.10 10. Die Zusammenarbeit der Organe in den Trilogen wird dabei vom Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit geleitet. Dieser Grundsatz ist entgegen der bundesdeutschen Tradition nicht nur auf die Rücksichtnahme der Organe untereinander beschränkt, sondern auch als implizite Aufforderung zur Kooperation zu verstehen. Er soll die starren vertraglichen Strukturen erweichen und so den Beziehungsraum zwischen den Organen fördern. Ausprägung dieses Grundsatzes ist die in Art. 295 S. 2 AEUV beschriebene Möglichkeit, interinstitutionelle Vereinbarungen zu erlassen.11 11.  Die nahezu standardisierte Durchführung der Triloge erscheint jedoch bereits im Hinblick auf die Grundsätze der Effizienz und loyalen Zusammenarbeit bedenklich. Denn die Anwendung der Triloge in inhaltlich einfachen Gesetzgebungsverfahren schaltet die die Effizienz des Verfahrens steigernden Fristvorschriften des Art. 294 AEUV aus, ohne dass dies aus ergebniseffizienten Gesichtspunkten notwendig erscheint. Auch der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit wurde regelmäßig nur dann zur Rechtfertigung vereinfachender Maßnahmen bemüht, wenn dies zur Streitbeilegung zwischen den Organen unbedingt notwendig wurde.12

Zur Beteiligtenstruktur 12.  Während im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren neben den Gesetzgebern verschiedenste Akteure am Entscheidungsprozess beteiligt werden, kommt es in den informellen Trilogen zu einer Verengung der Beteiligtenstruktur. Indem für das Parlament der Ausschussvorsitz, der Berichterstatter und die Schattenberichterstatter und für den Ministerrat der Ratsvorsitz auf Mandat des AStV und für die Kommission ein zuständiges Direktoriumsmitglied verhandeln, nehmen die für die organinterne Willensbildung maßgeblichen Akteure an den informellen Trilogen teil.13 13.  Obwohl sich deren aktive Teilhabe nach der Konzeption der Verträge vornehmlich auf die vom informellen Trilog nicht betroffene Initiativphase erstrecken soll, erscheint vor allem der informatorische Ausschluss der Bürger und Interessenvertreter problematisch. Denn gut informierte und vernetzte Lobbygruppen können auch in Trilogen ihren Einfluss geltend machen, wäh10  Vgl.

dazu S. 86 ff. dazu S. 92 ff. 12  Vgl. dazu S. 96 ff. 13  Zur Beteiligtenstruktur des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens vgl. S. 99 ff.; zur Beteiligtenstuktur des informellen Trilogs vgl. S. 115 ff. 11  Vgl.

Fazit293

rend kleineren Interessenvertretungen der Zugang zu Informationen verwehrt ist. Diese asymmetrische Informationslage steht im Widerspruch zu dem nach Art. 11 Abs. 2 EUV zu gewährenden umfassenden Dialog der beiden Gesetzgeber. Die Verkürzung ihrer Rechte droht vor allem dann, wenn es in den Trilogen zu einer inhaltlichen Einigung kommt, bevor die beratenden Ausschüsse eine Stellungnahme abgegeben haben.14

Zum Ablauf des Verfahrens 14.  Der Verfahrensablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 294 AEUV ist geprägt von aufeinander Bezug nehmender Aktion und Reaktion der beiden Gesetzgeber. Nach der Gesetzesvorlage der grundsätzlich mit dem Initiativmonopol ausgestatteten Kommission, beratschlagen Parlament und Rat in bis zu drei Lesungen und einem Vermittlungsausschuss den zu erlassenden Gesetzgebungsakt.15 15.  Auch unter Ausblendung der informellen Triloge haben die Organe im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens eine Vielzahl von Kooperationsformen entwickelt. So wurden und werden die Initiativ-Initiativrechte von Parlament und Rat durch interinstitutionelle Vereinbarungen gestärkt, die Zeitpläne der beiden Gesetzgeber zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens aufeinander abgestimmt und die Vorbereitungsarbeiten für den Vermittlungsausschuss gemeinsam getragen.16 16.  Besonders die Rolle der Kommission wandelt sich im Laufe der verschiedenen Lesungen. Während ihr Initiativmonopol in der ersten Lesung noch über Art. 293 AEUV abgesichert wird, wird dieses Recht im Verlauf der zweiten Lesung über Art. 294 Abs. 9 AEUV bereits auf Stellungnahmen beschränkt. Im Vermittlungsverfahren sollte sie nach Art. 294 Abs. 11 AEUV gar nur noch als honest broker zwischen den beiden Standpunkten von Rat und Parlament vermitteln.17 17.  Die informellen Triloge selbst aktivieren die Gesetzgeber hauptsächlich im Rahmen der ersten Lesung. Sie werden einberufen, nachdem die Organe einen ersten politischen Standpunkt gebildet und die Teilnehmer gemäß ihrer Geschäftsordnungen mandatiert haben. In den Trilogen soll unter der Leitung des gastgebenden Mitgesetzgebers eine politische Einigung erreicht werden. Als maßgebliches Verhandlungspapier werden die sog. Vierspaltendokumente 14  Vgl.

dazu dazu 16  Vgl. dazu 17  Vgl. dazu 15  Vgl.

S. 117 ff. S. 122 ff. S. 122 ff. S. 125 ff.

294 Fazit

benutzt. Während in den ersten drei Spalten die Standpunkte der einzelnen Organe wiedergegeben werden, sollen in der vierten Spalte mögliche Kompromissvorschläge niedergeschrieben werden. Kommt es in informellen Trilogen zu einer politischen Einigung, wird diese im Anschluss daran regelmäßig im formellen Verfahren des Art. 294 AEUV bestätigt.18 18. Triloge können auch, wenngleich statistisch weniger häufig, erst in späteren Stadien des Verfahrens eingesetzt werden. Zu beachten sind allerdings die in Art. 294 AEUV aufgestellten Fristenregelungen, die Triloge ab der zweiten Lesung unter einen nicht unerheblichen Zeitdruck stellen. Eine besondere Funktion kam den Trilogen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens nach Art. 294 Abs. 10 AEUV zu. Dort fanden diese sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der gesamten Vermittlungsphase mit dem Effekt statt, dass der Vermittlungsausschuss selbst oftmals nur einmal zusammentreten muss, um die dort gefundenen Ergebnisse zu ratifizieren.19 19. Durch die gehäufte Anwendung informeller Triloge kam es zu einer statistisch messbaren Veränderung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. So konnten in den vergangenen zehn Jahren bereits gut 90 % der Gesetzgebungsverfahren in der Ersten Lesung oder dem frühen Stadium der zweiten Lesung abgeschlossen werden – mit weiterhin steigender Tendenz. Dadurch kommt es kaum noch zur Anwendung des eigentlich zur Konfliktlösung vorgesehenen Vermittlungsverfahrens nach Art. 294 Abs. 10 AEUV. Informelle Triloge ersetzen damit das Vermittlungsverfahren weitestgehend, obwohl sie mit diesem nur hinsichtlich seiner Konfliktlösungsfunktion, nicht aber im Hinblick auf die primärrechtliche Verfestigung, die demokratische Kontrolle und die Beteiligtenstruktur vergleichbar ist.20

Zum vierten Teil – Transparenz der Triloge 20. In den vergangenen Jahrzehnten ließ sich in der Öffentlichkeit ein stärkeres Verlangen nach transparenter Entscheidungsfindung der öffentlichen Hand wahrnehmen. Dies ging auch an der Europäischen Union nicht vorüber und führte dazu, dass die Transparenz in den einzelnen Vertragsrevisionen Schritt für Schritt zum unionalen Verfassungsprinzip weiterentwickelt wurde. Als besondere Ausprägung des Demokratieprinzips ist sie die notwendige Voraussetzung zur aktiven Teilhabe der Bürger am unionsrechtlichen Entscheidungsprozess.21 18  Vgl.

dazu dazu 20  Vgl. dazu 21  Vgl. dazu 19  Vgl.

S. 143 ff. S. 155 ff. S. 162 ff. S. 172 ff.

Fazit295

21.  Nach Art. 15 AEUV soll Transparenz in drei Stufen vermittelt werden, durch größtmögliche Offenheit der Organhandlungen, durch ein öffentliches Gesetzgebungsverfahren und durch das Dokumentenzugangsrecht. Sie kann darüber hinaus in ihrer Funktionsweise in zwei unterschiedliche Betrachtungsdimensionen aufgegliedert werden: Während die Verfahrenstransparenz die Durchsichtigkeit und Begleitung des konkreten Entscheidungsverfahrens zum Ziel hat, widmet sich die Ergebnistransparenz der Nachvollziehbarkeit bereits getroffener Entscheidungen. Zum Schutz laufender Entscheidungsprozesse wird der Ergebnistransparenz von den Verträgen grundsätzlich ein höherer Stellenwert eingeräumt als der Verfahrenstransparenz.22 22. Zur Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens wird die Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen und der Ratstagungen, sofern dieser über Gesetzgebungsakte berät, primärrechtlich proklamiert. Die Geschäftsordnung des Parlaments verlangt weiterhin, dass auch die Sitzungen der Parlamentsausschüsse grundsätzlich öffentlich stattfinden. Die Vorbereitungsgremien des Rates tagen dagegen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.23 23.  Transparenz im Gesetzgebungsverfahren kann auf einer zweiten Ebene aber auch durch den Zugang zu den das Gesetzgebungsverfahren betreffenden Dokumenten hergestellt werden. Dieses Informationsfreiheitsrecht wird in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 sekundärrechtlich konkretisiert. Dabei schließt die Transparenzverordnung einen Zugang zu Dokumenten laufender Verfahren dann aus, wenn die Dokumente von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurden und der Entscheidungsprozess durch die Veröffentlichung ernstlich beeinträchtigt werden würde. Wenn man jedoch bedenkt, dass durch den Vertrag von Lissabon und die europäischen Gerichte der Öffentlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen ist, kann die Herausgabe von Dokumenten laufender Gesetzgebungsverfahren nur in absoluten Ausnahmefällen verweigert werden.24 24.  Nach vermehrten Beschwerden darüber, dass es durch die informelle Triloge zu einer negativen Beeinträchtigung der in den Verträgen statuierten Transparenzgrundsätze des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens komme, hat sich die Europäische Bürgerbeauftrage mit deren Transparenz im Rahmen einer strategischen Untersuchung auseinandergesetzt. Dabei stellte sie fest, dass Triloge in komplett informellen Rahmen stattfinden und deswegen ein Zugang für Nichtmitglieder der Verhandlungsteams nicht möglich ist. Die Sitzungen werden zudem regelmäßig nicht angekündigt und aus ihnen werden auch keine Dokumente veröffentlicht. In den Datenbanken der Organe 22  Vgl.

dazu S. 173 ff. dazu S. 181 ff. 24  Vgl. dazu S. 189 ff. 23  Vgl.

296 Fazit

kann zudem nur schwer herausgefunden werden, dass überhaupt Triloge stattfinden. Da Triloge vermehrt vor der ersten parlamentarischen Lesung einberufen werden, ist der Verhandlungsverlauf für den interessierten Bürger nur schwer nachzuvollziehen, da er den In- und Output des Verfahrens nicht miteinander vergleichen kann.25 25. Bei einer näheren rechtlichen Betrachtung lässt sich zumindest die nichtöffentliche Verhandlungsführung aus Effizienzgesichtspunkten rechtfertigen, sofern es sich um besonders komplizierte Gesetzgebungsverfahren handelt. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass der Öffentlichkeit im Vorfeld und im Anschluss an die Sitzungen genügend Materialen zur Verfügung gestellt werden, um den politischen Entscheidungsprozess nachvollziehbar zu machen. Dies kann beispielsweise durch die Bereitstellung von Trilogkalendern oder die Veröffentlichung der Sitzungsteilnehmer und der Ausgangsstandpunkte der Organe erreicht werden.26 26.  Zur verstärkten Transparenz der Triloge kann vor allem die Veröffentlichung der Vierspaltendokumente beitragen. Die Organe verweigerten in laufenden Gesetzgebungsverfahren jedoch oftmals den Zugang unter Verweis auf den Schutz interner Entscheidungsfindung. In einer aktuellen Entscheidung hat das EuG jedoch bekräftigt, dass Vierspaltendokumente auf Antrag regelmäßig vollständig veröffentlicht werden müssen. Eine wirkliche Steigerung der Transparenz der Triloge würde sich aber trotzdem nur dann ergeben, wenn die Organe die Vierspaltendokumente bereits proaktiv veröffentlichen würden.27

Zum fünften Teil – Der informelle Trilog im Demokratietrilemma 27.  Die Frage, ob die Triloge gegen demokratische Grundsätze der Union verstoßen, kann nicht ohne eine genauere Darstellung des unionsrechtlichen Demokratieprinzips beantwortet werden. Denn Demokratie auf europäischer und damit supranationaler Ebene unterscheidet sich wesentlich von den demokratischen Grundsätzen in den Nationalstaaten.28 28.  Während in der Anfangszeit der Europäischen Gemeinschaften demokratische Legitimation ausschließlich über die im Rat vertretenen Regierungen der Mitgliedstaaten mittelbar vermittelt wurde, wird diese seit der ver25  Vgl.

dazu dazu 27  Vgl. dazu 28  Vgl. dazu 26  Vgl.

S. 201 ff. S. 208 ff. S. 213 ff. S. 226 ff.

Fazit297

stärkten Beteiligung des Europäischen Parlaments nunmehr auch unmittelbar auf europäischer Ebene verwirklicht. Dies wird als die doppelt begründete, demokratische Legitimation der Europäischen Union bezeichnet. Um dieser janusköpfigen Struktur gerecht zu werden, muss Verhandlungen auf europäischer Ebene ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt werden, als dies in mehrheitsdemokratisch geprägten Nationalstaaten der Fall ist.29 29. Die beiden Legitimationsstränge der EU weisen jedoch gewisse Schwächen auf, die jedoch wechselseitig ausgeglichen werden können. So kommt es auf Grund der degressiv proportionalen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zur Wahlrechtsungleichheit, da kleinere Mitgliedstaaten im Vergleich zu großen Mitgliedstaaten überrepräsentiert werden. Gleichwohl kann dieser Missstand unionsrechtlich gerechtfertigt werden, da nur so eine ausreichende Repräsentation aller Völker im Parlament sichergestellt werden kann.30 30.  Obwohl nach dem Bundesverfassungsgericht demokratische Legitimation nach wie vor hauptsächlich über die Mitgliedstaaten vermittelt werde, ist auch diese nicht frei von Fehlern. Denn der Ministerrat ist auf Grund der Länge und Fragilität seiner Legitimationskette nur schwer dazu in der Lage, den Willen der europäischen Bevölkerung zu transportieren, was zu einer Schwächung der sachlich-inhaltlichen Legitimation seiner Entscheidungen führen kann.31 31. Im Kontext des europäischen Gesetzgebungsverfahrens äußert sich Demokratie auch im Zusammenspiel der verschiedenen wesentlich beteiligten Organe. Das institutionelle Gleichgewicht und die zugehörige Aufgabenverteilung werden deswegen vom EuGH in den Kontext des Demokratieprinzips gestellt. Dabei wird deutlich, dass die Verträge ihrer Konzeption nach versuchen, im Entscheidungsverfahren das Unionsinteresse mit dem Interesse der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen. Die ist ein wesentlicher Grund für das Initiativmonopol der demokratisch nur schwach legitimierten Kommission.32 32.  Doch unabhängig davon fällt es den Organen schwer ihre zweifellos gegebene organisatorisch-personelle Legitimation auf sachlich-inhaltlicher Ebene umzusetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig und können im Wesentlichen mit der lediglich staatsanalogen Struktur der Europäischen Union begründet werden. Deswegen versuchen die Verträge durch verschiedene Ausgleichsmechanismen, wie die Einbeziehung beratender Ausschüsse und die 29  Vgl.

dazu dazu 31  Vgl. dazu 32  Vgl. dazu 30  Vgl.

S. 228 ff. S. 234 ff. S. 238 ff. S. 246 ff.

298 Fazit

aktive Beteiligung von Bürgern und Interessenvertretern, diesen Malus auszugleichen.33 33. Das so entstandene komplexe Entscheidungsgeflecht kann durch informelle Triloge beeinträchtigt werden. Dabei ist jedoch zunächst festzustellen, dass Informalität keine Erfindung der europäischen Organe ist, sondern auch den Entscheidungsfindungsprozess in einzelnen Mitgliedstaaten wesentlich beeinflusst. Dort finden, bedingt durch die politische Verschmelzung von Parlament und Regierung, im Vorfeld legislativer Verfahren mannigfaltige Absprachen statt, die im Wesentlichen zu einer Machtkonzentration auf Regierungsebene führen.34 34. Obwohl auf der Ebene der Europäischen Union kein vergleichbares System von Regierungspartei und Opposition existiert, führen die Triloge auf den ersten Blick zu einer Stärkung der als Exekutive firmierenden Kommission. Denn durch die Verhandlungen im Stadium der ersten Lesung wird dieser durch das Vorschlagsrücknahmerecht mehr Spielraum eingeräumt, als dies bei Verhandlungen im Vermittlungsausschuss der Fall wäre. Der EuGH hat diese mögliche Machtverschiebung jedoch zuletzt aufgegriffen und das Rücknahmerecht der Kommission unter wesentliche materiell-rechtliche Anforderungen gestellt.35 35.  Eine rechtlich erhebliche Kompetenzverschiebung hin zu Kommission lässt sich damit ebensowenig rechtlich begründen, wie signifikante Machtverschiebungen zwischen den beiden Gesetzgebern. Denn verschiedene empirische Studien konnten nicht nachweisen, dass Rat oder Parlament einseitige Nutznießer informaler Verhandlungsführung sind.36 36.  Betrachtet man die Auswirkungen der informellen Triloge auf die Legitimation der Organentscheidungen, sind innerhalb der Willensbildungsprozesse der beiden Gesetzgeber Machtverschiebungen zu erkennen. Im Europäischen Parlament wirken sich diese jedoch nicht signifikant auf die Legitimationsleistung aus, da das Parlament von seinem Aufbau und seiner Struktur auf einen arbeitsteiligen organinternen Entscheidungsfindungsprozess ausgerichtet ist. Zusätzlich hat es in seiner Geschäftsordnung Regelungen geschaffen, die die Verhandlungsführung im Trilog von der Billigung des Plenums abhängig machen. Innerhalb des Ministerrates erscheint es dagegen problematisch, dass durch informelle Triloge die Kontrollfunktion der nationalen Parlamente erschwert wird.37 33  Vgl.

dazu dazu 35  Vgl. dazu 36  Vgl. dazu 37  Vgl. dazu 34  Vgl.

S. 253 ff. S. 260 ff. S. 268 ff. S. 276 f. S. 278 ff.

Fazit299

37.  Aus demokratischer Sicht kommt es deswegen durch Triloge zu einer Technokratisierung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Unter dieser Entscheidungsfindung in „Expertengruppen“ leidet der offene und deliberative Charakter des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens.38 38.  Im Ergebnis muss deswegen eine weitere Eingrenzung der Trilogpraxis erfolgen, denn bedenklich erscheint insbesondere deren Ausformung zum Standardverfahren. Es sollte aus verschiedensten Gesichtspunkten der Bearbeitung nur in besonders risikobehafteten und dringlichen Legislativverfahren angewandt werden. Daneben sind die Organe dazu aufgerufen, die Transparenz der Triloge so zu erhöhen, dass der Entscheidungsfindungsprozess besser nachvollzogen werden kann.

38  Vgl.

dazu S. 283 ff.

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Sachverzeichnis Abgeordnete  101 f., 275, 279 f. Amtsblatt  37, 51, 190 Anhörungsverfahren  21 f. Aufgabenverteilung der Organe  246 ff. Auslegungsgrundsätze  48 Auslegungsübereinkunft  40 Ausschuss der Regionen  106 ff., 276 ff. Ausschussverfahren – Europäisches Parlament  101 ff., 121 ff., 184 f. – Mitgliedstaaten  184 f. AStV  104, 116 f. Bessere Rechtsetzung  56 ff., 191 Berichterstatter – Auswahl  102 ff. – Rolle in den Trilogen  275 f., 279 ff. Bürgerbeauftragter, -e  171 ff., 221 ff. Bürgerbeteiligung  111 ff., 198 ff., 276 ff. Deformalisierung  55, 76 ff. Demokratie – Geschichtliche Entwicklung  228 ff. – Gesetzgebungsverfahren  246 ff. – Triloge  260 ff. Dokumentenzugangsrecht – Gesetzgebungsverfahren  189 ff. – Trilog  213 ff. Effektivität  80 ff. Effizienz  80 ff. – Definition  80 ff. – Im Zusammenhang mit Transparenz  178 ff. – Notwendigkeit  83 ff. – Trilog  86 ff.

Einheitliche Europäische Akte (EEA) 23 Europäische Bürgerinitiative  111 Europäisches Parlament – Arbeitsweise  125 ff., 183 ff. – Demokratische Legitimation  234 ff., 251 ff. – Einfluss der Triloge  279 ff. – Geschäftsordnung  66 ff., 101 ff., 121 ff. – Machtstreben  27 ff. Flexibilisierung  86 ff. Folgenabschätzung  82, 193 f., 257 Geheimhaltungsinteressen  177, 191 ff. Geschichte  21 ff. – Gesetzgebungsverfahren  21 ff. – Informelle Verfahren  26 ff. Gesetzgebungsinitiative – Ablauf  122 ff. – Initiativmonopol  122 ff., 247 ff. – Rücknahmemöglichkeit  134 ff., 153 ff., 268 ff. Gemeinsame Erklärung zu den prak­ tischen Modalitäten des neuen Mitentscheidungsverfahrens  54 ff., 115, 143 ff. Geschäftsordnung – Allgemein  60 ff. – Bindungswirkung  62 ff. – Europäisches Parlament  66 ff., 101 ff., 121 ff. – Grenzen  61 ff. – Kommission  75, 99 ff., 121 ff. – Rat  75, 104 f., 121 ff. Haushaltsverfahren  28 ff., 93 f. Hohe Behörde  21

322 Sachverzeichnis Informalität in Nationalstaaten  260 ff. Informationsgefälle  168, 186, 273 ff. Inklusion  111 ff., 251 f. Innerorganrecht  siehe Geschäfts­ ordnung Interessenvertreter  111 ff., 119, 256 f., 276 ff. Interinstitutionelle Vereinbarung  36 ff. – Grenzen  38 ff. – Bindungswirkung  47 ff. – Rechtliches Rangverhältnis  37 f. – Zustandekommen  51 ff. Interorganvereinbarung siehe interins­ titutionelle Vereinbarung Institutionelles Gleichgewicht  44 f., 268 ff. Justiziabilität  49 f., 64 f. Komitologie  40, 85 Kommission – Arbeitsweise  99 ff., 122 ff., 182 f. – Aufwertung durch Triloge  268 ff. – Legitimation der Entscheidungen  247 ff. – Präsident  99, 249, 256 Komplexität  26, 28 f. Kontrolle des Gesetzgebers  221 ff. Leitfäden der Organe  70 ff. Legislative train  59 Legitimation – Auswirkungen der Triloge  278 ff. – Duale Legitimationsstruktur  234 ff. – Input- und Outputorientierung  90 ff., 251 f., 254 ff. – Legitimationsketten  234 ff. – Organisatorisch-personelle Legitima­ tion  234 ff. – Sachlich-inhaltliche Legitimation  247 ff. – Wechselwirkung demokratischer Legitimation  243 ff. Lissabon-Entscheidung  235 ff.

Lobbyismus  111 ff., 119, 256 f., 276 ff. Loyale Zusammenarbeit  92 ff., 153 ff., 269 Maastricht-Entscheidung  227, 235 Machtverschiebung  268 ff. Ministerrat – Arbeitsweise  104 ff., 125 ff., 185 f. – Demokratische Legitimation  238 ff., 252 f. – Einfluss der Triloge  281 ff. – Geheime Beratung  175, 185 f. Mitentscheidungsverfahren siehe ordentliches Gesetzgebungsverfahren Nationale Parlamente  110 ff., 240 ff., 276 ff. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren – Ablauf  121 ff. – Beteiligte  99 ff. – Geschichte  24 f. – Strukturelle Schwäche  253 ff. Organinternes Selbstorganisationsrecht siehe Geschäftsordnung Parlamentsöffentlichkeit  181 ff. Rat siehe Ministerrat Ratsvorsitz  72, 104, 144 Rechtsetzungskonzertierungsverfahren  22f. Rechtsgrundlagen des informellen Trilogs  35 ff. Rekonsultationsrecht  119 f. Römische Verträge  21 Schattenberichterstatter  102, 126, 275, 281 Schutz interner Verfahren  194 ff., 213 ff. Sitzungsöffentlichkeit – Gesetzgebungsverfahren  181 ff. – Informelle Triloge  208 ff. Space to think  194 f.

Sachverzeichnis323 Spitzenkandidat  249, 256 Statistik  163 ff. Technokratisierung  283 ff. Transparenz  171 ff. – Gesetzgebungsverfahren  180 ff. – Kritik  224 f. – Triloge  201 ff. Trilogkalender  210 ff. Untersuchung OI/8/2015/JAS  201 ff. Vereinbarungen über die Haushalts­ disziplin  29, 41 f. Verfassungsentwicklung  76 ff. Verfassungsprinzipien  45 f., 79 ff., 171 ff., 226 ff. Verfahrensablauf – Gesetzgebungsverfahren  121 ff. – Trilog  143 ff. Verhaltenskodex für interinstitutionelle Verhandlungen  60, 149 f. Verhandlungsdemokratie  232 f.

Verhandlungsteams  115 ff., 144 ff., 212 f. Vermittlungsverfahren  136 ff., 159 ff., 166 ff., 187 ff., 208 f. Versammlung  22 Vertrag von Amsterdam  25, 32, 34, 189, 229 Vertrag von Lissabon  25, 83, 92, 183 ff., 229 ff. Vertrag von Maastricht  24, 112, 172, 179, 229 Vertragsänderung, -ergänzung  38 ff., 169, 241 f. Vierspaltendokumente  213 ff. Weißbuch  114 – Europäisches Regieren  112, 174 – Zur Zukunft Europas  259 Wirtschafts- und Sozialausschuss  106 ff., 276 ff. Zusammenarbeitsverfahren  23 f. Zustimmungsverfahren  24