Der »immerwährende Staatssekretär«: Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949–1963 [1 ed.] 9783666356940, 9783525356944


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Der »immerwährende Staatssekretär«: Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949–1963 [1 ed.]
 9783666356940, 9783525356944

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Markus Apostolow

Der »immerwährende Staatssekretär« Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949–1963

Die Rosenburg

Schriften zur Geschichte des BMJ und der Justiz in der frühen Bundesrepublik Herausgegeben von Manfred Görtemaker und Christoph Safferling

Band 1

Markus Apostolow

Der »immerwährende Staatssekretär« Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949–1963

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Zugl. Dissertation, Universität Potsdam, 2018.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Walter Strauss, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz (BMJ), 1959 © Bundesregierung / Rückriem. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2625-4476 ISBN 978-3-666-35694-0

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I. Staatssekretär Strauß und der personelle Aufbau des BMJ 1949–1953 17 1. Ein Ministerium konstituiert sich. Die personalpolitischen Anfänge im BMJ . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1 Die Berufung von Strauß zum Staatssekretär . . . . . . . . . . 18 1.2 Zur personalpolitischen Vorprägung von Strauß . . . . . . . . 21 1.3 Konflikte zwischen Minister und Staatssekretär . . . . . . . . 38 1.4 Die unterschiedliche Herkunft der Beamten der ersten Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.5 Der Persönliche Referent des Ministers: Dr. Willi Geiger . . . 43 1.6 Die Auswahl der Abteilungsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.7 Die Berufung von Dr. Hans Winners zum Personalreferenten 55 1.8 Vom »Geist der Rosenburg« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Rahmenbedingungen für den personellen Aufbau des BMJ . . . . 61 2.1 Kommissionen mit personalpolitischem Bezug in der Gründungsphase der Bundesrepublik . . . . . . . . . . 62 2.2 Die Problematik der Übernahme von Personal aus Einrichtungen der Besatzungszonen . . . . . . . . . . . . . 64 2.3 Das Gesetz zu Artikel 131 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.4 Der Disput um die Auslegung des Artikels 36 GG . . . . . . . 72 2.5 Verhandlungen zum Beamtenersatz bei den Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.6 Vergangenheitsbezogene Beschlüsse und Richtlinien des Bundeskabinetts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.7 Die Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen seitens BMI und BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.8 Der Einfluss von Globke und dem Kanzleramt . . . . . . . . . 103 2.9 Die Formierung der »Gewerkschaft der Staatssekretäre« . . . 107 3. Wesen und Merkmale der Personalpolitik in der Anfangszeit . . . 109 3.1 Politische Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.2 Landsmannschaftliche Ausgewogenheit . . . . . . . . . . . . . 126 3.3 Parteipolitische Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3.4 Die Frage der Konfession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3.5 Sparsame Stellenpolitik und Beförderungen . . . . . . . . . . . 143

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Inhalt

3.6 Über mancherlei Wege ins BMJ: Bewerbungen, Empfehlungen, Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3.7 Der Aufstieg von Dr. Josef Schafheutle zum Leiter der Strafrechtsabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3.8 Der Abschied von Minister Dehler . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II . Vom Einzug der Normalität.

Die Entwicklung der Personalpolitik 1953–1961 . . . . . . . . . . . . 171 1. Ein Staatssekretär, drei Minister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1.1 Fritz Neumayer (1953–1956) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1.2 Dr. Hans-Joachim von Merkatz (1956–1957) . . . . . . . . . . 174 1.3 Bundesjustizminister Strauß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1.4 Fritz Schäffer (1957–1961) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Veränderungen auf Abteilungsleiterebene . . . . . . . . . . . . . . 179 2.1 Dr. Heinrich Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2.2 Dr. Gerhard Erdsiek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik . . . 209 3.1 Die Erweiterung des Personalbestandes . . . . . . . . . . . . . 209 3.2 Beamtenersatz aus den Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3.3 Zur Praxis der Mitprüfung durch BMI und BMF . . . . . . . . 239 3.4 Zunehmende Politisierung des Beamtentums? . . . . . . . . . 245 3.5 Zur Verteilung der Konfessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3.6 Verschlungene Wege der Personalpolitik . . . . . . . . . . . . 250 3.7 Personalfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3.8 Reflexionen von Strauß über die Verantwortung der Exekutive für Staatsaufbau und -gesinnung . . . . . . . . 273

III . Auf dem Zenit der Macht?

Die personalpolitische Situation am Ende der Amtszeit des »immerwährenden Staatssekretärs« 1961–1963 . . . . . . . . . . . 283

1. Veränderungen auf der Leitungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1.1 Die Minister: Dr. Wolfgang Stammberger und Dr. Ewald Bucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1.2 Der neue Abteilungsleiter Z: Dr. Kurt Haertel . . . . . . . . . . 285 1.3 Der neue Abteilungsleiter I: Prof. Dr. Arthur Bülow . . . . . . 287 2. Personalpolitik in der Kritik. Ermüdungserscheinungen im »System Strauß« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2.1 Der Vermerk von Haertel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 2.2 Partielle Differenzen mit den Abteilungsleitern . . . . . . . . . 304 2.3 Alltägliches und Außergewöhnliches in der Personalpolitik . . 307 2.4 »Der Lack ist ab« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Inhalt

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3. Der Lotse geht von Bord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3.1 »Stabschef« Strauß und die Spiegel-Affäre . . . . . . . . . . . 323 3.2 Würdigungen des kaltgestellten Staatssekretärs . . . . . . . . 331 3.3 Die Reden zur Verabschiedung von Strauß . . . . . . . . . . . 334 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 3. Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 4. Ausgewählte Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Einleitung

Im Herbst des Jahres 1949 wurde Walter Strauß zum beamteten Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz berufen. Wenige Jahre zuvor war ein solcher Karrieresprung für den gebürtigen Berliner noch undenkbar gewesen. Die letzten Kriegsjahre arbeitete der promovierte Jurist zwangsweise in einem Betrieb, der Rüstungsgüter reparierte. Als Kind jüdischer Eltern im Jahre 1900 geboren, hatte Strauß zunächst als Gerichtsassessor bei verschiedenen preußischen Gerichten gewirkt. Bereits nach kurzer Zeit war er zum Hilfsarbeiter – heute würde man vom Referenten sprechen – im Reichswirtschaftsministerium bestellt worden. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verlor er erst seine Stellung im Ministerium und wurde dann durch die Versetzung in den Ruhestand zum 1. März 1935 endgültig aus dem Justizdienst entfernt. In der Folgezeit betätigte sich Strauß vor allem in der Auswandererhilfe, wo er andere Verfolgte des NS Regimes unterstützte. Nachdem er bereits im Elternhaus, insbesondere durch seine Mutter Elsa, die Ehefrau des Arztes und Medizinforschers Hermann Strauß, christlich erzogen worden war, trat Walter Strauß 1939 offiziell zum protestantischen Glauben über.1 Aus Sicht der Machthaber blieb er freilich Jude und war selbst nach dem Verlust seiner beruflichen Stellung noch Anfeindungen und Gefahren ausgesetzt. Letztlich bewahrte ihn in erste Linie die Ehe mit seiner »arischen« Frau Tamara, aus der drei Kinder hervorgingen, vor dem Schlimmsten. Während seine Schwester Edith nach England emigrierte, fanden die Eltern der beiden den Tod im Getto von Theresienstadt: der Vater bereits 1944 infolge von Herzversagen, die Mutter erst 1945 nach der Befreiung des Konzentrationslagers. Walter Strauß hatte somit allen Grund, als Staatssekretär im neu gegründeten Bundesjustizministerium (BMJ) die alten Eliten zu meiden. Doch wie sollte auf den Trümmern der nationalsozialistischen Diktatur und unter den Bedingungen der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten ein Ministerium errichtet werden, dessen dringlichste Aufgabe es sein musste, dem Rechtsstaat der jungen Demokratie Leben einzuhauchen? Thomas Dehler (FDP) als erster Bundesminister der Justiz und Walter Strauß (CDU) als sein Staatssekretär standen dabei nicht zuletzt vor der Frage, welche Personen für den Wiederaufbau der Justiz auf Bundesebene überhaupt infrage kommen würden. Die Jahre der NS -Herrschaft 1 Zur Biografie der Eltern Strauß siehe Harro Jenss, Hermann Strauß. Internist und Wissenschaftler in der Charité und im Jüdischen Krankenhaus Berlin. Mit einem Beitrag von Peter Reinicke über Elsa Strauß, Wegbereiterin der Krankenhaussozialarbeit, Berlin 2010. Zur christlichen Erziehung des jungen Walter Strauß siehe Friedemann Utz, Preuße, Protestant, Pragmatiker. Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, Tübingen 2003, S. 13.

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Einleitung

waren bekanntlich auch an der deutschen Beamtenschaft nicht spurlos vorübergegangen. Im Spannungsfeld von Nazifizierung und Selbstnazifizierung hatten sich nicht wenige Beamte mit dem totalitären Staat identifiziert und mussten insofern als belastet gelten. Konnte mit solchen Staatsdienern die freiheitlichdemokratische Grundordnung der Bundesrepublik verwirklicht werden? Freilich, der Bruch von 1945 war tief und hat vielfach zu einem Mentalitätswandel geführt.2 Doch die Schatten der Vergangenheit loszuwerden, war nicht leicht. Das galt vor allem für die Personalpolitik. Als Amtschef des Bundesjustizministeriums war Walter Strauß nicht nur für den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte, sondern auch für die personellen Angelegenheiten verantwortlich. Dass der Staatssekretär im Zusammenwirken mit dem Minister auf die Mitarbeit einschlägig belasteter Personen zurückgriff, ist bekannt, wenngleich die entscheidenden Motive dafür lange Zeit im Dunkeln lagen. Die Arbeit der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (UWK-BMJV) hat 2016 einige Erklärungsansätze geliefert.3 Durch das Studium weiterer Akten konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden. Insbesondere ist nun der Nachweis erbracht, dass die Mischung aus ehemaligen Parteimitgliedern auf der einen und Benachteiligten des NS -Regimes auf der anderen Seite vom Staatssekretär so gewollt war.4 Während seiner mehr als 13-jährigen Amtszeit überdauerte Staatssekretär Strauß fünf verschiedene Minister. Die Position des obersten Beamten einnehmend, stand er in der Hierarchie direkt unter dem jeweiligen Justizminister, der die politische Verantwortung trug. Obwohl die Personalpolitik hauptsächlich in den Aufgabenbereich von Staatssekretär Strauß fiel, gab es auch andere, durchaus einflussreiche Akteure auf diesem Gebiet. Neben dem Minister zählten der Personalreferent und die Abteilungsleiter dazu. Doch auch von außen wurde die Personalpolitik des BMJ beeinflusst. Zu nennen sind hier vor allem das Bundeskanzleramt als Regierungszentrale, das in beamtenrechtlichen Angelegenheiten federführende Bundesministerium des Innern, das in haushaltsrechtlichen Fragen unentbehrliche Bundesministerium der Finanzen sowie die Bundesregierung als Ganzes. Eine der wichtigsten Zielsetzungen der Studie war es daher, das konkrete Ausmaß des Einflusses von Strauß auf die Auswahl und Beförderung der höheren Beamten des BMJ zu bestimmen. Die Beamten des gehobenen, mittleren und einfachen Dienstes sowie die Angestellten und Arbeiter 2 Jörg Grotkopp, Beamtentum und Staatsformwechsel. Die Auswirkungen der Staatsformwechsel von 1918, 1933 und 1945 auf das Beamtenrecht und die personelle Zusammensetzung der deutschen Beamtenschaft, Frankfurt am Main 1992, S. 271. Aus Sicht von Grotkopp könne eine personelle Kontinuität des Staatsdienstes nicht bestritten werden. Allerdings sei der Bruch von 1945 so stark gewesen, dass die Beamten im Regelfall aus eigenem Antrieb zu willigen Dienern des neuen Staates geworden seien. 3 Manfred Görtemaker / Christoph Safferling, Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS -Zeit, München 2016, S. 132; 452 f. 4 Siehe dazu die Ausführungen zum Fall Massfeller im unter I.3 folgenden Abschnitt »Politische Überprüfung«.

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werden also nur am Rande betrachtet. Der Fokus auf die höheren Beamten ist damit zu erklären, dass sie die mit erheblicher Verantwortung verbundenen, wichtigen Positionen im Ministerium einnahmen. Eng mit der Problematik des Strauß persönlich zuzuschreibenden Einflusses verknüpft ist die geschichtswissenschaftliche Grundfrage nach der Wirkungsmöglichkeit des Einzelnen gegenüber Gruppen von Personen einerseits und gegenüber strukturellen Elementen andererseits. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde auch gefragt, nach welchen Kriterien die Personalauswahl erfolgte. Ferner: Wer entschied darüber, wer eingestellt oder befördert wurde? Welche Anforderungen stellte der Staatssekretär an seine Mitarbeiter? Inwiefern basierten diese Anforderungen auf persönlichen Erfahrungen, individuellen Vorlieben oder auch strukturellen Rahmenbedingungen? Wie reagierte Strauß, wenn sich Konflikte auftaten? Außerdem galt es, die wesentlichen Merkmale und Kennzeichen der Personalpolitik unter Staatssekretär Strauß herauszuarbeiten. Das betrifft sowohl die Konzeption – sofern man die Grundeinstellungen und -ideen des obersten Beamten so bezeichnen mag – als auch deren Umsetzung in der Realität. Vor dem Hintergrund der kurz angerissenen und später noch näher zu erläuternden Biografie von Strauß wird der Versuch gewagt, seine Erfahrungen aus dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und der Besatzungszeit als mögliche Erklärung für die von ihm verantwortete Personalpolitik im Bundesjustizministerium mit heranzuziehen. Die Vorstellungen des Staatssekretärs vom idealtypischen Beamten, aber auch der ihm eigene Führungsstil wären andernfalls kaum zu verstehen. Im Übrigen, so viel sei an dieser Stelle bereits gesagt, zeigt das Beispiel Walter Strauß sehr deutlich, dass die unter vorangegangenen politischen Systemen gemachten Erfahrungen nicht einfach abgelegt werden können, sondern im Hintergrund stets präsent bleiben und weiter wirken. Die von dem Rechtsanwalt Friedemann Utz verfasste Biografie über Strauß vermochte dessen personalpolitisches Wirken als Staatssekretär kaum zu beleuchten, da dem Autor damals der Zugang zu den Personalakten des Bundesjustizministeriums verwehrt war.5 Demgegenüber konnten im Rahmen der Arbeit für die Unabhängige Wissenschaftliche Kommission die Personalakten der im Zeitraum von 1949 bis 1963 tätigen Beamten des höheren Dienstes eingesehen werden. Nach wie vor werden die Akten im Berliner Amtssitz des Ministeriums in der Mohrenstraße aufbewahrt. Nicht immer sind sie vollständig überliefert. Auch der Aufschluss, den sie bieten, variiert von Akte zu Akte. Nicht in jedem Fall gibt die Personalakte darüber Auskunft, wer für die Einstellung des betreffenden Beamten verantwortlich war. Daher muss zuweilen zwischen den Zeilen gelesen werden, um die Mechanismen von Macht und Einfluss im Bundesjustizministerium ans Licht zu bringen.

5 Friedemann Utz, Preuße, Protestant, Pragmatiker. Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, Tübingen 2003.

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Neben den Personalakten des Bundesjustizministeriums stellt der Nachlass von Walter Strauß die wichtigste Quelle dieser Untersuchung dar. Mit insgesamt knapp vierhundert Bänden verwahrt das Archiv des Instituts für Zeitgeschichte in München einen sehr umfangreichen Nachlass. Von besonderem Interesse sind hierbei die BMJ-Jahre und Teile der privaten Korrespondenz, in der sich Äußerungen von Strauß finden, die man in den amtlichen Dokumenten vergeblich sucht. Beispielsweise bemerkte der oberste Beamte in einem privaten Schreiben vom Juni 1956, nicht frei von Ironie, zu seiner eigenen Dienststellung: »Die Arbeit in Bonn ist unendlich viel schwieriger, als sie jemals in Berlin war und der Posten eines Staatssekretärs der unangenehmste und belastendste, den es überhaupt im Staatsdienst gibt. Auch die Schuld dafür, dass ich in eine solche Situation geraten bin, bürde ich Hitler auf.«6 Eine dritte wichtige Gruppe an Quellen bilden die Generalpersonalakten sowie die eigentlichen Sachakten des Justizministeriums. Während Erstere überwiegend noch im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorhanden sind, konnte auf Letztere im Bundesarchiv in Koblenz zurückgegriffen werden. Von besonderem Interesse ist die Frage, welche Vorgänge personalpolitischer Natur überhaupt über den Schreibtisch des Staatssekretärs gingen und welche Vorgänge stattdessen dem zuständigen Personalreferenten der Zentralabteilung bzw. seinem Vorgesetzten, dem Abteilungsleiter Z, überlassen blieben. Im Umgang mit den zahlreichen archivalisch aufbewahrten Dokumenten sind zwei Dinge beachtenswert, die Walter Strauß selbst einmal formuliert hat. Zum einen warnte er den sich in seiner Dissertation mit dem Beamten im Parlament und den diesbezüglichen Einflüssen der Alliierten nach 1945 befassenden Assessor Dieter Blum davor, zu viel hinter den Überlegungen der Akteure jener Zeit zu vermuten.7 Zum anderen machte der Staatssekretär a. D. aus der Perspektive des Jahres 1963 mit Blick auf eine geschichtliche Darstellung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets darauf aufmerksam, dass vieles aus dem Ablauf jener Jahre sich außerhalb der Akten vollzogen haben dürfte. »Die Akten allein«, so Strauß, »geben also, wie ich befürchte, kein vollständiges Bild.«8 Beides gilt grundsätzlich auch für die vorliegende Studie. Monografien über die Personalpolitik im BMJ während der Ära Strauß existierten bisher nicht. Im oben erwähnten Band »Die Akte Rosenburg« wird, als ein Aspekt unter vielen, zumindest die vergangenheitspolitische Dimension der Personalpolitik behandelt. Zudem finden sich dort einige Biografien näher erläutert. Ansonsten musste auf ältere Werke wie die Mitte der achtziger Jahre veröffentlichte Darstellung von Udo Wengst über »Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik

6 Strauß an Lilly Melchior Roberts v. 8.6.1956, in: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZArch), ED 94, Bestand Staatssekretär Dr. Walter Strauß, Bd. 384, Bl. 139 f., Zitat Bl. 139. 7 Strauß an Dieter Blum v. 10.7.1968, in: Ebd., Bd. 362, Bl. 48–54, hier Bl. 48. 8 Strauß an Hermann Pünder v. 19.7.1963, in: Ebd., Bd. 214, Bl. 165 f., Zitat Bl. 165.

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Deutschland« zurückgegriffen werden.9 Dort ist zu lesen, dass sich Staatssekretär Strauß und Minister Thomas Dehler einig gewesen seien, was die Orientierung am Aufbau des Reichsjustizministeriums vor 1933 betraf.10 In personeller Hinsicht sei es jedoch zu gewissen Rivalitäten zwischen Minister und Staatssekretär gekommen. Dabei habe der Vorteil zunächst bei Strauß gelegen, da er das Personal des von ihm geleiteten Rechtsamts der Bizone geschlossen ins Bundesjustizministerium habe transferieren können.11 Bei der Besetzung der Abteilungsleiterposten habe sich aber Dehler durchzusetzen vermocht.12 Wengst geht sogar so weit, zu behaupten, der Minister habe auch im weiteren Verlauf die Personalpolitik im Griff behalten, obwohl Strauß als Leiter der Zentralabteilung für Personalfragen zuständig gewesen sei. Das habe daran gelegen, dass Dehlers Persönlicher Referent Willi Geiger an der Spitze des Personalreferats gestanden habe – was nachweislich unzutreffend ist.13 Mit Kenntnis der Personalakten von Beamten des BMJ war es möglich, die Aussagen von Wengst kritisch zu hinterfragen. Dass Strauß gegenüber Dehler im Hintertreffen war, was den Einfluss auf die Personalpolitik angeht, ist nach den in dieser Studie gewonnenen Erkenntnissen nicht länger haltbar. Im Zentrum der folgenden Analyse steht Walter Strauß, dessen Eigenschaften und Erfahrungen als prägend für seine Personalpolitik angesehen werden können. Das gilt vor allem für die Jahre der Weimarer Republik, in denen der junge Jurist Strauß seine zunächst vielversprechend erscheinende Karriere begonnen hatte. So lernte er während seiner Tätigkeit im Reichswirtschaftsministerium die Funktionsweise einer Ministerialbürokratie aus eigener Anschauung kennen, was ihn entscheidend prägen sollte. Nachdem die klassische Biografie in der Historikerzunft längere Zeit gleichsam verpönt gewesen war, insbesondere während der Hochphase der Strukturgeschichte in den siebziger und achtziger Jahren des zurückliegenden Jahrhunderts, erfreuen sich biografische Darstellungen seit geraumer Zeit wieder größerer Beliebtheit und allgemeiner Akzeptanz.14 9 Udo Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984. 10 Ebd., S. 165. 11 Ebd. 12 Ebd., S. 166. 13 Ebd. Siehe auch den unter I.1 folgenden Abschnitt »Der Persönliche Referent des Ministers: Dr. Willi Geiger«. 14 Ausdruck dieser Entwicklung ist nicht zuletzt die seit 1987 bestehende und halbjährlich erscheinende »BIOS  – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebenslaufanalysen«, in der neben Historikern unter anderem auch Soziologen und Ethnologen publizieren. Entstammt die Biografieforschung ursprünglich den Sozialwissenschaften, wird sie inzwischen aber auch von Historikern betrieben. Auf die grundlegende Problematik des Neben-, Mit- und Gegeneinanders von Zeitgeschichte und Sozialwissenschaften haben Rüdiger Graf und Kim Christian Priemel vor einigen Jahren hingewiesen: Rüdiger Graf / Kim Christian Priemel, Zeitgeschichte in der Welt der Sozialwissenschaften. Legitimität und Originalität einer Disziplin, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), H. 4, S. 479–508.

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Außerdem sollen in dieser Studie die grundlegenden Einstellungen von Strauß, sein Menschen- und Weltbild, immer wieder zur Sprache kommen und in ihrer Bedeutung für das tatsächliche Verhalten des Staatssekretärs bemessen werden. Das Bundesministerium der Justiz, in dem Strauß Personalpolitik zu gestalten vermochte, kann als Institution verstanden werden, die einerseits Bestandteil der Bundesverwaltung ist, andererseits aber eine gewisse Eigenlogik aufweist. Als Reichsjustizamt des Kaiserreiches 1877 gegründet, blickte das Ministerium zum Zeitpunkt seines Neubeginns auf eine lange Geschichte zurück. In den Jahren 1918/19 hatte das Haus schon einmal einen Wechsel der Staatsform durchgemacht und den Übergang zur Demokratie versucht. Das Scheitern dieses Experiments stand Strauß und seinen Zeitgenossen als mahnendes Beispiel vor Augen. Um die Entwicklung der Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz unter dessen Gründungsstaatssekretär nachzuvollziehen, folgt die Studie einem chronologischen Aufbau. Im Mittelpunkt des ersten Kapitels steht die Frage, welchen besonderen Herausforderungen sich die für die Personalpolitik verantwortlichen Akteure in der Phase des personellen Aufbaus stellen mussten. Die Gründung des Ministeriums 1949 und der erste Wechsel im Amt des Bundesjustizministers Ende 1953 bilden Anfang und Ende jener Aufbauphase. Dabei werden auch diejenigen Einrichtungen aus der Besatzungszeit mit einbezogen, aus denen sich das Personal des BMJ anfangs fast ausschließlich rekrutierte: das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets sowie das Zentraljustizamt der britischen Zone. Da Walter Strauß vor seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesjustizministerium Leiter des Rechtsamts gewesen war und im Ministerium nun in Personalunion die Funktion des Abteilungsleiters Z wahrnahm, liegt die Frage nahe, inwiefern sein Einfluss in dieser Phase als besonders groß anzusehen ist. Die sich an die Aufbauzeit anschließende Phase der allgemeinen Konsolidierung und der weiteren personellen Expansion bildet den Untersuchungsgegenstand des zweiten Kapitels. In der Leitung der für Personalfragen zuständigen Abteilung Z wurde Strauß durch den Spätheimkehrer Heinrich Richter, einen alten preußischen Ministerialbeamten, abgelöst. An der Spitze des Hauses standen in der Zeit vom Herbst 1953 bis zum Herbst 1961 nacheinander drei verschiedene Minister: Fritz Neumayer, Hans-Joachim von Merkatz und Fritz Schäffer. Für diesen Zeitraum ist zu fragen, inwiefern sich die personalpolitischen Rahmenbedingungen im Vergleich zur Aufbauphase gewandelt haben. Als zunehmend wichtigeres Element der Personalpolitik im Bonner Justizministerium mussten die Akteure ab Mitte der fünfziger Jahre etwa immer stärker die europäische Ebene berücksichtigen. Mit Blick auf das Ganze wird untersucht, inwiefern sich ein Machtverlust von Staatssekretär Strauß in der Personalpolitik verzeichnen lässt und wer eventuell davon profitierte. Daran anknüpfend wird im dritten Kapitel geklärt, inwiefern sich im Zeitraum von 1961 bis 1963 Ermüdungserscheinungen im »System Strauß« erkennen lassen. Dabei soll nicht zuletzt erläutert werden, welche Bedeutung dem Wechsel in der Leitung der Zentralabteilung von Heinrich Richter zu Kurt Haertel zukommt, der schon vor 1949 unter Walter Strauß gearbeitet hatte. Das Mi-

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nisteramt bekleideten in diesem Zeitraum Wolfgang Stammberger, der im Zuge der Spiegel-Affäre zurücktreten musste, und dessen Nachfolger Ewald Bucher. Während seiner langjährigen Amtszeit war es stets Staatssekretär Strauß, der die personelle Kontinuität im Bundesministerium der Justiz verkörperte. Doch zwei der vier Leiter der Fachabteilungen, die ebenfalls seit 1949/50 amtierten, blieben sogar noch im Amt, als der Staatssekretär das Ministerium verließ, gleichsam der Lotse von Bord ging. Auch Personalreferent Hans Winners war seit 1950 ein ständiger Begleiter von Strauß gewesen. Kurz nach dessen Ausscheiden stieg Winners zum Leiter der Verwaltungsabteilung auf und blieb es bis 1976. In der abschließenden Zusammenfassung werden die Erkenntnisse über die drei geschilderten Phasen gebündelt und einer Bewertung unterzogen, sodass letztlich ein Urteil darüber gefällt werden kann, wie hoch der Einfluss von Strauß auf die Personalpolitik im BMJ einzuschätzen ist und was diese in der Amtszeit des ersten Staatssekretärs wesentlich ausgemacht und bestimmt hat.

I. Staatssekretär Strauß und der personelle Aufbau des BMJ 1949–1953

1. Ein Ministerium konstituiert sich. Die personalpolitischen Anfänge im BMJ Als Walter Strauß im September 1949 seine Amtsgeschäfte als Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz aufnahm, stand er vor der kaum zu überschätzenden Aufgabe, gleichsam aus dem Nichts ein Ministerium zu erschaffen, es personell wie organisatorisch mit aufzubauen und für dessen Aufgaben zu ertüchtigen. Fast genau 15 Jahre nach dem erzwungenen Ende seiner Tätigkeit für das Reichswirtschaftsministerium war es einmal mehr die Ministerialverwaltung, innerhalb derer er Verwendung fand. Anders als zu Weimarer Zeiten, in denen Strauß lediglich Hilfsarbeiter gewesen war, stand er nun als oberster Beamter an der Spitze eines Bundesministeriums. Die dem BMJ bevorstehenden Aufgaben, so wähnte Strauß zu Beginn seiner Tätigkeit, seien derart, dass sie seine Arbeitskraft »auf Jahre hinaus« ausfüllen könnten.1 Für die genannten Aufgaben war der erste Staatssekretär im Bundesjustizministerium gut gerüstet. Von Hause aus Jurist, hatte er als stellvertretender Direktor der Verwaltung für Wirtschaft und dann als Leiter des Rechtsamts in der unmittelbaren Nachkriegszeit Gelegenheit gehabt, Erfahrungen in der Führung von Behörden wie auch im Bereich der Personalpolitik zu sammeln. Insofern verwundert es kaum, dass Strauß nicht nur seine Erfahrungen aus jener Zeit mit ins Ministerium brachte, sondern auch die entsprechenden Kontakte  – und nicht zuletzt viele seiner bisherigen Mitarbeiter. Justizminister Thomas Dehler und Staatssekretär Strauß standen zu Beginn ihrer gemeinsamen Tätigkeit vor der Herausforderung, Personal, das bislang in Einrichtungen der Besatzungszonen tätig gewesen war, ins BMJ zu überführen sowie neue Mitarbeiter – beispielsweise aus den Landesjustizverwaltungen – zu gewinnen und damit einen stabilen, staatstreuen wie effizienten Personalkörper zu bilden. Vor dem Hintergrund ihrer Eigenschaft als Verfolgte des NS -Regimes besaßen Dehler und Strauß ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit, um den demokratischen Neuanfang zu verkörpern und voranzutreiben. Was Strauß betrifft, wurden einleitend bereits die wichtigsten Stichworte in diesem Zusammenhang genannt. Thomas Dehler hatte sich bereits zur Zeit der Weimarer Republik für 1 Strauß an Ernst Wolff v. 30.9.1949, in: Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZArch), ED 94, Bestand Staatssekretär Dr. Walter Strauß, Bd. 223, Bl. 166.

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die liberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) engagiert; jede Sympathie für den Nationalsozialismus war ihm fremd.2 Geboren 1897 im fränkischen Lichtenfels, war er nur drei Jahre älter als Walter Strauß. Er entstammte einer katholischen Familie, war Mitglied in einer Freimaurerloge und mit einer Jüdin verheiratet. Als Rechtsanwalt vertrat Dehler während des Dritten Reiches vor allem auch jüdische Angeklagte. Das alles waren Gründe, weshalb er Diskriminierungen ausgesetzt wurde, die bis zu Hausdurchsuchungen samt Verhör durch die Gestapo reichten. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft legte Dehler einen steilen Aufstieg in (Justiz-)Verwaltungsämtern, im Parlamentarischen Rat und nicht zuletzt in der FDP hin, bis er schließlich zum ersten Bundesminister der Justiz ernannt wurde.3 Wie gestaltete sich nun der Neuanfang auf dem Gebiet der Personalpolitik? Einem Sammelband über Bundeskanzler Adenauer ist es zu verdanken, dass Walter Strauß im Jahr vor seinem Tod einen rückblickenden Aufsatz über die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland verfasst hat.4 Im Abstand von rund 25 Jahren notierte der erste Staatssekretär, was jene Zeit aus seiner Sicht ausgemacht habe. Für den Zweck der vorliegenden Studie war es daher ein ertragreiches Unterfangen, die rück­ blickend dargelegten Aussagen mit der Analyse der tatsächlichen Personalpolitik im BMJ in Beziehung zu setzen. Daneben kommen aber auch die Rahmenbedingungen zur Sprache, die es für die Bundesministerien im Allgemeinen und für das Bundesjustizministerium im Besonderen zu berücksichtigen galt.

1.1 Die Berufung von Strauß zum Staatssekretär Genau genommen hätte Walter Strauß gar nicht Staatssekretär im Bundesjustizministerium werden dürfen – jedenfalls dann nicht, wenn seine grundlegende Skepsis gegenüber parteipolitischen Umtrieben bei den Umständen der eigenen Ernennung zum Tragen gekommen wäre. Dass er Staatssekretär wurde, verdankte Strauß nämlich einem Kompensationsgeschäft zwischen CDU / C SU und FDP während der Regierungsbildung 1949: Die Union war nur dann bereit, den Liberalen die Ministerien für ERP-Fragen, Justiz und Wohnungsbau zu über-

2 Zur Biografie Dehlers siehe Udo Wengst, Thomas Dehler 1897–1967. Eine politische Biographie, München 1997. Vgl. auch den biografischen Abriss bei Manfred Görtemaker / Christoph Safferling, Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS -Zeit, München 2016, S. 86–91. 3 Den Weg von Dehler ins Ministeramt beschreiben anschaulich Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 104–106. 4 Walter Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, in: Dieter Blumenwitz u. a. (Hg.), Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers. Beiträge von Weg- und Zeitgenossen, Stuttgart 1976, S. 275–282.

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lassen, wenn der Leiter des Rechtsamts Dehlers Staatssekretär im BMJ werde.5 Dass Strauß nun als oberster Beamter ins Justizministerium einzog, entsprach auch seinem persönlichen Entschluss, wie er später in seiner Rede zum Abschied von der Rosenburg 1963 zu erkennen gab. Nach Verabschiedung des Grundgesetzes habe er nämlich vor der Wahl gestanden, ob er Bundestagsabgeordneter werden oder als Staatssekretär ins Innen- oder Justizministerium gehen sollte.6 Bei der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag war Strauß, eher unwillig, im Wahlkreis Darmstadt angetreten, hatte aber nur den dritten Platz hinter den Kandidaten der FDP und SPD belegt.7 Darin lag eine gewisse Ironie: Auch wenn er sich gegen das Innenministerium entschieden hatte – oder besser: auch wenn die Regierungsbildung Strauß in das Justizministerium verschlagen hatte  –, war das Innenressort während der ersten Monate in Bonn in genau demselben Gebäude untergebracht wie das Justizministerium, nämlich in einer alten Polizeikaserne in der Rheindorfer Straße. Rückblickend urteilte Strauß, die Tatsache, dass eine Anzahl der neuen Minister und Staatssekretäre aus den bestehenden Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hervorgegangen sei, habe den zügigen Aufbau der Bundesministerien erleichtert.8 Die Vorbereitung des organisatorischen Aufbaus und der Neueinstellungen, so Strauß, habe in erster Linie den Staatssekretären oblegen.9 Heinrich von Spreckelsen, ein Mann der ersten Stunde im BMJ, erinnerte sich später, Dehler habe Strauß mit der Bildung des Justizministeriums beauftragt.10 Im Vorfeld der Errichtung des Bundesjustizministeriums hatte Strauß in Zusammenarbeit mit den Parteifreunden von Brentano, Hermans, Hofmeister und Lehr ein 22-seitiges Dokument mit dem Titel »Gedanken zum Aufbau der Bundesministerien« verfasst.11 Darin kamen grundlegende Auffassungen und Erwartungen des künftigen Staatssekretärs zum Ausdruck, die eben nicht nur das Justizressort, sondern die Bundesministerien im Allgemeinen betrafen. Im Übrigen finden sich darin Ansichten von Strauß, die er, wie noch zu zeigen sein wird, bereits in der Vergangenheit entwickelt hatte und die er auch in der Zeit von 1949 bis 1963 als oberster Beamter im BMJ immer wieder mit Nachdruck vertreten sollte. Ein Beispiel dafür ist die Sparsamkeit hinsichtlich der Plan5 Udo Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984, S. 128 m. Anm. 99. 6 Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 97–121, hier Bl. 100. 7 Friedemann Utz, Preuße, Protestant, Pragmatiker. Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, Tübingen 2003, S. 305 m. Anm. 1 u. 2. 8 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 276. 9 Ebd., S. 278. 10 Heinrich von Spreckelsen, Das Anfangsjahr im Bundesministerium der Justiz, in: Personalrat des BMJ (Hg.), Der Geist der Rosenburg. Erinnerungen an die frühen Jahre des Bundesministeriums der Justiz, Bonn 1991, S. 63–69, hier S. 63. 11 Gedanken zum Aufbau der Bundesministerien, gez. Strauß, Anlage zum Schreiben an v. Brentano, Hermans, Hofmeister, Lehr v. 26.8.1949, in: IfZArch, ED 94, Bd. 70, Bl. 305–326.

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stellen. So bekräftigte Strauß in seiner Denkschrift, der Kern des Ministeriums seien die von Ministerialräten geleiteten Referate. Wie in den folgenden Jahren sprach er sich gegen die Stufe des Regierungsdirektors aus, der zwischen dem Oberregierungsrat und dem Ministerialrat angesiedelt war. Überhaupt sollten Stellen für Oberregierungsräte und die eine Ebene tiefer stehenden Regierungsräte nach Ansicht von Strauß nur in dem Umfang vorhanden sein, der für die Herausbildung des Ministerialnachwuchses und für ständige Hilfsarbeiterstellen notwendig sei. In diesem Kontext empfahl der Leiter des Rechtsamts, den »guten Brauch«, Landesbeamte vorübergehend als Hilfsarbeiter in die Bundesministerien einzuberufen, in verstärktem Maße wieder aufzunehmen.12 Das biete zugleich den Vorteil, dem vermehrten Arbeitsbedarf in der Übergangsphase zu begegnen und keine unnötigen Planstellen zu schaffen. Hinsichtlich der Gliederung der Ministerien warnte Strauß davor, Unterabteilungen zu errichten, sofern kein Bedarf vorliege. Ferner sprach er sich gegen die Einrichtung selbstständiger Verwaltungsabteilungen aus, die in den Reichsministerien vor 1933 nicht üblich gewesen seien. Insgesamt bezog sich Strauß häufig auf die bisherige Tradition, um seine Auffassungen zu legitimieren. So lehnte er politische Staatssekretäre ab und plädierte stattdessen dafür, den im Reich und in Preußen bewährten Brauch beizubehalten, die Staatssekretäre nicht nur als Verwaltungsspitze, sondern auch als Stellvertreter der Minister im Fall von deren Verhinderung anzusehen. In den Augen von Walter Strauß sollten die zu bildenden Ministerien kompakte Einheiten, und keine überdimensionierten Apparate sein. Die Arbeitsintensität und die innere Geschlossenheit des Stabes eines Ministeriums werde »umso größer sein, je geringer die Zahl der Mitarbeiter« sei.13 Auch der in seiner Fruchtbarkeit »vielfach unterschätzte Gedankenaustausch der Mitarbeiter eines Ministeriums untereinander« werde jenseits eines gewissen Umfanges eines Ministeriums nicht mehr stattfinden können.14 Im kurzen Abschnitt über das künftige Bundesjustizministerium meinte Strauß, man solle erwägen, das Verkündigungswesen des Bundes – also die mit der Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen zusammenhängenden Fragen – dem BMJ zu übertragen; im Rechtsamt habe sich das bewährt. Als Leiter des für Rechtsfragen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zuständigen Amts verwies Strauß darauf, dass der »eingespielte Apparat des Rechtsamts« zur Verfügung stehe, ohne dass es organisatorischer Änderungen bedürfe.15 Eine wichtige Rahmenbedingung war es denn auch, dass die nach wie vor existierenden zonalen Einrichtungen laut Artikel 130 GG der Bundesregierung unterstanden, der damit in den entsprechenden Einrichtungen »sofort [ein] einsatzfähiger Ap-

12 Ebd., Bl. 308. 13 Ebd., Bl. 310. 14 Ebd. 15 Ebd., Bl. 318.

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parat« zur Verfügung gestanden habe, wie Strauß im Rückblick bemerkte.16 Dem Bundesminister der Justiz unterstanden als wichtigste Institutionen der Besatzungszonen das Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets in Frankfurt am Main und das Zentraljustizamt der britischen Zone (ZJA) in Hamburg. Insofern lag es nahe, dass sich das Personal des BMJ  – zumindest während der Anfangsphase  – hauptsächlich aus diesen beiden Einrichtungen rekrutierte. Da die Zuständigkeiten der Bundesregierung im Allgemeinen und des Justizministeriums im Besonderen sehr viel weiter reichten als die Kompetenzen der zonalen Vorgängerinstitutionen, musste zusätzlich neues Personal gewonnen werden. Dazu bemerkte Strauß rückblickend, er entsinne sich nicht, dass für die notwendig gewordenen Neueinstellungen »gemeinsame Direktiven« erlassen worden seien, auch das Bundeskanzleramt habe keinen Einfluss vorgenommen. Daher sei es »wesentlich auf die Persönlichkeit und die Erfahrungen der Minister und der ihnen für die Personalpolitik verantwortlichen Staatssekretäre« angekommen.17

1.2 Zur personalpolitischen Vorprägung von Strauß Während Walter Strauß für die Zeit vor 1945 eher als ein Objekt der Personalpolitik anzusehen ist, kam er nach dem Ende des Krieges in Positionen, in denen er aktiv Personalpolitik gestalten konnte. Beides erscheint wichtig, um die Personalpolitik des Staatssekretärs Strauß zu verstehen. Als Mitglied des Parlamentarischen Rates wurden darüber hinaus seine grundlegenden beamtenrechtlichen Vorstellungen sichtbar. a)

Die Zeit vor 1945

Nach seiner Ernennung zum Gerichtsassessor war Strauß nur kurzzeitig als Richter an verschiedenen Berliner Gerichten tätig gewesen, ehe er am 1. Mai 1928 eine widerrufliche kommissarische Beschäftigung im Reichswirtschaftsministerium antrat. Damit wechselte er von der Landes- auf die Reichsebene. Der junge Jurist hatte sich jedoch nicht darum beworben. Vielmehr hatte der Reichswirtschaftsminister zwei Wochen zuvor an den preußischen Justizminister geschrieben, die »Geschäftslage« mache die sofortige Einberufung eines Gerichtsassessors erforderlich.18 Wie genau man auf Strauß gekommen war, ist unklar. Denkbar erscheint, dass seine von 1924 bis 1926 neben der Ausbildung 16 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 277. 17 Ebd., S. 277 f. 18 Der Reichswirtschaftsminister an den Preußischen Justizminister v. 13.4.1928, in: BMJ Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 4.

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ausgeübte Tätigkeit als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der Industrie- und Handelskammer Berlin bekannt war. Im Wirtschaftsressort wurde Strauß der von Ministerialdirektor Hans Schäffer geleiteten Abteilung I zugewiesen. Dort fand er im Kartellreferat, das von Dr. Paul Josten geleitet wurde, Verwendung. Jahre später erklärte Josten, seine Bemühungen, Strauß in eine planmäßige Regierungsratsstelle beim Reichswirtschaftsministerium oder in eine Richterstelle beim damaligen Kartellgericht  – dem Reichswirtschaftsgericht  – und gleichzeitiger Tätigkeit im Ministerium, einweisen zu lassen, seien lediglich am Mangel an freien Stellen und später an der im Zuge der Spar- und Krisenmaßnahmen der Jahre 1931/32 verhängten Einstellungssperre bei Eingangsstellen gescheitert.19 Während seiner Zeit im Reichswirtschaftsministerium spezialisierte sich Strauß zum Wirtschaftsjuristen, der beispielsweise zwei Verordnungen entwarf und daneben noch etliche Artikel für eine Fachzeitschrift sowie für ein Handwörterbuch verfasste.20 In der Rückschau betrachtete Strauß die Jahre im Wirtschaftsressort als nachhaltig prägend: »Wir seinerzeit jungen Leute des Reichswirtschaftsministeriums sind – und wir sprechen noch jetzt darüber, wenn wir einander begegnen – von unserer damaligen Tätigkeit und der sie umgebenden Atmosphäre wesentlich für unser weiteres Leben geprägt worden.«21 Darauf wird im weiteren Verlauf immer wieder zurückzukommen sein. Im Reichswirtschaftsministerium wurde die Arbeit des jungen Juristen Strauß sehr geschätzt. In einem von Staatssekretär Ernst Trendelenburg gezeichneten Schreiben vom Juli 1931 wurden Strauß und ein weiterer Gerichtsassessor als »außerordentlich tüchtige Beamte« gekennzeichnet und ihre Ernennung zu ständigen Hilfsarbeitern der Justizverwaltung nahegelegt.22 In seiner Antwort ging das Preußische Justizministerium nicht über die Formulierung hinaus, »bei sich bietender Gelegenheit [zu] prüfen«, ob Strauß für die Ernennung zum Amtsund Landrichter in Aussicht genommen werden könne.23 Anfang Dezember 1932 startete das Reichswirtschaftsministerium erneut den Versuch, die Beförderung von Strauß zum Amtsgerichtsrat zu erwirken.24 Doch auch dieses Mal blieb der Erfolg aus. An den Preußischen Justizminister gerichtet, betonte der Kammergerichtspräsident, Strauß sei nur etwa ein halbes Jahr bei Gericht tätig gewesen und angesichts seiner Beschäftigung im Reichswirtschaftsministerium

19 Erklärung von MD a. D. Paul Josten v. 16.7.1952, in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Bl. 51 f. 20 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 25–32. 21 Strauß an Hans Schäffer v. 6.4.1966, in: IfZArch, ED 94, Bd. 365, Bl. 105 f., Zitat Bl. 106. 22 Abschrift eines Schreibens des Reichswirtschaftsministers an den Preußischen Justizminister v. 25.7.1931, in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 19. 23 Abschrift eines Schreibens des Preußischen Justizministers an den Reichswirtschaftsminister v. 7.8.1931, in: Ebd., Bl. 18. 24 Der Reichswirtschaftsminister an den Preußischen Justizminister v. 2.12.1932, in: Ebd., Bl. 34.

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seit viereinhalb Jahren dem praktischen richterlichen Dienst entzogen. Daher könne »wenigstens im gegenwärtigen Zeitpunkte« eine planmäßige Anstellung von Strauß nicht befürwortet werden, da es eine große Anzahl von Gerichtsassessoren mit gleichen oder günstigeren Prüfungsergebnissen gebe, die seit langer Zeit ununterbrochen bei Gericht tätig seien und sich in zahlreichen Aufträgen als Hilfsrichter bewährt hätten.25 In der Rückschau auf diese Zeit machte Strauß geltend, trotz dauernder Anträge des Reichswirtschaftsministeriums von der preußischen Justizverwaltung mit der ausdrücklichen Begründung nicht außer der Reihe befördert worden zu sein, dass er keiner der Koalitionsparteien angehöre.26 Auch wenn es dafür keine schriftlichen Belege gibt, fest steht: Zum Jahresende 1932 hin wurde es immer deutlicher, dass Strauß »in absehbarer Zeit wohl kaum« mit einer Planstelle in Berlin rechnen konnte.27 Das Jahr 1933 brachte Strauß das Ende seiner Beschäftigung im Reichswirtschaftsministerium ein. Anfang März – nur wenige Wochen, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren – hieß es in einem Schreiben des Ministeriums an den Kommissar des Reichs für das Preußische Justizministerium, eine Beurlaubung von Strauß über Ende April komme nicht in Betracht, da er zu diesem Termin in die Justizverwaltung zurücktreten wolle und »bei den neuerdings in Aussicht genommenen organisatorischen Änderungen« eine Verwendungsmöglichkeit für ihn nach dem 30. April 1933 nicht mehr bestehe.28 Mit Schreiben vom 12. April wurde Strauß dann seitens des Wirtschaftsressorts mitgeteilt, dass er bis zu seinem Ausscheiden beurlaubt sei. Damit verbunden war aber auch eine Würdigung seiner bisherigen Tätigkeit: »Für die dem Reichswirtschaftsministerium fünf Jahre hindurch geleisteten ausgezeichneten Dienste spreche ich Ihnen meinen Dank und meine volle Anerkennung aus.«29 Die menschliche Verbundenheit von Strauß zu Vorgesetzten und Kollegen überdauerte die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Reichswirtschaftsministerium. Wie er viele Jahre später in einem persönlichen Schreiben an den Ministerial­ direktor im Bundesministerium für Wirtschaft Dr. Franz Walter mit Blick auf die Zeit nach 1933 berichtete, pflegten sich eine Reihe von Angehörigen des Reichswirtschaftsministeriums, »die alle entschiedene Gegner des damaligen Regimes waren, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen beim Mittagessen in Berliner Gastwirtschaften zu treffen. Ich habe sehr häufig an diesen

25 Der Kammergerichtspräsident an den Preußischen Justizminister v. 12.12.1932 betr. GAss Dr. Walter Strauß, in: Ebd., Bl. 35. 26 Strauß an Dr. Walter Roegner v. 12.6.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 384, Bl. 147. 27 Schreiben an den Reichswirtschaftsminister betr. den GAss Dr. Walter Strauß (Entwurf) v. 20.12.1932. Auf das Schreiben v. 2.12.1932, in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 37. 28 Der Reichswirtschaftsminister an den Kommissar des Reichs für das Preußische Justizministerium v. 8.3.1933, in: Ebd., Bl. 38. 29 Der Reichswirtschaftsminister an Gerichtsassessor Strauß v. 12.4.1933, in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Bl. 49.

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Treffen teilgenommen und blieb daher über die Vorgänge im RWM auf dem Laufenden.«30 Während im Preußischen Justizministerium noch im Juli 1933 keine Bedenken gegenüber einem Verbleib von Strauß im Justizdienst bestanden hatten,31 ersuchte das Ministerium den Kammergerichtspräsidenten im März 1934, neun namentlich genannten Gerichtsassessoren – darunter auch Walter Strauß – mitzuteilen, dass sie nicht mit einer Anstellung im Justizdienst rechnen könnten.32 In der Konsequenz erhielt Strauß am 20. September 1934 die Mitteilung, dass es nach § 6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums geplant sei, ihn »im Interesse des Dienstes« in den Ruhestand zu versetzen.33 Gleichzeitig wurde Strauß die Gelegenheit gewährt, sich binnen drei Tagen dazu zu äußern. Ob er davon Gebrauch gemacht hat, ist nicht überliefert. Der sechste Paragraf des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums bestimmte, dass zur Vereinfachung der Verwaltung Beamte in den Ruhestand versetzt werden konnten, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig waren.34 Dass Strauß nicht über den Arierparagrafen (§ 3) aus dem Dienst entfernt wurde – was aufgrund seiner jüdischen Abstammung ohne Weiteres möglich gewesen wäre –, hatte er nur dem Umstand zu verdanken, dass er als Teilnehmer an der Niederschlagung des Spartakusaufstandes vom Januar 1919 gemäß der Dritten Durchführungsverordnung des genannten Gesetzes von der Anwendung des Arierparagrafen befreit war. Das endgültige Karriereende von Strauß in der NS -Zeit besiegelte das von Justizstaatssekretär Roland Freisler unterzeichnete Schreiben vom 10. November 1934, in dem es lapidar hieß, dass Strauß zum 1. März 1935 in den Ruhestand versetzt sei und ihm Versorgungsbezüge nicht zustünden.35 Damit hatte Walter Strauß die willkürliche nationalsozialistische Personalpolitik am eigenen Leibe erfahren müssen. Die folgenden zehn Jahre blieb ihm der Zugang zum öffentlichen Dienst verwehrt. Stattdessen betätigte sich Strauß als Wirtschaftsberater und juristischer Hilfsarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei, ehe er sich der Auswandererhilfe zuwandte. Als Leiter der Passage­ abteilung im Reisebüro Atlantic-Express GmbH befasste er sich mit der »Wer-

30 Strauß an Dr. Franz Walter v. 13.7.1957 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 386, Bl. 2 f., Zitat Bl. 2. 31 Auszugsweise Abschrift aus II c 2844 a. Der Preußische Justizminister an den Kammergerichtspräsidenten v. 27.7.1933, gez. Dr. Nadler, in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11 – St 2), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 40. 32 Der Preußische Justizminister an den Kammergerichtspräsidenten v. 13.3.1934, gez. Dr. Nadler (Durchschlag), in: Ebd., Bl. 41. 33 Der Preußische Justizminister an GAss Walter Strauß in Berlin-Wannsee, Stölpchenweg 11 v. 20.9.1934, gez. Dr. Nadler (Durchschlag), in: Ebd., Bl. 42. 34 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 175). 35 Der Reichs- und Preußische Justizminister an sieben GAss v. 10.11.1934, u. a. an Strauß (Durchschlag), in: BMJ -Personalakte Walter Strauß (P 11  – St 2), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 43.

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bung und Zuführung von nichtarischen Auswanderern«.36 Dabei war Strauß jedoch in gewisser Weise von den staatlichen Stellen abhängig – zeitweise besaß er eine vom Reichsministerium des Innern ausgestellte Sondergenehmigung.37 Im Innenministerium des Dritten Reiches war Ministerialrat Dr. Hans Globke nicht nur für Namensänderungen und Personenstandsfragen, sondern auch für Ein- und Auswanderungen sowie allgemeine Rassefragen zuständig. Insofern sorgte Globke direkt oder indirekt für eine Rückendeckung von Strauß. Darüber hinaus erscheint es denkbar, dass der Referatsleiter im Reichsinnenministerium dem 1939 zum evangelischen Glauben übergetretenen Juden bei dessen »Arisierung« behilflich war.38 Umgekehrt nahm Strauß später Globke stets in Schutz, wenn es um dessen problematische Rolle im Nationalsozialismus ging.39 Dabei stellte Strauß immer wieder heraus, das aus eigener Erfahrung sagen zu können. Überhaupt ist es bemerkenswert, dass der ehemalige Hilfsarbeiter des Reichswirtschaftsministeriums gut darüber informiert blieb, was sich in der Berliner Ministerialbürokratie tat und auch persönlichen Kontakt zu manchen Beamten pflegte. Einige setzten sich auch für den Verfolgten ein. Trotz seiner Taufe blieb Strauß nach nationalsozialistischer Lesart ein Jude. Bei den Anfeindungen und Gefahren erwies sich der gute Draht, den Strauß zur lokalen Polizei in Wannsee hatte, als vorteilhaft, denn vor bevorstehenden Durchsuchungen, einer Verhaftung durch die Gestapo sowie bei Denunziationen aus der Nachbarschaft wurde Strauß gewarnt.40 Die menschlichen Erfahrungen, die Strauß in dieser Zeit sammelte, bewahrten ihn davor, Personen, die Mitglied der NSDAP waren, von vornherein eine nationalsozialistische Gesinnung zu unterstellen. Diese differenzierende Sichtweise behielt Strauß auch nach 1945 bei – sie sollte insbesondere für seine Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz charakteristisch werden. b)

Die Zeit nach 1945

Nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus übernahm das Ehepaar Strauß den Aufbau und Betrieb eines Lazaretts in Berlin-Wannsee. Bis Mitte 1946 betätigte sich Walter Strauß als Verwaltungsdirektor des daraus hervorgegangenen Krankenhauses. Eine unmittelbare Tätigkeit bei der Berliner Stadtverwaltung, dem Magistrat, lehnte er ab – davor habe ihn ein »guter Genius« 36 Bescheinigung des Reisebüros der Hamburg-Amerika Linie GmbH, Berlin W8, im Privatbesitz der Familie Strauß, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 37 m. Anm. 18. 37 Strauß an Egbert Munzer v. 17.3.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 364. 38 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 94 m. Anm. 48. 39 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Der Einfluss von Globke und dem Kanzleramt«. 40 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 44 m. Anm. 60.

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bewahrt, wie er rückblickend festhielt.41 Allerdings entschied sich Strauß nach einigem Ringen dafür, sich parteipolitisch zu betätigen. Wenn er den Zusammenbruch im Westen erlebt hätte, so meinte Strauß drei Jahre später zu diesem Entschluss, wäre er wohl nie einer Partei beigetreten; im Osten sei es jedoch die einzige Form, in der man »aktiv der Gefahr eines neuen totalen Staates abwehrend begegnen« könne.42 Darüber hinaus wollte er nach eigener Auskunft den von ihm selbst und ähnlich Gesinnten begangenen Fehler aus Weimarer Zeiten vermeiden, der darin bestanden habe, sich nicht mit dem Sumpf der Parteipolitik befassen zu wollen.43 Durch den damaligen Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Dr. Ferdinand Friedensburg, der kurze Zeit später zum Präsidenten der Deutschen Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie in der sowjetischen Besatzungszone ernannt wurde, kam er zur CDU.44 Die beiden teilten nicht zuletzt das Schicksal, von den Nationalsozialisten aus dem Staatsdienst entfernt worden zu sein. Durch sein frühzeitiges Engagement und den Beitritt vom 29. Juli 1945 konnte Strauß als ein Mitbegründer der ChristlichDemokratischen Union in Berlin gelten. Von Friedensburg mit der Gründung einer Ortsgruppe Wannsee beauftragt, wurde Strauß im September 1945 zu deren Vorsitzendem gewählt. Zudem wirkte er als Delegierter in mehreren Ausschüssen des Bezirksverbands Zehlendorf und auch im sogenannten Einheitsausschuss der antifaschistischen demokratischen Parteien bei der Unterbezirksleitung VIII mit. Seine Entscheidung für den Gang in die Politik vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass er zeitlebens für ein unpolitisches Beamtentum eintrat; die parteiorientierte Personalpolitik der SPD im republikanischen Preußen verurteilte er denn auch entschieden.45 Seinem karitativ-verwaltungstechnischen und parteipolitischen Engagement in Berlin zum Trotz verließ Strauß im Juni 1946 die deutsche Hauptstadt, und zwar endgültig. Wie er später berichtete, hatte er diesen Entschluss schon während des Nationalsozialismus gefasst – für den Fall des eigenen Überlebens.46 Im Ergebnis einer mehrwöchigen, von Anfang Mai bis Anfang Juni 1946 währenden Reise nach Wiesbaden, Stuttgart, Heidelberg und Frankfurt am Main hatte sich Walter Strauß bereiterklärt, in die hessische Regierung einzutreten. Ministerpräsident Karl Geiler war von Rudolf Mueller, einem Studienfreund von Strauß, auf denselben hingewiesen worden.47 Mit Mueller und Franz Böhm, einem ehemaligen Kollegen von Strauß aus dem Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums, gehörten zwei Freunde ebenso dem hessischen Kabinett an. Der zum Staatssekretär im Angestelltenverhältnis berufene Walter Strauß wurde 41 42 43 44 45 46 47

Strauß an Egbert Munzer v. 17.4.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 364. Strauß an Anna Maria Voss v. 6.8.1948, in: Ebd., Bd. 366. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 57 m. Anm. 30. Zu den Hintergründen vgl. ebd., S. 64 m. Anm. 51. Ebd., S. 56 f. m. Anm. 29. Ebd., S. 67 m. Anm. 59. Ebd., S. 68 m. Anm. 5 u. S. 69 m. Anm. 7.

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am 19. Juni 1946 zum Hessischen Vertreter im Direktorium des Länderrats ernannt.48 Fortan pendelte er zwischen der hessischen Hauptstadt Wiesbaden und dem Sitz des Länderrats Stuttgart. Ein personalpolitisches Zeichen setzte Strauß, indem er seinen ehemaligen Vorgesetzten aus dem Reichswirtschaftsministerium, Paul Josten, als Beauftragten für Preisbildung und Preisüberwachung zum Länderrat holte.49 Für seinen ehemaligen Referatsleiter hatte sich Strauß bereits kurz nach Kriegsende eingesetzt, als Josten in Hamburg von den Briten inhaftiert war. In einem Schreiben an die britischen Behörden vom Juli 1945 betonte Strauß mit Blick auf sein eigenes Ergehen während des Nationalsozialismus: »Er war tief besorgt um mein Schicksal und tat alles, was er konnte, um mir beruflich zu helfen, ohne dass ich ihn je darum gebeten hätte.«50 Die Verwaltung für Wirtschaft (VfW) Nach der am 1. Januar 1947 erfolgten Vereinigung von amerikanischer und britischer Besatzungzone zur sogenannten Bizone wurden Verwaltungsstrukturen geschaffen, die sich jedoch rasch wandelten. An die Stelle der zunächst gebildeten Verwaltungsräte und -ämter trat bald eine neue Konstruktion aus Wirtschaftsrat, Exekutivrat und Direktoren.51 Im Wirtschaftsrat, der gleichsam das Parlament der reformierten Bizone darstellte und dessen Mitglieder durch die acht Landtage bestimmt wurden, verfügten die bürgerlichen Parteien über eine knappe Mehrheit. Anders stellte sich die Situation im Exekutivrat dar, der aus von den Länderregierungen bestellten Vertretern bestand und Regierungsfunktionen besaß, denn dort waren die Sozialdemokraten eindeutig in der Überzahl. Problematisch war diese Konstruktion nicht zuletzt deshalb, weil es die Aufgabe des Exekutivrats war, dem Wirtschaftsrat Vorschläge für die Besetzung der Direktorenposten der einzelnen Verwaltungen zu unterbreiten  – bei den 48 Zur Entstehung und zu den Aufgaben des Länderrats siehe Walter Strauß, Vorwort. Der Länderrat und seine Bedeutung während des Interregnums 1945–1949, in: Lia Härtel, Der Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes, hg. i. A. der Ministerpräsidenten von Bayern, Hessen, Württemberg-Baden und des Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt Bremen vom Direktorium des Länderrats, Stuttgart 1951, S. VII –XXV. Siehe auch Tilman Pünder, Das bizonale Interregnum. Die Geschichte des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1946–1949. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ludwig Erhard und einer Einführung von Dr. Hermann Pünder, Waiblingen 1966, S. 40–43. 49 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 75 m. Anm. 42, in der der Autor auf den im Bestand des IfZArchs (Bd. 364) befindlichen Durchschlag eines Schreibens an Egbert Munzer vom 17.4.1947 verweist. 50 Durchschlag eines Schreibens von Strauß an »British Authorities« v. 22.7.1945, in: ­IfZArch, ED 94, Bd. 366, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 75 m. Anm. 44. Das vom Verfasser aus dem Englischen übersetzte Zitat hat folgenden Wortlaut: »He was deeply concerned about my fate and did all he could to help me professionally without my ever asking him to do so.« 51 Für einen prägnanten Überblick siehe Manfred Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 132.

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verschiedenen Mehrheiten in beiden Organen kein leichtes Unterfangen. Vor diesem Hintergrund ist der Streit um die erstmalige Besetzung der Direktorenposten im Sommer 1947 zu sehen. Entzündet hatte sich die Auseinandersetzung zwischen CDU / C SU und SPD an der Position des Direktors der Verwaltung für Wirtschaft, für die der Exekutivrat den sozialdemokratischen Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Alfred Kubel, vorgesehen hatte. Die Vertreter der Christdemokraten und -sozialen im Wirtschaftsrat widersetzten sich diesem Personalvorschlag, da die SPD in den Ländern der Bizone bereits sämtliche Wirtschaftsminister stellte. Nachdem Gespräche zwischen beiden Seiten keine Einigung bewirkt hatten, entschied sich die SPD für den Gang in die Opposition. Damit konnte die Union die fünf Direktorenposten nach ihren eigenen Vorstellungen besetzen. Doch zwei Gewählte nahmen die Wahl nicht an, unter ihnen der designierte Direktor der Verwaltung für Verkehr Eugen Fischer. An seiner Statt wollte die Union Walter Strauß für den Posten nominieren, doch dieser lehnte ab, »da die Notlage der Zeit ein Zusammengehen der beiden großen Parteien erfordere«.52 Wie es seinem auf Ausgleich gerichteten Wesen entsprach, wollte er lieber auf den in Aussicht stehenden Posten verzichten als zu einem Symbol des parteipolitischen Gegeneinanders bei der Direktorenwahl werden. Wenige Tage später erhielt Strauß einen Brief des frisch gekürten Direktors der Verwaltung für Wirtschaft Dr. Johannes Semler (CSU), in welchem dieser dem hessischen Staatssekretär das Angebot unterbreitete, als sein Stellvertreter zur Wirtschaftsverwaltung überzuwechseln.53 Auch die Unionsfraktion im Wirt­schaftsrat hatte entsprechende Pläne gehegt.54 Allerdings hatte man den Sozialdemokraten zwischenzeitlich vorgeschlagen, dass sie die beiden freien Direktorenposten und zusätzlich die Stellvertretung in der Verwaltung für Wirtschaft übernehmen könnten, was aber abgelehnt wurde.55 Durch die Anfrage Semlers stand Strauß vor der Entscheidung, ob er nach der Zurückweisung des Direktorenpostens der Verkehrsverwaltung nun doch in die bizonale Verwaltung eintreten sollte. Letztlich ließ er sich »dazu breitschlagen«, wie er in einem Privatbrief eingestand. Als schwierig kennzeichnete Strauß in diesem Zusammenhang die vor ihm liegende Aufgabe, eine »vollständig neue Verwaltung aufzuziehen«, was angesichts der gegenwärten Personallage eine »Sisyphusarbeit, die außerdem menschlich sehr unangenehm ist«, sei.56 Von Hessen beurlaubt, trat Strauß sein neues Amt am 1. Oktober 1947 an. Bereits einige Wochen zuvor hatte der designierte stellvertretende Direktor eine Denkschrift verfasst, in der er die Aufgaben und Probleme der bizonalen

52 Pünder, Das bizonale Interregnum, S. 115 m. Anm. 351, in der sich der Verfasser auf eine Auskunft von Strauß ihm gegenüber bezieht. 53 Dr. Johannes Semler an Strauß v. 26.7.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 57. 54 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 95 f. m. Anm. 11. 55 Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 134. 56 Strauß an Egbert Munzer v. 31.8.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 364.

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Wirtschaftsverwaltung skizzierte.57 Vor allem in personalpolitischer Hinsicht ist die Denkschrift äußert aufschlussreich, werden hier doch bereits Positionen sichtbar, die er später als Staatssekretär im Bundesjustizministerium vertreten sollte. So forderte Strauß, die zu schaffende Verwaltung für Wirtschaft müsse »unabhängig von dem politisch bedingten Wechsel ihrer Leiter einen dauernd bestehenden Apparat hochqualifizierter Kräfte« darstellen.58 Da Personen mit Befähigung für einen Ministerialdienst zu allen Zeiten in nur relativ beschränkten Maße zur Verfügung ständen, erscheine es sinnvoll, den Apparat klein zu halten. Hinzu komme »das Problem der Überalterung der Verwaltungen infolge der überdurchschnittlichen Verluste jüngerer Jahrgänge durch Kriegstod, Nazimord, Emigration und  – Denazifizierung«.59 Für die Personalpolitik in der Bizone sei es von überragender Bedeutung, dass die Entnazifizierungsgrundsätze »gleichförmig« seien.60 Überhaupt müsse »ein neuer Geist« in die Verwaltung einziehen: Die »in der Ministerialinstanz zur Mitarbeit berufenen Personen« dürften ihre Tätigkeit nicht nur als Versorgung ansehen, sondern »im alten Sinne als einen sie auszeichnenden Dienst an der Allgemeinheit.«61 Dabei stehe stets die Sache im Vordergrund. So dürften die Verwaltungen zwar, wenn sie nicht scheitern wollten, den »machtmäßigen Einfluß parteipolitischer Kräfte nicht außer acht lassen«, müssten aber »unabhängig von parteipolitischen Weltanschauungen« den Blick auf das Notwendige richten.62 Eine Linie zur Vergangenheit zog Strauß, indem er forderte, die Fehler der Personalpolitik, die das Zentrum und die SPD zwischen 1918 und 1933 gemacht hätten und die aus der Behandlung von Angehörigen dieser Parteien vor 1918 erklärlich gewesen seien, künftig »unter allen Umständen« zu vermeiden.63 Allein die »sachliche Qualifikation« dürfe entscheiden.64 Auf den Punkt gebracht, bekräftigte der stellvertretende Direktor in spe, Parteipolitik müsse aufhören, Personalpolitik zu sein.65 Ergänzend bemerkte er, besonders zu pflegen seien die Heranbildung des Nachwuchses und die berufliche Fortbildung aller Gruppen des Personals – auch 57 Gedanken über die Aufgaben und Möglichkeiten der Zweizonen-Wirtschaftsverwaltung. Vervielfältigte Durchschrift v. 12.8.1947. Abgedruckt [als Dokument Nr. 5 unter »Quellen zu lfd. Nr. 24: Verwaltungsamt / Verwaltung für Wirtschaft« und] unter der Überschrift »Denkschrift des hessischen Staatssekretärs Dr. Walter Strauß vom 12.8.1947 über die allgemeine Entwicklung seit der Kapitulation sowie über Organisation und Aufgaben der bizonalen Wirtschaftsverwaltung« bei Walter Vogel, Westdeutschland 1945–1950. Der Aufbau von Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen über den Ländern der drei westlichen Besatzungszonen. Teil II – Einzelne Verwaltungszweige: Wirtschaft, Marshallplan, Statistik, Boppard a. Rh. 1964, S. 397–411. 58 Ebd., S. 403. 59 Ebd., S. 400. 60 Ebd., S. 404. 61 Ebd., S. 406. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 410. 64 Ebd. 65 Ebd., S. 411.

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das eine Parallele zu seiner späteren Tätigkeit als Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz.66 Eine der Hauptaufgaben für Strauß als stellvertretender Direktor der Verwaltung für Wirtschaft bestand darin, das bisherige Verwaltungsamt für Wirtschaft in Minden, welches im Zentralamt für Wirtschaft der britischen Zone seinerseits einen Vorläufer hatte, neu zu strukturieren und nach Frankfurt am Main zu überführen. In diesem Zuge arbeitete Strauß die Geschäftsordnung, die Registraturordnung sowie den Aktenplan der VfW aus und gliederte die Abteilungen neu, sodass das Amt nun eher dem Reichswirtschaftsministerium als dem Zentralamt für Wirtschaft ähnelte.67 Vor dem Hintergrund seiner einstigen Beschäftigung in jenem Reichsministerium konnte das kaum verwundern. In seiner Antrittsrede vor dem Personal der Verwaltung für Wirtschaft am 17. Oktober 1947 erläuterte Walter Strauß in Vertretung Semlers die Grundzüge seiner personalpolitischen Vorstellungen.68 Ähnlich wie in seiner Denkschrift vom 12. August ging er dabei von einem Mangel an geeignetem Personal aus: Durch »zwei Kriege, einen Nationalsozialismus und auch durch umfangreiche Emigration bei den für diese Arbeit in Frage kommenden Personen« sei die Zahl derjenigen vorgebildeten Menschen sehr verringert worden, die für eine Tätigkeit auf zentraler Ebene in Betracht kämen.69 Die zukünftige Entwicklung vorwegnehmend, prognostizierte Strauß, dass die nun beginnende Arbeit »– wenn nicht alle Anzeichen trügen – der Beginn einer bundesministeriellen Tätigkeit« sein werde.70 Bei der Auswahl der dafür in Frage kommenden Personen müssten in sachlicher Hinsicht andere Gesichtspunkte als bisher berücksichtigt werden. Was das im Einzelnen bedeutete, führte der stellvertretende Direktor zwar nicht näher aus, deutete aber an, dass beispielsweise aus der Kriegsgefangenschaft entlassene Personen mit besonderer sachlicher Eignung herangezogen werden sollten. Später, als Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, sollte er etwa den Spätheimkehrer und früheren Ministerialbeamten Heinrich Richter zum Leiter der Verwaltungsabteilung machen.71 Mit Blick auf das Arbeitsklima stellte Strauß seinen Untergebenen gegenüber unmissverständlich klar, er werde »– wenn ich mich erst einmal davon überzeugt habe, daß einer meiner Mitarbeiter in Ordnung ist – diesen dann auch rücksichtslos gegen Angriffe in der Öffentlichkeit decken«.72 Damit wollte er nicht zuletzt das Vertrauen in die Leitung der VfW stärken.

66 Ebd. 67 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 100 m. Anm. 30 u. 31. 68 Betriebsversammlung in Melitta am 17.10.1947 (Abschrift), in: IfZArch, ED 94, Bd. 57, Bl. 104–109. 69 Ebd., Bl. 105. 70 Ebd. 71 Zu Richter siehe den unter II .2 folgenden Abschnitt »Dr. Heinrich Richter«. 72 Betriebsversammlung in Melitta am 17.10.1947 (Abschrift), in: IfZArch, ED 94, Bd. 57, Bl. 106.

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Weiterhin sprach sich Strauß in seiner Antrittsrede strikt gegen eine parteipolitisch orientierte Personalpolitik aus. Von seinen Mitarbeitern verlangte er vielmehr, dass sich ein jeder mit dem Amt identifiziere und sich in das Ganze einordne. Zu seinen Prioritäten meinte Strauß, er lege »entscheidendes Gewicht auf das Menschliche, den Charakter und die Kameradschaft.«73 Gleichzeitig brachte der stellvertretende Direktor seine Erwartung zum Ausdruck, dass jeder Mitarbeiter, »unbeschadet seiner parteipolitischen Betätigung als Staatsbürger«, in seiner Eigenschaft als Beamter »die guten Traditionen des preußischen Beamtentums« einhalten und sich ausschließlich für das Amt verwenden werde.74 Dieser Auffassung blieb Strauß treu. Noch drei Jahrzehnte später betonte er in seinem Aufsatz über die Personalpolitik der Bundesministerien nach Gründung der Bundesrepublik die Orientierung an der von den Reichsministerien vor 1933 verfolgten Personalpolitik, bei der »[h]ohe fachliche und charakterliche Eigenschaften und einwandfreie Staatstreue« maßgebend gewesen seien.75 Dass Strauß auf eine rein sachliche Ausrichtung der Personalpolitik stets besonderen Wert legte, wurde exemplarisch deutlich, als ihm die hessische CDU eine Bewerberliste übersandte. Darauf entgegnete er, die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer bestimmten Partei könne ihm »niemals Veranlassung geben, einen Bewerber zu bevorzugen oder aber abzulehnen«.76 Im Einklang mit dieser Grundhaltung besetzte er etwa das Personalreferat mit einem »völlig unpolitischen« ehemaligen Beamten des Reichswirtschaftsministeriums »unter Ablehnung aller unkeuschen Gelüste der Partei«.77 Ein anderer Aspekt der von Strauß verantworteten Personalpolitik in der VfW wurde allerdings heftig kritisiert. So monierte der Vorsitzende des Exekutivrats Heinrich Troeger (SPD), dass Strauß die ehemals nationalsozialistischen Beamten nicht entlasse, auch wenn die Militärregierung dies verlange.78 Es ist bereits zu Recht darauf hingewiesen worden, dass das belastete Personal vorwiegend aus dem früher sozialdemokratisch geführten Zentralamt in Minden stammte, und dass auch unter dem SPD -Mann und Vorgänger Semlers, Viktor Agartz, keine Säuberung der Verwaltung für notwendig erachtet worden war.79 Dass sich Strauß als stellvertretender Leiter der VfW durchaus des Problems der 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 279. 76 Strauß an das Hessische Landessekretariat der CDU v. 1.12.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 59, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 103 m. Anm. 41. 77 Strauß an Hans Petri v. 5.10.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 59, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 102 m. Anm. 40. 78 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 103 m. Anm. 42, in welcher der Verfasser auf folgende Stelle im Tagebuch Troegers verweist: Heinrich Troeger, Interregnum. Tagebuch des Generalsekretärs des Länderrats der Bizone 1947–1949, hg. v. Wolfgang Benz u. Constantin Goschler, München 1985, S. 57. 79 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 103 m. Anm. 42.

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NS -Belastung bewusst war, verdeutlichen entsprechende interne Richtlinien, die von ihm veranlasst wurden. Darin wurde beispielsweise festgehalten, dass »ebenso wie bei allen anderen Bediensteten« bei jedem einzelnen früheren Parteigenossen »berufliche Vorbildung und Erfahrung für die beabsichtigte Verwendung sowie insbesondere charakterliche Zuverlässigkeit sorgfältig zu prüfen« seien.80 Um die wertvollen Kräfte unter den ehemaligen Parteigenossen dem Amt zu erhalten, müsse die Gesamtzahl der früheren NSDAP-Mitglieder gering gehalten werden. So solle jeder von der Übernahme ausgeschlossen werden, der nicht über besondere Qualifikationen verfüge. Außerdem könne grundsätzlich auch übernommen werden, wer in Kategorie V eingestuft sei. Gegen die Übernahme der unter die Jugendamnestie fallenden Personen bestünden ebenso wenig Bedenken. In diesen Vorstellungen zeichnete sich bereits ab, dass Strauß den fachlichen Qualitäten ehemaliger nationalsozialistischer Parteigänger mehr Wert beimaß als deren politischer Vergangenheit – und dass er sich das Expertenwissen früherer Funktionsträger sichern wollte. Nachdem Direktor Semler auf Druck der Besatzungsmächte aus dem Amt geschieden war, wollte auch Strauß seinen Hut nehmen. Die CDU jedoch hatte andere Pläne und wollte ihn zum Nachfolger Semlers küren. Schließlich fand sich Strauß immerhin bereit, die Geschäfte des Direktors wahrzunehmen, bis ein Nachfolger gefunden sei. Für sein eigenes Ausscheiden aus der Verwaltung für Wirtschaft führte Strauß zwei Gründe an. Zum einen müsse er einmal »in Ruhestellung kommen«, nachdem er viele Jahre lang pausenlos tätig gewesen sei; zum anderen werde er das neugebildete Rechtsamt übernehmen, für dessen Leitung es keine personelle Alternative zu ihm gäbe.81

Das Rechtsamt Durch ein Gesetz vom 20. Juli 1948 wurde das Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, also der einmal mehr reformierten Bizone, gegründet.82 Walter Strauß war bereits Mitte März 1948 mit der Wahrnehmung der Geschäfte der im Entstehen begriffenen Einrichtung beauftragt worden.83 Bis zu seiner förmlichen Ernennung blieb Strauß parallel dazu stellvertretender Direktor der VfW; am 6. April übergab er die dortigen Geschäfte seinem Nachfolger Ludwig Erhard. Schon kurz nachdem Strauß die kommissarische Leitung des Rechtsamts übernommen hatte, wurde er vom Verwaltungsrat  – also gewissermaßen der Regierung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (VWG) – 80 Protokoll der Zentralabteilung v. 4.11.1947 über die Besprechung v. 3.11.1947, 11.30 h, in: IfZArch, ED 94, Bd. 364, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 104 m. Anm. 44. 81 Strauß an Quassowski v. 3.3.1948, in: IfZArch, ED 94, Bd. 59, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 123 f. m. Anm. 106. 82 Gesetz über das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 20. Juli 1948 (WiGBl. 1948, S. 77). 83 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 126 m. Anm. 4.

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damit beauftragt, den Entwurf eines Gesetzes über das Rechtsamt vorzulegen. Das Aufgabenspektrum des von Strauß konzipierten Rechtsamts umfasste die Begutachtung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen auf deren rechtsförmliche Richtigkeit, allgemeine justitiarische Angelegenheiten und das Bekanntmachungswesen, welches die Rechtszersplitterung überwinden helfen sollte. Da sich die Beratungen im Wirtschaftsrat über etliche Wochen hinzogen, konnte Strauß in Erledigung seiner Aufgaben lediglich auf seine persönliche Kanzlei und den Leiter des Zentralreferats, Regierungsdirektor Brandl, zurückgreifen. Jener Theodor Brandl wird uns später im Bundesjustizministerium wiederbegegnen.84 Die Dienstaufsicht über das Rechtsamt hatte der Verwaltungsratsvorsitzende Oberdirektor Dr. Hermann Pünder inne. Dieser blickte später auf eine »besonders harmonische und erfolgreiche Zusammenarbeit« mit dem Leiter des Rechtsamts zurück und erinnerte sich daran, dass Strauß sich »gelegentlich scherzhaft, aber durchaus zutreffend als ›Syndikus der Firma‹« bezeichnet habe.85 Aufgrund der beschriebenen Anlaufschwierigkeiten und der dadurch verzögerten Rekrutierung von Personal habe erst Anfang Oktober 1948 ein »den sachlichen Erfordernissen gerecht werdendes Arbeiten« beginnen können, so Strauß in einem Tätigkeitsbericht.86 Als Leiter des Rechtsamts schuf Strauß Referate für fiskalische Rechtsstreitigkeiten und Justitiariat, Gewerblichen Rechtsschutz, Öffentliches Recht, Völkerrecht, Wirtschaftsrecht sowie das bereits erwähnte Zentralreferat. Einige der Referatsleiter waren Beamte, die Strauß bereits kannte – so wie Henning von Arnim, der beim Sekretariat des Stuttgarter Länderrats der Leiter sowohl der Rechts- als auch der Finanzabteilung gewesen war, bevor er im Rechtsamt das Referat für Öffentliches Recht übernahm. Im Bundesjustizministerium befasste sich von Arnim später mit Fragen des Beamtenrechts. Sein Kollege Kurt Haertel, der nach seiner langjährigen Tätigkeit im BMJ schließlich Präsident des Deutschen Patentamts wurde,87 hatte bereits in der Verwaltung für Wirtschaft unter Strauß gearbeitet. Im Rechtsamt leitete er das Referat für Gewerblichen Rechtsschutz. Haertel und sein Referatsleiterkollege Friedrich Carl Ophüls sollten im Sommer 1949 auf die zwei neuen, im Haushalt vorgesehenen Ministerialratsstellen aufrücken. Strauß als Leiter des Rechtsamts urteilte damals, die beiden seien »auf Grund ihrer besonderen Kenntnisse und Erfahrungen« und »auf Grund ihrer Persönlichkeit« für die Leitung der Referate Völkerrecht und internationales Privatrecht (Ophüls) bzw. Gewerblicher Rechts84 Siehe dazu den unter II .3 folgenden Abschnitt »Die Erweiterung des Personalbestandes« mit Ausführungen über die einzelnen Referatsleiter der Abteilung Z des BMJ . 85 Hermann Pünder, Von Preußen nach Europa. Lebenserinnerungen, Stuttgart 1968, S. 335. 86 Tätigkeitsbericht v. 29.12.1948, in: IfZArch, ED 94, Bd. 73, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 130 f. m. Anm. 23. 87 Mit der Errichtung des Patentamts als einer nachgeordneten Behörde des Rechtsamts war zwar schon begonnen worden, doch die Eröffnung am 1. Oktober 1949 fiel bereits in die Zeit der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem gehörte das Patentamt zum Geschäftsbereich des Bundesjustizministeriums. Siehe dazu Pünder, Das bizonale Interregnum, S. 162–164; Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 141–144.

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schutz (Haertel) unter allen Bewerbern »bei weitem am besten geeignet«.88 Neben das Kriterium der fachlichen Leistungen und Erfahrungen setzte Strauß hier also noch das der persönlichen Eignung. Das sollte auch für seine spätere Personalpolitik im Bundesjustizministerium charakteristisch werden. Als Stellvertreter von Strauß und Leiter der Dienststelle des Währungsamts hatte der Verwaltungsrat zunächst Rudolf Harmening vorgesehen, der bisher im Zentraljustizamt der brititschen Zone tätig gewesen war und sich dort mit Wirtschaftsrecht befasst hatte, jedoch aus der NS -Zeit belastet war: Mitglied der SS von März 1939 bis 1945, zuletzt sogar im Stab des Rasse- und Siedlungshauptamtes. Ursprünglich Regierungsrat und später Oberregierungsrat im Reichsjustizministerium, hatte Harmening seit 1933 im Reichsernährungsminis­terium – ab 1934 als Ministerialdirektor – gewirkt. Gleichzeitig bekleidete er den Posten des Vizepräsidenten des Reichserbhofgerichts. Im Entnazifizierungsverfahren zunächst in Kategorie III (Minderbelastete)  eingestuft, erreichte er im Berufungsverfahren die Feststellung seiner Entlastung. Im Wirtschaftsrat wandte sich Adolf Arndt dennoch gegen ihn.89 Walter Strauß wiederum gestand in der Debatte um den Haushalt des Rechtsamts ein, man könne »über die Zweckmässigkeit und über die Richtigkeit dieser Verwendung von Herrn Dr. Harmening als stellvertretender Leiter einer Behörde selbstverständlich verschiedener Meinung sein.«90 Der Abgeordnete Arndt habe den Fall Harmening jedoch in derart persönlicher Weise behandelt, dass er, Strauß, dazu Stellung nehmen müsse. Dabei räumte er ein, dass er nach einem Hinweis von Arndt und dem sich anschließenden gründlichen Studium der Akten seinen Antrag an den Hauptausschuss, die Personalie Harmening zu behandeln, nachdem der Politische Prüfungsausschuss sich gegen denselben als stellvertretenden Leiter ausgesprochen hatte, zurückgezogen habe. Die politische Überprüfung des Kandidaten zog sich insgesamt über mehrere Monate hin. Hatte der Politische Prüfungsausschuss des Wirtschaftsrats am 9. September 1948 noch seine Anstellung als stellvertretender Leiter des Rechtsamts abgelehnt, eine Beschäftigung als Ministerialrat im Rechtsamt aber befürwortet, lehnte der Ausschuss am 18. November jedwede Einstellung Harmenings ab, da befürchtet wurde, er werde indirekt doch als stellvertretender Amtsleiter in Erscheinung treten. Offenbar beharrte Strauß aber auf der Anstellung Harmenings, sodass nun auch der Hauptausschuss des Wirtschaftsrats sich mit dem Fall Harmening befasste. Am 2. März 1949 lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten des Hauptausschusses eine Einstellung Rudolf Harmenings endgültig ab. Damit musste Strauß eine erste personalpolitische Niederlage verkraften.

88 Strauß an das Personalamt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes v. 17.6.1949 betr. Besetzung von Stellen im Rechtsamt, in: Bundesarchiv (BArch) Z 22/21. 89 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 130 m. Anm. 21. 90 Protokoll einer Sitzung des Wirtschaftsrats o. D., in: IfZArch, ED 94, Bd. 73, Bl. 69–101, Zitat Bl. 89.

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In der erwähnten Debatte des Wirtschaftsrats fiel mehrfach der Name Dr. Walter Roemer. Arndt wusste zu berichten, dass die »leitenden Herren der obersten Landesjustizbehörde und des Zentral-Justizamtes« sich einst für Roemer als stellvertretenden Leiter des Rechtsamts ausgesprochen hätten.91 Darauf Bezug nehmend, meinte Strauß, er schätze Roemer genauso wie Arndt. Doch glaube er, gerade die Ausführungen Arndts und das »Hineinziehen meines [seines = Roemers?] Namens in das Plenum würden die Möglichkeit, ihn für die Stelle zu verwenden, zum mindesten – da ja bei den Stellenbesetzungen auch andere Erwägungen mitsprechen – erschweren.«92 Stellvertreter von Strauß als Leiter des Rechtsamts wurde in der Tat nicht Roemer, sondern der später ebenso im BMJ tätige Günther Joël. Das Rechtsamt war eine sehr kleine und überschaubare Behörde. Während Strauß’ vorherige Wirkungsstätte, die Verwaltung für Wirtschaft, im Sommer 1948 auf nicht weniger als 1.300 Bedienstete kam, waren am Jahresende 1948 lediglich 16 Beamtenstellen des Rechtsamts besetzt.93 Vielleicht war es die intime Atmosphäre jener kleinen Behörde, die Strauß die rund anderthalb Jahre als Leiter des Rechtsamts als die wohl »glücklichste Zeit« seines Berufslebens bezeichnen ließ.94 In Bezug auf das Personal vetraute Strauß bewährten Kräften, zumal unter den Stelleninhabern sieben ehemalige Reichs- oder Landesbeamte, sechs ehemalige Angehörige der VfW und zwei ehemalige Mitglieder des Stuttgarter Länderrats waren; nur ein Beamter kam unmittelbar aus der Berufsvorbereitung.95 Als Leiter des Rechtsamts betrieb Strauß, wie auch später als Staatssekretär in Bonn, bis zum Ende eine sparsame Personalpolitik: Im September 1949 waren von 25 im Haushaltsplan vorgesehenen und genehmigten Stellen nur 18 besetzt – und zwar »mit Rücksicht auf die unmittelbar bevorstehende Bildung der Bundesministerien«.96 Parlamentarischer Rat Hatte Walter Strauß in der Verwaltung für Wirtschaft und im Rechtsamt Er­ fahrungen in der Leitung von Behörden sammeln können, so bot sich ihm mit seiner Wahl in den Parlamentarischen Rat am 11. August 1948 auch die Mög-

91 Ebd., Bl. 72. 92 Ebd., Bl. 90. 93 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 101 m. Anm. 35 sowie S. 131 m. Anm. 23. 94 Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Manuskript von Walter Strauß), in: IfZArch, ED 94, Bd. 238, Bl. 95–98, Zitat Bl. 95. 95 Vgl. Tätigkeitsbericht vom 29. Dezember 1948, in: IfZArch, ED 94, Bd. 73, erwähnt bei Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 131 m. Anm. 23. 96 Betr.: Bericht über die Tätigkeit des Rechtsamts der Verwaltung des VWG in der Zeit vom 1. Juli bis 12. September 1949, gez. Dr. Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 73, Bl. 34–47, Zitat Bl. 35.

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lichkeit, den verfassungsmäßigen Aufbau und den Rechtsstaat der künftigen Bundesrepublik mitzugestalten.97 Im Parlamentarischen Rat war er das einzige Mitglied der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets.98 Im Militärregierungsgesetz Nr. 15 war nämlich eine Inkompatibilität von Amt und Mandat festgeschrieben. Letztlich billigten die Alliierten aber die von der bizonalen Verwaltung vorgetragene Auffassung, der zufolge jenes Gesetz nicht auf den mit besonderen Aufgaben befassten Parlamentarischen Rat anwendbar sei.99 Dort wurde Strauß schließlich stellvertretender Vorsitzender sowie Berichterstatter im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung und im Ausschuss für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege – und hatte damit eine Schlüsselstellung inne.100 Außerdem gehörte er neben dem Ausschuss für Besatzungsstatut auch dem Redaktionsausschuss an und war für seinen hessischen Parteifreund Heinrich von Brentano stellvertretendes Mitglied im Hauptausschuss. Wie Strauß selbst im Rückblick anmerkte, bestand der Parlamentarische Rat nicht aus Staatsrechtsspezialisten, sondern aus im politischen Leben erfahrenen Männern und Frauen.101 Insofern hätten die Abgeordneten zwar zu einem Urteil über »diese oder jene erwünschte Lösung« kommen können, sich aber bald vor eine Fülle von Rechtsfragen gestellt gesehen, die zu entscheiden oder »als Folgewirkung dieser oder jener Lösung« zu bedenken gewesen seien.102 In dieser Situation habe sich, so die Diagnose von Strauß, das Fehlen einer Regierung und von Ministerialbeamten bemerkbar gemacht, die den Abgeordneten für Auskünfte über diese Rechtsfragen zur Verfügung gestanden hätten. Damit bezog sich Strauß auf die später in der Bundesrepublik übliche Praxis, nach der etwa im Rechtsausschuss des Bundestages bzw. des Bundesrates die zuständigen Beamten aus dem Justizministerium als Experten an den Sitzungen teilnahmen und für Auskünfte oder auch Formulierungshilfen zur Verfügung standen. Im Parlamentarischen Rat tat sich der Leiter des Rechtsamts als Vorkämpfer für das Berufsbeamtentum hervor.103 Im Zuständigkeitsausschuss stellte Strauß folgenden Antrag: »Die staatlichen und gemeindlichen Daueraufgaben sind grundsätzlich von Berufsbeamten auszuüben, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn stehen.«104 Es ging ihm darum, die Institution des Berufsbeamtentums für den neuen Staat zu 97 Strauß selbst hat einen Bericht über die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes hinterlassen, der den Charakter eines chronologischen Überblicks trägt und noch heute lesenswert ist. Siehe dazu Walter Strauß, Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, in: Carsten Peter Claussen (Hg.), Neue Perspektiven aus Wirtschaft und Recht. Festschrift für Hans Schäffer zum 80. Geburtstag am 11. April 1966, Berlin 1966, S. 343–365. 98 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 181. 99 Ebd., S. 243 m. Anm. 173. 100 Ebd., S. 198. 101 Strauß, Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, S. 352. 102 Ebd., S. 352. 103 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 238. 104 Zit. n. ebd., S. 240 m. Anm. 158.

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sichern; eines expliziten Verweises auf die letztlich im Grundgesetz verankerten »hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums« (Artikel 33 Absatz 5) hätte es aus seiner Sicht nicht bedurft.105 Ferner sprach sich Strauß für die Möglichkeit der Teilhabe von Beamten an gesetzgeberischen Körperschaften aus und lehnte damit die strikte Trennung von Amt und Mandat ab. Allerdings sollte nach seiner Auffassung ein Beamter, der in die für den Haushalt seiner Verwaltung zuständigen Körperschaft gewählt werde, für die Dauer seiner Zugehörigkeit zu dieser Körperschaft in den Wartestand treten.106 Die Identifikation der Beamten mit der Demokratie begriff Strauß als etwas sehr Wichtiges. Während des Nationalsozialismus, so Strauß am 23. Februar 1949 im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats, hätten die Beamten dem herrschenden System nichts entgegenzusetzen vermocht. Damals hätten die Beamten den Blick zur Beurteilung allgemeinpolitischer Vorgänge eingebüßt, bis es zu spät war, weil ihnen »mangels politischer Sachkunde das politische Orientierungsvermögen fehlte und weil sie  – das ist vielleicht eine besondere deutsche Eigenschaft – vielfach vorzügliche Techniker ihres Sachgebietes« ge­ wesen seien.107 Zur Vergangenheit bemerkte Strauß weiter: »Namentlich die höhere Ministerialbürokratie hat zwar in ihrer überwiegenden Mehrzahl – ich lege Wert darauf, aus eigener Kenntnis das vor aller Öffentlichkeit festzustellen – ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus bewahrt. […] Aber die große Mehrheit auch dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstehenden Beamten hat aus dieser verfehlten technischen Einstellung heraus einfach weiter mitgearbeitet, und das führe ich zum großen Teil auf diese falsche Neutralität zurück.«108 In diesem Zusammenhang erzählte er von seiner eigenen Vereidigung als Referendar, nach welcher der Landgerichtspräsident ihm gesagt habe, dass er die Verfassung nur innerhalb des Dienstes zu beachten habe. »Das sind Dinge, die einfach nicht mehr vorkommen dürfen«, bekräftigte Strauß und ergänzte: »Aber dagegen kann auch Vorsorge getroffen werden.«109 Auf dem Gebiet des Beamtenrechts sollte sich der Einfluss von Strauß als Staatssekretär im Bundesjustizministerium später jedoch als begrenzt erweisen, da die Federführung hier in der Regel beim Innenministerium lag.110 Der britische Beobachter des Parlamentarischen Rates, Chaput de Saintonge, bescheinigte Strauß, er habe in der Detailarbeit am Grundgesetz eine führende

105 Ebd., S. 242. 106 Zur Frage der Wählbarkeit von Beamten, in: IfZArch, ED 94, Bd. 369, Bl. 154–164, hier Bl. 154. 107 Ebd., Bl. 159. 108 Ebd. 109 Ebd., Bl. 160. 110 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 246 m. Anm. 187 mit Verweis auf Udo Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland 1948–1953, Düsseldorf 1988, S. 90 f., 261, 265, 288.

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Rolle gespielt und eine gewichte Position in den Debatten besessen.111 Das autoritäre Auftreten des CDU-Vertreters habe jedoch den Unmut seiner Abgeord­ netenkollegen geweckt, besonders seitens der KPD. Indes: »Die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit.«112 In den Debatten um die künftige Gestaltung des Rechtsstaats in der Bundesrepublik war Strauß häufig auf den FDP-Abgeordneten Thomas Dehler getroffen, der wenige Monate später zum ersten Bundesminister der Justiz ernannt werden sollte.

1.3 Konflikte zwischen Minister und Staatssekretär An seinen alten Vorgesetzten im Reichswirtschaftsministerium, Hans Schäffer, schrieb Walter Strauß am 23. September 1949: »Der Justizminister, zu dem ich als Staatssekretär treten werde, ist mir bereits seit drei Jahren näher bekannt. Wir haben auch Beide [sic!]113 im Parlamentarischen Rat mitgewirkt und glauben, ein harmonisches Gespann abzugeben.«114 Allein, diese Erwartung erfüllte sich nicht – zumindest vorerst. In einem mit »Der Geist der Rosenburg« betitelten Erinnerungsband des BMJ-Personalrats bemerkte der Ruhestandsbeamte Bernhard Spiegel über die Situation nach Gründung des Ministeriums Folgendes: »Zwei Gruppen waren vorherrschend: Gefolge von Staatssekretär Dr. Strauß (Rechtsamt des Ver­ einigten Wirtschaftsgebiets in Frankfurt) und Gefolge von Minister Dr. Dehler (Bamberg).«115 Doch auch direkt zwischen den beiden Personen an der Spitze des Hauses gab es Konfliktpotenzial. Willi Geiger, in der Anfangszeit Persönlicher Referent des ersten Bundesjustizministers, schilderte in seinem Beitrag für einen Sammelband über Thomas Dehler rückblickend seine Sichtweise des Konflikts.116 Am Anfang habe den Minister das Verhältnis zu seinem Staatssekretär am meisten belastet: »Strauß war eine temperamentvolle, höchst aktive, eigenwillige Persönlichkeit, präziser Jurist, politisch ambitioniert und beharrlich im Bemühen, sich mit seinen Auffassungen durchzusetzen.«117 Dabei habe 111 Reiner Pommerin, Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates. Porträtskizzen des britischen Verbindungsoffiziers Chaput de Saintonge, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 36 (1988), H. 3, S. 557–588, hier S. 584. 112 Ebd., S. 585: »The dislike was mutual.« 113 In den in dieser Studie verwendeten Zitaten werden vorhandene Fehler nur dann durch »[sic!]« gekennzeichnet, wenn sie auch nach der alten Rechtschreibung Fehler waren. Typischerweise in maschinegeschriebenen Dokumenten vorkommende abweichende Schreibweisen wie »ss« statt »ß« werden nicht extra als Fehler ausgewiesen. 114 Strauß an Hans Schäffer v. 23.9.1949, in: IfZArch, ED 94, Bd. 365, Bl. 19 f., Zitat Bl. 19. 115 Bernhard Spiegel, Palazzo und Palais – Burg und Kreuzbau, in: Personalrat des BMJ, Der Geist der Rosenburg, S. 47–62, hier S. 56. 116 Willi Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, in: Wolfram Dorn / Friedrich Henning (Hg.), Thomas Dehler. Begegnungen – Gedanken – Entscheidungen, Bonn 1977, S. 94–103. 117 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 99.

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Strauß, so Geiger in einer persönlichen Mitteilung an Udo Wengst vom 8.  Novem­ ber 1980, besonders eng mit Hans Globke im Kanzleramt zusammengearbeitet, dem er unter anderem hinter dem Rücken des Ministers etliche Gesetzes­entwürfe aus dem BMJ zugeleitet habe.118 In den Nachlässen von Globke und Strauß konnten keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden, was aber nichts beweisen muss. Die Atmosphäre im Justizministerium der ersten Monate charakterisierend, schrieb Geiger in seinem Beitrag, dass neben dem Ärger auch die Unsicherheit gewachsen sei, »wo innerhalb des Hauses die Führung liege.«119 Dehler war zu dem Entschluss gelangt, die Ablösung von Strauß zu betreiben. Nach einiger Zeit erklärte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer schließlich bereit, dem Wunsch Dehlers zu entsprechen. An Strauß schrieb der Bundeskanzler am 23. Dezember 1949, dass er angesichts der Spannungen zwischen Minister und Staatssekretär »leider keine Möglichkeit« für einen Verbleib von Strauß in dessen Amt sehe.120 Zwischen den Feiertagen, so wiederum Geiger, habe Dehler einen Brief an Strauß geschrieben, in welchem er die Gründe für eine Trennung dargelegt habe.121 Das Bestreben Dehlers, seinen Staatssekretär loszuwerden, rief jedoch die Bundestagsfraktion der CDU / C SU auf den Plan. Wie erwähnt, war die Personalie Strauß in den Koalitionsverhandlungen Teil eines Kompensationsgeschäftes zwischen Union und FDP gewesen. Darauf konnte sich der Fraktionsvorsitzende der CDU / C SU von Brentano stützen, als er mit Adenauer und Dehler verhandelte.122 Indes betrieb Dehler weiterhin die Ablösung von Strauß. Nun berichtet Willi Geiger, unmittelbar nach dem Jahreswechsel sei es zu einem klärenden Gespräch zwischen Minister und Staatssekretär gekommen. Dabei seien sie zu dem Schluss gelangt, es doch noch einmal miteinander zu versuchen.123 Im Anschluss an das Gespräch habe Dehler zu ihm, Geiger, gesagt: »Wenn einer anfängt zu weinen, bringe ich es nicht fertig, ihm eine Bitte abzuschlagen.«124 Und Geiger fügte hinzu: »Er [Dehler] hat sich von diesem Augenblick an ohne unnötige Härte durchgesetzt.«125 Dass es Strauß durchaus schwer fiel, sich unterzuordnen, gestand er selbst ein, indem er meinte, es sei in der Politik nie leicht, zweiter Mann zu sein, was er aber vorgezogen habe.126 Im Nachlass von Hans Globke befindet sich ein Schreiben von Dehler an Adenauer vom 4. März 1950, in welchem der Justizminister mit Nachdruck her-

118 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 156 m. Anm. 131. 119 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 99. 120 Zit. n. Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 156 m. Anm. 132. 121 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 100. 122 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 156 f. m. Anm. 133 u. 134. 123 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 100. 124 Ebd. 125 Ebd. 126 Strauß an Moshe Keren v. 10.2.1950, in: IfZArch, ED 94, Bd. 363, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 314 m. Anm. 42.

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vorhob, die Frage seines Staatssekretärs verlange nach Klärung.127 Der frühere Reichsgerichtsrat und nunmehrige OLG -Präsident Hermann Weinkauff, den Dehler im selben Atemzuge als Nachfolger für Strauß vorschlug, sei »in menschlicher und fachlicher Hinsicht der beste Mann für dieses Amt.« Der bisherige Staatssekretär hingegen, so regte Dehler an, könnte als Vizepräsident des Bundesgerichtshofs in Aussicht genommen werden. Nachdem der Bundeskanzler den Brief erhalten hatte, kam es zu einem klärenden Gespräch zwischen Adenauer, Dehler, von Brentano und Hermann Schäfer. Das Ergebnis war, dass Strauß im Staatssekretärsamt verblieb.128 Anhand des vorhandenen Aktenmaterials kann nicht geklärt werden, ob sich Geiger in seinen Datierungen irrte  – wie Wengst es annimmt129  –, oder ob nach der Versöhnung vom Jahresbeginn der Konflikt zwischen Minister und Staatssekretär noch einmal aufgeflammt war. Festzuhalten bleibt jedoch, dass jener Streit die Phase des personellen und organisatorischen Aufbaus des BMJ belastete. Zu unterschiedlich waren die beiden Charaktere: Strauß eher von kühler Distanz, Dehler von hoher Emotionalität.130 Wenngleich beide Juristen derselben Generation angehörten, so war Strauß im Weimarer Staatsdienst geprägt worden, während Dehler vor 1945 als Rechtsanwalt eine andere Position eingenommen hatte. Erst nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus begannen die beruflichen Wege der beiden, sich ähnlich zu entwickeln, bis sie sich erst im Parlamentarischen Rat und schließlich im Bundesministerium der Justiz kreuzten. Beim Umzug des Bonner Justizministeriums von der Rheindorfer Straße auf den Venusberg waren die Nachwirkungen des anfänglichen Konflikts zumindest zwischen den Zeilen noch zu spüren. Zum Einzug in die Rosenburg als dem neuen Dienstsitz des Bundesministeriums der Justiz gratulierte Strauß im Juni 1950 seinem Minister und verlieh seiner Hoffnung auf ein harmonisches Miteinander Ausdruck, indem er meinte: »Mögen es Rosen ohne Dornen sein, die unsere Arbeit dort begleiten!«131

1.4 Die unterschiedliche Herkunft der Beamten der ersten Stunde Nicht nur das Verhältnis zwischen den beiden Spitzenleuten des Hauses war anfangs schwierig. Spannungen bestanden durchaus auch zwischen den unter­ schiedlichen Personengruppen. Einig waren sich der Minister und sein Staats127 Dehler an Adenauer v. 4.3.1950 (Kopie), in: Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP). Nachlass Hans Globke, 01-070-052/3. 128 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 157 m. Anm. 136 u. 137. 129 Ebd., S. 157 m. Anm. 138. 130 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 314. 131 Strauß an Dehler v. 9.6.1950, in: Archiv des Liberalismus (AdL), Bestand Thomas Dehler, N1–1037.

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sekretär darin, an die Tradition des Reichsjustizministeriums vor 1933 anzuknüpfen.132 Ferner war es den beiden Führungsfiguren des BMJ darum zu tun, die besten Mitarbeiter zu gewinnen – »soweit solche noch vorhanden sind«, wie der Staatssekretär einmal bemerkte.133 Zunächst besaß Strauß als Leiter des Rechtsamts in seinen Mitarbeitern aus Frankfurt gleichsam ein natürliches Personalreservoir, aus dem er sich bedienen konnte. Dazu meinte Strauß gegenüber seinem alten Chef aus dem Reichswirtschaftsministerium, er bringe seinen »vorzüglich eingearbeiteten[,] aber zahlenmäßig sehr kleinen Stab« aus Frankfurt mit.134 Noch vor seiner Ernennung zum Staatssekretär, so schilderte es der in der zivilrechtlichen Abteilung des BMJ tätige Heinrich von Spreckelsen rückblickend, habe Strauß »in zeitig begonnenen Vorgesprächen Fachleute aus dem Rechtsamt und einigen Landesministerien sowie dem Zentraljustizamt für die britische Besatzungszone« gewonnen.135 Darüber hinaus war er jedoch bestrebt, frühere Reichsministerialbeamte, die noch nicht in den Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets tätig gewesen waren, in den Dienst des Bonner Justizministeriums zu nehmen. Dabei stützte sich Strauß auf den Rat des früher im Reichsjustizministerium tätig gewesenen Dr. Walter Kriege, den er für einen der besten Kenner der Personalien der Reichsministerien hielt.136 Noch in seiner Abschiedsrede vor den Mitarbeitern des BMJ im Jahre 1963 betonte Strauß, »manche von Ihnen verdanken Ihre Anwesenheit in diesem Saal den Hinweisen, die ich von Dr. Kriege erhalten habe.«137

132 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 165 m. Anm. 181. In der Anmerkung verweist Wengst auf den in Bd. 188 des Strauß-Nachlasses enthaltenen Vermerk Joëls für Strauß v. 10.9.1949. In Bd. 151, Bl. 8–14, befindet sich ein an Strauß gerichteter Vermerk Joëls v. 10.9.1949, in welchem Letzterer eine Ergänzung zum Vorschlag über die Organisation des Bundesjustizministeriums überreichte. Jener – allerdings undatierte – Vorschlag ist ebenfalls in Bd. 151, Bl. 2–7, enthalten. Darin schrieb Joël, bei der Aufteilung und Abgrenzung der Arbeitsgebiete sei, wie im Geschäftsverteilungsplan des Reichsjustizministeriums vor 1933 und ebenso später, von dem sachlichen Spezialisierungsbedürfnis, nicht aber von dem Ziel ausgegangen worden, die Referate jeweils auf einen Referenten oder Referatsleiter zuzuschneiden. 133 Strauß an Ernst Wolff v. 30.9.1949, in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 166. 134 Strauß an Hans Schäffer v. 23.9.1949, in: Ebd., Bd. 365, Bl. 19 f., Zitat Bl. 19. 135 Spreckelsen, Das Anfangsjahr im Bundesministerium der Justiz, S. 63. 136 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 279. Kriege (1891–1952) entstammte dem Preußischen und späteren Reichsjustizministerium, wurde Präsident des Oberprisenhofs und als solcher nach dem 20. Juli 1944 verhaftet. Während er nach dem Krieg das Amt des stellvertretenden Direktors der Verwaltung für Finanzen des VWG bekleidete, wechselte er nach Gründung der Bundesrepublik kurzzeitig als Ministerialdirektor ins Bundesministerium der Finanzen. Bereits 1950 wurde er schließlich Präsident der nordrhein-westfälischen Landeszentralbank in Düsseldorf. 137 Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 97–121, Zitat Bl. 101.

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Als weitere Keimzellen des BMJ-Personals nannte Strauß in seiner Abschiedsrede neben dem Rechtsamt, dem Zentraljustizamt der britischen Zone und dem Oberlandesgericht Bamberg auch den Länderrat und die Bundesländer.138 Damit sind es fünf Quellen, aus denen sich das Personal des Justizministeriums in den Anfangsjahren speiste.139 Im bereits erwähnten Erinnerungsband »Der Geist der Rosenburg« spiegelt sich dieser Sachverhalt wider. So benannte Alfred Steinert in seinem Beitrag »Frankfurter, Hamburger, Bamberger« als Mitarbeiter der ersten Stunde.140 Da der Aufbau des Ministeriums im Wesentlichen vom Rechtsamt ausgegangen sei, seien die Frankfurter wenige Tage vor den Hamburgern aus dem ZJA vor Ort gewesen und hätten in Zukunft den Ton angegeben. Durch die Hinzuziehung von Mitarbeitern aus Bayern, insbesondere aus dem OLG -Bezirk Bamberg, sei »eine gewisse Spannung in den Personalaufbau« gekommen.141 In diesem Kontext wies Steinert auf den Umstand hin, dass der Bund zur Übernahme der Mitarbeiter aus Frankfurt und Hamburg in gewisser Weise verpflichtet war, während die Kollegen aus Bayern aufgrund von persönlichen Beziehungen bzw. Empfehlungen ins Haus gekommen seien. In dieses Bild passt eine Beobachtung des bereits erwähnten Kollegen von Steinert, Bernhard Spiegel: »Ich hörte Minister Dr. Dehler einmal sagen, er hoffe, daß die Gruppen zusammenwachsen würden.«142 Der retrospektive Bericht Steinerts liefert gleichzeitig einen Hinweis auf die ab 1949 verfolgte Personalpolitik, denn der Ruhestandsbeamte schrieb, dass damals nach und nach auch Mitarbeiter aus anderen Bundesländern einberufen worden seien  – »im allgemeinen [sic!] auf Vorschlag der Landesjustizverwaltungen[,] aber auch aufgrund von gezielten Hinweisen des Ministeriums auf geeignet erscheinende Mitarbeiter.« Steinert brachte seine Beobachtungen auf den Punkt, indem er feststellte, die »Schalthebel der Hausmacht« hätten vom ersten Tage an Beamte aus Franken und Frankfurt in den Händen gehabt.143

138 Ebd., Bl. 100 f. 139 Zur Herkunft des Gründungspersonals im BMJ vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 114–118. 140 Alfred Steinert, Erinnerungen 1949–1953, in: Personalrat des BMJ, Der Geist der Rosenburg, S. 70–205, hier S. 180. 141 Steinert, Erinnerungen 1949–1953, S. 180. 142 Spiegel, Palazzo und Palais  – Burg und Kreuzbau, S. 56. Spiegel fügte noch an: »Das geschah allmählich durch die Neuzugänge.« 143 Steinert, Erinnerungen 1949–1953, S. 181.

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1.5 Der Persönliche Referent des Ministers: Dr. Willi Geiger Der wichtigste Mitarbeiter, den Dehler vom Oberlandesgericht Bamberg mit nach Bonn brachte, war Willi Geiger.144 Die beiden hatten sich bereits 1937 kennen gelernt, nachdem der Gerichtsassessor Geiger nach Bamberg gekommen war. Ein Jahr später wurde er zum Landgerichtsrat ernannt und ab 1940 bei der Staatsanwaltschaft eingesetzt. In dieser Funktion war Geiger auch am Sondergericht Bamberg tätig. Die Sondergerichte hatten im System des NS -Terrors die Funktion, außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit und sehr zügig bestimmte Straftaten zur Anklage zu bringen, zu verhandeln und abzuurteilen. Oftmals endeten die Verfahren mit der Verhängung von Zuchthaus- oder gar der Todesstrafe. Am Bamberger Sondergericht traf Geiger auf den Rechtsanwalt Thomas Dehler. Als Vertreter der Staatsanwaltschaft und als Verteidiger standen die beiden Juristen damals formell auf unterschiedlichen Seiten. Willi Geiger erwirkte am Sondergericht etliche Todesurteile. Seine Nähe zum nationalsozialistischen Führerstaat bezeugten nicht nur seine Mitgliedschaften in der SA (seit Januar 1934) und in der NSDAP (seit Mai 1937), sondern gerade auch seine Tätigkeit als Schulungs- und Pressereferent innerhalb der SA sowie seine Dissertation über »Die Rechtsstellung des Schriftleiters nach dem Gesetz vom 4. Oktober 1933«, die er 1940 eingereicht hatte. Am 1. März 1943 wurde der Jurist zur Wehrmacht eingezogen. Nach dem Krieg erreichte Geiger trotz seiner offenkundigen Belastungen aus der NS -Zeit seine Einreihung in die Gruppe V der Entlasteten. Als er Ende Juni 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, war Dehler kommissarischer Landrat in Bamberg. Nach der Wiedereröffnung des dort ansässigen Oberlandesgerichts wurde der spätere Bundesjustizminister zunächst zum Generalstaatsanwalt bestimmt; anschließend wechselte er in das Amt des Oberlandesgerichtspräsidenten. Als solcher war er der Chef Geigers, der ihm als Personalreferent und anfänglich auch als Referent für den Haushalt diente. Nun standen sie auf derselben Seite. Dehler und Geiger waren gut aufeinander eingespielt. Insofern war es nur folgerichtig, dass Dehler seinen engen Mitarbeiter im Herbst 1949 mit nach Bonn nahm. Im Bundesministerium der Justiz wurde Geiger, der laut einer Einschätzung aus dem Kanzleramt der CDU nahestand,145 von Dehler zu dessen Persönlichem Referenten berufen. Diese Stellung brachte es mit sich, dass Geiger direkt im Ministerbüro saß.146 Ausweislich des vorläufigen Organisationsplanes des BMJ 144 Zur Vorgeschichte von Geiger siehe Horst Dreier, Das Bundesministerium der Justiz und die Verfassungsentwicklung in der frühen Bundesrepublik Deutschland, in: Manfred Görtemaker / Christoph Safferling (Hg.), Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS -Vergangenheit – eine Bestandsaufnahme, Göttingen 2013, S. 88–118, hier S. 95–99 sowie Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 97, 291–296. 145 Vorlage von Gumbel für den Bundeskanzler v. 1.10.1951 betr. Besetzung des BVerfG, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-060/2. 146 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 99.

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vom November 1950 wirkte er ferner in Abteilung IV als Referent für Verfas­ sungsrecht, Bundesverfassungsgericht, allgemeine staatsrechtliche Fragen, Verwaltungsgerichtsbarkeit und Kirchenrecht.147 Als Persönlicher Referent war der Vertraute Dehlers mittelbar auch mit Personalfragen befasst – gerade in der Phase des personellen Aufbaus eine kaum zu unterschätzende Position. Allerdings stand Geiger, anders als es verschiedentlich nachzulesen ist, niemals an der Spitze des Personalreferats.148 Zuständig für Personalien war vielmehr Regierungsrat Hohenstein.149 Der bereits erwähnte Alfred Steinert bescheinigte Willi Geiger in einem Dankesschreiben an dessen Namensvetter, BMJ-Staatssekretär Hansjörg Geiger, im August 2003 sogar, er habe den organisatorischen Aufbau des Ministeriums und dessen innerhalb der Bundesregierung allseits anerkanntes gutes Renommee »maßgeblich beeinflusst«.150 In personalpolitischen Fragen agierte Geiger gewissermaßen als verlängerter Arm des Ministers, obwohl er der für personelle Angelegenheiten zuständigen Abteilung Z formell gar nicht angehörte. Diese wurde von niemand Geringerem geleitet als von Staatssekretär Walter Strauß, der beide Funktionen bis ins Jahr 1954 hinein in Personalunion wahrnahm. Ein undatierter Organisations- und Stellenplan aus der Anfangszeit des BMJ, wahrscheinlich vom Herbst 1949, führt die in der Verwaltungsabteilung tätigen Beamten namentlich auf und nennt ihre jeweiligen Aufgaben.151 Dem Abteilungsleiter, also Staatssekretär Strauß, persönlich vorbehalten waren demnach Personalangelegenheiten des höheren Dienstes im Ministerium sowie im zum Geschäftsbereich gehörenden Patentamt und bei den Bundesgerichten, außerdem Fiskussachen. Damit dokumentierte Strauß seinen Machtanspruch in der Personalpolitik des Hauses – nicht zuletzt gegenüber dem Persönlichen Referenten des Ministers. Zum Zeitpunkt seiner Abordnung vom OLG Bamberg an das Bundesjustizministerium war Geiger Oberlandesgerichtsrat. Auf seine Beförderung zum Ministerialrat legte Dehler großen Wert. Für Geiger musste eine Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses erwirkt werden. In dem entsprechenden Antrag lobte Dehler seinen Referenten in den höchsten Tönen: »Die ausgezeichneten Fähigkeiten, die Dr. Geiger bisher in jeder dienstlichen Verwendung« – also auch am Sondergericht – »dargetan hat, haben mich veranlaßt, ihn bei der Errichtung des Bundesjustizministeriums sofort zur Mitarbeit heranzuziehen. Bei den mühevollen Aufbauarbeiten hat Dr. Geiger mir unschätzbare Hilfe geleistet. Er hat sich größter Geschäftsbelastung gewachsen gezeigt und in der bisherigen Tätigkeit im Bundesjustizministerium bewiesen, daß er in jeder Hinsicht die Anforderungen erfüllt, die an einen Ministerialrat gestellt werden 147 BMJ, Vorläufiger Organisationsplan, Stand: November 1950. 148 Vgl. Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 166; vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 109, 128. 149 Zu Hohenstein siehe S. 148 f. 150 Alfred Steinert an Staatssekretär Hansjörg Geiger v. 8.8.2003, in: BMJ -Personalakte Alfred Steinert (P 11 – St 1), Bd. 2, unpag. Bl. 151 Organisations- und Stellenplan des BMJ o. D., in: IfZArch, ED 94, Bd. 151, Bl. 25–28.

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müssen.«152 Nachdem der Bundespersonalausschuss den Antrag bewilligt hatte, wurde Geiger am 20. September 1950 zum Ministerialrat ernannt. Doch nicht einmal zwei Monate später wurde er zum Bundesrichter am Bundesgerichtshof berufen. Allem Anschein nach verblieb er trotz der Wahl zum Richter am BGH noch für eine gewisse Zeit auf der Rosenburg, denn das bereits erwähnte Organigramm vom November 1950 weist ihn noch als Persönlichen Referenten des Ministers aus. Außerdem besitzt die im BMJ geführte Personalakte über ihn eine Laufzeit vom 28. September 1949 bis zum 6. September 1951. Letzteres könnte allerdings auch damit zu tun haben, dass Geiger am 7. September 1951 für die Dauer seines Amtes am BGH als Richter in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt wurde.153 Im November 1977 trat er nach einem erfüllten Berufsleben in den Ruhestand. Rückblickend bemerkte Geiger, dass die Arbeiten an den ersten Gesetzgebungsvorhaben »erstaunlich rasch und reibungslos« verlaufen seien.154 Dafür machte Geiger die Erfahrung und Routine der Ministerialen verantwortlich, die diese nicht nur in Frankfurt und Hamburg, sondern teilweise auch im Reichsjustizministerium erworben hätten. Er selbst sei im BMJ an den Arbeiten am Straffreiheitsgesetz, am Rechtsvereinheitlichungsgesetz sowie am Bundesverfassungsgerichtsgesetz beteiligt gewesen. Mit Blick auf die anfänglich im Bonner Justizministerium herrschende Atmosphäre räumte Geiger später ein, dass »der Abbau des wechselseitigen Mißtrauens, der Vorurteile und der Sondermentali­ täten der verschiedenen im Ministerium zusammengeführten Gruppen« schwierig gewesen sei.155

1.6 Die Auswahl der Abteilungsleiter Neben der Verwaltungsabteilung besaß das Bundesministerium der Justiz in der Anfangszeit vier Fachabteilungen: die zivilrechtliche Abteilung I , die strafrechtliche Abteilung II , die handels- und gesellschaftsrechtliche Abteilung III sowie die öffentlich-rechtliche Abteilung IV.156 An dieser Grundkonstellation änderte sich erst 1970 etwas, als die Abteilung R für Rechtspflege geschaffen wurde. Für 152 Der BMdJ an den Bundespersonalausschuss v. 5.7.1950 betr. Ernennung des OLGRats Dr. Willi Geiger zum Ministerialrat im Bundesjustizministerium, hier: Abweichung von § 12 Abs. 1 Satz 2 der Reichsgrundsätze, in: BMJ -Personalakte Willi Geiger (P 11 – G 1), Bl. 9. 153 Damit begann nämlich die Tätigkeit Geigers in einem anderen Verfassungsorgan. Anders als der Bundesgerichtshof, der grundsätzlich zum Geschäftsbereich des BMJ hinzugerechnet wird, stellt das Bundesverfassungsgericht – wie etwa die Bundesregierung inklusive des Bundesjustizmininisteriums auch – ein eigenes Verfassungsorgan dar. 154 Geiger, Begegnungen mit Thomas Dehler, S. 99. 155 Ebd. 156 Näheres zum Personal und zu den Entwicklungen der einzelnen Abteilungen ist bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 301–316 (Abt. I), S. 316–336 (Abt. II), S. 336–342 (Abt. III), S. 342–357 (Abt. IV) nachzulesen.

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die Leitung der bei Gründung des BMJ einzurichtenden vier Fachabteilungen galt es für den Staatssekretär und für den Minister, geeignete Kandidaten zu finden. In seiner Studie zu Staatsaufbau und Regierungspraxis in den ersten Jahren der Bundesrepublik hat Udo Wengst – auch mit Verweis auf eine persönliche Mitteilung von Willi Geiger – bemerkt, dass es bei der Auswahl der Abteilungsleiter und des dazugehörenden Personals zu den ersten Rivalitäten zwischen Dehler und Strauß gekommen sei, da beide ihre jeweiligen Personalvorstellungen durchzusetzen gedachten.157 Die Berufung von Georg Petersen (Abt. I), Hans Eberhard Rotberg (Abt. II) und Walter Roemer (Abt. IV) sei auf den Wunsch des Ministers zurückzuführen. Im Ergebnis sei es Dehler mit Ausnahme von Günther Joël (Abt. III) gelungen, die Entscheidung über die Besetzung der Abteilungsleiterposten an sich zu ziehen. Doch damit nicht genug. Vielmehr habe der Minister auch danach die Personalpolitik im Griff behalten – nicht zuletzt deshalb, weil Willi Geiger als »Personalreferent« stets für eine rechtzeitige Unterrichtung des Ministers gesorgt habe.158 Dass Geiger gar nicht als Personalreferent, sondern »nur« als Persönlicher Referent des Ministers agierte, wurde bereits dargelegt. Doch wie ist es um die Dominanz Dehlers bestellt? Hält diese Sichtweise der Realität stand? Zunächst fällt ins Auge, dass Strauß und Dehler niemanden zum Abteilungsleiter beriefen, der vormals im Reichsjustizministerium tätig gewesen war. Das ist insofern erstaunlich, als beide bei ihren Mitarbeitern großen Wert auf einschlägige Verwaltungserfahrung legten und das RJM sonst als Vorbild hervorhoben. Allerdings brachten alle vier, auf die schließlich die Wahl fiel, ministerielle Vorerfahrung mit: entweder aus der Landesjustiz oder aus Einrichtungen der Besatzungszonen. Ferner waren sie allesamt Juristen mit Prädikatsexamen, konnten also überdurchschnittliche Prüfungsergebnisse vorweisen. Damit deuten sich schon zwei wichtige Kriterien für die Personalauswahl auf Abteilungsleiterebene an, nämlich Qualifikation und Erfahrung. a)

Dr. Georg Petersen

Mit seinem Geburtsjahrgang 1889 war Georg Petersen mit Abstand der Älteste unter den vier ersten Abteilungsleitern im Bundesministerium der Justiz. Die ersten Jahre seines Berufslebens verbrachte Petersen in seiner Heimatstadt Hamburg, wo er 1919 Rechtsanwalt wurde. In dieser Eigenschaft war er ab 1929 beim Reichsgericht in Leipzig tätig. Während des Nationalsozialismus schloss sich Petersen neben einigen untergeordneten Organisationen als förderndes Mitglied auch der SS an (1934 bis 1939). Nach dem Krieg wurde er trotz dieser Belastung Oberlandesgerichtsrat beim Hanseatischen OLG in Hamburg. Durch die britische Besatzungsmacht bestätigt, wechselte er am 1. Oktober 1946 ins 157 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 165 m. Anm. 182. 158 Ebd., S. 166.

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Zentraljustizamt, wo er zunächst als Sachbearbeiter, ab Oktober 1947 dann als Justizdirigent wirkte. Als solcher leitete er die zivilrechtliche Abteilung des ZJA . Nebenamtlich übernahm Petersen noch zwei herausgehobene Ämter im Bereich des Prüfungswesens: Zum einen fungierte er als Präsident des Zentralprüfungsamts für die britische Zone beim ZJA in Hamburg, zum anderen als stellvertretender Vorsitzender des Justizprüfungsamts beim Hanseatischen Oberlandesgericht. Somit war Petersen neben seiner Arbeit im ZJA auch mit der Ausbildung des juristischen Nachwuchses betraut. Den Weg ins Bundesjustizministerium ebnete ihm letztlich Thomas Dehler. Zunächst hatten ihn der Minister und sein Staatssekretär im Anschluss an einen Besuch von Strauß beim Zentraljustizamt in Hamburg für die Position eines Senatspräsidenten bei einem oberen Gerichtshof des Bundes vorgesehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt, Anfang Oktober 1949, waren sich Dehler und Strauß über die »besonders wertvolle Arbeitskraft« Petersens einig.159 Später wurden auch seine »besondere Befähigung, seine umfassenden Rechtskenntnisse und seine vielseitigen Erfahrungen« gelobt.160 Anfang Januar 1950 wandte sich das BMJ an Petersen und bat um eine Besprechung, die zwei Tage später zustande kam. Dabei habe ihm Dehler, so Petersen in einer Aktennotiz, die Frage vorgelegt, »ob ich bereit sei, die Leitung der Civil-Abteilung des Bundes-Justiz-Ministeriums zu übernehmen.«161 Im Einvernehmen mit dem Chefpräsidenten des ZJA und dessen Stellvertreter erklärte sich Petersen schließlich einverstanden. Am 23. Januar 1950 trat Petersen seinen Dienst beim BMJ an. Als die Ernennung Petersens zum Ministerialdirektor anstand, bat das Bundesministerium des Innern um die Übersendung etwa noch im Justizministerium vorhandener Personalakten des Beamten – insbesondere wegen der Frage, ob Petersen entnazifiziert sei.162 Das BMJ schickte die geforderten Akten sogleich an das Innenressort, das gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen grundsätzlich für die Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen sämtlicher Ministerien zuständig war.163 In dem Anschreiben wurde das BMI gesondert auf die in den Akten vorhandenen Genehmigungen der Militärregierung zur Anstellung und Beförderung Petersens im ZJA hingewiesen; formell wurde Petersen nämlich nicht entnazifiziert.164 Dass es deshalb weitere Nachfragen gab, ist den 159 Vermerk von Dr. Koch (ZJA) v. 7.10.1949, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Beiakte ZJA , Bl. 34. 160 Der BMdJ an den BMdI v. 16.2.1954 betr. Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand für Ministerialdirektor Dr. Georg Petersen bis zum 31. März 1955, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Bl. 31 f. 161 Aktennotiz von Petersen v. 19.1.1950, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Beiakte ZJA , Bl. 36. 162 BMJ -Vermerk v. 28.7.1950, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Bl. 4. 163 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Die Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen seitens BMI und BMF«. 164 Der BMdJ an das BMI z. Hd. Ministerialrat Dr. Perbandt v. 28.7.1950, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Bl. 4.

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Staatssekretär Strauß und der personelle Aufbau des BMJ 1949–1953

Akten nicht zu entnehmen. Die Ernennung zum Ministerialdirektor erfolgte Ende August 1950 mit Wirkung vom 1. Februar desselben Jahres. b)

Dr. Hans Eberhard Rotberg

War Georg Petersen der älteste der vier ersten Leiter der Fachabteilungen im BMJ, so handelte es sich bei dem Abteilungsleiter für Strafrecht Hans Eberhard Rotberg um den jüngsten. Geboren 1903 in Unna, ging Rotberg als frisch ernannter Gerichtsassessor nach Berlin, wo er zum Hilfsarbeiter im Preußischen Justizministerium bestellt wurde. Im Anschluss an diese Tätigkeit, die er von 1928 bis 1932 ausgeübt hatte, wechselte Rotberg nach Koblenz und blieb dort bis zum Ende des Krieges. Seine letzte Funktion war die eines Landgerichtsdirektors. Zeitweise saß er einer Sonderstrafkammer vor, die für beinahe das ganze Reichsgebiet sämtliche Strafsachen abzuurteilen hatte, die gegen Geistliche und Ordensangehörige wegen Sittlichkeitsverbrechen anhängig waren. Der NSDAP trat Rotberg 1942 bei; der Beitritt wurde aber auf 1940 rückdatiert. Obwohl er arbeitsmäßig zeitweise sogar mit dem Sicherheitsdienst der SS zu tun hatte, bekam er Ärger mit der Gestapo, der er ein hochverräterisches Unternehmen nicht zur Anzeige gebracht hatte. Ende Juli 1946 erfolgte seine Wiederzulassung als Landgerichtsdirektor. Noch im selben Jahr wurde Rotberg zum Leiter der Abteilung Gesetzgebung und Rechtspflege im Justizministerium von RheinlandPfalz ernannt. Zwei Jahre später erhielt er die Stelle eines Senatspräsidenten beim OLG Koblenz, verblieb aber im Justizministerium. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz war es denn auch, die Rotberg für die leitende Stelle eines Ministerialdirektors im BMJ vorschlug. In einem Schreiben an den gerade ernannten Bundesminister der Justiz Dehler bekräftigte Ministerialdirigent Dr. Krüger vom Justizministerium in Koblenz, der Vorschlag erfolge im Einvernehmen mit den übrigen Ländern der französischen Zone, die eine »Kandidatur dieses Ranges aus ihrem Personalbestand nicht vorzubringen« hätten.165 Der Justizminister in Stuttgart, Josef Beyerle, unterstütze den Vorschlag ebenfalls nachhaltig. Krüger nannte gegenüber Dehler sodann die wichtigsten Daten zum beruflichen Werdegang Rotbergs, die sehr guten Examensergebnisse eingeschlossen. Ferner betonte er Rotbergs Tätigkeit als Hilfsarbeiter im Preußischen Justizministerium wie auch das allseits anerkannte Wirken als Leiter der Gesetzgebungsabteilung im rheinland-pfälzischen Justizministerium: Der Vorgeschlagene sei »durch die harte Schule des preussischen Justizministeriums gegangen« und habe seine dort erworbene ministerielle Erfahrung beim Aufbau des Koblenzer Justizministeriums zur Verfügung gestellt; im Wesentlichen sei es ihm zu verdanken, dass die Gesetzgebung des Landes Rheinland-Pfalz all165 Ministerialdirigent Dr. Krüger an den BMdJ Dr. Dehler v. 20.9.1949, in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41 – R 10), Beiakte Justizministerium Rheinland-Pfalz, Bd. III , Bl. 231–233, Zitat Bl. 231.

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gemein anerkannt und »zum Teil sogar richtungweisend« gewesen sei.166 Aber auch die politische Belastung Rotbergs verschwieg Krüger nicht und führte die Mitgliedschaft in der NSDAP seit 1942 an. Einschränkend hieß es, seine politische Gegnerschaft zum Nationalsozialismus habe ihn, Rotberg, mit der Gestapo in Konflikt gebracht. Aktuell sei der Vorgeschlagene parteipolitisch nicht gebunden. Allerdings behauptete Udo Wengst später, Rotberg habe – genau wie der Leiter der Abteilung IV Walter Roemer – der CDU / C SU nahegestanden.167 Am Ende des Schreibens bot Krüger noch die Übersendung der Personalakten Rotbergs an und betonte, auch für eine mündliche Unterredung zur Verfügung zu stehen. Rotberg selbst sei ebenso bereit, sich auf Verlangen des BMJ in Bonn vorzustellen. Im Bundesministerium der Justiz wurde der Vorschlag aus Koblenz wohlwollend aufgenommen. In seiner Antwort an Ministerialdirigent Krüger bemerkte Dehler, er habe Staatssekretär Strauß damit beauftragt, sich mit Krüger in Verbindung zu setzen, »um die Frage der Berufung von Herren Ihres Landes in den Dienst der Bundesjustiz zu besprechen.«168 Folglich hatte man im BMJ zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Kandidaten aus Rheinland-Pfalz für verschiedene Posten ins Auge gefasst. So verwundert es auch nicht, wenn Dehler betonte, er lege besonderen Wert darauf, geeignete Mitarbeiter aus der bisherigen französischen Zone zu gewinnen. Insofern war sich der Minister darüber im Klaren, dass Beamte aus den Ländern jener Zone im Bonner Justizministerium bislang völlig unterrepräsentiert waren. Ob die letztliche Initiative bei der Entscheidung des Bundesjustizministeriums für Rotberg als Abteilungsleiter für Strafrecht eher auf Dehler oder eher auf Strauß zurückzuführen ist, kann anhand der Aktenlage nicht geklärt werden. Angesichts der ministeriellen Vorerfahrung Rotbergs und der sehr günstigen Beurteilung seiner fachlichen Qualitäten ist es unwahrscheinlich, dass in dieser Personalsache eine Uneinigkeit zwischen Minister und Staatssekretär bestand. Am 1. Februar 1950, also nur wenige Tage nach dem Kollegen Petersen, trat Rotberg seinen Dienst im BMJ an. Im Zuge der folgenden Ernennung zum Ministerial­dirigenten hatte das Bundesinnenministerium einige Nachfragen, die in Rotbergs früherer NSDAP-Mitgliedschaft wurzelten. In der Kabinettssitzung vom 31. August 1950 war nämlich die später noch ausführlich zu behandelnde Richtlinie vereinbart worden, dass die leitenden Positionen in den Bundesministerien wie Abteilungsleiterstellen in der Regel nicht mit früheren Parteigenossen zu besetzen seien.169 Daraufhin sandte das BMJ in Gestalt von Minister Dehler 166 Ebd., Bl. 232. 167 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 166. Allerdings nennt Wengst keine Quelle für diese Aussage. 168 Der BMdJ an Ministerialdirigent Dr. Krüger v. 5.10.1949, in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41  – R 10), Beiakte Justizministerium Rheinland-Pfalz, Bd. III , Bl. 230. 169 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Vergangenheitspolitische Beschlüsse und Richtlinien des Bundeskabinetts«.

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einen viereinhalbseitigen Brief an den Innenminister. Der Zweck war klar: Rotbergs »formale Zugehörigkeit zur NSDAP sollte aus den nachfolgend dargelegten Gründen m. E. seiner Betrauung mit einer Abteilungsleiterstelle nicht entgegenstehen.«170 Mit zahlreichen Beispielen aus den Personalakten Rotbergs unterlegt, versuchte Dehler, die eigentliche Gegnerschaft seines Beamten zum Nationalsozialismus glaubhaft zu machen. Dabei führte er den zunächst erhobenen Einspruch der NSDAP gegen die Beförderung Rotbergs zum Landgerichtsdirektor ebenso an wie seine Absetzung als Vorsitzender eines Schöffengerichts auf Weisung des Gauleiters. Auch auf den in den Personalakten dokumentierten Fall des Regierungsrats Dr. Otto Weiß, eines Schulfreundes Rotbergs, der wegen Hochverrats angeklagt und vom Volksgerichtshof später zum Tode verurteilt worden war, wies der Justizminister hin. Damals sei Rotberg nur mit Mühe einer Anklage wegen unterlassener Anzeige eines Hochverrats entkommen. Allerdings drohte ihm die Gestapo mit der Anwendung »schärfster staatspolitischer Maßnahmen«, falls er erneut in staatspolitischer Hinsicht in Erscheinung treten sollte.171 Ferner verwies Dehler auf die Nachteile, die Rotberg in jener Zeit trafen: von der Ablösung als Leiter einer Referendararbeitsgemeinschaft über das vorzeitige Ende seines Lehrauftrags an der Universität Bonn bis hin zur Aufhebung der ihn betreffenden Unabkömmlichkeitsstellung, wodurch Rotberg im Oktober 1944 zur Wehrmacht eingezogen wurde. In der Nachkriegszeit, so Dehler weiter, hätten die Amerikaner Rotberg, der an dritter Stelle einer Überwachungsliste der Gestapo gestanden hatte, beinahe zum Präsidenten des Landgerichts gemacht. Dieses Vorhaben scheiterte lediglich daran, dass der Betreffende damals noch im Lazarett war. Die französische Besatzungsmacht willigte sodann in die Berufung Rotbergs zum Landgerichtsdirektor ein. Des Weiteren berichtete der Bundesminister der Justiz, wie er auf Rotberg aufmerksam gemacht worden sei und wie er »durch genaues Studium der Personalakten und durch persönliche Erkundigungen, namentlich auch bei Herrn Dr. Süsterhenn, dem Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz, [sich] vergewissert zu haben glaubte, daß der formalen Zugehörigkeit Dr. Rotbergs seit 1942 zur Partei seine aus den Personalakten selbst beweisbare dauernde negative Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und seine Bemühungen entgegenstanden, ihm [dem Nationalsozialismus] in seiner rechtsprechenden Tätigkeit und seiner Beteiligung an Widerstandsversuchen entgegenzutreten.«172 Dehler schloss mit der Bemerkung, er trage unter den dargelegten Umständen 170 Der BMdJ an den BMdI v. 5.10.1950 betr. Ernennungsvorschlag des Senatspräsidenten Dr. Rotberg (vertraulich), in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41 – R 10), Bl. 22–26, Zitat Bl. 22. 171 Ebd., Bl. 24. In der Abschrift der protokollierten Warnung Rotbergs durch die Gestapo ist davon abweichend von »staatspolizeiliche[n] Maßnahmen« die Rede. Siehe dazu das Gestapo-Protokoll v. 29.6.1944, in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41  – R 10), Beiakte OLG Köln, Bl. 139. 172 Der BMdJ an den BMdI v. 5.10.1950 betr. Ernennungsvorschlag des Senatspräsidenten Dr. Rotberg (vertraulich), in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41 – R 10), Bl. 25 f.

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keine Bedenken, dass sich die Ernennung Rotbergs zum Ministerialdirigenten und Abteilungsleiter im Rahmen der Erörterungen in der Kabinettssitzung vom 31. August 1950 halte.173 Dass Staatssekretär Strauß das Schreiben mittrug, beweist sein Kürzel am Ende des Briefentwurfs. Letztlich gab sich das Innenministerium mit den Erklärungen Dehlers zufrieden; Hinweise auf weitere Nachfragen finden sich jedenfalls nicht. Als Rotberg Mitte der sechziger Jahre in Zeitungsartikeln erneut seine NS -Vergangenheit vorgehalten wurde, wandte sich Walter Strauß an seinen ehemaligen Abteilungsleiter und sicherte diesem seine Unterstützung zu. Im Herbst 1949 habe er, so Strauß, vor der Einstellung Rotbergs dessen Personalakten »genau geprüft«  – mit dem Ergebnis, dass der Kandidat »vollkommen einwandfrei« sei. Insbesondere habe er Rotbergs Verhalten in der Angelegenheit des Herrn Weiß »verstanden und gebilligt«, da ihm aus seiner eigenen »oppositionellen Stellung« die Verhältnisse jener »unseligen Zeit« noch genauestens gegenwärtig gewesen seien.174 Lange blieb Rotberg jedoch nicht Abteilungsleiter im Bonner Jusitzministerium. Am 1. April 1952 stimmte das Bundeskabinett seiner Ernennung zum Bundesrichter zu; nur ein knappes Jahr später wurde er bereits zum Senatspräsidenten am Bundesgerichtshof befördert, was er bis zu seiner Pensionierung 1969 auch blieb. Während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter im Bonner Justizministerium hatte Rotberg die Einrichtung eines Referats für politische Strafsachen im BMJ für die Zeit angeregt, wenn der Bundesgerichtshof eröffnet sein würde.175 Zur Begründung verwies er auf die Tatsache, dass beim Reichsjustizministerium ein solches Referat existiert habe. Später schloss sich der Kreis insofern, als Rotberg von 1963 bis 1966 dann ausgerechnet dem Dritten Strafsenat vorsaß, der für Staatsschutzdelikte zuständig war. c)

Dr. Günther Joël

Den Abteilungsleiter für Handels- und Gesellschaftsrecht Günther Joël (Jahrgang 1899) brachte Staatssekretär Strauß aus dem Rechtsamt mit ins BMJ. Wie oben bereits erwähnt, fungierte Joël – zunächst als Ministerialrat, sodann als Ministerialdirigent  – im Rechtsamt als Stellvertreter des Leiters Strauß. Zuvor hatte Joël unter dem stellvertretenden Direktor Strauß in der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt am Main gearbeitet, und zwar als Ministerialrat, nachdem er schon in deren Vorgängerinstitution, dem Zentralamt für Wirtschaft in Minden, als Abteilungsleiter tätig gewesen war. Bereits seit Mai 1946 173 Ebd., Bl. 26. 174 Strauß an Rotberg v. 26.11.1965, in: BMJ -Personalakte Hans Eberhard Rotberg (P 41 – R 10), Bl. 49. 175 Vermerk von Winners von Oktober 1950, in: BMJ, Generalakten Personal Allg. Bundesjustizministerium, Az. 230 BMJ – Allg. 1, Bd. 1.

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hatte Joël in britischen Diensten gestanden, zunächst als stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung des Deutschen Wirtschaftsrats bei der Britischen Kontrollkommission. Als Joël ins Bundesjustizministerium kam, konnte er somit vielseitige Erfahrungen in Leitungspositionen vorweisen. Hinzu kam noch ein persönliches Moment: Der Vater von Günther Joël war der auch von Walter Strauß bewunderte ehemalige Reichsminister der Justiz in der Weimarer Republik Curt Joël. Während des Nationalsozialismus hatte Günther Joël als »Mischling I. Grades« mit Ausnahme der Deutschen Arbeitsfront keiner NS -Organisation angehört und war damit unbelastet. Bereits vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte er eine Tätigkeit als Syndikus bei der Dresdner Bank in der Reichshauptstadt aufgenommen, wo er bis 1946 wirkte; Berlin war denn auch der Lebensmittelpunkt des gebürtigen Hannoveraners. Zudem war er dort seit 1929 als Anwalt zugelassen. Aus dem Deutschen Anwaltsverein wurde Joël wegen der jüdischen Abstammung der Familie seines Vaters zwar entfernt, konnte seine Stellung als Syndikus der reichsnahen Bank jedoch aufrechterhalten. Ursächlich dafür war jene Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933, von der auch Walter Strauß profitiert hatte. Als Frontteilnehmer des Ersten Weltkrieges blieb er aber – anders als Strauß, der »zur Vereinfachung der Verwaltung« in den Ruhestand versetzt wurde – von der Entlassung verschont. Ein beruflicher Aufstieg blieb ihm allerdings ebenso verwehrt wie die Zulassung als Notar. Dem Versuch der Gestapo, ihn zum für sogenannte Mischlinge und jüdisch Versippte vorgesehenen Sonderdienst in der paramilitärischen Bauformation »Organisation Todt« heranzuziehen, habe er sich, so Joël nach Ende des Krieges, »nur durch besondere Umstände und Hilfeleistungen« entziehen können.176 Am 26. September 1949, gleichsam mit Gründung des BMJ, wurde Joël vom Rechtsamt an das Bonner Justizministerium abgeordnet. Gemeinsam mit Georg Petersen bildete er gewissermaßen die Fraktion der Rechtsanwälte unter den Abteilungsleitern, woran sich Strauß auch viele Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Ministerialdienst noch erinnerte.177 Nachdem der erste reguläre Bundeshaushalt verabschiedet worden war, wurde Joël im September 1950 die Ernennungsurkunde zum Ministerialdirektor ausgehändigt. Wie in der Anfangszeit üblich, wurde die Ernennung rückwirkend – in diesem Fall sogar mit Wirkung vom 1. Oktober 1949 – ausgesprochen. Mehr als ein Jahrzehnt später, im Herbst 1962, als Staatssekretär Strauß wegen seiner Rolle in der Spiegel-­ Affäre zunehmend unter Druck geriet, wurde Joël ab dem 6. November 1962 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragt. Diese Aufgabe

176 Joël an Dr. Behnke v. 30.6.1948, in: BMJ -Personalakte Günther Joël (P 11 – J 7), Bd. 1, Bl. 31–33, hier Bl. 33. 177 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280.

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erfüllte er nach dem Urteil des neuen Ministers Ewald Bucher so gut, dass er Joël zum Nachfolger von Strauß als Staatssekretär gemacht hätte, wenn dem nicht die Tatsache entgegengestanden hätte, dass die drei Jahre vor der Altersgrenze liegende Beförderungsgrenze beim Ausscheiden von Strauß bereits überschritten war. Gleichsam als Trostpflaster regte Bucher an, Joël bei seinem Ausscheiden diejenige Stufe des Verdienstordens der Bundesrepublik zu verleihen, die für ausscheidende Staatssekretäre vorgesehen sei.178 Doch Joël lehnte es ab, einen Orden anzunehmen.179 Beim Eintritt in den Ruhestand war er der dienstälteste unter den vier ersten Abteilungsleitern im BMJ. Im Begleitschreiben zur Ruhestandsurkunde bemerkte Minister Bucher schließlich, Joël habe »in nimmermüder Hingabe« der Justiz vorbildlich gedient, »getreu der Tradition, die Ihnen Ihr Herr Vater, der langjährige Staatssekretär des Reichsjustizministeriums und spätere Reichsjustizminister, vermittelt hat.«180 Beinahe wäre er in die Fußstapfen sowohl seines Vaters als auch seines langjährigen Vorgesetzten getreten. Letztlich kam Joël aber nicht über die seit der gemeinsamen Zeit im Rechtsamt ausgeübte Rolle als Stellvertreter von Walter Strauß hinaus. d)

Walter Roemer

Im Zusammenhang mit der Debatte um die Besetzung des Stellvertreterpostens im Rechtsamt war bereits die Rede von Walter Roemer. Damals hatte Strauß den Eindruck erweckt, er sehe Roemer durchaus als geeigneten Kandidaten für das Amt an. Insofern ist die Tatsache, dass die Wahl für den Leiter der für Öffentliches Recht und Völkerrecht zuständigen Abteilung IV im BMJ auf Roemer fiel, nicht allzu verwunderlich. Zudem hatte Roemer mächtige Fürsprecher in der bayerischen Landespolitik, und auch der Kronjurist der SPD, Adolf Arndt, setzte sich für ihn ein – Roemer war also kein Unbekannter, als er ins BMJ kam. Geboren 1902 in Speyer, hatte Roemer seine berufliche Laufbahn ausschließlich in Bayern verbracht. Nach einer zeitweiligen Beschäftigung im dortigen Staatsministerium der Justiz war er lange Jahre als Erster Staatsanwalt und Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I tätig. Sein Zuständigkeitsbereich umfasste sowohl die Jugendstaatsanwaltschaft als auch das gesamte Gnaden- und Vollstreckungswesen. Der NSDAP, SS oder SA hatte Roemer im Gegensatz zu einigen untergeordneten NS -Organisationen nicht angehört. Dies erklärt auch, warum er nach 1945 als vom Befreiungsgesetz nicht betroffen eingestuft wurde. Seine Rolle als Vollstreckungsstaatsanwalt während des Dritten Reiches hat allerdings vielfach zu Angriffen gegen ihn geführt.181 178 Vermerk von BMdJ Bucher v. 17.5.1963, in: BMJ -Personalakte Günther Joël (P 11 – J 7), Bd. 2, Bl. 251. 179 Vermerk von Dr. Kern v. 2.3.1964, in: Ebd., Bl. 258. 180 BMdJ Bucher an Joël v. 23.10.1964, in: Ebd., Bl. 270a. 181 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 346.

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Nach dem Ende des Krieges kehrte Roemer ins Bayerische Staatsministerium der Justiz zurück. Ab Juli 1949 war er außerdem Mitglied des Verwaltungsrats der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt; ferner wirkte er als Mitglied des Deutschen Juristentages und deren ständiger Deputation. Als letzter der vier ersten Abteilungsleiter fand er schließlich den Weg ins BMJ, wo er am 1. August 1950 seinen Dienst antrat. In Bayern ließ man Roemer nur schweren Herzens ziehen. So schrieb Staatssekretär Dr. Konrad vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz an Dehler, er werde Roemer »schwer vermissen«, sehe aber ein, dass der Dienst im Bundesjustizministerium vorgehe.182 Mit Urkunde vom 30. August 1950 wurde Roemer zum Ministerialdirektor ernannt und mit Wirkung vom 1. August in die entsprechende Planstelle eingewiesen. Ebenso wie sein Kollege Joël – und insgesamt sogar länger als dieser – verblieb Roemer noch nach dem Ausscheiden von Staatssekretär Strauß 1963 als Ministerialdirektor im Bonner Justizministerium. Für die leitende Tätigkeit im BMJ brachte Roemer »besondere Erfahrungen« aus seiner Beschäftigung im Bayerischen Staatsministerium der Justiz mit, wie es im Antrag des Bundesjustizministeriums zur Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand am 12. Juni 1967 hieß.183 Zur Begründung des Antrages wurde die maßgebliche Beteiligung des langjährigen Abteilungsleiters an den Arbeiten zur Notstandsverfassung angeführt. Außerdem sei Roemers Abteilung in das Vorhaben der Verfassungsreform eingebunden. Ein Nachfolger für den Minis­ terialdirektor stehe zudem nicht zur Verfügung. Der Antrag des BMJ wurde bewilligt; Roemer schied erst mit Ablauf des 31. August 1968 aus. Auch danach erinnerte man sich im Ministerium seiner Verdienste. Wie es allgemein üblich war, erhielt Roemer zu seinen runden Geburtstagen Glückwunschschreiben des alten Arbeitgebers. In fast überschwänglichen Tönen würdigte das BMJ den Ministerialdirektor a. D. anlässlich dessen achzigsten Geburtstages: So sei Roemer in führender Stelle an der gesamten Gesetzgebungstätigkeit von 1950 bis 1968 und damit »maßgebend an der Schaffung unseres Rechtsstaats« beteiligt gewesen. Durch seine Mitwirkung in den Beratungen der Ressorts, in den Ausschüssen der gesetzgebenden Körperschaften und in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht habe er »den Ruf des Bundesjustizministeriums als Verfassungsressort begründet und persönlich bei allen diesen Gremien hohes Ansehen erlangt.«184 Welche Schlüsse können nun im Ganzen gezogen werden, was die Auswahl der ersten Abteilungsleiter für das BMJ betrifft? Auffällig erscheint, dass in Bezug 182 Staatssekretär Konrad an den BMdJ Dehler v. 5.6.1950, in: BMJ -Personalakte Walter Roemer (P 11 – R 12), Bl. 1. 183 Der BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 12.6.1967, in: BMJ -Personalakte Walter Roemer (P 11 – R 12), Bl. 109–112, hier Bl. 111. 184 Vorschlag für ein Glückwunschschreiben des BMJ zum 80. Geburtstag von Walter Roemer v. 17.8.1982, in: BMJ -Personalakte Walter Roemer (P 11 – R 12), unpag. Bl.

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auf die Landsmannschaft der Spitzenbeamten eine weitgehende Ausgewogenheit festzustellen ist. An späterer Stelle wird von landsmannschaftlichen Erwägungen als einem Baustein der Personalpolitik noch ausführlicher die Rede sein.185 Die Abteilungsleiter symbolisierten zudem die drei westlichen Besatzungszonen: Während Petersen nach 1945 in der britischen Zone aktiv war, verkörperten Rotberg die französische und Roemer die amerikanische Zone; Joël mit seinem Lebensmittelpunkt Berlin war in dieser Hinsicht – wie die Stadt im Kalten Krieg selbst – ein Sonderfall. Eine ähnliche Ausgewogenheit ist bei der Konfession zu beobachten. Da in der frühen Bundesrepublik, zumal in der Ära Adenauer, die Frage der Konfession eine wichtige Rolle spielte, ist es von Bedeutung, dass zwei der Abteilungsleiter (Petersen, Joël) evangelisch, die anderen beiden (Rotberg, Roemer) katholisch waren. Ob die konfessionelle Parität seitens des Ministers und seines Staatssekretärs intendiert war oder nicht, geht aus den Akten nicht hervor. Dennoch ist es vor dem Hintergrund der Bedeutsamkeit konfessioneller Fragen in den fünfziger Jahren wahrscheinlich, dass jenes Gleichgewicht bewusst herbeigeführt wurde. Der genauere Blick auf die Auswahl der Abteilungsleiter hat gezeigt, dass die bisher vorherrschende Meinung von der Durchsetzungsfähigkeit von Dehler gegenüber Strauß in dieser Frage korrigiert werden muss. Zumindest die Berufung von Roemer, wahrscheinlich aber auch diejenige Rotbergs, geschahen eher in beiderseitigem Einvernehmen denn in Zank und Streit. Dass Dehler an Petersen besonders gelegen war und Joël mit Strauß ins BMJ kam, komplettiert das Bild insofern, als es bei der Auswahl der Abteilungsleiter keinen eindeutigen Sieger, im Sinne von Minister oder Staatssekretär, gab.

1.7 Die Berufung von Dr. Hans Winners zum Personalreferenten Minister Dehler hatte den 1911 geborenen Hans Winners frühzeitig als Refe­ renten zur Bearbeitung der Personalsachen ins Auge gefasst. Im Juli 1950 äußerte er gegenüber Dr. Anton Konrad, dem Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Justiz, für jene Aufgabe wolle er jemanden haben, »der mein Vertrauen besitzt und auf den ich mich verlassen kann«.186 Gleichzeitig bat er darum, Winners möge vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz zum Oberlandesgerichtsrat befördert und dann sogleich an das BMJ abgeordnet werden. Dehler argumentierte dabei nicht nur mit den Leistungen von Winners, sondern auch mit Artikel 36 GG , der die landsmannschaftliche Ausgewogenheit in der 185 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Der Disput um die Auslegung des Artikels 36 GG « sowie den unter I.3 folgenden Abschnitt »Landsmannschaftliche Ausgewogenheit«. 186 Minister Dehler an Staatssekretär Konrad v. 27.7.1950, in: BMJ -Personalakte Hans Winners, Beiakte OLG Bamberg, Bl. 125 f.

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Bundesverwaltung festschreibt.187 So biete die Abordnung für die b ­ ayerische Justizverwaltung eine Chance, ihren Einfluss im BMJ zu stärken. In seiner Antwort an Dehler ließ Staatssekretär Konrad den Minister wissen, dass er dem bayerischen Justizminister die Beförderung und Abordnung von Winners vorschlagen werde.188 Zugleich gab er zu erkennen, dass Winners selbst eine Verwendung in Bonn ursprünglich gar nicht angestrebt habe, nun aber dem Wunsch von Minister Dehler und Herrn Dr. Geiger entsprechen wolle. Im gegenseitigen Einvernehmen wurde Winners am 1. September 1950 zum Oberlandesgerichtsrat befördert und mit Wirkung vom selben Tage an das Bundesjustizministerium abgeordnet. Kurz zuvor, nämlich Ende August, hatte Dehler im Anschluss an eine Unterredung mit seinem Staatssekretär an Strauß geschrieben, er habe das Bayerische Staatsministerium der Justiz gebeten, Oberlandesgerichtsrat Dr. Winners zur Dienstleistung ans BMJ abzuordnen.189 Dort, im Justizministerium, solle Winners als Dehlers »weiterer persönlicher Referent und als Referent in der Zentralabteilung« eingesetzt werden. Ferner beschrieb der Minister stichwortartig den näheren Aufgabenbereich von Winners: Angelegenheiten der Beamten des Ministeriums, der Bundesgerichte und des Patentamts; Dienstaufsicht und Arbeitseinteilung hinsichtlich der Beamten im Ministerium; soweit es Beamte des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes betrifft, im Benehmen mit Referat Z 4; Unterstützungsangelegenheiten von Angehörigen des Ministeriums; Dienstaufsichtsbeschwerden.190 Die Note Dehlers vom 26. August 1950 belegt die zentrale Stellung, die der Minister von Beginn an Winners in Personalsachen zugedacht hatte. Mit Wirkung vom 1. September trat die Änderung der Geschäftsverteilung in Kraft; außerdem erhielt Winners noch die Zuständigkeit für das Archiv des BMJ.191 Die Berufung von Winners zum Personalreferenten bedeutete nicht zuletzt eine Entlastung für das Führungsduo aus Minister und Staatssekretär im personalpolitischen Tagesgeschäft. Fast ein Jahr nach Gründung des Bundesjustizministeriums begann sich auf diesem Gebiet etwas wie Normalität auf der Rosenburg einzustellen. Neben den oben genannten Zuständigkeiten gehörten zu den Aufgaben des von Winners geleiteten Personalreferats die Behandlung allgemeiner Bewerbungsgesuche, die Wahrnehmung der Aufgaben der obersten Dienstbehörde nach dem Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialisti­ schen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes, Einzelsachen nach 187 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Der Disput um die Auslegung des Artikels 36 GG «. 188 Staatssekretär Konrad an Minister Dehler v. 14.8.1950, in: BMJ -Personalakte Hans Winners, Beiakte OLG Bamberg, Bl. 127. 189 Note von Dehler an Strauß v. 26.8.1950, in: AdL, Bestand Thomas Dehler, N1–2212. 190 Ebd. 191 Der BMdJ v. 29.8.1950: Änderung der Geschäftsverteilung mit Wirkung v. 1.9.1950, gez. Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 152, Bl. 9 f.

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dem Gesetz zu Artikel 131 GG192 sowie das Personalaktenarchiv des früheren Reichsjustizministeriums.193 Im Prozess der Rekrutierung des Personalreferenten verhielt sich Strauß eher passiv  – bei der Intention Dehlers (jemand, »der mein Vertrauen besitzt und auf den ich mich verlassen kann«) wenig überraschend. Doch woher rührte das Vertrauen von Dehler in Winners? Die beiden Juristen kannten sich schon aus früheren Zeiten. In der Begründung der Entlastung von Winners durch die Spruchkammer III Bamberg-Stadt vom 31. Mai 1947 wurde denn auch auf die Aussagen des Zeugen Dehler verwiesen.194 Am Sondergericht Bamberg waren beide einst aufeinander getroffen. Während Winners als Vertreter der Anklage agierte, nahm Dehler die Stellung eines Verteidigers ein. Es war also dieselbe Konstellation wie im Verhältnis zwischen Geiger und Dehler. Letzterer gab später zu Protokoll, dass er in einem Fall gemeinsam mit Winners zugunsten der Angeklagten gewirkt habe. Auch im Fall des angeklagten Rechtsanwalts Hans Wölfel hätten beide demselben bei der Planung der Flucht geholfen und ihn versorgt. Selbst als das vom Volksgerichtshof gefällte Todesurteil gegen Wölfel vorlag, habe ihn Winners bei der Abfassung eines Gnadengesuchs unterstützt, so wurde Dehlers Aussage wiedergegeben. Zum Zeitpunkt des Kriegsendes war Winners bei der Staatsanwaltschaft in Bamberg tätig. Am 28. Mai 1945 wurde er, nun freilich von der Militärregierung, zum Leiter jener Staatsanwaltschaft ernannt. Beinahe ein Jahr lang hatte er diese Tätigkeit ausgeübt, als er am 11. April 1946 durch die amerikanische Militärregierung entlassen wurde  – offenbar wegen seiner NS -Belastung. Jedenfalls schrieb Dehler in seiner Eigenschaft als Generalstaatsanwalt beim OLG Bamberg und damit als Vorgesetzter von Winners am 18. April 1946 an das Bayerische Staatsministerium der Justiz, belastend erscheine Winners’ frühere Tätigkeit als Staatsanwalt bei der Anklagebehörde beim Sondergericht. Allerdings fügte Dehler hinzu: »Nach dem einmütigen Urteil der Bamberger Anwaltschaft hat Dr. Winners bei seiner Amtsführung als Anklagevertreter vor dem Sondergericht Bamberg sich überaus massvoll verhalten und sich unter erheblicher Gefahr für seine eigene Person für die Abwendung nationalsozialistischen Unrechts von den Angeklagten eingesetzt.«195 Nur wenige Wochen nach seiner Entlastung durch die Spruchkammer III Bamberg-Stadt vom 31. Mai 1947 wandte sich Winners an das Bayerische Staats192 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Das Gesetz zu Artikel 131 GG «. 193 Organisations- und Stellenplan des BMJ für das Rechnungsjahr 1951 v. 15.9.1951, Anlage zum 2. Nachtrag des Bundeshaushaltsplans 1951, Einzelplan VII , Kapitel 1, in: IfZArch, ED 94, Bd. 151, Bl. 64–89, hier Bl. 66 f. 194 Die Spruchkammer III Bamberg-Stadt: Spruch im schriftlichen Verfahren, 31.5.1947 (Abschrift), in: BMJ -Personalakte Hans Winners, Beiakte OLG Bamberg, Aktenheft [zu Bl. 120] betr. Gesuch des Amtsgerichtsrats Dr. Hans Winners, Bamberg um Wiederverwendung. 195 Der Generalstaatsanwalt beim OLG Bamberg an das Bayerische Staatsministerium v. 18.4.1946 betr. Amtsgerichtsrat Dr. Hans Winners, in: Ebd.

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ministerium der Justiz und bat um Wiederbeschäftigung im Justizdienst als Amtsgerichtsrat in Bamberg.196 Seinem Ansinnen war Erfolg beschieden; seit dem 16. Dezember 1947 konnte er wieder als Amtsgerichtsrat in Bamberg wirken. Thomas Dehler, inzwischen Präsident des dortigen Oberlandesgerichts, hatte die Wiedereinstellung von Winners in der früheren Besoldungsgruppe befürwortet.197 Bis er mit Wirkung vom 28. September 1949 an das OLG Bamberg abgeordnet wurde – im Übrigen gemeinsam mit seinem späteren Kollegen im Bundesministerium der Justiz, Amtsgerichtsrat Georg Elsenheimer  –, war Winners am Landgericht Bamberg als Streit- und Vollstreckungsrichter tätig.198 Ins Auge fällt, wie oft sich die Wege von Winners und Dehler gekreuzt haben. Dies betraf sowohl die Zeit des Nationalsozialismus als auch die Nachkriegszeit während der Besatzung und in der frühen Bundesrepublik. Doch auch, als Dehler die Rosenburg längst verlassen hatte, blieb er seinem alten Bamberger Kollegen verbunden. Das beweist ein in der BMJ-Personalakte von Winners enthaltener Vorgang aus dem Jahre 1964.199 Anlässlich der bevorstehenden Beförderung von Ministerialdirigent Winners zum Ministerialdirektor hatte den Bundeskanzler ein anonymes Schreiben erreicht, in dem auf Winners’ frühere Tätigkeit als Staatsanwalt beim Sondergericht Bamberg hingewiesen wurde. Nachdem Dehler davon über sein altes Ministerium Kenntnis erhalten hatte, setzte er ein Schreiben an den Kanzleramtschef und Bundesminister für besondere Aufgaben Dr. Ludger Westrick auf, um die Vorwürfe gegen Winners zu entkräften. Da er Winners fachlich wie menschlich besonders wertschätze, so der Justizminister a. D. gegenüber Westrick, habe er ihn damals in das BMJ berufen; er halte ihn »in jeglicher Hinsicht« der Beförderung zum Ministerialdirektor für würdig.200 Das Wort, das Dehler für ihn einlegte, mag dazu beigetragen haben, dass der Ernennung Winners’ zum Ministerialdirektor keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Von 1963 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1976 leitete Winners die Verwaltungsabteilung des BMJ.

196 Winners an das Bayerische Staatsministerium der Justiz v. 29.8.1947 betr. Wiederbeschäftigung im Justizdienst, in: Ebd. 197 Der OLG -Präsident in Bamberg an das Bayerische Staatsministerium der Justiz v. 11.10.1947 betr. den Amtsgerichtsrat Dr. Hans Winners, Bamberg. In: BMJ -Personalakte Hans Winners, Beiakte OLG Bamberg, Bl. 120. 198 Der OLG -Präsident an den LG -Präsidenten in Bamberg v. 26.9.1949 betr. Personalverhältnisse, in: Ebd., Bl. 124. 199 Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 131 f. 200 Dehler an den Bundesminister für besondere Aufgaben, Dr. Ludger Westrick, Bundeskanzleramt, v. 22.6.1964 betr. Beförderung des Ministerialdirigenten Dr. Hans Winners im Bundesministerium der Justiz, in: BMJ -Personalakte Hans Winners, Bl. 104 (im Umschlag). – Der versiegelte Umschlag trägt die Aufschrift: »Dieser Umschlag darf nur mit Genehmigung des Herrn Ministers oder Staatssekretärs geöffnet werden. [gez.] Bülow 3/7.64.« Zudem sei der Umschlag zu den Personalakten von Winners zu nehmen.

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1.8 Vom »Geist der Rosenburg« In seiner Ansprache zum Abschied von der Rosenburg am 17. September 1973, der Umzug in den Neubau in Bad Godesberg-Nord war fast abgeschlossen, hob Bundesjustizminister Gerhard Jahn drei Persönlichkeiten namentlich hervor, die die Arbeit der vergangenen 23 Jahre geprägt hätten: Thomas Dehler, Walter Strauß und Hans Winners. Ergänzend dazu bemerkte Minister Jahn: »Nicht im Organisationsplan – auch nicht in den späteren – verzeichnet war ein besonders wichtiger Mitarbeiter, der bereits ziemlich früh in unser Haus eintrat. Jeder kennt ihn, aber noch niemand hat ihn gesehen. Seine Handschrift ist in vielen Aktenstücken zu erkennen, aber sie ist mit unsichtbarer Tinte geschrieben. Es ist  – auch wenn unser Staatssekretär Dr. Erkel schon wiederholt heimlich an seiner Entlassung gearbeitet hat – der Rosenburggeist, der in ungetrübter Frische nun bald sein 25jähriges Dienstjubiläum feiern kann.«201 Tatsächlich wurde jener Geist der Rosenburg in vielen Ansprachen und Erinnerungen beschworen. Er kennzeichnet die Atmosphäre, die das Bundes­ ministerium der Justiz über viele Jahre hinweg prägte. Den Grundstein dafür legten vor allem Staatssekretär Strauß und Minister Dehler mit ihrer Aufbauarbeit. Nicht von ungefähr stellte der Registraturbeamte Alfred Steinert im Rückblick heraus: »Die fränkisch-preußische Auffassung von der Bewältigung der Aufgaben der ersten Jahre im Interesse der jungen Demokratie hat meines Erachtens den Geist des Hauses lange Jahre bestimmt.«202 Mit Blick auf Strauß betonte Steinert, es seien sicher die preußischen Vorstellungen von Pflichterfüllung, Gründlichkeit und Standhaftigkeit einerseits und die Loyalität dem Dienstherrn gegenüber und die kameradschaftliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander andererseits gewesen, die der erste Staatssekretär bei den Angehörigen des BMJ sich durchzusetzen bemühte und letztlich auch weitgehend durchgesetzt habe.203 Einen Einblick in die hohe Dienstauffassung von Walter Strauß gewährt eine Anekdote, die Steinert zu berichten wusste. Wohl auf Anregung des Staatssekretärs habe es im Dezember 1949 eine gemeinsame Weihnachtsfeier der noch am Standort des Rechtsamts in Frankfurt am Main ansässigen und der schon in Bonn tätigen Beamten des Justizministeriums gegeben. An diesem Abend, so Steinert, habe Strauß seinen damals schon bestehenden Ruf, ein unerbittlich dem Dienst verpflichteter Staatsdiener zu sein, sichtbar unter Beweis ge201 Abschied von der Rosenburg. Ansprache des Bundesministers der Justiz Gerhard Jahn beim Abschiedsfest am 17. September 1973, in: BArch B 141/74665. Die Räumlichkeiten der Rosenburg waren den Anforderungen des BMJ schon seit vielen Jahren – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht – nicht mehr gewachsen gewesen. Siehe dazu Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 175 f. 202 Steinert, Erinnerungen 1949–1953, S. 204. 203 Ebd.

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stellt: »Während ich gerade mit seiner ebenso jungen wie hübschen Sekretärin tanzte, erschien er schmalen und steinernen Gesichts auf der Tanzfläche und bat Frl. W., mich kaum zur Kenntnis nehmend, ihm zu einem Diktat zu folgen. Ich war ebenso enttäuscht wie eingeschüchtert. Meine Distanz zu unserem ersten Staatssekretär hat sich seit diesem Abend deutlich vergrößert. Aus persönlicher Erfahrung kann ich feststellen, daß Herrn St[aatssekretär] Dr. Strauß von der großen Mehrheit der Mitarbeiter sicher mit großem Respekt begegnet worden ist. Beliebtheit blieb ihm versagt.«204 Die Verdienste von Strauß waren jedoch allseits anerkannt im Bundesjustizministerium. Der berühmt-berüchtigte Eduard Dreher bescheinigte Strauß im Rückblick, »der zentrale Motor des Hauses« gewesen zu sein, der für ein vorzügliches Arbeitsklima gesorgt, wichtige Personalentscheidungen vorbereitet und die Kontinuität der gesamten Arbeit gesichert habe.205 Das positive Arbeitsklima im Hause würdigte auch Heinrich von Spreckelsen im Erinnerungsband des BMJ-Personalrats: »Das Gemeinschaftsgefühl im Amt gedieh durch die verständnisvolle Art, in der seine Leiter mit uns umgingen.«206 Ferner vermittelte der Beamte einen Eindruck vom Arbeitsalltag, wenn er anmerkte: »Sie [die Leiter] bestimmten die rechtspolitischen Linien, sprachen aber nur selten in Einzelheiten hinein und vertrauten ohne Drängen darauf, daß jeder Auftrag so bald erledigt würde, wie die Umstände erlaubten.« Während von Spreckelsen Minister Dehler ein freundliches Wesen zuschrieb, hob er mit Blick auf Strauß den ironischen Ton hervor, der dem Staatssekretär zu eigen gewesen sei. Dass diese Einschätzung durchaus berechtigt war, zeigt eine kleine Episode aus der Personalakte von Pressereferent Hans Thier. In einem Vermerk wurde dargelegt, dass Oberregierungsrat Thier beabsichtige, in der Ortschaft Pech ein Eigenheim zu errichten.207 Ministerialbürodirektor Erich Hage, an den der Vermerk gerichtet war, leitete ihn an Staatssekretär Strauß mit der Bitte weiter, die beiliegende Bescheinigung zu unterzeichnen  – jedoch nicht, ohne den Ortsnamen Pech in Anführungszeichen zu setzen. Strauß leistete die Unterschrift und schrieb mit dem roten Stift des Staatssekretärs neben das »›Pech‹« von Hage ein »Viel ›Glück‹!«.208 Die Episode offenbart, dass Pflichtbewusstsein und Ironie bei Walter Strauß keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille waren. Im Übrigen stimmte das Bild, das die Mitarbeiter von ihrem Staatssekretär hatten, mit dessen Selbstwahrnehmung überein. In einem Brief an drei

204 Ebd., S. 97. 205 Eduard Dreher, Erinnerungen an die Frühzeit des Bundesjustizministeriums, in: Personalrat des BMJ, Der Geist der Rosenburg, S. 15–30, hier S. 23. 206 Dieses und das folgende Zitat: Spreckelsen, Das Anfangsjahr im Bundesministerium der Justiz, S. 69. 207 Vermerk von Reichenberger für Hage v. 10.12.1954, in: BMJ -Personalakte Hans Thier, Bd. 1, Bl. 117. 208 Ebd. Angesichts der sonst recht nüchternen Beamtensprache in den Akten trug diese Bemerkung durchaus zur Erheiterung des forschenden Historikers bei.

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Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag schrieb Strauß einmal, wenngleich er mitunter aufbrause, so sei er doch nicht nachtragend, sondern eher von »ironischer Veranlagung«.209 Insgesamt wird deutlich, dass die Mitarbeiter des BMJ den beiden Führungsfiguren der Anfangszeit eine prägende Wirkung auf die Atmosphäre des Hauses – den Geist der Rosenburg – bescheinigten. Dieser Geist ist neben den besonderen Umständen der damaligen Zeit nicht zuletzt mit der Redensart »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne« zu erklären. In rückblickenden Äußerungen tritt das deutlich zutage. So bekräftigte Strauß gegenüber seinem ehemaligen Mitarbeiter und später dann als Bundesrichter am Bundesverwaltungsgericht in den Ruhestand tretenden Ulrich Kohlbrügge: »Ich werde unser gemeinsames Wirken in Bonn nicht vergeßen, wie überhaupt die ersten Jahre im Bundesjustizministerium in der Erinnerung aller, die daran beteiligt waren, besonders hell leuchten.«210 Es war, wie Strauß nicht müde wurde zu betonen, vor allem auch eine Zeit, in der enorm viel und unter großer Anspannung gearbeitet wurde – gerade auch im Vergleich zu der Zeit der Reichsministerien in Berlin, die er ja selbst miterlebt hatte. Dabei sei es, wie der Staatssekretär im Januar 1952 feststellte, ein Trost, dass das BMJ in seinen Mitarbeitern ausgezeichnete Kräfte habe, was auch allgemein anerkannt werde. Aber, so fügte der oberste Beamte hinzu, für alle Beteiligten habe ein Privatleben »vollständig aufgehört«.211 Die gemeinsame Arbeit an der Sache war damit ein nicht unerheblicher Wesenszug des auf der Rosenburg beheimateten Geistes.

2. Rahmenbedingungen für den personellen Aufbau des BMJ Es wäre verfehlt anzunehmen, Strauß und Dehler hätten völlig freie Hand in ihrer Personalpolitik gehabt. Vielmehr bekamen es der Staatssekretär und sein Minister von vornherein mit Rahmenbedingungen zu tun, die sie bei ihrer Aufbauarbeit im Bundesministerium der Justiz in Rechnung stellen mussten.

209 Strauß an die Abgeordneten Dr. Heinrich von Brentano, Matthias Hoogen, Dr. Heinrich Krone v. 22.5.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 212. 210 Strauß an Ulrich Kohlbrügge v. 14.11.1967, in: Ebd., Bd. 381. 211 Strauß an Dr. Josef Weisbart v. 26.1.1952, in: Ebd., Bd. 386, Bl. 50.

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2.1 Kommissionen mit personalpolitischem Bezug in der Gründungsphase der Bundesrepublik Bereits in der zweiten Kabinettssitzung nach Gründung der Bundesrepublik wurden die Minister Gustav Heinemann (Inneres) und Fritz Schäffer (Finanzen) damit beauftragt, mit Hans Globke (Rechnungshof des Landes NordrheinWestfalen) und Erich Keßler (Rechnungshof des Vereinigten Wirtschaftsgebiets) »der personellen Vorbereitung der Bundesarbeit wegen« weiter zu verhandeln.212 Zum Zeitpunkt dieses Beschlusses waren derartige Verhandlungen also schon im Gange. Außerdem wurden die Bundesminister ermächtigt, »das für die Arbeitsaufnahme zunächst dringend benötigte Personal vorläufig anzustellen.«213 Der Kreis der oben erwähnten Persönlichkeiten wurde später noch durch Hans Ritter von Lex ergänzt.214 Sowohl Globke als auch Ritter von Lex und Keßler hatten vor 1945 dem Reichsinnenministerium angehört. So gesehen verwundert es nicht, dass die Kommission215 bestrebt war, für die Arbeit in den Bundesministerien genügend ehemalige Ministerialbeamte zu gewinnen.216 Die Ergebnisse der Kommissionsarbeit dienten dem Kabinett als Grundlage für den organisatorischen und personellen Aufbau der Bundesministerien.217 Allerdings fehlt bisher ein Gesamtüberblick über die einzelnen Personalvorschläge, die die leitenden Positionen in den Ministerien vom Staatssekretär bis hin zu den Referenten umfassten, sodass es schwierig zu beurteilen ist, inwiefern jene Vorstellungen der Kommission tatsächlich zum Tragen kamen.218 Einen Einblick in die Arbeit der Runde gewährt ein Vermerk über die Besprechung im Bundesministerium der Finanzen vom 3. Oktober 1949. Im Punkt Organisation und Personalien wurde in aller Kürze auf die einzelnen Ministerien eingegangen. Zum Justizministerium hieß es lediglich: »Für die Leitung der Abteilungen sind 2 Ministerialdirektoren und 2 Ministerialdirigenten vorzu­ sehen.«219 Damit ging die Runde um Schäffer, Heinemann, von Lex, Gobke und Keßler auf Distanz zum Organisationsausschuss der Ministerpräsidenten212 2. Kabinettssitzung am 20. September 1949 TOP 3 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 213 Ebd. 214 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 138. 215 So bezeichnet sie Wengst. 216 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 177. 217 Ebd., S. 139. 218 Ebd., S. 138 f. m. Anm. 25 u. 26. In der Einleitung zu den Kabinettsprotokollen des Jahres 1949 der Edition Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online, Abschnitt 4 (Organisatorischer und personeller Aufbau der Bundesregierung), heißt es, man werde den von Globke und Keßler zusammengestellten Personallisten keine zu große Bedeutung beimessen dürfen. Siehe dazu: http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0111/k/k1949k/ kap1_1/para2_5.html (24.9.2015). 219 Vermerk über die Besprechung am 3.10.1949 im Bundesfinanzministerium, in: BArch B 136/4676.

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konferenz, der in seinen Empfehlungen über den Aufbau der Bundesorgane noch vier Ministerialdirektoren als Abteilungsleiter vorgesehen hatte.220 In einer von Globke, Keßler und von Lex unterzeichneten Stellungnahme zu den sogenannten Schlangenbader Empfehlungen vom 1. Oktober 1949 hieß es, wenigstens zwei Abteilungen sollten nur mit einem Dirigenten besetzt werden.221 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass im Reichsjustizministerium die Abteilung Öffentliches Recht immer nur von einem Ministerialdirigenten geleitet worden sei. Die Anzahl der Referenten im BMJ, die der Organisationsausschuss der Ministerpräsidentenkonferenz mit 21 bis 23 veranschlagt hatte, fand dagegen die Unterstützung Globkes und seiner Kollegen. Gründe hierfür seien die »Notwendigkeit, die Rechtszersplitterung zu beseitigen«, und die »sonst sich zunächst drängenden Aufgaben«. In Artikel 133 GG war vorgesehen, dass der Bund in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets eintrete. Damit einher gingen zahlreiche personelle Übernahmen in die Bundesverwaltung.222 Am 4. November 1949 setzte das Kabinett eine zweite Kommission ein, diesmal unter der Leitung von Walter Kriege, der einstmals im Reichsjustizministerium tätig gewesen war.223 Aus der Zeit vor 1945 kannte er Globke, zu dem er ein sehr enges Verhältnis besaß, und der wie Keßler ebenso der Kommission angehörte.224 Auf die Bedeutung, die Kriege mit seiner herausragenden Personalkenntnis für Staatssekretär Strauß im BMJ besaß, ist bereits verwiesen worden. Damit fungierte Kriege gleichsam als personalpolitisches Bindeglied zwischen Strauß und Globke. Die vordringliche Aufgabe des von der Bundesregierung eingesetzten Gremiums war es, die Überführung der zum Aufbau der Bundesministerien benötigten Teile der Verwaltungen nach Bonn vorzubereiten und die bisher in Frankfurt am Main tätigen Beamten und Angestellten auf ihre mögliche Verwendung in Bundesministerien hin zu überprüfen.225 Am 19. Januar 1950 legte die Kommission schließlich ihre Ergebnisse in Form eines Berichts vor.226 Darin 220 Empfehlungen des Organisationsausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz über den Aufbau der Bundesorgane (1949), in: Ebd. 221 Diese und die folgenden Angaben: Stellungnahme zu den Schlangenbader Empfehlungen v. 1.10.1949, in: BArch B 136/4676. 222 Dies barg allerdings auch Konfliktpotenzial in sich; siehe dazu den folgenden Abschnitt »Die Problematik der Übernahme von Personal aus Einrichtungen der Besatzungszonen«. 223 19. Kabinettssitzung am 4. November 1949 TOP B (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 224 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 140 m. Anm. 28. Dass Kriege ein sehr enges Verhältnis zu Globke hatte, basiert demnach auf einer persönlichen Mitteilung von Ernst Féaux de la Croix v. 11.2.1981 an Wengst. 225 19. Kabinettssitzung am 4. November 1949 TOP B (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). Vgl. Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 140 m. Anm. 29. 226 BArch B 136/4676, Bericht von Dr. Kriege, Dr. Globke, Dr. Keßler v. 19.1.1949. Vgl. dazu Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 140 f. m. Anm. 32. Wengst datiert den Bericht aus unerfindlichen Gründen auf den 17. Januar 1950.

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gingen die Autoren jedoch nur pauschal auf die personelle Komponente ein.227 Es wurde lediglich die Empfehlung gegeben, die Ministerien mit den leistungsfähigsten Kräften zu besetzen, »wie es dem Charakter der Zentralstellen der Verwaltung« entspreche.228 Im Ergebnis ist es aber so, dass trotz der grundsätzlichen Reserviertheit des Bundeskanzlers die meisten Ressorts überwiegend mit aus den bizonalen Verwaltungen stammenden Kräften aufgebaut wurden.229 Die Macht des Faktischen hatte gesiegt.

2.2 Die Problematik der Übernahme von Personal aus Einrichtungen der Besatzungszonen Die Frage der Übernahme von Bediensteten zonaler Behörden in die Bundesverwaltung verursachte zuweilen Meinungsverschiedenheiten, einerseits zwischen Bund und Ländern, andererseits zwischen den einzelnen Bundesministerien. Ein Streitpunkt war die Auslegung derjenigen Artikel des Grundgesetzes, die den Umgang mit den Zoneneinrichtungen und dem dazugehörigen Personal regelten. So hatte der Bundesrat in seiner Sitzung vom 9. Dezember 1949 die Einsetzung eines Überführungsausschusses beschlossen, der »die dem Bundesrat nach Art. 130  GG erwachsenen Rechte und Pflichten zu überwachen« habe.230 Die Mitglieder des Überführungsausschusses waren Minister Dr. Hilpert, Justizminister Dr. Katz als Vorsitzender, Staatsminister Dr. Pfeiffer, Minister Dr. Renner sowie Minister Dr. Süsterhenn. Der Überführungsausschuss trat also neben die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission, die wie erwähnt aus drei Mitgliedern bestand: Vizepräsident Dr. Globke, Ministerialrat Dr. Kriege sowie Ministerialrat Dr. Keßler.231 Den Bestrebungen des Bundesrats versuchte Staatssekretär Strauß Einhalt zu gebieten. In einem Vermerk vom 25. Januar 1950 betonte er, nicht dem Bundesrat, sondern der Bundesregierung stehe die Initiative bei der Überführung, Abwicklung oder Auflösung zonaler und bizonaler Einrichtungen zu.232 Was der 227 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 141. 228 Zit. n. ebd. 229 So lautet jedenfalls die Einschätzung in der Einleitung zu den Kabinettsprotokollen des Jahres 1949 der Edition Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online, Abschnitt 4 (Organisatorischer und personeller Aufbau der Bundesregierung). Siehe dazu: http:// www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0111/k/k1949k/kap1_1/para2_5.html (24.9.2015). 230 Der Präsident des Deutschen Bundesrates an den Bundeskanzler v. 16.12.1949 betr. Durchführung des Art. 130 GG (= Anlage zum Schreiben des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates an diverse zonale Behörden v. 21.1.1950 betr. Durchführung des Artikels 130 des Grundgesetzes), in: BArch B 141/826, Bl. 21 f., Zitat Bl. 21. 231 Der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates an diverse zonale Behörden v. 21.1.1950 betr. Durchführung des Artikels 130 des Grundgesetzes, in: BArch B 141/826, Bl. 16–20, hier Bl. 20. 232 Vermerk von Strauß v. 25.1.1950, Herrn Minister für die Besprechung im Kabinett vorgelegt, in: BArch B 141/826, Bl. 23.

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Überführungsausschuss des Bundesrats beabsichtige, sei mit der eher passiven Aufgabe der Zustimmung zu diesbezüglichen Erlassen der Bundesregierung nicht zu vereinbaren. Darauf sei, so Strauß, auch im Kabinett hinzuweisen. Außerdem – und das erscheint bemerkenswert – seien die Ermittlungsergebnisse und Vorschläge der von der Bundesregierung eingesetzten Dreier-Kommission im Bonner Justizministerium nicht bekannt. Auch sei die Kommission niemals wegen einer in den Zuständigkeitsbereich des BMJ fallenden zonalen Einrichtung an das Bundesministerium der Justiz herangetreten, was »zumindesten [sic!] unzweckmäßig« sei.233 Insofern gab es offenbar einen schwerwiegenden Mangel an Koordination wie auch an Kooperation zwischen den verschiedenen Kommissionen und den betroffenen Ministerien. Darüber hinaus stellte sich nach Gründung der Bundesrepublik für das BMJ wie für alle übrigen Bundesministerien die Frage der Übernahme weiterer Beamter, die in solchen Einrichtungen der Zonenverwaltung beschäftigt waren, die nicht ohne weiteres einem Ressort zugeordnet werden konnten. Das betraf insbesondere das Personalamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, das durch Kabinettsbeschluss vom 18. Oktober 1949 dem Bundesminister der Innern unterstellt worden war. Darauf wies der Staatssekretär im BMI , Ritter von Lex, in seinem Schreiben vom 8. Januar 1950 hin und bekräftigte in diesem Kontext die grundsätzliche Pflicht des Bundes, die Beamten des Personalamts zu übernehmen – auch für den Fall der Auflösung jener Behörde.234 Alle Bundesministerien sollten Beamte des Personalamts übernehmen. Dem Bundesminister der Justiz empfahl der Innenstaatssekretär die Übernahme von drei Beamten des höheren Dienstes, die allesamt Volljuristen seien: Ministerialrat Rosenthal-Pelldram, Regierungsdirektorin Dr. von Bila, die einst dem Hessischen Justizministerium angehört hatte, und Oberregierungsrat Dr. Hammerschlag.235 In seiner Antwort an das Innenministerium erklärte sich Staatssekretär Strauß bereit, die Übernahme des Ministerialrats Rosenthal-Pelldram zu prüfen, und forderte zu diesem Zweck dessen Personalakten an. Dagegen bestehe »keine Möglichkeit, die Regierungsdirektorin Dr. von Bila und den Oberregierungsrat Dr. Hammerschlag in meinem Dienstbereich zu verwenden.«236 Interessant erscheint, dass der Bundestagsabgeordnete Dr. Adolf Arndt (SPD) Bundesjustizminister Dehler in einem Brief vom 17. November 1949 auf Ministerialrat Dr. Rosenthal-Pelldram aufmerksam gemacht hatte, den er aus der Zeit vor 1933

233 Ebd., Bl. 21 (RS). 234 Der BMdI an den BMdJ (und alle anderen Bundesminister) v. 8.1.1950 betr. Verwaltungsangehörige des Personalamts des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, in: BArch B 141/826, Bl. 10–12, hier Bl. 10. 235 Ebd., Bl. 11. Aus der Anlage des Schreibens (Bl. 12) geht zudem hervor, dass es im Personalamt insgesamt 53 Beamte gab, wovon 16 dem höheren Dienst zuzuordnen waren. Im Ganzen belief sich die Zahl der Beschäftigten im Personalamt gar auf 91 Personen. 236 Der BMdJ an den BMdI v. 12.1.1950 betr. Verwaltungsangehörige des Personalamts des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, in: BArch B 141/826, Bl. 13.

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kannte.237 Arndt beschrieb ihn dabei als einen Juristen mit glänzenden Examina und einem Ruf als hervorragendem Staatsanwalt. Zwar sei er, RosenthalPelldram, während der NS -Zeit Staatsanwalt geblieben, doch sei er vom Befreiungsgesetz nicht betroffen, sprich unbelastet. Nach dem Krieg habe er als Leiter der Personalabteilung im Range eines Ministerialdirektors in der ostzonalen Justizverwaltung gearbeitet, sei dann aber aus politischen Gründen ausgeschieden und zum Personalamt in Frankfurt am Main gewechselt. Nachdem Arndt noch darauf hingewiesen hatte, dass Rosenthal-Pelldrams Vater Reichsgerichtsrat gewesen sei, schloss er mit der Bemerkung, er halte Herrn Rosenthal-Pelldram für »einen der befähigsten und tüchtigsten Juristen, besonders auf dem Gebiet der Strafrechtspflege.«238 Allerdings fügte Arndt handschriftlich noch hinzu, da er Rosenthal-Pelldram seit Monaten nicht gesehen habe, entziehe es sich seiner Kenntnis, ob der Betroffene überhaupt Neigung habe, nach Bonn zu kommen.239 Auf die erneute Anfrage des BMI240 zur Übernahme Rosenthal-Pelldrams teilte Staatssekretär Strauß dem Innenministerium am 10. Mai 1950 mit, dass in seinem Geschäftsbereich bedauerlicherweise keine Verwendungsmöglichkeit für den Ministerialrat bestehe.241 Doch damit gab sich das Innenressort nicht zufrieden, denn nur wenige Wochen später appellierte es erneut an den Bundesminister der Justiz, Ministerialrat Rosenthal-Pelldram sowie Oberregierungsrat Dr. Hammerschlag in den Dienst des BMJ zu übernehmen.242 Nochmals auf die grundsätzlich bestehende Übernahmepflicht hinweisend, drohte Abteilungsleiter Dr. Behnke vom BMI mit einer zwangsweisen Verteilung der noch nicht übernommenen Beamten auf alle Bundesbehörden, wenn es keine Einigung auf dem Verhandlungswege gebe. In diesem Zusammenhang gab Regierungsdirektor Brandl zu Protokoll, er habe gegenüber Ministerialrat Bauch vom BMI in keinem der Fälle eine Übernahme in Aussicht gestellt.243 Letztlich kam Rosen­ 237 Arndt an Dehler v. 17.11.1949 betr. Min.Rat Dr. Rosenthal-Peldram [sic!], z.Zt. Personalamt in Frankfurt / Main, in: BArch B 141/826, Bl. 8. 238 Ebd., Bl. 8 (RS). 239 Ebd. 240 Der BMdI an den BMdJ v. 14.4.1950 betr. Verwaltungsangehörige des Personalamts (VWG), hier: Min.Rat Rosenthal-Pelldram und Amtsrat Fritz Klinnert, in: BArch B 141/ 826, Bl. 60. 241 Der BMdJ an den BMdI v. 10.5.1950 betr. Verwaltungsangehörige des Personalamts, in: Ebd., Bl. 61. Auch die Übernahme des Amtsrats Fritz Klinnert, dem Bürodirektor des Personalamts, lehnte Strauß ab. 242 Der BMdI an den BMdJ v. 22.6.1950 betr. Verwaltungsangehörige des Personalamts, hier: Übernahme des Min.Rats Rosenthal-Pelldram und des Oberregierungsrats Dr. Hammerschlag in den Dienst des Bundesministeriums der Justiz, in: Ebd., Bl. 69. 243 Vermerk von Brandl v. 26.6.1950, in: Ebd., Bl. 70. Daraus geht u. a. hervor, dass das BMJ die Übernahme der Regierungsdirektorin Dr. von Bila deshalb ablehne, weil sie das Staatsexamen nicht abgelegt habe. Des Weiteren habe Ministerialrat Bauch vorgeschlagen, Ministerialrat Rosenthal-Pelldram eine Stelle als Oberstaatsanwalt beim BGH zu übertragen.

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thal-Pelldram aber doch im Geschäftsbereich des BMJ unter  – und zwar als Hilfsarbeiter des höheren Dienstes bei der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof für die britische Zone in Köln.244 Später brachte es der Beamte sogar bis zum Staatssekretär im Hessischen Justizministerium und wurde damit auf Länderebene gleichsam ein Amtskollege von Walter Strauß. Einem Vermerk für den im BMJ mit Personalfragen beschäftigten Regierungsrat Hohenstein vom 12. Juli 1950 ist zu entnehmen, dass Regierungsdirektor Brandl die einzige Möglichkeit einer Unterbringung von Oberregierungsrat Hammerschlag als Oberstaatsanwalt in der Bundesanwaltschaft sah.245 Ob es dazu kam, ist indes fraglich. Für Diskussionsstoff sorgte im Bundesministerium der Justiz nicht zuletzt die grundsätzliche Frage, ob der Bund verpflichtet sei, die Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zu übernehmen. Vorausgegangen war ein Schreiben des BMI an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt, von dem auch das BMJ einen Abdruck erhielt.246 Darin wurde eine baldige Verordnung über die Auflösung des Personalamts des Vereinigten Wirtschaftsgebiets angekündigt. Es gebe aber 14 Beamte und drei Angestellte, die noch nicht anderweitig untergekommen seien, darunter zehn Beamte des höheren Dienstes. Als einen vordringlichen Fall beschrieb Bundesinnenminister Dr. Robert Lehr die Causa Ministerialdirektor Dr. Kurt Oppler, der das Personalamt leitete. Neben seiner herausgehobenen Stellung mache auch die Tatsache, dass er »zum Kreise der rassisch Verfolgten« gehöre, eine »möglichst baldige angemessene Lösung notwendig.«247 Er, Lehr, habe daher den Bundesminister der Justiz gebeten, Oppler am Bundesgerichtshof zu verwenden; dabei bezeichnete er die Stellung eines Vorsitzenden eines der neun Senate des BGH als angemessen. Aufschlussreich ist der handschriftliche Kommentar, dessen Urheber dem BMJ zuzuordnen ist, und der sich neben jenen Zeilen des Schreibens findet: »Es kommt nicht auf die ›Angemessenheit‹, sondern auf die Eignung an«.248 Innenminister Lehr berichtete ferner davon, dass die Angelegenheit Oppler derzeit im Richterwahlausschuss behandelt werde. Zugleich setzte er sich für die Unterstützung einer Verwendung Opplers am Bundesgerichtshof durch das Kabinett ein. Die Sache sei eilig, da der Richterwahlausschuss bereits am 30. November 1950 wieder zu einer Sitzung

244 Der BMdJ an das Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes v. 6.7.1950 betr. MR Rosenthal-Pelldram (Abschrift), in: Ebd., Bl. 71. 245 Vermerk für Hohenstein v. 12.7.1950, in: Ebd., Bl. 72. Einer Notiz, die Brandl auf dem genannten Vermerk am 10. August 1950 anfertigte, ist zu entnehmen, dass das BMI um Rücksendung der Personalakten von Hammerschlag gebeten habe, da der Beamte beim sogenannten Dienststrafhof verwendet werden solle. 246 Der BMdI an den StS des Innern im BKAmt v. 16.11.1950 betr. Verwendung der Beamten des Personalamts der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Abschrift), in: Ebd., Bl. 113–115. 247 Ebd., Bl. 114. 248 Ebd., Bl. 114 (RS); Hervorhebung im Original.

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zusammenkomme.249 Minister Dehler betonte in einer Note für Geiger vom 30. November 1950, er habe dem Vorschlag des BMI widersprochen, woraufhin keine Beschlussfassung im Kabinett erfolgt sei. Vielmehr solle die Bundesregierung dann über die Verwendung Opplers entscheiden, wenn ein Beschluss des Richterwahlausschusses vorliege.250 Um die Frage der noch nicht untergekommenen Beamten zu lösen, wurde eine erneute Besprechung für den 20. Dezember im Bundesinnenministerium angesetzt.251 Das Ergebnis der Zusammenkunft geht aus der zitierten Akte jedoch nicht hervor. Bundesrichter wurde Oppler indes nicht. Stattdessen trat er 1952 in den diplomatischen Dienst ein. Zur Klärung der Frage einer möglichen Übernahmepflicht bat Personalreferent Winners den Abteilungsleiter IV um eine gutachterliche Äußerung. In seinem Schreiben an die für öffentliches Recht zuständige Abteilung wies Winners darauf hin, dass »die endgültige Übernahme von Beamten des Rechtsamtes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in den Bundesjustizdienst« bevorstehe.252 Auch die Bestrebungen des BMI , die noch nicht untergebrachten Beamten des Personalamts auf die obersten Bundesbehörden zu verteilen, führte Winners an. Seiner Ansicht nach sei ein solches Vorgehen »rechtspolitisch bedenklich«, da die Berufung eines Beamten in den Bundesdienst nur nach den »anerkannten Grundsätzen der Eignung und Auswahl« erfolgen könne.253 Jede Übernahme müsse vielmehr im Einzelfall geprüft werden. Eine generelle Übernahme könne es auch deshalb nicht geben, da der Bund keinen Einfluss auf die Personalpolitik des Vereinigten Wirtschaftsgebiets besessen habe. Gäbe es eine Verpflichtung zur Übernahme der Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, so Winners, müsse »umsomehr [sic!] eine Verpflichtung des Bundes zur Übernahme aller Reichsbeamten bestehen, deren Beamtenverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik belegen sind (unbeschadet allerdings der Regelung in Art. 131 GG) […].«254 In seiner gutachterlichen Äußerung vom 30. November 1950 erkannte von Arnim, der wohl in Vertretung von Abteilungsleiter Roemer antwortete, eine Verpflichtung des Bundes, die Beamten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zu übernehmen.255 Diese Verpflichtung ergebe sich nicht nur aus 249 Dem Schreiben des BMI ist als Anlage ein knapp gehaltener Lebenslauf Dr. Opplers angefügt. Daraus geht hervor, dass der 1902 in Breslau geborene Kurt Oppler vor seiner Emigration (1939–1946) als Rechtsanwalt und juristischer Berater tätig war. 250 Note von Dehler für Geiger v. 30.11.1950 zu Punkt 7 der TO der 113. Kabinettssitzung am 28.11.1950 betr. Verwendung der Beamten des Personalamtes der früheren Verwaltung des VWG , in: BArch B 141/826, Bl. 118. 251 Der BMdI an den BMdJ v. 16.12.1950 betr. Verwendung der Beamten des Personalamts der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, in: Ebd., Bl. 119. 252 Winners an den AL IV v. 23.11.1950, in: BArch B 141/826, Bl. 86–90, Zitat Bl. 87. 253 Ebd., Bl. 88. 254 Ebd., Bl. 90. 255 Gutachterliche Äußerung zu der von Herrn Dr. Winners im Schreiben vom 23.11.50 aufgeworfenen Frage der Verpflichtung des Bundes zur Übernahme von Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (§ 22 des Beamtenrechtsänderungsgesetzes), v. 30.11.1950, gez. von Arnim, in: BArch B 141/826, Bl. 91–94.

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§ 22 des Beamtenrechtsänderungsgesetzes, sondern auch aus Artikel 133  GG und mittelbar auch aus Artikel 130 GG . Gleichwohl bedeute die Übernahmepflicht nicht, dass das Bundesinnenministerium ohne Einverständnis des betroffenen Ministeriums dieses zur Übernahme von Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets verpflichten könne.256 Vielmehr sei es möglich, die nicht zu vermittelnden Beamten in den Ruhe- oder Wartestand zu versetzen. In der Zurückweisung der Bestrebungen des BMI stimmte von Arnim, zumindest dem Ergebnis nach, mit Winners überein. Im Übrigen ist es nicht verwunderlich, dass von Arnim, der selbst eine Stellung im Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets bekleidet hatte, eine andere Haltung einnahm als Winners, der nie für zonale Behörden, sondern nur in der Landesjustiz tätig gewesen war. Neben von Arnim äußerte sich auf Bitten von dessen Abteilungsleiter Roemer auch Willi Geiger zur Frage der Übernahmepflicht.257 Geiger bestritt, dass sich aus den Artikeln 133 oder 130 GG eine Pflicht des Bundes zur Übernahme ergebe. Ferner stellte er auch die Anwendbarkeit des § 22 Beamtenrechtsänderungsgesetz infrage und plädierte stattdessen für die Schaffung einer klaren Regelung nach Artikel 130 Absatz 1 Satz 2  GG , die zwar eine Übernahmepflicht begründen könne, aber nicht müsse. Dies bleibe der freien Entschließung der zuständigen Bundesorgane überlassen.258 Überdies verwies Geiger auf die Er­ örterungen im Parlamentarischen Rat, wo nicht zuletzt die Abgeordneten Dehler und Strauß dafür verantwortlich gewesen seien, die Bestrebungen der SPD nach einem generellen Erlöschen der bizonalen Beamtenverhältnisse zurückzuweisen und mit den Artikeln 131 und 132 einen Kompromiss zu erzielen.259 Vor diesem Hintergrund könne von einer Übernahmepflicht des Bundes gegenüber den Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets nicht die Rede sein.260 In einem von Geiger und Winners gezeichneten Entwurf für ein Schreiben an Dehlers Ministerkollegen vom Innen- und Finanzministerium vom 27. Februar 1951 wurde erneut bekräftigt, Beamtenverhältnisse seien nicht übertragbar.261 Daher würden jene Verhältnisse des Vereinigten Wirtschaftsgebiets auch nicht unter Artikel 133 GG fallen. Die bizonalen Beamtenverhältnisse seien mit Ablauf des 20. September 1949 erloschen. Das Grundgesetz, so hieß es in dem Entwurf weiter, habe keine Beamtenverhältnisse mit den früheren Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets begründet. Wenngleich der Bund also nicht 256 Ebd., Bl. 93 f. 257 Vermerk Dr. Geigers v. 27.1.1951 betr. Verpflichtung des Bundes zur Übernahme von Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, in: BArch B 141/826, Bl. 95–98. 258 Ebd., Bl. 98. 259 Staatssekretär Strauß bestätigte laut einer handschriftlichen Notiz auf Bl. 98 der genannten Akte, dass Artikel 133 GG »gerade wegen der beamtenrechtlichen Ansprüche diese Fassung erhalten« habe. 260 Vermerk Dr. Geigers v. 27.1.1951 betr. Verpflichtung des Bundes zur Übernahme von Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, in: BArch B 141/826, Bl. 96. 261 Der BMdJ an den BMdI und den BMdF v. 27.2.1951 betr. die Rechtsverhältnisse der Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (Entwurf), in: Ebd., Bl. 100–107, hier Bl. 101.

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verpflichtet sei, bizonale Beamte zu übernehmen, so müsse dennoch eine befriedigende Regelung gefunden werden. Als Leiter des Referats für allgemeines Verwaltungs- und für Beamtenrecht mochte von Arnim diesen Standpunkt, zumal gegenüber dem Innen- und dem Finanzministerium, nicht mittragen und machte schwere Bedenken dagegen geltend.262 Diesen Bedenken schloss sich der Staatssekretär des BMJ an. Wörtlich notierte Strauß unter den Ausführungen des Referatsleiters: »Ich halte die Ausführungen des Gutachtens für unvertretbar.«263 Eine Anregung von Ministerialrat von Arnim aufgreifend, legte Personalreferent Winners den Vorgang dem Minister mit der Bitte um Entscheidung vor. Zuvor ging die Sache jedoch an den Staatssekretär, der unmissverständliche Worte fand: »Die Ausführungen des Gutachtens sind mit Inhalt & Zweck von Art. 132 Abs. 1 & Art. 133  GG sowie mit den Grundsätzen des deutschen Beamtenrechts unvereinbar und dürften m. E. vom BM . d. Inneren niemals gebilligt werden.«264 Damit war das Schreiben an das Innen- und Finanzministerium allem Anschein nach gestorben. In dem von Geiger und Winners gezeichneten Entwurf hieß es abschließend, bei der Schaffung einer befriedigenden Regelung müsse berücksichtigt werden, dass ein »billiges Verhältnis« bestehe »zwischen dem, was den bizonalen Beamten, die nur wenige Jahre gedient haben und dem, was den Beamten nach Art. 131 GG , die teilweise viele Jahre gedient haben, gewährt wird.«265

2.3 Das Gesetz zu Artikel 131 GG Mit dem Artikel 131 enthielt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den Auftrag an den Gesetzgeber, die Rechtsverhältnisse derjenigen Personen zu regeln, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen und noch nicht bzw. noch nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet wurden. Wenngleich der Verfassungsauftrag offen formuliert war, konnte angesichts des innenpolitischen Klimas in der frühen Bundesrepublik kein Zweifel darüber bestehen, dass die Regelung zugunsten jener »verdrängten« Beamten ausfallen würde. So gesehen überraschte es keineswegs, dass der Bundestag am 10. April 1951 ohne eine einzige Gegenstimme das »Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen« verabschiedete.266 Das Gesetz, kurz G 131 genannt, begründete einen Rechtsanspruch auf Wiederverwendung bzw. Versorgung für alle diejenigen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen und nicht aus beamten- oder tarifrechtlichen Gründen bzw. 262 Von Arnim über Herrn AL IV an Herrn Dr. Winners v. 3.3.1950, in: Ebd., Bl. 108. 263 Handschriftliche Notiz von Strauß [Datum unleserlich], in: Ebd., Bl. 108 (RS). 264 Handschriftliche Notiz von Strauß v. 7.3.[1950], in: Ebd., Bl. 109. 265 Der BMdJ an den BMdI und den BMdF v. 27.2.1951 betr. die Rechtsverhältnisse der Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (Entwurf), in: Ebd., Bl. 107. 266 BGBl. I S. 307.

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wegen eines rechtskräftigen Entnazifizierungsbescheids ausgeschieden waren. Unter bestimmten Bedingungen blieben sonst lediglich die früheren Angehörigen der Gestapo, der Waffen-SS und des Forschungsamts der Luftwaffe vom Wirkungskreis des Gesetzes ausgeschlossen. Um die Unterbringung der Abertausenden von Beamten, Angestellten und Arbeitern zu gewährleisten, sah das G 131 eine Quote von zwanzig Prozent für den Bund, die Länder, Gemeinden mit mehr als 3.000 Einwohnern, Gemeindeverbände sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vor. Die Zwanzig-Prozent-Quote beeinflusste nicht zuletzt die Personalpolitik der Bundesministerien. Solange nicht ein Fünftel aller Planstellen mit einem »131er« besetzt war, musste jede freie, freiwerdende oder neu geschaffene Planstelle mit einer Person, die unter das Gesetz fiel, besetzt werden. Ein Nicht-131er durfte in einer solchen Situation nur dann eingestellt werden, wenn sowohl das Innenals auch das Finanzministerium zuvor ihre Zustimmung erteilt hatten. Eine Ausnahme von dem Zustimmungserfordernis wurde zum einen dann gemacht, wenn für die zu besetzende Stelle kein geeigneter 131er zur Verfügung stand, zum anderen dann, wenn eine Person eingestellt werden sollte, die unter dem Nationalsozialismus verfolgt oder in ihrer Karriere nachweislich aus politischideologischen Gründen behindert worden war. Ferner galt für herausgehobene Stellen, namentlich für die Posten der Staatssekretäre, Abteilungsleiter, Leiter nachgeordneter Behörden und Richter an oberen Bundesgerichten wie auch am Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Ausnahme. Das BMJ und sein Geschäftsbereich erfüllten bereits im Juli 1951 die vorgeschriebene Quote, und zwar deutlich mit 29,7 Prozent.267 Gut zwei Jahre später waren gar 53 Prozent aller Planstellen in der Bundesjustizverwaltung mit einem 131er besetzt.268 Genauere Zahlen zur Situation im Ministerium selbst liegen nicht vor. In den Personalakten des BMJ ist die Zugehörigkeit zu jenem Personenkreis auch nicht lückenlos erfasst. Nicht auf allen Personalbögen findet sich unter Punkt 9 (Ergänzende Angaben zu den persönlichen Verhältnissen) die Zusatzangabe »Unterbringungsteilnehmer« oder dergleichen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch das Ministerium selbst die Zwanzig-Prozent-Quote erfüllte – allein schon deshalb, weil insbesondere Staatssekretär Strauß großen Wert auf Vorerfahrungen seiner Mitarbeiter im Bereich der staatlichen Verwaltung legte und diese Personen in der Regel unter den Artikel 131 des Grundgesetzes fielen. Am Zustandekommen des 131er-Gesetzes hatte das BMJ dagegen keinen wesentlichen Anteil.269 Die Federführung lag vielmehr beim Innen- und Finanzministerium, was durch die beamtenrechtliche und finanzpolitische Dimension des Gesetzes begründet war. Als zuständiger Referent des BMJ nahm Ministerialrat Henning von Arnim an den Ausschusssitzungen des Bundestages zwar 267 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 166 m. Anm. 417. 268 Ebd., S. 166 m. Anm. 418. 269 Ebd., S. 158–160.

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teil; den Gang der Diskussion bestimmte er jedoch nicht. Demnach begleitete das Justizministerium die Entstehung des G 131 lediglich, »war also weder Bremser noch Antreiber, sondern blieb bemerkenswert passiv und beschränkte sich im Wesentlichen auf die Rechtsförmlichkeitsprüfung, insbesondere die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit«.270 Bevor das Gesetz zu Artikel 131 GG in Kraft trat, hatte der Bundespersonalausschuss darüber zu entscheiden gehabt, ob die betreffenden Beamten nun nochmals angestellt werden müssten und ob die oberste Dienstbehörde eine Ausnahmebewilligung benötigte, um den Beamten die frühere Rechtsstellung zu gewähren. Mit seinem ersten Beschluss entschied der Bundespersonalausschuss, dass die Wiederernennung von unter Artikel 131 fallenden Beamten keine Anstellung im Sinne der Reichsgrundsätze darstelle.271 Hier wurde also eine klare Linie der Kontinuität gezogen. So gesehen verwundert es auch nicht, dass der Bundespersonalausschuss regelmäßig Ausnahmen bei Beförderungen von 131ern, die nach 1945 »außer Dienst gestellt waren«, zuließ. Bei diesen Beamten wurde die Zeit, die sie nach dem 8. Mai 1945 »in einem ihrer Laufbahn funktionsmäßig gleichwertigen Beamten- oder in einem ebensolchen Angestelltenverhältnis im Bundes-, Landes- oder Kommunaldienst« abgeleistet hatten, als Dienstzeit angerechnet.272 Insgesamt gesehen bildete das Gesetz zu Artikel 131 GG mit der darin vorgeschriebenen Quote von zwanzig Prozent für die Verwendung von Unterbringungsteilnehmern eine wichtige Leitlinie für die Personalpolitik im BMJ. Deren Befolgung fiel jedoch nicht schwer, da die Zielsetzungen von Strauß und Dehler betreffs Gewinnung verwaltungserfahrener Kräfte in Einklang mit den Vorgaben des G 131 standen.

2.4 Der Disput um die Auslegung des Artikels 36 GG Die Gliederung des Bundes in Länder ist nach Artikel 79 Absatz 3  GG eines der ganz wenigen Verfassungsprinzipien, die auch im Rahmen einer Grundgesetzänderung unangetastet bleiben müssen. Die föderative Struktur der Bundesrepublik findet im Bereich des Personals in Artikel 36 Absatz 1 Satz 1  GG einen besonderen Ausdruck: »Bei den obersten Bundesbehörden sind Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden.« Dieses Verfassungsgebot musste also auch beim personellen Aufbau des Bundesministeriums der Justiz erfüllt werden. Mit Blick auf die Auswahl der Abteilungsleiter konnte bereits festgestellt werden, dass diese aus allen drei westlichen Besatzungszonen sowie aus Berlin ins BMJ gekommen waren. Zugleich repräsentierten sie aber auch 270 Ebd., S. 159. 271 Bericht über die Tätigkeit des ersten Bundespersonalausschusses in der Zeit vom 22. Juni 1950 bis 6. August 1953 v. 24.11.1953, S. 15, in: BArch B 136/5131. 272 Ebd., S. 16.

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unterschiedliche Länder der Bundesrepublik. Somit war dem Gebot der landsmannschaftlichen Ausgewogenheit zumindest auf dieser Ebene Genüge getan worden. Allerdings barg die Bestimmung des Artikels 36 auch Diskussionspotenzial in sich. Das betraf sowohl die Frage, was unter »angemessenem Verhältnis« zu verstehen sei, als auch die Problematik, nach welchem Prinzip die Zugehörigkeit eines Beamten zu einem Land bestimmt werden sollte. »Eine derartige Benachteiligung der Vorschläge des größten Landes des Bundes kann nicht unwidersprochen hingenommen werden«, erklärte der Minister­ präsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold (CDU), am 16. Februar 1950 in einem Brief an Ministerialdirigent Blankenhorn im Kanzleramt.273 Von 17 Vorschlägen aus dem Innenministerium in Düsseldorf sei bisher lediglich ein einziger bei der Besetzung der Bundesverwaltung auf Ministerialebene berücksichtigt worden. Im Kanzleramt nahm man die Klage aus Nordrhein-Westfalen ernst und leitete eine Untersuchung ein, wie hoch der Anteil an Beamten und Angestellten aus diesem Bundesland im Geschäftsbereich der einzelnen Ministerien sei. Das BMJ meldete mit Stand vom 15. Januar 1950 sechs Beamte und zwölf Angestellte, die bisher bzw. vor ihrer Einberufung zu zonalen oder bizonalen Behörden in Nordrhein-Westfalen ihren Wohnsitz hatten, was einer Quote von zehn bzw. 26 Prozent entsprach.274 Die Gesamtzahl, 18 Personen von insgesamt 106 Beschäftigten im BMJ, nannte das Kanzleramt neben den Zahlen der anderen Ministerien auch in dem Entwurf für eine Antwort an Ministerpräsident Arnold.275 Dieser gab sich mit den Erklärungen aus Bonn aber keineswegs zufrieden und bemängelte, die reine Anzahl der Beamten und Angestellten, die in Nordrhein-Westfalen gewohnt haben, besage nichts, da es nicht auf den Wohnsitz, sondern darauf ankomme, bei welchen Landesbehörden die bei der Bundesregierung eingestellten Beamten bisher bedienstet waren.276 Im Übrigen, so Arnold, dürfte es nach Artikel 36 des Grundgesetzes nicht allein auf die Anzahl der bei den obersten Bundesbehörden verwendeten Landesbeamten ankommen, sondern auch darauf, »in welchen (massgeblichen oder unmass­ geblichen) Stellen« sie Verwendung gefunden hätten.277 Damit forderte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident eine nach Dienstrang differenzierte An273 Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen an das Bundeskanzleramt z. Hd. von Ministerialdirigent Blankenhorn v. 16.2.1950, in: BArch B 136/5141. 274 Der BMdJ an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 31.3.1950 betr. Verwendung von Beamten und Angestellten aus dem Land Nordrhein-Westfalen, gez. Brandl, in: Ebd. 275 Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Entwurf v. Mai 1950, in: Ebd. Eine endgültige Antwort scheint erst am 28.9.1950 abgegangen zu sein, wie aus der Rückantwort aus Düsseldorf v. 2.11.1950 hervorgeht. 276 Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 2.11.1950 betr. Anstellung von Beamten und Angestellten bei den obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 277 Ebd.

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wendung des Artikels 36. Wie es scheint, sollte damit sichergestellt werden, dass Beamte aus seinem Bundesland auch und gerade in den Leitungspositionen der Ministerien angemessen vertreten seien. Das Kanzleramt machte in seiner Antwort geltend, dass es zweifelhaft erscheinen könne, ob bei der Anwendung des Artikels 36 GG auf den Geburtsort oder auf den Wohnsitz vor der Einberufung in den Bundesdienst abzustellen sei.278 Die vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten vertretene Auffassung, der zufolge die den einzelnen Ländern anrechenbaren Bundesbeamten vorher im Dienste des betreffenden Landes gestanden haben müssen, wies das Kanzleramt entschieden zurück, da sich diese Auffassung weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte des Artikels 36 GG ableiten lasse. Grundsätzlich versuche die Bundesregierung, geeignete Vorschläge der Landesregierungen zu berücksichtigen. Allerdings könne solchen Vorschlägen »gerade bei leitenden Stellen nicht in vollem Umfange entsprochen« werden, da fast alle Länder »bei der Besetzung vor allem dieser Stellen berücksichtigt werden möchten und müssen.«279 Wenn man alle bei der Auswahl der Bundesbeamten in Betracht zu ziehenden Umstände – also auch die Verpflichtungen des Bundes aus Artikel 133 GG gegenüber den Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets  – recht würdige, könne sich gerade das Land Nordrhein-Westfalen nicht benachteiligt fühlen. Nach wiederholten Bitten aus Düsseldorf um eine Aufstellung der leitenden Beamten nach Landeszugehörigkeit übersandte das Kanzleramt schließlich eine entsprechende Übersicht.280 Als ausschlaggebendes Kriterium für die Anrechen­ barkeit auf ein Land wurde hierbei der Geburtsort ausgewählt. Ergänzend erläuterte die Regierungszentrale, dass der Bund nach Artikel 36 GG zwar verpflichtet sei, bei der Verwendung von Beamten in den obersten Bundesbehörden die Länder zu berücksichtigen, das Grundgesetz jedoch nicht verlange, dass die Beamten aus dem Landesdienst kommen müssten. Für das Bundesministerium der Justiz wurde ein leitender Beamter aus Nordrhein-Westfalen aufgeführt: ein in Unna geborener Ministerialdirigent. Dabei handelte es sich, ohne dass der Name genannt wurde, um Hans Eberhard Rotberg, den Leiter der strafrechtlichen Abteilung. Neben dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten sorgte sich auch der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats, Heinrich Hellwege (DP), um die Anwendung des Artikels 36. Eine Anregung von Minister Hellwege aufgreifend, lud das Bundesinnenministerium zu einer Besprechung ein, um die strittigen Fragen zu klären.281 Allgemein machte das BMI darauf aufmerksam, dass die erwähnte Verfassungsvorschrift den Grundsätzen entspreche, 278 Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen v. 17.11.1950, gez. Globke, in: Ebd. 279 Ebd. 280 Der Staatssekretär des Bundeskanzleramts an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen v. 31.5.1951 betr. Beamte bei den obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 281 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 13.1.1950 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, gez. von Lex, in: Ebd.

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die nach der »Bekanntmachung der Reichsregierung über Beamtennachwuchs der obersten Reichsbehörden« vom 16. August 1926 bereits vor 1933 für die Personalbesetzung der Stellen des höheren Dienstes in den Reichsministerien Geltung hatten.282 Damit wurde die Bestimmung des Artikels 36  GG gleichsam eingereiht in eine bis zur Weimarer Republik zurückreichende Kontinuitätslinie. Infolge der »veränderten Verhältnisse«, wie es etwas lapidar hieß, habe die Auslegung des Artikels 36 zu Zweifeln Anlass gegeben.283 Auf zwei divergierende Auffassungen wies das Innenministerium hin: Während der einen Ansicht zufolge die Länder als die Länder des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 anzusehen seien und für die Zugehörigkeit der Beamten zu einem Land der Geburtsort entscheidend sei, gehe die andere Ansicht von der Annahme aus, dass mit den Ländern nur die Länder der Bundesrepublik gemeint seien und dass die Zugehörigkeit zu einem Land allein an dem letzten Wohnort festgemacht werden könne. Eine Einigung konnte auch bei der erwähnten Besprechung am 1. Februar 1950 im Bundesinnenministerium nicht erzielt werden. Vielmehr gibt die entsprechende Niederschrift darüber Auskunft, dass die einzelnen Ministerien um eine schriftliche Stellungnahme zu den erörterten Fragen gebeten wurden.284 Das BMI selbst machte seine Stellungnahme gleichzeitig mit der Versendung des Protokolls bekannt.285 Ebenso wie das Kanzleramt vertrat das Innenressort den Standpunkt, als Länder nach Artikel 36 GG könnten nur die Länder der Bundesrepublik angesehen werden. Hinsichtlich der Landeszugehörigkeit eines Beamten sprach man sich im BMI klar für das Wohnsitzprinzip aus, und zwar aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Angesichts der Schwierigkeiten, wie mit einem Geburtsort außerhalb der Grenzen von 1937, aber auch mit den in »Mitteldeutschland« oder in »Ostdeutschland« Geborenen zu verfahren sei, erscheine die Wohnsitzlösung bei weitem praktikabler. Zudem plädierte das Innenministerium dafür, bei der Durchführung des Artikels 36 die Flüchtlingsbeamten den einheimischen Beamten gleichzustellen. Um die landsmannschaftliche Zusammensetzung in den Bundesministerien zu fördern, liefen Vorbereitungen für eine Vereinbarung mit den Ländern über den Beamtennachwuchs für die Bundesministerien. In Bezug auf die im Grundgesetz geforderte Angemessenheit der Verwendung von Beamten aus allen Ländern schlug das BMI vor, keine starren Quoten festzulegen, sondern das Kriterium der angemessenen Berücksichtigung als ausreichend zu betrachten.286 282 Bekanntmachung der Reichsregierung über Beamtennachwuchs der obersten Reichsbehörden vom 16. August 1926, RMBl. 1927 S. 140. 283 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 13.1.1950 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, gez. von Lex, in: BArch B 136/5141. 284 Niederschrift über die Besprechung im Bundesministerium des Innern am 1.2.1950 16 Uhr betr. Artikel 36, in: Ebd. Für das BMJ nahm Regierungsdirektor Brandl teil. 285 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 25.2.1950 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, in: Ebd. 286 Ebd.

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Das Bundesjustizministerium mochte die vom Innenressort geäußerten Vorstellungen zum Wohnsitzprinzip nicht teilen und brachte dagegen sogar »erhebliche Bedenken« vor.287 Anhand des Zahlenmaterials zum eigenen Personal versuchte Minister Dehler, die Ansicht des BMI ad absurdum zu führen. Während etwa nach dem Wohnsitzprinzip elf Beamte Bayern zuzurechnen seien, ergebe sich mit Blick auf den Geburtsort »im Rahmen der Länder und preußischen Provinzen des früheren Deutschen Reiches« ein völlig anderes Bild; dann wären es nur noch vier Bayern sowie ein Brandenburger, vier Berliner, ein Schlesier und ein Sudetenländer. Bei den Angestellten bliebe gar kein einziger der drei Bayern übrig – es handele sich um einen Berliner, einen Ostpreußen und einen Sachsen. Mit dem Wohnsitzprinzip, so schlussfolgerte der Bundesjustizminister, werde daher »eine vollkommen falsche Darstellung über die stammesmässige Herkunft« der Verwaltungsangehörigen gegeben.288 An dieser Stelle kam die sehr stark dem deutschen Nationalstaat verhaftete Sichtweise des Thomas Dehler zum Vorschein, der zutreffend als demokratischer Nationalist charakterisiert worden ist.289 Im Nachgang zu einem Schreiben des Kanzleramts, in dem wiederum das Wohnsitzprinzip favorisiert worden war, bekräftigte der Bundesjustizminister erneut, dieses Mal gegenüber der Regierungszentrale, seine gegenteilige Auffassung: »Eine solche Auslegung des Art. 36 GG verfälscht den Sinn dieser Vorschrift.«290 Weiter betonte Dehler, diese solle doch »unzweifelhaft sicherstellen«, dass »in den Bundeszentralbehörden die deutschen Stämme und Landschaften des Bundes mit ihren besonderen Werten angemessen vertreten« seien. Außerdem wolle die Vorschrift dadurch mittelbar das Verantwortungsgefühl der Länder gegenüber dem Bund und das Vertrauen der Länder in die Arbeit der Bundeszentralbehörden – damit sind die obersten Bundesbehörden gemeint – stärken. Entscheidend müsse deshalb die landsmannschaftliche Zugehörigkeit des Beamten zu einem bestimmten Land sein; »sie ergibt sich in der Regel aus dem Geburtsort«. Für eine solche Auslegung des Artikels 36 spreche darüber hinaus die besondere Lage nach 1945. Im Zuge der Kriegsereignisse und der militärischen Niederlage seien außerordentlich viele Beamten vom Norden nach dem Süden Deutschlands zugewandert. Daraus folgerte Dehler: »Würden diese Beamten als Beamte aus den süddeutschen Ländern gezählt, dann könnte von einer angemessenen Vertretung des süddeutschen Elements in den Bundes­ zentralbehörden von vornherein keine Rede sein.« Der Minister schloss mit der Bitte, die Frage auf die Tagesordnung einer der nächsten Kabinettssitzungen zu setzen, wenn an der von ihm »bekämpften Auslegung« des Artikels 36 festgehalten werde. Dehlers Kabinettskollege Hellwege sicherte dem Justizminister 287 Der BMdJ an den BMdI v. 3.3.1950 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, in: Ebd. 288 Ebd. 289 Wengst, Thomas Dehler, S. 41. 290 Dieses und die folgenden Zitate: Der BMdJ an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 16.3.1950 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, in: BArch B 136/5141.

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seine Unterstützung zu, sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Befassung der Bundesregierung mit der Thematik.291 Im Frühjahr 1950 geriet die Regierung von mehreren Seiten unter Druck, ihre Handhabung des Artikels 36 zu erklären. So ersuchte der Bundesrat auf Antrag der Freien Hansestadt Bremen die Bundesregierung, über die Grundsätze Auskunft zu geben, die sie bei der Durchführung des Artikels 36 GG anwende, und mitzuteilen, inwieweit sie bisher diesen Grundsätzen bei der Besetzung der obersten Bundesbehörden Rechnung getragen habe.292 Ferner hatte das Bundesinnenministerium eine Anfrage aus dem Deutschen Bundestag zu beantworten, in der es um die Verwendung von Beamten und Angestellten aus den Ländern bei den obersten Bundesbehörden ging. Die in einer Drucksache des Bundestages enthaltene Antwort des Innenministers erläuterte die Zweifelsfragen bei der Auslegung des Artikels 36.293 Wegen der unterschiedlichen Ansätze – auf der einen Seite das Wohnsitzprinzip, auf der anderen Seite das Geburtsortprinzip  – sei die Erhebung bei den obersten Bundesbehörden nach beiden Gesichtspunkten durchgeführt worden. Im Nachgang zur Beantwortung der Anfrage Nr. 30 aus dem Bundestag verlieh Bundesratsminister Hellwege in einem Brief an den Bundesinnenminister seinem Unverständnis darüber Ausdruck, dass er »als für die Sicherstellung des föderativen Charakters des Grundgesetzes und die Wahrung der Rechte der Länder verantwortliche Minister« nicht einbezogen worden sei in die Abfassung der Antwort.294 Daneben wies er erneut auf die Schwierigkeiten hin, die aus der Anwendung des Wohnsitzprinzips resultieren würden. Um auch die außerhalb der Bundesrepublik Geborenen – das waren damals insgesamt 44 Prozent aller Beamten in den obersten Bundesbehörden – in eine am Geburtsortprinzip orientierte Regelung mit einzubeziehen, schlug Hellwege vor, dass jedem Land gleichmäßig ein für alle Länder einheitlich zu bestimmender Hundertsatz angerechnet würde. Wie sein Kollege Hellwege hielt auch Justizminister Dehler an seiner Ablehnung des Wohnsitzprinzips fest. So ist in einem Vermerk des Bundeskanzleramts vom 21. September 1950 zu lesen, das BMJ »beharrte auf seinem Standpunkt, dass das Wohnsitzprinzip für eine dem Artikel 36 GG entsprechende Zusam291 Der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats an den BMdJ v. 25.3.1950 betr. Durchführung des Art. 36 GG , in: Ebd. 292 Der Präsident des Deutschen Bundesrats an den Bundeskanzler v. 6.4.1950 betr. Landsmannschaftliche Zusammensatzung der bei den obersten Bundesbehörden beschäftigten Personen, in: Ebd. 293 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 938: Der BMdI an den Präsidenten des Deutschen Bundestages v. 28.4.1950 betr. Anfrage Nr. 30 der Abgeordneten Spies, Strauß, Bauereisen und Genossen – Nr. 389 der Drucksachen – über die Verwendung von Beamten und Angestellten aus den Ländern bei den obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 294 Der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats an den BMdI v. 22.6.1950 betr. Durchführung des Art. 36 Satz 1 GG , hier: Beantwortung der Anfrage Nr. 30 der Abgeordneten Spies, Strauß, Bauereisen und Genossen über die Verwendung von Beamten und Angestellten aus den Ländern bei den obersten Bundesbehörden, in: Ebd.

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mensetzung der Beamten bei den obersten Bundesbehörden nicht brauchbar sei.«295 In der betreffenden Referentenbesprechung habe man trotz der Streitfragen in bestimmten Punkten Ergebnisse erzielt, die es nun zu prüfen gelte. So sei man übereingekommen, dass mit Ländern im Sinne des Artikels 36 die Länder der Bundesrepublik gemeint seien. Das vom Grundgesetz geforderte angemessene Verhältnis bedinge überdies eine »gewisse Relation« zwischen der Einwohnerzahl eines Landes und der Zahl der aus diesem Lande kommenden Beamten. Dabei falle aber auch die Bedeutung der Beamtenstelle ins Gewicht. Eine Festlegung starrer Quoten sei abzulehnen. In einem als Kabinettsache deklarierten Schreiben vom 8. Februar 1951 konkretisierte das Bundesjustizministerium seine Ansichten zum Artikel 36 des Grundgesetzes, indem es eine modifizierte Version der Ergebnisse der Referentenbesprechung aus dem Vorjahr vorsah.296 Demnach sollte die landsmannschaftliche Herkunft bei Beamten, die von einem Land oder einer sonstigen Körperschaft der Länder abgeordnet oder von daher übernommen wurden, nach dem Land bestimmt werden, in dessen Bezirk der Beamte bis zu seiner Abordnung oder Übernahme seinen dienstlichen Wohnsitz hatte, sofern er in diesem Lande geboren ist oder das Land und der Bund die Landeszugehörigkeit anerkennen. Bei allen anderen Beamten richte sich die landsmannschaftliche Zugehörigkeit nach dem Geburtsort. Auch auf eine angemessene Einbeziehung der Flüchtlingsbeamten, die nicht im Bundesgebiet geboren wurden, legte das BMJ großen Wert. Bei einer abermaligen Besprechung über die Kabinettsvorlage im Bundesministerium des Innern am 16. April 1951, bei der das Justizministerium durch seinen Personalreferenten Hans Winners vertreten war, konnte wiederum keine Einigkeit erzielt werden. Aus dem Protokoll der Besprechung ist deutlich zu ersehen, wie sehr um Positionen und Begrifflichkeiten gerungen wurde.297 So befürwortete das Innenressort den Begriff der Landeszugehörigkeit, während das BMJ wie auch das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats den Terminus der landsmannschaftlichen Herkunft bevorzugten. Vergegenwärtigt man sich die grundlegenden Unterschiede zwischen dem Prinzip des Wohnsitzes und dem des Geburtsorts, dann erscheint der Streit um Begrifflichkeiten nicht so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Namens des Justizministeriums bezeichnete Oberlandesgerichtsrat Winners die landsmannschaftliche Bindung als maßgebend. Die Anwendung des Wohnsitzprinzips habe in der Vergangenheit zur Benachteiligung verschiedener Länder geführt. Im Anschluss an den Vorschlag des Vertreters von Bundesminister Hellwege, dreißig Prozent aller Beamtenstellen für Flüchtlinge aller Couleur zu reservieren, 295 Dieses und das folgende Zitat: Vermerk für Ministerialrat Gumbel (Bundeskanzleramt) v. 21.9.1950, in: Ebd. 296 Der BMdJ v. 8.2.1951 betr. Durchführung des Art. 36 Satz 1  GG , Kabinettsache, in: Ebd. 297 Niederschrift über die Besprechung im Bundesministerium des Innern am 16. April 1951, 16 Uhr, betr. Kabinettsvorlage zu Artikel 36 GG , in: Ebd.

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forderte Winners, die Flüchtlinge müssten entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung berücksichtigt werden. Daraufhin gab Ministerialrat Bauch vom BMI zu bedenken, dass schon die Schwerbeschädigten, Spätheimkehrer, Verfolgten des Naziregimes und die Heimatvertriebenen bevorzugt unterzu­ bringen seien. Durch diese Bindungen werde die Arbeit der Personalreferenten sehr erschwert, zumal das maßgebende Kriterium für eine Verwendung in den obersten und oberen Bundesbehörden das der Leistung zu sein habe. Winners entgegnete seinem Kollegen, es müsse sich aber ermöglichen lassen, die landsmannschaftliche Bindung voranzustellen. Die Flüchtlinge seien bereits überproportional zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung vertreten. Diese Aussage führte zu Widerspruch. Ministerialrat Bauch wies darauf hin, dass der Anteil der Beamten unter den Flüchtlingen höher sei als derjenige anderer Berufsgruppen. Regierungsrat Wirsching, der Vertreter des Kanzleramts, bezeichnete es als wichtig, den Flüchtlingen ein Heimatgefühl zu geben. Daraufhin stellte Oberregierungsrat Dr. Freiherr von Stralenheim als Initiator der Dreißig-Prozent-Marke klar, dass diese nicht als starre Grenze, sondern als Richtzahl gedacht sei. Der weitere Verlauf der Diskussion offenbarte, dass sich die Vertreter des Justiz-, des Finanz- und des Bundesratsministeriums für die Festsetzung einer Quote von dreißig Prozent für Flüchtlingsbeamte aussprachen, wohingegen die Vertreter der übrigen Ministerien für die Verwendung des Begriffs der angemessenen Beteiligung plädierten, also keine konkrete Zahl festlegen wollten. Neben der Behandlung der Flüchtlingsbeamten diskutierten die Ministeria­len auch die Frage, ob die Beteiligung der Länder getrennt nach höheren Beam­ten einerseits und allen anderen Beamten andererseits erfolgen solle oder nicht. Winners und von Stralenheim wollten, unterstützt vom Vertreter des Finanzministeriums, beide Gruppen gesondert berücksichtigen, zumal es, wie der Personalreferent des BMJ hervorhob, den Ländern auf die Beteiligung bei den »wichtigen Stellen« ankomme. Die Vertreter des Bundespostministeriums und des Bundesverkehrsministeriums äußerten die gegenteilige Meinung. Regierungsrat Wirsching vom Kanzleramt merkte an, dass gerade bei den höheren Beamtenstellen oft die politischen Gesichtspunkte maßgebend seien. Die Ansichten gingen damit so weit auseinander wie in der Flüchtlingsfrage, von einem Kompromiss war keine Spur. Abschließend kam man überein, dass der Innenminister dem Kabinett zwei verschiedene Fassungen der Richtlinien zu Artikel 36 vorlegen werde. Der Bundesjustizminister und der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats sollten eine gemeinsame Fassung vorschlagen und dem Ministerkollegen aus dem Innenressort übersenden. Einen guten Monat später legten Dehler und Hellwege ihren gemeinsamen Entwurf vor.298 Im dritten Punkt enthielt dieser nun die explizite Formulierung, dass für die Feststellung der landsmannschaftlichen Herkunft der Beamten grundsätzlich der Geburtsort bestimmend sei. Ansonsten wurden die zuvor 298 Der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats u. der BMdJ an den BMdI v. 25.5.1951 betr. Durchführung des Artikels 36 Satz 1 des Grundgesetzes, in: Ebd.

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schon vorgeschlagenen Formulierungen weitgehend aufgegriffen. Nur für den Fall, dass unter den einem Land zuzurechnenden Beamten Flüchtlinge nicht in einem dem Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik entsprechenden Verhältnis enthalten seien, greife das Wohnsitzprinzip, indem solche Beamte herangezogen würden, die außerhalb des Bundesgebietes geboren seien, aber in dem betreffenden Land vor der Einstellung in eine zonale oder Bundesbehörde ihren letzten Wohnsitz hatten. In den Erläuterungen dazu heißt es, dieser Ansatz sei erforderlich, »weil sonst die Berücksichtigung der Gebiete des Deutschen Reiches außerhalb des Bundesgebietes und die Dienstbarmachung der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten von Beamten, die als Deutsche außerhalb des Bundesgebietes geboren seien, nicht ausreichend gesichert« erscheine. Zum grundsätzlichen Vorrang des Geburtsortprinzips bemerkten die Minister erläuternd, es sei angesichts der Bevölkerungsverschiebungen der vergangenen Jahre in der Regel ein besserer Anhaltspunkt für die Bestimmung der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit, auch wenn der Geburtsort bisweilen »Zufälligkeiten unterworfen« sei. Am 3. September 1951 fand eine weitere Ressortbesprechung statt, auf der das BMJ nicht nur durch Personalreferent Winners, sondern auch durch den Abteilungsleiter für Öffentliches Recht Roemer vertreten war. In einem Vermerk von Ministerialrat Gumbel, der für das Kanzleramt an der Besprechung teilgenommen hatte, hieß es im Nachgang, angesichts der weiterhin bestehenden unterschiedlichen Ansichten sei es ratsam gewesen, von formulierten Richtlinien für die Durchführung des Artikels 36 abzusehen.299 Alle Seiten hätten sich dafür ausgesprochen, nur Hinweise auf die Auslegung des Artikels zu geben und dabei »auf gewisse Merkmale aufmerksam zu machen, die bei der Feststellung der Landeszugehörigkeit Beachtung finden können.« Das Bundesinnenministerium werde versuchen, eine »möglichst unverbindliche Formulierung« zu finden. Nach fast zwei Jahren Auseinandersetzungen und Diskussionen war damit klar, dass es keine einheitliche Auslegung des Artikels 36 GG geben würde. Bis das BMI die allgemeinen Anhaltspunkte vorlegte, vergingen noch einmal etwa sieben Monate. Das im Gemeinsamen Ministerialblatt abgedruckte Rundschreiben des Bundesinnenministers vom 9. April 1952 zur Durchführung des Artikels 36 enthielt eingangs die aus den bisherigen Vorarbeiten und Erörterungen resultierende Einsicht, dass es »unzweckmäßig wäre, für die Erfüllung dieser Verfassungsvorschrift den Weg starrer zahlenmäßiger Bindungen zu wählen.«300 Dieselben würden »die Personalwirtschaft des Bundes zum Schaden des Leistungsprinzips in untragbarer Weise beengen. Sie sind aber auch rechtlich nicht geboten, da der in Art. 36  GG verwendete Begriff des ›angemessenen Verhältnisses‹ genügenden Spielraum für eine elastische Regelung läßt.« Daher wolle er, der Innenminister, 299 Vermerk von Gumbel v. 11.9.1951 betr. Artikel 36 des Grundgesetzes, in: Ebd. 300 Rundschreiben des BMdI v. 9.4.1952 betr. Durchführung des Artikels 36 des Grundgesetzes, GMBl. 1952, S. 75, in: Ebd.

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es dabei belassen, den obersten Bundesbehörden die Beachtung einzeln aufgeführter Gesichtspunkte »anzuempfehlen«. In diese »Anempfehlungen« haben auch einige dem Justizministerium wichtige Anliegen Eingang gefunden, beispielsweise die Differenzierung nach höherem Dienst und den Beamten der übrigen Laufbahnen oder auch die Erläuterung des Artikels 36 in dem Sinne, dass sich in der personellen Zusammensetzung der obersten Bundesbehörden die Vielfalt der Stammescharaktere widerspiegeln solle. Letztlich war das ein Erfolg von Dehlers beharrlichen Bemühungen. Im Interesse einer statistischen Erfassung bat der Bundesinnenminister seine Kollegen darum, die Landeszugehörigkeit der Beamten in deren Personalakten zu vermerken. Bei aus dem Landes- oder Kommunaldienst abgeordneten bzw. übernommenen Beamten richte sich die Landeszugehörigkeit nach dem letzten dienstlichen Wohnsitz. Bei allen übrigen Beamten – also den freien Bewerbern, den verdrängten Beamten und den früher für zonale Einrichtungen tätigen Beamten  – böten Kriterien wie ausgeprägte Heimatbindungen des Elternhauses oder der Ort des Schulbesuchs und der Berufsausbildung einen Anhalt für die Feststellung der Landeszugehörigkeit. Ein eindeutiger Sieg für das Wohnsitzoder das Geburtsortprinzip kann demnach nicht verzeichnet werden. Hinsichtlich der verdrängten Beamten legte der Innenminister seinen Kollegen nahe, in Anlehnung an das Gesetz zu Artikel 131 GG einen Abzug von zwanzig Prozent von der Gesamtsumme der vorhandenen Stellen vorzunehmen und bei den übrig bleibenden achtzig Prozent auf eine Angemessenheit der Verwendung von Beamten der verschiedenen Länder zu achten. Nach der Veröffentlichung des Rundschreibens sahen sich die Ministerien dazu veranlasst, die Landsmannschaft ihrer Beamten auf dem Wege der Befragung zu festzustellen. Das Innenministerium reagierte auf die dadurch verursachte Verunsicherung in Teilen der Beamtenschaft, die sich aus Furcht vor einer möglichen Benachteiligung davor scheuten, eine Erklärung im Sinne des Artikels 36 GG abzugeben, mit der Klarstellung, dass eine solche Abfrage nicht zwingend notwendig, sondern nur in Zweifelsfällen geboten sei und auch keine ausschlaggebende Wirkung auf die Bestimmung der Landeszugehörigkeit besitze.301 An und für sich sei es die Sache des Dienstherrn, anhand der im Rundschreiben aufgeführten »objektiven Merkmale« die Zugehörigkeit des Beamten zu einem Land zu bestimmen. Darüber hinaus könne kein Beamter zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung gezwungen werden. Um der Furcht mancher Beamter vor Nachteilen aus einer solchen Erklärung zu begegnen, bekräftigte der Bundesinnenminister, ein beruflicher Nachteil hätte, wenn er denn überhaupt auftrete, nicht seinen Grund in der Erklärung des Beamten, sondern in der Verfassungsvorschrift des Artikels 36. Dem Grundgesetz gemäß müssten die Ministerien ein etwa bestehendes Missverhältnis in der landsmannschaftlichen 301 Der BMdI an die obersten Bundesbehörden v. 7.1.1953 betr. Landsmannschaftliche Zusammensetzung der Beamtenschaft bei den obersten Bundesbehörden (Art. 36 GG), in: Ebd.

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Zusammensetzung ihrer Beamtenschaft dadurch ausgleichen, dass sie bei künftigen Einberufungen »ihre Auswahl in erster Linie auf Bewerber aus einem bisher unzureichend berücksichtigten Land« richten. So ist es grundsätzlich auch im Bundesjustizministerium gehandhabt worden, wie Walter Strauß rückblickend feststellte.302

2.5 Verhandlungen zum Beamtenersatz bei den Bundesministerien Teils parallel zu den kontroversen Diskussionen um die Auslegung des Artikels 36 GG verhandelte die Bundesregierung mit den Regierungen der Länder über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden. Das Ziel der geplanten Vereinbarung war, wie der Staatssekretär im Innenministerium Ritter von Lex am 24. Mai 1950 den übrigen Ministerien mitteilte, die Ergänzung der Beamten in den Bundesministerien aus den Landesverwaltungen, soweit die Bundesministerien über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügten.303 Das traf nicht zuletzt auf das BMJ zu. Die Beamten in den Bundesministerien sollten, so Staatssekretär von Lex, ausreichende Erfahrung im Dienst der Innen- und Außenverwaltung der Länder besitzen. Gleichzeitig solle ein dauernder Beamtenaustausch zwischen den Bundesministerien und den Landesverwaltungen erreicht werden. Der diesen Zwecken dienende Entwurf sei eng angelehnt an die oben erwähnten Richtlinien aus der »Bekanntmachung der Reichsregierung über Beamtennachwuchs der obersten Reichsbehörden«. Zugleich seien aber auch abweichende und ergänzende Bestimmungen, die den veränderten Verhältnissen Rechnung tragen sollen, vorgesehen. Das betraf insbesondere die verdrängten Beamten. Im Entwurf des Innenressorts wurden die Richtlinien sogar aus Artikel 36 Satz 1 GG hergeleitet, wenn es hieß: »Zur Verwirklichung dieses Grundsatzes bei der Ergänzung der Beamten in den obersten Bundesbehörden […].«304 Als Hilfsarbeiter für Stellen des höheren Dienstes in den Bundesministerien seien neben geeigneten ehemaligen Reichsbeamten »jüngere Landesbeamte« wie Regierungsräte und Richter oder »Anwärter für den höheren Landesdienst« wie Regierungsassessoren und Gerichtsassessoren, die die erforderliche Eignung für den Ministerialdienst besitzen, grundsätzlich auf zwei bis drei Jahre zur kommissarischen Beschäftigung einzuberufen. Zur Dienstleistung in den Bundesministerien sollten neben den Hilfsarbeitern auch von den Landesregierungen vorgeschlagene verdrängte Beamte verwendet werden. Während die beiden ge302 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280. 303 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 24.5.1950 betr. Entwurf einer Vereinbarung der Bundesregierung mit den Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesministerien, gez. Ritter von Lex, in: BArch B 136/5141. 304 Anlage »Entwurf. Bekanntmachung der Bundesregierung über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden vom« zum Schreiben des BMdI v. 24.5.1950, in: Ebd.

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nannten Personengruppen, also jüngere Landesbeamte oder Anwärter einerseits und verdrängte Beamte andererseits, nur befristet ihren Dienst in den Bundesministerien leisten sollten, waren auch Bestimmungen für planmäßige Beamte vorgesehen. In planmäßige Stellen des höheren und gehobenen Dienstes in den Bundesministerien sollten Beamte aus dem Landesdienste »grundsätzlich nur übernommen werden, wenn sie im Landesdienste bereits fest angestellt sind, eine längere Dienstzeit in diesem  – möglichst auch im Aussendienst  – aufweisen können und für den Ministerialdienst befähigt sind.« Dabei würden diejenigen bevorzugt, die sich als Hilfsarbeiter im Bundesdienst bewährt hätten. Damit wurde ein Anreiz für Landesbeamte, die auf die Bundesebene zu wechseln gedachten, geschaffen, sich zunächst als Hilfsarbeiter zur Verfügung zu stellen. Wenn ein fest angestellter Beamter des höheren oder gehobenen Dienstes nach längerer Bundesdienstzeit anstrebe, dauernd oder vorübergehend in den Landesdienst zurückzukehren, solle er dabei »möglichst unterstützt« werden. Im Nachgang zu einer Ressortbesprechung, die am 12. Juni 1950 im Bundesinnenministerium stattgefunden hatte, wurde der Entwurf des BMI noch einmal modifiziert und einige Wochen später den übrigen Bundesministerien und diesmal auch den Landesregierungen zur Stellungnahme zugeleitet.305 Der neue Entwurf, der insgesamt nur wenige Änderungen enthielt, nannte als Hilfsarbeiter jetzt nicht mehr nur explizit Landesbeamte und Anwärter der Länder sowie ehemalige Reichsbeamte, sondern auch sonstige geeignete Bewerber. Ferner sollten die verdrängten Beamten, die von den Ländern zur Dienstleistung bei den Bundesministerien vorgeschlagen würden, bereits im Landesdienst tätig sein.306 Im Februar des folgenden Jahres wurden die geplanten Richtlinien erstmals mit Vertretern der Länder besprochen. Den daraufhin neugefassten Entwurf versandte das Bundesinnenministerium am 5. Juli 1951 an die obersten Bundesbehörden.307 Im Anschreiben bat das BMI die übrigen Ministerien nicht nur um eine Stellungnahme, sondern auch um Mitteilung darüber, in welchem Umfang in den Haushaltsplänen für das Rechnungsjahr 1950 ein Bedarf an beamteten Hilfskräften veranschlagt worden sei, und darüber, in welchem Umfang eine Verwendung von abgeordneten Landesbeamten in den Geschäftsbereichen der Ministerien etwa in Betracht komme. Im neuen Entwurf fiel nun der Verweis auf den Artikel 36 des Grundgesetzes fort.308 Die augenscheinlichste Änderung 305 Der BMdI an die obersten Bundesbehörden v. 23.9.1950 betr. Entwurf einer Bekanntmachung der Bundesregierung über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, gez. Ritter von Lex, in: Ebd. 306 Anlage »Entwurf. Bekanntmachung der Bundesregierung über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden vom« zum Schreiben des BMdI v. 23.9.1950, in: Ebd. 307 Der BMdI an die obersten Bundesbehörden v. 5.7.1951 betr. Bekanntmachung einer Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, gez. Dr. Behnke, in: Ebd. 308 Anlage »Entwurf. Bekanntmachung einer Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden. Vom…« zum Schreiben des BMdI v. 5.7.1951, in: Ebd.

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betraf die Dauer der kommissarischen Beschäftigung von Landesbeamten bei den obersten Bundesbehörden. Diese wurde von zwei bis drei Jahre auf ein Jahr abgesenkt, allerdings mit der Option auf Verlängerung, wenn sich beide Seiten einig seien. Mit dem Zusatz »in der Regel« wurden die jüngeren Landesbeamten versehen. Es sollte also auch möglich sein, ältere Beamte der Länder nach Bonn abzuordnen. Die Einführung des Begriffs der Abordnung war ebenso neu. Zugleich wurden auch die Auswahlkriterien für die planmäßigen Stellen in den Bundesministerien gelockert. Nun hieß es ergänzend: »In besonderen Ausnahmefällen können auch Landesbeamte übernommen werden, die noch nicht fest angestellt sind und eine kürzere Dienstzeit aufzuweisen haben.« Neu war auch die Bestimmung, dass die Abordnung von Beamten aus dem Landesdienst, die in planmäßigen Stellen beschäftigt seien, höchstens sechs Monate andauern sollte; »in dieser Zeit soll über die Übernahme entschieden werden.« Für die lediglich zur kommissarischen Beschäftigung abgeordneten Hilfsbeamten würden sich die Länder zudem bereiterklären, im Haushaltsplan sogenannte fliegende Planstellen einzurichten. Die Planstellen abgeordneter Richter an Oberlandesgerichten würden die Landesregierungen für die Dauer der Abordnung sogar offenhalten. Unterdessen warb das Bundesjustizministerium bei den Ländern gesondert für die Einrichtung fliegender Planstellen für Beamte, die an das BMJ abgeordnet werden sollten. Auf der Konferenz der Landesjustizminister Anfang Oktober 1951 in Hamburg befürworteten die Bundesländer grundsätzlich die Schaffung solcher Stellen, sahen aber übereinstimmend Schwierigkeiten bei der Verwirklichung, was die Haltung der jeweiligen Landesfinanzministerien betraf, obwohl die Kosten der fliegenden Planstellen vom Bund übernommen werden sollten.309 Von besonderem Interesse ist, wie Walter Strauß auf der Landesjustizministerkonferenz das Begehren seines Hauses näher erläuterte. So betonte der Staatssekretär, das BMJ habe seinen Stellenplan möglichst zurückhaltend aufgebaut, da es von einem Kräftebedarf für normale Zeiten ausgegangen sei. Aufgrund der Tatsache, dass derzeit von einer normalen Geschäftsbelastung in keiner Weise gesprochen werden könne, sei es jedoch erforderlich, abgeordnete Beamte in größerem Umfang als bisher heranzuziehen. Auf diese Art und Weise habe es auch schon das Reichsjustizministerium vor 1933 gehandhabt. Hier wurde einmal mehr deutlich, wie Strauß den Rückgriff auf institutionelle Traditionen dazu nutzte, um seine Pläne zu legitimieren. Die »Politik des gering bemessenen Stellenplans« gedenke er fortzusetzen, indem mehr Beamte als bisher nach Bonn abgeordnet werden mögen.310 Andernfalls müssten die Planstellen beim BMJ erheblich vermehrt werden, um gute und geeignete Kräfte für das Ministerium zu erhalten. Trotz der mahnenden Worte von Strauß waren allerdings auch drei 309 Vermerk von Marquordt v. 13.10.1951 betr. Konferenz der Landesjustizminister am 4./5. Oktober 1951 in Hamburg, TOP 6: Schaffung von fliegenden Planstellen für an das BMJ abgeordnete Beamte in den Ländern, in: BArch B 141/1361, Bl. 7–9. 310 Ebd., Bl. 8.

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Jahre später noch keine fliegenden Planstellen eingerichtet, sondern lediglich für den Haushalt des Jahres 1955 in Aussicht genommen worden.311 Unabhängig davon zeigt diese kurze Episode, dass man auf der Rosenburg durchaus eigene Anstrengungen unternahm, um den Beamtenersatz im Sinne der eigenen Interessen zu regeln. Nachdem fast ein Jahr vergangen war, in dem mehrere Bundesministerien und Landesregierungen Anregungen gegeben hatten, legte das BMI am 26. Mai 1952 den Entwurf in überarbeiteter Fassung vor.312 Nun war wieder der Bezug zum Grundgesetz enthalten, und das sogar pointierter als in der Ursprungsfassung: »Nach Art. 36 Satz 1 des Grundgesetzes sind bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern in angemessenem Verhältnis zu verwenden. Zur Erfüllung dieses Gebots ist die Bundesregierung auf die Bereitschaft der Landesregierungen angewiesen, ihr nach Bedarf geeignete Beamte aus dem Landesdienst zu überlassen.«313 Die Bundesregierung werde ihrerseits den Ländern den voraussichtlichen Bedarf des Bundes an abzuordnenden Länderbeamten jährlich im voraus mitteilen. Hinsichtlich der Übernahme von Beamten aus dem Landesdienst wurde die Bestimmung, dass innerhalb von sechs Monaten darüber zu entscheiden sei, insofern aufgeweicht, als nun der Zusatz »vorbehaltlich abweichender Vereinbarung im Einzelfall« beigefügt war. Die Modalitäten für die Rückkehr in den Landesdienst nach Ablauf einer kommissarischen Beschäftigung bei den obersten Bundesbehörden fielen jetzt günstiger für die betreffenden Beamten aus als zuvor. Die Landesregierungen sollten nämlich durch »geeignete haushaltsrechtliche Maßnahmen« dafür sorgen, dass die abgeordneten Beamten »sofort« wieder Verwendung im Landesdienst fänden. Die vorigen Entwürfe hatten dafür noch eine Frist von sechs Monaten bzw. gar keine Frist vorgesehen. Die detaillierter formulierten Passagen über die Offenhaltung von Stellen im Landesdienst wurden dagegen gestrichen. An ihre Stelle traten die erwähnten »geeigneten haushaltsrechtlichen Maßnahmen«, die den Ländern deutlich mehr Gestaltungsspielraum ließen. Unter dem 6. August 1953 schrieb der Bundesminister des Innern dem Staatssekretär im Kanzleramt, dass die von verschiedenen Bundesministerien und Landesregierungen vorgetragenen Änderungswünsche und die weiteren Anregungen eine nochmalige Überarbeitung des Entwurfs erforderlich gemacht hätten.314 311 BMJ -Vermerk o. D. betr. TOP 4 [der Justizministerkonferenz am 9./10. Juni 1954 in Stuttgart]: Beamtenersatz des BMJ, in: Ebd., Bl. 24. 312 Der BMdI an den Staatssekretär des Bundeskanzleramts v. 26.5.1952 betr. Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, gez. Bleek, in: BArch B 136/5141. 313 Dieses und die folgenden Zitate: Anlage »Entwurf. Bekanntmachung einer Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden. Vom…« zum Schreiben des BMdI v. 26.5.1952, in: Ebd. 314 Der BMdI an den Staatssekretär des Bundeskanzleramts v. 6.8.1953 betr. Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, gez. Bleek, in: Ebd.

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Der Unterzeichnete würde es begrüßen, wenn das Kanzleramt wie auch alle anderen Ministerien im Interesse eines baldigen Abschlusses der Vereinbarung, »die bei der Schwierigkeit der Materie nicht allen Wünschen gerecht werden kann, jedoch genügend Raum für eine abweichende Vereinbarung im Einzelfall bietet«, unter Zurückstellung etwa noch bestehender Bedenken ihre Zustimmung erteilen würden. Im überarbeiteten Entwurf waren unter den Hilfsbeamten nun nicht mehr nur jüngere Landesbeamte und sonstige Bewerber, sondern auch jüngere Landesrichter (Richter in Eingangsstellen) aufgeführt. Analog dazu wurden nun in Bezug auf die planmäßigen Stellen »Beamte oder Richter« genannt.315 Die Bestimmung, dass die zwischen Bund und Ländern vereinbarten Grundsätze auf die obersten Bundesbehörden nur dann Anwendung fänden, wenn diese über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügen, wurde nun dahingehend eingeschränkt, dass die Grundsätze nicht für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz gelten würden. Dort bleibe »die Regelung entsprechend der bisherigen Übung einer Vereinbarung im Einzelfall überlassen.« Diese Änderung muss auf eine Intervention des BMJ zurückgeführt werden. Über die Gründe dafür schweigen die Sachakten zwar, doch ein in den Personalakten des Beamten Hanns-Eberhard Erdmann befindlicher Brief des Bundesjustizministers an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Kopf vom 14. Dezember 1954 erlaubt retrospektive Rückschlüsse. Darin betonte Minister Neumayer nämlich, die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Abordnung von Beamten habe die Justizverwaltung ausdrücklich ausgenommen, »weil das Bundesjustizministerium bei den hier vorliegenden besonderen Verhältnissen auf die Mitarbeit jüngerer abgeordneter Beamte [sic!] angewiesen ist, die nicht in Planstellen übernommen werden können, sondern nach einer Tätigkeit von 2 bis 3 Jahren zunächst noch einmal in den Landesjustizdienst zurückkehren müssen, ehe sie, sofern es ihrer Neigung und ihren Fähigkeiten entspricht, endgültig in den Ministerialdienst übernommen werden können.«316 Hierbei verschwieg Neumayer allerdings eine weitere notwendige Bedingung, und zwar das Vorhandensein einer ausreichenden Anzahl von Planstellen in seinem Hause. Trotz dieser Aufschlüsse stellt sich die Frage, warum das BMJ nicht schon in einem früheren Stadium der Verhandlungen auf eine solche Ausnahmeregelung gedrängt hatte oder, wenn doch Schritte in diese Richtung unternommen wurden, warum es sich bis dato nicht hatte durchsetzen können. Jedenfalls war das Kanzleramt mit der vom Justizministerium beanspruchten Ausnahme zunächst nicht einverstanden, wie das »nein!« neben der entsprechenden Text-

315 Anlage »Entwurf. Bekanntmachung einer Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden. Vom…« zum Schreiben des BMdI v. 6.8.1953, in: Ebd. 316 Der BMdJ an Ministerpräsident Kopf v. 14.12.1954, in: BMJ -Personalakte Hanns-Eberhard Erdmann (P 11 – E 15), Bd. 1, Bl. 41 f., hier Bl. 42.

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passage in den Akten der Regierungszentrale beweist.317 Bedenken gegen die Ausnahme erhob auch die niedersächsische Landesregierung. »Diese müssen noch ausgeräumt werden«, hieß es in einem Vermerk des Kanzleramts von Anfang November.318 Hier hatte sich in der Zwischenzeit also ein Positionswandel zugunsten des Bundesjustizministeriums vollzogen. Wie die endgültige Fassung der Vereinbarung zeigt, konnten die Bedenken gegen eine Ausnahme für den Bereich der Justiz ausgeräumt werden. Die vom Bundesinnenminister am 25. Februar 1954 übersandte Vereinbarung enthielt denn auch den Satz »Diese Vereinbarung gilt nicht für den Geschäftsbereich der Bundesjustizverwaltung, für den die Regelung entsprechend der bisherigen Übung der Vereinbarung im Einzelfall überlassen bleibt.«319 Dennoch sind die Verhandlungen zum Beamtenersatz von Interesse für die Personalpolitik im BMJ, zumal sich die dort berührten Probleme nicht wesentlich von denen auf der Rosenburg unterschieden. Der Inhalt vieler Personalakten von Beamten des höheren Dienstes im Bundesjustizministerium bestätigt das.320 Im Begleitschreiben zur endgültigen Fassung der Vereinbarung zwischen den Regierungen des Bundes und der Länder bekräftigte Bundesinnenminister Schröder noch einmal das übergeordnete Ziel, »für diejenigen obersten Bundesbehörden, die über keinen Verwaltungsunterbau verfügen, die Ergänzung aus den Landesverwaltungen sicherzustellen und zu gewährleisten, dass in den höheren und gehobenen Dienst bei den obersten Bundesbehörden im allgemeinen nur Beamte eingestellt werden, die in der Verwaltung der Länder – insbesondere auch in der Aussenverwaltung – ausreichende praktische Verwaltungserfahrungen für den Dienst in der Zentralinstanz erworben haben.« Dies liege zudem im Interesse einer »gesunden Personalwirtschaft«.321 Nachdem alle relevanten Instanzen in Bund und Ländern der Vereinbarung über den Beamtenersatz zugestimmt hatten, wurde der Text im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht.322 Vom ersten Schreiben des Bundesinnenministers in dieser Angelegenheit bis zum Abschluss der Vereinbarung am 25. August 1954 waren mehr als vier Jahre vergangen. Doch während der Verhandlungen wurde – nicht zuletzt im BMJ – freilich bereits Personal aus den Ländern rekru317 Anlage »Entwurf. Bekanntmachung einer Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden. Vom…« zum Schreiben des BMdI v. 6.8.1953, in: BArch B 136/5141. 318 Vermerk für Mdgt Gumbel (Bundeskanzleramt) v. 3.11.1953, in: Ebd. 319 Anlage »Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden« zum Schreiben des BMdI an den Staatssekretär des Bundeskanzleramts v. 25.2.1954 betr. Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 320 Siehe etwa den unter II .3 folgenden Abschnitt »Beamtenersatz aus den Ländern«. 321 Der BMdI an den Staatssekretär des Bundeskanzleramts v. 25.2.1954 betr. Vereinbarung der Bundesregierung und der Landesregierungen über den Beamtenersatz bei den obersten Bundesbehörden, in: BArch B 136/5141. 322 GMBl. 1954, S. 414.

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tiert. Dass der Geschäftsbereich der Bundesjustizverwaltung von den Grundsätzen der Vereinbarung ausgenommen war, bedeutete nicht, dass dort völlig anders verfahren wurde. Gleichwohl hatten die Verantwortlichen, allen voran Staatssekretär Strauß, die Freiheit, Abordnungen aus den Ländern einzelfallbezogen zu vereinbaren und dabei die besonderen Belange der Justizverwaltung zu berücksichtigen.

2.6 Vergangenheitsbezogene Beschlüsse und Richtlinien des Bundeskabinetts Beim Aufbau der Bundesverwaltung ab 1949 sahen sich sowohl die Bundesregierung als Ganzes als auch die einzelnen Ministerien nicht zuletzt mit dem personellen Erbe des Dritten Reiches konfrontiert.323 Wie die Situation im Justizministerium gestaltet war, lässt sich anhand der Antwort auf eine Anfrage aus dem Bundeskanzleramt vom 8. Mai 1950 nachvollziehen.324 In dem Schreiben des BMJ wird deutlich, wie hoch der an der Parteimitgliedschaft gemessene Belastungsgrad in der Phase des personellen Aufbaus war.325 Unter den 48 Ange­ hörigen des höheren Dienstes waren 19 ehemalige Parteigenossen, während 29 Personen der NSDAP nicht angehört hatten. Ferner gibt die Übersicht darüber Auskunft, dass von den 19 früheren Parteimitgliedern im Rahmen der Entnazifizierung fünf in Kategorie IV und 14 in Kategorie V eingestuft wurden. Das Bild, das sich für den gehobenen Dienst ergibt, fällt sogar noch ungünstiger aus: Hier standen 17 ehemalige Parteigenossen 21 Nicht-Mitgliedern gegenüber.326 Während der Anteil früherer NSDAP-Mitglieder im höheren Dienst somit rund vierzig Prozent betrug, lag er im gehobenen Dienst bei fast 45 Prozent. Im Vergleich mit den übrigen Bundesministerien lag das BMJ aber durchaus im Mittel-

323 Mit der Aufarbeitung dieser NS -bezogenen Vergangenheit beauftragten viele Bundes­ ministerien und andere Einrichtungen des Bundes in jüngerer Zeit diverse Kommissionen aus Historikern und anderen Wissenschaftlern. Einen guten Überblick über diese Aktivitäten bieten Christian Mentel / Niels Weise, Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, hg. v. Frank Bösch u. a., München 2016. 324 Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an sämtliche Bundesminister v. 8.5.1950, gez. Dr. Globke, in: BArch B 136/5116. 325 Der BMdJ an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 20.5.1950, mit einer Übersicht zum Rundschreiben des Staatssekretärs des Innern im Bundeskanzleramt v. 8.5.1950 – BK 1741/50 mit Stand v. 15.5.1950, in: Ebd. Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 124 f. 326 Im mittleren Dienst hingegen waren kaum ehemalige Parteimitglieder zu finden; im einfachen Dienst sogar kein einziges. Dieses Ungleichgewicht gegenüber dem gehobenen und höheren Dienst könnte damit erklärt werden, dass die Beamten im einfachen wie im mittleren Dienst keine hochqualifizierten Spezialisten sein mussten und hier genügend Nicht-Parteimitglieder vorhanden waren.

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feld.327 Legt man die Gesamtwerte für alle Bundesministerien einschließlich Kanzleramt zugrunde, ist der Anteil der früheren Parteimitglieder im höheren Dienst des BMJ sogar niedriger als im Durchschnitt (47 zu vierzig Prozent), während die Werte für den gehobenen Dienst nahezu identisch sind (44 zu 45 Prozent). Obgleich das Bundesjustizministerium damit nicht die Speerspitze der Durchsetzung mit ehemaligen Parteigenossen bildete, erscheint es alles andere als unproblematisch, wenn fast jeder zweite Beamte oder Angestellte des im Aufbau befindlichen Justizministeriums einstmals einer Partei angehört hatte, die die Demokratie mit allen Mitteln bekämpfte und grundlegende Freiheitsrechte mit Füßen trat. Die Bundesregierung verschloss zwar nicht die Augen vor dem Problem der früheren NSDAP-Mitglieder in den neu gebildeten Ministerien, konnte sich aber nicht zu dem ausdrücklichen Beschluss durchringen, diesen Personenkreis grundsätzlich von der Besetzung bestimmter Posten auszuschließen. Einen Versuch in dieser Richtung hatte der erste Bundesminister des Innern Gustav Heinemann im August 1950 unternommen. An Kanzler Adenauer gewandt, schilderte der Minister, dass sich unter den ihm zur Prüfung vorgelegten Ernennungsvorschlägen einige befänden, »in denen die Ernennung von Mitgliedern der früheren NSDAP zu Ministerialdirigenten in der Stellung von Abteilungsleitern vorgesehen« sei.328 Erforderlich erscheine ihm eine grundsätzliche Klärung durch das Kabinett, ob die Besetzung von Stellen der Abteilungsleiter, Personalreferenten und Ministerialbürodirektoren in den obersten Bundesbehörden mit früheren Angehörigen der NSDAP vertreten werden könne. Angesichts der »herausgehobenen und besonderen personalpolitischen Bedeutung« dieser Stellen sei das aus seiner Sicht nicht der Fall. Eine Ausnahme könne aber zugelassen werden, wenn es sich um Beamte handele, »die den Bestrebungen des Dritten Reiches nachweislich Widerstand entgegengesetzt haben.« Der Notiz des Ministerialrats Karl Gumbel vom Bundeskanzleramt auf einem Vermerk für die 93. Kabinettssitzung am 31. August 1950 ist zu entnehmen, dass eine Beschlussfassung zu der Vorlage des Innenministers unterblieben sei.329 Gleichzeitig hielt Gumbel fest: »Der Inhalt des formulierten Beschlusses soll jedoch als Richtlinie dienen.« Im Protokoll zur Sitzung des Kabinetts heißt es, der Bundeskanzler teile die von seinem Stellvertreter, dem Bundesminister für den Marshallplan Franz Blücher (FDP), vorgetragene Auffassung, dass ein Beschluss »im gegenwärtigen Zeitpunkt« nicht angezeigt sei.330 Weiter wurde vermerkt, der Kanzler halte es für richtig, »unter Abstandnahme von der allgemeinen 327 Zusammenstellung [des Bundeskanzleramts] der Mitglieder der früheren NSDAP für alle Ministerien, in: BArch B 136/5116. 328 Der BMdI an den Bundeskanzler v. 25.8.1950, in: BArch B 136/5130. 329 Vermerk von Gumbel v. 29.8.1950 für die 92. Kabinettssitzung am 31.8.1950, in: Ebd. In der Zählung der Edition Kabinettsprotolle der Bundesregierung online ist es hingegen die 93. Kabinettssitzung. 330 93. Kabinettssitzung am 31. August 1950 TOP 15 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online).

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Beschlußfassung von Fall zu Fall zu entscheiden.« Auf Initiative des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser (CDU) stimmte das Kabinett dann aber der Aussage zu, dass die Bundesregierung »es sich zur allgemeinen Richtlinie mache, entsprechend dem vom Bundesinnenminister formulierten Beschluß zu verfahren.« Dabei blieb es schließlich. Wenige Monate später, am 28. November 1950, beschloss die Bundesregierung, dass alle Ernennungsvorschläge, die ehemalige Parteimitglieder als Abteilungsleiter, Personalreferenten oder Ministerialbürodirektoren vorsahen, dem Kabinett geschlossen vorzulegen seien.331 Den Anlass dieses Beschlusses bildete offenbar die Personalie des Ministerialbürodirektors im Bundesfinanzministerium. Für den Posten vorgeschlagen war der Regierungsrat Willy Greuel. Allerdings stellte das Kabinett die Entscheidung über ihn zurück. Im entsprechenden Protokoll heißt es: »Der Bundesjustizminister wird Erkundigungen über […] Regierungsrat Greuel einziehen und dem Kabinett berichten.«332 Allem Anschein nach waren Bedenken gegen diese Personalie geltend gemacht worden. Diese könnten sich an der Tatsache entzündet haben, dass Greuel im Zeitraum von 1939 bis 1945 als Geschäftsleitender Beamter der Abteilung Justiz beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren tätig gewesen war. Einige Tage später stimmte Minister Dehler dem Ernennungsvorschlag Greuel im Kabinett zu. Grundsätzlich, so heißt es im Protokoll, wolle er aber den Kabinettsbeschluss über die Ernennung ehemaliger Parteigenossen zu Abteilungsleitern, Personal­ referenten und Ministerialbürodirektoren gewahrt wissen.333 Damit positionierte sich das BMJ durchaus ambivalent, was den Umgang mit der NS -Vergangenheit hoher Beamter anging. Nachdem der Bundesinnenminister vom Kanzleramt über den Beschluss vom 28. November 1950, die Ernennungsvorschläge für die näher bezeichneten Posten geschlossen vorzulegen, in Kenntnis gesetzt worden war und den Auftrag erhalten hatte, das Entsprechende zu veranlassen,334 bat Minister Robert Lehr sämtliche seiner Amtskollegen, ihm mitzuteilen, mit welchen Ernennungsvorschlägen noch zu rechnen sei.335 Dadurch solle nach Möglichkeit eine Verzögerung der bereits laufenden Fälle dieser Art vermieden werden. Bei der Übersendung der Vorschläge an ihn und seinen Kollegen aus dem Finanzressort336 331 113. Kabinettssitzung am 28. November 1950 TOP 8 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 332 Ebd. 333 115. Kabinettssitzung am 6. Dezember 1950 TOP 16 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 334 Der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt an den BMdI v. 30.11.1950, gez. Globke, in: BArch B 136/5130. 335 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 20.12.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, hier: Besetzung von Abteilungsleiterstellen usw. in den obersten Bundesbehörden mit früheren Mitgliedern der NSDAP, in: Ebd. 336 Zu Ursprung und Einzelheiten der Prüfungen siehe den folgenden Abschnitt »Die Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen seitens BMI und BMF«.

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solle auch angegeben werden, inwiefern im Einzelfall die Voraussetzung zur Ernennung, also eine nachgewiesene Widerstandsleistung, vorliege, oder – und dieser Zusatz lässt aufmerken – »welche sonstigen Gründe ausnahmsweise eine Abweichung von der allgemeinen Richtlinie notwendig machen.«337 Damit hatte der Bundesminister des Innern die Position seines Amtsvorgängers zu einem nicht unbedeutenden Teil aufgeweicht.338 Nur einen Tag später wandte sich Innenminister Lehr an das Bundeskanzler­ amt, um auf einen Kabinettsbeschluss hinzuwirken, der die von ihm angewandten Grundsätze bei der Beförderung von ehemaligen Parteimitgliedern billige.339 Aus Sicht des Ministers sollten Beamte, die früher der NSDAP angehört hatten, bei ihrer Übernahme in den Bundesdienst keine Beförderung erfahren, »die über die ihrer letzten Besoldungsgruppe nächst höhere Besoldungsgruppe hinausgeht.« Abweichungen von dieser Grundlinie halte er nur dann für gerechtfertigt, wenn der zur Ernennung Vorgeschlagene »Widerstandshandlungen gegen das nationalsozialistische System oder Benachteiligungen durch dasselbe« aufzuweisen habe. Im Folgenden erläuterte Lehr, als solche Benachteiligung habe er es unter anderem angesehen, wenn angenommen werden konnte, dass der Betreffende im Dritten Reich »wegen politischer Mißliebigkeit nicht diejenige berufliche Förderung erfahren hat, die seinen Fähigkeiten und seinen Leistungen entsprochen hätte.« Auch die Umstände und der Zeitpunkt des Eintritts in die NSDAP, das Lebensalter »und andere sich sonst noch ergebene Gesichtspunkte« hätten ihn von Fall zu Fall veranlasst, Abweichungen zuzulassen. In einem internen Vermerk des Kanzleramts wurden diese Ausnahmen für derart umfangreich gehalten, dass eine wesentliche Beeinflussung der Beförderungen dadurch nicht zu erwarten sei.340 Das offiziell vorgebrachte Hauptargument gegen den vom Bundesinnenminister erwünschten Beschluss war jedoch ein anderes: Eine Umsetzung des Beschlusses würde bedeuten, über die früheren Mitglieder der NSDAP erneut bestimmte Sanktionen zu verhängen. Da der Bundestag in seiner Sitzung am 15. Dezember 1950 mit großer Mehrheit beschlossen habe, die gesamte Entnazifizierung zu beenden, »dürfte sich im gegenwärtigen Zeitpunkt ein derartiger Kabinettsbeschluss nicht empfehlen.«341

337 Der BMdI an sämtliche Bundesminister v. 20.12.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, hier: Besetzung von Abteilungsleiterstellen usw. in den obersten Bundesbehörden mit früheren Mitgliedern der NSDAP, in: BArch B 136/5130. 338 Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 126. 339 Der BMdI an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 21.12.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, hier: Beförderung von Mitgliedern der früheren NSDAP, in: BArch B 136/5130. 340 Vermerk von Platz v. 15.1.1951 für die Kabinettssitzung betr. Ernennungen von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, hier: Beförderung von Mitgliedern der früheren NSDAP, in: Ebd. 341 Ebd.

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Hinsichtlich der über beamtenrechtliche Fragen hinausgehenden und insbesondere die Durchleuchtung der politischen Vergangenheit umfassenden Prüfung der Ernennungsvorschläge durch den Innenminister vertrat der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats Hellwege die Auffassung, ein solches Vorgehen widerspreche dem Grundgesetz. Interessant erscheint die Reaktion des Kanzleramts auf diese Kritik. So kritisierte der Beamte Platz in einem Vermerk die von Hellwege vertretene Auffassung.342 Die einzuschlagende Personalpolitik der Bundesregierung gehöre zu den Richtlinien der Politik, die laut Artikel 65 GG dem Bundeskanzler vorbehalten seien. In diesem Zusammenhang betonte der Beamte: »Anstelle von Richtlinien, die der Bundeskanzler über die Personalpolitik hätte aufstellen können, hat er im Einvernehmen mit den übrigen Ministern festgestellt, daß eine einheitliche Personalpolitik durch Beschlußfassung des Kabinetts in jedem Falle der Ernennung eines Beamten vom Ministerialrat an aufwärts sichergestellt werden solle.« Von einer Fortsetzung der Entnazifizierung – darauf hatte offenbar die Kritik des Bundesratsministers abgezielt – könne nicht die Rede sein, da es sich bei der Überprüfung nicht um eine generelle Beschränkung für bestimmte Beamte handele, sondern lediglich darum, ob die Betreffenden zur Verwendung in einem Ministerium geeignet seien. Durch den Kabinettsbeschluss vom 31. August 1950 war auch das Bundes­ ministerium der Justiz gehalten, die Stellen der Abteilungsleiter, Personalreferenten und des Ministerialbürodirektors nicht mit ehemaligen Parteimitgliedern zu besetzen, sofern sie keine Widerstandshandlungen gegen bzw. Benachteiligungen durch das Dritte Reich vorzuweisen hatten. Die Phase bis 1953 in den Blick nehmend, war es von den Leitern der vier Fachabteilungen des BMJ nur Hans Eberhard Rotberg, der einst der NSDAP angehört hatte.343 Georg Petersen, Günther Joël und Walter Roemer verfügten allesamt nicht über ein Parteibuch der Nationalsozialisten. Der erste Personalreferent des BMJ, Walter Hohenstein, war ebenso wenig Parteigenosse gewesen; sein aus Bamberg rekrutierter Nachfolger Hans Winners dagegen schon. Selbiges trifft auch auf den als Ministerial­ bürodirektor tätigen Erich Hage zu. Von insgesamt sieben unter die Richtlinie der Bundesregierung fallenden Personen waren also drei Beamte ehemalige Parteimitglieder. Damit wich das Justizministerium nicht unerheblich von der genannten Richtlinie ab344  – ein Hinweis darauf, dass Dehler und sein ihm 342 Nachtrag v. 18.1.1951 zum Vermerk für die Kabinettssitzung betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, hier: Beförderung von Mitgliedern der früheren NSDAP, gez. Platz, in: BArch B 136/5130. 343 Walter Strauß war zwar zeitweise als Abteilungsleiter Z tätig, allerdings in seiner Eigenschaft als Staatssekretär. Daher wird er hier nicht zu den Abteilungsleitern (Ministerialdirektoren bzw. -dirigenten) gezählt. 344 In Hinblick auf Rotberg verwies das BMJ freilich auf die von ihm erlittenen Benachteiligungen während der NS -Zeit und seine eigentliche Gegnerschaft zum herrschenden Regime. Siehe dazu die Ausführungen zu Rotberg im Abschnitt »Die Auswahl der Abteilungsleiter« unter I.1.

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für die Personalpolitik verantwortlicher Staatssekretär anderen Merkmalen und Eigenschaften ihrer Beamten mehr Wert beimaßen als deren politischer Vergangenheit.

2.7 Die Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen seitens BMI und BMF Nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland rekrutierten die Bonner Ministerien zwar Beamte, konnten diese aber zunächst weder formal ernennen noch in die jeweilige Planstelle einweisen, da der entsprechende Haushalt noch nicht beschlossen war.345 Außerdem fehlten anfangs Bestimmungen, die das Vorgehen bei der Ernennung von Beamten unter der Geltung des Grundgesetzes regelten. Nach der Verabschiedung eines vorläufigen Bundespersonalgesetzes – im vollen Wortlaut das »Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen«346  – im Mai 1950 regte das Bundesministerium des Innern eine vom eigenen Haus im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium der Finanzen durchzuführende Mitprüfung bei Ernennungen von Beamten des höheren Dienstes bei den obersten Bundesbehörden an. In der diesbezüglichen Kabinettsvorlage vom 30. Mai 1950 bezeichnete es Innenminister Gustav Heinemann als wünschenswert, im Interesse einer »gleichmäßigen Beurteilung der beamtenrechtlichen Erfordernisse und der personalpolitischen Gesichtspunkte« bei Beamten des höheren Dienstes eine einheitliche Prüfung der Ernennungsvorschläge vor der Beschlussfassung durch das Kabinett bzw. vor der Ernennung durch den Bundespräsidenten vorzunehmen.347 Einen ähnlichen Vorschlag habe der »kleine Ministerausschuß« Anfang Oktober 1949 unterbreitet; auch der Bundeskanzler habe sich dahingehend geäußert, bereits vom Oberregierungsrat an aufwärts das Kabinett über die Ernennungsvorschläge beschließen zu lassen. Aus seiner Sicht, so Heinemann gegenüber dem Kanzleramt, genüge die Befassung des Kabinetts ab der Stufe des Ministerialrats. Was die einheitliche Prüfung durch die Ministerien des Innern und der Finanzen angehe, sollten die Oberregierungsräte jedoch mit einbezogen werden. Konkret schlug der Bundesinnenminister dem Kabinett vor, alle Ernennungsvorschläge des höheren Dienstes vom Oberregierungsrat an aufwärts unter Beifügung der Personalakten zunächst dem Bundesminister des Innern zuzuleiten, der dann gemeinsam mit dem Bundesminister der Finanzen diese Vorschläge prüfe. Sollten keine Bedenken bestehen, würde der Vorschlag sofort an den 345 Das Haushaltsgesetz 1949 und die Vorläufige Haushaltsordnung wurden erst am 7. Juni 1950 Gesetz und traten rückwirkend zum 21. September 1949 in Kraft. Siehe dazu BGBl. I 1950 S. 199. 346 BGBl. S. 207. 347 Der BMdI an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 30.5.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes, in: BArch B 136/5130.

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Bundespräsidenten bzw., nämlich bei Positionen ab dem Ministerialrat, zunächst an das Kabinett weitergeleitet werden. Wenn aber die beiden prüfenden Minister Bedenken gegen den Ernennungsvorschlag erhöben und die Verhandlungen mit dem zuständigen Bundesminister zu keiner Einigung führten, so könne dieser den Vorschlag  – in diesem Fall dann auch ab dem Oberregierungsrat  – dem Kabinett zur Beschlussfassung zuleiten. Das BMJ zeigte sich offen für die Vorschläge des Innenministeriums. Der Justiz­minister bekräftigte seine grundsätzliche Zustimmung zur Mitprüfung durch das Innen- und Finanzministerium, knüpfte diese Zustimmung aber an eine Bedingung. So bezeichnete es Dehler in einem Schreiben an den Staatssekretär des Innern im Kanzleramt vom 5. Juni 1950 als Voraussetzung der Prüfung, dass Klarheit darüber bestehe, nach welchen Grundsätzen sie erfolgen solle.348 Auf keinen Fall dürfe die Prüfung nach völlig freiem Ermessen durchgeführt werden oder etwa die fachliche Eignung, die dienstliche Qualifikation, die politische Eignung oder die landsmannschaftliche Zugehörigkeit beanstandet werden. Daher plädiere er dafür, »bindende Grundsätze über Anstellung und Beförderung des [sic!] Bundesbeamten« aufzustellen; die Prüfung durch die Bundesminister des Innern und der Finanzen müsste sich dann darauf beschränken, ob diese Grundsätze bei den Ernennungsvorschlägen beachtet worden seien. Gleichzeitig schlug Dehler vor, bis zum Erlass solcher Grundsätze die »Reichsgrundsätze über Einstellung, Anstellung und Beförderung der Reichs- und Landesbeamten« vom 14. Oktober 1936349 der Prüfung zugrunde zu legen – unter Außerachtlassung der Vorschriften »typischen nationalsozialistischen Inhalts«.350 Überdies seien bei jeder Bewilligung von in den Reichsgrundsätzen vorgesehenen Ausnahmen sämtliche Bundesminister in Kenntnis zu setzen, um sicherzustellen, dass von den Ausnahmen nicht einseitig Gebrauch gemacht werde. Wie sich bald zeigen sollte, wurde die Mitprüfung durch das Innen- und Finanzministerium nur im Fall von Ernennungen vorgenommen, nicht aber bei Übernahmen aus zonalen Behörden. So stellten die beiden Minister in einem gemeinsamen Schreiben an den Bundesjustizminister vom 25. August 1950 klar, dass die vom BMJ übersandten Übernahmevorschläge betreffs Ministerialrat von Arnim, Regierungsdirektor Brandl und Oberregierungsrat Jung einer Prüfung nicht bedürfen, da sich die entsprechenden Kabinettsbeschlüsse nur auf Vorschläge zu Ernennungen bezögen.351 Die drei genannten Beamten waren zuvor bereits im Rechtsamt angestellt worden. Der vom Bundesjustizministerium vertretenen Auffassung, dass infolge der Einrichtung des Bundespersonalausschusses die Prüfung der Ernennungsvor348 Der BMdJ an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 5.6.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes, in: BArch B 136/5130. 349 RGBl. I S. 893. 350 Bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 127 wird dieser Vorschlag als »politisch instinktlos« bewertet. 351 Der BMdI u. der BMdF an den BMdJ v. 25.8.1950 betr. Übernahmevorschläge des BMJ, in: BMJ -Personalakte Theodor Brandl (P 11 – B 4), Bl. 57.

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schläge durch die Bundesminister des Innern und der Finanzen entbehrlich werde, stimmte das Bundeswirtschaftsministerium zu.352 Der Bundespersonalausschuss war mit Verordnung vom 15. Juni 1950 errichtet worden.353 Damit kamen der Innen- und der Finanzminister ihrer Verpflichtung aus § 8 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen nach. Dieser Paragraf bestimmte, dass die beiden genannten Minister für die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verantwortlich seien. Hauptsächlicher Zweck des Bundespersonalausschusses war es, die dem Bundesinnen- und Finanzministerium per Gesetz zustehenden Rechte wahrzunehmen. Ferner musste er gutachterlich gehört werden, bevor oberste Bundesbehörden über die Beschwerden von Beamten, Angestellten oder Arbeitern entschieden, sofern es sich um Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung handelte. Die Zusammensetzung des Bundespersonalausschusses sah folgendermaßen aus: Ihm gehörten qua Funktion der Präsident des Bundesrechnungshofes sowie die jeweiligen Leiter der Personalrechtsabteilung von BMI und BMF an; hinzu kamen je zwei auf Vorschlag der entsprechenden Berufsverbände bestellte und im Dienst des Bundes stehende Beamte, Angestellte und Arbeiter. Sämtliche Mitglieder des Bundespersonalausschusses waren als solche unabhängig und an Weisungen nicht gebunden (§ 4). Organisatorisch wurde der Ausschuss beim Bundesministerium des Innern angesiedelt. Sein Bestehen war ursprünglich an die Geltungsdauer des Bundespersonalgesetzes gekoppelt. Doch mit dem Bundesbeamtengesetz von 1953, welches das vorläufige Gesetz von 1950 ablöste, wurde der Ausschuss beibehalten.354 Die dem Bundespersonalausschuss obliegenden Aufgaben wurden, wie § 98 BBG zeigte, sogar noch erweitert. So fielen unter anderem die Mitwirkung bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse sowie bei der Vorbereitung der Vorschriften über Ausbildung, Prüfung und Fortbildung von Beamten in den Zuständigkeitsbereich des weiterhin beim BMI ressortierenden Gremiums. Im Bericht über die Tätigkeit des ersten Bundespersonalausschusses in der Zeit vom 22. Juni 1950 bis 6. August 1953 sind Hinweise enthalten, die die Umstände der Einrichtung des Ausschusses noch mehr erhellen.355 Demnach sollte mit seiner Gründung die ursprünglich angedachte Schaffung eines unabhängigen Personalamts anderweitig gelöst, sprich verhindert, werden. Den Alliierten war seitens der Bundesregierung zuvor zugesichert worden, die geforderten Prinzipien  – nämlich die Überwachung und Sicherung einer gleichmäßigen 352 Der BMfWi an den Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt v. 10.6.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes, in: BArch B 136/5130. 353 Verordnung über den Bundespersonalausschuß. Vom 15. Juni 1950, BGBl. S. 216. 354 Bundesbeamtengesetz. Vom 14. Juli 1953, BGBl. I S. 551. 355 Bericht über die Tätigkeit des ersten Bundespersonalausschusses in der Zeit vom 22. Juni 1950 bis 6. August 1953 v. 24.11.1953, in: BArch B 136/5131. Aus der Anlage zum Bericht geht hervor, dass von den 1348 in jenem Zeitraum gefassten Beschlüssen 3,13 Prozent das BMJ betrafen; das entspricht einer Zahl von 42 Fällen.

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und richtigen Handhabung der Personalgesetze durch alle Ministerien einerseits und die Schaffung einer unparteiischen Beschwerdeinstanz zur Sicherung der Rechte der Beamten, Angestellten und Arbeiter andererseits – einzuhalten. Der Bundespersonalausschuss habe bei seiner Gründung vor der schweren Aufgabe gestanden, den Bedürfnissen der Bundesverwaltung unter Wahrung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Rechnung zu tragen. Dazu zählten unter anderem die Auswirkungen der Entnazifizierung, die Frage der Höchstaltersgrenze und die Auseinandersetzung mit dem »AußenseiterProblem«, also der Verwendung von Personen, die nicht Laufbahnbeamte waren. Von der Gewinnung von Spezialisten für Sonderaufgaben abgesehen, müsse der Einstellung von freien Bewerbern mit Zurückhaltung begegnet werden, denn sie bringe leicht die Gefahr mit sich, dass »anstelle der fachlichen Befähigung die Gunst politischer Kräfte zum entscheidenden Auslesemerkmal« werde. Des Weiteren wurde in dem Bericht auf die im Gesetz Nr. 15 der amerikanischen und britischen Militärregierung geforderte öffentliche Ausschreibung von Stellen und Prüfungen eingegangen. Kritisch fiel die Bemerkung aus, das System der Stellenausschreibungen vertrage sich in vielen Fällen nicht mit der Organisation der deutschen öffentlichen Verwaltung. Daher habe der Bundespersonalausschuss auf Grundlage der ihm erteilten Ermächtigung entschieden, dass in gewissen Fällen von der öffentlichen Ausschreibung von Prüfungen und Stellen abgesehen werden könne. Dies betraf nicht zuletzt alle Beamtenstellen vom Ministerialrat an aufwärts, ferner die Stellen für persönliche Referenten der Minister und Staatssekretäre sowie diejenigen Stellen, »deren Besetzung durch Anstellung außerplanmäßiger Beamter, durch Beförderung, Höhergruppierung, durch Versetzung von Beamten und Angestellten oder durch Übernahme aus dem Landesdienst (z. B. Art. 36 GG)« vorgenommen werde. Für das BMJ bedeuteten diese Bestimmungen, dass kaum eine Stelle des höheren Dienstes der Pflicht zur Ausschreibung unterlag. Das Personal des Justizministeriums rekrutierte sich, abgesehen vom in erster Linie aus zonalen Einrichtungen herstammenden Gründungspersonal, hauptsächlich aus den Ländern. Die Beamten von dort wurden in der Regel zunächst an das BMJ abgeordnet und dann, sofern im Ministerium der Bedarf bestand und eine allgemeine Eignung wie auch eine günstige Beurteilung des Beamten vorlagen, übernommen. In der Kabinettssitzung vom 30. Juni 1950 wurde das vom Bundesminister des Innern vorgeschlagene Verfahren der Mitprüfung durch BMI und BMF gebilligt.356 Im Vorfeld der darauffolgenden Sitzung der Bundesregierung wurde im Bundeskanzleramt intern infrage gestellt, wie sinnvoll dieser Beschluss sei. So kam der bereits erwähnte Karl Gumbel in einem Vermerk zu dem Ergebnis, das von Innen- und Finanzminister getragene Mitprüfungsverfahren sei entbehrlich.357 356 79. Kabinettssitzung am 30. Juni 1950 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 357 Vermerk von Gumbel v. 3.7.1950 für die Kabinettssitzung am 4. Juli 1950 betr. Personalangelegenheiten, in: BArch B 136/5130.

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Beide Begründungen, die Heinemann angeführt hatte, versuchte Gumbel zu entkräften. Was die Nachprüfung der beamtenrechtlichen Voraussetzungen angeht, meinte der Beamte des Kanzleramts, jeder Ernennung gehe von Amts wegen eine Überprüfung der beamtenrechtlichen Erfordernisse durch den verantwortlichen Minister voraus. Außerdem sei allein der Bundespersonalausschuss für etwaige Ausnahmegenehmigungen zuständig. Dadurch, dass die Minister dann keine Möglichkeit einer Korrektur der Entscheidungen des Bundespersonalausschusses hätten, könnten die gegenüber der Alliierten Hohen Kommission gegebenen Zusicherungen nicht eingehalten werden. Was die von Innenminister Heinemann ins Feld geführte Überprüfung nach personalpolitischen Gesichtspunkten betraf, so vertrat Gumbel die Auffassung, die Mitprüfung sei zumindest bei denjenigen Ernennungsvorschlägen entbehrlich, mit denen sich das Kabinett ohnehin befasse. Die Minister würden nämlich rechtzeitig vor den Sitzungen den Vorschlagsbogen erhalten und könnten somit Einwendungen personalpolitischer Art in der Kabinettssitzung vorbringen. Vollständig verwerfen mochte Gumbel das vom Kabinett beschlossene Verfahren jedoch nicht. Vielmehr erachtete er es als »zweckmäßig« in Bezug auf die Beamten des höheren Dienstes unterhalb des Ministerialrats, also die Regierungsräte, Oberregierungsräte und Regierungsdirektoren – und unterbreitete den Vorschlag, den Kabinettsbeschluss dahingehend abzuändern. Mit seiner Auffassung von der weitgehenden Entbehrlichkeit der Mitprüfung durch BMI und BMF konnte sich Gumbel allerdings nicht durchzusetzen. Das Kabinett bestätigte am 4. Juli stattdessen seinen vorherigen Beschluss. Damit war das von Gustav Heinemann vorgeschlagene Prüfungsverfahren endgültig etabliert und wirkte fortan auch auf die Personalpolitik des Bundesjustizministeriums unter Staatssekretär Strauß. Im weiteren Verlauf konkretisierten der Innen- und der Finanzminister noch das Verfahren ihrer Mitprüfung. An die übrigen obersten Bundesbehörden gewandt, trafen sie beispielsweise die Festlegung, dass die Entscheidung des Bundespersonalausschusses im Falle von Ernennungen, die einer Ausnahmegenehmigung bedürfen, vorher einzuholen und dann im Vorschlagsbogen zu vermerken sei.358 Das Studium von Personalakten im Bundesministerium der Justiz hat gezeigt, dass sich die Verantwortlichen auf der Rosenburg an jene Regelung gehalten haben. Wenige Wochen nach dem Kabinettsbeschluss zum Mitprüfungsverfahren betonte das Finanzministerium gegenüber dem Innenressort, dass man selbst lediglich die haushaltsrechtliche Seite der Prüfung übernehme sowie sonstige beamtenrechtliche Aspekte berücksichtige.359 Für alle übrigen Fragen der Prüfung seien das Innenministerium sowie der jeweilige Fachminister zuständig. Das Bundeskanzleramt in Gestalt von 358 Der BMdI und der BMdF an die obersten Bundesbehörden v. 19.7.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 359 Der BMdF an den BMdI v. 15.8.1950 betr. Ernennung von Beamten des höheren Dienstes der Obersten Bundesbehörden; unser gemeinsames Rundschreiben vom 19.7.1950, in: Ebd.

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Ministerialdirektor Globke teile diese Auffassung. In der Konsequenz bedeutet das, dass die Prüfung der personalpolitischen Gesichtspunkte vor allem Sache des Innenministeriums war. Und in der Tat wurden Zweifelsfragen vom dortigen Staatssekretär Ritter von Lex mit dem Staatssekretär des jeweiligen Ministeriums besprochen, wie es Walter Strauß später niederschrieb und was sich mit dem Inhalt der betreffenden Personalakten im BMJ deckt.360 Die Frage der konkreten Ausgestaltung der Prüfung von Ernennungen der Beamten des höheren Dienstes blieb indes strittig. Zu der Problematik hatte es am 10. Februar 1951 eine Besprechung zwischen Ministerialdirektor Globke und Staatssekretär Ritter von Lex gegeben, die seit ihrer gemeinsamen Zeit im Reichsministerium des Innern eng befreundet waren. Im Nachgang dieser Besprechung übermittelte von Lex seinem Kollegen im Bundeskanzleramt eine Aufzeichnung über seinen Standpunkt, den er seinem Minister zur Vertretung im Kabinett vorschlagen werde.361 Besonderen Wert legte der Staatssekretär im Innenministerium darauf, dass sich die Vorprüfung durch den Bundes­minister des Innern auch auf die Prüfung der politischen Voraussetzungen der Ernennung erstrecke. Diese politische Überprüfung begriff er als Untersuchung der Frage, ob der Vorgeschlagene die Voraussetzungen für die Bekleidung des für ihn vorgesehenen Amtes erfülle. In dieser Hinsicht sei nicht nur zu klären, ob gegenwärtig eine links- oder rechtsradikale Neigung bestehe. Vielmehr müsse auch »die politische Haltung und Stellung, die der Betreffende im Dritten Reich eingenommen hat«, berücksichtigt werden. Dazu hieß es in dem Schreiben an Globke erläuternd, wer im Dritten Reich »an exponierter Stelle gestanden« habe, werde in einem Bundesministerium »unter Umständen als Oberregierungsrat oder auch noch als Ministerialrat tragbar sein, kaum aber als Ministerialdirigent.« Ursprünglich, so von Lex, sei ins Auge gefasst worden, die Prüfung der politischen Voraussetzungen mit Ausnahme der Fälle der Abteilungsleiter, Personalreferenten und Ministerialbürodirektoren auf die Frage zu beschränken, ob der Betreffende allgemein für den Dienst in einer obersten Bundesbehörde tragbar sei. Nach reiflicher Überlegung sei er aber zu dem Ergebnis gekommen, dass »auf die Möglichkeit einer gewissen Differenzierung nach dem Dienstrange« nicht ganz verzichtet werden könne, da die politischen Voraussetzungen, die beispielsweise an einen Ministerialdirigenten zu stellen seien, sich von denen, die an einen Oberregierungsrat gestellt werden müssten, gegebenenfalls erheblich unterscheiden würden. Daher könne die Frage der allgemeinen Eignung für den Ministerialdienst nur in Fällen der erstmaligen Ernennung geprüft werden. Bei aller notwendigen Differenzierung solle zwischen einem Ministeri-

360 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 282. 361 Der Staatssekretär im BMI an MD Dr. Globke v. 19.2.1951 mit Anlage »Betrifft: Prüfung der Ernennungen von Beamten des höheren Dienstes in den obersten Bundesbehörden gemäß Kabinettsbeschluß vom 4.7.1950«, in: BArch B 136/5130.

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alrat und einem Regierungsdirektor kein Unterschied gemacht werden, was die Beurteilung der politischen Voraussetzungen betrifft. Dazu hieß es weiter: »Es wird daher auch davon abgesehen, bei der Beförderung von Pg’s [sic!] zum Ministerialrat zunächst das Durchlaufen der Regierungsdirektorengruppe zu fordern.« Des Weiteren solle an der vom Kabinett aufgestellten Richtlinie festgehalten werden, der zufolge die Stellen von Ministerialdirektoren, Ministerialdirigenten als Abteilungsleitern, Personalreferenten und Ministerialbürodirektoren nach Möglichkeit mit Nicht-Parteigenossen oder solchen früheren Mitgliedern der NSDAP, die Widerstandshandlungen aufzuweisen hätten, zu besetzen seien. Aus der Aktenüberlieferung geht nicht hervor, ob Globke, den von Lex um eine Stellungnahme zu seinem Standpunkt gebeten hatte, auf das Schreiben des Staatssekretärs geantwortet hat. Ein von Gumbel verfasster Vermerk wenige Wochen später beweist allerdings, dass sich das Kanzleramt die von Ritter von Lex vertretene Auffassung zu eigen gemacht hat, der zufolge auf die Möglichkeit einer Differenzierung nach dem Dienstrange nicht verzichtet werden könne.362 Hinsichtlich der Frage, mit welcher Beförderung die Übernahme eines ehedem der Partei angehörenden Oberregierungsrates in den Bundesdienst einhergehen solle, verwies Gumbel auf die Ansicht des Bundesinnenministers, der für eine Beförderung höchstens zum Regierungsdirektor plädiert hatte und der nun um eine Bestätigung dieser Praxis durch das Kabinett bitte. Zugleich erwähnte der Beamte des Kanzleramts die Bedenken der Bundesminister Blücher, Hellwege, Seebohm und Erhard hiergegen. Als Lösungsansatz präsentierte Gumbel ein doch recht gewagtes Gedankenkonstrukt: »Wenn im konkreten Falle die Übernahme eines Oberregierungsrates unter gleichzeitiger Beförderung zum Ministerialrat aus politischen Gründen für untunlich gehalten wird, dann sollte jedoch von einer Beförderung zum Regierungsdirektor ebenfalls Abstand genommen werden und lediglich die Übernahme als Oberregierungsrat erfolgen. Der Regierungsdirektor war früher in der Ministerialinstanz nicht üblich. Eine Beförderungsmöglichkeit  – und zwar dann sofort zum Ministerialrat  – wird sich nach dem Ablauf einer gewissen Zeit ergeben.« Diese Worte bedeuten nichts anderes, als so lange Gras über die in der nationalsozialistischen Vergangenheit wurzelnden Bedenken wachsen zu lassen, bis die Beförderung des betreffenden Beamten auf keinen Widerspruch mehr stoße. Ähnlich wie Gumbel sprach sich auch Staatssekretär Strauß in einer Sitzung des Bundeskabinetts wenige Monate später grundsätzlich gegen die Stufe des Regierungsdirektors aus.363 In Übereinstimmung mit mehreren Kabinettsmitgliedern erklärte Strauß, dass die Zwischenstufe des Regierungsdirektors für den Bereich des Justizministeriums »untragbar« sei. Allerdings kam die Ministerrunde überein, so lange daran festzuhalten, zwischen den Planstellen 362 Vermerk für die Kabinettssitzung von Gumbel v. 9.3.1951 betr. Prüfung der Ernennungen von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, in: Ebd. 363 163. Kabinettssitzung am 20. Juli 1951 TOP 2 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online).

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für Oberregierungsräte und Ministerialräte solche für Regierungsdirektoren einzuschieben, bis das Kabinett grundsätzlich von dieser Linie abweiche und auch die Stellenpläne danach eingerichtet würden. Abgeschafft wurden die Regierungsdirektoren mitnichten – diese Stellen existieren bis heute. Die Prüfung der Ernennungsvorschläge von Beamten des höheren Dienstes stand am 16. März 1951 erneut auf der Tagesordnung des Kabinetts.364 Nach einer Diskussion, in der vor allem der Bundesminister des Innern und derjenige für den Marshallplan ihre bereits dargestellten Positionen noch einmal deutlich gemacht hatten, schaltete sich der Bundeskanzler mit der Bemerkung ein, die Beurteilung der Beförderungswürdigkeit eines Beamten sei in erster Linie Sache des zuständigen Ressortministers. Dieser habe aber darauf zu achten, dass »nicht zu viel entlastete ehemalige Parteimitglieder in seinem Ministerium tätig seien.« Eine Definition, ab welchem Anteil es »zu viel« wären, lieferte der Kanzler freilich nicht. In der Regel müsse die Einstufung im Entnazifizierungsverfahren anerkannt werden. Einschränkend fügte Adenauer hinzu, die politische Be­ urteilung eines Beamten solle dann einer Überprüfung unterzogen werden, wenn sich im Einzelfall herausstellen sollte, dass der Spruch »offensichtlich zu milde« ausgefallen sei oder wenn beim Entnazifizierungsverfahren nicht beachtete Tatbestände bekannt würden. Bei aller Betonung der Verantwortung der einzelnen Ressorts bemerkte der Bundeskanzler abschließend, der »strengste Maßstab« sei an die Personalreferenten anzulegen, »weil hier Verbindungen lebendig werden könnten, die die Zusammensetzung des Beamtenkörpers in politischer Hinsicht ungünstig beeinflussen können.« Im Schlusssatz des Protokolls hieß es kurz und knapp, das Kabinett stimme den zusammenfassenden Darlegungen des Bundeskanzlers zu. Über die im Zusammenwirken mit dem BMF erfolgende Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen hinausgehend, versuchte das Bundesinnenministerium, seine Kompetenzen in diesem Bereich zu erweitern. So brachte das BMI im August 1951 die Einrichtung einer Zentralkartei ins Gespräch, in der sämtliche Bedienstete der Bundesministerien und des Bundespräsidialamts erfasst sein sollten. Zur Begründung dieses weit greifenden Vorschlags führte das BMI die Notwendigkeit an, politisch unzuverlässige Elemente von den obersten Bundesbehörden fernzuhalten.365 Um die Thematik zu erörtern, lud das Innenministerium die übrigen Ressorts zu einer Besprechung für den 24. August ein. Aus einem im Kanzleramt gefertigten Vermerk geht hervor, dass die Vertreter der 364 136. Kabinettssitzung am 16. März 1951 TOP 4 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). Siehe dazu auch den Vermerk von Gumbel v. 13.4.1951 betr. Prüfung der Ernennungen von Beamten des höheren Dienstes der obersten Bundesbehörden, in: BArch B 136/5130. 365 Der BMdI an den Chef des Bundespräsidialamts, die Bundesminister, das Bundesamt für Verfassungsschutz v. 14.8.1951 betr. Einrichtung einer Zentralkartei für sämtliche Bedienstete des Bundespräsidialamtes und der Bundesministerien im Bundesministerium des Innern, in: BArch B 136/878, Bl. 17.

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obersten Bundesbehörden »fast alle« der Einrichtung der Zentralkartei positiv gegenüberstünden.366 Neben dem Ministerium für Verkehr und demjenigen für das Post- und Fernmeldewesen habe jedoch auch das Bundesministerium der Justiz keine Notwendigkeit für eine solche Kartei gesehen, »da sie ihr Personal fast ausschließlich aus dem großen Reservoir ihrer nachgeordneten Dienststellen holten.« Diese Begründung überrascht – zumindest für das BMJ, denn mit dem Patentamt hatte das Ministerium zwar eine große Behörde in seinem Geschäftsbereich, rekrutierte daraus jedoch kaum Personal für das eigene Haus. Letztlich ist es aufgrund sachlicher und technischer Bedenken zwar nicht zur Schaffung einer Zentralkartei für Bundesbedienstete gekommen,367 doch bereits die Initiative dazu verdeutlicht ebenso wie die Bestrebungen zur Schaffung eines Bundespersonalamts, dass es zu Beginn der fünfziger Jahre gewisse Zentralisierungstendenzen in der Personalpolitik des Bundes gab. In der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hatte das Personalamt einen erheblichen Einfluss auf die Personalpolitik der einzelnen Verwaltungszweige besessen. Nach Verabschiedung des Grundgesetzes wurden von verschiedenen Seiten Forderungen erhoben, ein solches Personalamt auch für die Bundesrepublik zu etablieren. Bundesinnenminister Heinemann lehnte das zumindest nicht grundsätzlich ab, sondern empfahl dem Nationalökonomen Professor Alfred Müller-Armack im Dezember 1949 die Beschäftigung mit dieser Frage. Wörtlich meinte der Minister: »Dieses Personalamt soll bei der bisher üblichen alleinigen Einstellung oder Beförderung von Beamten durch den jeweils zuständigen Behördenchef in der Weise mitwirken, dass es Vorschläge und Einsprüche einlegen kann. Der letzte Sinn eines Personalamtes ist der Versuch, auf die Bildung der neuen Beamtenführungsschicht materiellen Einfluss zu gewinnen. Mit anderen Worten also, an die Stelle der bisher in der Beamtenhierarchie üblichen Kooptation einen zweiten Partner zur Mitwirkung zu bringen.«368 Damit brachte es Heinemann auf den Punkt: Die Existenz eines Personalamts würde die bestehenden Traditionen in entscheidendem Maße verändern. Allein, dazu kam es nicht. Vielmehr blieb der Einfluss der Ministerien auf die Ernennung und Beförderung ihrer Beamten gewahrt, die Mitprüfung der Ernennungsvorschläge durch das Innen- und das Finanzressort erhalten. Bei der Beratung des Entwurfs einer Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Bundesrichter zu Beginn des Jahres 1950 wurde indes die Frage aufgeworfen, ob das Staatsoberhaupt gehalten sei, den Personalvorschlägen der Bundesregierung auf jeden Fall zu ent366 Vermerk von Referat 3b des Bundeskanzleramts v. 24.8.1951, in: Ebd., Bl. 19. 367 Vgl. Vermerke des Bundeskanzleramts v. 25.4.1952, v. 11.1.1954, v. 7.4.1954, in: Ebd., Bl. 20–22. Aus letztgenanntem Vermerk geht hervor, dass das BMI , anstatt eine Zentralkartei zu schaffen, wohl allgemeine Richtlinien erlassen werde, die bei Einstellungen aus Sicherheitsgründen nach Möglichkeit beachtet werden sollen. 368 Heinemann an Prof. Müller-Armack v. 22.12.1949, in: Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), NL Gustav Heinemann, Allgemeine Korrespondenz, Nr. 23.

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sprechen. Zu dieser Frage wurde im BMJ ein Vermerk angefertigt und, versehen mit Dehlers Unterschrift, an das Bundeskanzleramt geschickt.369 Im Justizministerium war man zu dem Schluss gekommen, dass die Ernennung und Entlassung der Beamten durch den Bundespräsidenten lediglich ein Formalakt sei; an die Vorschläge der Regierung oder des Fachministers sei das Staatsoberhaupt somit gebunden. Interessant daran ist weniger das Ergebnis als die Begründung. Ausgehend von einer Schilderung der Verhältnisse in der Weimarer Republik, als der Reichspräsident bei der Ernennung und Entlassung der Beamten nicht an die Vorschläge der Reichsminister gebunden war, wurde betont, dass das Grundgesetz nicht einfach eine Kopie der Weimarer Verfassung sei, sondern neue Wege gehe. Gewissermaßen lautete das Argument, Bonn sei nicht Weimar. Das Grundgesetz wurde ferner als »Glied in einer Entwicklungskette« gewertet, die vom absoluten über den konstitutionellen und vom parlamentarischen zum »reformiert-parlamentarischen Staat der Bundesrepublik Deutschland« führte. Während dieser Entwicklung sei die Rechtsstellung des Monarchen und Präsidenten immer schwächer geworden, die Macht der Regierung dagegen kontinuierlich gewachsen. Die Stellung des Bundespräsidenten nach dem Grundgesetz beschränke sich im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben. Darunter falle auch der »in einer besonders eindrucksvollen Weise« vollzogene Formalakt der Ernennung der Richter und Beamten des Bundes. Dem Bundespräsidenten sachlichen Einfluss auf die Personalpolitik der Regierung einzuräumen, erscheine nicht mehr vereinbar mit der Grundkonzeption des Grundgesetzes. Bezogen auf die Regierung hieß es in dem BMJ-Vermerk weiter: »Die materielle Entscheidung darüber, wen sie zur Mitarbeit heranziehen will, muss die Regierung als Spitze der aktiven Staatsverwaltung treffen können. Denn sie allein verfügt über die genaue Kenntnis der Bedürfnisse ihrer Verwaltung, über eine zuverlässige Beurteilung der Eignung und Zuverlässigkeit der Beamten.« Nicht zuletzt deshalb, weil die Regierung die Verantwortung für das Funktionieren ihres Apparates trage, müsse sie auch die Entscheidung in Personalsachen treffen können. Das gelte in besonderem Maße für die engsten Mitarbeiter der Minister innerhalb der Ministerien wie Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Referenten. Andernfalls wäre der Bundespräsident in der Lage, die Arbeit innerhalb der »Bundeszentralbehörden« empfindlich zu stören. Im Kanzleramt wurde die Einschätzung des Bundesjustizministeriums, dass die Ernennung und Entlassung der Beamten durch den Bundespräsidenten lediglich einen Formalakt darstelle, geteilt.370 Die am 17. Mai 1950 erlassene Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Bundesrichter wurde sogar im Bundesgesetzblatt veröffent­

369 Der BMdJ an das Bundeskanzleramt v. 6.2.1950 betr. Ernennung von Beamten, Anlage: Vermerk über das Recht des Bundespräsidenten zur Ernennung von Bundesbeamten v. 3.2.1950, in: BArch B 136/5130. 370 Vorlage von Gumbel für den Bundeskanzler v. 8.2.1950, in: Ebd.

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licht, enthielt jedoch keine derartige Feststellung.371 Gleichwohl nahm die Bundesregierung für sich in Anspruch, dass allein sie über die Ernennung und Entlassung der Beamten entscheide. Der Vermerk des BMJ lieferte dafür offenbar die rechtliche Argumentationsgrundlage. In der Praxis war es danach auch der Regelfall, dass der Bundespräsident die vom Bundesjustizminister oder  – auf dessen Veranlassung hin – vom Kabinett vorgeschlagenen Kandidaten ernannte bzw. entließ.

2.8 Der Einfluss von Globke und dem Kanzleramt372 Anders als das BMJ im Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets und im Zentraljustizamt der britischen Zone hatte das Bundeskanzleramt keine unmit­telbare Vorgängerinstitution aus der Besatzungszeit. Kanzler Adenauer wurde denn auch eine gewisse Reserviertheit gegenüber derartigen Einrichtungen nachgesagt; beim personellen Aufbau des Bundeskanzleramts machte er beispielsweise keinen Gebrauch von der Direktorialkanzlei des Vereinigten Wirtschaftsgebiets.373 Wie Walter Strauß weiter berichtete, hat Hans Globke als Ministerialdirektor den »kleinen, aber vorzüglichen Stab« des Kanzleramts aufgebaut. In diesem Zusammenhang betonte Strauß: »Globke, das muß hier erwähnt werden, war ein unvergleichlicher Gehilfe Adenauers und ein nie versagender Kamerad der Staatssekretäre der Ministerien.«374 Die Rolle von Hans Globke für den Aufbau der Ministerien, auch des BMJ, kann kaum überschätzt werden. Zu ihm hatte nicht nur Staatssekretär Strauß, sondern auch Minister Dehler einen guten Draht. So bekräftigte Globke in der Rückschau, er habe zu Dehlers Zeiten als Minister »ständig vertrauensvoll [mit ihm] zusammengearbeitet und auch nach seinem Ausscheiden aus der Regierung jedenfalls in den ersten Jahren gute Beziehungen unterhalten«.375 Der frühere Beamte des Reichsinnenministeriums und Kommentator der Nürnberger Gesetze arbeitete nicht nur für die beiden oben genannten Kommissionen, sondern übernahm auch im Bundeskanzleramt an zentraler Stelle Verantwortung: zunächst als Ministerialdirektor, ab 1953 dann als Staatssekretär. Konrad Adenauer hatte 1949 noch schweren Herzens auf Globke als Staatssekretär verzichtet, wie er an Jakob Kaiser schrieb: »Ich darf Sie weiter daran erinnern, dass ich von der Ernennung des Herrn Vize-Präsidenten Globke zum Staatssekretär Abstand genommen habe, weil er, der nicht PG war, an dem bekannten Kommentar 371 Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Bundesrichter. Vom 17. Mai 1950, BGBl. 1950 S. 209. 372 Vgl. die Darstellung bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 118–121. 373 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 276. 374 Ebd., S. 277. 375 Globke an den Bonner Oberstaatsanwalt v. 4.6.1956, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-102/4.

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mitgearbeitet hatte und wir bei der Ernennung von Staatssekretären sorgsam darauf achten müssen, dass wir nicht irgendwelchen Angriffen dadurch Material geben.«376 Als Walter Strauß seinem Staatssekretärskollegen im Bundeskanzleramt zum sechzigsten Geburtstag gratulierte, lobte er die bisherige Zusammenarbeit: »Wir haben uns erst seit 1949 kennengelernt und es war mir eine grosse Freude, wie harmonisch und kameradschaftlich wir zusammengearbeitet haben. Das wollen wir auch künftig fortsetzen.«377 Beide, Strauß und der zwei Jahre ältere Globke, gehörten der noch im Kaiserreich geborenen Generation an, hatten aus ihrer Tätigkeit in einem Reichsministerium ähnliche Erfahrungen vorzuweisen und waren nach Gründung der Bundesrepublik auf höchste Beamtenposten berufen worden. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass sowohl Globke als auch Strauß im Jahre 1963 aus ihrer Tätigkeit als Staatssekretär ausschieden. Den großen Unterschied zwischen den beiden fasste Der Spiegel einmal in die prägnanten Worte, Bonn habe einen Staatssekretär, der die Nürnberger Gesetze kommentierte, aber doch auch einen, der unter ihnen litt.378 Als Globke wegen seiner Tätigkeit im Reichsministerium des Innern während der Zeit des Nationalsozialismus immer mehr unter Beschuss geriet, stand ihm sein Kollege im BMJ zur Seite und verteidigte ihn gegen Angriffe von außen. In einem Schreiben an Alfred Gerigk, der für die Chefredaktion des Südkuriers arbeitete, bemerkte Strauß zum Fall Globke: »In diesem Fall kann ich aus eigener Kenntnis sagen, daß sich kaum jemand in der damaligen bösen Zeit tapferer eingesetzt hat als Globke. Als mittelbaren Beitrag zur Abwehr der gegen Globke erhobenen Angriffe habe ich inzwischen die Aufzeichnungen eines anderen Beamten des Reichsministeriums des Innern, des Ministerialrats Dr. Lösener, veröffentlicht […].«379 Inwiefern Strauß das aus eigener Kenntnis wusste, erläuterte er an anderer Stelle, und zwar gegenüber Theodor Eschenburg: Als Berater der Inneren Mission und des Bischöflichen Ordinariats von Berlin habe er damals diesbezügliche Beobachtungen gemacht.380 An anderer Stelle bekräftigte Strauß gegenüber dem Bundestagsabgeordneten und Rechtsanwalt Dr. Gerd Bucerius, Globke habe während des Dritten Reiches Tausenden das Leben gerettet.381 Die erwähnten Aufzeichnungen von Bernhard Lösener wurden 1961 im dritten Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) veröffentlicht.382 Walter Strauß steuerte dazu eine Einführung bei, in der er die wichtigsten Lebens- und 376 377 378 379 380 381 382

Adenauer an Jakob Kaiser v. 9.10.1949, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-052/3. Strauß an Globke v. 5.10.1958, in: IfZArch, ED 94, Bd. 211, Bl. 173. Der Spiegel, Nr. 4/1962. Strauß an Alfred Gerigk v. 18.9.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 211, Bl. 163 f., Zitat Bl. 164. Strauß an Theodor Eschenburg v. 20.3.1961, in: Ebd., Bd. 363, Bl. 341. Strauß an Gerd Bucerius v. 1.2.1960 (persönlich), in: Ebd., Bd. 220, Bl. 214. Dokumentation: Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), H. 3, S. 262–313. Das von Lösener (1890–1952) verfasste Manuskript ist mit dem Datum des 26. Juni 1950 versehen und trägt die Überschrift »Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«.

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Berufsdaten sowie sein persönliches Verhältnis zu Lösener darstellte. Daraus geht hervor, dass es Strauß war, der den ehemaligen Rassereferenten im Reichsinnenministerium im Jahre 1948 dazu veranlasst hatte, seine Erinnerungen zu Papier zu bringen. Aus seiner Arbeit in kirchlichen Hilfsorganisationen, die »wertvolle Informationen« von Lösener erhalten hätten, sei ihm einiges von dem Wirken des Ministerialbeamten bekannt gewesen.383 Nach dem Krieg habe er erfolglos versucht, den Verbleib Löseners zu erfahren, bis dieser ihn Anfang 1948 aufgesucht habe. Durch den nachmaligen Staatssekretär im Bundes­ kanzleramt Dr. Otto Lenz sei ihm zudem bekannt gewesen, dass Lösener mit dem Kreis um Oberbürgermeister Dr. Goerdeler in Verbindung gestanden habe. Am 1. September 1949, als Strauß Lösener zum vom Rechtsamt herausgegebenen Öffentlichen Anzeiger holte, sei derselbe bei der Frankfurter Stelle des Joint Distribution Commitee, German Mission, einer jüdischen Hilfsorganisation, beschäftigt gewesen. Später habe Lösener dann seine Tätigkeit beim Bundesanzeiger in Köln fortgesetzt. Dazu meinte Strauß, Lösener habe bei dem Aufbau dieser amtlichen Publikationsorgane 14 Monate lang »überaus wertvolle Dienste« geleistet.384 Doch nicht nur Strauß setzte sich für den ehemaligen Ministerialrat Lösener ein, sondern auch dessen frühere Kollegen aus dem Reichsministerium des Innern, nämlich Globke und Ritter von Lex. Beide hatten sich im August 1949 beispielsweise bereiterklärt, bei der Spruchkammerverhand­ lung in Wiesbaden als Zeuge für den »grundanständigen Menschen« Lösener zu erscheinen.385 Seine Erinnerungen hatte Lösener im Jahre 1950 an Walter Strauß übergeben und demselben volle Verfügungsfreiheit darüber eingeräumt. Lösener habe sich ferner damit einverstanden erklärt, dass Strauß das Manuskript beim Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München niederlege und sich eine Veröffentlichung »zu einem geeigneten Zeitpunkt« vorbehalte.386 Dieser Zeitpunkt war Anfang des Jahres 1961 gekommen. In einem Brief an Generalsekretär Krausnick vom IfZ vom 4. Januar 1961 bekräftigte der Staatssekretär des BMJ seinen Wunsch, dass die Veröffentlichung möglichst bald erfolge, da die »Vorgänge um die Judenfrage nach wie vor von sehr aktuellem Interesse« seien.387 Als die Herausgeber der Vierteljahrshefte von dem vereinbarten Veröffentlichungstermin im Juli abzurücken schienen, wandte sich ein alarmierter Strauß an Professor Eschenburg: »Mit Rücksicht auf den Eichmann-Prozess und seine Auswirkungen halte ich es nach wie vor für dringend erwünscht, dass wir an dem Juli-Termin fest383 Ebd., S. 263. 384 Ebd. 385 Ritter von Lex an Hans Globke v. 22.8.1949, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070127/1. 386 Das Reichsministerium des Innern und die Judengesetzgebung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), H. 3, S. 263. 387 Strauß an Generalsekretär Dr. H. Krausnick vom IfZ v. 4.1.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 363, Bl. 334.

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halten.« Im Übrigen betonte Strauß noch einmal nachdrücklich, er sei »stets uneingeschränkt« für Globke eingetreten und halte daran fest.388 Das Organigramm des Kanzleramts vom Dezember 1949 weist Globke als Leiter der Abteilung für Koordinierungs- und Kabinettsangelegenheiten sowie als Leiter des Referats für die Personalien des Hauses und der Regierung insgesamt aus.389 So hatte er nicht nur alle Ernennungen vom Ministerialrat an aufwärts zu betreuen – hierbei musste das Kabinett ohnehin zustimmen390 –, sondern war auch in der Lage, die Personalpolitik in den Ministerien zu be­ einflussen. Auch nachdem Globke 1951 das Personalreferat an Ministerialrat Karl Gumbel abgetreten hatte, büßte er seine personalpolitische Schlüsselrolle nicht ein. Nach Angaben von Gumbel, die sich auf das Bundeskanzleramt beziehen,391 habe Globke sich weiterhin »für alle Personalvorgänge« interessiert, sich bei der Besetzung von Stellen »oft schon bei der Auswahl der Kandidaten« eingeschaltet und sich die Entscheidung »in nahezu jedem Fall« vorbehalten.392 Eine Ahnung davon, dass der Einfluss von Globke weiter reichte, vermittelt ein Kanzleramtsdokument von 1958, in dem es hieß, Globke sei damit beauftragt worden, eine Prüfung der Handhabung der Beförderungszeiten in den verschiedenen Ministerien zu veranlassen und dem Kabinett Vorschläge für eine Vereinheitlichung vorzulegen.393 Das Magazin Der Spiegel machte rückblickend gar ein »System Globke« aus, in welchem die Bundesressorts auf doppelte Weise gefesselt worden seien: »Die Minister lagen im Kabinett an der Richtlinien-Kette des Kanzlers, ihre Untergebenen liefen am Kanzleibändchen Globkes.«394 Karl Gumbel als enger Mitarbeiter von Globke bestätigte rückblickend den großen personalpolitischen Einfluss seines ehemaligen Vorgesetzten.395 Als einen Grund dafür bezeichnete Gumbel die Dienststellung Globkes, die es mit sich brachte, dass er die Personalakten unzähliger Beamter des höheren Dienstes zu Gesicht bekam und auf diese Weise einen sehr genauen Einblick in die Personalpolitik der einzelnen Ressorts erhielt. Damit war auch ein gewisser Einfluss verbunden, wenn man die folgende Bemerkung Gumbels beachtet: »Er [Globke] konnte  – das ist in einigen Fällen auch geschehen  – die Aufsetzung 388 Strauß an Prof. Dr. Theodor Eschenburg v. 20.3.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 363, Bl. 341. 389 Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 144. 390 Im Oktober 1949 hatte der Bundeskanzler sogar noch die Parole ausgegeben, das Kabinett müsse die Stellenbesetzung bis hinunter zum Oberregierungsrat beraten, was zum einen wegen der Frage des Nachwuchses, zum anderen wegen der Übernahme der Angehörigen der bizonalen Verwaltungen nötig sei. Siehe dazu 11. Kabinettssitzung am 11. Oktober 1949 TOP 5d (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 391 Wengst scheint dies etwas weiter zu interpretieren. Vgl. dazu Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953, S. 144 m. Anm. 50. 392 Karl Gumbel, Hans Globke. Anfänge und erste Jahre im Bundeskanzleramt, in: Klaus Gotto (Hg.), Der Staatssekretär Adenauers. Persönlichkeit und politisches Wirken Hans Globkes, Stuttgart 1980, S. 73–98, Zitate S. 80. 393 Vermerk von Mercker v. 22.5.1958, in: ACDP. Nachlass Reinhold Mercker, 01-274-001/2. 394 Der Spiegel, Nr. 24/1966. 395 Gumbel, Hans Globke, S. 94.

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auf die Tagesordnung blockieren, Rückfragen halten, Bedenken anmelden.«396 Als zweiten, sogar »wesentlicheren« Grund für den personalpolitischen Einfluss nannte Gumbel die ungewöhnlichen Personalkenntnisse seines Chefs. In vielen Fällen habe Globke, sich auf sein »phänomenales Gedächtnis« stützend, die jeweiligen Lebens- und Berufsdaten parat gehabt, weshalb sich die Minister – insbesondere aber die Staatssekretäre der Ministerien – in Personalfragen immer wieder ratsuchend an ihn gewandt hätten. Für den Bereich des BMJ konnte kein Fall ermittelt werden, in dem etwa Strauß oder Dehler bei Globke um Rat in Personalfragen nachgesucht hätten. Einen unmittelbaren Einfluss Globkes auf die Stellenbesetzungen in den Ressorts bestritt Gumbel zwar, fügte aber an, dass sein Vorgesetzter auf dem Personalgebiet so anerkannt gewesen sei, dass man sich »in der Regel« nach seinen Empfehlungen gerichtet habe. Die Bedeutung Globkes für die Personalpolitik der Bundesregierung steht völlig außer Zweifel – allein, anhand schriftlicher Quellen ist sein Einfluss kaum nachzuweisen. Stattdessen ist davon auszugehen, dass wichtige Personalfragen im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht oder am Telefon etwa mit dem Staatssekretär des betroffenen Ministeriums erörtert wurden. So beschrieb es Walter Strauß jedenfalls mit Blick auf die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretär im Innenministerium Ritter von Lex.397

2.9 Die Formierung der »Gewerkschaft der Staatssekretäre« Neben einzelfallbezogenen Absprachen zwischen den obersten Beamten der Ministerien bot die sogenannte Gewerkschaft der Staatssekretäre ein weiteres Forum für den Austausch über Personalfragen.398 Bereits seit Beginn der Bun­ desrepublik versammelten sich die Staatssekretäre der Bundesministerien einmal im Monat in Bonn.399 Zunächst fanden die Treffen in der Kantine des BMJ statt; später wechselte man ins Postministerium. Die Bezeichnung des informellen Gremiums ging auf die Bemerkung eines Ministers zurück.400 Die Leitung der »Gewerkschaft« hatte der jeweils dienstälteste Staatssekretär inne. Von Bun­ deskanzler Adenauer ein Ausspruch überliefert, mit dem er das Wirken der höchsten Beamten der Bundesregierung würdigte: »Wer sollte denn dann die ganze Arbeit tun? Ein Glück, daß diese Gewerkschaft nicht streiken kann!«401

396 Dieses und die folgenden Zitate: Ebd., S. 95. 397 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 282. 398 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 121 f. 399 Das Hamburger Abendblatt v. 13.4.1963 nennt 1949 als Startpunkt, während im Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Nr. 24/1966) davon die Rede ist, jene Gewerkschaft habe sich in den fünfziger Jahren formiert. 400 Hamburger Abendblatt v. 13.4.1963. 401 Zit. n. ebd.

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In einem Artikel des Hamburger Abendblattes über die Staatssekretärsgewerkschaft wurde Globke als der mächtigste von allen bezeichnet.402 Über das Verhältnis zwischen dem Chef des Bundeskanzleramts und der Gewerkschaft gibt ein Aufsatz aus der Feder von Staatssekretär a. D. Franz Thedieck Aufschluss.403 Darin betonte der Verfasser wiederholt, dass Globke gar nicht zur Gewerkschaft der Staatssekretäre gehörte habe und so auch nicht deren Vorsitzender habe sein können. Auch habe es Globke nicht für sich in Anspruch genommen, der Erste unter den Staatssekretären zu sein, sei es jedoch praktisch gewesen  – »und zwar nicht aufgrund der Autorität seiner Stellung als Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramts, sondern auch und vor allem aufgrund seiner natürlichen, auf fachlicher Kompetenz beruhenden Autorität.«404 Interessanterweise zitierte Thedieck in diesem Zusammenhang seinen ehemaligen Kollegen aus dem BMJ Walter Strauß, der Globke als nie versagenden Kameraden der Staatssekretäre charakterisiert hatte; dieser Sichtweise »werden wohl alle Kollegen, die mit ihm [Globke] zusammenarbeiten durften, zustimmen.«405 Im Licht des Aufsatzes von Thedieck erschien Globke als »Gegenüber« und »Gesprächspartner« der Gewerkschaft der Staatssekretäre – zum einen deshalb, weil er anfangs gar nicht Staatssekretär war, zum anderen, weil er auch nach seiner Ernennung zum Staatssekretär jenem Kreis fast völlig ferngeblieben sei.406 Vielmehr habe Globke die Bundesregierung oder den Bundeskanzler interessierende Fragen allgemeiner Art dem Vorsitzenden der Staatssekretärsgewerkschaft »zur Beratung in deren zwangloser Gesprächsrunde« übermittelt.407 Als Beispiel für ein Globke besonders interessierendes Thema, das wiederholt Gegenstand der Beratungen in der Gewerkschaft gewesen sei, nannte Thedieck die Frage der Erhaltung bzw. Wiedergewinnung eines voll funktionsfähigen Beamtenapparates.408 Bei aller Bewunderung und Wertschätzung für den Staatssekretär im Bundeskanzleramt ließ Thedieck seinen gelegentlichen Eindruck nicht unerwähnt, wonach Globke außerhalb seines unmittelbaren Mitarbeiterkreises seine Menschenkenntnis »ein wenig« im Stich gelassen habe.409 Allerdings fügte der Verfasser relativierend hinzu: »Doch weiß ich natürlich nicht, welche mir nicht ersichtlichen Gesichtspunkte ihn in den Fällen, an die ich hier denke, bei seiner Personenbewertung leiteten.«410 Als sich Walter Strauß bei seinem ehemaligen Kollegen Globke im Juni 1965 für dessen Geburtstagsglückwünsche bedankte, gedachte er der harmonischen 402 Ebd. 403 Franz Thedieck, Hans Globke und die »Gewerkschaft der Staatssekretäre«, in: Gotto, Der Staatssekretär Adenauers, S. 144–159. 404 Ebd., S. 152. 405 Ebd., S. 153 f. 406 Ebd., S. 150. 407 Ebd. 408 Ebd., S. 151. 409 Ebd., S. 153. 410 Ebd.

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Zusammenarbeit auf der Staatssekretärsebene seit 1949: »Ich glaube, dass das gute Verhältnis unter uns Staatssekretären des ersten Anfanges nicht wenig dazu beigetragen hat, dass diese Jahre in Bonn von guten Resultaten begleitet waren.«411 Eine ähnlich geartete Äußerung von Strauß findet sich auch in einem Schreiben an Ritter von Lex aus dem Jahre 1968: »Die Jahre unserer schönen Zusammenarbeit in Bonn werden mir immer unvergessen bleiben. Es war wirklich eine gute Fügung, dass wir Kollegen des ersten Anfangs alle so vorzüglich harmonisierten.«412 In seiner Antwort pflichtete der ehemalige Innenstaatssekretär dem bei: »Auch ich habe das Gefühl, daß wir Kollegen des ersten Anfangs alle vertrauensvoll zusammengearbeitet haben.«413 Man mag diese Äußerungen allesamt als nostalgische Ansichten alter Männer abtun, aber das wäre sicher zu kurz gegriffen. Die Zusammenarbeit beim Wiederaufbau der Verwaltung auf bundesstaatlicher Ebene war etwas, was die Staatssekretäre besonders miteinander verband, zumal ihnen als den obersten Beamten der Ministerien und damit auch der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zukam. Diese Verantwortung nahmen sie nicht nur in ihrem eigenen Hause, sondern unter Umständen auch gemeinsam wahr. So arbeiteten die Staatssekretäre Strauß und Ritter von Lex zusammen mit ihrem Kollegen Globke im Winter 1950/51 die Geschäftsordnung der Bundesregierung aus.414 Insofern war Strauß als Staatssekretär des BMJ – wie überhaupt das Bundesjustizministerium – nicht unerheblich an der Schaffung von Rahmenbedingungen beteiligt, die dann für alle Ministerien verbindliche Wirkung besaßen.

3. Wesen und Merkmale der Personalpolitik in der Anfangszeit In Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes heißt es: »Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.« Walter Strauß urteilte rückblickend, diese Vorgabe gelte nicht nur für die Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes, sondern auch für die Handhabung der Personalpolitik. Freilich sei in den »schwierigen Anfangszeiten des erneuerten Staates« nicht analysiert und diskutiert worden, was unter den »hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums« zu verstehen sei.415 Doch meinte Strauß: »Unsere Praxis hat ihnen aber entsprochen.« 411 412 413 414 415

Strauß an Globke v. 21.6.1965, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-130/2. Strauß an Ritter von Lex v. 24.10.1968, in: BArch N 1147/11. Ritter von Lex an Strauß v. 5.11.1968, in: Ebd. Strauß an James K. Pollock v. 7.1.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 214, Bl. 109. Dieses und die folgenden Zitate: Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 282.

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Nach Ansicht des Staatssekretärs a. D. umfassten die hergebrachten Grundsätze das Prinzip guter fachlicher Ausbildung, Treue gegenüber dem Staat und seiner freiheitlichen demokratischen Grundordnung, innere Unabhängigkeit sowie das Fernhalten parteipolitischer Einflüsse. In diesem Zusammenhang zitierte er eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Formel aus Artikel 33 Absatz 5 GG als »Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch überwiegend während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt« gewesen seien, gedeutet hat. Für die vorliegende Studie war die Frage zu stellen, inwiefern Walter Strauß als Staatssekretär im BMJ die historisch gewachsenen Grundsätze des Berufsbeamtentums angewandt hat, zumal in der Phase des personellen Aufbaus. Darüber hinaus ist es von Interesse, auf welche Weise dabei seine Erfahrungen wirksam geworden sind.

3.1 Politische Überprüfung In seinem Aufsatz über die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland stellte Walter Strauß fest, dass Kanzler Adenauer, der sich im Einzelnen nicht um die Personalpolitik der Ministerien gekümmert habe, die Wichtigkeit einer scharfen politischen Überprüfung wiederholt und mit Nachdruck im Kabinett betont habe. »Man mußte also einen Überblick über die Haltung der Kandidaten während der NS -Zeit gewinnen«, so Strauß lapidar.416 Eine hemmende Wirkung bei den darauf gerichteten Bemühungen habe die unterschiedliche Entnazifizierungspraxis in den drei westlichen Besatzungszonen entfaltet. Daran anknüpfend notierte Strauß: »Hier lag also eine gewichtige Aufgabe für die Personalreferate. Persilscheine waren nicht zu vermeiden.« Aus dieser Bemerkung spricht wohl auch eine gewisse Resignation. Gegenüber dem Fraktionsvorsitzenden der CDU / C SU im Deutschen Bundestag, Heinrich von Brentano, äußerte Strauß einmal nicht frei von Ironie, er habe sich mit der Vergangenheit bisher hauptsächlich insofern beschäftigt, »dass ich Persilscheine geschrieben habe.«417 In der Tat hatte er nach Ende des Naziregimes einige Persilscheine ausgestellt.418 Einen weiteren Hinweis auf den Umgang von Strauß mit der Vergangenheit liefert eine Aussage des Staatssekretärs vom Frühjahr 1953 im Zusammenhang mit dem geplanten Auftritt eines der führenden Juristen des untergegangenen Dritten Reiches, Professor Carl Schmitt, in einer Evangelischen Akademie. Gegenüber Landesbischof Julius Bender bemerkte Strauß, er halte es – bei aller Nachsicht, die er seit 1945 »gegenüber Verirrungen der vorangegangenen Zeit« zu üben gewohnt sei – für unerträglich, dass eine 416 Dieses und das folgende Zitat: Ebd., S. 279. 417 Strauß an Brentano v. 2.6.1953 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 49. 418 Vgl. IfZArch, ED 94, Bd. 366, Bl. 204, 205, 212, 213–215.

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Evangelische Akademie dazu beitrage, einem während des Nationalsozialismus gottlos gewordenen Katholiken zu einem Comeback zu verhelfen.419 Die Äußerungen von Strauß gegenüber Bender deuten darauf hin, dass er im Allgemeinen Nachsicht walten ließ mit Blick auf Verirrungen, in die sich Personen während der Zeit von 1933 bis 1945 verstrickt hatten. In diesem Zusammenhang hatte der erst seit kurzem amtierende Staatssekretär des Bundesjustizministeriums in einem kirchlichen Vortrag am 30. Oktober 1949 bekräftigt, dass nur das gegenseitige Verzeihen dazu verhelfen könne, dass Frieden werde auf Erden.420 Doch inwiefern kam jene Nachsicht in Hinblick auf die Personalpolitik im BMJ zum Tragen? In der Rückschau urteilte Walter Strauß, das Justizministerium habe es insofern am einfachsten gehabt, als ihm nach seiner Arbeitsaufnahme in Bonn vom Stab des britischen Hohen Kommissars mitgeteilt worden sei, dass auf dem Bonner Güterbahnhof ein Waggon mit sämtlichen Personalakten der deutschen Justiz zu seiner Verfügung stände. Darin seien auch die Akten der nach 1933 entlassenen Personen zu finden gewesen, was die Bearbeitung der Anträge auf Wiedergutmachung wesentlich erleichtert habe. Ein weiterer Vorteil: »Justizangehörige, die sich aktiv für die NSDAP engagiert hatten, hatten dies meist zu ihren Personalakten angezeigt, so daß wiederholt auf Bewerbungen geantwortet werden konnte: ›Ihre Personalakten liegen hier vor. Ihre Verwendung ist nicht beabsichtigt.‹«421 Da erfolglose Bewerbungen an das BMJ nicht mehr vorhanden sind, kann die Aussage von Strauß weder bestätigt noch widerlegt werden. Gleichwohl mutet sie auf den ersten Blick seltsam an, denn bekanntermaßen waren unter den Beamten des Bonner Justizministeriums viele, die früher Parteigenossen gewesen waren. Dass Strauß von der Einstellung eines Bewerbers nur deshalb absah, weil der Betreffende einstmals der NSDAP angehört hatte, kann vor diesem Hintergrund als ausgeschlossen gelten. Allerdings deutet die Formulierung »aktiv für die NSDAP engagiert« darauf hin, dass Strauß  – im Übrigen wie viele seiner Zeitgenossen  – einen Unterschied machte zwischen denen, die nur formell der Partei angehört, und jenen, die sich aus Überzeugung in die Parteiarbeit eingebracht hatten. In Zweifelsfällen, so Strauß in seinem 1976 publizierten Aufsatz, seien Auskünfte beim Document Center in Berlin (BDC) eingeholt worden. Das BDC war unmittelbar nach Kriegsende durch die amerikanische Armee als Sammellager beschlagnahmter Dokumente aus der Zeit des Dritten Reiches eingerichtet worden und sollte sowohl zur Vorbereitung der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als auch der Entnazifizierung dienen. Den bedeutendsten Bestand des Document Center bildete die Zentrale Mitgliederkartei der NSDAP. Hinzu 419 Strauß an Landesbischof Bender v. 4.5.1953, in: AdsD, NL Gustav Heinemann, Allgemeine Korrespondenz, Nr. 44. 420 Vortrag von Dr. Walter Strauß auf der Kundgebung »Frieden« des zweiten Evangelischen Männertags für Süd-Nassau in der Ringkirche Wiesbaden am 30.10.1949, in: IfZArch, ED 94, Bd. 369, Bl. 77–82, hier Bl. 82. 421 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 279.

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kam eine Vielzahl von Personalunterlagen der SS , der SA sowie des Rasse- und Siedlungshauptamts der SS . In der Tat war das Einholen von Auskünften durch das BMJ eine Praxis, die sich zunächst auf Zweifelsfälle beschränkte. Die heute im Archiv des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz befindlichen Generalakten zu den Anfragen beim BDC enthalten nicht einmal zehn derartige Fälle aus der Zeit vor 1965.422 Somit beschränkten sich die von Strauß genannten Zweifelsfälle offenbar auf einen überschaubaren Personenkreis. Erst Mitte der sechziger Jahre – mithin nicht mehr in der Amtszeit von Staatssekretär Strauß – wurde die standardmäßige Abfrage für alle Beamten des Hauses eingeführt. Auch ohne einen Überblick über die Verhältnisse in den anderen Bundesministerien zu haben, meinte Strauß, »die politische Überprüfung der neu einzustellenden Beamten« sei erfolgreich verlaufen.423 Der Wortlaut dieser Aussage liefert einen sehr wichtigen Hinweis: Nur die neu einzustellenden Beamten sind im BMJ politisch überprüft worden, nicht aber diejenigen, die etwa vom Rechtsamt oder vom ZJA übernommen wurden. Das liegt einerseits darin begründet, dass die nicht zuletzt politische Mitprüfung der Ernennungsvorschläge durch das Innen- und Finanzministerium – wie oben geschildert – Übernahmen nicht mit umfasste, andererseits aber darin, dass in den zonalen Einrichtungen bereits eingehende politische Überprüfungen stattgefunden hatten. So lagerten auf der Rosenburg seit Juni 1951 die Akten des Politischen Prüfungsausschusses des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zu den früher für die Bizonenverwaltung tätigen Beamten Dr. Hennig von Arnim, Dr. Heinz Bergmann, Theodor Brandl, Dr. Kurt Haertel, Dr. Günther Joël, Dr. Franz Jung, Dr. Karl-Friedrich Ophüls, Dr. Ellinor von Puttkamer, Dr. Walter Strauß und Dr. Klaus Woernle.424 Dass die Akten überhaupt ins BMJ gelangten, ist auf die Bitte des Bundesinnenministers an das Personalamt, die Auskünfte des Document Center über Angehörige der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, die im Bundesdienst tätig seien, an die »jetzigen Beschäftigungsbehörden« zu senden, zurückzuführen.425 Das Schreiben des damals in Auflösung begriffenen Personalamts liefert zugleich den Hinweis, dass damals nicht bei allen, sondern nur bei einem Teil der überprüften Verwaltungsangehörigen Auskünfte des Document Center eingeholt wurden. Das Grundgesetz bot mit Artikel 132 jedoch die Möglichkeit, vor 1949 auf Lebenszeit angestellte Beamte wegen mangelnder persönlicher oder fachlicher Eignung zu entfernen 422 BMJ, Generalakten betr. höherer Dienst, Auskünfte Berlin Document Center, Az. 220 BMJ – 10 (1), 3 Bde. Es sind dies die Vorgänge zu Dr. Hans Arnold, Wilhelm Bertram, Dr. Wilhelm Dallinger, Georg Diller, Dr. Helga Eckstein, Dr. Rudolf Franta, Dr. Ernst Kern, Dr. Egon Lohse, Dr. Richard Sturm. 423 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 279. 424 Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets an das BMJ v. 14.6.1951 betr. Akten des P. P. A. und Auskünfte des Document Center, in: BArch B 141/826, Bl. 139. 425 Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes an sämtliche Oberste Bundesbehörden v. 2.4.1951 betr. Auskünfte des Document Center, in: Ebd., Bl. 123.

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oder zurückzuversetzen. Davon musste jedoch kein Gebrauch gemacht werden, wie Strauß in seinem Aufsatz nicht ohne einen gewissen Stolz anmerkte.426 Immerhin hatte er selbst sowohl in der Verwaltung für Wirtschaft als auch im Rechtsamt – und damit bereits vor Gründung der Bundesrepublik – personelle Verantwortung getragen. In der »Akte Rosenburg« sind bereits einige Fälle politischer Überprüfung beispielhaft geschildert worden, so die Beförderung von Oberregierungsrat Ernst Geßler zum Ministerialrat im Herbst 1950.427 Nachdem das Bundesinnenministerium Bedenken gegen die Ernennung Geßlers geltend gemacht hatte, wandte sich Staatssekretär Strauß in einem als persönlich gekennzeichneten Schreiben vom 3. Oktober 1950 an seinen Amtskollegen Ritter von Lex und bekräftigte, vor allem aufgrund eigener Erfahrungen, dass er die NS -Belastung des Beamten für unerheblich erachte.428 Bereits als Leiter des Rechtsamts habe er, Strauß, auch mündliche Erkundigungen über Geßler eingeholt, da dessen Übernahme vom ZJA in Hamburg beabsichtigt und vom Personalamt genehmigt war, dann aber nur deshalb nicht zustande gekommen sei, weil die Bundesorgane ihre Tätigkeit aufzunehmen begonnen hatten. Anfang Oktober wurde Geßler daher direkt vom Zentraljustizamt zur Dienstleistung ins BMJ berufen. Grundsätzlich stellte Strauß gegenüber seinem Staatssekretärskollegen klar: »Sie wissen, dass ich mich neben der sachlichen Eignung stets besonders um die politische Vorgeschichte und den Charakter unserer Mitarbeiter gekümmert habe, bevor sie eingestellt wurden. Dafür bin ich auch bereit, die Verantwortung zu tragen, wenn ich mich einmal in meinem Urteil geirrt haben sollte.«429 Geßler wurde durch Urkunde vom 22. November 1950 zum Ministerialrat ernannt und, wie es seinerzeit üblich war, rückwirkend, und zwar zum 1. November 1949, in die entsprechende Planstelle eingewiesen. Ein weiterer vergangenheitsbezogener Fall, der in der »Akte Rosenburg« ausführlicher dargestellt wurde, betrifft die Ernennung Ernst Kanters zum Ministerialrat im Jahre 1951.430 In diesem Zusammenhang sind auch sehr eindeutige Worte zum Umgang mit politischer Belastung im BMJ überliefert: Generell, so betonte Minister Dehler gegenüber seinem nordrhein-westfälischen Amtskollegen Rudolf Amelunxen (Zentrum), bemühe er sich, das politische Verhalten eines Beamten während des Nationalsozialismus im Vorfeld einer Einstellung im Bundesministerium der Justiz »in jeder möglichen Weise« aufzuklären.431 So werde nicht nur die sachliche Eignung des Kandidaten, »sondern mit besonderer 426 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 278. 427 Siehe hierzu Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 134 f. 428 Staatssekretär Dr. Strauß an Staatssekretär Ritter von Lex v. 3.10.1950, in: BMJ -Personalakte Ernst Geßler (P 11 – G 2), Bd. 1, Bl. 29 f. 429 Ebd., Bl. 30. 430 Siehe hierzu Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 143 f. 431 Dehler an Amelunxen v. 13.2.1952 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 5–16, Zitat Bl. 6.

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Sorgfalt auch neben den charakterlichen Eigenschaften die politische Haltung während des NS -Regimes geprüft«. Diese Prüfung, so Thomas Dehler, erfolge »durch den Staatssekretär persönlich, in vielen Fällen auch von mir selbst«.432 Hierdurch relativiert sich die Aussage von Strauß im Aufsatz über die Personalpolitik in den Bundesministerien nach 1949, der zufolge die Überprüfung des Verhaltens der einzustellenden Beamten während der NS -Zeit vor allem Aufgabe der Personalreferate gewesen sei.433 Dehlers Brief an Amelunxen offenbart somit, dass der Minister und sein Staatssekretär die Beurteilung der Haltung des entsprechenden Kandidaten eben nicht untergeordneten Stellen überließen, sondern selbst in die Hand nahmen und gleichsam zur Chefsache deklarierten. Vor diesem Hintergrund stellte Dehler gegenüber Amelunxen klar: »Der Fall von Herrn Dr. Kanter lehrt, dass die äussere Laufbahngestaltung eines Beamten zwischen 1933 und 1945 für seine Eignung zur heutigen Verwendung zwar Anlass zu besonders vorsichtiger und eingehender Prüfung gibt, für sich allein betrachtet aber nicht nur nicht ausreicht, sondern zu neuem Unbill führen kann.«434 Ergänzend zu den bisher bekannten Fällen werden im Folgenden drei aussagekräftige Personalangelegenheiten vorgestellt, die den Komplex der politischen Überprüfung im Bundesjustizministerium unter Staatssekretär Strauß erhellen und teilweise in einem neuen Licht erscheinen lassen. a)

Franz Massfeller

Über Franz Massfeller, der einst im Reichsjustizministerium für Familien- und Rasserecht zuständig gewesen war und in dieser Eigenschaft an zwei Folgebesprechungen der Wannsee-Konferenz teilgenommen hatte, ist viel geschrieben worden.435 Mit Blick auf seine Verwendung im Bundesministerium der Justiz gibt es allerdings neue Erkenntnisse zu verzeichnen. Nachdem ein Landgerichtspräsident namens Dr. Hans Anschütz gegenüber Strauß die Wiederverwendung Massfellers im September 1952 deutlich kritisiert hatte,436 rechtfertigte der Staatssekretär des BMJ in seiner Antwort die von ihm und Minister Dehler verantwortete Personalpolitik.437 Einleitend stellte Strauß klar, solche Fälle wie Massfeller könne man nur individuell behandeln. Mit diesem Grundsatz sei er bisher gut gefahren und habe nicht eine Enttäuschung erleben müssen. Allgemein habe er stets, »also auch schon in Hessen und in Bizonesien«, einerseits 432 Ebd., Bl. 5. 433 Vgl. Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 279. 434 Dehler an Amelunxen v. 13.2.1952 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 6. 435 Siehe zuletzt Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 306–310; vgl. auch die biografische Darstellung bei Cora Ciernoch-Kujas, Ministerialrat Franz Massfeller 1902–1966, Berlin 2003. 436 Dr. Hans Anschütz an Strauß v. 10.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 378, Bl. 15. 437 Strauß an Dr. Hans Anschütz v. 19.9.1952, in: Ebd., Bl. 16 f.

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einen sehr strengen Maßstab angelegt, andererseits aber sich darum bemüht, dem Einzelfall gerecht zu werden.438 Sowohl die Laufbahn als auch die Werke des Beamten seien ihm und Dehler bekannt gewesen, »bevor wir uns nach eingehender Unterrichtung durch seine früheren, vorzugsweise unbelasteten Mitarbeiter entschlossen haben, ihn in das Bundesjustizministerium einzuberufen.«439 Nach dem Ende seiner Amtszeit als Staatssekretär stellte Walter Strauß gegenüber Günther Joël klar, dass der Fall Massfeller insofern eine Ausnahme gewesen sei, als er es sonst »nicht für geboten erachtet [habe], die Auffassungen von gleichrangigen Kollegen über einen Anwärter für das BJM heranzuziehen.«440 Bei Massfeller habe er es aber zu dessen Schutz getan. Ansonsten habe in seiner Gegenwart niemals eine Besprechung im Bundesministerium der Justiz stattgefunden, in der die Eigenschaften früherer Angehöriger des Reichsjustizministeriums durchgesprochen worden seien. »Mein Gewährsmann in diesen Fragen war ausschliesslich Herr Kriege«, so der Staatssekretär a. D. Einschränkend fügte er hinzu, anders sei es nur »in den wenigen Fällen« gewesen, in denen ihm »einer der Herren« – gemeint sind wohl die Mitarbeiter des BMJ – vorgeschlagen habe, einen früheren Beamten des Reichsjustizministeriums zu verwenden. Als Beispiel nannte Strauß den Fall Merten.441 In seinem Brief an Landgerichtspräsident Anschütz relativierte Strauß die NS -Belastung Massfellers, indem er darauf hinwies, dieser sei ein gläubiger Katholik, kein Parteigenosse und damals ein junger Sachbearbeiter gewesen, der überdies auf eigene Initiative hin Soldat wurde und in den Krieg zog. Er selbst, so der Staatssekretär, habe während des Dritten Reiches als Rechtsberater beider Kirchen die Arbeiten Massfellers häufig verwendet.442 Dennoch sei die Anstellung Massfellers im Bundesjustizministerium nicht leichtfertig erfolgt. Vielmehr sei Massfeller zunächst anderthalb Jahre im Angestelltenverhältnis beschäftigt worden – »um ihn auf die Probe zu stellen«, wie Strauß mit Nachdruck betonte.443 Erst nachdem er sich auf diese Weise bewährt hatte, sei er ins Beamtenverhältnis berufen worden. Dafür übernehme er, Strauß, die Verantwortung, und glaube, sie übernehmen zu können. Kurzum: »Dann stehe ich aber auch für Herrn Massfeller gerade.« Hier zeigte sich einmal mehr, dass sich der Staats438 Ebd., Bl. 16. 439 Ebd. 440 Dieses und die folgenden Zitate: Strauß an Günther Joël v. 13.10.1964, in: IfZArch, ED 94, Bd. 218, Bl. 139. 441 Zu Max Merten siehe Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 313–316. Überdies ist eine Dissertation zu Merten im Entstehen begriffen; Autor ist Gerrit Hamann von der Georg-August-Universität Göttingen. 442 An anderer Stelle bezeichnete sich Strauß rückblickend als »Vertrauensmann sowohl der evangelischen als auch der katholischen Kirche« in der Bearbeitung von Auswandererfällen. Siehe dazu das Schreiben von Strauß an Egbert Munzer v. 17.3.1947, in: IfZArch, ED 94, Bd. 364, zit. n. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 38 m. Anm. 22; vgl. auch ebd., S. 41. 443 Dieses und die folgenden Zitate: Strauß an Dr. Hans Anschütz v. 19.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 378, Bl. 17.

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sekretär des BMJ für seine Beamten verantwortlich fühlte und sie gegen Angriffe von außen verteidigte, nachdem er sich einmal für sie entschieden hatte. Ausgehend vom Fall Massfeller erläuterte Strauß gegenüber Landgerichtspräsident Anschütz in erstaunlicher Offenheit die vergangenheitspolitische Komponente seiner Personalpolitik: »Wir haben in unserem Hause eine glückliche Mischung von Pgs und Nicht-Pgs, von Verfolgten und Mitläufern. Als Abteilungsleiter haben wir bewußt und im Gegensatz zu anderen Häusern nur Persönlichkeiten ausgewählt, die nicht nur nicht der Partei angehörten, sondern während jener Zeit eine eindeutige Haltung bewiesen haben. Mit dieser Mischung haben wir in unserem Hause einen Gemeinschaftsgeist erzielt, wie er wohl in keinem anderen Ministerium herrscht.« Damit gab Strauß zu erkennen, dass die Koexistenz ehemaliger Anhänger und ehemaliger Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes von der Hausleitung durchaus intendiert war und eine integrative Wirkung entfalten sollte. Die Belegschaft des Bundesjustizministeriums war damit nicht zuletzt ein Spiegelbild der deutschen Nachkriegsgesellschaft, in der Opfer und Täter ja auch miteinander auskommen mussten. Bereits 1949 hatte Strauß auf einer kirchlichen Kundgebung in Wiesbaden ausgerufen: »Wir haben hier und heute ebenso wie in den kommenden Jahren zu erweisen, ob wir den Mut und die Selbstüberwindung, aber auch die Einsicht in eigene Schuld, ob wir die persönliche Opferbereitschaft und die christliche Liebesfähigkeit als Einzelne und als Gemeinschaft besitzen, um die Abgründe zu überbrücken, die der Nationalsozialismus uns innerhalb unseres Volkes bereitet und hinterlassen hat.«444 Diese Kluft, so der gläubige Protestant Strauß weiter, bestehe etwa zwischen Heimatvertriebenen und Alt­eingesessenen, zwischen ehemaligen Nationalsozialisten und Nichtnationalsozialisten, zwischen politisch Verfolgten und Anderen, zwischen Bombengeschädigten und vom Schicksal verschonten. Möglich gemacht hätte die »Höllenfahrt des dritten Reiches« erst der Zustand innerer Friedlosigkeit, der sich in der Anfälligkeit des modernen Menschen für jedwede Propaganda, in seiner Bereitschaft, sich leicht auf Neues umzustellen, seinem Hang zum Konformismus und auch in seinem Mangel an bewahrender Kontinuität im eigenen Lebensbereich zeige.445 So, wie der Einzelne nur durch Sinnesänderung auf christlicher Grundlage, also durch Buße, zum inneren Frieden zurückfinden könne, so sei es nur dann möglich, zu einem Zustand des Friedens innerhalb des deutschen Volkes zu gelangen, wenn die vorhandenen Klüfte durch Nächstenliebe geschlossen würden.446 Bei der Aussage in seinem Brief an Landgerichtspräsident Anschütz, dass als Abteilungsleiter nur Persönlichkeiten ausgewählt worden seien, die eine ein444 Vortrag von Dr. Walter Strauß auf der Kundgebung »Frieden« des zweiten Evangelischen Männertags für Süd-Nassau in der Ringkirche Wiesbaden am 30.10.1949, in: IfZArch, ED 94, Bd. 369, Bl. 77–82, Zitat Bl. 79. 445 Ebd., Bl. 78. 446 Ebd., Bl. 78 f.

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deutige – sprich nonkonforme – Haltung während der NS -Herrschaft bewiesen hatten, und die keine Parteimitglieder gewesen waren, blendete der Staatssekretär offenbar bewusst aus, dass der erst wenige Monate zuvor an den Bundesgerichtshof gewechselte Abteilungsleiter für Strafrecht Rotberg einstmals der NSDAP angehört hatte.447 Dennoch erscheint es bemerkenswert, dass Strauß und Dehler im Ganzen gesehen darauf achteten, die wichtigsten Posten unterhalb des Staatssekretärs – denn das waren die Abteilungsleiter – nicht mit ehemaligen Anhängern der Nationalsozialisten zu besetzen. Damit lagen sie ganz auf der Linie der oben angeführten Richtlinie des Bundeskabinetts; bei den darin einbezogenen Stellen des Personalreferenten und des Ministerialbürodirektors nahmen es Dehler und Strauß aber wie beschrieben nicht so genau. Der Umgang mit der NS -Vergangenheit im BMJ erwies sich insofern einmal mehr als ambivalent. b)

Dr. Karl-Heinz Nüse

Vor dem Hintergrund der deutschen Teilung und des Ost-West-Gegensatzes richtete das Bundesjustizministerium Anfang der fünfziger Jahre eigens ein Referat für interzonale Rechtsbeziehungen ein. Der erste Leiter dieses Referats, das der von Staatssekretär Strauß geführten Abteilung Z zugeordnet wurde, war der bei der Generalstaatsanwaltschaft beim Berliner Kammergericht tätige Staatsanwalt Dr. Karl-Heinz Nüse. Schon während des Nationalsozialismus hatte Nüse Karriere gemacht. Im Jahr seiner Abordnung als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an die Reichsanwaltschaft beim Reichsgericht in Leipzig, 1938, wurde Nüse zum Staatsanwalt in Berlin ernannt, wo er von Oktober 1939 bis Juni 1940 auch tätig war. Über den Umweg einer Abordnung zur Staatsanwaltschaft beim Landgericht Wien wurde er im Januar 1942 erneut, diesmal als Hilfsarbeiter, an die Reichsanwaltschaft abgeordnet und verblieb dort bis 1945. Nach dem Ende des Dritten Reiches wurde Nüse in Berlin politisch überprüft. Trotz seiner Tätigkeit als Staatsanwalt sowie trotz zahlreicher Mitgliedschaften in NS -Organisationen – der Partei war er bereits am 1. April 1933 beigetreten, SA-Anwärter war er von Herbst 1933 bis Frühjahr 1934 – wurde Nüse im November 1948 von der Bezirksentnazifizierungskommission Berlin-Steglitz ebenso rehabilitiert wie durch Beschluss der Juristen-Entnazifizierungskommission im August 1949. Doch nach seiner Abordnung von Berlin an das Bundesministerium der Justiz in Bonn, die am 17. Oktober 1950 begonnen hatte, holte Nüse seine NS -Vergangenheit noch einmal ein. Im Februar 1951 hatte ihn der Berliner Senator für Justiz aufgefordert, über Fragen der früheren Zugehörigkeit zu bestimmten nationalsozialistischen Organisationen Stellung zu nehmen. Daraufhin fertigte 447 Freilich hatte Dehler gegenüber dem Innenressort für sein Ministerium in Anspruch genommen, sich mit der Ernennung Rotbergs trotz dessen früherer NSDAP-Mitgliedschaft im Rahmen der Kabinettsrichtlinie vom 31. August 1950 zu bewegen. Siehe dazu S. 49–51.

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Nüse auf Grundlage seiner RJM-Personalakten einen Vermerk, den er am 12. März 1951 dem Bundesjustizminister mit der Bitte zuleitete, die Richtigkeit seiner Ausführungen zu bestätigen und die in den alten Akten befindliche »Angabe über meine angebliche Tätigkeit bei der Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof« zu berichtigen, »damit nicht später erneut für mich Schwierigkeiten aus diesem unrichtigen Vermerk entstehen können.«448 Aus der Personalakte von Nüse geht nicht hervor, ob das BMJ dem Ansinnen des Staatsanwalts entsprach. Es ist zumindest nicht davon auszugehen, dass die Hausleitung Nüse in Schwierigkeiten brachte. Vielmehr wurde der Staatsanwalt wenige Wochen später ins Angestelltenverhältnis zum Bundesjustizministerium übernommen. Formal verblieb es jedoch bei der Abordnung von Berlin, wo er Ende des Jahres 1951 zum Oberstaatsanwalt ernannt wurde. Zudem wurde die Dauer der Abordnung mehrfach verlängert, sodass Nüse erst zum 31. Oktober 1952 aus dem BMJ ausschied und nach Berlin zurückkehrte. In einer einige Wochen später von Staatssekretär Strauß erstellten Beurteilung über die Tätigkeit Nüses auf der Rosenburg ist davon die Rede, dass der Staatsanwalt dem Ministerium »sehr wertvolle Dienste« geleistet habe.449 Doch der Schein trügte. Am Ende der BMJ-Personalakte von Nüse befindet sich ein Umschlag, dessen Inhalt die aus der NS -Zeit herrührende Belastung des Staatsanwalts erhärtet. Etwa ein halbes Jahr, nachdem Nüse das Bundesjustizministerium über seine Darlegungen zur eigenen Tätigkeit vor 1945 in Kenntnis gesetzt hatte, beauftragte Minister Dehler den Personalreferenten Winners damit, eine Beurteilung Nüses »auch in politischer Hinsicht« bei Senatspräsident Dr. Richter und Bundesrichter Dr. Kirchner vom Bundesgerichtshof einzuholen. Dehler muss bekannt gewesen sein, dass jene beiden Richter einst wie Nüse bei der Reichsanwaltschaft in Leipzig tätig gewesen waren und daher in der Lage sein würden, Auskunft zu geben. Winners unterrichtete den BGH-Präsidenten Hermann Weinkauff telefonisch von dem Auftrag des Ministers. Im Begleitschreiben zu den Stellungnahmen der beiden genannten und eines weiteren Richters des Bundesgerichtshofs erklärte Weinkauff, der selbst am Reichsgericht in Leipzig gewirkt hatte, er habe kein eigenes Urteil über Nüse, da er ihn nie kennengelernt hätte.450 Die Einschätzung, die der ehemalige Reichsanwalt und amtierende Bundesrichter Carl Kirchner über Nüse abgab, war vernichtend: »Politisch war N. ein sehr tätiger, fanatischer und völlig kritikloser Nationalsozialist.«451 Staatsanwalt Nüse sei der einzige der höheren Beamten gewesen, »der als politisch gefährlich galt und vor dem man auf der Hut sein musste.« Gegenüber dem derzeitigen Bundesrichter Dr. Hörchner habe er sich »sehr übel« verhalten. Dabei sei Nüses Ver448 Nüse an den BMdJ v. 12.3.1951, in: BMJ -Personalakte Karl-Heinz Nüse (P 15 – N 8), Bl. 23. 449 Dienstliche Beurteilung über Nüse von Strauß v. 7.1.1953, in: Ebd., Bl. 58. 450 Der Präsident des BGH an Winners (persönlich) v. 4.10.1951 betr. Dr. Nüse, in: Ebd., Umschlag Bl. 68. 451 Dr. Carl Kirchner, Äußerung über den StA Dr. Nüse v. 3.10.1951, in: Ebd.

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halten typisch nationalsozialistisch gewesen und habe durchaus den rücksichtslosen Methoden des Nationalsozialismus entsprochen, »deren sich namentlich jüngere Beamte gern bedienten.« Der bereits erwähnte Bundesrichter Hörchner bescheinigte Nüse in seiner Äußerung hervorragende dienstliche Leistungen. Gleichzeitig betonte der Bundesrichter, Nüse sei damals ein politisch »zweifellos überzeugter Nationalsozialist« gewesen.452 Im Zuge seiner, Hörchners, geplanten Beförderung zum Reichsgerichtsrat oder Reichsanwalt habe ihn Nüse aufgesucht, sich auf Nachfrage als Mitarbeiter der Leipziger Kreisleitung der NSDAP in Personalsachen zu erkennen gegeben und ihn gefragt, in welcher Weise er sich nationalsozialistisch betätige. Zur Beförderung sei es deshalb nicht gekommen, weil laut einem Zellenleiter der Partei ein Herr von Hörchners Behörde »eine sehr ungünstige Äusserung« über seine politische Haltung abgegeben habe. Es sei ihm aber unangenehm, trotz der wahrscheinlichen Verantwortung Nüses für seine, Hörchners, dienstliche Zurücksetzung nun ein »ungünstiges politisches Urteil« abgeben zu müssen. Senatspräsident Hans Richter, von dem die dritte Äußerung stammte, schilderte Nüse als einen begabten Juristen mit einem sehr ansprechenden außerdienstlichen Verhalten.453 Wegen beider Arbeitslast sei es aber nicht zu einem näheren persönlichen Verkehr mit Nüse gekommen, weshalb ihm keine Eindrücke über dessen politische Haltung im Gedächtnis geblieben seien. Angesichts der für Nüse sehr nachteiligen Urteile in zwei von drei Bundesrichter-Äußerungen erstaunt es, dass dennoch an seiner Abordnung zum BMJ festgehalten wurde. Offenbar wurde er nicht einmal mit den Äußerungen der früheren Kollegen konfrontiert und zur Stellungnahme aufgefordert. Ob Strauß allerdings von den Erkundigungen des Ministers bei Weinkauff wusste, geht aus den Akten nicht hervor. Da Winners seinen Auftrag direkt von Dehler erhielt und die Dokumente nicht das Kürzel von Strauß tragen, ist es denkbar, dass der Staatssekretär nicht informiert wurde. Zumindest erscheint es als wahrscheinlich, dass Dehler Nachteiliges über Nüse gehört hatte, was ihn schließlich zu seiner Anfrage an Weinkauff bewogen haben könnte. Die von Strauß gezeichnete dienstliche Beurteilung über Nüse versinnbildlicht unabhängig davon, dass aus Sicht des BMJ die fachlichen Kompetenzen des Oberstaatsanwalts gegenüber dessen politischer Vergangenheit im Vordergrund standen. c)

Dr. Franz Schlüter

Die Personalie Franz Schlüter ist deshalb besonders interessant, weil die Verantwortlichen im BMJ hier bereits Anfang der fünfziger Jahre eine für diese Zeit durchaus ungewöhnliche Sensibilität für die möglichen Wirkungen und Folgen einer NS -Belastung zeigten. So bemerkte Personalreferent Hans Winners 452 Bundesrichter Dr. Hörchner, Äußerung v. 1.10.1951, in: Ebd. 453 Senatspräsident am BGH Hans Richter v. 1.10.1951, in: Ebd.

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in einem Schreiben, das über Staatssekretär Strauß an Minister Dehler ging, die Verwendung Schlüters im Bundesministerium der Justiz könne nicht empfohlen werden, da die bloße Tatsache seiner früheren Beschäftigung »bei dem odiösen VGH«  – dem Volksgerichtshof der Nationalsozialisten, der eine Vielzahl von Unrechtsurteilen gefällt hatte,  – bei Wiederbeschäftigung die Möglichkeit zu Angriffen gegen die Personalpolitik der Bundesjustizverwaltung, »die in der ministeriellen Ebene politisches Gewicht hätten«, böte.454 Die bei den Personalakten Schlüters befindlichen Sonderhefte sowie das Aktenheft zur Bewerbung Schlüters sind äußerst aufschlussreich. Gegen seine Beschäftigung bestanden im BMJ große Vorbehalte, die in Schlüters Vergangenheit wurzelten. Immerhin war er anderthalb Jahre als Ermittlungsrichter am Volksgerichtshof tätig gewesen. Ab September 1942 arbeitete Schlüter sodann als Hilfsrichter des VGH an dessen Dienststellen in Breslau, Bayreuth, Dresden und Prag. Von 1943 bis zum Endes des Krieges war er schließlich dem Reichsanwalt Weyersberg als Hilfskraft zugeteilt. Von einer grundsätzlichen Verweigerung, Schlüter in den Dienst der Bundesjustiz zu übernehmen, kann aber keine Rede sein. Letztlich wurde der Bewerber zum Oberregierungsrat ernannt, im Deutschen Patentamt untergebracht und dort 1953 zum Senatsrat ernannt. Acht Jahre später wechselte er zum Bundespatentgericht, wo er zum Senats­präsidenten berufen wurde. Beide Institutionen gehörten zum Geschäftsbereich des BMJ. Daraus wie aus der Argumentation von Winners lässt sich schließen, dass es den für die Personalpolitik Verantwortlichen in erster Linie darum ging, den Anschein zu wahren und sich nicht durch die Beschäftigung eines ehemaligen Mitarbeiters des Volksgerichtshofs in Bedrängnis zu bringen. Auf den zweiten Blick muss die Sensibilität im BMJ hinsichtlich der NS -Vergangenheit insofern relativiert werden, als eine wirkliche Auseinandersetzung mit den ideologischen Inhalten des Dritten Reiches, in diesem Fall mit dem Unrecht des Volksgerichtshofs, nicht stattfand. Im Vordergrund stand das Bestreben, das Ansehen der Justiz, insbesondere das des Bundesjustizministeriums, zu wahren und dessen Führungspersonal vor Angriffen zu schützen. Schlüter hatte sich bereits im Frühjahr 1949 für eine Verwendung im von Strauß geleiteteten Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets beworben.455 Dabei verwies er ausdrücklich auf seine Tätigkeit im Preußischen und dann im Reichsjustizministerium, wo er an Gesetzgebungsarbeiten beteiligt gewesen sei, und auf seine Einreihung in die Gruppe der Entlasteten durch die Spruchkammer Marburg-Land vom 30. April 1947.456 Im Rechtsamt wurde die Bewerbung im Rahmen der Stellenausschreibung geprüft – mit dem 454 Winners über Strauß an Dehler v. 27.1.1951, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bew. I/410, Bl. 37. 455 Rechtsanwalt Dr. Schlüter an das Personalamt des VWG v. 28.3.1949, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bew. I/410, Bl. 1. 456 Spruchkammerbescheid für Franz Schlüter v. 30.4.1947, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bew. I/410, Bl. 2.

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Ergebnis, dass eine Einstellung für die in der Stellenausschreibung angegebenen Posten nicht möglich sei. Der Unterzeichnete Brandl bemerkte abschließend: »Die Bewerbungen werden bei den Akten behalten, um unter Umständen aus anderem Anlass auf sie zurückgekommen.«457 Wenige Wochen nach Errichtung des Bonner Justizministeriums erreichte Thomas Dehler ein Schreiben des SPD -Bundestagsabgeordneten Adolf Arndt, der die Berufung von Schlüter ins BMJ befürwortete. Darin argumentierte Arndt, Schlüter, der im Reichsjustizministerium als Referent für Strafprozessrecht zuständig gewesen sei, sei ihm nach 1945 in Marburg als »ausserordentlich kenntnisreicher und gerechtdenkender Jurist« bekanntgeworden, da er in einer von der Militärregierung ins Leben gerufenen Kommission für ein neues Strafprozessrecht mitwirkte.458 Daher könne er ihn mit gutem Gewissen empfehlen. Des Weiteren verwies er Dehler auf die Abgeordnete Dr. Helene Weber, die wohl mehr über Schlüter wisse. Ob derselbe einer Partei nahestehe, so Arndt abschließend, könne er nicht sagen – »jedenfalls wohl nicht der SPD.« Im BMJ stieß die von Arndt ausgesprochene Empfehlung durchaus auf Interesse. Nur drei Tage später forderte der Persönliche Referent des Ministers Willi Geiger beim ZJA in Hamburg die Personalakten Schlüters zur Einsichtnahme an.459 Schlüter selbst wandte sich Ende November 1949 noch einmal an das Bundesjustizministerium und erneuerte seine Bewerbung.460 Nachdem er einiges zu seiner Laufbahn mitgeteilt hatte  – freilich unter Weglassung seiner Tätigkeit für den Volksgerichtshof  –, bat er um Mitteilung, ob und wann er mit einer Beschäftigung im Bundesjustizdienst rechnen könne. Die Personalakten des Reichsjustizministeriums förderten zutage, was Schlüter bisher verschwiegen hatte: seine Tätigkeit als Ermittlungsrichter und dann als Hilfsrichter beim Volksgerichtshof. Da eine Verwendung Schlüters im OLG Bezirk Celle in Erwägung gezogen worden war, hatte das BMJ die alten Personalakten dorthin entliehen. Die Bewerbung beim Justizministerium hatte damit gewissermaßen geruht, bis Oberregierungsrat Schafheutle am 16. September 1950 darum bat, die Akten zurückzufordern. Offenbar war die Abteilung II an Schlüter interessiert. Dieser setzte nun eine Erklärung über seine Amtstätigkeit in Hoch- und Landesverratssachen auf.461 Unklar ist, auf wessen Veranlassung dies geschah. Die Stoßrichtung der Erklärung versinnbildlichte bereits der erste Satz: »Es wäre ungerecht, wollte man die Justizbeamten, die vor 1945 Hoch- und Landesverratssachen zu bearbeiten hatten, nur deshalb hintansetzen, weil ihre 457 Brandl (Rechtsamt) an das Personalamt der Verwaltung des VWG v. 21.5.1949, in: Ebd., Bl. 5. 458 Abg. Arndt an den BMdJ Dehler v. 15.11.1949 betr. Bewerbung Dr. Schlüter, Marburg, in: Ebd., Bl. 6. 459 Geiger (BMJ) an das Zentraljustizamt für die britische Zone v. 18.11.1949, in: Ebd., Bl. 7. 460 Dr. Schlüter an den BMdJ v. 28.11.1949, in: Ebd., Bl. 8. 461 Erklärung des Amtsgerichtsrats Dr. Franz Schlüter über seine Tätigkeit in Hoch- und Landesverratssachen v. 2.10.1950, in: Ebd., Bl. 16–19.

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Arbeit mit dem Namen des Volksgerichtshofs verbunden war.«462 Daran anknüpfend meinte Schlüter, es wäre unangemessen, mit dem »Odium des VGH« die Hilfskräfte zu belasten, die während des Krieges aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zur Tätigkeit beim Volksgerichtshof oder bei der Reichsanwaltschaft des VGH gezwungen worden seien.463 Seine Bestellung zum Ermittlungsrichter am Volksgerichtshof im Jahre 1941 erklärte Schlüter damit, dass der zuständige Sachbearbeiter des Justizministeriums ihm einen Gefallen beweisen wollte, indem er ein Gegengewicht zu einer schlechten Beurteilung seitens der Partei vom vorausgegangenen Jahr ermöglichte. Darin war Schlüter aktiver Katholizismus und mangelnde Aktivität in der Partei, der er seit 1937 angehörte, zum Vorwurf gemacht worden. Zudem sei er, wie es bei den Ermittlungsrichtern damals trotz der Amtsbezeichnung üblich gewesen sei, nicht Richter des VGH gewesen, sondern im Verband seines Stammgerichts verblieben. Bei der später erfolgten Abordnung vom Amtsgericht Berlin-Mitte als seinem Stammgericht als Hilfsrichter zum Volksgerichtshof 1942 seien ebenso wenig in seiner Person liegende politische Gründe maßgebend gewesen. Vielmehr habe man im Wesentlichen auf ohnehin in Berlin ansässige Richter zurückgegriffen, um den vorübergehenden Bedarf an Hilfsrichtern zu decken. In dieser Gruppe seien vorzugsweise diejenigen ausgewählt worden, die bereits Erfahrungen als Ermittlungsrichter am VGH mitbrachten. Gegen die Berufung habe er sich entschieden gewehrt, da bereits damals erkennbar gewesen sei, »dass einige Senate des VGH den Weg rechtsstaatlichen Denkens verliessen«.464 Und tatsächlich sei daraufhin die Abordnung auf nur einige Monate befristet worden; die zugesicherte Rückkehr zum Stammgericht unterblieb jedoch. Stattdessen wurde Schlüter im Frühjahr 1943 der Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof zur weiteren Dienstleistung zugewiesen. Dort habe er versucht, sich durch mehrfache Krankmeldung dem Dienst zu entziehen – »Jede andere Art der Auflehnung wäre lebensgefährdend gewesen.«465 Als Hilfskraft des Reichsanwalts Weyersberg habe er als spezielles Aufgabengebiet geschäftsplanmäßig die »Schwarze Front« Otto Strassers und den Separatismus im alten Reichsgebiet zugewiesen bekommen. Über ein Zeichnungsrecht habe er nicht verfügt, sondern sei strikt weisungsgebunden gewesen. Schlüter versuchte ferner, seine Tätigkeit als normal und unproblematisch darzustellen: »Nach Art und Gegenstand hatte ich bei der Bearbeitung von Hoch- und Landesverratssachen keine andere Aufgabe als der Justizbeamte, der in einem nicht nationalsozialistischen Staate mit der gleichen Aufgabe betraut ist.«466 Eine Aussage, die zumindest von einem gering ausgeprägten historischen Bewusstsein zeugt. Zuletzt nahm er unter Nennung von Beispielen für sich in Anspruch, ohne Rücksicht 462 Ebd., Bl. 16. 463 Ebd. 464 Ebd., Bl. 17. 465 Ebd., Bl. 18. 466 Ebd.

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auf das eigene berufliche Vorankommen sich da eingesetzt zu haben, wo ihm die Gerechtigkeit gefährdet erschien. Bemerkenswert ist, welchen Aufwand das Bundesjustizministerium betrieb, um die Angaben Schlüters zu überprüfen und zu einem fundierten Urteil über ihn zu gelangen. So forderte Personalreferent Winners am 7. Dezember 1950 nicht nur die Spruchkammerakten zu Schlüter aus Marburg an,467 sondern erbat auch vom durch Schlüter genannten Zeugen Edmund Stark eine Aussage.468 Außerdem wandte sich Winners an seinen Kollegen Schafheutle und bat um Mitteilung, wem gegenüber und wie sich der Abgeordnete Arndt über Schlüter und dessen Verwendung im Bundesjustizdienst geäußert habe.469 In seiner Antwort an den Personalreferenten berichtete Schafheutle von einem persönlichen Gespräch zwischen Arndt und Dehler, von dem Arndt Schlüter und Schlüter wiederum ihn, Schafheutle, unterrichtet habe.470 Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass Schafheutle den am 11. September von Schlüter erhaltenen Brief nicht zu den Akten gegeben hatte. Ferner schrieb Schafheutle an Winners, dass »etwa Anfang Oktober 1950« eine Besprechung über eine etwaige Einberufung des Dr. Schlüter stattgefunden habe, bei der Staatssekretär Strauß mitgeteilt habe, dass er von der Empfehlung Arndts Kenntnis habe.471 Die Tatsache, dass es eine solche Besprechung gegeben hat, verdeutlicht, dass die politische Überprüfung eine Aufgabe war, die man auf der Rosenburg durchaus ernst nahm. Die in Marburg angeforderten Spruchkammerakten erreichten das BMJ indes nicht, da sie entweder seit langer Zeit versandt oder in Verlust geraten seien, wie aus Hessen verlautete.472 Oberamtsrichter Stark, den Schlüter in seiner Stellungnahme als Gewährsmann benannt hatte, bestätigte in seiner Antwort im Wesentlichen die Angaben Schlüters.473 Auf Grundlage aller bisher vorliegenden Informationen über Schlüter verfasste Personalreferent Winners eine vier Seiten lange Notiz, die sich in die drei Punkte Laufbahn, Dienstliche Beurteilungen und Politische Verhältnisse gliederte.474 Am 27. Januar 1951 komprimierte Winners die Erkenntnisse über Schlüter in einem Vermerk, der über den Staatssekretär an Minister Dehler ging 467 Winners an die Spruchkammer Marburg-Land v. 7.12.1950 betr. den früheren Landgerichtsrat Dr. Franz Schlüter in Berlin, z. Zt. in Marburg / Lahn, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bew. I/410, Bl. 28. 468 Winners an Oberamtsrichter Edmund Stark v. 7.12.1950 betr. den früheren Landgerichtsrat Dr. Franz Schlüter in Berlin, z. Zt. in Marburg / Lahn, in: Ebd., Bl. 27 f. 469 Winners an Schafheutle v. 7.12.1950, in: Ebd., Bl. 27. 470 Schafheutle an Winners v. 12.12.1950 betr. Schreiben Bew. M. I/410 v. 7.12.1950, in: Ebd., Bl. 30. 471 Ebd. 472 Der Erste Öffentliche Kläger bei der Zentralberufungskammer Hessen an den BMdJ v. 25.1.1951 betr. Dr. Franz Schlüter, geb. am 13.4.1907, Marburg / L ., in: Ebd., unpag. Bl. 473 Oberamtsrichter Stark an den Personalreferenten des BMJ v. 14.12.1950 betr. den früheren Landgerichtsrat Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 31. 474 Notiz von Winners o. D., in: Ebd., Bl. 33–36.

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und aus dem die eingangs erwähnte Bemerkung stammt, aufgrund der bloßen Tatsache seiner früheren Tätigkeit beim VGH könne eine Wiederverwendung beim BMJ nicht empfohlen werden.475 Ungeachtet dieser Empfehlung versäumte es Winners nicht, Schlüter als eine »fachlich hoch qualifizierte Kraft« zu loben. Des Weiteren führte der Personalreferent das Urteil des inzwischen zum Ministerialrat ernannten Schafheutle an, der Schlüter aus seiner Zeit im Reichsjustizministerium kenne und dessen berufliche Tüchtigkeit und charakterlichen Eigenschaften schätze. Die politische Belastung Schlüters wertete Winners als eine rein formale; Schlüter sei als Gegner des Nationalsozialismus anzusehen. Als Gründe, weshalb dies glaubhaft sei, nannte der Personalreferent die Herkunft aus einer religiösen Familie, die negative Beurteilung durch die Gauleitung aus dem Jahre 1940, die vorliegenden Zeugnisse, die Entlastung durch die Spruchkammer und den Umstand, dass er trotz seiner besonderen fachlichen Tüchtigkeit nicht befördert wurde. Allem Anschein nach sah sich die Führungsspitze des BMJ trotz der Empfehlung von Winners noch nicht in der Lage, eine endgültige Entscheidung in der Personalsache Schlüter zu treffen. Stattdessen wandte sich Dehler auf privatem Bogen an Dr. Ernst Strassmann, Mitglied des Vorstandes der Berliner Kraftund Licht-Aktiengesellschaft, und fragte denselben nach Schlüter.476 Gleichzeitig bat der Minister darum, gegebenenfalls Erkundigungen einzuholen. Für seine Anfrage hatte Dehler einen gänzlich Unverdächtigen ausgewählt. Während des Nationalsozialismus hatte Strassmann gemeinsam mit Hans Robinsohn und Oskar Stark eine Widerstandsgruppe gegründet. Nach dem Krieg engagierte er sich für die SPD. Über Schlüter konnte Strassmann nichts mitteilen, versprach aber, die Abteilung Rechtswesen in Berlin um Hilfe zu bitten.477 Doch auch die Nachfrage dort erbrachte kein Ergebnis, wie Strassmann an Dehler berichtete.478 Auf ein erneutes Schreiben des Bundesjustizministers479 antwortete Strassmann, dass in Berlin über Schlüter leider nichts weiter in Erfahrung zu bringen sei.480 Diesem für das Ministerium unbefriedigenden Zustand sollte Abhilfe geschaffen werden, indem Schafheutle »abredegemäß« seinen ehemaligen RJM-Kollegen Schlüter bat, noch die eine oder andere Referenz anzugeben.481 Darüber hinaus ergriff Minister Dehler selbst noch einmal die Initiative und fragte bei dem Berliner Rechtsanwalt Dr. Kurt Behling, der vor 1945 Straf­ verteidiger am Volksgerichtshof gewesen war und mit dem er damals versucht hatte, dem zum Tode verurteilten Bamberger Juristen Hans Wölfel zu helfen, an, ob er etwas über Schlüter und dessen »Arbeitsweise in Volksgerichtshofsachen« 475 Winners über Strauß an Dehler v. 27.1.1951, in: Ebd., Bl. 37. 476 Dehler an Dr. Ernst Strassmann v. 5.2.1951, in: Ebd., Bl. 38. 477 Dr. Ernst Strassmann an den BMdJ Dehler v. 10.2.1951, in: Ebd., Bl. 39. 478 Strassmann an den BMdJ Dehler v. 23.2.1951, in: Ebd., Bl. 40 f. 479 Dehler an Strassmann v. 27.2.1951, in: Ebd., Bl. 42. 480 Strassmann an den BMdJ Dehler v. 1.3.1951, in: Ebd. Bl. 43. 481 Notiz von Winners v. 26.2.1951, in: Ebd., auf Bl. 39.

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wisse oder entsprechende Erkundigungen einholen könne.482 Dieses Mal blieb der Erfolg nicht aus. Zwar wies Behling selbst lediglich darauf hin, dass die Abordnung zur Oberreichsanwaltschaft in der Regel nicht aus politischen Gründen erfolgt sei, aber die vertrauliche Befragung eines ihm als seriös bekannten Berliner Landgerichtsdirektors habe ergeben, dass Schlüter ein sehr ruhiger und sachlich außerordentlich kluger Richter gewesen sei.483 Etwa zwei Wochen nach Eingang dieses Briefes notierte Personalreferent Winners folgenden Vermerk: »Herr Min[ister] hat sich heute auf Vortrag mit einer Verwendung Dr. Schlüters im BJM einverstanden erklärt.«484 Staatssekretär Strauß, dem dieser Vermerk mit der Bitte vorgelegt wurde, die Einstufung Schlüters in Vergütungsgruppe II TOA zu genehmigen, notierte drei Tage später »einv[erstanden]«.485 Zur Begründung dieser Einstufung führte Winners an, sie erscheine nach Lebensalter, früherem Dienstalter und der Tüchtigkeit Schlüters »angemessen«.486 Die Entscheidung der Hausleitung war also gefallen – und zwar zugunsten Schlüters. Einige Wochen später meldete sich noch einmal Kurt Behling beim Bundesjustizminister.487 Nachdem er am 22. März seinen Zwischenbericht gegeben und Dehlers Sekretärin bei seinem letzten Besuch auf der Rosenburg nicht näher bezeichnete »weitere Aufklärungen« habe zukommen lassen, sei es ihm in der Zwischenzeit leider nicht gelungen, handfeste Unterlagen zu beschaffen.488 Allerdings habe er einige Herren befragen können, die sich einig gewesen seien, dass Schlüter »sich fachlich und menschlich qualifiziert« habe.489 Ferner: »Rückfragen in Anwaltskreisen haben nicht ergeben, dass er zu den sogenannten scharfen Mitgliedern der Anklagebehörde beim Volksgerichtshof gehörte.«490 Schlüter selbst zeigte sich in einem Brief an Minister Dehler grundsätzlich erfreut über seine Einberufung zur Dienstleistung im BMJ, zumal ihm damit die Gelegenheit gegeben werde, zu der vertrauten Arbeit der strafrechtlichen Gesetzgebung zurückzukehren.491 Gleichzeitig formulierte er aber unter Verweis auf seine besondere wirtschaftliche Situation einen Vorbehalt. Die Existenz, die er sich nach dem Krieg in Marburg als Rechtsanwalt und juristische Lehrkraft aufgebaut habe, könne er »nicht ohne Äquivalent« aufgeben. Seine Unterrichtstätigkeit müsste er bei einem Weggang nach Bonn aufgeben, einen Vertreter für seine Praxis könne er nicht bezahlen, sei aber gezwungen, mit der Notwendigkeit eines späteren Wiederaufbaus zu rechnen, »da ich als kündbarer Angestellter einberufen bin und bei den gegebenen Verhältnissen mit ihrer mangelnden 482 Der BMdJ an den Rechtsanwalt Dr. Kurt Behling v. 5.3.1951, in: Ebd., Bl. 44. 483 Behling an den BMdJ Dehler v. 22.3.1951, in: Ebd., Bl. 45 f. 484 Vermerk von Winners v. 2.4.1951, in: Ebd., Bl. 46 (RS). 485 Votum, Kürzel, Datum von Strauß auf Vermerk von Winners, in: Ebd. 486 Vermerk von Winners v. 2.4.1951, in: Ebd. 487 Behling an den BMdJ Dehler v. 18.5.1951, in: Ebd., Bl. 47 f. 488 Ebd., Bl. 47. 489 Ebd. 490 Ebd., Bl. 48. 491 Schlüter an den BMdJ v. 13.4.1951, in: Ebd., Bl. 49.

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politischen Stabilität Angestellte des höheren Dienstes in einem Ministerium besonders leicht der Gefahr einer Kündigung ausgesetzt« seien. Aus diesem Grunde bitte er darum, seine Einberufung zurückzustellen, bis die gleichzeitige Einweisung in eine Planstelle möglich sei, wobei er mit einer Einweisung in eine Stelle außerhalb des Bundesjustizministeriums einverstanden wäre. Auf der Rosenburg war man offensichtlich überrascht über diese Entwicklung und setzte eine Besprechung an, in der die Frage der rechtlichen Gestaltung des »etwaigen Bundesdienstverhältnisses« Schlüters thematisiert werden sollte.492 Doch bereits im Vorfeld des Gesprächs zeichnete sich eine Lösung ab. So notierte Winners, Staatssekretär Strauß habe sich mit der Übernahme Schlüters auf eine Planstelle des Deutschen Patentamts einverstanden erklärt.493 Diese Formulierung lässt erahnen, dass Winners selbst einen solchen Vorschlag unterbreitet hatte. Mit der Übernahme Schlüters in den Dienst des Patentamts war ein monatelanges Hin und Her um seine etwaige Verwendung im BMJ beendet. Aus den Personalakten geht aber auch hervor, dass Schlüter zumindest für kurze Zeit, und zwar bis zum 19. September 1951, vom Patentamt an das Bundesjustizministerium abgeordnet war.494 Die politische Überprüfung auf der Rosenburg wurde – wenigstens in diesem Fall – durchaus gewissenhaft gehandhabt. Die verantwortlichen Akteure, also Dehler, Strauß und Winners, haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Dass die dauerhafte Einberufung in das Justizministerium infolge der existenziellen Schwierigkeiten Schlüters doch nicht vollzogen wurde, nachdem die Verantwortlichen dort lange um eine angemessene Wertung der Tätigkeit Schlüters im Zusammenhang mit dem Volksgerichtshof gerungen und sich letztlich für ihn entschieden hatten, ist nicht frei von einer gewissen Ironie. Doch damit war die Angelegenheit Schlüter nicht endgültig vom Tisch, wie sich später zeigen sollte.495

3.2 Landsmannschaftliche Ausgewogenheit Im Zusammenhang mit der Rekrutierung von Hans Winners als Personalreferent für das BMJ war bereits die Rede vom Kriterium der landsmannschaft­ lichen Ausgewogenheit. Beim Aufbau der Bundesministerien war das ein weiterer Aspekt, den es aus Sicht der für die Personalpolitik zuständigen Akteure zu berücksichtigen galt. So erinnerte sich Walter Strauß später, dass anfänglich Sorgen hinsichtlich der Anwendung des Artikels 36 GG bestanden.496 Diese 492 Winners an Schlüter v. 18.4.1951, in: Ebd., Bl. 50. 493 Vermerk von Winners v. 18.4.1951, in: Ebd., Bl. 50 (RS). 494 Personalbogen zu Dr. Franz Schlüter, Az. P 2051 – Sch 4, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bundespatentgericht, Bl. 1. 495 Siehe den unter II .3 folgenden Anschnitt »Personalfürsorge«. 496 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280.

Wesen und Merkmale der Personalpolitik in der Anfangszeit

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Verfassungsvorschrift besagt, wie oben ausgeführt, dass bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern »in angemessenem Verhältnis« zu verwenden seien. Nach Angaben von Strauß hätten in den Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, die ihrerseits wichtige Keimzellen der Ministerien auf Bundesebene waren, Beamte aus nord-, mittel- und ostdeutschen Gebieten überwogen. Teilweise habe es in den ersten Jahren nach 1949 Schwierigkeiten gegeben, Beamte aus den süddeutschen Ländern zu einem Umzug nach Bonn zu bewegen. Am ehesten sei das bei der Einstellung von Assessoren und jungen Räten als Hilfsarbeiter gelungen. In späteren Zeiten habe sich das aber an­nähernd ausgeglichen. Zu Beginn der fünfziger Jahre war es – wie oben dargestellt – umstritten, ob die Landsmannschaft am Geburtsort oder am letzten Wohnsitz der Beamten festgemacht werden sollte. Je nachdem, welches Prinzip man anwandte, bot sich ein unterschiedliches Bild dar, was die landsmannschaftliche Zusammensetzung auch des Bundesjustizministeriums betrifft. Aus den Anlagen zu einem Schreiben des Bundesinnenministers vom 28. April 1950 geht hervor, dass am Stichtag, dem 15. Januar 1950, das BMJ 58 Beamte, darunter sieben Heimatvertriebene, zählte.497 Legt man das Wohnsitzprinzip zugrunde, so stellte das Land Hessen mit zwölf Beamten die größte Gruppe.498 Das entsprach einem Anteil von 21 Prozent. Zusammen mit den vorher in Bayern wohnhaften elf Beamten kamen Anfang 1950 ganze vierzig Prozent aus einem dieser beiden Länder. Hinsichtlich der bayerischstämmigen Beamten erscheint es bemerkenswert, dass sie deutlich stärker im BMJ vertreten waren als im Durchschnitt aller obersten Bundesbehörden. Während nach dem Wohnsitzprinzip insgesamt nur zehn Prozent aller Beamten aus Bayern kamen, waren es im BMJ immerhin 19 Prozent. Bei Anwendung des Geburtsortprinzips lag der Wert für das BMJ mit sieben Prozent dagegen nur unwesentlich höher als die fünf Prozent bei allen obersten Bundesbehörden. Die im Gesamtschnitt niedrigen Zahlen der bayerischen Beamten veranlassten die Fraktion der Bayernpartei, im Bundestag eine Anfrage zu stellen, wie die Bundesregierung der Bestimmung des Artikels 36 Rechnung tragen wolle.499 Die deutliche Überrepräsentanz der Bayern im BMJ erklärt sich nicht nur, aber auch mit der Hinzuziehung von Mitarbeitern aus dem OLG -Bezirk Bamberg durch Minister Dehler. Zu nennen ist an dieser Stelle Willi Geiger, aber auch der lange in München tätig gewesene Walter Roemer; nach dem Stichtag kamen neben den

497 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 938: Der BMdI an den Präsidenten des Deutschen Bundestages v. 28.4.1950 betr. Anfrage Nr. 30 der Abgeordneten Spies, Strauß, Bauereisen und Genossen – Nr. 389 der Drucksachen – über die Verwendung von Beamten und Angestellten aus den Ländern bei den obersten Bundesbehörden, in: BArch B 136/5141. 498 Übersicht A: Anlage 1 zum Schreiben des BMdI v. 28.4.1950, in: Ebd. 499 Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 1098: Anfrage Nr. 92 der Abgeordneten Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei v. 28.6.1950 betr. Erfüllung der Bestimmungen des Artikels 36 des Grundgesetzes, in: Ebd.

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Bambergern Hans Winners und Georg Elsenheimer unter anderem noch Georg Grohmann und Hermann Weitnauer aus Bayern hinzu. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen stellte im Januar 1950 gerade einmal zehn Prozent der Beamtenschaft des BMJ, ebenso wie Württemberg-Baden. Ins Auge fällt, dass Baden das einzige damals existierende Land ohne einen Beamten im Bonner Justizministerium war. Die nach dem Geburtsortprinzip gefertigte Übersicht verdeutlicht, in welchem Ausmaß das Bild der landsmannschaftlichen Zusammensetzung von der gewählten Methode abhing.500 Von den zwölf aus Hessen ins Bundesjustizministerium oder seine zonalen Vorläuferorganisationen gekommenen Beamten war lediglich eine Person gebürtiger Hesse. Die Quote lag jetzt nicht mehr bei 21, sondern bei nur noch zwei Prozent. Für Bayern ergibt sich, wie im Zusammenhang mit dem Disput um die Auslegung des Artikels 36 GG geschildert, ein ähnliches Bild. In der alten Reichshauptstadt Berlin waren zehn von 58 Beamten geboren worden, was einem Anteil von 17 Prozent entspricht. Zum Vergleich: Nach dem Wohnsitzprinzip waren es lediglich sieben Prozent, die aus Berlin kamen. Freilich fiel der Stichtag mitten in den Beginn der Aufbauphase des Bundesjustizministeriums. Daher sollte den konkreten Zahlen kein übermäßig großes Gewicht beigemessen werden. Doch wie entwickelte sich die Lage? Aus einer Übersicht, die das Statistische Bundesamt im Auftrag des Innenministeriums erstellte, geht auch die landsmannschaftliche Zusammensetzung des BMJ mit Stand vom 2. Oktober 1952 hervor.501 Inzwischen war die Zahl der Beamten des höheren Dienstes auf 67 gestiegen. Nun ging die Übersicht aber nur noch von der landsmannschaftlichen Herkunft aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Geburtsort als entscheidendes Kriterium herangezogen wurde, denn beispielsweise wurde der Staatssekretär dem Land Hessen zugeordnet, obwohl Walter Strauß gebürtiger Berliner war. Bemerkenswerterweise war die Gruppe derjenigen Beamten am stärksten vertreten, die von außerhalb des Bundesgebietes stammten, nämlich 16 Personen. Die übrigen 51 Beamten kamen aus dem Bundesgebiet. Die meisten von ihnen stammten aus Bayern (elf), Nordrhein-Westfalen (zehn) und Baden-Württemberg (neun). Im Mittelfeld bewegten sich die Beamten aus Niedersachsen (sechs), Hessen und Rheinland-Pfalz (je fünf). Aus den Stadtstaaten Bremen (einer) und Hamburg (zwei) sowie aus dem Flächenland SchleswigHolstein (zwei) kamen nur wenige Beamte des höheren Dienstes. Einen WestBerliner suchte man zu diesem Zeitpunkt im BMJ vergeblich. Dass bevölkerungsreiche Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg mehr Beamte als Länder mit deutlich weniger Einwohnern wie Schleswig-Holstein

500 Übersicht B: Anlage 2 zum Schreiben des BMdI v. 28.4.1950, in: Ebd. 501 Die landsmannschaftliche Herkunft der Beamten der obersten und oberen Bundesbehörden, Sonderbericht des Statischen Bundesamts v. 1.9.1953 aus Unterlagen der Personalstandstatistik am 2.10.1952, erstellt im Auftrage des Bundesministeriums des Innern, in: Ebd.

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oder Bremen stellten, trug der Vorschrift des Grundgesetzes Rechnung, dass die Länder in angemessenem Verhältnis zu berücksichtigen seien.502 Lohnenswert ist auch ein Blick auf die landsmannschaftlichen Verhältnisse in der Leitungsebene des Ministeriums. So repräsentierten der Staatssekretär und die drei Ministerialdirektoren vier unterschiedliche Landsmannschaften, nämlich Hessen sowie Bayern, Hamburg und einen Ort außerhalb des Bundesgebiets. Einen Ministerialdirigenten gab es im BMJ zum Stichtag nicht. Von den insgesamt 13 Ministerialräten als der folgenden Ebene kamen drei aus Niedersachsen und jeweils einer aus Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, während vier Personen ursprünglich nicht im Bundesgebiet beheimatet waren. Dass von den zusammengenommen 17 Führungsbeamten nur ein einziger aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen stammte, zeigt, dass die Klagen aus Düsseldorf durchaus berechtigt waren, insbesondere mit Blick auf die wichtigsten Stellen im Ministerium. Wie ambivalent die Problematik der Landsmannschaft war, wird jedoch deutlich, wenn man sich die Zahlen derjenigen Beamten anschaut, die dem höheren Dienst in einer niedrigeren Position als der des Ministerialrats angehörten. Fünfzig Beamte bildeten diese Gruppe. Von ihnen kamen 39 aus dem Bundesgebiet. Hier spielte Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern die erste Geige (je neun), gefolgt von Baden-Württemberg (acht). Im Vergleich zur Situation von Januar 1950 machten die nordrhein-westfälischen Beamten nun nicht mehr zehn, sondern rund zwanzig Prozent aller Beamten im BMJ aus. Im höheren Dienst lag ihr Anteil bei etwa 15 Prozent. Die Proteste aus Düsseldorf und die allgemeinen Diskussionen über die Auslegung des Artikels 36 GG hatten offenbar eine erhöhte Sensibilität gegenüber dem Aspekt der landsmannschaftlichen Ausgewogenheit bewirkt. In den Personalbögen des Bundesjustizministeriums wurde die landsmannschaftliche Zugehörigkeit in der Regel erfasst. Dies entsprach einer Empfehlung des BMI .503 Zumeist wurde in den Bögen unter Punkt 9 – »Ergänzende Angaben zu den persönlichen Verhältnissen«  – noch die »Landsmannschaft« ergänzt, übrigens ebenso wie der Aspekt »Unterbringungsteilnehmer« zur Erfassung der 131er. In den Personalakten von Beamten des höheren Dienstes im BMJ finden sich einige Fälle, in denen  – wohlgemerkt von verschiedener Seite  – auf die landsmannschaftliche Ausgewogenheit in Anlehnung an Artikel 36 Absatz 1 Satz 1 GG Wert gelegt wurde. 502 Noch deutlicher tritt das gewollte Übergewicht bevölkerungsreicher Bundesländer zutage, betrachtet man die Summe aller Beamten, also nicht nur derjenigen des höheren, sondern auch derjenigen des gehobenen, mittleren und einfachen Dienstes. Von den insgesamt 103 Beamten im BMJ stammten 77 Personen aus dem Bundesgebiet, davon allein 21 aus Nordrhein-Westfalen. Damit kam mehr als jeder vierte Beamte im BMJ aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Aus West-Berlin kam hingegen nicht ein einziger der 103 Beamten. 503 Rundschreiben des BMdI v. 9.4.1952 betr. Durchführung des Artikels 36 des Grundgesetzes, GMBl. 1952, S. 75, in: BArch B 136/5141.

130 a)

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Hans Thier

Um dem eingangs erwähnten landsmannschaftlichen Ungleichgewicht beim Gründungspersonal des BMJ entgegenzuwirken, waren Staatssekretär Strauß und Minister Dehler bestrebt, »eine Reihe tüchtiger Assessoren zunächst aus Süddeutschland und namentlich den Ländern der französischen Zone« im Bonner Justizministerium zu beschäftigen.504 Diese Formulierungen sind einem Schreiben von Strauß an Ministerialrat Hermans von der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz vom Oktober 1949 entnommen. Darin berichtete der Staatssekretär vom Interesse Dehlers an Regierungsassessor Hans Thier, der damals noch beim Landeskommissar für die politische Säuberung in Rheinland-Pfalz beschäftigt war und dort die Rechtsabteilung leitete. Strauß beschrieb gegenüber Hermans auch das Verfahren, nach dem man seitens des BMJ vorzugehen gedenke: Wie es früher im Reichsjustizministerium üblich gewesen sei, plane man, die süddeutschen Assessoren als beurlaubte Landesbeamte beim Bundesjustizministerium in Hilfsarbeiterstellungen zu beschäftigen. Dazu habe man bereits zwei bayerische und einen Assessor aus Württemberg-Hohenzollern in Aussicht genommen. Die zuständigen Stellen des Landes Rheinland-Pfalz willigten ein, und so nahm Thier seinen Dienst im Bonner Justizministerium am 14. November 1949 auf. Von Anfang an dem Aufgabengebiet Presse zugeordnet, gehörten zunächst auch Teile des Beamtenrechts und das Gesetz zu Artikel 131 GG zu seinen Zuständigkeiten.505 Knapp zwei Jahre später wurde er als Regierungsrat beim BMJ in den Dienst des Bundes übernommen und wirkte bis 1960 als Leiter der Pressestelle des Ministeriums und zeitweise als Persönlicher Referent für die Minister Dehler, Neumayer, von Merkatz und Schäffer. Nach einem Zerwürfnis mit der Hausleitung bekam er nur noch verschiedene Aufgaben in Abteilung IV übertragen und ging 1979 als Ministerialrat in den Ruhestand. Was als bloße Abordnung aus Rheinland-Pfalz begann, nicht zuletzt um dem landsmannschaftlichen Proporz zu genügen, mündete also in eine dreißigjährige Dienstzeit im Bonner Justizministerium. Über seine Anfangszeit dort hat Thier einen retrospektiven Bericht hinterlassen.506 In dem Nachruf des BMJ auf den gebürtigen Bonner heißt es: »Herr Thier hat als Mitarbeiter der ersten Stunde durch seine offene, kollegiale und humorvolle Art den »Geist der Rosenburg« mitbegründet.507 504 Strauß an Ministerialrat Hermans (Staatskanzlei Rheinland-Pfalz) v. 14.10.1949, in: BMJ Personalakte Hans Thier (P 11 – T 1), Bd. 1, Bl. 1. 505 Personalbogen zu Hans Thier v. 28.7.1950, in: BMJ -Personalakte Hans Thier (P 11 – T 1), Bd. 1, Bl. IIIf. Vgl. auch das Schreiben des BMJ an den Landeskommissar für die politische Säuberung in Rheinland-Pfalz v. 5.5.1950 betr. Regierungsassessor Hans Thier, Bonn, in: Ebd., Bl. 28. 506 Hans Thier, Die Anfänge der Rosenburg aus der Perspektive eines Flohs, in: Personalrat des BMJ, Der Geist der Rosenburg, S. 206–215. 507 Nachruf des BMJ auf Ministerialrat a. D. Hans Thier v. Dezember 1998, in: BMJ -Personalakte Hans Thier (P 11 – T 1), Bd. 2, Bl. 342.

Wesen und Merkmale der Personalpolitik in der Anfangszeit

b)

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Alfons Wahl

Nicht nur das Bundesjustizministerium nutzte die Vorschrift des Artikels 36  GG als personalpolitisches Argument. Auch bei Empfehlungen, die von außen an die Rosenburg herangetragen wurden, war der Verweis auf die landsmannschaftliche Ausgewogenheit ein durchaus übliches Mittel. So setzte sich der CDUAbgeordnete Paul Bausch gegenüber Justizminister Dehler für einen in Stuttgart beheimateten Staatsanwalt ein, indem er schrieb: »Unter Hinweis auf Art. 36 der Verfassung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, [sic!] benenne ich Ihnen an Persönlichkeiten aus Württemberg-Baden Herrn Alfons Wahl, Staatsanwalt […].«508 Der Abgeordnete Bausch untermauerte seinen Vorschlag mit dem Hinweis, der zurzeit im württembergischen Justizdienst tätige Wahl sei vom Württembergisch-Badischen Staatsministerium für eine Verwen­ dung in der Bundesverwaltung empfohlen worden. Zusätzlich nannte er noch das Geburtsjahr und die konfessionelle Zugehörigkeit des Staatsanwalts sowie dessen momentane Funktion als Vorsitzender des Gnadenausschusses für die von der Militärregierung Verurteilten. Ob Wahl zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied der CDU war, wie es für 1966 überliefert ist, bleibt ungeklärt.509 Bausch schloss sein Empfehlungsschreiben mit den Worten, er würde es sehr begrüßen, wenn Dehler Herrn Wahl beim Aufbau des Ministeriums verwenden könnte.510 Weiterhin von Interesse sind zwei handschriftliche Notizen von Staatssekretär Strauß auf dem Schreiben von Bausch: Die erste, die einen Vergleich mit der Liste des Württembergisch-badischen Staatsministeriums nahelegte, erscheint angesichts dessen, was der Abgeordnete an Dehler schrieb, nachvollziehbar. Die zweite Notiz, mit der Wahl als Kriegsbeschädigter und Benachteiligter des NS -Regimes – dahinter befindet sich ein Ausrufungszeichen – charakterisiert wurde, lässt dagegen aufmerken. Offenbar waren das Eigenschaften, auf die Walter Strauß seinen Minister besonders hinweisen wollte, wohlgemerkt zugunsten Wahls. In der Tat bekam Wahl, allerdings erst sehr spät, auf eigenen Antrag Wiedergutmachung nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD) vom 11. Mai 1951 gewährt. Der Wiedergutmachungsbescheid vom 21. September 1965 bestimmte, dass die Zeit zwischen Wahls Entlassung aus dem Staatsdienst am 1. Juni 1944 bis zu seinem Wiedereintritt am 1. Juli 1945 als Dienstzeit im Sinne des Besoldungs- und Versorgungsrechts gelte.511 Zur 508 Paul Bausch an Dehler v. 14.10.1949, in: BMJ -Personalakte Alfons Wahl (P 11  – W 1), Bl. 11; Hervorhebung im Original. 509 CDU / C SU -Mitglieder im BMJ, Bonn, Rosenburg (Januar 1966), in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-007/1. 510 Paul Bausch an Dehler v. 14.10.1949, in: BMJ -Personalakte Alfons Wahl (P 11  – W 1), Bl. 11. 511 Wiedergutmachungsbescheid des BMdJ für Ministerialrat Alfons Wahl v. 21.9.1965 (begl. Abschrift), in: BMJ -Personalakte Alfons Wahl (P 11 – W 1), Bl. 125a-d.

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Begründung der Wiedergutmachung hieß es in dem Bescheid, die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigten die Annahme, dass die damalige, aus den Akten belegbare Weigerung der NSDAP, Wahl in die Laufbahn des Richters und des Staatsanwalts zu übernehmen, darauf zurückzuführen sei, dass er »aus politischen Gründen ein Gegner des Nationalsozialismus war.«512 So habe Wahl als Leiter des Bundes Neudeutschland in der Diözese Rottenburg Zusammenstöße mit NS -Stellen gehabt. Zudem sei sein Vater 1933 aus politischen Gründen als Oberregierungsrat ohne Versorgung entlassen worden. Um bei dieser schwierigen finanziellen Lage seiner Familie einen Gebührennachlass für das Studium zu erhalten, sei Wahl im September 1935 dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) beigetreten, aber bereits zwei Jahre später wegen politischer Unzuverlässigkeit wieder ausgeschlossen worden. Weil es sich insofern nur um eine nominelle Mitgliedschaft in einer Gliederung der NSDAP gehandelt habe, stünden der Wiedergutmachung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 BWGöD keine Hindernisse von Gesetzes wegen entgegen. In der Antwort des BMJ auf das Empfehlungsschreiben des Bundestagsabgeordneten schrieb von Arnim an Bausch, man habe Alfons Wahl für eine Beschäftigung im Geschäftsbereich des Bundesjustizministeriums vorgemerkt.513 Eine abschließende Antwort könne leider noch nicht erteilt werden, da der im Ministerium aufgestellte Stellenplan noch die Billigung der zuständigen Bundesorgane finden müsse. Weiter hieß es: »Ich vermag daher noch nicht zu übersehen, in welchem Rahmen Einstellungen erfolgen können und ob insbesondere eine der fachlichen und persönlichen Eignung des Herrn Wahl entsprechende Stelle zu besetzen ist.« Nur kurze Zeit später bedankte sich der württembergisch-badische Justizminister bei Staatssekretär Strauß für ein neuerliches Schreiben, aus dem hervorging, dass Bundesjustizminister Dehler die Einberufung Wahls in Erwägung ziehe.514 Der Staatsanwalt werde sich demnächst im BMJ vorstellen. Nur drei Tage später war in Bonn die Entscheidung für Wahl gefallen und wurde sofort nach Stuttgart gemeldet.515 Was der Abgeordnete Paul Bausch möglicherweise nicht wusste: Wahl selbst hatte sich bereits Anfang August 1949 für die Übernahme in die Bundesverwaltung beworben und dabei sein Interesse für eine Verwendung als Sachbearbeiter für Gnadensachen und für Fragen des Strafvollzugs bekundet.516 In seinem Bewerbungsanschreiben verwies Wahl ausdrücklich auf einen Erlass des Stuttgarter Justizministeriums, der die Verwendung württembergisch-badischer Beamter in der künftigen Bundesverwaltung betraf. Ende September 1949 wandte 512 Ebd., Bl. 125c. 513 Der BMdJ an Paul Bausch v. 21.10.1949, gez. v. Arnim, in: Ebd., Bl. 12. 514 Justizminister Beyerle an Strauß v. 8.11.1949, in: Ebd., Bl. 13. 515 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Württemberg-Baden v. 11.11.1949 betr. Staatsanwalt Wahl, Stuttgart, in: Ebd., Bl. 14. 516 Alfons Wahl über den Generalstaatsanwalt an das Justizministerium in Stuttgart v. 3.8.1949 betr. Verwendung württembergisch-badischer Beamter in der künftigen Bundesverwaltung, in: Ebd., Bl. 1.

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sich Justizminister Josef Beyerle (CDU) auch persönlich an Staatssekretär Strauß und bat ihn um seine »Mitwirkung« mit dem Ziel, dass auch Juristen aus Württemberg-Baden in das BMJ und in die Bundesgerichte übernommen würden.517 Darüber hinaus machte der Minister noch einmal besonders auf sechs seiner Landsleute für das Bundesjustizministerium und sechs Landsleute für die Bundesgerichte aufmerksam. Unter Ersteren befand sich auch Alfons Wahl. Am 17. November 1949 wurde Staatsanwalt Wahl vom Justizministerium des Landes Württemberg-Baden an das BMJ abgeordnet und später mit Wirkung vom 1. Dezember desselben Jahres zum Oberregierungsrat ernannt. Dass die Wahl des Bundesjustizministeriums auf Alfons Wahl fiel, war nicht nur der Absicht geschuldet, mit ihm die süddeutsche Fraktion des Hauses zu verstärken, sondern auch – vielleicht sogar in erster Linie – dem Umstand, dass er ein Spezialist für Gnadenfragen war, dessen Expertise das BMJ in der Nachkriegszeit gut gebrauchen konnte. Insofern verwundert es nicht, dass Wahl im Bonner Justizministerium lange Zeit für Strafregisterwesen und Gnadenrecht, aber auch für Strafvollzug und Kriminalitätsstatistik zuständig war. Die Rosenburg verließ Wahl erst, nachdem er im April 1967 zum Bundesanwalt beim BGH ernannt worden war. c)

Dr. Karl-Heinz Nüse und Dr. Albrecht Zorn

Dass das BMJ bestrebt war, im Rahmen der Bemühungen um eine landsmannschaftliche Ausgewogenheit auch Personal aus Berlin zu rekrutieren, ist naheliegend. Vor dem Hintergrund der deutschen Teilung im Allgemeinen und derjenigen Berlins im Besonderen unternahm die Leitung des Bundesjustizministeriums aber durchaus besondere Anstrengungen, um geeignete Mitarbeiter aus der alten Reichshauptstadt zu gewinnen. So richtete das BMJ am 10. August 1950 etwa eine gezielte Anfrage an den Berliner Stadtrat Dr. Valentin Kielinger.518 Konkret berichtete das Ministerium von der Suche nach einem geeigneten Sachbearbeiter für die zivilrechtliche Abteilung des BMJ, der vorerst in den Gebieten Mieterschutzrecht, Registerrecht und freiwillige Gerichtsbarkeit eingesetzt werden solle. Zu den weiteren Anforderungen hieß es: »Er sollte ministerielle Erfahrungen besitzen, insbesondere in der Gesetzgebungstechnik vertraut sein.« Ferner wurde mit Blick auf die Anforderungen betont, das Bundesjustizministerium erwäge, für diese Aufgabe »einen Herrn aus Berlin heranzuziehen, falls Sie einen besonderes tüchtigen, nach seinen Prüfungsergebnissen und praktischen Leistungen gut qualifizierten, charakterlich und politisch einwandfreien Juristen benennen können.« Ob ein derartiger Jurist namhaft gemacht werden konnte, ist nicht bekannt, aber wenig wahrscheinlich, da die entsprechende Akte lediglich 517 Justizminister Beyerle an Strauß v. 28.9.1949 betr. Juristen für die Bundesjustiz (Abschrift), in: Ebd., Bl. 8. 518 Der BMdJ an Dr. Kielinger v. 10.8.1950, in: BMJ, Generalakten, Az. 220 BJM – I/1950.

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die Antwort aus Berlin enthält, dass man wegen der Ferienbeurlaubungen um Aufschub für eine mögliche Benennung bitte.519 Die regelmäßige Rekrutierung von Personal aus der alten deutschen Hauptstadt war dem gebürtigen Berliner Strauß auch über den August des Jahres 1950 hinaus ein wichtiges Anliegen. Etwa drei Jahre später schrieb der Staatssekretär an den inzwischen unter der Amtsbezeichnung Justizsenator fungierenden Dr.  Kielinger, dass das BMJ bereit sei, je einen Berliner Gerichtsassessor für die Dauer von einem Jahr als Hilfsarbeiter in der Zivilrechts- und in der Strafrechtsabteilung zu beschäftigen.520 Damit solle »besonders befähigten jungen Angehörigen der Berliner Justiz« die Möglichkeit gegeben werden, sowohl den Ministerialdienst als auch die Verhältnisse in der Bundesrepublik allgemein näher kennenzulernen. Besonders am Herzen lag Strauß der Aspekt der Nachwuchsförderung.521 Nicht von ungefähr bezeichnete er die geplanten Abordnungen als »Arbeits- und Lernmöglichkeit« für Assessoren mit guten Examensergebnissen und gab ihnen bewusst den Vorzug vor den älteren Räten. Zusätzlich zu den Bestrebungen, einem guten Teil des Berliner Juristennachwuchses einen Einblick in die Bonner Verhältnisse zu gewähren, setzte das BMJ auf bewährte Kräfte aus der geteilten Stadt. Eine solche Kraft war Staatsanwalt Dr. Karl-Heinz Nüse, von dessen problematischer NS -Vergangenheit bereits die Rede gewesen ist. Ihn machte die Hausleitung zum ersten Referenten für interzonale Rechtsbeziehungen. Ein Schreiben an den Leiter der Abteilung Rechtswesen in Berlin offenbart, warum den Verantwortlichen auf der Rosenburg an Staatsanwalt Nüse gelegen war.522 So verfüge der Genannte über beste Rechtskenntnisse und eine große Erfahrung auf strafrechtlichem Gebiet, auf dem er wertvolle Dienste leiste. Als Berliner, der die Spannungen zwischen Ost und West unmittelbar erlebt habe, bringe er ein besonderes Verständnis für die Lösung der Ost-West-Fragen sowie für »die Ausarbeitung bedeutsamer Tatbestände des Menschenraubs, des Hoch- und Landesverrats, der Denunziation usw.« mit. Diese Expertise machte sich das Bundesjustizministerium also zunutze. Auf dem Wege der Abordnung war Nüse von Oktober 1950 an für etwa zwei Jahre im Bundesjustizministerium tätig. Während dieser Zeit wurde die Dauer der Abordnung mehrfach verlängert. Dass Nüse aus Sicht der Hausleitung ein Gewinn für die Rosenburg war, geht aus der nach seinem Ausscheiden von Staatssekretär Strauß ausgestellten dienstlichen Beurteilung hervor.523 Demnach sei das Referat für interzonale Rechtsbeziehungen von ihm »aufgebaut und ent519 Der Leiter der Abteilung Rechtswesen des Magistrats von Groß-Berlin an den BMdJ v. 22.8.1950 betr. Benennung eines Sachbearbeiters für die zivilrechtliche Abteilung des Bundesjustizministeriums, in: Ebd. 520 Strauß an Kielinger v. 17.9.1953, in: BMJ, Generalakten, Az. 220 BJM – 29/1953. 521 Vgl. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 365 m. Anm. 57–59. 522 Der BMdJ an den Leiter der Abteilung Rechtswesen beim Magistrat von Groß-Berlin v. 12.12.1950 betr. Staatsanwalt Dr. Karl-Heinz Nüse der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin, in: BMJ -Personalakte Karl-Heinz Nüse (P 11 – N 8), Bl. 10. 523 Dienstliche Beurteilung über Karl-Heinz Nüse v. 7.1.1953, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 58.

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wickelt« worden. Der Arbeitsfreude, der Umsicht und dem Verständnis Nüses für die Eigenarten seines Aufgabengebietes sei es zu verdanken, dass sein Referat eine »umfängliche und erfolgreiche Wirksamkeit« habe entfalten können. Obgleich das von Nüse geleitete Referat unmittelbar dem Staatssekretär unterstellt war, gab es doch Überschneidungen mit der für Strafrecht zuständigen Abteilung II . Hierzu bemerkte Strauß anerkennend, Nüse habe es verstanden, sich in die Arbeitsgemeinschaft der genannten Abteilung einzufügen. Auf diese Weise habe er »den kameradschaftlichen Meinungsaustausch gefördert«, auf den das Bundesjustizministerium bei seinen Mitarbeitern Wert lege. Wegen des absehbaren Rückgangs nach Berlin hielt das Ministerium rechtzeitig nach einem geeigneten Nachfolger für den inzwischen zum Oberstaatsanwalt ernannten Nüse Ausschau. Wenige Tage, nachdem die Abordnung noch einmal bis zum 30. September 1952 verlängert worden war, bezeichnete Dehler am 5. Juli in einem Vermerk für Personalreferent Winners die Frage der Nachfolge Nüses als klärungsbedürftig.524 In diesem Zuge notierte der Minister, es werde wohl unumgänglich sein, dass der Nachfolger vom bisherigen Amtsinhaber noch einige Wochen eingearbeitet werde. Daraufhin wurde ein Schreiben an den Berliner Senator für Justiz aufgesetzt, in dem das BMJ darum bat, einen geeigneten Landesjustizbeamten zu benennen und nach Bonn abzuordnen.525 Für die Nachfolge im bisher von Nüse geleiteten Referat für interzonales Recht komme nur eine mit den Berliner Verhältnissen vertraute Kraft infrage. In diesem Zusammenhang sei dem Ministerium der frühere Kammergerichtsrat und derzeitige Hauptreferent beim Hochschulamt des Senats von Berlin Dr. Carl Creifelds genannt worden. Daher bitte man um die Übersendung von dessen Personalakten sowie um eine Äußerung zur Eignung des Beamten. Noch bevor die Antwort aus Berlin auf der Rosenburg eintraf, äußerte Staatssekretär Strauß vor dem Hintergrund der schwierigen Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Nüse gegenüber Dehler die Befürchtung, dass das Referat mit dem Weggang des Oberstaatsanwalts einschlafen werde.526 Die Arbeit in jenem Referat verlange nämlich nicht nur gute und vielseitige juristische Kenntnisse, sondern auch »erhebliches politisches Fingerspitzengefühl«.527 Ob man Nüse durch Übernahme halten könnte, wisse er nicht – und wolle die Frage auch »nicht antippen, ohne Ihre Meinung zu wissen.«528 Letzteres verdeutlicht, dass der Staatssekretär in dieser Personalfrage keinen Alleingang in Erwägung zog, sondern an einem Einvernehmen mit seinem Minister interessiert war. Zehn Tage, nachdem Strauß sich gegenüber Dehler pessimistisch über die Erfolgsaussichten, einen geeigneten Nachfolger für Nüse zu finden, geäußert 524 Vermerk von Dehler v. 5.7.1952, in: BMJ, Generalakten, Az. 220 BJM – 13/1952. 525 Der BMdJ an den Senator für Justiz in Berlin v. 22.7.1952 betr. Höherer Dienst im Bundesjustizministerium, hier: Referent für interzonales Recht, in: Ebd. 526 Strauß an Dehler v. 4.8.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 210, Bl. 3 f. 527 Ebd., Bl. 4. 528 Ebd.

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hatte, erreichte das Ministerium die telefonische Antwort aus Berlin. Winners hielt die Kernpunkte des Telefonats in einem Vermerk fest.529 Zwar sei der bisher in Rede stehende Creifelds nicht geneigt, nach Bonn zu wechseln, jedoch würde man in Berlin schweren Herzens auf den Hauptreferenten Dr. Albrecht Zorn, der innerhalb der Senatsverwaltung für Justiz für Strafrecht und Strafprozessrecht zuständig sei, verzichten. Zorn werde als »ausgezeichneter Kenner der Ost-West-Materie« bezeichnet und sei bereit, ins Bundesministerium der Justiz zu kommen. Der Personalreferent hatte mit seinem Gesprächspartner in Berlin vereinbart, sich die Personalakten Zorns schicken zu lassen und dann auf dieser Grundlage mitzuteilen, ob der Vorschlag genehm wäre. Strauß, dem Winners den Vermerk zur Kenntnisnahme vorlegen ließ, zeichnete gegen und erklärte sich auf diese Weise einverstanden mit dem Vorgehen. Das Studium der Personalakten über Albrecht Zorn erbrachte offenbar keine Bedenken. Im Gegenteil: Die in den Akten enthaltenen Beurteilungen des Beamten ließen auf eine wertvolle Kraft für das Bonner Justizministerium schließen. Denn ab dem 1. Oktober 1952 wurde er von der Senatsverwaltung für Justiz an das BMJ abgeordnet und dem Ost-West-Referat zugeteilt.530 Bereits zwei Monate später fiel die Entscheidung, in Berlin um eine Verlängerung der Abordnung auf unbestimmte Zeit nachzusuchen. Im darauffolgenden Jahr wurde Zorn zum Oberregierungsrat beim BMJ ernannt und in den Dienst des Bundes übernommen. Dem Ministerium blieb er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1979 erhalten. Dass mit Nüse und Zorn zwei Beamte, die die Berliner Verhältnisse aus eigener Anschauung kannten, im Bundesjustizministerium das mit den einschlägigen Ost-West-Fragen befasste Referat über einen Gesamtzeitraum von fast dreißig Jahren nacheinander leiteten, ist kein Zufall gewesen, sondern entsprang dem planmäßigen Vorgehen der Hausleitung. Auch wenn weder Nüse noch Zorn in Berlin geboren worden waren, so war ihre Rekrutierung ein Ausdruck des Bemühens, die landsmannschaftliche Prägung der Beamten für die Zwecke des Ministeriums dienstbar zu machen.

3.3 Parteipolitische Bindungen Mit einem Abstand von rund 15 Jahren zu seiner Zeit als Staatssekretär im BMJ betonte Walter Strauß, bei der Auswahl von Beamten hätten damals – entgegen anderslautenden Vermutungen  – parteipolitische Gesichtspunkte keine Rolle gespielt.531 Leitlinie für die Personalpolitik der Staatssekretäre sei der Satz aus Artikel 130 der Weimarer Reichsverfassung gewesen: »Die Beamten sind Diener 529 Vermerk von Winners v. 14.8.1952, in: BMJ, Generalakten, Az. 220 BJM – 13/1952. 530 Vermerk von Winners v. 27.9.1952 zum Umlauf bei den Abteilungen I bis IV und Z, in: BMJ -Personalakte Albrecht Zorn (P 11 – Z 8), Bd. 1, Bl. 4. 531 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280.

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der Gesamtheit, nicht einer Partei.« Entsprechend sei nach der derzeitigen Zugehörigkeit eines Beamten zu einer Partei nicht gefragt worden, wenngleich man es bisweilen von außerhalb erfahren habe. In der Tat enthalten die Personalakten von Beamten des höheren Dienstes im BMJ keinen Hinweis darauf, dass die Parteizugehörigkeit jemals abgefragt wurde. Die Behauptung von Strauß, seine eigene Partei, die CDU, sei niemals bei ihm vorstellig geworden, erscheint dagegen wenig glaubhaft. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Strauß als stellvertretender Direktor der Verwaltung für Wirtschaft von der hessischen CDU eine Bewerberliste erhalten und diese zurückgewiesen hatte. Ferner wurde auf die Empfehlung des christdemokratischen Bundestagsabgeordneten Bausch für Alfons Wahl hingewiesen. Dass parteipolitische Erwägungen bei der Auswahl der Beamten für das Bundesjustizministerium laut Strauß keine Rolle gespielt haben, bedeutet jedoch nicht, dass der Staatssekretär eine politische Betätigung seiner Beamten grundsätzlich ablehnte – im Gegenteil. Schon im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rats hatte Strauß betont, »wir sollten uns in den Ländern und im künftigen Bund von den Beamten und namentlich von den jungen Beamten geradezu ein brennendes Interesse an der Politik und eine politische Betätigung wünschen.«532 In der parlamentarischen Demokratie seien die Parteien der geeignete Ort dafür. Insofern plädierte Strauß für eine aktive Mitwirkung von Beamten im Parteiwesen und begründete diese Position mit den Lehren aus der Vergangenheit: »Es könnte sonst leicht, zumal wir ohnedies mit Krisen in künftigen Jahren rechnen müssen, wiederum die Gefahr auftreten, daß eine politisch desorientierte Beamtenschaft aus Unkenntnis und Ungewißheit wieder auf den falschen Pfad gerät oder wieder neuen Richtungen anheimfällt, die zuerst nicht zu durchschauen sind und die, wenn sie sich erst einmal legal oder illegal durchgesetzt haben, nicht mehr beseitigt werden können.«533 So gesehen erschien ein politisches Engagement der Beamtenschaft gleichsam als zwingende Notwendigkeit für den Bestand der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Allerdings warnte Strauß im selben Atemzug davor, die Berufung ins Beamtenverhältnis, die Zuweisung von Arbeitsplätzen und die Beförderungen von der etwaigen parteipolitischen Zugehörigkeit des betreffenden Beamten bzw. dessen Minister oder sonstigem Behördenleiter abhängig zu machen.534 Hier gelte es, die Versäumnisse der Vergangenheit – besonders auf Länderebene – hinter sich zu lassen. Das Prinzip für die Zukunft müsse daher für jede Partei, die zur Verantwortung gerufen werde, sein, dass sie »auf ein sauberes, unabhängiges Beamtentum hält, das nicht auf Parteien schielt, die sie etwa einstellen und befördern, falls diese Parteien zur Verantwortung« kämen.535 Die Aufgabe von Bundestag und Bundesregierung

532 Zur Frage der Wählbarkeit von Beamten, in: IfZArch, ED 94, Bd. 369, Bl. 159. 533 Ebd., Bl. 160. 534 Ebd. 535 Ebd., Bl. 161.

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sowie der Länder werde es sein, so Strauß im Februar 1949, diese »Neutralisierung der Personalpolitik« sicherzustellen.536 In der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland unternahm die CDU, der auch Walter Strauß angehörte, den Versuch, die Personalpolitik der zu errichtenden Bundesministerien zu beeinflussen. In einer Sitzung der vereinigten Beamtenausschüsse der CDU / C SU am 18. Juli 1949 in Königswinter war man sich über die Notwendigkeit einig, eine Personalleitstelle bei der Zentralverwaltung der CDU zu errichten.537 Im Nachgang der Sitzung wandte sich der stellvertretende Vorsitzende der vereinigten Beamtenausschüsse, Oberregierungsrat Hesse, an Hans Globke und bat ihn einerseits um Vorschläge, welche Stellungen in den künftigen Bundesministerien »als besonders wichtig« anzusehen seien, die mit »unbedingt zuverlässigen und fähigen Beamten« besetzt sein müssen, andererseits um konkrete Vorschläge für die Besetzung dieser Stellen.538 Als Voraussetzungen nannte Hesse explizit, dass die Beamten in politischer Hinsicht absolut zuverlässig und bei der Entnazifizierung in Gruppe V eingestuft sein müssten. Eine Antwort Globkes ist zwar nicht überliefert, doch die geschilderte Episode zeigt, dass es Versuche der Parteien, Einfluss auf die personelle Besetzung der Bundesministerien zu gewinnen, sogar schon im Vorfeld der Konstituierung der Bundesorgane gab. Inwiefern die Überlegungen von Strauß aus dem Parlamentarischen Rat aufgingen und wie sich parteipolitische Fragen in der Personalpolitik des BMJ während der Gründungsphase des Ministeriums niederschlugen, soll anhand zweier Bespiele verdeutlicht werden. a)

Dr. Ernst Kanter

In einem Brief an den Staatssekretär im BMJ kritisierte der SPD -Abgeordnete Dr. Adolf Arndt kurz vor Jahresende 1951 die Ernennung Ernst Kanters zum Ministerialrat.539 Bemerkenswerterweise ging es darin gar nicht so sehr um die gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe, sondern eher darum, dass Strauß gegenüber Arndt in Aussicht gestellt hatte, mit der sozialdemokratischen Fraktion in Kontakt zu treten, »sobald die Berufung eines Beamten zum Ministerialrat oder in eine höhere Stelle des Bundesjustizministeriums beabsichtigt« werde.540 In diesem Zusammenhang erwähnte Arndt, dass er seinerzeit von seiner Fraktion als Verbindungsmann zum BMJ bestimmt worden sei. Nun aber, bei der Ernennung Kanters, sei Strauß anders als vorher angekündigt nicht mit ihm in 536 Ebd. 537 Niederschrift über die Sitzung der vereinigten Beamtenausschüsse der CDU / C SU am 18.7.1949 in Königswinter, v. 27.7.1949, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-003/5. 538 Hesse an Globke v. 17.8.1949 (streng vertraulich), in: Ebd. 539 Arndt an Strauß v. 27.12.1951, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 2. Vgl. auch die Darstellung bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 143 f. 540 Arndt an Strauß v. 27.12.1951, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 2.

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Verbindung getreten, was durchaus als Vorwurf zu verstehen war. Dass Staatssekretär Strauß von der CDU dem SPD -Abgeordneten Arndt gegenüber eine Fühlungnahme in Aussicht stellte, lässt sich anhand schriftlicher Zeugnisse zwar nicht belegen, erscheint aber als schlüssig, zumal Strauß in Beamtenfragen bekanntlich großen Wert auf eine überparteiliche Zusammenarbeit legte. Umgekehrt galt das auch für Arndt, wie sich Strauß später erinnerte: Dem Sozialdemokraten verdanke er »mehrere sehr wertvolle Empfehlungen« von Beamten, die nicht seiner Partei, der SPD, angehört hätten.541 Der Brief an Strauß enthielt aber noch einen weiteren interessanten Aspekt. So betonte Arndt, für ihn sei es stets »von ganz besonderer Bedeutung« gewesen, die Besetzung des Bundesjustizministeriums mit »politisch einwandfreien und fachlich hervorragenden Persönlichkeiten« vor der Öffentlichkeit vertreten zu können, auch wenn sich »unter Verletzung des Grundgesetzes« unter diesen leitenden Beamten keine Sozialdemokraten befänden.542 Auf welche Bestimmung des Grundgesetzes sich Arndt hier bezog, ist fraglich. Denkbar wäre Artikel 33 Absatz 2, in welchem es heißt, dass jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte habe. Zu der Frage, wie hoch der Anteil an Sozialdemokraten im BMJ allgemein war, machte Arndt keine Angaben. Strauß allerdings bemerkte rückblickend, in den Bundesministerien seien nicht wenige Angehörige der SPD vertreten gewesen, zumal die in die Ministerien überführten Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets meist aus Zentralstellen der britischen Zone hervorgegangen seien, bei denen die Sozialdemokratie einen gewissen Einfluss ausgeübt habe.543 Sodann berichtete Arndt in seinem Schreiben an Strauß von einem Senatspräsidenten am Bundesgerichtshof namens Karl Canter, der in der Zeit, als er Ministerialdirektor im Hessischen Justizministerium war, wiederholt sich um den Nachweis bemüht habe, »nicht mit dem früheren Kriegsrichter Dr. Kanter identisch zu sein, gegen den wegen seines Verhaltens unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von verschiedenen Seiten schwere Vorwürfe erhoben« worden seien.544 Zugleich gab Arndt zu erkennen, dass er nicht wisse, inwiefern jene Vorwürfe zuträfen und ob Ministerialrat Kanter im BMJ überhaupt identisch mit dem früheren Kriegsrichter sei. In jedem Fall beunruhige ihn die Ernennung Kanters außerordentlich. Abschließend – und das lässt aufmerken – bat er um Einsichtnahme in die Personalakten über Kanter sowie in diejenigen über den Oberregierungsrat Dr. Grützner. Doch die erbetene Einsichtnahme wurde Arndt vonseiten des Bundesjustizministeriums verweigert. Die Tatsache, dass er keine Einsicht in die Personalakten Kanters gewährt bekommen habe, der 541 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280 f. 542 Arndt an Strauß v. 27.12.1951, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 2. 543 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280. 544 Arndt an Strauß v. 27.12.1951, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 2.

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nordrhein-westfälische Justizminister Amelunxen dagegen schon, hielt Arndt verfassungsrechtlich für bedenklich, zumal nach dem Grundgesetz der Bundestag zur Kontrolle der Bundesverwaltung berufen sei. Die Bestrebungen Arndts hatten Staatssekretär Strauß dazu veranlasst, die Frage der Einsicht in Personalakten durch Dritte intern klären zu lassen. Einem von Personalreferent Winners verfassten Vermerk ist die Ansicht zu entnehmen, dass die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament dem einzelnen Abgeordneten nicht das Recht auf Einsichtnahme einräume.545 Vielmehr könne nur einem vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss die Einsicht in Personalakten gewährt werden. Eine Sonderbehandlung Arndts war damit nicht zu vereinbaren. b)

Dr. Rudolf Fleischmann

Der seit 1953 in der zivilrechtlichen Abteilung des BMJ tätige Beamte Rudolf Fleischmann, dessen Einberufung an anderer Stelle noch einmal gesondert thematisiert wird,546 gab in einem selbstgeschriebenen Lebenslauf an, er habe sich »[s]ofort nach dem Zusammenbruch« der CDU angeschlossen und in deren Organisation »verschiedene Funktionen« ausgeübt.547 Diese Selbstauskunft ist äußerst ungewöhnlich; ähnliche Fälle im höheren Dienst des BMJ gab es kaum.548 Interessant erscheint nicht zuletzt der Zusammenhang, in dem Fleischmann sein Engagement für die Christdemokratische Union anführte. Direkt davor schrieb er nämlich: »Der NSDAP habe ich, wie die meisten meiner Kollegen aus dem Richterstande, als nominelles Mitglied angehört.«549 Damit gab Fleischmann zu verstehen, dass er der nationalsozialistischen Partei nicht aus Überzeugung beigetreten sei. Sein Engagement bei den Christdemokraten lässst sich dahingegen als Ausweis demokratischer Gesinnung lesen. Allerdings waren die Angaben Fleischmanns unvollständig. Oder deutlicher gesagt: Er hatte diejenigen Aspekte seiner NS -Vergangenheit verschwiegen, die ihn als mehr denn nur als nominelles Mitglied der NSDAP erscheinen lassen, angefangen vom recht frühzeitigen Beitritt im Mai 1933 über seine Tätigkeit dort als Blockhelfer und Beisitzer im Kreisgericht der Partei im märkischen Lebus bis hin zu seinem Wirken als Kreisabschnittsführer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes. »Verschiedene Funktionen« in einer Partei hatte er also bereits vor 1945 ausgeübt.

545 Vermerk von Winners v. 4.3.1952, in: Ebd., Bl. 19. 546 Siehe den unter I.3 folgenden Abschnitt »Über mancherlei Wege ins BMJ: Bewerbungen, Empfehlungen, Netzwerke«. 547 Lebenslauf von Dr. Rudolf Fleischmann o. D., in: BMJ -Personalakte Rudolf Fleischmann (P 11 – F 15), Bd. 1, Bl. 1. 548 Eine zweite Ausnahme bildete Josef Schafheutle. Siehe dazu den unter I.3 folgenden Abschnitt »Der Aufstieg von Dr. Josef Schafheutle zum Leiter der Strafrechtsabteilung«. 549 Lebenslauf von Dr. Rudolf Fleischmann o. D., in: BMJ -Personalakte Rudolf Fleischmann (P 11 – F 15), Bd. 1, Bl. 1.

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Dass Fleischmann, als er ins BMJ berufen wurde, derselben Partei angehörte wie Staatssekretär Strauß, könnte Anlass zu der Vermutung geben, es habe sich um eine Art Klüngelei gehandelt. Wie noch zu zeigen sein wird, ist das jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Einer Übersicht über die Mitglieder der CDU / C SU im Bundesministerium der Justiz aus dem Jahre 1966 ist zu entnehmen, dass Fleischmann auch zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der christdemokratischen Partei war.550 Unter den Unionsleuten auf der Rosenburg befand sich auch der Ministerialrat Alfons Wahl, von dem bereits in einem anderen Zusammenhang die Rede war.

3.4 Die Frage der Konfession Anders als heute besaß die Zugehörigkeit zu einer Konfession in den fünfziger Jahren noch eine erhebliche Bedeutung für die Personalpolitik der Bundesministerien. Dabei war die Frage der Konfession kaum zu trennen von der Frage der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit. Mit dem anfänglichen Übergewicht norddeutscher Beamter in der Bundesverwaltung ging auch eine deutliche Dominanz des evangelischen Anteils einher. Die so unterschiedliche Verteilung der Konfessionen in Deutschland hatte – und das gilt bis heute – historische Gründe. Was das Führungspersonal der Rosenburg in den Jahren des Aufbaus angeht, war die konfessionelle Parität gewahrt: Minister Dehler stammte aus einer katholischen Familie, Staatssekretär Strauß war evangelischer Christ. Gemeinsam mit Prälat Dr. Kunst – wahrscheinlich handelte es sich hierbei um Hermann Kunst, der seit 1950 der erste Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung war – leitete Strauß seit etwa 1951 sogar einen evangelischen Arbeitskreis für die Bonner Bundesbeamten, der an zwei bis drei Samstagen im Jahr auf der Rosenburg tagte.551 Außerdem engagierte sich der Staatssekretär im Evangelischen Arbeitskreis seiner Partei.552 Auf Ebene der Abteilungsleiter sah es ganz ähnlich aus, was die konfessionelle Parität betrifft: Während Rotberg und Roemer der katholischen Konfession angehörten, bekannten sich Petersen und Joël zum protestantischen Glauben. Ein anderes Bild bot sich, wenn die übrigen Beamten des höheren Dienstes mit einbezogen wurden. Dann war das Übergewicht des evangelischen Anteils nicht zu übersehen. In der Aufbauzeit der Ministerien ab 1949 sei die Konfessionsfrage in sehr unfairer Weise hochgespielt worden, so Walter Strauß im Rückblick.553 Nach einer besonders scharfen Attacke des evangelischen Kirchenpräsidenten Martin 550 Der Bundesminister für Familie und Jugend Dr. Bruno Heck an Staatssekretär a. D. Globke v. 21.6.1966, Anlage, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-007/1. 551 Strauß an Prof. Dr. Franz Böhm v. 6.5.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 209, Bl. 38. 552 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 325 f. 553 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 281.

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Niemöller – dieser hatte vom »katholischen Bonn« gesprochen – habe das Innenministerium – an anderer Stelle nannte Strauß den Kanzler als Initiator554 – eine vertrauliche Anfrage an die Staatssekretäre gerichtet, wie das Verhältnis bei den Beamten des höheren Dienstes aussehe. Im Ergebnis habe der protestantische Anteil derart überwogen, dass »ich mit Staatssekretär Ritter von Lex darin einig war, Bedacht auf die Gewinnung geeigneter katholischer Bewerber zu nehmen.«555 Im Laufe der Zeit seien diese Angriffe aber bedeutungslos geworden und endlich verstummt. In der Tat sprachen die Zahlen für sich: Während zu Beginn des Jahres 1950 in allen Bundesministerien und im Kanzleramt insgesamt 257 Beamte ihren Dienst versahen, die katholischer Konfession waren, so standen ihnen 682 evangelische Beamte gegenüber.556 Ganz ähnlich sahen die Kennziffern für das BMJ aus. Hier lag das Verhältnis zwischen katholischen und protestantischen Beamten (und Angestellten) je nach Besoldungsgruppe bei elf zu 23 bzw. sogar bei vier zu 23.557 Hans Globke, der die Aufstellung über die konfessionelle Zusammensetzung der Ministerien an den Bundesinnenminister übermittelte, bat Gustav Heinemann ausdrücklich um vertrauliche Behandlung, »damit eine Beunruhigung der katholischen Bevölkerung vermieden« werde; der Bundeskanzler wolle die Sache in einer der nächsten Kabinettssitzungen besprechen.558 Nur wenige Jahre später schien sich die Lage gewandelt zu haben. Im Evange­ lischen Arbeitskreis der CDU / C SU (EAK) wurde bei einer Tagung des Geschäftsführenden Ausschusses am 29. September 1952 in Bonn registriert, dass seit 1951 eine »eindeutige Katholisierung leitender Stellen« im Gange sei.559 Derjenige, der das in den Raum stellte, war niemand anderes als Walter Strauß. Weiter machte der Staatssekretär des BMJ darauf aufmerksam, dass eindeutig ein Bestreben vorhanden sei, Schlüsselstellungen und leitende Stellen mit katholischen Anwärtern zu besetzen. Etwas relativierend fügte er an: »Das wird dadurch erleichtert, daß sich auf katholischer Seite viel mehr geeignete Leute finden, die nicht der NSDAP angehört haben, als auf evangelischer.« Diese Äußerung ist nicht zu verstehen, ohne sich die Richtlinie des Bundeskabinetts in Erinnerung zu rufen, der zufolge die leitenden Positionen in den Ministerien nicht oder doch nur unter ganz bestimmten Bedingungen, also ausnahmsweise, mit ehemaligen 554 Kurzprotokoll der Tagung des Geschäftsführenden Ausschusses des EAK der CDU v. 29.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 264, Bl. 16. 555 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 281. 556 Anlage zum Schreiben von Globke an Bundesinnenminister Heinemann v. 31.1.1950 (vertraulich), in: AdsD, NL Gustav Heinemann, Allgemeine Korrespondenz, Nr. 23. 557 Ebd. Die erste Angabe bezieht sich auf die Beamten der Besoldungsgruppe von A2c2 bzw. TO. A.III aufwärts, die zweite Angabe auf diejenigen im Bereich von A4c2 bis A2d bzw. TO. A.VI bis IV. 558 Ebd. 559 Kurzprotokoll der Tagung des Geschäftsführenden Ausschusses des EAK der CDU v. 29.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 264, Bl. 16.

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Parteigenossen zu besetzen seien. Eine wesentliche Rolle bei der Katholisierung leitender Stellungen, so Strauß im EAK , spielten die katholischen Akademikerverbände, die eine ganze Reihe von Personalsachbearbeiterstellen besetzt hätten und damit nun ein größeres Gewicht besäßen als die bedeutenden Korps in vergangenen Zeiten. Diese Einschätzung deckt sich mit einer rückblickenden Aussage von Strauß aus dem Jahre 1976, als er notierte, anfangs hätten sich auch konfessionelle Studentenverbände um Einfluss bemüht.560 Eine Patentlösung, mithilfe derer der Katholisierung beizukommen wäre, hatte Strauß Anfang der fünfziger Jahre allerdings auch nicht parat. Vielmehr gestand er ein: »Wenn wir nicht in der Lage sind, für leitende Stellen geeignete Leute zu benennen – und das ist außerordentlich schwierig, denn es müssen hochqualifizierte Ministerialbeamte sein – gibt es keinen Weg zu einer Änderung.«561 Diese Äußerung macht wiederum deutlich, dass Strauß den fachlichen Qualitäten der Beamten höheren Wert beimaß als anderen Kriterien der Personalpolitik, in diesem Fall der Konfessionszugehörigkeit. Wie noch zu zeigen sein wird, änderte die »energische Katholisierung leitender Stellen« nichts Wesentliches am Übergewicht der Beamten evangelischen Bekenntnisses im BMJ.562

3.5 Sparsame Stellenpolitik und Beförderungen Im Rückblick machte Walter Strauß ausdrücklich geltend, dass notwendige Stellenhebungen und Stellenvermehrungen während seiner Amtszeit als Staatssekretär mit großer Sorgfalt geprüft worden seien.563 Eine besondere Rolle schrieb er dabei Bundesfinanzminister Fritz Schäffer zu, der dieses Amt von 1949 bis 1957 ausgeübt hatte und anschließend selbst zum Bundesminister der Justiz ernannt worden war. Als Finanzminister habe Schäffer sich vorbehalten, jeden einzelnen Antrag auf Stellenhebung und Stellenvermehrung mit dem zuständigen Minister und bzw. oder dessen Staatssekretär zu erörtern. Dabei sei es, so Strauß aus eigener Erfahrung, des Öfteren zu »harten und langwierigen Auseinandersetzungen« gekommen.564 Als Beispiel nannte Strauß einen 25-minütigen Disput mit Schäffer über die Einstufung des Maschinenmeisters des Bundesgerichtshofs – »das ging zu weit«.565 Im selben Atemzug bescheinigte er Schäffer allerdings auch eine äußerst erfolgreiche Haushaltspolitik, die sich erzieherisch auf die Bundesministerien ausgewirkt habe. 560 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 280. 561 Kurzprotokoll der Tagung des Geschäftsführenden Ausschusses des EAK der CDU v. 29.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 264, Bl. 16. 562 Siehe den unter II .3 folgenden Abschnitt »Zur Verteilung der Konfessionen«. 563 Strauß, Die Personalpolitik der Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 281. 564 Ebd. 565 Ebd., S. 282.

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Für sich selbst nahm Strauß zumindest indirekt eine sparsame Stellenpolitik in Anspruch, wenn er unter Verweis auf eine Statistik über den Personalbestand einiger Ministerien in den Jahren 1951, 1962 und 1975 mit spitzer Feder anmerkte: »Das außerordentliche Ansteigen der Stellenvermehrungen von 1962 auf 1975 und die damit bewirkte Belastung des Bundeshaushalts zu bewerten, bleibt dem Urteil des Lesers überlassen.«566 Das Jahr 1950 bezeichnete Strauß interessanterweise als »ein Jahr der Einrichtung und des Übergangs«.567 Die Zahlenentwicklung zwischen 1951 und 1962, bei der ebenfalls ein Anstieg, wenngleich ein geringerer als später, zu verzeichnen ist, bewertete Strauß rückblickend als Ergebnis der »Zunahme des Arbeitsbereichs« in den Ministerien.568 Während 1951 nur 76 Beamte und noch einmal 24 beamtete Hilfskräfte im BMJ wirkten,569 waren es elf Jahre später bereits 137 Beamte und 35 Hilfskräfte. Die Gesamtzahl der im Justizministerium tätigen Beamten und beamteten Hilfskräfte stieg in jenem Zeitraum also von 100 auf 172 an. Im Jahr 1975 waren es dann schon 365 Beamte und 32 beamtete Hilfskräfte, zusammengenommen also 397 Personen mit Beamtenstatus im BMJ, und damit mehr als doppelt so viele wie 1962. Im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik hatte der Rechnungshof des Vereinigten Wirtschaftsgebiets bereits Anfang Mai 1949 intern Vorschläge zur Gliederung der Bundesministerien ausgearbeitet.570 Mit Blick auf das einzurichtende Ministerium der Justiz wurde von einer Gesamtpersonalstärke von etwa achtzig Kräften ausgegangen. Im Wesentlichen werde die »bewährte Organi­ sation« des derzeitigen Zentraljustizamts der britischen Zone übernommen werden können, die ihrerseits der früheren Gliederung des Reichsjustizministeriums vor 1933 entspreche. Einschränkend wurde hinzugefügt, die Referate seien jedoch »nach dem Grundsatz möglichst straffer Zusammenfassung« zahlenmäßig etwas geringer. Wie dem Gliederungsschema zu entnehmen ist, sah der Entwurf des Rechnungshofs neben der vom Staatssekretär geleiteten Zentralabteilung lediglich drei Fachabteilungen vor: eine für Bürgerliches Recht, eine für Strafrecht sowie eine für Handels-, Verkehrs- und anderes Recht. Während die beiden erstgenannten Abteilungen von einem Ministerialdirektor zu leiten seien, werde letztere Abteilung von einem Ministerialdirigenten angeführt. Mit einer Gesamtzahl von nur 16 Referaten – davon allein fünf in der Zentralabteilung – blieb der Vorschlag weit hinter den später tatsächlich erreichten Kennziffern zurück.

566 Ebd. 567 Ebd., S. 281. 568 Ebd., S. 282. 569 In einer Klammerbemerkung kennzeichnete Strauß die beamteten Hilfskräfte als abgeordnete Landesbeamte und Beamte im Ausbildungsdienst, »entsprechend dem Vorbild der Reichsministerien«. Siehe ebd., S. 281. 570 Denkschrift des Präsidenten des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet v. 3.5.1949 (Nur für den Dienstgebrauch), Vorschläge zur Gliederung der Bundesministerien, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-003/5.

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Im Haushaltsvoranschlag für das Rechnungsjahr 1949, das vom 21. September 1949 bis zum 31. März 1950 währte, bezifferte das BMJ seine »Persönliche[n] Verwaltungsausgaben« – sprich Personalkosten – auf 503.700  DM , den Personal­ bestand in Titel 1 (Besoldungen) auf 67 Personen und insgesamt, also mit Angestellten und Arbeitern, auf 139 Personen.571 Erläuternd hieß es zu den Persönlichen Verwaltungsausgaben, die Veranschlagung sei auf Grundlage des Stellenplans erfolgt, wobei berücksichtigt worden sei, dass »im Verlaufe des Aufbaues« eine Reihe von Stellen »für einige Zeit« offenstehen würden.572 Das Patentamt sei deshalb nicht mit einbezogen worden in den Voranschlag, weil dessen Mittel noch über den Haushalt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets laufen würden. Grundsätzlich, so ist es im Vorwort nachzulesen, bearbeite das Bundesjustizministerium auch die »Personal- und Verwaltungsangelegenheiten des Bundesverfassungsgerichts, des Obersten Bundesgerichts, des Oberen Bundesgerichts für das Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und des Bundespatentamtes.«573 Eine Hauptaufgabe des BMJ bestehe in der Überprüfung der Gesetz- und Verordnungsentwürfe der anderen Bundesministerien auf Einhaltung der Rechts- und Verfassungsmäßigkeit und auf eine einheitliche Gesetzessprache. Im Ganzen seien die Aufgaben des Justizministeriums ihrer Art nach, »wenn auch mit wesentlich vermehrtem Umfang«, dieselben wie die des Reichsjustizministeriums vor 1933. Beim Aufbau des BMJ könne insofern auf ein »bewährtes Vorbild« zurückgegriffen werden.574 Die beabsichtigte Gliederung des Ministeriums, das anders als nach 1934 kein Verwaltungsministerium sei, entspreche zudem fast vollständig den Vorschlägen des Berichts des Organisationsausschusses der Ministerpräsidenten der drei westlichen Besatzungszonen vom 10. August 1949. Demnach seien ein Verwaltungsreferat und vier Abteilungen vorgesehen. Obwohl sich Strauß noch im August 1949 gegen die Einrichtung von Verwaltungsabteilungen in den Bundesministerien ausgesprochen hatte,575 ist es bekanntlich nicht bei dem Verwaltungsreferat im BMJ geblieben. An dessen Stelle trat die für Personal-, Organisations- und sonstige Verwaltungsangelegenheiten zuständige Abteilung Z. Die vier Fachabteilungen dagegen wurden so eingerichtet, wie es der Voranschlag vorgesehen hatte. Vor Errichtung des Bundesjustizministeriums war es Günther Joël, der stellvertretende Leiter des Rechtsamts, der seinem Vorgesetzten Strauß  – wohl in dessen Auftrag  – Vorschläge für die Organisation des Ministeriums vorlegte. Ein erster, allerdings undatierter Vorschlag von Joël stammt wahrscheinlich aus dem Spätsommer des Jahres 1949.576 In einem späteren Vermerk für Strauß vom 571 Haushaltsvoranschlag des Bundesministeriums der Justiz für das Rechnungsjahr 1949, Einzelplan VII , in: BArch B 141/4908, Bl. 44–46, hier Bl. 46. 572 Ebd. 573 Ebd., Bl. 45. 574 Ebd. 575 Siehe S. 20. 576 Günther Joël an Strauß, Vorschlag für die Organisation des Bundesjustizministeriums, o. D., in: IfZArch, ED 94, Bd. 151, Bl. 2–7.

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10. September bezog sich Joël nämlich auf seinen ersten Vorschlag.577 Letzterer enthielt schon die vier dann eingerichteten Fachabteilungen, aber noch nicht die Zentralabteilung. Stattdessen ordnete Joël dem Staatssekretär fünf verschiedene Arbeitsgebiete zu, darunter eines für Verwaltung, Haushalt und Personalien. Die Abteilung I untergliederte der stellvertretende Leiter des Rechtsamts sogar in zwei Unterabteilungen – eine für Bürgerliches Recht und Nebengebiete sowie Arbeitsund Sozialrecht, die andere für Gerichtsverfassung und gerichtliches Verfahren. Tatsächlich wurden zunächst keine Unterabteilungen im BMJ gebildet. Erst 1953 änderte sich das. Interessant an den Vorschlägen Joëls erscheinen nicht zuletzt die Vorbemerkungen. Darin bekräftigte der Beamte, ein Überblick über den Umfang der Aufgaben des Bundesjustizministeriums und über die Notwendigkeit, Spezialkenner für die einzelnen Teilgebiete zu rekrutieren, könne nur dadurch gewonnen werden, dass man sich das sachliche Spezialisierungsbedürfnis vor Augen führe. Das Ziel sei es also nicht, jeweils ein Referat auf einen Referatsleiter oder Referenten zuzuschneiden. Vielmehr sei es – insbesondere solange sich »der Umfang des Arbeitsanfalls« noch nicht überblicken lasse – durchaus möglich, dass mehrere Sachgebiete, auch aus verschiedenen Abteilungen, demselben Sachbearbeiter übertragen würden. Eine abschließende Beurteilung des Umfangs der Aufgaben des Ministeriums dürfte wohl erst »nach Ablauf von einigen Monaten nach der Errichtung« möglich sein.578 Die von Joël skizzierte Herangehensweise hatte auch Konsequenzen für die Personalpolitik im BMJ. Der durchaus denkbare Weg, die Beamten und Angestellten des Rechtsamts, des Zentraljustizamts und weiterer zonaler Einrichtungen geschlossen im zu gründenden Bundesjustizministerium unterzubringen und ihnen dort Aufgaben zuzuweisen, wurde nicht beschritten. Entscheidendes Gewicht legte Joël vielmehr auf die sachlichen Notwendigkeiten. Ihnen nachgeordnet waren alle Bemühungen, die sich auf die Gewinnung geeigneter Personen richteten. Dass Joël in diesem Zusammenhang von »Spezialkennern« sprach, steht symbolisch für den hohen Anspruch, der an das künftige Personal gestellt werden würde. Was Joël ebenso anklingen ließ: Der personelle Aufbau des Ministeriums werde einige Zeit in Anspruch nehmen. Unter dem 10. September 1949 nannte Joël seinem Chef erstmals konkrete Zahlen, was die Stellen betraf.579 Allerdings habe er den Bedarf »zunächst noch ohne Fühlungnahme mit den Referatsleitern« – gemeint sind hier die im Rechtsamt tätigen Referatsleiter – geprüft.580 Um die im bereits vorliegenden Organisationsplan vorgesehenen Aufgaben wahrzunehmen, seien aus seiner Sicht voraussichtlich drei Ministerialdirektoren, ein Ministerialdirigent, 17 Ministerialräte, 16 Oberregierungsräte, elf Regierungsräte und vorläufig zwei Amtsräte nötig. 577 Vermerk von Joël für Strauß v. 10.9.1949, in: Ebd., Bl. 8–14. 578 Günther Joël an Strauß, Vorschlag für die Organisation des Bundesjustizministeriums, o. D., in: Ebd., Bl. 2. 579 Vermerk von Joël für Strauß v. 10.9.1949, in: Ebd., Bl. 8–14. 580 Ebd., Bl. 8.

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Zusammengenommen macht das fünfzig Beamte. Auffällig ist, dass sich kein einziger Regierungsdirektor unter den Genannten befindet. Diese Rangstufe wurde folglich abgelehnt oder für nicht notwendig befunden.581 Hinsichtlich der beiden höchsten Ränge betonte Joël, er sei davon ausgegangen, dass dem BMJ drei Stellen für Ministerialdirektoren und eine für Ministerialdirigenten zur Verfügung stünden; welche der vier Abteilungen von einem Dirigenten geleitet werden solle, werde erst später entschieden werden können. Die Feststellung der Zahl derjenigen Beamten, die nicht dem höheren Dienst angehören, bleibe noch vorbehalten. Darüber hinaus müsse in Ergänzung des Stellenplanes in Betracht gezogen werden, dass die Landesjustizverwaltungen dem Ministerium Hilfsarbeiter in der Rangstufe vom Oberlandesgerichtsrat und Oberstaatsanwalt bis zum Gerichtsassessor zur Verfügung stellen. Die Anzahl der Hilfsarbeiter werde sich grundsätzlich nach dem Umfang der zu leistenden Aufgaben bestimmen. Am 12. September 1949 fand eine Besprechung über die Organisation des zu errichtenden Bundesjustizministeriums statt. Im Nachgang reichte Joël eine überarbeitete Version seiner Vorschläge bei Strauß ein.582 Die Gesamtzahl inklusive fünf Amtsräten lag nun bei nur noch vierzig Personen. Aus den Landesjustizverwaltungen sollten noch einmal 17 Hilfsarbeiter hinzukommen, wie eine handschriftliche Ergänzung erkennen lässt. Das Stammpersonal des Ministeriums wurde also bedeutend reduziert, während sich die Zahl der Mitarbeiter insgesamt erhöhte. Das kann durchaus als Ausdruck einer sparsamen Stellenpolitik gewertet werden. Im Organisationsplan selbst waren nun erstmals die unterschiedlichen Arbeitsgebiete mit der Anzahl und dem Rang der dafür vorgesehenen Mitarbeiter verknüpft und aufgeführt. Im Ganzen umfasste der Vorschlag 23 Arbeitsgebiete, die teilweise ihrerseits in mehrere Unterarbeitsgebiete gegliedert waren. Die einzige Ministerialdirigentenstelle war nun dem Leiter der Abteilung IV zugeordnet. Einige Monate später war es jedoch mit Hans Eberhard Rotberg der Abteilungsleiter II , der nicht zum Ministerialdirektor, sondern nur zum Dirigenten ernannt wurde. Einen Geschäftsverteilungsplan für 1949 sucht man in den überlieferten Unterlagen des BMJ vergeblich. Das erste bekannte Organigramm datiert vom 10. August 1950 und ist als Hausverfügung Nr. 31 überliefert.583 Eine gewisse Freiheit für die Abteilungsleiter wird darin sichtbar, wenn es hieß: »Es bleibt den Herrn [sic!] Abteilungsleitern vorbehalten, die Mitarbeiter der Referate ihrer Abteilung auch für die Bearbeitung einzelner Vorgänge oder Aufgaben anderer Referate ihrer Abteilung einzusetzen, wenn die Geschäftslage es erfordert.«584 581 Zur Ablehnung des Regierungsdirektors durch Strauß siehe S. 20 u. 99 m. Anm. 363. 582 Joël an Strauß, Vorschlag für die Organisation des Bundesjustizministeriums, v. 13.9.1949, in: Ebd. 583 Der BMdJ, Hausverfügung Nr. 31 v. 10.8.1950, gez. Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 152, Bl. 2–8. 584 Ebd., Bl. 2.

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Im Unterschied zu den Entwürfen Joëls enthielt der Geschäftsverteilungsplan die Namen der Stelleninhaber. Nun war auch von der Zentralabteilung die Rede. Bemerkenswerterweise wurde für alle Abteilungsleiter ein Stellvertreter vermerkt: Brandl für Dr. Strauß als Abteilungsleiter Z, Dr. Bülow für Dr. Petersen (Abteilung I), Dr. Schafheutle für Dr. Rotberg (Abteilung II), Geßler für Dr. Joël (Abteilung III) sowie Dr. von Arnim für Roemer (Abteilung IV). So, wie Joël es vorgeschlagen hatte, waren manche Beamte mehreren Referaten zugeordnet. Beispielsweise erschien der Name Dr. von Spreckelsen in nicht weniger als drei Referaten der Abteilung I. Selbige Abteilung blieb im Ganzen erhalten und wurde nicht, wie Joël es angeregt hatte, in zwei Unterabteilungen gegliedert. Für Personalien war in Referat Z 2 der Beamte Hohenstein zuständig. Walter Hohenstein, Jahrgang 1891, hatte seit 1919 dem preußischen Justizministerium und von 1935 bis 1945 als Amtsrat dem Reichsjustizministerium angehört und damit eine drei Jahrzehnte umfassende Verwaltungserfahrung vorzuweisen. Nach Kriegsende fand er über das OLG Celle den Weg ins Zentraljustizamt für die britische Zone, wo er 1947 zum Regierungsrat befördert wurde. Vom ZJA wurde er schließlich zur Dienstleistung ans BMJ berufen und dort rückwirkend zum 1. November 1949 zum Oberregierungsrat ernannt. Bereits im Oktober 1952 verstarb der Beamte. In Anerkennung seiner Verdienste schrieb Dehler in einem Nachruf über Hohenstein: »Er war die Verkörperung des idealen, hervorragend geschulten und pflichtbewussten Beamten.«585 Auch Walter Strauß würdigte Hohenstein noch in seiner Abschiedsrede vom BMJ im Februar 1963. Dabei bezeichnete er den Verlust, der durch den Tod des vor seiner Beförderung zum Ministerialrat stehenden Beamten eingetreten sei, als für ihn persönlich sehr schmerzlich.586 Hohenstein war also für die Bearbeitung von Personalfragen zuständig, bevor Minister Dehler seinen Vertrauten Hans Winners aus Bamberg nach Bonn holte und ihn dort zum Personalreferenten machte. Es steht zu vermuten, dass in dieser Phase nicht Oberregierungsrat Hohenstein, sondern Dehler, unterstützt von seinem Persönlichen Referenten Geiger, und Strauß die Personalauswahl selbst in die Hand nahmen, sie gleichsam zur Chefsache machten. Ferner war bereits die Rede davon gewesen, dass Strauß als Leiter der Abteilung Z die Personalangelegenheiten des höheren Dienstes im Ministerium sich selbst vorbehalten hatte.587 Neben dem Organigramm vom 10. August existiert ebenso eines mit Stand vom November 1950.588 Dr. Winners ist darin als für Personalangelegenheiten und Dienstaufsichtsbeschwerden zuständiger Beamter aufgeführt, während Hohenstein nun für Besoldungs- und Haushaltsangelegenheiten verantwort585 Nachruf des BMdJ auf Walter Hohenstein v. 27.10.1952, in: BMJ -Personalakte Walter Hohenstein ( P 11 – H 6), Bl. 51. 586 Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 97–121, hier Bl. 112. 587 Siehe S. 44. 588 BMJ, Vorläufiger Organisationsplan, Stand: November 1950.

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lich zeichnete. Mit der Aufspaltung des ursprünglich von Hohenstein geleiteten Referats stieg auch die Gesamtzahl der Referate von 33 im August auf 34 im November 1950. Der nächste bekannte Organisationsplan des BMJ vom März 1952 führt 37 Referate auf.589 In der nach wie vor von Staatssekretär Strauß angeführten Zentralabteilung kam nun ein eigenes Referat für interzonale Rechtsbeziehungen vor, das vom oben bereits ausführlich behandelten Dr. Nüse geleitet wurde. Die Abteilung Strafrecht verfügte zu diesem Zeitpunkt über keinen eigenständigen Leiter, denn der bisherige Amtsinhaber Rotberg war im Begriff, als Bundesrichter zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe zu wechseln. In der Folgezeit blieb die Spitze der Abteilung II zunächst vakant; verantwortlich für den Fortgang der Geschäfte in der Strafrechtsabteilung war wiederum Staatssekretär Strauß.590 Auch diese Tatsache kann als Ausdruck einer sparsamen Stellenpolitik gewertet werden, denn eine Ministerialdirigentenstelle, wie sie Rotberg innegehabt hatte, war durchaus mit hohen Personalkosten verbunden. Und zumindest in den folgenden Wochen wurde die Stelle auch nicht anderweitig genutzt. Als Persönlicher Referent des Ministers fungierte nach dem Ausscheiden Geigers nun Dr. Stoecker, der vom Deutschen Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet in Köln nach Bonn gekommen war. Wie ein Organigramm vom Februar 1953 zeigt, verblieb Stoecker nicht lange in dieser Funktion, denn dort wurde bereits Dr. Maassen als Persönlicher Referent von Dehler genannt.591 Jetzt war der Staatssekretär sogar eigens als Abteilungsleiter für Strafrecht aufgeführt. Allerdings sollte noch im Verlauf desselben Jahres Josef Schafheutle als Ministerialdirektor die Führung der Abteilung von Strauß übernehmen.592 Für Haushalts-, Besoldungs- und Versorgungsangelegenheiten zuständig war in der Verwaltungsabteilung nun der Beamte Elsenheimer, wie eine handschriftliche Ergänzung zeigt. Dieser trat seinen Dienst im BMJ nämlich erst am 11. April 1953 an. Dehler, der Oberlandesgerichtsrat Georg Elsenheimer bereits kennen gelernt hatte, als dieser noch Amtsgerichtsrat in Bamberg war, hatte sich im August 1951 schon einmal, allerdings erfolglos, um die Gewinnung Elsenheimers für das Bundesjustizministerium bemüht.593 Damals hatte der Betreffende selbst einer Abordnung nach Bonn widersprochen; auch das Bayerische Staatsministerium der Justiz mochte nicht einen weiteren hohen Beamten 589 BMJ, Organisationsplan, Stand: März 1952. 590 In seiner Abschiedsrede vom BMJ bemerkte er dazu: »Ich habe die Verwegenheit und Vermessenheit besessen, in der zweiten Hälfte der 1. Wahlperiode – ohne ein Strafrechtler zu sein – die Abteilung II zu führen.« Siehe dazu die Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 97–121, Zitat Bl. 115. 591 BMJ, Organisationsplan, Stand: 1. Februar 1953. Stoecker wechselte zum Auswärtigen Amt. 592 Siehe dazu den unter I.3 folgenden Abschnitt »Der Aufstieg von Dr. Josef Schafheutle zum Leiter der Strafrechtsabteilung«. 593 Der BMdJ an das Bayerische Staatsministerium der Justiz v. 21.8.1951 betr. Höherer Dienst im BMJ, hier: Oberlandesgerichtsrat Georg Elsenheimer vom OLG Bamberg, Az. 220 BJM , in: BMJ -Personalakte Georg Elsenheimer (P 11 – E 16), Bl. 4.

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abgeben.594 Im November 1952 startete Dehler einen neuen Anlauf, und zwar ausdrücklich mit dem Ziel, Elsenheimer zu seinem Haushaltsreferenten zu machen.595 Dieses Mal war dem Ansinnen Dehlers Erfolg beschieden, wenngleich Elsenheimer sich »erst nach starker Einflußnahme« dazu entschließen konnte, von Bamberg nach Bonn zu wechseln.596 Damit verfügte der Minister nun über zwei Personen seines Vertrauens an entscheidenden Stellen in der Abteilung Z. Die Gesamtzahl der Referate lag unverändert zum Vorjahr bei 37. Eine auffällige Neuerung stellten die erstmalig geschaffenen Unterabteilungen im Verantwortungsbereich von Petersen (Abt. I) und Roemer (Abt. IV) dar. Während die beiden genannten Abteilungsleiter jeweils eine der beiden Unterabteilungen selbst anführten, wurden die anderen geleitet durch Bülow und von Arnim. Die Letztgenannten gehörten gleichsam zum Gründungspersonal des Ministeriums; in den Augen der Hausleitung hatten sie sich seitdem bewährt. Insofern erschien ihr Aufstieg durchaus folgerichtig. Ein genauerer Blick auf die Beförderung der beiden Beamten zu Unterabteilungsleitern ist in personalpolitischer Hinsicht lohnenswert. Arthur Bülow, Jahrgang 1901, gehörte dem BMJ seit seiner am 3. Oktober 1949 erfolgten Abordnung vom ZJA an. Lange Jahre leitete er dann das Referat für Zivilprozess einschließlich Schiedsgerichtsverfahren. Mit Wirkung vom 1. September 1950 wurde er zum Ministerialrat ernannt und in eine entsprechende Planstelle eingewiesen. Damit befand sich Bülow wieder in dem Amt, das er erstmalig 1941 übertragen bekommen hatte, damals noch im Reichsjustizministerium. Auch wenn es viele Beamte gab, die wie Bülow im BMJ wiederverwendet wurden, war er doch derjenige unter den 131ern auf der Rosenburg, dem im Ganzen gesehen der steilste Aufstieg gelang – schließlich sollte er Strauß nach dessen Abgang als Staatssekretär beerben. Bei der Beförderung Bülows zum Ministerialdirigenten 1953 spielte Personalreferent Winners eine tragende Rolle. Zu Beginn des Jahres setzte er ein Schreiben auf, das über Staatssekretär Strauß an den Minister ging.597 Darin bemerkte Winners, die Beförderung Bülows sei »dringend angezeigt«.598 Weiter hieß es: »Ihre Verschiebung müsste als Zurücksetzung empfunden werden, da es kaum noch Laufbahnbeamte oder Nichtlaufbahnbeamte im Bundesdienst gibt, die in der Nachkriegszeit nicht befördert worden sind. Die Überalterung Bülow’s [sic!] in der Ministerialratsstufe 594 Das Bayerische Staatsministerium der Justiz an den BMdJ v. 1.9.1951 betr. Höherer Dienst im BMJ, hier: Oberlandesgerichtsrat Georg Elsenheimer vom OLG Bamberg, gez. Staatssekretär Dr. Koch, in: Ebd., Bl. 6. 595 Note von Dehler für Winners v. 3.11.1952 betr. Besetzung des Haushaltsreferats, in: Ebd., Bl. 8. 596 Der BMdJ an den BMdI v. 1.6.1953 betr. Ernennung des OLGR Georg Elsenheimer zum Ministerialrat im BMJ, hier: Abweichung von den Bestimmungen der Reichsgrundsätze vom 14.10.1936, in: Ebd., Bl. 31 f., Zitat Bl. 32. 597 Vorlage von Winners über den Staatssekretär an den Minister v. 5.1.[1953] mit Anlage, in: BMJ -Personalakte Arthur Bülow (P 11 – B 6), Bd. 1, Bl. 54–56. 598 Ebd., Bl. 54.

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fällt auch Dritten bereits auf.«599 Bülow, so beschrieb ihn der Personalreferent, sei ein ausgezeichneter Jurist mit reichen Kenntnissen und Erfahrungen sowie ein hervorragender, ganz besonders leistungsfähiger Ministerialmann. Zur Beförderung Bülows könne, bis die Ministerialdirigentenstelle der Abteilung I im Haushalt 1953 genehmigt sei, vorübergehend unbedenklich die Stelle des Abteilungsleiters II in Anspruch genommen werden, die in den folgenden Monaten sicher nicht anderweitig benötigt werde.600 Zu diesem Zeitpunkt leitete Staatssekretär Strauß, wie bereits erwähnt, in Personalunion neben der Verwaltungsauch die Strafrechtsabteilung. Im Nachgang des Schreibens von Winners zur Beförderung Bülows bat Minister Dehler um eine Klärung der Frage, ob Bülow im Falle seiner Ernennung zum Ministerialdirigenten unter Verwendung der Abteilungsleiterstelle II sich verpflichten würde, sich zum Bundesrichter wählen zu lassen, falls wider Erwarten Schwierigkeiten im neuen Haushalt eintreten würden.601 Winners, der mit der Klärung beauftragt war, notierte unter dem Vermerk des Ministers: »Dr. Bülow hat mir heute erklärt: Ich verpflichte mich, mich zum Bundesrichter wählen zu lassen, falls nach meiner Ernennung zum Ministerialdirigenten und vor Bewilligung einer neuen Ministerialdirigentenstelle die Stelle des AL [Abteilungsleiters] II anderweit benötigt wird.«602 Zur selben Zeit wie die Beförderung Bülows stand auch diejenige von Arnims an, der die Leitung der Unterabteilung IV B übernommen hatte. Der Vermerk, in dem Dehler darum bat, die Ernennung Bülows vorzunehmen, gibt Aufschluss darüber, dass von Arnim »volles Verständnis« dafür habe, dass zunächst die Ernennung Bülows durchgeführt werde.603 Ende März 1953 wurde Bülow schließlich zum Ministerialdirigenten ernannt und rückwirkend zum 1. Januar des Jahres in die zuvor von Abteilungsleiter II Rotberg verwaltete Planstelle eingewiesen. Nach Verabschiedung des Haushalts für 1953 wurde Bülow dann in einer neu ausgebrachten Planstelle seiner Besoldungsgruppe geführt.604 Henning von Arnim, der sogar noch sechs Jahre älter als Bülow war und nun die Unterabteilung IV B anführte, musste nicht lange auf seine eigene Beförderung warten. Nachdem das Kabinett dem Ernennungsvorschlag im Juli 1953 zugestimmt hatte, wurde von Arnim mit Wirkung vom 1. Mai des Jahres in eine Planstelle als Ministerialdirigent eingewiesen.605 Die Initiative zu Beförderungen ging zuweilen auch von dem entsprechenden Beamten selbst aus. So war es im Fall von Oberregierungsrat Alfons Wahl, von 599 Ebd. 600 Ebd., Bl. 55. 601 Vermerk von Dehler für Winners v. 21.1.1953, in: Ebd., Bl. 58. 602 Vermerk von Winners v. 26.1.1953 unter dem Vermerk von Dehler für Winners v. 21.1.1953, in: Ebd., Bl. 58. 603 Vermerk von Dehler für Strauß und Winners v. 29.1.1953, in: Ebd., Bl. 59. 604 Vermerk von Strauß v. 31.7.1953, in: Ebd., Bl. 72. 605 Personalbogen zu Henning von Arnim, in: BMJ -Personalakte Henning von Arnim (P 11 – A 3), Bl. If.

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dem schon in anderem Zusammenhang die Rede war. Aus einem Empfehlungsschreiben des ehemaligen Düsseldorfer Oberlandesgerichtspräsidenten Heinrich Lingemann geht hervor, dass Wahl den Minister um eine Unterredung über seine angestrebte Beförderung gebeten hatte und schließlich auch gewährt bekam.606 In jenem Gespräch hatte Wahl angeboten, eine Empfehlung von Lingemann, mit dem er außerdienstlich seit zwei Jahren die Fragen der probeweisen Einführung des englischen Instituts der »Probation« im deutschen Jugendstrafrecht bearbeitete, beizubringen. Dies tue er nun, so Lingemann an Dehler gewandt, »im Hinblick auf die Persönlichkeit, auf die Kenntnisse und Fähigkeiten und die gesamte Einstellung des Herrn Wahl besonders gern.«607 In seiner Antwort betonte der Bundesjustizminister, er werde die Empfehlung Lingemanns mit in Betracht ziehen, wenn die Frage einer Beförderung des Oberregierungsrats Wahl anstehe.608 Intern hatte Dehler bereits nach dem Gespräch mit Wahl an Personalreferent Winners die Frage gerichtet, ob die Möglichkeit bestehe, dem Oberregierungsrat eine Regierungsdirektorstelle zu geben.609 Winners notierte einige Zeit später unter dem Ministervermerk schließlich nur »Erledigt durch Vortrag«.610 Da Dehler fast zwei Monate später dem Oberlandesgerichtspräsidenten a. D. Lingemann mitteilte, dessen Empfehlung in Betracht zu ziehen, wenn die Beförderung Wahls anstehe, muss der Vortrag das Ergebnis erbracht haben, dass eine Ernennung des Beamten zum Regierungsdirektor derzeit nicht anstehe. Darüber hinaus verdeutlicht dieser Fall sehr anschaulich, dass nicht alles in den Personalakten schriftlich festgehalten wurde, sondern manche Angelegenheiten mündlich besprochen und geklärt wurden. Letztlich, und das erscheint bemerkenswert, wurde Alfons Wahl im Sommer des folgenden Jahres nicht zum Regierungsdirektor, sondern gleich zum Ministerialrat befördert.611 Welche Gründe dafür ausschlaggebend waren, ließ sich nicht feststellen. Die oben erwähnte grundsätzliche Abneigung gegen die Stufe des Regierungsdirektors hat die Leitung des Ministeriums in anderen Fällen nämlich nicht davon abgehalten, derartige Beförderungen vorzunehmen. Das Bundesministerium der Justiz war ein verhältnismäßig kleines Ministerium, zumal in der Anfangszeit. Die geringe Anzahl an Planstellen führte regelmäßig zu Problemen bei anstehenden Beförderungen, da schlichtweg nicht genügend Beförderungsstellen vorhanden waren. Dem versuchte die Hausleitung zu begegnen, indem sie etwa bei von den Ländern abgeordneten Beamten eine Beförderung im Landesdienst anregte. So war es auch im Fall des Staatsanwalts Karl-Heinz Nüse. Im Schreiben des Bundesministers der Justiz an den Leiter der Abteilung Rechtswesen in Berlin hieß es wörtlich: »Da ich selbst bei dem Mangel 606 Lingemann an Dehler v. 28.4.1952, in: BMJ-Personalakte Alfons Wahl (P 11 – W 1), Bl. 55 f. 607 Ebd., Bl. 56. 608 Der BMdJ an Lingemann v. 26.5.1952, in: Ebd., Bl. 57. 609 Vermerk von Dehler für Winners v. 21.3.1952, in: Ebd., Bl. 54. 610 Notiz von Winners v. 3.4.1952 auf dem Ministervermerk v. 21.3.1952, in: Ebd. 611 Personalbogen zu Alfons Wahl, in: Ebd., Bl. If.

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an Stellen eine planmässige Übernahme oder eine Beförderung Dr. Nüse nicht zu bieten vermag, würde ich es begrüssen, wenn in Anbetracht seiner vorzüglichen Leistungen seine Beförderung in Berlin in Erwägung gezogen werden könnte.«612 Bekräftigend fuhr der Minister fort, die sich daraus ergebene Verbesserung der beruflichen Lage wäre für Nüse eine große Befriedigung. Gut ein Jahr lang mussten das BMJ und Nüse in der Folgezeit warten, bis der Berliner Senator für Justiz die Beförderung Nüses zum Oberstaatsanwalt bekanntgab.613 Die Kehrseite war, dass die Beförderung in der Annahme vorgenommen wurde, Nüse, der nun eine der wenigen Beförderungsstellen der Staatsanwaltschaft blockierte, würde nach Ablauf der Abordnung in den Geschäftsbereich der Berliner Justizverwaltung zurückkehren. Der Mangel an Stellen betraf also nicht ausschließlich das Justizressort des Bundes, sondern war ein Problem, das sich in jener Zeit ebenso für die personell Verantwortlichen in den Ländern stellte. Ein zweites Beispiel betrifft Pressereferent Hans Thier. Auch in seinem Fall regte Staatssekretär Strauß in einem als persönlich gekennzeichneten Schreiben an den rheinland-pfälzischen Justizminister Dr. Adolf Süsterhenn (CDU) die Beförderung zum Regierungsrat im Landesdienst an.614 Einen ersten Versuch mit dieser Stoßrichtung hatte bereits Bundesjustizminister Dehler unternommen, allerdings ohne Erfolg. Aus seiner eigenen Erfahrung »von früher« berichtete Strauß, dass die Abordnung eines Landesbeamten an ein Reichsministerium, sofern sich selbiger in diesem Ministerium bewährt hatte, von den Ländern »nahezu stets« als Anlass zu einer bevorzugten Beförderung angesehen worden sei. Im Fall von Thier komme noch hinzu, dass zwei Herren, die am selben Tag wie er das zweite Staatsexamen abgelegt hätten und in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei tätig seien, bereits zum 30. Oktober 1949 zu Regierungsräten ernannt worden seien. Diese Herren, so fuhr Strauß fort, »mögen ausgezeichnete Beamte sein, haben jedoch beide im Gegensatz zu Herrn Thier keine Referendarausbildung gehabt.« Aus seiner Sicht solle die Tätigkeit im Bundesjustizministerium »ebenso zu bevorzugter Beförderung qualifizieren«, wie dies gewiss bei der Tätig­keit in der Staatskanzlei der Fall sei. Dehler und er selbst, Strauß, würden es sehr begrüßen, wenn Süsterhenn »uns und damit dem jungen Mann« in dieser Angelegenheit helfen würde. Der Justizminister in Mainz empfahl Strauß, mit dem rheinland-pfälzischen Arbeitsminister Johann Junglas (CDU) über die Beförderungsangelegenheit von Regierungsassessor Thier zu sprechen; dem Staatssekretär des BMJ gelang das nach eigener Auskunft aber erst im Frühjahr des folgenden Jahres.615 612 Der BMdJ an den Leiter der Abteilung Rechtswesen beim Magistrat von Groß-Berlin v. 12.12.1950 betr. Staatsanwalt Dr. Karl-Heinz Nüse der Staatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin, in: BMJ -Personalakte Karl-Heinz Nüse (P 11 – N 8), Bl. 10. 613 Der Senator für Justiz in Berlin an den BMdJ v. 19.12.1951 betr. Staatsanwalt Dr. KarlHeinz Nüse, in: Ebd., Bl. 39. 614 Strauß an Süsterhenn v. 4.10.1950 (persönlich), in: BMJ -Personalakte Hans Thier (P 11 – T 1), Bd. 1, Bl. 40. 615 Strauß an Süsterhenn v. 10.4.1951, in: Ebd., Bl. 43.

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Weiterhin berichtete Strauß an Süsterhenn, Junglas erinnere sich noch gut an seinen ehemaligen Mitarbeiter Thier und habe keinerlei Bedenken gegen dessen Beförderung. Ferner sei es nach Junglas’ Vorstellung nicht denkbar, dass die CDU »aus der Tätigkeit von Herrn Thier beim Landeskommissar für die politische Säuberung in Koblenz Einwendungen herleiten« könne. Unter dem Strich hatte Strauß also nichts erreicht mit seiner Nachfrage. Die Tatsache, dass in der Zwischenzeit mehrere an das Bundesjustizministerium abgeordnete, wesentlich dienstjüngere Assessoren in ihren Ländern zu Räten ernannt worden seien, mache die Lage sowohl für Thier als auch für die Hausleitung des BMJ »noch unerfreulicher«. Daher bat der Justizstaatssekretär – gleichzeitig im Namen von Dehler  – Süsterhenn, beim Ministerpräsidenten in Mainz »nunmehr« die Ernennung Thiers zu erwirken. Allerdings sollten wiederum Monate vergehen, bis sich die Dinge im Sinne des Bonner Justizministeriums entwickelten. So hielt Winners in einem Vermerk vom 1. August fest, Oberregierungsrat Urban beim Ministerpräsidenten in Mainz habe auf Anfrage mitgeteilt, sowohl die Staatskanzlei als auch der Ministerpräsident würden dem Wunsch nach Ernennung des Assessors Thier zum Regierungsrat gerne entsprechen, sähen sich mit Blick auf das 131er-Gesetz aber mit gewissen Schwierigkeiten beim Innen- und Finanzministerium konfrontiert.616 Angesichts dieser Gemengelage wäre es von Vorteil, so Winners die Aussage von Urban wiedergebend, wenn das BMJ erklären könnte, Thier im Falle seiner Ernennung zum Regierungsrat »nicht erst nach einer Frist von 3 Monaten«, »sondern umgehend« in den Bundesjustizdienst zu übernehmen. Offenbar war eine Frist von drei Monaten zwischen Mainz und Bonn diskutiert worden, ohne dass dies aktenkundig geworden wäre. Die Verantwortlichen im Bundesministerium der Justiz waren jedoch fest entschlossen, den Kollegen in Rheinland-Pfalz entgegenzukommen. Daher wurde noch am selben Tage ein Schreiben von Strauß an Ministerpräsident Peter Altmeier aufgesetzt, in dem es hieß, dass das BMJ »nach neuerlicher Prüfung der Übernahmefrage« bereit sei, Assessor Thier im Falle seiner Ernennung zum Regierungsrat »ausnahmsweise sofort« in den Bundesjustizdienst zu übernehmen.617 Damit waren alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt, sodass Hans Thier am 25. September 1951 zum Regierungsrat ernannt werden und in den Bundesdienst übertreten konnte.

3.6 Über mancherlei Wege ins BMJ: Bewerbungen, Empfehlungen, Netzwerke Wie fanden Beamte in den Jahren des Aufbaus den Weg ins Bundesministerium der Justiz? Fakt ist, dass es den Weg nicht gab. Freilich kamen viele aus den zonalen Vorgängerinstitutionen wie dem von Walter Strauß geleiteten Rechtsamt 616 Vermerk von Winners v. 1.8.1951, in: Ebd., Bl. 47. 617 Strauß an Peter Altmeier v. 1.8.1951, in: Ebd., Bl. 47.

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oder dem ZJA nach Bonn. Auch aus dem Bamberger Umfeld von Minister Dehler führte einige der Weg auf die Rosenburg. Später entwickelten sich routinemäßige Abordnungen aus den Ländern zu einer festen Größe im Personaltableau des BMJ. Doch gerade bei Errichtung des Justizressorts gab es eine Vielzahl von Bewerbungen an das Ministerium, wenngleich letztlich nur sehr wenige davon erfolgreich waren. So stellte Staatssekretär Strauß zu Beginn des Jahres 1950 fest: »Mit der traurigste Teil meines täglichen Posteingangs sind die zahllosen Bewerbungen beschäftigungslos gewordener Beamten aller Dienstzweige und Dienststufen. Nur ein winziger Bruchteil hochqualifizierter Kräfte kann berücksichtigt werden.«618 Ferner spielten auch Empfehlungen mit den dahinter stehenden Kontakten und Netzwerken eine Rolle beim personellen Aufbau des Ministeriums. So bekräftigte Dehler einmal: »Empfehlungen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in meinem Hause ernst genommen und geben grundsätzlich Anlass, in eine eingehende Prüfung über die Person des Empfohlenen einzutreten.«619 Im Folgenden werden zwei beispielhafte Fälle aus der Anfangszeit des BMJ eingehender analysiert. a)

Dr. Ulrich Meyer-Cording620

Bewerbungen von Personen, die an einer Mitarbeit im Bundesministerium der Justiz interessiert waren, gab es reichlich. Allein fünfzig solcher Bewerbungen übersandte das Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets am 22. November 1949 an das BMJ.621 Unter den Bewerbern war auch ein gewisser Dr. Ulrich Meyer aus Stuttgart. Meyer, der seit 1947 als Rechtsanwalt tätig war, hatte sich bereits Anfang September 1949 an das Rechtsamt gewandt und sein Interesse an einer Einstellung »in einer etwaigen Bundesjustizbehörde« bekundet.622 In der Tagespresse sei denn auch verschiedentlich zu Bewerbungen für Stellen in den obersten Bundesbehörden aufgefordert worden, so der Rechtsanwalt. In aller Kürze skizzierte er seinen Werdegang: Geboren 1911 in Dresden, die juristischen Prüfungen »mit Auszeichnung« bzw. mit »lobenswert« bestanden, 1939 in das Reichsjustizministerium berufen und dort noch im selben Jahr zum Landgerichtsrat ernannt, ebenfalls 1939 zum Wehrdienst einberufen und 618 Strauß an Margot Kaufmann v. 12.1.1950, in: IfZArch, ED 94, Bd. 381. 619 Der BMdJ an Adolf Arndt v. 31.7.1957 (Entwurf), in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51 – Sch 15, Bd. 2, Bl. 290 f., hier Bl. 290. 620 Geboren als Ulrich Lothar Meyer, nannte er sich nach seiner Eheschließung mit Dr. Gisela Cording am 25. Mai 1950 Meyer-Cording. Im folgenden Abschnitt wird in Anlehnung an die Personalakten die Namensvariante Meyer benutzt. 621 Personalamt der Verwaltung des VWG an das BMJ v. 22.11.1949 betr. Bewerbungen für das Bundesjustizministerium, in: BMJ -Personalakte Ulrich Meyer-Cording (P 11 – M 25), Bl. 2 f. 622 Dr. Ulrich Meyer an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, Rechtsamt, Personalabteilung v. 3.9.1949, in: Ebd., Bl. 1.

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1946 aus der Kriegsgefangenschaft nach Stuttgart zurückgekehrt, kurzzeitig als Richter beim Landgericht Heilbronn tätig gewesen und schließlich zur Anwaltschaft übergegangen. Nicht unerwähnt ließ Meyer auch seine Einstufung in der Entnazifizierung als Mitläufer wegen seiner Parteimitgliedschaft seit 1937. Ferner habe er sich auf dem Gebiet des Bankenrechts schriftstellerisch betätigt; im Reichsjustizministerium sei er mit dem Entwurf eines neuen GmbH-Gesetzes befasst gewesen. Bei einem Übertritt in den Bundesdienst würde er Wert auf eine Einstufung als Oberregierungsrat legen; diesen Dienstgrad hätte er altersmäßig längst erreicht und wäre 1943 auch entsprechend befördert worden, wenn er denn verheiratet gewesen wäre. Ehe das BMJ auf die Bewerbung Meyers reagierte, vergingen einige Monate. Erst im März des folgenden Jahres sprach Regierungsdirektor Dr. Krawielicki im Büro der Rechtsanwälte Meyer und Däubler vor und erkundigte sich, ob die Herren Interesse an einer Tätigkeit im BMJ hätten. Bejahendenfalls sollten sie sich mit Ministerialdirigent Dr. Joël in Verbindung setzen, was zumindest Meyer denn auch tat.623 In seinem Schreiben an den Abteilungsleiter III schilderte Meyer noch einmal seinen Werdegang und ergänzte dabei einige Punkte. Beispielsweise konkretisierte er, dass sein Interesse »von meiner früheren Tätigkeit im RJM her« dem Gesellschaftsrecht sowie dem Bank- und Überweisungsrecht gelte. Nach Bonn zu gehen, würde ihm als Anwalt mit auskömmlicher Existenz durchaus schwerfallen. Die Tätigkeit in einer »wahrscheinlich vorwiegend mit Gesetzgebung beschäftigten Abteilung« reize ihn jedoch außerordentlich. Daher sei er sehr daran interessiert, ob und inwieweit eine Anstellung im BMJ in Betracht komme. Wichtig seien ihm die Einstufung als Oberregierungsrat und, da er verlobt sei, die Wohnungsfrage. Auf die Antwort von Joël hin ergänzte Meyer seine Angaben am 11. April dahingehend, dass er die Landeszugehörigkeit für Nord-Württemberg-Baden besitze.624 Außerdem wies er das BMJ darauf hin, dass er die englische und französische Sprache fließend spreche, was »vielleicht gerade heute, wo die Regierungsstellen in vielfachen Beziehungen zur Alliierten Hohen Kommission stehen«, von Interesse sei. Im Rahmen seiner Ausbildung habe er zeitweise im französischen Grenoble sowie im englischen Exeter studiert. Bei seiner Einberufung ins Reichsjustizministerium, so meinte sich Meyer zu erinnern, hätten außer den Examensergebnissen jene Sprachkenntnisse eine Rolle gespielt. Die Angabe Meyers, dem Land Württemberg-Baden anzugehören, führte zu Irritationen im BMJ. Zumindest sah sich der Rechtsanwalt genötigt, dem Ministerium seine Familiengeschichte zu erläutern.625 Er selbst sei zwar in Dresden geboren, weil sein Vater dort beruflich tätig war; Vater und Großvater seien allerdings Württemberger gewesen. Unter diesen Umständen, so betonte Meyer, habe er geglaubt, seine Anrechnung auf das Land Württemberg-Baden annehmen zu 623 Meyer an Joël v. 21.3.1950 (Abschrift), in: Ebd., Bl. 4. 624 Meyer an Joël v. 11.4.1950 (Abschrift), in: Ebd., Bl. 6. 625 Meyer an Joël v. 11.5.1950 (Abschrift), in: Ebd., Bl. 10.

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können, wolle aber die Beurteilung völlig dem Ermessen des BMJ überlassen. Hier wird deutlich, dass die oben behandelte Auslegung des Artikels 36 GG tatsächlich zu Unklarheiten und Missverständnissen führen konnte. Unabhängig davon nahm die Einberufung immer konkretere Züge an. Wie Oberregierungsrat Geßler im Auftrag seines Abteilungsleiters Joël an Meyer schrieb, habe sich Minister Dehler nach Vortrag von Joël grundsätzlich damit einverstanden erklärt, die Verwendung des Stuttgarter Rechtsanwalts in Aussicht zu nehmen.626 Daher möge sich Meyer zu einem Vorstellungsbesuch nach Bonn begeben. Der Minister werde dann »auf Grund der persönlichen Vorstellung« seine Entscheidung treffen. Geßler ergänzte noch: »Ich würde mich sehr freuen, wenn aus Ihrer Einberufung in das Bundesjustizministerium etwas werden würde, und wir wie in alter Zeit wieder zusammen in einer Abteilung arbeiten könnten.« Damit spielte Geßler auf die gemeinsame Zeit im Reichsjustizministerium an; die beiden kannten sich also bereits. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass Geßler bei Joël und vielleicht sogar bei Dehler ein gutes Wort für seinen ehemaligen Kollegen aus dem RJM eingelegt hat. Jedenfalls notierte der Minister nach dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt aus Württemberg in fast unnachahmlicher Kürze in einer Note für Staatssekretär Strauß: »Meyer macht einen sehr guten Eindruck. Ich bitte, ihn einzuberufen.«627 Für sich genommen könnte hier der unzutreffende Eindruck entstehen, dass der Auftritt des Bewerbers im persönlichen Gespräch wichtiger war als die harten Fakten wie Qualifikation, Werdegang und Erfahrungen. Tatsächlich musste vielmehr beides zusammenkommen, damit die Entscheidung zugunsten des Bewerbers ausfiel. Allerdings wird man die Bedeutung des persönlichen Eindrucks auch nicht unterschätzen dürfen. Nicht umsonst betonten die damaligen Zeitgenossen übereinstimmend, dass das Menschliche eine wichtige Rolle im Ministerium spielte und den Geist der Rosenburg entscheidend prägte.628 Auch Ulrich Meyer-Cording äußerte sich im Rückblick dahingehend, dass der persönliche Umgang »[a]ngenehm frisch und fröhlich« gewesen sei.629 Dass er sich selbst um eine Verwendung im Bundesjustizministerium beworben hatte, ließ Meyer dagegen unerwähnt. Stattdessen bemerkte er nur, dass man sich offenbar daran erinnert habe, dass er vor dem Krieg in Berlin an der Gesetzgebung zur GmbH-Reform mitgewirkt habe.630 Nachdem die Entscheidung für Meyer im Grundsatz gefallen war, mussten noch einige Details zwischen Bewerber und Ministerium geklärt werden. Dazu gehörte die Frage einer Probezeit. Staatssekretär Strauß gab Meyer gegenüber deutlich zu verstehen, dass er von einer Probezeit von sechs Monaten trotz der Bedenken des Rechtsanwalts nicht abzusehen vermöge, »da auch in anderen 626 627 628 629

Geßler an Meyer v. 20.6.1950, in: Ebd., Bl. 12. Note von Dehler für Strauß v. 29.6.1950 betr. Ulrich Meyer, in: Ebd., Bl. 13. Siehe dazu den unter I.1 folgenden Abschnitt »Vom ›Geist der Rosenburg‹«. Ulrich Meyer-Cording, Erinnerungen an die Arbeit in der Gründungsphase des Bundesministeriums der Justiz, in: Personalrat des BMJ, Der Geist der Rosenburg, S. 31–37, Zitat S. 31. 630 Ebd., S. 31.

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Fällen die Einstellung unter dieser Bedingung erfolgt« sei.631 Gleichzeitig hoffe er, so Strauß, dass bald nach der Einberufung eine Verkürzung der Probezeit in Aussicht genommen werden und die endgültige Übernahme in das Beamtenverhältnis bald erfolgen könne. Eine Besoldung zu Beginn als beamtete Hilfskraft, wie es ursprünglich angenommen worden sei, könne nicht erfolgen, da Meyer noch nicht Oberregierungsrat gewesen sei. Daher müsse die Einstellung zunächst unter Zugrundelegung der Tarifordnung für Angestellte erfolgen. Perspektivisch, also nach Bestehen der Probezeit, würde ihm die im Referat von Dr. Krawielicki vorgesehene Stelle eines Oberregierungsrats übertragen werden.632 Nach einigem Hin und Her meldete Meyer nach Bonn, dass es ihm nun doch möglich sei, seinen Dienst im BMJ bereits am 1. August 1950 anzutreten.633 Er selbst habe das größte Interesse, bald in sein neues Wirkungsgebiet überzutreten, zumal er sich auf die Arbeit im Bundesjustizministerium freue. Als Ausdruck der Personalfürsorge ist es anzusehen, dass der Staatssekretär Meyer mitteilte, er werde veranlassen, dass demselben ein möbliertes Zimmer gemietet werde, damit er nicht in den ersten Tagen hohe Hotelkosten habe.634 Wie zuvor in Aussicht genommen, wurde die Probezeit Meyers nach seinem Dienstantritt verkürzt. Bereits am 12. Januar 1951 erhielt er die Ernennungsurkunde zum Oberregierungsrat. Von finanzieller Bedeutung für ihn war es, dass die Urkunde mit dem Zusatz »mit Wirkung vom 1. August 1950« versehen wurde. Die Führung des BMJ war derart überzeugt von Meyers Fähigkeiten, dass sie nach nicht einmal vier Monaten beim Bundespersonalausschuss eine Ausnamegenehmigung beantragte, damit die Stelle eines Oberregierungsrats, für die Meyer vorgesehen war, nicht vorher öffentlich bekannt gemacht werden müsse. Dem Antrag wurde entsprochen.635 Nachdem Referatsleiter Krawielicki als Generaldirektor zur Hohen Behörde der Montanunion nach Luxemburg gegangen war, übernahm Meyer den Posten seines Vorgesetzten im BMJ. Einige Monate später wurde er zum Ministerialrat befördert. Als Jahre später das Bundesministerium für Atomfragen sein Interesse an Meyer-Cording bekundete, tat sich Strauß schwer, seinen Referatsleiter für Wirtschaftsrecht herzugeben. Gleichwohl wolle er seinen Beamten nicht in dessen Fortkommen behindern und sei bereit ihn abzugeben, wenn ihn das Atomministerium als Ministerialdirigenten übernehme, wie der Staatssekretär an das interessierte Ministerium schrieb.636 Der Wechsel glückte. Bevor MeyerCording am 1. Februar 1957 seinen Dienst dort antrat, wurde er bereits von Ende November 1956 bis Ende Januar 1957 an das Ministerium für Atomfragen abge631 Strauß an Meyer v. 4.7.1950, in: BMJ -Personalakte Ulrich Meyer-Cording (P 11 – M 25), Bl. 17 f., Zitat S. 17. 632 Ebd., Bl. 17. 633 Meyer an Strauß v. 11.7.1950, in: Ebd., Bl. 20. 634 Strauß an Meyer v. 20.7.1950, in: Ebd., Bl. 21. 635 Der Bundespersonalausschuss, Beschluss Nr. 168/50 v. 6.12.1950, in: Ebd., Bl. 33. 636 BMJ, Entwurf eines Schreibens an den Bundesminister für Atomfragen v. 22.10.1956, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 47.

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ordnet. Im neuen Ministerium war Meyer-Cording kein Unbekannter, denn bereits während der Amtszeit von Justizminister Dehler und im Einverständnis mit diesem hatte der damalige Minister Franz Josef Strauß den Beamten ausgeliehen, um ihn als Delegierten des Atomministeriums für die Mitarbeit am Euratomvertrag nach Brüssel zu entsenden. Im Rückblick meinte Meyer-Cording dazu, er verdanke dem BMJ, dass ihn seine spätere Laufbahn weiter in den europäischen Bereich hineingeführt habe.637 b)

Dr. Rudolf Fleischmann

Anders als Ulrich Meyer hatte sich Rudolf Fleischmann, von dem bereits im Zusammenhang mit parteipolitischen Aspekten der Personalpolitik die Rede war, nicht selbst für eine Tätigkeit im BMJ beworben. In seinem Fall war es vielmehr der bisherige Amtsinhaber Ulrich Kohlbrügge, der seinen Kollegen aus der gemeinsamen Referendar- und Assessorzeit in Berlin dem Ministerium empfahl. Zunächst waren offenbar weder Staatssekretär Strauß noch Minister Dehler direkt mit der Personalie befasst gewesen, sondern nur der direkte Vorgesetze Kohlbrügges, nämlich Abteilungsleiter Joël. In zwei Vermerken an Joël bzw. Strauß vom Dezember 1952 versuchte Regierungsdirektor Kohlbrügge, den Lebenslauf Fleischmanns einzuordnen und zu werten.638 Dies betraf vor allem dessen Stellung zur NSDAP sowie die allgemeine politische Einstellung. Dabei bediente er sich auch Unterlagen, die er von Fleischmann selbst erhalten hatte. Zusätzlich holte Kohlbrügge weitere Einschätzungen über seinen früheren Kollegen ein und verschriftlichte diese. Die beiden genannten Vermerke legte Joël sodann dem Staatssekretär vor. Außerdem setzte sich der Abteilungsleiter III mit dem Landgerichtspräsidenten a. D. Dr. Ernst in Verbindung, der Fleischmann für die Stellung eines Referatsleiters als »hervorragend geeignet« bezeichnete.639 Um seine eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, machte Dr. Ernst geltend, dass er in den zwanziger Jahren Vorsitzender des Preußischen Richtervereins gewesen sei und sich in seiner langjährigen Tätigkeit als Landgerichtspräsident besonders eingehend mit der Persönlichkeit der ihm anvertrauten Richter befasst habe. Auch Fleischmann selbst erläuterte noch einmal Details zu seinem Werdegang, insbesondere zu den durch Restriktionen der SED bestimmten Umständen seiner Übersiedlung von der DDR in die Bundesrepublik zu Beginn des Jahres 1951.640 Bemerkenswert erscheint, dass die Referatsleiterstelle von Kohlbrügge, der nach drei Jahren im Justizministerium zum Bundesrichter beim Bundesver637 Meyer-Cording, Erinnerungen an die Arbeit in der Gründungsphase des Bundesministeriums der Justiz, S. 37. 638 Vermerk von Kohlbrügge für Joël v. 16.12.1952 betr. Dr. jur. Rudolf Fleischmann; Vermerk von Kohlbrügge für Strauß über Joël v. 18.12.1952, beide in: BMJ -Personalakte Rudolf Fleischmann (P 11 – F 15), Bd. 1, Bl. 7 f.; 9 f. 639 Dr. Ernst an Joël v. 27.12.1952, in: Ebd., Bl. 12 f., Zitat Bl. 12. 640 Erklärung von Fleischmann v. 17.1.1953, in: Ebd., Bl. 13.

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waltungsgericht ernannt worden war, zunächst im Bundesanzeiger und in einem Rundschreiben an die Landesjustizbehörden ausgeschrieben wurde. Der erwünschte Effekt blieb allerdings aus, denn auf die Ausschreibung für die Leitung des Referats für Bank- und Börsenrecht hatten sich jeweils nur Bewerber mit unzureichenden Spezialkenntnissen gemeldet.641 Fleischmann hingegen konnte für diese Aufgabe als sehr gut qualifiziert angesehen werden. Hatte der gebürtige Ostpreuße vor dem Zweiten Weltkrieg jahrelang Erfahrungen als Richter bei Gerichten in Berlin und Brandenburg sammeln können, so lernte er nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone die verschiedenen Zweige des Versicherungswesens kennen. Diesem Themenkreis blieb Fleischmann auch nach Übersiedlung in die Bundesrepublik treu und brachte es dort bis zum Syndikus in der Rechtsabteilung der Deutscher Herold Volks- und LebensversicherungsAG in Bonn. Während der Jahre 1939 bis 1945 war Fleischmann Wehrmachtsbeamter auf Kriegsdauer; zum Dienst an der Waffe war er aus gesundheitlichen Gründen untauglich. Einberufen zur Wehrmachtsrechtsabteilung, wurde er bei der Reichskriegsanwaltschaft eingesetzt. Dort hatte er auch den später in der Strafrechtsabteilung des BMJ tätigen Ernst Kanter kennengelernt. Dieser äußerte sich gegenüber Joël dahingehend, dass Fleischmann bei den Senaten des Reichskriegsgerichts einen hohen Ruf genossen habe und »die rechtsstaatlichen Ideen nicht verleugnete, sondern im Gegensatz zu der herrschenden nationalsozialistischen Richtung – unerschrocken und offen – in den Sitzungen« zum Ausdruck gebracht habe.642 Kanter meinte abschließend, dass Fleischmann nach seiner Haltung in der Vergangenheit und nach seinen Fähigkeiten für eine Referententätigkeit im BMJ »sehr geeignet« wäre. Die Nachforschungen über Fleischmann waren seit Wochen im Gange, als Minister Dehler seinem Personalreferenten Winners Ende Januar 1953 den Auftrag erteilte, zu überprüfen, ob Fleischmann als Nachfolger von Kohlbrügge infrage komme.643 Nachdem noch einmal offiziell ein ausführlicherer Lebenslauf Fleischmanns mit anliegender Übersicht über den beruflichen Werdegang in den Jahren 1934 bis 1941 beim Ministerium eingegangen war,644 fiel die Entscheidung zugunsten seiner Verwendung im BMJ. Regierungsdirektor Kohlbrügge unterrichtete seinen Nachfolger umgehend davon.645 Am 4. Mai setzte Fleischmann seine Unterschrift unter den Vertrag mit dem BMJ, denn zunächst wurde er als Angestellter geführt. Vor seiner Einberufung hatte ihm die Hausleitung aber bereits die Übernahme auf eine Planstelle des Ministeriums zugesagt, was 641 Der BMdJ über den BMdI an den Bundespersonalausschuss v. 29.6.1953 betr. Ernennung des früheren Kammergerichtsrats Dr. Rudolf Fleischmann zum Ministerialrat im BMJ, hier: Abweichung von den Bestimmungen der Reichsgrundsätze vom 14.10.1936 – BGBl. I S. 88 –, in: Ebd., Bl. 49 f. 642 Vermerk von Kanter für Joël v. 18.12.1952, in: Ebd., Bl. 11. 643 Vermerk von Dehler für Winners v. 26.1.1953, in: Ebd., Bl. 14. 644 Lebenslauf von Fleischmann mit Zeitlicher Übersicht v. 16.1.1953, in: Ebd., Bl. 17 f. 645 Vermerk von Kohlbrügge für Winners v. 21.2.1953, in: Ebd., Bl. 19.

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Staatssekretär Strauß am 11. Mai auch noch einmal schriftlich bestätigte.646 Schon wenige Wochen später stand die Ernennung Fleischmanns zum Ministerialrat auf der Tagesordnung. Im Zuge des Ernennungsverfahrens ließ das BMJ vom Verfassungsschutz prüfen, ob in Hinblick auf den zeitweiligen Aufenthalt Fleischmanns in der SBZ Umstände oder Tatsachen bekannt seien, die einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit entgegenstünden.647 Zudem erkundigte sich das Justizministerium in derselben Absicht beim Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen der Sowjetzone in Berlin-Zehlendorf.648 Beide angefragten Einrichtungen vermeldeten nichts Nachteiliges, sodass einer Ernennung Fleischmanns zum Ministerialrat nichts mehr im Wege stand. Bemerkenswert erscheint in diesem Kontext, dass im Ernennungsverfahren nicht in erster Linie auf die durchaus problematische Tätigkeit bei der Reichskriegsanwaltschaft geachtet wurde, sondern vor allem die Überprüfung durch den Verfassungsschutz wegen Fleischmanns Tätigkeit in der SBZ seitens des Justizministeriums angestoßen wurde. Das Referat für Bank- und Börsenrecht versah der Beamte viele Jahre lang. Nach Erreichen der Altersgrenze 1968 ging Fleischmann schließlich als Unterabteilungsleiter für Handels- und Gesellschaftsrecht im Range eines Ministerialdirigenten – die Ernennung hierzu hatte wegen seiner Beteiligung an Todesurteilen des Reichskriegsgerichts noch einmal hohe Wellen geschlagen – in den Ruhestand.

3.7 Der Aufstieg von Dr. Josef Schafheutle zum Leiter der Strafrechtsabteilung Nachdem der erste Abteilungsleiter für Strafrecht im BMJ, Hans Eberhard Rotberg, im Frühjahr 1952 zum Bundesrichter beim BGH gewählt worden war, blieb seine Stelle zunächst unbesetzt. Zwar hatte es durchaus Versuche gegeben, einen geeigneten Nachfolger zu finden, doch ohne Erfolg. So hatte Strauß den Heidelberger Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht Dr. Eberhard Schmidt mit dem Posten betrauen wollen, doch ein Gespräch zwischen den beiden brachte keine Einigung – was sowohl Strauß als auch Schmidt im Nachhinein positiv bewerteten.649 Wie erwähnt, übernahm Staatssekretär Strauß daraufhin selbst die Leitung der Abteilung. Doch das blieb keine Dauerlösung. In einem als geheim 646 Der BMdJ an Fleischmann v. 11.5.1953, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 30. 647 Der BMdJ an das Bundesamt für Verfassungsschutz v. 1.7.1953 betr. Dr. Rudolf Fleischmann, geboren am 3.8.1903 in Königsberg / Pr., in: Ebd., Bl. 51 f. 648 Der BMdJ an den Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen der Sowjetzone v. 1.7.1953 betr. Dr. Rudolf Fleischmann, geboren am 3.8.1903 in Königsberg / Pr., in: Ebd., Bl. 52 f. 649 Prof. Dr. Eberhard Schmidt an Strauß v 17.3.1960; Strauß an Prof. Schmidt v. 4.3.1960, in: IfZArch, ED 94, Bd. 215, Bl. 61; 62 f. So bemerkte der Staatssekretär aus der Perspektive des Jahres 1960: »Wir konnten damals allerdings nicht ahnen, dass uns 1 ½ Jahre später das Glück der Rückkehr von Herrn Schafheutle zuteil werden würde.«

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gekennzeichneten Vermerk notierte Bundesjustizminister Dehler am 26. Mai 1953, Herr Dr. Schafheutle habe ihn besucht und seine Bereitschaft bekundet, die Leitung der Abteilung Strafrecht zu übernehmen.650 Doch wer genau war dieser Herr Dr. Schafheutle?651 Für das Ministerium war er kein Unbekannter, denn er hatte bereits von März 1950 bis September 1951 dort gearbeitet. Die Umstände seiner erstmaligen Berufung ins BMJ sind äußerst aufschlussreich und lassen Rückschlüsse auf zentrale Motive der von Strauß verantworteten Personalpolitik zu. Geboren 1904 in Freiburg im Breisgau, erwies sich Schafheutle in seiner Ausbildung zum Juristen schnell als sehr befähigt.652 Beide Staatsprüfungen absolvierte er mit dem Prädikat »sehr gut«; seine Promotion erhielt die bestmögliche Beurteilung »summa cum laude«. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit im badischen Justizministerium wurde Schafheutle 1935 in das Reichsjustizministerium berufen, wo er in der Abteilung für strafrechtliche Gesetzgebung mit der Ausarbeitung größerer Gesetzesentwürfe wie auch mit der Mitarbeit in Reformkommissionen betraut wurde. Noch 1939 erhielt Schafheutle seine Einberufung zur Wehrmacht, kam aber nicht zur kämpfenden Truppe, sondern wurde Justitiar für öffentliches und privates Recht beim Oberkommando des Heeres. Während dieser Tätigkeit wurde er von Baden in den Dienst des Reichsjustizministeriums übernommen und am 1. September 1941 zum Oberregierungsrat ernannt. Eine Beförderung zum Ministerialrat unterblieb jedoch, da die NSDAP mehrfach Bedenken gegen den Beamten aufgrund seiner katholischen Prägung und wegen eines mangelnden Engagements für die Partei geltend gemacht hatte. Nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus arbeitete Schafheulte zunächst für die Finanzabteilung der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg, bevor er Rechtsreferent in der Deutschen Zentralverwaltung für die Sowjetische Besatzungszone in Berlin wurde. Seine Mitgliedschaft in der CDU verheimlichte er nach eigenen Angaben keineswegs. Im August 1946 hatte er sogar die Leitung der Betriebsgruppe der Christdemokratischen Union in der Zentralfinanzverwaltung übernommen. Offenbar wegen seiner antikommunistischen Grundhaltung wurde er wenig später, am 17. September, von einem sowjetischen NKWD -Offizier verhaftet und mehr als drei Jahre ohne Anklage und Verfahren gefangen gehalten – zunächst kurzfristig in der Polizeiinspektion Lichtenberg sowie im Lager Hohenschönhausen, die längste Zeit aber im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. Schafheutle gehörte damit zum Personenkreis der politisch Internierten in der SBZ . Die Freiheit erlangte er erst am 16. Januar 1950 wieder. In der Zwischenzeit waren die beiden deutschen 650 Vermerk von Dehler für Strauß und Winners v. 26.5.1953, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11 – Sch 15), Bd. 1, Umschlag Bl. 72. 651 Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 320 m. Anm. 98–102. 652 Diese und die folgenden Angaben sind entnommen aus: Personalangaben über Oberregierungsrat Dr. Josef Schafheutle v. 8.2.1950, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11 – Sch 15), Bd. 1, Bl. 1 f.

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Staaten gegründet worden, und auch das Bundesministerium der Justiz war mitten im Aufbau begriffen. Von der Freilassung Schafheutles aus sowjetischer Haft hatte Staatssekretär Strauß durch Walter Kriege erfahren.653 Dem Namen nach kannte Strauß den Beamten. Sogleich setzte der Staatssekretär ein Schreiben an den frisch Entlassenen auf, um ihn für die Mitarbeit im Bonner Justizministerium zu gewinnen.654 In Kenntnis der früheren Personalakten des Beamten habe er dem Minister vorgeschlagen, Schafheutle für eine planmäßige Ministerialratsstelle im BMJ in Aussicht zu nehmen. Der Staatssekretär fuhr wörtlich fort: »Wir würden Ihre Bereitwilligkeit hierzu auch deswegen begrüssen, weil uns gerade in der Aufbauzeit an der Mitarbeit erfahrener und eingearbeiteter Kräfte besonders gelegen ist.« Zweierlei erscheint hierbei von Interesse: Zum einen wird deutlich, dass im Falle Schafheutles die Initiative innerhalb des Ministeriums von Strauß ausging, der im Vorfeld seinerseits einen Hinweis von Kriege erhalten hatte. Zum anderen bestätigt sich, dass sich der Staatssekretär und der Minister darin einig waren, auf Mitarbeiter mit einschlägiger Erfahrung zurückzugreifen, zumal wenn es sich wie hier um ministerielle Vorerfahrungen eines hochbegabten Beamten handelte. Zur Vorgeschichte seiner Einberufung ins BMJ gehört ebenso, dass Schafheutle, der sich zuvor auch beim Freiburger OLG -Präsidenten Dr. Zürcher über eine mögliche Verwendung in der badischen Verwaltung informiert hatte,655 positiv auf das Schreiben von Strauß reagierte und sein Interesse daran bekundete, die mit seiner Einstellung zusammenhängenden Fragen  – nicht zuletzt die Wohnungsfrage – mit den zuständigen Stellen des Hauses vor Ort zu besprechen.656 Gleichzeitig wies der Oberregierungsrat darauf hin, dass er nach ärztlichem Rat noch einige Monate mit der Arbeitsaufnahme warten müsse, um die Folgen jahrelanger Unterernährung während der Haft zu überwinden. Staatssekretär Strauß reagierte darauf verständnisvoll und begrüßte die Absicht Schafheutles, zu einem Vorstellungsbesuch nach Bonn zu kommen.657 Wann genau dieser Besuch erfolgte, geht aus den Akten nicht hervor. Allerdings ließ Strauß bereits am 2. März Schafheutle wissen, dass er ab sofort und bis auf weiteres als beamtete Hilfskraft in den Dienst des Bundesjustizministeriums einberufen werde.658 Zur Wiederherstellung der Gesundheit werde dem Beamten Erholungsurlaub vom 2. März bis zum 31. Mai bewilligt. Die Besoldung erfolge als Oberregierungsrat, also nach dem zuletzt innegehabten Rang. Auf dem 653 Zur Bedeutung Krieges siehe siehe insbesondere S. 41 m. Anm. 136 u. 137. 654 Strauß an Schafheutle v. 6.2.1950, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11 – Sch 15), Bd. 1, Bl. 7. 655 Schafheutle an Dr. Zürcher v. 8.2.1950, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11 – Sch 15), Beiakte Badisches Ministerium der Justiz, Bl. 153. 656 Schafheutle an Strauß v. 17.2.1950, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11  – Sch 15), Bd. 1, Bl. 8. 657 Strauß an Schafheutle v. 23.2.1950, in: Ebd., Bl. 9. 658 Der BMdJ an Schafheutle v. 2.3.1950 betr. Einstellung als beamtete Hilfskraft im Bundesjustizministerium, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 11.

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Entwurf des Schreibens notierte der Staatssekretär: »Herr Minister ist einverstanden«.659 Dass Schafheutle bereits von Anfang März an eingestellt wurde, also in dem Bewusstsein, dass er seinen Dienst erst Anfang Juni würde antreten können, bedeutete ein besonderes Entgegenkommen durch das BMJ. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Vorgehen dem Einzelfall geschuldet war; es bildete keineswegs den Normalfall. Einige Monate später sollte es einen ähnlich gelagerten Fall geben, nämlich die Einstellung des ehemaligen Ministerialen und Spätheimkehrers Heinrich Richter.660 In beiden Fällen erscheint das Entgegenkommen des Justizministeriums als Versuch der Hausleitung, etwas zur Linderung des von den Beamten erlittenen Unrechts und Ungemachs beizutragen. Nach nur wenigen Monaten Zugehörigkeit zum Bundesjustizministerium wurde Schafheutle im September 1950 zum Ministerialrat befördert. Die Ernennung erfolgte sogar mit Wirkung vom 1. April des Jahres – auch das eine Geste des Entgegenkommens seitens des BMJ. In der Abteilung II leitete Schafheutle das Referat für Materielles Strafrecht; in seinen Zuständigkeitsbereich fielen auch die Straffreiheitsgesetze.661 Obwohl Schafheutle in jeglicher Hinsicht »angekommen« war auf der Rosenburg, kehrte er im Frühjahr 1951 als Generalstaatsanwalt an das Oberlandesgericht seiner Heimatstadt Freiburg zurück. Allerdings wurde er sogleich von dort an das BMJ abgeordnet und versah bis Ende September seinen Dienst in Bonn. Erst von Anfang Oktober an arbeitete Schafheutle tatsächlich in Freiburg. Im November des darauffolgenden Jahres wurde zwischenzeitlich die Wahl des Generalstaatsanwalts zum Senatspräsidenten in einem Strafsenat des Bundesgerichtshofs erwogen, kam aber letztlich nicht zustande.662 Im April 1953 war es dann Schafheutle, der sich vor dem Hintergrund der bevorstehenden Auflösung des Oberlandesgerichts Freiburg zum 1. Juli bei Justizminister Thomas Dehler »über die Möglichkeiten einer Verwendung im Bereich der Bundesjustizverwaltung« erkundigte.663 Diesem Zwecke dienend, bat er Dehler um eine Unterredung in Bonn, bevor er zu Vorschlägen des badenwürttembergischen Justizministeriums Stellung nehme. Nach dem gewünschten Gespräch in Bonn am 26. Mai 1953 verfasste Dehler seinen eingangs erwähnten Vermerk, in dem er sowohl dem Staatssekretär als auch dem Personalreferenten seines Hauses davon Kenntnis gab, dass Schafheutle bereit sei, als Abteilungsleiter Strafrecht ins BMJ zurückzukehren.664 Ergänzend notierte der Minister, dass Stuttgart beabsichtige, Schafheutle als Generalstaatsanwalt in Karlsruhe zu übernehmen. Die in dem Geheimvermerk enthaltene Formulierung »Unter Abwägung aller Umstände halte ich es für 659 Ebd. 660 Siehe dazu den unter II .2 folgenden Abschnitt »Heinrich Richter«. 661 BMJ, Vorläufiger Organisationsplan, Stand: November 1950. 662 Die Initiative dazu ging vom BMJ aus; Schafheutle hatte sich einverstanden erklärt. Siehe dazu den Vermerk von Winners v. 3.11.1952, in: BMJ -Personalakte Josef Schafheutle (P 11 – Sch 15), Bd. 1, Bl. 68. 663 Schafheutle an Dehler v. 20.4.1953, in: Ebd., Bl. 69. 664 Vermerk von Dehler für Strauß und Winners v. 26.5.1953, in: Ebd., Umschlag Bl. 72.

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richtig, auf ihn zurückzugreifen« deutet darauf hin, dass durchaus nicht alles für Schafheutle als Leiter der Abteilung II sprach. Bemerkenswert ist ferner, dass Dehler dem Generalstaatsanwalt einen endgültigen Bescheid in Aussicht stellte, »sobald« er mit Herrn Dr. Strauß die Angelegenheit besprochen habe. Das bedeutet, dass der Minister nicht ohne das Einvernehmen mit seinem Staatssekretär eine so wichtige Entscheidung wie die Besetzung eines Abteilungsleiterpostens treffen wollte. Nach den anfänglichen Differenzen zwischen Dehler und Strauß hatten die beiden »Väter des BMJ« in der Zwischenzeit zu einem auskömmlichen Miteinander gefunden. Josef Schafheutle kehrte im Sommer 1953 auf die Rosenburg zurück, wurde mit Wirkung vom 1. August zum Ministerialdirektor ernannt und blieb bis zu seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand unter Bundesjustizminister Gustav Heinemann 1967 die führende Figur der Strafrechtsabteilung und damit einer der einflussreichsten Ministerialbeamten des Bundesjustizministeriums überhaupt.

3.8 Der Abschied von Minister Dehler Dass Thomas Dehler nach den Wahlen zum zweiten Deutschen Bundestag vom 6. September 1953 nicht Justizminister bleiben würde, zeichnete sich bald ab. Aus einem Vermerk des Kanzleramts von Anfang Oktober geht hervor, dass die FDP keinen gesonderten Wert darauf legte, Dehler im Amt des Bundesministers der Justiz zu halten.665 Strauß bemerkte später einmal, dass er es seinerzeit sehr bedauert habe, dass der Bundeskanzler Dehler nicht in sein zweites Kabinett aufgenommen hatte.666 Zum Nachfolger Dehlers wurde dessen Parteifreund Fritz Neumayer gekürt. Bei der Amtsübergabe auf der Rosenburg am 22. Oktober fand der scheidende Minister, der fortan die Fraktion der FDP im Bundestag anführen sollte, nur sehr knappe Worte.667 Dabei konnten seine Zuhörer durchaus heraushören, dass er nicht freiwillig abtrat; die Politik bezeichnete er denn auch nicht von ungefähr als »ein solches Spiel«. Mit den Mitarbeitern wie mit dem Werk selbst fühle er sich verbunden. Seine Zeit im BMJ in den Blick nehmend, meinte Dehler wörtlich: »Ich glaube, der Geist des Hauses war gut und ich möchte hoffen, dass er weiter wirkt.« Nachdem er den Amtsangehörigen noch seinen Nachfolger Neumayer als einen »echten Wahrer des Rechts« und »edlen Mann«

665 Vorlage von Haenlein (Referat 6) für Globke v. 8.10.1953 (vertraulich), in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-002/1. Darin äußerte der Beamte des Kanzleramts im Nachgang eines Gesprächs mit den Abgeordneten Dr. Preusker und Dr. Mende: »Um den vierten Ministerposten wird die FDP nicht ernsthaft kämpfen. Vor allem nicht für Herrn Dehler als Minister.« 666 Strauß an Kenneth Dayton v. 30.7.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 379. 667 Rede von Minister Dehler bei der Feier anlässlich der Übergabe der Amtsgeschäfte von Minister Dr. Thomas Dehler an Minister Fritz Neumayer am 22.10.1953, 16.30 Uhr im Bundesjustizministerium, in: Ebd., Bd. 156a, Bl. 12.

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anempfohlen hatte, verabschiedete sich der erste Justizminister der Bundesrepublik Deutschland mit den markanten Worten »Das wäre es!!!« Nachdem sich auch der neue Minister an die Angehörigen des Justizministeriums gewandt hatte,668 ergriff Staatssekretär Strauß das Wort – und redete deutlich mehr als Dehler und Neumayer zusammengenommen.669 Anders, als es früher im Reichswirtschaftsministerium üblich gewesen sei, wo bei Ministerwechseln der Staatssekretär keine Rede gehalten habe, wolle er nun als »Sprecher des Hauses« einige Worte sagen.670 Damit verfolge er zwei Zwecke, so Strauß: zum einen den Dank an Dehler, zum anderen einen Rückblick auf die Anfänge anlässlich des ersten Wechsels in der Leitung »dieses jungen Hauses«.671 Auffällig erscheint, wie Strauß die Verdienste Dehlers in den Vordergrund rückte und seinen eigenen Anteil daran mehr oder weniger verschwieg. So betonte der Staatssekretär, dem scheidenden Minister hätte zu Beginn kein eingearbeiteter Apparat zur Verfügung gestanden. Bei zwei anderen Gelegenheiten behauptete er jedoch das glatte Gegenteil.672 Immerhin deutete Strauß vage an, dass man 1949 nicht vollständig bei null anfangen musste: »Sie hatten den Apparat vollständig neu zu schaffen, auch wenn gewisse Kerne im Zentraljustizamt in Hamburg und im Rechtsamt in Frankfurt vorhanden waren.«673 Eine besondere Schwierigkeit beim personellen Aufbau des Bundesjustizministeriums habe darin bestanden, dass er »bei voller Arbeitsbelastung gleichlaufend« erfolgen musste.674 Nach seinem Empfinden, so Strauß, habe der personelle Aufbau den Erwartungen entsprochen, die Dehler im Schriftwechsel mit dem früheren Reichsjustizminister Gustav Radbruch vom September 1949 ausgedrückt habe; damals habe Dehler die Hoffnung gehegt, mit dem Justizministerium ein Präzisionsinstrument zu erneuern, das fachmännische Arbeiten im alten Geiste geleistet habe. Das kollektiv-vereinnahmende Selbstverständnis von Strauß als Staatssekre­ tär im Bundesministerium der Justiz wurde sehr deutlich, als er feierlich anhob: »Wir alle fühlen uns, auch wenn wir erst nach 1945 in die Arbeit der Ministerialverwaltung gekommen sind, mit Ihnen [Dehler] als Träger einer großen deutschen Tradition, die in den 70er Jahren vom Kaiserlichen Reichsjustizamt begründet und vom Reichsjustizministerium fortgeführt wurde.«675 Dem scheidenden Minister sei es gelungen, diesen Geist der Tradition in seinen 668 Siehe dazu den unter II .1 folgenden Abschnitt »Ein Staatssekretär, drei Minister«. 669 Rede von Staatssekretär Strauß bei der Feier anlässlich der Übergabe der Amtsgeschäfte von Minister Dr. Thomas Dehler an Minister Fritz Neumayer am 22.10.1953, 16.30 Uhr im Bundesjustizministerium, in: Ebd., Bl. 14–19. 670 Ebd., Bl. 14. 671 Ebd., Bl. 15. 672 Siehe S. 20 m. Anm. 15 u. 16. 673 Rede von Staatssekretär Strauß bei der Feier anlässlich der Übergabe der Amtsgeschäfte von Minister Dr. Thomas Dehler an Minister Fritz Neumayer am 22.10.1953, 16.30 Uhr im Bundesjustizministerium, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 16. 674 Ebd. 675 Ebd.

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Mitarbeitern zu pflegen und wach zu halten. Er, Dehler, sei der Gründer dieses Hauses gewesen. Die so entstandene »echte Arbeitsgemeinschaft« im BMJ habe, anknüpfend an die institutionellen Vorläufer, eine bestimmte Arbeitsweise und -methode herausgebildet, die einerseits durch eine unbeirrbare Sachtreue in der Arbeit und unbeirrbare Sachlichkeit, andererseits durch eine leidenschaftliche Hingabe an das Werk selbst gekennzeichnet sei.676 Auf diese Weise und mit derselben Gefolgschaft wie gegenüber Dehler wolle das ganze Haus, so unterstrich dessen oberster Beamter, auch dem neuen Minister folgen und demselben »voll und restlos« für die Arbeit zur Verfügung stehen.677 Auch wenn der Staatssekretär dem ersten Justizminister der Bundesrepublik die Funktion des Gründers zusprach: Die bestimmenden Akteure in der Personalpolitik während der Aufbauzeit des Bundesjustizministeriums waren Thomas Dehler und Walter Strauß. Auf ihre jeweils eigene Art und Weise galten beide als starke Persönlichkeiten. Wenngleich das Verhältnis zwischen Minister und Staatssekretär während der ersten Monate schwierig gewesen war, so herrschte im Nachhinein eine sehr milde, ja positive Rückschau vor. Im September 1959 bedankte sich der ehemalige Justizminister beim noch amtierenden Staatssekretär dafür, dass derselbe des gemeinsamen Beginnens zehn Jahre zuvor gedacht habe; weiter schrieb Dehler: »Mich überfallen dabei ähnliche Gedanken und Stimmungen wie Sie. Auf jeden Fall: Wir haben zusammen nach unseren Kräften einer guten Sache gedient.«678 Und tatsächlich sind die Gemeinsamkeiten in den Auffassungen von Strauß und Dehler zur Personalpolitik mit den Händen zu greifen. Dafür gibt es gute Gründe. Beide gehörten derselben Generation an, entstammten durch und durch bürgerlichen Familien und waren im Kaiserreich und in der Weimarer Republik politisch sozialisiert worden, hatten unter Maßnahmen der Nationalsozialisten zu leiden und bekannten sich trotz allem zum deutschen Nationalstaat. Daher zeigten sich sowohl Dehler als auch Strauß bereit, nach 1945 Verantwortung zu übernehmen. Für beide schloss das auch die Verantwortung für Personal mit ein. So gesehen müssen die anfänglichen Konflikte im BMJ auf die unterschiedlichen Charaktere der beiden Spitzenleute und den bei beiden gleichermaßen vorhandenen Ehrgeiz und Gestaltungswillen zurückgeführt werden. In der Sache, also beim personellen Aufbau des Ministeriums, waren sich Strauß und Dehler völlig einig, auf bewährte Vorbilder und Traditionen wie die Gliederung des Reichsjustizministeriums vor 1933 und die Institution des Berufsbeamtentums zurückzugreifen. Was die Kriterien der Personalauswahl betraf, so herrschte zwischen dem Minister und seinem Staatssekretär ebenso eine sehr weitgehende Übereinstimmung vor. Sowohl Dehler als auch Strauß legten bei ihren Mitarbeitern großen Wert auf ausgeprägte fachliche Qualifikationen und auf reichhaltige 676 Ebd., Bl. 18. 677 Ebd., Bl. 19. 678 Dehler an Strauß v. 21.9.1959, in: IfZArch, ED 94, Bd. 210, Bl. 16.

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Erfahrungen im Verwaltungsbereich, zuvorderst auf ministerieller Ebene. Darüber hinaus lag es beiden sehr daran, dass die persönlichen Eigenschaften und der Charakter der Beamten zum Geist des Hauses passten. Aus diesem Grunde prüften Strauß und Dehler in der Regel sehr genau, ob ein Bewerber oder sonst irgendwie in Vorschlag gebrachter Kandidat für die Mitarbeit im Bundesministerium der Justiz geeignet erschien. Bei den Beamten, die auf eine wie auch immer geartete Weise durch ihre NS -Vergangenheit belastet waren, bedeutete diese Prüfung, dass weder der Staatssekretär noch der Minister leichtfertig ein Urteil über diese Personen fällten, sondern alle zur Verfügung stehenden Quellen und Mittel nutzten, um ein möglichst umfassendes Bild der Persönlichkeit des betreffenden Beamten zu gewinnen. Erst auf dieser Grundlage wurde eine Entscheidung getroffen. Am geschilderten Fall von Franz Schlüter lässt sich dieser Prüfungs- und Entscheidungsprozess sehr gut nachvollziehen. Eine Eigenschaft, die insbesondere Walter Strauß in seinem Verhalten zeigte, ist die Loyalität. Hatte er einmal einen guten Eindruck von einer Person gewonnen, so war er, wie er selbst bekundete, bereit, diesem Menschen in jeder Situation beizustehen und ihn gegen Angriffe zu verteidigen. Im Umgang mit den Bedenken bzw. Vorwürfen gegenüber Geßler und Kanter sah man das besonders deutlich. Bereits als Leiter des Rechtsamts hatte Strauß, wie geschildert, an dem Beamten Rudolf Harmening unbeirrt von den gegen denselben erhobenen Anschuldigungen festgehalten. Die Loyalität, die der oberste Beamte des Bundesjustizministeriums gegenüber den ihm unterstellten Mitarbeitern zeigte, steigerte sich zuweilen zu einem regelrecht paternalistischen Verantwortungsgefühl. Gegenüber Beamten, die schweres Unrecht erlitten hatten, wie Schafheutle mit seiner jahrelangen Internierung durch die Sowjets, erwies er sich als besonders fürsorglich. Des Weiteren bemühte sich der Staatssekretär um ein gutes Miteinander unter seinen Mitarbeitern und versuchte, bei ihnen einen gewissen Korpsgeist zu bewirken. Auch die Förderung des Beamtennachwuchses lag Strauß sehr am Herzen, wie anhand des Berliner Beispiels gezeigt werden konnte. Das Kümmern um den Nachwuchs war nicht zuletzt dadurch bedingt, dass er selbst als junger Gerichtsassessor die Gelegenheit erhalten hatte, Erfahrungen in einem Reichsministerium zu sammeln. Doch Loyalität war für Walter Strauß keine Einbahnstraße. Als Staatssekretär konnte und musste er auf die unbedingte Verlässlichkeit seiner Beamten zählen. Das Vertrauen, das er in seine Mitarbeiter setzte, wollte er nicht enttäuscht sehen. Die Aufbauarbeit im Bundesjustizministerium lag zwar vor allem in den Händen von Staatssekretär Strauß, doch konnte er sich dabei Beamter bedienen, die entweder seit längerem unter ihm gearbeitet hatten  – im Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets oder gar schon in der bizonalen Verwaltung für Wirtschaft  –, oder die er von seiner Tätigkeit beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebiets kannte. Vor allem Günther Joël leistete ihm wertvolle Unterstützung bei der Organisation des Ministeriums, indem er den Bedarf an Stellen ermittelte und eine Gliederung des Hauses vorschlug. Auch Theodor Brandl und Henning von Arnim sind zu denjenigen Mitarbeitern zu rechnen,

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auf deren Hilfe sich der Staatssekretär in besonderem Maße stützen konnte. Als Ratgeber von Strauß in Personalfragen erlangte ferner Walter Kriege einen ganz und gar nicht unerheblichen Einfluss. Der Staatssekretär griff auf den Rat des nicht zum BMJ gehörenden Kriege zurück, da er dessen Personalkenntnis sehr schätzte und sich diese für den Aufbau des Bundesjustizministeriums mit verwaltungserfahrenen Fachkräften zunutze machen wollte. Die Rekrutierung von Personal für das Bundesministerium der Justiz erfolgte in der Regel im Einvernehmen mit Minister Dehler. Dieser hatte, ebenso wie Strauß, mit Willi Geiger und später mit Hans Winners und Georg Elsenheimer mehrere Beamte nach Bonn geholt, die er von früher kannte und auf die er sich vollkommen verlassen konnte. Anders, als es Udo Wengst in seiner Studie zu Staatsaufbau und Regierungspraxis in der frühen Bundesrepublik behauptete, führte diese Konstellation aber nicht dazu, dass Strauß in der Personalpolitik nur die zweite Geige spielte. Vielmehr kam es häufig zu Überschneidungen in den personalpolitischen Vorstellungen von Dehler und Strauß, wie ein genauerer Blick auf die Auswahl der ersten Abteilungsleiter gezeigt hat. Nach Überwindung ihrer anfänglichen Konflikte waren sowohl der Minister als auch der Staatssekretär darauf bedacht, den anderen in der ihm gebührenden Weise zu respektieren und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. So stark der Gestaltungswille von Staatssekretär Strauß und Minister Dehler auch war: Die beiden Spitzenleute des BMJ hatten bei ihrer Personalpolitik Rahmenbedingungen in Rechnung zu stellen, die für alle Bundesministerien gleichermaßen galten. Dadurch wurden dem Handlungsspielraum des Führungspersonals zuweilen Grenzen gesetzt. Die Mitprüfung der Ernennungsvorschläge durch das Innen- und Finanzministerium sowie die Befassung des Kabinetts mit allen Ernennungen vom Ministerialrat an aufwärts sorgten etwa dafür, dass die von Strauß und Dehler betriebene Personalpolitik von vornherein einem Rechtfertigungsdruck unterlag, die eigenen Vorschläge gleichsam wasserdicht zu sein hatten. Dennoch sich ergebene Rückfragen – wie im Fall der Beförderung Geßlers seitens des Innenressorts – bewirkten, dass Strauß seine Personalpolitik erklären musste. Darüber hinaus hatte das Justizministerium wie alle anderen Ressorts die vom Kabinett gebilligte Richtlinie zu beachten, der zufolge die Stellen der Abteilungsleiter, Personalreferenten und Ministerialbürodirektoren in der Regel nicht mit ehemaligen Mitgliedern der NSDAP zu besetzen seien. Allerdings wich das BMJ mehrfach von dieser Richtlinie ab. Auch andere Schranken wollte man auf der Rosenburg nicht ohne weiteres hinnehmen. Dazu gehörte die insbesondere von Dehler bekämpfte Anwendung des Wohnsitzprinzips bei der Herstellung einer landsmannschaftlichen Ausgewogenheit unter den Ministerialbeamten, aber auch die abwehrende Haltung gegenüber den Bestrebungen des BMI , noch verbliebene Beamte des Vereinigten Wirtschaftsgebiets auch im Bundesjustizministerium unterzubringen. Bei den Verhandlungen zum Beamtenersatz bei den Bundesministerien konnte das Justizressort sogar durchsetzen, dass die Bundesjustizverwaltung nicht in die Vereinbarung mit einbezogen wurde, sondern eigenständig und damit flexibler für den Austausch mit

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den Ländern sorgen konnte. Nicht vernachlässigt werden darf der Aspekt, dass die Rahmenbedingungen für die Personalpolitik nicht selten mit der ohnehin eingenommenen Haltung von Strauß und Dehler übereinstimmten. Das betraf beispielsweise die Frage der Beamten zur Wiederverwendung im Rahmen des Gesetzes zu Artikel 131 GG oder auch die allgemein forcierte Stärkung des Berufsbeamtentums. Im Ganzen gesehen ist es keineswegs übertrieben, den beiden Personen an der Spitze des BMJ die entscheidende Rolle bei der personalpolitischen Ausrichtung des Hauses zu attestieren. Der von Strauß und Dehler gleichermaßen geprägte Geist der Rosenburg blieb auch über die Phase des personellen Aufbaus hinaus präsent. Nach der Bundestagswahl von 1953 war der erste Justizminister gezwungen, seinen Hut zu nehmen; der Staatssekretär des Anfangs blieb hingegen im Amt. Nun musste sich zeigen, inwieweit Walter Strauß die bisher im Tandem mit Thomas Dehler betriebene Personalpolitik fortzusetzen gedachte.

II. Vom Einzug der Normalität. Die Entwicklung der Personalpolitik 1953–1961

1. Ein Staatssekretär, drei Minister Im Anschluss an die Bundestagswahl vom Herbst 1953 stellte sich die Frage, wer Thomas Dehler im Amt des Justizministers nachfolgen sollte. Darüber hinaus war es unklar, was mit Strauß geschehen würde. Für eine gewisse Zeit sah es so aus, als würde der Staatssekretär den ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hermann Höpker-Aschoff beerben. So bemerkte der Detmolder Börsenberater und Verleger Curt L. Schmitt im Oktober 1953, der neue Justizminister Neumayer müsse sich einen Nachfolger für Staatssekretär Strauß suchen, sobald dieser die Nachfolge von Höpker-Aschoff beim Bundesverfassungsgericht antrete.1 Fast zehn Jahre später schrieb das Magazin Der Spiegel, die Unterschrift von Strauß unter einen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vorwurfsvollen Brief Thomas Dehlers im Zuge des Rechtsstreits um den deutschen Wehrbeitrag habe Strauß die Berufung zum Verfassungsgerichtspräsidenten gekostet.2 Indes, diese personalpolitischen Planspiele blieben Makulatur. Der Staatssekretär sollte auch die nächsten Jahre seinen Dienst als oberster Beamter der Rosenburg versehen. Doch wer waren die drei Minister, mit denen sich Strauß in der Zeit von Ende 1953 bis zum Herbst 1961 zu arrangieren hatte?

1.1 Fritz Neumayer (1953–1956) Ursprünglich war nicht Fritz Neumayer (FDP) als Nachfolger von Dehler als Justizminister vorgesehen, sondern der Präsident des Bundesgerichtshofs Hermann Weinkauff (CSU), wenn man einer undatierten Übersicht aus dem Bundeskanzleramt Glauben schenken darf.3 Geboren 1884 in Kaiserslautern, war Neumayer bei seinem Amtsantritt auf der Rosenburg bereits 69 Jahre alt  – und damit 1 Schreiben von Curt L. Schmitt v. 23.10.1953, Adressat unklar, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-074/1. 2 Der Spiegel, Nr. 4/1962; vgl. Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 344 f. m. Anm. 91. 3 Übersicht des Bundeskanzleramts über die Verteilung der Ministerposten bei der Regierungsbildung 1953, o. Tit., o. Dat., in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-002/1.

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16 Jahre älter als sein Staatssekretär. Seit 1949 gehörte der gebürtige Pfälzer dem Deutschen Bundestag an und wirkte dort vor allem im Ausschuss für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Im Jahre 1952 wurde er nach dem Tod des bisherigen Amtsinhabers Eberhard Wildermuth zum Bundesminister für Wohnungsbau berufen. Nach der Bundestagswahl 1953 Abschied von diesem Ministerium zu nehmen, fiel ihm nicht leicht, wie Neumayer bei seiner Antrittsrede im BMJ am 22. Oktober desselben Jahres eingestand.4 Ergänzend fügte er an: »Es fällt mir ebenso schwer, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute hier die Nachfolge eines Mannes anzutreten, dem Ihre Liebe und Verehrung gilt. Und den ich, dessen dürfen Sie überzeugt sein, als Freund, als vorbildlichen Kämpfer und als hervorragenden Leiter dieses Amtes verehre.«5 Das Ministerium wolle er in Dehlers Sinne und Geist weiterführen.6 Dazu appellierte er an die versammelten Mitarbeiter, ihm das Vertrauen entgegenzubringen, das sie auch Minister Dehler geschenkt hätten.7 In den höchsten Tönen rühmte Neumayer das Personal des Bundesjustizministeriums: »Ich weiß, wie hervorragend dieses Ministerium immer gelaufen ist, ich weiß, welch erstklassigen Mitarbeiter ich hier vorfinden werde und ich weiß, daß dieses Ministerium hier in Bonn als eines der bestgeleiteten und der bestfunktionierenden bekannt ist.«8 Mit dem »erstklassigen Mitarbeiter« konnte nur Staatssekretär Strauß gemeint sein – außer, es handelt sich um einen Druckfehler in der abgedruckten Rede, denn ohne das »n« wären alle Angehörigen des Ministeriums angesprochen. In seinen Worten zur Begrüßung Neumayers auf der Rosenburg versprach der Staatssekretär dem neuen Hausherrn im Namen aller Mitarbeiter jene Gefolgschaft, die sie auch Minister Dehler geleistet hätten.9 Bei seiner Antrittsrede vor dem Rechtsausschuss des Bundestages bekräftigte Justizminister Neumayer am 19. Januar 1954 abermals, an die Arbeit und Leistungen seines Vorgängers anknüpfen zu wollen.10 Sein vornehmstes Ziel sei es, das BMJ als ein »objektives Ministerium« zu erhalten. Das bedeute vor allem, das Ministerium »außerhalb des Streites der Parteien zu halten«. Einige Zeit später musste der Minister im Bundestag seine diesbezügliche Ansicht gegen Angriffe verteidigen.11 Hinsichtlich der Konzentration auf die Sachpolitik war er sich 4 Rede von Minister Neumayer bei der Feier anlässlich der Übergabe der Amtsgeschäfte von Minister Dr. Thomas Dehler an Minister Fritz Neumayer am 22.10.1953, 16.30 Uhr im Bundesjustizministerium, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 12–14, hier Bl. 12. 5 Ebd. 6 Ebd., Bl. 13. 7 Ebd., Bl. 14. 8 Ebd. 9 Rede von Staatssekretär Strauß bei der Feier anlässlich der Übergabe der Amtsgeschäfte von Minister Dr. Thomas Dehler an Minister Fritz Neumayer am 22.10.1953, 16.30 Uhr im Bundesjustizministerium, in: Ebd., Bl. 14–19, hier Bl. 19. 10 Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages (PA-DBT) 3109 A 2/16 – Prot. 3 (Anlage). 11 Siehe dazu den unter II .3 folgenden Abschnitt »Zunehmende Politisierung des Beamtentums?«.

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völlig einig mit seinem Staatssekretär. Aus den Aussagen von Neumayer vor dem Rechtsausschuss lässt sich unschwer herauslesen, dass es ihm darum ging, für Kontinuität in der Arbeit des Justizministeriums zu sorgen. Konflikte zwischen Neumayer und Strauß in der Führung des BMJ im Allgemeinen oder in der Personalpolitik im Besonderen sind nicht überliefert. Allerdings zeigte sich Bundeskanzler Adenauer im Januar 1956 unzufrieden mit der Arbeit des Führungsduos auf der Rosenburg: »Neumayer sei schwach, Staatssekretär Strauß zu formal und rechthaberisch.«12 Ganz ähnlich, aber rück­ blickend betrachtet, attestierte das Magazin Der Spiegel Justizminister Neumayer, er sei farblos gewesen.13 Seine Abberufung als Bundesjustizminister verdankte er aber letztlich dem Umstand, dass er gemeinsam mit einigen Mitstreitern im Februar 1956 die Fraktion der FDP im Bundestag verlassen und sich der neugegründeten Freien Volkspartei (FVP) angeschlossen hatte. Dennoch schied er ohne Bitterkeit aus dem Ministeramt, wie Neumayer anlässlich der Amtsübergabe an Hans-Joachim von Merkatz am 23. Oktober 1956 bemerkte.14 Dem neuen Hausherrn der Rosenburg gegenüber bekräftigte der scheidende Minister seine Überzeugung, dass seinem Nachfolger die Leitung dieses Ministeriums nur Freude bereiten werde.15 In Anbetracht der Tatsache, dass oft davon geredet werde, der Minister dürfe sich nicht von der Ministerialbürokratie überspielen lassen, wolle er auf die Loyalität seiner Mitarbeiter hinweisen. Wörtlich erklärte Neumayer: »Das möchte ich doch hier herausstellen, niemals ist der geringste Versuch in diesem Hause unternommen worden, den Minister irgendwie zu überspielen. Es sind alle einschlägigen Probleme, nicht nur die politischen, sondern auch die Rechtsprobleme in voller Loyalität mir vorgetragen und zur Entscheidung gestellt worden. Wir haben diese Probleme miteinander diskutiert und dann ist die Entscheidung gefallen.«16 Seinem Staatssekretär dankte Neumayer »ganz besonders herzlich […] für alles das, was Sie mir gegeben haben, wie Sie mir zur Seite gestanden, wie Sie mich in dieses Amt eingeführt, und wie Sie mir geholfen haben, die schwere Aufgabe zu meistern.«17 Strauß selbst nutzte die Gelegenheit der Amtsübergabe im BMJ, um dem scheidenden Minister seinen Dank dafür auszusprechen, mit welcher Fürsorge sich dieser sowohl der Belange des Hauses als solchem als auch der Belange aller einzelnen seiner Mitarbeiter angenommen habe.18 Welchen Stellen12 Adenauer  – Heuss. Unter vier Augen. Gespräche aus den Gründerjahren 1949–1959, bearbeitet von Hans Peter Mensing, Berlin 1997, Nr. 46 vom 23. Januar 1956, S. 188–193, hier S. 193. 13 Der Spiegel, Nr. 4/1962. 14 Ansprache von Bundesminister a. D. Neumayer anlässlich der Amtsübergabe am 23. Oktober 1956, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 60–63, hier Bl. 62. 15 Ebd., Bl. 63. 16 Ebd. 17 Ebd., Bl. 61. 18 Ansprache von Staatssekretär Dr. Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 23. Oktober 1956, in: Ebd., Bl. 52–59, hier Bl. 55.

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wert jene Fürsorge für Strauß besaß, wird in den darauf folgenden Worten noch deutlicher: »Das dringt nicht immer nach außen und das wird auch nicht allen Angehörigen dieses Hauses bekannt, aber ich darf als Ihr nächster Mitarbeiter sagen, wie sehr Sie sich in jedem Einzelfall erkundigt haben, wie sehr Sie bemüht waren, trotz des zahlenmäßigen Anwachsens des Hauses, in Verbindung vor allem mit den Sorgen des Hauses und mit den Sorgen des Einzelnen zu bleiben. Dafür, sehr verehrter Herr Minister, sind wir Ihnen ganz besonders dankbar.«19

1.2 Dr. Hans-Joachim von Merkatz (1956–1957) Mit dem neuen Minister vollzog sich am 16. Oktober 1956 rein altersmäßig beinahe ein Generationswechsel auf der Rosenburg, denn der 1905 in Stargard / Pommern geborene von Hans-Joachim von Merkatz war rund 21 Jahre jünger als sein Amtsvorgänger. Der dritte Justizminister der Bundesrepublik war überdies ein Neffe des ehemaligen Reichsgerichtspräsidenten Erwin Bumke. Ebenso wie Fritz Neumayer gehörte von Merkatz seit 1949 dem Bundestag an, und zwar für die an der Regierungskoalition beteiligte Deutsche Partei (DP). Ferner hatte auch von Merkatz maßgeblich im Rechtsausschuss des Parlaments mitgewirkt und war daher mit der Arbeit des BMJ durchaus vertraut. Genau wie Walter Strauß hatte er einst sein Referendariat bei der Rechtsanwaltspraxis von Ernst Wolff absolviert, allerdings nicht zeitgleich mit seinem jetzigen Staatssekretär. Strauß und von Merkatz verband außerdem ein starkes Bekenntnis zum Berufsbeamtentum. So bekräftigte Letzterer, Berufsbeamtentum und Rechtsstaat gehörten untrennbar zusammen.20 Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den Höhepunkt der Gefährdung des Berufsbeamtentums nach 1945 auszumachen, als sich äußere und innere Kräfte gegen dasselbe verbündet hätten. Damals, so von Merkatz weiter, habe Misstrauen gegen das »vermeintliche Obrigkeitsdenken im preußisch-deutschen Beamtenkorps« geherrscht. In diesem Punkt hätte Strauß sicher widersprochen oder zumindest differenzierter argumentiert, hatte er – anders als von Merkatz – die Beamtenpolitik der Nationalsozialisten doch selbst erfahren müssen. Auch in der Riege der Minister war von Merkatz kein Unbekannter, denn seit 1955 bekleidete er das Amt des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates. Zuvor, von 1949 bis 1952, hatte er bereits die Geschäfte des Staatssekretärs in jenem Ministerium wahrgenommen und war damit ein Kollege von Strauß in der Gewerkschaft der Staatssekretäre gewesen. Eine längere Amtszeit als Bundesminister der Justiz blieb ihm jedoch verwehrt, denn die Wahlen zum dritten Deutschen Bundestag sollten 1957 einen erneuten Personalwechsel im 19 Ebd. 20 Ansprache von Bundesminister Dr. von Merkatz vor dem Zehnten Bundesvertretertag des Deutschen Beamtenbundes am 5.5.1959, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 83 v. 9.5.1959, S. 801.

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Ministeramt bringen. Den Posten als Bundesratsminister behielt von Merkatz jedoch auch nach seinem Abschied von der Rosenburg noch für einige Jahre, und zwar bis 1962. Nach dem Rücktritt des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Theodor Oberländer im Jahre 1960 war es erneut von Merkatz, der in die Bresche sprang und das genannte Ministerium übergangsweise bis zur folgenden Bundestagswahl 1961 übernahm. Bei der Einführung des neuen Ministers auf der Rosenburg am 23. Oktober 1956 betonte Staatssekretär Strauß selbstbewusst, dass er dieses Haus nun in von Merkatz’ Hände legen dürfe.21 Von Merkatz unterstrich seinerseits, er übernehme ein Haus, dessen Mitarbeiter sich durch hohe fachliche und moralische Qualität stets ausgezeichnet hätten.22 Von Staatssekretär Strauß sprach der neue Minister als von demjenigen, der die Kontinuität der Arbeit verkörpere und der das beständige Element bei allen Wechseln, die die politischen Verhältnisse mit sich bringen, darstelle.23 Wahrscheinlich ahnte von Merkatz nicht, dass sich diese Worte gut ein Jahr später einmal mehr als wahr erweisen würden. Bereits Ende Oktober 1957 war es für ihn an der Zeit, Abschied vom Justizministerium zu nehmen. Rückblickend betrachtet stellte Hans-Joachim von Merkatz nicht mehr als eine Übergangslösung auf der Rosenburg dar.

1.3 Bundesjustizminister Strauß? Nach der Bundestagswahl vom 15. September 1957 war somit auch der Posten des Justizministers zur Disposition gestellt. In einer Aufzeichnung über Personalfragen, die im Bundeskanzleramt entstand, tauchten die Namen verschiedener Kandidaten für das Amt auf, unter ihnen der CDU-Bundestagsabgeordnete Kurt-Georg Kiesinger, abermals der amtierende BGH-Präsident Weinkauff und der damalige Präsident des Oberlandesgerichts Celle Bruno Heusinger.24 Ferner, und das lässt aufmerken, wurde auch ein angebliches Interesse von Staatssekretär Strauß im Falle eines Ministerwechsels im BMJ konstatiert. In der Presse galt es Mitte Oktober 1957 indes als fast sicher, dass Kiesinger das Rennen mache.25 Eine am 14. Oktober aufgestellte Übersicht des Kanzleramts über die Verteilung der Ministerposten führte unter dem Justizressort ebenfalls Kiesinger auf.26

21 Ansprache von Staatssekretär Dr. Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 23. Oktober 1956, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 52–59, hier Bl. 58. 22 Ansprache von Bundesminister Dr. von Merkatz anlässlich der Amtsübergabe am 23. Oktober 1956, in: Ebd., Bl. 64–67, hier Bl. 65. 23 Ebd., Bl. 64. 24 Aufzeichnung des Bundeskanzleramts über Personalfragen, o. Tit., o. Dat., in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-002/3. 25 Vgl. Kiesinger an Adenauer v. 23.10.1957, in: Ebd. 26 Aufzeichnung des Bundeskanzleramts über die Verteilung der Ministerposten v. 14.10. 1957, o. Tit., in: Ebd.

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Vom Einzug der Normalität

Um den Sorgen evangelischer Kreise vor einem drohenden Übergewicht der katholischen Minister im neuen Kabinett Adenauer zu begegnen, versuchte Globke im Auftrag des Bundeskanzlers zu ergründen, ob Heusinger, der offenbar evangelischer Konfession war, als Minister zur Verfügung stünde – und ob er überhaupt der CDU angehöre oder ihr zumindest nahestehe.27 Der OLG -Präsident ließ daraufhin Staatssekretär Globke wissen, dass er nicht Bundesjustizminister werden wolle.28 Ihm selbst würde es etwa an Kenntnis der Bonner Verhältnisse fehlen. Im selben Atemzug hob Heusinger aber die Vorzüge des amtierenden Justizstaatssekretärs hervor, indem er bemerkte: »Herr Staatssekretär Dr. Strauß ist nicht nur älter als ich, sondern mir zugleich an einschlägiger Erfahrung weit überlegen.« Doch im Kanzleramt schien man Strauß nicht als Minister im BMJ haben zu wollen. Zumindest legte das die Antwort Globkes an Heusinger nahe, wenn er schrieb, dass die Entwicklung der Ministerfrage inzwischen mit Heusingers Entscheidung konformgehe, er andernfalls aber noch einmal auf den Präsidenten des OLG Celle zurückgekommen wäre.29 Einen Bundesjustizminister Walter Strauß sollte es also nicht geben. Stattdessen wurde der Ministerposten auf der Rosenburg an den bisherigen Finanzminister Fritz Schäffer übertragen.

1.4 Fritz Schäffer (1957–1961) Der vierte Bundesjustizminister blickte auf eine Vergangenheit als politisches Schwergewicht zurück, als er am 30. Oktober 1957 die Geschäfte auf der Rosenburg übernahm. Als erster Finanzminister der Bundesrepublik hatte der gebürtige Münchener Fritz Schäffer eine auf Stabilität und Ausgabendisziplin ausgerichtete Haushaltspolitik etabliert. Insofern waren die Voraussetzungen gegeben, dass sich der neue Minister und sein Staatssekretär zumindest fiskalisch gut miteinander arrangieren würden, hatte sich Strauß doch stets als Fürsprecher einer sparsamen Stellenpolitik hervorgetan. Im ersten Kapitel wurde bereits dargestellt, wie hart Schäffer für seine Positionen ringen konnte.30 Nun aber standen Strauß und Schäffer auf derselben Seite und mussten sich mit dem amtierenden Bundesminister der Finanzen auseinanderzusetzen, wenn es um den Haushalt des BMJ ging. Mit seinem Vorgänger als Justizminister von Merkatz hatte Schäffer einige Jahre lang gemeinsam am Kabinettstisch gesessen. Bei der Amtsübergabe auf der Rosenburg am 30. Oktober 1957 bekannte sich der scheidende Hausherr ausdrücklich zu seiner untergegangenen Heimat, dem alten Preußen, und bekräftigte, gerade in dieser Tradition habe er sich mit Staatssekretär Strauß »wirklich 27 28 29 30

Aufzeichnung des Bundeskanzleramts über Personalfragen, o. Tit., o. Dat., in: Ebd. Heusinger an Globke v. 21.10.1957, in: Ebd. Globke an Heusinger v. 31.10.1957, in: Ebd. Siehe dazu den unter I.3 folgenden Abschnitt »Sparsame Stellenpolitik und Beförderungen«.

Ein Staatssekretär, drei Minister

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auf einem Boden stehend« gewusst.31 Einen Bogen zu seinem Nachfolger schlug von Merkatz, indem er anmerkte, dass viel vom preußischen Geist auf Bayern übergegangen sei. Der im Dreikaiserjahr 1888 im Königreich Bayern geborene Schäffer mag es als Kompliment verstanden haben, wenn sein Vorgänger ausrief: »Das Preußentum der Tat lebt heute noch in Bayern.«32 Doch auch in den Mitarbeitern des Justizministeriums erblickte von Merkatz »Sachwalter einer guten Tradition«; der auf der Rosenburg herrschende Geist ermögliche es, zu dienen, ohne dienstbar zu sein.33 Der neue Hausherr stimmte in das Loblied auf die Mitarbeiter der Rosenburg mit ein, als er hervorhob, dass das, was er vom Bundesjustizministerium gehört habe, seine Achtung vor dem dort tätigen Personal gestärkt habe. Die eigene Rückkehr in den Bereich der Justiz deutete Schäffer vor dem Hintergrund seines Lebensweges als Rückkehr zu seiner Jugendliebe: »der reinen Jurisprudenz und der reinen Rechtsübung«.34 Bei seinem Amtsantritt im Oktober 1957 stand der Bayer bereits im 70. Lebensjahr. Seine berufliche Laufbahn hatte Schäffer bis zur Gründung der Bundesrepublik ausschließlich in Bayern verbracht, wo er zunächst im Innen-, später im Kultus- und schließlich im Finanzministerium diente. Als Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der Bayerischen Volkspartei hat er vielfältige Erfahrungen in der Parteipolitik sammeln können. Den Nationalsozialismus nahm Schäffer als bedeutenden Einschnitt wahr, wurde er doch zum 1. Juli 1933 in den Ruhestand versetzt. Im Folgejahr gelang es ihm, seine Zulassung als Rechtsanwalt zu erwirken, was er bis zum Untergang des Dritten Reiches auch blieb. Die amerikanische Besatzungsmacht hielt zunächst große Stücke auf den erfahrenen Verwaltungsfachmann und Politiker und machte ihn noch im Mai 1945 zum ersten bayerischen Ministerpräsidenten. Doch schon nach wenigen Monaten, Ende September, wurde Schäffer aufgrund anhaltender Differenzen mit der Militärregierung entlassen und erhielt sogar ein zeitweiliges politisches Betätigungsverbot. Als 1949 die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag anstand, war dieses Verbot ausgelaufen, und so konnte Schäffer für die CSU in das Parlament einziehen. Für die Christsozialen agierte er nicht nur als Landesgruppenvorsitzender, sondern stellte als Bundesfinanzminister auch deren wichtigste Figur im Bonner Kabinett dar. Den neuen Minister Schäffer und seinen Staatssekretär Strauß verband nicht zuletzt die Tatsache, dass beide dem Nationalsozialismus ablehnend gegenübergestanden hatten und wegen ihrer Haltung bzw. Herkunft aus dem Staatsdienst entfernt worden waren. So betonte der frisch gekürte Bundesjustizminister, dass er die Jahre von 1933 bis 1945 immer als Zeiten des größten deutschen Unglücks 31 Ansprache von Bundesminister von Merkatz anlässlich der Amtsübergabe am 30. Oktober 1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 72 f. 32 Ebd., Bl. 72. 33 Ebd. 34 Ansprache von Bundesminister Schäffer anlässlich der Amtsübergabe am 30. Oktober 1957, in: Ebd., Bl. 74–76, hier S. 75.

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betrachtet habe.35 Zuvor war schon Walter Strauß in seiner Rede auf die NS -Zeit eingegangen, indem er den heiligen Severin als Vorbild darstellte, der nach einem Diktum von Jacob Burckhardt ausgehalten habe im »Umsturz der Dinge«.36 Das sei es, so der Staatssekretär weiter, was in der Gegenwart nötig sei und was »von vielen von uns auch in den schlimmen vergangenen Jahren praktiziert wurde.«37 Mit Blick auf diese Äußerung wurde bereits zutreffend bemerkt, dass die Anwesenden schon gewusst haben werden, wer nicht zu den »vielen von uns« gehörte.38 Neben dem hohen fachlichen Können hätten die bisherigen Minister und er, der Staatssekretär, stets auch Standfestigkeit und ein selbstständiges Denken von den Mitarbeitern verlangt. Unter jenen Mitarbeitern sei ein nicht unerheblicher Teil früher schon in der reichsministeriellen Arbeit tätig gewesen. Ohne diese Kollegen und ihre Erfahrungen wäre das BMJ nicht in der Lage gewesen, so mutmaßte Strauß, die Aufgaben der vergangenen acht Jahre auch nur annähernd zu erfüllen. Nachdem die Zeit ab 1949 vor allem der Wiederherstellung der Rechtseinheit und der Beseitigung von heute nicht mehr tragbaren Normen gedient habe, bestünde nun die Hoffnung, in der gerade begonnenen Legislaturperiode echte Reformprobleme anzugehen.39 Worin Fritz Schäffer die Aufgabe des von ihm geleiteten Ministeriums sah, wurde in seiner Weihnachtsbotschaft von 1959 an alle Angehörigen der Rosenburg vielleicht am deutlichsten: »Das Bundesjustizministerium hat eine besondere Aufgabe. Es muß es als seine Pflicht betrachten, sich von allen politischen Streitigkeiten des Tages möglichst fern zu halten und an den ewigen Bestand des Rechts und der Achtung vor dem Recht zu denken. Das Bundesjustizministerium sucht seine Pflicht zu erfüllen, ohne um die Gunst der Öffentlichkeit zu buhlen, sondern nur in dem Geiste, das Höchste im Volk, nämlich die Achtung vor Gesetz und Recht, die treue Befolgung der Gebote, die der Gedanken des Rechts jedem einzelnen [sic!] auferlegt, zu erreichen.« Und als Mahnung fügte der Minister hinzu, die Angehörigen des Justizministeriums wüssten, dass sie unter diesem Gesichtspunkt »strengen Ansprüchen« ausgesetzt seien.40 Staatssekretär Strauß teilte diese Gedanken voll und ganz – und zitierte die Weihnachtsbotschaft Schäffers zu dessen Abschied von der Rosenburg im November 1961 »als Richtlinie für uns alle«.41

35 Ebd., Bl. 75. 36 Ansprache von Staatssekretär Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 30. Oktober 1957, in: Ebd., Bl. 68–71, Zitat Bl. 71. 37 Ebd., Bl. 71. 38 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 366. 39 Ansprache von Staatssekretär Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 30. Oktober 1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 69. 40 Weihnachtsbotschaft von Bundesjustizminister Schäffer an alle Angehörigen des Hauses, 1959, in: Ebd., Bl. 96. 41 Ansprache von Staatssekretär Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 14. November 1961, in: Ebd., Bl. 77–84, Zitat Bl. 82 f.

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2. Veränderungen auf Abteilungsleiterebene Im Zeitraum von der Ablösung Dehlers durch Fritz Neumayer im Oktober 1953 bis zum Ende der Amtszeit Fritz Schäffers im November 1961 gab es lediglich zwei Veränderungen auf der Ebene der Abteilungsleiter im BMJ. Die erste Änderung betraf die Übernahme der Abteilung Z durch Heinrich Richter 1954, während die zweite durch den Wechsel in der Leitung der zivilrechtlichen Abteilung I von Georg Petersen zu Gerhard Erdsiek im Jahre 1957 markiert wurde, nachdem der Eintritt von Ministerialdirektor Petersen in den Ruhestand mehrfach hinausgeschoben worden war. Dagegen blieben die Abteilungsleiter Schafheulte (II), Joël (III) und Roemer (IV) im Amt.

2.1 Dr. Heinrich Richter Auch über den Wechsel im Ministeramt von Dehler zu Neumayer hinaus leitete Staatssekretär Strauß in Personalunion zunächst weiterhin die Verwaltungsabteilung des BMJ. Doch hier zeichnete sich schon sehr bald eine Änderung ab. Unter den im September 1953 aus langjähriger russischer Kriegsgefangenschaft entlassenen Personen war ein gewisser Dr. Heinrich Richter. Dieser hatte seit 1923 fast ununterbrochen im Dienst erst des Preußischen und dann des Reichsjustizministeriums gestanden. Nach seiner Ernennung zum Ministerialrat im Jahre 1934 war er nicht weiter befördert worden. Beide Weltkriege hatte Richter indes aktiv als Soldat miterlebt, zuletzt als Oberstleutnant der Reserve. Bestrebungen im Herbst 1942, ihn von der Wehrmacht ins Ministerium zurückzuholen, stand Richter skeptisch gegenüber. Dem Naumburger Oberlandesgerichtspräsidenten teilte er mit, er habe »freiwillig den grauen Rock wieder angezogen und mag ihn nicht wieder ablegen«, bevor der Krieg entscheiden sei. Und weiter: »Ich käme mir im Grunde doch fahnenflüchtig vor.«42 Seine inneren Erlebnisse während der Gefangenschaft in Russland schrieb Richter in einem Rundbrief an seine »Freunde und Kameraden« nieder.43 Der sehr persönlich gefärbte wie offene Bericht zeichnet das Bild eines Mannes, dessen christlicher Glaube ihm eine feste Stütze bei allen inneren Kämpfen in den Jahren fernab der Heimat war. Die Tatsache, dass unter den Spätheimkehrern im Herbst 1953 auch Heinrich Richter und ein weiterer ehemaliger Angehöriger des Reichsjustizministeriums waren, hatte Walter Strauß im Kabinett zur Sprache gebracht und in diesem Zuge gefordert, dass man hinsichtlich der Wiedereinstellung der Beamten »etwas 42 Aus den Bemerkungen Richters ihm gegenüber zitierte der Naumburger OLG -Präsident in einem Schreiben an den Staatssekretär im Reichjustizministerium vom 8. November 1942. Siehe dazu BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 94. 43 Rundbrief von Heinrich Richter v. 10.11.1953, in: IfZArch, ED 94, Bd. 384, Bl. 133 f.

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Besonderes« tun müsse.44 Da im Haushalt des BMJ keine entsprechenden Planstellen mehr verfügbar waren, bat der Staatssekretär den Bundesfinanzminister, mit ihm nach Wegen zu suchen, um für diesen Fall zusätzliche Stellen zu schaffen. Nach der im Kabinett zugesagten Prüfung dieser Frage ließ man seitens des Finanzministeriums das BMJ wissen, dass anlässlich der Unterbringung von Heimkehrern zusätzliche Planstellen nicht geschaffen werden könnten, für die kein sachliches Bedürfnis bestehe.45 Damit lag das BMF ganz auf der sonst auch von Strauß vertretenen Linie sparsamer Stellenpolitik. Knapp eine Woche später, am 23. Dezember, stellte das Bundesjustizministerium Heinrich Richter auf dessen Antrag hin einen Wiedergutmachungsbescheid aus.46 Als Wiedergutmachung für die Schädigung, die ihm durch nationalsozialistische Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen zugefügt worden sei, wurde die Beförderung Richters zum Ministerialdirigenten mit Wirkung vom 1. Oktober 1943 nachgeholt. Zur genaueren Begründung hieß es, Richter sei nach 1934 von jeder Beförderung ausgeschlossen gewesen und auch 1943, als dies »ernstlich in Erwägung gezogen wurde«, nicht zum Ministerialdirigenten ernannt worden, da er weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen angehört und sich geweigert habe, eine solche Mitgliedschaft zu erwerben. Insofern sei Richter wegen seiner politischen Überzeugung von einer Beförderung ausgeschlossen und in seiner Dienstlaufbahn geschädigt worden. Aus dem im Reichsjustizministerium geführten Personalbogen geht hervor, dass Richter seit dem 1. Oktober 1937 als Förderer dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps angehörte, das allerdings keine Gliederung der Partei, sondern als Nachfolgeorganisation des Deutschen Luftsportverbandes eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war.47 Außerdem gehörte der Ministerialbeamte dem Reichsbund der Deutschen Beamten an, als dessen kommissarischer Walter er für die Fachschaftsgruppe Justizministerium fungierte. Die nun erfolgte Wiedergutmachung hatte zweierlei zur Folge: Zum einen hatte Richter nun den Anspruch, als Ministerialdirigent wiederverwendet zu werden, zum anderen wirkte sich die rückwirkende Beförderung günstig auf die spätere Pension des Beamten aus. Trotz dieser erfreulichen Nachrichten für Richter blieb die Perspektive seiner etwaigen Einstellung im Bundesjustizministerium unklar. Der Staatssekretär des BMJ hatte dem Direktor des für Heinrich Richter zuständigen Entschädigungsamts in Berlin bereits Anfang November 1953 in einem persönlichen Schreiben versichert, dass das Ministerium »selbstverständlich für 44 309. Kabinettssitzung am 29. September 1953 TOP C (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 45 Der BMdF an den BMdJ v. 17.12.1953 betr. Einstellung von Beamten des früheren Reichsjustizministeriums, die jetzt aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt sind, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Bl. 5 f. 46 Wiedergutmachungsbescheid des BMdJ für Dr. Heinrich Richter v. 23.12.1953, in: Ebd., Bl. 1–3. 47 RJM -Personalbogen zu Heinrich Richter, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Beiakte Preußisches Justizministerium, unpag. Bl.

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seine Wiederverwendung Sorge tragen« werde.48 Und tatsächlich stand Strauß seit dem Spätherbst 1953 in regem Briefkontakt mit Richter.49 Am 9. Dezember schrieb der ehemalige Ministerialbeamte dem Staatssekretär, dass er »jetzt« dem Bundesjustizministerium zur Verfügung stehe und auf »die Entscheidung des Herrn Ministers« warte.50 Hinter den Kulissen hatte es demzufolge bereits Gespräche über eine Tätigkeit Richters im BMJ gegeben. Freilich schweigen die Akten darüber. Auch nachdem das Bundesfinanzministerium der Schaffung einer zusätzlichen Planstelle für den Spätheimkehrer Richter eine Absage erteilt hatte, hielt Strauß an seinen Bemühungen fest, Richter eine Anstellung auf der Rosenburg zu verschaffen. Einen gangbaren Weg dazu hatte das Finanzressort selbst aufgezeigt, indem es auf die Möglichkeit einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis hinwies.51 Diesen Weg schlug das BMJ ein. Die Entscheidung von Minister Neumayer für den erfahrenen Beamten fiel jedenfalls im Dezember, denn kurz vor dem Jahreswechsel schrieb Richter an Strauß, er freue sich auf die gemeinsame Arbeit und hoffe, dass sie Erfolg haben werde.52 Die Fragen des künftigen Dienstverhältnisses von Ministerialdirigent z. Wv. Dr. Richter waren Mitte Januar 1954 Gegenstand einer Besprechung zwischen den Staatssekretären des Justiz- und des Finanzministeriums, Strauß und Hartmann. In einem Vermerk für Personalreferent Winners hielt Strauß fest, dass der Finanzstaatssekretär eine Prüfung veranlassen werde, »welches Verfahren unter Berücksichtigung der Belange unseres Hauses das zweckmässigste« sei.53 Noch im Januar entstand daraufhin im BMJ der Entwurf eines Dienstvertrages mit Heinrich Richter.54 Demgemäß sollte der frühere Beamte mit Wirkung vom 4. Januar 1954 – dem Tag seines tatsächlichen Dienstantritts auf der Rosenburg – auf unbestimmte Zeit als Angestellter mit außertariflicher Vergütung in Höhe der Dienstbezüge eines Ministerialdirigenten zuzüglich der entsprechenden Aufwandsentschädigung beim Justizministerium beschäftigt werden. Der Entwurf wurde jedoch erst zwei Monate später dem Finanzressort zur Kenntnis gegeben.55 Nachdem das Bundeskabinett dem Einstellungsvorschlag des BMJ am 28. April zugestimmt hatte, wurde der am Entwurf orientierte Dienstvertrag 48 49 50 51 52 53 54 55

Strauß an Dr. Eichholz v. 5.11.1953 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 379, Bl. 151. Vgl. die entsprechenden Briefe in: Ebd., Bd. 384, 388. Richter an Strauß v. 9.12.1953, in: Ebd., Bd. 384, Bl. 135. Der BMdF an den BMdJ v. 17.12.1953 betr. Einstellung von Beamten des früheren Reichsjustizministeriums, die jetzt aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt sind, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Bl. 5 f. Richter an Strauß v. 27.12.1953, in: IfZArch, ED 94, Bd. 384, Bl. 136. Vermerk von Strauß für Winners v. 16.1.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Bl. 8. Entwurf eines Dienstvertrages zwischen dem BMdJ und dem Herrn Ministerialdirigenten z. Wv. Dr. Heinrich Richter v. Januar 1954, in: Ebd., Bl. 10. Der Brief an das BMF wurde allerdings nicht per Post geschickt, sondern von Winners mündlich mit einem Kollegen aus dem Finanzministerium besprochen. Siehe Notiz von Winners v. 16.3.1954, in: Ebd., Bl. 9.

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aufgesetzt, aber nicht nur bis zum Tag des tatsächlichen Dienstantritts, sondern sogar drei weitere Tage bis zum 1. Januar 1954 rückdatiert.56 Die Ernennung Richters zum Ministerialdirigenten beim Bundesjustizministerium unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ließ indes nicht lange auf sich warten. Bereits am 24. Juni wurde er zum Ministerialdirigenten ernannt und mit Wirkung vom 1. April in die entsprechende Planstelle eingewiesen. Zunächst leitete Richter nur die in der Verwaltungsabteilung kurzfristig eingerichtete Unterabteilung A, wie aus einem Organisationsplan des BMJ mit Stand vom Januar 1954 hervorgeht.57 Dazu gehörten die Referate für Personalangelegenheiten, Besoldung, Verkündungs- und Bekanntmachungswesen sowie Interzonale Rechtsfragen. Das Haushaltsreferat verblieb ebenso wie das Referat für Organisationsangelegenheiten und die Geschäfte des Bürodirektors sowie die Pressestelle im direkten Verfügungsbereich von Staatssekretär Strauß, der der Verwaltungsabteilung weiterhin vorstand. Allerdings war diese Konstruktion nicht von Dauer, denn schon bald wurde Richter zum Leiter der gesamten Abteilung Z bestellt und war damit auch für den Haushalt zuständig. Einzig der Ministerialbürodirektor und die Pressestelle blieben dem Staatssekretär auch fortan direkt unterstellt.58 Am 22. März 1954 war Richter außerdem von Bundesjustizminister Neumayer zum Verbindungsmann zum Deutschen Gewerkschaftsbund bestellt worden.59 Das ist – wie auch die Tatsache der Übernahme der Unterabteilung Z A  – insofern bemerkenswert, als Richter zu dieser Zeit noch nicht einmal über einen offiziellen Dienstvertrag mit dem BMJ verfügte.60 Die Hausleitung vertraute von Anfang an den Fähigkeiten des erfahrenen Ministerialbeamten und wollte sich dessen Dienste auch für die Zukunft sichern. Angesichts der in diesem Kapitel noch zu thematisierenden Ausweitung des Personalbestandes im BMJ und der damit verbundenen Mehrarbeit hatte die Übernahme der Abteilung Z durch Heinrich Richter eine entlastende Funktion für Staatssekretär Strauß. Aus der Sicht des Jahres 1957 bemerkte dieser: »Daß dienstliche Schreiben in den letzten Jahren häufig nicht von mir selbst unterzeichnet worden sind, liegt daran, daß ich im Herbst 1953 [hier irrt Strauß; richtig ist: im Laufe des Jahres 1954] die Leitung der Zentralabteilung abgegeben habe, weil durch die Rückkehr von Herrn Dr. Richter aus russischer Kriegsgefangenschaft endlich eine Persönlichkeit gefunden wurde, welche diese Funktion übernehmen konnte. Bei meiner immer noch steigenden Inanspruch-

56 Dienstvertrag zwischen dem BMdJ und dem Herrn Ministerialdirigenten z. Wv. Dr. Heinrich Richter v. 30.4.1954, in: Ebd., Bl. 23. 57 BMJ, Organisationsplan, Stand: Januar 1954. 58 BMJ, Organisationsplan, Stand: Juni 1955. 59 Der BMdJ an den Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes – Parlamentarische Verbindungsstelle v. 22.3.1954 betr. Verbindungsmann zum Deutschen Gewerkschaftsbund (Abschrift), in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Bl. 11. 60 Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es zumindest einen provisorischen Dienstvertrag gab.

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nahme bedeutet das für mich eine erhebliche Entlastung.«61 Allerdings mochte der oberste Beamte des BMJ nicht alle Fäden aus der Hand geben. Aus dem eben zitierten Brief an Hermann Weinkauff von Anfang Mai 1957 geht nämlich auch hervor, dass Strauß »nach wie vor« alle Eingänge der Zentralabteilung durchsehe. Mit der Ernennung Heinrich Richters geriet darüber hinaus die konfessionelle Parität auf Abteilungsleiterebene ins Wanken. Das war jedoch insofern strukturell bedingt, als die Stelle des Abteilungsleiters Z – ursprünglich hatte sich Strauß im August 1949 wie erwähnt gegen die Einrichtung selbstständiger Verwaltungsabteilungen in den Bundesministerien ausgesprochen – neu geschaffen bzw. erstmalig mit einem eigenen Beamten besetzt wurde, und damit das Gleichgewicht von zwei katholischen und zwei evangelischen Abteilungsleitern zwangsläufig nicht aufrechterhalten werden konnte. Ähnliches galt für die Ausgewogenheit bei der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit. Mit Heinrich Richter kam ein weiterer Spitzenbeamter aus Berlin-Brandenburg ins BMJ und verstärkte damit das ohnehin im Ministerium vorherrschende norddeutsche Element. a)

Richter und der Fall Sindermann

Dass gegen Ministerialdirigent Richter schwere Vorwürfe wegen seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus erhoben wurden, ist in der »Akte Rosenburg« ausführlich nachzulesen.62 Zur Vorgeschichte des Hauptakteurs, des Oberregierungsrats a. D. Joachim Sindermann, der die Betrauung des ehemaligen Ausbildungsreferenten des Reichsjustizministeriums Heinrich Richter mit Wiedergutmachungsangelegenheiten im BMJ scharf kritisiert hatte, liegen nunmehr neue Erkenntnisse vor: Sindermann war – ebenso wie Walter Strauß – Mitglied der CDU. Das geht aus einem Schreiben des hessischen Landesverbandes der Christdemokraten an den Staatssekretär im BMJ vom 11. September 1952 hervor, in dem von einer Besprechung mit »unserem Parteifreund« Sindermann die Rede ist.63 Des Weiteren heißt es darin, Sindermann sei im Rahmen der Wiedergutmachung bei der Bank Deutscher Länder verwendet worden, dort aber seit mehreren Monaten ohne Tätigkeit. Da der Beamte stellenplanmäßig zum BMJ gehöre, äußerte der Unterzeichnete gegenüber Strauß die Bitte, sich des Falles einmal anzunehmen. Unter dem Schreiben notierte der Staatssekretär »Herrn Dr. Lohr64 Bitte um Darstellung unserer bisherigen Bemühungen. Wäre nicht Hessen zuständig?«65 Das BMJ hatte sich folglich bereits um die Unter61 Strauß an Weinkauff v. 3.5.1957 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 216, Bl. 135. 62 Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 138–140. 63 Landessekretariat des CDU -Landesverbandes Hessen an Strauß v. 11.9.1952, gez. Wolfermann, in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 92. 64 Zu Theodor Lohr siehe die Passage »Die einzelnen Referatsleiter der Verwaltungsabteilung« im unter II .3 folgenden Abschnitt »Die Erweiterung des Personalbestandes«. 65 Notiz von Strauß auf dem Schreiben des Landessekretariats des CDU -Landesverbandes Hessen an Strauß v. 11.9.1952, gez. Wolfermann, in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 92.

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bringung von Sindermann gekümmert und antwortete nach Hessen, man habe sich seinetwegen an sämtliche Bundesministerien gewandt; mit zwei Ministerien liefen derzeit auch aussichtsreiche Verhandlungen wegen seiner Einstellung.66 Außerdem betonte Strauß, Sindermann habe wiederholt auf der Rosenburg vorgesprochen und sich dafür bedankt, »dass wir uns wegen seiner Unterbringung solche Mühen machten.« Anders, als es zunächst schien, war Sindermann also nicht irgendeiner von den zahlreichen Wiedergutmachungsfällen im Bereich der Justiz. Zwischenzeitlich war sogar seine Verwendung im Bundesministerium der Justiz in Erwägung gezogen worden. In einem Vermerk von Personalreferent Winners vom 6. Juni 1953 hieß es, für Sindermann sowie zwei andere namentlich genannte Geschädigte nach dem BWGöD, die aufgrund von Wiedergutmachungsbescheiden des Bundesjustizministeriums Anspruch auf bevorzugte Wiederanstellung hätten, seien Planstellen vorhanden, und zwar die freie Stelle Dr. Meyer-Cording und die freiwerdenden Stellen Weitnauer und Wahl.67 Warum letztlich keiner der drei Herren – auch nicht Joachim Sindermann – im Ministerium unterkam, erscheint indes fraglich. Der ehemalige Oberregierungsrat Sindermann hatte von Bundesjustizminis­ ter Fritz Schäffer verlangt, dass ein Verfolgter des NS -Regimes mit seiner Wiedergutmachungsangelegenheit betraut würde.68 Doch wie stand es im BMJ eigentlich um die Besetzung von Stellen mit politisch Verfolgten des Nationalsozialismus? Diese Frage stellte der SPD -Abgeordnete Reinhold Rehs am 23. März 1955 im Deutschen Bundestag.69 Mit Blick auf die Jahre 1952 bis 1954 wollte er wissen, wie viele Beamte des höheren Dienstes neu in das Bundesministerium der Justiz berufen wurden, die in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Verfolgungen ausgesetzt waren. In seiner Antwort bezifferte das BMJ diesen Personenkreis auf drei.70 Ohne die Namen der betreffenden Beamten zu nennen, hieß es zur näheren Erläuterung, zwei von ihnen hätten Wiedergutmachungsbescheide erhalten, da sie im öffentlichen Dienst nicht befördert worden seien und der Dritte, weil er aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden sei. Aus dem in den Akten befindlichen Material, von dem nicht klar ist, ob es mit an den 66 Strauß an Wolfermann v. 23.9.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 94. 67 Vermerk von Winners v. 6.6.1953 betr. Beachtung des § 5 Abs. 2 des Nachtragshaushaltsgesetzes 1952 vom 9.4.1953 – BGBl. Teil II S. 99 – bei Ernennung des Oberregierungsrats Dr. Woernle, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ  – Allg. 18, Planstellen für Wiedergutmachungsberechtigte, unpag. Bl. 68 Sindermann an den BMdJ v. 28.11.1958, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – Allg. 1–12, zu 220 BMJ – Allg. 1 – Beschwerde des Joachim Sindermann, Bl. 12. Siehe dazu Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 140 m. Anm. 273. 69 Mündliche Anfrage des Abg. Rehs für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: Deutscher Bundestag – 2. Wahlperiode, Drucksache 1279, hier Frage Nr. 13. 70 BMJ, Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 13 der Drucksache Nr. 1279 des Deutschen Bundestages für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ  – Allg. 1, Allgemeines Bundesjustizministerium, Bd. 1, Bl. 68.

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Parlamentarier Rehs übersandt wurde, geht jedoch hervor, dass mit Letzterem Dietrich Lang-Hinrichsen, mit den anderen beiden Beamten die Abteilungsleiter Josef Schafheutle und Heinrich Richter gemeint waren.71 Lang-Hinrichsen, wiewohl Katholik, war aufgrund seiner jüdischen Abstammung zum 1. November 1933 in den Ruhestand versetzt worden und ging anschließend ins brasilianische Exil, aus dem er erst 1951 nach Deutschland zurückkehrte.72 Vor seiner Einberufung in die strafrechtliche Abteilung des BMJ war der Remigrant zunächst als Professor für Strafrecht an der Juristischen Abteilung der erweiterten Hochschule in Bamberg tätig. Zum Zeitpunkt der Anfrage des Abgeordneten Rehs war Lang-Hinrichsen aber schon gar nicht mehr im Ministerium beschäftigt, sondern seit mehr als einem halben Jahr Bundesrichter am Bundesgerichtshof. Zur Vorgeschichte sowohl von Josef Schafheutle als auch von Heinrich Richter wurde bereits das Entscheidende gesagt. Dass die Bilanz für das BMJ sehr dürftig ausfiel, was die Einstellung während des Nationalsozialismus verfolgter Beamter des höheren Dienstes anging, ist offenkundig. Der Bundestagsabgeordnete Rehs hatte indes nicht nur nach der Anzahl der Verfolgten des NS -Regimes unter den höheren Beamten des Bundesjustizministeriums gefragt, sondern auch danach, wie viele der im Zeitraum von 1952 bis 1954 eingestellten, auf Lebenszeit ernannten oder beförderten Beamten des höheren Dienstes einstmals dem Reichsjustizministerium angehört hatten bzw. in der Zeit nach 1945 vom öffentlichen Dienst zeitweise ausgeschlossen waren.73 In seiner Antwort teilte das Ministerium dem Abgeordneten mit, von den Beamten des genannten Personenkreises hätten elf dem früheren Reichsjustizministerium angehört.74 Aus der bei den Akten befindlichen Übersicht ist zu ersehen, dass dies die Herren Schafheutle, Richter, Ebersberg, Rinck, Münzel, Hundertmark und Knopp (allesamt neu berufen) sowie Bülow, Geßler, Weitnauer und Caspers (allesamt befördert) waren.75 Wie gesagt, umfasste die erste Personengruppe nur die ab 1952 ins BMJ eingetretenen Beamten. Doch bereits zum Gründungspersonal gehörte ein Grundstock erfahrener Beamter des ehemaligen Reichsjustizministeriums. Zur Frage eines zeitweisen Ausschlusses vom öffentlichen Dienst bemerkte das Ministerium, darüber würden die Personalakten »keine 71 BMJ, Übersicht zur Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 13 der Drucksache Nr. 1279 des Deutschen Bundestages für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: Ebd., Bl. 69–71, hier Bl. 69. 72 Zu Lang-Hinrichsen siehe auch Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 319 f. 73 Mündliche Anfrage des Abg. Rehs für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: Deutscher Bundestag – 2. Wahlperiode, Drucksache 1279, hier Frage Nr. 13. 74 BMJ, Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 13 der Drucksache Nr. 1279 des Deutschen Bundestages für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ  – Allg. 1, Allgemeines Bundesjustizministerium, Bd. 1, Bl. 68. 75 BMJ, Übersicht zur Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 13 der Drucksache Nr. 1279 des Deutschen Bundestages für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: Ebd., Bl. 69–71.

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hinreichende Auskunft« bieten.76 Diese Aussage erstaunt, zumal in den Personalakten überwiegend auch Lebensläufe oder Entnazifizierungsunterlagen enthalten sind, aus denen solche Zeiten in der Regel hervorgehen. Eine zuverlässige Feststellung, so argumentierte man auf der Rosenburg, ließe sich nur durch Befragung jedes einzelnen Beamten treffen. »Ich beabsichtige jedoch nicht eine solche Befragung jetzt noch durchzuführen«, wie abschließend – wohl für den Bundesjustizminister – gesagt wurde.77 Die Tatsache, dass mit Heinrich Richter ausgerechnet ein Beamter, der bereits während des Dritten Reiches mit Personalfragen befasst war, nun über Fragen der Wiedergutmachung zu befinden hatte, rief nicht nur die Kritik und den Unmut eines sich ungerecht behandelt fühlenden Oberregierungsrats a. D. hervor. So wandte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Prof. Franz Böhm in einem als Privatbrief deklarierten Schreiben an den ihm bekannten Abteilungsleiter im BMJ Gerhard Erdsiek, von dem noch zu sprechen sein wird, und bezeichnete es als eine »völlig unerträgliche Situation«, dass früher mit Personalfragen befasste Persönlichkeiten zu Aufgaben der Wiedergutmachung herangezogen würden.78 Den Ausgangspunkt für diese Aussage bildete auch für Böhm die Causa Sindermann, auf die er von hessischen Fraktionskollegen aufmerksam gemacht worden war. Wenngleich er den mit dieser Angelegenheit befassten Dr. Richter nicht kenne und keine Anhaltspunkte dafür besitze, dass dieser sich unkorrekt verhalten habe, so stellte Böhm die grundsätzliche Forderung auf, es müsse unter allen Umständen vermieden werden, dass auch nur bei einem Wiedergutmachungsberechtigten der Eindruck entstehe, »das Schicksal seiner Wiedergutmachungsanträge liegt in der Hand von Beamten, die bei Verfolgungsmaßnahmen gegen seine eigene Person oder gegen einen Kollegen amtlich mitgewirkt haben.«79 Böhm wusste, wovon er sprach. Seit 1955 war er stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wiedergutmachung. Drei Jahre zuvor hatte er bereits die deutsche Delegation angeführt, die mit Israel und der Jewish Claims Conference über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts verhandelte. Am Zustandekommen des aus den Verhandlungen resultierenden Luxemburger Abkommens vom 10. September 1952 war Böhm also an verantwortlicher Stelle beteiligt gewesen. Überdies war er ein enger Bekannter von Walter Strauß, mit dem er einige Jahre gemeinsam im Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums gewirkt hatte. Dass Böhm die Ministerialdirigent Richter betreffende Angelegenheit Sindermann lediglich in einem nicht für die Akten bestimmten Privatbrief an Ministerialdirektor Erdsiek erörterte und diesen um ein vertrauliches Gespräch 76 BMJ, Antwort auf die mündliche Anfrage Nr. 13 der Drucksache Nr. 1279 des Deutschen Bundestages für die 75. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. März 1955, in: Ebd., Bl. 68. 77 Ebd. 78 Prof. Böhm an Erdsiek v. 15.1.1959 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 95–97, hier Bl. 97. 79 Ebd., Bl. 97.

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unter vier Augen bat, geschah aus Rücksichtnahme auf eventuelle Empfindlichkeiten »bei einem unserer gemeinsamen Freunde«.80 Hiermit konnte nur Staatssekretär Strauß gemeint sein, der sowohl zu Böhm als auch zu Erdsiek ein enges Verhältnis besaß. Dass der Böhm-Brief dennoch in den Nachlass von Strauß gelangte, legt den Schluss nahe, dass Erdsiek ihn entgegen der Bitte des Verfassers an seinen Vorgesetzten weitergab. Eine ebenfalls im Nachlass von Strauß befindliche Aufzeichnung über den Fall Sindermann ist zwar weder datiert noch unterzeichnet, doch manches deutet darauf hin, dass das Schriftstück von einem Abgeordneten – am ehesten von Franz Böhm – verfasst wurde.81 Aufgrund der darin genannten Daten ist davon auszugehen, dass es nicht vor Ende 1958 entstand. Der Verfasser spricht darin von Unterlagen, die ihm Staatssekretär Strauß überlassen habe. Anhand dieses Materials bestehe wohl kein Zweifel darüber, dass Sindermann »ein patholo­ gischer Querulant und Verleumder« sei, sich während des Dritten Reiches auch in politischer Hinsicht »höchst übel« verhalten habe und keine Wiedergutmachung verdiene.82 Desgleichen sei im BMJ bei der Ermittlung der Tatsachen, auf die es seinen Widerrufsbescheid gegründet habe, offensichtlich mit großer Sorgfalt verfahren worden. So trage die entsprechende Verfügung nicht die Unterschrift von Ministerialdirigent Richter, der den Fall gar nicht bearbeitet habe, sondern diejenige von Staatssekretär Strauß, der sich nicht etwa mit dem Vortrag des zuständigen Sacharbeiters begnügt, sondern vor der Unterzeichnung alle Akten selbst noch einmal durchgearbeitet habe. »Trotzdem wären einige verfahrensmäßige Mängel zu beanstanden«, so hieß es direkt im Anschluss.83 Vor allem die Tatsache, dass das Bundesjustizministerium vor dem Erlass seiner Widerrufsverfügung Herrn Sindermann nicht gehört und das Landesverwaltungsgericht Köln eine solche Notwendigkeit ebenso verneint habe, wurde deutlich kritisiert. Der Verfasser betonte, ihm sei es ein wichtiges Anliegen, die Rechtsgarantien in Verwaltungssachen zu verstärken, zu denen nicht zuletzt das Recht auf Gehör gezählt werden müsse. Dadurch würden Fehler, wie sie im Fall Sindermann dem BMJ unterlaufen seien, vermieden werden.84 b)

Personelle Netzwerke

Über die Angelegenheit Sindermann hinaus hält die Personalie Richter einige wichtige Erkenntnisse bereit. Als ehemaliger hoher Beamter des Preußischen Justizministeriums wie auch des Reichsjustizministeriums kannte Heinrich Richter eine Vielzahl von Personen aus diesem Umfeld. Mindestens zweien von 80 81 82 83 84

Ebd., Bl. 95. Betr. Fall Sindermann, undat. Aufzeichnung o. Verf., 9 S., in: Ebd., Bl. 100–108. Ebd., Bl. 102. Ebd., Bl. 103. Ebd., Bl. 107.

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ihnen ebnete er den Weg ins Bundesministerium der Justiz: Kurt Last und Karl Münzel. Daran lässt sich deutlich ablesen, wie personelle Netzwerke funktionierten und welch entscheidende Bedeutung persönliche Empfehlungen in der Personalpolitik besaßen. Am 29. März 1955 legte Abteilungsleiter Z Richter Staatssekretär Strauß die Personalakten von Ministerialrat v. Wv. Kurt Last vor und bat um eine Entscheidung, ob der Beamte zu einer Vorstellung im Hause aufgefordert werden solle.85 Zuvor hatte er Strauß bereits mündlich diese Personalangelegenheit vorgetragen. Nun bekräftigte Richter noch einmal auf schriftlichem Wege, dass sich der 1900 im pommerschen Wobensin geborene Last seiner Überzeugung nach für den Arbeitsbereich Sammlung und Sichtung des Bundesrechts eigne. Der Beamte sei damit ebenso einverstanden wie mit seiner Beschäftigung im Angestelltenverhältnis. »Ich habe ihm mitgeteilt, daß eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht in Frage kommt«, so Richter weiter. Den Grund dafür nannte der Ministerialdirigent nicht, äußerte sich aber näher zur Frage der politischen Belastung des Beamten. Allerdings erwähnte Richter dabei weder Lasts frühzeitige NSDAP-Mitgliedschaft mit Beitritt vom 1. April 1933 noch seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA (1933/34) oder seine Tätigkeit als Vertrauensmann und Sachbearbeiter für die Gruppe Richter sowie Assessoren im Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB).86 Ebenso wenig brachte Richter das frühere Wirken Lasts als Mitarbeiter der Reichsleitung der NSDAP im Hauptamt für Beamte zum Ausdruck.87 Stattdessen verwies der Ministerialdirigent auf bei den Akten befindliche dienstliche Äußerungen über Kurt Last, die dazu angetan waren, die politische Belastung in das rechte – sprich unproblematische – Licht zu rücken. Darunter ist auch eine Stellungnahme, die Richter 1937 in seiner Eigenschaft als Ministerialrat des Reichsjustizministeriums auftragsgemäß zu den Vorwür­ fen gegen seinen Mitarbeiter Amtsgerichtsrat Last verfasst hatte.88 Schon damals, als die Parteikanzlei der NSDAP der im Ministerium geplanten Beförderung Lasts zum Kammergerichtsrat zunächst widersprochen hatte, setzte sich Richter für Last ein. Demselben war unter anderem vorgehalten worden, 1918 der SPD nahegestanden und im Freundeskreis dienstliche Interna preisgegeben zu haben; ausschlaggebend für die Ablehnung der Beförderung war jedoch die Tatsache, dass Last nicht zu den Altparteigenossen gehörte – er erschien der Partei also als nicht nationalsozialistisch genug für seine wichtige Stellung.89 Anhand der Last 85 Richter an Strauß v. 29.3.1955, in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11 – L 39), Bl. 1. 86 Personalbogen zu Kurt Last (P 11 – L 39), in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11 – L 39), Bl. II . 87 Personalbogen zu Kurt Last, in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11 – L 39), Beiakte Kammergericht, unpag. Bl. 88 Richter an Präsident Dr. Palandt v. 2.2.[1937], in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11  – L 39), Beiakte RJM , Bl. 39–42. 89 Der Stellvertreter des Führers an den RMdJ v. 19.12.1936, in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11 – L 39), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 27. Darin heißt es ferner:

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eigenen Charakterstärke, Geradlinigkeit und Genauigkeit versuchte Richter, die Vorwürfe gegen seinen Hilfsarbeiter ad absurdum zu führen. In diesem Zuge ist zu erfahren, dass Last am 20. Juli 1933 als Vertrauensmann der Partei in das Justizministerium einberufen wurde. Trotz der besonderen Position habe sich Last stets bescheiden verhalten und auch »sein wichtiges Amt« im RDB in diesem Sinne ausgeführt.90 So gesehen habe er Last sowohl als Mitarbeiter als auch als Mensch sehr schätzen gelernt; der Amtsgerichtsrat sei »der zuverlässigste Arbeiter«, den er in seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit im Ministerium kennengelernt habe.91 Als Richter mehrfach zu Wehrübungen einberufen wurde, vertrat ihn Last.92 Über ihre gemeinsame Arbeit – Ausbildung und Erziehung der Referendare, Entscheidung über schwere Disziplinarvergehen, oft auch über politische Entgleisungen – schrieb Richter, dass er mit Last häufig über politische, weltanschauliche und allgemein menschliche Fragen zu sprechen hatte und dass er in allen Fragen mit politischem Einschlag »stets gern und mit Nutzen« den Rat seines Mitarbeiters eingeholt habe.93 Da dem Amtsgerichtsrat mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schweres Unrecht geschehen sei, halte er es sowohl in Lasts als auch im Interesse der Gesamtheit für erforderlich, dieses Unrecht in vollem Umfang und schnell wiedergutzumachen, »wenn die Beamtenlaufbahn nicht mit der Zeit ganz Schmeichlern, Leisetretern und Duckmäusern überlassen werden« solle.94 Damit markierte Richter nicht zuletzt seinen eigenen Standpunkt, indem er mehr oder weniger deutlich die aktuelle  – und damit nationalsozialistisch geprägte – Beamtengeneration kritisierte. Im eingangs erwähnten Schreiben an Strauß vom 29. März 1955 merkte Richter zudem an, dass für eine etwaige Vorstellung des derzeit in Berlin-West wohnhaften Kurt Last in Bonn nur der Luftweg infrage komme, da der Bewerber um die Jahreswende mit seiner Frau von den »sowjetzonalen Behörden« verhaftet, aber nach zehn Tagen ohne Angabe von Gründen wieder entlassen worden sei.95 Durch die Wahl des Luftweges sollte eine abermalige Verhaftung Lasts verhindert werden. Auf der Rückseite seines Schreibens an Strauß notierte Richter einige Tage später für Personalreferent Winners, dass der Staatssekretär entschieden habe, Last zur Vorstellung aufzufordern.96 Im Ergebnis des Besuches

90 91 92 93 94 95 96

»Es würde mir auch nicht ganz verständlich erscheinen, wenn aus der großen Zahl der in Ihrem Geschäftsbereich vorhandenen Altparteigenossen niemand gefunden werden könnte, der im Stande wäre, Amtsgerichtsrat Last in vollem Umfang zu ersetzen.« Richter an Präsident Dr. Palandt v. 2.2.[1937], in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11  – L 39), Beiakte RJM , Bl. 41. Ebd., Bl. 39. So zum Beispiel im Februar 1937. Siehe dazu das Schreiben von Richter an den RMdJ v. 23.2.1937, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 59a. Richter an Präsident Dr. Palandt v. 2.2.[1937], in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11  – L 39), Beiakte RJM , Bl. 40. Ebd., Bl. 42. Richter an Strauß v. 29.3.1955, in: BMJ -Personalakte Kurt Last (P 11 – L 39), Bl. 1. Richter an Winners v. 12.4.1955, in: Ebd., Bl. 1 (RS).

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von Last in Bonn ordnete Strauß an, den Ministerialrat z. Wv. probeweise auf drei Monate einzuberufen.97 Wie üblich wollte sich der Staatssekretär vergewissern, dass der Kandidat für die Arbeit im BMJ auch wirklich geeignet sei. Am 16. Juli trat Last seinen Dienst im Referat von Ministerialrat Brandl an, zu dem das Arbeitsgebiet Sichtung und Sammlung des Bundesrechts gehörte. Im Vorfeld hatte Richter gegenüber seinem alten Mitarbeiter Last die »Hoffnung auf ein frohes Wiedersehen« ausgedrückt.98 Zwischen den beiden existierte demzufolge auch eine menschliche Verbundenheit. Nach Ablauf der drei Monate stellte das BMJ in Gestalt von Abteilungsleiter Richter fest, Last habe sich »erwartungsgemäß bewährt«, und bat den Bundesminister der Finanzen um Zustimmung, Last fortan außertariflich zu vergüten, und zwar in Höhe der Dienstbezüge eines Ministerialrats.99 Aufgrund seiner sehr verantwortungsvollen Aufgabe, seiner besonderen Tüchtigkeit, seiner früheren Stellung und der Befristung des jetzigen Dienstverhältnisses erscheine diese Behandlung angemessen. Für die zeitlich begrenzte Aufgabe der Bereinigung des Bundes- und Reichsrechts stünden generell keine Planstellen zur Verfügung; stattdessen sei eine Pauschalsumme dafür im Haushalt des Bundesjustizministeriums vorhanden, die jedoch nur Einberufungen in ein befristetes Dienstverhältnis gestatte. Hier zeigte sich also, warum Last zunächst nicht in das Beamtenverhältnis berufen wurde. Nachdem das Bundesfinanzministerium grünes Licht gegeben und auch das Kabinett zugestimmt hatte, wurde die außertarifliche Vergütung inklusive der für Ministerialräte üblichen Aufwandsentschädigung mit in den neuen Dienstvertrag des BMJ mit Kurt Last aufgenommen.100 Noch bevor die Personalangelegenheit an das Kanzleramt ging, hatte sich auch Referatsleiter Brandl günstig über Last geäußert – durch ihn habe das Aufgabengebiet Sammlung und Sichtung »eine sehr glückliche Bereicherung« erfahren.101 Zusammen mit Oberlandesgerichtsrat z. Wv. Dr. Herzog, einem weiteren 131er im Bonner Justizministerium, von dem noch ausführlich die Rede sein wird,102 habe er vornehmlich die Materie Beamtenrecht gesichtet. Bei dieser verantwortungsvollen Sichtungs- und Prüfungsarbeit seien ihm seine sehr guten rechtssystematischen Kenntnisse und sein umfangreiches Wissen, das er sich als Prüfer in der großen Staatsprüfung und als ehemaliger Referent für Studien- und Ausbildungswesen im Reichsjustizministerium erworben habe, zustatten gekommen. Damit lag Brandl ganz auf der Linie des Staatssekretärs, der sehr viel auf die einschlägigen Erfahrungen seiner Mitarbeiter hielt, auch wenn diese unter fragwürdigen Umständen während des Dritten Reiches erworben worden waren. 97 Vermerk von Dr. Lohr v. 1.6.1955, in: Ebd., Bl. 4. 98 Richter an Last v. 22.6.1955, in: Ebd., Bl. 8. 99 Der BMdJ an den BMdF v. 21.10.1955 betr. Ministerialrat z. Wv. Kurt Last, gez. Richter, in: Ebd., Bl. 18. 100 Dienstvertrag zwischen dem BMdJ und Ministerialrat z. Wv. Kurt Last v. 23.12.1955, in: Ebd., Bl. 39. 101 Brandl an Winners v. 12.12.1955, in: Ebd., Bl. 34. 102 Zu Josef Herzog siehe den unter II .3 folgenden Abschnitt »Personalfürsorge«.

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Zum 16. Juli 1958 beantragte das BMJ unter Berufung auf das 131er-Gesetz eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 kw (künftig wegfallend)  für Last. Nach einigem Hin und Her wurde der Beamte z. Wv. im Oktober desselben Jahres tatsächlich zum Ministerialrat ernannt und gleichzeitig in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Mithilfe des die Wiederverwendung der 1945 ausgeschiedenen Beamten und Angestellten sicherstellenden Gesetzes wurde das, was haushaltsrechtlich nicht möglich gewesen war, jetzt doch möglich. Vier Jahre später, im Alter von 62 Jahren, beantragte Last schließlich seine Versetzung in den Ruhestand. Damit schied er ein Jahr nach Heinrich Richter, der ihn einst aus alter Verbundenheit nach Bonn geholt hatte, aus dem Dienst des Justizministeriums aus. Neben Kurt Last kam auch Dr. Karl Münzel durch Abteilungsleiter Richter ins BMJ. Der 1891 in Mayen bei Koblenz geborene Münzel hatte nach einer kurzen Tätigkeit im Preußischen Justizministerium und Stationen als Landgerichtsrat in Koblenz und Oberlandesgerichtsrat in Kassel von 1938 bis 1945 hauptamtlich als Prüfer im Reichsjustizprüfungsamt gewirkt. Die ersten Monate davon verbrachte er in Breslau, die übrige Zeit an der Prüfungsstelle Stuttgart, deren Leitung er übernahm. Am 1. November 1943 wurde Münzel zum Senats­ präsidenten befördert, konnte nach dem Krieg aber nicht sofort an die alte Stellung anknüpfen, sondern wurde 1949 zum Landgerichtsdirektor am Landgericht Tübingen ernannt, wo er seit Beginn des Jahres 1948 tätig gewesen war. Sein Vorgesetzter, Landgerichtspräsident Dr. Dopffel, deutete in einer Beurteilung einen bei Münzel vorhandenen Unmut darüber an, indem er davon sprach, eine gewisse Verärgerung über den Bruch in der Laufbahn nach 1945 sei bei ihm kaum hervorgetreten.103 Als Mitglied der NSDAP seit 1933 – Münzel beharrte auf der durch die Kopie seines Ausweises untermauerten Darstellung, sein Eintritt in die Partei datiere vom 1. Mai 1937104 – und Angehöriger des Nationalsozialistischen Fliegerkorps wurde Münzel im Juli 1947 als Mitläufer entnazifiziert. Der im ersten Kapitel bereits ausführlich behandelte Alfons Wahl, der einst die von Münzel geleiteten Referendarübungen besucht hatte, äußerte sich nach dem Ende von Krieg und Nationalsozialismus positiv über Münzel. So habe sich Münzel damals »völlig unparteiisch« verhalten und überdies dafür gesorgt, dass Wahl trotz nachteiliger Einschätzungen über seine politische Zuverlässigkeit im März 1943 die außerordentliche Assessorenprüfung ablegen konnte.105 Einen gewissen Fortschritt machte Münzels Karriere zu Beginn der fünfziger Jahre. Ab 1952 wirkte er als stellvertretender Vorsitzender des Landesarbeits103 Äußerung betr. Landgerichtsdirektor Dr. Münzel, gez. Landgerichtspräsident Dr. Dopffel, an das Justizministerium Stuttgart v. 16.6.1954, in: BMJ -Personalakte Karl Münzel (P 11 – M 58), Bl. 8. 104 Münzel an den Justizminister in Stuttgart v. 25.11.1945, in: BMJ -Personalakte Karl Münzel (P 11 – M 58), Beiakte Justizministerium Baden-Württemberg, Bl. 17. Die Angabe 1933 ist dem Personalbogen des BMJ entnommen. 105 Alfons Wahl, Bescheinigung v. 8.4.1947, in: BMJ -Personalakte Karl Münzel (P 11 – M 58), Beiakte Justizministerium Baden-Württemberg, unpag. Bl.

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gerichts Tübingen und zusätzlich seit 1953 als richterlicher Beisitzer des dortigen Oberlandesarbeitsgerichts. Doch wie genau führte ihn nun sein Weg über Heinrich Richter ins Bundesjustizministerium? Münzel und Richter hatten sich während der dreißiger Jahre dienstlich kennengelernt. Als mit Ausbildungsangelegenheiten betrauter Referent des Reichsjustizministeriums war Heinrich Richter am 15. März 1937 für die Dauer von fünf Jahren zum nebenamtlichen Mitglied des Reichsjustizprüfungsamts bestellt worden.106 Münzel trat ein Jahr später in den Dienst desselben Amts, wenngleich er nicht in Berlin eingesetzt wurde. Dienstliche Korrespondenzen und Zusammenkünfte werden aber ausreichend Gelegenheit zum Kennenlernen geschaffen haben. Auch nach dem Ende des Krieges und seiner langjährigen Gefangenschaft in Russland hatte Richter seinen Kollegen nicht vergessen. Selbst noch keine drei Monate auf der Rosenburg tätig, teilte er dem Personalreferenten Winners mit, dass Münzel als Nachfolger für die Stelle Kraegeloh in Betracht komme.107 Der 1904 in Worms geborene Dr. Walter Kraegeloh war Anfang 1951 auf Vorschlag des rheinland-pfälzischen Justizministeriums nach Bonn abgeordnet worden und wurde im arbeitsrechtlichen Referat eingesetzt. Nur gut ein halbes Jahr nach seiner Ernennung zum Ministerialrat im BMJ verstarb der Beamte im März 1954 plötzlich. Noch in seiner Abschiedsrede von der Rosenburg neun Jahre später bezeichnete Staatssekretär Strauß den Beamten als einzigartigen Sachkenner und »prachtvolle[n] Mensch[en]«.108 Einige Tage, nachdem Richter auf Münzel als möglichen Nachfolger für Kraegeloh hingewiesen hatte, notierte Winners, dass Münzel für die Stelle im Arbeitsrecht in Erwägung gezogen werde, falls der Beamte Mühlenhöver sich für eine andere Verwendung entscheide.109 Staatssekretär Strauß bat Münzel um einen Besuch in Stuttgart, wo er sich am 9. Juni ohnehin aufhalten würde.110 Im Nachgang erklärten sich sowohl Strauß als auch die Leiter der Abteilungen I und IV, in deren Zuständigkeit das Arbeitsrecht fiel, damit einverstanden, Münzel zunächst probeweise für drei Monate im BMJ zu beschäftigen.111 In der bereits erwähnten Beurteilung hatte ihn der Tübinger Landgerichtspräsident als außergewöhnlichen Juristen mit berechtigtem Selbstbewusstsein charakterisiert und gleichzeitig die Überzeugung geäußert, dass sich Münzel in jedes Referat

106 Der RMdJ an Richter v. 15.3.1937, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), Beiakte Preußisches Justizministerium, Bl. 60. 107 Vermerk von Winners v. 29.3.1954, in: BMJ -Personalakte Karl Münzel (P 11 – M 58), Bl. 1. 108 Ansprache des scheidenden Staatssekretärs Strauß, o. D., in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 112. 109 Vermerk von Winners v. 9.4.1954, in: BMJ -Personalakte Karl Münzel (P 11 – M 58), Bl. 2 (RS). Das entsprechende Wort in dem Vermerk lässt sich nicht genau entziffern; es könnte »Kanzleramt« heißen. 110 Telegramm an Senatspräsident Dr. Münzel, gez. Richter, o. D., in: Ebd,. Bl. 3. 111 Vermerk von Richter v. 18.6.1954, in: Ebd., Bl. 6.

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»einarbeiten und  – trotz ausgesprochener Fähigkeit für führende Posten und Organisation – einfügen« werde.112 Am 1. August 1954 trat Münzel seinen Dienst im Bundesjustizministerium an. Bereits nach gut zwei von zunächst drei Monaten Probezeit fragte Ministerialdirigent Richter bei seinen Kollegen Abteilungsleitern I und IV an, ob sie die Übernahme Münzels als Ministerialrat empfehlen würden.113 Dieser frühe Zeitpunkt erweckt den Eindruck, dass es Richter sehr daran lag, dem Beamten eine angemessene Stellung zu verschaffen. Beide angefragten Abteilungsleiter, Petersen und Roemer, äußerten sich positiv über die Fähigkeiten und Arbeitsweise Münzels, bestanden aber darauf, nach dieser kurzen Zeit noch keine abschließende Stellungnahme zur Frage der Übernahme als Ministerialrat abzugeben.114 Staatssekretär Strauß wolle die Frage der Übernahme in drei Wochen prüfen, so notierte Winners am 27. Oktober.115 Das Justizministerium in Stuttgart wurde ersucht, die Abordnung Münzels um drei weitere Monate zu verlängern, was positiv beschieden wurde. Der Staatssekretär kam im November zu dem Ergebnis, Münzel zu übernehmen und ihn zum Ministerialrat zu ernennen. Der entsprechende Ernennungsvorschlag enthielt die bemerkenswerte Formulierung, eine Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses »dürfte nicht erforderlich sein, da es sich bei der Ernennung nicht um eine Beförderung handelt, sondern um die Unterbringung in einem Amt der Besoldungsgruppe, in die Dr. Münzel früher als Senatspräsident eingestuft war.«116 Hierbei wird deutlich, welch hohen Wert die Verantwortlichen im BMJ der Kontinuität der Beamtenverhältnisse auch über den Bruch von 1945 hinaus beimaßen.117 Im Fall von Münzel mag es sein, dass neben seinem fachlichen Können und den beruflichen Erfahrungen auch seine landsmannschaftliche Herkunft aus dem süddeutschen Raum sowie die katholische Konfessionszugehörigkeit für ihn sprachen. Seine Berufung zum planmäßigen Beamten konnte demnach das Übergewicht des norddeutsch-protestantischen Elements etwas abmildern – zumindest kurzfristig. Denn nach der Ernennung zum Ministerialrat mit Wirkung vom 1. November 1954 arbeitete Münzel nur knapp zwei Jahre auf der Rosenburg und trat nach Erreichen der Altersgrenze und einem bewegten Berufsleben zum 1. September 1956 in den Ruhestand. Wie die Fälle Last und Münzel zeigen, brachte Heinrich Richter nicht nur seine langjährige Erfahrung im Ministerialdienst mit ins BMJ, sondern bald 112 Äußerung betr. Landgerichtsdirektor Dr. Münzel, gez. Landgerichtspräsident Dr. Dopffel, an das Justizministerium Stuttgart v. 16.6.1954, in: Ebd., Bl. 8. 113 Richter an den Herrn Abteilungsleiter I u. den Herrn Abteilungsleiter IV v. 12.10.1954, in: Ebd., Bl. 18. 114 Stellungnahme von Arnim / Roemer v. 15.10.1954; Stellungnahme Petersen v. 15.10.1954, in: Ebd., Bl. 19 bzw. 20. 115 Vermerk von Winners v. 27.10.1954, in: Ebd., Bl. 21. 116 Der BMdJ, Ernennungsvorschlag betr. Senatspräsident a. D., Landgerichtsdirektor Dr. Karl Münzel zum Ministerialrat im BMJ v. 29.11.1954, in: Ebd., Bl. 26. 117 In Bezug auf den Bruch von 1949 war das allerdings umstritten; vgl. S. 68 f.

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auch zwei seiner ehemaligen Kollegen. Dieser Umstand verweist auf die generelle Bedeutung personeller Netzwerke in der Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz. Dadurch, dass Richter die Leitung der Zentralabteilung übernommen hatte, gewann er einen gewichtigen Einfluss auf die Personalpolitik. Nun war er der direkte Vorgesetzte von Personalreferent Winners und allen anderen Referenten in der Abteilung Z. Das Verhältnis zu seinem eigenen Vorgesetzten, Staatssekretär Strauß, war frei von Konflikten. Das, was Richter und Strauß verband, war nicht nur die Verwurzelung in preußischen Traditionen, sondern auch der christliche Glaube. Im Nachruf des Bundesjustizministeriums auf den 1978 verstorbenen Heinrich Richter hieß es, seine umfassenden juristischen Kenntnisse und seine reiche Lebenserfahrung hätten den Wiederaufbau der Bundesjustizverwaltung wesentlich gefördert.118

2.2 Dr. Gerhard Erdsiek Mit Ablauf des Monats April 1954 hätte der bisherige Abteilungsleiter für Zivilrecht Georg Petersen aus Altersgründen in den Ruhestand treten müssen. Allerdings beantragte das BMJ im Februar 1954 die Hinausschiebung seines Ruhestandes. In dem entsprechenden Antrag bekräftigte Dehlers Nachfolger Neumayer in seiner Eigenschaft als Bundesminister der Justiz, Petersen habe erst auf seine »dringenden Bitten« sich für die Leitung der zivilrechtlichen Abteilung des BMJ entschlossen.119 Bei der Auflösung des Zentraljustizamts hätte Petersen auch die Möglichkeit gehabt, seine beim Reichsgericht bestehende Praxis als Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof wiederaufzunehmen oder dort Senatspräsident zu werden. Bei den letztgenannten Optionen hätte er über den 30. April 1954 hinaus im Dienst verbleiben können. Der Antrag wurde erfolgreich beschieden – doch nicht nur dieses eine Mal. Bevor Gerhard Erdsiek im Januar 1957 die Leitung der Abteilung I übernahm, war der Eintritt Petersens in den Ruhestand noch zwei weitere Male verschoben worden. Seine Expertise und Erfahrung wollte sich das Justizministerium so lange wie möglich sichern. Noch zu den Ministerzeiten Dehlers hatte Petersen den Wunsch geäußert, Senatspräsident beim Bundesgerichtshof zu werden. Dass diesem Wunsch seinerzeit nicht entsprochen wurde, dafür fühle er sich mit Dehler zusammen persönlich verantwortlich, so bekräftigte Strauß gegenüber Globke im Oktober 1955, als der Eintritt Petersens in den Ruhestand erneut verschoben werden sollte.120 Wörtlich erklärte der Staatssekretär des BMJ: »Ich habe ihn seinerzeit mit Hinweis auf 118 Nachruf des BMdJ auf Heinrich Richter v. 12.5.1978, in: BMJ -Personalakte Heinrich Richter (P 11 – R 31), unpag. Bl. 119 Der BMdJ an den BMdI v. 16.2.1954 betr. Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand für Ministerialdirektor Dr. Georg Petersen bis zum 31. März 1955, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Bl. 31 f. 120 Strauß an Globke v. 12.10.1955 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 380, Bl. 138.

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seine Unentbehrlichkeit im Ministerium veranlasst, von dem Wunsch Abstand zu nehmen und bei uns zu bleiben.« Das nutzte Strauß nun als Argument, um seinen Staatssekretärskollegen im Kanzleramt von der Billigkeit der weiteren Beschäftigung Petersens zu überzeugen. Wie viel den Verantwortlichen im Bundesjustizministerium an der Mitarbeit von Ministerialdirektor Petersen lag, lässt sich in einem von Abteilungsleiter Z Heinrich Richter verfassten Entwurf für eine Würdigung der Verdienste des Spitzenbeamten durch die Hausleitung vom 10. Dezember 1956 nachlesen. Dort hieß es, unter der Leitung Petersens sei die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Zivilrechts »in kürzester Frist« wieder hergestellt und wichtige Reformarbeiten durchgeführt oder eingeleitet worden.121 Daran anknüpfend wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass Petersen seine »wertvolle Arbeitskraft« und seine »große Erfahrung« auch im Ruhestand weiter dem BMJ zur Verfügung stelle und die Berufung in die große Kommission zur Reform der Zivilgerichtsbarkeit annehme.122 Wie aus den Personalakten des Beamten hervorgeht, hat Petersen diesen Bitten entsprochen und sein altes Ministerium auch nach dem Eintritt in den Ruhestand unterstützt, was man auf der Rosenburg zu würdigen wusste; von »hohem Idealismus« war hierbei die Rede.123 Als Walter Strauß seinem früheren Mitarbeiter zu dessen siebzigstem Geburtstag gratulierte, hob er hervor, dass der Anteil Petersens an den Jahren des Aufbaus ein maßgeblicher gewesen sei. Wörtlich erklärte er: »Lassen Sie mich deshalb Ihnen noch einmal für die Zusammenarbeit in jenen Jahren […] meinen persönlichen Dank sagen«.124 Außerdem dankte der Staatssekretär seinem ehemaligen Abteilungsleiter für die Verlängerung seiner Amtszeit über die eigentliche Altersgrenze hinaus. Als absehbar war, dass die Amtszeit Petersens zum Jahresende 1956 endgültig auslaufen würde, bemühten sich Bundesjustizminister von Merkatz und Staatssekretär Strauß um einen geeigneten Nachfolger. Über den Auswahlprozess an sich schweigen die Akten. So ist es auch nicht ganz klar, wie die Hausleitung auf Gerhard Erdsiek als möglichen Kandidaten kam. Ein Blick in dessen Personalakte verrät lediglich, dass das BMJ Anfang November 1956 beim Niedersächsischen Justizminister die Personalakten des Vizepräsidenten beim OLG Celle, Gerhard Erdsiek, angefordert hatte und diese wenige Tage später auch übersandt bekam.125 Allerdings ist es durch die schriftliche Überlieferung einwandfrei belegt, dass sich Walter Strauß und Gerhard Erdsiek gut kannten. So findet sich im Nachlass des ehemaligen Justizstaatssekretärs ein Brief von 121 AL Z Richter über den Staatssekretär an den Minister v. 10.12.1956, in: BMJ -Personalakte Georg Petersen (P 11 – P 5), Bl. 90–92, hier Bl. 91. 122 Ebd., Bl. 91. 123 Entwurf eines Glückwunschschreibens des BMJ an Petersen zum 70. Geburtstag v. 24.3.1959, in: Ebd., Bl. 129–130, hier Bl. 129. 124 Strauß an Petersen v. 31.3.1959, in: IfZArch, ED 94, Bd. 214, Bl. 68. 125 Der Niedersächsische Minister der Justiz an den BMdJ v. 9.11.1956 betr. Vizepräsident Dr. Gerhard Erdsiek bei dem Oberlandesgericht Celle, in: BMJ -Personalakte Gerhard Erdsiek (P 11 – E 27), Bl. 1.

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Erdsiek an Strauß vom 7. Mai 1953, in dem sich der Vizepräsident des OLG Celle für den Durchschlag eines Schreibens an den badischen Landesbischof Julius Bender bedankte.126 Im Übrigen geht aus dem Brief an Strauß hervor, dass der Staatssekretär mit seiner Frau kurze Zeit zuvor beim Ehepaar Erdsiek in Celle zu Gast war. Vor diesem Hintergrund erscheint es vorstellbar, dass Strauß persönlich den Vizepräsidenten aus Celle beim Bundesjustizminister als Nachfolger von Petersen ins Spiel gebracht hatte. Nur eine Woche nach Erhalt der Akten aus Niedersachsen bat Minister von Merkatz seinen Amtskollegen in Hannover, ihm Erdsiek als Abteilungsleiter zur Verfügung zu stellen; seine Ernennung zum Ministerialdirektor sei eingeleitet.127 Nachdem das Einverständnis aus Niedersachsen erteilt worden war, übernahm Erdsiek am 1. Januar 1957 die Leitung der zivilrechtlichen Abteilung des Bundesjustizministeriums. a)

Ein NS-Verfolgter wird Abteilungsleiter

Doch wer war der Neue an der Spitze der Abteilung I? Wie sein Vorgänger Petersen wurde Erdsiek noch vor der Jahrhundertwende geboren, und zwar 1897, doch nicht im Deutschen Reich, sondern im russischen Kursk. Dort war sein Vater, der aus Westfalen stammte, im Bankensektor tätig; die Mutter hatte russische Vorfahren jüdischen Glaubens.128 Da die Familie 1903 nach Deutschland zurückgekehrt war, absolvierte Erdsiek in Berlin und Jena ein Studium der Rechte und der Volkswirtschaftslehre, bestand beide Staatsprüfungen mit »gut« und verbrachte seine Laufbahn anschließend als Richter in Berlin. Im Winter 1925 war Erdsiek sogar für wenige Wochen als Hilfsarbeiter am Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik tätig. In der Zeit von Januar 1931 bis Dezember 1932 widmete er sich mithilfe eines Stipendiums der Rockefeller Foundation dem Studium des englischen Rechts und arbeitete während dieser Zeit als Justitiar für die Deutsche Botschaft in London. Zurück im Reich, sah er sich aufgrund der jüdischen Abstammung seiner Mutter bald beruflichen Nachteilen ausgesetzt. Da er am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, wurde Erdsiek zwar nicht dauerhaft aus dem Dienst entfernt, blieb jedoch von jeder weiteren Beförderung ausgeschlossen.129 Als er 1942 die Versetzung an ein Gericht eines kleineren Ortes beantragen sollte, ließ er sich beurlauben, um in der Leitung der Firma Berkefelder-Filter-Gesellschaft in Celle mitzuarbeiten. Erst im Oktober 1945 kehrte 126 Erdsiek an Strauß v. 7.5.1953, in: IfZArch, ED 94, Bd. 223, Bl. 51. 127 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz von Nottbeck v. 16.11.1956, in: BMJ -Personalakte Gerhard Erdsiek (P 11 – E 27), Bl. 2. 128 Erdsiek an den Präsidenten des OLG Celle v. 25.8.1945 betr. Gesuch um Übernahme in eine Richterstelle des OLG Celle, in: BMJ -Personalakte Gerhard Erdsiek (P 11 – E 27), Beiakte OLG Celle, Bl. 2 f., hier Bl. 2. 129 Während des Krieges war Erdsiek freiwilliger Kriegskrankenpfleger. Anschließend betätigte er sich – im Übrigen so wie Walter Strauß – zu Beginn des Jahres 1919 bei der Garde-Kavallerie-Schützen-Division.

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Erdsiek in den Dienst der Justiz zurück, wurde zunächst als Landgerichtsrat in den niedersächsischen Justizdienst übernommen und sogleich zum Oberlandesgerichtsrat befördert. Am 10. Mai 1948 folgte schließlich die Ernennung zum Vizepräsidenten des OLG Celle. Parallel dazu wirkte Erdsiek als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsamts für die erste juristische Staatsprüfung, als stellvertretender Vorsitzender der Dienststrafkammer – und nicht zuletzt als Vorsitzender des Spruchausschusses 3 für Justiz, Verwaltung und Ärzte beim Hauptausschuss Celle-Stadt für den Regierungsbezirk Lüneburg-Süd. Damit war Erdsiek sowohl mit der Entnazifizierung seiner Berufskollegen als auch mit der Ausbildung des juristischen Nachwuchses betraut. Vergangenheit und Zukunft lagen hier eng beieinander. Als seine Berufung ins Bundesjustizministerium in die Wege geleitet wurde, stand Erdsiek gewissermaßen mit beiden Beinen im beruflichen Leben. Auf sein umfassendes juristisches Wissen, seine schnelle Auffassungsgabe und das ihm eigene hervorragende Judiz wies das BMJ im Antrag an den Bundespersonalausschuss zwecks Gewährung einer Ausnahmegenehmigung ebenso hin wie auf die ausgeprägte Entschlussfreudigkeit, die mit »auf reifer Lebenserfahrung beruhendem Verständnis für alle wirtschaftlichen und sozialen Fragen« gepaart sei.130 Besonders wertvoll für das in Aussicht genommene Amt ließen Erdsiek dessen Spezialkenntnisse des angloamerikanischen Rechtskreises erscheinen, zumal demnächst die große Justizreform in Angriff genommen werden müsse. Eine Berufung an das Bundesverfassungsgericht, so hieß es in dem Antrag des BMJ noch, habe er aus persönlichen Gründen abgelehnt. Nachdem der Bundespersonalausschuss grünes Licht gegeben hatte, wurde der Ernennungsvorschlag an den Innenminister geschickt, der gemeinsam mit seinem Kollegen aus dem Finanzressort die obligatorische Prüfung vornahm und den Vorschlag anschließend an den Staatssekretär des Kanzleramts weiterleitete. Im Vorschlagsbogen findet sich die Bemerkung, dass Erdsiek wegen nichtarischer Abstammung seiner Mutter vom 8. April bis zum 17. Juni 1933 vom Dienst suspendiert und 1943 aus politischen bzw. rassischen Gründen aus Berlin versetzt worden sei. Wenn man sich die Richtlinie des Kabinetts vom August 1950, keine ehemaligen Parteigenossen zum Abteilungsleiter zu ernennen, vor Augen führt, dann musste Erdsiek als Verfolgter des NS -Regimes als besonders geeignet für den Posten erscheinen. Ferner war es wohl nicht ohne Bedeutung, dass er – wie sein Vorgänger Petersen – der evangelischen Konfession angehörte. Insofern blieb die relative Parität auf Abteilungsleiterebene im BMJ gewahrt. Drei der fünf hochrangigen Beamten waren evangelisch, zwei katholisch. Was die Landsmannschaft betrifft, wurde das bestehende Übergewicht aus dem norddeutschen Raum stammender Spitzenbeamter noch verstärkt, da Erdsiek wie beschrieben aus dem niedersächsischen Landesdienst nach Bonn gekommen war. 130 Der BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 19.11.1956 betr. Antrag auf Ernennung des Vizepräsidenten Dr. Gerhard Erdsiek zum Ministerialdirektor im BMJ, in: BMJ -Personalakte Gerhard Erdsiek (P 11 – E 27), Bl. 3 f.

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Das Kabinett stimmte der Ernennung Erdsieks zu, und so konnte der vormalige Vizepräsident des Oberlandesgerichts in Celle zum Jahresbeginn 1957 die Leitung der zivilrechtlichen Abteilung im Bundesjustizministerium übernehmen. Seine Berufung nach Bonn hatte neben der Gewinnung eines erfahrenen, hochqualifizierten und politisch unbelasteten Beamten aber noch eine andere Dimension, wie Walter Strauß später festhielt: »Die von der Leitung des BJM hierbei verfolgte Absicht, durch die Erfahrungen der gerichtlichen Praxis die gesetzgeberische Arbeit zu befruchten, hat E[rdsiek] in vollem Maße erfüllt.«131 Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 31. Mai 1962 leitete Gerhard Erdsiek die Geschicke der Abteilung I im Bundesjustizministerium. Zu seiner Motivation hieß es im Nachruf des BMJ auf den 1975 verstorbenen Ministerialdirektor a. D.: »Aufgrund leidvoller Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus setzte er sich mit besonderem persönlichen Engagement für einen wirksamen zivilrechtlichen Schutz der Persönlichkeit und Würde des Menschen ein.«132 b)

Erdsiek und der Fall Schölz

Ende Oktober 1957 erhielt Gerhard Erdsiek einen als »rein persönlich« deklarierten Brief von dem Hildesheimer Oberstaatsanwalt Werner G. Kleffel.133 Dieser war ein Schulfreund Erdsieks und gratulierte seinem alten Kameraden zur Berufung ins BMJ und zur dortigen Beförderung zum Ministerialdirektor. Gleichzeitig kritisierte er jedoch die Personalpolitik des Bundes und der Länder im Bereich der Justiz mit Blick auf die Wiederverwendung ehemaliger Nationalsozialisten in hohen oder gar höchsten Ämtern. Der Unmut darüber rührte nicht zuletzt daher, dass Kleffel mit seiner Familie während des Dritten Reiches erheblichen Repressionen ausgesetzt gewesen war. Als Rittmeister bei der Wehrmacht hatte sich Kleffel sehr abschätzig über den »Führer« geäußert und wurde aufgrund dieser Äußerungen zunächst zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt. Nach der Aufhebung dieses Urteils durch das Führerhauptquartier – Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel hatte die Devise »Offiziere, die den Führer beschimpfen, lasse ich erschießen« ausgegeben –, wurde Kleffel durch Kriegsrichter Otto Wöhrmann zum Tode verurteilt. Der Chefrichter beim Zentralgericht des Heeres und ein Oberfeldrichter erreichten aber, dass das Todesurteil zur Bewährung ausgesetzt und Kleffel an den Vizeadmiral Heye überstellt wurde.134 Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen meinte der dem Tode Entronnene in seinem Brief an Erdsiek, er stehe fassungslos vor der Tatsache der Berufung 131 Gerhard Erdsiek zum 70. Geburtstag, gez. Staatssekretär a. D. Walter Strauß, Luxemburg, in: IfZArch, ED 94, Bd. 387, unpag. Bl. 132 Nachruf des BMJ auf Gerhard Erdsiek v. 6.6.1975, in: BMJ -Personalakte Gerhard Erdsiek (P 11 – E 27), Bl. 122. 133 Werner G. Kleffel an Erdsiek v. 22.10.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 113–116. 134 Zu den Einzelheiten siehe Der Spiegel, Nr. 28/1959, Rückhaltlos im Einsatz.

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von Herrn Schölz ins Bundesjustizministerium und seiner Beförderung zum Ministerialrat. Er, Kleffel, halte den genannten Beamten für »einen der charakterlosesten und minderwertigsten Leute«, die ihm in seinem privaten und amtlichen Leben begegnet seien.135 Diese Einschätzung von Schölz, so erläuterte Kleffel gegenüber seinem Freund Erdsiek, rühre von einer Begebenheit, die sich 1938 im Zuge eines Verfahrens vor dem Gaugericht ereignet hatte. Damals habe er sich zu seiner Verteidigung an alle ehemaligen Referendare gewandt, die ihm innerhalb von zwei Jahren in Spandau zur Ausbildung überwiesen waren, darunter auch der inzwischen als Kriegsrichter tätige Joachim Schölz. Dieser habe nun als einziger aus dem Kreise der ehemaligen Referendare sich völlig unzutreffend über ihn geäußert, obwohl sie im Rahmen der Ausbildung nicht einmal 24 Stunden zusammen gewesen seien. Einen Durchschlag seines unzutreffenden Schreibens habe Schölz sogar unmittelbar dem Gauehrengericht übersandt. Hierhin erblickte Kleffel einen unerhörten Vorgang, eine ungerechtfertigte Denunziation, die allerdings bei sämtlichen zur Entscheidung berufenen Stellen nicht weiter beachtet worden sei und damit ihren gerechten Lohn empfangen habe. Er selbst, so Kleffel, habe sogar darauf dringen müssen, dass keine Schritte gegen Schölz unternommen würden, um sich selbst und seiner Familie weiteren Ärger zu ersparen. Nachdrücklich betonte Kleffel, Schölz habe damals aus seiner Zuschrift ganz genau gewusst, welchen Verfolgungen sein ehemaliger Ausbilder ausgesetzt gewesen sei – »er ersah aus meiner Bitte, daß es um Sein oder Nichtsein ging.«136 Und weiter: »Ein wirklich charaktervoller und anständiger Mensch hätte allerhöchstens meine Zuschrift unbeachtet gelassen, wenn er wirklich glaubte, mir nicht helfen zu können oder zu sollen.«137 Dass nun ausgerechnet Schölz noch befördert werde im Bundesjustizministerium und sich der ehemalige Oberstrichter beim Oberkommando der Wehrmacht Werner Hülle auf Schölz als Entlastungszeugen berufe, gehe ihm zu weit, und deshalb schreibe er seinem Freund in der Hoffnung auf Verständnis.138 Ferner meinte er, Erdsiek damit dienen zu können, 135 Werner G. Kleffel an Erdsiek v. 22.10.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 114. 136 Ebd., Bl. 115. 137 Ebd. 138 Der Niedersächsische Minister der Justiz hatte den Oberlandesgerichtspräsidenten in Braunschweig Dr. Friedrich-Wilhelm Holland damit beauftragt, Vorermittlungen darüber anzustellen, ob gegen Hülle ein Dienststrafverfahren wegen seiner möglichen Beteiligung am Erlass der »Bestimmungen über das Verhalten von Offizier und Mann in Krisenzeiten« vom 28. Januar 1945 einzuleiten sei. Nachdem sich Hülle auf Schölz  – seinen ehemaligen Mitarbeiter in der Wehrmachtrechtsabteilung – als Entlastungszeugen berufen hatte, plante OLG -Präsident Holland die Vernehmung des Ministerialrats in dessen Dienststelle, also auf der Rosenburg. Um die besondere Vertraulichkeit zu wahren, kündigte Holland an, er werde eine eigene Schreibkraft aus Braunschweig mitbringen. Siehe dazu das Schreiben von Dr. Holland an Schölz v. 26.11.1957, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Bl. 62. Die von Schölz erbetene Genehmigung zur Zeugenaussage erteilte das Ministerium in Gestalt von Abteilungsleiter Z Heinrich Richter am 11. Dezember.

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sofern Schölz im BMJ zu seinen engeren Mitarbeitern gehören sollte. Er wusste demnach nicht, dass der zum Ministerialrat Ernannte nicht in der von Erdsiek geleiteten Abteilung für Zivilrecht tätig war, sondern in der Strafrechtsabteilung von Josef Schafheutle. Allerdings bat Kleffel seinen Kameraden noch einmal ausdrücklich darum, den Brief als rein persönlich zu betrachten; wenn Erdsiek glaube, »Strauß informieren zu müssen und zu sollen«, so setze er auch dafür absolute Vertraulichkeit voraus.139 Das bedeutet, dass der Justizstaatssekretär Kleffel als vertrauenswürdige Person erschien, er vielleicht auch um das gute Verhältnis zwischen Strauß und Erdsiek wusste. Zwar widersprach Kleffel vorerst jeder amtlichen Verwendung seines Schreibens, doch solle man Werner Hülle »mit aller Delikatesse« informieren, auf Schölz als Entlastungszeugen zu verzichten.140 Außerdem gebe es noch einige Leute, die über den Fall unterrichtet seien. So gesehen könnte es »zu recht unangenehmen Erörterungen« auch für die Bundesjustizverwaltung kommen.141 Augenscheinlich informierte Abteilungsleiter Erdsiek seinen Vorgesetzten Strauß über das, was er über den Kollegen Schölz erfahren hatte. Sonst wäre das Schreiben auch kaum in den Nachlass von Strauß gelangt. Der Brief von Kleffel an Erdsiek bildete gleichsam den Ausgangspunkt für weitere Verwicklungen in dem Fall Schölz. So hatte der Bruder des Oberstaatsanwalts Kleffel, der in Hamburg tätige Journalist Walther F. Kleffel, in einem Leserbrief für die Wochenzeitung Die Zeit vom 17. Oktober 1958 – ohne den Namen Schölz zu nennen – gefragt, ob die Presse auch in Zukunft einem Beamten straflos den Vorwurf machen dürfe, sich in der NS -Zeit als »übler Denunziant« betätigt zu haben, und ihn aus diesem Grunde als ungeeignet und untragbar für seinen Posten erklären dürfe.142 Weiter fragte Kleffel, ob der amtierende Bundesjustizminister, der selbst zu den Verfolgten des Nationalsozialismus gehört habe, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen entschlossen sei, auch in den Reihen seines Ministeriums den Begriff des unantastbaren Privatlebens gar zu weit auszulegen. Auf der Rosenburg läuteten die Alarmglocken. Pressereferent Hans Thier entwarf ein Schreiben, in dem es hieß, der Bundesjustizminister bitte den Autor des Leserbriefes »dringend« um die baldige Mitteilung des Namens und um Einsicht in die zugrunde liegenden Unterlagen für die Behauptung der Denunziation.143 139 Werner G. Kleffel an Erdsiek v. 22.10.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 115 (RS). 140 Dass Hülle auf Schölz als Entlastungszeugen verzichten würde, musste als unwahrscheinlich gelten, da die beiden sich seit 1935 kannten und gemeinsam beim Divisionsgericht in Weimar und bei der Wehrmachtsrechtsabteilung gearbeitet hatten. Anlässlich der Bewerbung von Schölz beim ZJA hatte Hülle seinem früheren Mitarbeiter am 24. Oktober 1946 eine fachliche und eine politische Beurteilung ausgestellt. Beide Dokumente bezeugen das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden. Dass Schölz nun umgekehrt zu Hülles Gunsten aussagen würde, lag auf der Hand. 141 Werner G. Kleffel an Erdsiek v. 22.10.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 116. 142 Die Zeit, Nr. 42, 17.10.1958. 143 BMJ -Pressestelle an Walther F. Kleffel u. die Redaktion der »Zeit« v. 24.10.1958, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 117.

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Es sei selbstverständlich, so das BMJ, dass die erhobenen Vorwürfe im Minis­ terium mit allem Ernst geprüft würden. Nachdem Walther Kleffel in einem ersten Antwortschreiben an die Pressestelle des Bundesjustizministeriums die Nennung des Namens zugesagt hatte,144 erfüllte er sein Versprechen in einem neuerlichen Brief vom 12. November.145 Daraus geht auch hervor, dass Walther Kleffel mehrere Jahre lang im KZ gesessen und von der Denunziation durch Schölz erst im Zuge der Kriegsgerichtsverhandlung gegen seinen Bruder im Jahre 1943 erfahren hatte, und zwar durch dessen Verteidiger Dr. Carl Falck. Mit seinem Bruder habe er den Leserbrief von Oktober zwar nicht abgestimmt, stelle aber dem BMJ anheim, sich mit dem Oberstaatsanwalt in Verbindung zu setzen. Auf der Rosenburg nahm man die Angelegenheit sehr ernst und initiierte auf Veranlassung Erdsieks für den 15. November eine Aussprache zwischen Werner Kleffel und Joachim Schölz in Hildesheim. Im Nachgang erklärte Kleffel gegenüber Staatssekretär Strauß, er betrachte die Angelegenheit von 1938 als »vergeben und erledigt«.146 Dies habe er Herrn Schölz nach mehreren Rücksprachen mit Erdsiek auch schriftlich bestätigt. Wenngleich der Ministerialrat die Angelegenheit »persönlich gar zu sehr bagatellisiere« und »sachlich unzutreffend werte«, so bleibe er bei seinem Vergeben.147 Er habe, so bekräftigte Kleffel gegenüber Strauß weiter, gar kein Interesse daran, dem BMJ irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. So spreche er sich auch dagegen aus, die Geschehnisse von damals auf dem Disziplinarwege nachzuprüfen.148 Gegen die Behauptung Erdsieks, bei dem Schreiben von Schölz aus dem Jahre 1938 habe es sich keineswegs um eine Denunziation gehandelt, verwahre er sich hingegen: »Es hat sich um ein ›Angeben‹, um ein ›Anschwärzen‹ gehandelt […].«149 Ebenso wenig könne er der Ansicht, es habe sich damals um eine rein persönliche Angelegenheit zwischen Schölz und ihm gehandelt, zustimmen. Durch ein Telefonat mit Ministerialdirektor Erdsiek habe er vernommen, dass Letzterer – »und offenbar auch Sie, sehr verehrter Herr Strauss« – und verschiedene andere Herren des Ministeriums die Auffassung vertreten, sein Bruder Walther Kleffel sei »voreilig, unvorsichtig« gewesen, sei vielleicht sogar zu weit gegangen und müsse selbst unter Umständen »Weite­ rungen erwarten«.150 Dieser Auffassung müsse er mit aller Entschiedenheit entgegentreten; der Leserbrief in der »Zeit« enthalte nichts, was seinem Bruder zum Vorwurf gemacht werden könnte. Dass er sich erst jetzt äußere, dürfe ihm nicht – auch nicht von Erdsiek – zur Last gelegt werden, da er erst Rücksprache mit seinem Bruder habe halten müssen, dienstlich stark in Anspruch genommen

144 Walther F. Kleffel an Thier v. 4.11.1958, in: Ebd., Bl. 120. 145 Walther F. Kleffel an Thier v. 12.11.1958, in: Ebd., Bl. 121. 146 Werner G. Kleffel an Strauß v. 2.12.1958, in: Ebd., Bl. 122–125, hier Bl. 122. 147 Ebd. 148 Ebd., Bl. 123. 149 Ebd. 150 Ebd., Bl. 124.

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gewesen sei und keine Kenntnis davon hatte, dass am folgenden Tag der Justizhaushalt im Ausschuss zur Sprache kommen würde.151 In dem Brief an Strauß wird sehr deutlich, wie verärgert Kleffel darüber war, dass man im BMJ trotz seiner Nachsicht gegenüber Schölz die Angelegenheit offenbar nicht als erledigt ansah. Gegenüber Bundesjustizminister Schäffer bekräftigte Werner Kleffels Bruder Walther einen Tag später, die Angelegenheit sei für ihn damit erledigt, dass sein Bruder Herrn Schölz vergeben habe.152 An seinem im Leserbrief von Oktober dargelegten Standpunkt ändere sich allerdings nichts. So habe Schölz lediglich die »Ungelegenheiten«, die sein Brief an Kleffel diesem bereitet habe, bedauert, jedoch keinerlei Rührung gegenüber den dadurch hervorgerufenen Verfolgungen, dem dienstlichen Ärger und dem menschlichen Leid gezeigt. Insofern begreife er diese Haltung als eine »peinliche Bestätigung« des Eindrucks von dem Charakter von Herrn Schölz, den man bislang schon von ihm besessen habe. Auch gegenüber seinem Freund Erdsiek betonte Walther Kleffel, dass für ihn der Fall Schölz erledigt sei – »zunächst wenigstens«.153 Wenn das BMJ nun aber irgendwie gegen ihn vorgehen würde, dann gewinne die Sache allerdings ein anderes Aussehen. Dann werde der Fall ohne seine Schuld zu einer cause célèbre: »Wir werden dann den bewussten Brief [von Schölz aus dem Jahr 1938] zur Veröffentlichung bringen und die Frage, was denn nun eine Denunziation ist, zur Diskussion stellen.«154 Über das Ergebnis machten sie sich keine Sorgen. Gemeinsam mit der Redaktion der »Zeit« werde er die Sache bis zum bittersten Ende durchkämpfen. Zwar habe er, so Kleffel, Verständnis für die Lage des Ministers und seines Ministeriums, doch wundere er sich darüber, wie sehr man sich im BMJ für einen Menschen einsetze, der allein schon durch sein letztes Schreiben in der Sache hinlänglich charakterisiert sein dürfte.155 Einen solchen Einsatz vermisse er gegenüber seinem Bruder, der wohl als der einzige aus politischen Gründen zum Tode verurteilte deutsche Richter noch lebe. Anstatt ihm echte Wiedergutmachung zu gewähren, sei er gerade einmal »[p]opliger Oberstaatsanwalt« geworden.156 Und solange dieses Unrecht an seinem Bruder bestehen bleibe, werde er nicht aufhören, dagegen anzugehen und auf Fälle hinzuweisen, in denen alte Nazis und Nazifreunde bevorzugt worden seien oder noch würden. Drohend fügte er hinzu, es gebe genügend Material. In einer Mischung aus Enttäuschung, Wut und Entschlossenheit meinte Kleffel schließlich noch: »Das einzige, was man immer wieder von uns verlangt hat, ist, zu vergeben und zu verzeihen und zu schweigen. Mag Werner das tun, ich nicht! Einen Schelmen

151 Ebd., Bl. 124 f. 152 Walther F. Kleffel an Schäffer v. 3.12.1958, in: Ebd., Bl. 126. 153 Walter F. Kleffel an Erdsiek vom 4.12.1958, in: Ebd., Bl. 127 f., Zitat Bl. 127. 154 Ebd. 155 Ebd., Bl. 127 (RS). 156 Ebd.

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werde ich stets einen Schelmen nennen und einen Denunzianten stets einen Denunzianten.«157 Die Feststellung Kleffels, dass sich die Hausleitung des BMJ mit Nachdruck für Ministerialrat Schölz einsetze, lenkt den Blick auf den Aspekt der Personalfürsorge, der an anderer Stelle in diesem Kapitel noch einmal gesondert aufgegriffen wird.158 In Bezug auf die Causa Schölz fällt auf, wie solidarisch sich Abteilungsleiter Erdsiek mit seinem Kollegen verhielt, freilich um den Preis einer ernsthaften Krise in der Freundschaft zu den Kleffel-Brüdern. Ob diese Solidarität der Überzeugung von der Lauterkeit Schölz’ entsprang oder doch nur der verschworenen Gemeinschaft auf der Rosenburg geschuldet war, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls hielt Erdsiek auch Monate später noch daran fest, dass sich in der Angelegenheit Schölz kein Anhaltspunkt für ein strafrechtlich oder disziplinarrechtlich zu fassendes Delikt ergeben, sondern es sich um einen Vorfall gehandelt habe, der zwar unerfreulich gewesen sei, aber »auf rein menschlichem Gebiet« gelegen habe.159 Zuvor hatte sich der Chefredakteur der »Zeit«, Josef Müller-Marein, aufgrund der Nachfrage eines Richters zu dem Leserbrief Kleffels bei Pressereferent Thier erkundigt, ob anlässlich des Briefes vom Bundesjustizministerium Maßnahmen ergriffen worden seien.160 Ferner betonte Erdsiek – im Übrigen nach Rücksprache mit dem Leiter der Verwaltungsabteilung Heinrich Richter – gegenüber dem Chefredakteur, der betreffende Beamte des Hauses und Oberstaatsanwalt Kleffel hätten sich »auf Grund meiner Vermittlung« persönlich ausgesprochen, und anschließend habe Kleffel sich damit einverstanden erklärt, dass nichts weiter veranlasst würde.161 Bemerkenswert erscheint, dass sich Staatssekretär Strauß im Fall Schölz amtlicher Verlautbarungen enthielt. Freilich ist davon auszugehen, dass er sich regelmäßig über den Stand der Dinge unterrichten ließ. Allem Anschein nach vertraute er seinem Abteilungsleiter Erdsiek und dessen Einschätzungen. Aus Sicht der Hausleitung war der Vorgang recht unerfreulich, hatte man Schölz doch gerade erst ins Ministerium geholt, damit er dort den Aufbau der Wehrstrafgerichtsbarkeit vorantreibe.162 Das Paradoxe an der ganzen Angelegenheit besteht darin, dass sowohl Staatssekretär Strauß als oberster Beamter des BMJ als auch Abteilungsleiter Erdsiek gleichermaßen Geschädigte des Nationalsozialismus waren, aber im konkreten Fall nicht auf der Seite des ebenfalls verfolgten Werner Kleffel standen, sondern auf der Seite von Ministerialrat Schölz, der im Dritten Reich an verantwortlicher Stelle seinen Dienst versehen hatte und durch seine Tätigkeit in der Wehrmachtsjustiz auch materiell belastet war. Möglicherweise war er sogar an der Abfassung des berüchtigten Nacht-und-Nebel-Erlasses 157 Ebd., Bl. 128. 158 Siehe dazu den unter II .3 folgenden Abschnitt »Personalfürsorge«. 159 Aktenvermerk von Erdsiek v. 12.5.1959 (streng vertraulich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 129. 160 Josef Müller-Marein an Thier v. 5.3.1959, in: Ebd., Bl. 130. 161 Aktenvermerk von Erdsiek v. 12.5.1959 (streng vertraulich), in: Ebd., Bl. 129. 162 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 443.

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vom 7. Dezember 1941 beteiligt, auf dessen Grundlage etliche missliebige Personen verschwanden und ermordet wurden.163 Nach dem Krieg hatte der 1909 in Spandau geborene Joachim Schölz zunächst als Oberfeldrichter und Rechtsreferent für die britische Besatzungsmacht gearbeitet, später dann Anschluss im Zentraljustizamt der britischen Zone gefunden, wo er mit Wirkung vom 3. Februar 1947 zum beauftragten Oberregierungsrat ernannt wurde. Bei Gründung der Bundesrepublik nicht in das BMJ übernommen, blieb er in Hamburg. Zwar erhielt er 1950 eine Planstelle als Oberlandesgerichtsrat, aber keine unmittelbare Beschäftigungsmöglichkeit. Bis Ende März 1954 war Schölz dann mit der Abwicklung des Reichsgeschäfts der Hermes-Kreditversicherungsaktiengesellschaft und der Deutschen Kriegsversicherungsgemeinschaft betraut. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit hatte der Leiter der handels- und gesellschaftsrechtlichen Abteilung des BMJ Günther Joël den Präsidenten des Hanseatisches OLG Herbert Ruscheweyh darum gebeten, Schölz für eine Besprechung im Bonner Justizministerium Dienstbefreiung zu gewähren.164 Nach dem Ende der Abwicklungsarbeiten wurde der Oberlandesgerichtsrat zum Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts berufen, bevor er zu Beginn des Jahres 1956 in den Zivilsenat wechselte. Seine Karriere war nicht zuletzt dadurch begünstigt worden, dass er im Juli 1948 in die Gruppe der Entlasteten eingereiht wurde, also trotz seiner verhältnismäßig früh begründeten Mitgliedschaften in NSDAP und SA vollständig entnazifiziert war.165 Bisher lag es im Dunkeln, wie genau Schölz für das Bundesjustizministerium ausgewählt wurde.166 Fest stand: Im Anschluss an einen Vorstellungsbesuch des Oberlandesgerichtsrats in Bonn am 28. März 1957 bat der Leiter der Strafrechtsabteilung Josef Schafheutle um die Abordnung und spätere Übernahme von Schölz als Ministerialrat.167 Der Minister erklärte sich damit einverstanden. In dem von Staatssekretär Strauß gezeichneten Einberufungsschreiben an Schölz wurde diesem versichert, dass er »nach Ablauf einer angemessenen mehrmonatigen Probezeit« auf die für das Aufgabengebiet Wehrstrafrecht im Haushalt 1957 zu bewilligende Planstelle noch vor Abschluss der bis zum Herbst währenden Legislaturperiode übernommen werde.168 163 Ebd., S. 444. 164 Joël an Ruscheweyh v. 15.4.1954 betr. Verordnung über die Abwicklung der Deutschen Kriegsversicherungsgemeinschaft und des ausgegliederten Reichsgeschäfts der HermesKreditversicherungsaktiengesellschaft, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Beiakte Hanseatisches OLG , Bd. B, Bl. 84. 165 Wie so viele andere hatte Schölz nachzuweisen gesucht, dass er lediglich Anwärter der Partei und der SA gewesen war. Siehe dazu beispielsweise das Schreiben von Schölz an den Präsidenten des ZJA v. 8.10.1947 betr. Auszug aus den Justizpersonalakten, in: BMJ Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Beiakte Hanseatisches OLG , Bd. A, Bl. 35 f. 166 Vgl. Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 443. 167 Vermerk von Winners v. 4.4.1957, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Bl. 1. 168 Der BMdJ an Schölz v. 4.4.1957, gez. Strauß, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Bl. 1.

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Ein in den Generalpersonalakten des BMJ enthaltener Vorgang vermag nun Klarheit zu schaffen. Bereits am 16. Juli des Vorjahres hatte der Leiter der Strafrechtsabteilung die Abteilung Z über ein Anfang Juli stattgefundenes Gespräch mit dem Oldenburger Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Hülle über die Auswahl eines Referenten für das Wehrstrafrecht informiert.169 Zur Person – und wohl auch zur Legitimation der Sach- und Personalkenntnis – von Werner Hülle bemerkte Schafheutle, dieser sei von 1936 bis 1945 Referent für die Wehrstrafgesetzgebung im Oberkommando der Wehrmacht gewesen.170 Im Gespräch vom Monatsbeginn habe Dr. Hülle zwei für das Wehrstrafreferat des BMJ infrage kommende Personen genannt: Oberlandesgerichtsrat Joachim Schölz aus Hamburg und den Ersten Staatsanwalt Kleiß bei der Dienststelle des Generalstaatsanwalts in Oldenburg. Während Schafheulte mit Letzterem selbst sprechen und einige Personaldaten direkt erhalten konnte, beruhten die Daten zu Schölz auf entsprechenden »Ermittlungen«.171 Die Präferenz für Schölz war eindeutig: »Er wird als allererste Kraft beurteilt und von Chefpräsident Dr. Hülle in erster Linie als Referent für Wehrstrafrecht vorgeschlagen.«172 Besondere Betonung erfuhren die siebenjährigen Erfahrungen, die Schölz von 1938 bis 1945 in der Wehrmachtrechtsabteilung des OKW als Mitarbeiter im Referat für Gesetzgebung auf dem Gebiete des materiellen Wehrstrafrechts gesammelt habe. Dahingegen brachte es der Erste Staatsanwalt Kleiß im Gesetzgebungsreferat der Wehrmachtrechtsabteilung des OKW auf eine nur zweijährige Praxis; anschließend war er für gut zwei Jahre in derselben Abteilung mit der Bearbeitung strafrechtlicher Einzelsachen betraut. Zum Ende seines Schreibens an die Abteilung Z bat Schafheutle um die beschleunigte Anforderung der Personalakten über Schölz und Kleiß. Im selben Atemzuge regte der Leiter der Strafrechtsabteilung die Ladung von Oberlandesgerichtsrat Schölz zu einer Besprechung im BMJ »noch vor Ende Juli« an.173 Schafheutle hatte sich also die von Hülle geäußerte Präferenz für Schölz zu eigen gemacht. Schon am nächsten Tag forderte Personalreferent Winners die erbetenen Personalakten an. Das entsprechende Schreiben an die Justizverwaltung in Hamburg ließ Winners vor Abgang Staatssekretär Strauß mit der Bitte um Kenntnisnahme vorlegen. Der Erläuterung dienend, bemerkte der Personalreferent, der Abteilungsleiter II habe um eine Vorstellung von Schölz gebeten; die Personalien ergäben sich aus dem anliegenden Vermerk Schafheutles.174 Die Beschäftigung mit der Personalie Joachim Schölz führte Staatssekretär Strauß dazu, dem Oberlandesgerichtsrat die Bearbeitung des Wehrstrafrechts 169 Schafheutle an die Abt. Z v. 16.7.1956 betr. Besetzung des Referats für Wehrstrafrecht in der Abt. II , in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – 57/1956, Bl. 1–3. 170 Ebd., Bl. 1. 171 Wörtlich hieß es mit Bezug auf Schölz: »Folgende Personaldaten sind ermittelt: […]« 172 Schafheutle an die Abt. Z v. 16.7.1956 betr. Besetzung des Referats für Wehrstrafrecht in der Abt. II , in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – 57/1956, Bl. 1. 173 Ebd., Bl. 3. 174 Winners an Strauß v. 17.7.1956, in: Ebd., unpag. Bl.

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im Bundesjustizministerium anzubieten. Doch Schölz lehnte ab. In einem zweiseitigen Brief an Strauß begründete er seine Absage in der Hauptsache mit zwei Gesichtspunkten.175 Zum einen sei er »mit ganzem Herzen Richter«; außerdem habe er die längste Zeit seines bisherigen Berufslebens in der Strafgesetzgebung gearbeitet – und ein »gelegentlicher Wechsel« mit dem Richterdasein befruchte sowohl die eine als auch die andere Tätigkeit. Zum anderen stünden die Aussichten, dass für den Wehrstrafrechtsreferenten eine Ministerialratsstelle bewilligt werde, nicht gut. Es ehre ihn, so Schölz, dass Staatssekretär Strauß die endgültige Übernahme nur für den Fall der Bewilligung einer solchen Stelle erwogen habe. Da beide Seiten – Strauß und er selbst – nunmehr der Ansicht seien, dass eine Ministerialratsstelle unter den gegebenen Umständen nicht ohne weiteres zu erreichen sein werde, bitte er um Verständnis dafür, dem für ihn so ehrenvollen Ruf des Justizstaatssekretärs nicht folgen zu können. In Artikel 96 GG , in dem es um die Errichtung von Bundesdienstgerichten für Dienststrafverfahren gegen Soldaten und für Verfahren über Beschwerden von Soldaten geht, erblicke er nach wie vor ein Bekenntnis des Grundgesetzes zum Gedanken eines Rechtssprechungsministeriums, »für dessen Verwirklichung ich mich bisher immer eingesetzt habe.« Die sich aus dem Grundgesetz ergebenen Aufgaben für das Bundesjustizministerium hätten ihn früher in der Annahme gestärkt, dass eine Ministerialratsstelle sicher sei. Auch der Möglichkeit einer Abordnung nach Bonn erteilte Schölz eine Absage. Da er infolge der Betrauung mit den oben genannten Abwicklungsgeschäften erst knapp zweieinhalb Jahre im Hamburger Justizdienst stehe und erst seit dem 1. Januar 1956 auf eigenen Wunsch einem Zivilsenat zugewiesen sei, glaube er, so schnell wie möglich auch im Zivilrecht wieder Fuß fassen zu müssen. Staatssekretär Strauß bedauerte die ablehnende Nachricht von Schölz, zeigte aber auch Verständnis für dessen Motive.176 Gleichzeitig betonte der oberste Beamte des BMJ, sein Haus werde die Ministerialratsstelle für das neue Sachgebiet »mit allem Nachdruck« fordern. Für den Fall, dass der Haushaltsausschuss die Stelle bewillige, wolle er die Hoffnung nicht aufgeben, Schölz als Mitarbeiter zu gewinnen. In der Zwischenzeit sandte Winners die Personalakten des von Hülle benannten Ersten Staatsanwalts Kleiß an den Leiter der strafrechtlichen Abteilung und erbat eine Äußerung, ob derselbe als Referent für Wehrstrafrecht in Betracht komme.177 Der für Personalien zuständige Referent wollte demnach ergründen, ob Kleiß die ursprünglich Schölz zugedachte Position übernehmen könne. Ministerialdirektor Schafheutle machte in seiner Antwort geltend, die Personalakten des Staatsanwalts böten »keine hinreichende Grundlage« für die Beurteilung, ob Kleiß für die Aufgaben eines Wehrrechtsreferenten der Abtei-

175 Schölz an Strauß v. 13.8.1956, in: Ebd, unpag. Bl. 176 Strauß an Schölz v. 7.9.1956, in: Ebd., unpag. Bl. 177 Winners an Schafheutle v. 4.9.1956 betr. Referent für Wehrstrafrecht; hier: Erster Staatsanwalt Kleiß, in: Ebd., unpag. Bl.

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lung II »in besonderem Maße« geeignet sei.178 Da die Gewinnung von Joachim Schölz noch nicht ausgeschlossen werden könne, wolle er die Stellungnahme zu der Frage der Eignung von Kleiß »einstweilen zurückstellen«. Vielleicht bildete die Anfrage des Personalreferats auch einen Anlass dafür, dass Schafheutle selbst es war, der einen neuen Anlauf initiierte, Schölz für das Bundesministerium der Justiz zu rekrutieren; der Staatssekretär erklärte sich einverstanden mit dem neuerlichen Versuch.179 Am 29. Januar 1957 setzte das BMJ in Gestalt von Winners den Oberlandesgerichtsrat schließlich davon in Kenntnis, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages für das Wehr­ strafrechtsreferat die Planstelle eines Ministerialrats gebilligt habe.180 Daher sei zu erwarten, dass auch das Plenum des Parlaments dem Vorschlag zustimme. Angesichts dieser Entwicklung würde er, so der Personalreferent, gerne noch einmal die Frage einer Verwendung von Schölz im Bonner Justizministerium mit selbigem erörtern. Weil Schölz erkrankt war, verzögerte sich sein erneuter Besuch auf der Rosenburg. An Winners gewandt, schrieb der Kandidat für das Wehrstrafrecht, ihm liege daran, so bald wie möglich Klarheit darüber zu bekommen, ob er in Hamburg bleiben oder nach Bonn berufen werden solle.181 Zur Vorbereitung der abermaligen Besprechung im Ministerium wolle er daher einige Punkte vortragen, die ihm besonders am Herzen lägen. In Bezug auf eine Unterredung mit Ministerialdirigent Dr. Richter im zurückliegenden Sommer erklärte Schölz, er würde es sehr begrüßen, wenn er bis zur endgültigen Bewilligung der Planstelle als von Hamburg beurlaubter Richter im BMJ als Angestellter wie ein Ministerialrat besoldet werde. Damals habe Staatssekretär Strauß überdies zunächst erwogen, dass eine Wahl in den Wehrstrafsenat des Bundesgerichtshofs für den Oberlandesgerichtsrat in Betracht komme. Warum Schölz das erwähnte, ist nicht ganz klar. Vielleicht wollte er einen Ausweg für den Fall aufzeigen, dass die Bewilligung seiner Ministerialratsstelle wider Erwarten im Bundestag scheitere. In seiner Antwort wies Winners den Hamburger Oberlandesgerichtsrat darauf hin, dass er während der Zeit bis zur endgültigen Bewilligung der Stelle eines Ministerialrats wohl nur auf dem Wege der Abordnung im Bundesjustizministerium beschäftigt werden könnte.182 Eine Zustimmung vonseiten des Innen- und des Finanzministeriums zu anderen Lösungen sei »wohl kaum mehr« zu erreichen. »Die Frage einer Berufung in das Angestelltenverhältnis bei einer Vergütung nach Besoldungsgruppe A 1 a konnte seinerzeit aufgeworfen werden, weil die Bewilligung einer Planstelle möglicherweise noch längere Zeit auf sich warten lassen würde«, wie Winners erläuterte. Allerdings könnte die Abord178 Schafheutle an Winners v. 10.9.1956 betr. Referent für Wehrstrafrecht; hier: Erster Staatsanwalt Kleiß, in: Ebd., unpag. Bl. 179 Vermerk von Winners für den Abteilungsleiter Z o. D., in: Ebd., unpag. Bl. 180 Der BMdJ an Schölz v. 29.1.1957, gez. Winners, in: Ebd., unpag. Bl. 181 Schölz an Winners v. 22.2.1957, in: Ebd., unpag. Bl. 182 Der BMdJ an Schölz v. 9.3.1957, gez. Winners, in: Ebd., unpag. Bl.

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nungszeit, die sowohl dem künftigen Ministerialrat als auch dem Ministerium »ein weiteres Sichkennenlernen« ermöglichte, auf den Wunsch von Schölz knapp bemessen werden. Nachdem er kurz auf die von Schölz aufgeworfene Wohnungsfrage eingegangen war, meinte der Personalreferent abschließend, die weitere Klärung offener Fragen dürfte am besten mündlich erfolgen. Schließlich begab sich der Oberlandesgerichtsrat am 28. März noch einmal auf den Weg von Hamburg nach Bonn und sprach im Justizministerium bei Minister von Merkatz, Abteilungsleiter Z Richter, dem Leiter der Strafrechtsabteilung Schafheutle und Personalreferent Winners vor.183 Der weitere Fortgang ist bekannt. Mehr als zwei Jahrzehnte später, das Bundesjustizministerium hatte dem inzwischen pensionierten Ministerialrat Schölz zu dessen siebzigstem Geburtstag gratuliert, bemerkte der Jubilar in seinem Dankesschreiben an den Minister, er habe dem BMJ im Jahre 1957 für eine Tätigkeit als Referent für Wehrstrafrecht zunächst eine Absage erteilt.184 Erst nach einer ermutigenden Zuschrift seines Chefpräsidenten Ruscheweyh habe er sich dazu entschließen können. Über die zunächst unklare Bewilligung der Ministerialratsstelle verlor er dagegen kein Wort. Aus dem Gedächtnis gab Schölz stattdessen die Worte seines damaligen Vorgesetzten wieder. So habe Ruscheweyh die Notwendigkeit hervorgehoben, die dem Bundesministerium der Justiz übertragenen Aufgaben hinsichtlich der Vorbereitung von Wehrstrafgerichten »gegen den sicher zu erwartenden Widerstand« so gut wie nur irgend möglich zu bewältigen. Damit schaffe man eine weitere Sicherung gegen die nicht auszuschließende Gefahr einer Rückkehr zu »früheren Lösungen«. Vor der Ernennung von Schölz zum Ministerialrat wurde dessen Abteilungsleiter um eine dienstliche Beurteilung gebeten. In seiner Äußerung betonte Schafheutle, er habe trotz der verhältnismäßig kurzen Zeit keine Bedenken, die volle Eignung von Schölz für das Referat Wehrstrafrecht »vorbehaltlos zu bejahen« – zumal vor dem Hintergrund seiner früheren Tätigkeit im Oberkommando der Wehrmacht.185 Neben seinen ausgeprägten fachlichen Kenntnissen habe Schölz nicht zuletzt ein großes Verständnis für die rechtspolitische Betrachtungsweise und eine erfreuliche Initiative beim Anpacken seiner Arbeiten gezeigt; außerdem habe er auch nach seinen charakterlichen Eigenschaften die »Eignung für eine dauernde Tätigkeit im Hause.«186 Eine solche charakterliche Eignung war es, die die Brüder Werner und Walther Kleffel dem Beamten einige Zeit später absprachen. Erstaunlich erscheint, dass die Kontroverse um das von Schölz verfasste Schreiben von 1938 anders als in vergleichbaren Fällen keinen Niederschlag in der im Bundesjustizministerium 183 Vermerk von Winners v. 28.3.1957, in: Ebd., unpag. Bl. 184 Schölz an den BMdJ v. 16.2.1979, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Bl. 142. 185 Der Leiter der Abt. II , Dienstliche Beurteilung des Oberlandesgerichtsrats Joachim Schölz v. 24.6.1957, in: BMJ -Personalakte Joachim Schölz (P 11 – Sch 91), Beiakte BMJ Beurteilungsheft, Bl. 1 f., Zitat Bl. 2. 186 Ebd., Bl. 2.

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über ihn geführten Personalakte gefunden hat. Indessen wirft der besagte Fall ein zumindest ambivalentes Schlaglicht auf den personalpolitischen Umgang mit der NS -Vergangenheit im Bundesministerium der Justiz. Nicht zuletzt offenbarte die Causa Schölz, wie stark der Gemeinschaftsgeist auf der Rosenburg ausgeprägt war. Auch Staatssekretär Strauß und Abteilungsleiter Erdsiek trugen ihren Teil dazu bei.

3. Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik Vor dem Hintergrund mehrfacher Ministerwechsel, einem stets im Amt bleibenden Staatssekretär und zweier Veränderungen auf Abteilungsleiterebene ist zu fragen, wie sich diese Konstellation auf die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz auswirkte. Außerdem ist es von Interesse, inwiefern sich die personalpolitischen Rahmenbedingungen in der Zeit von Ende 1953 bis zum Herbst 1961 gewandelt haben. Die Phase des grundlegenden personellen Aufbaus war denn auch weitgehend abgeschlossen; neue Herausforderungen taten sich auf.

3.1 Die Erweiterung des Personalbestandes Für den Zeitraum von 1954 bis 1961 ist ein Anstieg der im Bundesjustizministerium beschäftigten Beamten von 117 auf 137 zu konstatieren.187 Insbesondere der Sprung von 102 planmäßigen Beamten im Jahre 1953 auf 117 im darauffolgenden Jahr erscheint bemerkenswert, wenn man sich die von Staatssekretär Strauß reklamierte sparsame Stellenpolitik der Vorjahre vergegenwärtigt. Bei dem erwähnten Anstieg der Beamtenplanstellen kann es nicht verwundern, dass die Anzahl der Referate innerhalb von nur fünf Jahren von 47 (1954) auf 56 (1959) anwuchs. Die immer weiter voranschreitende Differenzierung der Arbeitsgebiete hatte zur Folge, dass nach dem Vorbild der Abteilungen I und IV nun auch in der strafrechtlichen sowie in der handels- und wirtschaftsrechtlichen Abteilung Unterabteilungen gebildet wurden. Die beiden betreffenden Abteilungsleiter Schafheutle und Joël übernahmen zusätzlich zu ihrer bisherigen Funktion die Leitung einer Unterabteilung. Neu in diese Position rückten in Abteilung II Ernst Kanter und in Abteilung III Ernst Geßler auf. Als Kanter zu Beginn des Jahres 1958 an den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe wechselte, übernahm Wilhelm Dallinger die Unterabteilung II B.

187 BMJ, Übersicht über das Personalsoll in der Bundesjustizverwaltung in den Rechnungsjahren 1949 bis 1961, Stand: 1.1.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 153, Bl. 198 f., hier Bl. 198.

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Ein signifikanter Anstieg ist jedoch nicht nur bei der Zahl der planmäßigen Beamten zu konstatieren, sondern auch hinsichtlich der beamteten Hilfskräfte. Hierbei handelte es sich in der Regel um von den Ländern an das Bundesministerium der Justiz abgeordnete Beamte. Ihre Zahl stieg von dreißig im Jahre 1954 bis auf 44 sieben Jahre später. Doch dieser Anstieg vollzog sich – anders als bei den planmäßigen Beamten – nicht kontinuierlich, sondern eher wellenförmig. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Abordnung von Landesbeamten nach dem im Ministerium vorhandenen zusätzlichen Bedarf vorgenommen wurde. Hier konnten sich kurzfristig Änderungen ergeben, etwa bei größeren Reformvorhaben und dem damit verbundenen Zeitdruck. Hinzu kommt, dass die Dauer der Abordnungen ebenso Schwankungen unterworfen war. Bezieht man die Aufbauphase des Bundesjustizministeriums mit ein, so hat sich die Zahl der beamteten Hilfsarbeiter von 1949 bis 1961 von zwanzig auf 44 mehr als verdoppelt. Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf die planmäßigen Beamten. Während anfangs nur 67 Planstelleninhaber ihren Dienst im BMJ versahen, waren es zwölf Jahre später bereits 137. Staatssekretär Strauß war diese Entwicklung sehr bewusst. Wenngleich er selbst mit dafür verantwortlich war, dass die Zahl der Beamten in seinem Ministerium stetig stieg, plädierte er im Sommer 1959 für einen radikalen Stopp hinsichtlich der Vermehrung der Beamten.188 Von dem Emeritus für öffentliches Recht Professor Ottmar Bühler hatte Walter Strauß zuvor dessen Aufsatz aus der Juristenzeitung mit dem Titel »Grundsätzliches zum Thema von der ›Gesetzesinflation‹ und der ›aufgeblähten Verwaltung‹« erhalten. Die Antwort des Staatssekretärs fiel verhältnismäßig ausführlich aus. Außer dem Plädoyer wider die Vermehrung der Beamten wurde Strauß auch grundsätzlich, wenn er meinte: »Nebenbei bemerkt stehen Zahl der Beamten und Qualität der Beamten in Relation. Je kleiner eine Behörde ist, desto besser wird ihre Qualität sein.«189 Verglichen mit den übrigen Bundesministerien war das BMJ trotz des spürbaren Anstiegs der Beamtenplanstellen und Referate noch immer ein sehr kleines Haus. a)

Die einzelnen Referatsleiter der Verwaltungsabteilung

Den organisatorisch-verwaltungstechnischen Teil der personellen Erweiterung des Bonner Justizministeriums hatte vor allem die Abteilung Z zu schultern. Dadurch, dass die Abteilung in Heinrich Richter seit 1954 erstmals über einen eigenen Leiter verfügte, gewann sie zumindest formell eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Staatssekretär. Vorteilhaft für die Bewältigung der personalpolitischen Aufgaben der Verwaltungsabteilung war es, dass bei den dort tätigen Referatsleitern über die Jahre gesehen kaum Veränderungen eintraten. So verblieben Hans Winners (Personalien), Georg Elsenheimer (Haushalt), Erich 188 Strauß an Prof. Ottmar Bühler v. 28.7.1959, in: IfZArch, ED 94, Bd. 209, Bl. 104–107. 189 Ebd., Bl. 104.

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Hage (Organisationsangelegenheiten), Theodor Brandl (Verkündigungs- und Bekanntmachungswesen) und Albrecht Zorn (Interzonale Rechtsfragen) über den gesamten Zeitraum von Ende 1953 bis Ende 1961 in ihrer jeweiligen Funktion; der Referatsleiter Wilhelm Groth (Besoldung) verstarb 1959. Zu einem echten Wechsel kam es nur im Referat für Angelegenheiten des Gesetzes zu Artikel 131 GG und der Wiedergutmachung. Nachfolger von Theodor Lohr, der 1956 zum Bundesministerium der Verteidigung übertrat, wurde HannsEberhard Erdmann, der bereits seit 1952 auf dem Wege der Abordnung im BMJ tätig war. Dass Strauß als Staatssekretär auch die Abteilung Z prägte, verdeutlicht exemplarisch der Duktus der diesbezüglichen Anordnung: »Das Ausscheiden von Regierungsdirektor Dr. Lohr erfordert eine Neuordnung in den Referaten Z 3a und Z 3b. Ich bestimme daher mit sofortiger Wirkung folgendes: […].«190 Außerdem übernahm Erdmann für eine Übergangszeit auch die Zuständigkeit für Besoldungsangelegenheiten; bereits wenige Wochen vor dem Ableben Groths war er zu dessen Vertreter bestellt worden.191 Hinsichtlich der Referatsleiter der Abteilung Z ist zu fragen: Wer waren diese engen Mitarbeiter von Staatssekretär Strauß? Woher kamen sie? Was machte diese Beamten aus? Auf den Werdegang von Winners und dessen enges Verhältnis zu Thomas Dehler ist bereits im ersten Kapitel ausführlich eingegangen worden, sodass hier darauf verzichtet werden kann.192

190 Der BMdJ, Verfügung v. 29.3.1956 betr. Geschäftsverteilung innerhalb der Zentral-Abteilung, gez. Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 152, Bl. 80. 191 Verfügung von Strauß v. 8.8.1959, in: BMJ -Personalakte Wilhelm Groth (P 11  – G 3), Bl. 176. Ein Organigramm des BMJ von Anfang der sechziger Jahre liegt zwar nicht vor, aber es ist auch deshalb davon auszugehen, dass Erdmann die Dienstgeschäfte Groths übernahm, weil er sich Jahre später als langjähriger Referatsleiter für Beamten-, Besoldungs- und Disziplinarrecht bezeichnete. Vgl. dazu S. 225 m. Anm. 260. Möglicherweise hat auch Haushaltsreferent Elsenheimer übergangsweise Teile von Groths Zuständigkeiten übernommen; zumindest hatte er den Besoldungsreferenten zu dessen Lebzeiten schon einmal zu vertreten. Als eigentlicher Nachfolger von Groth ist aber Regierungsrat Johannes Berg anzusehen, der seit dem 1. Oktober 1962 als Besoldungsreferent fungierte. Vgl. dazu das Schreiben des BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 11.7.1966, Begründung des Antrags auf Zulassung einer Ausnahme von § 9 Abs. 3 Nr. 3 BLV für Johannes Berg, in: BMJ -Personalakte Johannes Berg (P 11 – B 44), Bd. 2, Bl. 215–219, hier Bl. 218. Bereits 1957 war Berg von Ministerialdirigent Richter für eine Mitarbeit im Besoldungsreferat in Aussicht genommen wurden, wirkte dann aber bei Ministerialrat Brandl im Referat Z 6. Vgl. dazu das Schreiben von Berg an Hage v. 18.11.1960, in: Ebd., Bd. 1. Bl. 103 f. Bis zum Oktober 1963 konnte er auf die Mitarbeit von Amtsrat Hugo Breitenbach zurückgreifen, der über viele Jahre im Besoldungsreferat tätig war. Vgl. dazu den Nachruf des BMdJ auf Hugo Breitenbach v. 10.1.1979, in: BMJ Personalakte Hugo Breitenbach (P 11 – B 135), Bd. 2, Bl. 232. 192 Siehe dazu den unter I.1 folgenden Abschnitt »Die Berufung vo Dr. Hans Winners zum Personalreferenten«. Zu den übrigen Beamten vgl. auch die entsprechenden Passagen bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 109, 116, 131 (Elsenheimer), S. 115, 249 (Brandl), S. 136 (Hage), S. 140 (Erdmann).

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Georg Elsenheimer Ebenso wie Hans Winners ist Georg Elsenheimer dem Netzwerk Bamberg hinzuzurechnen. Der erste Bundesjustizminister hatte ihn, wie im ersten Kapitel näher erläutert, gezielt als Referenten für den Haushalt geworben.193 Für die Berufung des 1903 in Frankfurt am Main Geborenen nach Bonn war die Vertrautheit mit Thomas Dehler ausschlaggebend, nicht so sehr die formelle Qualifikation. So hatte Elsenheimer beide Prüfungen jeweils nur mit »ausreichend« abgeschlossen, sich aber in der Praxis – auch in der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Bamberg – bewährt. Wenngleich die Rekrutierung des Bamberger Oberlandesgerichtsrats von Dehler ausgegangen war, so wollte dieser Staatssekretär Strauß dabei nicht übergehen und erklärte sich Anfang November 1952 damit einverstanden, dass die Personalangelegenheit bis nach Rückkehr des gerade abwesenden Staatssekretärs zurückgestellt werde.194 Schließlich, nach­dem die Entscheidung für Elsenheimer gefallen war, wandte sich Dehler an seinen alten Bamberger Mitarbeiter und stellte ihm eine Ernennung zum Ministerialrat binnen weniger Monate nach Dienstantritt in Aussicht, wenn er nicht ein Abordnungsverhältnis vorziehe.195 Überdies bekundete der Minister seine Bereitschaft, die Wahl von Elsenheimer zum Bundesrichter beim BGH zu betreiben, sofern dieser daran interessiert sei.196 Dehler war somit von den Fähigkeiten seines alten Bamberger Mitarbeiters überzeugt und wollte ihn so gut wie nur irgend möglich in seinem beruflichen Fortkommen fördern. Nach kurzer Abordnung an das BMJ wurde Elsenheimer tatsächlich innerhalb weniger Monate nach seinem Dienstantritt Ende Juli 1953 zum Ministerialrat ernannt. In einem Schreiben an seinen Kollegen aus dem Innenressort bemerkte Justizminister Dehler, Elsenheimer sei ihm persönlich aus seiner früheren Zeit als damaliger Oberlandesgerichtspräsident in Bamberg als besonders leistungsfähig bekannt.197 Zwölf Jahre später, als Strauß schon nicht mehr Staatssekretär war, übernahm Elsenheimer zusätzlich die Unterabteilung Z A und wurde dementsprechend zum Ministerialdirigenten befördert. In diesem Kontext wurde auch seine NS -Vergangenheit problematisiert, die bei seiner Rekrutierung für das BMJ Anfang der fünfziger Jahre ausweislich der Akten noch keine wesentliche Rolle gespielt hatte.198 193 Siehe dazu den unter I. 3 folgenden Abschnitt »Sparsame Stellenpolitik und Beförderungen«. 194 Vermerk von Winners v. 4.11.1952, in: BMJ -Personalakte Georg Elsenheimer (P 11  – E 16), Bl. 8 (RS). 195 Dehler an Elsenheimer v. 30.3.1953, in: Ebd., Bl. 19. 196 Ebd. 197 Der BMdJ an den BMdI v. 1.6.1953 betr. Ernennung des Oberlandesgerichtsrats Georg Elsenheimer zum Ministerialrat im BMJ, hier: Abweichung von den Bestimmungen der Reichsgrundsätze, in: Ebd., Bl. 31 f., hier Bl. 32. 198 So notierte Bundesjustizminister Weber am 1.9.1965, das Kabinett habe die Ernennung Elsenheimers zum Ministerialdirigenten außerhalb der Tagesordnung »nach eingehen­ dem Vortrag meinerseits« gebilligt. Siehe dazu die Note zu Punkt 1 der TO der 178. Ka­ binettsitzung am 1.9.1965 von BMdJ Weber v. 1.9.1965 betr. Personalien, in: Ebd., Bl. 118.

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Das ist insofern nachvollziehbar, als er im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens im Frühjahr 1947 in die Gruppe der Entlasteten eingereiht worden war. Die Akten der Spruchkammer Bamberg-Stadt übersandte Personalreferent Winners am 20. Juni 1953 im Nachgang zum Ernennungsvorschlag an das Bundesinnenministerium, dem ja die Mitprüfung auch der politischen Voraussetzungen für die Ernennung oblag.199 Die formelle Belastung Elsenheimers umfasste nicht nur seine Mitgliedschaften in der NSDAP – dort bekleidete er offenbar das Amt eines Blockleiters – und der SA (beides seit 1933), sondern auch seine Tätigkeit am Sondergericht beim Landgericht Bamberg 1942/43. Für beide Geschäftsjahre war Elsenheimer zum weiteren ordentlichen Beisitzer bestellt worden. In seinem Entnazifizierungsverfahren machte er später geltend, er habe sich gegen die Abordnung gewehrt und sich damals offen gegenüber einem höherrangigen Kollegen ausgesprochen, aus religiösen Gründen und aufgrund seiner Auffassung vom Richterberuf nicht am Sondergericht tätig sein zu wollen.200 Als er gegen seinen Willen dennoch an das Sondergericht abgeordnet wurde, seien ihm die Vergehen und Verbrechen gegen die Kriegswirtschaftsgesetze zugeteilt worden. Aus der Begründung des Spruchkammerentscheids vom 16. April 1947 geht hervor, dass Elsenheimer auch mehrere Todesurteile201 mit zu verantworten hatte; die Richtlinie seiner Entscheidungen sei aber Gerechtigkeit gewesen.202 Ferner hielt die Spruchkammer Elsenheimer zugute, dass seine richterlichen Entscheidungen zum Teil vom Reichsjustizministerium in Berlin als zu milde beanstandet worden waren. Als weiteres entlastendes Indiz wertete die Kammer, dass er 1943 aus eigenem Antrieb seine Freigabe für die Wehrmacht erreicht habe. Die Einstufung Elsenheimers als Entlasteter bewirkte, dass er nach zwei Jahren als Arbeiter bei einem Holzfällerkommando bzw. beim Straßenbau wieder in Amt und Würden gelangen konnte. Auch Thomas Dehler, im Oktober 1947 noch Oberlandesgerichtspräsident in Bamberg, befürwortete die Wiederein-

199 Der BMdJ an den BMdI v. 20.6.1953 betr. Ernennung des Oberlandesgerichtsrats Georg Elsenheimer zum Ministerialrat, in: Ebd., Bl. 46 (in gesondertem Umschlag). 200 Elsenheimer an den Oberlandesgerichtspräsidenten in Bamberg v. 19.7.1946 betr. Entnazifizierung Amtsgerichtsrat Elsenheimer, Bamberg, in: BMJ -Personalakte Georg Elsenheimer (P 11 – E 16), Beiakte Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Bl. K 19. 201 Die Generalakten des Bundesjustizministeriums zu den Anfragen beim Berlin Document Center – Aktenzeichen 220 BMJ – 10 (1) – offenbaren Folgendes: Unter dem 19. August 1965 teilte das Bayerische Staatsministerium der Justiz dem BMJ auf eine Nachfrage von Ministerialdirektor Winners hin mit, eine Prüfung der von den früheren Sondergerichten in Bayern gefällten Todesurteile habe ergeben, dass Elsenheimer als zum Mitglied am Sondergericht Bamberg bestellter Amtsgerichtsrat an elf Todesurteilen mitgewirkt hat, von denen aber keines als exzessiv angesehen worden sei. 202 Die Spruchkammer I Bamberg-Stadt, Spruch gegen Georg Elsenheimer v. 16.4.1947, Az. I/1580/621/47, in: BMJ -Personalakte Georg Elsenheimer (P 11 – E 16), Beiakte Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Bl. R 27.

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stellung des Beamten.203 Beinahe zwanzig Jahre später, als die Beförderung zum Ministerialdirigenten anstand, wandte sich der inzwischen als Vizepräsident des Deutschen Bundestages tätige Dehler an seinen Nachfolger, Bundesjustizminister Dr. Karl Weber (CDU), und versicherte diesem, dass Elsenheimer aufgrund seiner Tüchtigkeit und seiner aufrechten Haltung für eine leitende Stellung im Ministerialdienst qualifiziert sei.204 Ein ganz ähnliches Schreiben hatte Dehler, wie an entsprechender Stelle erwähnt, ein Jahr zuvor an das Bundeskanzleramt gerichtet, als Hans Winners zum Ministerialdirektor ernannt werden sollte. In Bezug auf Elsenheimer bekräftigte der Justizminister a. D., dieser sei ein leidenschaftlicher Gegner des Nationalsozialismus gewesen und habe sich mit seiner rechtstaatlichen Haltung in der Zeit vor 1945 bewährt.205 Das Netzwerk Bamberg funktionierte also noch Jahrzehnte später einwandfrei. Theodor Brandl Während Georg Elsenheimer ursprünglich aus Hessen stammte, dann aber lange Jahre im bayerischen Justizdienst gestanden hatte, war Theodor Brandl gebürtiger Bayer. 1907 im niederbayerischen Osterhofen zur Welt gekommen, schlug er im OLG -Bezirk München zunächst die klassische Laufbahn eines Juristen ein. Seine Ehefrau stammte übrigens ebenso aus dem oberfränkischen Lichtenfels wie Thomas Dehler. Bald allerdings führte den Bayer sein Weg in den hohen Norden, wo er im März 1934 juristischer Hilfsarbeiter bei der Marinewerft Wilhelmshaven und noch im selben Jahr ganz in die Marineverwaltung übernommen wurde. Nachdem er zwischenzeitlich beim Marinearsenal Kiel beschäftigt und dort auch befördert worden war, brachte es Brandl in Wilhelmshaven bis zum Werftverwaltungsdirektor. Als solcher leitete er ab 1944 die Verwaltung des mehr als 30.000 Personen umfassenden Reichsbetriebes. Nach dem Ende des Krieges wurde Brandl von der britischen Besatzungsmacht damit beauftragt, die Werft finanziell und vermögensrechtlich abzuwickeln. Dass die Briten dabei auf den Werftverwaltungsdirektor zurückgriffen, war wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass er allseits ein hohes Ansehen genoss und weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen angehört hatte. Dementsprechend wurde Brandl im Februar 1948 auch in die Gruppe der Entlasteten eingereiht.206 Als sich ein Ende der Abwicklungsarbeiten abzeichnete, bewarb sich Brandl beim Wirtschaftsrat der Bizone für eine Verwendung im höheren Verwaltungsdienst. Dabei hob er darauf ab, während seines gesamten Berufslebens sich eingehend mit organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen beschäftigt und 203 Der Oberlandesgerichtspräsident an das Bayerische Staatsministerium der Justiz v. 9.10.1947 betr. Amtsgerichtsrat Georg Elsenheimer, Bamberg, in: Ebd., Bl. R 29. 204 Dehler an den BMdJ v. 20.8.1965, in: BMJ, Generalakten Höherer Dienst, Az. 220 BMJ – 10 (1), Anfragen beim BDC , Sonderakte zu Elsenheimer, Bl. 17 f., hier Bl. 18. 205 Ebd., Bl. 17. 206 Denazifizierungsausschuss Kreis Minden, Entlastungszeugnis für Theodor Brandl v. 3.2.1948, in: BMJ -Personalakte Theodor Brandl (P 11 – B 4), Bl. 5.

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die Organisation der Marinewerft nach den modernen Erfordernissen völlig umgestaltet zu haben.207 Die Bewerbung stieß auf das Interesse der zuständigen Stellen. Niemand anderes als Walter Strauß, der designierte stellvertretende Vorsitzende der Verwaltung für Wirtschaft, verhandelte am 19. August 1947 mit Brandl in Bremen. Im Nachgang zu den Gesprächen notierte Strauß, er halte den Beamten für eine Verwendung in der Verwaltungsabteilung für Organisationsfragen der Verwaltung, Kontrolle der Arbeitsleistung des Personals, Rationalisierung der Verwaltung und dergleichen für geeignet.208 Zum 1. Oktober 1947 wurde Brandl in die Verwaltung für Wirtschaft berufen und baute die noch im Entstehen begriffene Einrichtung als Organisationsreferent mit auf. Aufgrund der verhältnismäßig unproblematischen NS -Vergangenheit genehmigte der Politische Prüfungsausschuss des Wirtschaftsrats die Einstellung Brandls als Referent einstimmig.209 Nachdem Strauß zum Leiter des Rechtsamts berufen worden war, nahm er Regierungsdirektor Brandl mit an seine neue Wirkungsstätte. Dort leitete Brandl, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, das Zentralreferat. Als Strauß nach Gründung der Bundesrepublik zum Staatssekretär im Bundesjustizministerium bestellt worden war, folgte Brandl auch diesmal seinem Vorgesetzten nach Bonn  – zunächst wie alle anderen Beschäftigten auf dem Wege der Abordnung. Im Sommer des Jahres 1950 wurde er dann ganz offiziell in den Dienst des Bundes übernommen, zusammen mit Ministerialrat Henning von Arnim und Oberregierungsrat Franz Jung, die zuvor ebenfalls ihren Dienst im Rechtsamt unter Strauß versehen hatten. Unter der laufenden Nummer zwei wurde Theodor Brandl am 10. April 1952 in das Verzeichnis der beim BMJ wiederverwendeten Personen eingetragen; er war also einer der 131er auf der Rosenburg.210 Seine Zuständigkeit als Referatsleiter umfasste das Verkündigungs- und Bekanntmachungswesen. Zudem wurde Brandl vom Staatssekretär mit der Geschäftsführung der Bundesanzeiger-Verlags-GmbH betraut. Am 4. Juli 1953 wurde der Regierungsdirektor zum Ministerialrat ernannt, was er bis zu seiner Pensionierung 1972 auch bleiben sollte. Erich Hage Unter den Referatsleitern der Abteilung Z nahm Erich Hage eine besondere Stellung ein, war er doch von Hause aus kein Jurist. Ausgebildet bei der Stadt Frankfurt am Main, arbeitete der 1910 geborene Lothringer zunächst für die 207 Brandl an den Zweizonen-Wirtschaftsrat v. 10.6.1947 betr. Bewerbung für den höheren Verwaltungsdienst, in: Ebd., Bl. 1. 208 Vermerk von Strauß v. 21.8.1947, in: Ebd., Bl. 10. 209 Ausschnitt aus dem Protokoll der 22. Sitzung des P. P. A. des Wirtschaftsrates am 3.5.1948, in: BMJ -Personalakte Theodor Brandl (P 11 – B 4), Beiakte Verwaltung des VWG , unpag. Bl. 210 Vermerk von Winners v. 10.4.1952, Az. P 97 BJM , in: BMJ -Personalakte Theodor Brandl (P 11 – B 4), Bl. 72.

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Finanzverwaltung der Mainmetropole. Aus der Kommunalverwaltung führte ihn sein Weg in den sogenannten Reichsnährstand, für den er zunächst in Frankfurt am Main, dann in Stettin tätig war. Im Reichsnährstand, der seit 1933 eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bildete, waren sämtliche in der Landwirtschaft tätigen Personen, Betriebe und Verbände vereinigt. Als Oberkassenleiter der provinzialen Reichsnährstandskasse in Stettin führte Hage nach eigener Auskunft eine gründliche Bereinigung und Reorganisation durch.211 Während des Nationalsozialismus gehörte er nicht nur der Partei an, sondern auch der SA , innerhalb derer Hage als Rottenführer wirkte. Nachdem er 1943 in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten war, setzte allerdings ein Wandel in der Haltung Hages ein. Von den mit ihm internierten Kameraden wurde er zum Lagersprecher gewählt und war damit der Leiter der den Deutschen eingeräumten weitgehenden Selbstverwaltung in der Gefangenschaft. Ende Juni 1945 veröffentlichte er einen Aufruf, »in dem er sich öffentlich von allem Ideengut des Nationalsozialismus lossagte«, wie ein amerikanischer Militär in einer Erklärung bemerkte.212 Gleichzeitig habe Hage die Lagerangehörigen aufgefordert, »alle Kräfte zu vereinigen, um ein neues demokratisches Deutschland auf gesunder Basis« aufzubauen. Zudem initiierte der Sprecher des Kriegsgefangenenlagers ein Programm namens »Amerikanische Regierungsform und Demokratie«, das den Deutschen die für den Wiederaufbau notwendigen Erkenntnisse vermitteln sollte und das bei amerikanischen Stellen großes Lob fand.213 Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft und der Rückkehr nach Deutschland im Mai 1946 musste sich Hage zunächst einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, das für ihn mit der Einstufung als Mitläufer endete. Im Anschluss bewarb er sich – wie Theodor Brandl – beim Verwaltungsamt für Wirtschaft an seinem früheren Wohnort Frankfurt und betonte dabei, er wolle seine Schaffenskraft und Fähigkeiten in den Dienst des Wiederaufbaus stellen.214 Walter Strauß, der nach eigener Auskunft »jeden echten Gesinnungswandel« begrüßte,215 antwortete Hage, er habe dessen Bewerbung mit großem Inter211 Lebenslauf Erich Hage v. 30.3.1948, in: BMJ -Personalakte Erich Hage (P 11 – H 3), Bl. 2. 212 Undatierte Erklärung von Myrvin C. Clark, Capt. C. M. C., Assistant Executive Officer, in: BMJ -Personalakte Erich Hage (P 11 – H 3), Bl. 7. 213 Das Verhältnis zu dem Leiter des Kriegsgefangenenlagers war so gut, dass Hage denselben noch im Frühjahr 1970 in den USA besuchte. Das geht aus einer Notiz auf der Rückseite von Bl. 213 in Bd. 2 der BMJ -Personalakte hervor. Der Urlaub Hages hatte zur Folge, dass ihm die Dankesurkunde zum 40-jährigen Dienstjubiläum erst nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten überreicht werden konnte. 214 Hage an das Verwaltungsamt für Wirtschaft v. 30.3.1948 betr. Einstellungsgesuch, in: BMJ -Personalakte Erich Hage (P 11 – H 3), Bl. 1. 215 Strauß an Franz Thedieck v. 10.2.1960 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 221, unpag. Bl. Gleichzeitig forderte Strauß in dem Schreiben an seinen Staatssekretärskollegen: »Er [der Gesinnungswandel] sollte aber zu der Ansicht führen, dass man dann bestimmten Arbeitsgebieten fernzubleiben hat. Aber offenbar kann man das von Menschen nicht erwarten, die stets und überall dabei sein wollen.« Diese Bemerkungen waren bezogen auf den Fall des NS -belasteten Dr. Rabl, der einst an der Unterdrückung fremden Volkstums

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esse gelesen und glaube, dem Bewerber im Rechtsamt, das er in naher Zukunft übernehme, eine Verwendung ermöglichen zu können.216 Nur gut zwei Monate später trat Hage seinen Dienst als Verwaltungsamtmann im Rechtsamt an. Dort bearbeitete er das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Rechtsamts sowie des im Entstehen begriffenen Patentamts. Kurz nachdem er zum Amtsrat befördert worden war, erfolgte am 26. September 1949 die Einberufung Hages zur Dienstleistung im BMJ. Schon bald darauf setzte es sich Dehler zum Ziel, den Amtsrat zum Ministerialbürodirektor (MBD) zu machen. In einer Note an Winners bat der Minister darum, die Spruchkammerakten des Beamten zu besorgen und bei den anderen Ministerien festzustellen, ob dort der Beschluss des Kabinetts, im Grundsatz die Stelle des MBD nicht mit einem ehemaligen Parteigenossen zu besetzen, durchgeführt worden sei.217 Die Antwort des Personalreferenten ist zwar nicht in den Akten enthalten, doch es scheint, als ob der Grundsatzbeschluss der Bundesregierung nur bedingt eingehalten wurde, denn die Ernennung Hages zum Ministerialbürodirektor wurde trotz dessen früherer NSDAP-Mitgliedschaft weiter betrieben. Dabei konnte Dehler davon ausgehen, dass es zu keinem nennenswerten Widerstand gegen die Personalie kommen würde. Zunächst erfolgte am 3. Januar 1951 die Ernennung Hages zum Regierungsrat, mit der er zugleich vom gehobenen in den höheren Dienst aufstieg. Danach vergingen noch einmal fast zwei Jahre, bis der Bundesjustizminister seinen Personalreferenten damit beauftragte, die Ernennung Hages zum Ministerialbürodirektor einzuleiten.218 Am 16. Januar 1953 wurde der Beamte zum »Oberregierungsrat als Ministerialbürodirektor«, so die offizielle Amtsbezeichnung bis zu einer Gesetzesänderung im Sommer 1957, ernannt.219 Es folgten noch die Beförderungen zum Regierungsdirektor (1957) und schließlich zum Ministerialrat (1962). Neben seiner Tätigkeit als Ministerialbürodirektor leitete Erich Hage das Organisationsreferat. Den inneren Dienst des BMJ habe er mit »Tatkraft, Geschick und großem praktischen Verständnis auch für technische Fragen aufgebaut und geleitet«, wie sein direkter Vorgesetzter Ministerialdirigent Richter in einer Be­ in Polen, der Tschechoslowakei und in den Niederlanden beteiligt gewesen sei und nun »keine, auch wissenschaftliche, Glaubwürdigkeit« mehr besitze, wenn er sich zu Fragen des deutschen Volkstums äußere. 216 Strauß an Hage v. 5.4.1948, in: BMJ -Personalakte Erich Hage (P 11 – H 3), Bl. 15. 217 Note von Dehler an Winners v. 2.11.1950 betr. Amtsrat Hage, in: Ebd., Bl. 61. 218 Vermerk von Dehler für Winners v. 1.12.1952, in: Ebd., Bl. 80. 219 Als Hage bekannt wurde, dass der Bundespersonalausschuss und die Beamtenrechtsabteilung des Bundesinnenministeriums die Auffassung vertreten, dass die Stellung des Ministerialbürodirektors eine Spitzenstellung des gehobenen Dienstes sei, bat er unter dem Datum des 22.11.1954 den Bundesminister der Justiz um eine Bestätigung, dass er auch als Oberregierungsrat als Ministerialbürodirektor nach wie vor dem höheren Dienst angehöre. Minister Neumayer unterzeichnete daraufhin den von Abteilungsleiter Z Richter gefertigten Entwurf, nach dem Hage weiterhin zu den Beamten des höheren Dienstes gezählt werde.

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urteilung von 1960 bemerkte.220 Die »schwierige und undankbare« Aufgabe des Sicherheitsschutzes erfülle Hage ebenso geschickt und taktvoll.221 Besonders wusste Richter zu würdigen, dass sich Hage auch ohne Juristenausbildung allgemeine rechtliche Kenntnisse angeeignet habe. Als Referatsleiter war Hage auch für die Personalangelegenheiten der Beamten des gehobenen, mittleren und einfachen Dienstes sowie für die Angestellten und Arbeiter zuständig. Daher ging sein Vorgesetzter auch darauf ein und bescheinigte ihm, in jenen Fragen ein klares Urteil zu beweisen und sich ernsthaft darum zu bemühen, jedem gerecht zu werden – auch dadurch, indem er die bei jedem willens- und gefühlsstarken Menschen vorhandene Gefahr, eigene Erfahrungen und Eindrücke überzubewerten, bekämpfe. Um die persönlichen Angelegenheiten der ihm anvertrauten Beamten, Angestellten und Arbeiter kümmere er sich in vorbildlicher Weise. Überhaupt sei Hage »außerordentlich diensteifrig und strebsam« und »großer Belastung gewachsen«.222 Die Doppelstellung als Organisationsreferent mit umfangreichen Zuständigkeiten einerseits und als Ministerialbürodirektor mit einer für das ganze Haus wichtigen Funktion andererseits bewirkte, dass Hage eine verantwortungsvolle, einflussreiche und Gestaltung ermöglichende Position im BMJ besaß. Staatssekretär Strauß vertraute seinem alten Mitarbeiter und versuchte ihn stets zu fördern. Wilhelm Groth Von den während der fünfziger Jahre in der Zentralabteilung tätigen Referatsleitern war der 1898 in Berlin geborene Wilhelm Groth der älteste. Dem Bundesjustizministerium gehörte er seit dessen Gründung bis zu seinem frühen Tode 1959 an. Wie seine Kollegen Brandl und Hage war Groth einer derjenigen Beamten auf der Rosenburg, die unter das Gesetz zu Artikel 131 GG fielen. Oder anders gesagt: Auch Groth brachte Verwaltungserfahrung mit nach Bonn, die er nicht zuletzt während des Nationalsozialismus erworben hatte. Von 1939 bis 1945 wirkte er im Reichsjustizministerium als Geschäftsstellenleiter und Expedient. Zuvor hatte er bereits 25 Jahre lang bei verschiedenen Berliner Gerichten gedient, die letzten vier Jahre als Bezirksrevisor und Unterrichtsleiter im Kostenwesen beim Landgericht III und Amtsgericht Berlin. In der NSDAP, der er 1937 beitrat, engagierte sich der Beamte als Blockleiter und Ortsgruppenmitarbeiter. Zudem war er seit 1934 förderndes Mitglied beim Nationalsozialistischen Fliegerkorps bzw. dessen Vorgängerorganisation. Einer Einstufung als Belasteter entging er im Dezember 1947 durch eine Weihnachtsamnestie, die der öffentliche Kläger bei der Spruchkammer Hof-Stadt aufgrund der Angaben Groths im Meldebogen verfügt hatte. 220 Abteilungsleiter Z, Dienstleistungszeugnis für Regierungsdirektor Hage v. 28.9.1960, in: BMJ -Personalakte Erich Hage (P 11 – H 3), Beurteilungsheft, Bl. 1–3, Zitat Bl. 2. 221 Ebd. 222 Ebd., Bl. 1.

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Nach erfolgter Entnazifizierung fand Groth beruflichen Anschluss im Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Der früher ebenfalls dem Reichsjustizministerium angehörende Walter Kriege hatte ihn dem Leiter des Rechtsamts Walter Strauß empfohlen.223 Bereits vor Gründung des Bundesministeriums der Justiz griff Strauß in seiner Personalpolitik somit auf den Rat von Kriege zurück.224 Nach Gründung der Bundesrepublik war Groth zunächst bei der Dienststelle des BMJ in Frankfurt am Main beschäftigt, die hauptsächlich aus Angehörigen des dort befindlichen Rechtsamts bestand. Ende November 1949 wurde er dann nach Bonn beordert. Von Beginn an wurde Groth mit Besoldungssachen betraut, zunächst als Sachbearbeiter von Walter Hohenstein, der dem Referat für Haushalts- und Besoldungsangelegenheiten vorstand. Anfang August 1950 wurde Groth zum Amtsrat ernannt und rückwirkend zum 1. Oktober des Vorjahres in eine entsprechende Planstelle eingewiesen. Damit galt er offiziell als Hilfsreferent seines Vorgesetzten Hohenstein. Nach dessen Tod im Oktober 1952 wurde Groth das Zeichnungsrecht verliehen; er versah das Referat gleichsam als kommissarischer Referent. Nach gut drei Jahren im Bundesjustizministerium gelang Wilhelm Groth der Aufstieg vom gehobenen in den höheren Dienst. Zuvor hatte Personalreferent Winners in einer Aufzeichnung vom 1. Dezember 1952 darauf hingewiesen, dass Groth mit dem ihm verliehenen Zeichnungsrecht in Besoldungssachen die Verantwortung eines Referenten des höheren Dienstes trage.225 Deshalb, so schlussfolgerte Winners, sei es angezeigt, ihm auch die Stellung eines Beamten des höheren Dienstes zu verleihen. Im Übrigen verfüge Groth auf dem Gebiet des Besoldungsrechts über sehr gute Kenntnisse und eine reiche Erfahrung »wie kein anderer Beamter des Hauses«. Um die Beförderung von Amtsrat Groth zu ermöglichen, zeigte der Personalreferent zugleich einen gangbaren Weg auf: Durch das Einrücken des Regierungsrats Hage in die Ministerialbürodirektorenstelle werde die entsprechende Planstelle im Besoldungs- und Haushaltsreferat frei und sei für Groth verfügbar. Der Vorstoß von Winners in der Angelegenheit Groth wurde von der Hausleitung unterstützt, denn schon am folgenden Tag wurde der vom Personalreferenten bereits vorbereitete Ernennungsvorschlag von Minister Dehler unterschrieben und von Staatssekretär Strauß gegengezeichnet.226 Nach der am 5. Dezember erfolgten Ernennung zum Regierungsrat wurde Groth allerdings nicht, wie von Winners vorgeschlagen, in die Stelle von Hage, sondern in diejenige Stelle eingewiesen, in der bis zum 16. Oktober Dr. Ellinor v. Puttkamer geführt worden war, die nun zum Auswärtigen Amt wechselte.227 223 Walter Kriege an Strauß v. 28.6.1948, in: BMJ -Personalakte Wilhelm Groth (P 11 – G 3), Bl. 8. 224 Ausführlich zu Kriege siehe S. 41 m. Anm. 136 u. 137. 225 Aufzeichnung von Winners v. 1.12.1952 o. Tit., in: BMJ -Personalakte Wilhelm Groth (P 11 – G 3), unpag. Bl. 226 Der BMdJ, Vorschlag zur Ernennung des Amtsrats Wilhelm Groth zum Regierungsrat v. 2.12.1952, in: Ebd., Bl. 77 f. 227 Der BMdJ, Einweisungsverfügung für Groth v. 15.12.1952, in: Ebd., Bl. 81.

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Der Beförderung zum Regierungsrat folgte dann noch diejenige zum Oberregierungsrat, die jedoch erst im zweiten Anlauf glückte. Bereits im November 1954 hatte die Hausleitung »mit Rücksicht auf die Qualität seiner Arbeit und auf die Bedeutung und den Umfang seines Aufgabengebietes« versucht, die Beförderung Groths in die Wege zu leiten.228 Doch der Bundespersonalausschuss hatte die in diesem Falle notwendige Ausnahmegenehmigung verweigert.229 Ein Jahr später war eine solche Genehmigung nicht mehr erforderlich, sodass Groth nunmehr zum Oberregierungsrat ernannt werden konnte. Kurz nach Vollendung seines 61. Lebensjahres verstarb Wilhelm Groth nach fast zehn Jahren im Dienst des BMJ. Im von Bundesjustizminister Schäffer unterzeichneten Nachruf hieß es, mit ihm scheide ein Beamter, dessen Fleiß und Pflichttreue vorbildlich gewesen seien.230 Dr. Theodor Lohr Aus der nordrhein-westfälischen Landesjustiz ins BMJ kam Theodor Lohr, der 1913 in Troisdorf geboren wurde. Beide Examina hatte er mit »gut« absolviert und war mit dem Prädikat »sehr gut« promoviert worden. Am Zweiten Weltkrieg nahm Lohr von 1940 bis 1945 teil und konnte daher seine Stelle am Amtsgericht Euskirchen nicht antreten. Im Rahmen der Entnazifizierung reihte die Spruchkammer Siegburg Lohr, der 1933 der SA und 1937 der NSDAP beigetreten war, in die Gruppe der Entlasteten ein. Der Betreffende selbst, der aus kleinsten Verhältnissen stammte, führte seine früheren Mitgliedschaften auf wirtschaftliche Zwänge zurück.231 Zudem sei seine Familie bei den Nationalsozialisten als die schwärzeste, sprich konservativste im ganzen Ort verschrien gewesen, er selbst sei praktizierender Katholik. Dass er trotz seiner den Nationalsozialismus ablehnenden Grundhaltung in den Staatsdienst übernommen und befördert worden war, führte Lohr auf seine sehr guten Zeugnisse zurück, »die auch die nationalsozialistischen Stellen wohl oder übel anerkennen mussten.« Nach dem Ende der NS -Herrschaft sei es sein größter Wunsch, so bekräftigte Lohr im Oktober 1945, in einem demokratischen und christlichen Staatswesen wieder als unabhängiger Richter tätig zu sein.232 Nach der Feststellung seiner Entlastung trat er im August 1946 seinen Dienst als Richter am Landgericht Bonn an, wo er zum 1. November 1949 zum Landgerichtsrat befördert wurde. Zwei Jahre lang, von Mai 1949 bis Mai 1951, wirkte er zugleich als Sachbearbeiter in der Verwaltungsabteilung des Bonner Landgerichts. Während dieser Zeit wurde auch 228 Der BMdJ an den BMdI v. 5.11.1954 betr. Ernennung des Regierungsrats Wilhelm Groth zum Oberregierungsrat, hier: Abweichung von den Bestimmungen der Reichsgrundsätze, in: Ebd., Bl. 100 f., Zitat Bl. 101. 229 Der Bundespersonalausschuss, Beschluss Nr. 469/54 v. 2.12.1954, in: Ebd., Bl. 106. 230 Nachruf des BMdJ auf Wilhelm Groth o. D. [Sept. 1959], in: Ebd., Bl. 177. 231 Lohr, Anlage zum Fragebogen der Militärregierung v. 14.10.1945, in: Personalakte Landgericht Bonn betr. Theodor Lohr, unpag. Bl. 232 Ebd.

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das Bundesjustizministerium auf Lohr aufmerksam; wodurch, das ist unklar. Jedenfalls hatte, wie aus einem Schreiben des nordrhein-westfälischen Justizministers an den OLG -Präsidenten in Köln, zu dessen Bezirk das Landgericht Bonn gehörte, hervorgeht, der Bundesminister der Justiz um die Übersendung der obergerichtlichen Personalakten über Lohr gebeten.233 Mitte Mai 1951 erfolgte jedoch seine Berufung in das Düsseldorfer – nicht in das Bonner – Justizministerium, wo er als Personalreferent fungierte. Nach nur wenigen Monaten wurde Lohr zum 1. Dezember 1951 an das Bundesjustizministerium abgeordnet und bereits nach gut einem Jahr als Regierungsdirektor in den Bundesdienst übernommen.234 Als Referent in der Zentralabteilung zählten zu seinem Aufgabenbereich Fiskus-, Wiedergutmachungs-, Disziplinar- und Gnadensachen beamtenrechtlicher Art wie auch Einzelsachen des Gesetzes zu Artikel 131 GG . Lohr selbst gehörte zum Personenkreis der 131er, er kannte die Materie also nicht nur aus der Theorie, sondern auch aus eigener Anschauung. Ferner war er für die Unterstützung der Beamten sowie Auskünfte aus den Personalakten des früheren Reichsjustizministeriums zuständig. Im Übrigen fungierte Lohr als Beauftragter des Bundesdisziplinaranwalts für die Bundesjustiz­verwaltung. Besondere Anerkennung seitens des Staatssekretärs fand jedoch seine Arbeit im Bereich der Wiedergutmachung, der er sich mit großem Eifer und menschlichem Verständnis angenommen habe.235 Dazu stellte Strauß heraus: »Es ist ihm zu verdanken, wenn die zahlreichen Wiedergutmachungsansprüche der ehemaligen Reichsjustizbeamten in kurzer Frist erledigt werden konnten.«236 Die Qualitäten Lohrs – für längere Zeit hatte er sogar den Personalreferenten zu vertreten – waren auch anderen Ministerien nicht verborgen geblieben. So zeigte das Bundesministerium der Verteidigung Interesse an ihm.237 Die Hausleitung des BMJ willigte schweren Herzens ein, Lohr, den man auf der Rosenburg als »hervorragende Kraft« charakterisierte, zur Verfügung zu stellen.238 Allerdings machte es Staatssekretär Strauß zur Bedingung, dass der Beamte an seiner neuen Wirkungsstätte vom Regierungsdirektor zum Ministerialrat befördert werde. Strauß war somit am beruflichen Vorankommen seines Beamten interessiert. Das Verteidigungsministerium sagte zu, diese Bedingung zu erfüllen.239 233 Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den Kölner OLG -Präsidenten v. 24.4.1951, in: Ebd., Bl. 1. 234 Während seiner Abordnung an das BMJ und unter Beibehaltung derselben war Lohr am 1.2.1952 zum Oberlandesgerichtsrat beim OLG Köln ernannt worden, trat diese Stelle aber nicht an. 235 Der BMdJ, Dienstleistungszeugnis für Theodor Lohr v. 28.3.1956, gez. Strauß, in: ­BMVg-Personalakte Theodor Lohr (P 12), Bl. 10 f. 236 Ebd., Bl. 11. 237 Der BMdVg an den BMdJ v. 13.2.1956, in: Ebd., Bl. 16. 238 Der BMdJ an den BMdVg v. 21.2.1956 betr. Personal für das BMVg, hier: Regierungsdirektor Dr. Theodor Lohr, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 18. 239 Der BMdVg an den BMdJ v. 3.3.1956 betr. Regierungsdirektor Dr. Theodor Lohr, in: Ebd., Bl. 20.

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Zur zukünftigen Aufgabe des Beamten hieß es, er solle die Leitung eines zivilen Personalreferats übernehmen. Zum Ministerialrat im Bundesministerium der Verteidigung ernannt wurde Lohr schließlich am 12. Juli 1956. Hanns-Eberhard Erdmann Nachfolger von Theodor Lohr als Referent für Wiedergutmachungsangelegenheiten und Einzelsachen des Gesetzes zu Artikel 131  GG wurde Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann, der bereits seit November 1952 vom Landgericht Hannover an das BMJ abgeordnet und dort als Hilfsreferent im Referat von Lohr tätig gewesen war. Erdmann wurde 1919 in Berlin geboren, seine eigentliche Heimat aber lag in Schlesien. Später kam die Familie nach Hannover, wo Erdmann bereits einen Teil seines Vorbereitungsdienstes absolviert hatte. Der NSDAP schloss er sich nicht an, wohl aber dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps, bei dem er als Obersturmmann geführt wurde. Durch Beschluss der Denazifizierungskammer in Hannover wurde Erdmann 1947 entlastet. Die zweite juristische Staatsprüfung absolvierte er im selben Jahr mit »gut«, nachdem er die erste bereits 1940 mit »lobenswert« bestanden hatte. Nach verschiedenen Stationen als Rechtsanwalt und Richter in Niedersachsen wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 zum Landgerichtsrat in Hannover ernannt. Nun, nach seiner Abordnung zum BMJ, gab es seitens des Ministeriums zunächst keine Pläne, ihn in den Bundesdienst zu übernehmen, wie Strauß zu Beginn des Jahres 1954 den niedersächsischen Justizminister wissen ließ.240 Die Abordnung des Beamten zog sich jedoch ungewöhnlich lange hin. Der Grund hierfür bestand darin, dass Erdmann dringend für die Erledigung der Wiedergutmachungssachen, in die er gut eingearbeitet war, benötigt wurde.241 Daher hatte das BMJ im Einvernehmen mit dem niedersächsischen Justizministerium zum 1. August 1953 den Umzug des Beamten nach Bonn angeordnet. Nachdem der Leiter der Zentralabteilung Ministerialdirigent Richter im Juni 1954 beim Justizministerium in Hannover vorgesprochen hatte, verlängerte die Behörde noch einmal die Abordnung Erdmanns, jedoch längstens bis zum Jahresende.242 Einige Woche vor Ablauf dieser Frist bat Staatssekretär Strauß um eine nochmalige Verlängerung der Abordnung bis zum 30. September 1955; Landgerichtsrat Erdmann sei ihm mit Rücksicht auf die Erfahrung, die er nun besitze, »noch ganz unentbehrlich«.243 Nachdem sich Hannover dem Wunsch 240 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz v. 11.1.1954, gez. Strauß, in: BMJ -Personalakte Hanns-Eberhard Erdmann (P 11 – E 15), Bd. 1, Bl. 33. 241 Ebd. 242 Der Niedersächsische Minister der Justiz an den BMdJ v. 16.6.1954 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann vom LG Hannover, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, in: Ebd., Bl. 35. 243 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz v. 18.11.1954 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann vom LG Hannover, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, in: Ebd., Bl. 38.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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aus Bonn gegenüber ablehnend geäußert hatte, setzte das BMJ noch einmal nach. Im Anschluss an Gespräche zwischen Ministerialdirigent Dr. Richter und Regierungsdirektor Dr. Schulz sowie Staatssekretär Dr. Meyer-Abich vom Justizministerium in Hannover wandte sich Bundesjustizminister Neumayer an den niedersächsischen Ministerpräsidenten und geschäftsführenden Justizminister Hinrich Wilhelm Kopf (SPD).244 Auf dessen Entscheidung sei die Ablehnung im Übrigen zurückzuführen, wie Richter in einem Vermerk festgehalten hatte.245 Ein Ende der Abordnung zum 31. Dezember würde, so argumentierte der Minister, eine »ungewöhnliche« Härte für den Beamten darstellen, der schon zu Beginn seiner Tätigkeit in Bonn fast ein Jahr lang von seiner Familie getrennt gewesen sei.246 Überdies könne er bei der Bearbeitung der neuen Wiedergutmachungsanträge und einer erheblichen Zahl von anhängigen Rechtsstreitigkeiten nicht auf die Mitarbeit von Erdmann verzichten. Eine Fortsetzung der Abordnung bis zum 30. September 1955 läge demnach im Interesse sowohl des Beamten als auch der Arbeit des Ministeriums.247 Gleichzeitig signalisierte Neumayer Verständnis für die Schwierigkeiten einer langen Abordnung, der er durch die bei den Ländern angeregte, aber bei den Landesfinanzministern auf Widerstand stoßende Schaffung fliegender Planstellen für jüngere Richter entgegenzutreten suche.248 Die Bitte des Ministers aus Bonn verhehlte ihre Wirkung nicht. Unter Zurückstellung seiner grundsätzlichen Bedenken stimmte Ministerpräsident Kopf der abermaligen Verlängerung der Abordnung Erdmanns an das BMJ zu.249 Dieser solle sich aber schon jetzt darum bemühen müssen, in Hannover wieder eine Familienwohnung zu finden, damit ihm später eine erneute Trennung von der Familie erspart bleibe. In einem zweiten Schreiben vom selben Tag bekräftigte Kopf, er werde einer erneuten Verlängerung der Abordnung nur dann »nähertreten können«, wenn die von Neumayer erwähnten fliegenden Planstellen geschaffen werden sollten.250 Als wiederum das Ende der Abordnung absehbar war, wandte sich Bundes­ justizminister Neumayer erneut an seinen niedersächsischen Amtskollegen (allerdings nicht mehr Kopf) und bat abermals um eine Verlängerung – nunmehr bis zum 31. März 1956.251 Zur Begründung führte er an, dass Erdmann 244 Der BMdJ an den Ministerpräsidenten Kopf v. 14.12.1954, in: Ebd., Bl. 41 f. 245 Vermerk von Dr. Richter v. 13.12.1954, in: Ebd., Bl. 40. 246 Der BMdJ an den Ministerpräsidenten Kopf v. 14.12.1954, in: Ebd., Bl. 41. 247 Ebd., Bl. 41 f. 248 Ebd., Bl. 41. 249 Der Niedersächsische Minister der Justiz an den BMdJ v. 25.1.1955 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann vom LG Hannover, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, in: Ebd., Bl. 44. 250 Der Niedersächsische Minister der Justiz an den BMdJ v. 25.1.1955 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard, in: Ebd., Bl. 46. 251 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz v. 24.9.1955 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann vom LG Hannover, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, in: Ebd., Bl. 55.

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Vom Einzug der Normalität

momentan das Wiedergutmachungsreferat verwalte, da der Referent auf die Dauer von etwa zwei Monaten abwesend sei. Daher würde die Arbeit im Referat ohne Erdmann zum Erliegen kommen. Außerdem sei nach einer entsprechenden Verlängerung der Antragsfrist eine große Zahl von Wiedergutmachungsverfahren zu erwarten. Dafür sei Erdmann ebenso unentbehrlich wie für die Vertretung des Bundesjustizministeriums vor den Verwaltungsgerichten. Obwohl in Niedersachsen bislang keine fliegenden Planstellen geschaffen worden waren, stimmte der Justizminister des Landes der Abordnung bis zum 31. März des Folgejahres zu, verlieh zugleich aber der Erwartung Ausdruck, dass Erdmann seinen Dienst beim Landgericht Hannover endgültig zum 1. April aufnehme.252 Da man auf der Rosenburg auf die weitere Mitarbeit von Landgerichtsrat Erdmann nicht verzichten zu können glaubte und ein weiteres Entgegenkommen von Hannover unmöglich erschien, entschloss sich Staatssekretär Strauß zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er bat den Justizminister des an dieser Personalfrage bisher völlig unbeteiligten Landes Nordrhein-Westfalen, Erdmann in den nordrhein-westfälischen Justizdienst zu übernehmen und ihn gleichzeitig bis auf weiteres an das Bundesministerium der Justiz abzuordnen, damit er dort für die weitere Arbeit im Bereich der Wiedergutmachung zur Verfügung stehe.253 Zur Bekräftigung verwies Strauß auf den Wiedergutmachungsausschuss des Deutschen Bundestages, der verlangt habe, dass die in Wiedergutmachungssachen eingearbeiteten Kräfte in den Ministerien in diesem Bereich eingesetzt bleiben, um die mit dem Dritten Ergänzungsgesetz zum BWGöD erwartete Antragsflut mit größter Beschleunigung zu bewältigen.254 Das Justizministerium in Düsseldorf erklärte sich am 14. Januar 1956 bereit, Landgerichtsrat Erdmann zu übernehmen und ihn gleichzeitig an das BMJ abzuordnen.255 Nachdem auch das niedersächsische Ministerium der Justiz der Übernahme Erdmanns in den Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen zugestimmt hatte, wurde dieser Ende September 1956 unter erneuter Berufung in das Richteramt auf Lebenszeit zum Landgerichtsrat ernannt. Doch eine längere Abordnung nach Bonn mit den damit einhergehenden Verhandlungen sollte es diesmal nicht geben. Verantwortlich dafür war der eingangs erwähnte Übertritt des bisherigen Wiedergutmachungsreferenten Theodor Lohr zum Bundesministerium der Verteidigung im Frühjahr 1956. Seitdem führte Erdmann das Referat selbstständig. Das war auch der Grund, weshalb das BMJ nun doch bereit und in der Lage war, Erdmann auf eine Planstelle des eigenen Hauses zu übernehmen. So notierte Personalreferent Winners am 4. September, »Herr Staatssekretär« habe der 252 Der Niedersächsische Minister der Justiz an den BMdJ v. 8.10.1955 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann vom LG Hannover, z. Zt. abgeordnet an das BMJ in Bonn, in: Ebd., Bl. 56. 253 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen v. 23.12.1955 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 66 f. 254 Ebd., Bl. 66. 255 Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den BMdJ v. 1.4.1956 betr. Landgerichtsrat Hanns-Eberhard Erdmann, in: Ebd., Bl. 68.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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Übernahme von Landgerichtsrat Erdmann als Oberregierungsrat zugestimmt.256 Auch der Leiter der Abteilung Z Richter äußerte sich positiv über Erdmann und hielt ihn für den Ministerialdienst für »voll geeignet«.257 Erdmann selbst erklärte sich mit einer Übernahme in den Bundesdienst nur dann einverstanden, wenn ihm eine seiner derzeitigen Richterbesoldung angemessene Regelung seines Besoldungsdienstalters im Bundesdienst zugesichert werde, wie einem Schreiben des BMJ an den Bundesminister der Finanzen zu entnehmen ist.258 Kurzum: Er wollte sich finanziell nicht verschlechtern. Als Erdmann das sichergestellt sah, erklärte er am 26. Januar 1957 gegenüber Winners, er sei mit seiner Übernahme als Oberregierungsrat und der Durchführung des Ernennungsverfahrens ohne Verzögerung einverstanden.259 Daraufhin wurde Erdmann am 6. März unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Oberregierungsrat ernannt. Damit fand zugleich seine rund viereinhalbjährige Abordnung an das Bundesjustizministerium ein Ende. Unter Staatssekretär Strauß wurde Erdmann noch zum Regierungsdirektor (1960), später dann zum Ministerialrat (1965) befördert. Aus dem Dienst im BMJ schied er 1982 auf eigenen Antrag hin aus. Die Begründung, die der Ministerialrat dafür angab, ist bemerkenswert und soll an dieser Stelle ungekürzt wieder­ gegeben werden: »Seit über 20 Jahren leite ich innerhalb des Bundesministeriums der Justiz das Referat für Beamten-, Besoldungs- und Disziplinarrecht. In diesen Jahren habe ich mich bemüht, im Rahmen der Kompetenzen unseres Hauses die bewährten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu schützen und wesensfremde Änderungen abzuwehren. Mein Bemühen wurde mir, seitdem die Bundesrepublik von einer sozial-liberalen Koalition regiert wird, zunehmend erschwert. Nunmehr ist ein Punkt erreicht, an dem es mir unmöglich ist, meinem Dienstherrn weiterhin loyal zu dienen. Ich ziehe es daher vor, aus dem aktiven Dienst auszuscheiden.«260 Dr. Albrecht Zorn Eine eher untypische Laufbahn für einen Juristen hatte Albrecht Zorn aufzuweisen, der 1915 in Naumburg (Saale) geboren wurde und dem Bundesjustizministerium von 1952 bis 1979 angehörte. Zehn Jahre lang, von 1935 bis 1945, hatte Zorn als Berufssoldat bei der Wehrmacht gedient, zuletzt als Hauptmann. Erst während seiner Militärdienstzeit studierte er Rechts- und Staatswissenschaften und legte 1943 das erste Examen ab. Noch am 4. Januar 1945 wurde er 256 Vermerk von Winners v. 4.9.1956, in: Ebd., Bl. 80. 257 Vermerk von Richter v. 2.11.1956, in: Ebd., Bl. 93. 258 Der BMdJ an den BMdF v. 4.12.1956 betr. Festsetzung des Besoldungsdienstalters bei der Übernahme von Richtern und Staatsanwälten aus dem Landes- in den Bundesdienst, hier: Besoldungsdienstalter für Landgerichtsrat Sonnabend und Landgerichtsrat Erdmann, in: Ebd., Bl. 102. 259 Vermerk von Winners v. 26.1.1957, in: Ebd., Bl. 108. 260 Erdmann an den BMdJ v. 1.4.1982, Erklärung, in: Ebd., Bd. 2, Bl. 375 f., Zitat Bl. 376.

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Vom Einzug der Normalität

in Halle (Saale) zum Dr. jur. promoviert. Nach dem Ende des Krieges setzte Zorn seine juristische Ausbildung fort und wurde nach der großen Staatsprüfung im April 1949 zum Gerichtsassessor im Kammergerichtsbezirk ernannt. In beiden Prüfungen erzielte er das Urteil »gut«. Nach kurzer Zeit als Hilfsrichter am Amtsgericht Charlottenburg erfolgte seine Abordnung zur Abteilung Rechtswesen beim Magistrat von Berlin. Während dieser Zeit wurde Zorn zum Landgerichtsrat ernannt und wechselte zum 1. Februar 1951 als Hauptreferent zum Senator für Justiz, wo er das Referat Strafrecht und Strafprozessrecht bearbeitete. Der zuständige Abteilungsleiter zeigte sich sehr zufrieden mit seiner Arbeit und bedachte ihn mit dem Urteil »sehr gut«.261 Wie das Bundesjustizministerium auf Albrecht Zorn als Nachfolger von Karl-Heinz Nüse in dessen Eigenschaft als Leiter des Referats für interzonale Rechtsbeziehungen kam, wurde bereits im ersten Kapitel geschildert.262 Der Ernennung zum Oberregierungsrat im BMJ folgten noch die Beförderungen zum Regierungsdirektor (1958) und schließlich zum Ministerialrat (1963). Im Oktober 1962 wurde Zorn zum Beauftragten des Bundesdisziplinaranwalts für den Bereich der Bundesjustizverwaltung berufen, nachdem er seit März 1960 bereits den Stellvertreterposten übernommen hatte. Im Juli 1961 wurde Zorn außerdem zum Nachfolger von Abteilungsleiter Richter als Verbindungsmann zu den Deutschen Gewerkschaften bestimmt. Neben seinen unmittelbar fachlichen Pflichten übernahm der Beamte demnach auch weitere Aufgaben. Das legt den Schluss nahe, dass die Hausleitung ihm besonderes Vertrauen entgegenbrachte. Ein weiteres Betätigungsfeld Zorns lag in seinen Funktionen als Vertrauensmann der Schwerbeschädigten im BMJ sowie als Hauptvertrauensmann der Schwerbehinderten im Geschäftsbereich der Bundesjustizverwaltung, die er von 1967 bis zu seinem Ausscheiden 1979 ausübte. Für diese Aufgaben war er insofern prädestiniert, als er infolge einer schweren Kriegsverletzung selbst zur Gruppe der Schwerbeschädigten gehörte. Noch im Nachruf lobte die Hausleitung das Engagement Zorns für die Belange der Schwerbehinderten und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Dienststelle.263 Nachdem Zorn 1995 gestorben war, entsandte das BMJ mit dem Leiter der Abteilung Öffentliches Recht einen hochrangigen Vertreter zur Trauerfeier. Ministerialdirektor Dr. Wolfgang Heyde würdigte bei dieser Gelegenheit nicht zuletzt die Verdienste Zorns als Referatsleiter für innerdeutsche Rechtsfragen hinsichtlich der Bemühungen um eine Erleichterung der Rechtsbeziehungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands.264 261 Dienstleistungszeugnis für Albrecht Zorn v. 30.5.1951, ausgestellt vom Leiter der Abt. III , in: BMJ -Personalakte Albrecht Zorn (P 11 – Z 8), Beiakte Senatsverwaltung für Justiz (Berlin), Bd. 2, Bl. 37. 262 Siehe dazu den unter I. 3 folgenden Anschnitt »Landsmannschaftliche Ausgewogenheit«. 263 Nachruf der BMdJ auf Albrecht Zorn v. 30.5.1995, in: BMJ -Personalakte Albrecht Zorn (P 11 – Z 8), Bd. 2. Bl. 300. 264 Ansprache von Ministerialdirektor Dr. Heyde am 1.6.1995 bei der Trauerfeier für Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Zorn, in: Ebd., Bl. 303 f.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

b)

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Gesamtschau der Referatsleiter

Die im Zeitraum von Ende 1953 bis Ende 1961 in der Verwaltungsabteilung des BMJ tätigen Referatsleiter unter einer Überschrift zusammenzufassen, erscheint kaum möglich. Stattdessen lassen sich drei verschiedene Gruppen ausmachen: Da sind erstens diejenigen, die dem Netzwerk Bamberg angehörten und aufgrund ihres Vertrauensverhältnisses zu Thomas Dehler ins Ministerium kamen, also Winners und Elsenheimer. Mit den Referaten für Personalien einerseits und Haushalt andererseits hatte beide Beamte Schlüsselpositionen innerhalb der Abteilung Z inne – auch dann, als Dehler längst nicht mehr Minister war. Eine zweite Gruppe bildeten die Beamten, die schon vor 1949 unter Walter Strauß gedient hatten, entweder im Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets oder bereits in der Verwaltung für Wirtschaft. Namentlich waren das Brandl, Hage und Groth. Nach der Gründung des Bundesjustizministeriums wechselten die Beamten mit ihrem Vorgesetzten dorthin. Die dritte Gruppe unter den Referatsleitern rekrutierte sich aus denjenigen, die nicht durch Strauß oder Dehler, sondern direkt aus der Landesjustiz nach Bonn gekommen waren, also Lohr (Nordrhein-Westfalen), Zorn (Berlin) und Erdmann (Niedersachsen bzw. Nordrhein-Westfalen). Bei dieser Sachlage von einer planmäßigen, kohärenten Rekrutierungspraxis beim Aufbau der Verwaltungsabteilung zu sprechen, wäre falsch. Auch die bei der Auswahl der ersten Abteilungsleiter zu beobachtende landsmannschaftliche Ausgewogenheit gab es bei den Referatsleitern so nicht. Beispielsweise war das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, vom Sonderfall Erdmann abgesehen, lediglich mit Theodor Lohr vertreten, und das auch nur bis zu dessen Übertritt zum Bundesministerium der Verteidigung. Hingegen konnten mit Winners und Brandl sowie Elsenheimer gleich drei Beamte dem Land Bayern zugerechnet werden. Der gebürtige Lothringer Erich Hage repräsentierte ähnlich wie der ursprünglich in Schlesien beheimatete Hanns-Eberhard Erdmann die Flüchtlingsbeamten in der frühen Bundesrepublik. Was die Verteilung der Konfessionen anging, herrschte hier – anders als in der Gesamtheit des Ministeriums, aber wahrscheinlich eher zufällig – Parität. Vier Katholiken standen vier Protestanten gegenüber. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Staatssekretär Strauß viel Wert auf ministerielle Vorerfahrung legte, mutet es erstaunlich an, dass mit Wilhelm Groth nur eine Person Referatsleiter in der Abteilung Z wurde, die früher dem Reichsjustizministerium angehört hatte. Allerdings besaßen auch die übrigen Beamten durchaus Verwaltungserfahrung auf zentraler Ebene, die sie entweder im Rechtsamt der Bizone (Brandl, Hage) oder in der obersten Justizbehörde eines Landes (Lohr, Zorn) bzw. in der Verwaltung eines Oberlandesgerichts (Elsenheimer, Winners) erworben hatten. Einzig auf Erdmann traf das nicht zu. Mit Blick auf die Vergangenheit ist festzustellen, dass fünf von acht Referatsleitern einstmals der NSDAP angehört hatten – vier von ihnen sogar zusätzlich

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Vom Einzug der Normalität

der SA . Nur Brandl und Zorn, die in der Marineverwaltung bzw. bei der Wehrmacht dienten, sowie der jüngste Referatsleiter der Abteilung Z, Hanns-Eberhard Erdmann, waren keine Parteigenossen gewesen. Dass die Personalpolitik dadurch jenseits des kollektiven Beschweigens der Vergangenheit einen rückwärtsgewandten oder gar explizit nationalsozialistischen Einschlag bekommen hätte, war nicht festzustellen. Vielmehr passten sich die Beamten der neuen Zeit und ihren Erfordernissen an. Wie das Beispiel von Erich Hage gezeigt hat, war dieser Gesinnungswandel durchaus ernst gemeint. Während bei den Abteilungsleitern die formelle Qualifikation in Form der Prüfungsnoten von der Hausleitung als ein wichtiges Kriterium erachtet wurde, ist bei den Referatsleitern der Verwaltungsabteilung toleranter verfahren worden. Das galt insbesondere für die Beamten, die bereits unter Strauß und Dehler gearbeitet hatten, bevor sie ins BMJ kamen. Bei ihnen ersetzte gleichsam die Bewährung in der Praxis die zum Teil nur durchschnittlichen Prüfungsergebnisse. Überdies waren zwei der acht Beamten gar keine studierten Juristen. Während Wilhelm Groth wenigstens noch die Prüfung für den gehobenen Justizdienst absolviert hatte, entstammte Erich Hage der Kommunalverwaltung. Bemerkenswert erscheint, dass beide, Hage und Groth, im Bundesjustizministerium 1951/52 den Aufstieg in den höheren Dienst schafften. Sie hatten sich durch ihre Arbeit bewährt und wurden dafür belohnt. c)

Zum Haushalt

Die Ausweitung des Personalbestandes im BMJ erforderte nicht zuletzt mehr Geld. Die jährlichen Haushaltsberatungen im Parlament waren häufig mit zähen Verhandlungen verbunden. Eine Ahnung davon vermittelt ein Brief vom Februar 1957, den Strauß seinem gewesenen Justizminister Neumayer in dessen Urlaub sandte. Darin berichtete der Staatssekretär vom Haushaltsausschuss des Bundestages, in dem diesmal in weniger als zwei Stunden der Haushalt des Bundesjustizministeriums durchgebracht worden war – »ohne auch nur einen Pfennig opfern zu müssen«, wie Strauß sichtlich stolz hervorhob.265 Dafür habe er einen Aufenthalt in Berlin unterbrechen müssen, sei anschließend aber »als totaler Sieger« in die einstige Reichshauptstadt zurückgekehrt. Gleichzeitig gestand der Staatssekretär ein, dass diesem erfreulichen Ergebnis eine sehr sorgfältige Vorbereitung vorausgegangen und viel Zeit darin investiert worden sei. Im Jahr zuvor, so berichtete Strauß, habe ihn der Haushaltsausschuss hingegen zwei Tage lang zur Ader gelassen und die Regierungsvorlage »auf das grausamste« verstümmelt. Diese Äußerung lenkt den Blick auf die Tatsache, dass die stellenmäßige Ausstattung des BMJ nicht zuletzt von den Geldern abhing, die der Bundestag zur Verfügung stellte – eine wichtige Rahmenbedingung für die Personalpolitik auf der Rosenburg. 265 Strauß an Neumayer v. 1.2.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 214, Bl. 15.

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Die Bearbeitung des Haushalts oblag in erster Linie dem zuständigen Referenten, also Ministerialrat Elsenheimer. Bei wichtigen Terminen wie den Sitzungen des Haushaltsausschusses waren allerdings auch der Leiter der Verwaltungs­ abteilung Heinrich Richter und Staatssekretär Strauß gefragt. Überschneidungen gab es aber auch mit dem Personalreferat von Ministerialrat Winners. Hierbei erwies es sich als arbeitsfördernder Vorteil, dass sich die beiden Referenten aus Bamberg kannten und gut aufeinander abgestimmt waren. Walter Strauß als oberster Beamter des BMJ schaltete sich außerhalb ausschlaggebender Sitzungen dann ein, wenn Grundsatzentscheidungen anstanden oder Zweifelsfragen geklärt werden mussten. Als nach dem Wechsel von Ministerialrat Wohlfarth nach Brüssel eine Leerstelle für ihn geschaffen und seine eigentliche Planstelle frei geworden war, herrschte Unklarheit darüber, ob Ministerialrat z. Wv. Kurt Last, der eine zusätzliche, aber künftig wegfallende (kw-)Stelle nach dem 131er-Gesetz innehatte, in die Wohlfarth-Stelle eingewiesen werden könne. In dieser Situation legte der Staatssekretär seine Auffassung in einem Vermerk nieder, den er dann dem Personalreferat »zur weiteren Veranlassung« zukommen ließ.266 Die Wiederbesetzung der freien Planstelle durch einen Fachreferenten sei »unumgänglich«, zumal die Stelle für die ohnehin unter einem Mangel an Referentenstellen leidenden Fachabteilungen ausgebracht worden sei. Zur weiteren Begründung führte der oberste Beamte des BMJ aus, der früher hauptsächlich in der Ausbildungsabteilung des Reichsjustizministeriums tätige Ministerialrat Last verfüge nicht über Erfahrung in der Gesetzgebungstätigkeit eines Fachreferats. Im Übrigen sei er in dem Aufgabengebiet Sammlung und Sichtung unentbehrlich – ohne ihn wäre die »fristgerechte Bereinigung des Bundesrechts« gefährdet. Dies gelte umso mehr, als er nach dem kw-Vermerk bei seiner Planstelle nur durch einen Angestellten der Vergütungsgruppe III ersetzt werden könnte, welcher den anfallenden Aufgaben nicht gewachsen wäre. Seine Auffassung zusammenfassend, meinte Strauß abschließend: »Bei Abwägung der Gesamtumstände muß die freie Planstelle nach meiner persönlichen Überzeugung durch einen zur Beförderung heranstehenden besonders qualifizierten Fachreferenten besetzt werden.«267 Dass der Personalreferent die Entscheidung des Staatssekretärs umsetzte, geht aus einem Vermerk von Winners eindeutig hervor.268 Im April 1958 erstattete der Präsident des Bundesrechnungshofs in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung

266 Vermerk von Strauß v. 22.5.1959 (Abschrift), an das Personalreferat zur weiteren Veranlassung, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – Allg. 19, Haushalt 1959, Bd. 2, Bl. 34. 267 Ebd., Bl. 34 (RS). 268 Vermerk von Winners v. 26.5.1959, in: Ebd., Bl. 35. In dem Vermerk hieß es, die Planstelle von Wohlfarth stehe »nach dem Vermerk des Herrn Staatssekretärs vom 22.5.1959« für Regierungsdirektor Dr. Marquordt zur Verfügung, wenngleich Ministerialrat Last eine zusätzliche Planstelle gemäß § 18 G 131 innehabe.

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Vom Einzug der Normalität

ein Gutachten über den inneren Dienst beim Bundesministerium der Justiz.269 Darin hieß es, der dem Staatssekretär unmittelbar unterstellte Ministerialbürodirektor besitze dadurch »den erforderlichen Rückhalt für alle Maßnahmen des inneren Dienstes«.270 Die Konstruktion, dass der als Ministerialbürodirektor tätige Beamte zusätzlich noch das für Organisationsfragen zuständige Referat in der Verwaltungsabteilung leite, werde, so die Prognose des Bundesbeauftragten, »wegen der Überlastung des Referenten, aber auch aus organisatorischen Gründen« auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein.271 Aus der indirekt ausgesprochenen Empfehlung, beide Funktionen voneinander zu trennen, zog Staatssekretär Strauß allerdings keine unmittelbaren Folgen. Erst gut vier Jahre später wurde eine entsprechende Änderung in der Geschäftsverteilung des BMJ auf den Weg gebracht.272 Mit Wirkung vom 1. August 1962 erfolgte die Eingliederung des MBD -Referats als Referat Z 7 in die Verwaltungsabteilung; die Leitung übernahm Regierungsrat Neus. Als dessen Vertreter wurde der nach wie vor für Organisationsangelegenheiten zuständige Referent Hage bestimmt; um­ gekehrt sollte dieser als Vertreter für Neus dienen. Diese organisatorischen Änderungen können durchaus als Ausdruck der infolge des Personalaufwuchses zugenommenen Arbeitslast angesehen werden.

3.2 Beamtenersatz aus den Ländern In der Aufbauphase des Bundesjustizministeriums waren erst nach und nach in größerem Stil Beamte aus den Bundesländern zur Mitarbeit herangezogen worden. Über den sogenannten Beamtenersatz aus den Ländern hatte es Anfang der fünfziger Jahre langwierige Verhandlungen zwischen den Bonner Ministerien einerseits sowie zwischen Bund und Ländern andererseits gegeben.273 Bei der letztlich erreichten Vereinbarung war das BMJ jedoch außen vor geblieben und konnte beim Personalaustausch mit den Ländern eigenständiger verfahren als die übrigen Ressorts ohne eigenen Verwaltungsunterbau. Gleichwohl hatte sich im Laufe der Zeit ein übliches Verfahren entwickelt, nach dem die Rekrutierung von Personal aus den Bundesländern auf der Rosenburg gehandhabt wurde. Zunächst musste ein entsprechender Bedarf vorhanden sein. Sodann fragte das Ministerium bei den Ländern an, ob eine geeignete Kraft zur Verfügung stehe. 269 Der Präsident des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Gutachten über den inneren Dienst beim BMJ von April 1958, in: IfZArch, ED 94, Bd. 153, Bl. 109–118. 270 Ebd., Bl. 110 (RS). 271 Ebd. 272 Der BMdJ v. 30.7.1962, Hausverfügung Nr. 2 (5. Neufassung – 5. Berichtigung) betr. Änderungen des Geschäftsverteilungsplanes des BMJ mit Wirkung v. 1.8.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 152, Bl. 175. 273 Siehe dazu den unter I.2 folgenden Abschnitt »Verhandlungen zum Beamtenersatz bei den Bundesministerien«.

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War dies der Fall, und die Verantwortlichen hatten sich von der fachlichen und persönlichen Eignung des Beamten überzeugt, so wurde die Person vom Land an das Bundesjustizministerium abgeordnet. Als eine Art doppelter Boden wirkten die ersten zwei bis drei Monate nach der Dienstaufnahme im Ministerium, in denen darauf geachtet wurde, ob der Beamte die in ihn gesetzten Erwartungen wirklich erfülle und sich in der Praxis bewähre. Staatssekretär Strauß sagte einmal dazu, eine längere Beschäftigung komme nur in Betracht, wenn dem Beamten die Arbeit liege und er sich für sie eigne.274 Die übliche Abordnungsdauer lag bei zwei bis drei Jahren, konnte zuweilen aber auch deutlich darüber liegen. In der Regel wurden die von den Bundesländern entsandten Beamten nicht in den Dienst des BMJ übernommen, sondern kehrten nach dem Ende der Abordnung in den Landesdienst zurück. Die genaueren Modalitäten der Rückkehr waren allerdings umstritten. So erklärte Staatssekretär Strauß auf der 22. Konferenz der Justizminister am 10. Juni 1954, sein Ministerium könne nicht zusichern, die abgeordneten Richter und Beamten so lange zu beschäftigen, bis sie von den Ländern in eine echte Planstelle eingewiesen werden könnten. Eine solch harte Linie stieß freilich auf den Widerstand der Länder. Nach einer Aussprache dazu auf der genannten Justizministerkonferenz modifizierte Strauß seine Haltung dahingehend, dass das BMJ die abgeordneten Beamten und Richter in der Regel so lange beschäftigen werde, bis die Wiedereinweisung in eine Planstelle des Landes möglich sei; diese Lösung erfuhr einhellige Zustimmung.275 Gegenstand der Beratungen der Justizminister war abermals die Frage der fliegenden Planstellen, die bereits seit Anfang der fünfziger Jahre immer wieder diskutiert wurde. Im Zuge der Konferenz forderte das BMJ, nach Ländern gegliedert, insgesamt 110 solcher Stellen an. Die meisten sollten mit 28 auf das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen entfallen, gefolgt von Bayern mit 18 sowie Baden-Württemberg und Niedersachsen mit jeweils 14 Stellen. Dahinter reihten sich Hessen (zehn), Rheinland-Pfalz (acht), Berlin und Schleswig-Holstein (je sechs) sowie Hamburg (vier) ein, während Bremen mit nur zwei Stellen das Schlusslicht bildete. Diese Zahlen waren jedoch nicht allein auf das BMJ, sondern auf den gesamten Bedarf der Bundesjustizverwaltung zu beziehen, also die entsprechenden Stellen beim Bundesverfassungsgericht, beim Bundesgerichtshof und bei der Bundesanwaltschaft mit einschließend.276 Im Verlauf der fünfziger Jahre geriet der Beamtenersatz aus den Bundes­ ländern ins Stocken. Daher wurde im BMJ am 27. Juli 1959 ein fünfseitiges Schreiben an die Justizminister bzw. -senatoren der Länder aufgesetzt, in dem Staatssekretär Strauß nicht nur grundlegende Gedanken über den höheren Dienst in der Bundesjustiz darlegte, sondern auch für einen verbesserten Aus274 Ausführungen von Staatssekretär Strauß in einem Auszug vom Protokoll zur 22. Konferenz der Justizminister am 9./10. Juni 1954 in Stuttgart, in: BArch B 141/1361, Bl. 31. 275 Ebd. 276 TOP 4 der Justizministerkonferenz am 9./10. Juni 1954: Beamtenersatz des BMJ, Ergebnis der Beratungen, in: BArch B 141/1361, Bl. 24.

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tausch mit den Bundesländern warb.277 Grundsätzlich liege es im Interesse der gesamten Justiz, dass dem Bundesjustizministerium »qualifizierte, in richterlicher und staatsanwaltlicher Praxis bewährte Kräfte als Planstelleninhaber auf Dauer oder als Hilfskräfte auf Zeit, insbesondere für Gesetzes-Reformarbeiten«, zur Verfügung stünden.278 Der Aufbau der Personalkörper der Bundesjustiz sei im Wesentlichen abgeschlossen, so Strauß zehn Jahre nach Gründung der Bundesrepublik. Insofern erstrecke sich der aktuelle Bedarf der Bundesjustiz in erster Linie auf geeignete Beamte, die ausscheidende, insbesondere nach vorübergehender Tätigkeit in der Bundesjustiz in den Landesjustizdienst zurücktretende Kräfte ersetzen sollen, gleichsam als deren Nachfolger. Insgesamt sei der Kräftebedarf der Bundesjustiz – gemessen an der Gesamtzahl geeigneter und verfügbarer Personen der Landesjustiz – nicht so groß, dass er nicht ordnungsgemäß aus der Landesjustiz gedeckt werden könnte. Das Angebot an Hilfskräften für das Bundesministerium der Justiz sei jedoch »der Zahl nach unzureichend und der Qualität nach nicht stets befriedigend«, prangerte Strauß an.279 Sollte hier keine Veränderung eintreten, das Angebot an Kräften aus den Ländern weiterhin ungenügend sein, müsste auf Personen von außerhalb der Justiz zurückgegriffen werden. Eine solche Einberufung justizfremder Kräfte in das BMJ sei jedoch unglücklich und laufe den Interessen der Justizverwaltungen in Bund und Ländern zuwider. Die selbstständigen, aber einen einheitlichen Organismus bildenden Justizverwaltungen des Bundes und der Länder seien besonders in Fragen der Personalpolitik gehalten, die gemeinsamen Lebensinteressen der gesamten Justiz zu berücksichtigen. Dazu gehöre es, dass auf dem Gebiet der Justizgesetzgebung erfahrene Richter und Staatsanwälte tätig würden, die dann aus der Gesetzgebungsarbeit wertvolle Erfahrungen in den Landesdienst mitnehmen würden. Besonders bewährte Kräfte könnten später einmal bei der Besetzung freier Beförderungsstellen im Ministerialdienst berücksichtigt werden. Letzteres blieb jedoch weitgehend eine Illusion, wie nicht zuletzt die später geführte Klage über zu wenig Beförderungsstellen im Bundesjustizministerium beweist.280 In der jüngeren Vergangenheit hätten die Landesjustizverwaltungen, so konstatierte Strauß im Juli 1959, immer häufiger mitteilen müssen, dass sich auf die Ausschreibungen des BMJ hin keine Bewerber gemeldet hätten. Daraus zog der Staatssekretär den Schluss, dass es nicht mehr genüge, die Ausschreibungen den Justizangehörigen nur bekanntzugeben. Vielmehr müssten die Länder gegenüber den Vorständen der Gerichte und Staatsanwaltschaften auf die personalpolitischen Zielsetzungen der gesamten Justiz hinweisen, damit diese ihrerseits die Bereitschaft qualifizierter Kräfte wecken könnten, sich in der Bundesjustiz 277 Der BMdJ an die Justizminister (Senatoren für Justiz) der Länder v. 27.7.1959 betr. Höherer Dienst in der Bundesjustiz, gez. Strauß, in: BArch B 141/51644, Bl. 3–7. 278 Ebd., Bl. 4. 279 Ebd. 280 Siehe dazu den unter III .2 folgenden Abschnitt »Der Vermerk von Haertel«.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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verwenden zu lassen. Ferner empfahl Strauß den Kollegen aus den Ländern, die Justizangehörigen über die Art der Aufgaben und Tätigkeit beim BMJ aufzuklären. Dies sei umso nötiger, als eine »vielfach irrige Vorstellung verwaltender Tätigkeit im Bundesjustizministerium« bestehe, die durch einen Hinweis auf Inhalt und Art der Gesetzgebungsarbeit auf der Rosenburg und des Verkehrs mit dem Parlament und dessen Ausschüssen richtig gestellt werden könnte.281 Wie nützlich eine solche Aufklärungsarbeit sei, zeige sich daran, dass einige Kräfte, die sich ursprünglich um eine Verwendung beim Bundesgerichtshof oder bei internationalen Organisationen beworben hatten, nach einer Unterrichtung über die Aufgaben der Bundesanwaltschaft und des Bundesjustizministeriums dorthin gegangen seien. Mit seinem Schreiben von Ende Juli 1959 hatte das BMJ in Gestalt seines Staatssekretärs deutlich gemacht, worauf es ihm hinsichtlich des Beamtenersatzes aus den Bundesländern ankam. Im Nachgang zu dem Rundschreiben an die Landesjustizminister wandte sich das Ministerium gesondert an die Justizminister in München, Wiesbaden, Hannover und Mainz, um den Anteil der Beamten aus Bayern,282 Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zu erhöhen.283 Konkret bat Staatssekretär Strauß um die Anbietung besonders qualifizierter Kräfte aus jenen Ländern auf die laufenden und auf etwaige künftige Ausschreibungen der 281 Der BMdJ an die Justizminister (Senatoren für Justiz) der Länder v. 27.7.1959 betr. Höherer Dienst in der Bundesjustiz, gez. Strauß, in: BArch B 141/51644, Bl. 6. 282 Zu Jahresbeginn wurde im BMJ eine »Liste der Bayern« aufgestellt. Sie enthielt 17 Beamte des höheren Dienstes, darunter Ministerialdirektor Walter Roemer sowie die Ministerialräte Theodor Brandl, Dr. Wilhelm Dallinger, Georg Elsenheimer, Dr. Theodor Kleinknecht, Fritz Riedel, Dr. Rudolf Franta, Dr. Hermann Weitnauer und Dr. Hans Winners. Da die Übersicht mit der Bemerkung »Rücksprache MinR Dr. Winners ORR Messerer« versehen war, erscheint es möglich, dass der aus Bayern stammende Bundesjustizminister Fritz Schäffer durch seinen Persönlichen Referenten in Erfahrung bringen wollte, wie viele Bayern im höheren Dienst des BMJ tätig seien. Siehe dazu: Liste der Bayern, Stand: 25.1.1959, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – Allg. 1, Allgemeines Bundesjustizministerium, Bd. 2, Bl. 152. Allerdings war wenige Wochen vor dem Amtsantritt Schäffers bereits eine »Liste der Bayern« im BMJ gefertigt worden, die insgesamt zwanzig Beamte enthielt. Siehe dazu: Liste der Bayern, Stand: 26.9.1957, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – Allg. 1, Allgemeines Bundesjustizministerium, Bd. 1, Bl. 111. Eine ähnliche Liste existierte für Beamte des höheren und des gehobenen Dienstes sowie für Angestellte aus Baden-Württemberg. Die Übersicht von Januar 1960 enthielt die Namen von – wie im bayerischen Fall – 17 Angehörigen des höheren Dienstes. Genannt wurden unter anderem Ministerialdirektor Dr. Josef Schafheutle sowie die Ministerialräte Dr. Georg Schwalm und Alfons Wahl. Letzterem wurde die Urschrift der Liste am 14. Januar übergeben, wie eine handschriftliche Notiz erkennen lässt. Möglicherweise hatte der Ministerialrat um eine solche Aufstellung – zu welchem Zweck auch immer – gebeten. Siehe dazu: Angehörige des BMJ[,] die in Baden-Württemberg geboren sind, gewohnt haben, Dienst geleistet haben etc., Stand: 15.1.1960, in: BMJ, Generalpersonalakten, Az. 220 BMJ – Allg. 1, Allgemeines Bundesjustizministerium, Bd. 2, Bl. 186. 283 Der BMdJ an die Justizminister in München, Wiesbaden, Hannover und Mainz v. 31.7.1959 betr. Höherer Dienst in der Bundesjustiz, gez. Strauß, in: BArch B 141/51644, Bl. 8 f.

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Vom Einzug der Normalität

Bundesjustizverwaltung hin. Von den zum damaligen Zeitpunkt rund achtzig im Dienst der Bundesjustiz stehenden Hilfskräften aus den Ländern kämen elf Personen aus Bayern, jeweils vier aus Hessen und Niedersachsen sowie zwei aus Rheinland-Pfalz. Der Anteil der Angehörigen jener Länder solle nun um jeweils drei, im Falle von Niedersachsen sogar um sechs Kräfte erhöht werden.284 Hierin wird zum einen deutlich, dass die landsmannschaftliche Ausgewogenheit auch über die Phase des anfänglichen Aufbaus hinaus einen wichtigen Aspekt der Personalpolitik bildete. Zum anderen erscheint es bemerkenswert, wie das Bundesjustizministerium versuchte, seine Personalpolitik in diesem Punkt exakt zu steuern. a)

Dr. Johannes Niemeyer

Die schleppende Abordnungspraxis Ende der fünfziger Jahre führte unter anderem dazu, dass etwa 15 von 75 abgeordneten Landesbeamten in der Bundesjustizverwaltung – und damit ein Fünftel – bereits seit mehr als drei Jahren auf Hilfsarbeiterstellen in Bonn bzw. Karlsruhe tätig waren. Die betreffenden Beamten müssten, wie es in einem Vermerk von Personalreferent Winners hieß, »im allseitigen Interesse durch Nachfolger aus dem Landesdienst abgelöst« werden.285 War der fortlaufende Austausch bei den Hilfsarbeitern erwünscht, so gab es aber auch einige Übernahmen vom Landes- in den Bundesdienst. Das eine konnte sich auch aus dem anderen ergeben – wie im Falle von Dr. Johannes Niemeyer, der seit dem 16. Mai 1955 auf der Rosenburg tätig war. Zunächst als Gerichtsassessor von Nordrhein-Westfalen an das BMJ abgeordnet und dort im Referat für völkerrechtliche Verträge, Rechtsfragen der Friedensregelung und Besatzungsrecht tätig, bewährte sich der 1927 geborene Niemeyer im Ministerial­ dienst und wurde ein Jahr später im Landesdienst zum Landgerichtsrat befördert. Bereits im August 1957 zog das Bundesjustizministerium gegenüber dem Justizminister in Düsseldorf die endgültige Übernahme in Betracht.286 Etwa 15 Monate später, im November 1958, waren sich die zuständigen Abteilungsleiter Richter (Z) und Roemer (IV) darin einig, die Beförderung von Niemeyer zum Oberregierungsrat in die Wege zu leiten.287 Staatssekretär Strauß war nicht direkt in die Angelegenheit involviert, stimmte aber wenige Tage später zu. Diese kleine Episode versinnbildlicht eine gewisse Normalisierung in der Personalpolitik. Während in der Phase des ersten Aufbaus sich Strauß persönlich der meisten Personalangelegenheiten angenommen hatte, überließ er das personal284 Ebd. 285 Vermerk von Winners v. 5.10.1959 zu Punkt 11 der vorläufigen Tagesordnung der 28. Justizministerkonferenz betr. Abordnung von Landesbeamten in den Bundesdienst, in: Ebd., Bl. 12 f., Zitat Bl. 12. 286 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen v. 29.8.1957 betr. Landesgerichtsrat Johannes Niemeyer, in: BMJ -Personalakte Johannes Niemeyer (P 11 – N 18), Bd. 1, Bl. 85. 287 Roemer an Richter v. 12.11.1958 betr. Beförderung des LGR Niemeyer, in: Ebd., Bl. 109.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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politische Tagesgeschäft jetzt dem zuständigen Referenten Winners und dem Leiter der Verwaltungsabteilung Richter. Des Weiteren besaßen, wie an anderer Stelle näher erläutert, auch die Leiter der vier Fachabteilungen einen verhältnismäßig großen Spielraum in personellen Fragen.288 Zum Zeitpunkt der in die Wege geleiteten Beförderung zum Oberregierungsrat war Niemeyer bereits dreieinhalb Jahre an das BMJ abgeordnet. Wie man auf der Rosenburg selbst festhielt, betrug die übliche Abordnungsdauer der insgesamt vierzig im Ministerium tätigen Landesbeamten jedoch nur drei Jahre.289 Zur Begründung dieser sonst üblichen Praxis hieß es im Antrag an den Bundespersonalausschuss, eine längere Abordnungszeit würde die Richter der richterlichen Praxis und ihren Landesdienstbehörden zu sehr entfremden; aber auch die Landesjustizverwaltungen würden ihrerseits Wert auf eine rechtzeitige Rückkehr der an das BMJ abgeordneten Beamten in den Landesdienst legen.290 In Bezug auf den Nachwuchsbeamten Niemeyer meinte das Ministerium aber, nicht auf dessen weitere Mitarbeit verzichten zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass gleich mehrere wichtige Beamte der beiden völkerrechtlichen Referate zu europäischen Organisationen einberufen wurden oder derzeit einberufen würden, sei Niemeyer als »eingearbeitete leistungsfähige Spezialkraft« nicht zu ersetzen.291 Aus diesen Gründen sei die sofortige Übernahme Niemeyers in das Bundesjustizministerium geplant. Doch der Bundespersonalausschuss setzte die Entscheidung zunächst aus und bat das BMJ, in Düsseldorf auf die Fortsetzung der Abordnung hinzuwirken, bis Niemeyer auf die vorgeschriebenen drei Jahre nach der Anstellung komme und dann ohne Ausnahmegenehmigung zum Oberregierungsrat ernannt werden könne. Das tat das Bundesjustizministerium auch – allerdings nicht, ohne die Frage zu stellen, ob der Beamte bei seinen guten Prüfungsergebnissen nicht früher angestellt worden wäre, wenn ausreichend freie Planstellen zur Verfügung gestanden hätten.292 Das Justizministerium in Düsseldorf bejahte diese Frage und nannte das Datum des 1. Oktober 1955 als Tag der mutmaßlichen Anstellung.293 Ferner erklärte man sich bereit, in Bezug auf Niemeyer ausnahmsweise eine Abordnung von mehr als drei Jahren Dauer zuzulassen, und begründete dieses 288 Siehe dazu vor allem den unter  III .3 folgenden Abschnitt »Die Reden zur Verabschiedung von Strauß«. 289 Begründung des Antrags auf Zulassung einer Ausnahme von § 33 Abs. 1 BLV zum Schreiben des BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 29.11.1958, in: BMJ -Personalakte Johannes Niemeyer (P 11  – N 18), Bd. 1, Bl. 116–118, hier Bl. 117. 290 Ebd., Bl. 117. 291 Ebd. 292 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen v. 18.12.1958 betr. Landgerichtsrat Johannes Niemeyer, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, gez. Richter, in: Ebd., Bl. 120–122, hier Bl. 122. 293 Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den BMdJ v. 8.1.1959 betr. Landgerichtsrat Johannes Niemeyer, z. Zt. abgeordnet an das BMJ, in: Ebd., Bl. 123.

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Vom Einzug der Normalität

Entgegenkommen mit den in diesem Fall vorliegenden besonderen Umständen. Das Schreiben aus Nordrhein-Westfalen benutzte das BMJ, um den Bundes­ personalausschuss erneut um Zustimmung zur Beförderung und Übernahme von Landgerichtsrat Niemeyer zu bitten.294 Zwar habe Düsseldorf einer längeren Abordnung ausnahmsweise zugestimmt, bleibe aber bei seiner grundsätzlichen Haltung; unter diesen Umständen wolle man, so argumentierte das Bonner Ministerium, nicht das gute Verhältnis zur Landesjustizverwaltung strapazieren und bitte um eine Entscheidung in der Sitzung am 15. Januar 1959. Und in der Tat entschied der Bundespersonalausschuss in jener Sitzung im Sinne des Bundesjustizministeriums. Doch im Zuge der Mitprüfung des Ernennungsvorschlags gab es Widerstand aus dem Innenministerium, was noch ausführlicher zu behandeln sein wird.295 Nachdem es schließlich eine Verständigung zwischen den beiden Ressorts gegeben hatte und Niemeyer zum Oberregierungsrat ernannt war, schien alles in trockenen Tüchern zu sein, seine Karriere auf der Rosenburg vorgezeichnet. Doch es kam anders. Noch am Tag der Aushändigung der Ernennungsurkunde zum Oberregierungsrat unterrichtete Florian Messerer, der Persönliche Referent von Minister Schäffer, Winners von der Bitte des Beauftragten der Fuldaer Bischofskonferenz, Niemeyer für ein Jahr lang dorthin zu beurlauben. Ab dem 1. Juni 1959 arbeitete Niemeyer nicht mehr auf der Rosenburg, sondern fungierte als stellvertretender Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro Bonn, welches die Verbindung zwischen den 22 Diözesen einerseits und den parlamentarischen Körperschaften, der Bundesregierung und den obersten Bundesbehörden andererseits sicherstellen sollte. Nachdem die Beurlaubung einige Male verlängert worden war, ergaben sich Schwierigkeiten, und so wurde Niemeyer auf eigenen Antrag hin mit Ablauf des Jahres 1964 aus dem Dienst des Bundesjustizministeriums entlassen – mit der Option auf Rückkehr. b)

Dr. Ernst Kern

Ein personalpolitischer Grundsatz, auf dessen Einhaltung die Führung des BMJ gegenüber den Ländern großen Wert legte, bestand darin, dass in den Bundesjustizdienst nur übernommen werde, wer zuvor im Landesjustizdienst angestellt war und dort eine »Planstellenheimat« erworben habe, wie es Justizminister von Merkatz in einem Brief an seinen Mainzer Amtskollegen formulierte.296 294 Der BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 13.1.1959 betr. Antrag auf Zulassung einer Ausnahme von § 33 Abs. 1 BLV für die Beförderung des Landgerichtsrats Niemeyer zum Oberregierungsrat im BMJ, in: Ebd., Bl. 126 f. 295 Siehe dazu den unter II .3 folgenden Abschnitt »Zur Praxis der Mitprüfung durch BMI und BMF«. 296 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz Bruno Becher v. 8.2.1957, in: Personalakte des Bundeskanzleramts über Ernst Kern (P 11 – K 40), Bd. 2, Bl. 104–106, Zitat Bl. 104.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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Im konkreten Fall von 1957 ging es um Regierungsrat Dr. Ernst Kern, der dreieinhalb Jahre zuvor als Gerichtsassessor in das Bundesministerium der Justiz gekommen war und dort als Hilfsreferent im völkerrechtlichen Referat eingesetzt wurde. Dem Minister Hans-Joachim von Merkatz diente er ab 1956 schließlich als Persönlicher Referent. Aufgrund der schwierigen Anstellungslage in Rheinland-Pfalz, die mit den aus dem Gesetz zu Artikel 131 GG resultierenden Verpflichtungen gegenüber Unterbringungsteilnehmern zusammenhing, hatte das BMJ den Gerichtsassessor ausnahmsweise zum Regierungsrat im Bundesdienst ernannt. Zuvor jedoch hatte sich die Hausleitung von der rheinland-pfälzischen Landesjustizverwaltung zusichern lassen, Kern zu einem späteren Zeitpunkt zum Richter im Dienst der Landesjustiz zu ernennen. Daran erinnerte Minister von Merkatz seinen Kollegen in Mainz Bruno Becher (FDP) mit dem eingangs erwähnten Schreiben und verband damit die Bitte, es nach erfolgter Ernennung im Land bei der Abordnung nach Bonn zu belassen, da ihm Kern als Persönlicher Referent unentbehrlich sei.297 Im Übrigen würde mit der Ernennung im Land und der Abordnung an das BMJ der sonst übliche dienstrechtliche Zustand bei Abordnungen an das Bundesjustizministerium hergestellt. Grundsätzlich lege man Wert darauf, so bekräftigte von Merkatz, dass die aus dem Landesjustizdienst abgeordneten Nachwuchskräfte jeweils im Landesjustizdienst angestellt würden. Die Übernahme in den Bundesjustizdienst von der vorherigen Anstellung im Landesdienst abhängig zu machen, sei »ein wohlüberlegter, im Interesse der Landesjustiz, der Bundesjustiz und der Beamten gelegener personalpolitischer Grundsatz der Bundesjustizverwaltung«.298 Der rheinland-pfälzische Justizminister erklärte sich auf das Schreiben des Bundesjustizministers hin bereit, den Wünschen des BMJ und des Beamten selbst Rechnung zu tragen und Kern als Richter in den Landesdienst zu übernehmen.299 Daran knüpfte er jedoch die Bedingung, den frisch Ernannten innerhalb von zwei Monaten wieder in den Bundesdienst zu übernehmen. Was auf den ersten Blick seltsam erscheint, hatte den Sinn, die entsprechende Planstelle des Landes nur eine möglichst kurz bemessene Zeit zu blockieren. Minister Becher nahm die Personalie Kern überdies zum Anlass, um auf allgemeine Schwierigkeiten bei der Abordnung von Richtern und Staatsanwälten an das Bundesjustizministerium hinzuweisen. Vor dem Hintergrund zahlreicher, aber erfolgloser Erörterungen zu diesem Thema erklärte Becher, die Abordnungen zum BMJ gingen »bedauerlicherweise nach wie vor zu Lasten der Länderjustizministerien«. Beispielsweise sei Rheinland-Pfalz im höheren Justizdienst nur sehr knapp mit Planstellen ausgestattet, weshalb jede Abordnung »von vornherein« ein Problem darstelle. Das BMJ zeigte insofern ein Entgegenkommen, als Minister von Merkatz wenige

297 Ebd., Bl. 105. 298 Ebd., Bl. 104. 299 Bruno Becher an den BMdJ v. 13.2.1957 betr. Regierungsrat Dr. Ernst Kern, in: Ebd., Bl. 116.

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Vom Einzug der Normalität

Tage nach der Ernennung Kerns zum Landgerichtsrat beim Landgericht in Koblenz darum bat, die Oberregierungsratsstelle des Persönlichen Referenten des Ministers für »Herrn Dr. Kern« zu reservieren.300 Zwar wurde der Betroffene zunächst lediglich wieder zum Regierungsrat und wenige Tage später zum Oberregierungsrat als Mitglied beim Deutschen Patentamt in München ernannt und gleichzeitig an das Bonner Justizministerium abgeordnet – ein Verfahren, das andernorts noch ausführlicher zu thematisieren ist –,301 doch das ursprüngliche Problem der fehlenden Anstellung im Land war, im Ein­vernehmen mit dem Justizminister von Rheinland-Pfalz, gelöst.302 c)

Dr. Eberhard Goßrau

Beim Beamtenersatz aus den Bundesländern schalteten sich zuweilen bedeutende Persönlichkeiten ein und gaben eine Empfehlung für den betreffenden Beamten ab. So handhabte es auch der ehemalige rheinland-pfälzische Staatsminister für Justiz Adolf Süsterhenn (CDU). Dieser setzte sich im Februar 1954 für seinen einstmaligen Mitarbeiter Eberhard Goßrau ein, indem er sowohl an Bundesjustizminister Neumayer als auch an Staatssekretär Strauß schrieb. Gegenüber dem Minister betonte Süsterhenn, Goßrau habe in den Jahren 1947 bis 1950 unter ihm im Justizministerium gearbeitet; dort habe er ihn als einen der fachlich und menschlich bestqualifizierten Beamten wahrgenommen.303 Außerdem halte Goßrau Vorlesungen an der Verwaltungsakademie, Zweiganstalt Koblenz, deren Studienleiter er, Süsterhenn, sei. Mit gutem Gewissen, so betonte der Staatsminister a. D., könne er Goßrau als Mitarbeiter im BMJ empfehlen. Strauß gegen­ über betonte er nicht minder, der Staatssekretär würde in Goßrau einen hervorragenden Mitarbeiter gewinnen, wenn er den Oberlandesgerichtsrat nehme und ihm eine Aufstiegschance biete; förderungswürdig sei Goßrau in jeder Hinsicht.304 In diesem Zusammenhang räumte Süsterhenn ein, dass in Rheinland-Pfalz mit einer Beförderungsmöglichkeit für den Beamten nicht zu rechnen sei. Schlussendlich sollte sich der Einsatz Süsterhenns lohnen, denn zum 1. April

300 Der BMdJ an Winners v. 8.4.1957, in: Ebd., Bl. 125. 301 Siehe dazu den unter II .3 folgenden Abschnitt »Verschlungene Wege der Personal­politik«. 302 Erst mit Wirkung vom 1. Juli 1957 wurde Oberregierungsrat Kern vom Patentamt an das BMJ versetzt. Unter Minister Stammberger folgte 1962 die Beförderung zum Regierungsdirektor. Im darauffolgenden Jahr, Stammberger war inzwischen durch Ewald Bucher ersetzt und Arthur Bülow anstelle von Strauß Staatssekretär, wurde Kern zum Ministerialrat ernannt. Seit dem 22. Juli 1963 verwaltete er als Nachfolger des zum Leiter der Abteilung Z aufgestiegenen Hans Winners das Personalreferat. 303 Süsterhenn an den BMdJ Neumayer v. 1.2.1954 betr. Bewerbung des Oberlandesgerichtsrats Dr. Goßrau vom OLG Koblenz für eine Stelle als Sachbearbeiter auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts im BMJ (Abschrift), in: IfZArch, ED 94, Bd. 383, Bl. 161 f. 304 Süsterhenn an Strauß v. 1.2.1954, in: IfZArch, ED 94, Bd. 385, Bl. 148.

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1954 wurde Goßrau an das BMJ abgeordnet und gut zweieinhalb Jahre später ganz in den Dienst des Ministeriums übernommen.305

3.3 Zur Praxis der Mitprüfung durch BMI und BMF Seit dem Sommer des Jahres 1950 hatten die Bundesministerien ihre Ernennungsvorschläge von der Stufe des Oberregierungsrats an den Ministern des Innern und der Finanzen zuzusenden. Erst wenn diese grünes Licht gegeben hatten, wurde der Vorschlag an das Kanzleramt bzw. – bei den Oberregierungsräten – unmittelbar an das Bundespräsidialamt weitergeleitet. Die Mitprüfung diente, wie im ersten Kapitel geschildert, dem Zweck, eine einheitliche Beurteilung beamtenrechtlicher, haushaltstechnischer wie auch personalpolitischer Gesichtspunkte zu gewährleisten. Gerade in der Phase des Aufbaus der Bundesministerien spielte in diesem Rahmen nicht zuletzt die politische Vergangenheit der zur Ernennung Vorgeschlagenen eine wichtige Rolle. Doch auch im hier zu behandelnden Zeitraum bis 1961 hatte dieser Aspekt der Mitprüfung kaum an Aktualität eingebüßt, wie der Fall Ebersberg im Folgenden zeigen soll. Anschließend wird anhand des Beispiels der Ernennung Johannes Niemeyers zum Oberregierungsrat verdeutlicht, dass im Zuge der Mitprüfung auch gewohnheitsrechtliche Gegebenheiten zum Tragen kommen konnten. a)

Heinrich Ebersberg

Im Winter des Jahres 1954, Bundesjustizminister Neumayer war erst wenige Wochen im Amt, wurde auf der Rosenburg eine heikle Personalfrage diskutiert. Es ging um die mögliche Einberufung von Amtsgerichtsrat Heinrich Ebersberg, der damals vom Amtsgericht Wolfenbüttel zum Oberlandesgericht in Braunschweig abgeordnet war. Ebersberg war nicht irgendwer, sondern der ehemalige Persönliche Referent von Justizstaatssekretär Franz Schlegelberger (1931 bis 1941) und Reichsjustizminister Otto Georg Thierack (1942 bis 1945). Die problematische, NS -bezogene Vergangenheit Ebersbergs wurde bereits in der »Akte Rosenburg« ausführlich thematisiert.306 Personalreferent Winners notierte am 2. Februar 1954, die Frage der Einberufung Ebersbergs ins Bundesjustizministerium sei drei Tage zuvor Minister Neumayer durch Ministerialdirigent Dr. Richter in Anwesenheit von Ministerialdirektor Dr. Joël und Winners selbst »eingehend

305 Im BMJ wurde Goßrau im Frühjahr 1958 zum Ministerialrat ernannt und verblieb bis zu seiner Abordnung an das Bundesministerium für Gesundheitswesen im November 1962 auf der Rosenburg; drei Monate hernach wurde der Beamte endgültig dorthin versetzt und stieg bis zum Leiter der Abteilung Sozialwesen auf. 306 Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 49, 136, 247, 267, 340–342.

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vorgetragen« worden.307 Als Ergebnis hielt der Personalreferent kurz und knapp fest: »Herr Minister genehmigt die Einberufung.« Auffällig erscheint, dass in dem Vermerk keine Rede von Staatssekretär Strauß war. Es ist davon auszugehen, dass er entweder dienstlich verhindert, krank oder im Urlaub war, denn solch eine wichtige Personalangelegenheit konnte ohne sein Zutun nicht entschieden werden. Die Anwesenheit von Joël ist dadurch erklärbar, dass dieser Ebersberg erst für die von ihm geleitete Abteilung III ins Spiel gebracht hatte, wo er nach seiner Abordnung aus Niedersachsen tatsächlich Verwendung fand.308 Doch offenbar war im BMJ das Bewusstsein vorhanden, dass man sich mit Ebersberg angreifbar machte. Zumindest wollte man auf Nummer sicher gehen, und so fragte Abteilungsleiter Z Heinrich Richter beim in Berlin ansässigen Rechtsanwalt Dr. Kurt Behling an und bat denselben in verklausulierten Worten um eine persönliche Auskunft über Ebersberg.309 Erstaunlicherweise schrieb Richter, dass das BMJ eine Einberufung »erwägt«.310 Die Antwort aus Berlin ließ nicht lange auf sich warten: Bereits sechs Tage später bemerkte Behling, es bestünden aus seiner Sicht »keinerlei politische Bedenken«, Herrn Ebersberg, dessen »menschliche Lauterkeit« er besonders schätze, »an bevorzugter Stelle, insbesondere in einer Zentralbehörde der Bundesregierung«, zu beschäftigen.311 So habe ihn Ebersberg in seinem damaligen Bemühen, als Anwalt ungerechtfertigte Urteile zu mildern, in außerordentlichem Umfang unterstützt und »unter Wahrung der ihm durch seine Amtspflicht auferlegten Grenzen« das Menschenmöglichste getan.312 Hier deutet sich an, dass Ebersberg trotz seiner Hilfeleistungen eine problematische Figur war. Doch die Leitungsebene des BMJ fühlte sich durch den Brief aus Berlin in der Entscheidung, Ebersberg einzuberufen, bestärkt. Zudem hatte der Betreffende selbst vor seinem Eintritt in das Ministerium mündlich versichert, wie er später hervorhob, dass aus seiner früheren Tätigkeit im Reichsjustizministerium »keine berechtigten Angriffe« gegen ihn erhoben werden könnten.313 Als das Bundesjustizministerium im Frühjahr 1954 die Ernennung Ebersbergs zum Ministerialrat und damit seine Übernahme in den Bundesdienst in die Wege leitete, formierte sich im zur Mitprüfung des Vorschlags berechtigten 307 Vermerk von Winners v. 2.2.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Bd. 1, Bl. 1. 308 Joël an Staatssekretär Ehmke v. 2.7.1968, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Heftstreifen Bew. 68, unpag. Bl. 309 Dr. Richter an Rechtsanwalt Dr. Behling v. 2.2.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Bd. 1, Bl. 2. Wörtlich liest sich die Bitte um Auskunft folgendermaßen: »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir Ihren Eindruck von Herrn Ebersberg, den Sie beruflich kennen lernten, mitteilen könnten.« 310 Ebd. 311 Dr. Behling an Dr. Richter v. 8.2.1954, in: Ebd., Bl. 3 f., hier Bl. 4. 312 Ebd., Bl. 3. 313 Ebersberg an den BMdJ v. 23.8.1965, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Heftstreifen Bew. 68, unpag. Bl.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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Innenministerium Widerstand. Zwei verschiedene Gründe waren dafür ausschlaggebend: Zum einen vertrat der zuständige Staatssekretär des BMI Ritter von Lex die Auffassung, Ebersberg könne nur mit Zustimmung des Bundespersonalausschusses zum Ministerialrat ernannt werden, da er noch nicht ein Jahr lang in einem Bundesministerium tätig gewesen sei. Zum anderen entzündeten sich die Bedenken daran, dass Ebersberg einst Persönlicher Referent bei Thierack gewesen war. Damit waren es ein formaler und ein politischer Grund, weshalb das Innenministerium Klärungsbedarf anmeldete. Von besonderem Interesse ist aber die Reaktion des Bundesjustizministeriums. So hielt Winners in einem Vermerk fest, er habe auf Anregung von Abteilungsleiter Richter den persönlichen Referenten von Staatssekretär von Lex gebeten, »eine schriftliche Mitteilung an das BMJ zurückzustellen«, damit die beiden Staatssekretäre, also Strauß und Ritter von Lex, die Angelegenheit besprechen könnten, »ehe das BMI sich schriftlich festlege.«314 Mithin wollte das Justizministerium die Kollegen aus dem Innenressort davor bewahren – oder besser: davon abhalten –, vollendete Tatsachen zu schaffen. Stattdessen war man auf der Rosenburg bestrebt, Raum für eine Verständigung zwischen den Staatssekretären zu eröffnen. Das ist ein weiterer Beleg für die rückblickende Bemerkung von Walter Strauß, personalpolitische Zweifelsfälle seien zwischen dem Staatssekretär des Bundesinnenministeriums und dessen jeweils zuständigen Amtskollegen geklärt worden.315 Im Nachgang zum Gespräch zwischen Ritter von Lex und Strauß316 sandte das BMJ am 12. Juli ein mit sechs Seiten verhältnismäßig ausführliches Schreiben an den Staatssekretär im Innenministerium.317 Den Entwurf hatte Ministerialdirigent Richter gefertigt, unterzeichnet ist er jedoch von Staatssekretär Strauß, auf dessen Kopfbogen der Brief auch abgesandt wurde. Inhaltlich gesehen unternahm das Bundesjustizministerium den Versuch, beiderlei Bedenken des BMI gegen den Ernennungsvorschlag zu entkräften. Die in der Bundesfassung der Reichsgrundsätze über Einstellung, Anstellung und Beförderung vom 24. Januar 1951318 vorgeschriebene einjährige Tätigkeit in der obersten Bundesbehörde stelle mitnichten eine Entscheidung über die Frage dar, ob eine Tätigkeit in einem ehemaligen Reichsministerium der Tätigkeit in einem Bundesministerium gleichzusetzen sei. Für das Reichsjustizministerium sei diese Frage »unbedingt zu bejahen«, da die Tätigkeit dort »fachlich als gleichwertig« mit dem Bundesjustizministerium angesehen werden müsse.319 An dieser Stelle wird einmal mehr 314 Vermerk von Winners v. 24.6.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11  – E 21), Bd. 1, Bl. 30. 315 Strauß, Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 282. 316 Vermerk von Dr. Richter v. 30.6.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Bd. 1, Bl. 30. 317 Strauß an Ritter von Lex v. 12.7.1954, in: Ebd., Bl. 34–39. 318 BGBl. I S. 88. 319 Strauß an Ritter von Lex v. 12.7.1954, in: BMJ -Personalakte Heinrich Ebersberg (P 11 – E 21), Bd. 1, Bl. 34.

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deutlich, wie sehr Strauß und seine Spitzenbeamten eine Linie der Kontinuität zwischen dem nationalsozialistischen Justizministerium vor 1945 und dem der demokratisch verfassten Bundesrepublik zogen. Doch auch im Falle Ebersberg, so setzte Strauß seine Argumentation fort, sei diese Gleichstellung berechtigt, zumal sich der Betreffende im BMJ ungewöhnlich schnell eingearbeitet habe, sein Referat selbstständig führe und die uneingeschränkte Anerkennung seines Abteilungsleiters Joël gefunden habe. Weit mehr Raum nahm die Entkräftung der politischen Bedenken gegen Ebersberg ein. Das Bundesjustizministerium habe, so dessen oberster Beamter, jene Bedenken vor der Einberufung »selbstverständlich eingehend geprüft«.320 Weiter hieß es wörtlich: »Der Minister ist dabei zu der Überzeugung gekommen, daß die Tatsache, daß Ebersberg im Ministerbüro des ehemaligen Reichsministers der Justiz Dr. Thierack tätig war, seiner Verwendung an verantwortlicher Stelle nicht entgegensteht, sondern daß im Gegenteil die Art, wie Ebersberg damals seine Stellung benutzt hat, um den von dem Nationalsozialismus Verfolgten im Rahmen des Möglichen zu helfen, nur für ihn spricht.«321 Hier findet sich das altbekannte Motiv wieder, welches dadurch bestimmt ist, dass es jemanden an verantwortlicher Stelle entlastet, wenn er dabei nur Verfolgten geholfen habe, gleichsam trotz der prekären Position anständig geblieben sei. Ferner verwies das BMJ darauf, dass Ebersberg bereits vor seiner Einberufung in das Reichsjustizministerium sehr gut beurteilt worden war. Damit wollte Strauß wohl dem Eindruck vorbeugen, dass Ebersberg wegen seiner genuin nationalsozialistischen Gesinnung ins Ministerium berufen worden sei. Ein weiterer Baustein in der Argumentation zugunsten Ebersbergs bestand in dem Verweis auf in den Akten befindliche Stellungnahmen des Betreffenden, die sich auf seine demokratische Erziehung, die späte Mitgliedschaft bei der NSDAP und schließlich die unproblematische Tätigkeit als Fürsorgereferent in der SA bezogen.322 Darüber hinaus zeigte sich Strauß überzeugt, dass Ebersberg »nur deshalb im Büro des Ministers Thierack belassen wurde, weil seine Geschäftserfahrung während des Krieges, wo geeignete Kräfte nur in sehr beschränktem Maße zur Verfügung standen, nicht entbehrt werden konnte.«323 Im Übrigen sei es durch viele Zeugnisse bewiesen, dass Ebersberg gerade seine Stellung bei Thierack benutzt habe, um vom Regime Bedrängten hilfreich zur Seite zu stehen. In diesem Zusammenhang führte der Staatssekretär auch die Auskunft des Rechtsanwalts Behling an, die Abteilungsleiter Richter im Zuge der Einberufung Ebersbergs angefordert hatte.324 Ferner sei der Beamte trotz seiner Tätigkeit im Reichsjustizministerium vom Staatskommissar der Hansestadt Hamburg für die

320 Ebd., Bl. 35. 321 Ebd. 322 Ebd., Bl. 36. 323 Ebd., Bl. 37. 324 Ebd., Bl. 38.

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Entnazifizierung durch Bescheid vom 23. Juli 1949 in die Kategorie V eingestuft, also vollends entlastet worden.325 Zusammenfassend bemerkte Strauß, dass Ebersberg während der abgelaufenen vier Monate seiner Tätigkeit im Bundesministerium der Justiz nicht nur in fachlicher Hinsicht »allen hochgespannten Erwartungen voll entsprochen«, sondern sich insbesondere auch durch die »Gediegenheit und Lauterkeit seines Wesens« bei Vorgesetzten und Kollegen »Anerkennung und Liebe« erworben habe.326 Abschließend verlieh Staatssekretär Strauß der Hoffnung Ausdruck, seine Ausführungen mögen die Bedenken, die anscheinend im Innenministerium gegen den Ernennungsvorschlag erhoben worden seien, ausräumen, und verband damit die an seinen Amtskollegen von Lex gerichtete Bitte, seinen Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass der Beförderungsvorschlag nunmehr mit möglichster Beschleunigung an das Bundeskanzleramt weitergeleitet werde.327 Doch die Bemühungen des BMJ in der Personalangelegenheit Ebersberg bewirkten vorerst nicht den gewünschten Erfolg. Das Innenressort beharrte auf einer Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses, stellte also auf formale Gründe ab.328 Ob die politischen Bedenken damit endgültig fallengelassen wurden, blieb dahingestellt. Am 15. September 1954 wurde die Genehmigung schließlich erteilt. Nachdem am 14. Dezember auch das Kabinett zugestimmt hatte, konnte die Ernennung von Heinrich Ebersberg zum Ministerialrat im BMJ nunmehr durchgeführt werden. b)

Dr. Johannes Niemeyer

Am Beginn des Jahres 1959 stand im Bundesjustizministerium die Ernennung von Johannes Niemeyer zum Oberregierungsrat an. Doch das Bundesministerium des Innern war nicht bereit, die Beförderung Niemeyers »im jetzigen Zeitpunkt« durchzuführen.329 Zur Begründung führte Innenstaatssekretär Ritter von Lex an, dass sein Ministerium bei der Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen seit 1950 stets die Auffassung vertreten habe, dass eine Ernennung zum Oberregierungsrat nicht vor dem 32. Lebensjahr ausgesprochen werden sollte. Im Falle Niemeyers, der am 20. März das angegebene Lebensalter vollende, sei er allenfalls bereit, einer Beförderung zum 1. April zuzustimmen. Auf der Rosenburg war man überrascht von der negativen Stellungnahme des BMI und brachte 325 326 327 328 329

Ebd., Bl. 37. Ebd., Bl. 38. Ebd., Bl. 39. Staatssekretär Bleek an Strauß v. 20.7.1954, in: Ebd., Bl. 40. Der BMdI an den BMdJ v. 2.2.1959 betr. Vorschlag zur Ernennung des Landgerichtsrats Johannes Niemeyer zum Oberregierungsrat, in: BMJ -Personalakte Johannes Niemeyer (P 11 – N 18), Bd. 1, Bl. 136.

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das in einem ausführlichen Antwortschreiben auch zum Ausdruck.330 Mit dem Hinweis, dass in der Bundeslaufbahnverordnung keine Altersvoraussetzungen für die Ernennung zum Oberregierungsrat enthalten seien, verband Minister Schäffer die Klarstellung, dass er sich bei dem in Rede stehenden Ernennungsvorschlag nicht durch die »unzweifelhaft gegebene Förderungswürdigkeit« von Landgerichtsrat Niemeyer, sondern durch »dringende dienstliche Interessen meines Hauses« habe bestimmen lassen.«331 Nach einer erneuten Schilderung der Besonderheiten in der Angelegenheit Niemeyer bemerkte der Bundesjustizminister noch einmal Grundsätzliches. Er erinnerte daran, dass die Mitprüfung von Vorschlägen zur Ernennung von Oberregierungsräten auf dem Kabinettsbeschluss vom 4. Juli 1950 beruhe und keine Rechtsverordnung darstelle. Die Mitprüfung durch das BMI sei seinerzeit eingeführt worden, »weil die Bundesverwaltung damals noch kein endgültig formuliertes Beamten-Laufbahn-Recht hatte, weil ihre Personalstellen noch unerfahren waren und weil damals eine Mitprüfung der politischen Vergangenheit sachdienlich erschien.«332 Jene Gründe, so fuhr Schäffer fort, bestünden aber nicht mehr; das sollte Anlass geben, die Mitprüfung zurückhaltend auszuüben. Darüber hinaus wolle er die Landesjustizverwaltung nicht verärgern, die auf das überfällige Freiwerden der Niemeyer-Stelle warte. Um dem BMI dennoch entgegenzukommen, bot Bundesjustizminister Schäffer an, die Ernennung des Beamten nicht sofort durchzuführen, sondern auf den 1. März zu terminieren. Das Innenministerium zeigte sich einsichtig und ersuchte das BMJ »aus beamtenpolitischen Erwägungen« lediglich darum, die Ernennungsurkunde nicht vor dem 20. März  – also dem 32. Geburtstag Niemeyers – auszuhändigen.333 Dem entsprach man im Justizministerium. Wenngleich die Ernennungsvorschläge des BMJ in der Regel keine Beanstandungen hervorriefen, so gab es doch Fälle wie diejenigen von Ebersberg und Niemeyer, bei denen das zur Mitprüfung berufene Bundesinnenministerium aus ganz verschiedenen Gründen Bedenken äußerte. Die beiden geschilderten Beispiele veranschaulichen zugleich, wie man im BMJ an einer Lösung arbeitete und schließlich doch noch zu einer zumindest teilweisen Verständigung kam. Insbesondere hat sich die Aussage von Strauß, wonach personalpolitische Zweifelsfälle zwischen den Staatssekretären der beteiligten Ministerien besprochen wurden, bestätigt.

330 Der BMdJ an den BMdI v. 7.2.1959 betr. Vorschlag zur Ernennung des Landgerichtsrats Johannes Niemeyer zum Oberregierungsrat, in: BMJ -Personalakte Johannes Niemeyer (P 11 – N 18), Bd. 1, Bl. 137–140. 331 Ebd., Bl. 138. 332 Ebd., Bl. 139. 333 Der BMdI an den BMdJ v. 12.3.1959 betr. Ernennungsvorschlag für Landgerichtsrat ­Johannes Niemeyer, in: Ebd., Bl. 144.

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3.4 Zunehmende Politisierung des Beamtentums? Parteipolitische Einflüsse von den Beamten fernzuhalten, war Staatssekretär Strauß stets ein wichtiges Anliegen. Wie beschrieben, sollten sich die im BMJ beschäftigten Staatsdiener zwar grundsätzlich parteipolitisch betätigen dürfen, mussten bei ihrer Arbeit aber allein der Sache dienen. Zumal bei der Besetzung von Stellen im Ministerium hatten nach der Auffassung von Strauß parteipolitische Aspekte außen vor zu bleiben. Stattdessen fragte er in erster Linie nach der fachlichen Qualität und dem lauteren Charakter seiner Mitarbeiter. Im Rahmen der Parlamentsdebatte um den Haushalt des Bundesjustizministeriums kam es am 14. Juni 1955 zu einer Auseinandersetzung um die Personalpolitik auf der Rosenburg. Der SPD -Bundestagsabgeordnete Dr. Otto Heinrich Greve kritisierte dabei die völlige Abschottung personalpolitischer Entscheidungen nach außen. An den anwesenden Bundesminister der Justiz Neumayer gewandt, erinnerte Greve daran, dass seine Fraktion die im BMJ geübte Personalpolitik dem Minister und dessen Staatssekretär gegenüber »oft kritisiert« habe.334 Weiter führte der sozialdemokratische Abgeordnete aus: »Es ist uns keinerlei Möglichkeit gegeben, auch nur gesprächsweise mit Ihnen Fragen der Besetzung dieser oder jener Stelle zu diskutieren.« Die im Rahmen des Richter­ wahlausschusses für den Bundesgerichtshof geführten Unterhaltungen über Besetzungsfragen genügten keineswegs. Damit erweckte Greve den Eindruck, als ob die SPD auch bei der Besetzung von Stellen im Justizministerium ein Wort mitzureden gedachte. Dieselbe Stoßrichtung hatte der bereits im ersten Kapitel erwähnte Beschwerdebrief seines Fraktionskollegen Arndt vom Dezember 1951 gehabt; damals hatte der Rechtsfachmann Arndt kritisiert, dass – anders als von Staatssekretär Strauß angekündigt – keine Konsultationen mit der SPD -Fraktion bzw. deren Vertreter über wichtige Stellenbesetzungen im BMJ stattfänden. Die neuerliche Kritik der Sozialdemokraten in Gestalt ihres Abgeordneten Greve veranlasste Minister Neumayer im Bundestag zu einer Erwiderung, der es an Deutlichkeit nicht mangelte. Aus seiner Sicht würde das Justizministerium auf eine »ganz falsche Ebene« geraten, wenn es seine Personalpolitik mit irgendeinem Mitglied des Bundestages vorher bespräche.335 Auf diesem Gebiet könne nur die Qualität entscheiden  – »und danach allein haben wir uns bisher gerichtet.« Das erinnert sehr stark an eine Randbemerkung, die ein BMJ-Beamter im November 1950 auf einem Schreiben des Innenministeriums gemacht hatte, in dem es um die Verwendung von Beamten des Vereinigten Wirtschaftsgebiets ging: Es komme nicht auf die Angemessenheit, sondern auf die Eignung an.336 Grundsätzlich stellte Bundesjustizminister Neumayer vor den Abgeordneten klar: »Irgendwelche Politisierung des Beamtentums, soweit es dem Justizminis­ 334 2. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll der 86. Sitzung, 14.6.1955, S. 4751 (A). 335 Ebd. 336 Siehe S. 67 m. Anm. 248.

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terium untersteht, lehne ich auf das entschiedenste ab.«337 Darin war er sich völlig einig mit seinem Staatssekretär, der sich wie erwähnt bereits im Parlamentarischen Rat für eine parteipolitische Neutralisierung der Personalpolitik ausgesprochen hatte. Dass es dem sozialdemokratischen Abgeordneten Greve tatsächlich um Konsultationen bei der Besetzung bestimmter Stellen im BMJ ging, verdeutlichte seine Erwiderung auf die Äußerungen von Minister Neumayer. Dabei bekräftigte Greve den Wunsch seiner Fraktion nach Gesprächen, um auszuloten, ob qualifizierte Bewerber für das eine oder andere Amt im Justizministerium nicht »auch mit unserem Vertrauen in diese Stellung kommen können oder ob nicht von unserer Seite in diesem oder jenem Falle Bedenken vielleicht auch aus der Vergangenheit in politischer Hinsicht bestehen könnten.«338 Zur Begründung verwies er auf missliche Fälle aus den vergangenen Jahren: »Sie haben doch in Ihrem Ministerium schon einige Pannen erlebt! Vielleicht hätten Sie sich die erspart, wenn Sie sich die Kenntnisse dieses oder jenes meiner Freunde zunutze gemacht hätten.«339 Auf diesen zumindest indirekten Vorwurf reagierte der amtierende Bundesjustizminister nicht mehr. Aufgrund des vorhandenen Archivmaterials, insbesondere der Personalakten, kann davon ausgegangen werden, dass man im BMJ vor der Ernennung oder Beförderung von Beamten auch weiterhin die SPD -Bundestagsfraktion nicht konsultierte. Angesichts der personalpolitischen Bestrebungen der Sozialdemokraten ist zu fragen, inwiefern es nach 1953 zu einer zunehmenden Politisierung des Beamtentums in den Bundesministerien im Allgemeinen und im BMJ im Besonderen kam. Wenn man der im Juli 1958 vorgebrachten Klage von Rechtsanwalt und CDU-Mitglied Dr. Wolfgang Grosdidier, der selbst einige Jahre im Bundesministerium für Wirtschaft gearbeitet hatte, Glauben schenken darf, wonach die CDU, obwohl sie schon lange Regierungspartei sei, keine Personalpolitik betreibe – im Übrigen anders als die SPD in den von ihr regierten Ländern –, dann war es damit nicht weit her. Der Bundestagsabgeordnete Prof. Franz Böhm, mit dem Strauß einst im Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums zusammengearbeitet hatte, setzte den Justizstaatssekretär über die Kritik des genannten Rechtsanwalts in Kenntnis und meldete in diesem Zuge Gesprächsbedarf über die Personalpolitik der Bundesministerien an.340 Hinsichtlich der Lage im BMJ meinte Böhm vorab, er habe den Eindruck, dass »in Ihrem Ministerium diese Frage vorbildlich gelöst ist, nicht aber bei unseren anderen Ministerien und auch vielleicht nicht bei den von uns besetzten Länderministerien.«341 Im Justizministerium betreibe Strauß, so Böhm, als Staatssekretär eine sorgfältige Qualitätsauslese. Damit bescheinigte der Abgeordnete Böhm seinem ehemaligen Kollegen

337 2. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll der 86. Sitzung, 14.6.1955, S. 4754 (A)-(B). 338 Ebd., S. 4756 (C); Hervorhebung im Original. 339 Ebd. 340 Prof. Dr. Franz Böhm an Strauß v. 3.7.1958, in: IfZArch, ED 94, Bd. 209, Bl. 34–36. 341 Ebd., Bl. 35.

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das, was dieser für sich selbst stets in Anspruch nahm: eine gegen parteipolitische Ambitionen gefeite Personalpolitik.342 Dafür setzte sich Walter Strauß nicht nur in seinem Ministerium ein, sondern auch innerhalb seiner Partei. Auf der 9. Bundestagung des Evange­ lischen Arbeitskreises der CDU / C SU in Hamburg leitete er gemeinsam mit der Oberkirchen­rätin und Bundestagsabgeordneten Dr. Elisabeth Schwarzhaupt die Arbeitsgruppe Parteien und Staat. In der Ausgabe der Zeitschrift Evangelische Verantwortung von Juli / August 1961 berichtete Strauß von den diesbezüglichen Diskussionen mit den Parteifreunden.343 Einhellig betont worden sei dabei die Grenze für die Betätigung der Parteien, die hinsichtlich der Personalpolitik zu ziehen sei.344 »Die Parteien müßten bemüht sein, hier Zurückhaltung zu üben«, so fasste der Staatssekretär des BMJ die Auffassungen in der Arbeitsgruppe zusammen.345 Weiter hieß es, nachdrücklich sei auf die zu Zeiten der Weimarer Republik in den Ländern begangenen Fehler hingewiesen worden. Strauß selbst hatte bei anderen Gelegenheiten wiederholt die parteipolitisch ausgerichtete Personalpolitik namentlich der SPD im republikanischen Preußen kritisiert.346 Die Einmischung der Parteien in personelle Fragen sei allerdings eine Gefahr, die den politischen Parteien inhärent sei – erkenne man sie, sei damit schon »ein gewisser Schutz« gegeben.347 Die in der Arbeitsgruppe vorhandenen Positionen zu der Frage, wie weit die politische Betätigung des einzelnen Staatsdieners gehen sollte, seien nicht ganz einheitlich gewesen, sondern hätten einerseits zu weitgehend aktiver Beteiligung, andererseits zu einer gewissen Zurückhaltung tendiert.348 Einigkeit habe darin bestanden, dass von allen Staatsdienern ein klares Bekenntnis zu den Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zu den Grundrechten, verlangt werde. Diesen Punkt zusammenfassend, bemerkte Strauß: »Wir wünschen von den Staatsdienern Interesse für die Politik und ihre Vorgänge. Wir wünschen, daß sie eine Ausbildung erhalten, die sie in den Stand setzt, ein eigenes Urteil zu gewinnen. Uns ist der Beamte, der sich einen eigenen politischen Standpunkt erarbeitet und diesen auch vertritt, lieber als der Karrierist, der bereit ist, heute hier und morgen da zu stehen.«349 Damit wandte sich der Staatssekretär gegen jedweden Opportunismus und machte damit erneut deutlich, wie wichtig ihm eine aufrechte Haltung seiner Mitarbeiter war. 342 Allerdings wollte Böhm von Strauß auch wissen, was man tun könne, um im Rahmen der Partei »eine einigermaßen zuverlässige Reserve von geeigneten Personen« bereitzustellen. Siehe dazu das Schreiben von Böhm an Strauß v. 3.7.1958, in: Ebd., Bl. 36. 343 Walter Strauß, Parteien und Staat. Bericht über die Beratungen in der Arbeitsgruppe III auf der 9. Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU / C SU in Hamburg, in: Evangelische Verantwortung 7/8 (1961), S. 9–11. 344 Ebd., S. 10. 345 Ebd. 346 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 57 m. Anm. 29. 347 Strauß, Parteien und Staat, S. 10. 348 Ebd. 349 Ebd., S. 11.

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3.5 Zur Verteilung der Konfessionen Im ersten Kapitel wurde gezeigt, dass die Frage der Konfession eine wichtige Rolle beim Aufbau der Bundesministerien einnahm. Auch vom Überwiegen des evangelischen Anteils unter den BMJ-Beamten in den Jahren des Aufbaus war dort bereits die Rede. An der grundlegenden Dominanz evangelischer Kräfte auf der Rosenburg änderte sich auch nach dem Abtritt von Dehler nichts. Einer Aufstellung des Bundesjustizministeriums mit Stand vom November 1955 zufolge betrug das Verhältnis bei den höheren Beamten 38 zu 23.350 Nicht nur der Minister und sein Staatssekretär, sondern auch vier von fünf Ministerialdirigenten sowie 16 von 24 Ministerialräten waren evangelischer Konfession. Lediglich bei den Ministerialdirektoren (zwei zu zwei) und Oberregierungsräten (elf zu neun) erschien das Verhältnis vollkommen bzw. annähernd ausgeglichen. Einzig bei den Regierungsdirektoren waren die Katholiken zahlenmäßig überlegen (drei zu eins). Insgesamt jedoch war das Übergewicht der protestantischen Beamten nicht zu übersehen. Die von Strauß angeführten Bemühungen um die Gewinnung geeigneter katholischer Bewerber hatten also kaum einen Effekt erzielt – und waren im Ganzen betrachtet gescheitert. Auch fünf Jahre nach der genannten Aufstellung, Ende 1960, war keine wesentliche Veränderung in konfessioneller Hinsicht festzustellen. Die Dominanz des evangelischen Anteils hatte sich sogar noch leicht erhöht, denn unter den 61 höheren Beamten waren nun nur noch zwanzig Katholiken.351 Somit gehörten zwei von drei höheren Beamten der evangelischen Konfession an. Jetzt gab es zudem keine Rangstufe mehr, bei der die katholischen Kräfte in der Mehrzahl waren, wenn man vom Ministeramt absieht. Außerdem waren in der neuerlichen Übersicht vier Beamte des Justizministeriums namentlich aufgeführt, die »nur noch nominell« als Katholiken zu bezeichnen seien.352 Wie ist die fortbestehende Dominanz der Protestanten im BMJ zu erklären? Ein Erklärungsansatz wurde bereits im ersten Kapitel erörtert: Weil auf der Rosenburg viele Beamte aus dem protestantisch geprägten norddeutschen Raum tätig waren, kam das Über­ gewicht evangelischer Beamter fast zwangsläufig zustande. Und weil die meisten von ihnen im Dienst des Bundesjustizministeriums verblieben, und unter den neu Einberufenen sowohl Katholiken als auch Protestanten waren, änderte sich daran auch in der Folgezeit nichts Wesentliches. Mit konfessionellen Fragen war Walter Strauß nicht nur im Bundesministerium der Justiz, sondern auch im Evangelischen Arbeitskreis (EAK) der CDU /  CSU befasst. Auf der 6. Bundestagung des EAK im Juni 1957 in Kassel, deren 350 Anlage 3: Konfessionsverhältnisse der höheren Beamtenschaft der Bundesbehörden, Zahlen des BMJ, Stand November 1955, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-060/2. 351 Aufstellung von Personalia der Bonner Ministerien, Stand Ende 1960, Zahlen des BMJ, in: ACDP. Nachlass Hans Globke, 01-070-019/3. 352 Ebd.

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Motto »Evangelische Verantwortung heute« lautete, leitete der Staatssekretär die unter der Überschrift »Die geschichtlichen Kräfte des deutschen Protestantismus und unser politischer Auftrag« stehende Arbeitsgruppe. Im entsprechenden Bericht bezeichnete Strauß die Feststellung des spezifischen deutschen Erbes einer Dopplung der Konfessionen infolge der Reformation als Ausgangspunkt der Betrachtungen.353 Das deutsche Berufsbeamtentum, so bemerkte der Staatssekretär, sei in seinen Wurzeln auf die evangelische Berufsethik und Berufssittlichkeit zurückzuführen, wie sie sich im Raum der lutherischen und reformatorischen Länder entwickelt habe.354 Mit dem Revolutionsjahr 1918 sei eine »bis heute fortwirkende Erschütterung des Staatsverständnisses« auf evangelischer Seite eingetreten, die in der Weimarer Republik von einer starken Zersplitterung des protestantischen Volksteils im politischen Raum begleitet gewesen sei.355 Interessanterweise sah Walter Strauß das vier Jahre später schon ganz anders: Es könne heute »überhaupt kein Zweifel mehr« an der »uneingeschränkt positiven Einstellung des evangelischen Bevölkerungsteils zur parlamentarischen Demokratie in der Prägung unseres Grundgesetzes« bestehen.356 Hier hatte sich Ende der fünfziger Jahre aus Sicht von Strauß eine Entwicklung, ein Wandel vollzogen. Bereits 1957 hatte der Justizstaatssekretär hervorgehoben, dass mit Gründung der CDU »erstmals seit Jahrhunderten im politischen Bereich die Dopplung der Konfessionen überwunden« worden sei.357 Damit einher gehe überhaupt die Überwindung des Konfessionalismus in der Politik. Macht man sich diese Sichtweise zu eigen, erscheint es nachvollziehbar, dass die Frage der Konfession – anders als zu Beginn der Bundesrepublik – keine zentrale Frage mehr war. Rückblickend meinte Strauß denn auch, die anfänglichen Angriffe gegen die vermeintlich katholisch dominierte Bonner Bundesbürokratie seien im Laufe der Zeit verstummt.358 Erwähnenswert ist schließlich noch ein Hinweis aus der Diskussion im EAK über die geschichtlichen Kräfte des Protestantismus und den politischen Auftrag der Union, von dem Walter Strauß 1957 in der »Evangelischen Verantwortung« berichtete. Demnach stünden Protestantismus und Demokratie in einem größeren Spannungsfeld als Katholizismus und Demokratie.359 Aus diesem Grunde bestehe die Pflicht, bei der Verwirklichung der Demokratie die »Kraft der individuellen Selbsttätigkeit und der Verantwortung des einzelnen [sic!]« 353 Walter Strauß, Die geschichtlichen Kräfte des deutschen Protestantismus und unser politischer Auftrag, in: Evangelische Verantwortung 7 (1957), S. 9 f., hier S. 9. 354 Ebd. 355 Ebd. 356 Strauß, Parteien und Staat, S. 9. 357 Ders., Die geschichtlichen Kräfte des deutschen Protestantismus und unser politischer Auftrag, S. 9. 358 Ders., Die Personalpolitik in den Bundesministerien zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland, S. 281. 359 Ders., Die geschichtlichen Kräfte des deutschen Protestantismus und unser politischer Auftrag, S. 10.

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Vom Einzug der Normalität

stärker zu betonen.360 Jene Verantwortung des Einzelnen versuchte Strauß als Staatssekretär im Bundesjustizministerium zu leben, nicht zuletzt in seiner Personalpolitik.

3.6 Verschlungene Wege der Personalpolitik Die Vorstellung, Personalpolitik verlaufe stets nach einem bestimmten Muster, gleichsam linear, ist nur teilweise zutreffend. Gewiss gibt es immer auch Regeln, die es einzuhalten gilt. Doch daneben  – oder besser: dazwischen  – existieren zuweilen Spielräume, die für verschlungene Wege der Personalpolitik genutzt werden können. Nicht anders war es im Bundesministerium der Justiz während der fünfziger Jahre unter Staatssekretär Strauß. a)

Das Patentamt als natürliche Stellenreserve

Ein Paradebeispiel dafür, dass das zum Geschäftsbereich des BMJ gehörende Patentamt als Stellenreserve für das Ministerium genutzt wurde, ist die Ernennung von Walter Holtgrave zum Regierungsrat 1955/56. Als junger Gerichtsassessor war der 1921 im niedersächsischen Bramsche geborene Holtgrave am 5. Dezember 1952 vom Landgericht Oldenburg an das Bundesjustizministerium abgeordnet worden und wurde innerhalb der zivilrechtlichen Abteilung im Referat für Mietrecht eingesetzt. Mit fortschreitender Dauer der Abordnung drängte das BMJ immer stärker auf seine Anstellung im Landesdienst. Dabei argu­ mentierte man sowohl mit seinen günstigen Prüfungsergebnissen als auch mit seinen Leistungen im Ministerium. Darüber hinaus brachte Bundesjustizminister Neumayer gegenüber seinem niedersächsischen Amtskollegen die Interessen seines Hauses zur Sprache. Die im BMJ tätigen Kollegen seines Alters würden in ihren Ländern kürzere Anstellungszeiten aufweisen und im Allgemeinen »bei Bewährung im Bundesjustizministerium in Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Bereitschaft, sich auf Zeit der obersten Bundesjustizbehörde zur Verfügung zu stellen, bevorzugt angestellt«.361 Nach der überfälligen Ernennung zum Landgerichtsrat beim Landgericht Stade im April 1955 entwickelte sich Holtgrave immer mehr zu einer begehrten Kraft, an der neben dem BMJ gleich zwei andere Bundesministerien interessiert waren. In einem vertraulichen Vermerk an die Abteilung Z vom 26. Oktober 1955 hielt der Leiter der zivilrechtlichen Abteilung Petersen fest, dass H ­ oltgrave ein Übernahmeangebot sowohl vom Verteidigungsministerium als auch von

360 Ebd.; Hervorhebung im Original. 361 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz v. 2.2.1955, in: BMJ -Personalakte Walter Holtgrave (P 11 – H 58), Bd. 1, Bl. 66 f., Zitat Bl. 66 f.

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der Preisabteilung des Wirtschaftsministeriums erhalten habe.362 Weiter schrieb Petersen, er habe gegenüber dem Staatssekretär gewisse Bedenken der Zentralabteilung sowie Ansichten der Abteilung I bezüglich einer Übernahme von­ Holtgrave als Regierungsrat erläutert. Daraufhin habe sich Strauß damit einverstanden erklärt, dass dem Landgerichtsrat die Stellung eines Regierungsrats beim Patentamt angeboten werde, sofern dies »ohne Störung der in der Angelegenheit Krieger schwebenden Pläne« möglich sei.363 Ferner habe er, so Ministerialdirektor Petersen, die Frage mit seinem Abteilungsleiterkollegen Richter besprochen und anschließend Holtgrave informiert, dass das Bundesjustizministerium ihm die Stelle eines technischen Regierungsrats anbiete und dass noch eine Prüfung des Umfangs und der Bedeutung der finanziellen Einbuße vonnöten sei. Nun, so notierte Petersen, habe ihm der Landgerichtsrat mitgeteilt, dass er das Angebot des BMJ annehme; die geldliche Einbuße belaufe sich auf 15 bis 20 Deutsche Mark.364 Personalreferent Winners bekräftigte Ende November 1955 noch einmal gegenüber Holtgrave, dass selbiger mit einer Übernahme ins BMJ selbst nicht rechnen könne.365 Es blieb also – zumindest vorläufig366 – dabei, dass Holtgrave eine Planstelle beim Patentamt erhielt, gleichzeitig aber an das Bundesjustizministerium abgeordnet wurde. So konnte der Beamte weiter in der Abteilung I tätig bleiben. Das Beispiel Holtgrave zeigt damit anschaulich, wie das Patentamt in München als eine natürliche, stille Reserve für Stellen genutzt werden konnte und auch genutzt wurde.

362 Petersen an die Abt. Z v. 26.10.1955 betr. Landgerichtsrat Holtgrave (vertraulich), in: Ebd., Bl. 89–89a. 363 Ebd., Bl. 89. Albrecht Krieger (1925–2007), dessen Vater Ministerialrat im Reichsjustizministerium gewesen war, arbeitete nach dem ersten juristischen Staatsexamen 1949 zunächst als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Deutschen Patentamt in München. Nach dem zweiten Examen 1953 erfolgte zunächst seine Abordnung an das BMJ . Am 28. November 1955 wurde Krieger schließlich in den Dienst des BMJ übernommen und brachte es dort bis zum Leiter der Abteilung III , ehe er 1990 in den Ruhestand ging. Zum Zeitpunkt, als die Angelegenheit Holtgrave akut wurde, stand demnach die Übernahme Kriegers unmittelbar bevor. 364 Ebd., Bl. 89a. 365 Notiz von Winners v. 28.11.1955, in: Ebd., Bl. 90. 366 Eine Änderung trat erst im Frühjahr 1957 ein, als Abteilungsleiter Erdsiek vor dem Hintergrund der positiven Beurteilungen Holtgraves durch Ministerialrat Weitnauer und Regierungsdirektor Riedel sowie in Anbetracht seines guten Renommees in den Ausschüssen der gesetzgebenden Körperschaften bei Staatssekretär Strauß die Übernahme Holtgraves als Oberregierungsrat beantragte. Siehe dazu das Schreiben von Erdsiek an Strauß v. 16.4.1957, in: Ebd., Bl. 133. Nachdem das BMI wie erwartet den Ernennungsvorschlag aus laufbahnrechtlichen Gründen (erforderliche Dienstzeit von drei Jahren) zurückgewiesen hatte, beantragte das BMJ Ende Juli 1957 beim Bundespersonalausschuss eine Ausnahmegenehmigung. Als diese erteilt war, stand der Ernennung Holtgraves zum Oberregierungsrat und damit seiner Übernahme in den Dienst des Bundesjustizministeriums nichts mehr im Wege. Knapp dreißig Jahre später schied Holtgrave als Ministerialdirigent aus dem aktiven Dienst des BMJ aus.

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Vom Einzug der Normalität

Dass das geschilderte Beispiel keinen Einzelfall darstellte, beweisen unter anderem die Personalien Kern und Schneider. Ernst Kern, von dem schon in Bezug auf den Beamtenersatz aus den Ländern die Rede war, betraf das gleich zweimal. Der Übernahme ins Bundesministerium der Justiz ging sowohl bei seiner Ernennung zum Regierungsrat als auch bei seiner Beförderung zum Oberregierungsrat die Einweisung in eine entsprechende Planstelle des Patentamts unter gleichzeitiger Abordnung an das BMJ voraus. Im ersten Fall erschien das als eine dauerhafte Konstruktion von mehr als zwei Jahren, während im zweiten Fall damit nur eine sehr kurze Zeitspanne von einem Monat überbrückt werden sollte. Was Gerhard Schneider anbetrifft, so lag seine Einstellung beim Patentamt durchaus auf der Hand. Der 1906 geborene Berliner hatte von 1934 bis 1937 auf dem Wege der Abordnung im Referat Gewerblicher Rechtsschutz des Reichs­justizministeriums mitgearbeitet. Im Vorfeld der Einberufung in das Ministerium und auch nach seinem Ausscheiden dort wirkte Schneider bei einer Zivilkammer beim Landgericht Berlin, wo er Rechtsstreitigkeiten aus dem unlauteren Wettbewerb und dem Urheberrecht bearbeitete.367 Ende September 1949 hatte sich Landgerichtsrat Schneider für eine Verwendung im Bereich des BMJ beworben.368 Staatssekretär Strauß notierte auf dem Bewerbungsschreiben an seinen Mitarbeiter Dr. Haertel gerichtet: »ev. zur Vorstellung veranlassen«.369 Schließlich erklärte sich Strauß mit der Einstellung des Landgerichtsrats als juristisches Mitglied beim Deutschen Patentamt einverstanden und billigte die zwischen seinem Referatsleiter für Gewerblichen Rechtsschutz Haertel und dem Präsidenten des Patentamts getroffene Übereinkunft, der zufolge Schneider bis auf weiteres zum Dienst im BMJ abgeordnet werde.370 Erst am 12. Januar 1951 wurde Schneider dann zum Oberregierungsrat beim Bundesministerium der Justiz ernannt. In die entsprechende Planstelle wurde er allerdings rückwirkend zum 1. November 1949 eingewiesen. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand zwanzig Jahre später wurde Schneider noch zum Regierungsdirektor (1954) und schließlich zum Ministerialrat (1966) befördert; seit 1961 leitete er das Referat Urheber- und Verlagsrecht. Im Nachruf des BMJ auf den verstorbenen Ministerialrat hieß es später, Gerhard Schneider habe in der »schwierigen Aufbauphase« des Ministeriums seit 1949 sich nicht nur als guter Jurist, sondern auch als »liebenswerter Kollege, der mit kritischem Blick und dichterischem Talent die tägliche Ministerialarbeit zu beleben verstand«, Dank und Anerkennung gefunden.371 367 Der Leiter der Abteilung III , Dienstliche Beurteilung über Gerhard Schneider v. 14.6.1965, gez. Geßler, in: BMJ -Personalakte Gerhard Schneider (P 11 – Sch 7), Bl. 105 f., hier Bl. 105. 368 Schneider an den BMdJ v. 24.9.1949 betr. Bewerbungsgesuch, in: BMJ -Personalakte Gerhard Schneider (P 11 – Sch 7), Beiakte Deutsches Patentamt, Bl. 102. 369 Notiz von Strauß v. 26.9.1949 auf dem Schreiben von Schneider an den BMdJ v. 24.9.1949 betr. Bewerbungsgesuch, in: Ebd. 370 Der BMdJ an den Präsidenten des Deutschen Patentamts v. 29.10.1949 betr. Bewerbungsgesuch des Landgerichtsrats Gerhard Schneider, gez. Strauß, in: BMJ -Personalakte Gerhard Schneider (P 11 – Sch 7), Bl. 2. 371 Nachruf des BMJ auf Gerhard Schneider v. 31.3.1987, in: Ebd., unpag. Bl.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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b) Empfehlungen Welchen Einfluss Empfehlungen auf den personellen Aufbau des Bundesjustizministeriums bis 1953 besaßen, ist im ersten Kapitel eingehend geschildert worden. Doch auch nach dem Abtritt des ersten Ministers behielten Empfehlungen ihren Platz in der Personalpolitik auf der Rosenburg. Mitunter betraf das Beamte, die bereits im Ministerium tätig waren und nun zur Beförderung vorgeschlagen wurden. So erreichte den amtierenden Bundesminister der Justiz Fritz Neumayer am 11. Februar 1955 ein Brief seines Amtsvorgängers Thomas Dehler, in dem dieser auf Amtsrat Heinrich Reichenberger hinwies und in wohlklingenden Worten dessen Beförderung empfahl: »Ich möchte ihm die Ernennung zum Regierungsrat gönnen.«372 Beim Aufbau des Ministeriums habe er Reichenberger aus Franken an den Rhein geholt, da er ihm als ein tüchtiger Mann bekannt gewesen sei, und seitdem habe sich der Beamte durchaus bewährt, führte Dehler zur Begründung an. Seit 1954 war Reichenberger, der früher seinen Dienst im Wehrmachtrechtsamt beim Oberkommando der Wehrmacht und bei der Luftwaffe versehen und nach 1945 am Amtsgericht Bayreuth gewirkt hatte, dem Ministerialbürodirektor Oberregierungsrat Hage als Mitarbeiter zugeteilt und bekam das entsprechende Zeichnungsrecht verliehen. Der Einsatz Dehlers für Reichenberger verfehlte seine Wirkung nicht, denn bereits mit Wirkung vom 1. März 1955 wurde der Beamte zum Regierungsrat befördert und stieg damit vom gehobenen in den höheren Dienst auf.373 c)

Wechsel innerhalb der Bundesministerialbürokratie

Empfehlungen waren jedoch keine Einbahnstraße, sie wurden also nicht nur an das Bundesjustizministerium herangetragen, sondern auch von Vertretern des Hauses anderen gegenüber ausgesprochen. Der vielleicht prominenteste Fall ist der von Hubert Schnekenburger. Walter Strauß hatte seinem Staatssekretärskollegen im Bundeskanzleramt Hans Globke den im BMJ tätigen Regierungsrat empfohlen. Das geht aus dem Begleitschreiben von Strauß an Globke vom 2. März 1960 zu einer dienstlichen Beurteilung hervor.374 Noch als Regierungsassessor war der 1922 in Freiburg im Breisgau geborene Schnekenburger am 16. Juli 1956 von Baden-Württemberg an das Bonner Justizministerium abgeordnet worden, wo er zunächst als Mitarbeiter im Referat Wiedergutmachungs372 Dehler an Neumayer v. 11.2.1955, in: BMJ -Personalakte Heinrich Reichenberger (P 11 – R 11), Bl. 70. 373 Vor seinem Eintritt in den Ruhestand zum 30. September 1962 wurde der 1898 in Neuen­ markt (Kreis Kulmbach) geborene Reichenberger 1959 schließlich noch zum Oberregierungsrat befördert. 374 Strauß an Globke v. 2.3.1960 betr. Regierungsrat Dr. Hubert Schnekenburger, in: Personalakte des Bundeskanzleramts zu Hubert Schnekenburger (P 11 – Sch 84), Bl. 15.

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Vom Einzug der Normalität

sachen des öffentlichen Dienstes und Fiskussachen Verwendung fand. Dafür war er insofern besonders qualifiziert, als er zuvor für das in Freiburg ansässige baden-württembergische Landesamt für Wiedergutmachung gearbeitet hatte. Seit Mitte November wurde er auch in den Referaten für Beamten- und Disziplinarrecht sowie für Wehr- und Verwaltungsrecht eingesetzt. Seit Beginn des Jahres 1959 war Schnekenburger auf seinen Wunsch hin als Mitarbeiter einem völkerrechtlichen Referat zugeteilt und wechselte damit die Abteilung von Z nach  IV. Die angesprochene Beurteilung aus dem Jahr 1960 offenbart, wie sehr das Ministerium sowohl das Interesse des Beamten für europäische und internationale Fragen als auch sein erfolgreiches Wirken bei Verhandlungen auf Ressort- und internationaler Ebene schätzte.375 Die Pointe bei Schnekenburger besteht darin, dass er 1969 ins Bundesjustizministerium zurückkehrte. Ursächlich dafür war der Regierungswechsel desselben Jahres. Schnekenburger gab den damaligen Chef des Bundeskanzleramts Horst Ehmke mit den Worten wieder, ein politisch so delikates Gebiet wie die Deutschland- und Berlin-Politik könne als Folge des Regierungswechsels nicht weiter von ihm vertreten werden.376 In der von Schnekenburger erbetenen Bestätigung versicherte ihm Ehmke, dass seine Versetzung vom Kanzleramt in das Bundesministerium der Justiz nicht aus Gründen mangelnder Qualifikation erfolge, sondern dem Bestreben geschuldet sei, den »an sich normalen personalen Kreislauf« zwischen dem Bundeskanzleramt und den Fachressorts wieder in Gang zu bringen.377 Hubert Schnekenburger war mitnichten der einzige Beamte, der in den fünfziger und sechziger Jahren von der Rosenburg in die Regierungszentrale wechselte. Zu nennen ist hierbei vor allem der gebürtige Braunschweiger Reinhold Mercker, der es später sogar bis zum Staatssekretär bringen sollte.378 Im 48. Lebensjahr stehend, wurde der ein Jahr zuvor zum Oberregierungsrat ernannte Jurist Anfang Juli 1951 vom niedersächsischen Justizministerium an das Bundesministerium der Justiz abgeordnet. Nachdem er sich dort bewährt hatte, wurde er Ende des Jahres als Ministerialrat in den Bundesdienst übernommen. Damit erlangte Mercker diejenige Dienststellung wieder, die er bereits 1942 im Reichspostministerium verliehen bekommen hatte. Zuvor hatte er die Finanzabteilung bei der Hauptverwaltung der Deutschen Post Osten in Krakau geleitet. Trotz dieser Tätigkeit und seiner Mitgliedschaften in der NSDAP, der SA und in weiteren nationalsozialistischen Organisationen wurde Mercker 1948 in Kategorie V eingestuft. Nach Kriegsende wurde er als Angehöriger des Arbeitsstabes Süd des Reichspostministeriums von den Alliierten zur Arbeit als Referent für das 375 Der BMdJ, Dienstliche Beurteilung über Hubert Schnekenburger v. 24.2.1960, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 16 f. 376 Schnekenburger an Ehmke v. 10.11.1969, in: Ebd., Bl. 82. 377 Ehmke an Schnekenburger v. 25.11.1969, in: Ebd., Bl. 84. 378 Zunächst wurde er Staatssekretär im nur kurze Zeit existenten und heute längst vergessenen Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates, anschließend im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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Haushaltswesen im Ministerial Collecting Center herangezogen. Dort wird er einige Kontakte zu anderen ehemaligen Ministerialbeamten geknüpft haben. Von Januar bis April 1946 war Mercker jedoch aufgrund seines Dienstranges als Ministerialrat im Rahmen des automatischen Arrests interniert, bevor er wieder als beauftragter Richter beim Landgericht seiner Heimatstadt Braunschweig tätig werden konnte. Wie das BMJ auf ihn aufmerksam wurde, ist nicht ganz klar. Möglicherweise hat der Leiter der öffentlich-rechtlichen Abteilung Walter Roemer den Personalreferenten auf Mercker hingewiesen. Jedenfalls ist ein Vermerk von Roemer überliefert, in dem er angab, der Beamte sei ihm aus den Rechtsausschusssitzungen des Bundesrats als sehr guter Jurist bekannt, der namentlich auch zu verfassungsrechtlichen Fragen sehr gute Ausführungen zu machen verstanden habe.379 Für eine Verwendung im Verfassungsrechtsreferat des BMJ halte er, so Abteilungsleiter Roemer, Mercker sowohl nach seiner fachlichen Tüchtigkeit als auch nach seiner Persönlichkeit für sehr geeignet. Was ferner für Mercker sprach, war die Art seiner Tätigkeit im niedersächsischen Justizministerium, wo er seit 1949 das Referat für Verfassungs-, Staats- und Verwaltungsrecht leitete; vor seiner Abordnung an das Bundesjustizministerium war er vom Justizministerium in Hannover an den Niedersächsischen Landtag für die Beratungen an der Niedersächsischen Verfassung als staatsrechtlicher Sachverständiger abgeordnet.380 Bei seinem Vorstellungsbesuch auf der Rosenburg hatte Mercker einen positiven Eindruck hinterlassen. Gegenüber seinem Amtskollegen in Hannover erklärte Bundesjustizminister Dehler daher seine Bereitschaft, den Oberregierungsrat nach der üblichen mehrmonatigen Probezeit in eine Planstelle seines Hauses zu übernehmen.381 Als Ministerialrat war Mercker bereits fast fünf Jahre als Verfassungsreferent auf der Rosenburg tätig, als das Bundeskanzleramt um die Übersendung der Personalakten »zur kurzfristigen Einsichtnahme« bat.382 Schließlich erklärte sich das BMJ bereit, Mercker dem Kanzleramt zu überlassen. Mit Wirkung vom 1. Juli 1956 zum Ministerialdirigenten ernannt, wurde er noch einmal an das Justizministerium abgeordnet. Erst ab dem 1. Oktober war Mercker in der Regierungszentrale beschäftigt. Dort leitete der Ministerialdirigent und spätere Ministerialdirektor die politische Abteilung. Aus dieser Zeit stammt auch ein Großteil seines Nachlasses, den das Archiv für Christlich-Demokratische Politik in Sankt Augustin bis heute verwahrt. Darin enthaltene Dokumente bezeugen, dass Mercker dem BMJ auch nach seinem dortigen Ausscheiden verbunden 379 Vermerk von Roemer v. 17.5.1951, in: Personalakte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über Reinhold Mercker, Beiakten, BMJ -Personalakte (P 11 – M 31), Bl. 8. 380 Aufzeichnung von Mercker v. 14.3.1951 über seine bisherige Tätigkeit im öffentlichen Recht, in: Ebd., Bl. 4. 381 Der BMdJ an den Niedersächsischen Minister der Justiz v. 18.5.1851, in: Ebd., Bl. 9. 382 Der Staatssekretär des Bundeskanzleramts an den BMdJ v. 16.7.1956, in: Ebd., Bl. 62.

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blieb, was auf Gegenseitigkeit beruhte.383 Als im Herbst 1958 die Wahl eines Bundesverfassungsrichters anstand, machte Bundesjustizminister Schäffer den Staatssekretär im Kanzleramt auf Mercker aufmerksam.384 In der Regierungszentrale begrüßte man den Vorschlag, konnte sich bei der vorherrschenden Personal- und Geschäftslage aber nicht entschließen, Mercker für die Stelle am Verfassungsgericht vorzuschlagen.385 Was den Großteil der höheren Beamten im Bundesjustizministerium – wie Mercker – besonders kennzeichnete, war ihre juristische Ausbildung. Damit konnten sie in ganz unterschiedlichen Ministerien tätig werden, waren variabel einsetzbar. Wenn das viel zitierte Juristenmonopol ein Kennzeichen der Bonner Ministerialbürokratie war, dann gilt das umso mehr für das BMJ. Auffällig erscheint, dass relativ häufig Wechsel vom Justizministerium zum Auswärtigen Amt und zum Bundesministerium der Verteidigung stattfanden. Von Theodor Lohr, der 1956 zum Verteidigungsministerium übertrat, war beispielsweise schon die Rede. Ein besonderer Fall ist der von Dr. Klaus Woernle, der vom BMJ zunächst an das Finanzministerium, später dann an das Auswärtige Amt abgeordnet wurde. Staatssekretär Strauß kannte ihn schon aus den Tagen des Länderrats, in dessen Rechtsabteilung Woernle tätig war. Seit Ende 1947 hatte der 1912 in Lodz geborene Jurist unter Strauß gearbeitet – zunächst in der Verwaltung für Wirtschaft, dann im Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Dort war er zum 1. August 1948 zum Regierungsrat ernannt worden und wechselte nach Gründung der Bundesrepublik mit Strauß ins BMJ nach Bonn, wo er im Referat Völkerrechtliche Verträge, Rechtsfragen der Friedensregelung und Besatzungsrecht Verwendung fand. Auf Verlangen des Bundesfinanzministeriums wurde Woernle zum 16. September 1951 dorthin abgeordnet und in der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung eingesetzt. Allerdings war die Abordnung nicht von Dauer, denn Woernle empfand die neue Aufgabe als nicht zu seinen Fähigkeiten passend. An die beiden zuständigen Minister gewandt, begründete er seine Bitte um Aufhebung der Abordnung 383 Das gute Verhältnis zwischen Mercker und seiner alten Wirkungsstätte schloss auch die Personalpolitik mit ein. So hatte Mercker von Winners den Tipp bekommen, der Geschäftsführende Vorsitzende der CDU, Josef Hermann Dufhues, möge sich in Bezug auf den bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft tätigen Oberstaatsanwalt Dr. Schneider, der Bundesanwalt beim BGH werden wolle, an Staatssekretär Strauß wenden oder das nordrhein-westfälische Justizministerium einschalten. Daraufhin hatte Globke das Schreiben von Dufhues an Strauß weitergeleitet und damit die Bitte verbunden, sich für die Angelegenheit zu interessieren. Siehe dazu die Vorlage von Mercker für Globke v. 17.12.1962 betr. Oberstaatsanwalt Dr. Schneider, in: ACDP. Nachlass Reinhold Mercker, 01-274-003/3; Globke an Strauß v. Dezember 1962, in: Ebd., 01-274-003/2. 384 Der BMdJ an den Staatssekretär des Bundeskanzleramts v. 22.9.1958 betr. Wahl eines Richters für das BVerfG, in: Personalakte des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über Reinhold Mercker, Beiakten, BMJ -Personalakte (P 11 – M 31), Bl. 21. 385 Der Staatssekretär des Bundeskanzleramts an den BMdJ v. 30.9.1958 betr. Wahl eines Richters für das BVerfG, gez. Dr. Janz, in: Ebd., Bl. 23.

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daher damit, dass er entgegen seiner vorherigen Annahme seine Sprach- und Spezialkenntnisse des Völkerrechts »im Rahmen der bei der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung für mich anfallenden Aufgaben nicht hinreichend einsetzen« könne.386 Das BMJ entsprach daraufhin der Bitte Woernles, sodass dieser am 1. Dezember 1951 seinen Dienst im Justizministerium wiederaufnahm. Ein gutes Jahr später wurde auf der Rosenburg die Beförderung Woernles zum Oberregierungsrat erwogen. Der Leiter der Abteilung IV Roemer befürwortete unter Bezugnahme auf zwei dienstliche Beurteilungen wie auch aufgrund eigener Beobachtungen eine baldige Beförderung des Beamten.387 In der von Ministerialrat von Arnim ausgestellten Beurteilung wurden vor allem seine Leistungen bei der rechtsförmlichen Prüfung von Gesetzentwürfen und Verordnungen, aber auch seine Sprachbegabung hervorgehoben.388 So beherrsche Woernle die englische, französische und italienische Sprache und habe einige Kenntnisse im Russischen und Arabischen. Durch Studien- und Fernreisen, die ihn nicht nur ins europäische Ausland, sondern auch in den Mittleren Osten führten, habe er sich nicht zuletzt freundschaftliche Beziehungen zu Angehörigen anderer Völker erworben. Das BMJ gewährte Woernle im Oktober 1953 sogar Sonderurlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge für eine Studienreise nach Kairo. Bei dieser Gelegenheit machte Woernle deutlich, dass er sich früher für den Dienst im Auswärtigen Amt beworben und ihm der zuständige Sachbearbeiter erklärt habe, dass Bewerber mit Kenntnissen von Sprachen und Ländern des Nahen Ostens von wesentlichem Interesse für das Auswärtige Amt seien.389 Ministerialrat Jung, dessen Urlaubsvertretung Woernle häufig versah, lobte in seiner Beurteilung die verbindliche und zuvorkommende Art des Regierungsrats bei Verhandlungen mit anderen Ressorts.390 Die günstigen Beurteilungen Woernles durch die verantwortlichen Beamten in Abteilung IV bewirkten, dass der Regierungsrat zum 1. April 1953 befördert wurde. Ende 1957 trat das Bundesjustizministerium an das Auswärtige Amt heran, um Oberregierungsrat Woernle als Leiter eines Referats bei der Europäischen Atomgemeinschaft vorzuschlagen.391 Neben den Sprachkenntnissen des Beamten hob Bundesjustizminister Schäffer hervor, dass Woernle an den Arbeiten für den Euratom-Vertrag maßgeblich beteiligt gewesen sei.392 Nachdem der Personalvorschlag nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt hatte, unternahm Staatssekretär 386 Woernle über den BMdF an den BMdJ v. 14.11.1951, in: BMJ -Personalakte Klaus Woernle (P 11 – W 11), Bl. 62. 387 Roemer an Strauß v. 12.1.1953, in: Ebd. Bl. 81. 388 Von Arnim an Roemer v. 12.1.1953 mit anl. Beurteilung des Regierungsrats Dr. Woernle, in: Ebd., Bl. 83. 389 Woernle an die Personalabteilung des BMJ v. 5.10.1953, in: Ebd., Bl. 100. 390 Jung an Roemer v. 8.1.1953, in: Ebd., Bl. 84–86. 391 Der BMdJ an das Auswärtige Amt v. 25.11.1957 betr. Bereitstellung von Kräften des höheren Dienstes für die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften, hier: Oberregierungsrat Dr. Klaus Woernle, in: Ebd., Bl. 118 f. 392 Ebd., Bl. 119.

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Vom Einzug der Normalität

Strauß im Mai des folgenden Jahres einen neuen Anlauf. In einem persönlichen Schreiben an den Ministerialdirigenten im Auswärtigen Amt und späteren Bundespräsidenten Karl Carstens schlug Strauß seinen langjährigen Mitarbeiter für die deutsche Vertretung bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vor.393 Bei den Verhandlungen über die europäischen Verträge habe Woernle, der über ausgezeichnete Sprachkenntnisse verfüge, von Beginn an als Vertreter des BMJ mitgewirkt. Mit Verweis auf die zahlreichen Auslandsreisen Woernles als junger Mensch vor dem Kriege sowie nach 1950 bekräftigte Walter Strauß: »Im Umgang mit Ausländern besitzt er wesentlich mehr Erfahrung als der Durchschnitt der Ministerialbeamten.« In seiner Antwort hob Carstens hervor, er kenne und schätze Woernle sehr und setze sich für ihn ein.394 Letztlich zahlten sich die Bemühungen des BMJ im Allgemeinen und von Strauß im Besonderen aus, denn um den Jahreswechsel 1958/59 wurde Woernle in die deutsche Vertretung bei den Europäischen Gemeinschaften berufen. Die Vertretung wurde zu dieser Zeit noch in Personalunion von dem deutschen Botschafter in Belgien, damals niemand anderes als Professor Carl Friedrich Ophüls, geleitet, der einstmals selbst dem Bundesjustizministerium angehört hatte. Oberregierungsrat Woernle war gut gelitten bei der Vertretung, sodass man ihn dort behalten wollte.395 Im BMJ wuchs mit der Zeit jedoch der Unmut darüber, dass Woernle auf Kosten des Justizministeriums in Brüssel tätig war. So hatte Staatssekretär Strauß seinen Amtskollegen im Auswärtigen Amt Hilger van Scherpenberg darum gebeten, eine Lösung zu finden, die zu einer Befreiung von der finanziellen Last führen würde.396 Ende August 1959 sicherte das Auswärtige Amt dem BMJ die Übernahme der Kosten zu – jedoch nicht ohne das Einverständnis darüber zu betonen, dass die Stelle von Woernle im Justizministerium blockiert bleibe, die entsprechenden Mittel also nicht anderweitig zur Verfügung ständen.397 Mit der Sperrung der Mittel aus der Planstelle beim BMJ wurde bezweckt, dass Woernle nach einer Rückkehr nach Bonn wieder Aufnahme im Justizministerium finden und das Auswärtige Amt dann aller Kosten ledig sein würde. Einige Wochen später einigten sich beide Ministerien über die formelle Abordnung Woernles in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts zur Verwendung bei der deutschen EWG -Vertretung rückwirkend zum 1. August.398 Bis zu seinem frühen Tod am 11. Mai 1961 wurde die Abordnung aufrechterhalten und Woernle als Rechtsreferent der deutschen Vertretung eingesetzt. 393 Strauß an Karl Carstens v. 7.5.1958 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 379, Bl. 4. 394 Carstens an Strauß v. 9.5.1958, in: Ebd., Bl. 5. 395 Vgl. das Schreiben von Ministerialrat Goers (Botschaft der BRD, Vertretung bei den Europäischen Gemeinschaften) an Dr. Hartlieb (AA) v. 4.4.1959, in: BMJ -Personalakte Klaus Woernle (P 11 – W 11), Bl. 126 f. 396 Vgl. das Schreiben des Staatssekretärs des AA van Scherpenberg an Strauß v. 25.8.1959, in: Ebd., Bl. 129. 397 Van Scherpenberg an Strauß v. 25.8.1959, in: Ebd. 398 Vermerk von Richter v. 2.10.1959, in: Ebd., Bl. 130 f.

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Erst Anfang Februar hatte Botschafter Ophüls den Oberregierungsrat als zur dauernden Verwendung im Auslandsdienst sehr geeignet erklärt und vorgeschlagen, ihn »nunmehr endgültig« in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts zu übernehmen.399 Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Erwähnenswert ist noch, dass Woernle bereits im Rechtsamt unter Ophüls gearbeitet hatte, als dieser dort das völkerrechtliche Referat leitete. Insofern schloss sich damit ein Kreis. d)

Von Bonn nach Brüssel

Die Personalie Woernle markierte nicht zuletzt eine Neuerscheinung in der Personalpolitik, die es in der Aufbauphase des Bundesjustizministeriums nur ganz vereinzelt gegeben hatte. 1952 ließ das BMJ seinen Beamten Robert Krawielicki zur Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl nach Luxemburg ziehen.400 Nach 1953 gingen jedoch vermehrt Beamte von Bonn nach Brüssel, wechselten also zu europäischen Institutionen. Im BMJ betraf das vor allem die Abteilung Öffentliches Recht unter Walter Roemer. Zu manchen Zeiten gab es einen regelrechten Aderlass in Abteilung IV, wie das BMJ beispielsweise in der Begründung des Antrags auf Zulassung einer Ausnahme für die in Aussicht genommene Übernahme von Johannes Niemeyer als Oberregierungsrat bemerkte.401 So sei ein Referent aus dem völkerrechtlichen Referat, in dem Niemeyer arbeite, bereits zu den Europäischen Gemeinschaften einberufen; ein weiterer Mitarbeiter stehe kurz vor seiner Einberufung. Angesichts dieser Personallage könne Niemeyer als eingearbeitete Spezialkraft »schlechterdings nicht ersetzt« werden, so die Argumentation des BMJ.402 Bei dem erwähnten Referenten handelte es sich um Ernst Wohlfarth, der seit 1951 im Bundesjustizministerium tätig war und nach rund 15 Monaten als Oberregierungsrat in den Bundesdienst übernommen wurde. Zum 1. März 1957 zum Ministerialrat ernannt, wurde Wohlfarth im November des Folgejahres zum Dienst bei den Europäischen Gemeinschaften beurlaubt. Dort wirkte er im Sekretariat des Ministerrats als Leiter des juristischen Dienstes. Diesem Karrieresprung waren entsprechende Bemühungen von Staatssekretär Strauß vorausgegangen. Gegenüber dem langjährigen Staatssekretär des Auswärtigen Amts und nunmehrigen Vorsitzenden der Kommission der Europäischen Wirt­schaftsgemeinschaft Walter Hallstein hatte Strauß in einem persönlichen Schreiben vom 10. Juni 1958 Wohlfarth noch als sein »besonderes Sorgenkind« 399 Qualifikationsbericht von Ophüls über Woernle v. 3.2.1961, in: Ebd., Bl. 149–151. 400 Zu Krawielicki siehe auch Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 141 f. 401 Der BMdJ an die Geschäftsstelle des Bundespersonalausschusses im BMI v. 29.11.1958, Begründung des Antrags auf Zulassung einer Ausnahme von § 33 Abs. 1 BLV, in: BMJ Personalakte Johannes Niemeyer (P 11 – N 18), Bd. 1, Bl. 116–118. 402 Ebd., Bl. 117.

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bezeichnet.403 Obwohl er, so Strauß, den Beamten an erster Stelle für eine Abordnung zur EWG vorgeschlagen und darüber auch mit Hallstein gesprochen habe, komme die Sache offenbar nicht voran. Im Übrigen bemerkte Strauß, Ministerialdirektor Roemer beurteile Wohlfarth als einen seiner besten Leute. Die Intention des Briefes an Hallstein bestand darin, die Personalangelegenheit voranzutreiben und Chancen für eine Verwendung Wohlfarths auf europäischer Ebene erneut auszuloten. Dass sich der Justizstaatssekretär dabei an Hallstein wandte, lag auf der Hand, hatten beide doch einst bei Rechtsanwalt Ernst Wolff in Berlin ihr Referendariat absolviert, waren also seit langem miteinander vertraut.404 Doch zunächst sah es so aus, dass auch der Kommissionsvorsitzende nichts für Wohlfarth würde tun können. An seinen Namensvetter Strauß gewandt, stellte Hallstein klar, eine Einstellung des Ministerialrats sei daran gescheitert, dass für einen deutschen Kandidaten einschlägige Stellen nicht zur Verfügung gestanden haben; eine Änderung dieser Situation sei in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich.405 Und doch trat das Unwahrscheinliche ein: Wohlfarth wurde nach Brüssel berufen, Strauß hatte mit seinen Bemühungen für den Beamten letztlich Erfolg. Wie sehr Walter Strauß auch lange nach seinem Ausscheiden als Staatssekretär im Bundesjustizministerium an dem Fortgang der Laufbahn seiner ehemaligen Beamten interessiert war, verdeutlicht die Anfrage bei einem seiner Nachfolger im BMJ, Staatssekretär Dr. Hermann Maassen. Strauß hatte sich nach der Möglichkeit erkundigt, Ernst Wohlfarth zum Ministerialdirigenten zu befördern. In seiner Antwort wies Maassen darauf hin, dass im Haushaltsvoranschlag des Ministeriums die Hebung der von Wohlfarth eingenommenen Leerstelle der Besoldungsgruppe B 3 nach B 6 beantragt sei, er also nach einer erfolgreichen Verabschiedung des Haushalts zum Ministerialdirigenten aufstei­ gen würde.406 Abschließend machte Maassen gegenüber seinem einstigen Vorgesetzten deutlich, das Bundesjustizministerium werde alles dafür tun, damit Wohlfarth befördert werde. Nicht alle Beamten, die wie Wohlfarth zu europäischen Institutionen entsandt wurden, blieben auch dort. Vielmehr kam es auch zu zeitlich begrenzten Abordnungen. Ein Beispiel dafür ist der Fall von Dr. Hans Arnold, der wie Wohlfarth seit 1951 im BMJ beschäftigt wurde. Arnold war ein hochbegabter Jurist, der beide juristischen Prüfungen mit »sehr gut« absolviert hatte. Zum Zeitpunkt seiner Abordnung an das Bundesjustizministerium war er gerade einmal dreißig Jahre alt. Nachdem er 1955 in seinem Land zum Oberlandesgerichtsrat ernannt worden war, entsandte ihn das BMJ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, bei deren Kommission er vom Herbst 1958 bis zum Frühjahr 1960 wirkte. Staatssekretär Strauß, der bei der vorläufigen Verabschiedung Arnolds nicht im 403 Strauß an Hallstein v. 10.6.1958 (persönlich), in: IfZArch, ED 94, Bd. 212. 404 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 20. 405 Hallstein an Strauß v. 1.9.1958, in: IfZArch, ED 94, Bd. 212. 406 Maassen an Strauß v. 11.6.1971, in: Ebd., Bd. 383.

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­ inisterium zugegen war, schrieb eigens noch einmal seinem Beamten, um ihm M für die »ausgezeichnete Mitarbeit während so vieler Jahre« zu danken und ihm gleichzeitig seine »sehr herzlichen Wünsche« zu übermitteln.407 Mit seiner Rückkehr ins Ministerium fiel die Beförderung zum Regierungsdirektor zusammen. Nach etwas mehr als zwei Jahren wurde Arnold an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit abgeordnet und kehrte erst im Sommer 1963 auf die Rosenburg zurück. Erneut erfolgte im zeitlichen Umfeld seiner Rückkehr eine Beförderung, dieses Mal die Ernennung zum Ministerialrat. Anders als viele andere Beamte des BMJ, die nach Brüssel gingen, entstammte Arnold übrigens nicht der Abteilung für öffentliches Recht, sondern der zivilrechtlichen Abteilung. 1971 zum Ministerialdirigenten ernannt, leitete Arnold zunächst eine Unterabteilung in der neu geschaffenen Abteilung R (Rechtspflege) und stieg drei Jahre vor seinem Eintritt in den Ruhestand noch zum Leiter der gesamten Abteilung auf. Nach der Phase des personellen Aufbaus im Bundesjustizministerium diversifizierte sich die Personalpolitik gleichsam. Neben die Landes- und Bundesebene trat nun noch die europäische Ebene. Damit stiegen auch die Anforderungen an diejenigen, die mit Entscheidungen über Personalfragen befasst waren. Während Empfehlungen nach wie vor eine wichtige Rolle spielten, wurden auch neue Spielräume aufgetan, wie am Beispiel der Ernennung Walter Holtgraves zum Regierungsrat über den Umweg des Patentamts gezeigt werden konnte.

3.7 Personalfürsorge Ein wesentlicher Teil des Amtsverständnisses, das Staatssekretär Strauß zu eigen war, bestand darin, seine gut qualifizierten und persönlich integren Beamten gegen Angriffe von außen zu verteidigen und ihnen in Notlagen beizustehen. Diese Fürsorge für seine Mitarbeiter ließ Strauß zuweilen als Patriarch auf der Rosenburg erscheinen. Als Ministerialrat Dr. Robert Krawielicki im Frühjahr 1952 erkrankte, schrieb Strauß ihm in einem privaten Brief, die Zeit bis zu seiner Genesung spiele »überhaupt keine Rolle«.408 Der Staatssekretär fuhr fort: »Sie dürfen erst wiederkommen, bis keinerlei Bedenken mehr bestehen.« Und mit dem Strauß eigenen ironischen Unterton hieß es weiter: »Unser Beihilfenfonds wird für Sie in jeder Weise missbraucht werden.« Auch gegenüber Hermann Maassen äußerte sich der oberste Beamte des BMJ einmal in fürsorglicher, aufmunternder Weise. »Lassen Sie nun keineswegs den Kopf hängen«, erklärte Strauß.409 Es gebe mitunter solche Perioden im Leben, die durchgestanden werden müssten. Bei einer Dienstreise, so erzählte der Staatssekretär, sei er durch ein österreichisches Dorf namens Durchholzen gefahren. Darauf bezogen meinte 407 Strauß an Hans Arnold v. 7.8.1958, in: Ebd., Bd. 208. 408 Strauß an Krawielicki v. 6.5.1952, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 60. 409 Strauß an Maassen v. 18.2.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213a, Bl. 166.

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Strauß, die »imperativische Form« dieser Ortsbezeichnung gefalle ihm so gut, dass er vorschlage, »durchholzen« zur gemeinsamen Devise der Angehörigen des Bundesjustizministeriums zu machen. Mitunter wurde Strauß aber mit Vorgängen konfrontiert, die schwieriger zu handhaben waren. Das betraf beispielsweise einen Streit zwischen Ministerialdirigent Arthur Bülow vom BMJ und Bundesminister Theodor Oberländer, die als Nachbarn gemeinsam in einem Bonner Mietshaus wohnten. Oberländer, der als Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte zuständig war, hatte Strauß bereits telefonisch über den hochkarätig besetzten Nachbarschaftsstreit unterrichtet. Mitte Dezember 1957, kurz vor Weihnachten, übersandte Oberländer dem Staatssekretär auch den Schriftwechsel mit Bülow. Zur Begründung führte der Minister an, er wolle Strauß »als dem Vorgesetzten des Herrn Professor Dr. Bülow« den Schriftwechsel zugänglich machen und übersende ihn in der Anlage. Es tue ihm leid, dass man »seine Zeit mit Dingen verschwenden muss, die an sich Belanglosigkeiten« seien.410 Damit hatte Oberländer den Kern der Sache getroffen, denn der Schriftwechsel zwischen den beiden lässt den Leser zwischen Schmunzeln und Erstaunen schwanken. Worum es inhaltlich ging, fasste der Minister in die Worte, die Gesundheit seines Sohnes sei ihm ein wichtigeres Gut als die strenge Einhaltung einer Hausordnung, auf die sich Bülow berufe. An einem Gerichtsprozess in dieser Sache sei er keinesfalls interessiert, bekräftigte Oberländer. Und doch entwickelte sich der Nachbarschaftsstreit in diese Richtung. So informierte der Vertriebenenminister den Staatssekretär des Bundesjustizministeriums am 13. Juni 1958 darüber, dass Bülow ihn verklagen wolle.411 Andererseits stellte auch Oberländer Strafanzeige gegen Bülow.412 Es liege ihm fern, Strauß in die Sache hereinzuziehen. Da der Staatssekretär aber »seinerzeit« darum gebeten habe, weiterhin informiert zu werden, wolle er, so Oberländer, ihm »einfach davon Kenntnis geben«.413 Ob Strauß als Vorgesetzter Bülows das Gespräch mit seinem Beamten gesucht hat, geht aus den im Nachlass vorhandenen Briefen nicht hervor. Es hat jedoch den Anschein, dass er nicht für einen der beiden Kontrahenten Partei ergreifen wollte. In diesem Fall beschränkte sich die Personalfürsorge wohl darauf, informiert zu bleiben über den Gang der Dinge. Dass Bundesminister Oberländer sogar seinen Kollegen auf der Rosenburg Fritz Schäffer über die Angelegenheit informierte, zeigt, wie hohe Wellen die Auseinandersetzung mit Bülow geschlagen hatte.414 Welchen Ausgang der bizarre Nachbarschaftsstreit nahm, ist indessen unbekannt. Die Fürsorge für die ihm unterstellten Beamten beschränkte sich bei Walter Strauß nicht auf seine Zeit als Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Auch 410 Oberländer an Strauß v. 19.12.1957, in: IfZArch, ED 94, Bd. 218, Bl. 9. 411 Oberländer an Strauß v. 13.6.1958, in: Ebd., Bl. 21. 412 Vgl. das Schreiben von Rechtsanwalt Alex Meyer-Köring [Anwalt Bülows] an Oberländer v. 10.5.1958, in: Ebd., Bl. 26. 413 Oberländer an Strauß v. 13.6.1958, in: Ebd., Bl. 21. 414 Vgl. auch das Schreiben von Rechtsanwalt Alex Meyer-Köring [Anwalt Bülows] an Oberländer v. 19.3.1958, in: Ebd., Bl. 22 f., hier Bl. 23.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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dann, als er Bonn längst verlassen hatte, sorgte er sich um das Wohl und Wehe seiner ehemaligen Mitarbeiter. So hatte er 1967 die Wahl seines alten Mitarbeiters und inzwischen selbst zum Staatssekretär aufgestiegenen Reinhold Mercker zum Richter am Bundesverfassungsgericht ins Spiel gebracht.415 In einem Schreiben an den ehemaligen Generalbundesanwalt Max Güde bekräftigte Strauß, dass es »kaum einen charakterlich und fachlich besseren Mann« für dieses Amt geben dürfte.416 Obgleich die Wahl – wie schon 1958 – letztlich nicht zustande kam, zeigt diese Episode, dass Strauß selbst nach seiner aktiven Zeit als Staatssekretär noch die Laufbahn seiner ehemaligen Beamten zu fördern trachtete. Doch auch menschlich blieb er an ihnen interessiert. Der erwähnte Mercker etwa stattete dem nunmehrigen Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Winter 1967 einen Besuch in Luxemburg ab.417 Ebenso kommunizierten die beiden auf schriftlichem Wege miteinander. Dabei kam es gelegentlich zu Reflexionen über die gemeinsame Zeit im Bundesministerium der Justiz. Ausgehend von Gedanken über die Regierungsarbeit Mitte der sechziger Jahre, in der nach seiner Beobachtung ein großer Teil der von den Ressorts ausgeübten Tätigkeit darin bestehe, sich gegenseitig Schwierigkeiten zu bereiten, unterstrich Mercker mit etwas verklärtem Blick gegenüber Strauß: »Wenn ich an meine erste Zeit in Bonn, in der ich unter Ihrer Führung im Bundesjustizministerium arbeiten konnte, zurückdenke, werde ich mir recht bewußt, wie stark sich die Dinge zu ihrem Nachteil gewandelt haben.«418 Doch auch Strauß selbst geriet immer wieder ins Schwärmen, wenn er von den Leistungen seiner Mitarbeiter und der gemeinsamen Arbeit auf der Rosenburg berichtete. So äußerte er einmal gegenüber dem ehemaligen Ministerialrat im BMJ und amtierenden Direktor des Freiburger Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht Prof. Hans-Heinrich Jescheck, die Arbeit der am Strafgesetzbuch und am Aktiengesetz beteiligten Herren sei aufopfernd und einfach großartig gewesen. »Dass man mit solchen Mitarbeitern zusammen ist, entschädigt einen für manches andere«, bekräftigte Strauß.419 Im Folgenden sollen zwei besondere Fälle von Personalfürsorge seitens der Hausleitung im Allgemeinen und seitens des Staatssekretärs im Besonderen ausführlicher dargestellt werden. Einmal mehr erwies sich die Vergangenheit als ein wichtiges Element der Personalpolitik.

415 Um ein Haar wäre Mercker als Staatssekretär ins BMJ zurückgekehrt, wenn man den Angaben des Bundesjustizministers a. D. Richard Jaeger (CSU) gegenüber Strauß trauen kann; nur sei ihm Bundesminister Krone, der Mercker ins Ministerium für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrats holte, zuvorgekommen. Siehe dazu das Schreiben von Richard Jaeger an Strauß v. 9.3.1967, in: IfZArch, ED 94, Bd. 381. 416 Strauß an Güde v. 5.6.1967, in: Ebd., Bd. 383. 417 Vgl. das Schreiben von Mercker an Strauß v. 28.2.1967, in: Ebd. 418 Mercker an Strauß v. 21.12.1967, in: Ebd. 419 Strauß an Jescheck v. 11.5.1960, in: IfZArch, ED 94, Bd. 213, Bl. 44 f.

264 a)

Vom Einzug der Normalität

Dr. Josef Herzog

Neben Heinrich Richter, der im September 1953 aus langjähriger russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war und anschließend Verwendung im Bundesministerium der Justiz fand, gab es zwei Jahre später einen weiteren Fall solcher Art auf der Rosenburg: den des »Spätestheimkehrers« Josef Herzog.420 Nach mehr als zehnjähriger Internierung in der Tschechoslowakei war der promovierte Jurist erst am 23. Juni 1955 in die Freiheit entlassen worden. Der 1903 im böhmischen Reichenberg geborene Herzog hatte an der Deutschen Universität Prag die Rechte studiert und alle Prüfungen mit »sehr gut« und besonderer Auszeichnung abgeschlossen. Seine Berufslaufbahn hatte er an tschechischen Gerichten begonnen, ehe er nach der Besetzung des Sudetenlandes durch deutsche Truppen zum 2. November 1938 in den Reichsdienst übernommen wurde. Für einige Monate – von Mitte August 1939 bis Ende Februar 1940 – wurde Herzog dann sogar zum Reichsjustizministerium nach Berlin abgeordnet und während dieser Zeit zum Amtsgerichtsrat ernannt. Je zur Hälfte seiner Arbeitszeit wirkte er dort als Hilfsarbeiter in Personalsachen der Staatsanwälte einerseits und als Hilfsarbeiter in Strafsachen andererseits.421 Im Anschluss an seine Verwendung in der Reichshauptstadt war Herzog bis zum Kriegsende in der Abteilung Justiz beim Reichsprotektor für Böhmen und Mähren in Prag tätig. Dort wurde er als Referent des bürgerlichen Rechts, in Sprachenangelegenheiten, auf dem Gebiet der Rechtsanwälte und Notare sowie in Personalsachen der Protektoratsjustiz eingesetzt und ab dem 1. Oktober 1942 gleichzeitig Grundsatzreferent. Während seiner Zeit in Prag wurde Herzog zunächst zum Ersten Staatsanwalt (1940), sodann zum Oberlandesgerichtsrat (1943) befördert. Am 8. Mai 1945 geriet Herzog in die Gewalt von Partisanen und wurde erst in Polizei-, dann in Gerichtsgewahrsam genommen.422 Nach Abschluss des Verfahrens habe ihm der Untersuchungsrichter jedoch mitgeteilt, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen keinen Bestand mehr hätten. Allerdings kamen vor dem Vollzug der bereits beschlossenen Abschiebung die Kommunisten an die Macht und führten abermals ein Verfahren gegen Herzog  – diesmal vor einem Volksgericht – durch, das mit seiner Verurteilung zu zwanzig Jahren Haft endete. Zur Last gelegt wurden ihm eine Unterstützung des Nationalsozialismus durch Germanisierung und Arbeitseinsatz. Dazu bemerkte Herzog später, es sei bezeichnend gewesen, dass ein vom Staatsanwalt geführter Zeuge in der Haupt420 Diese Bezeichnung findet sich mehrfach in den Personalakten des BMJ, so auch im Personalbogen. Siehe dazu die BMJ -Personalakte Josef Herzog (P 11 – H 90), Bd. 2, Bl. I. 421 Lebenslauf Herzogs v. 4.7.1955, in: BMJ -Personalakte Josef Herzog (P 11 – H 90), Bd. 1, Bl. 3 f., hier Bl. 3 (RS). 422 Zu dieser und den folgenden Angaben siehe den Lebenslauf Herzogs v. 4.7.1955, in: Ebd., Bl. 3 f. sowie das Schreiben Herzogs über den BMdJ an den Justizminister des Landes NRW v. 20.7.1955, in: Ebd., Bl. 8 f.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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verhandlung ausgesagt habe, wenn ein anderer an der Stelle von Dr. Herzog gewesen wäre, »wären wir alle ins K. Z. gewandert, denn trotzdem er unsere Täuschungsmanöver durchschaute, hat er uns nicht zur Anzeige gebracht.«423 Im Jahre 1953 wurde die verhängte Strafe um sieben Jahre gekürzt. Herzogs Ehefrau, eine promovierte Volljuristin, war indes im selben Jahr die Flucht aus der DDR nach West-Berlin geglückt. Zum Zeitpunkt, als ihr Mann aus der Haft entlassen wurde, arbeitete sie bereits im Bundesministerium des Innern bei Ministerialdirigent Dr. Herrmann. Nun, unmittelbar nach der Wiedererlangung der Freiheit, strebte auch Josef Herzog in den Bundesdienst. Anfang Juli 1955 stellte er sich bereits bei Ministerialdirigent Richter und Ministerialrat Winners auf der Rosenburg vor. Im Nachgang der Gespräche notierte der Personalreferent, der früher verhältnismäßig nur kurzzeitig in der deutschen Justiz tätige Herzog strebe eine Beschäftigung an, die ihm ein Arbeiten zunächst auf einem begrenzten Fachgebiet im Bundesjustizministerium ermögliche.424 Staatssekretär Strauß, so hielt Winners wenige Tage später fest, habe sich bereit erklärt, Herzog zu empfangen; dieser komme für eine Verwendung bei Ministerialrat Brandl in Betracht.425 Im Ergebnis seiner Vorstellung bei Strauß am 18. Juli wurde festgehalten, dass Herzog ein Gesuch um Verwendung im nordrhein-westfälischen Justizdienst einreichen solle und das BMJ dann beim Justizministerium in Düsseldorf die Aufnahme in den Landesjustizdienst befürworte und gleichzeitig um seine Abordnung an das Bundesjustizministerium zum 1. September nachsuche.426 Für den Fall einer Verzögerung komme zur Überbrückung der Abschluss eines Dienstvertrages nach Vergütungsgruppe II in Betracht. In jedem Falle solle Herzog aber im Referat von Ministerialrat Brandl verwendet werden. Der Personalreferent legte seinem Kollegen in Referat Z 5 auch die Personalakten des Reichsjustizministeriums über Josef Herzog und einen Lebenslauf, den der Spätestheimkehrer am 4. Juli eingereicht hatte, vor, damit sich Brandl ein Bild von dem ihm zugewiesenen neuen Mitarbeiter machen könne.427 Dass es Herzog auch nach der ein Jahrzehnt währenden Internierung nicht an Selbstbewusstsein mangelte, zeigte die Bitte um Festsetzung seiner Bezüge nach Vergütungsgruppe I der Tarifordnung für Angestellte, was »im Hinblick auf meine beamtenrechtlichen Verhältnisse gerechtfertigt erscheinen dürfte.«428 In seinem Antrag beim Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen nach dem Gesetz zu Artikel 131  GG wurde Herzog noch deutlicher: »Ich habe als deutscher Beamter stets meine Pflicht erfüllt. Ich habe dafür mehr als 10 Jahre harter

423 Lebenslauf Herzogs v. 4.7.1955, in: Ebd., Bl. 3 f., Zitat Bl. 4 (RS). 424 Vermerk von Winners v. 4.7.1955, in: Ebd., Bl. 1. 425 Vermerk von Winners v. 8.7.1955, in: Ebd., Bl. 1. 426 Vermerk von Winners v. 18.7.1955, in: Ebd., Bl. 5. 427 Winners an Brandl v. 19.7.1955, in: Ebd., Bl. 6. 428 Herzog an den BMdJ v. 20.7.1955, in: Ebd., Bl. 7.

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Vom Einzug der Normalität

Unfreiheit ertragen und darf daher erwarten keine Fehlbitte zu tun.«429 Der am 29. Juli unterzeichnete und zum 1. September wirksame Dienstvertrag zwischen dem BMJ und Herzog sah, anders als es der Oberlandesgerichtsrat z. Wv. beantragt hatte, seine Einreihung in die Vergütungsgruppe II vor. Zwei Tage später schrieb Strauß an den nordrhein-westfälischen Justizminister und versicherte seine Unterstützung des von Herzog eingereichten Anstellungsgesuchs.430 Zur Begründung erklärte der Staatssekretär, Herzog sei nach seinen Personalakten und nach dem persönlichen Eindruck, den er von ihm gewonnen habe, »eine sehr qualifizierte Kraft«, die früher zeitweilig im Reichsjustizministerium tätig gewesen sei. Hier wird abermals deutlich, dass Strauß in seiner Personalpolitik sowohl der Qualifikation und Erfahrung als auch der Persönlichkeit des potenziellen Mitarbeiters großen Wert beimaß. Nachdem Herzog knapp zwei Monate im Referat von Brandl mitgearbeitet hatte, leitete Personalreferent Winners die Höhergruppierung Herzogs in die Vergütungsgruppe I in die Wege. Zunächst hatte Winners den Personalrat des Bundesjustizministeriums um Zustimmung gebeten, ohne jedoch das Begehren zu begründen.431 Das stieß beim Personalrat offenkundig auf Missfallen und führte dazu, dass Winners eine Begründung nachreichte. Darin argumentierte der Personalreferent, der Spätestheimkehrer Herzog hebe sich durch hochwertige Leistungen aus der Vergütungsgruppe II heraus.432 Ferner habe er als Oberlandesgerichtsrat z. Wv. Anspruch auf eine seiner früheren Stellung entsprechende Position. Eine Einstufung in die Vergütungsgruppe I entspreche dieser Stellung mehr. Angestellte in vergleichbarer Situation, so fügte Winners noch an, seien im Hause nicht vorhanden. Nach erfolgter Zustimmung des Personalrats wurde die Höhergruppierung rückwirkend zum 1. November vorgenommen. Unterdessen hatte das nordrhein-westfälische Justizministerium gegenüber Abteilungsleiter Richter signalisiert, dass eine Anstellung Herzogs im Lande auf Schwierigkeiten stoße, da ihr üblicherweise eine Bewährung als beauftragter Richter vorangehe und überdies noch etwa zweihundert Kräfte des Landesjustizdienstes auf ihre Wiederanstellung warteten.433 Gleichzeitig gab man dem Kollegen in Bonn aber zu verstehen, dass eine Anstellung in Nordrhein-Westfalen »eher möglich« werde, wenn sich das BMJ verpflichte, »ihn etwa nach Ablauf seiner Verwendungszeit im Referat Sichtung und Sammlung in den Bundesdienst zu übernehmen.«434 Nach Vortrag bei Staatssekretär Strauß wurde Ministerialrat Brandl durch den Personalreferenten beauftragt, eine dienstliche 429 Herzog über den BMdJ an den Justizminister des Landes NRW v. 20.7.1955, in: Ebd., Bl. 8 f., Zitat Bl. 9 (RS). 430 Der BMdJ an den Justizminister des Landes NRW v. 31.7.1955, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 18. 431 Der BMdJ an den Personalrat v. 22.10.1955 betr. Höhergruppierung des Oberlandesgerichtsrats z. Wv. Dr. Josef Herzog, gez. Winners, in: Ebd., Bl. 27. 432 Der BMdJ an den Personalrat v. 7.11.1955 betr. Höhergruppierung des Oberlandesgerichtsrats z. Wv. Dr. Josef Herzog, gez. Winners, in: Ebd., Bl. 30. 433 Vermerk von Winners v. 27.10.1955, in: Ebd., Bl. 28. 434 Ebd.

Entwicklungslinien und Charakteristika der Personalpolitik

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Beurteilung über Josef Herzog zu erstellen.435 Referatsleiter Brandl war voll des Lobes für seinen Mitarbeiter Herzog, der zunächst die Sichtung des fortgeltenden Beamtenrechts »mit vorbildlichem Fleiß unter Einsatz eines reichen rechtsmethodischen Wissens und einer sehr genauen juristischen Technik der Interpretation« durchgeführt und nach Abschluss derselben das Disziplinarrecht in Angriff genommen habe.436 Hinsichtlich einer möglichen Übernahme war die Beurteilung eindeutig: »Ich würde es besonders begrüßen, wenn der sehr befähigte, hervorragend tüchtige und charakterlich besonders sympathische Mitarbeiter, der 10 Jahre seines Lebens in unverschuldeter Gefangenschaft zugebracht hat, möglichst bald wieder in eine Beamtenplanstelle übernommen werden könnte, die ihm den Status wahrt, den er durch seine Beförderung zum Oberlandesgerichtsrat erreicht hat.« Aus seiner Sicht, so Brandl, bedeute eine Übernahme Herzogs in das Beamtenverhältnis für das Bundesjustizministerium »einen sachlichen und persönlichen Gewinn«. Staatssekretär Strauß, der wie geschildert ohnehin einen günstigen Eindruck von Josef Herzog gewonnen hatte, vertraute der Einschätzung seines lang­ jährigen Mitarbeiters Brandl und leitete die Ernennung des Angestellten zum Oberregierungsrat in die Wege. Mit Wirkung vom 1. Januar 1956 wurde Herzog bereits in die entsprechende Planstelle eingewiesen. Dort bewährte er sich nach dem Urteil seines Vorgesetzten Brandl »sehr gut«.437 So habe Herzog die Hauptgruppe Staatsrecht und von der Gruppe Verwaltungsrecht mehrere Sachgebiete abschließend bearbeitet – und das in kurzer Zeit und zum Teil mit sehr schwierigen Rechtsfragen. Außerdem habe der Beamte wesentlich zum Entwurf der Bereinigungsgesetze und zu deren Begründung beigetragen. Auf Grundlage der neuerlichen Beurteilung wurde Herzog am 31. August 1957 zum Regierungsdirektor ernannt und damit befördert. b)

Dr. Franz Schlüter

Da das BMJ grundsätzlich auch für die Personalangelegenheiten der Einrichtungen seines Geschäftsbereichs Sorge zu tragen hatte, war die Personalie Schlüter nicht damit vom Tisch, dass er nicht dauerhaft im Justizministerium selbst Verwendung fand. Dass sich der Staatssekretär intensiver mit solchen Angelegenheiten befasste, bildete eher die Ausnahme. Als die Spruchkammer in Berlin trotz des bereits abgeschlossenen Entnazifizierungsverfahrens in Marburg von 1947 erneut ein Sühneverfahren gegen Schlüter anstrengte und der Berliner Senator für Inneres die Personalakten des ehemaligen Reichsjustizministeriums beim

435 Winners an Brandl v. 24.11.1955, in: Ebd., Bl. 32. 436 Brandl an Winners v. 5.12.1955 betr. Beurteilung für Oberlandesgerichtsrat z. Wv. Dr. Herzog, in: Ebd., Bl. 35. 437 Brandl an Dr. Richter v. 25.6.1957 betr. Oberregierungsrat Dr. Herzog, in: Ebd., Bl. 80.

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Vom Einzug der Normalität

BMJ anforderte,438 reagierte Staatssekretär Strauß mit Unverständnis. Die Frage von Schlüters politischer Belastung sei vor seiner Wiederanstellung im BMJ –

zunächst war er dort zum Oberregierungsrat ernannt worden  – »ein­gehend geprüft« worden.439 Dabei sei man damals zu dem Ergebnis gekommen, dass seine politische wie seine berufliche Vergangenheit unbedenklich seien, was auch für seine Tätigkeit beim Volksgerichtshof gelte. Nicht zuletzt mit Verweis auf die bereits erfolgte Entlastung Schlüters 1947 schloss Strauß mit dem klaren Statement: »Hiernach glaube ich, daß zur Einleitung eines Verfahrens kein Anlaß besteht. Ich bitte Sie, falls Sie gegenteiliger Auffassung sind, um nähere Dar­legung eines etwaigen Vorwurfs gegen Dr. Schlüter und der Umstände, die Sie Ihre Zuständigkeit annehmen lassen.« In seiner Antwort bemerkte der Innensenator, die Zuständigkeit der Spruchkammer Berlin ergebe sich von Gesetzes wegen, da Schlüter Eigentümer zweier Grundstücke in Berlin sei.440 Dem Schreiben an den Bundesjustizminister ist ferner zu entnehmen, dass die Spruchkammer bereits am 24. September 1951 ein Sühneverfahren gegen Schlüter eröffnet hatte. Aus den Akten heraus ist ersichtlich, wie sich der Betroffene gegen das Verfahren zur Wehr setzte, es grundsätzlich ablehnte. Die näheren Einzelheiten können an dieser Stelle nicht nachvollzogen werden, aber im Ganzen verdiente der Fall Schlüter sicher eine eigenständige Untersuchung. Von Interesse ist allerdings, dass sich Staatssekretär Strauß wiederholt für Schlüter einsetzte. So beauftragte er beispielsweise seinen Abteilungsleiter Z, Ministerialdirigent Dr. Richter, damit, die Angelegenheit mit Senatsdirektor Luster in Berlin zu besprechen.441 Des Weiteren forderte der Staatssekretär bei dem Verfassungsreferenten des BMJ Ministerialrat Dr. Maassen sogar eine gutachterliche Stellungnahme an, ob Schlüter wegen des erneut gegen ihn eingeleiteten Sühne- bzw. Entnazifizierungsverfahrens nicht Verfassungsbeschwerde einlegen könne.442 Wenngleich Maassen zu dem Ergebnis kam, dass dies kein gangbarer Weg sei,443 so zeugt bereits der Auftrag des Staatssekretärs davon, dass Strauß nichts unversucht ließ, um Schlüter, für den er sich einmal entscheiden hatte, zu unterstützen. Am 28. Juni 1957 wurde Franz Schlüter von der Spruchkammer Berlin zu einer mit 50.000 DM besonders hohen Geldbuße verurteilt. Zudem hatte den 438 Der Berliner Senator für Inneres an den BMdJ v. 6.6.1956 betr. Oberregierungsrat Dr. Schlüter, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51 – Sch 15, Bd. 1, Bl. 1. 439 Der BMdJ an den Berliner Senator für Inneres v. 9.7.1956 betr. Oberregierungsrat Dr. Schlüter, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 8. 440 Der Berliner Senator für Inneres an den BMdJ v. 18.10.1956 betr. Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 13. 441 Mdgt Dr. Richter an Senatsdirektor Luster v. 10.12.1956, in: Ebd., Bl. 36. 442 Elsenheimer an Maassen v. 28.5.1957, »Nach Vortrag und auf Weisung von Herrn Staatssekretär«, in: Ebd., Bl. 114. 443 Vermerk von Maassen v. 6.6.1957 betr. Entnazifizierung des Senatsrats beim Patentamt Dr. Franz Schlüter, München, hier: Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde des Beamten, in: Ebd., Bl. 143–145.

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Bundesjustizminister Mitte Juli ein Brief der SPD -Fraktion erreicht, in dem kritische Fragen zum Fall Schlüter gestellt wurden.444 Unter anderem erbaten sich die Sozialdemokraten Auskunft darüber, ob das BMJ tatsächlich versucht habe, auf das in Berlin schwebende Spruchkammerverfahren »dahingehend einzuwirken«, das Verfahren von dem Beschuldigten abzuwenden – und wenn ja, auf welcher Grundlage.445 Angesichts dieser Entwicklungen446 ließ sich Staatssekretär Strauß von Abteilung IV eine Stellungnahme zur Rechtsnatur des Entnazifizierungsverfahrens vorlegen.447 Zweierlei wollte Strauß geklärt wissen: erstens, welche Rechtsnatur das Entnazifizierungsverfahren habe; zweitens, ob in einem Verwaltungsverfahren eine Geldbuße verhängt werden könne, die einer Vermögensentziehung entspreche. In seiner Stellungnahme kam Ministerial­ dirigent von Arnim in Anlehnung an drei Urteile des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1953 bis 1955 zu dem Schluss, dass das Entnazifizierungsverfahren weder als Straf- noch als Verwaltungsverfahren, sondern als »verwaltungsgerichtliches Verfahren besonderer Art« anzusehen sei.448 Aus diesem Grunde sei die zweite Frage, in der ein Verwaltungsverfahren vorausgesetzt wurde, nicht mehr von Bedeutung.449 In einem Verwaltungsverfahren verhängte Geldbußen seien regelmäßig der Höhe nach gesetzlich begrenzt und gerichtlich nachprüfbar. In Verwaltungsgerichtsverfahren bestimme sich die Höhe verhängter Geldbußen ebenfalls nach dem jeweiligen Gesetz; ob die im Rahmen dieses Gesetzes verhängte Geldbuße einer Vermögensentziehung gleichkomme, hänge vom Umfang des Vermögens des Betroffenen ab. Bezogen auf den Fall Schlüter meinte von Arnim, die Verhängung einer Geldbuße in doppelter Höhe als vom öffentlichen Kläger beantragt erscheine übermäßig – »insbesondere dann, wenn die im Marburger Verfahren beigebrachten Entlastungszeugnisse berücksichtigt« würden.450 Zu den Gründen vermutete von Arnim, dass der Wert der beiden Grundstücke die Spruchkammer in dem »unsachlichen Bestreben«, beide Grundstücke dem Betroffenen zu entziehen, veranlasst habe, ohne Rücksicht auf die Entlastungszeugnisse die Geldbuße in dieser Höhe zu bemessen.451 In dem anstehenden Berufungsverfahren müssten 444 Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages an den BMdJ v. 15.7.1957 (Abschrift), gez. Dr. Menzel, in: IfZArch, ED 94, Bd. 215, Bl. 49 f. 445 Ebd., Bl. 49. 446 Vgl. das Schreiben von Pressereferent Thier an den Abteilungsleiter IV v. 17.7.1957 betr. Dr. Schlüter, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51 – Sch 15, Bd. 2, Bl. 265. 447 Stellungnahme von Mdgt u. RefLt IV,6 Dr. von Arnim v. 30.7.1957 betr. Rechtsnatur des Entnazifizierungsverfahrens, in: IfZArch, ED 94, Bd. 215, Bl. 54–57. 448 Ebd., Bl. 54. 449 In seiner Bewertung schloss sich von Arnim den Ausführungen seines Mitarbeiters Regierungsassessor Dr. Schnekenburger an, die dieser am 25. Juli schriftlich festgehalten hatte. Siehe dazu den Vermerk von Schnekenburger v. 25.7.1957, in: Ebd., Bl. 51 f. 450 Stellungnahme von Mdgt u. RefLt IV,6 Dr. von Arnim v. 30.7.1957 betr. Rechtsnatur des Entnazifizierungsverfahrens, in: Ebd., Bl. 57. 451 Ebd.

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Vom Einzug der Normalität

als Begründung daher besonders die Nichtberücksichtigung der Entlastungszeugnisse und die übermäßige Höhe der Geldbuße geltend gemacht werden, so von Arnim abschließend. Ob Staatssekretär Strauß dieser Argumentation folgte, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Allerdings steht zu vermuten, dass er keinen Grund hatte, von der Stellungnahme seines Verwaltungsrechtsexperten abzuweichen. Zumindest legte Strauß großen Wert darauf, dass die beteiligten Fachreferate des BMJ mit »wissenschaftlicher Gründlichkeit« zu der Entscheidung der Berliner Spruchkammer Stellung nehmen.452 Die Tatsache, dass sich das BMJ anschickte, Schlüter in der Berufung gegen das Urteil der Spruchkammer zu unterstützen, offenbart, wie weit das Verantwortungsgefühl der Hausleitung für ihre Beamten – selbst die Beamten im Geschäftsbereich des Justizministeriums – reichte. Adolf Arndt, der sich einst für Schlüter verwendet hatte, sah sich im Sommer 1957 mit Angriffen gegen seine Person konfrontiert, weil seine angeblich in Kenntnis aller Belastungen Schlüters vorgenommene Empfehlung durch eine Äußerung des Personalreferenten des Deutschen Patentamts, Direktor Gunsch­ mann, bekannt geworden war. Bundesjustizminister von Merkatz stellte daraufhin gegenüber Arndt klar, dass Staatssekretär Strauß nach dem Bekanntwerden des Berliner Spruches gegen Schlüter und nach Kenntnisnahme der Pressestimmen dazu die Weisung gegeben habe, »von Ihrer Befürwortung für Dr. Schlüter keinen Gebrauch zu machen.«453 Noch deutlicher werdend fuhr der Minister fort: »Herr Dr. Strauss und ich sind überzeugt davon, daß Ihre Befürwortung in bester Absicht und in Kenntnis der juristischen Qualitäten von Dr. Schlüter erfolgt ist.«454 Im Übrigen beabsichtige er nach dem Ergebnis seiner früheren und neueren Überprüfungen und nach dem, was ihm sonst aufgrund erneuter Erhebungen über Schlüter bekannt geworden sei, das Ergebnis der Berliner Berufungsverhandlungen abzuwarten und sich erst dann wieder zur Sache zu äußern. Diese Formulierungen markieren insofern einen Wendepunkt, als hier erstmalig Anzeichen für eine eher nüchterne, oder doch mit Vorsicht gepaarte Sichtweise des Falles Schlüter zu erkennen sind. Die von Staatssekretär Strauß angeforderten Gutachten, die Oberregierungsrat Lohse455 und Ministerialrat Maassen456 zur Entscheidung der Berliner Spruch452 AL Z Richter »Nach Vortrag bei Herrn Staatssekretär« an AL II , ORR Dr. Lohse, MR Dr. Maassen v. 24.10.1957, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51 – Sch 15, Bd. 2, Bl. 242. 453 Der BMdJ an Adolf Arndt v. 31.7.1957 (Entwurf), in: Ebd., Bl. 290 f., Zitat Bl. 291. 454 Ebd. 455 Vermerk von Lohse v. 28.10.1957 betr. Sühneverfahren gegen Senatsrat Dr. Franz Schlüter vom Deutschen Patentamt in München (Verfügung vom AL Z v. 24.10.1957), in: BMJ Personalakte Franz Schlüter (P 11  – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51  – Sch 15, Bd. 3, Bl. 303–306. 456 Vermerk von Maassen v. 7.11.1957 betr. Sühneverfahren gegen Senatsrat Dr. Franz Schlüter vom Deutschen Patentamt in München, hier: Prüfung der Entscheidung der Spruchkammer Berlin v. 28.6.1957, in: Ebd., Bl. 309–318.

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kammer vom 28. Juni 1957 anfertigten, kamen beide zu dem Schluss, dass der Spruch irrige Rechtsansichten enthalte und teils von falschen Tatsachen ausgehe. Eine später eingereichte Stellungnahme von Ministerialrat Dr. Dallinger bestätigte im Wesentlichen die Ergebnisse der beiden anderen Gutachten.457 Abschließend empfahl Dallinger: »Insgesamt wird man dem Betroffenen raten müssen, sich auf eine ins einzelne [sic!] gehende Erörterung der tatsächlichen Vorgänge einzurichten. Er wird darüberhinaus [sic!] auf diese Aufklärung von sich aus Wert legen müssen, sofern er nicht befürchten muss – was nur er allein beurteilen kann –, dass diese Aufklärung zu seinem Nachteil ausschlägt.«458 Schlüter selbst wandte sich noch einmal an das Bonner Justizministerium und bat um Unterstützung für die Begründung seiner Berufung, gegebenenfalls durch Übersendung von Stellungnahmen des BMJ zum Spruchkammerbescheid.459 Den von Abteilungsleiter Z Richter gefertigten Entwurf eines Antwortschreibens an Schlüter wurde dem Staatssekretär vor Abgang vorgelegt. Strauß hatte keine Bedenken dagegen, Abschriften der beiden Referentengutachten an Schlüter mit dem Hinweis zu senden, dass derselbe sie inhaltlich verwerten dürfe, sofern er sich der darin geäußerten Rechtsauffassung anschließe, er aber weder schriftlich noch mündlich zum Ausdruck bringen solle, dass es sich um Gutachten des Bundesjustizministeriums oder seiner Referenten handele. Auch die dritte Stellungnahme, jene von Dallinger, sandte das BMJ gut einen Monat später an Schlüter.460 Allerdings hatte der Betroffene zu diesem Zeitpunkt bereits seine Berufungsbegründung fertiggestellt, am 7. Dezember 1957 bei der Berufungsspruchkammer Berlin eingereicht und sie in zwei Abschriften am 18. Dezember an das Bonner Justizministerium gesandt.461 Solange eine Entscheidung über die Berufung ausstand, zeigte sich das Ministerium nicht geneigt, nach außen hin die Causa Schlüter zu kommentieren. Gegenüber dem Bundesdisziplinaranwalt,462 dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD -Bundestagsfraktion Walter Menzel463 – im Übrigen ein Referendarkollege von Walter Strauß464 – und dem Hauptpersonalrat465 des BMJ äußerte sich die Spitze des Hauses entsprechend. Doch der Ausgang des Verfahrens ließ auf sich warten. Schlüter selbst unter457 Vermerk von Dallinger v. 19.12.1957 betr. Sühneverfahren gegen Senatsrat Dr. Franz Schlüter vom Deutschen Patentamt in München, in: Ebd., Bl. 337–342. 458 Ebd., Bl. 341 f. 459 Vermerk von Dr. Richter v. 22.11.1957, in: Ebd., Bl. 327. 460 Der BMdJ an Schlüter v. 30.12.1957, in: Ebd., Bl. 343. 461 Schlüter an den BMdJ v. 18.12.1957 betr. Berliner Entnazifizierungsverfahren, in: Ebd., Bl. 348. 462 Der BMdJ an den Bundesdisziplinaranwalt v. 2.11.1957 betr. Senatsrat Dr. Franz Schlüter vom Bundespatentamt in München, in: Ebd., Bl. 320. 463 Der BMdJ an Dr. Walter Menzel v. 19.11.1957, in: Ebd., Bl. 326. 464 Das geht aus einem Schreiben von Strauß an Assessor Dieter Johannes Blum vom 10. Juli 1968 (IfZArch, ED 94, Bd. 362, Bl. 48–54, hier Bl. 49) hervor. 465 Der BMdJ an den Vorsitzenden des Hauptpersonalrats beim BMJ v. 13.12.1957 betr. Senatsrat Dr. Schlüter, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11  – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 51 – Sch 15, Bd. 3, Bl. 329.

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richtete im Sommer 1959 das Ministerium von seiner Befürchtung, dass sich das Berufungsverfahren noch lange hinziehen würde.466 Am 21. November desselben Jahres entschied die Berufungsspruchkammer Berlin schließlich, das angefochtene Urteil der Spruchkammer Berlin gegen Schlüter aufzuheben und das Verfahren einzustellen.467 Nach Ansicht der Kammer könne die Mitwirkung beim Volksgerichtshof für sich genommen die Einstufung als Hauptschuldiger noch nicht rechtfertigen. Vielmehr müsste solchen Personen »eine besonders schwere Belastung aus ihrer Tätigkeit« nachgewiesen werden. Die überprüften Urteile des Volksgerichtshofs, an denen Schlüter beteiligt war und deren Begründung erschöpfend, systematisch und für unanfechtbar gehalten worden sei, enthielten keine Anhaltspunkte dafür, dass Schlüter einen »Vorsatz zur Rechtsbeugung« gezeigt habe.468 Einen Vorwurf aus seiner richterlichen Tätigkeit könne dem Betroffenen demnach nicht gemacht werden.469 In den Ausführungen zum beruflichen Werdegang hieß es mit Blick auf Schlüters Mitarbeit im BMJ lediglich, dass er dort »offenbar mit Erfolg tätig gewesen ist.«470 Ergänzend dazu berichtete Oberstaatsanwalt Richter, der bei der Berliner Dienststelle des Generalbundesanwalts tätig war und der Urteilsverkündung beigewohnt hatte, der Vorsitzende der Kammer habe nach Erörterung der Verfahrensvoraussetzungen darauf hingewiesen, dass das Bundesjustizministerium in Kenntnis der richterlichen Tätigkeit Schlüters beim Volksgerichtshof keine Bedenken gegen seine persönlichen und beruflichen Qualitäten besessen habe.471 Obgleich die Berufungsspruchkammer zu dem Schluss gekommen war, dass die Urteile, die am Volksgerichtshof unter Beteiligung Schlüters ergangen waren, keinerlei Hinweise auf eine Rechtsbeugung enthielten, wurden jene Urteile im Bundesjustizministerium noch einmal überprüft. Anfang des Jahres 1960 hatte der Berliner Justizsenator die Urteile an das BMJ gesandt. Die Initiative dort ging von Personalreferent Winners aus und fand die Billigung von Staatssekretär Strauß; die Strafrechtsabteilung sollte sich dazu äußern, »ob die Urteile Grund zu einer Annahme geben, daß gegen das Recht oder gegen richterliche oder staatsanwaltschaftliche Pflichten verstoßen worden ist«.472 Unterabteilungsleiter 466 Schlüter an den BMdJ v. 5.7.1959 betr. Berliner Entnazifizierungsverfahren, in: Ebd., Bl. 406–409. 467 Urteil der Berufungsspruchkammer Berlin in dem Sühneverfahren gegen Senatsrat Dr. Franz Schlüter v. 21.11.1959 mit Gründen (Abschrift), in: Ebd., Bl. 432–449. 468 Ebd., Bl. 448. 469 Ebd., Bl. 449. 470 Ebd., Bl. 434 (RS). 471 Bericht von Oberstaatsanwalt Richter v. 21.11.1959 über die öffentliche Sitzung der Berufungsspruchkammer Berlin am Sonnabend, den 21.11.1959 gegen Senatsrat beim Deutschen Patentamt Dr. Franz Schlüter (= Anlage zum Schreiben des Generalbundesanwalts beim BGH an den BMdJ v. 25.11.1959 betr. Senatsrat beim Deutschen Patentamt Dr. Franz Schlüter), in: Ebd., Bl. 420–422. 472 Winners an den Unterabteilungsleiter II v. 21.3.1960 betr. Senatsrat Dr. Franz Schlüter vom Deutschen Patentamt in München, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11  – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 61 – Sch 9, Bd. 4, Bl. 451.

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Dallinger beauftragte Landgerichtsrat Götz mit der Überprüfung der Urteile. Dieser stellte fest, die damalige Wertung der entsprechenden Taten als Vorbereitung zum Hochverrat lasse keinen Rechtsfehler erkennen, auch wenn die Verneinung eines minderschweren Falles »manchmal bedenklich« erscheinen möge  – insbesondere in dem Urteil gegen drei Gymnasiasten, die Flugzettel verteilt hatten.473 Für ein strafbares Verhalten der Richter gebe es aber ebenso wenig einen Anhaltspunkt wie für ein mögliches Vorliegen von Rechtsbeugung. Neben der internen Untersuchung ließ das BMJ durch das Patentamt Schlüter zu einer Stellungnahme zu den 14 Urteilen des Volksgerichtshofs auffordern. Der Senatsrat betonte daraufhin gegenüber dem Ministerium, dass die Urteile ohne Ausnahme bereits Gegenstand eingehender Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungsspruchkammer gewesen und auch in der schriftlichen Spruchbegründung im Einzelnen gewürdigt worden seien und zu der Feststellung geführt hätten, dass ihm keine Rechtsbeugung vorgeworfen werden könne.474 Noch bevor die Stellungnahme Schlüters auf der Rosenburg eingegangen war, entschied Minister Ewald Bucher nach Vortrag über die Angelegenheit Schlüter, dass hier keine Unterbrechung der Verjährung angezeigt sei, da der Fall bereits eingehend geprüft worden sei mit dem Ergebnis, dass kein Anlass zur Einleitung eines Verfahrens bestehe.475 Der Bundesdisziplinaranwalt stellte nach Erhalt des Urteils der Berufungsspruchkammer und einer ergänzenden Erläuterung des BMJ, wonach die Annahme der Kammer, Schlüter habe seine Zugehörigkeit zum Volksgerichtshof gegenüber der Marburger Spruchkammer vertuscht, nicht begründet erscheine, fest, dass dem Senatsrat eine Verletzung von Dienstpflichten nicht nachzuweisen sei.476

3.8 Reflexionen von Strauß über die Verantwortung der Exekutive für Staatsaufbau und -gesinnung Ende November 1954 veranstaltete die Evangelische Akademie Loccum ein staatspolitisches Gespräch zum Thema »Aufgabe und Grenze der Exekutive«. Am letzten Veranstaltungstag stand ein Vortrag von Staatssekretär Walter Strauß auf dem Programm, der mit »Die Verantwortung der Exekutive für den Staatsaufbau und die Staatsgesinnung« überschrieben war.477 Gleich zu Beginn seines Referats 473 Vermerk von LGR Götz über Dallinger an Winners v. 4.4.1960, in: Ebd., Bl. 452 f., Zitat S. 453. 474 Schlüter über den Präsidenten des DPA an den BMdJ v. 25.4.1960 betr. Meine frühere Tätigkeit in Hoch- und Landesverratssachen, hier: Urteile in der Anlage zum Schreiben des Senators für Justiz in Berlin an den BMdJ v. 9.1.1960, in: Ebd., Bl. 457. 475 Vermerk von Dr. Richter v. 27.4.1960, in: Ebd., Bl. 455. 476 Der Bundesdisziplinaranwalt an den BMdJ v. 2.9.1960 betr. Senatsrat beim Deutschen Patentamt Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 462. 477 Strauß, Die Verantwortung der Exekutive für den Staatsaufbau und die Staatsgesinnung, in: IfZArch, ED 94, Bd. 300, Bl. 170–172.

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machte Strauß deutlich, dass »Exekutive« in der deutschen Staatspraxis nicht nur die ausführende Gewalt, sondern auch die Regierung als eine Führungsfunktion meine.478 Ihre Verantwortung gründe sich nicht zuletzt darauf, dass die Exekutive für den Bürger im täglichen Leben den Staat an sich verkörpere. Um aber in einem modernen demokratischen Staatsgefüge zu einem gesunden Staatsklima beizutragen, müsse die Verwaltung nach fünf Leitideen ausgerichtet sein.479 Die von Strauß genannten Prinzipien der persönlichen Freiheit, der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit, des Rechtsstaats und des Föderalismus betrafen Grundsätze, die allesamt dem Grundgesetz entlehnt waren. In diesem Kontext sei daran erinnert, dass Strauß einst selbst im Parlamentarischen Rat mitgewirkt hatte. Als Erstes nannte der Staatssekretär in seinem Vortrag das Prinzip der persönlichen Freiheit. Diese Freiheit, und zwar in Gestalt der freien Entfaltung der Persönlichkeit, müsse gegenüber der Verwaltung gesichert werden. Allerdings sei der Wille des Einzelnen zum rechten Gebrauch dieser Freiheit in Deutschland nicht so stark verbreitet. Vielmehr liege in der Tendenz zur Verwaltungsvorsorge eine Gefahr für die freiheitlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Wenn Strauß als Zweites das demokratische Prinzip anführte, dann meinte er damit den gegen jedes totalitäre Streben gerichteten Grundsatz, »als Ausdruck des Gemeinwillens dem Gemeinwohl zu dienen.«480 Insofern könnten Regierung und Verwaltung auch als Treuhänder und Vermittler betrachtet werden. Das dazu notwendige Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Gemeinschaft sei in Deutschland jedoch noch defizitär. Als dritte Leitidee kennzeichnete der Justizstaatssekretär die soziale Gerechtigkeit. Den im Grundgesetz enthaltenen Begriff des sozialen Rechtsstaats bezeichnete er als »eine der glücklichsten Formulierungen«.481 Die Bedeutung dieses Prinzips erläuterte Strauß damit, dass man sich als Verwaltungsbeamter immer auch des individuellen Falles bewusst bleibe und im anderen immer den Menschen sehe, und ergänzte: »Hier ist der Hauptanwendungsbereich des freien Ermessens.«482 Gleichzeitig plädierte der Staatssekretär dafür, dem Einzelnen auch im sozialen Bereich mehr Verantwortung zu übertragen und die staatlichen Befugnisse zu begrenzen. Das Rechtsstaatsprinzip, das Strauß als Viertes erwähnte, sei von großer Bedeutung. Allerdings bestehe dabei die Gefahr, dass durch Überwucherung und Unklarheit der Gesetze der Rechtsstaat zum Gesetzesstaat mutiere. Darunter würden schließlich der Wert und die Würde der Gesetze leiden. Die Aufgabe der Verwaltung erblickte der oberste Beamte des BMJ darin, sich äußerste Selbstdisziplin aufzuerlegen, um der Tendenz zum Gesetzesstaat entgegenzuwirken. An fünfter und letzter Stelle erwähnte Strauß in seinem Vortrag das föderalistische Prinzip. Hierbei komme es darauf an, 478 Ebd., Bl. 170. 479 Ebd., Bl. 170 (RS). 480 Ebd., Bl. 171. 481 Ebd. 482 Ebd.

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dass auf der höheren, gesamtstaatlichen Ebene nur das absolut Notwendige geregelt werde, während so viel Verantwortung wie möglich an die unteren Verwaltungsebenen abgegeben werden müsse. Den Bezug zum einzelnen Beamten herstellend, erläuterte Strauß: »Die Dezentralisierung und das Überwinden des Vorgesetztendenkens hat auch eine unmittelbare Auswirkung auf die Persönlichkeit des Beamten. Nur durch die Delegierung der Verantwortung nach unten kann der sonst leicht schematisch arbeitende Beamte zur selbstverantwortlichen Persönlichkeit werden.«483 Das also war aus Sicht des Staatssekretärs ein entscheidender Wesenszug des idealtypischen Beamten. Der Verfahrensweise der Verwaltung komme überhaupt eine elementare Bedeutung zu, da der durchschnittliche Bürger geneigt sei, den Staat nach dem einzelnen Beamten zu beurteilen. Die drei großen Umbrüche von 1918, 1933 und 1945 und die sich daraus ergebenen Spannungen seien im Wesentlichen dadurch überwunden worden, dass an die Stelle der alten Beamten eine andere Generation getreten sei, die jedoch »das überwiegend gute Erbe des alten Beamtentums« übernommen und fortgeführt habe.484 Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als zumindest das Erbe des nationalsozialistisch geprägten Beamtentums wohl kaum als überwiegend gut bezeichnet werden kann. Das sah Walter Strauß jedoch anders: »Es ist immer wieder überraschend, dass trotz der ungeheuren Gefährdung des Beamtenethos in der Zeit von 1933 bis 1945 das eigentliche Berufsethos des deutschen Beamten diesen Sturm in einer erstaunlichen Weise gut überstanden hat. Es gibt zwar hier und da Verluste und Ausfälle, aber ihre Zahl ist erstaunlich gering. Es zeigen sich hierbei die Auswirkungen einer klaren objektiven Personalpolitik.«485 Was auf den ersten Blick eher relativierend wirkt, kann bei genauerer Betrachtung eine Erklärung dafür liefern, warum sich Strauß als Staatssekretär im Bundesjustizministerium so vieler Beamter bediente, die bereits während des Dritten Reiches tätig gewesen waren. Es ist das altbekannte Bild vom hochqualifizierten, aber unpolitischen Beamten, der nur seine Pflicht getan habe und in schwierigen Verhältnissen anständig geblieben sei. Dass Strauß in der Zeit des Nationalsozialismus Kontakt zu solchen Beamten hatte, auf die das beschriebene Musterbild tatsächlich zutraf, wird entscheidend zu dieser Wertung beigetragen haben. Wie an anderer Stelle erläutert, legte der Staatssekretär stets Wert darauf, etwas aus eigener Anschauung beurteilen zu können. Mit »Verlusten und Ausfällen« wies Strauß auf diejenigen Beamten hin, die sich dem NS -System aus dem einen oder anderen Grund angedient hatten, sei es aus Überzeugung, sei es, um Karriere zu machen. Als klare und objektive Personalpolitik begriff Strauß im Gegensatz dazu den Grundsatz der Auslese nach Qualität. Dadurch, dass solche Beamten vermeintlich in der Überzahl waren, konnte aus der Sicht des Justizstaatssekretärs das Berufsethos des deutschen Beamten auch nicht nachhaltig 483 Ebd., Bl. 171 (VS u. RS) 484 Ebd., Bl. 171 (RS). 485 Ebd.

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geschädigt werden. Dass jene Beamten durch ihr routinemäßiges Mittun aber zum Funktionieren der nationalsozialistischen Herrschaft beigetragen hatten, ließ Strauß dabei freilich außer Acht. Für die Gegenwart machte Walter Strauß in seinem Vortrag am 27. November 1954 zwei vordringliche Aufgaben aus: eine staatspädagogische gegenüber der Beamtenschaft und eine auf den Staatsbürger bezogene Erziehungsaufgabe. So sei es zum einen nötig, dass die deutschen Universitäten an die »hochentwickelte Verwaltungslehre« des 19. Jahrhunderts anknüpften, der Beamtennachwuchs einheitlich ausgebildet werde und in verstärktem Maße auch Fortbildungen angeboten und Studienreisen ins Ausland getätigt würden.486 Zum anderen müsse bedächtig auf den Staatsbürger eingewirkt werden, um dem durch das An­wachsen der Staatsaufgaben hervorgerufenen »Gefühl mangelnder Geborgenheit« entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang beklagte Strauß, dass bei vielen Vorgängen im öffentlichen Leben die »Gelassenheit des langen Atems« fehle.487 Gerade jene Gelassenheit sei aber nötig, um das allgemeine Vertrauen des Bürgers in seinen Staat zu stärken. Schon in der Schule müsse damit begonnen werden, die tragenden staatsbürgerlichen Grundideen in den jungen Menschen zu verankern, damit diese später einmal in der Lage wären, die Verwaltung nicht als Feind, sondern als »Treuhänder des Volkes« wahrzunehmen.488 Hinsichtlich der Erziehung des Staatsbürgers meinte Strauß, die stärkere Verantwortung würde bei der Verwaltung liegen, die jedoch ihrerseits ohne die Bereitschaft und den »Selbsterziehungswillen des einzelnen [sic!]« nichts erreichen könne.489 Zum Ende seines Referats schärfte der Staatssekretär des Bundesjustizministeriums seinen Zuhörern noch einmal ein, dass es darauf ankomme, die Grenzen des Staates sichtbar zu machen und gleichzeitig das freiheitliche Empfinden zu entwickeln. Bei der Verwirklichung dieses Grundmotivs durch den Beamten handele es sich um die äußere Freiheit, die aber zu einer bloßen Form verkümmere, wenn sie nicht durch das Bewusstsein einer inneren Freiheit ergänzt werde. Hierbei seien vor allem »die Kirchen« gefragt.490 Warnend und mahnend fügte Strauß an: »Das Ausmaß der Gefährdung, wenn wir die persönliche Freiheit an ein totalitäres Machtstreben preisgeben, haben wir bis 1945 mit den furchtbarsten Konsequenzen erfahren, und das Ausmaß der Unfreiheit unter der Allmacht des Kollektivs steht uns im Osten täglich vor Augen.«491 In diesen Worten wurde deutlich, wie hoch Walter Strauß den Wert der persönlichen Freiheit einschätzte und wie sehr er sich gegen jegliche Form von Totalitarismus wandte. Im Schlussgespräch der Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum kam der Staatssekretär des BMJ noch einmal auf die Aussagen zurück, die er in 486 Ebd. 487 Ebd. 488 Ebd., Bl. 172. 489 Ebd. 490 Ebd. 491 Ebd.

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seinem Referat zur verhältnismäßig kleinen Zahl von Bundesbediensteten in Bonn gemacht hatte. Dabei hatte Strauß darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik zur Verwaltung eines Fünfzig-Millionen-Volkes an der Spitze nur rund 10.400 Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäftige, während in England und Frankreich in den gleichen Funktionen Zehntausende tätig seien.492 Polemisch zugespitzt hatte Strauß ausgerufen, kein Volk in der Welt werde »von einer so billigen Verwaltung« an der Spitze regiert wie die Deutschen in der Bundesrepublik.493 Nun, im Schlussgespräch, nannte der Justizstaatssekretär auch die Gründe für diesen Umstand. Einerseits habe sich die Ausführung der früheren Reichsgesetze durch die Länderverwaltungen auch personalpolitisch sehr bewährt; andererseits sei aber die hervorragende Qualität der Beamten auf Bundesebene »ganz wesentlich« mit dafür verantwortlich.494 Während man 1949 in dieser Frage noch sehr skeptisch gewesen sei, so ergänzte Strauß, sei es inzwischen gelungen, in Anknüpfung an die Berliner Tradition wieder den »hochqualifizierten Typus des Ministerialbeamten« zu bekommen, der von den ausländischen Besuchern oft bewundert werde.495 Diese Aussage illustriert einmal mehr, in welchem Umfang Strauß in seiner Funktion als Staatssekretär im Bundesjustizministerium Legitimation durch positive Traditionen und Vorbilder aus der Vergangenheit zu schöpfen suchte – das »überwiegend gute Erbe des alten Beamtentums« ausdrücklich mit eingeschlossen. Nicht zuletzt lassen sich seine Ausführungen vom November 1954 als Plädoyer für den »schlanken Staat« lesen. Auch vor dem Hintergrund eines – im internationalen Vergleich auf niedrigem Gesamtniveau – wachsenden Personalbestandes der Bundesverwaltung sprach sich der Staatssekretär des BMJ einmal mehr für eine sparsame Personalpolitik aus. Seit seinem Bestehen hatte das Bundesministerium der Justiz eine stete Vergrößerung seines Personalbestandes erfahren. Dieser Trend setzte sich auch im Zeitraum von 1953 bis 1961 fort, ja beschleunigte sich sogar noch. Strauß, der jene Entwicklung als verantwortlicher Staatssekretär mittrug, distanzierte sich zugleich davon. Dieser Widerspruch resultierte daraus, dass Strauß einerseits zwar die sachlichen Notwendigkeiten für eine Aufstockung des Personals erkannte, sich aber andererseits darüber im Klaren war, dass die Qualität der Arbeit darunter zu leiden hatte. An dieser Stelle klafften Anspruch und Wirklichkeit bei Strauß demnach auseinander. Eine sparsame Haushaltspolitik  – mehr Personal verursachte auch höhere Personalkosten  – war unter diesen Umständen viel schwieriger zu erreichen. Der signifikante Anstieg sowohl der Beamtenplanstellen als auch der eingesetzten Hilfskräfte führte nicht zuletzt zu einer weiteren Differenzierung der Arbeitsgebiete; die über die Geschäfts­ 492 Strauß, Die Verantwortung der Exekutive, Bl. 170 (RS). 493 Ebd. 494 Äußerungen von Strauß im Schlussgespräch in der Evangelischen Akademie Loccum v. 27.11.1954, in: Ebd., Bl. 172 (RS). 495 Ebd., Bl. 173.

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verteilung informierenden Organigramme wurden zunehmend verzweigter und damit unübersichtlicher. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – das Bundesjustizministerium immer weiter an Personal zunahm, behielt die Fürsorge für die Belegschaft ihren sehr wichtigen Stellenwert im Amtsverständnis von Staatssekretär Strauß. So konnte die Berufung einzelner Beamter in das BMJ, wie das Beispiel des »Spätest­ heimkehrers« Josef Herzog 1955 verdeutlicht hat, ein Akt gleichsam vorgezogener Personalfürsorge sein. Die ihm unterstellten Beamten gegen Angriffe von außen in Schutz zu nehmen und ihnen in brenzligen Situationen beizustehen, war Strauß nach wie vor ein zentrales Anliegen. Bei einer rein dienstlichen Verbundenheit musste es dabei keineswegs bleiben. Vielmehr überdauerten die Kontakte zwischen Strauß und seinen Mitarbeitern häufig die Zeit, in der beide Seiten auf der Rosenburg wirkten. Nach dem Abtritt des ersten Bundesjustizministers Thomas Dehler, der zusammen mit Staatssekretär Strauß das Gründungstandem des BMJ gebildet hatte, konnten die drei folgenden Minister Fritz Neumayer, Hans-Joachim von Merkatz und Fritz Schäffer nicht eine solche Wirkungsmacht entfalten wie ihr Vorgänger. Dadurch, dass Walter Strauß im Amt blieb, besaß er gegenüber allen Nachfolgern Dehlers einen unschätzbaren Startvorteil: Er kannte das Ministerium von Beginn an, nicht wenige Mitarbeiter sogar schon aus den Zeiten des Rechtsamts, der Verwaltung für Wirtschaft oder bereits des Länderrats. Damit war die Grundlage gegeben, dass der Staatssekretär die Personalpolitik maßgeblich in seinen Händen halten konnte. Doch Strauß hatte aus der Gründungszeit des Bundesjustizministeriums, mithin aus den Konflikten mit Dehler, die Lektion gelernt, dass er dem jeweils amtierenden Minister die Führung des Hauses überlassen musste. So wurde Strauß nicht müde, bei den Amtsübergaben auf der Rosenburg den ausscheidenden Ministern – insbesondere auch für ihre Personalfürsorge – zu danken und die neuen Hausherren in dem Bewusstsein zu begrüßen, dass nun sie an der Spitze stünden. Die drei erwähnten Minister dankten es ihrem Staatssekretär, indem sie sich in der Regel auf seinen Rat wie auch auf seine Erfahrungen und (Personal-)Kenntnisse verließen. In ihren Abschiedsreden vom BMJ lobten die Herren Neumayer, von Merkatz und Schäffer immer wieder das fachliche Können ihrer Mitarbeiter und stellten deren Loyalität gegenüber der Hausleitung heraus. In Übereinstimmung mit Staatssekretär Strauß betonten sie nachdrücklich die unpolitische Haltung des Bundesjustizministeriums. Nur dem Recht, so die einhellige Auffassung, sollte gedient werden. Neben Abschieds- und Begrüßungsworten nutzte Strauß die Amtsübergaben gleichzeitig für allgemeine Betrachtungen zu Vergangenheit und Gegenwart. Damit erschien er gleichsam als personifiziertes Gedächtnis des Ministeriums. Bedeutsam für die Personalpolitik, vielleicht sogar bedeutsamer als der jeweils an der Spitze stehende Minister, war die Tatsache, dass mit Heinrich Richter ein erfahrener Ministerialbeamter die Leitung der Abteilung Z übernahm, die der Staatssekretär bisher in Personalunion wahrgenommen hatte. Damit kehrte so

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etwas wie organisatorisch-personalpolitische Normalität auf der Rosenburg ein. Dass Strauß ausgerechnet den gerade erst aus langjähriger russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrten Dr. Richter als Leiter der Verwaltungsabteilung auswählte, ist äußerst charakteristisch für den Menschen Walter Strauß, der Mitleid mit denen hatte, denen Ungerechtigkeit widerfahren war. Neben der außer Frage stehenden Qualifikation und Erfahrung Richters sprach für ihn, dass er, wie es das Bundeskabinett als Richtlinie für die Abteilungsleiter beschlossen hatte, der NSDAP nicht angehört hatte. Für das enge Verhältnis zu Strauß mag es eine förderliche Rolle gespielt haben, dass Heinrich Richter ebenso ein gläubiger Protestant war wie der Staatssekretär. Auch der zweite Neuling unter den Abteilungsleitern im BMJ, Gerhard Erdsiek, hatte der NSDAP nicht angehört, sondern war – wie Strauß selbst – im Dritten Reich Benachteiligungen und Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Dies führte jedoch im ausführlich geschilderten Fall von Joachim Schölz nicht etwa dazu, dass die beiden Spitzenbeamten Partei für die ebenfalls verfolgten Gebrüder Kleffel ergriffen, sondern sich zu ihrem Mitarbeiter bekannten und der Bereinigung der Angelegenheit oberste Priorität beimaßen. Der Geist der Rosenburg war denn auch ein Geist gegenseitiger Loyalität und selbstverständlicher Kameradschaft, wenn es zu Angriffen von außen kam. Die Betrachtung der in der Zentralabteilung tätigen Referatsleiter hat gezeigt, dass hier, ähnlich wie bei den Abteilungsleitern, nur vereinzelt Änderungen eintraten. Diese Konstellation begünstigte die Konstanz und Kontinuität in der Personalpolitik. Im Nachhinein erstaunt es, dass ein so bunt zusammengewürfelter Haufen aus Vertrauten Dehlers, alten Mitarbeitern von Strauß und Beamten aus der Landesjustiz eine so kohärent wirkende Abteilung Z bilden konnte. Verantwortlich dafür war neben dem im gesamten Haus vorherrschenden Geist aber auch die Führungsstärke von Abteilungsleiter Richter, der das besondere Vertrauen von Staatssekretär Strauß genoss und diesem viel zu verdanken hatte. Zu den Niederungen des personalpolitischen Alltags gehörte nicht zuletzt die Rekrutierung von Personal aus den Bundesländern. Als der Beamtenersatz im Laufe der fünfziger Jahre ins Stocken geraten war, reagierte das BMJ und appellierte an die Länder, sich die Bedeutung des Personalaustausches bewusst zu machen und bei ihren Beamten verstärkt für eine zeitweise Tätigkeit im Bonner Justizministerium zu werben. Den Ländern waren die teils jahrelangen Abordnungen – vier oder fünf Jahre waren keine Ausnahme mehr – ein Dorn im Auge, blockierten die nach Bonn entsandten Richter und Beamten doch die ohnehin begrenzten Planstellen im Land. Zu Übernahmen vom Landes- in den Bundesdienst kam es zwar auch, jedoch war das keineswegs der Normalfall. Eine weitere alltägliche Arbeit der mit personellen Fragen befassten Stellen des Ministeriums war die Zusammenarbeit mit den Bundesministerien des Innern und der Finanzen im Rahmen von deren Mitprüfung der Ernennungsvorschläge des BMJ. Wie zahlreiche Personalakten des Justizministeriums beweisen, wurden die Vorschläge größtenteils ohne weiteres durchgewinkt. In selteneren Fällen äußerte namentlich das Innenministerium jedoch Widerspruch. Die Bedenken konnten sich sowohl aus der politischen Vergangenheit der Beamten speisen als

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auch in laufbahnrechtlichen Bestimmungen oder Erwägungen wurzeln. Wie anhand des Falles von Ebersberg gezeigt werden konnte, wurden die Bedenken des Innenministeriums zwischen den Staatssekretären Ritter von Lex und Strauß erörtert, aber nicht vollständig ausgeräumt. Eine zunehmende Politisierung der höheren Beamten im Bundesjustizministerium in der Zeit von 1953 bis 1961 konnte nicht festgestellt werden. Vielmehr blieb die parteipolitische Ausrichtung eher Privatsache. Eine Überschwemmung der Rosenburg mit Anhängern der Regierungsparteien, insbesondere der CDU /  CSU, hat es mitnichten gegeben. Die in dieser Zeit nicht an der Bundesregierung beteiligte SPD monierte gleichwohl, dass die Leitung des BMJ nicht auf die Sozialdemokraten zukomme und mit ihnen über die Besetzung hoher Positio­ nen im Ministerium spreche. Die darauf abzielenden Beschwerden des Abgeordneten Greve wies Bundesjustizminister Neumayer im Bundestag denn auch entschieden zurück. Nicht das Parteibuch entscheide über eine Berufung in ein bedeutendes Amt, sondern einzig und allein die Qualität, so die ganz auf der Linie von Walter Strauß liegende Argumentation des Ministers. Das in der Aufbauphase des Bundesjustizministeriums festzustellende Übergewicht der protestantischen Beamten blieb auch nach 1953 erhalten. Die Bemühungen des Staatssekretärs um die Gewinnung geeigneter katholischer Bewerber fruchteten auch jetzt kaum. Ferner deutet nichts darauf hin, dass der katholische Personalreferent Winners eine gezielte Rekrutierung katholischer Beamter vornahm und diese gegenüber Bewerbern evangelischen Bekenntnisses bevorzugte. Es hat den Anschein, als hätte man sich mit dem konfessionellen Ungleichgewicht mehr oder minder abgefunden. Abgesehen von der Ebene der Abteilungsleiter wurde die Glaubensrichtung eines Kandidaten nicht als ein wesentliches Merkmal bei der Personalauslese angesehen. Die erwähnten Ausführungen von Strauß zu Protestantismus und Politik offenbarten denn auch, dass der Konfessionalismus in der Politik Ende der fünfziger Jahre für überwunden gehalten wurde. Die Analyse der Personalpolitik im Untersuchungszeitraum dieses Kapitels hat überdies verschlungene Wege zur Lösung personeller Fragen offengelegt. So wurde das zum Geschäftsbereich des BMJ gehörige Patentamt in München mitunter als natürliche Stellenreserve genutzt und mit dem Mittel der Abordnung kombiniert, um das erwünschte Ergebnis zu erzielen – im konkreten Beispiel die Sicherstellung der weiteren Mitarbeit von Walter Holtgrave in der zivilrechtlichen Abteilung des Bundesjustizministeriums. Eine andere Möglichkeit, die auf der Rosenburg vorherrschende Stellenknappheit zu umgehen und herausragende Beamte zu (be-)fördern, bot der Übertritt zu anderen Ministerien oder zum Kanzleramt. Als neues Element in der Personalpolitik kam die europäische Ebene hinzu. Besonders fähige und kenntnisreiche Beamte nach Brüssel zu entsenden, entwickelte sich in zunehmendem Maße zum Normalfall. Allerdings stiegen damit die Anforderungen an die Verantwortlichen im Ministerium, hatten sie in ihren Überlegungen neben der Bundes- und Landesebene nun auch noch die europäische Ebene mit zu berücksichtigen.

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Um die im zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen, ließe sich von einer beginnenden Normalisierung der Personalpolitik sprechen. Nach der Ernennung des erfahrenen Ministerialbeamten Heinrich Richter zum Leiter der Verwaltungsabteilung konnte sich Strauß auf seine koordinierende Tätigkeit als Staatssekretär konzentrieren. Außerdem war ein beträchtlicher Teil des personellen Grundstocks bis Ende 1953 gelegt. Die Einzelheiten der ergänzenden Rekrutierung fähiger Beamter konnte er nun getrost Abteilungsleiter Richter und Personalreferent Winners überlassen, während er selbst weiterhin die Gesamtverantwortung trug. Insofern trat Strauß personalpolitisch zwar in die zweite Reihe zurück, ohne aber den Überblick und die Kontrolle zu verlieren. Inwieweit das auch für die vierte Legislaturperiode galt, ist Gegenstand des dritten Kapitels.

III. Auf dem Zenit der Macht? Die personalpolitische Situation am Ende der Amtszeit des »immerwährenden Staatssekretärs« 1961–1963

1. Veränderungen auf der Leitungsebene Die in den vorangegangenen Jahren zu beobachtende Kontinuität bei den Abteilungsleitern blieb auch in der letzten Phase der Amtszeit von Staatssekretär Strauß überwiegend erhalten. So versahen mit Josef Schafheutle, Günther Joël und Walter Roemer die Leiter der Abteilungen II , III und IV weiterhin ihren Dienst auf der Rosenburg. Gleiches traf auf Personalreferent Hans Winners zu. Erich Hage, der bislang Referent für Organisationsangelegenheiten und zugleich Ministerialbürodirektor gewesen war, trat letztere Funktion wie im zweiten Kapitel geschildert an Regierungsrat Alfred Neus ab. Die beiden wesent­lichen Änderungen auf der Leitungsebene – unterhalb des Ministers wohlbemerkt – betrafen einmal mehr die Abteilungen Z und I. Der Grund dafür war in beiden Fällen derselbe: Sowohl Ministerialdirigent Heinrich Richter als auch Ministerialdirektor Gerhard Erdsiek traten nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand. Später, anlässlich seines eigenen formellen Eintritts in den Ruhestand 1965, sollte Walter Strauß konstatieren, die Altersgrenze habe in den letzten Jahren im Ministerialdienst verheerend gewirkt.1 Voller Bedauern und mit einer gehörigen Portion Nostalgie stellte der Staatssekretär a. D. fest, es werde bald kaum noch jemand vorhanden sein, der »die gute Berliner Ministerial-Praxis« gelernt habe.2 Die vierte Legislaturperiode, die mit der Wahl zum Deutschen Bundestag am 17. September 1961 eingeläutet wurde, erbrachte unterdessen einen abermaligen Ministerwechsel auf der Rosenburg. Nach vier Jahren verließ Fritz Schäffer das Bundesjustizministerium und wurde durch den ganze 32 Jahre jüngeren Wolfgang Stammberger abgelöst. Diesem war jedoch keine längere Amtszeit beschieden. Schon nach kaum mehr als zwölf Monaten nahm er infolge der noch zu thematisierenden Spiegel-Affäre seinen Hut. Ewald Bucher folgte ihm im Amt des Bundesjustizministers nach. 1 Der Eintritt in den Ruhestand bezog sich freilich nur auf das deutsche Beamtenrecht. Als Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften amtierte Strauß auch über die Zäsur von 1965 hinweg, und zwar noch bis zum Jahr 1970. 2 Strauß an Horst Weber v. 18.1.1965, in: IfZArch, ED 94, Bd. 217, Bl. 275.

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Auf dem Zenit der Macht?

1.1 Die Minister: Dr. Wolfgang Stammberger und Dr. Ewald Bucher a)

Wolfgang Stammberger

Mit dem gebürtigen Coburger und FDP-Politiker Wolfgang Stammberger zog frischer Wind ein auf der Rosenburg. Bei seinem Amtsantritt am 14.  November 1961 war der neue Minister gerade einmal 41 Jahre alt. Seit 1953 gehörte Stammberger, der 1949 als Anwalt zugelassen worden war, dem Deutschen Bundestag an. Dadurch, so Staatssekretär Strauß bei der Amtsübergabe im BMJ, kenne er die Arbeit, wie sie in Bonn geleistet werde, bis in alle ihre Einzelheiten.3 Außerdem bekräftigte der oberste Beamte im Namen der ganzen Belegschaft des Bundesjustizministeriums: »Wir haben unter vier Ministern gezeigt, mit welcher Bereitschaft wir unserem jeweiligen Chef zur Verfügung stehen, wir geloben Ihnen, daß wir auch in den kommenden Jahren Ihnen mit allen unseren Kräften zur Verfügung stehen werden.«4 Die abschließend von Strauß ausgedrückte Hoffnung, dass die nächsten vier Jahre zu einem »wirklichen Fortschreiten unserer Gesetzgebung« und zu einem »persönlichen Erfolg« für den neuen Minister führen mögen, wurde indes enttäuscht.5 Die Spiegel-Affäre bewirkte das Ende Stammbergers als Hausherr der Rosenburg. Stammberger selbst hatte bei seinem Amtsantritt im November 1961 bekräftigt, sein einziger Wunsch sei es, wenn er einmal aus irgendeinem Grunde sein Amt niederlegen müsse, er dann mit der gemeinsamen Arbeit vor der Öffentlichkeit bestehen könne.6 Ferner stellte der junge Minister bei dieser Gelegenheit heraus, dass auf der Rosenburg noch der Geist von Thomas Dehler, mit dem ihn politisch wie privat viel verbinde, herrsche und dass er in diesem Geiste weiterwirken wolle. Dabei wisse er, dass das Justizministerium im gesamten Bundestag einen ausgezeichneten Ruf genieße. Einer seiner Vorgänger, nämlich Hans-Joachim von Merkatz, habe ihm zur Ernennung gratuliert und in diesem Zuge ausgerufen: »Wissen Sie, Sie kommen jetzt ins Paradies, das ist für mich das Justizministerium.«7 Und in der Tat, nach wenigen Wochen im Amt vermittelte Minister Stammberger in seinem hausinternen Weihnachtsbrief die Botschaft, dass er sich gut aufgenommen und unterstützt von seinen Mitarbeitern fühle.8 Doch die »paradiesischen« Zustände

3 Ansprache von Staatssekretär Strauß anlässlich der Amtsübergabe am 14.11.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 77–84, hier Bl. 83. 4 Ebd., Bl. 84. 5 Ebd. 6 Ansprache von Bundesminister Dr. Stammberger anlässlich der Amtsübergabe am 14.11.1961, in: Ebd., Bl. 92 f., hier Bl. 93. 7 Ebd., Bl. 93. 8 Stammberger, An alle Angehörigen des Hauses, Weihnachten 1961, in: Ebd., Bl. 97.

Veränderungen auf der Leitungsebene

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fanden spätestens mit der Affäre um den neuen Generalbundesanwalt Wolfgang Fränkel, der schließlich zurücktreten musste, ihr jähes Ende.9 b)

Ewald Bucher

Nachdem sein Vorgänger Wolfgang Stammberger im Zuge der Spiegel-Affäre am 19. November 1962 als erster Bundesjustizminister überhaupt von seinem Amt zurückgetreten war, folgte ihm am 11. Dezember sein Parteifreund Ewald Bucher auf dem Chefposten der Rosenburg. Geboren 1914 in Rottenburg am Neckar, hatte er wie sein Vorgänger zunächst als Rechtsanwalt gewirkt und war 1953 als Abgeordneter in den Bundestag eingezogen. Zum Zeitpunkt seiner Berufung ins Ministeramt war Bucher Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion und – nicht ganz unwichtig für den neuen Posten – seit fünf Jahren stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Insofern brachte er das nötige Know-how für das Amt mit. Dass Bucher gewillt war, für seine Ansichten zu kämpfen, zeigte sich spätestens am 26. März 1965, als er aufgrund der vom Bundestag verlängerten Verjährungsfrist für NS -Straftaten von seinem Amt als Justizminister zurücktrat.10 Walter Strauß sollte es mit dem neuen Minister Bucher kaum mehr zu tun bekommen, denn mit Wirkung vom 6. November 1962 war Günther Joël mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragt worden. Strauß hingegen wurde, was noch ausführlich zu erörtern sein wird, bis zu seinem Wechsel nach Luxemburg beurlaubt.

1.2 Der neue Abteilungsleiter Z: Dr. Kurt Haertel Heinrich Richter hatte die Geschicke der Verwaltungsabteilung des BMJ mehr als siebeneinhalb Jahre gelenkt, als er zum 31. August 1961 mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand verabschiedet wurde. Doch wer sollte ihm nachfolgen? Aus den Reihen der in der Abteilung Z tätigen Referatsleiter kam zu diesem Zeitpunkt  – anders als knapp zwei Jahre später  – offenbar niemand infrage.11 Schließlich fiel die Wahl auf den 1910 geborenen Dr. Kurt Haertel, der dem Bundesministerium der Justiz von Beginn an angehörte. Bevor er zum Leiter der Verwaltungsabteilung bestimmt wurde, hatte der gebürtige Berliner das Referat für gewerblichen Rechtsschutz, das der Abteilung III zugeordnet war, geführt. Im Januar 1951 war er zum Ministerialrat ernannt und zum 1. Oktober 1949 rückwirkend in die entsprechende Planstelle eingewiesen worden.

9 Siehe Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 283–286. 10 Siehe ebd., S. 229–232. 11 Personalreferent Winners sollte 1963 die Leitung der Abteilung Z von Haertel übernehmen.

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Auf dem Zenit der Macht?

Dass nun ausgerechnet Haertel, der bislang nicht mit Verwaltung, Personal und Organisation des BMJ befasst war, zum Abteilungsleiter Z berufen wurde, mag damit zusammenhängen, dass er bereits seit 1947 unter Walter Strauß gearbeitet hatte und mit diesem vertraut war. Haertel, der beide juristischen Staatsprüfungen mit »lobenswert« abgeschlossen hatte, war bereits zum 1. November 1946 in das Zentralamt für Wirtschaft in Minden eingetreten, das ab 1947 als Verwaltungsamt für Wirtschaft bzw. Verwaltung für Wirtschaft nach Frankfurt am Main überführt wurde. Maßgeblich verantwortlich dafür war, wie bereits erwähnt, der stellvertretende Direktor Strauß. Mit diesem wechselte Haertel später dann ins Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, wo er zum Oberregierungsrat ernannt wurde. Noch vor Gründung des Bundesjustizministeriums strebte der Chef des Rechtsamts Strauß die Beförderung Haertels zum Ministerialrat an. Für die Leitung des Referats Gewerblicher Rechtsschutz sei er unter allen Bewerbern »bei weitem am besten geeignet«.12 Im Zusammenhang mit der nunmehrigen Bestellung zum Leiter der Verwaltungsabteilung im BMJ wurde die Ernennung zum Ministerialdirigenten eingeleitet. Letztlich erfolgte die Beförderung zum 1. September 1961. Wie ­Haertel sein Amt verstand und wo er die Probleme des Ministeriums hinsichtlich Organisation und Personalpolitik sah, geht aus einem ausführlichen Vermerk vom 5. Mai 1963 hervor.13 Diese sehr aufschlussreiche Aufzeichnung, die Haertel am Ende seiner Amtszeit auf der Rosenburg anfertigte, wird an entsprechender Stelle noch eingehender analysiert.14 Nach dem Abtritt von Staatssekretär Strauß waren denn auch Haertels Tage im Bundesjustizministerium gezählt. Allerdings verschwand der bisherige Abteilungsleiter nicht in der Bedeutungslosigkeit, sondern wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1963 zum Präsidenten des Deutschen Patentamts berufen, wechselte also von Bonn nach München. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende 1975 bekleidete Haertel dieses hohe Amt, mit dem er inhaltlich an die Jahre seiner Tätigkeit im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes – mithin die Zeit von 1946 bis 1961 – anknüpfen konnte. Der gewerbliche Rechtsschutz war im Übrigen auch für Walter Strauß ein wichtiges Anliegen.15 Selbst dann, als sowohl Strauß als auch Haertel Bonn verlassen hatten, riss der Kontakt zwischen den beiden nicht ab. Beispielsweise thematisierte der Staatssekretär a. D. gegenüber seinem ehemaligen Mitarbeiter eine Frage auf dem Gebiet der Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen. So meinte Strauß im Februar 1967, die Vorlage der Ministerialratsernennungen an das Kabinett sei im Grunde genommen überholt und zur reinen Formalität geworden; im Übrigen 12 Strauß an das Personalamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets v. 17.6.1949 betr. Besetzung von Stellen im Rechtsamt, in: BArch Z 22/21, unpag. Bl. 13 Vermerk von Haertel an den Staatssekretär v. 5.5.1963 betr. Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z (vertraulich), in: BArch B 141/29958, Bl. 7–23. 14 Siehe dazu den unter III .2 folgenden Abschnitt »Der Vermerk von Haertel«. 15 Utz, Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 143 f. m. Anm. 79.

Veränderungen auf der Leitungsebene

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seien die Geschäftsordnungen von Bundesregierung und Bundesministerien auf die Verhältnisse der zwanziger Jahre zugeschnitten gewesen: »Sie sind längst reformbedürftig; aber wer nimmt sich dieser Sache an?«16

1.3 Der neue Abteilungsleiter I: Prof. Dr. Arthur Bülow Für beinahe fünfeinhalb Jahre hatte Gerhard Erdsiek die zivilrechtliche Abteilung des BMJ angeführt. Ende Mai 1962 trat er mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand. Anlässlich seines Abschiedes von der Rosenburg verfasste der Ministerialdirektor auf Anraten von Abteilungsleiterkollege Joël ein launiges, durchaus sehr stilsicheres Gedicht.17 Darin hieß es mit Bezug auf die oft mühselige Arbeit an den Gesetzen im Ministerium: »warum nur steht wohl dieses Haus / in aller Welt in höchster Achtung? / Füllt der Erfolg nicht gleich den Äther – / es reift die Frucht und zeigt sich später.«18 Nicht von ungefähr ist die einzige Person, die in dem drei Seiten umfassenden Gedicht mit Namen genannt wird, Walter Strauß. Im Anschluss an die Aussage, dass alles, was im BMJ erstrebt werde, allein im Dienst am Recht stehe, rief Erdsiek aus: »Nie gab es ein politisch Knistern / in dieses Hauses Atmosphäre. / Ein jeder unter den Ministern / vertrat des Ministeriums Ehre, / und ihm zur Seite hier im Haus: / rocher de bronce:19 Herr Dr. Strauß!«20 Damit wurde deutlich, wie sehr der Staatssekretär auch innerhalb der Beamtenschaft als Hort der Kontinuität für das Bundesjustizministerium angesehen wurde. Die schöne Zeit auf der Rosenburg, so Erdsiek abschließend, werde er wohl nie vergessen; er verspüre Stolz und Dankbarkeit für diese Zeit.21 Als Leiter einer der beiden Unterabteilungen der Abteilung I  – die andere hatte Erdsiek selbst angeführt  – war Arthur Bülow gleichsam der berufene Nachfolger seines direkten Vorgesetzten. Ebenso wie sein Kollege in der Verwaltungsabteilung Haertel gehörte Bülow im Bundesministerium der Justiz zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. Auf seinen Beginn im BMJ, die Ernennung zum Ministerialrat 1950 und schließlich zum Ministerialdirigenten 1953 wurde im ersten Kapitel bereits ausführlich eingegangen. Bemerkenswerterweise war Bülow der erste Fachabteilungsleiter des Bundesministeriums der Justiz, der einstmals dem Reichsjustizministerium angehört hatte. Aus dieser Zeit rührte auch seine gute Vernetzung innerhalb der Ministerialbürokratie her. So zählte der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke zu seinen guten Bekannten. 16 17 18 19 20

Strauß an Haertel v. 15.2.1967, in: IfZArch, ED 94, Bd. 380, unpag. Bl. Erdsiek, Zum Abschiedsessen auf der Rosenburg, 11.12.1962, in: Ebd., Bd. 156a, Bl. 103–105. Ebd., Bl. 104. Eigentlich »Rocher de bronze«, zu Deutsch »eherner Fels«. Erdsiek, Zum Abschiedsessen auf der Rosenburg, 11.12.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 104. 21 Ebd., Bl. 105.

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Auf dem Zenit der Macht?

Als Bülow nach dem Krieg im Rahmen des automatischen Arrests von den Alliierten in Gewahrsam genommen war und unter angloamerikanischer Aufsicht im sogenannten Ministerial Collecting Center in Fürstenhagen bei Kassel arbeitete, traf er etliche Kollegen von früher wieder, darunter auch Globke. In seinem Notizkalender notierte Bülow unter dem 13. September 1945: »Globke im Lager«.22 Die beiden kannten sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren. In einer eidesstattlichen Erklärung für Bülow vom Mai 1947 berichtete Globke später, er habe schon sehr bald nach dessen Eintritt ins Reichsjustizministerium durch seinen Freund und Vorgesetzten Bülows Walter Kriege erfahren, dass Bülow trotz seiner Zugehörigkeit zur NSDAP ein zuverlässiger Gegner des Nationalsozialismus sei.23 Hierbei handelt es sich um jenen Walter Kriege, der Strauß nach 1945 bei der Rekrutierung ehemaliger Ministerialbeamter beraten sollte. Weiter schrieb Globke: »Im Laufe der Jahre sah ich Dr. Bülow nicht nur regelmäßig bei Dr. Kriege, ich hatte bis zum Zusammenbruch auch häufig dienstlich mit ihm zu tun. Dabei fand ich das Urteil Dr. Krieges stets vollauf bestätigt. Dr. Bülow gehörte zu dem Kreise von Ministerialbeamten, die oppositionell zu der nationalsozialistischen Staatsführung eingestellt waren und ihre Stellung in den Ministerien mehr oder minder zu dem Versuch benutzten, allein oder im Zusammenspiel miteinander der nationalsozialistischen Gesetzgebung Schwierigkeiten in den Weg zu legen, wenn sie mit dem natürlichen Recht nicht in Einklang stand. Ich habe selbst mit Dr. Bülow mehrfach in diesem Sinn zusammengewirkt.« Die Äußerungen Globkes wirkten nicht zuletzt selbstentlastend.24 Aber gerade Äußerungen wie diese waren dazu angetan, Bülow trotz seiner formellen Bindung zur NSDAP und des Beschlusses der Bundesregierung, solche Personen für bestimmte hohe Ämter in der Regel nicht zu berücksichtigen, 1962 zum Abteilungsleiter zu bestellen. In der zivilrechtlichen Abteilung des BMJ war Bülow nach Petersen und Erdsiek bereits der dritte Abteilungsleiter. Wie sein unmittelbarer Vorgänger gehörte Bülow darüber hinaus der evangelischen Konfession an. Selbiges galt für den Leiter der Verwaltungsabteilung Kurt Haertel in Bezug auf dessen Vorgänger Heinrich Richter. Damit blieb das relative Gleichgewicht konfessioneller Art auf Ebene der Abteilungsleiter aufrechterhalten: Drei Protestanten standen zwei Katholiken gegenüber. Geboren im Jahre 1903, gehörte Arthur Bülow altersmäßig zu der Generation von Walter Strauß. Als Bülow gerade einmal ein Jahr lang die Geschicke der zivilrechtlichen Abteilung des Bundesjustizministeriums gelenkt 22 Notizkalender Bülows von 1945, 13.9., in: BArch N 1387/3. Zu den im Nachlass enthaltenen Notizkalendern Bülows ist im Allgemeinen zu sagen, dass sie oft nur sehr sporadische oder auch gar keine Eintragungen aufweisen. Zudem fehlen die Kalender für die Jahre 1933, 1934 sowie 1936 bis 1944 vollständig. Mitunter finden sich auch zur Erheiterung des Lesers beitragende Notizen wie am 27. Mai 1966: »Bester Whisky: Teachers Highland Cream«. 23 Eidesstattliche Erklärung von Globke für Bülow v. 31.5.1947, in: BArch N 1387/7. 24 Diese Bewertung findet sich auch schon bei Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 242.

Personalpolitik in der Kritik

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hatte, wurde er auch schon zum Nachfolger von Staatssekretär Strauß bestellt. Vom 27. Mai 1963 bis zum 31. Dezember 1966 trat er damit in die Fußstapfen von Walter Strauß als oberster Beamter auf der Rosenburg. Seine Tätigkeit in dem Spitzenamt charakterisierte Heinrich Thiesmeyer, der Nachfolger von Hans Thier als Pressereferent, etliche Jahre später, als er Bülow zu dessen achtzigstem Geburtstag gratulierte. Bei dieser Gelegenheit meinte Thiesmeyer, er denke zurück an die »guten alten Zeiten, die ich noch unter Ihnen dienen durfte, dem wohl letzten Staatssekretär der alten Schule im BMJ.«25

2. Personalpolitik in der Kritik. Ermüdungserscheinungen im »System Strauß« Seit 1949 stand Walter Strauß als Staatssekretär unangefochten an der Spitze der Beamtenschaft im Bundesministerium der Justiz. Mit Wolfgang Stammberger, der im Herbst 1961 Fritz Schäffer im Amt des Justizministers abgelöst hatte, diente er nun bereits unter dem fünften Minister und Hausherrn auf der Rosenburg. Für jedermann sichtbar, war es Strauß, der die Kontinuität des BMJ verkörperte. Diese Konstellation brachte es jedoch mit sich, dass vieles auf die Person des Staatssekretärs zugeschnitten war. Im Laufe der Zeit hatte sich gewissermaßen ein »System Strauß« entwickelt. Nach mehr als einem Jahrzehnt zeigte es aber erste Ermüdungserscheinungen.

2.1 Der Vermerk von Haertel Am 5. Mai 1963 legte Kurt Haertel auf Grundlage seiner fast zweijährigen Tätigkeit als Leiter der Abteilung Z dem neuen Staatssekretär Arthur Bülow einen Vermerk vor.26 Das als vertraulich gekennzeichnete Dokument wirft, auch wenn es lediglich mit »Anregungen für die Umgestaltung der Abteilung Z« überschrieben ist, ein helles Licht auf die Arbeitsweise und den Aufbau des Justizministeriums unter Staatssekretär Strauß im Zeitraum von 1961 bis 1963. Daher erscheint es gerechtfertigt wie sinnvoll, bereits an dieser Stelle – und nicht erst am Ende des Kapitels – ausführlich auf das Schriftstück einzugehen. Besonders aufschlussreich sind die Passagen des Vermerks, in denen H ­ aertel die von ihm wahrgenommenen Probleme im Ministerium ansprach. Insbeson­ dere begriff es der ehemalige Leiter der Verwaltungsabteilung als einen »schwerwiegenden Mangel in der Organisation« des BMJ, dass eine Planung und Koor25 Heinrich Thiesmeyer an Bülow v. 27.10.1981, in: BArch N 1387/9. 26 Vermerk von Haertel an den Staatssekretär v. 5.5.1963 betr. Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z (vertraulich), in: BArch B 141/29958, Bl. 7–23.

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dinierung der Gesamttätigkeit des Ministeriums völlig fehle.27 Bislang existiere eine solche Planung und Koordinierung, wenn überhaupt, nur im Rahmen der Abteilungen. Bezogen auf seinen Vorgesetzten bekräftigte Haertel: »Einen Gesamtüberblick hatte nur der Staatssekretär.«28 Bezieht man das vorher Gesagte mit ein, so wird deutlich, dass es der gewesene Abteilungsleiter als unbefriedigend auffasste, wenn allein der Staatssekretär einen Überblick über die gesamte Tätigkeit des Hauses besitze. Um den Mängeln der Vergangenheit Abhilfe zu schaffen, schlug Haertel die Bildung eines neuen Referats in der Abteilung Z mit der Bezeichnung Koordinierungs- oder Kabinettsreferat vor. Der zuständige Referent müsste dann die Aufgaben des Bundesjustizministeriums einschließlich ihrer personellen, haushaltsrechtlichen und räumlichen Auswirkungen auf lange Sicht planen und nötigenfalls koordinieren. Während die anfallenden Entscheidungen freilich der Amtsleitung überlassen blieben, könne deren Vorbereitung und Ausarbeitung getrost dem Referenten überlassen werden. Dieser würde außerdem die »zur Zeit völlig ungenügende Unterrichtung« des Hauses über die Arbeiten des Bundesrats und des Bundestags sowie deren zahlreicher Ausschüsse bezüglich der das Ministerium berührenden Fragen übernehmen.29 Auch in Hinblick auf die Behandlung europäischer Fragestellungen beklagte Haertel die bisher fehlende Koordinierung sowie die uneinheitliche Linie des Ministeriums.30 Beides sei aber umso nötiger, als sich alle vier Fachabteilungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit Arbeiten zur Rechtsvereinheitlichung oder Harmonisierung innerhalb Europas beschäftigten. Fälle von Überschneidungen zwischen den Abteilungen – beispielsweise zwischen den Abteilungen I und III – würden zudem in Zukunft wohl häufiger vorkommen. Angesichts dieser Zustände und Entwicklungen erscheine aus seiner Sicht die Schaffung eines Sammlungs- und Koordinierungsreferats notwendig, das zweckmäßigerweise in der Abteilung Z gebildet werden könnte, so Haertel.31 An einer anderen Stelle des Vermerks kritisierte der ehemalige Abteilungsleiter Z die generell fehlende einheitliche Linie des Amts. Es sei kaum übertrieben, von dem Zerfallen des Hauses in fünf Abteilungen zu sprechen.32 In diesem Zusammenhang bemängelte Haertel, dass die Zusammenfassung und Unterrichtung des Hauses hinsichtlich seiner Zielsetzung und seiner Arbeit nach außen wie nach innen in der Vergangenheit nur durch den Minister und durch den Staatssekretär gewährleistet worden sei – allerdings in unzureichender Weise. So hätte die Hausleitung ihre Absichten nach unten jeweils nur an den zuständigen Abteilungsleiter weitergegeben. Wenn eine andere Abteilung von 27 Ebd., Bl. 12. 28 Ebd. 29 Ebd., Bl. 13. 30 Ebd., Bl. 13 f. 31 Ebd., Bl. 14. 32 Ebd., Bl. 21.

Personalpolitik in der Kritik

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den Vorhaben und Arbeiten der anderen Abteilung erfahren habe, dann sei das im Wesentlichen der persönlichen Initiative der beteiligten Abteilungsleiter zu verdanken gewesen. Der Leiter der Verwaltungsabteilung, also Haertel selbst, habe davon aber erst aufgrund der Haushaltsanforderungen anlässlich der Aufstellung des jährlichen Haushaltsvoranschlages erfahren. Ferner: »Die Referenten sind niemals offiziell unterrichtet worden.«33 Die Unhaltbarkeit dieser Zustände vor Augen führend, meinte Haertel, die Referenten hätten die erforderlichen Informationen lediglich »aus der Tageszeitung oder am Mittagstisch« erhalten.34 Die bisherige Handhabung fördere das Auseinanderfallen des Hauses in Fachabteilungen und führe gleichzeitig zu einer verstärkten Inanspruchnahme des Staatssekretärs als einzigem Koordinierungsorgan. Damit sprach Haertel indirekt die zentrale Stellung an, die Strauß einst besessen und die ihn in gewisser Weise unentbehrlich gemacht hatte. Die Aussagen von Haertel lassen sich aber auch als Kritik an der Führungsfähigkeit des langjährigen Staatssekretärs lesen. Vor dem Hintergrund der wahrgenommenen Mängel skizzierte der gewesene Leiter der Abteilung Z eine Alternative. So sei es in anderen Bundesministerien zum Teil schon seit Jahren gang und gäbe, in regelmäßigen Abständen Abteilungsleiterbesprechungen abzuhalten. Solche unter dem Vorsitz des Staatssekretärs stattfindenden Besprechungen empfahl Haertel auch für das BMJ. Als weitere Teilnehmer brachte er die Unterabteilungsleiter, die Persönlichen Referenten des Staatssekretärs und des Ministers sowie den Pressereferenten mit ins Spiel. Sinn der wöchentlich wiederkehrenden Besprechungen sei es, dass der Staatssekretär über die aktuelle politische Lage, die Abteilungsleiter über die Arbeit der vergangenen Woche und der Pressereferent über die Presse berichte. Ferner könnte der Staatssekretär etwaige Richtlinien für die Arbeit der begonnenen Woche vorgeben. Auch könnten, falls nötig, die Arbeiten verschiedener Abteilungen koordiniert werden. Die Abteilungsleiterbesprechungen wollte Haertel noch um die Einrichtung von Abteilungsbesprechungen ergänzt wissen. Unter dem Vorsitz des jeweiligen Abteilungsleiters würden sich in diesem Format alle in der Abteilung tätigen Referenten zusammenfinden. Der Leiter der Abteilung könnte bei diesen Gelegenheiten diejenigen Tatsachen aus der Abteilungsleiterbesprechung mitteilen, die von allgemeinem Interesse seien. Die Referenten hingegen würden über ihre Arbeit berichten und etwaige Koordinierungen könnten vorgenommen werden. Beide Besprechungsformate, so die Einschätzung Haertels, würden zu einer spürbaren Entlastung sowohl der Abteilungsleiter als auch der Referenten führen. Weitere positive Effekte seien die Förderung der Arbeit und eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls.35 Abgesehen von der mangelnden Koordinierung machte Haertel in seiner Analyse drei Hauptprobleme aus, die die innere Situation des Bundesjustiz33 Ebd., Bl. 21 f. 34 Ebd., Bl. 22. 35 Ebd., Bl. 23.

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ministeriums kennzeichneten: erstens das Missverhältnis zwischen der Menge an Aufgaben und der zu geringen Anzahl von Beamten des höheren Dienstes, zweitens zu wenig Beförderungsstellen für die Beamten sowohl des gehobenen als auch des höheren Dienstes, drittens ungenügende Räumlichkeiten des Ministeriums.36 Die Feststellung, dass die Anzahl der höheren Beamten für die Menge an Aufgaben zu gering sei, wollte Haertel jedoch nicht als Plädoyer für eine dauerhafte Erweiterung des Personalbestandes verstanden wissen. Vielmehr habe das BMJ nach seiner Auffassung die maximale personelle Größe im Wesentlichen erreicht. Eine Personalaufstockung dürfe daher nur vorübergehend erfolgen, um besondere zusätzliche Aufgaben zu bewältigen. In Übereinstimmung mit den Ansichten von Walter Strauß meinte der ehemalige Abteilungsleiter, einzig und allein »eine zahlenmäßig kleine Elite« könne die an die Qualität des Ministeriums gestellten Anforderungen erfüllen.37 Mit einer quantitativen Erweiterung geriete das Haus in Gefahr, seinen erworbenen guten Ruf zu verlieren. Die »einzige erfolgversprechende Lösung des Problems« sehe er, so Haertel, in einer Streckung der vorhandenen und der Ablehnung neuer Aufgaben, bevor nicht Personal durch die Erledigung vorhandener Aufgaben frei geworden sei.38 Das Hauptproblem für das Bundesministerium der Justiz bestehe aber in der ungenügenden Zahl von Beförderungsstellen. Der Satz, dass für den Ministerialbeamten im höheren Dienst die Laufbahn mit dem Ministerialrat abgeschlossen sei, habe jedenfalls für die bestqualifizierten Ministerialräte keine Gültigkeit mehr. In diesem Kontext warnte Haertel: »Die Beispiele Kleinknecht und Lackner werden keine Einzelfälle bleiben.«39 Was hatte es mit diesen beiden Personalien auf sich? Der 1917 im pfälzischen Maikammer geborene Dr. Karl Lackner war zum Zeitpunkt des Vermerks schon mehr als zwölf Jahre auf der Rosenburg tätig. Der Leiter der strafrechtlichen Abteilung Rotberg hatte sich einst für Lackner interessiert. Auch das nordrheinwestfälische Justizministerium hatte sich für eine Verwendung der als tüchtig eingeschätzten Kraft im BMJ ausgesprochen. Nachdem Minister Dehler sich für eine Abordnung entschieden hatte, nahm Lackner am 1. November 1950 seinen Dienst in der Abteilung II auf. Zunächst als Hilfsreferent eingesetzt, wurde er schon bald mit der Leitung des Referats für Jugendstrafrecht betraut. Aufgrund seiner »vorzüglichen Leistungen« wurde er im Februar 1953 als Oberregierungsrat endgültig in den Dienst des Bundesjustizministeriums übernommen.40 Weil er sich auch in den folgenden Jahren sehr gut bewährt und wertvolle Beiträge zu Gesetzen beigesteuert hatte, war 1956 die Beförderung zum Ministerialrat 36 Ebd., Bl. 14. 37 Ebd., Bl. 15. 38 Ebd. 39 Ebd., Bl. 15 f. 40 Begründung des Antrags des BMdJ an den Bundespersonalausschuss v. 29.4.1957, gez. Strauß, in: BMJ -Personalakte Karl Lackner (P 11 – L 10), Bl. 99 f., Zitat Bl. 99.

Personalpolitik in der Kritik

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geplant, unterblieb letztlich aber nur aus Mangel an einer freien Ministerialratsstelle, wie Strauß später festhielt.41 Stattdessen wurde der Beamte »nur« zum Regierungsdirektor ernannt. Nachdem der Bundestag für den Haushalt des Jahres 1957 neue Ministerialratsstellen bewilligt hatte, unternahm das BMJ einen neuen Anlauf und erreichte mithilfe einer Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses, die wegen einer zu kurzen Außendienstzeit Lackners erforderlich war, die Beförderung zum Ministerialrat. Doch damit sah sich der Betroffene noch nicht am Ende seiner Karriere angelangt. Zum Zeitpunkt des Vermerks von Haertel mag sich Lackner bereits mit Wechselgedanken getragen haben. Am 1. Oktober 1963 wurde er zum ordentlichen Professor für Strafrecht an der Universität Heidelberg berufen und schied mit Wirkung vom 31. März 1964 endgültig aus dem Dienst des Bundesjustizministeriums aus. Damit ging der Rosenburg eine leistungsstarke wie angesehene Kraft verloren. Der Fall von Theodor Kleinknecht war ähnlich gelagert, nur dass es ihn nicht an die Universität, sondern an eine andere Einrichtung eines süddeutschen Bundeslandes verschlug. Am 15. März 1963, also kurz nach dem Abtritt von Strauß als Staatssekretär im BMJ und noch während der Amtszeit von Abteilungsleiter Z Haertel wechselte Ministerialrat Kleinknecht als Generalstaatsanwalt zur Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Nürnberg. Damit kehrte der 1910 geborene Franke an seine alte Wirkungsstätte zurück, denn vor seiner Abordnung an das Bundesministerium der Justiz war Kleinknecht erst Staatsanwalt, dann Erster Staatsanwalt und schließlich Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft beim OLG Nürnberg gewesen. Vor der Einberufung ins BMJ, wo er am 20. April 1954 seinen Dienst aufnahm, hatte ihn sein Vorgesetzter mit dem seltenen Urteil »Erheblich über Durchschnitt, nahezu hervorragend« bedacht.42 Wenige Wochen vor Kleinknechts Dienstantritt in Bonn hatte Staatssekretär Strauß gegenüber dem Oberstaatsanwalt erklärt, es bestehe die Aussicht, dass er nach dem Eintritt ins Ministerium in absehbarer Zeit befördert werde; eine bestimmte Zusicherung könne er ihm indes nicht geben – »sie entspräche auch nicht der Verwaltungsübung.«43 Nachdem sich Unterabteilungsleiter Kanter und der Leiter der Abteilung II Schafheutle für die Übernahme Kleinknechts in den Bundesdienst und seine Beförderung zum Ministerialrat ausgesprochen hatten, wurden beide personalpolitischen Maßnahmen in die Wege geleitet. Wie bei Lackner bedurfte es dazu jedoch einer Ausnahmegenehmigung des Bundespersonalausschusses. In der Begründung des entsprechenden Antrags bekräftigte Strauß, er lege auch deshalb besonderen Wert auf die baldige Übertragung des Amtes eines Ministerialrats an Kleinknecht, weil die Bedeutung seines Referats die Leitung durch einen Beamten verlange, der im Range eines Ministerialrats 41 Ebd., Bl. 99. 42 Dienstliche Beurteilung des Oberstaatsanwalts Dr. Theodor Kleinknecht v. 21.1.1954, gez. Der Generalstaatsanwalt, in: BMJ -Personalakte Theodor Kleinknecht (P 11 – K 49), Bl. IV-VI , Zitat Bl. VI . 43 Der BMdJ an Kleinknecht v. 9.3.1954, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 1.

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stehe.44 Als Leiter des Referats für sachliches Strafrecht, Strafgerichtsverfassung und Strafverfahren folgte Kleinknecht übrigens Hans-Heinrich Jescheck nach, der mit dem Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Bonner Justizministerium den Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Freiburg im Breisgau übernommen hatte und zugleich Direktor des dort ansässigen Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht geworden war. Aus den Personalakten des am 1. März 1955 zum Ministerialrat ernannten Kleinknecht geht hervor, dass er sich eine Rückkehr in den bayerischen Justizdienst vorbehalten und die Möglichkeit einer Übernahme in die bayerische Quote an Bundesrichterstellen offenhalten wollte.45 Bevor er das Bayerische Staatsministerium der Justiz um die Verlängerung seines Rücktrittsrechts in den Landesdienst bat, habe er, so der Ministerialrat, Rücksprache sowohl mit seinem Abteilungsleiter als auch mit der für Personalien zuständigen Abteilung Z gehalten. In dem Gesuch, das Kleinknecht nach München sandte, sprach er sogar explizit davon, dass er »später gerne wieder zu richterlicher oder staatsanwaltlicher Tätigkeit zurückkehren« wolle.46 Die Tätigkeit als Ministerialbeamter im Bonner Justizministerium sah Kleinknecht also von vornherein nur als eine Art Zwischenstation an. Zu Beginn des Jahres 1963 war schließlich die Zeit für einen Wechsel zurück in die bayerische Landesjustiz gekommen, da die Stelle des Nürnberger Generalstaatsanwalts zum 1. März frei wurde und der bayerische Justizminister den wechselbereiten Kleinknecht dafür vorzuschlagen gedachte. Nachdem sich Bundesjustizminister Bucher damit einverstanden erklärt hatte, Kleinknecht ziehen zu lassen, ging der Ministerialrat Mitte März nach Nürnberg zurück. Die Fälle Lackner und Kleinknecht betrafen also, um auf den Vermerk von Kurt Haertel zurückzukommen, die Schwierigkeiten, fähige Beamte, namentlich solche im Range eines Ministerialrats, im Dienst des Bundesjustizministeriums zu halten und sie nicht an andere Justizbehörden oder an die Wissenschaft zu verlieren. Bei der Besetzung von Ministerialratsstellen komme erschwerend hinzu, dass die Anwerbeversuche bei gutqualifizierten Beamten aus der Landesjustiz für Referentenstellen im BMJ aufgrund der von den Ländern vorgenommenen Rangerhöhungen der Richter- und Staatsanwaltsstellen wenig erfolgreich seien. Wenn das Bundesjustizministerium nicht in den nächsten Jahren »seine besten Kräfte durch Abwanderung verlieren oder in einem Zustand ständiger Verbitterung erhalten« wolle, müssten geeignete Maßnahmen ergriffen werden.47 Als erste von drei Maßnahmen nannte Haertel die Vermehrung der Ministerialdirigentenstel44 Begründung des Antrags des BMdJ an den Bundespersonalausschuss v. 21.12.1954, gez. Strauß, in: Ebd., Bl. 62. 45 Kleinknecht an den BMdJ v. 26.2.1958, in: Ebd., Bl. 94. 46 Kleinknecht an das Bayerische Staatsministerium der Justiz v. 26.2.1958 betr. Verlängerung des Rechts zum Rücktritt in den bayerischen Justizdienst, in: Ebd., Bl. 95. 47 Vermerk von Haertel an den Staatssekretär v. 5.5.1963 betr. Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z (vertraulich), in: BArch B 141/29958, Bl. 7–23, Zitat Bl. 16.

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len, indem fortan jede Unterabteilung mit einem Dirigenten besetzt werde. Dies biete gleich zwei Vorteile: zum einen die Schaffung von Beförderungsstellen für die qualifizierten Ministerialräte, zum anderen die dringend notwendige Entlastung der Abteilungsleiter von der Führung einer Unterabteilung. Beide Punkte näher erläuternd, forderte Haertel, die Stellen der Ministerialdirigenten nur nach Leistung, nicht aber nach Lebens- oder Dienstalter zu besetzen. Damit erweckte er den Eindruck, dass bisher zumindest teilweise anders verfahren wurde. Dass die Abteilungsleiter des Bundesjustizministeriums zugleich auch Unterabteilungen leiteten, bezeichnete Haertel als eine »Vergeudung an hochqualifizierter Arbeitskraft«.48 Schließlich müssten sie sich dadurch mit zweitrangigen Problemen befassen und Schreiben von untergeordneter Bedeutung unterzeichnen  – ein Zustand, der im Übrigen auf die noch an das Weimarer Vorbild sich anlehnende, inzwischen aber nicht mehr zeitgemäße Geschäftsordnung, die den Referenten eine geringere Entscheidungskompetenz zubillige, zurückzuführen sei. Mit Verweis auf den Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzministeriums erklärte Haertel, dass man dort bereits die Notwendigkeit erkannt habe, die Abteilungsleiter von der Führung einer Unterabteilung freizustellen. Und im BMJ seien die Verhältnisse doch ganz ähnlich gelagert. Als zweite Maßnahme, wie die Zahl der Beförderungsstellen erhöht werden könnte, nannte Haertel die Vermehrung der Ministerialratsstellen durch Besetzung eines jeden Referats mit einem Ministerialrat. Bislang war es im Bundesjustizministerium nämlich durchaus üblich gewesen, dass auch Regierungsdirektoren oder gar Oberregierungsräte mit der Leitung eines Referats betraut wurden. Wenn nun aber jedes Referat von einem Ministerialrat geleitet würde, dann könnte verhindert werden, dass die abgeordneten Oberlandesgerichtsräte in das Land zurückstreben. Außerdem würden gute Kräfte aus den Ländern für diejenigen Referate gewonnen werden, die nicht aus dem Hause besetzt werden können, wie Haertel mit Verweis auf den Fall Kleinknecht und Nachfolger bemerkte.49 Nicht zuletzt würde durch diese Maßnahme auch »eine Anzahl überalteter [sic!] Regierungsdirektoren im Hause die verdiente Förderungsmöglichkeit« erfahren können.50 Schlussendlich würden damit Anreize für die Besten geschaffen werden, sich um eine Stellung im BMJ zu bewerben; im früheren Reichsjustizministerium sei dieser Effekt durch das Ansehen, aber auch durch die im Verhältnis zur Gegenwart höhere Besoldung erreicht worden. Wiederum mit Hinweis auf die Verhältnisse im Bundesministerium der Finanzen erklärte Haertel, eine solche Besetzung mit Ministerialratsstellen liege im Bereich des Möglichen. 48 Ebd., Bl. 16. 49 Aufgrund der häufig wechselnden Zuständigkeiten in der strafrechtlichen Abteilung zu Beginn der sechziger Jahre kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wer Kleinknecht im BMJ beerbte. 50 Vermerk von Haertel an den Staatssekretär v. 5.5.1963 betr. Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z (vertraulich), in: BArch B 141/29958, Bl. 7–23, Zitat Bl. 17.

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Keineswegs zufällig führte der ehemalige Leiter der Abteilung Z die dritte Maßnahme zur Verbesserung der Beförderungschancen im BMJ als Letztes an, betraf sie doch seine ehemalige Funktion. Die Stellung des Abteilungsleiters Z sei unterbewertet, seine bisherige Eingruppierung stemple ihn auch innerhalb des Hauses zu einem »Abteilungsleiter minderen Grades« oder zu einem »gehobenen Unterabteilungsleiter«.51 Das sei nur dann vertretbar, wenn man in dem Staatssekretär den eigentlichen Leiter der Abteilung Z sehe. Indes sei das eine Einstellung, die der Fülle an Aufgaben des Staatssekretärs im BMJ in der heutigen Zeit nicht gerecht werde und die bei einem häufigeren Wechsel auf dem Posten des Staatssekretärs auch praktisch gar nicht durchführbar sei. Diese Bemerkungen Haertels bezogen sich auf die Anfangszeit im Bundesjustizministerium, in der Walter Strauß in Personalunion Staatssekretär und Leiter der Verwaltungsabteilung war. Nachdem Strauß die Position an der Spitze der Abteilung Z an Heinrich Richter abgegeben hatte, blieb dieser Ministerialdirigent. Damals wurden jedoch bereits alle übrigen Abteilungen des Bonner Justizministeriums von Ministerialdirektoren geleitet; in der Anfangszeit hatte noch Hans Eberhard Rotberg lediglich als Ministerialdirigent der Strafrechtsabteilung vorgestanden. Auch Kurt Haertel als Nachfolger Richters an der Spitze der Verwaltungsabteilung wurde nur zum Dirigenten befördert, während die Leiter der Fachabteilungen im Range eines Ministerialdirektors standen. Dass nun auch der Abteilungsleiter Z in den Kreis der Direktoren aufsteigen sollte, sei Haertel zufolge nicht so sehr der Zahl der zum Geschäftsbereich des BMJ gehörenden Personen, sondern eher dem verhältnismäßig großen Prozentsatz an Stellen der Besoldungsgruppe B 5 und höher geschuldet. Die Anregung Haertels wurde etwa ein Jahr später tatsächlich aufgegriffen. Hans Winners, der 1963 vom Personalreferenten zum Leiter der Abteilung Z emporgestiegen war und in diesem Zuge zunächst – wie seine Vorgänger auch – nur zum Ministerialdirigenten befördert wurde, sollte schließlich der erste Leiter der Verwaltungsabteilung des BMJ im Range eines Ministerialdirektors werden. Als drittes Hauptproblem neben dem Missverhältnis zwischen Aufgaben und Personal sowie dem Mangel an Beförderungsstellen hatte Haertel die räumliche Lage des Bundesjustizministeriums benannt. Kennzeichnend seien in dieser Hinsicht erstens die Zersplitterung des Amts in ein Hauptgebäude, zwei Behelfsbaracken und drei Dependancen, zweitens die Unterbringung eines Teils der höheren und mittleren Beamten in Räumen, die nicht einmal die amtlich vorgeschriebenen Flächen erreichten, und drittens das Fehlen jeglichen Reserveraumes. Die mit der Zersplitterung des Hauses einhergehende Arbeitserschwerung und -verlangsamung führe zu Mehrkosten, »die sich kein Industriebetrieb leisten würde.«52 Die Unterbringung des Personals in unzureichenden Räumen be­ einträchtige zudem das Arbeitsklima. Eine Personalaufstockung unter diesen Umständen verbiete sich von selbst. Aus dem allen könne nur der Schluss ge­ 51 Ebd., Bl. 18. 52 Ebd.

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zogen werden, dass die Amtsleitung »mit allen Mitteln« bestrebt sein müsse, einen Neubau für das BMJ zu erreichen.53 Der Haushaltsausschuss des Bundestages, so fügte Haertel noch an, werde der Forderung nach einem Auszug aus der Rosenburg nicht ablehnend gegenüberstehen. Man sollte meinen, das seien genügend Probleme, die Haertel aus seiner fast zweijährigen Tätigkeit als Leiter der Verwaltungsabteilung beobachtet hatte – doch weit gefehlt. Auch im Bereich der Personalpolitik machte Haertel Mängel und Unzulänglichkeiten aus: »Die Personalpolitik innerhalb des Amtes, wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann, kann man als ein System der unbeweglichen Personalpolitik bezeichnen.«54 Im BMJ werde nämlich ein Spezialistentum gepflegt, das zu fachlicher Beschränktheit, mangelnder Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Gedanken und schließlich zu Lustlosigkeit gegenüber der immer gleichbleibenden Arbeit führe. Jenes Spezialistentum komme dadurch zustande, dass die Referenten und Hilfsarbeiter in denjenigen Referaten verblieben, in denen sie eingesetzt werden  – sofern sie nicht zum Unterabteilungsleiter befördert werden, auch dann behielten sie jedoch meistens ihr Referat, oder sofern nicht aus dringenden dienstlichen Gründen in einem anderen Referat eine Lücke gestopft werden müsse. Durch dieses System werde die ungesunde Zersplitterung des Rechts in einzelne Spezialgebiete, die nur noch der speziell vorgebildete Jurist verstehe, geradezu gefördert, während das Interesse an der Entwicklung anderer Gebiete und an dem Zusammenhang des Rechts als einer Einheit verlorengehe. Um dem entgegenzuwirken, plädierte Kurt Haertel für »das System einer beweglichen Personalpolitik«.55 In diesem System würden die jungen Hilfsarbeiter, die zur Übernahme in den Bundesdienst vorgesehen seien, spätestens nach vier bis fünf Jahren das Referat und gegebenenfalls auch die Abteilung wechseln. Ferner sollten diejenigen unter den Referenten, die noch nicht ein gewisses Lebensalter erreicht hätten, mit ihrem Einverständnis in ein anderes Referat versetzt werden können. An dieser Stelle machte Haertel also durchaus einen Unterschied zwischen denen, die sich erst noch zu bewähren hatten, und denen, die schon lange im Ministerium wirkten. Bei den qualifiziertesten und beweglichsten Referenten sollte nach dem Willen von Haertel angestrebt werden, sie nacheinander in mehreren Abteilungen zu verwenden. Nicht von ungefähr seien die wenigen höheren Beamten, die häufig gewechselt haben, zu den fähigsten Kräften des Hauses zu rechnen. Auf diese Weise werde ein leistungsfähiger und erfahrener Führungsstamm herangezogen. Ein weiterer Vorteil liege darin, dass unerwartet entstehende Lücken leichter zu schließen wären. Beispiele für vielseitig einsetzbare Kräfte des höheren Dienstes im BMJ führte der ehemalige Leiter der Abteilung Z jedoch nicht an. Daher sei in diesem Kontext exemplarisch auf Dr. Hermann Maassen hingewiesen, der im Sommer 1951 53 Ebd., Bl. 19. 54 Ebd., Bl. 20. 55 Ebd.

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als 29-jähriger Amtsgerichtsrat vom Amtsgericht Königswinter an das Bundesjustizministerium abgeordnet und dort zunächst der strafrechtlichen Abteilung von Josef Schafheutle zugeteilt wurde.56 Bereits ein Jahr später wurde Maassen zum Oberregierungsrat ernannt und in den Bundesdienst übernommen. Im April 1955 erfolgte die Beförderung zum Regierungsdirektor. Als im Sommer 1956 die Stelle des Verfassungsrechtsreferenten durch den Weggang von Reinhold Mercker zum Kanzleramt frei wurde, wechselte Maassen in die öffentlichrechtliche Abteilung von Walter Roemer und übernahm das Referat IV 1. In diesem Zuge wurde der gebürtige Kölner zum Ministerialrat befördert. Seine vielseitige Verwendbarkeit sollte er Jahre später erneut unter Beweis stellen, als er erst Leiter einer Unterabteilung und dann Leiter der Abteilung II und später der Abteilung IV, schließlich aber als Nachfolger von Horst Ehmke zum Staatssekretär des BMJ berufen wurde. Seine Kritik am Spezialistentum und das daraus resultierende Plädoyer für den Generalisten zusammenfassend, bemerkte Haertel, das System der beweglichen Personalpolitik müsse freilich »vorsichtig und individuell« gehandhabt werden, wenn es erfolgreich sein wolle.57 In der Schlussbemerkung seines Vermerks kritisierte der ehemalige Leiter der Abteilung Z mit deutlichen Worten die Kollegen Abteilungsleiter und sogar den Minister. So sei ihm während der vergangenen fast zwei Jahre bewusst geworden, wie stark sowohl die Amtsleitung – »mit Ausnahme des Staatssekretärs« – als auch die Leiter der Fachabteilungen die Aufgaben und Bedeutung der Abteilung Z unterschätzten.58 Seiner Verwunderung darüber Ausdruck verleihend, meinte Haertel, es sei »erstaunlich, wie wenig Kenntnisse außerhalb der Abteilung Z über die Grundlinien des Personalwesens und des Haushaltswesens bestehen, obwohl die Arbeit des Amts maßgebend von diesen beiden Gebieten bestimmt« werde.59 Dass Haertel seinen früheren Vorgesetzten Walter Strauß von dieser Kritik ausdrücklich ausnahm, ist sowohl seiner Loyalität als auch seiner tatsächlichen Anerkennung der Fähigkeiten des ersten Staatssekretärs im BMJ zuzuschreiben. Im Ganzen gesehen hatte Kurt Haertel in seinem 17-seitigen Vermerk vom 5. Mai 1963 deutlich gemacht, wo er die Probleme in der Organisation und Personalpolitik des Bundesjustizministeriums sah und mithilfe welcher Maßnahmen eine Lösung erzielt werden könnte. Mithin setzte sich der ehemalige Leiter der Abteilung Z mit dem auseinander, was einst das System Strauß ausgemacht hatte – und nun davon übriggeblieben war. Inwiefern Haertels Kritik der unbeweglichen Personalpolitik sich auf Zustände und Entwicklungen bezog, die nur ein Phänomen des Bonner Justizministeriums waren, und inwiefern 56 Zu den folgenden Angaben siehe die BMJ -Personalakte Hermann Maassen (P 11 – M 36), 2 Bde. 57 Vermerk von Haertel an den Staatssekretär v. 5.5.1963 betr. Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z (vertraulich), in: BArch B 141/29958, Bl. 7–23, Zitat Bl. 21. 58 Ebd., Bl. 23. 59 Ebd.

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es allgemeine Tendenzen der Zeit widerspiegelte, erhellt ein Aufsatz von Dr. Konrad Elsholz, den dieser im Januar 1962 unter der Überschrift »Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes« in der Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung publiziert hatte.60 Der Kohlhammer-Verlag als Herausgeber der Zeitschrift hatte den Aufsatz sogar an den Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Globke gesandt.61 Dieser erbat sich daraufhin von einem seiner Mitarbeiter eine kurze Inhaltsangabe des Aufsatzes. Als Leiter des unter anderem für Personal- und sonstiges Beamtenrecht zuständigen Referats 3 im Kanzleramt legte ihm der Beamte Hans-Leo Stolzhäuser auf zwei DIN-A4-Seiten eine Zusammenfassung des Artikels vor.62 Vor dem Hintergrund einer sich in allen Bereichen rasch wandelnden Welt warf Elsholz – als Referatsleiter im Bundesministerium der Finanzen im Übrigen selbst ein Repräsentant der Bonner Ministerialbürokratie  – die Frage auf, ob der traditionelle Aufbau des Verwaltungsapparats und die von den Bundesministerien geübte Personalpolitik den sachlichen Anforderungen tatsächlich Rechnung trügen.63 Eine direkte Antwort darauf gab der Verfasser zwar nicht; als Konzentrat seines Aufsatzes lässt sich jedoch unzweifelhaft ein »sehr bedingt« oder »kaum noch« herauslesen. Im Zentrum seiner Kritik standen gewisse Zustände in den Ministerien, die es fraglich erscheinen ließen, ob die Verwaltung als »Arbeitsinstrument der Bundesregierung« die notwendige Elastizität und Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen der politischen und volkswirtschaft­ lichen Entwicklungstendenzen besitze.64 Als problematisch wertete Elsholz in diesem Kontext etwa die stark unterteilte hierarchische Ordnung der Behörden, das starre »Bienenwabensystem« der Referate, die bei Beförderungen gehandhabten Prinzipien, die prekäre Frage des Nachwuchses und nicht zuletzt die Abwanderung qualifizierter Kräfte in die Wirtschaft.65 Im Bereich des BMJ war es jedoch weniger die Wirtschaft als die Wissenschaft, die das Ziel von Abwanderungen war.66 Die Probleme hinsichtlich des Nachwuchses standen aus Sicht von Elsholz in engem Zusammenhang mit dem personalpolitischen Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Die größtenteils nicht über einen eigenen Verwaltungsunterbau verfügenden Bundesministerien könnten sich nicht ohne weiteres aus dem Personalbestand der Länderministerien rekrutieren. Das sei vor allem durch vergleichbare Aufstiegschancen und Besoldung in den Ländern bedingt. Auf 60 Konrad Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, in: Die Öffentliche Verwaltung (13) 1962, H. 1, S. 8–14. 61 W. Kohlhammer Verlag an Globke v. 26.1.1962, gez. Tolksdorf; Putzar, in: BArch B 136/5105, unpag. Bl. 62 Vorlage an Staatssekretär Globke v. 2.2.1962, gez. Stolzhäuser, in: BArch  B  136/5105, unpag. Bl. 63 Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, S. 8. 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Das oben erwähnte Beispiel von Hans-Heinrich Jescheck ist nur eines von vielen.

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diesen Umstand sollte später auch Haertel in seinem Vermerk hinweisen. Daher reize ein Angebot aus Bonn, in dem es sich überdies schlechter als in so mancher Landeshauptstadt leben lasse, kaum. In der Folge würde den Ministerien auf Bundesebene bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen der nur aus der Durchführung gesetzlicher Regelungen in den Ländern erwachsene Erfahrungsschatz fehlen. Angesichts dieser Entwicklung seien die Bundesministerien »im zunehmenden Maße genötigt«, junge Akademiker und Assessoren einzustellen, die praktisch nur theoretisches Examenswissen aufwiesen – ohne das Erfahrungswissen und die Formung, die erst durch eine längere Tätigkeit auf der Orts- oder Landesebene gewonnen würden.67 Die bereits bestehende Nachweispflicht einer einjährigen Tätigkeit auf der Orts- oder Landesebene sei unzureichend. Auch die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Austausch von Beamten – von dieser war bereits mehrfach die Rede – dürfte nur dann wirksam werden, wenn der Bund entsprechende Aufstiegschancen biete, so Elsholz. Die von Kurt Haertel gut ein Jahr später geäußerte Kritik an der unbeweglichen Personalpolitik vorwegnehmend, bemängelte Elsholz in seinem Aufsatz auch das Spezialistentum in den Ministerien. Mit dem Spezialistentum als Kriterium für die Qualifikation und Verwendbarkeit von Verwaltungsbeamten werde, so der Autor, eine »Unbeweglichkeit und Versteifung« in die Verwaltungsführung der Ministerien hineingetragen.68 Da der Spezialist hoch im Kurs stehe, bleibe der einmal für sein Arbeitsgebiet eingesetzte Beamte fast während seines ganzen Berufslebens an dieses Arbeitsgebiet gebunden. Dagegen würden Versetzungen in andere Arbeitsgebiete oder gar andere Ministerien »nicht zugemutet« oder von anderen Abteilungsleitern oder Behördenchefs häufig nicht akzeptiert, da der betreffende Beamte kein »Fachmann« sei.69 Dass im zivilen Sektor der Bundesrepublik bei Versetzungen das Prinzip der Freiwilligkeit gelte, schränke die personalpolitischen Optionen zusätzlich ein.70 Im Bundesministerium der Justiz gab es, wie an anderer Stelle gezeigt werden konnte, aber durchaus Wechsel zu anderen Ministerien oder ins Kanzleramt.71 Um das vorherrschende Spezialistentum aufzuweichen, plädierte Elsholz nicht nur dafür, vermehrt Versetzungen zu anderen Abteilungen und Ministerien vorzunehmen, sondern auch dafür, überhaupt einen »Allround-Typ von Verwaltungsbeamten« heranzuzüchten.72 Im Ergebnis würde das mehr Elastizität in die Personalwirt­schaft bringen. Während Kurt Haertel mit Blick auf das Bundesjustizministerium dringend die Vermehrung der Ministerialdirigentenstellen anmahnte, damit in Zukunft jede Unterabteilung von einem solchen Beamten geleitet würde, sprach sich Konrad Elsholz für die generelle Abschaffung der Stelle des Unterabteilungsleiters 67 Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, S. 9. 68 Ebd. 69 Ebd., S. 10. 70 Ebd., S. 9. 71 Siehe dazu die Passage »Wechsel innerhalb der Bundesministerialbürokratie« im unter II .3 folgenden Abschnitt »Verschlungene Wege der Personalpolitik«. 72 Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, S. 10.

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aus.73 In diesem Posten erblickte der Referent des Bundesfinanz­ministeriums denn auch ein »Ventil für die Befriedigung berechtigter Beförderungsansprüche«.74 Obgleich der Ministerialdirigent und der Ministerialdirektor inzwischen als Spitzenstellungen in der Beamtenhierarchie unterhalb des Staatssekretärs wahrgenommen würden, bliebe der Ministerialrat doch die »tragende Säule« der Arbeit in den Ministerien.75 Diese Auffassung wurde bekanntlich auch von Walter Strauß geteilt.76 Rang und Ansehen des Ministerialrats seien in den letzten Jahren jedoch einem ständigen Erosionsprozess unterworfen gewesen. Im Zuge der Zwischenschaltung des Unterabteilungsleiters und der aus Nachwuchsmangel vorgenommenen Beförderung nicht immer genügend qualifizierter Hilfsreferenten sei der Ministerialrat zu einem »bloßen Arbeitstechniker und Zuarbeiter« abgewertet worden.77 Dieser unheilvollen Entwicklung müsse Einhalt geboten werden, forderte Elsholz. Zusätzlich zur Abschaffung der Stelle des Unterabteilungsleiters, die ohnehin eine verhältnismäßig junge Einrichtung in der Ministerialverwaltung sei, brachte Elsholz die Bildung von Großreferaten durch Zusammenfassung verwandter Arbeitsgebiete ins Spiel. Als Leiter dieser neuen Arbeitseinheiten sah er Ministerialdirigenten vor, die grundsätzlich ein direktes Vortragsrecht beim Minister und Staatssekretär haben sollten. Daneben würden aber auch kleinere Referate mit einem Ministerialrat an der Spitze bestehen bleiben. Die Aufgaben des nach wie vor existenten Ministerialdirektors als Abteilungsleiter bestünden dann lediglich in der Einhaltung der politischen Weisungen sowie im Personalwesen der Abteilung – es sei denn, er verfüge über eine ganz außergewöhnliche Konzeptionskraft. Die Vorteile dieser Neuordnung in den Ministerien lagen für Elsholz auf der Hand: Nicht nur der Geschäftsgang würde um eine Stufe schneller und durch Zusammenlegung zusammengehöriger und verwandter Gebiete einfacher. Auch würden damit die bisher geübten Aufspaltungen zusammengehörender Arbeitsgebiete in mehrere Referate oder sogar Unterabteilungen künftig vermieden werden, da nunmehr genügend Beförderungsstellen in den Dirigentenposten der Großreferate vorhanden wären und nicht künstlich geschaffen werden müssten. Überhaupt, so betonte Elsholz, sei die öffentliche Verwaltung »kein Versorgungsinstitut, sondern ein Arbeitsinstrument«.78 Daher könne es nur von Vorteil sein, dass infolge der geschilderten Veränderungen im Verwaltungsaufbau »die oft abträgliche Selbstbindung der Minister« bei der Besetzung der leitenden Stellen beseitigt wäre.79 Bisher seien die Stellen der Ministerialdirektoren fast ausnahmslos mit Ministerialdirigenten besetzt worden. Ein Nachrücken aus den 73 Ebd. 74 Ebd. 75 Ebd. 76 Siehe S. 20. 77 Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, S. 10. 78 Ebd. 79 Ebd., S. 11.

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Reihen der Ministerialräte scheide unter diesen Umständen aus, die Auswahl für den höchsten Posten unterhalb des Staatssekretärs sei damit zahlenmäßig begrenzt. Mit Verweis auf Theodor Eschenburgs Ausführungen zum Thema Ämterpatronage bemerkte Elsholz, dass Beförderungen bisher unter »viel­f ältigsten Gesichtspunkten« vorgenommen worden seien, und äußerte sein Unverständnis darüber, dass das »der Meisterung der Aufgaben nicht immer dienliche Auswahlprinzip nicht schon längst korrigiert« worden sei.80 Der Tübinger Professor für wissenschaftliche Politik Eschenburg hatte in seiner Festrede anlässlich des ihm verliehenen Schillerpreises der Stadt Mannheim am 9. Dezember 1960 sich mit dem Phänomen der Ämterpatronage auseinandergesetzt und diese als am Recht vorbeigehende oder gegen das Gesetz gerichtete Einflussnahme auf die Personalpolitik definiert.81 Die Ämterpatronage, die sowohl in Gestalt einer Herrschaftspatronage als auch als Versorgungspatronage in Erscheinung treten könne, bedrohe die demokratische Ordnung, da sie die »im Dienst der Allgemeinheit auszuübenden Funktionen durch die Einwirkungen der Patrone auf die Amtshandlungen der Patronierten« denaturiere und die Ämter »infolge amtsfremder Auslesemaßstäbe« von mehr oder minder Funktionsungeeigneten geführt würden. Darüber hinaus wandte sich Konrad Elsholz in seinem Aufsatz gegen das allgegenwärtige Juristenmonopol.82 Weit davon entfernt, Juristen die Eignung für den Ministerialdienst abzusprechen, wertete der Verfasser den Anteil der eine andere akademische Ausbildung aufweisenden Personen im höheren Dienst der Bundesregierung als zu gering. Zwar spreche die Güte der Ausbildung zum Gerichts- oder Regierungsassessor für sich; ob aber die Denkordnung des Juristen in der modernen industriellen Gesellschaft das Maß aller Dinge sei, erscheine vor allem dann fraglich, wenn die »jeder Rechtsetzung innewohnende Statik« das Denken der Juristen überwiegend bestimme.83 In diesem Zusammenhang bemerkte Elsholz, die öffentlich-rechtliche Ordnung der allseitigen Abhängigkeiten als Folge hochindustrialisierter und hochtechnisierter Gemeinwesen erfordere eine Fülle von Gesetzen und Verordnungen mit den sie realisierenden Verwaltungsbeamten. Insofern seien die Klagen über die ständige Ausdehnung des öffentlichen Dienstes »im Grunde unberechtigt« und ließen die Einsicht in das Wesen des modernen Staates vermissen.84 Dieser Vorwurf traf indirekt auch Staatssekretär Strauß, der genauso wie Kurt Haertel in seinem Vermerk vom 5. Mai 1963 stets die Notwendigkeit schmaler Beamtenkörper betonte. Die Personalpolitik der Bundesministerien sah Elsholz in zunehmendem Maße beherrscht durch Konventionen, Standesinteressen, Streben nach Sicher80 Ebd. 81 Theodor Eschenburg, Was ist Ämterpatronage? Ein Kolleg über die Entartung demokratischer Herrschaft, in: Die Zeit, Nr. 50/1960. 82 Elsholz, Kritische Gedanken zur Personalpolitik des Bundes, S. 12 f. 83 Ebd., S. 12. 84 Ebd.

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heit und das Prinzip der Anciennität  – also der Bevorzugung der Dienstälteren – bei Beförderungen. Gegen Letzteres wandte sich auch Haertel und erklärte Leistung zum ausschlaggebenden Kriterium in Beförderungsangelegenheiten. Diese Entwicklungen, die zwar als Ausdruck einer nach zwölf Jahren in sich konsolidierten Bundesverwaltung angesehen werden könnten, würden aber zu einer »Versteifung und geistigen Unbeweglichkeit des Apparats« führen und möglicherweise die Neigung verstärken, »politische Entscheidungen in solche der Verwaltungslehre zu verwandeln«, so wiederum Elsholz.85 Mit einem nicht zu überhörenden Bedauern fügte der Beamte des Finanzministeriums an, der »freie geistige Luftzug der ersten Aufbaujahre, wo Leistungen mehr zählten als der Ausbildungsweg«, habe sich »weitgehend verflüchtigt«.86 In diese Klage hätte Walter Strauß zum Ende seiner Amtszeit gewiss eingestimmt. Wie noch zu zeigen sein wird, machte ihm das Eingefahrene, die Wahrnehmung eines gewissen Stillstandes zu schaffen. Schlussendlich plädierte Konrad Elsholz dafür, durch eine ausgefeilte Personal­ politik einen neuen Verwaltungsstil zu schaffen. Den Vorschlag von Eschenburg hinsichtlich der Bildung eines Generalstabs für Beamte aufgreifend, sprach sich der Verfasser des Aufsatzes für eine zentral gelenkte Personalpolitik des Bundes aus: zunächst etwa mithilfe eines Personaldirektors im Kanzleramt, der die Referenten der Ministerien bewerte und dann Empfehlungen gegenüber den Ministerien ausspreche, später vielleicht einmal durch die Errichtung eines Personalamts. Ziel müsse es sein, »allseitig ausgebildete Kräfte jederzeit und zu jedem Zweck« zur Verfügung zu haben.87 Damit unterstrich Elsholz noch einmal seine Kritik am Spezialistentum, die Kurt Haertel ein gutes Jahr später aufgriff und auf das BMJ bezog. Ansonsten unterschieden sich die Herangehensweisen beider Beamter in ihren Analysen mehr oder weniger deutlich voneinander. Während Haertel gleichsam als Nebenprodukt seiner Anregungen zur Umgestaltung der Abteilung Z auf allgemeine Probleme im Bundesjustizministerium aufmerksam machte, nahm Elsholz von vornherein eine weitläufigere Perspektive ein und setzte sich allgemein mit der Personalpolitik der Bundesministerien und des Kanzleramts auseinander. Sowohl der Vermerk aus dem BMJ als auch der Aufsatz in der Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung stehen jedoch stellvertretend für die damals vorherrschende Ansicht, dass es einen hinreichenden Bedarf an Veränderung und Modernisierung der Personalpolitik gebe.

85 Ebd., S. 13. 86 Ebd. 87 Ebd.

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2.2 Partielle Differenzen mit den Abteilungsleitern Als Hermann Maassen, der Ende der sechziger Jahre selbst zum Staatssekretär auf der Rosenburg aufgerückt war, im Streit mit Minister Gerhard Jahn (SPD) 1971 seinen Hut nahm, erinnerte er an den ersten Staatssekretär des Ministeriums Walter Strauß und lobte dessen Führungsstil: »So sicher er die Zügel führen konnte, so wenig ließ er sie fühlen. Er delegierte, was immer zu delegieren war. Den Abteilungsleitern gab er viel freie Hand.«88 Im Allgemeinen blieb es auch in den späten Jahren der Amtszeit von Staatssekretär Strauß bei der einvernehmlichen Zusammenarbeit mit den Abteilungsleitern. Allerdings traten in besonderen Fällen, anders als zuvor, auch unterschiedliche Bewertungen von Beamten des BMJ offen zutage. Ein besonders aussagekräftiges Beispiel bildet die Vorgeschichte der Beförderung Josef Herzogs zum Ministerialrat. Der anfänglich im Referat Sichtung und Sammlung des Bundesrechts tätige Regierungsdirektor hatte inzwischen die Abteilung gewechselt und leitete nun das der Abteilung II zugeordnete Referat für Strafvollzug. Nachdem der Leiter der Verwaltungsabteilung Richter seinen Kollegen Schafheutle mehrfach vergeblich um eine dienstliche Beurteilung des Beamten gebeten hatte, zeichnete Strauß das Schreiben und erhielt am 18. Juli 1961 auch eine Antwort.89 Diese ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Note von »sehr gut« (1957) auf »vollbefriedigend« gesenkt wurde. Die Begründung lässt aufhorchen: Um seine Arbeiten hinsichtlich der Vorbereitung des Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes zum Erfolg zu führen, so meinte Schafheutle, »bedürfte es allerdings einer aus jahrelanger Arbeit im praktischen Strafvollzug erwachsenen Vertrautheit mit den mannigfachen Problemen des Strafvollzugs, die aus einer selbst Jahre dauernden Haft in tschechoslowakischen Gefängnissen allein nicht gewonnen werden« könne.90 Deshalb seien die Strafvollzugsreferenten des Reichsjustizministeriums früher stets aus den Leitern großer Vollzugsanstalten oder Beamten des Vollzugsdienstes in verantwortlicher Stellung ausgewählt worden. Mit diesen Bemerkungen tat Schafheutle nichts anderes, als seinem Mitarbeiter die fachliche Kompetenz für die Leitung des von diesem angeführten Referats abzusprechen. Das war schon für sich genommen ein ungewöhnliches Urteil. Doch damit nicht genug: »Wenn Dr. Herzog aus diesem Grund bei seinen Arbeiten zur Vorbereitung von Gesetzesentwürfen da und dort auf Schwierigkeiten stößt, so sind sie keineswegs ihm zur Last zu legen, da sein Ausbildungsgang und seine frühere Tätigkeit bei seiner Auswahl als Strafvoll88 Zit. n. Der Spiegel, Nr. 46/1971, S. 31. 89 Schafheutle an Strauß v. 18.7.1961 betr. Regierungsdirektor Dr. Josef Herzog, in: BMJ Personalakte Josef Herzog (P 11 – H 90), Bd. 1, Bl. 123. Warum der Leiter der Abteilung II den vorherigen Bitten – immerhin vier Stück im Zeitraum vom 28. Juni 1960 bis zum 18. April 1961 – nicht entsprach, ist unklar. 90 Dienstliche Beurteilung des Regierungsdirektors Dr. Herzog v. 18.7.1961, gez. Schafheutle, in: Ebd., Bl. 124 f., Zitat Bl. 125.

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zugsreferent bekannt waren.«91 Mit anderen Worten: Die Verantwortung liege letztlich bei Staatssekretär Strauß. Aus Sicht Schafheutles war die Besetzung des Postens mit dem Spätestheimkehrer Herzog ein personeller Fehlgriff. Das sah der Betroffene selbst freilich völlig anders. In einem mit zehn Seiten sehr ausführlichen Brief an Staatssekretär Strauß vom 24. Januar 1962 nahm er ausdrücklich auf die Beurteilung durch Schafheutle und den impliziten Vorwurf der mangelnden Praxiserfahrung Bezug und betonte, er habe sowohl bei aktiven als auch bei gewesenen Anstaltsleitern bislang stets Anerkennung gefunden.92 Umso schmerzlicher empfinde er es, dass sein Abteilungsleiter, »der mich selbst mit dem Referat für Strafvollzug betraut hat, nunmehr nach vier Jahren diesem Punkt ein solches Gewicht« beimesse.93 Was sich wie ein roter Faden durch den Brief Herzogs an Staatssekretär Strauß zog, war der Eindruck fehlender Aufmerksamkeit und Wertschätzung durch den Leiter der Strafrechtsabteilung. Beispielsweise bemängelte der Regierungsdirektor, Schafheutle habe noch kein Wort mit ihm über den nun schon mehr als ein Jahr lang vorliegenden Entwurf eines Vollstreckungsgesetzes gesprochen, obwohl er jenen Entwurf damals auf Weisung und in knapp bemessener Zeit habe vorlegen müssen.94 Um Strauß die Möglichkeit eines eigenen Urteils zu verschaffen, führte Herzog aus seinem Entwurf »ein einziges Beispiel als durchaus selbstständigen Versuch einer praktischen Lösung schwierigster Vollzugsprobleme« an: eine rechtsstaatlichen Ansprüchen genügende Regelung zur Entlohnung der Gefangenen für ihre Arbeit.95 Darüber hinaus skizzierte Herzog das, was er als drängende Aufgaben im Bereich des Strafvollzugs betrachtete.96 Allgemein, so der Regierungsdirektor, gebe es nach seiner Auffassung kaum ein Gebiet, auf dem die Bundesrepublik überzeugender und mit mehr Aussicht auf Erfolg ihren Willen zur Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit  – »sehr im Gegensatz zu Erscheinungen in der Zeit des Nationalsozialismus«  – unter Beweis stellen könnte.97 Für diese Aufgabe wolle er sich nach Kräften einsetzen, bekräftigte Herzog und fügte hinzu, dafür bedürfe er jedoch »der Hilfe eines Mitarbeiters und der Unterstützung und des Vertrauens meiner Vorgesetzten.«98 Damit war in erster Linie Abteilungsleiter Schafheutle gemeint. Gegenüber dem Staatssekretär hegte Herzog, wie er Strauß wissen ließ, volles Vertrauen: »Ich habe nie vergessen und bin noch jetzt von Dankbarkeit erfüllt, [sic!] für das Verständnis, das Sie für meine Lage nach meiner Rückkehr aus einer mehr als zehnjährigen Gefangenschaft

91 Ebd., Bl. 125. 92 Herzog an Strauß v. 24.1.1962 betr. Dienstliche Beurteilung, in: IfZArch, ED 94, Bd. 212, Bl. 143–153, hier Bl. 144. 93 Ebd., Bl. 144. 94 Ebd., Bl. 145. 95 Ebd., Bl. 146. 96 Ebd., Bl. 148–150. 97 Ebd., Bl. 151. 98 Ebd.

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hatten.«99 Weil er Strauß vertraue, unterrichte er ihn von einem Gespräch mit Schafheutle, in dem dieser auf die Frage nach dem beruflichen Fortkommen Herzogs ausweichend geantwortet habe, sowie von der als ungerecht empfundenen Beurteilung.100 Beides wolle er nicht widerspruchslos hinnehmen. Zur Begründung führte Herzog an: »Gerne würde ich sagen können, daß ich dies nur aus sachlichen Gründen, aus Neigung zu einer Aufgabe tue, für die ich mich erwärmt habe und für die ich mich vielleicht auch in etwa schicksalhaft berufen fühlen darf. Leider vermag ich das nicht, weil ich auch den sehnlichen Wunsch habe, mich endlich wieder vorbehaltlos in meine berufliche Laufbahn aufgenommen zu sehen. Das werde ich erst dann können, wenn ich Ministerialrat geworden bin, der ich wahrscheinlich ohne meine Gefangenschaft schon lange wäre.«101 Bemerkenswerterweise gab Strauß den Brief Herzogs nicht zu den Personalakten. Das Schreiben ist einzig im Nachlass des Staatssekretärs zu finden. Auf der ersten Seite notierte Strauß, er habe die Sache am 6. Februar mit dem Beamten besprochen; Dr. Haertel als Abteilungsleiter Z sei unterrichtet.102 Allerdings hatte Haertel wenige Wochen zuvor bereits im Grundsatz von der Angelegenheit erfahren. Vorangegangen war dem ein Gespräch zwischen Abteilungsleiter Schafheutle und dem Personalreferenten des Bundesjustizministeriums. In einem Vermerk hielt Winners sodann fest, dass sich Herzog nach seinen Möglichkeiten erkundigt habe, Ministerialrat zu werden, der Leiter der Abteilung II jedoch der Ansicht sei, es mangele dem Beamten an praktischer Erfahrung, sodass er nicht für die neue Ministerialratsstelle für die Strafvollzugsreform infrage komme.103 Des Weiteren gab Winners die Aussage Schafheutles wieder, wonach der Staatssekretär Herzog zwar mit der Note »sehr gut« der Abteilung II zugewiesen habe, er aber nur mit »vollbefriedigend« zu beurteilen sei – »und diese Note sei schon günstig.« Daher habe der Ministerialdirektor darauf hingewiesen, dass eine negative Antwort an Herzog gegebenenfalls von »Herrn Staatssekretär« erteilt werden müsste. Er selbst, so ließ sich Schafheutle von Winners vernehmen, habe gelegentlich einer Rücksprache mit Herzog diesem nicht mitgeteilt, dass er ihn nicht für geeignet halte. Allein, das brauchte er auch gar nicht auf direktem Wege zu tun, denn der Leiter des Strafvollzugsreferats hatte – wie sein Brief an Strauß beweist  – längst erkannt, dass ihn sein Vorgesetzter nicht für beförderungswürdig hielt. Der Leiter der Verwaltungsabteilung Haertel wusste also Bescheid. Wie er selbst die Personalangelegenheit Herzog beurteilte, entzieht sich der schriftlichen Überlieferung. Winners bemerkte in dem oben angeführten Vermerk vom 99 Ebd., Bl. 143. 100 Ebd. 101 Ebd., Bl. 143 f. 102 Notiz von Strauß o. D. auf dem Schreiben Herzogs v. 24.1.1962, in: Ebd., Bl. 143. 103 Vermerk von Winners v. 8.1.1962, in: BMJ, Generalakten betr. Höherer Dienst, Az. 220 BMJ – 1d, Ernennungsvorschläge für Beamte aufwärts ab Regierungsdirektor, Bl. 1.

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8. Januar zum weiteren Vorgehen lediglich, »zu gegebener Zeit – nach Klärung der Verteilung der neuen Planstelle –« werde Herzog über seine Aussichten zu unterrichten sein.104 Ende Mai desselben Jahres notierte der Personalreferent schließlich, die Beförderung von Regierungsdirektor Dr. Herzog zum Ministerialrat »läuft«.105 Mit Wirkung vom 1. Juni 1962 wurde Josef Herzog zum Ministerialrat ernannt.106 Dass Abteilungsleiter Schafheutle seine Meinung über ihn geändert hatte, erscheint wenig wahrscheinlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich Staatssekretär Strauß den Brief Herzogs zu Herzen genommen hatte und dafür Sorge trug, dass der Spätestheimkehrer sechs Jahre später als Ministerialrat in den Ruhestand gehen konnte. Letztlich hatte sich Strauß in der Beförderungsangelegenheit von Regierungsdirektor Herzog gegen Schafheutle durchgesetzt.

2.3 Alltägliches und Außergewöhnliches in der Personalpolitik Während Personalfragen in der Aufbauzeit des Ministeriums oft Chefsache gewesen waren, sich Strauß und Dehler also persönlich derartiger Fragestellun­ gen angenommen hatten, verschoben sich im Laufe der Zeit die Gewichte in Richtung Abteilungsleiter. Was mit der Bestellung Heinrich Richters zum Leiter der Abteilung Z begann, setzte sich unter dessen Nachfolger Kurt Haertel fort. Häufig wurden personelle Fragen zwischen den Abteilungsleitern verhandelt, bevor sie der Hausleitung zur Kenntnisnahme und gegebenenfalls zur Entscheidung vorgelegt wurden. a)

Dr. Hans-Joachim Glaesner

Die Kooperation zwischen den Abteilungsleitern in Fragen der Personalpolitik lässt sich anschaulich am Fall von Landgerichtsrat Dr. Glaesner illustrieren, der eigentlich an das Bundesjustizministerium abgeordnet, jedoch bis zum 31. Dezember 1961 vom Land zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beurlaubt war und seine Übernahme in das BMJ anstrebte. Vor diesem Hintergrund fragte der Abteilungsleiter Z Richter bei seinem Kollegen Roemer an, ob Glaesner voraussichtlich die fachliche und persönliche Qualifikation zum Ministerialrat hätte und ob seine Übernahme ein Gewinn für das Ministerium bedeuten würde  – denn nur dann könne die Bewilligung einer Beförderungsleerstelle 104 Ebd. 105 Notiz von Winners v. 25.5.[1962], in: Ebd., Bl. 1. 106 Herzog erhielt einem Vermerk von Winners vom 16. Juni 1962 zufolge die Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 von Ministerialrat Dr. von Spreckelsen. Siehe dazu die BMJ Personalakte Josef Herzog (P 11 – H 90), Bd. 1, Bl. 144.

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für Oberregierungsräte im Haushalt 1962 beantragt werden.107 Mithin wollte der Leiter der Verwaltungsabteilung im Rahmen einer vorausschauenden personellen Planung sicherstellen, dass Glaesner für die dauernde Verwendung im Bundesjustizministerium geeignet sei. Walter Roemer teilte seinem Kollegen in Abteilung Z auf dessen Anfrage hin mit, er halte den Landgerichtsrat in fachlicher wie persönlicher Hinsicht für den Ministerialdienst für geeignet. Allerdings komme Glaesner in Hinblick auf seine Einstufung in Brüssel und die inzwischen erfolgte »anderweitige Besetzung« des Referats IV 4 für eine Tätigkeit in seiner Abteilung nicht mehr in Betracht.108 Das genannte Referat umfasste die Zuständigkeiten für völkerrechtliche Verträge, Rechtsfragen der Friedensregelung, Besatzungsrecht und das Recht der Europäischen Gemeinschaften, soweit Letzteres nicht in Abteilung III fiel. Geleitet wurde das Referat bis Ende der fünfziger Jahre von Ministerialrat Wohlfarth, anschließend übernahm Oberregierungsrat Kern die Führung. b)

Johann-Georg Schätzler

Die Personalie Schätzler ist gleich in mehrfacher Hinsicht von Interesse für die Personalpolitik am Ende der Amtszeit von Staatssekretär Strauß. Allein die Tatsache, dass sich Schätzler im Dezember 1959 auf eine ausgeschriebene Mitarbeiterstelle in der strafrechtlichen Abteilung beworben hatte, verdeutlicht, welche Probleme das BMJ hatte, in den Ländern geeignete Kandidaten zu finden. Schätzler, der 1921 in Berlin geboren wurde, entstammte der Landesjustiz seiner Heimatstadt. Zum Zeitpunkt seiner Abordnung nach Bonn am 10. März 1960 war er Landgerichtsrat. Im Vorfeld der Abordnung hatte sich der Leiter der strafrechtlichen Abteilung Schafheutle noch nähere Informationen von Schätzler erbeten und diese auch bekommen. Neben einem handgeschriebenen Lebenslauf erläuterte der Landgerichtsrat auch seine besonderen Kenntnisse und Tätigkeiten, die unter anderem das Wirken als Assistent der Verteidigung in den Nürnberger Prozessen 1946/47, einen Studienaufenthalt an der Vanderbilt Law School in den USA , die Arbeit als Staatsanwalt bei einem amerikanischen Gericht in Berlin und die Rechtsberatertätigkeit am Obersten Rückerstattungsgericht umfassten.109 Sein bisheriger Werdegang und seine guten Examensergebnisse ließen Schätzler aus Sicht des BMJ geeignet für die Mitarbeit im Referat Gnaden- und Straffreiheitsrecht der Abteilung II erscheinen. Nach weniger als zwei Monaten auf der Rosenburg wurde der abgeordnete Landgerichtsrat zum Leiter 107 Dr. Richter an Roemer v. 24.4.1961 betr. Landgerichtsrat Dr. Glaesner, in: BMJ, Generalakten betr. Höherer Dienst, Az. 220 BMJ – 10, Eignung für Ministerialdienst, Bl. 3. 108 Roemer an Dr. Richter v. 29.4.1961 betr. Landgerichtsrat Dr. Glaesner, in: Ebd., Bl. 4. 109 Schätzler an Schafheutle v. 13.1.1960 betr. Höherer Dienst im BMJ; Mitarbeit in der Abteilung Strafrecht (persönlich), in: BMJ -Personalakte Johann-Georg Schätzler (P 11 – Sch 104), Bd. 1, Bl. 3 f., hier Bl. 3.

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des Referats bestellt, das außerdem noch die Zuständigkeiten für Haftentschädigungsrecht, Beziehungen zu den ausländischen Streitkräften auf dem Gebiete des Strafrechts sowie politische Beleidigungen (bis 1962) und später auch das Immunitätsrecht besaß. Nachdem Abteilungsleiter Schafheutle um Mitteilung gebeten worden war, ob eine Verlängerung der Abordnung Schätzlers über den 28. Februar 1961 hinaus geboten erscheine, sprach sich Unterabteilungsleiter Dr. Dallinger in Vertretung seines Vorgesetzten für eine verlängerte Abordnung aus. Aufgrund seiner schnellen wie guten Einarbeitung und auch wegen seiner fremdsprachlichen Kenntnisse sei Schätzler »eine wertvolle Kraft« für die strafrechtliche Abteilung geworden.110 Überdies, so fügte Dallinger noch hinzu, wäre es für das Bundesjustizministerium »vom personalpolitischen Standpunkt aus unökonomisch«, wenn die Abordnung nicht verlängert würde. Daraus sprach das Bestreben, für eine Kontinuität in der Arbeit des Referats und damit in der Unterabteilung und der gesamten Abteilung zu sorgen, häufige Wechsel von (Hilfs-)Referenten aber zu vermeiden. Zugleich ist das von Dallinger unterzeichnete Schreiben ein Ausdruck davon, dass die Fachabteilungen des BMJ durchaus eine eigene Personalpolitik betrieben oder zumindest doch ein gehöriges Wort mitzureden hatten, bevor die Hausleitung eine Entscheidung traf. Im Fall von Schätzler gab Dallinger noch zu Protokoll, dass seine Abteilung erwäge, den Landgerichtsrat bei gleichbleibender Entwicklung »zu gegebener Zeit« für die Übernahme auf eine Planstelle des Bundesjustizministeriums vorzuschlagen.111 Wenige Monate später wurde die Übernahme Schätzlers als Oberregierungsrat in den Bundesdienst auf Veranlassung von Abteilungsleiter Schafheutle in die Wege geleitet.112 Zuvor hatten Abteilungsleiter Z Richter und Personalreferent Winners den Leiter der strafrechtlichen Abteilung darüber informiert, dass die Oberregierungsratsstelle Raisch voraussichtlich in aller Kürze frei werde und zur Übernahme eines in Abteilung II tätigen Richters oder Staatsanwalts aus dem Landesjustizdienst zur Verfügung stehe.113 In diesem Zuge wurde Schafheutle um Vorschläge gebeten. Allerdings hieß es ergänzend: »Als Nachfolger auf der Planstelle dürften etwa in Betracht kommen: Schätzler, Göhler (StA), Göhler (LGR), Pötz, Kaul.«114 Die Wahl von Schafheutle fiel auf Schätzler. Staatssekretär Strauß war mit dieser Personalangelegenheit offenbar nur am Rande befasst, zumindest notierte der für Personalien zuständige Referent Winners, die Frage

110 Der Leiter der Abteilung II an Maassen v. 19.1.1961 betr. Landgerichtsrat Johann-Georg Schätzler, gez. Dallinger, in: Ebd., Bl. 35. 111 Ebd. 112 Schafheutle an Winners v. 18.5.1961 betr. Übernahme des Landgerichtsrats JohannGeorg Schätzler als Oberregierungsrat, in: Ebd., Bl. 92. 113 Personalreferat an den Abteilungsleiter II v. 17.4.1961 betr. Besetzung der strafrechtlichen Abteilung des BMJ, gez. Dr. Richter, in: BMJ, Generalpersonalakten betr. Höherer Dienst, Az. 220 BMJ – 1c, Ernennungsvorschläge für Beamte aufwärts bis ORR , Bl. 1. 114 Ebd.

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der Übernahme werden aus den Personalakten entschieden.115 Das bedeutete, dass man sich auf die Einschätzung der verantwortlichen Personen an der Spitze der Abteilung II verließ. Allerdings taten sich im Folgenden noch näher zu erläuternde Schwierigkeiten auf, bis Landgerichtsrat Schätzler mit Wirkung vom 6. Juli 1961 zum Oberregierungsrat befördert und in den Bundesdienst übernommen werden konnte.116 c)

Burkhard Klingsporn

Im Zuge des Ernennungsverfahrens Johann-Georg Schätzlers machte der im Bundesjustizministerium ansässige Personalrat darauf aufmerksam, dass auch Landgerichtsrat Burkhard Klingsporn zur Ernennung zum Oberregierungsrat heranstehe.117 Der 1923 in Stettin geborene Klingsporn war seit Mai 1957 von Schleswig-Holstein an das BMJ abgeordnet und dort Hilfsreferent bei Ministerialrat Dr. Weitnauer in der zivilrechtlichen Abteilung; ein Jahr später erfolgte im Land seine Ernennung zum Landgerichtsrat. Zwar habe der Personalrat, so dessen Vertreter Dr. Marquordt, »an sich« keine Einwendungen gegen die Ernennung von Landgerichtsrat Schätzler zum Oberregierungsrat, doch habe er bereits in Bezug auf den Beförderungsvorschlag von Amtsgerichtsrat SchmitzPfeiffer118 darauf hingewiesen, dass Klingsporn nicht hinter diesem zurücktreten dürfe; dasselbe gelte nun auch im Verhältnis zu Schätzler. Die deshalb erbetene Besprechung trug offenkundig zu einem Interessenausgleich zwischen Hausleitung und Personalrat bei. Doch war dem eine hausinterne Absprache vorausgegangen: Noch am selben Tag, an dem das Schreiben des Personalrats einging, hielt Winners in einem Vermerk fest, dass der Leiter der zivilrechtlichen Abteilung ihm mitgeteilt habe, der Abteilungsleiter II habe sich »grundsätzlich nicht abgeneigt gezeigt«, für Klingsporn eine Oberregierungsratsstelle der Strafrechtsabteilung zur Verfügung zu stellen.119 Wenige Tage später richtete 115 Vermerk von Winners v. 24.5.1961, in: BMJ -Personalakte Johann-Georg Schätzler (P 11 – Sch 104), Bd. 1, Bl. 92. 116 Bevor er 1984 in den Ruhestand trat, wurde Schätzler noch zum Regierungsdirektor (1964) und schließlich zum Ministerialrat (1970) befördert. Zu seiner Rolle in Bezug auf die Fortgeltung der NS -Gnadenordnung von 1935 siehe Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 192 f. International war Schätzler hochgeachtet, was nicht zuletzt durch die Verleihung der amerikanischen Verdienstmedaille »The Outstanding Civilian Service Medal« im September 1984 zum Ausdruck kam. Siehe dazu die BMJ -Personalakte Johann-Georg Schätzler (P 11 – Sch 104), Bd. 2, Bl. 367. 117 Der Personalrat im BMJ an den BMdJ v. 23.6.1961 betr. Landgerichtsrat Johann-Georg Schätzler; Versetzung an das BMJ, gez. Marquordt, in: BMJ -Personalakte Johann-Georg Schätzler (P 11 – Sch 104), Bd. 1, Bl. 59. 118 Ulrich Schmitz-Pfeiffer, Jahrgang 1926, wechselte später, im Frühjahr 1966, zum Bundesministerium für Familie und Jugend. 119 Vermerk von Winners v. 23.6.1961, in: BMJ, Generalpersonalakten betr. Höherer Dienst, Az. 220 BMJ – 1c, Ernennungsvorschläge für Beamte aufwärts bis ORR , Bl. 3.

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Personalreferent Winners eine offizielle Anfrage an Schafheutle, ob dieser einverstanden sei, dass außer Schätzler auch Klingsporn – »und zwar ersterer auf der für ihn reservierten und letzterer auf der zweiten noch freien ORR-Stelle« – ernannt werde.120 Was Winners vorschlug, glich einem Tauschgeschäft, denn sollte Schafheutle einverstanden sein, würde die im Haushalt 1962 für den Hilfsreferenten im Referat von Weitnauer angeforderte Oberregierungsratsstelle nach ihrer sehr wahrscheinlichen Bewilligung der strafrechtlichen Abteilung zur Verfügung stehen. Zur Begründung seines Begehrens führte der Personalreferent die Äußerungen des Personalrats an, denen zufolge die Übernahme Klingsporns unter Beförderung zum Oberregierungsrat vordringlich sei. Nachdem sich Abteilungsleiter Schafheutle mit dem von Winners vorgeschlagenen Vorgehen einverstanden erklärt hatte, stand der Ernennung des Landgerichtsrats nichts mehr im Wege.121 Zum 1. September 1961 wurde Klingsporn schließlich als Oberregierungsrat in den Dienst des Bundes übernommen. Dem BMJ gehörte er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1988 an. d)

Elmar Thurn

Obgleich die personalpolitische Eigenständigkeit der Abteilungen mit fortschreitender Amtszeit von Staatssekretär Strauß immer weiter zunahm, behielt sich der oberste Beamte des BMJ stets wichtige oder ihm wichtig erscheinende Entscheidungen vor. Beispielsweise schrieb er am 15. Oktober 1962 an den Leiter der Verwaltungsabteilung Haertel, wo er Landgerichtsrat Elmar Thurn einzusetzen gedenke, nämlich nicht im bisher von Goßrau verwalteten Referat, sondern im Referat II 1 bei Schölz.122 Die Personalie Thurn indes ist von allgemeinem Interesse für die Personalpolitik gegen Ende der Amtszeit des immerwährenden Staatssekretärs. Auf dem Wege der Abordnung war der 1921 in Berlin geborene Landgerichtsrat seit dem 1. Oktober 1958 in der strafrechtlichen Abteilung des BMJ beschäftigt. Angestellt war er am Landgericht Siegen. Bemerkenswerterweise hatte Strauß den Zeitpunkt von Thurns Dienstantritt auf der Rosenburg von der Rückkehr des ebenso dem nordrhein-westfälischen Justizdienst angehörenden Gerichtsassessors Dr. Dickescheidt in das Land abhängig gemacht.123 Nach einigen Monaten im Bonner Justizministerium ließ Unterabteilungsleiter Dallinger stellvertretend für Abteilungsleiter Schafheutle den Personalreferenten 120 Winners an Schafheutle v. 27.6.1961 betr. Höherer Dienst im BMJ, hier: Landgerichtsrat Klingsporn, in: Ebd., Bl. 4. 121 Schafheutle an Winners v. 6.7.1961, in: Ebd., Bl. 5. 122 Strauß an Haertel v. 15.10.1962, in: BMJ -Personalakte Elmar Thurn (P 11 – T 16), Bd. 1, Bl. 108a. 123 Strauß an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen v. 12.4.1958 betr. Höherer Dienst im BMJ; hier: Landgerichtsrat Elmar Thurn vom Landgericht in Siegen, in: Ebd., Bl. 2.

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wissen, dass Thurn »auf die übliche Abordnungszeit von drei Jahren« im Ministerium beschäftigt bleiben solle.124 Etwa ein Jahr vor dem Ende der Abordnung erwog das BMJ die Übernahme Thurns als Oberregierungsrat – unter der Bedingung, dass die strafrechtliche Abteilung seine Eignung bejahe. Nach »Alter, Dienstalter und Hausdienstalter« komme der Landgerichtsrat grundsätzlich für eine Übernahme in Betracht, wie Winners weiter festhielt.125 Allein, Thurn war nicht geneigt, in den Bundesdienst zu wechseln, wie er gegenüber Ministerialdirigent Richter kundgab, da das Land ihm eine weitere Verwendung als Richter in Bonn in Aussicht gestellt habe.126 Einige Monate später unterrichtete er auch Winners davon.127 Da sich die Rückkehr in eine Stelle des nordrhein-westfälischen Justizdienstes verzögerte, blieb Thurn bis Ende Dezember 1961 auf der Rosenburg. Die Verantwortlichen in der strafrechtlichen Abteilung waren sehr zufrieden mit der von Landgerichtsrat Thurn geleis­teten Arbeit. Zwei Dokumente untermauern das. Da ist zum einen die von Ministerialrat Dr. Goßrau erstellte dienstliche Beurteilung, in der der Leiter des Referats II 5 vor allem auf die besondere Eignung für gesetzgeberische Arbeiten abstellte, bei denen Thurn »seine Erfindungsgabe und seine Formulierungskunst« auszeichneten.128 Unterabteilungsleiter Dallinger und der Leiter der Abteilung II Schafheutle traten der Beurteilung bei. Das zweite Dokument, das die Zufriedenheit mit Thurn unterstreicht, ist ein Vermerk des Personalreferenten, in dem er die Mitteilung Schafheutles verschriftlichte, der zufolge Thurn auch als »Assistent« für die Abgeordneten Bundesminister a. D. Dr. Dehler und Generalbundesanwalt Dr. h. c. Güde in Betracht komme »und beiden Herren benannt« worden sei.129 Was ihn für diese nicht näher beschriebene Assistentenfunktion besonders qualifizierte, darüber schweigen die Akten freilich. Möglicherweise war es auch »nur« seine besondere Tüchtigkeit, die den Abteilungsleiter bewog, seinen Mitarbeiter dafür zu benennen. Als Elmar Thurn im Begriff stand, die Rosenburg zu verlassen, sprach ihm der Leiter der Abteilung Z Haertel in Vertretung des Staatssekretärs Dank und Anerkennung für die mehr als drei Jahre währende Mitarbeit im Bundesjustizministerium aus.130 Doch der Abschied sollte kein endgültiger sein. Bereits im darauffolgenden Sommer unternahm die Abteilung II einen neuen Versuch, Thurn für einen Übertritt ins Bundesministerium der Justiz zu gewinnen. Unter dem 14. August 1962 informierte Haertel seinen Abteilungsleiterkollegen Schafheutle, dass keine Bedenken bestünden, den Landgerichtsrat als Regie124 Der Leiter der Abteilung II an Winners v. 19.3.1959, gez. Dr. Dallinger, in: Ebd., Bl. 33. 125 Vermerk von Winners v. 4.10.1960 betr. Landgerichtsrat Thurn, in: Ebd., Bl. 52. 126 Vermerk von Winners v. 25.10.1960, in: Ebd., Bl. 52 (RS). 127 Notiz von Thurn für Winners v. 18.5.1961, in: Ebd., Bl. 56a. 128 Dr. Goßrau v. 6.7.1961 betr. Beurteilung des Landgerichtsrats Elmar Thurn, in: BMJ Personalakte Elmar Thurn (P 11 – T 16), BMJ -Beurteilungsheft, Bl. 2 f., Zitat Bl. 2. 129 Vermerk von Winners v. 1.11.1961, in: BMJ -Personalakte Elmar Thurn (P 11 – T 16), Bd. 1, Bl. 82. 130 Haertel an Thurn v. 22.12.1961, in: Ebd., Bl. 83.

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rungsdirektor in das BMJ zu berufen.131 Ähnlich wie zwei Jahre zuvor konnte sich Thurn nicht für einen Übertritt zum Bonner Justizministerium erwärmen, erklärte sich aber dennoch damit einverstanden, wenn er nicht in NordrheinWestfalen zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und sodann an das BMJ abgeordnet würde. Wie Eduard Dreher in Vertretung von Schafheutle festhielt, sei Thurn zwar grundsätzlich zu einer Rückkehr auf die Rosenburg bereit, wolle aber nach vier bis fünf Jahren wieder Richter werden.132 Im Gespräch mit dem Landgerichtsrat habe er, so Dreher, diesem zugesichert, sich in Düsseldorf dafür einzusetzen, dass Thurn zum Oberlandesgerichtsrat befördert würde. Deshalb werde er mit Ministerialdirigent Scheufler in Düsseldorf »fernmündlich Fühlung nehmen«. An dieser Stelle wird erneut sichtbar, dass die Fachabteilungen des Bundesjustizministeriums durchaus eine eigenständige Aktivität in der Personalpolitik entwickeln konnten. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1962 wurde Elmar Thurn zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und einen Monat später an das BMJ abgeordnet. Zunächst war dafür eine Dauer von wiederum drei Jahren vorgesehen, doch tatsächlich wurden es fast fünf. Anfang des Jahres 1967 erhielt Thurn die Ernennungsurkunde zum Ministerialrat im Bundesjustizministerium. Im insgesamt dritten Anlauf hatte er sich für eine dauerhafte Tätigkeit auf der Rosenburg entschieden.133 Kurz vor seiner zweiten Abordnung an das BMJ im Jahre 1962 notierte der Referent für Wehrstrafrecht Ministerialrat Schölz, er unterstütze den Wunsch von Thurn, im Wehrstrafrechtsreferat mitzuarbeiten, nachhaltig.134 So habe er Abteilungsleiter Schafheutle wiederholt vorgetragen, dass Thurn »die Idealbesetzung« für das Referat Wehrstrafrecht wäre. Gegenüber Ministerialdirigent Dreher bekräftigte Thurn in einem Brief vom 28. September 1962, dass er in erster Linie im Referat Wehrstrafrecht mitarbeiten wolle, eventuell auch verfahrensrechtliche Teile des Referats II 5 nach näherer Abgrenzung mit Dr. Göhler übernehmen könne, aber nur »sehr ungern« das ehemalige Referat Tröndle übernähme.135 In Hinblick auf seinen Status regte Thurn an, dass er vom Justizministerium in Düsseldorf auf die Leerstelle gesetzt werden könnte, die derzeit von Dr. von der Linden, von dem gleich noch ausführlich die Rede sein wird, besetzt sei, falls dieser an seiner statt Regierungsdirektor würde. So brauche Nordrhein-Westfalen keine

131 Haertel an Schafheutle v. 14.8.1962 betr. Einstellung von Landgerichtsrat Elmar Thurn, in: Ebd., Bl. 98. 132 Der Leiter der Abt. II an Haertel und Winners v. 27.9.1962 betr. Einberufung von Landgerichtsrat Thurn, gez. Dr. Dreher, in: Ebd., Bl. 99. 133 1979 kehrte Thurn dann doch noch einmal ins Richteramt zurück. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1986 wirkte er als Richter im Ersten Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts. 134 Vermerk von Schölz für Schafheutle und Haertel v. 28.9.1962 betr. Besetzung der A 15-Stelle im Referat Wehrstrafrecht, in: BMJ -Personalakte Elmar Thurn (P 11 – T 16), Bd. 1, Bl. 100. 135 Thurn an Dreher v. 28.9.1962, in: Ebd., Bl. 101 f., Zitat Bl. 102.

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neue Leerstelle für Oberlandesgerichtsräte zu opfern.136 Gut zwei Wochen nach dem Schreiben von Thurn an Dreher setzte Staatssekretär Strauß – wie eingangs erwähnt  – den Leiter der Abteilung Z davon in Kenntnis, dass er den Landgerichtsrat im Referat von Schölz einzusetzen gedenke. Ob Strauß damit Rücksicht auf die Wünsche des Betroffenen bzw. des zuständigen Referatsleiters nahm oder sich dabei von anderen Erwägungen leiten ließ, geht aus den Akten nicht hervor. Indessen verdeutlicht die Aussage des Staatssekretärs, dass er es war, der, freilich abgesehen vom Minister, die letzte Entscheidung in personalpolitischen Fragen und solchen des Arbeitseinsatzes beanspruchen konnte. e)

Dr. August Robert von der Linden

Im Fall des Landgerichtsrats von der Linden werden – vor allem in Bezug auf den Beamtenersatz aus den Ländern – viele bisher erläuterte Aspekte der Personalpolitik sichtbar. Der 1918 in Oberhausen geborene Richter war seit Mitte März 1957 vom Oberlandesgericht Köln an das BMJ abgeordnet und dort in der strafrechtlichen Abteilung tätig. Anfang November desselben Jahres bat Abteilungsleiter Schafheutle seinen Kollegen in Abteilung Z, von der Linden unter Beförderung zum Oberregierungsrat auf eine Planstelle des BMJ zu übernehmen.137 Doch mit der einen Monat später tatsächlich erfolgten Übernahme in den Bundesdienst begann der Fall erst spannend zu werden. Ein Vermerk von Personalreferent Winners vom 12. September 1960 gibt darüber Auskunft, dass die Frage einer möglichen Ernennung von der Lindens zum Oberlandesgerichtsrat in Nordrhein-Westfalen und eine spätere Rückübernahme in den Dienst des Bundes zwischen den Verantwortlichen in Bonn und Düsseldorf diskutiert wurde.138 Wenige Wochen später wandte sich dann Bundesjustizminister Fritz Schäffer persönlich an seinen nordrhein-westfälischen Amtskollegen. Bereits im Eingangssatz machte der Minister deutlich, dass er Sorge davor habe, Oberregierungsrat von der Linden zu verlieren, wenn demselben nicht eine Förderung, wie er sie verdiene, zuteil werde.139 Über die Tätigkeit des Beamten im Bundesjustizministerium bemerkte Schäffer, er habe sich als Referent in der strafrechtlichen Abteilung »mit besonders anzuerkennenden Leistungen« bewährt und sei »nach Alter, Dienstalter, Befähigung und Leistung« beförderungsreif.140 Allerdings werde im BMJ in absehbarer Zeit leider keine Stelle frei, auf die von der Linden befördert werden könnte. Diese Lage sei insofern unbefriedigend, als der Beamte 136 Ebd., Bl. 101. 137 Schafheutle an Richter v. 8.11.1957 betr. Landgerichtsrat Dr. von der Linden, in: BMJ Personalakte August Robert von der Linden (P 11 – L 54), Bd. 1, Bl. 22. 138 Vermerk von Winners v. 12.9.1960, in: Ebd., Bl. 76. 139 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen v. 4.10.1960, in: Ebd., Bl. 77 f., hier Bl. 77. 140 Ebd., Bl. 77.

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bei einem Verbleib im Landesdienst wohl bereits zum Oberlandesgerichtsrat befördert worden wäre oder zumindest kurz davor stünde. Vor diesem Hintergrund sei damit zu rechnen, dass von der Linden seine Rückkehr in den Landesjustizdienst anstrebe, was jedoch mit dem dienstlichen Interesse des BMJ kollidieren würde. So sei der Oberregierungsrat in der durch die Arbeiten zur Strafrechts- und Strafverfahrensreform stark überlasteten strafrechtlichen Abteilung unentbehrlich. Seit nunmehr fünf Monaten habe sich der Beamte in das Nebenstrafrecht eingearbeitet und sei mit der Anpassung desselben an den Entwurf des Strafgesetzbuches befasst. Ein weiterer Referentenwechsel – es wäre bereits der vierte in diesem Gebiet seit Frühjahr 1958 – sei nicht mehr erträglich. Er lege daher »größten Wert« darauf, von der Linden zu behalten, so Bundesjustizminister Schäffer.141 Weiter betonte er, dem Beamten ein Verbleiben im BMJ aber nur dann zumuten zu können, wenn ihm das verdiente berufliche Fortkommen gesichert werde. An seinen Amtskollegen in Düsseldorf gewandt, bat Schäffer um eine Prüfung, »ob Dr. von der Linden nicht auf einer Planstelle der Landesjustiz zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und gleichzeitig an das Bundesjustizministerium abgeordnet« werden könne.142 Außerdem regte er an, dass der Beamte nach seiner Ernennung vielleicht auf einer Leerstelle des Landes geführt werden könnte.143 Der im Mai 1963 von Kurt Haertel abgefasste Vermerk zur Umgestaltung der Abteilung Z enthielt wie oben erwähnt nicht zuletzt die Klage über eine unzureichende Anzahl an Beförderungsstellen im BMJ. Der Fall von der Lindens ist hierfür ein gutes Beispiel. Eine Möglichkeit, dieses Problems Herr zu werden, sah die Hausleitung darin, eine Beförderung im Land anzuregen. Von dieser Option war bereits im ersten Kapitel die Rede. Die Besonderheit im Falle des Oberregierungsrats von der Linden bestand jedoch darin, dass er nicht mehr dem Landes-, sondern bereits dem Bundesjustizdienst angehörte. Innerhalb der nordrhein-westfälischen Landesregierung ergaben sich Schwierigkeiten, die von Bundesjustizminister Schäffer angestoßene Lösung in die Tat umzusetzen. So notierte der Persönliche Referent des Ministers, Florian Messerer, der Justizminister in Düsseldorf habe zwar zugesichert, sich für das Anliegen des BMJ einzusetzen, gleichzeitig aber darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr schwierig sein werde, seinen Kollegen aus dem Finanzressort zu überzeugen.144 Messerer gab die Äußerungen des nordrhein-westfälischen Justizministers Otto Flehinghaus (CDU) gegenüber Minister Schäffer wie folgt wieder: »Man müsse damit rechnen, daß eine Bestätigung verlangt werde, daß es sich hier um einen 141 Ebd., Bl. 78. 142 Ebd. 143 Das »vielleicht« hat Staatssekretär Strauß handschriftlich in dem Entwurf des Ministerschreibens ergänzt. 144 Vermerk von Messerer über Dr. Richter an Winners o. D. [Winners notierte unten neben seinem Namenskürzel 2.11.], in: BMJ -Personalakte August Robert von der Linden (P 11 – L 54), Bd. 1, unpag. Bl.

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Ausnahme- und Einzelfall handele, der nicht als Präjudiz für später noch auftretende Fälle gewertet werden dürfte.« Am 22. November 1960 erhielt Bundesjustizminister Schäffer die Mitteilung vom Land, dass es nicht möglich sei, Oberregierungsrat von der Linden zum Oberlandesgerichtsrat in Nordrhein-Westfalen zu ernennen.145 Unter Umständen, so habe es Ministerialdirigent Dr. Wolfram vom Düsseldorfer Justizministerium zu verstehen gegeben, wäre eine Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat leichter, wenn der Beamte zunächst zum Amtsgerichtsrat oder Landgerichtsrat ernannt würde. Als Reaktion darauf setzte man auf der Rosenburg ein Schreiben auf, in dem Schäffer seinen Kollegen darüber informierte, dass der Betroffene dazu bereit sei, sich als Amtsgerichtsrat oder Landgerichtsrat in den Landesdienst zurückübernehmen zu lassen, um so aus einer Richtereingangsstelle in die Stelle eines Oberlandesgerichtsrats befördert zu werden.146 Da von der Linden in der strafrechtlichen Abteilung unentbehrlich sei, sollte seine Beschäftigung im Bundesjustizministerium durch eine Ernennung im Landesdienst aber nicht unterbrochen werden, mahnte Schäffer. In seiner Antwort teilte Justizminister Flehinghaus dem Amtskollegen im BMJ mit, dass er vorbehaltlich der Zustimmung des Finanzministers bereit sei, von der Linden in eine Eingangsstelle des richterlichen Dienstes zu übernehmen.147 Zu der vom Bundesminister der Justiz angemahnten Aufrechterhaltung der Abordnung von der Lindens bemerkte Flehinghaus, »aus grundsätzlichen Erwägungen« keine bindende Zusage darüber zu geben, ob und wie lange die Abordnung eines Richters im Landesdienst an eine andere Behörde aufrecht erhalten werden könne.148 Vorerst war es also offen, ob von der Linden weiter in Bonn an dem Nebenstrafrecht würde arbeiten können. Mit Wirkung vom 1. März 1961 wurde der Betroffene dann aber als Landgerichtsrat in den nordrhein-westfälischen Justizdienst übernommen und in eine Planstelle beim Landgericht Köln eingewiesen. Die Abordnung an das Bundesjustizministerium blieb bestehen. Nicht mehr als fünf Wochen später erkundigte sich der zuständige Leiter der Unterabteilung bei Personalreferent Winners, wann mit einer Beförderung von der Lindens zu rechnen sei.149 Nach einigen Gesprächen zwischen den Verantwortlichen der Justizministerien in Bonn und Düsseldorf nahm die Beförderungsangelegenheit von der Lindens immer mehr Kontur an. Der Landgerichtsrat bewarb sich um eine Oberlandesgerichtsratsstelle in Köln.150 Allerdings wollten sich die für Personalangelegenheiten zuständigen Stellen im nordrhein-westfälischen Justizministerium absichern und fragten bei den Kollegen in Bonn an, ob nach einer Ernennung von der Lindens zum Oberlandesgerichtsrat mit 145 Vermerk von BMdJ Schäffer v. 28.11.1960, in: Ebd., Bl. 92. 146 Der BMdJ an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, in: Ebd., Bl. 92. 147 Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den BMdJ v. 11.12.1960, in: Ebd., Bl. 96 f., hier Bl. 96. 148 Ebd., Bl. 96. 149 Vermerk von Winners v. 7.4.1961, in: Ebd., Bl. 115. 150 Vermerk von Winners v. 16.10.1961, in: Ebd., Bl. 143.

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seiner Übernahme in den Bundesdienst zu rechnen sei.151 Winners, der sich beim Leiter der strafrechtlichen Abteilung entsprechend erkundigt hatte – von einer Beteiligung des Staatssekretärs im BMJ ist keine Rede –, notierte Ende Oktober 1961, Schafheutle habe die Frage der Übernahme bejaht und seinerseits Staatssekretär Krille im nordrhein-westfälischen Justizministerium kürzlich bereits mitgeteilt, dass von der Linden auf eine Regierungsdirektorstelle übernommen werden solle, sobald diese im neuen Haushalt bewilligt sei.152 Ferner habe der Abteilungsleiter zu verstehen gegeben, dass er großen Wert auf von der Linden lege, da derselbe ein sehr gewissenhafter und sorgfältiger Arbeiter sei. Im Anschluss an die von Schafheutle erteilte Auskunft habe er den Personalreferenten im Düsseldorfer Justizministerium davon unterrichtet, dass der Leiter der Abteilung II von der Linden im BMJ behalten möchte und an seine Übernahme auf eine im nächsten Haushalt zu bewilligende Regierungsdirektorstelle denke.153 Es kam jedoch anders. Wie aus einem späteren Schreiben von 1963 hervorgeht, blieb von der Linden auch nach seiner am 20. Dezember 1961 erfolgten Ernennung zum Oberlandesgerichtsrat an das Bundesministerium der Justiz abgeordnet. Auf Dauer, so bemerkte Schafheutle gegenüber seinem Abteilungsleiterkollegen Dr. Richter, sei von der Linden als Leiter des Referats Nebenstrafrecht vorgesehen. »Wenn er bisher noch nicht als Regierungsdirektor übernommen worden ist«, so stellte Schafheutle klar, »so liegt das nur daran, daß er aus persönlichen Gründen bis auf weiteres Oberlandesgerichtsrat bleiben will.«154 Aus diesen Gründen bitte er darum, die Abordnung von der Lindens bestehen zu lassen. Als es ein Jahr später erneut um die Verlängerung der Abordnung des Oberlandesgerichtsrats ging, hatte sich allem Anschein nach das Blatt gewendet. Denn nun betonte Abteilungsleiter Schafheutle, von der Linden befinde sich nur deshalb im Abordnungsverhältnis, weil eine entsprechende Planstelle für ihn im Hause nicht vorhanden sei.155 Da er aber als Referent für das Arbeitsgebiet Nebenstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht dauerhaft benötigt werde, bat Schafheutle darum, dass die Abordnung »für mehrere Jahre« verlängert werde. Möglicherweise hatten sich die Gründe dafür, dass von der Linden vorerst nicht auf eine Planstelle des Bundesjustizministeriums zurückkehrte, tatsächlich geändert. Andere Fälle, von denen bereits die Rede war, haben denn auch gezeigt, dass sowohl ein Mangel an Planstellen als auch die persönlichen Vorlieben des betreffenden Beamten den Ausschlag geben konnten.156 August Robert von der Linden jedenfalls wurde zum 1. Mai 1966 als Ministerialrat in den Dienst 151 Vermerk von Winners v. 25.10.1961, in: Ebd., Bl. 144. 152 Ebd. 153 Ebd. 154 Schafheutle an Dr. Richter v. 8.11.1963, in: Ebd., Bl. 174. 155 Schafheutle an das Referat Z 8 v. 19.10.1964 betr. OLGR Dr. August Robert von der Linden vom OLG Köln, seit 1. März 1961 an das BMJ abgeordnet, in: Ebd., Bl. 188. 156 Für Ersteres siehe das im ersten Kapitel geschilderte Beispiel von Karl-Heinz Nüse, für Letzteres siehe das oben erwähnte Beispiel von Elmar Thurn.

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des Bundesjustizministeriums übernommen. Sein Fall zeigt exemplarisch, mit welchen Schwierigkeiten die Rekrutierung von Beamten aus den Ländern einhergehen konnte. Im Übrigen verdeutlicht der Fall von der Linden einmal mehr, dass sich Staatssekretär Strauß aus dem personalpolitischen Tagesgeschäft weitgehend zurückgezogen hatte und dem Leiter der Verwaltungsabteilung sowie dem Personalreferenten mehr oder weniger das Feld überließ. f)

Dr. Franz Schlüter

Im Januar 1963, also kurz vor dem Ausscheiden von Staatssekretär Strauß aus dem BMJ, wurde die bereits ausführlich erörterte Causa Schlüter noch einmal dem Bundesminister der Justiz vorgetragen. Neben dessen Persönlichem Referenten Messerer waren dabei zugegen der mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragte Abteilungsleiter III Joël wie auch die zuständigen Abteilungsleiter Bülow (I) und Haertel (Z), Personalreferent Winners und Richterrechtsreferent Schmidt-Räntsch. Schlüter selbst war inzwischen zum Senatspräsidenten beim Bundespatentgericht befördert worden. Während des Vortrags beim Minister bezeichnete Schmidt-Räntsch das Urteil Svoboda als einer näheren Prüfung bedürftig. Wegen Vorbereitung von kommunistischem Hochverrat und Feindbegünstigung im sogenannten Protektorat waren Ende 1942 Todesurteile gegen drei tschechische Gymnasiasten ergangen. Dazu bemerkte der für Richterrecht zuständige Referent des BMJ: »Die Tätigkeit der Verurteilten hatte aber keinen nennenswerten Umfang und Erfolg und war schließlich eingestellt worden. Das Urteil ist mit Rücksicht auf die geringe praktische Bedeutung der Tat und die Jugend der Verurteilten besonders hart und liegt an der Grenze zur Exzessivität.«157 Das Ergebnis der Besprechung: Es sei derzeit nichts veranlasst. Ergänzend hieß es lediglich, sollte das Parlament »Maßnahmen gegen belastende [sic!] Richter« beschließen, wäre Senatspräsident Dr. Schlüter »zu hören«; abschließend wäre dann zu entscheiden, ob Exzessivität vorliege.158 Auch wenn es die Zeit berührt, in der Walter Strauß schon nicht mehr Staatssekretär im BMJ war, sei der Vollständigkeit halber der Ausgang des Falls Schlüter in der gebotenen Kürze geschildert. Als im Februar 1965 im Rechtsausschuss des Bundestages eine Beratung der mit § 116 des Deutschen Richtergesetzes, der den vorzeitigen Ruhestand NS -belasteter Richter und Staatsanwälte ermöglichte, zusammenhängenden Fragen anstand, kam die Angelegenheit Schlüter erneut auf die Tagesordnung des Bundesjustizministeriums. Personalreferent Kern, der 157 Wiedergabe der Äußerungen von Schmidt-Räntsch in einem Vermerk von Winners v. 1.3.1963 betr. Senatspräsident Dr. Schlüter beim Bundespatentgericht, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 61 – Sch 9, Bd. 4, Bl. 463 f., Zitat ebd. 158 Vermerk von Winners v. 1.3.1963 betr. Senatspräsident Dr. Schlüter beim Bundespatentgericht, in: Ebd., Bl. 463 f., Zitat S. 464.

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Nachfolger von Winners in dieser Funktion, erbat von Schmidt-Räntsch eine Stellungnahme, ob Exzessivität vorliege.159 Der Richterrechtsreferent verwies auf seine früheren Äußerungen zum Fall Schlüter und fügte noch hinzu, wenn die im Zusammenwirken mit den Landesjustizverwaltungen erarbeiteten Maßstäbe über die Exzessivität zugrunde gelegt würden, erwecke das Urteil gegen Svoboda Bedenken.160 Das Gesagte ein Stück weit relativierend führte Schmidt-Räntsch aus: »Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Betrachtungsweise, soweit es um Urteile des früheren Volksgerichtshofs geht, in der Zwischenzeit eher strenger als milder geworden ist.« Die Hausleitung des BMJ nahm die Stellungnahme des Referenten zum Anlass, Schlüter um eine erneute Äußerung zu den Urteilen, insbesondere zu dem im Fall Svoboda ergangenen, zu bitten.161 Der Befragte verwies wiederum auf seine früheren Stellungnahmen und bat ferner um Verständnis dafür, aus der Erinnerung keine weiteren Angaben machen zu können, da seit den Urteilen mehr als zwanzig Jahre vergangen seien.162 Ein im Anschluss daran gefertigter Vermerk des BMJ für den Bericht im Rechtsausschuss des Bundestages enthielt keine neuen Erkenntnisse oder Schlussfolgerungen.163 Im Bericht des BMJ zu § 116 des Deutschen Richtergesetzes hieß es, eine erneute Prüfung habe ergeben, dass im Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ein Richter, der bei dem früheren Volksgerichtshof an mehreren Todesurteilen beteiligt war, zu dem Personenkreis des genannten Paragrafen zu rechnen sein werde.164 In einer Fußnote wurde Schlüter auch namentlich gekennzeichnet.165 Staatssekretär Bülow, der Strauß in diesem Amt nachgefolgt war, gab schließlich im März 1965 Weisung, mit dem Präsidenten des Bundespatentgerichts über die Möglichkeit eines vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand für Schlüter zu sprechen; Präsident Dr. Weiss bat jedoch darum, eine etwaige Anregung des Ministeriums schriftlich zu geben.166 In dem entsprechenden Schreiben erwähnte der Bundesjustizminister seinen Bericht in der gemeinsamen Sitzung der Rechtsausschüsse von Bundestag und Bundesrat zur Frage der belasteten Richter und Staatsanwälte. Außerdem wies Minister Bucher auf eine Gesetzes159 Vermerk von Dr. Kern v. 10.2.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 466. 160 Vermerk von Schmidt-Räntsch für Kern v. 15.2.1965, in: Ebd., Bl. 467. 161 Der BMdJ an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 24.2.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 468. 162 Schlüter an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 2.3.1965 betr. Meine frühere Tätigkeit in Hoch- und Landesverratssachen, in: Ebd., Bl. 470–472. 163 Vermerk von Dr. Kern über den Abteilungsleiter Z u. den Staatssekretär an den Minister v. 9.3.1965 betr. § 116 DRiG, hier: Bericht im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 11.3.1965, in: Ebd., Bl. 473 f. 164 Bericht (des BMJ) zu § 116 des Deutschen Richtergesetzes, o. D., in: Ebd., Bl. 481–484, hier Bl. 483. 165 Ebd., Bl. 484. 166 Notiz von Winners zum Schreiben an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 16.3.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., an Bl. 495.

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initiative des Bundesrats hin, die auf eine Grundgesetzänderung hinausliefe, um an exzessiven  – also unmenschlich harten und vermeidbaren  – Urteilen beteiligte Richter auch gegen ihren Willen aus dem Dienst entfernen zu können. Von diesem Sachverhalt möge der Präsident des Gerichts Schlüter unterrichten. Bucher fuhr fort: »Mindestens das Urteil gegen Svoboda, an dem Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Schlüter mitgewirkt hat, scheint exzessiv zu sein. Ich bitte Sie daher, Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Schlüter nahezulegen, seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen […].«167 Schlüter gab sich in einem Schreiben an seinen Gerichtspräsidenten mit dem Betreff »Mein Richterverhältnis« enttäuscht, dass es zuvor keine mündliche Erörterung der Situation gegeben habe und dass seiner Bitte um eine Besprechung mit dem BMJ nicht entsprochen worden sei.168 Grundsätzlich sei er auch bereit, aus staatspolitischen Gründen persönliche Opfer auf sich zu nehmen. In der nunmehr unumgänglichen schriftlichen Stellungnahme sehe er sich jedoch genötigt, darauf hinzuweisen, dass der Inhalt des Aufforderungsschreibens des Präsidenten169 mit Artikel 97 GG nicht vereinbar sei. »Würde ich nicht darauf hinweisen«, argumentierte Schlüter, »so könnte man mir früher oder später eine Mitschuld an der Verletzung bestehender Verfassungsnormen zur Last legen. Insbesondere würde man mir zu Recht jene Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen der (politischen) Staatsführung vorwerfen können, die man den Richtern der nationalsozialistischen Ära vorzuwerfen nicht müde wird. Die Tatsache, dass eine Änderung des Grundgesetzes zur Erörterung steht, kann nicht zur Vorwegnahme einer gesetzlichen Regelung führen, deren Inhalt und deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz noch nicht zu übersehen ist, die daher auch keinen zuverlässigen Masstab [sic!] für die Beurteilung meines eigenen Falles zu bieten vermag. Die persönliche Unabhängigkeit des Richters steht unter der Garantie der bestehenden Gesetze und kann m. E. nicht mit dem Hinweis auf Gesetzentwürfe oder Gesetzesinitiativen in Frage gestellt werden.«170 Diese juristische Argumentation ergänzend lenkte Schlüter den Blick darauf, dass Begriffe wie exzessiv oder unmenschlich hart einer »subjektiven und zeitbedingten Wertung« unterlägen; es habe den Anschein, dass diese Begriffe umso schärfer ausgelegt würden, je mehr die lebendige Erinnerung an die »unmenschliche Härte des vergangenen Krieges« verlorengehe.171 In diesem Kontext brachte Schlüter die Vermutung ins 167 Der BMdJ an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 16.3.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 495 f., Zitat ebd. 168 Schlüter an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 13.4.1965 betr. Mein Richterverhältnis, in: Ebd., Bl. 502–505. 169 Der Präsident des Bundespatentgerichts an Schlüter v. 22.3.1965 betr. Ihr Richterverhältnis, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11  – Sch 30), Beiakte Bundespatentgericht, Bl. 19. 170 Schlüter an den Präsidenten des Bundespatentgerichts v. 13.4.1965 betr. Mein Richterverhältnis, in: BMJ -Personalakte Franz Schlüter (P 11  – Sch 30), Beiakte Sonderheft P 61 – Sch 9, Bd. 4, Bl. 502 f. 171 Ebd., Bl. 503.

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Spiel, dass die unterschiedliche Bewertung der Urteile ihre Ursache in der veränderten personellen Führung des BMJ haben könnte.172 Eine Versetzung in den Ruhestand aus medizinischen Gründen komme aus seiner Sicht nicht infrage. Eine neuerliche fachärztliche Untersuchung habe dieses Ergebnis erbracht. Er selbst vermöge daher »zur Zeit« keinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zu stellen. Einen Ausweg deutete Schlüter jedoch an, indem er bemerkte, wenn die vorgesetzte Dienstbehörde etwa aufgrund einer von ihr angeordneten amtsärztlichen Untersuchung zu einer anderen Beurteilung seiner Dienstfähigkeit kommen sollte, so würde er aus einer solchen Beurteilung »voraussichtlich die gebotenen Folgerungen ziehen.«173 Mit Bezug auf die Stellungnahme Schlüters äußerte sich Präsident Weiss gegenüber dem Bundesjustizminister dahingehend, dass ein Antrag des Richters auf Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.174 Diese Ansicht wurde im BMJ geteilt. Personalreferent Kern notierte, es werde die weitere Entwicklung der beabsichtigten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen belastete Richter abzuwarten sein.175 Ein solches Gesetz kam tatsächlich nicht zustande. Senatspräsident Dr. Franz Schlüter trat also erst Ende April 1972, nachdem er die Altersgrenze erreicht hatte, in den Ruhestand. Die übliche Dankesformel (»Für die dem Deutschen Volke geleisteten treuen Dienste spreche ich ihm Dank und Anerkennung aus.«) wurde trotz der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Kontroverse um die NS -Vergangenheit Schlüters nicht ausgespart, sondern zierte die vom Bundespräsidenten unterzeichnete Ruhestandsurkunde.176

2.4 »Der Lack ist ab« »Im Schaltwerk der Bonner Justiz-Hierarchie hockt […] seit den Anfängen der Bundesrepublik das graue Muster des korrekten, in der Routine sich verbrauchenden Beamten: Staatssekretär Dr. Walter Strauß.«177 So konnte man es in einem Artikel des Magazins Der Spiegel im Januar 1962 nachlesen. Unter der Überschrift »Der Lack ist ab« setzte sich die Zeitschrift mit den als verkrustet wahrgenommenen Strukturen der deutschen Justiz und den schleppenden Reformbemühungen auseinander. Einen idealeren Staatssekretär als Strauß, »die inkarnierte Staatsverwaltung«, hätte sich nicht einmal der preußische Staat 172 Ebd., Bl. 503 f. 173 Ebd., Bl. 505. 174 Der Präsident des Bundespatentgerichts an den BMdJ v. 13.4.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 501. 175 Vermerk von Dr. Kern v. 22.4.1965 betr. Senatspräsident beim Bundespatentgericht Dr. Franz Schlüter, in: Ebd., Bl. 506. 176 Ruhestandsurkunde des Bundespräsidenten für Dr. Franz Schlüter v. 10.4.1972, in: BMJ Personalakte Franz Schlüter (P 11 – Sch 30), Beiakte Bundespatentgericht, Bl. 19. 177 Der Spiegel, Nr. 4/1962.

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wünschen können, befand Der Spiegel. Allerdings war es gerade Walter Strauß, der für die mangelnde Reformbereitschaft mit verantwortlich gemacht wurde: So habe der »immerwährende Staatssekretär« seinen altmodischen Kneifer zwar inzwischen gegen eine neuzeitliche Brille getauscht, aber in den deutschen Justizpalästen das Neonlicht nicht installiert. »Die Ölfunzeln brennen weiter«, resümierte Der Spiegel das veraltete Justizsystem der Bundesrepublik. Den jeweiligen Bundesjustizminister habe der Staatssekretär dagegen fest im Griff und sei mithin als der eigentliche Herrscher der Rosenburg anzusehen. Wörtlich hieß es: »Walter Strauß rieb sich an dem eindrucksvollen, notorisch unsteten Justizminister Thomas Dehler, überschattete den zweiten, farblosen Justizminister Fritz Neumayer, dirigierte den dritten Justizminister, den desertierten Deutschparteiler Hans-Joachim von Merkatz, beherrschte den vierten Justizminister, Fritz Schäffer, gewesenes Finanz-Genie, und lernt derzeit den neuen Justizminister Wolfgang Stammberger an, der lieber Bürgermeister seiner Heimatstadt Coburg wäre.« Wie schockiert Walter Strauß über so viel Öffentlichkeit war, offenbart eine Bemerkung gegenüber Harold Rasch, nach der er »entsetzt« über die vielen »Glückwünsche« im Nachgang des Spiegel-Artikels sei, da er »immer noch der Meinung huldige, dass Stabschefs keine Namen« hätten.178 Rasch, ein mit Strauß bekannter Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Wirtschaftsrecht, hatte den Staatssekretär im BMJ zuvor dazu beglückwünscht, dass dessen Arbeit nun auch in die Zeitgeschichte eingegangen sei.179 Wenn Der Spiegel von dem sich in der Routine verbrauchenden Beamten Strauß sprach, so hatte diese Charakterisierung in ungeahnter Weise einen durchaus wahren Kern: Nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit als Staatssekretär war Strauß amtsmüde. Bei seiner Verabschiedung von der Rosenburg räumte er das später ungewohnt freimütig ein.180 Doch auch schon für die Zeit davor lassen sich Indizien finden, die darauf hindeuten, dass der Justizstaatssekretär nicht mehr mit dem Elan des Anfangs bei der Sache war. In einem privaten Schreiben an den ehemaligen Bundesjustizminister Fritz Schäffer anlässlich dessen Geburtstages beklagte sich Strauß im Frühjahr 1962 über das mühevolle Vorankommen: Die Gesetzgebungsarbeit im BMJ und den übrigen Ministerien nehme einen »merkwürdig schleppenden Gang«.181 Er fürchte, so der Staatssekretär, »dass im ersten Jahr der Legislaturperiode, abgesehen natürlich von Ratifikationsgesetzen, keine einzige der von uns eingebrachten Vorlagen verabschiedet« sein werde.182 Am Ende des Glückwunschschreibens an seinen ehemaligen Vorgesetzten bemerkte Strauß noch, dass am vorigen Abend »die Eintönigkeit der 178 Strauß an Harold Rasch v. 6.2.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 214, Bl. 208. 179 Harold Rasch an Strauß v. 4.2.1962, in: Ebd., Bl. 207. 180 Siehe dazu den unter III .3 folgenden Abschnitt »Die Reden zur Verabschiedung von Strauß«. 181 Strauß an Fritz Schäffer v. 9.5.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 385, Bl. 18 f., Zitat Bl. 18. 182 Ebd., Bl. 19.

Der Lotse geht von Bord

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Arbeit recht erfreulich unterbrochen« worden sei: Bei dem Besuch der Richter des italienischen Verfassungsgerichts mit deren Ehefrauen hätten sich das Kasino und der Weinkeller des Bundesjustizministeriums wiederum »ausgezeichnet bewährt«.183 »Es kommt gewiss nicht alle Tage vor, dass der Staatssekretär des Bundesjustizministeriums sich in Luxemburg aufhält«, so begann der ehemalige BMJ-Beamte Robert Krawielicki, der inzwischen bei den Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Luxemburg tätig war, Mitte März 1953 einen Brief an seinen früheren Vorgesetzten.184 Zu diesem Zeitpunkt hatte wohl niemand geahnt, dass es Strauß einmal dauerhaft nach Luxemburg verschlagen würde. Doch genau dieses Szenario wurde zehn Jahre später Wirklichkeit. Die Mühen der Bonner Ebene bewirkten bei Walter Strauß zu Beginn der sechziger Jahre den Wunsch, noch einmal etwas Neues zu wagen, wie er es später in seiner Abschiedsrede formulieren sollte.185

3. Der Lotse geht von Bord Der Wechsel des amtierenden Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz auf die europäische Ebene war längst beschlossene Sache, als die Spiegel-Affäre ab Oktober 1962 die Bundesrepublik erschütterte. Allerdings trübte die Affäre den Abschied von Walter Strauß aus Bonn.

3.1 »Stabschef« Strauß und die Spiegel-Affäre Einmal mehr waren es Ereignisse im Zusammenhang mit dem Magazin Der Spiegel, die dazu führten, dass Walter Strauß im Herbst 1962 noch einmal in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Die Spiegel-Affäre hatte bekanntlich ihren Ursprung in dem Artikel »Bedingt abwehrbereit« über das Nato-Manöver »Fallex 62« und ist bereits Gegenstand ausführlicher Betrachtungen gewesen.186 Daher konzentriert sich der folgende Abschnitt auf die Person Strauß und die Auswirkungen der Affäre auf die Stellung des Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz. Strauß hatte seinen Minister Wolfgang Stammberger nicht über die Haft- und Durchsuchungsbefehle des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof gegen den Spiegel-Verleger Rudolf Augstein und den Verfasser des Artikels Con183 Ebd. 184 Robert Krawielicki an Strauß v. 15.3.1953, in: IfZArch, ED 94, Bd. 220, Bl. 61. 185 Siehe dazu den unter III .3 folgenden Abschnitt »Die Reden zur Verabschiedung von Strauß«. 186 Siehe vor allem Utz, Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 502–509; Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 239–244; Martin Doerry (Hg.), Die Spiegel-Affäre. Ein Skandal und seine Folgen, München 2013.

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rad Ahlers informiert. Damit hatte er eine hochbrisante Information von großer, politischer Tragweite gegenüber seinem Vorgesetzten verschwiegen. Aller­dings machte der Justizstaatssekretär geltend, dass sich Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) bei der Ansage, den Kreis der Mitwissenden möglichst gering zu halten, auf eine Weisung des Bundeskanzlers berufen habe. Allein, eine solche Weisung hat es niemals gegeben. Einige Wochen später meinte Walter Strauß in einem privaten Schreiben denn auch, der einzige Vorwurf, den man ihm machen könne, sei der, dass er sich von seinem Namensvetter habe täuschen lassen.187 Die Tatsache, dass Strauß den Minister – wenn auch auf Anweisung – nicht unterrichtet hatte, ließ den Staatssekretär und seine Partei freilich in die Bredouille geraten. Justizminister Stammberger drohte bereits Ende Oktober mit Rücktritt, gab gleichzeitig aber eine Ehrenerklärung für seinen Staatssekretär ab.188 Knapp drei Wochen später zog Stammberger schließlich die Konsequenzen aus der Affäre und reichte gemeinsam mit den anderen vier Ministern der FDP am 19. November seinen Rücktritt ein  – allerdings ohne öffentlich Vorwürfe gegen seinen obersten Beamten zu erheben. Tatsächlich zeigt ein Brief des im Kanzleramt tätigen Ministerialdirektors und vormaligen Verfassungsreferenten des BMJ Reinhold Mercker vom 28. November 1962, der an seinen früheren Vorgesetzten Ministerialdirektor Walter Roemer gerichtet war, dass Stammberger zunächst entschlossen gewesen war, die Versetzung von Strauß in den einstweiligen Ruhestand vorzuschlagen.189 Kurz vor Weihnachten wandte sich der scheidende Minister auf schriftlichem Wege noch einmal an die Belegschaft des Bundesjustizministeriums.190 Darin schrieb Stammberger: »Sie alle kennen die Ereignisse, die unglückseligerweise die Justiz in den Sog politischer Erregung gezogen haben.«191 Damit bezog sich der Minister nicht nur auf die Spiegel-­ Affäre, sondern auch auf den Fall des Generalbundesanwalts Wolfgang Fränkel. Er wolle jedoch nicht näher darauf eingehen, »noch gar eine Schuldfrage aufwerfen«.192 Vielmehr würden ihm der »vorbildliche Geist« und die »aufopfernde Unterstützung«, die er bei der Bewältigung der vielfältigen Aufgaben bei den Angehörigen des Ministeriums gefunden habe, stets in dankbarer Erinnerung bleiben.193 Damit fügte sich Stammberger in eine Tradition des BMJ ein, denn all

187 Strauß an Gerhard Jacobi v. 14.1.1963, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 92. 188 Vgl. »Stammberger droht mit Rücktritt. Adenauer will morgen entscheiden«, in: GeneralAnzeiger v. 1.11.1962; auch enthalten in: IfZArch, ED 94, Bd. 226, Bl. 193. 189 Mercker an Roemer v. 28.11.1962 betr. Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Vorge­ hen anlässlich des Ermittlungsverfahrens gegen die Redakteure des »Spiegel«, in: ACDP, Nachlass Reinhold Mercker, 01-274-003/2. 190 Stammberger an alle Angehörigen des Hauses v. 12.12.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 156a, Bl. 94 f. 191 Ebd., Bl. 94. 192 Ebd. 193 Ebd.

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seine Amtsvorgänger hatten bei ihrem Ausscheiden insbesondere die Loyalität der Mitarbeiter betont. Doch wie nahm Walter Strauß die Affäre des Herbstes 1962 wahr? Gegenüber seinem ehemaligen Vorgesetzten aus dem Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums Dr. Paul Josten erklärte der Staatssekretär Ende Januar 1963, er bemühe sich um Gelassenheit hinsichtlich der Spiegel-Affäre.194 Trost finde er durch eine »Fülle von Kundgaben des Vertrauens, wie ich sie nie glaubte erwarten zu können (bis zu Brüning hin).« Zu seinen Plänen für die Zukunft bemerkte der Staatssekretär: »Ich hatte mich hier längst überständig empfunden und mich daher bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres um die freiwerdende Stelle in Luxemburg bemüht.« Der Bundeskanzler habe nach einigem Hin und Her im Juli 1962 sein Einverständnis erklärt. »Das lag also lange vor der Spiegelaffäre«, betonte Strauß. Bundeskanzler Adenauer stellte sich trotz der Anschuldigungen gegen den Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz vor Strauß – vorerst zumindest. In einem Brief an den Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag Dr. Erich Mende vom 1. November 1962 bekräftige Adenauer, Strauß sei ein »ausserordentlich gewissenhafter und zuverlässiger Beamter«.195 Daher würde er es für ungerecht halten, ihn wegen seines Verhaltens in der Affäre um den Spiegel in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen »und dadurch es ihm auch unmöglich zu machen, am 1.2.1963 an den Internationalen Gerichtshof [gemeint ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften] in Luxemburg zu kommen.«196 Einen Antrag auf Entlassung, den der zuständige Minister Wolfgang Stammberger stellen müsste, könne er »dem Herrn Bundespräsidenten nicht zustimmend vorlegen.«197 Außerdem gab der Kanzler zu bedenken: »Ich bin ferner der Auffassung, dass die Öffentlichkeit ein solches Verfahren gegen einen so verdienten Beamten, wie Herr Strauss es ist, nicht billigen würde.«198 Der Staatssekretär des BMJ konnte sich also für den Moment des Rückhalts durch den Bundeskanzler gewiss sein. Allerdings war Strauß, wie die nächsten Tage zeigen sollten, als amtierender Staatssekretär nicht zu halten. Auf Druck der FDP-Fraktion im Deutschen Bun­ destag wurde Walter Strauß beurlaubt. Doch wer sollte seine wichtige Funktion übernehmen? Als Ältester unter den Abteilungsleitern des Bundesjustizministeriums wurde Günther Joël am 6. November 1962 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragt.199 Noch fünf Wochen später klagte Strauß gegenüber dem inzwischen im Ruhestand befindlichen Ministerialdirigenten 194 Strauß an Paul Josten v. 31.1.1963, in: IfZArch, ED 94, Bd. 381, unpag. Bl. 195 Konrad Adenauer an Erich Mende v. 1.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 226, Bl. 6–8, Zitat Bl. 7. 196 Ebd., Bl. 7. 197 Ebd. 198 Ebd. 199 BMJ, Referat Z 2 v. 10.11.1962, Hausverfügung Nr. 2, 5. Neufassung  – 7. Berichtigung, betr. Änderung der Geschäftsverteilung des BMJ, in: BArch B 141/14640, Bl. 63.

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von Arnim, einem seiner langjährigsten Mitarbeiter, die FDP habe sich »immer noch nicht« mit der »Wiederaufnahme« seiner Dienstgeschäfte einverstanden erklärt. Darauf lege er, so gestand der Staatssekretär, »nur aus äusseren Gründen Wert«.200 Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest unterzeichnete der neue Justizminister Ewald Bucher eine Hausverfügung, in der es hieß, Strauß werde bis zu seinem Amtsantritt in Luxemburg auf eigenen Antrag hin beurlaubt und gleichzeitig damit beauftragt, seine bisherigen Geschäfte abzuwickeln.201 Damit wurde verschriftlicht, was seit Anfang November gängige Praxis im Bundesministerium der Justiz war. Allerdings herrschte in der Öffentlichkeit teilweise Unklarheit, was den Status von Walter Strauß betraf. Selbst in der Kleinen Anfrage der SPD -Fraktion vom 16. November wurde unter der laufenden Nummer 20 die Frage gestellt, aus welchen Gründen Staatssekretär Strauß in den »Wartestand« versetzt worden sei.202 In der Antwort des Bundesinnenministeriums auf die parlamentarische Anfrage hieß es klarstellend: »Eine förmliche Versetzung des Staatssekretärs Dr. Strauß in den einstweiligen Ruhestand hat nicht stattgefunden.«203 Anderslautenden Angaben in der Presse zu seinem Status204 trat Strauß etwa in einem Brief an den Oldenburger Bischof entgegen, indem er klarstellte: »Ich bin auch nicht, wie in der Öffentlichkeit vielfach angenommen wird, in den Warte- oder Ruhestand versetzt worden, sondern habe lediglich, weil die FDP zur Fortsetzung der Koalition darauf bestand, mich von Anfang November an darauf beschränkt, bisherige Geschäfte abzuwickeln und mich zu diesem Zweck beurlauben zu lassen.«205 Nachdem Strauß mit der Abwicklung seiner Amtsgeschäfte beauftragt worden war, hatte er zusätzlich dazu eine Fülle von Post zu beantworten. Im Institut für Zeitgeschichte in München, das bis heute seinen Nachlass aufbewahrt, existiert ein ganzer Band dazu. Der Tenor der Briefe, die seit Anfang November an Strauß gerichtet wurden, war eindeutig: Einhellig wurden die Umstände des »Ausscheidens« aus dem Amt des Justizstaatssekretärs bedauert und die Verdienste des Geschassten um den Aufbau des Rechtsstaats in der Bundesrepublik gewürdigt. 200 Strauß an Henning von Arnim v. 11.12.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 6. 201 Der BMdJ, Hausverfügung Nr. 2, 5. Neufassung  – 9. Berichtigung, v. 20.12.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 226, Bl. 82. Dasselbe Dokument ist auch enthalten in: BArch B 141/ 14640, Bl. 68. 202 Kleine Anfrage der Fraktion der SPD v. 16.11.1962 betr. Vorgehen anläßlich des Ermittlungsverfahrens gegen Redakteure des »Spiegel«, in: Deutscher Bundestag  – 4. Wahlperiode, Drucksache IV/755. Auch enthalten in: IfZArch, ED 94, Bd. 226, Bl. 69–71, Zitat Bl. 71. 203 Der BMdI an den Präsidenten des Deutschen Bundestages v. 5.12.1962 betr. Vorgehen anläßlich des Ermittlungsverfahrens gegen Redakteure des »Spiegel«, in: Deutscher Bundestag – 4. Wahlperiode, Drucksache IV/809. Auch enthalten in: IfZArch, ED 94, Bd. 226, Bl. 76 f., Zitat Bl. 77. 204 Vgl. beispielsweise »Walter Strauß. Das Opfer der Bonner Kabinettskrise«, in: Der Tagesspiegel v. 7.11.1962. In dem Zeitungsartikel ist die Rede von der Versetzung in den Wartestand. 205 Strauß an Gerhard Jacobi v. 14.1.1963, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 92.

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Der Kreis der Verfasser dieser Schreiben reichte von ehemaligen Mitarbeitern und Vorgesetzten über amtierende Bundesminister, Staatssekretärskollegen und Abgeordnete des Deutschen Bundestages bis hin zu Freunden und Bekannten aus den Bereichen Recht und Kirche. Die Ausführlichkeit, mit der Strauß auf diese Briefe reagierte, variierte von Fall zu Fall. Vier fast immer enthaltene Konstanten lassen sich jedoch ausmachen: Erstens zeigte sich der Staatssekretär auf Abruf gerührt von der Vielzahl mitfühlender Worte und äußerte entsprechend seinen Dank. Zweitens beschränkte sich Strauß oft darauf, keine näheren Angaben zu den Geschehnissen zu machen außer der Anmerkung, er habe ein reines Gewissen. Drittens verlieh er der Hoffnung Ausdruck, dass seine Pläne, als Richter auf die europäische Ebene zu wechseln, nicht von den Auswirkungen der Spiegel-Affäre beeinträchtigt würden. Gleichzeitig gestand Strauß ein, dass es nun etwas Positives habe, dass seine Wechselabsichten schon vorher durchgesickert seien, da so der Eindruck des Abschiebens nach Luxemburg nicht entstehen könne. Viertens machte der langjährige Staatssekretär deutlich, dass er die Vorgänge der vergangenen Wochen als grotesk ansah und sich seinen Abschied aus Bonn anders vorgestellt hatte. Wen Walter Strauß immer wieder in Schutz nahm, war Minister Stammberger. Dieser habe sich – anders als dessen Fraktion – ihm gegenüber völlig tadellos verhalten. So erläuterte er es unter anderem Senatspräsident Dr. Eberhard Barth vom Bundesdisziplinarhof, der einst wie Strauß im Reichswirtschaftsministerium beschäftigt gewesen war.206 Auch gegenüber dem Bundeskanzler hegte Strauß keinen Gram, wie er gegenüber seinem württembergisch-badischen Kollegen aus den Tagen des Länderrats Hermann Gögler klarstellte. Wörtlich erklärte Strauß, es wäre verfehlt, »Vorwürfe gegen unseren Alten zu erheben«.207 Sein eigenes Schweigen in der Öffentlichkeit begründete der Staatssekretär des Bonner Justizministeriums gegenüber dem Bundesminister für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft Siegfried Balke (CSU) mit dem Begriff der Staatsräson.208 Seinem Freund Otto Heinrich von der Gablentz gegenüber wurde Strauß noch deutlicher, was sein eigenes Schicksal betraf: »Es ging wirklich um den Bestand der Koalition und da musste mein Kopf herhalten.«209 Zu seinen derzeitigen Aufgaben meinte der scheidende Staatssekretär, er habe »nach so langen Jahren schrecklich viel abzuwickeln«.210 An anderer Stelle gestand Strauß ein, der Abschied von Bonn falle ihm leicht, der von seinen Mitarbeitern hingegen schwer.211 Das gelte insbesondere für seine Mitarbeiter im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes.212 An Dr. Ellinor von Puttkamer gerichtet, die einst im Rechtsamt und dann für einige Zeit im BMJ unter 206 Strauß an Dr. Eberhard Barth v. 15.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 16. 207 Strauß an Hermann Gögler v. 9.11.1962, in: Ebd., Bl. 77. 208 Strauß an Prof. Dr. Siegfried Balke v. 13.11.1962, in: Ebd., Bl. 10. 209 Strauß an Prof. Dr. Otto Heinrich von der Gablentz v. 8.11.1962, in: Ebd., Bl. 70. 210 Strauß an Dr. Eberhard Barth v. 15.11.1962, in: Ebd., Bl. 16. 211 Strauß an Marie Herzfeld v. 9.11.1962, in: Ebd., Bl. 86. 212 Strauß an Richard Moser von Filseck v. 29.4.1963, in: Ebd., Bl. 128.

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Strauß gearbeitet und angesichts der Ereignisse im Herbst 1962 bemerkt hatte, sie könne sich die Rosenburg nicht ohne ihren ehemaligen Chef vorstellen,213 schrieb Strauß: »Wenn ich auf der Rosenburg wirklich etwas geleistet habe, dann wäre der beste Beweis dafür, dass die Rosenburg auch ohne mich auskommen kann.«214 Damit bezog sich der Staatssekretär nicht zuletzt auf die Personalpolitik unter seiner Führung. Und er fügte an, er sei gewiss, dass die Rosenburg diesen Beweis erbringen werde.215 Unausgesprochen lag darin die Annahme, dass die Beamten, Angestellte und Arbeiter des Bundesjustizministeriums, die unter seiner Ägide gewirkt hatten, auch in Zukunft ihre Aufgaben in seinem Geiste versehen würden. Im Juni 1961 hatte Strauß – freilich noch scherzhaft – gemeint, das Ansehen des BMJ werde »hoffentlich erst dann absinken«, wenn er die Rosenburg verlasse habe.216 Zu denjenigen, die Strauß ihren Respekt und ihr Mitgefühl zollten, zählte auch der ehemalige Hausherr der Rosenburg Fritz Neumayer. Mit Bestürzung und tiefem Bedauern habe er gelesen, dass Strauß von seinen Aufgaben als Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz entbunden worden sei. Wenn dies wirklich im Interesse der Aufrechterhaltung der Koalition erforderlich gewesen sei, so hätte man nach seiner Auffassung »eine andere Form« finden müssen.217 Weiter versicherte Neumayer seinem früheren engsten Mitarbeiter, dass er mit ihm fühle, wenn er nun ein Amt verlasse, in dem er »so lange Jahre in aufopfernder Tätigkeit segensreich gewirkt« habe. Auf die gemeinsamen Jahre zurückblickend, lobte der zweite Bundesjustizminister die »ausgezeichnete Zusammenarbeit« zwischen den beiden und stellte die unbedingte Loyalität seines damaligen Staatssekretärs heraus. »Nie ist auch nur der geringste Vorwurf von irgendeiner Seite gemacht worden, den Minister zu überspielen«, erinnerte sich Neumayer. Vielmehr hätten ihm Strauß und ein »Stab hervorragender Mitarbeiter« stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Der scheidende Staatssekretär dankte dem Minister a. D. und kommentierte dessen Ausführungen wie folgt: »Sie haben mein Verhalten unter ihrer Ministerschaft in einer Weise geschildert, die für mich nur einen weiteren Beitrag zu dem ungetrübten Gewissen bedeutet, das ich auch angesichts der letzten Ereignisse besitze.«218 Von Interesse ist überdies ein Brief, den Walter Strauß von seinem ehemaligen Mitarbeiter Wilhelm Herlan erhielt. Dieser war seit 1950 als Oberregierungsrat in der strafrechtlichen Abteilung des BMJ beschäftigt gewesen, wechselte aber bereits 1951 zur Bundesanwaltschaft und wurde drei Jahre später zum Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ernannt.219 Seine Zeilen an Strauß erhellen 213 Dr. Ellinor von Puttkamer an Strauß v. 13.11.1962, in: Ebd., Bl. 159. 214 Strauß an Dr. Ellinor von Puttkamer v. 15.11.1962, in: Ebd., Bl. 160. 215 Ebd. 216 Strauß an Dr. Paul Justin Schilling v. 5.6.1961, in: IfZArch, ED 94, Bd. 215, Bl. 48. 217 Dr. Fritz Neumayer an Strauß v. 6.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 142. 218 Strauß an Dr. Fritz Neumayer v. 8.11.1962, in: Ebd., Bl. 143. 219 Zur NS -Vergangenheit Herlans, der es während des Dritten Reiches bis zum Oberstaatsanwalt gebracht hatte, siehe Görtemaker / Safferling, Die Akte Rosenburg, S. 322.

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das Verhältnis des langjährigen Staatssekretärs zu dessen Mitarbeitern auf der Rosenburg. So schrieb Herlan: »Sie waren mir stets ein gütiger, nachsichtiger Chef, haben mich im Rahmen des überhaupt möglichen [sic!] stets gefördert und im persönlichen Verkehr nicht den Vorgesetzten, sondern den mitfühlenden Menschen erkennen lassen.«220 Das habe ihn immer besonders beeindruckt. Voller Dankbarkeit schloss Herlan: »Ohne Sie wäre ich wohl immer noch Landgerichtsrat in Karlsruhe.«221 Strauß dankte seinem ehemaligen Mitarbeiter für die freundlichen Worte und meinte, dieser habe zutreffend erfasst, wie sehr er sich »mit allen Angehörigen des Dienstbereichs der Bundesjustiz« verbunden fühle.222 Im Spiegel der Antwortschreiben von Strauß auf die an ihn gerichteten Solidaritätsbekundungen wird indes auch die Motivlage deutlich, die ihn zu seinem Weggang aus Bonn bewog. Gegenüber dem mit ihm bekannten Staatsrechtler Wilhelm Karl Geck, der gesundheitliche Gründe für den Wechsel nach Luxemburg vermutet hatte,223 bekräftigte Strauß, diese Vermutung treffe nicht zu. Vielmehr hänge der Gang nach Europa damit zusammen, dass er glaube, seine Aufgabe in Bonn erfüllt zu haben.224 Bereits nach dem Ausgang der Bundestagswahl 1961 habe er die Absicht gefasst, Bonn »bei sich bietender Gelegenheit« zu verlassen, wie er den Oldenburger Bischof Gerhard Jacobi im Januar 1963 wissen ließ.225 Nachdem im Frühjahr 1962 der bisherige deutsche Richter am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Prof. Otto Riese mitgeteilt hatte, sein Amt Anfang 1963 niederlegen zu wollen, habe er sich um dessen Nachfolge bemüht und die entsprechende Zustimmung des Bundeskanzlers im Juli erhalten.226 Doch warum gerade die Richterstelle in Luxemburg? Dazu bemerkte Strauß, die »Europaprobleme« hätten ihn »von jeher gereizt«.227 Zum Zeitpunkt des Wechsels meinte der Staatssekretär, er habe trotz dieses schon lange bestehenden Interesses geglaubt, sein Ministerium nicht früher verlassen zu sollen. Nach den letzten Bundestagswahlen schien ihm aber der Zeitpunkt für einen »Abschied aus Bonn« gekommen zu sein.228 An anderer Stelle konkretisierte Strauß, was ihm seit dem Herbst 1961 zu schaffen machte. Neben seinem Interesse an den europäischen Dingen, »von denen ich glaube, dass sie unsere Zukunft bestimmen werden«, spiele auch sein »Verdruss über die unergiebige Tätigkeit des Bundestages« eine Rolle, doch das wäre »ein weites Feld«.229 In einem Dankesschreiben 220 Wilhelm Herlan an Strauß v. 6.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 82. 221 Seit dem 25. Juni 1948 war Herlan (Jahrgang 1905) als Landgerichtsrat in seiner Geburtsstadt Karlsruhe tätig gewesen. 222 Strauß an Wilhelm Herlan v. 8.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 83. 223 Dr. Wilhelm Karl Geck an Strauß v. 19.11.1962, in: Ebd., Bl. 71 f. 224 Strauß an Dr. Wilhelm Karl Geck v. 22.11.1962, in: Ebd., Bl. 73. 225 Strauß an Gerhard Jacobi v. 14.1.1963, in: Ebd., Bl. 92. 226 Ebd. 227 Strauß an Dr. S. Jessen v. 9.11.1962, in: Ebd., Bl. 100. 228 Ebd. 229 Strauß an Dr. Wolfgang Pohle v. 26.11.1962 (persönlich), in: Ebd., Bl. 156.

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an den Heidelberger Strafrechtslehrer Prof. Eberhard Schmidt äußerte sich der langjährige Staatssekretär dazu ausführlicher. So zeigte er sich verwundert darüber, dass der 4. Bundestag »geradezu von einer uns unerklärlichen Lähmung befallen« zu sein scheine, was neben anderen »durchbringungsreifen Reformgesetze[n]« leider insbesondere für die Strafrechtsreform gelte.230 Daran schloss Strauß die Frage an Schmidt an, wie es wäre, wenn aus dem Kreis der Strafrechtslehrer, die Mitglieder der Großen Strafrechtskommission waren, einmal »nachdrückliche öffentliche Kritik« geübt würde.231 Ob Schmidt, der selbst der Kommission angehört hatte, diese Anregung in die Tat umsetzte, ist nicht bekannt. Zu seinen Aussichten an der neuen mutmaßlichen Wirkungsstätte meinte Strauß, die Arbeit in Luxemburg würde erheblich ruhiger sein als in Bonn und »zweifellos sehr interessant«.232 Das Gericht, an dem er dann tätig wäre, beschrieb Strauß als den ständigen Gerichtshof der drei europäischen Gemeinschaften, dessen Zuständigkeit staats-, verwaltungs- und zivilrechtliche Elemente vereine.233 Gegenüber dem CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Hans Dichgans bemerkte der wechselbereite Staatssekretär, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch erweitert werde.234 Insofern sei die Aufgabe in Luxemburg in der Tat »sehr reizvoll«.235 Wenngleich Walter Strauß Europa als Zukunft begriff, so wurzelte er doch fest in den preußischen Traditionen und mochte diese auch nicht aufgeben. Gegenüber dem bereits erwähnten Professor Eberhard Schmidt klagte der scheidende Staatssekretär, dass diejenigen Generationsschichten, die noch eine »innere und natürliche Bindung« an das alte Preußentum besäßen, allmählich aussterben würden.236 Mit Blick auf die Konsequenzen urteilte Strauß, er könne das »sehr gut hier in Bonn verfolgen, wo die Altersgrenze nach und nach die aus Mittelund Ostdeutschland stammenden und dort aufgewachsenen Beamten« vermindere.237 In nicht allzu ferner Zeit werde dieser Prozess beendet sein, denn die in Westdeutschland aufgewachsenen Nachkommen hätten verständlicherweise eine andere Prägung erhalten. Damit werde jedoch »eine ganz bestimmte staatstragende Substanz« verlorengehen, falls es nicht in absehbarer Zeit zu einer Wiederherstellung der deutschen Einheit kommen sollte.238

230 Strauß an Prof. Eberhard Schmidt v. 7.12.1962, in: Ebd., Bl. 188 f., Zitat Bl. 189. 231 Ebd., Bl. 189. 232 Strauß an Eberhard Müller v. 3.12.1962, in: Ebd., Bl. 132 f., Zitat Bl. 132. 233 Ebd., Bl. 132. 234 Strauß an Dr. Hans Dichgans v. 7.11.1962, in: Ebd., Bl. 46. 235 Dichgans hatte in diesem Zusammenhang an Strauß geschrieben: »Ich könnte mir denken, daß die Weiterbildung der europäischen Verträge durch eine kluge Rechtsprechung eine Aufgabe wäre, die reizvoll erschiene.« Siehe dazu das Schreiben von Dr. Hans Dichgans an Strauß v. 31.10.1962, in: Ebd., Bl. 45. 236 Strauß an Prof. Eberhard Schmidt v. 7.12.1962, in: Ebd., Bl. 188 f., Zitat Bl. 188. 237 Ebd., Bl. 188. 238 Ebd.

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3.2 Würdigungen des kaltgestellten Staatssekretärs Die Spiegel-Affäre hatte den bemerkenswerten Nebeneffekt, dass nicht nur Strauß ohnehin nahestehende Personen, sondern auch verschiedene Zeitungen die Leistungen des langjährigen Justizstaatssekretärs würdigten. So bezeichnete ihn der Tagesspiegel nicht nur als das »Opfer der Bonner Kabinettskrise«, sondern fasste sein Wirken als Staatssekretär auf der Rosenburg auch in folgende, anerkennende Worte: »Daß das Bundesjustizministerium im Rufe eines der besten Bundesministerien steht, ausgestattet mit einer kleinen Zahl hochgebildeter und kenntnisreicher Juristen, ist sein Verdienst; die guten Köpfe drängten sich zu ihm.«239 Durch seine geschliffene Rede, die gelegentlich auch das Verletzende nicht scheue, sei der hervorragende Jurist innerhalb und außerhalb seines Hauses allerdings eher gefürchtet als beliebt gewesen. In diesem Zusammenhang hieß es von dem obersten Beamten im BMJ, hinter dicken Brillengläsern würden scharf blickende Augen den strengen Geist verraten. Außerdem wusste der Tagesspiegel zu berichten, dass Strauß vor der letzten Bundestagswahl, also Mitte 1961, den Sprung ins Parlament versucht habe – vermutlich um dann als Justizminister »auch offiziell« die Stellung des Chefs der Rosenburg einzunehmen, die er »in Wirklichkeit als Staatssekretär schon innehatte.« In dieser Bewertung war man sich mit den Kollegen vom Spiegel, die Strauß bereits zu Beginn des Jahres 1962 als eigentlichen Herrscher der Rosenburg charakterisiert hatten, einig. Auch Die Welt stimmte diesen Akkord an, wenn es in der Ausgabe vom 7. November 1962 hieß, dass Staatssekretär Strauß »aus dem Holz war, aus dem man Minister schnitzt.«240 Trotz seiner Ministerqualitäten sei er aber stets loyal gegenüber den ihm vorgesetzten Hausherren gewesen. Sehr bewusst habe sich Strauß zudem die Idee und Form des preußischen Berufsbeamtentums zu eigen gemacht. Ganz ähnlich wie der Berliner Tagesspiegel kennzeichnete ihn Die Welt als höchst intelligenten Mann von distanzierter Kühle, der es verstanden habe, seinem Ministerium mit Recht den Ruf zu sichern, über die besten Beamten in Bonn zu verfügen. Die Überzeugung von der Güte der Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums war ein Aspekt, den Strauß selbst in seiner Abschiedsrede von der Rosenburg aufgreifen sollte.241 Dass er seinen Kopf hinhalten musste, um die Koalition zu retten, dessen war sich Walter Strauß bewusst. Gleichzeitig erkannte er aber an, dass das zu der »Gefährdungshaftung«, unter der ein politischer Beamter – wie es der Staatssekretär nun einmal sei – stehe, gehöre.242 Zuspruch in seiner Lage erhielt Strauß auch aus dem Kreise ehemaliger und amtierender Staatssekretäre. So schrieb 239 »Walter Strauß. Das Opfer der Bonner Kabinettskrise«, in: Der Tagesspiegel v. 7.11.1962. 240 »Im Wartestand: Walter Strauß«, in: Die Welt v. 7.11.1962. 241 Siehe dazu den unter III .3 folgenden Abschnitt »Die Reden zur Verabschiedung von Strauß«. 242 Strauß an Prof. Dr. Harold Rasch v. 7.11.1962, in: IfZArch, ED 94, Bd. 227, Bl. 162.

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etwa der 1962 zum Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannte Friedrich Karl Vialon, der zuvor schon im Bundesfinanzministerium und im Kanzleramt hohe Positionen eingenommen hatte, er habe bei seinem nicht lange zurückliegenden Referat über den politischen Beamten »im Kränzchen der Staatssekretäre« von einigen »kernigen Dichterworten« gesprochen, die ihm in einem schwierigen Augenblick seines Berufslebens geholfen hätten und die er Strauß bei Bedarf als Fundstellen oder Klartext gerne zur Verfügung stelle.243 Der so Angesprochene ließ Vialon in seiner ebenso launigen Antwort wissen, dass er es endlich einmal durchexerziert habe, ein wie gutes Ruhekissen ein gutes Gewissen sei, er aber dennoch »zur Entgegennahme von Klartexten unserer Dichter und Denker gerne bereit« sei.244 Neben dem amtierenden Staatssekretär Vialon schrieb auch der ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und spätere Amtschef des Bundespräsidialamts Karl-Theodor Bleek, er und seine Frau hätten »in alter Verbundenheit« an Strauß gedacht und täten es noch heute.245 Wörtlich erklärte Bleek, der im Übrigen der FDP angehörte: »Die gute und freundschaftliche Übereinstimmung, die im Menschlichen und Sachlichen mich ebenso wie die übrigen Kollegen in den langen Jahren gemeinsamen Wirkens mit Ihnen verbunden hat, liess uns recht mitempfinden, was das Erlebnis dieser Tage für Sie bedeutet haben muss.« In den Worten von Bleek wurde einmal mehr deutlich, dass die Gewerkschaft der Staatssekretäre auch eine zwischenmenschliche Dimension hatte, die weit über fachliche Aspekte hinausging. Die Vorgänge um die Affäre, in deren Verlauf gleich zwei Staatssekretäre – neben Walter Strauß vom BMJ auch Volkmar Hopf im Verteidigungsministerium – vorläufig kalt gestellt wurden, lenkten die Aufmerksamkeit der Presse nach dem Abflauen der ersten Erregung auf die Staatssekretäre im Allgemeinen. Sowohl die Deutsche Zeitung als auch die Wochenzeitung Christ und Welt setzten sich im November 1962 mit der Frage auseinander, welche Funktion die Staatssekretäre in der Bundesrepublik eigentlich erfüllten und inwiefern sie einen ganz eigenen Machtfaktor darstellten. Die Deutsche Zeitung erklärte ihren Lesern, der Staatssekretär sei der klassische politische Beamte, der jederzeit und ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könne.246 Die Besonderheit dieser Beamten bestehe überdies darin, dass sie mit einem Fuß in der Politik, mit dem anderen in der Verwaltung stünden. Je nach Temperament und Konstitution trete der Staatssekretär mehr mit dem einen oder mehr mit dem anderen Fuß auf. Kraft seines Amtes als den Geschäftsbetrieb des Ressorts leitender Beamter und Stellvertreter des Ministers stehe der Staatssekretär stets 243 Prof. Dr. Friedrich Karl Vialon an Strauß v. 9.11.1962, in: Ebd., Bl. 213. 244 Strauß an Prof. Dr. Friedrich Karl Vialon v. 13.11.1962, in: Ebd., Bl. 214. 245 Karl-Theodor Bleek an Strauß v. 11.11.1962, in: Ebd., Bl. 22. 246 Joachim Sobotta, Die Gewerkschaft der Staatssekretäre. Über die klassischen politischen Beamten wurde im letzten Jahr in Bonn viel gesprochen, in: Deutsche Zeitung v. 17./18.11.1962.

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bereit, »in das erste politische Glied vorzurücken«. Angesichts der Spiegel-Affäre sei oft die Frage gestellt worden, ob es eine Art Schattenregierung oder gar eine Verschwörung der Staatssekretäre gebe. Das sei gewiss nicht der Fall, so die Deutsche Zeitung, auch wenn die obersten Beamten der Bundesregierung, »sich gesellschaftlich treffen«, aber keine Beschlüsse zu fassen haben und auch nicht fassen, sondern »sich unterhalten« – wie es mit Verweis auf eine Äußerung von Innenminister Hermann Höcherl hieß. Dass unter den Staatssekretären darüber hinaus ein »kurzer Dienstweg« bestehe und oftmals beschritten werde, sei wohl selbstverständlich und der Verwaltung gewiss nicht abträglich. Eine Grenze müsse aber da gezogen werden, wo es um die politische Verantwortung in der »parlamentarischen Regierung« gehe; jene Verantwortung könne nicht der Staatssekretär, sondern nur der Minister tragen. Die Tatsache, dass es unter den obersten Beamten in Bonn auch starke, selbstbewusste Persönlichkeiten gebe, die kaum einen Hehl daraus machten, dass sie sich als die eigentlichen Herren im Hause fühlten, gelte nicht zuletzt für diejenigen Staatssekretäre, die »viele Jahre hindurch am selben Platz manchen Minister kommen und gehen sahen«  – zu ihnen gehöre auch der »hochverdiente ehemalige Staatssekretär Walter Strauß vom Bundesjustizministerium«. Hier irrte das Blatt freilich, denn Strauß war nicht in den Ruhestand versetzt worden. Mit der Einschätzung, dass er der eigentliche Herrscher der Rosenburg sei, stand die Deutsche Zeitung jedoch keineswegs alleine da. Einige Monate zuvor hatte wie bereits erwähnt der Spiegel den immerwährenden Staatssekretär als eigentliches Machtzentrum im BMJ gekennzeichnet. Der Deutschen Zeitung zufolge hätte Strauß selbst Justizminister werden können, wenn er es – auf dem Weg über das Parlament – denn gewollt hätte. Die Zeitung Christ und Welt befasste sich rund zwei Wochen nach dem Erscheinen des Artikels in der Deutschen Zeitung ebenfalls mit den Bonner Staatssekretären.247 Vor dem Hintergrund der Spiegel-Affäre und der Schicksale von Walter Strauß und Volkmar Hopf lasse sich von der Ohnmacht der sonst so mächtigen Staatssekretäre reden. Charakteristisch für ihr Wesen sei eine »merkwürdige Zwitterstellung«: Auf der einen Seite stelle der Staatssekretär den Typ des zu parteipolitischer Neutralität verpflichteten Berufsbeamten dar, auf der anderen Seite hänge über ihm das Damoklesschwert des politischen Beamten, »das seine Karriere von heute auf morgen abschneiden« könne. Von der Zusammenarbeit zwischen den Staatssekretären war zu lesen, sie sei das »Öl im knarrenden Gefüge der Bonner Ministerialbürokratie«. Die sich um das Korps der Staatssekretäre rankenden Legenden seien eben Legenden, die Realität viel nüchterner. Der ohnehin geplante Wechsel des Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz hinterlasse eine Lücke in den Reihen der obersten Beamten. Dass sein Abschied von der Rosenburg nun »derart dramatisch und gewaltsam dramatisiert« erfolgt sei, müsse nicht nur ihn, sondern auch »jeden 247 Wolfgang Höpker, Der Klub der Staatssekretäre. Man spricht von einer Nebenregierung, in: Christ und Welt Nr. 48 v. 30.11.1962.

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objektiven Beobachter« erbittern. Die Verdienste von Strauß würdigend, hieß es, hier verlasse ein Staatssekretär die Bonner Bühne, der im besonderen Maße dazu verholfen habe, dass die »Idee und Form des preußischen Berufsbeamtentums auch in der Ministerialbürokratie des Bundes als Leitbild« gelte. Hinter dem Juristen Walter Strauß, der unter fünf Ministern die Bundesjustizverwaltung aufgebaut und geformt habe, verberge sich ein Mann von auch starkem politischem Durchblick. Seine Partei, die CDU, sei ihm noch immer eine plausible Antwort auf die Frage schuldig, wie sie es dazu kommen lassen konnte, dass gerade er den »auf ein Schlachtopfer erpichten Freien Demokraten preisgegeben« worden sei. Inzwischen, so wurde es gleichsam als ein Fortschritt bewertet, habe der ehemalige Justizminister Stammberger angekündigt, er werde sich für eine Rehabilitierung von Strauß einsetzen, da dessen Verhalten durch die Berufung auf eine Weisung des Bundeskanzlers in neuem Licht erscheine. Indes ist es bemerkenswert, dass der Abschied von Walter Strauß aus Bonn ebenso unter parteipolitischen Vorzeichen erfolgte wie schon der Beginn im BMJ im Herbst 1949.248 War die Ernennung des christdemokratischen Juristen zum Staatssekretär einst von der Unionsfraktion zur Bedingung gemacht worden, um einen Justizminister der FDP zu akzeptieren, so war nun das Begehren der Freien Demokraten nach Genugtuung entscheidend dafür, dass das Ende der Amtszeit von Strauß nicht mit seinem ohnehin geplanten Wechsel nach Luxemburg, sondern fälschlicherweise häufig mit den Folgen der Spiegel-Affäre in Verbindung gebracht wird.

3.3 Die Reden zur Verabschiedung von Strauß Die offizielle Verabschiedung von Staatssekretär Walter Strauß erfolgte am 4. Februar 1963 auf der Rosenburg.249 Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden verdeutlichen einerseits, wie der oberste Beamte von seinen Mitarbeitern gesehen wurde, andererseits aber, was für ein Fazit Strauß selbst nach mehr als 13 Jahren im Bundesministerium der Justiz zog. Als erster Redner betonte der neue Bundesjustizminister Ewald Bucher, vor diesem Publikum müsse er nicht sagen, was der langjährige Staatssekretär für das Justizministerium sowie für die Bundesrepublik und die deutsche Justiz überhaupt bedeute.250 Er selbst habe das schon frühzeitig von seinem Freund Thomas Dehler erfahren, der ihm immer wieder klar gemacht habe, was für einen Anteil »Herr Strauß« am Wieder­aufbau 248 Vgl. Utz, Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, S. 509. 249 Rein haushaltsrechtlich war Strauß aber nicht verabschiedet, denn er wurde auf eine Leerstelle gesetzt. Darauf wies der Staatssekretär a. D. einige Wochen später selbst hin. Siehe dazu das Schreiben von Strauß an Generalkonsul a. D. Dr. Horst Weber v. 2.5.1963, in: IfZArch, ED 94, Bd. 217, Bl. 265. 250 Ansprache von Bundesjustizminister Dr. Ewald Bucher, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 86–88, hier Bl. 86.

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des Bundesjustizministeriums hatte.251 Der Gang nach Luxemburg scheine ihm, so Bucher an Strauß gewandt, »eine Krönung Ihrer Laufbahn, Ihres Lebenswerks« zu sein.252 Nach seinen bisherigen Stationen in der Gesetzgebung und in der Verwaltung werde sich Strauß nun wieder der Rechtsprechung zuwenden. Allerdings hätte er selbst, so bekräftigte Bucher, sich nichts Besseres gewünscht, als den Staatssekretär »noch längere Zeit neben mir« zu behalten.253 Im Bewusstsein seiner eigenen, bislang erst kurzen Amtsdauer meinte Minister Bucher, er würde sich wünschen, alle seine Vorgänger könnten vor Ort sein, um den Strauß gebührenden Dank »mit viel mehr Nachdruck und Überzeugung« zum Ausdruck zu bringen.254 Im Anschluss an die kurze Rede des amtierenden Ministers ergriff Ministerial­ direktor Günther Joël das Wort – »als Ältester der Beamtenschaft«, wie er selbst es formulierte.255 Dass ausgerechnet Joël sprach, dürfte damit zusammenhängen, dass er seit etwa drei Monaten mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs beauftragt war. Sichtlich wohl fühlte er sich in der Rolle des Abschiedsredners nicht. An Strauß gewandt meinte Joël, er habe geglaubt, »Sie würden zu gegebener Zeit mich, als den etwas Älteren, aus der Rosenburg verabschieden helfen.«256 Bei seinen Kollegen warb der Leiter der Abteilung III um Verständnis, wenn er persönliches Erleben mit Strauß in seine Rede einfließen lasse. Zur ersten Begegnung der beiden sei es im Oktober 1947 gekommen, als Walter Strauß zum stellvertretenden Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, in deren kleiner Rechtsabteilung Joël selbst und sein Kollege Dr. Haertel tätig waren, ernannt wurde. Damals habe man bei Strauß eine gewisse Reserve gegenüber der noch einigermaßen unerfahrenen Belegschaft verspürt, doch sehr bald sei zu bemerken gewesen, dass der stellvertretende Direktor »offene Meinungsäußerung und Diskussion – bei aller Autorität, die Sie ausstrahlten – zu schätzen« wisse.257 Ferner erinnerte Joël daran, dass er einst mit der Stellvertretung von Strauß als Leiter des Rechtsamts betraut worden war. Sich selbst zurücknehmend, meinte der Ministerialdirektor: »Es steht mir nicht an, Ihnen, meinem langjährigen Vorgesetzten, Worte über Ihre große Leistung für den organisatorischen und personellen Aufbau des Bundesjustizministeriums und für den Einfluß und das Ansehen dieses Hauses nach außen zu sagen.«258 Gleichzeitig sehe er es aber als geziemend an, den Dank der Mitarbeiter des BMJ wie auch seinen persönlichen Dank »auf Grund eigenen Eindrucks zu begründen und zu substantiieren«.259 Zunächst widmete sich der 251 Ebd., Bl. 86. 252 Ebd. 253 Ebd., Bl. 87. 254 Ebd., Bl. 88. 255 Ansprache von Ministerialdirektor Dr. Günther Joël, in: Ebd., Bl. 89–94, Zitat Bl. 89. 256 Ebd., Bl. 89. 257 Ebd., Bl. 90. 258 Ebd. 259 Ebd.

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Abteilungsleiter dem Wirken seines langjährigen Chefs nach außen. Das Enga­ gement von Strauß in der Nachkriegszeit – nicht zuletzt im Parlamentarischen Rat in der Mitgestaltung der rechtsstaatlichen Institutionen und Garantien des Grundgesetzes – führte Joël auf dessen »vornehme Staatsauffassung« und »rechtsstaatliches Verantwortungsgefühl« zurück.260 Als »alter Berliner und bewußter Preuße« habe Strauß den Wiederaufbau des zusammengebrochenen Gemeinwesens in den Grenzen des bisher Möglichen stets mit dem Gedanken eines wiedervereinten, demokratisch-freiheitlich geprägten Rechtsstaats Deutschland verknüpft.261 Hinsichtlich des Wirkens nach innen bescheinigte Joël seinem scheidenden Vorgesetzten unbedingte Loyalität gegenüber den verschiedenen Ministern: Aus eigener Anschauung wisse er, dass Strauß aus staatspolitischer Überzeugung »niemals« bestrebt gewesen sei, aus der zweiten Stelle im Ministerium hervorzutreten, sondern »immer nur in offener und sachlicher Erörterung zu überzeugen gesucht und unsere Herren Minister uneingeschränkt loyal beraten und unterstützt« habe.262 Nachdem der Artikel im Spiegel über den »immerwährenden Staatssekretär« erschienen war, habe selbiger immer häufiger davon gesprochen, dass es an der Zeit wäre, das Haus zu verlassen, weil der in dem Artikel gesetzte »falsche Akzent« der ihm eigenen Pflichtauffassung als leitender Beamter unterhalb der politischen Spitze des Ministeriums widerstrebte.263 Während seiner Amtszeit als Staatssekretär im BMJ habe es Strauß vermocht, mit diesem »Geist selbstverständlicher Loyalität« auch die Beamtenschaft und alle Angehörigen des Ministeriums zu erfüllen.264 Zur Personalpolitik bemerkte Joël, der Staatssekretär habe in seinen diesbezüglichen Vorschlägen und Maßnahmen nur auf persönliche und sachliche Eignung Wert gelegt. Parteipolitischer Standort und Konfession der einberufenen Damen und Herren seien ihm »gleichgültig« gewesen.265 Damit bescheinigte ihm sein langjähriger Mitarbeiter das, was Strauß selbst stets für sich in Anspruch genommen hatte: eine parteipolitisch unabhängige Personalpolitik. Die sowohl im Reichsjustizamt als auch im Reichsjustizministerium wurzelnde Tradition des Primats charakterlicher und fachlicher Qualität hatte Strauß nach dem Urteil von Joël mit Erfolg weitergegeben. Auf die Führungseigenschaften des Staatssekretärs näher eingehend, räumte der Abteilungsleiter ein, »zu mancher Zeit« habe »mancher in diesem Hause eine distanzierende Kühle« zu spüren gemeint.266 Er selbst, so Joël, glaube, seinen Vorgesetzten besser kennen gelernt zu haben. Als Pflicht aller Mitarbeiter des Ministeriums habe es der oberste Beamte betrachtet, dass ein jeder seine Meinung vertrete und begründe – »mit der selbstverständlichen Maßgabe, daß eine 260 Ebd. 261 Ebd., Bl. 90 f., Zitat Bl. 90. 262 Ebd., Bl. 91. 263 Ebd. 264 Ebd., Bl. 92. 265 Ebd. 266 Ebd.

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gegen des einen oder anderen Meinung getroffene Entscheidung loyal befolgt« werde.267 In diesem Zusammenhang bemerkte der Ministerialdirektor, Strauß habe seinen Abteilungsleitern »in hohem Maße das Vertrauen entgegengebracht, die Arbeit in ihren Abteilungen so zu organisieren und zu leiten, wie jeder von uns es am besten glaubte tun zu sollen.«268 Und er fügte an, er dürfe das wohl für alle seine Kollegen auf dieser Ebene – also die amtierenden Abteilungsleiter Haertel, Bülow, Schafheutle und Roemer – sagen. Diese Sichtweise stimmt mit dem Inhalt unzähliger (Personal-)Akten überein. Die Leiter der insgesamt fünf Abteilungen betrachtete der Staatssekretär als seine engsten Mitarbeiter und räumte diesen nicht zuletzt in personalpolitischen Fragen ein hohes Maß an Mitbestimmung ein. Endlich dankte Ministerialdirektor Joël seinem langjährigen Chef im Namen aller Beschäftigten der Rosenburg dafür, dass er für die menschlichen Sorgen und Anliegen seiner Mitarbeiter immer »ein offenes Ohr und Herz« gehabt habe.269 Wenn schwierige menschliche Konfliktlagen an ihn herangetragen wurden, sei Strauß »immer sehr tolerant« gewesen.270 Hier spiegelt sich das wider, was in der vorangegangenen Analyse als Personalfürsorge des Staatssekretärs identifiziert worden ist. Abschließend fügte Günther Joël noch an, Strauß sei es immer eine große Freude gewesen, in schwieriger Zeit Neues und Wesentliches mitzuschaffen und mitzugestalten. So seien die sich nach 1945 bzw. 1949 stellenden Aufgaben des Aufbaus und der Etablierung des Rechtsstaats sowie dringliche Reformen im Bereich des Rechts Aufgaben gewesen, für die sich der Staatssekretär in all den Jahren habe begeistern können. »Bedrückend aber«, so der Abteilungsleiter an seinen scheidenden Vorgesetzten gewandt, »wirkte auf Sie ein Absinken in Alltagsroutinearbeit und ein Steckenbleiben guter Ansätze durch die uns allen bekannten Reibungsverluste, die der Kaufpreis einer noch jungen und nicht hinreichend verwurzelten, mit der Nachkriegshypothek der Spaltung Deutschlands belasteten Demokratie sind.«271 Damit hatte Joël einen wesentlichen Grund dafür angesprochen, weshalb Walter Strauß die Rosenburg schon seit einiger Zeit zu verlassen gedachte. Zum Abschied des langjährigen Staatssekretärs durfte auch ein Redner des Hauptpersonalrats nicht fehlen. Dieser Aufgabe nahm sich als dessen Mitglied Ministerialrat Heinrich Ebersberg an.272 Für alle zehn Personalvertretungen im Bereich der Bundesjustizverwaltung sprechend, stellte Ebersberg das mitgestaltende Wirken des obersten Beamten im BMJ heraus. So habe Strauß in all den Jahren nicht weniger als »die Form der Verwaltung« bestimmt.273 Übereinstimmend mit dem, was sein Kollege Joël gesagt hatte, meinte der Ministerialrat, der 267 Ebd. 268 Ebd. 269 Ebd. 270 Ebd., Bl. 93. 271 Ebd. 272 Ansprache von Ministerialrat Heinrich Ebersberg, in: Ebd., Bl. 95 f. 273 Ebd., Bl. 95.

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Staatssekretär habe den Abteilungsleitern weitgehend freie Hand gelassen. Dabei hätte Strauß jedoch sehr genau beobachtet, dass der Dienstbetrieb so lief, wie er das für notwendig und richtig gehalten habe. Aus seiner eigenen Erfahrung als Vorsitzender des Personalrats im Bundesjustizministerium lobte Ebersberg die große Aufgeschlossenheit des Staatssekretärs. Dessen Entscheidungen seien von »Hilfsbereitschaft, Großzügigkeit und menschlicher Noblesse« gekennzeichnet gewesen.274 Das gelte in besonderer Weise für die Fälle, in denen es »echte menschliche Not« zu lindern oder ein »menschliches Versagen so zu werten galt«, dass die Wertung »einen neuen Anfang« ermöglichte.275 Als der scheidende Staatssekretär schließlich selbst zu Wort kam, klagte er, die drei gehörten Reden – »Laudationes eines Lebenden weiter über Gebühr« – machten es ihm schwerer, zu seinen Mitarbeitern zu sprechen, als er sich das vorgestellt habe.276 In der Stunde der Trennung, nicht des Abschieds, habe er viel auf dem Herzen, könne aber nur wenig davon »herausschälen«, um die Zuhörer nicht übermäßig in Anspruch zu nehmen.277 Allein, er tat es doch, denn seine Ansprache geriet mehr als doppelt so lang wie die drei vorigen Reden zusammen. Allein dieser Umstand verdeutlichte, dass mit dem Abtritt des immerwährenden Staatssekretärs tatsächlich eine Ära im Bundesministerium der Justiz zu Ende ging. Mit dem Verlassen der Rosenburg scheide er, so Strauß, »von dem wichtigsten, aber auch fruchtbarsten Abschnitt« seines Berufslebens, in dem ihm Aufgaben gestellt gewesen seien, wie sie nur selten vorkämen.278 In dem Bewusstsein, dass viele seiner Mitarbeiter nicht über seine fast einjährigen Wechselpläne im Bilde waren, meinte der Staatssekretär, er wolle seinen Zuhörern »eine kleine Rechenschaft« darüber geben.279 In seiner zuweilen recht lakonischen Art stellte er fest: »Ich bin der Ansicht, daß es für die Amtszeit, vielleicht für die Amtszeit gerade eines Staatssekretärs, ein Optimum gibt, das man möglichst nicht überschreiten soll. Ich war der Ansicht, daß ich das Optimum schon überschritten hatte.«280 Zwei Motive machte Strauß in diesem Kontext geltend: zum einen die Gefahr der Erstarrung und abnehmenden Leistungsfähigkeit bei Befassung mit immer derselben Materie, zum anderen das persönliche Ziel, seine Berufslaufbahn nicht als Staatssekretär im BMJ abschließen zu wollen. So sei er stets »novarum rerum cupidus« – also neugierig auf Neues – und habe, bevor er »einer allzu starken Vergreisung anheimgefallen wäre«, noch einmal vor eine neue Aufgabe gestellt werden wollen.281 Diese Aufgabe erwarte ihn nun in Luxemburg, wo er einer supranationalen Tätigkeit nachgehen werde. Die Tatsache, dass er für das Bundesjustizministerium, aber auch für sich selbst in dem Abschluss 274 Ebd. 275 Ebd., Bl. 95 f. 276 Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: Ebd., Bl. 97–121, Zitat Bl. 97. 277 Ebd., Bl. 97. 278 Ebd., Bl. 98. 279 Ebd. 280 Ebd. 281 Ebd., Bl. 99.

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der dritten Wahlperiode, also im Herbst 1961, einen Einschnitt gesehen habe, erleichtere sein Ausscheiden. Auf seine Amtszeit als Justizstaatssekretär zurückblickend, resümierte Strauß, die Aufgabe sei nicht nur sehr groß und schwierig, sondern auch »sehr packend« gewesen.282 Zu den grundsätzlich sich stellenden Aufgaben eines Staatssekretärs meinte Strauß, dieser sei verantwortlich für die Organisation der Arbeit und des Ministeriums sowie für den gesamten inneren Dienst. So habe er nach seinen Vorstellungen  – freilich im Anschluss an »Berliner Vorbilder«, die er aber in gewisser Weise abgewandelt habe,  – den Aufbau des Hauses skizzieren können.283 Seinen Einfluss durchaus kleinredend, fügte er an: »Ich konnte an der Besetzung des Hauses mitwirken […].«284 In Ergänzung zu Ministerialdirektor Joël, der das Rechtsamt, das Zentraljustizamt und das Oberlandesgericht Bamberg als personelle Keimzellen des Bundesjustizministeriums benannt hatte, führte Strauß aus, hinzu kämen noch der Länderrat sowie die Bundesländer, die, »obwohl wir damals noch sehr klein waren, auf unsere Bitte einige ausgewählte und ausgezeichnete Mitarbeiter zur Verfügung« gestellt hätten.285 Darüber hinaus wolle er diejenigen Angehörigen des Reichsjustizministeriums nennen, die sich 1949 in den Landesjustizverwaltungen, in anderen Tätigkeiten oder in gar keiner Tätigkeit befanden, die aber »nach den sehr strengen Richtlinien, die wir bei Beginn unserer Arbeit hinsichtlich der politischen Qualifikation zu befolgen hatten, ohne weiteres verwendbar waren.«286 Hierbei bezog sich Strauß auf die Frage der NS -Belastung. Mit Richtlinien meinte er womöglich den Entschluss des Kabinetts, die leitenden Beamtenstellen in der Regel nicht mit ehemaligen Mitgliedern der NSDAP zu besetzen. Des Weiteren könnte er sich ebenso auf die Praxis der Mitprüfung von Ernennungsvorschlägen durch das Innen- und das Finanzministerium bezogen haben, denn insbesondere das BMI hatte nicht zuletzt die politische Vergangenheit der zu Ernennenden durchleuchtet und, wie gezeigt, gegebenenfalls Rückfragen gestellt. Bei der genannten Gruppe ehemaliger Angehöriger des Reichsjustizministeriums habe er sich, so der Staatssekretär, auf die Ratschläge seines Freundes Dr. Walter Kriege verlassen, dem »eine ungeheure Personalkenntnis« zu eigen gewesen sei und dessen Hinweisen – wie bereits erwähnt – manche der Zuhörer ihre Anwesenheit »in diesem Saal« verdanken würden.287 Zu Beginn seiner Amtszeit als Staatsekretär im BMJ habe er sich gemeinsam mit Minister Dehler ganz bewusst das Ziel gesetzt, das Bundesministerium der Justiz zu einer »Bauhütte des Rechts in seinem Inhalt und in seinem Wesen« zu gestalten.288 Er selbst habe sich zudem von seinen persönlichen Erfahrungen im 282 Ebd., Bl. 100. 283 Ebd. 284 Ebd. 285 Ebd. 286 Ebd., Bl. 101. 287 Ebd. 288 Ebd., Bl. 102.

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alten Berliner Ministerialdienst leiten lassen.289 Die Berliner Vorbilder näher charakterisierend, legte der scheidende Staatssekretär dar, dass er damit »vornehmlich die Arbeitsweise und -technik, die in vielen Jahrzehnten erprobte Arbeitsweise auf ministerieller Ebene«, beispielsweise in Gestalt der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, meine.290 Daran wird einmal mehr sichtbar, wie sehr es Walter Strauß auf die Wahrung von Kontinuität ankam und wie er aus der Vergangenheit Legitimation für das eigene Handeln abzuleiten bestrebt war. Nachdem er die Funktion des Justizministeriums als »Justitiar der Bundesregierung« im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik erläutert und darauf hingewiesen hatte, dass das BMJ im Unterschied zu anderen Ministerien eine »geradezu wissenschaftliche und wissenschaftsgerechte Arbeit« zu leisten habe, wandte sich Strauß in Anknüpfung an das, was »Herr Dr. Joël« gesagt habe, der »Personalpolitik, wie ich sie mir vorgestellt habe«, zu.291 Die eigenen Erfahrungen aus den zwanziger Jahren, in denen er als Referendar und später als Assessor die Personalpolitik in Preußen erlebt hatte, dienten ihm gleichsam als Negativfolie. Damals habe er sich nämlich gelobt, anders zu verfahren, wenn er jemals in eine leitende Staatsstellung kommen würde. Zu seiner Vergangenheit gehörten aber auch positive Erfahrungen im personalpolitischen Bereich. So habe er »die vorbildliche Personalpolitik in den Reichsministerien vor 1933« erlebt und insofern gewusst, an welchen Vorbildern er sich zu orientieren hatte.292 In diesem Zusammenhang führte Strauß auch einen Ausspruch des ehemaligen Reichsjustizministers und Vaters von Ministerialdirektor Joël an: »Es ist immer mein redliches Bemühen gewesen, das Amt in seiner personellen Zusammensetzung und seiner sachlichen Arbeit von politischen Einflüssen freizuhalten.«293 Ob ihm das Befolgen dieses Vorbilds gelungen sei, müssten andere beurteilen, so der scheidende Staatssekretär. Wie die Analyse der Personalpolitik unter Strauß gezeigt hat, war es ihm ein zentrales Anliegen, eine Politisierung der Ämterbesetzungen zu verhindern, was ihm im Ganzen auch geglückt ist. Seine Worte des Dankes begann Walter Strauß im Gedenken an jene Beschäftigten des Bundesjustizministeriums, die während seiner Amtszeit verstorben waren. Den einen oder anderen bedachte er außer der Nennung des Namens mit kurzen, anerkennenden Worten. In Bezug auf die Lebenden erwähnte der langjährige Staatssekretär zuerst »seine« Minister.294 Nach der jeweils notwendigen Kennenlernphase hätten ihm alle ein rückhaltloses Vertrauen geschenkt – und wenn er auf etwas aus der Zeit seiner Tätigkeit als Staatssekretär stolz sein könne, dann darauf. Besonders betonte Strauß, es habe, glaube er, »keinen per289 Ebd., Bl. 101. 290 Ebd., Bl. 102. 291 Ebd., Bl. 103 f. 292 Ebd., Bl. 104. 293 Ebd. 294 Ebd., Bl. 113. Wörtlich erklärte Strauß: »Und da muß ich sagen, daß ich meinen Ministern für eines ganz besonders dankbar bin. […]«

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sonalpolitischen Vorschlag von mir gegeben, den ein Minister abgelehnt hat.«295 Zwar sei er gewiss mitunter mit personalpolitischen Vorschlägen zweifelnd zum Minister gegangen und habe diesem das Für und Wider vorgetragen und ihm die Entscheidung anheimgestellt. Aber er habe es immer als höchstes Zeichen des Vertrauens betrachtet, dass seinen personalpolitischen Vorschlägen gefolgt worden sei. Inwieweit das zutreffend ist, kann anhand der Akten nicht entschieden werden. Vorträge des Staatssekretärs beim Minister in Angelegenheiten der Personalpolitik erfolgten naturgemäß mündlich und wurden in aller Regel nicht protokolliert. Wie hoch Strauß die Abteilungsleiter schätzte, offenbarte seine Bemerkung, dass ein Staatssekretär das sei, was seine Abteilungsleiter aus ihm machten. Sie seien »die engsten Mitarbeiter« des Staatssekretärs.296 Auch auf dieser Ebene sei volles gegenseitiges Vertrauen vonnöten. Wenn der oberste Beamte des Ministeriums, so Strauß an seinen noch unbekannten Nachfolger gewandt, im Stande sei, die Zügel möglichst locker zu führen, dann zeige das, dass er die richtigen Abteilungsleiter im Hause habe. An deren Berufung hatte er selbst freilich einen maßgeblichen Anteil. Namentlich nannte der langjährige Staatssekretär im Folgenden nur die ausgeschiedenen Abteilungsleiter Petersen, Erdsiek und Richter. Ferner wolle er noch einen Mitarbeiter einbeziehen, den er »besonders gern« habe und den er auch schon seit längerer Zeit kenne, nämlich den im Ruhestand befindlichen Ministerialdirigenten und Unterabteilungsleiter Dr. von Arnim. Dass die Abteilungsleiter ihrerseits die gemeinsame Tätigkeit mit dem Staatssekretär wertschätzten, haben bereits die Ausführungen Günther Joëls gezeigt. Von Walter Roemer ist zudem die aus der Sicht des Jahres 1967 rück­ blickende Einschätzung überliefert, der zufolge die Rosenburg »immer eine Stätte schöner Zusammenarbeit zwischen Minister, Staatssekretär und Beamtenschaft« gewesen sei.297 Im Anschluss an die Abteilungsleiter würdigte Strauß noch die Damen seines persönlichen Büros, die so gute Arbeit geleistet hätten, dass er auf einen Persönlichen Referenten habe verzichten können.298 Nach einem Dank an die drei Fahrer, die im Laufe der Jahre für seine Fortbewegung auf deutschen Straßen zuständig gewesen waren, kam der scheidende Staatssekretär noch einmal auf die Abteilungen zurück und bat um Verständnis dafür, wenn er zwei von ihnen gesondert erwähnen müsse: zum einen die Verwaltungsabteilung, zum anderen die strafrechtliche Abteilung, die ihn sehr glücklich gemacht habe. Während er die »Verwegenheit und Vermessenheit« besessen habe, in der zweiten Hälfte der ersten Wahlperiode – ohne ein Strafrechtler zu sein – die Abteilung II zu führen, so stellte er hinsichtlich der Verwaltungsabteilung, die er in der Aufbauzeit der 295 Ebd. 296 Ebd., Bl. 113 f. 297 Walter Roemer an Gustav Heinemann v. 21.7.1967, in: Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), Nachlass Gustav Heinemann, Allgemeine Korrespondenz, Nr. 95. 298 Ansprache von Staatssekretär Dr. Walter Strauß, in: IfZArch, ED 94, Bd. 377, Bl. 114.

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ersten Wahlperiode selbst geführt habe, die Frage, was ein Staatssekretär ohne eine gut funktionierende Abteilung Z wäre.299 Mit Blick auf den damals schwer erkrankten Leiter der Strafrechtsabteilung Schafheutle, der »die Seele, der Kopf und das Herz« sowohl der Abteilung als auch der Strafrechtsreform sei, drückte Strauß seine Hoffnung auf dessen baldige Wiederherstellung und Dienstfähigkeit aus. Zu seinem Verhältnis zum Personalrat bemerkte der langjährige Staatssekretär, es habe immer einen großen Respekt voreinander gegeben. Trotz seiner persönlichen Verbundenheit mit allen Personalräten im Bereich der Bundesjustizverwaltung habe er doch einige Male von der ihm zustehenden Freiheit Gebrauch gemacht, anders zu entscheiden, als der Personalrat das wünschte.300 Gegen Ende seiner Rede wartete Strauß mit einer Bitte um Nachsicht, um ein Generalpardon auf: »Ich kenne mich selbst durchaus. Ich weiß, daß ich leicht ungeduldig bin und dann schroff werde. Was Herr Dr. Joël als meine kühle Art bezeichnet hat, liegt wohl in erster Linie hierin. Ich weiß das, mir geht’s nie schnell genug und ich kann mitunter kurz angebunden und schroff sein. Wenn irgend jemand [sic!] sich in diesen Jahren von mir in dieser Beziehung ungut behandelt fühlt, so bitte ich ihn herzlich, das jetzt zu vergessen und mir Generalabsolution zu erteilen.«301 Nachdem er sich gleichsam selbst kritisiert hatte, konnte der scheidende Staatssekretär auch einige, zumindest indirekt kritische Bemerkungen an die Referenten richten. Nach seinem Eindruck habe sich das Verhältnis zwischen Ministerialbürokratie und Parlament im Laufe der Jahre eher verschlechtert. Selbstverständlich sei es die Aufgabe aller Beamten des Ministeriums vom Staatssekretär an abwärts, die Regierungsvorlagen »mit aller höflichen Entschiedenheit« selbst dann zu vertreten, wenn man persönlich eine abweichende Meinung besitze.302 Als unabdingbaren Grundsatz begreife er die »Spielregel der offenen Karten«.303 Also: »Keine Winkelzüge, keine verdeckten Karten!«304 Ungewohnt direkt fuhr Strauß fort, er habe »mitunter den Eindruck«, dass das »nicht überall so praktiziert« werde.305 Den Referenten ins Gewissen redend, mahnte ihr scheidender Vorgesetzter: »Wir wollen doch die Ausschüsse mit Argumenten überzeugen. Und es steht auch einem Justizministerium nicht an, andere Wege, [sic!] als die der Überzeugung zu beschreiten.«306 Das Ziel müsse es sein, jenes Vertrauen, das das Bundesjustizministerium in der ersten Wahlperiode bei den Ausschüssen besessen habe, »soweit es sich nicht ganz erhalten hat«, wiederzugewinnen.307

299 Ebd., Bl. 115. 300 Ebd., Bl. 116. 301 Ebd., Bl. 117. 302 Ebd., Bl. 117 f., Zitat Bl. 118. 303 Ebd., Bl. 118. 304 Ebd. 305 Ebd. 306 Ebd. 307 Ebd.

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Insgesamt, so Walter Strauß, glaube er nicht, dass seine Mitarbeiter viel an ihrer Arbeitsweise zu ändern hätten. Doch ein Umstand, den er mit den Abtei­ lungsleitern oft erörtert habe, bereite ihm gewisse Sorgen: die mit der Vergrößerung des Ministeriums »zwangsläufig sich erweiternde Spezialisierung der Arbeitsgebiete«.308 Damit sprach der langjährige Staatssekretär einen Punkt an, den der Leiter der Verwaltungsabteilung Kurt Haertel einige Wochen später in seinem ausführlich erläuterten Vermerk als abträglich für das Ministerium kennzeichnen sollte. Aus seiner eigenen Erfahrung berichtete Strauß, er hätte das große Glück gehabt, als junger Hilfsreferent im Reichswirtschaftsministerium angesichts der geringen Anzahl derartiger Kräfte einen sehr großen Arbeitsbereich besessen und dabei »unendlich viel gelernt« zu haben.309 Es sei nicht gut, wenn »namentlich die jungen Herren« zu früh spezialisiert würden.310 Um den gegenwärtigen Zustand zu ändern, bedürfe es nicht nur des Willens der Vorgesetzten, sondern ebenso sehr des Willens der Betroffenen, von einem Arbeitsgebiet zum anderen überzugehen. Zum Abschluss seiner letzten Rede auf der Rosenburg wünschte der doch nicht immerwährende Staatssekretär »dem schönen Schiff hier, in ein ruhigeres Fahrwasser« zu kommen.311 Aus seiner Sicht müsse der Versuch unternommen werden, die Arbeit wieder auf ein ruhigeres Tempo zurückzuführen, weil einfach die Qualität der Arbeit sonst leide.312 Auf seine Zugehörigkeit zum Bundesministerium der Justiz sei er sehr stolz und überdies sehr glücklich, dass in diesem Hause ein »echter Gemeinschaftsgeist« herrsche.313 Wie Walter Strauß es bei ähnlichen Gelegenheiten in der Vergangenheit vielfach getan hatte, verabschiedete er sich von seinen Mitarbeitern mit einem Zitat, das er sich für sein Verhältnis zum BMJ zu eigen machte. Dafür hatte er eine Äußerung des Kultusministers Dr. Carl Heinrich Becker vor dem Preußischen Landtag am 4. November 1925 ausgewählt, in der es unter anderem hieß: »Ich habe ein ganz persönliches Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern meines Hauses. […] Es ist gerade mein besonderer Stolz, daß es mir gelungen ist, im Ministerium im Laufe der Jahre eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, und daß es mir möglich gewesen ist, ein Personal zusammenzustellen, das […] in der Reihe der Ministerien mit an erster Stelle genannt werden kann, und wo jeder dem anderen vertraut und alle hinter dem Minister stehen, wie dieser immer bereit ist, sich vor sein Haus zu stellen.«314 Zu guter Letzt rief Strauß der Belegschaft des Bundesjustizministeriums mit Bezug auf seine neue Wirkungsstätte Luxemburg als Stadt nicht nur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, sondern auch der für die Vergemeinschaftung im Bereich Kohle und Stahl zuständigen 308 Ebd., Bl. 119. 309 Ebd. 310 Ebd. 311 Ebd. 312 Ebd., Bl. 119 f. 313 Ebd., Bl. 120. 314 Ebd., Bl. 120 f.

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Montanunion noch ein herzliches »Glück auf!« zu. Damit war die Ära von Staatssekretär Strauß im BMJ Geschichte. Als Kernpunkte seiner Abschiedsrede von der Rosenburg lassen sich Loyalität und Vertrauen bestimmen: Loyalität gegenüber dem Minister, Vertrauen des Ministers in seinen Staatssekretär – aber auch Loyalität gegenüber den eigenen Mitarbeitern und Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Dem insgesamt sehr harmonischen Akt der Verabschiedung waren jedoch zwei Jahre vorausgegangen, in denen, wie in diesem Kapitel dargestellt, sich Ermüdungserscheinungen im System Strauß zeigten. Nichts versinnbildlicht das mehr als der ausführlich erörterte Vermerk, den Haertel kurz nach dem Ende seiner Amtszeit als Leiter der Abteilung Z verfasste. Mit Blick auf die Personalpolitik stellte der ehemalige Abteilungsleiter eine stark ausgeprägte Unbeweglichkeit fest. Zwar hatte auch sein Vorgesetzter diese Problematik erkannt  – und in seiner Abschiedsrede vom BMJ auch benannt, aber eine Lösung dafür vermochte der erfahrene Staatssekretär ebenso wenig zu bieten. Die deutlichen Worte Haertels lenken den Blick darauf, dass alles Organisatorische im BMJ auf die Person Walter Strauß zugeschnitten war. Nur der Staatssekretär hatte einen Gesamtüberblick, während die einzelnen Abteilungen lediglich nebeneinander her arbeiteten. Die vom früheren Leiter der Verwaltungsabteilung beschriebenen Mängel in der Organisation des Ministeriums fielen letztlich auf Strauß zurück, wenngleich es Haertel tunlichst vermied, seinen ehemaligen Chef direkt zu kritisieren. Nach mehr als zehn Jahren als oberster Beamter im Bundesministerium der Justiz war Walter Strauß im Herbst 1961 auf dem Zenit seiner Macht angekommen. Mit Wolfgang Stammberger bekam es der Staatssekretär nun erstmals mit einem bei weitem jüngeren Minister zu tun. Die Führungsebene des BMJ zeichnete sich nach wie vor durch eine hohe Kontinuität aus. Während mit Heinrich Richter und Gerhard Erdsiek zwei Abteilungsleiter in den Ruhestand verabschiedet wurden, blieben ihre Kollegen Josef Schafheutle, Günther Joël und Walter Roemer nach wie vor im Amt. Die vakanten Stellen wurden mit zwei Beamten besetzt, die dem Ministerium von Beginn an angehört hatten. Auch das kann als Ausdruck personeller Kontinuität gewertet werden. Während Kurt Haertel bereits seit 1947 unter Strauß gedient hatte, entstammte Arthur Bülow dem Reichsjustizministerium und brachte die vom Staatssekretär so geschätzte ministerielle Vorerfahrung mit in sein neues Amt. Das personalpolitische Tagesgeschäft war, und hier verfestigte sich die Mitte der fünfziger Jahre begonnene Entwicklung, in erster Linie Sache von Personalreferent Winners, dem Abteilungsleiter Z Haertel und den Leitern der vier Fachabteilungen des BMJ, auch wenn sich Strauß stets die Letztentscheidung vorbehielt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Beispiel von Elmar Thurn. Der Entscheidungsspielraum der Abteilungsleiter hatte sich gleichwohl noch einmal vergrößert, sodass sie in gewissen Grenzen eine eigenständige Personalpolitik betreiben konnten. Das schuf auch Raum für interne Absprachen zwischen den Herren Ministerialdirektoren wie im Fall Klingsporn / Schätzler. Die größere Eigenständigkeit der Abteilungsleiter führte allerdings in einzelnen

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Fällen auch zu offenen Meinungsverschiedenheiten mit dem Staatssekretär. Das Beispiel von Josef Herzog hat deutlich gezeigt, dass divergierende Auffassungen von Hausleitung und Abteilungsleitern in personellen Fragen keineswegs ausgeschlossen waren. Andererseits wird man solche Fälle auch nicht überbewerten dürfen. Entscheidender war es, dass sich im Laufe der Zeit eine mangelnde Attraktivität des Bundesjustizdienstes eingestellt hatte – ein Prozess, der Strauß, wie im zweiten Kapitel beschrieben, bereits 1959 dazu veranlasst hatte, bei den Ländern für eine verbesserte Förderung des Beamtenaustausches zu werben. Die exemplarisch geschilderten Fälle von Anfang der sechziger Jahre beweisen, dass viele an das BMJ abgeordnete Richter und Beamte im Landesdienst verbleiben wollten und an einem Wechsel in das Bonner Justizministerium, selbst wenn dort die Aussicht auf eine Planstelle bestand, nicht interessiert waren. Untrennbar mit den letzten Monaten von Staatssekretär Strauß auf der Rosenburg verbunden ist das Magazin Der Spiegel. Hatte die Zeitschrift von Verleger Rudolf Augstein in dem Artikel »Der Lack ist ab« vom Februar 1962 Strauß als eigentlichen Herrscher der Rosenburg und immerwährenden Staatssekretär charakterisiert, so brachte der skandalumwitterte Artikel »Bedingt abwehrbereit« jenen Stein ins Rollen, der letztlich den Staatssekretär dazu zwang, seine Dienstgeschäfte schon vor dem bereits geplanten Wechsel als Richter an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg ruhen zu lassen. Anfang und Ende seiner Amtszeit im Bundesjustizministerium standen damit unter parteipolitischen Vorzeichen: hier die Hoffnung der Unionsfraktion, einen Nebenminister zum Freien Demokraten Thomas Dehler zu installieren, dort das Verlangen der FDP nach Genugtuung, nachdem Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) durch sein Verhalten in der Spiegel-Affäre den Koalitionspartner düpiert hatte. Überdies war die genannte Affäre durchaus symptomatisch für das Amtsverständnis von Staatssekretär Strauß, da dieser dem Hinweis auf das Vorhandensein einer Weisung des höherrangigen Bundeskanzlers den Vorrang einräumte vor der Unterrichtung seines eigenen Ministers. Dass ihm Wolfgang Stammberger daraus letztlich keinen Vorwurf machte, war vor allem der Tatsache geschuldet, dass der Erfinder der angeblichen Kanzleranweisung bald ausfindig gemacht werden konnte. Gleichzeitig offenbarte das Verhalten Stammbergers aber die Überzeugung, dass der Staatssekretär ihm loyal gegenüberstand. So unerfreulich die Spiegel-Affäre in ihren Auswirkungen für Strauß auch war und seinen Abschied aus Bonn überschattete, so sehr brachte sie doch ans Licht, dass es viele Persönlichkeiten gab, die an der Integrität des Justizstaatssekretärs nicht den geringsten Zweifel hegten. Fast hat es den Anschein, dass die Zuschriften, die den kaltgestellten Spitzenbeamten wenige Wochen vor seinem offiziellen Abschied von der Rosenburg und damit noch vor seinem Wechsel nach Luxemburg im Herbst 1962 erreichten, so etwas wie vorgezogene Würdigungen seines Lebenswerkes darstellten.

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Als Staatssekretär prägte Walter Strauß mehr als 13 Jahre lang die Arbeit im Bundesministerium der Justiz. Galt das auch für die Personalpolitik? Die Analyse der personalpolitischen Entwicklung von 1949 bis 1963 legt das mehr als nahe. Wohl wissend, dass Periodisierungen lediglich ein Instrument, ein Hilfsmittel von Historikern sind, so muss in diesem Zusammenhang auf den unterschiedlichen Grad an Einfluss hingewiesen werden, den der oberste Beamte in den drei geschilderten Phasen auf die personelle Entwicklung des Ministeriums besaß. Für die Aufbauphase ist der Einfluss von Strauß auf die Personalpolitik als groß anzusehen. Ursächlich dafür war, dass der erste Staatssekretär des neu gegründeten Bundesjustizministeriums zuvor Leiter des Rechtsamts im Vereinigten Wirtschaftsgebiet gewesen war und 1949 viele Beamte von dort mit nach Bonn nahm. Diese Personengruppe stellte gewissermaßen seine Hausmacht im Ministerium dar. Sie bestand aus Beamten, denen Strauß vertraute und auf deren Loyalität er sich aus Erfahrung verlassen konnte. Mit Günther Joël, bis dahin stellvertretender Chef des Rechtsamts, wurde einer aus ihnen sogar zum Abteilungsleiter im BMJ bestimmt; 1961 rückte mit Kurt Haertel ein weiterer alter Mitarbeiter von Strauß in diese Funktion auf. Die eingehende Analyse der Auswahl der Abteilungsleiter 1949/50 hat gezeigt, dass die bisher in der Forschung vorhandene und vor allem von Wengst vertretene Ansicht, der erste Justizminister Thomas Dehler habe sich hierbei gegen seinen Staatssekretär durchgesetzt, revidiert werden muss. Trotz ihrer anfänglichen Konflikte in der Führung des Ministeriums und trotz der natürlichen Konkurrenzsituation wiesen die personalpolitischen Vorstellungen von Dehler und Strauß erstaunliche Übereinstimmungen auf. So zielten beide darauf ab, hoch qualifizierte wie verwaltungserfahrene, integre Persönlichkeiten für das Justizministerium der Bundesrepublik zu gewinnen. Hinsichtlich der Abteilungsleiter spielten jedoch zusätzliche Faktoren eine gewichtige Rolle. Ein Vergleich der persönlichen Daten der vier ersten Vorsteher der Abteilungen hat zutage gefördert, dass Georg Petersen, Hans Eberhard Rotberg, Günther Joël und Walter Roemer unterschiedliche Landsmannschaften und Besatzungszonen repräsentierten. Zudem blieb mit zwei Protestanten und zwei Katholiken die konfessionelle Parität gewahrt. Die zu beobachtende Ausgewogenheit auf den verschiedenen Ebenen war gewiss kein Zufall. An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass die Aufbauphase des Bundesjustizministeriums eine außergewöhnliche Situation war, in der vieles sich noch nicht verfestigt hatte, und die Rahmenbedingungen für die Personalpolitik der Bundesministerien sich erst nach und nach herausbildeten. Insofern konnten auch die persönlichen Vorstellungen der verantwortlichen Führungs-

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kräfte in größerem Maße zum Tragen kommen als zu anderen Zeiten. In Übereinstimmung mit seinem Minister orientierte sich der Staatssekretär des BMJ an dem Aufbau und der Personalpolitik der Reichsministerien vor 1933. Hierbei erwiesen sich jene Erfahrungen, die Strauß einst als Hilfsarbeiter im Reichswirtschaftsministerium gesammelt hatte, als prägend für seine neue Aufgabe, während ihm die parteipolitisch ausgerichtete Personalpolitik im Preußen der zwanziger Jahre, die er als Referendar miterlebt hatte, als Kontrastbild diente. Kaum etwas war dem obersten Beamten des Bundesjustizministeriums so wichtig, wie Einflüsse der Parteien auf die Belegschaft oder gar auf die Besetzung der Rosenburg mit Personal fernzuhalten. Dieses Bestreben zog sich wie ein roter Faden durch seine Amtszeit als Staatssekretär hindurch. Eine weitere Konstante in der Personalpolitik von Walter Strauß war die Fürsorge für die ihm unterstellten Beamten und sonstigen Bediensteten des Ministeriums. Die Feststellung, dass sich der Staatssekretär mit seinen Mitarbeitern identifizierte, ist keineswegs übertrieben. An ihrem Wohl und Wehe nahm Strauß regen Anteil. Kam es zu Angriffen von außen, so stellte sich der Staatssekretär schützend vor seine Beamten. Nach eigenem Bekunden wurzelte die Bereitschaft dazu in der gleichsam einmal für immer – oder doch bis zum Beweis des Gegenteils – erlangten Überzeugung von der persönlichen Integrität des Betroffenen. Dass Strauß trotz seiner fürsorglichen, ja fast paternalistischen Art kaum als Vaterfigur wahrgenommen wurde, lag an der ebenso zu seinem Wesen gehörenden Ungeduld und daraus resultierenden Schroffheit. Als Autorität war der Staatssekretär gleichwohl allseits anerkannt. Bei seinen Mitarbeitern versuchte Strauß, den kameradschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Alle Bediensteten des Bundesjustizministeriums sollten sich  – unabhängig von ihrer jeweiligen Funktion und nicht zuletzt auch unabhängig von ihrer politischen Vergangenheit  – als Teil des Ganzen fühlen. Dieser vom Staatssekretär initiierte Korpsgeist besaß eine große Wirkungsmacht, der sich auch ehemals Benachteiligte des NS -Regimes unter den Mitarbeitern des BMJ nicht entziehen konnten. Am Beispiel des Verhaltens von Ministerialdirektor Gerhard Erdsiek im Fall Schölz wurde das sehr deutlich. Als verbindendes Element erwies sich ebenso das Selbstbewusstsein der Beamten des höheren Dienstes, die sich als kleine, aber umso bedeutendere Elite unter den Ministerialen der Bundesrepublik verstanden. Ein bemerkenswerter Ausdruck der von Strauß geübten Personalfürsorge bestand darin, dass sich der oberste Beamte des Bonner Justizministeriums in besonderem Maße derer annahm, die etwa durch jahrelange Internierung beziehungsweise Kriegsgefangenschaft Unrecht erlitten hatten. Das gilt vor allem mit Blick auf die ausführlich geschilderten Fälle von Josef Schafheutle, Heinrich Richter und Josef Herzog. Zwei der genannten Personen stiegen sogar zum Abteilungsleiter im BMJ auf. Für die Personalpolitik war es von zentraler Bedeutung, dass 1954 mit dem Spätheimkehrer Heinrich Richter ein Ministerialbeamter die Leitung der Verwaltungsabteilung übernahm, der lange Zeit im Preußischen Justizministerium und schließlich im Reichsjustizministerium gedient hatte. Im

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Tandem mit Personalreferent Hans Winners, den einst Dehler vom Oberlandesgericht Bamberg nach Bonn geholt hatte, gestaltete er die Personalpolitik fortan in größerer Eigenständigkeit zu Staatssekretär Strauß. Dieser Prozess reichte bis in die sechziger Jahre hinein. Formal verlor der oberste Beamte an Einfluss auf personelle Fragen, hatte er sich doch nach Abschluss der Aufbauphase in die zweite Reihe der Personalpolitik zurückgezogen und dem Duo Winners / R ichter und später Winners / Haertel das Tagesgeschäft überlassen. Allerdings behielt sich der Staatssekretär stets das letzte Wort vor und schaltete sich in personelle Angelegenheiten ein, wenn sie ihm bedeutsam erschienen. Was nicht unterschätzt werden darf, ist der Einfluss der Abteilungsleiter auf die Personalpolitik. Im Kontext der größeren Eigenständigkeit der Abteilung Z konnten auch die Leiter der Fachabteilungen in einem gehörigen Maße Einfluss auf Einstellungen, Abordnungen und Beförderungen in ihrem Zuständigkeitsbereich nehmen. Wie die Reden anlässlich der Verabschiedung von Strauß im Februar 1963 zeigen, war dies durch den Staatssekretär intendiert. Seinen engsten Mitarbeitern ließ er viel Freiraum, weil er ihnen vertraute und sich ihrer Loyalität sicher war. Nur in Einzelfällen – erinnert sei an die unterschiedliche Beurteilung von Regierungsdirektor Herzog – kam es zu offenen Differenzen. Selbiges gilt, nur unter umgekehrten Vorzeichen, in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Staatssekretär und dem jeweiligen Minister. Während Strauß die Vorrangstellung der politischen Spitze nach den anfänglichen Konflikten mit Dehler anerkannte, verließen sich die Minister auf ihren Staatssekretär und schenkten ihm ihr Vertrauen – gerade auch in der Personalpolitik. Erst infolge der verhältnismäßig häufigen Wechsel im Ministeramt erlangte Walter Strauß im Laufe der Jahre diejenige Stellung, die den Spiegel zu Beginn des Jahres 1962 dazu veranlasste, den »immerwährenden Staatssekretär« als eigentlichen Herrscher der Rosenburg zu bezeichnen. Doch nicht nur im Amt des Staatssekretärs herrschte  – im Gegensatz zu den Ministern – von 1949 bis 1963 Kontinuität vor. Für die Personalpolitik war es ferner bedeutsam, dass der zuständige Referent Winners seit 1950 stets auf seinem Posten verblieb und das Personal ebenso gut kannte wie der oberste Beamte des Hauses. Darüber hinaus kam es auch auf der Ebene der Abteilungsleiter zu vergleichsweise wenigen Veränderungen. So führten etwa Joël und Roemer die handels- und wirtschaftsrechtliche bzw. die öffentlich-rechtliche Abteilung über die gesamte Amtszeit von Strauß hinweg an. Für Schafheutle, der den nach kurzer Zeit zum Bundesgerichtshof übergewechselten ersten Leiter der strafrechtlichen Abteilung Rotberg ersetzte, galt mit nur geringen Abstrichen dasselbe. Eine Ausnahme bildete in gewisser Hinsicht die Abteilung für Zivilrecht, der mit Georg Petersen, Gerhard Erdsiek und Arthur Bülow gleich drei Herren nacheinander vorstanden. Beide Wechsel waren jedoch dadurch bedingt, dass die bisherigen Amtsinhaber nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand gingen. Zu den personalpolitischen Grundproblemen in der Amtszeit des ersten Staatssekretärs gehörte die fortlaufend notwendige Rekrutierung fähiger Be-

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amter und Richter aus dem Justizdienst der Bundesländer. Hierbei ergaben sich nicht selten Schwierigkeiten. Diese nahm Strauß zum Anlass, wiederholt darauf hinzuweisen, dass es ebenso im Interesse der Länder liege, wenn sie dem Bundesministerium der Justiz junge wie leistungsfähige Kräfte für eine gewisse Dauer zur Verfügung stellten. Die nach langem Ringen erzielte Vereinbarung über den Beamtenersatz aus den Bundesländern galt nicht für das BMJ, sodass Abordnungen auf der Rosenburg flexibler gehandhabt werden konnten. So gesehen pochte das Justizressort auf eine umfassende Eigenständigkeit. Bisher ungekannte Anforderungen stellte der Prozess der europäischen Einigung an die Personalpolitik im Bonner Justizministerium. In zunehmendem Maße wurden Beamte zu den im Entstehen begriffenen europäischen Einrichtungen nach Brüssel oder Luxemburg entsandt. Dadurch entstanden  – zuweilen in den Reihen ganzer Abteilungen – personelle Lücken, die es zu schließen galt. Dass Walter Strauß nach seiner Zeit als Justizstaatssekretär selbst zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wechselte, verdeutlicht, dass er der europäischen Einigung wohlwollend gegenüberstand und sie auch persönlich zu fördern gedachte. Das Ende der dritten Wahlperiode im Herbst 1961 nahm Staatssekretär Strauß als einen gewissen Einschnitt wahr. Die 1949 begonnenen Arbeiten waren im Wesentlichen abgeschlossen, im Ministerium hatte sich längst Routine eingestellt. Vor diesem Hintergrund erwachte in dem obersten Beamten das Bestreben, noch einmal etwas Neues zu wagen. Die Gelegenheit dazu ergab sich im Frühjahr 1962, als klar wurde, dass im kommenden Jahr der deutsche Richterposten in Luxemburg neu zu besetzen sei. Den Zenit seiner Amtszeit hatte Strauß also bereits überschritten, als der Spiegel dem Stabschef des BMJ viel Raum in dem kritischen Artikel »Der Lack ist ab« über die Zustände der deutschen Justiz widmete. Die ausführlich geschilderten Ermüdungserscheinungen im System Strauß zeigten sich immer deutlicher und veranlassten den Leiter der Verwaltungsabteilung Haertel, bei seinem eigenen Ausscheiden einen Vermerk anzufertigen, der kein gutes Haar an der unbeweglichen Personalpolitik und dem Nebeneinanderher der Abteilungen ließ. Die Tatsache, dass der Abgang von Strauß von der Spiegel-Affäre überschattet wurde, führte aber auch dazu, dass sich der Justizstaatssekretär vor Solidaritätsbekundungen kaum retten konnte. Seine Freunde und Weggefährten sowie anderweitig ihm verbundene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens würdigten dabei einen Mann, der die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz seit Gründung des Hauses dominiert und bis zuletzt kontrolliert hatte. Mit seiner in den Traditionen des preußisch-deutschen Berufsbeamtentums und der Arbeitstechnik der alten Berliner Ministerialbürokratie wurzelnden Einstellung hat Staatssekretär Strauß den Geist der Rosenburg entscheidend mitgeprägt.

Abkürzungen

AA

Auswärtiges Amt Abg. Abgeordnete(r) ACDP Archiv für Christlich-Demokratische Politik AdL Archiv des Liberalismus AdsD Archiv der sozialen Demokratie AGR Amtsgerichtsrat AL Abteilungsleiter BArch Bundesarchiv BBG Bundesbeamtengesetz BDC Berlin Document Center BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BKAmt Bundeskanzleramt BMdF Bundesminister der Finanzen BMdI Bundesminister des Innern BMdJ Bundesminister(in) der Justiz BMdVg Bundesminister der Verteidigung BMF Bundesministerium der Finanzen BMfWi Bundesminister(ium) für Wirtschaft BMI Bundesministerium des Innern BMJ / BJM Bundesministerium der Justiz BMVg Bundesministerium der Verteidigung BVerfG Bundesverfassungsgericht BWGöD Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union in Bayern e. V. DDP Deutsche Demokratische Partei DDR Deutsche Demokratische Republik DM Deutsche Mark DP Deutsche Partei DPA Deutsches Patentamt EAK Evangelischer Arbeitskreis der CDU / C SU ERP European Recovery Program (Marshallplan) Euratom Europäische Atomgemeinschaft EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft FDP Freie Demokratische Partei FVP Freie Volkspartei G 131 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen GAss Gerichtsassessor

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Abkürzungen

Gestapo Geheime Staatspolizei GG Grundgesetz GMBl. Gemeinsames Ministerialblatt IfZ Institut für Zeitgeschichte IfZArch Archiv des Instituts für Zeitgeschichte KPD Kommunistische Partei Deutschlands kw künftig wegfallend KZ Konzentrationslager LGR Landgerichtsrat MBD Ministerialbürodirektor MD / MDir Ministerialdirektor Mdgt Ministerialdirigent MR  / MinR Ministerialrat NKWD Narodnyj kommissariat wnutrennich del (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) NL Nachlass NRW Nordrhein-Westfalen NS Nationalsozialismus NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSFK Nationalsozialistisches Fliegerkorps NSKK Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps NSRB Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund OKW Oberkommando der Wehrmacht OLG Oberlandesgericht OLGR Oberlandesgerichtsrat ORR Oberregierungsrat OStA Oberstaatsanwalt Pg / P G Parteigenosse (der NSDAP) RAD Reichsarbeitsdienst RD Regierungsdirektor RDB Reichsbund der Deutschen Beamten RJM  / R MJ Reichsjustizministerium RMdJ Reichsminister der Justiz RR Regierungsrat RS Rückseite RWM Reichswirtschaftsministerium SA Sturmabteilung SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SS Schutzstaffel StA Staatsanwalt St / StS Staatssekretär TO.A / T OA Tarifordnung A (für Angestellte des öffentlichen Dienstes) UAL Unterabteilungsleiter VfW Verwaltung für Wirtschaft VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte

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Abkürzungen

VGH Volksgerichtshof VS Vorderseite VWG Vereinigtes Wirtschaftsgebiet

WiGBl. ZJA z. Wv.

Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Zentraljustizamt der britischen Zone zur Wiederverwendung

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Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZArch), München ED 94 Bestand Staatssekretär Dr. Walter Strauß

Archiv des Liberalismus (ADL), Gummersbach N 1 Bestand Thomas Dehler

Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP), Sankt Augustin 01-070 Nachlass Hans Globke 01-274 Nachlass Reinhold Mercker

Bundesarchiv Koblenz (BArch) B 136 Bundeskanzleramt B 141 Bundesministerium der Justiz N 1147 Nachlass Hans Ritter von Lex N 1387 Nachlass Arthur Bülow Z 22 Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin Generalpersonalakten Höherer Dienst Organigramme und (vorläufige) Organisationspläne Personalakten

Parlamentsarchiv des Deutschen Bundestages (PA-DBT), Berlin 3109 Rechtsausschuss

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Vogel, Walter: Westdeutschland 1945–1950. Der Aufbau von Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen über den Ländern der drei westlichen Besatzungszonen. Teil II – Einzelne Verwaltungszweige: Wirtschaft, Marshallplan, Statistik, Boppard a. Rh. 1964. Wengst, Udo: Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland 1948–1953, Düsseldorf 1988. Ders.: Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948–1953. Zur Geschichte der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1984. Ders.: Thomas Dehler 1897–1967. Eine politische Biographie, München 1997.

Personenregister

A Adenauer, Konrad  18, 39 f., 43, 55, 58,  64, 77, 89, 92 f., 100, 102–104, 106–108, 110, 142, 165, 173, 175 f., 324 f., 327, 329, 334, 345 Agartz, Viktor  31 Ahlers, Conrad  324 Altmeier, Peter  154 Amelunxen, Rudolf  113 f., 140, 221, 224, 234, 266 Anschütz, Hans  114–116 Arndt, Adolf  34 f., 53, 65 f., 121, 123, 138–140, 155, 245, 270 Arnim, Henning von  33, 68–71, 94, 112, 132, 148, 150 f., 168, 193, 215, 257, 269 f., 326, 341 Arnold, Hans  112, 260 f. Arnold, Karl  73 Augstein, Rudolf  323, 345 B Balke, Siegfried  327 Barth, Eberhard  327 Bauch, Botho  66, 79 Bauereisen, Friedrich  77, 127 Bausch, Paul  131 f., 137 Becher, Bruno  236 f. Becker, Carl Heinrich  343 Behling, Kurt  124 f., 240, 242 Behnke, Kurt  52, 66, 83 Bender, Julius  110 f., 196 Berg, Johannes  211 Bergmann, Heinz  112 Bertram, Wilhelm  112 Beyerle, Josef  48, 132 f. Bila, Helene von  65 f. Blankenhorn, Herbert  73 Bleek, Karl-Theodor  85, 243, 332 Blücher, Franz  89, 99 Blum, Dieter Johannes  12, 271 Böhm, Franz  26, 141, 186 f., 246 f.

Brandl, Theodor  33, 66 f., 73, 75, 94, 112, 121, 148, 168, 190, 211, 214–216, 218, 227 f., 233, 265–267 Breitenbach, Hugo  211 Brentano, Heinrich von  19, 36, 39 f., 61, 110 Brüning, Heinrich  325 Bucerius, Gerd  104 Bucher, Ewald  15, 53, 238, 273, ­283–285, 294, 319 f., 326, 334 f. Bühler, Ottmar  210 Bülow, Arthur  58, 148, 150 f., 185, 238, 262, 287–289, 318 f., 337, 344, 349 Bumke, Erwin  174 Burckhardt, Jacob  178 C Canter, Karl  139 Carstens, Karl  258 Caspers, Hans-Friedrich  185 Chaput de Saintonge, Rolland Alfred Aimé  37 f. Clark, Myrvin C.  216 Creifelds, Carl  135 f. D Dallinger, Wilhelm  112, 209, 233, 271, 273, 309, 311 f. Däubler, [?], Rechtsanwalt  156 Dayton, Kenneth  165 Dehler, Thomas   9, 13, 17–19, 38–40, 42–51, 54–61, 65 f., 68 f., 72, 76 f., 79, 81, 90, 92, 94, 102 f., 107, 113–115, 117–121, 123–127, 130–132, 135, 141, 148–155, 157, 159 f., 162, 164–172, 179, 194, 211–214, 217, 219, 227 f., 248, 253, 255, 278 f., 284, 292, 307, 312, 322, 334, 339, 345, 347, 349 Dichgans, Hans  330 Dickescheid(t), Karl-Ernst (?)  311 Diller, Georg  112

362 Dopffel, Karl  191–193 Dreher, Eduard  60, 313 f. Dufhues, Josef Hermann  256 E Ebersberg, Heinrich  185, 239–244, 280, 337 f. Eckstein, Helga  112 Ehmke, Horst  240, 254, 298 Eichholz, Ulrich  181 Eichmann, Adolf  105 Elsenheimer, Georg  58, 128, 149 f., 169, 210–214, 227, 229, 233, 268 Elsholz, Konrad  299–303 Erdmann, Hanns-Eberhard  86, 211, 222–225, 227 f. Erdsiek, Gerhard  179, 186 f., 194–203, 209, 251, 279, 283, 287 f., 341, 344, 348 f. Erhard, Ludwig  32, 99 Erkel, Günther  59 Ernst, Fritz (?)  159 Eschenburg, Theodor  104, 106, 302 f. F Falck, Carl  201 Féaux de la Croix, Ernst  63 Fischer, Eugen  28 Flehinghaus, Otto  235, 314–316 Fleischmann, Rudolf  140 f., 159–161 Fränkel, Wolfgang  285, 324 Franta, Rudolf  112, 233 Freisler, Roland  24 Friedensburg, Ferdinand  26 G Geck, Wilhelm Karl  329 Geiger, Hansjörg  43 Geiger, Willi  13, 38–40, 43–46, 56 f., 68–70, 121, 127, 148 f., 169 Geiler, Karl  26 Gerigk, Alfred  104 Geßler, Ernst  113, 148, 157, 168, 185, 209, 252 Glaesner, Hans-Joachim  307 f. Globke, Hans  25, 39 f., 43, 62–64, 74, 88, 90, 98 f., 103–109, 131, 138, 141 f.,

Personenregister

144, 165, 171, 175 f., 194, 248, 253, 256, 287 f., 299 Goerdeler, Carl Friedrich  105 Goers, Hans (?)  258 Gögler, Hermann  327 Göhler, [?], StA  309 Göhler, Erich  309, 313 Goßrau, Eberhard  238 f., 311 f. Götz, Albrecht  273 Greuel, Willy  90 Greve, Heinrich  245 f., 280 Grohmann, Georg  128 Grosdidier, Wolfgang  246 Groth, Wilhelm  211, 218–220, 227–229 Grützner, Heinrich  139 Güde, Max  263, 312 Gumbel, Karl  43, 78, 80, 87, 89, 96 f., 99 f., 102, 106 f. Gunschmann, [?], Personalreferent im DPA 270 Gürtner, Franz  188, 192 H Haertel, Kurt  14, 33 f., 112, 232, 252, 285–298, 300, 302 f., 306 f., 311–313, 315, 318, 335, 337, 343 f., 347, 349 f. Hage, Erich  60, 92, 211, 215–219, 227 f., 230, 253, 283 Hallstein, Walter  259 f. Hammerschlag, Ernst  65–67 Harmening, Rudolf  34, 168 Hartlieb, Wilhelm (?)  258 Hartmann, Alfred  181 Heck, Bruno  141 Heinemann, Gustav  62, 93, 97, 101, 111, 142, 165, 341 Heinrich, Otto  245, 327 Hellwege, Heinrich  74, 76–79, 92 Herlan, Wilhelm  328 f. Hermans, Hubert  19, 130 Herrmann, Franz  265 Herzfeld, Marie  327 Herzog, Josef  190, 264–267, 278, ­304–307, 345, 348 f. Heß, Rudolf   188 Heusinger, Bruno  175 f. Heuss, Theodor  173

363

Personenregister

Heyde, Wolfgang  226 Heye, Hellmuth  198 Hilpert, Werner  64 Hitler, Adolf  12, 198 Höcherl, Hermann  333 Hofmeister, Werner  19 Hohenstein, Walter  44, 67, 92, 148 f., 219 Holland, Friedrich-Wilhelm  199 Holtgrave, Walter  250 f., 280 Hoogen, Matthias  61 Hopf, Volkmar  332 f. Höpker-Aschoff, Hermann  171 Hörchner, Max  118 f. Hülle, Werner  199 f., 205 f. Hundertmark, Paul  185 J Jacobi, Gerhard  324, 326, 329 Jaeger, Richard  263 Jahn, Gerhard  59, 304 Jescheck, Hans-Heinrich  263, 294, 299 Jessen, Sydney  329 Joël, Curt  52, 340 Joël, Günther  35, 41, 46, 51–55, 92, 112, 115, 141, 145–148, 156 f., 159 f., 168, 179, 204, 209, 239 f., 242, 283, 285, 287, 318, 325, 335–337, 339–342, 344, 347, 349 Josten, Paul  22, 27, 325 Jung, Franz  94, 112, 215, 257 Junglas, Johann  153 f. K Kaiser, Jakob  90, 103 f. Kanter, Ernst  113 f., 138 f., 160, 168, 209, 293 Katz, Rudolf  64 Kaufmann, Margot  155 Kaul, [?], BMJ -Mitarbeiter 309 Keitel, Wilhelm  198 Keren, Moshe  39 Kern, Ernst  53, 112, 236–238, 252, 308, 318 f., 321 Keßler, Erich  62–64 Kielinger, Valentin  133 f., 153 Kiesinger, Kurt-Georg  175

Kirchner, Carl  118 Kleffel, Walther F.  200–203, 208, 279 Kleffel, Werner G.  198–203, 208, 279 Kleinknecht, Theodor  233, 292–295 Kleiß, Bruno (?)  205–207 Klingsporn, Burkhard  310 f., 344 Klinnert, Fritz  66 Knopp, Anton  185 Koch, Ekhard  47 Koch, Fritz  150 Kohlbrügge, Ulrich  61, 159 f. Konrad, Anton  54–56 Kopf, Hinrich Wilhelm  86, 223, 250 Kraegeloh, Walter  192 Krausnick, Helmut  105 Krawielicki, Robert  156, 158, 259, 261, 323 Kriege, Walter  30, 41, 63 f., 115, 163, 169, 219, 288, 339 Krieger, Albrecht  251 Krille, Herbert  317 Krone, Heinrich  61, 263 Krüger, [?], Mdgt im Justizministerium Koblenz  48 f. Kubel, Alfred  28 Kunst, Hermann  141 L Lackner, Karl  292–294 Lang-Hinrichsen, Dietrich  185 Last, Kurt  188–191, 193, 229 Lehr, Robert  19, 67, 90 f. Lenz, Otto  105 Linden, August Robert von der  313–318 Lingemann, Heinich  152 Lohr, Theodor  183, 190, 211, 220–222, 224, 227, 256 Lohse, Egon  112, 270 Lösener, Bernhard  104 f. Luster, Rudolf  268 M Maassen, Hermann  149, 260 f., 268, 270, 297 f., 304, 309 Marquordt, Gerhard  84, 229, 310 Massfeller, Franz  10, 114–116 Melchior-Roberts, Lilly  12

364 Mende, Erich  165, 325 Menzel, Walter  269, 271 Mercker, Reinhold  106, 254–256, 263, 298, 324 Merkatz, Hans-Joachim von  14, 130, 173–177, 195 f., 208, 236 f., 269 f., 278, 284, 322 Merten, Max  115 Messerer, Florian  233, 236, 315, 318 Meyer-Abich, Friedrich  223 Meyer(-Cording), Ulrich  155–159, 184 Meyer-Köring, Alex  262 Moser von Filseck, Richard  327 Mueller, Rudolf  26 Müller, Eberhard  330 Mühlenhöver, Josef  192 Müller-Armack, Alfred  101 Müller-Marein, Josef  203 Münzel, Karl  185, 188, 191–193 Munzer, Egbert  25–28, 115 N Nadler, Max  24 Neumayer, Fritz  14, 86, 130, 165 f., 171–174, 179, 181 f., 194, 217, 223, 228, 238 f., 245, 250, 253, 278, 280, 322, 328 Neus, Alfred  230, 283 Niemeyer, Johannes  234–236, 243 f., 259 Niemöller, Martin  142 Nottbeck, Arvid von  196 Nüse, Karl-Heinz  117–119, 133–136, 149, 152 f., 226, 317 O Oberländer, Theodor  175, 262 Ophüls, Friedrich Carl  33, 112, 258 f. Oppler, Kurt  67 f. P Palandt, Otto  188 f. Perbandt, Sklode von  47 Petersen, Georg  46–49, 52, 55, 92, 141, 148, 150, 179, 193–197, 250 f., 288, 341, 349 Petri, Hans  31 Pfeiffer, Anton  64, 310

Personenregister

Pohle, Wolfgang  329 Pollock, James K.  109 Pötz, Paul-Günter  309 Preusker, Victor-Emanuel  165 Pünder, Hermann  12, 33 Puttkamer, Ellinor von  112, 219, 328 Putzar, [?], Mitarbeiter im W. Kohlham­ mer Verlag  299 R Rabl, Kurt  216 Radbruch, Gustav  166 Raisch, Peter  309 Rasch, Harold  322, 331 Rehs, Reinhold  184 f. Reichenberger, Heinrich  60, 253 Renner, Viktor  64 Richter, Hans  118 f. Richter, Heinrich  14, 30, 164, 179–183, 185–195, 199, 203, 207 f., 210 f., 217 f., 222 f., 225 f., 229, 234 f., 239–242, 251, 258, 264–268, 270 f., 273, 278 f., 281, 283, 285, 288, 296, 304, 307–309, 312, 314 f., 317, 341, 344, 348 f. Richter, Willi (?)  272 Riedel, Fritz  233, 251 Riese, Otto  329 Rinck, Gerd  185 Ritter von Lex, Hans  62 f., 65, 74 f., 82 f., 98 f., 105, 107, 109, 113, 142, 241, 243, 280 Robinsohn, Hans  124 Roegner, Walter  23 Roemer, Walter  35, 46, 49, 53–55, 68 f., 80, 92, 127, 141, 148, 150, 179, 193, 233 f., 255, 257, 259 f., 283, 298, 307 f., 324, 337, 341, 344, 347, 349 Rosenthal-Pelldram, Erich  65–67 Rotberg, Hans Eberhard  46, 48–51, 55, 74, 92, 117, 141, 147–149, 151, 292, 296, 347, 349 Ruscheweyh, Herbert  204, 208 S Sattelmacher, Paul  179 Schaf heutle, Josef  121, 123 f., 140, 148 f., 161–165, 168, 185, 200, 204–209, 233,

365

Personenregister

283, 293, 298, 304–309, 311–314, 317, 337, 342, 344, 348 f. Schäfer, Hermann  40 Schäffer, Fritz  14, 62, 130, 143, 176–179, 184, 202, 220, 233, 236, 244, 256 f., 262, 278, 283, 289, 314–316, 322 Schäffer, Hans  22, 38, 41 Schätzler, Johann-Georg  308–311, 344 Scherpenberg, Hilger von  258 Schilling, Paul Justin  328 Schlegelberger, Franz  239 Schlüter, Franz  119–126, 155, 168, 267–273, 318–321 Schmidt, Eberhard  161, 330 Schmidt-Räntsch, Günther  318 f. Schmitt, Carl  110 Schmitt, Curt L.  171 Schmitz-Pfeiffer, Ulrich  310 Schneider, [?], OStA in Dortmund  256 Schneider, Gerhard  252 Schnekenburger, Hubert  253 f., 269 Schölz, Joachim  198–209, 279, 311, 313 f., 348 Schröder, Gerhard  87 Schulz, [?], RD im Justizministerium Hannover 223 Schwalm, Georg  233 Schwarzhaupt, Elisabeth  247 Seebohm, Hans-Christoph  99 Seelos, Gebhard  127 Semler, Johannes  28, 32 Severin von Noricum (Heiliger)  178 Sindermann, Joachim  183 f., 186 f. Spiegel, Bernhard  38, 42 Spies, Josef  77, 127 Spreckelsen, Heinrich von  19, 41, 60, 148, 307 Stammberger, Wolfgang  15, 238, 283–285, 322–325, 327, 334, 344 f. Stark, Edmund  123 Stark, Oskar  124 Steinert, Alfred  42, 44, 59 Stoecker, Heinz-Dietrich  149 Stolzhäuser, Hans-Leo  299 Stralenheim, [?] Freiherr von  79 Strasser, Otto  122 Strassmann, Ernst  124

Strauß, Edith  9 Strauß, Elsa  9 Strauß, Franz Josef  77, 159, 324, 345 Strauß, Hermann  9 Strauß, Tamara  9 Sturm, Richard  112 Süsterhenn, Adolf  50, 64, 153 f., 238 Svoboda, [?]  318–320 T Thedieck, Franz  108, 216 Thier, Hans  60, 130, 153 f., 200 f., 203, 269, 289 Thierack, Otto Georg  239, 241 f. Thiesmeyer, Heinrich  289 Thurn, Elmar  311–314, 317, 344 Tolksdorf, [?], Mitarbeiter im W. Kohlhammer Verlag  299 Trendelenburg, Ernst  22 Troeger, Heinrich  31 U Urban, [?], ORR beim Ministerpräsiden­ ten in Mainz  154 Utz, Friedemann  11 V Vialon, Friedrich Karl  332 Voss, Anna-Maria  26 W Wahl, Alfons  131–133, 137, 141, 151 f., 184, 191, 233 Walter, Franz  23 f. Weber, Helene  121 Weber, Horst  283, 334 Weber, Karl  212, 214 Weinkauff, Hermann  40, 118 f., 171, 175, 183 Weisbart, Josef  61 Weiss, Ulrich  319, 321 Weiß, Otto  50 Weitnauer, Hermann  128, 184 f., 233, 251, 310 f. Wengst, Udo  12 f., 39 f., 46, 49, 63, 106, 169, 347 Westrick, Ludger  58

366 Weyersberg, Albert  120, 122 Wildermuth, Eberhard  172 Winners, Hans  15, 51, 55–59, 68–70, 78–80, 92, 118–120, 123–126, 128, 135 f., 140, 148, 150–152, 154, 160, 162, 164, 169, 181, 184, 189 f., 192–194, 204–208, 210–215, 217, 219, 224 f., 227, 229, 233–236, 238–241, 251, 256, 265–267, 272 f., 280 f., 283, 285, 296, 306 f., 309–319, 344, 349 Wirsching, Christoph  79

Personenregister

Woernle, Klaus  112, 184, 256–259 Wohlfarth, Ernst  229, 259 f., 308 Wöhrmann, Otto  198 Wölfel, Hans  57, 124 Wolfermann, Willy  183 f. Wolff, Ernst  17, 41, 174, 260 Wolfram, [?], Mdgt im Justizministerium Düsseldorf  316 Z Zorn, Albrecht  133, 136, 211, 225–228