Der Europäische Auswärtige Dienst zwischen intergouvernementaler Koordination und supranationaler Repräsentation [1 ed.] 9783428541829, 9783428141821

Lange vor seiner Errichtung war der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) zum Zankapfel der EU-Organe und der Mitgliedstaa

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German Pages 390 Year 2014

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Der Europäische Auswärtige Dienst zwischen intergouvernementaler Koordination und supranationaler Repräsentation [1 ed.]
 9783428541829, 9783428141821

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Schriften zum Europäischen Recht Band 163

Der Europäische Auswärtige Dienst zwischen intergouvernementaler Koordination und supranationaler Repräsentation

Von Franziska Kruse

Duncker & Humblot · Berlin

FRANZISKA KRUSE

Der Europäische Auswärtige Dienst zwischen intergouvernementaler Koordination und supranationaler Repräsentation

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 163

Der Europäische Auswärtige Dienst zwischen intergouvernementaler Koordination und supranationaler Repräsentation

Von Franziska Kruse

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14182-1 (Print) ISBN 978-3-428-54182-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84182-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort „Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst.“

Um diesen in seiner Formulierung schlicht gehaltenen ersten Satz des Artikels 27 Absatz 1 des EU-Vertrags in der Fassung von Lissabon rankten sich seit Beginn der Beratungen im Verfas­sungskonvent heftige Konflikte und intensive Diskussionen in den Organen der Europäischen Union, aber auch in und mit den Mitgliedstaaten. Sie haben die Anregung für die vorliegende Untersuchung gegeben. Die Arbeit wurde im Februar 2013 abgeschlossen und von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten Literatur, Rechtsprechung und sonstige Quellen weitgehend bis Mai 2013 berück­sichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Peter Sommermann, der mich während meiner Tätigkeit als wissenschaft­ liche Mitarbeiterin an sei­nem Lehrstuhl und in meinem akademischen Werdegang in jeder Hinsicht ge­fördert hat. Herrn Univ.-Prof. Dr. Siegfried Magiera danke ich für wertvolle fachliche Anregungen sowie für die rasche Er­stellung des Zweitgutachtens. Ihnen und den beiden anderen Herausgebern, Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Merten und Herrn Univ.-Prof. Dr. Matthias Niedobitek, danke ich auch für die Aufnahme meiner Dissertation in die Reihe „Schriften zum Europäischen Recht“. Unverzichtbar für die Fertigstellung der Untersuchung waren Informationen zur Arbeit des Europäischen Auswärtigen Dienstes und dessen Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt „aus erster Hand“. Diese verdanke ich Herrn VLR Matthias Schauer (Auswärtiges Amt) und Herrn Exekutivdirektor Christian Leffler (Europäischer Auswärtiger Dienst). Von Herzen danken möchte ich schließlich all jenen, die den Entstehungsprozess dieser Arbeit mit Interesse begleitet und mich auf vielfältige Weise, mit Rat und Tat – oft auch mit großer Geduld und Nachsicht – unterstützt haben. Speyer, im Juli 2013

Franziska Kruse

Inhaltsübersicht Einleitung

21

A. Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Erster Teil

Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns

28

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 E. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Zweiter Teil

2



Vergleich mit der Kompetenz zur Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen

98

A. Die Welthandelsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 C. Resümee zu den Außenvertretungskompetenzen „klassischer“ internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Dritter Teil

3



Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“: Überblick über die Geschichte des auswärtigen Handelns der Europäischen Union

106

A. Die Entstehung einer „europäischen Außenpolitik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 B. Institutionelle Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

8

Inhaltsübersicht Vierter Teil



Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

119

A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 B. Konventsarbeiten für den Verfassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union . . . . . . . . . . . . 124 D. Grundsätze des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 E. Ziele des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 F. Kompetenzordnung im Bereich des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 133 H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns nach der Vertragsreform von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

Fünfter Teil

Der Europäische Auswärtige Dienst

191

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung . . . . . . . . . . . 208 C. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . 225 E. Aufgaben und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 F. Arbeitssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 G. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 H. Budgetautonomie und Haushaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Bericht und Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 K. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Sechster Teil

Der Europäische Auswärtige Dienst und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland

310

A. Allgemeine Bedeutung für die nationalen diplomatischen Dienste . . . . . . . . . . . . . . 310 B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Inhaltsübersicht

9

Siebenter Teil



Fazit: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

322

A. Einordnung der Problematik in den Kontext des Verfassungsverbundes . . . . . . . . . . 322 B. Bedeutung des Vertrags von Lissabon für das auswärtige EU-Handeln . . . . . . . . . . . 324 C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des Europäischen Auswärtigen Dienstes 331 E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

Inhaltsverzeichnis Einleitung

21

A. Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Ziel und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Erster Teil

Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns

28

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 I.

Nationale Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

II.

Europäische Dimension der nationalen Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I.

Kompetenzrechtliche Bestimmungen: Akteure der deutschen Außenpolitik . . . 41 1. Verbandskompetenz (vertikale Gewaltenteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Der Bund und die Länder: Art. 32 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Föderalisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Föderalisierung durch das Lindauer Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Föderalisierung durch „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer . . . . 46 cc) Föderalisierung im Anwendungsbereich des Art. 23 GG . . . . . . . . . 49 2. Organkompetenz (horizontale Gewaltenteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Die auswärtige Gewalt im System der horizontalen Gewaltenteilung . . 50 b) Die an der Wahrnehmung auswärtiger Angelegenheiten beteiligten Verfassungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 aa) Der Bundespräsident . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Die Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Der Bundestag und der Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 dd) Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Parlamentarisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

II.

Die Europa- und Außenpolitik materiell gestaltende Bestimmungen . . . . . . . . 64 1. Art. 23 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Art. 24 GG bis Art. 26 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

C. Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

12

Inhaltsverzeichnis I.

Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Ursprung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

II.

Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I.

Überblick über die Geschichte des Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. 1808 bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

II.

Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Art. 32 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Einfaches Recht: Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst . . . . . . . . . . . . . 85 a) § 1 GAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes . . . . . 86 bb) Koordinierung außenpolitischer Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Unterstützung der Verfassungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) § 2 GAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) § 3 GAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) § 4 GAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

E. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Zweiter Teil Vergleich mit der Kompetenz zur Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen



98

A. Die Welthandelsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.

Außenvertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

II.

Kompetenz zum Abschluss von Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

B. Der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I.

Außenvertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

II.

Kompetenz zum Abschluss von Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

C. Resümee zu den Außenvertretungskompetenzen „klassischer“ internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Inhaltsverzeichnis

13

Dritter Teil Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“: Überblick über die Geschichte des auswärtigen Handelns der Europäischen Union



106

A. Die Entstehung einer „europäischen Außenpolitik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 B. Institutionelle Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Vierter Teil Das auswärtige Handeln der Europäischen Union



119

A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 B. Konventsarbeiten für den Verfassungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union . . . . . . . . . . . . 124 D. Grundsätze des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 E. Ziele des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 F. Kompetenzordnung im Bereich des auswärtigen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 133 I.

Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen . . . . . . . . . . . . 133

II.

Vertragsschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns nach der Vertragsreform von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I.

Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . 138 1. Entwicklung des Amts und Amtsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Ernennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. „Doppelhut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5. Beendigung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6. Kontrolle des Hohen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

II.

Der Europäische Rat und der Präsident des Europäischen Rates . . . . . . . . . . . . 157

III. Der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Die Europäische Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 V.

Das Europäische Parlament und das auswärtige Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Parlamentarisierungsansätze des auswärtigen EU-Handelns im AEU-Vertrag 169 2. Parlamentarisierungsansätze des auswärtigen EU-Handelns im EU-Vertrag 170 a) Anhörung des Europäischen Parlaments vor Beschluss über den Europäischen Auswärtigen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

14

Inhaltsverzeichnis b) Anhörung und Unterrichtung des Europäischen Parlaments durch den Hohen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Einbeziehung der Sonderbeauftragten in die Unterrichtung . . . . . . . . . 175 d) Rolle des Europäischen Parlaments im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Resümee zur Parlamentarisierung des auswärtigen EU-Handelns . . . . . . . . 177 VI. Die Rolle der nationalen Parlamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 VII. Interinstitutionelle Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 VIII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Fünfter Teil Der Europäische Auswärtige Dienst



191

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I.

Kohärenz der unionalen Außenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Ursprung des (außenpolitischen) Kohärenzgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Begriffsausprägungen und -abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Umfang und Reichweite der außenpolitischen Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Verantwortung für die außenpolitische Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 5. Kontrolle der Wahrung des Kohärenzgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

II.

Kontinuitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

III. Loyalität und Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung . . . . . . . . . . . 208 I.

Rahmenbedingungen für den Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

II.

Idee und Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

III. Zielvorstellungen für eine gemeinsame Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Etappen des Aufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 C. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . 225 I.

Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

II.

Rechtlicher Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Optionen institutioneller Integration in das Organgefüge . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Rechtsstatus, Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 231

III. Interne Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Zentralverwaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . 236 2. Delegationen der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Inhaltsverzeichnis

15

3. Sonderbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Erteilung von Weisungen gegenüber dem Europäischen Auswärtigen Dienst 248 E. Aufgaben und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I.

Unterstützung des Hohen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

II.

Unterstützung anderer Institutionen der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

III. Zusammenarbeit mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten . . . . . . 261 IV. Konsularische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 F. Arbeitssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 G. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I.

Rekrutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

II.

Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

III. Entsendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 IV. Ansätze einer europäischen diplomatischen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 H. Budgetautonomie und Haushaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Bericht und Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I.

Bericht über die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . 281

II.

Überprüfung der Organisation und der Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I.

Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

II.

Parlamentarische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

III. Gerichtliche Kontrolle im Bereich des auswärtigen EU-Handelns . . . . . . . . . . 288 1. Rechtsschutz im supranationalen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Rechtsschutz im intergouvernementalen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 3. Fragen des Rechtsschutzes im Zusammenhang mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 IV. Resümee zur Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes . . . . . . . . . . . 299 K. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sechster Teil

Der Europäische Auswärtige Dienst und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland

310

A. Allgemeine Bedeutung für die nationalen diplomatischen Dienste . . . . . . . . . . . . . . 310 B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . 313

16

Inhaltsverzeichnis I. II.

Zusammenarbeit mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst . . . . . . . . . . . . . . 314 Anpassungen in Organisation und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 1. Personalsekretariat Europäischer Auswärtiger Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Einheitlicher Versetzungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Einrichtung von Verbundbotschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 4. Erweiterung des Bewerberkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

III. Anpassungen im Aus- und Fortbildungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 1. Stärkung der Europafähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Auswirkung einer Bewerbung beim Europäischen Auswärtigen Dienst . . . 319 IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Siebenter Teil



Fazit: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

322

A. Einordnung der Problematik in den Kontext des Verfassungsverbundes . . . . . . . . . . 322 B. Bedeutung des Vertrags von Lissabon für das auswärtige EU-Handeln . . . . . . . . . . . 324 C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des Europäischen Auswärtigen Dienstes 331 E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

* * *

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Personal des Auswärtigen Amts 1985 bis 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Tabelle 2: Gesamtzahl der abgeordneten Beschäftigten im Auswärtigen Amt 2006 . . . 79 Tabelle 3: Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amts 1987 bis 2012 . . . . . . . . . . . . 80

Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt a. A. anderer Ansicht Abb. Abbildung ABl.EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl.EU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AD Administration a. E. am Ende Europäisches Abkommen über die Arbeit des im internationalen StraßenAETR verkehr beschäftigen Fahrpersonals (Accord européen sur les Transports par Route) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung a. F. Alliierte Hohe Kommission AHK Alt. Alternative APA Außenpolitisches Amt der NSDAP Art. Artikel ASEAN Association of Southeast Asian Nations AStV Ausschuss der Ständigen Vertreter Aufl. Auflage AVR Archiv des Völkerrechts Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten der Europäischen BBSB Gemeinschaften Bd. Band Beih. Beiheft BGBl. Bundesgesetzblatt BM Bundesministerium BR Bundesrat BT Bundestag BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung bzw. beziehungsweise ca. circa Beratender Ausschuss für Ernennungen (Consultative Committee on AppointCCA ments) Christlich Demokratische Union Deutschlands CDU CFSP Common Foreign and Security Policy Common Market Law Review CMLRev. CMPD Direktion Krisenbewältigung und Planung (Crisis Management and P ­ lanning Directorate) COREPER Comité des représentants permanents

18 COSAC

Abkürzungsverzeichnis

Conference of Community and European Affairs Committees of Parliaments of the European Union CPCC Ziviler Planungs- und Durchführungsstab (Civilian Planning and Conduct Capability) DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe DGAP Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik d. h. das heißt dies. dieselbe; dieselben Dok. Dokument DÖV Die Öffentliche Verwaltung Drs. Drucksache DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EAD Europäischer Auswärtiger Dienst EDP European Diplomatic Programme EDTI European Diplomatic Training Initiative EEA Einheitliche Europäische Akte EEAS European External Action Service EG Europäische Gemeinschaft EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGV Vertrag über die Europäische Gemeinschaft EL Ergänzungslieferung ELJ European Law Journal EMRK Europäische Menschenrechtskonvention endg. endgültig EPA Europäische Polizeiakademie EPG Europäische Politische Gemeinschaft EPLO European Peacebuilding Liaison Office EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ESVP EU Europäische Union Lenkungsausschuss für die Delegationen EUDEL EuG Gericht der Europäischen Union; vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon: Gericht erster Instanz EuGH Gerichtshof der Europäischen Union, vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EUMC EU-Militärausschuss (EU Military Committee) EUMS EU-Militärstab (EU Military Staff) EuR Europarecht EUV Vertrag über die Europäische Union EUZBLG Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft EVV Vertrag über eine Verfassung für Europa (kurz: Europäischer Verfassungsvertrag) EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft f. folgende

Abkürzungsverzeichnis

19

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FDP Freie Demokratische Partei ff. fortfolgende Fn. Fußnote FRIDE Fundación para las Relaciones Internacionales y el Dialogo Exterior FS Festschrift GAD Gesetz über den Auswärtigen Dienst GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GBl. Gesetzblatt GG Grundgesetz GMBl. Gemeinsames Ministerialblatt Geschäftsordnung der Bundesregierung GOBReg GOEUParl Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments GOKOM Geschäftsordnung der Kommission GORat Geschäftsordnung des Rates der Europäischen Union GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta) GSVP Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik HB Freie Hansestadt Bremen HG Haushaltsgesetz Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz i. d. F. in der Fassung inkl. inklusive IntCen Intelligence Analysis Centre; früher: Joint Situation Centre of the European Union (SitCen) IntVG Integrationsverantwortungsgesetz IPU Interparlamentarische Union JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KJ Kritische Justiz lat. lateinisch lit. litera MBl. Ministerialblatt MD Management Directorate m. w. N. mit weiteren Nachweisen NATO Nord Atlantic Treaty Organization N. F. Neue Folge n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZZ Neue Zürcher Zeitung o. O. ohne Ortsangabe PJZS Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen PSK Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee

20

Abkürzungsverzeichnis

PU Policy Unit Rn. Randnummer Rs. Rechtssache S. Seite; Satz scil. scilicet SEAE Service Européen pour l’Action Extérieure Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED Slg. Sammlung sog. sogenannter, sogenannte, sogenanntes Sp. Spalte SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SWP Stiftung Wissenschaft und Politik SZ Süddeutsche Zeitung Tab. Tabelle u. a. und andere; unter anderem UAbs. Unterabsatz Urt. Urteil USA United States of America v. von, vom vgl. vergleiche VN Vereinte Nationen Vol. Volume VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WTO Welthandelsorganisation (World Trade Organisation) WÜD Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen WÜK Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen WVK Wiener Vertragsrechtskonvention ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel ZEuS Zeitschrift für europarechtliche Studien Zeitschrift für Gesetzgebung ZG Ziff. Ziffer ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZSE Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften

Einleitung A. Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung Seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in den 1950er Jahren hat die Übertragung von nationalstaatlichen Kompetenzen auf die europäische Ebene, Sinnbild der stetig fortschreitenden Integration innerhalb Europas, für einen Wechsel von ehemals vorwiegend wirtschaftlichen zu nunmehr überwiegend politischen Zielen gesorgt. Diese Entwicklung machte es neben anderen – regionalen und globalen – Herausforderungen, wie der Bewältigung von politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Krisen sowie Naturkatastrophen, erforderlich, die Europäischen Gemeinschaften1 bzw. die Europäische Union zu außenpolitisch anerkannten und handlungsfähigen Akteuren der Weltpolitik auszugestalten. Unter Geltung des Vertrags von Nizza2 betrieb die Europäische Union ihre Außenpolitik nicht konzentriert „aus einer Hand“, sondern sektorabhängig und auf ihre – ehemaligen – drei Säulen verteilt.3 Dementsprechend befassten sich neben den im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) handelnden Mitgliedstaaten mindestens fünf Kommissionsmitglieder und ihre jeweiligen Generaldirektionen regelmäßig mit außenpolitischen Fragen. Im Einzelnen waren dies die Generaldirektion Außenbeziehungen (zuletzt unter der Leitung von Benita Ferrero-Waldner), die Generaldirektion Erweiterung (zuletzt: Olli Rehn), die Generaldirektion Handel (zuletzt: Catherine Ashton), die General­direktion Wirtschaft und Währung (zuletzt: Joaquín Almunia Amann) sowie schließlich die Generaldirektion Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe (zuletzt: Karel de Gucht). 1 Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist die Union an die Stelle der Euro­ päischen Gemeinschaft getreten (Art. 1 UAbs. 3 S. 3 EUV). In der nachfolgenden Darstellung werden die Begriffe „Europäische Gemeinschaft“ und „Gemeinschaftsrecht“ sowie die hiervon abgeleiteten Verben verwendet, wenn auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Bezug genommen werden soll. 2 Vertrag von Nizza, ABl.EG 2001, Nr. C 80 S. 1 ff. vom 10.3.2001. 3 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 197; Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Frag­ mentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/ N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, BadenBaden 2008, S. 942 ff. Beispielsweise unterfiel die Außenwirtschaftspolitik und die Entwicklungshilfe der ersten Säule, deren Gemeinschaftscharakter ihr bedeutendstes Merkmal war. Klassische Sicherheitspolitik war dagegen der zweiten, intergouvernemental gestalteten Säule zugeordnet. Zu den mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon eingetretenen institutionellen Änderungen im Einzelnen im 4. Teil.

22

Einleitung

Die Europäische Kommission verband bereits damals in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht eine enge Zusammenarbeit mit dem Rat der Europäischen Union, insbesondere mit dessen Generalsekretär, der zugleich das Amt des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bekleidete, das bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon4 die längste Zeit der Spanier Javier Solana de Madariaga inne hatte (1999–2009).5 Diese das Kompetenzgefüge prägende Vielfalt an Akteuren folgt im Grunde bis heute zumeist mehr historisch gewachsenen denn nach einem Aufgabenkatalog strukturierten Regelungen.6 Sie wird bisweilen auch als „Methode Monnet“ bezeichnet. Angesprochen werden sollen damit die pragmatischen und funktionellen Erwägungen Monnets, d. h. vor allem das an Zielen und Notwendigkeiten orientierte Vorgehen bei der Vertiefung der Integration.7 Es verwundert folglich nicht, dass die „Kompetenzordnung“ für das auswärtige Handeln in der Vergangenheit nicht nur von und für außenstehende Beobachter oft als zersplittert, wenig transparent oder gar als ineffizient bezeichnet wurde.8 An diesem Umstand setzte auch die leicht spöttelnde, wenngleich vielzitierte Frage „Who do I call if I want to call Europe?“9 an, die der ehemalige US-Außenminister

4

Vertrag von Lissabon, ABl.EU 2007, Nr. C 306 S. 1 ff. vom 17.12.2007. Zum detaillierten Verlauf seiner Ratifizierung vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Aktueller Begriff Nr. 63/08, S. 2. 5 Der allererste Amtsinhaber war von Mai bis Oktober 1999 der ehemalige Generalsekretär des Rates, der Deutsche Jürgen Trumpf. 6 Josef Janning, Europäische Union und deutsche Europapolitik, in: S. Schmidt/G. Hell­ mann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 749. 7 Sie wird daher auch oft mit den Schlagworten „form follows function“ bezeichnet. Hierzu: Frank Schorkopf, Maßstäbe für die institutionelle Architektur der Europäischen Union, in: E. Pache/F. Schorkopf (Hrsg.), Die Europäische Union nach Lissabon, Baden-Baden 2009, S. 79 f. m. w. N. Zur Notwendigkeit einer planmäßigen Weiterentwicklung, mithin also der Überwindung der Methode Monnets vgl. Joseph Fischer, Vom Staatenverbund zur Föderation. Gedanke über die Finalität der europäischen Integration, Vortrag am 12. Mai 2000 an der Humboldt-Universität zu Berlin („Humboldt-Rede“), abgedruckt in: Forum Constitutionis Europae Nr. 12/00, Spezial Nr. 2, Rn. 43 ff. 8 Stellvertretend hierfür: Stephan Keukeleire, The European Union as a Diplomatic Actor: Internal, Traditional, and Structural Diplomacy, in: Diplomacy and Statecraft 2003, S. 294 f.; Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 93; Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 1. 9 Sinngemäß übersetzt etwa: „Wen muss ich anrufen, wenn ich mit Europa sprechen möchte?“; vgl. auch Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/ J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 93; vgl. auch die gleichnamige Petition unter: http://www.whodoicall. eu/ (letzter Abruf: 29.5.2013).

A. Problemstellung und Gegenstand der Untersuchung

23

Henry Kissinger bereits Mitte der 1970er Jahre mit Blick auf die Kompetenzverteilung im Bereich des europäischen auswärtigen Handelns stellte. Die Erklärung von Laeken10 aus dem Jahre 2001 leitete den jüngsten institutionellen Reformprozess in der europäischen Geschichte ein. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand dieser am 13. Dezember 2007 in der Unterzeichnung des auch als „Reformvertrag“ bezeichneten Vertrags von Lissabon durch die Staats- und Regierungschefs der (damals) 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der in der Folge dieser Erklärung vom Verfassungskonvent unter der Leitung Giscard d’Estaings zunächst ausgearbeitete Vertrag über eine Verfassung für Europa11 sah eine Fülle institutioneller wie materieller Änderungen für das europäische Kompetenzgefüge vor, insbesondere für den Bereich der EU-Außenbeziehungen.12 Erklärtes Ziel war es, mit der soeben beschriebenen, allseits als politisches Defizit empfundenen Kompetenzfragmentierung13 auf europäischer Ebene aufzuräumen, um das System des auswärtigen Handelns der Union nach innen, vor allem aber nach außen, etwa gegenüber internationalen Organisationen oder Drittstaaten, transparenter, effizienter und kohärenter zu gestalten. Der Vertragstext in der Fassung des Verfassungsvertrags sah hierfür die Schaffung des Amts eines Europäischen Außenministers vor, der, von einem damals ebenfalls noch zu schaffenden Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) unterstützt, die Geschicke der „euro­ päischen Außenpolitik“ lenken, als Koordinierungsstelle der mitgliedstaatlichen Politiken fungieren und somit letztlich auf eine Reduzierung der am auswärtigen Handeln der EU beteiligten Akteure hinwirken sollte.

10 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Erklärung von Laeken am 14./15. Dezember 2001 zur Zukunft der Europäischen Union, SN 300/1/01/REV 1. 11 Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl.EU 2004, Nr. C 310 S. 1 ff. vom 16.12.2004. 12 Zwei Arbeitsgruppen beschäftigten sich im Rahmen des Verfassungskonvents schwerpunktmäßig mit außenpolitischen Fragestellungen. Dies waren zum einen die von ­Giuliano Amato geleitete Arbeitsgruppe III („Rechtspersönlichkeit“) sowie die Arbeitsgruppe VII („Außenpolitisches Handeln“), deren Vorsitzender Jean-Luc Dehaene war. Zum Mandat der Arbeitsgruppe „Rechtspersönlichkeit“ vgl. CONV 73/02, zu ihrem Schlussbericht: CONV 305/02; zum Mandat der Arbeitsgruppe „Außenpolitisches Handeln“ vgl. CONV 252/02, zu ihrem Schlussbericht vom 16.12.2002 vgl. CONV 459/02. Den Schlussberichten folgten die Vorschläge des Konventspräsidiums vom 23.4.2003 (CONV 685/03), vom 28.5.2003 (CONV 727/03) und vom 12.6.2003 (CONV 802/03) sowie in redaktioneller wie inhaltlicher Hinsicht geänderte Fassungen (CIG 50/03 und CIG 81/04) und schließlich die Endfassung CIG 85/04. 13 Waldemar Hummer spricht in seinem Beitrag „Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa“ [in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 494] gar von einem „Wildwuchs“ im europäischen Gefüge der Außenvertretung; ebenfalls den Begriff des „organisatorischen Wildwuchses“ verwendend, wenngleich vermittelnder: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre H ­ oher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 26; Daniel Thym, External Affairs, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Principles of European Constitutional Law, 2. Aufl., Oxford u. a. 2010, S. 311 („patchwork of individual external policies“).

24

Einleitung

Obwohl der Vertrag über eine Verfassung für Europa in seiner ursprünglich ausgehandelten Form nie in Kraft getreten ist, haben die vertraglichen Reformbestrebungen, insbesondere der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon, an den bereits genannten wegbereitenden Änderungen im Bereich der Außenvertretung Europas im Allgemeinen und an den Herzstücken der Reform, die Schaffung des Amts eines „Koordinators“ in Form des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: Hoher Vertreter)14 nebst der des EAD, im Besonderen festgehalten.15 In Anbetracht nur kryptischer und knapper Regelungen im Vertrag von Lissabon (und früher schon im Verfassungsvertrag) avancierte der EAD unter den EU-Organen, aber auch unter den Mitgliedstaaten schnell zum „Zankapfel“. Man könnte meinen, der Ausspruch Fabrice Larats16 „Wir wollen gemeinsam wollen – même si on ne sait pas quoi“ habe bei den endlosen Diskussionen über das „institutionelle Design“ des EAD Pate gestanden. Angesichts der dynamischen Entwicklung, die das europäische Gemeinschafts- und Unionsrecht kennzeichnet, sollte dies allerdings nicht verwundern. Die Gründung eines auswärtigen Dienstes der EU, also eines genuin europäischen und weitgehend unabhängig von den Mitgliedstaaten17 geführten diplomatischen Dienstes ist ein politisches wie rechtliches Novum. Es bedeutet nicht nur einen qualitativen Quantensprung in der Vertretung Europas nach außen, sondern ist zugleich Spiegel und Sinnbild eines sich durch kleine, am Einzelfall entlang „tastende“18 Schritte und sich durch stete Überarbeitung und Weiterentwicklung auszeichnenden europäischen Integrationsgedankens.

B. Ziel und Gang der Untersuchung Der Bereich der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union stellt mitnichten ein unerforschtes Gebiet dar.19 Dies illus­ trieren bereits gleichnamige rechts- und politikwissenschaftliche Monografien und 14 Obwohl die Stelle nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zunächst mit einer Frau, der Britin Baroness Catherine Ashton, besetzt wurde, wird im Folgenden die im Primärrecht verwendete Amtsbezeichnung „Hoher Vertreter“ gebraucht, sofern von der Position an sich die Rede ist. 15 Im Einzelnen hierzu im 5. Teil D. 16 Fabrice Larat über die deutsch-französische Zusammenarbeit anlässlich des DeutschFranzösischen Studientages der École nationale d’administration und der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer am 30.6.2009 in Straßburg. 17 Zu den verschiedenen Gestaltungsoptionen im 5. Teil D. II. 1. 18 Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 371. 19 So anscheinend aber: Rolf Ahmann/Reiner Schulze/Christian Walter, Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 13 („hic sunt leones“).

B. Ziel und Gang der Untersuchung

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Abhandlungen, die sich auch zeitgeschichtlichen Forschungsaspekten widmen.20 Die Neuerscheinungen zeichnen dabei den Rhythmus der Vertragsänderungen nach. Nach einer konstanten Phase bis Ende der 1990er Jahre nahm die Diskussion über das auswärtige Handeln der Union mit den Verhandlungen des Konvents zur Zukunft Europas über einen Verfassungsvertrag wieder an Fahrt auf. Der auswärtige Dienst der EU bildete bereits während der Verhandlungen über den Verfassungsvertrag einen Streitpunkt zwischen den EU-Organen einerseits, den Mitgliedstaaten andererseits. Im Zusammenhang mit der Neukonzeption des auswärtigen Handelns der Union durch den Vertrag von Lissabon wurden einzelne Teilaspekte bereits in wissenschaftlichen Abhandlungen erörtert.21 An anderer Stelle wurde der Beitrag des EAD zur Europäisierung der Diplomatie untersucht.22 Der EAD taucht dabei meist als Randaspekt von Analysen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder im Zusammenhang mit dem Amt des Hohen Vertreters auf. Die vorliegende Untersuchung macht es sich zur Aufgabe, einen weiteren Baustein im Gefüge der wissenschaftlichen Durchdringung des Themenbereichs der Außenvertretung und des auswärtigen Handelns der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon zu bilden und dabei den EAD in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen zu stellen. Entstehung, Konsolidierung und Fortentwicklung diplomatischer Strukturen in der Union sollen analysiert, zur mitgliedstaatlichen Außen­vertretung ins Verhältnis gesetzt werden und sollen damit letztlich zur Analyse der in der (rechts-)wissenschaftlichen Bearbeitung eher spärlich23 beachteten Problematik beitragen. Wesentliche Grundlage der vorliegenden Untersuchung bilden die Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union im Allgemeinen sowie über die Ge 20 Stefan Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007. 21 Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S.  197 ff.; Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 127 ff. 22 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011. 23 Vgl. Rolf Ahmann/Reiner Schulze/Christian Walter, Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 12; Govaere sah bislang fast ausschließlich die Politikwissenschaft mit den Fragen der auswärtigen Vertretung der Union befasst, vgl. Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 97; Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/ I. Ley/O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 177 mit Hinweisen auf Ausnahmen (insbesondere Fn. 33).

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Einleitung

meinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Besonderen, wobei sich die Betrachtung auf die außenpolitischen Aspekte der GASP konzentriert. Sicherheits- und verteidigungspolitische Gesichtspunkte, insbesondere die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) werden im Rahmen dieser Arbeit weitgehend ausgeklammert.24 Ebenso wenig bildet die vertikale Abgrenzung von Kompetenzen der Mitgliedstaaten von solchen der Union im Folgenden einen Schwerpunkt; auf einige Gesichtspunkte sei an entsprechender Stelle lediglich hingewiesen.25 Hingegen werden in horizontaler Hinsicht die Befugnisse der einzelnen für das auswärtige Handeln der Union relevanten Organe und Organteile systematisch analysiert und voneinander abgegrenzt. Von besonderer Bedeutung werden in diesem Zusammenhang die Kompetenzen des Hohen Vertreters sowie die von der Kommission ausgeübte supranationale Außenvertretung sein. Schwerpunkt und zugleich Ziel dieser Darlegung ist es, herauszuarbeiten, welche Veränderungen durch den Aufbau des EAD in der institutionellen Architektur des auswärtigen Handelns der Union hervorgerufen worden sind und welche endgültige Ausgestaltung der EAD (noch) erfahren muss, um den – hohen26 – Erwartungen und Anforderungen der Europäischen Union einerseits und der Mitgliedstaaten andererseits an ein koordiniertes, effizientes und konsistentes außenpolitisches Handeln gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen, aber auch unionsintern gerecht zu werden. Daneben wird das System einer unionsdominierten Diplomatie besonders im Hinblick auf das Kohärenzgebot und das Verhältnis zur verbleibenden nationalstaatlichen Außenvertretungskompetenz einer kritischen Betrachtung unterzogen. Der erste Teil der Untersuchung setzt sich mit den für ihren Fortgang wesentlichen Begriffen auseinander, um nachfolgend deren verständliche und einheitliche Verwendung zu gewährleisten. Ferner befasst er sich mit den Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns. Gewissermaßen als Gegenpol hierzu beschäftigt sich der zweite Teil mit den Außenkompetenzen „klassischer“ internationaler Organisationen, die anhand zweier Beispiele erläutert w ­ erden. Von dieser Basis ausgehend widmet sich die Untersuchung in den beiden folgenden Teilen dem auswärtigen Handeln der Europäischen Union, beginnend mit 24 Wegen ihrer Üblichkeit findet die Abkürzung „GASP“ im Folgenden gleichwohl Ver­ wendung. 25 Zur vertikalen Kompetenzabgrenzung zwischen EG bzw. EU und den Mitgliedstaaten: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007. 26 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 249; Thomas Risse, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsvertragsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, in: integration 2003, S. 572; Wolfgang Wessels, Institu­ tionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 421.

B. Ziel und Gang der Untersuchung

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einem historischen Überblick über die Entwicklung dessen, was heute gemeinhin oft als „europäische Außenpolitik“ bezeichnet wird (dritter Teil). Einschließen soll die Betrachtung die rechtlichen und politischen Entwicklungen, die ein teils lediglich koordiniertes, teils echtes gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union bzw. der Mitgliedstaaten in außenpolitischen Fragen erforderlich gemacht haben bzw. weiterhin erforderlich machen. Der Status quo der Kompetenzverteilung in der Außenvertretung der Union und deren institutioneller Architektur einschließlich aller für das auswärtige Handeln der Union relevanten Akteure nach der Vertragsreform von Lissabon bildet somit den zentralen Untersuchungsgegenstand des vierten Teils. Hieran anschließend folgt die Analyse des EAD (fünfter Teil). Ausgehend von den Rahmenbedingungen für seine Institutionalisierung und deren Etappen werden die einschlägigen Rechtsgrundlagen erörtert. Beachtung finden in diesem Abschnitt auch die für das auswärtige Handeln prägenden Leitgedanken wie die der Kohärenz, der Loyalität und der Solidarität sowie deren rechtliche Bedeutung im europäischen Kontext. Betrachtet werden ferner der Rechtsstatus des EAD sowie seine interne Organisationsstruktur, des Weiteren seine Aufgaben und Kompetenzen und schließlich personal- und budgetrechtliche Aspekte. Insbesondere die Frage, wie sich die institutionelle Einbindung des EAD in das bestehende Kompetenz-, Organisations- und Personalgefüge bewältigen lässt, ohne zu einer schlichten Duplikation von Organen, Positionen und Ämtern zu führen, wird von besonderem Interesse sein. Hierbei wird sich die Darstellung auch mit der Problematik des Rechtsschutzes im Bereich des auswärtigen Handelns der Union beschäftigen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Frage zukommen, inwiefern Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Maßnahmen des EAD gewährleistet werden müssen und, bejahendenfalls, wie dies zu bewerkstelligen ist. Eine Untersuchung des Verhältnisses von mitgliedstaatlicher und – unter dem Regime eines europäischen auswärtigen Dienstes stehender – unionsgeprägter Diplomatie unternimmt der sechste Teil. Er wird der Frage nachgehen, welche Veränderungen die Etablierung des EAD für die nationalen diplomatischen Strukturen mit sich gebracht hat, exemplarisch dargestellt anhand des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland. Im letzten Teil der Untersuchung werden die in den vorherigen Teilen gewonnenen Erkenntnisse in einem abschließenden Schritt zusammengeführt. In Form eines Fazits sollen Errungenschaften, aber auch Defizite der reformierten euro­ päischen Außenvertretung bilanziert und einige zur Überwindung von institutionellen Schwachstellen nötige Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen formuliert werden. Die Arbeit schließt mit Thesen, die die gewonnenen Ergebnisse zusammenfassen.

Erster Teil

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Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Fragen des auswärtigen Handelns der Europäischen Union, ihrer Außenvertretung sowie deren Verhältnis zur mitgliedstaatlichen Diplomatie. Damit berührt sie Themengebiete, die in der Rechtswissenschaft ebenso wie in der Politikwissenschaft beheimatet sind. Um eine einheitliche und kohärente Verwendung einiger für den Verlauf der Untersuchung wesentlicher Begrifflichkeiten zu gewährleisten, die in beiden wissenschaftlichen Disziplinen – nicht zwangsläufig in übereinstimmender Weise – verwendet werden, befasst sich der folgende Teil mit deren für den Fortgang der Untersuchung maßgeblichen Verwendung und Bedeutung.

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension Die Bereiche nationalstaatlicher Außenpolitik und Europa stehen nicht beziehungslos zueinander. Allenthalben wird von „europäischer Außenpolitik“ gesprochen oder über die „Außenpolitik der EU“ geschrieben.1 Was mit den Begriffen gemeint ist, erscheint in vielen Fällen allerdings nur auf den ersten Moment zweifelsfrei und klar.2 Bei intensiverer Beschäftigung mit dem Gehalt der Begriffe offenbaren sich zahlreiche Unsicherheiten; es scheinen sich letztlich mehr Fragen aufzutun, als sich dazu ad hoc passende Antworten finden ließen. Die Unter­ suchung soll sich den Begrifflichkeiten daher im Folgenden schrittweise annähern, ohne jedoch den Anspruch zu erheben, eine letztgültige Antwort im Sinne einer „Definition“ geben zu wollen oder zu können.

1 Georg Kristian Kampfer, Die Europäische Union auf dem Weg zu einem Bundesstaat? – Von der föderalen Struktur der Europäischen Union und der Europäisierung der Außenpolitik, Baden-Baden 2010, S. 159. 2 Vgl. zur „Unschärfe“ des Begriffs „Außenpolitik“: Gunther Hellmann/Reinhard Wolf/ Siegmar Schmidt, Deutsche Außenpolitik in historischer und systematischer Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 17 m. w. N.

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

29

I. Nationale Außenpolitik Dem Begriff der Außenpolitik begegnet man im Alltag an vielen Stellen. In Presse und Medien verwendet, soll er zumeist „weitgehend routinisierte Handlungen von herausgehobenen Politikern gegenüber anderen Staaten und deren Repräsentanten“

beschreiben.3 Diese Begriffbestimmung ist verhältnismäßig weit und bietet nur marginale Eingrenzungsmöglichkeiten. Staatsrechtlich betrachtet beschreibt der Begriff der Außenpolitik (auch auswärtige Politik genannt) für sich genommen zunächst einmal das schlichte Handeln eines souveränen Staates nach außen, d. h. gegenüber anderen einzelnen Staaten, Staatenverbünden oder internationalen Organisationen4 verbunden mit dem Ziel der Wahrnehmung eigener, gesamtgesellschaftlicher Staatsinteressen.5 Die so gefasste Definition erlaubt zweierlei Schlussfolgerungen. Erstens setzt sie voraus, dass dem handelnden Akteur Staatsqualität zukommt. Zweitens ist die Arbeit der gouvernementalen Exekutiven für die Außenpolitik besonders bedeutsam, weil sie die Außenpolitik im Wesentlichen initiieren und bestimmen.6 Die Aufteilung der Regierungsarbeit in Ressorts legt die so definierte „klassische“7 Außenpolitik eines Staates traditionell in den Aufgabenbereich der Außenministerien und deren diplomatischer Instrumentarien. Da sich die Entwicklungen in Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Technologie, Umwelt und im Bereich Soziales heute zumeist im vernetzten, gesamt­ politischen Zusammenhang vollziehen, beschränkt sich die Pflege außenpolitischer Beziehungen heute jedoch nicht mehr ausschließlich auf die Verfolgung einzelner Interessen.8 Daher wird die nationale Außenpolitik rein faktisch durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Einzelakteure betrieben. Abgesehen 3 Gunther Hellmann/Reinhard Wolf/Siegmar Schmidt, Deutsche Außenpolitik in historischer und systematischer Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 17. 4 Gerhard Hans Reichel, Die auswärtige Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundes­ republik Deutschland vom 23. Mai 1949, Berlin 1967, S. 24; Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 101. 5 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 7; Georg Kristian Kampfer, Die Europäische Union auf dem Weg zu einem Bundesstaat? – Von der föderalen Struktur der Europäischen Union und der Europäisierung der Außenpolitik, Baden-Baden 2010, S. 162. 6 Andreas Wilhelm, Außenpolitik, München 2006, S. 139. 7 „Klassische“ Außenpolitik beschäftigt sich mit der Themenfeldern Friedenspolitik, Menschenrechte und Entwicklungspolitik, vgl. Reinhard Bettzuege, Auswärtiger Dienst, in: S. Schmidt/ G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 226. 8 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 GAD, Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

von den Außenministerien wird sie auch durch andere, ebenfalls mit außenpolitisch relevanten Fragen befassten Ministerien wie dem Wirtschafts-, dem Entwicklungs- oder dem Verteidigungsministerium ressortübergreifend wahrgenommen9 und auch durch nichtstaatliche Organisationen wie z. B. Menschenrechtsorganisationen mitbestimmt.10 Diesen tatsächlichen Umständen Rechnung tragend könnte man davon sprechen, dass das vormals materielle Außenvertretungsmonopol der Außenministerien zugunsten eines (nur noch) formellen gewichen ist.11 Vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Verflechtung außenpolitisch relevanter öffentlicher und privater, nationaler und internationaler Organe und Institutionen wird der damit scheinbar einhergehende Machtverlust jedoch durch eine unverzichtbare Federführung des Außenministeriums – im Falle Deutschlands des Auswärtigen Amts – im Sinne einer Koordinierungsfunktion und durch eine Public Diplomacy, also die unmittelbare Erläuterung der (deutschen) Politik gegenüber den Zivilgesellschaften anderer Staaten, aufgefangen.12 In der Politikwissenschaft besteht lediglich hinsichtlich zweier elementarer Bestandteile des Begriffs der Außenpolitik ein Grundkonsens. Demnach wird sie von individuellen oder kollektiven Akteuren13 betrieben, die als Vertreter ihres Staates zum Handeln legitimiert sind. Der Begriff des „Akteurs“ entstammt ebenfalls der Politikwissenschaft. Er bezeichnet jede an politischen Entscheidungen beteiligte Person oder Organisation (individueller bzw. kollektiver Akteur).14 Diesem Ver-

9 Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 127. 10 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 13; Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 3. 11 Nass glaubt das Monopol des Auswärtigen Amts sogar ganz entfallen, vgl. Klaus Otto Nass, „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik 1986, S. 627. Dem Wandel der außenpolitischen Strukturen in den Mitgliedstaaten versuchen die von Brian Hocking/David Spence initiierten Studien nachzugehen, vgl. B. Hocking/D. Spence (Hrsg.), Foreign Ministries in the European Union – Integrating Diplomats, Basingstoke u. a. 2002. 12 Lisette Andreae/Karl Kaiser, Die „Aussenpolitik“ der Fachministerien, in: W.-D. Eber­ wein/K. Kaiser (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, München 1998, S. 31; Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., ­Baden-Baden 2004, Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 GAD; Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 60, 70; Manfred Neumann, Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30.8.1990, in: Verwaltungsrundschau 2005, S. 228, 232; Fritjof von Nordenskjöld/Julius Georg Luy, Der Auswärtige Dienst auf dem Weg nach Berlin, in: Auswärtiger Dienst 1995, S. 8. 13 Zum (außenpolitischen) Akteursbegriff im politikwissenschaftlichen Sinn vgl. Stefan Gänzle, Die Europäische Union als außenpolitischer Akteur – Eine Fallstudie zur EU-Politik gegenüber den baltischen Staaten und Russland, Baden-Baden 2007, S. 33 ff. 14 Klaus Schubert, Stichwort „Akteur“, in: D. Nohlen/R.-O. Schultze (Hrsg.), Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Bd. 1, 4. Aufl., München 2010, S. 8 f.

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

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ständnis eines „Akteurs“ der Außenpolitik folgend wird – anders als beim klassisch-völkerrechtlichen Verständnis – das Vorhandensein staatlicher Souveränität nicht als Prämisse vorausgesetzt. Der diesen politikwissenschaftlichen Kernelementen entsprechenden Definition zufolge bezeichnet Außenpolitik „(…) jene Handlungen staatlicher Akteure, die auf die Ermöglichung und Herstellung kollektiv bindender Entscheidungen in den internationalen Beziehungen abzielen“.15

Dass seit der Entstehung europäischer Nationalstaaten infolge des Westfä­lischen Friedens von 1648 der territoriale Aspekt für den Begriff der Nation prägend geworden ist, ist auch für den Gehalt des Begriffs der Außenpolitik nicht ohne Folgen geblieben. Er wird seitdem untrennbar mit dem des souveränen Nationalstaats verbunden.16 Dies erklärt sich vor allem daher, dass das Feld der Außenpolitik in seiner geschichtlichen Entwicklung seit jeher als genuines Kerngebiet nationalstaatlicher Prärogativen und Interessen galt. Bei der schrittweise erfolgten Übertragung von Machtkompetenzen der Monarchie an die vom Bürgertum gewählten Parlamente verblieb das Außen-, wie im Übrigen das Militärressort, aufgrund seiner Natur als hochsensible politische Materie (Besetzung mit Diplomaten und Beamten, Geheimhaltung etc.) lange Zeit in der alleinigen Verantwortung des jeweiligen Monarchen,17 also der Staatsgewalt, die der Exekutive nach heutigem Verständnis am nächsten kommt. Die vorgenannte Definition zu Grunde legend und diesen entwicklungshistorischen Umständen Rechnung tragend beschreibt Seidelmann den Begriff der Außenpolitik zusammenfassend daher folgendermaßen: „Mit und in Außenpolitik nimmt die im souveränen Nationalstaat organisierte Gesellschaft ihre allgemeinpolitischen, wirtschaftlichen, militärischen und soziokulturellen Interessen gegenüber ihrem internationalen Umfeld wahr.“18

15 Gunther Hellmann/Reinhard Wolf/Siegmar Schmidt, Deutsche Außenpolitik in historischer und systematischer Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 17. Zur allgemeinen Definition der Politik, vgl. Niklas Luhmann, Staat und Politik. Zur Semantik der Selbstbeschreibung politischer Systeme, in: U. Bermbach (Hrsg.), Politische Theoriengeschichte. Probleme einer Teildisziplin der Politischen Wissenschaft, Opladen 1984, S. 103. Noch offener formuliert White: „(…) actions taken by governments which are directed at the environment external to their state with the objective of sustaining or changing that environment in some way.“ Vgl. Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 11. 16 Gunther Hellmann/Reinhard Wolf/Siegmar Schmidt, Deutsche Außenpolitik in historischer und systematischer Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 24. 17 Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 2. 18 Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 1.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Kennzeichnend für die Außenpolitik sind hiernach einerseits nicht Einzelhand­ lungen, sondern die Etablierung eines Beziehungsgeflechts oder -musters, das einer mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebrachten Gesamtstrategie folgt.19 Anderseits prägt den Begriff die stets akteursbezogene Perspektive der Außenpolitik, die im Ergebnis zu einer Unterscheidung zweier Sphären führt, nämlich „Innen“ und „Außen“. Einzelstaatliche Außenpolitik verfolgt demzufolge immer einen monozentrischen Ansatz.20 Diese Eigenschaft unterscheidet sie vom Begriff der internationalen Politik, welche das „große Ganze“, d. h. die Summe aller nationalen Außenpolitiken, zum Gegenstand hat und damit ein polyzentrisches Interaktionsgefüge darstellt.21 Das für die Unterscheidung der Begriffe der „Außenpolitik“ und der „auswärtigen Beziehungen“ (oder „auswärtige Angelegenheiten“) wiederum entscheidende Kriterium liegt auf einem Zeitstrahl. Denn in dem Moment, in dem der innerstaatliche Willensbildungsprozess beendet ist bzw. in die Phase der praktischen Umsetzung z. B. in einen völkerrechtlichen Vertrag übergeht, transformiert sich „Außenpolitik“ in „auswärtige Angelegenheiten“.22 Der Begriff der „auswärtigen Angelegenheiten beschreibt demnach die sich aus der Stellung des Staates in der Völkerrechtsgemeinschaft ergebenden Beziehungen jenseits nationaler Hoheitsgrenzen.23 Obgleich die Rechts- und die Politikwissenschaft hinsichtlich des mit der Wahrnehmung der Außenpolitik beauftragten Akteurs differenzieren (Rechtswissenschaft: souveräner Nationalstaat; Politikwissenschaft: die den souveränen Nationalstaat tragenden Gesellschaften), ist ihnen die Zielsetzung der Außenpolitik (Interessenwahrnehmung) gemeinsam. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass sich „Außenpolitik“ nach beiden Verständnissen in der Wahrnehmung von Interessen nach außen ausdrückt. Der so verstandene Begriff der Außenpolitik soll im Folgenden um die europäische Dimension ergänzt werden.

19 Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 1. 20 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 13. 21 Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 3; Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 13. 22 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 8. 23 Vgl. Thomas G. Borer, Das Legalitätsprinzip und die auswärtigen Angelegenheiten, Basel 1986, S. 395; Dieter Blumenwitz, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: BayVBl. 1996, S. 574, der die auswärtige Gewalt deshalb auch als „juristisches Äquivalent der auswärtigen Beziehungen“ beschreibt.

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

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II. Europäische Dimension der nationalen Außenpolitik Die im Rahmen der Europäischen Union unterhaltenen auswärtigen Beziehungen der Mitgliedstaaten erweitern den ansonsten national geprägten Begriff der Außenpolitik um eine europäische Dimension. Durch ihre Zugehörigkeit zur EU haben sich die Mitgliedstaaten in rechtliche wie politische Wechselbeziehungen begeben, die auf unterschiedlichen Ebenen, im Verhältnis zur Union (vertikal) sowie untereinander (horizontal), ihren Ausdruck finden. Neben den im Grundgesetz angelegten Strukturen der auswärtigen Beziehungen haben sich in der Bundes­republik Deutschland, wie auch in anderen Mitgliedstaaten, aufgrund der Politikverflechtung informelle Strukturen herausgebildet, die den Prozess (deutscher) Europapolitik mitbestimmen. Für den damit beschriebenen Vorgang sei beispielhaft die Arbeit von Parlamentariergruppen, von Lobbyinstitutionen und Verbänden auf europäischer Ebene sowie von bi- oder multilateralen Regierungskonsultationen genannt.24 Die zunehmende politische und wirtschaftliche Verflechtung hat vormals rein innerstaatliche Sachverhalte von ihrer nationalen Verortung gelöst. Diese Entterritorialisierung, auch beschrieben als „Verlust der territorialen Radizierung des Staates“,25 führte – gleichsam als Kehrseite der(selben) Medaille – zur Not­ wendigkeit, für auftretende grenzüberschreitende Konflikte und Probleme gemeinsame Strategien und Lösungen zu erarbeiten.26 Auch wenn bislang die meisten Versuche einer echten Supranationalisierung, z. B. im Rahmen der GASP, an Souveränitätsvorbehalten der Nationalstaaten scheiterten,27 hat sich die Mehrzahl der Nationalstaaten für die Einbettung in eine Vielzahl größerer politischer Verbünde oder Bündnisse, wie die Europäische Union oder die Vereinten Nationen, entschieden,28 die in ihren Schwerpunkten teils ähnlichen, teils unterschiedlichen Zielsetzungen verpflichtet sind. Regelmäßig war und ist dieser Weg noch immer 24 Helga Haftendorn, Verflechtung und Interdependenz als Strukturbedingungen westdeutscher Außenpolitik, in: dies./W.-D. Karl/J. Krause/L. Wilker, Die verwaltete Außenpolitik – Sicherheits- und entspannungspolitische Entscheidungsprozesse in Bonn, Köln 1978, S. 15 f.; Josef Janning, Europäische Union und deutsche Europapolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/ R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 760. 25 Udo di Fabio, Das Recht offener Staaten: Grundlinien einer Staats- und Rechtstheorie, Tübingen 1998, S. 97 ff. 26 Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 1. 27 Thomas Bruha/Markus Rau, Verfassungsrechtliche Dimensionen europäischer Außenpolitik, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 173; Reimund Seidelmann, „Außenpolitik“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 2; zuletzt der Vorstoß einer Gruppe von Europaparlamentarier im Jahr 2007 zur Supranationalisierung der Außenpolitik, vgl. Elmar Brok/Nicole Fontaine/Bronislaw Geremek/Jo Leinen/ Iñdigo Méndez de Vigo, Schriftliche Erklärung zu einer Union der Außenpolitik, der Sicherheit und der Verteidigung, Dok. 0010/2007 vom 31.1.2007. 28 Hans Peter Bull, Über den Beitrag der öffentlichen Verwaltung zur Nationenbildung: Das Beispiel Deutschland, in: DÖV 2009, S. 787.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

mit der Übertragung von einzelnen Souveränitätsrechten verbunden, wie es beispielsweise die Mitgliedstaaten der Europäischen Union seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften haben erfolgen lassen. Gerade im Zusammenhang mit dem europäischen Integrationsprozess, dessen Früchte die Europäischen Gemeinschaften bzw. die Europäischen Union darstellen, wird in Anbetracht der beschriebenen Entwicklung vielfach von der Herausbildung oder der Praxis einer „europäischen Außenpolitik“ bzw. einer „Außenpolitik der EU“ gesprochen;29 teilweise werden die Begriffe auch synonym verwendet. Eine unreflektierte Verwendung beider Bezeichnungen übergeht indes die eingangs erwähnte Fragestellung, ob es eine „europäische Außenpolitik“ bzw. eine „Außenpolitik der EU“, verstanden als eine kollektive Politik europäischer Mitgliedstaaten, vor dem Hintergrund der nationalstaatlichen Prägung der Außenpolitik als erstem Reservat nationaler Souveränität überhaupt geben kann.30 Wie immer man die Begriffe „europäische Außenpolitik“ und „Außenpolitik der EU“ auch fassen mag, dürfte man ihre Existenzberechtigung darin sehen, dass sie europäischen Positionen in der internationalen Politik größeres Gewicht verleihen sollen.31 Dieses Ansinnen verfolgt auch der noch zu behandelnde EAD, weshalb im Folgenden versucht wird, den beiden Wendungen eine Konturierung zu verleihen, die es ermöglicht, sie mit der soeben erläuterten Außenpolitik im staatsrechtlichen Sinne in Beziehung zu setzen. Eine erste Untersuchung der beiden Begriffe unternahm die politikwissenschaftliche Studie mit dem Titel „Contemporary European Foreign Policy“.32 Hiernach wird in der Verwendung des Begriffs „EU-Außenpolitik“ (gegenüber dem Begriff der „europäischen Außenpolitik“) der Vorteil gesehen, dass man es mit einem spezifischen, präzise umrissenen und insgesamt handhabbaren Forschungsgegenstand zu tun hat, der auch eine Zuordnung der Außenpolitik als „domaine réservé“ zu den EU-Mitgliedstaaten erlaubt.33 Der Ausdruck „Außenpolitik der 29 Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 5. 30 Diesen Gedanken aufgreifend, fragte beispielsweise der 143. Bergedorfer Gesprächskreis noch im Juni 2009, ob „eine gemeinsame europäische Außenpolitik [überhaupt] möglich“ sei, vgl. Körber Stiftung Hamburg (Hrsg.), 143. Bergedorfer Gesprächskreis, „Ist eine gemeinsame europäische Außenpolitik möglich?“, 12. bis 14. Juni 2009, Hauptstadtbüro der Körber-Stiftung, Berlin. 31 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 150. 32 Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/ B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 11 ff. 33 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 135; Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 14. Zur Zuordnung zu den EU-Mitgliedstaaten führt White aus: „The latter [scil. the European foreign policy] is a contradiction in terms at best and a myth at worst.“

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

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EU“ wird seit dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags, vor allem aber seit der Vertragsreform von Lissabon mit dem der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU gleichgesetzt. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die parallel geführten Außenpolitiken der Mitgliedstaaten, die über die GASP hinaus, z. B. im Rahmen von bilateralen sektoralen Übereinkommen mit Drittstaaten, eigenständige Bedeutung behalten.34 Der Begriff „Außenpolitik“ setzt aus Gründen der völkerrechtlichen Zurechenbarkeit von in ihrem Rahmen gefassten Maßnahmen eine gemeinsame Willensbildung und Zielsetzung voraus. Da beide Punkte im Einzelfall problematisch sein können, wurde von politikwissenschaftlicher Seite vorgeschlagen, für den Fall der EU eine „Analogie“35 zu jeder staatlichen Außenpolitik zu ziehen, dies trotz bzw. gerade angesichts der Tatsache, dass sich der „Aggregatzustand“ der EU (noch) jenseits jeder Staatlichkeit bewegt.36 Unter rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten begegnet diese Argumentation erheblichen Bedenken, setzt doch eine Analogie eine planwidrige Regelungslücke voraus.37 Die Verhandlungen um den Verfassungs- und Reformvertrag haben jedoch eindrücklich gezeigt, dass die „­Lücke“ keinesfalls planwidrig oder gar unbeabsichtigt ist. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Um den Besonderheiten des Gebildes „EU“ gerecht zu werden, wird im Folgenden ein bewusst weit gefasstes Verständnis von „EU-Außenpolitik“ gewählt und verwendet. Will man hingegen die unter dem Schlagwort „neues Europa“ zusammengefassten Entwicklungen betonen, die ihren Ausgang am Ende des Kalten Krieges nahmen und nicht auf die Grenzen der EU beschränkt sind, bietet sich der zitierten Studie zufolge vielmehr der Begriff der „europäischen Außenpolitik“ an.38 Diese umfasst gegenüber der „Außenpolitik der EU“ das Netz aller Außenbeziehungen innerhalb Europas. Es bezeichnet damit ein sehr viel weiter gefasstes Feld, denn letzterer Begriff unterliegt weder einer Beschränkung auf den institutionellen noch 34 Ein sich aus dieser Unterscheidung ergebendes Folgeproblem ist die Frage, inwieweit die GASP-Politik der Mitgliedstaaten von den nationalstaatlichen Außenpolitiken außerhalb der GASP abgrenzbar ist. Hierauf soll vorliegend nicht eingegangen werden, vgl. aber die Studie von Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 16. 35 Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/ B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 15 [„(…) to characterise the EU by reference to possible analogies, most obviously to states (…)]; hingegen Roy H. Ginsberg, The European Union in World Politics, Boulder 2001, S. 12 („Comparing (…) EFP [scil.: European Foreign Policy] as if the EU were a state is a slippery slope.“). 36 Roy H. Ginsberg, The European Union in World Politics, Boulder 2001, S. 3. 37 Zu den Voraussetzungen der Analogiebildung in der Rechtswissenschaft vgl. A. W.  Heinrich Langhein, Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, Berlin 1992, S. 117 ff.; für das öffentliche Recht: Katja Hemke, Methodik der Analogiebildung im öffentlichen Recht, Berlin 2006, S. 27 ff. 38 Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/ B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 13.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

auf den geografischen Rahmen der sich fortwährend wandelnden EU.39 Anderen Autoren zufolge integriert der Begriff der „europäischen Außenpolitik“ zunächst die durch die Europäische Kommission vertretenen Außenkompetenzen der EG, die durch den Rat vermittelte GASP sowie schließlich die der nationalen diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten als Teilsegmente unter einem Dach.40 Unabhängig davon, welche der im vorigen Abschnitt (I.) genannten Definitionen der nationalen Außenpolitik man zugrunde legt, zeigt sich, dass die der „euro­ päischen Außenpolitik“ durchaus ähnliche Elemente aufweist. Beispiele hierfür sind der Adressatenkreis des Handelns (Handeln gegenüber Staaten, internationalen Organisationen) oder die zielgerichtete Durchsetzung eigener Interessen. Die einzige Ausnahme bildet die – der Union fehlenden – Staatlichkeit des handelnden Subjektes, so man diese denn für den Begriff der Außenpolitik überhaupt voraussetzt.41 Da sich die Untersuchung im Folgenden ausschließlich auf den Rahmen der Europäischen Union und nicht auf den sachlich weiter gefassten Bezug „Europa“ bezieht, soll der Frage nach der Tragfähigkeit des Begriffs „europäische Außenpolitik“ vorliegend nicht über das Gesagte hinaus nachgegangen werden.42 Es kann also festgehalten werden, dass die Begriffe „europäische Außenpolitik“ und „Außenpolitik der EU“ keinesfalls Synonyme darstellen, weshalb sie nicht nur der sprachlichen Präzision halber voneinander unterschieden werden sollten, sondern auch um den hinter den Begriffen stehenden Konzepten, letztlich die Differenzierung von Europa im engeren oder im weiteren Sinne, Farbe zu verleihen. Werden die Schlagworte im rechtswissenschaftlichen und politikwissenschaftlichen Diskurs genannt, ist damit nicht die Außenpolitik im eingangs definierten, engen Sinne gemeint. Verstanden werden die Begriffe vielmehr in einem erweiterten Sinne und stehen für das Ergebnis einer fortschreitenden, sich stets in Absprache und im Einvernehmen mit den europäischen Mitgliedstaaten verselbstständigenden Wahrnehmung von Politikbereichen mit außenpolitischen Bezügen durch die EU,43 deren Auswirkungen sich in der Regel außerhalb der Union zeigen, aber auch innerhalb der Union zu Tage treten können.44 39 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 18; Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 12. 40 Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 5. Ähnlich verwendet z. B. bei: Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 442. 41 Hierzu bereits im 1. Teil unter A. I. 42 Zum Begriff „Europäische Außenpolitik“ vgl. Brian White, Foreign Policy Analysis and New Europe, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary European Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 11 ff. 43 Ähnlich: Roland Bieber, § 35 Rn. 6, in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Euro­ päische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. 44 Vgl. Roland Bieber, § 35 Rn. 6, in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013.

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

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Ein der „EU-Außenpolitik“ und der „europäischen Außenpolitik“ verwandter Ausdruck ist ferner der der „EU-Außenbeziehungen“. Er wird gelegentlich sogar ebenfalls als – vermeintliches – Synonym für die oben erläuterten Begrifflichkeiten oder für die „Diplomatie“45 verwendet. „Außenbeziehungen“ kann die EU zu Völkerrechtssubjekten unterhalten, sei es bi- oder multilateral. Dem Begriff liegt die Annahme zugrunde, dass das Innen- und das Außenhandeln der Union entsprechend der Kompetenzverteilung entweder komplementär sind oder zumindest parallel laufen; über die Art der Beziehungen sagt der Begriff an sich nichts aus,46 weshalb er im Folgenden allenfalls als Oberbegriff für alle von der EU gegenüber Dritten unterhaltenen Beziehungen dienen soll. Eine gänzlich andere Richtung schlägt schließlich der Begriff der „europäisierten Außenpolitik“ ein. Die Entwicklung des Begriffs der „Europäisierung“ ist wie der damit verbundene Inhalt ebenso disziplinen- wie epochenabhängig. Genau wie die europäische Integration unterlag er einer inkrementellen Evolution. In der Politikwissenschaft versteht man unter der Europäisierung47 nationaler (Außen-)Politik „(…) die Erweiterung des Wahrnehmungshorizontes und des politischen Handlungsraumes um die europäische Dimension“.48

Die um eine den Nationalstaat übergreifende Dimension erweiterte Wahrnehmung der Außenpolitik hat zur Folge, dass die für ihre an sich so bedeutsame Unterscheidung zwischen „Innen“ und „Außen“ im Falle zwischenstaatlicher Zusammenarbeit, wie bei der Europäischen Union, verschwimmt.49 Die Trennlinie verschiebt sich derart, dass die Sphäre des Inneren den Raum der gesamten Europäischen Union umfasst, während sich die äußere Sphäre auf den Raum außerhalb der Europäischen Union verlagert. Auch die mit der Differenzierung zwischen den Sphären „Innen“ und „Außen“ grundsätzlich verbundenen verschiedenen Funk­

45 Zur Abgrenzung der Begriffe „Außenbeziehungen“ und „Diplomatie“ vgl. in diesem Teil unter C. I. 2. 46 Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 444; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 182. 47 Zur (uneinheitlichen) Verwendung des Begriffs in der Politikwissenschaft vgl. Uwe Schmalz, Deutschlands europäisierte Außenpolitik – Kontinuität und Wandel deutscher Konzepte zur EPZ und GASP, Wiesbaden 2004, S. 27 m. w. N. in Fn. 28 ff. 48 Beate Kohler-Koch, Europäisierung: Plädoyer für eine Horizonterweiterung, in: M. Knodt/ B. Kohler-Koch (Hrsg.), Deutschland zwischen Europäisierung und Selbstbehauptung, Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 22. 49 Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 59; Gunther Hellmann/Reinhard Wolf/Siegmar Schmidt, Deutsche Außenpolitik in historischer und systematischer Perspektive, in: dies. (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 19, 21; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 157.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

tionsmechanismen lassen sich im Falle zwischenstaatlicher Zusammenarbeit weniger scharf voneinander unterscheiden.50 Während die politikwissenschaftliche Betrachtungsweise neben dem Einfluss der europäischen Institutionen auf die nationalstaatliche Politik auch den Prozess der Beeinflussung selbst untersucht, steht bei der rechtswissenschaftlichen Analyse des Europäisierungsbegriffs vorwiegend das Ergebnis dieses Prozesses im Vordergrund.51 Rechtswissenschaftlich begriffen, betrifft das Phänomen der Euro­ päisierung die Schnittstelle von europäischem Recht einerseits und nationalem Recht andererseits. „Europäisierung“ wird ganz allgemein als Einfluss des Europarechts auf die nationalen Rechtsordnungen verstanden.52 Um der Komplexität des Europäisierungsphänomens möglichst umfassend gerecht zu werden, wird dieser Einfluss des Europarechts auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auch als „(…) Prozeß fortschreitender Beeinflussung, Wandlung und Überformung eines [­nationalen] Rechtsgebiets (…)“

durch das europäische Recht53 oder auch als Vorgang beschrieben, bei dem „(…) das nationale [Verwaltungs-] Recht aufgrund der sich ausdehnenden Gemeinschaftsordnung einem Prozeß der Neuinterpretation, Inhaltsänderung und Substituierung selbstbestimmter Rechtsetzung durch gemeinschaftsdeterminierte Regelungen unterworfen ist“.54

Diese beiden Ansätze offenbaren einen für die Europäisierung ganz wesentlichen Charakterzug, nämlich ihre Wirkungsweise. Der mit dem Begriff der „Euro­ päisierung“ beschriebene Sachverhalt beschreibt eine wechselseitige Verschränkung des europäischen Rechts mit den nationalen Rechtsordnungen,55 ordnet also 50 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden, 2008, S. 18 ff.; Michael Koch, Wozu noch Diplomaten? in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 352. 51 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 20. 52 Zu Begriff und unterschiedlichsten Kategorisierungen der Europäisierung vgl. Thorsten Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, Tübingen 2012, Rn. 68 ff. Bemerkenswerterweise befasste sich ein unter dem Titel „Europäisierung der Rechtswissenschaft“ erschienener Beitrag noch aus dem Jahr 1990 mit der Entwicklung einer „grenzüberschreitenden“ bzw. „europäischen Rechtswissenschaft“ ohne den Begriff der Europäisierung – außer in der Überschrift – im Folgenden überhaupt zu verwenden, vgl. Helmut Coing, Europäisierung der Rechtswissenschaft, in: NJW 1990, S. 937 ff. 53 Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Europäisierung des allgemeinen Verwaltungsrechts, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, München 1993, S. 513. 54 Karl-Peter Sommermann, Europäisches Verwaltungsrecht oder Europäisierung des Verwaltungsrechts?, DVBl. 1996, S. 891. Zum „Europäisierungsreflex“ deutscher Außenpolitik und dem symbiotischen Verhältnis zwischen deutscher und europäischer Außenpolitik vgl. Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 152, in Bezug auf das Verhältnis Deutschland – Frankreich: S. 147 f., 149. 55 Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Europäisierung des allgemeinen Verwaltungsrechts, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS für Peter Lerche

A. Nationale Außenpolitik und ihre europäische Dimension 

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keine „Einbahnstraße“ an. Anschaulichen Beleg für diese Eigenschaft bildet der dem europäischen Staatenverbund ähnliche sog. Europäische Verwaltungsverbund – der wohl übergreifendsten, „intensivsten“56 Ausprägung der Europäisierung. Er beschreibt ein sich aus unionalen und mitgliedstaatlichen Stellen zusammensetzendes Ganzes, das das Unionsrecht bzw. das harmonisierte nationale Recht „(…) geeint im Auftrag wirksamer und gleichmäßiger Verwaltungsführung (…)“

vollzieht.57 Die vorliegende Untersuchung will und kann eine umfassende Würdigung der Entwicklung des Europäisierungskonzeptes wie des Modells eines Europäischen Verwaltungsverbundes nicht leisten – insoweit sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.58 Zusammenfassend betrachtet lässt sich festhalten, dass das Politikfeld der Außenpolitik ebenso wie andere Bereiche im Zuge des europäischen Integrationsprozesses um eine europäische Dimension erweitert wurde, die eine Anpassung traditioneller nationaler Perspektiven erforderlich machte. Der Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland, die auch diesen europäischen Rahmenbedingungen Rechnung trägt, widmen sich die folgenden Abschnitte.

zum 65. Geburtstag, München 1993, S. 513; Hans-Werner Rengeling, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen, VVDStRL Bd.  35 (1994), Berlin, S. 202; Manfred Zuleeg, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – wechselseitige Einwirkungen, VVDStRL Bd. 35 (1994), Berlin, S. 154. Petersen unterscheidet auf dieser Grundlage die vertikale von der horizontalen Europäisierung, vgl. Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 20 f. 56 Thorsten Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, Tübingen 2012, Rn. 89. 57 Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Europäische Verwaltungsverbund und die Rolle des Europäischen Verwaltungsrechts, in: ders./B. Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, Tübingen 2005, S. 2; zum Ursprung des Begriffs: Thorsten Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund – Horizontale Entscheidungsvernetzung und vertikale Entscheidungsstufung im nationalen und europäischen Verwaltungsverbund, Tübingen 2009, S. 11. 58 Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Europäisierung des allgemeinen Verwaltungsrechts, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, FS für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, München 1993, S. 513 ff.; ders., Der Europäische Verwaltungsverbund und die Rolle des Europäischen Verwaltungsrechts, in: ders./B. Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, Tübingen 2005, S. 1 ff.; Karl-Peter Sommermann, Europäisches Verwaltungsrecht oder Europäisierung des Verwaltungsrechts?, DVBl. 1996, S. 889 ff.; Wolfgang Kahl, Der Europäische Verwaltungsverbund: Strukturen – Typen – Phänomene, Der Staat 50 (2011), S. 353 ff.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt Ausübung und Wahrnehmung nationaler Außenpolitik bilden die Grundlage für die sog. „auswärtige Gewalt“. Dieser Begriff hielt im Jahr 1892 mit der Verwendung der gleichnamigen Kapitelüberschrift in dem von Albert Haenel verfassten Lehrbuch „Deutsches Staatsrecht“59 Einzug in die deutsche Staatsrechtslehre.60 Anders als die „auswärtigen Beziehungen“ bezeichnet der Begriff der auswärtigen Gewalt allgemein „(…) das Recht, über die auswärtigen Angelegenheiten zu entscheiden und umfasst alle mit deren unmittelbarer Gestaltung beauftragten staatlichen Organe“.61

Diese allgemeine Annäherung an den Begriff ließe sich noch mit dem Element des Adressaten konkretisieren. Die beschriebenen Rechte und Kompetenzen dienen nämlich der „Gestaltung des Verhältnisses zu fremden Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten“.62 Von diesem Verständnis der auswärtigen Gewalt aus­ gehend, ist ihr Wesen maßgeblich durch zwei Elemente geprägt: Das ihr inne­ wohnende internationale Element knüpft an die völkerrechtliche Vertretungsbefugnis an; demgegenüber bezieht sich der innerstaatliche Aspekt der auswärtigen Gewalt auf den innenpolitischen Willensbildungsprozess.63 Inhaltlich umfasst die auswärtige Gewalt damit neben der Vertretung gegenüber anderen Staaten und internationalen Organisationen beispielsweise den Abschluss und die Kündigung völkerrechtlicher Verträge, die Abgabe von Willenserklärungen, die Einreichung von Klageverfahren vor Gerichten und Schiedsgerichten, die Unterhaltung diplomatischer und konsularischer Beziehungen.64 Wenngleich es über die genannten Elemente hinaus bislang nicht zu einer exakten Klärung des Begriffs gekommen ist, hält sich die von Haenel geprägte Bezeichnung, die zwar im Grundgesetz bis heute keine Verwendung findet, in Recht-

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Albert Haenel, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1: Die Grundlagen des deutschen Staates und die Reichsgewalt, Leipzig 1892, Kapitel V, S. 531. 60 Die Verwendung des Begriffs „auswärtige Gewalt“ ist nicht in allen deutschsprachigen Rechtsordnungen verbreitet, beispielsweise wird er nicht in Österreich gebraucht; vgl. Theo Öhlinger, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Länderbericht Österreich, VVDStRL Bd. 56 (1997), Berlin, S. 82. 61 Vgl. hierzu Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, 7. Aufl., Freiburg 1985, Bd. 1, Sp. 463; Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 56 ff. 62 Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1. 63 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 2. 64 Siegfried Weiß, Auswärtige Gewalt und Gewaltenteilung, Berlin 1971, S. 56. Eine weiterführende Aufzählung findet sich bei Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isen­ see/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 2.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

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sprechung65 und Literatur66 beharrlich, weswegen sie auch in der vorliegenden Arbeit benutzt wird. Da das Völkerrecht den Staaten die Organisation und die Gestaltung ihrer Vertretung nach außen nicht vorgibt, bleibt es jedem Staat belassen, selbst darüber zu entscheiden.67 In der Bundesrepublik Deutschland bildet das Grundgesetz zugleich Rahmen und Maßstab für die Ausübung der auswärtigen Tätigkeiten der Bundesrepublik Deutschland. Es enthält einerseits verfahrensrechtliche Vorgaben, die die Zuständigkeiten der an der deutschen Außenpolitik beteiligten Staatsorgane festlegen, diese zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten voneinander abgrenzen und schließlich die Modi ihrer Zusammenarbeit bestimmen (dazu unter I.), sowie andererseits materiell-rechtliche, die Europa- und Außenpolitik inhaltlich gestaltende Bestimmungen (unter II.).

I. Kompetenzrechtliche Bestimmungen: Akteure der deutschen Außenpolitik In einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland kommt neben der den Rechtsstaat prägenden Verschränkung der Staatsgewalten, horizontale Gewaltenteilung genannt (hierzu unter I. 2.), auch im Bereich der Außenpolitik die Verteilung der Kompetenzen auf den Gesamtstaat, den Bund, und dessen Gliedstaaten, die Länder, zum Tragen. Die vom Grundgesetz vorgenommene Kompetenzverteilung bleibt von Föderalisierungsentwicklungen und Parlamentarisierungstendenzen nicht unberührt. Beide Aspekte sollen daher im Folgenden an entsprechender Stelle und in gebotener Kürze erörtert werden.

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BVerfGE 2, 347 (379); 55, 349 (368); 68, 1 (87); 90, 286 (381); 93, 248 (256). Zum Begriff der auswärtigen Gewalt vgl. Gerhard Hans Reichel, Die auswärtige Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Berlin 1967, S. 24; Wilhelm Kewenig, Auswärtige Gewalt, in: H.-P. Schwarz (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, München 1975, S. 37 ff.; Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1; Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, 7. Aufl., Freiburg 1985, Bd. I, Sp. 463; Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 56 ff. 67 Die Ausübung der auswärtigen Gewalt hat der Einschätzung Tomuschats zufolge jedoch „wohl in keinem Staatswesen“ zur Einrichtung gesonderter Institutionen geführt, vgl. Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1. 66

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

1. Verbandskompetenz (vertikale Gewaltenteilung) Die Anerkennung der Staatsqualität68 der Bundesländer veranlasste die Verfasser des Grundgesetzes zu einer Entscheidung über die grundsätzliche Zuordnung der auswärtigen Gewalt im vertikalen Gewaltenteilungssystem. Das Grundgesetz enthält mit Art. 32 Abs. 1 GG eine die Verteilung der Verbandskompetenz im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten im Grundsatz regelnde Verfassungsbestimmung. Hinsichtlich der vertikalen Gewaltenteilung schlägt sie dem Bund die Zuständigkeit für die Pflege der Beziehung zu auswärtigen Staaten für den Regelfall zu und kehrt damit die in Art. 30 GG zugunsten der Bundesländer getroffene Zuständigkeitsvermutung um.69 Sie stellt damit eine der Bestimmungen des Grundgesetzes70 dar, die hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine Sonderregelung im Sinne des Art. 30 GG trifft.71 Das in Art. 32 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Bestreben des Verfassungsgebers, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik kohärent zu gestalten und eine einheitliche Vertretung nach außen zu gewährleisten, entspricht dem völkerrechtlichen Staatsverständnis, wonach in erster Linie der Gesamtstaat völkerrechtliche Anerkennung genießt,72 dessen Gliedern hingegen lediglich nach nationalem Verfassungsrechtsverständnis partielle Völkerrechtssubjektivität zugebilligt werden kann. Obwohl der Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich nur die Beziehungen und Verträge zu „auswärtigen Staaten“ benennt, erfasst der Anwendungsbereich der Bestimmung darüber hinaus auch Beziehungen und Verträge zu anderen

68 Die Anerkennung der Staatsqualität der Länder ist auch mit der Drei-Elemente-Lehre J­ ellineks vereinbar, wenn hierfür nicht auch eine äußere Unabhängigkeit gefordert wird, vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1900, S. 355 ff., 393. 69 Siegfried Magiera, Außenkompetenzen der deutschen Länder, in: K. Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 110; Klaus Otto Nass, „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik 1986, S. 623; Klaus Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: J. Ipsen (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, Köln 1995, S. 255. 70 Andere Beispiele stammen aus den Bereichen der Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG), der Rechtsprechung (Art. 92 ff. GG) oder der Verwaltung (Art. 83 ff. GG). 71 Siegfried Magiera, Außenkompetenzen der deutschen Länder, in: K. Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 99; Bardo Fassbender, „Staatliche Befugnisse und Aufgaben“, im Sinne von Art. 30 GG als innere und auswärtige Kompetenzen des Bundes und der Länder, in: DÖV 2011, S. 714 ff., 715, 719 (mit kritischer Auseinandersetzung mit der Auffassung, die die auswärtigen Angelegenheiten als Bereichsausnahme von Art. 30 GG und stattdessen Art. 32 GG als Kompetenzverteilungsregel für auswärtige Angelegenheiten begreift). 72 Manfred Zuleeg, Art. 32 GG Rn. 4, in: E. Denninger/W. Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/ E. Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 3. Aufl., Neuwied 2001.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

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Völkerrechtssubjekten73 wie beispielsweise zu internationalen Organisationen.74 Konsequenterweise wird der Bund durch Art. 24 GG ermächtigt, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen. Von dieser Möglichkeit kann insbesondere zugunsten der EU Gebrauch gemacht werden; insofern besteht mit Art. 23 GG eine eigene Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung hoheitlicher Rechte.75 Ausnahmsweise sind die Bundesländer nach Art. 32 Abs. 3 GG ermächtigt, mit auswärtigen Staaten selbst Verträge76 zu schließen, sofern ihnen innerstaatlich für den betreffenden Bereich die Gesetzgebungskompetenz zukommt. Durch diese Bestimmung wird in innerstaatlicher Hinsicht die eigenständige Handlungsfähigkeit der Bundesländer im Bereich auswärtiger Beziehungen anerkannt.77 Um allerdings dem in Abs. 1 der Vorschrift angelegten Ziel der Wahrung einheitlicher Repräsentation der Bundesrepublik gerecht werden zu können, bedarf das Bundesland für den Vertragsschluss mit seinem Vertragspartner einer präventiven, einzelfallbezogenen Zustimmung seitens des Bundes.78 Eine Systematisierung der zwischen Bund und Ländern aufgeteilten Außenkompetenzen wird durch die zahlreichen Sonderregelungen und Rückausnahmen vom Grundfall des Art. 30 GG erheblich erschwert.79 Anhand einzelner, vor allem für die rechtliche und politische Praxis relevanter Fälle soll im Folgenden den-

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Vgl. statt vieler: Ingolf Pernice, Art. 32 GG Rn. 22, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz: Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006. 74 Matthias Frenzel, Sekundärrechtsetzungsakte internationaler Organisationen, Tübingen 2011, S. 181. 75 Vgl. hierzu in diesem Teil unter B. II. 1. 76 Das BVerfG dehnt den Anwendungsbereich der Bestimmung auf den Abschluss von Verwaltungsabkommen aus: BVerfGE 2, 347 (370). 77 Dem entspricht Art. 32 Abs. 2 GG, der eine Pflicht zur rechtzeitigen Anhörung des Bundeslandes für den Fall statuiert, in dem der Bund einen Vertrag abschließen möchte, „der die besonderen Verhältnisse“ des betroffenen Landes berührt. Aus dem in Abs. 1 der genannten Vorschrift niedergelegten Grundsatz darf folglich keine Vermutung ausschließlicher Zuständigkeit des Bundes gefolgert werden, vgl. Josef Isensee, Idee und Gehalt des Föderalismus im Grundgesetz (§ 126), in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI, 3. Aufl., Heidelberg 2008, Rn. 79. 78 BVerfGE 2, 347 (370). Welche Rechtsfolge ein von einem Bundesland ultra vires, d. h. ohne Zustimmung des Bundes abgeschlossener Vertrag nach sich zieht, ist nicht abschließend geklärt. Zum Teil wird von einer schwebenden Unwirksamkeit ausgegangen (so: Klaus Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: J. Ipsen (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, Köln 1995, S. 256), andere Autoren (vgl. etwa Rudolf Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl., München 2010, § 29, S. 111) nehmen als Folge die Nichtigkeit des Vertrags an. Bislang ist der Streit nur theoretischer Natur geblieben, da es an entsprechenden Präzedenzfällen ermangelte, in denen eine Entscheidung der Frage von Nöten gewesen wäre. Siehe auch 1. Teil B. I. 1. b) aa). 79 Siegfried Magiera, Außenkompetenzen der deutschen Länder, in: K. Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 99.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

noch versucht werden, grundsätzliche Leitlinien sowie sich entwickelnde Tendenzen herauszuarbeiten. a) Der Bund und die Länder: Art. 32 GG Die grundlegende Weichenstellung über die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Bundesländern im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten trifft Art. 32 Abs. 1 GG zugunsten des Bundes. Sie umfasst im Umkehrschluss zu Art. 32 Abs. 3 GG zunächst diejenigen Kompetenzbereiche, in denen der Bund nach Art. 72 ff. GG die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit zukommt. Gleichzeitig sieht die Verfassung mit Art. 32 Abs. 2 GG ein Recht zur Anhörung der Länder vor, wo deren besonderen Verhältnisse durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags betroffen sind. Um der föderalen Struktur der Bundesrepublik angesichts der in Art. 32 Abs. 1 GG getroffenen Grundentscheidung in angemessener Weise Rechnung zu tragen, ist mit der in Art. 32 Abs. 3 GG niedergelegten Regelung dafür Sorge getragen, dass die Länder mit Zustimmung des Bundes selbst Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen können, immer vorausgesetzt, sie sind insoweit für die Gesetz­ gebung zuständig. b) Föderalisierungstendenzen Der Konkretisierung des Wortlauts des Art. 32 Abs. 3 GG dient das zwischen dem Bund und den Bundesländern geschlossene sog. Lindauer Abkommen aus dem Jahre 1957.80 Der Erörterung der Frage, ob das Lindauer Abkommen ebenso wie andere rechtliche und tatsächliche Entwicklungen zu einer Föderalisierung der auswärtigen Gewalt führen oder ob „die Sachzwänge der Außenpolitik (…) für föderale Vielgestaltigkeit nur wenig Raum lassen“,81 dient der folgende Abschnitt. aa) Föderalisierung durch das Lindauer Abkommen Das am 14. November 1957 zwischen dem Bund und den deutschen Bundesländern geschlossene Lindauer Abkommen bildet den Schlusspunkt der zwischen den Vertragsparteien entbrannten Meinungsunterschiede über die Auslegung von Art. 32 Abs. 3 GG, der den Bundesländern die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit auswärtigen Staaten auf dem Gebiet ihrer Gesetzgebungs 80

Lindauer Abkommen vom 14. November 1957, abgedruckt in: BT-Drs. 7/5924, S. 236 und bei Bernhard Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, Köln 1984, S. 170 f. 81 Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1.

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zuständigkeit einräumt. Die Streitigkeiten entfachten sich hierbei am Wortlaut der Verfassungsnorm.82 Nach dieser können die Länder, „soweit [sie] für die Gesetzgebung zuständig sind, mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen“.

Den Kern der Auseinandersetzung bildete dabei die Frage, ob die Zuständigkeit des Bundes zum Abschluss eines Vertrages durch Art. 32 Abs. 3 GG zugunsten der Länder eingeschränkt wird83 oder ob hierdurch eine Zuständigkeit der Bundes­ länder lediglich neben die umfassende Vertragsschlusszuständigkeit des Bundes nach Art. 32 Abs. 1 GG konkurrierend84 tritt.85 Das Lindauer Abkommen hat die Auseinandersetzung als modus vivendi dahingehend gelöst, dass der Bund auch auf dem Gebiet der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder tätig werden darf, wobei er zuvor allerdings das Einverständnis der Länder einholen „soll“.86 Obwohl das Lindauer Abkommen die Bundesländer im Einzelfall in ihrem Recht zum Abschluss eines Vertrages mit einem auswärtigen Staat zu stärken vermag, geht hiervon keine generelle Föderalisierungstendenz aus. Denn ungeachtet der beschriebenen Kernfrage waren sich sowohl der Bund als auch die Länder darin einig, dass es durch das zur Lösung des Konflikts beschlossene Verfahren

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Hinsichtlich der Redaktion des Art. 32 Abs. 1 GG urteilt Tomuschat: „Es besteht heute Einigkeit darüber, daß die Formulierung des Art. 32 Abs. 1 GG sachlich mißglückt ist.“ Vgl. Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1. 83 Zu differenzieren ist hier zwischen der süddeutschen und der norddeutschen Meinung. Ersterer zufolge sind die Länder lediglich berechtigt, Verträge mit auswärtigen Staaten über Materien abzuschließen, die ihrer ausschließlichen Gesetzgebung entspringen (so vertreten von den meisten süddeutschen Bundesländern). Der norddeutschen Meinung (von den meisten norddeutschen Bundesländern verfochten) zufolge ist die Abschluss- von der Durchführungszuständigkeit zu trennen. Hiernach besteht eine umfassende Zuständigkeit des Bundes zum Abschluss des Vertrages, hingegen ist der Bund nicht berechtigt, dem so geschlossenen Vertrag auch innerstaatlich zu Wirksamkeit zu verhelfen. Die Durchführungszuständigkeit verbleibt nach der norddeutschen Meinung bei den Bundesländern. Auch diese Ansicht hat in Teilen der Literatur Zuspruch erhalten vgl. Wolfgang Böning, Abschlusskompetenz und Transformationskompetenz, in: DÖV 1957, S. 817 ff.; Gerhard Hans Reichel, Die auswärtige Gewalt nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949, in: Schriften zum öffent­lichen Recht, Bd. 43, Berlin 1967, S. 108 ff., 187 ff. 84 So hingegen die vom Bund vertretene (und im Übrigen wohl herrschende) zentralistische Auffassung (hierzu bei Bernhard Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, Köln 1984, S. 2 f.), die auch aus Teilen der Literatur Unterstützung erfuhr, vgl. Wilhelm G. Grewe, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin, S. 168 ff.; Eberhard Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin, S.  207 f. 85 Umfassend zum Lindauer Abkommen, vgl. Bernhard Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, Köln 1984. 86 Vgl. Nr. 3 des Lindauer Abkommens.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

nicht zu einer einseitigen Verschiebung des im Grundgesetz angelegten Kräfteverhältnisses zugunsten der einen oder anderen Partei kommen sollte.87 Dass die Verfassungsmäßigkeit des Lindauer Abkommens bisweilen bestritten wurde,88 soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Legt man wie in Praxis und Lehre herrschend die sog. zentralistische Auffassung zu Grunde, wiederholt das Lindauer Abkommen ohnehin nur den verfassungsrechtlich bereits durch Art. 32 Abs. 3 GG (im eigentlichen Wortsinne) geltenden Zustand, wodurch ihm als „gentleman’s agreement“ keine Rechtsverbindlichkeit zukommt.89 Abgesehen von grenzüberschreitenden regionalen Problemen, die von den Ländern in der Praxis durch völkerrechtlichen Vertrag ebenso wie durch zahlreiche Kulturabkommen90 geregelt werden können, nimmt die praktische Relevanz des Lindauer Abkommens, wie noch zu zeigen sein wird, im Rahmen der europäisierten Rechtsbereiche91 zunehmend ab bzw. wird durch Art. 23 Abs. 4 bis 7 GG überlagert.92 bb) Föderalisierung durch „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer Die auswärtige Relevanz der Bundesländer bleibt nicht auf ihre Rolle im Rahmen des Lindauer Abkommens beschränkt. Die deutschen Bundesländer sind heute auf unterschiedlichen Ebenen in eine Vielzahl von regionalen Kooperationen, Partnerschaften und anderen grenzüberschreitenden Formen der Zusammenarbeit93 mit Nachbarstaaten eingebunden und verstehen ihre wirtschaftlichen wie politischen Interessen auch auf europäischer Ebene wirksam zu vertreten. 87

Bernhard Hartung, Die Praxis des Lindauer Abkommens, Köln 1984, S. 75. Von seiner Verfassungsmäßigkeit wird heute allgemein ausgegangen: Klaus Stern, Auswärtige Gewalt und Lindauer Abkommen, in: J. Ipsen (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel, Köln 1995, S. 265; Ingolf Pernice, Art. 32 GG Rn. 43 ff., in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz: Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006. Zu den vertretenen Positionen vgl. Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 36 ff. 89 Ingo Winkelmann, Innerstaatliche Kompetenzverteilung bei Vertragsabschlüssen in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: DVBl. 1993, S. 1129 f. 90 Eine Übersicht mit zahlreichen Beispielen findet sich bei Klaus Otto Nass, „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik 1986, S. 624. 91 Dies trifft hauptsächlich auf die Bereiche zu, in denen der Union Hoheitsrechte zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen wurden. 92 Vgl. auch in diesem Teil unter B. II. 1. 93 Übersichten finden sich bei Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 188 ff.; Thomas Fischer, Bundesländer und Bundesrat, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 199 f.; Matthias Niedobitek, Das Recht der grenzüberschreitenden Verträge – Bund, Länder und Gemeinden als Träger grenzüberschreitender Zusammenarbeit, Tübingen 2001, S. 64 ff. Für grenznachbarschaftliche Verträge der Länder besteht mit Art. 24 Abs. 1a GG eine gegenüber Art. 32 Abs. 1 und 3 GG speziellere Rechtsgrundlage für die Übertragung von Hoheitsrechten; vgl. in diesem Teil auch B. II. 2. 88

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Augenscheinlich wird dies insbesondere an ihren bei der EU hauptsächlich in Brüssel zur Herstellung und Pflege von Kontakten zu (Nachbar-)Staaten unterhaltenen Vertretungen.94 Ihre einfachgesetzliche Legitimierung findet diese Praxis, die gelegentlich als „Nebenaußenpolitik“95 der Länder bezeichnet wird, in § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union96 (EUZBLG). Hiernach „(…) können [die Länder] unmittelbar zu Einrichtungen der Europäischen Union ständige Verbindungen unterhalten, soweit dies zur Erfüllung ihrer staatlichen Befugnisse und Aufgaben nach dem Grundgesetz dient. Die Länderbüros erhalten keinen diplomatischen Status“.

Einer geschriebenen verfassungsrechtlichen Grundlage hingegen ermangelt es; jedoch kann sie aus der in Art. 32 Abs. 1 i. V. m. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG veranDie Begründung „kommunaler Außenpolitik“, also von grenzüberschreitenden Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden, stellt, soweit sie sich auf örtliche Angelegenheiten beschränkt, insofern keinen Eingriff in Art. 32 Abs. 1 GG und damit in die auswärtige Gewalt des Bundes dar, weil die auswärtigen Körperschaften weder selbst Staatsqualität besitzen noch über eine formelle Ermächtigung zur Unterhaltung von Beziehung zu auswärtigen Rechtssubjekten verfügen, vgl. Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1; Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 82 f. Zur Kooperation der öffentlichen Verwaltungen im europäischen Raum vgl. Karl-Peter Sommermann, Das Verwaltungsverfahrensgesetz im europäischen Kontext: eine rechtsvergleichende Bilanz, in: H. Hill/K.-P. Sommermann/U. Stelkens/J. Ziekow (Hrsg.), 35 Jahre Verwaltungsverfahrensgesetz – Bilanz und Perspektiven, Berlin 2011, S. 191 ff.; Gernot Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union – Zur horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit der europäischen Verwaltungen am Beispiel des Produktzulassungsrechts, Tübingen 2004; Wolfgang Kahl, 35 Jahre Verwaltungsverfahrensgesetz – 35 Jahre Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts, in: NVwZ 2011, S. 449 ff.; Franziska Kruse, Das Verwaltungsverfahrensgesetz und die Jahreszeiten – Die raison d’être der Europäischen Verwaltungszusammenarbeit, in: H. Hill (Hrsg.), Verwaltungsmodernisierung 2010, Baden-Baden 2010, S. 169 ff. 94 Zur Umbenennung der Büros der Länder in „Vertretungen“, die sie statusrechtlich in die Nähe der von der Bundesrepublik bei der EU unterhaltenen „Ständigen Vertretung“ zu rücken scheinen vgl. Wilhelm Schönfelder, Föderalismus: Stärke oder Handicap deutsche Interessenvertretung in der EU?, in: R. Hrbek (Hrsg.), Europapolitik und Bundesstaatsprinzip. Die „Europafähigkeit“ Deutschlands und seiner Länder im Vergleich mit anderen Föderalstaaten, BadenBaden 2000, S. 79. Zur internationalen Präsenz der Länder vgl. Thomas Fischer, Bundesländer und Bundesrat, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 192 f. 95 Klaus Otto Nass, „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik 1986, S. 623 ff.; Guido Westerwelle, Auswärtiger Dienst der Länder? in: ZRP 1989, S. 121 ff. 96 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Euro­ päischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3031). Der Bundesrat hat am 26.4.2013 einen Entwurf (BR-Drs. 342/13) für die Neufassung des EUZBLG vorgelegt. Der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit geltenden Vorschrift des § 8 EUZBLG entspricht § 14 des Bundesratsentwurfs.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

kerten Mitwirkungskompetenz der Länder als Kompetenz kraft Sachzusammenhangs hergeleitet werden,97 wobei der Bund die „grundsätzliche Kontrolle über die Außenpolitik behalten“98 muss.99 Die für die Einrichtung der Länderbüros in Brüssel ursächlichen Gründe sind unterschiedlicher Natur. Ein wesentlicher Auslöser wird in dem Scheitern der Verhandlungen von Bund und Ländern über die Integration des sog. Länderbeobachters100 in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union Mitte der 1980er Jahre bzw. der von den Ländern erhofften Stärkung ihrer Interessen auf Unionsebene gesehen.101 Hinzu kam der Umstand, dass eine zur Vertretung der Länderinteressen berufene Einrichtung auf europäischer Ebene fehlte. Zwar besteht mit dem durch den Vertrag von Maastricht von 1992 geschaffenen Ausschuss der Regionen eine Vertretung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, die von den Ländern als „Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt wurde; eine vollumfängliche Repräsentation der Interessen der deutschen Bundesländer kann durch den Ausschuss der Regionen angesichts der in Struktur und Rechtsstatus stark divergierenden regionalen Körperschaften der Mitgliedstaaten allerdings nicht gewährleistet werden.102 Nach dem Vorbild der zunächst am Regierungssitz in Bonn, dann in Berlin unterhaltenen Landesvertretungen haben die Bundesländer seit Mitte der 1980er 97 Manfred Zuleeg, Art. 32 GG Rn. 23, in: E. Denninger/W. Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/ E. Stein (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 3. Aufl., Neuwied 2001; Christian Burgsmüller, Die deutschen Länderbüros in Brüssel – verfassungswidrige Nebenaußenpolitik oder zeitgemäße Ausprägung des Föderalismus?, ­Aachen 2003, S. 115; ähnlich: Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 192 f. 98 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 60. 99 Von einer „unzulässigen Kompetenzanmaßung“ seitens der Länder und einem Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 i. V. m. Art. 32 Abs. 1 GG ausgehend noch: Guido Westerwelle, Auswärtiger Dienst der Länder? in: ZRP 1989, S. 124. 100 Die 1956 als gemeinsame Einrichtung der Länder in Bonn gegründete Einrichtung des Länderbeobachters sammelt an seiner Außenstelle in Brüssel Informationen über die für die Länder bedeutsamen Vorgänge auf unionaler Ebene. Hierzu zählen insbesondere die Gesetz­ gebungsinitiativen und -verfahren sowie die Beratungen im Ministerrat. Die Einzelheiten regelt das von den Bundesländern geschlossene Abkommen über den Beobachter der Länder bei der Europäischen Union vom 24. Oktober 1996, abgedruckt in: MBl. NRW 1997, S. 282. Das Abkommen ist abrufbar unter: http://www.laenderbeobachter.de/germanhome/rechtsgrundlagen/ (letzter Abruf: 29.5.2013). 101 Eine Stärkung ihrer Interessen erhofften sich die Bundesländer insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Länderbeobachter Zugang zu den Sitzungen des Rates hat, vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a des Abkommens. Zu den Gründen des Scheiterns im Einzelnen: Christian Burgsmüller, Die deutschen Länderbüros in Brüssel – verfassungswidrige Nebenaußenpolitik oder zeitgemäße Ausprägung des Föderalismus?, Aachen 2003, S. 3 f. 102 Matthias Herdegen, Europarecht, 15. Aufl., München 2013, § 7 Rn. 102; Christian Burgsmüller, Die deutschen Länderbüros in Brüssel – verfassungswidrige Nebenaußenpolitik oder zeitgemäße Ausprägung des Föderalismus?, Aachen 2003, S. 89 ff.

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Jahre auch in Brüssel ein engmaschiges Netzwerk103 geschaffen, das sie in die Lage versetzt, die vom Länderbeobachter betriebene Informationssammlung104 um die Komponente der Interessenvertretung zu ergänzen. Eine Grenze für dieses auswärtige Handeln der Bundesländer jenseits von Art. 32 Abs. 3 GG wird mit Blick auf Abs. 1 derselben Bestimmung jedenfalls dort zu ziehen sein, wo es in eine eigenständige und damit der Konzeption des Grundgesetzes, insbesondere der Bundestreue widersprechenden „Nebenaußenpolitik“ ausufert, die eine einheitliche und kohärente Außenpolitik des Bundes für den Gesamtstaat stört oder gar beeinträchtigt.105 Dementsprechend schließt der zitierte § 8 EUZBLG die Gewährung eines diplomatischen Status für die Ländervertretungen explizit aus. Dies mit gutem Grund, soll die Vertretung der Bundesrepublik auf europäischer Ebene nicht um eine zusätzliche Dimension erweitert werden. Der in Art. 32 Abs. 3 GG verankerte Zustimmungsvorbehalt des Bundes begrenzt die föderale Handlungsfähigkeit der Bundesländer im Bereich der auswärtigen Gewalt zusätzlich und bietet damit ein Instrument, die Einrichtung einer mit der Außenpolitik des Bundes konkurrierenden eigenständigen („Neben-“)Außenpolitik der Länder zu verhindern. cc) Föderalisierung im Anwendungsbereich des Art. 23 GG Als sog. unionswärtige Gewalt ist in der Literatur der Teil der deutschen Staatsgewalt bezeichnet worden, der „sich auf die Tätigkeit der Europäischen Union bezieht“.106 Der von Rath geprägte107 Begriff bezeichnet einen Bereich, der angesichts der ihm zugrunde liegenden spezifischen Systematik eine eigenständige Kategorie der auswärtigen Gewalt bildet.108 103 Zum soziologischen Ursprung und Bedeutungsgehalt des Netzwerkbegriffs vgl. Bernd Marin/Renate Mayntz, Introduction: Studying Policy Networks, in: dies. (Hrsg.), Policy Networks, Empirical Evidence and Theoretical Consideration, Frankfurt am Main 1991, S. 11 ff. 104 Nicht nur die schiere Informationssammlung durch den Länderbeobachter wurde von den Ländern als ineffizient empfunden. Auch erlaubte dessen Charakter der gemeinsamen Ländereinrichtung nicht die besondere Berücksichtigung (individueller) Interessen einzelner Bundesländer, vgl. Christian Burgsmüller, Die deutschen Länderbüros in Brüssel – verfassungswidrige Nebenaußenpolitik oder zeitgemäße Ausprägung des Föderalismus?, Aachen 2003, S. 6. 105 BVerfGE 2, 347 (379); zu den (praktischen) Grenzen einer „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer vgl. Klaus Otto Nass, „Nebenaußenpolitik“ der Bundesländer, in: Europa-Archiv, Zeitschrift für internationale Politik 1986, S. 623 ff. 106 Hans Hugo Klein, Die Funktion des Parlaments im politischen Prozess, in: ZG 1997, S. 215, 227; Marcel Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, Baden-Baden 1997, S. 362. 107 Christian Rath, Die unionswärtige Gewalt des Deutschen Bundestages, in: W. Steffani/ U. Thaysen (Hrsg.), Demokratie in Europa: Zur Rolle der Parlamente, Sonderband zum 25-jährigen Bestehen der Zeitschrift für Parlamentsfragen, Opladen 1995, S. 114 ff. 108 Christian Rath, Entscheidungspotentiale des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten – Mandatsgesetze und parlamentarische Stellungnahmen im Rahmen der unionswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2001, S. 19 ff.

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Diesem Umstand Rechnung tragend erfolgt eine umfassende Würdigung der sich auf die EU beziehenden deutschen Staatstätigkeit, also auch etwaiger Föderalisierungstendenzen im Rahmen der Erörterungen109 zu Art. 23 GG. 2. Organkompetenz (horizontale Gewaltenteilung) Der Versuch, die auswärtige Gewalt in das Gewaltenteilungssystem der Bundes­ republik einzuordnen, führt zunächst zu der dogmatischen Frage, ob sie überhaupt (zweifelsfrei) einer der drei Teilgewalten zugeordnet werden kann oder ob sie einer derart eigenen Funktionslogik unterliegt, die es rechtfertigt, die auswärtige Gewalt der Sache nach als eigenständige, vierte Gewalt zu begreifen. a) Die auswärtige Gewalt im System der horizontalen Gewaltenteilung Dogmatisch unterschiedlich bewertet wurde lange Zeit die Frage, welcher der drei Gewalten die auswärtige Gewalt im Gewaltenteilungssystem angehört oder ob sie, wie der Begriff suggeriert, eine eigene Gewalt darstellt. Nach der, historisch gesehen, ältesten Auffassung110 gehört die Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt zum Tätigkeitsbereich der Exekutive.111 Eine neuere, in der heutigen Staatsrechtslehre verbreitete Ansicht hält die auswärtige Gewalt für eine kombinierte112 bzw. gemischte113 Gewalt, deren Ausübung neben der Exeku-

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Hierzu unter 1. Teil B. II. 1. So sah bereits Montesquieu die auswärtige Gewalt als Bestandteil der vollziehenden Gewalt an, vgl. Charles de Montesquieu, De l’esprit des lois, Paris 1748, Buch XI, Kap. 6. Zur weiteren (verfassungs-)geschichtlichen Begriffsentwicklung: Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundes­ republik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 12 ff. 111 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 41, 48 ff. Vgl. aber John Locke, The Second Treatise of Government, 1690, Kap. XII, Ziff. 143 ff. [Ausgabe: P. C. Mayer-Tasch (Hrsg.), Stuttgart 1974 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18884)], nach dessen Überzeugung die „Föderative“ neben Exekutive und Legislative eine eigene Gewalt darstellte, die die Macht über Krieg und Frieden, Bündnisse und andere außenpolitischen Angelegenheiten umfasste (Ziff. 146). 112 Von einer kombinierten Gewalt ausgehend: Eberhard Menzel, Die Auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin 1954, S. 197; Wilhelm Kewenig, Auswärtige Gewalt, in: H.-P. Schwarz (Hrsg.), Handbuch der deutschen Außenpolitik, München 1975, S. 39. Vgl. ausführlich zur Einordnung der auswärtigen Gewalt auch: Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 GAD, Rn. 4. 113 Von einer gemischten Gewalt sprechend: Hans W. Baade, Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Bereich der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1962, S. 115 ff. 110

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tive auch der Legislative übertragen ist.114 Demnach manifestiert der Begriff „auswärtige Gewalt“ weder eine gesonderte, vierte Gewalt im Sinne des heutigen demokratischen Gewaltenteilungssystems der Bundesrepublik Deutschland,115 noch wird sie, wie noch im 20. Jahrhundert geschehen,116 ausschließlich und eindeutig, sondern vielmehr nur grundsätzlich dem Bereich der Exekutive zugeordnet.117 Für die Charakterisierung der auswärtigen Gewalt als kombinierte oder gemischte Gewalt spricht vor allem die Verfassungsrealität. Dies bedeutet, dass die Exekutive verpflichtet ist, ihre außenpolitischen Tätigkeiten einer Ex-ante-Kontrolle durch die Legislative zu unterwerfen und Entscheidungen von staatsleitendem Charakter eines parlamentarischen Zustimmungsaktes bedürfen.118 Um dem Deutschen Bundestag eine qualifizierte Vorbereitung in der Sache und damit seiner indirekten Einflussnahme auf die Regierungsgeschäfte zu ermöglichen, ist die Regierung ihrerseits verpflichtet, das Parlament im Rahmen des Möglichen laufend über außenpolitische Aktivitäten zu unterrichten. Eine strikte Sphären­ trennung der Innen- von der Außenpolitik hingegen scheint als mit der Realität in einem offenen Verfassungsstaat nur noch in begrenztem Maße vereinbar.119

114 Friesenhahn geht darüber hinaus davon aus, dass die auswärtige Gewalt der Exekutive und der Legislative „gesamthänderisch“ zur Ausübung übertragen ist, vgl. Ernst Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, in:VVDStRL Bd. 16 (1958), Berlin 1958, S. 9 ff., 37 f., 70. 115 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 6; Rüdiger Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt – Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: VVDStRL Bd. 56 (1997), Berlin 1997, S. 39; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 158; Max Plog, Grundrechtsschutz gegenüber internationalen Organisationen ohne Durchgriffsbefugnisse, Baden-Baden 1999, S. 51. 116 Wenngleich die Umwandlung des Kaiserreichs von einer konstitutionellen in eine parlamentarische Monarchie im Oktober 1918 keine vollständige Parlamentarisierung bedeutete, markierte dieser Zeitpunkt jedenfalls die endgültige Abkehr von einer rein der Exekutive zugeordneten auswärtigen Gewalt; vgl. auch Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 19, 24 ff. 117 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 GAD, Rn. 4; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außen­ politik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 159. 118 Rüdiger Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt – Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, in: VVDStRL Bd. 56 (1997), Berlin 1997, S. 53. 119 Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 62; Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 44.

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Wie noch zu zeigen sein wird, nimmt auch die Judikative in Gestalt des Bundesverfassungsgericht eine wichtige Rolle im Bereich der auswärtigen Gewalt ein. Somit lässt sich festhalten, dass die zur Wahrnehmung der auswärtigen Gewalt erforderlichen Kompetenzen sich – im Gegensatz zu den nach innen gerichteten drei klassischen Staatsgewalten – auf die Träger aller drei Gewalten verteilen.120 Entsprechend der Argumentation für das Europarecht im engeren Sinne, das aufgrund seiner wechselnden Bezugsgröße zum Privat-, Straf- oder zum Öffentlichen Recht gerechnet wird, kann auch die auswärtige Gewalt als Querschnittsmaterie von Fall zu Fall wechselnden Staatsorganen zugeordnet werden, wobei heute noch in einer Vielzahl von Fällen ein Primat der Exekutive anzuerkennen ist. Dieser Befund wird schließlich durch das Prinzip der Gewaltenteilung gestützt, das in seinen Schwerpunkt weniger eine strikte Trennung der Gewalten, denn ihre Verschränkung vorsieht, die auf ein ausgewogenes Kräfteverhältnis („checks and balances“) in der Bundesrepublik zielt.121 b) Die an der Wahrnehmung auswärtiger Angelegenheiten beteiligten Verfassungsorgane Will man nun die Aufgabe der Wahrnehmung auswärtiger Angelegenheiten konkreten Verfassungsorganen zuordnen, zeigt sich bereits auf den ersten Blick, dass für diesen Rechts- und Politikbereich auf Bundesebene mehrere Staatsorgane von zentraler Bedeutung sind. Ihrer Rollen- und Kompetenzverteilung widmet sich der folgende Abschnitt. Die Untersuchung orientiert sich dabei an den be­teiligten Verfassungsorganen und den von ihnen wahrgenommenen Funktionen; eine Analyse anhand der Funktionen allein122 wäre ebenso gut möglich gewesen, hätte allerdings eine umfassendere Würdigung, die besondere Aufgaben der Organe einschließt, in der Darstellung erschwert.

120 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 1; nach Fastenrath lässt sich die auswärtige Gewalt keinem Funktionsträger generell, sondern nur von Fall zu Fall zuordnen, dies folge aus ihrem Charakter als Querschnittsmaterie, vgl. Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S.  76 ff.; Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 GAD, Rn. 4 sowie bereits in diesem Teil unter B. I. 1. 121 Zum Verhältnis von auswärtiger Gewalt und Gewaltenteilung vgl. Siegfried Weiß, Aus­ wärtige Gewalt und Gewaltenteilung, Berlin 1971. 122 Diesen Weg wählt Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 52 ff. Er entnimmt der auswärtigen Gewalt im Wesentlichen die drei Funktionen: notarielle, operative und kontrollierende Kompetenzen.

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aa) Der Bundespräsident Zuständigkeit und Aufgabe des Bundespräsidenten für den Bereich der auswärtigen Beziehungen sind in Art. 59 GG festgelegt. Nach dessen Abs. 1 S. 1 liegt die Aufgabe des Bundespräsidenten in seiner Funktion als Staatsoberhaupt darin, den Bund völkerrechtlich zu vertreten.123 Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist eröffnet, sobald es sich um einen Sachverhalt handelt, in dem der Staat in seiner Gesamtheit betroffen ist.124 Eine Einschränkung erfährt die Repräsentationsfunktion des Bundespräsidenten durch Art. 23 Abs. 2 bis 6 GG i. V. m. Art. 15 Abs. 2 EUV für die Vertretung der Bundesrepublik in der EU, wonach die Bundesrepublik im Europäischen Rat in der Regel durch die Regierung, also den Bundeskanzler vertreten wird. Art. 59 Abs. 1 S. 2 und 3 GG geben dem Bundespräsidenten über seine Repräsentationsfunktion hinaus das Recht, im Namen des Bundes Verträge abzuschließen125 und Gesandte auswärtiger Staaten zu akkreditieren. Damit kann das Staatsoberhaupt auch als „Träger der auswärtigen Gewalt“ bezeichnet werden.126 Diese ist damit dem Grundsatz nach der Exekutive zur Wahrnehmung übertragen.127 Aus rein praktischen Gründen ist allgemein anerkannt, dass der Bundes­präsident seine Aufgabe ausdrücklich oder stillschweigend, jedenfalls immer nur einzelfallbezogen an den Bundeskanzler delegieren kann.128 Dies entspricht neben der Tatsache, dass der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 GG kein allumfassendes Vertretungsmonopol des Bundespräsidenten errichtet129 auch der in Art. 7 Abs. 2 lit. a WVK für den Abschluss von Verträgen vorgesehenen Regelung, wonach neben dem Staatsoberhaupt immer auch der Regierungschef kraft seines Amtes völkerrecht 123

Damit reiht sich die Regelung in eine Reihe ähnlicher, in den europäischen Staaten verbreitet zu findender Vorschriften ein, vgl. Überblick bei Ingolf Pernice, Art. 59 GG Rn. 11 ff. mit Fn. 44, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz: Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006. 124 Dieses „ungeschriebene Tatbestandsmerkmal“ ist für die Repräsentationsfunktion des Bundespräsidenten denknotwendig Voraussetzung. 125 Da eine aktive (Mit-)Verhandlung eines solchen Vertrags durch den Bundespräsidenten dessen im Grundgesetz angelegter rein notarieller Funktion widerspricht, umfasst seine Kompetenz das Unterzeichnen des Vertrags, die Ratifikation und schließlich das Hinterlegen der Ratifi­kationsurkunde. 126 BVerfGE 1, 396 (414); Arnold Bergsträsser, Stichwort „Diplomatie“ in: K. Strupp/ H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 361. 127 Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 1. Zur Mitwirkung der übrigen Gewalten in diesem Teil unter B. I. 2. b) cc) und dd). 128 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 19. 129 Christian Tomuschat, Auswärtige Gewalt, in: M. Schröder (Hrsg.), Ergänzbares Lexikon des Rechts, Gruppe 5/30, Neuwied, Stand: Oktober 1984, S. 2; Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 40; Peter Badura, Staatsrecht, 5. Aufl., München 2012, D. Rn. 131.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

lich vertretungsberechtigt ist. Gleiches gilt nach der Bestimmung für den Außenminister. Aufgrund der fehlenden parlamentarischen Verantwortlichkeit des Bundespräsidenten kann die Bedeutung seiner völkerrechtlichen Vertretungskompetenz in einem repräsentativ-demokratischen Staat über eine rein formale bzw. notarielle nicht hinausgehen. Diese Funktion umfasst Vertragsschlussbefugnisse ebenso wie die Kompetenz, Erklärungen mit Bindungswirkung nach außen abzugeben. Kurzum obliegt es dem Bundespräsidenten, den nach innerstaatlichem Verfahren gefassten politischen Willen nach außen zu artikulieren. Dieses Ergebnis fügt sich in die allgemeine Systematik des Grundgesetzes ein, nach der der Bundespräsident, rechtlich betrachtet, generell nicht über eine auto­nome politische Gestaltungsbefugnis verfügen soll.130 Dass es ihm hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten an materiellen Gestaltungsmöglichkeiten ermangelt, spiegelt beispielsweise auch § 11 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bundes­regierung131 (GOBReg) wider. Hiernach erfolgen Besuche auswärtiger Regierungsdelegationen beim deutschen Staatsoberhaupt erst nach vorherigem Benehmen und in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt. Ein weiterer Beleg für die (nur) rein notarielle Funktion des Bundespräsidenten in auswärtigen Angelegenheiten ist die Tatsache, dass rechtlich verbindliche Handlungen gemäß Art. 58 S. 1 GG für ihre Gültigkeit der Pflicht zur Gegenzeichnung durch den Regierungschef oder dem fachlich zuständigen Minister unterliegen.132 Zwar enthält sich das Grundgesetz weiter gehender ausdrücklicher Kompetenzzuweisungen für den Bereich der auswärtigen Gewalt an ein bestimmtes Bundesorgan, etwa der Bundesregierung oder des Bundestags,133 doch ist, wie sogleich gezeigt werden soll, mit Art. 59 GG zweifelsohne keine erschöpfende Aufgabenverteilung vorgenommen.134 130 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 40; Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 17. 131 Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 11. Mai 1951 (GMBl. S. 137) in der Fassung der Bekanntmachungen vom 29. März 1967 (GMBl. S. 130), 12. September 1967 (GMBl. S. 430), 6. Januar 1970 (GMBl. S. 14), 23. Januar 1970 (GMBl. S. 50), 25. März 1976 (GMBl. S. 174, 354) und 17. Juli 1987 (GMBl. S. 382) und der Bekanntmachung vom 21. November 2002 (GMBl. S. 848). 132 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 33. 133 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 102. 134 Fischbach stuft die Verteilung der Organzuständigkeiten daher als „lückenhaft“ ein: Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, BadenBaden 2011, S. 80.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

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bb) Die Bundesregierung Von der soeben dargestellten Vertretungskompetenz des Bundespräsidenten in auswärtigen Angelegenheiten ist die politische Entscheidungskompetenz der Bundesregierung zu unterscheiden. Die fehlende parlamentarische Verantwortlichkeit des Bundespräsidenten bewirkt in letzter Konsequenz, dass es ihm an einem Recht zur politischen Gestaltung ermangelt. Folglich obliegt die operative Leitung der Regierungsgeschäfte, also auch der auswärtigen Gewalt, der Bundesregierung. Dieser Schluss speist sich nicht aus einer grundgesetzlichen Norm – abgesehen von Art. 23 GG wird die Exekutive im Rahmen der auswärtigen Gewalt im Grundgesetz nicht erwähnt – er ist aus der Logik des Grundgesetzes vielmehr denknotwendig zu ziehen. Die operative Leitung der auswärtigen Gewalt umfasst beispielsweise die Befugnis, inhaltliche Entscheidungen zu treffen, ebenso wie Verhandlungs- und sonstige Handlungsbefugnisse. Die wesentliche Eigenschaft der Regierung, die sie für die Ausübung der auswärtigen Gewalt prädestiniert und gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgeber insbesondere hinsichtlich Handlungszeit und Reaktionsfähigkeit überlegen macht, liegt darin, dass sie schnell reagieren kann, wenn es die Situation erfordert.135 Ebenso wie für andere Politikfelder bestimmt die Richtlinien der im auswärtigen Bereich tätigen Bundesregierung nach Art. 65 S. 1 GG der Bundeskanzler, der dem Parlament gegenüber hierfür verantwortlich ist. Dass sich die Richtlinienkompetenz des Kanzlers auch auf die auswärtige Politik bezieht, stellt § 1 Abs. 1 S. 1 GOBReg mit der Formulierung „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der inneren und äußeren Politik“ klar. Fachlich zuständiger und außenpolitisch verantwortlicher Ressortleiter ist der Minister des Auswärtigen.136 Die Unterscheidung zwischen der Vertretungskompetenz des Bundespräsidenten und der Entscheidungskompetenz der Regierung spiegelt schließlich auch Art. 58 GG wider. Die dort verfassungsrechtlich vorgesehene Gegenzeichnungspflicht des fachlich zuständigen Regierungsmitgliedes wäre entbehrlich, käme dem Bundespräsidenten materielle politische Entscheidungsbefugnis zu. Die grundsätzliche Zuordnung des Bereichs des „Auswärtigen“ zur Exekutive erkennt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Judikatur137 an. Sie lässt allerdings eine – fallbedingte – Akzentsetzung erkennen, mit der dem Querschnittscharakter der auswärtigen Gewalt Rechnung getragen werden soll.138

135

Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 937. Zur Terminologie in diesem Teil unter D. I. 137 Vgl. BVerfGE 68, 1 (85 f.), Atomwaffenstationierung; BVerfGE 90, 286 (357), Out-ofArea-Einsatz; BVerfGE 118, 244, Afghanistan-Einsatz. 138 Vgl. in diesem Teil unter B. I. 2. b) dd). 136

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

cc) Der Bundestag und der Bundesrat Ungeachtet des traditionsgemäß bestehenden Vorrechts der Exekutive zur Leitung und Durchführung der auswärtigen Angelegenheiten kommt auch dem Deutschen Bundestag als Legislative eine überaus wichtige Aufgabe im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten zu. Diese liegt nach oben beschriebenem Verständnis der Aufgabenzuweisung allerdings weniger in einer aktiven Mitwirkung an der Gestaltung der auswärtigen Gewalt – insofern tritt durch das Vorrecht der Exekutive eine gewisse Präjudizierung des Parlaments ein – als vielmehr darin, die operative Leitung der Exekutive präventiv parlamentarisch zu kontrollieren. Die Ausübung parlamentarischer Kontrolle kann darin bestehen, gegenüber der Regierung öffentlich Kritik in Fragen auswärtiger Angelegenheiten zu üben (allgemeine Kontrollbefugnis)139 oder den Forderungen über den Weg des Haushaltsrechts Nachdruck zu verleihen. Von diesen Kontrollinstrumenten sowie von der Möglichkeit abgesehen, die Regierung äußerstenfalls mittels eines Misstrauens­ votums abzusetzen,140 ist der Bundestag berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet, von dem in Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG verankerten (Veto-)Recht Gebrauch zu machen. Die Bestimmung versetzt den Bundestag in die Lage, durch die Annahme eines entsprechenden Gesetzes die Zustimmung zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags zu erteilen und damit, nach oben definiertem Verständnis, wenn auch in begrenztem Maße, an der Ausübung auswärtiger Gewalt mitzuwirken. Die Bestimmung umfasst dabei diejenigen völkerrechtlichen Verträge, „welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“.

Dem Bundestag obliegt damit der innerstaatliche Beschluss über die für die Umsetzung völkerrechtlicher Verträge notwendigen Zustimmungsgesetze. Zu den „die politischen Beziehungen des Bundes“ (Alt. 1) regelnden Verträgen zählen nach einhelliger Auffassung nur diejenigen, die sich zielgerichtet, dabei „wesentlich und unmittelbar [auf] die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft“

beziehen.141 Die Mitwirkung des Parlaments erfasst daneben auch Verträge, die „sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen“ (Alt. 2). Diese auf die Abgren 139 BVerfGE 1, 372 (394); Siegfried Weiß, Auswärtige Gewalt und Gewaltenteilung, Berlin 1971, S. 110 ff. 140 BVerfGE 1, 351 (370). 141 BVerfGE 1, 372 (381); 90, 286 (359); Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 26; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 161.

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zung von Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit zielende Bestimmung betrifft die Frage, ob eine Erfüllung der Verpflichtung allein durch ein Parlamentsgesetz getroffen werden kann oder nicht. Diejenigen (verbleibenden) Verträge, die nicht notwendigerweise in Form eines formellen Gesetzes ergehen müssen, deren Regelungsmaterie also nicht „hochpolitisch“ ist und ihr Vollzug durch die Exekutive erfolgen kann, können daher gemäß Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG in die Form eines Verwaltungsabkommens „gegossen“ werden. Ob eine Regelung nur durch ein Par­ lamentsgesetz getroffen werden kann, bestimmt sich nach der aus dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleiteten Wesentlichkeitstheorie.142 Sie erfordert, dass das Parlament alle „wesentlichen“ Entscheidungen selbst zu treffen hat. Als generelle Maßgabe lässt sich festhalten, dass das Bedürfnis nach einer parlamentarischen Beteiligung an der auswärtigen Gewalt dort besonders dringlich ist, wo individuelle Rechtspositionen berührt oder Kernmaterien staatlicher Innenpolitik angetastet werden.143 Der einmal so gefasste Beschluss des Parlaments löst jedoch keinen Automatismus dergestalt aus, dass die Regierung verpflichtet wäre, den Vertrag auf den Weg zur Ratifikation bringen zu müssen; diese Entscheidung liegt wiederum in den Händen der Exekutive. Die Aufgabe, die von Art. 59 Abs. 2 GG erfassten völkerrechtliche Verträge der Willensbildung des Parlamentes zuzuführen, dient einerseits der Sicherung des Gesetzgebungsmonopols des Parlaments144 und damit andererseits gleichzeitig der demokratischen Legitimierung außenpolitischer Entscheidungen. Anschaulicher Beleg für die Institutionalisierung der parlamentarischen Kontrolle bildet der in Art. 45a GG verfassungsrechtlich verankerte (und damit mit einer erhöhten Bestandsgarantie ausgestattete)145 Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages.146 Diesem Beispiel folgend ist auch für den Bereich der Europäischen Union ein ständiger Ausschuss einberufen worden. Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ist auf verfassungsrechtlicher Ebene mit Art. 45 GG institutionalisiert worden.147 142

BVerfGE 1, 372 (388 f.); 49, 89 (126 f.). Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 159. 144 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 26. 145 Michael Fuchs, Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, in: ZParl 2004, S. 11. 146 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 64 ff. 147 Hierzu: Michael Fuchs, Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, in: ZParl 2004, S. 3 ff.; Sven Hölscheidt, Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestags in Angelegenheiten der EU, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/2000, S. 31 ff.; Ruth Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG, Berlin 1997, S.  295 ff. 143

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Einen (dem des Bundestages entsprechenden) politischen Kontrollauftrag erteilt Art. 59 Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 GG schließlich auch dem Bundesrat. Ihm bzw. den hierin vertretenen Bundesländern wird in der föderal gegliederten Bundesrepublik ein Ausgleich für den Kompetenzverlust gewährt, der mit der Europäisierung bestimmter Regelungsmaterien einhergeht oder durch sie bedingt ist.148 Dies ermöglicht die Verfassung durch die Statuierung von Mitspracherechten des Bundes­ rates bzw. der Länder (durch den Bundesrat) in Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 23 Abs. 4 und 5 GG.149 dd) Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts Der Bereich der auswärtigen Gewalt ist unter Geltung des Grundgesetzes nicht von der richterlichen Kontrolle ausgenommen. Anders als noch die Weimarer Verfassung nimmt neben der (parlamentarischen) Kontrolle durch den Bundestag und den Bundesrat die Judikative in der Gestalt des Bundesverfassungsgerichts gemäß der in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsweggarantie auch im Bereich der auswärtigen Gewalt einen verfassungsrechtlich vorgegebenen, unentbehrlichen Kontrollauftrag wahr. Diese Rechtsauffassung hat das Bundesverfassungsgericht erstmals anlässlich seines Urteils zum Saarstatut dezidiert zum Ausdruck gebracht.150 Sie bildet damit zugleich das Gegenmodell zu der Act-of-State-Doktrin und der Political-Question-Doktrin anglo-amerikanischen Ursprungs, nach denen Hoheitsakte fremder Staaten nicht von amerikanischen Gerichten überprüft werden und Rechtsstreitigkeiten mit (hoch-)politischem Charakter nicht justiziabel sind.151 Um andererseits einer „Juridifizierung der Außenpolitik“152 durch das Bundesverfassungsgericht vorzubeugen153 und die Funktionalität der Kompetenzvertei 148 So ebenfalls: Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 938; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 164. 149 Vgl. hierzu bereits unter 1. Teil B. I. 1. und II. 1. 150 BVerfGE 4, 157 (163 ff.); Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 36. 151 Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 127 ff.; Ernst Petersmann, Act of State Doctrine, Political Question Doctrine und gerichtliche Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: JöR N. F. Bd. 25 (1976), S. 587 ff. Den genannten Theorien kommt in der deutschen Rechtsdogmatik die „Theorie der gerichtsfreien Hoheitsakte“ am nächsten. Zu dieser Rechtsfigur: Hans Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte – Ein rechtsvergleichender Bericht über die Grenzen der richterlichen Nachprüfbarkeit von Hoheitsakten, Tübingen 1951. 152 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 33. 153 Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 92; Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 948.

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lung im Bereich der auswärtigen Gewalt zu erhalten, muss die materielle verfassungsgerichtliche Kontrolle begrenzt werden können. Wenngleich also der (hoch-) politische Charakter eines Rechtsstreits für sich genommen noch keinen Hinderungsgrund für die Ausübung richterlicher Kontrolle darstellt, wird eine reduzierte Prüfdichte anerkannt,154 also im weitesten Sinne eine Form richterlicher Selbstbeschränkung (judicial self-restraint).155 Dies bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung die Relevanz der politischen Ausgangssituation respektiert und Überlegungen zu den Folgen seiner Entscheidung einbeziehen darf. Nicht in die Entscheidung einfließen dürfen hingegen politische Entscheidungen und Prognosen; der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung gilt schließlich auch für Entscheidungen im Bereich der auswärtigen Gewalt.156 Materiell betrachtet schlägt sich die reduzierte Prüfdichte in dem Zugeständnis weiter Einschätzungs-, Ermessens- und Prognosespielräume der außenpolitisch handelnden Organe nieder.157 Wertungen außenpolitischer Art werden dagegen lediglich auf das Vorliegen offensichtlicher Willkür überprüft.158 Die sonst überwiegend materiell-rechtlich determinierte Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts weicht in Fällen außenpolitischer Verfahrensgegenstände also einer abgestuften Kontrolldichte.159 Diese Rechtsauffassung nimmt implizit eine Unterscheidung zwischen innerstaatlicher öffentlicher Gewalt und auswärtiger Gewalt vor. Diese Differenzierung 154

BVerfGE 40, 141 (178); Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 466 f. 155 Zu dem aus dem Sprachgebrauch des US Supreme Court entnommenen Begriff „judicial self-restraint“: Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 135. Zur Frage, inwieweit der judicial self-restraint den Kern der angesprochenen Frage trifft oder ob es sich hierbei „lediglich“ um eine „pflichtgemäße Beobachtung der durch das Grundgesetz der Verfassungsgerichtsbarkeit auferlegten funktionellen Grenzen“ handelt: Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 101 f. 156 Zu den vom BVerfG entwickelten Kriterien: Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 94 ff. 157 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 33; Peter Badura, Staatsrecht, 5. Aufl., München 2012, D. Rn. 137; Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 75. 158 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 33; Peter Badura, Staatsrecht, 5. Aufl., München 2012, D. Rn. 33. 159 Zu den Kategorien abgestufter Kontrollmaßstäbe: Sven Fischbach, Die verfassungs­ gerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 139 ff.

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ist allerdings dem alle Staatsgewalten aufzählenden Art. 1 Abs. 3 GG fremd. Sie sieht sich aus diesem Grund insbesondere mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes Kritik ausgesetzt.160 Gleichwohl wird man das Bestehen eines praktischen Bedürfnisses nach einer Lösung für das beschriebene Dilemma der Gefahr einer ausufernden Politisierung der Rechtsprechung einerseits und dem verfassungsrechtlichen Kontrollauftrag andererseits nicht bestreiten können. Der vom Bundesverfassungsgericht beschrittene Mittelweg strebt danach, den Besonderheiten der auswärtigen Gewalt gerecht zu werden und die Handlungsfähigkeit in diesem Bereich sicherzustellen,161 muss dafür jedoch eine gewisse Relativierung des Grundrechtsschutzes in Kauf nehmen; dies wird im Ergebnis auch von dessen Kritikern anerkannt.162 Jenseits der Frage reduzierter Prüfdichte oder richterlicher Selbstbeschränkung ist tauglicher Verfahrensgegenstand jedenfalls die Einhaltung der Kompetenz­ bestimmungen im Bereich der auswärtigen Gewalt. Überprüft wird hierbei, ob es zu Kompetenz- oder Verfahrensverstößen gekommen ist. Außerdem kontrolliert das Bundesverfassungsgericht im Wege einer abstrakten oder konkreten Normen­ kontrolle bzw. einer Verfassungsbeschwerde oder eines Organstreitverfahrens den vom Gesetzgeber nach Art. 59 Abs. 2 GG verabschiedeten Transformationsakt, also das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag. Mit dem klaren Postulat des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungen außenpolitischer Natur nicht einem justizfreien Raum zu überlassen, ist letztlich auch die Judikative für den Bereich der auswärtigen Gewalt in der Verfassungsrealität mitbestimmend.163 c) Parlamentarisierungstendenzen Jenseits der zweifellos existierenden Möglichkeiten des Bundestages, an der Gestaltung der auswärtigen Angelegenheiten mitzuwirken, lässt sich zunehmend eine Tendenz zur Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt verzeichnen164 160

Dieter Blumenwitz, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: BayVBl. 1996, S. 578 [„(…) und verlangt, daß sich die Bundesrepublik (…) schützend (…) vor die (…) Ansprüche ihrer Bürger stellt – auch wenn die Gefahr von einer auswärtigen Staatsgewalt ausgeht.“]; Ingolf Pernice, Art. 59 GG Rn. 54, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz: Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006; Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 947 f. 161 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 34 m. w. N. 162 Ingolf Pernice, Art. 23 GG Rn. 27 ff., in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz: Kommentar, Bd. II, 2. Aufl., Tübingen 2006. 163 Vgl. Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 GAD, Rn. 4. 164 Peter Badura, Staatsrecht, 5. Aufl., München 2012, D. Rn. 116; Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 938; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außen-

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bzw. eine Parlamentarisierung der nationalen Außenpolitik165 überhaupt beob­ achten. Die mit dem Durchgriffscharakter des Unionsrechts und dem Wandel des Völkerrechts eingetretene Fokussierung auf das Individuum sowie dessen Rechte und Pflichten rechtfertigt eine stärkere Beteiligung des Parlaments an der auswärtigen Gewalt. Dies gilt auch aus Gründen des Vorbehalts des Gesetzes und der hieraus abgeleiteten Wesentlichkeitstheorie.166 Er garantiert, dass auch in euro­päisierten und internationalisierten Bereichen der nationalen Rechtsordnung in die individuelle Freiheit nur auf der Basis einer im Zeitpunkt des Eingriffs bestehenden Rechtsgrundlage eingegriffen werden darf. Der Vorbehalt des Gesetzes verhindert somit, dass das nationale Recht durch Europäisierungs- bzw. Internationa­ lisierungsprozesse ausgehöhlt wird.167 Das Bundesverfassungsgericht nahm bis einschließlich seines im Jahr 1984 ergangenen Nachrüstungsurteils168 eine restriktive Auslegung des Art. 59 Abs. 2 GG in Bezug auf die parlamentarische Mitwirkung an der Verabschiedung völkerrechtlicher Verträge vor. Es statuierte ein Vorrecht der Exekutive ohne Kontrolle und ohne Mitspracherecht des Parlaments.169 Zur Begründung führte es einerseits an, die Organe der Exekutive verfügten über eine durch Art. 38 GG vermittelte und damit ausreichende demokratische Legitimation; andererseits verfüge gerade die Regierung in sachlicher, personeller und organisatorischer Sicht über die Möglichkeit, „auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht“ reagieren zu können.170 Hinsichtlich der Aufstellung amerikanischer Pershing-2-Mittelstreckenraketen entschied es ferner, dass Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG weder unmittelbar noch entsprechend auf einen einseitigen Völkerrechtsakt wie die Zustimmungs­ erklärung der Bundesregierung zur Aufstellung der Mittelstreckenraketen anwendbar sei,171 womit eine Beteiligung des Bundestages auch in Form der Zustimmung zu einem formellen Gesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG ausschied. An dieser Haltung hat das Bundesverfassungsgericht in den Folgejahren bis heute dem Grundsatz nach festgehalten. Eine Relativierung dieser Rechtsprechung ist politik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 161 („Intensivierung parlamentarischer Mitwirkungskompetenzen“). 165 René Lüddecke, Parlamentarisierung der nationalen Außenpolitik, Baden-Baden 2010, S.  311 ff. 166 BVerfGE 1, 372 (388 f.); 49, 89 (126 f.). 167 Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 938. 168 Auch unter der Bezeichnung „Pershing 2“-Urteil bekannt geworden. 169 BVerfGE 1, 372 (394); 68, 1 (87); Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 937 f. 170 BVerfGE 68, 1 (87). 171 BVerfGE 68, 1 (83 ff.); Hans-Jochim Cremer, Das Verhältnis von Gesetzgeber und Regie­ rung im Bereich der Auswärtigen Gewalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht: eine kritische Bestandsaufnahme, in: R. Geiger (Hrsg.), Neuere Probleme der parlamentarischen Legitimation im Bereich der auswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2003, S. 14.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

allerdings einerseits hinsichtlich der Teilbereiche der europäischen Integration sowie andererseits bezüglich des Einsatzes der Streitkräfte im Ausland zu verzeichnen.172 Diese Relativierung lässt deutliche Tendenzen einer verstärkten Mitwirkung des Parlaments und damit einer Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt insgesamt erkennen.173 In seinem Urteil zum Vertrag von Maastricht174 hatte sich das Bundesverfassungsgericht bereits in puncto Teilhabe des Parlaments an der auswärtigen Gewalt zugunsten einer gestärkten Position des Deutschen Bundestages ausgesprochen. Um zu verhindern, dass sich die einmal erteilte parlamentarische Zustimmung unkontrolliert auf eine dynamische Kompetenzausübung beziehe, ließ es das Gericht genügen, eine die Kompetenzüberschreitung der europäischen Organe rügende Verfassungsbeschwerde auf Art. 38 GG zu stützen. Zur Begründung dieser Argumentation führte das Gericht sinngemäß aus, das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 38 Abs. 1 GG und der daraus resultierende Anspruch des wahlberechtigten Deutschen an der Legitimation der Bundesstaatsgewalt durch einen Wahlakt mitzuwirken sei verletzt, wenn der Bundestag durch ein Zustimmungsgesetz zu einem die europäische Integration fortschreibenden Vertrag Aufgaben und Befugnisse auf die Europäische Gemeinschaften übertrage, ohne dass Umfang und Ausmaß der Übertragung von Hoheitsrechten hinreichend bestimmbar festgelegt seien.175 Eine ähnliche Argumentation machte das Bundesverfassungsgericht in jüngster Vergangenheit in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2009176 über den Vertrag von Lissabon bzw. über die Begleitgesetzgebung zur Umsetzung des Vertrages von Lissabon fruchtbar177 verbunden mit dem Ziel, einer „schleichenden Europäisierung“ im Bereich der GASP zweifelsfreie Grenzen zu setzen.178 Die ge 172 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 38 f. Kokott identifiziert über die Bereiche der europäischen Integration und der Wehrverfassung weitere Sonderbereiche, für die sie eine entsprechende Behandlung postuliert: Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 937 ff. 173 Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 65. 174 BVerfGE 89, 155. 175 BVerfGE 58, 1 (37); 89, 155 (187). 176 BVerfGE 123, 267. 177 Zum „Lissabon-Urteil“: Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 235 ff.; Albrecht Weber, Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon, in: EuZW 2008, S. 7 ff.; Kathrin Dingemann, Zwischen Integrationsverantwortung und Identitätskontrolle: Das „Lissabon“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ZEuS 2009, S. 491 ff.; Nicola Beer, Das Lissabon-Urteil und die Hausaufgaben für Berlin, EuZW 2009, S. 593; Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 68 ff. 178 Annegret Bendiek, Neuer Europäischer Realismus, SWP-Aktuell 10, Februar 2010, S. 1; zur Kritik am Lissabon-Urteil des BVerfG: Thomas Oppermann, Den Musterknaben ins Bremserhäuschen! Bundesverfassungsgericht und Lissabon Vertrag, in: EuZW 2009, S. 473.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

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nannten Entscheidungen haben damit zu einer allgemeinen Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte gegenüber den „Exekutivorganen der EU“179 und mittelbar auch gegenüber der nationalen Exekutive beigetragen. Weitere Zeugnisse zunehmender Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt180 bilden die infolge des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon eingeführten Verfahren über die Subsidiaritätsrüge und -klage,181 die ihre nationale Umsetzung vor allem durch Art. 23 Abs. 1a GG und §§ 11, 12 Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG)182 erfahren haben. Auch die Einrichtung eines EU-Verbindungsbüros des Deutschen Bundestags183 in Brüssel dient der frühzeitigen Befassung und Beteiligung der parlamentarischen Fraktionen an Fragen der unionalen Gesetzgebung und kann damit als Zeichen zunehmender Parlamentarisierung der europäischen Integration interpretiert werden. Auch der genannte zweite Teilbereich, der Einsatz der Streitkräfte im Ausland, lässt in verstärktem Maße Rechte des Bundestags bei der Mitgestaltung der auswärtigen Gewalt erkennen.184 Das Bundesverfassungsgericht stellt die Verfassungsmäßigkeit der Entsendung bewaffneter Streitkräfte unter den Vorbehalt vorheriger konstitutiver Zustimmung des Bundestages. Dieses Erfordernis leitet es aus den auf die Streitkräfte bezogenen Regelungen des Grundgesetzes, den sog. Grundsätzen des Wehrverfassungsrechts, und aus der Tatsache her, dass „die Bundeswehr als Machtpotential nicht allein der Exekutive überlassen werde, sondern sich als Parlamentsheer in die Verfassungsordnung einfüge“.185 179 Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, Baden-Baden 2011, S. 74. 180 Vgl. bereits in diesem Teil unter B. I. 2. b) cc). 181 Zu den Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips: Martina Mayer, Die Europafunktion der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, Tübingen 2012, S. 125 ff.; Philipp Molsberger, Das Subsidiaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, Berlin 2009, S. 200 ff.; Christian Calliess, Grundsatz der Subsidiarität: Nur ein leeres Versprechen?, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 61 ff.; vgl. auch im 4. Teil H. VI. 182 Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Integrationsverantwortungsgesetz – IntVG) vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3022), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3822). 183 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 105 (noch zum Entstehen des EU-Verbindungsbüros des Bundestages). Es wurde im Januar 2013 als Referat PE 4 in die neugeschaffene Unterabteilung Europa der Verwaltung des Deutschen Bundes­tages integriert, vgl. http://www.bundestag.de/bundestag/verwaltung/organisationsplan.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 184 Beispiele finden sich in dem Urteil zum Einsatz der Bundeswehr in Somalia und zu AWACS-Aufklärungsflügen über der Adria, vgl. BVerfGE 90, 286. 185 BVerfGE 90, 286 (381 f.).

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung an der Entsendung bewaffneter Streitkräfte regelt seit März 2005 das sog. Parlamentsbeteiligungs­ gesetz,186 das einen weiteren Beitrag zur Parlamentarisierung außenpolitischer Fragen leistet.187 Zusammenfassend kann zwar nicht von einer umfassenden Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt, wohl aber von einer sektorbezogenen gesprochen werden. Inwieweit dies als Trend für die Zukunft zu werten ist, bleibt abzuwarten.

II. Die Europa- und Außenpolitik materiell gestaltende Bestimmungen Eine Bestandsaufnahme der verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes mit auswärtigen Bezügen führt – neben den soeben behandelten kompetenz- bzw. verfahrensrechtlichen Regelungen – zu den die Europa- und Außenpolitik überwiegend materiell gestaltenden Bestimmungen der Art. 23 GG bis 26 GG. 1. Art. 23 GG Art. 23 GG, der „Europa-Artikel“ des Grundgesetzes, hat entsprechend dem Wandel und der Weiterentwicklung der von ihm geregelten Materie, der euro­ päischen Integration, seit seiner (Neu-)Einführung im Jahr 1992188 seinerseits Änderungen erfahren (müssen). Der Mitte der 1990er Jahre von Rath eingeführte Begriff der „unionswärtigen Gewalt“ als selbstständige Kategorie der auswärtigen Gewalt umfasst den Bereich der deutschen Staatsgewalt, der sich auf die Tätigkeit der Europäischen Union bezieht.189 Hinsichtlich der Beteiligung der Länder an der Fortentwicklung der europäischen Integration ist mit dem Begriff der unionswärtigen Gewalt eine Umschreibung gefunden worden, die alle im Rahmen der EU auf die „Ausübung und Ausgestaltung bundesdeutscher Mitentscheidungsrechte“ ausgerichteten staat­ lichen Tätigkeiten umspannt.190 186 Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz, ParlBG) vom 18. März 2005 (BGBl. I S. 775). 187 René Lüddecke, Parlamentarisierung der nationalen Außenpolitik, Baden-Baden 2010, S. 315. 188 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. 1992 I S. 2086. 189 Christian Rath, Die unionswärtige Gewalt des Deutschen Bundestages, in: W. Steffani/ U. Thaysen (Hrsg.), Demokratie in Europa: Zur Rolle der Parlamente, Sonderband zum 25-jährigen Bestehen der Zeitschrift für Parlamentsfragen, Opladen 1995, S. 114 ff. 190 Christian Rath, Entscheidungspotentiale des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten – Mandatsgesetze und parlamentarische Stellungnahmen im Rahmen der unionswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2001, S. 19.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

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Der Begriff der unionswärtigen Gewalt zielt darauf ab, die gestiegene Bedeutung des Europarechts bzw. der stetig zunehmenden Europäisierung vieler Rechts- und Politikbereiche sowie „die Herauslösung europapolitischer Fragen aus dem Kanon der Außenpolitik“191 abzubilden. Gleichwohl dürfte die Begrifflichkeit für die Beurteilung der Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt k­ einen nennenswerten Mehrwert leisten,192 sondern allenfalls symbolischen Wert haben. Hingegen dürfte ein wesentlicher Nachteil der Begrifflichkeit „unions­wärtige Gewalt“ in der Verwechslungsgefahr mit bzw. der Unterscheidung von der „Integrationsgewalt“193 liegen. Letztere bezieht sich auf die Besonderheiten der europäischen Integration und umfasst die Kompetenz zur Übertragung von Hoheitsrechten einschließlich der Integration in supranationale Organisationen. Wenn man also für den beschriebenen Sachverhalt einen neuen Begriff verwenden möchte, dann sollte man beide Termini verbinden und präziser von einer „unionswärtigen Integrationsgewalt“ (Art. 23 Abs. 1 S. 2 und 3 GG) sprechen, wie Rath selbst vorschlägt.194 Art. 23 GG bildet im Hinblick auf die vom EU-Recht erfassten Beziehungen zu anderen Mitgliedstaaten und damit für einen umfassenden Teil der auswärtigen Gewalt die gegenüber Art. 32 Abs. 1 GG (und Art. 59 Abs. 2 GG) speziellere Rechtsgrundlage.195 Diesen Umstand berücksichtigend wird das alle auswärtigen Beziehungen umspannende Konzept des Art. 32 GG und die ihm immanente Differenzierung zwischen einer inneren und einer äußeren Sphäre in der Literatur teilweise als überholt bzw. unzeitgemäß betrachtet.196

191 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 104. 192 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 104. Dass mit der Schaffung der neuen Begrifflichkeit noch keine Aussage über das Entscheidungsrecht getroffen wird, erkennt der Ideengeber Rath sogar selbst an, vgl. Christian Rath, Entscheidungspotentiale des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten – Mandatsgesetze und parlamentarische Stellungnahmen im Rahmen der unionswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2001, S. 19. 193 Zum Begriff der Integrationsgewalt vgl. Wilhelm G. Grewe, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin, S. 144 f.; Gunnar Folke Schuppert, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der auswärtigen Gewalt, Baden-Baden 1973, S. 23 ff.; Sven Fischbach, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Bundesregierung bei der Ausübung der Auswärtigen Gewalt – Möglichkeiten einer funktionell-rechtlichen Kontrollreduktion, BadenBaden 2011, S. 21. 194 Christian Rath, Entscheidungspotentiale des Deutschen Bundestages in EU-Angelegenheiten – Mandatsgesetze und parlamentarische Stellungnahmen im Rahmen der unionswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2001, S. 21 mit Fn. 6. 195 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 63. 196 Peter Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 39.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Den im Bundesrat vertretenen Bundesländern wird mit Art. 23 Abs. 2 bis 6 GG ein Ausgleich für den Kompetenzverlust gewährt, der mit der Europäisierung bestimmter Regelungsmaterien einhergeht oder durch sie bedingt ist.197 Die Intensität seiner Beteiligung an der Willensbildung der Bundesregierung in EU-Angelegenheiten hängt vom Grad der Betroffenheit der Länder ab. Die Abstufung der Beteiligungsrechte wird durch Art. 23 Abs. 4 bis 7 GG und durch das EUZBLG näher bestimmt.198 Hieraus ergeben sich drei Kategorien unterschiedlicher Beteiligung des Bundesrates. Sofern es im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zu einer Berührung von Länderinteressen kommt (Art. 23 Abs. 5 S. 1 GG), findet lediglich eine „Berücksichtigung“ der Stellungnahme des Bundesrates statt; seine Mitwirkung ist in diesem Fall damit denkbar schwach ausgestaltet. „Maßgebliche Berücksichtigung“ erfährt die Auffassung des Bundesrates, wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind (Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG). Die Formulierung „maßgebliche Berücksichtigung“ erweist sich dabei als doppeldeutig. Sie kann im Umkehrschluss zu S. 1 (dort schlicht „Berücksichtigung“) interpretiert werden als ein qualitatives „Mehr“, was im Ergebnis zu einem Letztentscheidungsrecht der Länderkammer führen würde. Sie kann aber auch mit einer Betonung des Verbs „berücksichtigen“ gelesen werden. Hiernach schiede ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates aus.199 Für erstere Variante und damit für ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates spricht der Umstand, dass es andernfalls keiner gegenüber S. 1 anderslautenden Formulierung bedurft hätte und im Hinblick auf die Abstufung zwei Varianten derselben Kategorie gebildet worden wären. Diesen Befund bestätigt § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG200 – angesichts seines Charakters als einfachrechtliche Norm – allerdings lediglich klarstellend. Darin heißt es für den Ultima-ratio-Fall,201 dass ein Einvernehmen zwischen den Auffas­sungen von Bundesregierung und Bundesrat nicht hergestellt werden kann, dass dann „(…) die Auffassung des Bundesrates maßgebend“ ist. 197 Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 938; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 164. 198 Zur Rolle des EUZBLG bei den Beteiligungsrechten: Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 273 ff. Der Präzisierung der Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat dient der am 26.4.2013 vom Bundesrat vorgelegte Entwurf für die Neufassung des EUZBLG, vgl. BR-Drs. 342/13, S. 1. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit war der Entwurf an den Bundestag zur (ersten) Beratung überwiesen. 199 Zum Meinungsstand vgl. Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 64 mit Fn. 226 f. 200 Der Regelung des § 5 Abs. 2 S. 5 EUZBLG entspricht im Entwurf des Bundesrates (BRDrs. 342/13) die Bestimmung des § 9 Abs. 2 S. 1. 201 Christian Calliess, Auswärtige Gewalt (§ 83), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl., Heidelberg 2006, Rn. 64.

B. Außenpolitik und Grundgesetz: Die auswärtige Gewalt

67

Schließlich „wird die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen“,

sofern im Schwerpunkt Gesetzgebungskompetenzen der Länder „auf den Gebieten der schulischen Bildung, der Kultur oder des Rundfunks“

betroffen sind (Art. 23 Abs. 6 S. 1 GG). Die Mitwirkung des Bundesrates ist in diesem Fall am stärksten ausgeprägt und wird nach S. 2 lediglich durch die Abstimmungspflicht mit der Bundesregierung begrenzt, um der Gesamtverantwortlichkeit des Bundes nach außen gerecht zu werden. Mit Art. 23 Abs. 1 GG verfügt das Grundgesetz über eine Öffnungsklausel. Sie symbolisiert die Reaktions- und Rezeptionsbereitschaft eines offenen Ver­ fassungsstaats gegenüber der Weiterentwicklung der europäischen Integration, die auch mit der Übertragung weiterer Hoheitsrechte an die Europäische Union verbunden sein kann.202 2. Art. 24 GG bis Art. 26 GG Weitere, die auswärtige Politik der Bundesrepublik in materieller Hinsicht lenkende Verfassungsbestimmungen finden sich in den Artikeln 24, 25 und 26 des Grundgesetzes. Ebenso wie Art. 23 GG enthält auch Art. 24 Abs. 1 GG eine Öffnungsklausel zur Übertragung von Hoheitsrechten auf supranationale Einrichtungen.203 Die Bestimmung verkörpert damit das Konzept einer „offenen Staatlichkeit“,204 also eines nach außen offenen, wandlungsfähigen und wandlungsbereiten Verfassungsstaats.205 Die Verfassungsnorm versetzt diesen reaktions- und rezeptionsbereiten Staat damit in die Lage, mit anderen Völkerrechtssubjekten auf supranationaler und internationaler Ebene zu kooperieren. Die Letztverantwortlichkeit überträgt

202 BVerfGE 89, 155 (183 f.). Zur offenen Staatlichkeit unter Geltung des Grundgesetzes: Karl-Peter Sommermann, Offene Staatlichkeit: Deutschland, in: A. v. Bogdandy/P. Cruz Villa­ lón/P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 2: Offene Staatlichkeit – Wissenschaft vom Verfassungsrecht, Heidelberg 2008, S. 6 ff. 203 BVerfGE 89, 155 (183 f.); Claus Dieter Classen, Art. 24 GG Rn. 12, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 204 Klaus Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, Tübingen 1964, S. 42; BVerfGE 73, 339 (374). 205 Zu weiteren Eigenschaften der offenen Staatlichkeit im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG: Karl-Peter Sommermann, Offene Staatlichkeit: Deutschland, in: A. v. Bogdandy/P. Cruz Villa­ lón/P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 2: Offene Staatlichkeit – Wissenschaft vom Verfassungsrecht, Heidelberg 2008, S. 10 f.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

das Grundgesetz dem Bundestag, indem es den Vorbehalt eines formellen Gesetzes in Art. 24 Abs. 1 GG („durch Gesetz“) verankert. Eine Übertragung von Hoheitsrechten ist nach Art. 24 Abs. 1a GG auch auf grenznachbarliche Einrichtungen möglich. Soweit die Übertragung Aufgaben der Bundesländer betrifft, können diese mit Zustimmung der Bundesregierung entsprechende Hoheitsrechte auf grenznachbarliche Einrichtungen weitergeben. Das Zustimmungserfordernis des Art. 24 Abs. 1a GG knüpft an den in Art. 32 Abs. 1 GG angelegten Grundsatz der einheitlichen Vertretung der Bundesrepublik gegenüber auswärtigen Staaten an. Das Grundgesetz enthält in seinem Art. 24 Abs. 2 GG ein klares Bekenntnis zu Systemen kollektiver Sicherheit,206 zu einer umfassenden obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 24 Abs. 3 GG)207 sowie zum Vorrang des Völkerrechts (Art. 25 GG)208 und zum Verbot des Angriffskriegs (Art. 26 GG)209. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Begriffen und ihren Bedeutungsgehalten soll vorliegend unterbleiben; nichtsdestotrotz soll die Anführung der Art. 24 GG bis 26 GG an dieser Stelle zeigen, dass sie ebenfalls materielle Teilelemente der auswärtigen Gewalt enthalten, sie sozusagen vollenden.

C. Diplomatie Die Verwendung des Begriffs „Diplomatie“ ist vielfältig, seine Bedeutung vielschichtig und variiert je nach Sinnzusammenhang. Ein eindeutiger materieller Gehalt im Sinne einer einzig gültigen Definition kann ihm nicht zugemessen werden. Außer Betracht bleiben sollen im Folgenden die mit dem Begriff landläufig assoziierten, je nach Kontext positiv oder negativ besetzten Konnotationen, z. B. die Verwendung als Sinnbild für bestimmte menschliche Charaktereigenschaften.210 206 Claus Dieter Classen, Art. 24 GG Rn. 76 ff., in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. Zur parlamentarischen Mitwirkung beim Einsatz der Streitkräfte: BVerfGE 90, 286 (381 ff.); Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 944; Rüdiger Wolfrum, Grundgesetz und Außenpolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 163. 207 Claus Dieter Classen, Art. 24 GG Rn. 95 ff., in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 208 Christian Koenig, Art. 25 GG Rn. 48 ff., in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 209 Udo Fink, Art. 26 GG Rn. 5, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 210 Diplomatie wird im weiteren Sinn auch als Synonym für „Feinheit“ oder „Takt“ verwendet: Walter Zechlin, Die Welt der Diplomatie, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1960, S. 8. Als diplomatisch gilt demnach etwa auch, wer auf konsequente Weise sein Ziel zu erreichen versucht und dabei auftretende Hindernisse durch geschicktes und kompromissbereites Verhandeln mit der Gegenseite überwindet.

C. Diplomatie

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Anliegen des folgenden Abschnitts ist es, eine Annäherung an den Begriff und die dahinterstehende Funktion zu vollziehen.

I. Begriff Für die in dieser Untersuchung relevanten rechtlichen Aspekte wird der Begriff „Diplomatie“ in seiner „klassischen“, d. h. staatsorganisationsrechtlichen bzw. ressortbezogenen Dimension verwendet.211 1. Ursprung und Entwicklung Der Ausdruck „Diplomatie“ entstammt ursprünglich der griechischen Sprache („dí-plōma“)212 und wurde seit der Antike für die Bezeichnung des Beglaubigungsschreibens diplomatischer Agenten verwendet. Wenngleich der damit beschriebene Sachverhalt wesentlich älter ist – früheste Belege über Formen diplomatischen Handelns stammen aus Ägypten und der Levante des 13. Jahrhunderts vor Christus213 – wird die Verwendung des Begriffs in der deutschen Sprache erst seit dem 18. Jahrhundert verzeichnet.214 Ursprünglich wurde die Diplomatie „ad hoc“ ausgeführt, d. h. dass die Diplomaten ihren Auftrag innerhalb einer bestimmten Zeit und auf einen bestimmten Verhandlungsgegenstand begrenzt ausführten.215 Bereits ab dem 14./15. Jahrhundert nach Christus bildeten sich in Europa, vor allem in Italien, erste ständige Vertretungen (sog. Missionen).216 Beispielsweise unterhielten die Provinzen Mailand, Venedig und Florenz permanente Vertretun 211

Zu den einzelnen Klassifikationen des Begriffs Diplomatie, vgl. Kirstin Karalus, Die di­ plomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S. 13 ff. 212 Wörtlich: „zweifach gefaltetes [Schreiben]“, vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache, 4. Aufl., Mannheim u. a. 2007, Stichwort „Diplom“; Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 7, 21. Aufl., Mannheim 2006, Stichwort „Diplom“; zur Geschichte der Diplomatie in Griechenland bei: Arnold Bergsträsser, Stichwort „Diplomatie“ in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 359 ff. 213 Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 11; zu den Anfängen im griechischen Altertum, insbesondere zum Melier-Dialog im Peloponnesischen Krieg: Arnold Bergsträsser, Stichwort „Diplomatie“ in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 359 f. 214 Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 10 f., Johannes Varwick, „Diplomatie“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 73. 215 Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 10, 14. Zur heute noch ausge­ übten Ad-hoc-Diplomatie im Rahmen von Sondermissionen: UN-Konvention vom 8. Dezember 1969 über Sondermissionen (Nations Unies, Recueil des Traités, Bd. 1400, S. 231; von Deutschland nicht ratifiziert, aber gewohnheitsrechtlich angewendet); Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 832. 216 Auch zur Begründung des Übergangs von der Ad-hoc- zur permanenten Diplomatie: Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 14 f.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

gen am Hof des französischen Königs.217 Die erste, dem heutigen Verständnis eines Außenministeriums am nächsten kommende Behörde begründete Frankreich mit dem Secrétariat d’État des Affaires étrangères im Jahre 1626.218 2. Bedeutung Ähnlich wie der Begriff der Außenpolitik219 hat auch der Ausdruck „Diplomatie“ in wissenschaftlicher Hinsicht keine eindeutige Konturierung erfahren, was u. a. mit der mangelnden Theoretisierung und Konzeptionalisierung der Diplomatie in der Rechts- wie in der Politikwissenschaft zusammenhängt.220 Es existieren jedoch verschiedene Definitionsansätze, die dazu dienen, den Kern des Begriffs herauszuschälen. Mit der Beschreibung der Diplomatie als „Tätigkeit der zur politischen Vertretung eines Staates gegenüber anderen Staaten berufenen Personen“221

wird ein handlungs- bzw. akteursbezogener Ansatz gewählt. Unter Hervorhebung der Methodik sowie des zu erreichenden Ziels wird Diplomatie auch als „die Pflege aller außenpolitischen Beziehungen zwischen Staaten durch unterschiedliche Arten und Methoden der Kommunikation und Verhandlung unter Wahrung der eigenen Interessen“222

verstanden. Einigkeit herrscht in der rechts- wie politikwissenschaftlichen Literatur immerhin darüber, dass 217 Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 16. Ebenso unterhielten auch die Könige von Aragon ständige Gesandtschaften beim Heiligen Stuhl, vgl. Arnold Bergsträsser, Stichwort „Diplomatie“ in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 361. 218 Einen Überblick über die Geschichte des „Quai d’Orsay“ enthält: http://www.diplomatie. gouv.fr/fr/les-ministres-et-le-ministere/missions-et-organisation/historique/article/du-louvreau-quai-d-orsay (letzter Abruf: 29.5.2013). Als Referenzwerk des 18. Jahrhunderts galt das von François de Callières verfasste Handbuch zur Diplomatie mit dem Titel „De la manière de négocier avec les souverains: De l’utilité des négociations, du choix des ambassadeurs et des envoyés et des qualités nécessaires pour réussir dans les emplois (1716)“. 219 Vgl. oben unter A. I. 220 Vgl. Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/ I. Ley/O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 170 m. w. N. insbesondere Fn. 4. 221 Arnold Bergsträsser, Stichwort „Diplomatie“ in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 359; Walter Zechlin, Die Welt der Diplomatie, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1960, S. 8. 222 Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 7, 21. Aufl., Mannheim 2006, Stichwort „Diplomatie“; Johannes Varwick, Stichwort „Diplomatie“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 72 f.

C. Diplomatie

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„die Diplomatie (…) als Instrument der Außenpolitik nationalstaatlich, trans- und supranational verfasster Gemeinwesen“

zu verstehen ist.223 Gemeinsam ist den dargestellten Ansätzen damit eine sehr weit gefasste Beschreibung des Begriffs, die zumeist mehr eine Funktionsanalyse als eine Definition im eigentlichen Sinne des Wortes beinhaltet.224 Obwohl Diplomatie und Außenpolitik also eng miteinander zusammenhängen, beschreiben sie unterschiedliche Sachverhalte.225 Während die Außenpolitik der Interessenwahrnehmung dient, stellt die Diplomatie hierfür das entsprechende Instrumentarium bereit. Als Synonym für den Begriff der Diplomatie verwendet wird im Allgemeinen auch der der „Außenvertretung“.226 Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht präzise, da zur Außenvertretung in den Staatswesen des 21. Jahrhunderts neben den Außenministerien zunehmend auch andere Einrichtungen und Stellen berufen sind, die bei ihrem Handeln jedoch nicht oder nicht zwangsläufig auf das klassischdiplomatische Instrumentarium im oben genannten Sinne zurückgreifen (können).

II. Funktion Diplomatisches Handeln gilt als weltweit anerkanntes, verbindliches Verhandlungsverfahren zur Friedensstiftung und Friedenssicherung. Das Bestreben, die Rechtsstellung der Diplomaten und damit des diplomatischen Handelns verbindlichen Regelungen zu unterwerfen, wurde seit dem Wiener Kongress im Jahre 1815 verzeichnet.227 Ihren Abschluss fand die Entwicklung jedoch erst mit Inkrafttreten der hierfür maßgeblichen völkerrechtlichen Regelungen, dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) aus dem Jahre 1961228 und dem 223 Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/I. Ley/ O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 170. 224 Zu den Funktionen der Diplomatie vgl. in diesem Teil unter C. II. 225 Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 10. Zu einer erweiterten Interpretation der hinter den Begriffen „Außenpolitik“ und „Diplomatie“ stehenden Konzepte: Stephan Keukeleire, The European Union as a Diplomatic Actor: Internal, Traditional, and Structural Diplomacy, in: Diplomacy and Statecraft 2003, S. 289 ff. 226 So z. B. von Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/ I. Ley/O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 170. 227 Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 826; Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 28 f.; Johannes Varwick, Stichwort „Diplomatie“, in: W. Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch der internationalen Politik, 11. Aufl., Opladen 2007, S. 73. 228 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, in Kraft getreten am 24.4.1964 (BGBl. 1964 II S. 959), für die Bundesrepublik Deutschland am 11.12. 1964 gemäß Bekanntmachung vom 13.2.1965 (BGBl. 1965 II S. 147).

72

1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

aus dem Folgejahr stammenden Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen229 (WÜK).230 In diesen völkerrechtlichen Abkommen sind sowohl die allgemeine Rechtsstellung als auch die Vorrechte und Immunitäten der Angehörigen der diplomatischen bzw. konsularischen Dienste geregelt. Zweck beider Konventionen ist es, das diplomatische und konsularische Handeln einheitlichen, international anerkannten und allgemeingültigen Regeln zu unterwerfen. Diplomatisches Handeln erfüllt eine Vielzahl verschiedener Funktionen, von denen im Folgenden die grundlegendsten betrachtet werden sollen. Diplomaten nehmen im Bereich staatlicher Außenpolitik eine Mittlerposition ein und damit einen Vermittlungsauftrag wahr. Sie übermitteln im Empfangsstaat offizielle Standpunkte und handeln im Auftrag ihrer Regierungen politische Strategien aus. Gleichzeitig fungieren sie – im untechnischen Sinne – als Botschafter der Kultur und der Kulturpolitik ihrer Herkunftsstaaten und vermitteln im Gegenzug die ausländische Kultur und Kulturpolitik im Heimatstaat. Mit dieser Mittlerfunktion denknotwendig verbunden sind weitere Aufgaben, nämlich die Kommunikations-, Informations- und Unterrichtungsfunktion. Für eine effiziente Wahrnehmung außenpolitischer Handlungsspielräume ist die exakte Kenntnis der politischen Rahmenbedingungen des Verhandlungsgegenstands unabdingbar. Die hierfür relevanten Fakten gilt es zunächst zu sammeln, zu analysieren und zu systematisieren, um für die Regierung des Heimatstaates einerseits ein Portfolio der entscheidenden politischen und rechtlichen Informationen zusammenzustellen, über die die Diplomaten dann fortlaufend berichten und über Änderungen unterrichten können. Wenn und soweit Diplomaten schließlich als Akteure zwischenstaatlicher Verhandlungen tätig werden, übernehmen sie eine Verhandlungsfunktion. In den Empfangsstaaten sind sie um die Pflege bi- oder multilateraler Beziehungen bemüht, was auch ein präventives Tätigwerden oder ein Tätigwerden zur Bewältigung von Konflikten einschließt. Trotzdem bleiben sie Interessenvertreter ihres eigenen Staates. In der bilateralen diplomatischen Praxis geht angesichts der engen Vernetzung der Staats- und Regierungschefs, die viele Fragen unmittelbar selbst mit ihren politischen Counterparts besprechen, der Anteil echten Ver­ handelns durch die Diplomaten im Empfangsstaat zurück, sodass sich diese in der Tendenz zunehmend auf die genannten anderen Funktionen (vor allem auf die Gewinnung von Informationen) konzentrieren.

229 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963, in Kraft getreten am 19.3.1967 (BGBl. 1969 II S. 1585), für die Bundesrepublik Deutschland am 7.10.1971 gemäß Bekanntmachung vom 30.11.1971 (BGBl. II S. 1285). 230 Zur Entwicklung der Diplomatie in Europa seit dem 17. Jahrhundert: Mai’a K. Davis Cross, The European Diplomatic Corps – Diplomats and International Cooperation from Westphalia to Maastricht, Basingstoke u. a. 2007.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

73

Mit Blick auf eine „europäische Außenpolitik“ im oben beschriebenen Sinne wird gelegentlich zwischen einer kollektiven europäischen Diplomatie231 gegenüber Drittstaaten einerseits und einer intra-europäischen Diplomatie232 im Binnenraum der Union unterschieden. Auf beides wird in der vorliegenden Untersuchung noch einzugehen sein.233

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland Die Unterhaltung und die Pflege diplomatischer Beziehungen zu anderen Völkerrechtssubjekten, insbesondere zu anderen Staaten, stellt eine der ureigenen Aufgaben eines diplomatischen Dienstes dar. In der Bundesrepublik Deutschland ist damit der sog. Auswärtige Dienst als Einrichtung der bundesministeriellen Zentralbehörde „Auswärtiges Amt“ betraut. Dem Terminus „diplomatischer Dienst“ kommt in Deutschland daher neben dem Begriff „auswärtiger Dienst“, der institutionell vom Auswärtigen Amt wahrgenommen wird, keine weiter gehende eigenständige inhaltliche Bedeutung zu.234

I. Überblick über die Geschichte des Auswärtigen Dienstes Für den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland wird aus Gründen der Tradition der Begriff „Auswärtiger Dienst“ verwendet. Diese Bezeichnung steht in engem Zusammenhang mit der Benennung des Außenministeriums der Bundesrepublik Deutschland, dem „Auswärtigen Amt“ (im regierungsinternen Sprachgebrauch kurz: AA). Beide Begriffe gehen auf ähnlich benannte VorgängerInstitutionen in der jüngeren deutschen Geschichte zurück.

231

Den Begriff „collective diplomacy“ verwenden u. a.: Alasdair Blair, Diplomacy: The impact of the EU on its Member States, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 200 ff.; Simon Duke, Preparing for European ­Diplomacy, in: Journal of Common Market Law 2002, S. 849. 232 Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/I. Ley/ O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 170. 233 Zum erstgenannten Aspekt insbesondere in den Teilen 4, 5 und 6. 234 Zu der mit der sprachlichen Differenzierung zwischen beiden Begriffen verbundenen inhaltlichen Bedeutung: Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/ M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 497.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

1. 1808 bis 1945 Erster Vorläufer des Auswärtigen Amts bildete das 1808 im Zuge der Preußischen Reformen errichtete „Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Preu­ ßens“.235 Geleitet wurde es ab 1862 von Otto von Bismarck in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident und Außenminister.236 Als Folge der Gründung des Norddeutschen Bundes im Jahre 1867 ging aus dem „Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten des Königreichs Preußen“ am 1. Januar 1870 das „Auswärtige Amt des Norddeutschen Bundes“ hervor, das ein Bundesorgan darstellte. Die vom preußischen Ministerpräsidenten Bismarck hierbei erstmals gewählte Bezeichnung „Auswärtiges Amt“ lehnte sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach an das britische „Foreign Office“ (1782) an.237 Sie sollte veranschaulichen, dass es sich beim Auswärtigen Amt um eine dem Kanzler des Norddeutschen Bundes nachgeordnete Behörde handelte.238 Mit der Reichsgründung von 1871 wurde der Name der Behörde der Staats­ bezeichnung entsprechend in „Auswärtiges Amt des Deutschen Reiches“ abge­ ändert. Während andere Ressorts als „Bundesministerien“ bzw. „Reichsministerien“ mit dem Zusatz des jeweiligen Geschäftsbereichs bezeichnet wurden, blieb die Bezeichnung „Auswärtiges Amt“ wegen der besonderen, tiefen Verwurzelung in der preußischen Tradition239 erhalten, ohne dass damit im Hinblick auf seine 235 Der Vorgänger des „Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten Preußens“ wird in dem 1728 konstituierten „Kabinettsministerium“ gesehen: Ludwig Biewer, Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts, in: Auswärtiger Dienst 1997, S. 21; Sasse verortet die „Urvorgänger“ bereits im 17. Jahrhundert: Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 85; ders., Zur Geschichte des Auswärtigen Amts, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1959, S. 171 f. 236 Ludwig Biewer/Hans Jochen Pretsch, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts, S. 7. 237 Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 1; Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 87. Sasse zitiert Bismarck im Hinblick auf die Namenswahl mit den Worten: „weil diese Behörde … nicht den Wirkungskreis eines verfassungsmäßigen Ministers darstellt“, vgl. ders., Zur Geschichte des Auswärtigen Amts, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1959, S. 185. 238 Thietmar Bachmann, § 1 B. Rn. 1, in: G. Hecker/G. Müller-Chorus (Hrsg.), Handbuch der konsularischen Praxis, München, Stand: August 2007 (3. EL); Ludwig Biewer, 125 Jahre Auswärtiges Amt. Ein Überblick, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), 125 Jahre Auswärtiges Amt, Festschrift, Bonn 1995, S. 87; Rudolf Morsey, Die Aufgaben des Norddeutschen Bundes und des Reiches, in: K. G. A. Jeserich/H. Pohl/G.-Ch. von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende der Monarchie, Stuttgart 1984, S. 142; Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 87 mit Auszügen aus dem Immediat­ bericht Bismarcks vom 4.1.1870. 239 Eine derart durchgängige Verwurzelung sei in sonst keinem Nachkriegsministerium zu finden, so: Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 85, 88.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

75

staats- oder statusrechtliche Stellung ein Unterschied zu anderen Bundesministerien zum Ausdruck gebracht werden sollte.240 Das „Auswärtige Amt des Deutschen Reiches“ hatte seinen Sitz in der Wilhelmstraße in Berlin241 und wurde wie schon sein Vorgänger von einem Staats­ sekretär,242 nicht wie heute von einem Minister geleitet. In organisatorischer und hierarchischer Hinsicht unterstand es unmittelbar dem Reichskanzler. Erst im ­Februar 1919 wurde aus dem Auswärtigen Amt im Zuge der durch die Weimarer Republik hervorgerufenen Parlamentarisierung ein Ministerium mit eigener Ressortverantwortlichkeit gegenüber dem Kanzler. Sein Behördenleiter trug den Titel „Reichsminister des Auswärtigen“.243 Von der Politik der Gleichschaltung244 war das Auswärtige Amt in der Machtergreifungsphase der Nationalsozialisten und danach ebenso betroffen wie alle anderen Reichministerien. Statt der offiziellen Bezeichnung „Reichsminister des Auswärtigen“ verwendeten die Nationalsozialisten meist die Abwandlung „Reichsaußenminister“245: sie wurde in der Folge zum Kennzeichen für die nationalsozialistische Zeit. Als erste Provokation und bewusst zum Zwecke der Konkurrenz zum Auswärtigen Amt wurde im Frühjahr 1933 das sog. Außenpolitische Amt (APA) der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP)246 ge 240

Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 2 GAD, Amtliche Begründung; Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 127. 241 Nicht nur die „Wilhelmstraße“ wurde zur damaligen Zeit daher zum Synonym für das Außen­ministerium; ähnliche Entwicklungen waren auch in anderen europäischen Nationalstaaten zu beobachten. So steht bis heute der „Quai d’Orsay“ für das französische Außenministerium und „Whitehall“ für das Außenministerium des Vereinigten Königreichs, vgl. Paul Seabury, Die Wilhelmstraße, Frankfurt am Main 1956, S. 19; Ludwig Biewer, 125 Jahre Auswärtiges Amt. Ein Überblick, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), 125 Jahre Auswärtiges Amt, Festschrift, Bonn 1995, S. 91. 242 Rudolf Morsey, Die Aufgaben des Norddeutschen Bundes und des Reiches, in: K. G. A. Jeserich/H. Pohl/G.-Ch. von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende der Monarchie, Stuttgart 1984, S. 151. 243 Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 88. 244 Paul Seabury, Die Wilhelmstraße, Frankfurt am Main 1956, S. 130. In den Augen der Unabhängigen Historikerkommission – Auswärtiges Amt handelte es sich hierbei in der Sache allerdings mehr um eine „Selbstgleichschaltung“, denn um eine Gleichschaltung, vgl. Eckart Conze/Norbert Frei/Peter Hayes/Moshe Zimmermann, Das Amt und die Vergangenheit – Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010, S. 64 ff. 245 In Dokumenten ab 1938 oft nur „RAM“ abgekürzt, staatsrechtlich betrachtet wurde diese Abkürzung niemals offiziell eingeführt. Sie geht auf den Reichsminister des Auswärtigen Joachim von Ribbentrop zurück, der sich selbst gerne als „RAM“ bezeichnete, vgl. Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 5; Heinz Sasse, Die Entstehung der Bezeichnung „Auswärtiges Amt“, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1956, S. 89; Paul Seabury, Die Wilhelmstraße, Frankfurt am Main 1956, S. 100. 246 Paul Seabury, Die Wilhelmstraße, Frankfurt am Main 1956, S. 62 ff.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

gründet. Dieses (Gegenaußen-)Amt zielte nach den Vorstellungen der National­ sozialisten darauf ab, dem Alleinvertretungsanspruch der antinationalsozialistischen „Verschwörergruppe“247 entgegenzutreten.248 Eine wesentlich größere Konkurrenz zum Auswärtigen Amt ging jedoch von der Auslandsorganisation der NSDAP aus.249 Diese Stelle wurde im Oktober 1933 als „Auslandsabteilung der Reichsleitung der NSDAP“ dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß unterstellt. Sie bildete die parteipolitische Institution der NSDAP, die ihr ausschließliches Tätigkeitsfeld im Ausland sah.250 Schließlich bestand mit der „Dienststelle des Beauftragten der NSDAP für außenpolitische Fragen“ eine zur obersten Parteileitung gehörende dritte Dienststelle, die veranschaulichte, dass ein nationalsozialistisches Außenministerium im Werden begriffen war.251 Im Januar 1937 vollendeten die Nationalsozialisten ihren Plan, indem sie die NSDAP mit dem Posten des „Chefs der Auslandsorganisation im Auswärtigen Amt“ im Range eines Staatssekretärs „für das Auslandsdeutschtum“ institutionell im Auswärtigen Amt selbst verankerten.252 2. Seit 1945 Aus der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland sind zwei weitere Einrichtungen zu nennen, in denen ansatzweise Vorläufer des heutigen Auswärtigen Amts gesehen werden können.253 Dies war zum einen das 1947 in Stuttgart gegründete „Büro für Friedensfragen“ und zum anderen die im selben Jahr eingerichtete und in Frankfurt am Main bei der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes angesiedelte Hauptabteilung V „Außenhandel“ der bizonalen Verwaltung für Wirtschaft. 247 Heinz Sasse, Zur Geschichte des Auswärtigen Amts, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1959, S. 187. 248 Mit dem APA „als Sprecher für die nationalsozialistischen außenpolitischen Ansichten aufzutreten und dem deutschen Volke bewusst zu machen, dass die Außenpolitik nicht die An­ gelegenheiten einer kleinen Kaste, sondern des ganzen Volkes sei“, so die Begründung seines Leiters Alfred Rosenberg, abgedruckt bei: Heinz Sasse, Zur Geschichte des Auswärtigen Amts, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V. 1959, S. 186. 249 Zur Auslandsdelegation der NSDAP und ihrem Vorläufer: Paul Seabury, Die Wilhelmstraße, Frankfurt am Main 1956, S. 61. 250 Heinz Sasse, Zur Geschichte des Auswärtigen Amts, in: Nachrichtenblatt der Vereinigung deutscher Auslandsbeamten e. V., 1959, S. 186. 251 Die Dienststelle des Beauftragten der NSDAP für außenpolitische Fragen wurde zunächst vom späteren Reichsminister des Auswärtigen Joachim von Ribbentrop geleitet. 252 Zur Rolle und zur Verantwortlichkeit des Auswärtigen Amts in der nationalsozialis­tischen Zeit sowie in der Aufarbeitung der Nachkriegszeit vgl. die 2010 veröffentlichte Studie der Unabhängigen Historikerkommission – Auswärtiges Amt, Eckart Conze/Norbert Frei/Peter Hayes/Moshe Zimmermann, Das Amt und die Vergangenheit – Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. 253 Ludwig Biewer/Hans Jochen Pretsch, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts, S. 19 f.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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Erstgenannte Einrichtung war mit der Sammlung von für die Friedensverhandlungen relevanten Dokumentationsmaterialien beauftragt; ihr Aufgabenbereich blieb zunächst auf die geografische Fläche der amerikanischen Besatzungszone beschränkt.254 Ende des Jahres 1949 ging das Büro für Friedensfragen organisatorisch in der Bundesregierung auf und wurde dort bis Mitte 1950 weitergeführt. Bei der Abteilung „Außenhandel“ handelte es sich um eine Verwaltungseinheit der gemeinsamen Wirtschaftsverwaltung, also eine Institution der englischen und amerikanischen Besatzungszone, die es sich zum Ziel gemacht hatte, in ihrem Geltungsbereich eine Wirtschaftseinheit herzustellen.255 Der am 24. Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland fehlte anfangs die für ein Staatswesen charakteristische Eigenschaft der Souveränität, da sich die westlichen Siegermächte Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten darauf verständigt hatten, sich im Besatzungsstatut von 1949256 die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten vorzubehalten. Eingerichtet wurde im Bundeskanzleramt allerdings eine Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission (AHK), der Vertretung der drei Siegermächte. Bereits das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949257 ermöglichte der Bundesrepublik die Aufnahme von konsularischen Kontakten sowie von Handelsbeziehungen zu anderen Staaten. Institutionell verfestigt wurde die auf Wiedererlangung uneingeschränkter Souveränität gerichtete Entwicklung mit der Errichtung des „Organisationsbüros für die konsularischen und wirtschaftlichen Vertretungen“ im Bundeskanzleramt Ende des Jahres 1949. Dieses ging am 1. April 1950 zusammen mit der Verbindungsstelle zur AHK in die dem Bundeskanzler direkt unterstellte „Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten“ über. Ergänzt wurde die neu zugeschnittene Einheit um ein Kultur- und Protokollreferat sowie eine zunächst in Speyer,258 später in Bonn angesiedelte Aus- und Fortbildungsstätte für den diplomatischen Nachwuchs.

254

Vgl. https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=4304 (letzter Abruf: 29.5.2013). 255 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 des Vorläufigen Abkommens über die Bildung einer deutschen Wirtschaftsverwaltung vom 11. September 1946, abgedruckt in: HB GBl. 1946, S. 105 f., abrufbar unter: http://www1.recht.makrolog.de/irfd/show?normid=hb_gbl_1946S105B106a_H34& region=land&type=pdf&terms= (letzter Abruf: 29.5.2013). 256 Besatzungsstatut zur Abgrenzung der Befugnisse und Verantwortlichkeiten zwischen der zukünftigen deutschen Regierung und der Alliierten Kontrollbehörde, veröffentlicht am 10. Mai 1949 durch die Militärgouverneure und Oberbefehlshaber der Westzonen, abgedruckt in: Amtsblatt der Hohen Alliierten Kommission in Deutschland vom 23.9.1949, S. 13 ff. 257 Niederschrift der Abmachungen zwischen den Alliierten Hohen Kommissaren und dem Deutschen Bundeskanzler auf dem Petersberg vom 22. November 1949 („Petersberger Abkommen“), Faksimile einsehbar unter: http://download.diplo.de/diplo/Mult-958_Petersberger_ Abk_Farbe.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 258 Die Aus- und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amts („Diplomatenschule“) residierte von 1950 bis 1955 im Gebäude des heutigen Finanzamts Speyer (Johannesstraße 10).

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Die mit Wirkung zum 6. März 1951 eingetretene Änderung des Besatzungs­ statuts von 1949 erlaubte die Überführung der „Dienststelle für Auswärtige An­ gelegenheiten“ in das Auswärtige Amt und damit dessen offizielle Wiedererrichtung durch Erlass des Bundeskanzlers Adenauer vom 15. März 1951.259 Ebenfalls in die neue Behörde integriert wurden das von der Bundesregierung 1949 übernommene und bis Mitte des Jahres 1950 weitergeführte Büro für Friedensfragen, sowie die oben genannte Hauptabteilung V „Außenhandel“. Der Behördenleiter des Amts trägt seitdem den Titel „Bundesminister des Auswärtigen“.260 Seinen Dienstsitz erhielt das Auswärtige Amt zunächst in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Die am 7. Oktober 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik (DDR) unterhielt durch und mit ihrem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (kurz als „MfAA“ bezeichnet)261 ebenfalls einen diplomatischen Dienst, wenngleich dessen Gestaltungspotential nur auf dem Papier bestand. Geleitet wurde die Behörde durch den Außenminister, seinen Stellvertreter und die Staatssekretäre. Im Schatten des übermächtigen Zentralkomitees im Politbüro der SED, insbesondere dessen Sekretär für Außenpolitik, vermochten die Außenminister der DDR262 jedoch wenig eigene außenpolitische Gestaltungskraft zu entfalten. Infolge der Verlagerung der Bundeshauptstadt des 1990 wiedervereinigten Deutschlands von Bonn nach Berlin, kehrte das Auswärtige Amt der Bundes­ republik Deutschland im Jahre 1999 an seinen ursprünglichen Sitz zurück und bezog im ehemaligen Reichsbankgebäude am Werderschen Markt in Berlin Quartier. Seit der „zweiten Gründung“ des Auswärtigen Amts im Jahre 1951 ist der Personalstand der Behörde von ursprünglich 763 Mitarbeitern (davon 330 in der Zentrale, 433 in den Auslandsvertretungen)263 auf 7260 Beschäftigte angewachsen. Seit dem Jahre 1951 hat sich der Personalbestand wie folgt entwickelt:

259

Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 6. Das Amt des Bundesministers des Auswärtigen führten seit der Gründung der Bundesrepublik und der Wiedererlangung außenpolitischer Souveränität: Konrad Adenauer (Amtszeit 1951–1955), Heinrich von Brentano (1955–1961), Gerhard Schröder (1961–1966), Willy Brandt (1966–1969), Walter Scheel (1969–1974), Hans-Dietrich Genscher (1974–1982), Helmut Schmidt (1982), Hans-Dietrich Genscher (1982–1992), Klaus Kinkel (1992–1998), Joseph Fischer (1998–2005), Frank-Walter Steinmeier (2005–2009) und Guido Westerwelle (amtierend seit 2009). 261 Die Bezeichnung des Ministeriums wurde damals in Anlehnung an die gleichlautende der „großen Schwester“, der Sowjetunion, gewählt. 262 Das Amt des Außenministers der DDR hatten inne: Georg Dertinger (Amtszeit 1949– 1953), Anton Ackermann (1953–1953), Lothar Bolz (1953–1965), Otto Winzer (1965–1975), Oskar Fischer (1975–1990), Markus Meckel (1990) sowie schließlich Lothar de Maizière (1990). 263 Reinhard Bettzuege, Auswärtiger Dienst, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 228. 260

79

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland Tabelle 1 Personal des Auswärtigen Amts 1985 bis 2012264 Zeitpunkt

19.6.1985265

20.6.1990

3.7.2000

1.6.2005

7.7.2010

Gesamt

5576

6523

6760

7206

7222

7260

– davon Stammpersonal

4862

5648

5852

6035

5914

5943

711

875

908

1171

1308

1317

– davon von anderen Behörden zum AA abgeordnet

1.6.2012

265

Zu dem aufgeführten Personal kommen an den Auslandsvertretungen ca. 5500 Beschäftigte deutscher oder fremder Staatsangehörigkeit hinzu, die vor Ort eingestellt werden (sog. Ortskräfte) und ungefähr 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Jahr 2012), die aus anderen Ressorts der Bundesregierung, den Bundesländern, der Wirtschaft und von anderen Institutionen vorübergehend in den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts abgeordnet sind.266 Dieses von anderen öffentlichen Stellen an das Auswärtige Amt abgeordnete Personal stammt dabei im Regelfall mehrheitlich aus den Geschäftsbereichen des Bundeskanzleramts und des Bundesministeriums des Innern. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2006 und schließen das aus den den Ressorts jeweils nachgeordneten Behörden abgeordnete Personal ein: Tabelle 2 Gesamtzahl der abgeordneten Beschäftigten im Auswärtigen Amt 2006267 Geschäftsbereich Bundeskanzleramt Bundesministerium (BM) für Arbeit und Soziales BM des Innern

Gesamtzahl der abgeordneten Beschäftigten 266 12 409 (Fortsetzung nächste Seite)

264 Die nachfolgenden Angaben teilte das Auswärtige Amt am 31.10.2012 auf Anfrage mit. Ortskräfte und Beschäftigte des Deutschen Archäologischen Instituts sind bei den angegebenen Zahlen nicht berücksichtigt. 265 Angaben zu früheren Jahren bei Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 7. 266 Vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/AuswDienst/Mitarbeiter_node.html (zuletzt aufgerufen am 29.5.2013); Mitteilung des Auswärtigen Amts vom 31.10.2012 267 Abgewandelte Darstellung der Zahlen aus: Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion zur Personalsituation des Auswärtigen Amts für den Aufbruch in die Diplomatie des 21. Jahrhunderts, BT-Drs. 16/2298 vom 25. Juli 2006, S. 8; nicht enthalten sind Angehörige des Bundestages, der Länderregierungen, der Bundesbank sowie weiterer Organisationen (vgl. S. 7).

80

1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

(Fortsetzung Tabelle 2)

Geschäftsbereich BM der Justiz BM der Finanzen BM für Wirtschaft und Technologie BM für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz BM der Verteidigung BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BM für Gesundheit BM für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung BM für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BM für Bildung und Forschung BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Summe

Gesamtzahl der abgeordneten Beschäftigten 8 42 43 23 274 2 4 14 4 15 40 1156

Die Zahl der Auslandsvertretungen unterlag über die Jahre hinweg einigen Schwankungen, die in den 1990er Jahren in engem Zusammenhang mit dem Zerfall des Ostblocks und der Wiedervereinigung Deutschlands standen. Im Einzelnen ergibt sich hinsichtlich der Anzahl der Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amts folgendes Bild: Tabelle 3 Auslandsvertretungen des Auswärtigen Amts 1987 bis 2012268 Jahre Gesamtzahl

1987269 202

1990

2000

2010

2012

214

219

229

229

269

Insgesamt haben sich die Personalzahlen des Auswärtigen Amts – wie auch in anderen europäischen Außenministerien – gegenüber den Zahlen vor dem Zweiten Weltkrieg etwa verdreifacht. Dies erklärt sich aus der Notwendigkeit, zur Erhaltung und Stabilisierung des Friedens an den nach dem Krieg entstandenen, überaus vielschichtigen Außenbeziehungen teilhaben zu „müssen“ sowie aufgrund der Tatsache, dass es vor allem seit den 1990er Jahren immer wieder zur Entstehung neuer Staaten kam, bei denen Botschaften oder Konsulate akkreditiert wurden.270 268

Die nachfolgenden Zahlen gehen ebenfalls aus der Mitteilung des Auswärtigen Amts vom 31.10.2012 hervor. 269 Angaben zu früheren Jahren bei: Thietmar Bachmann, § 1 A. Rn. 19, in: G. Hecker/G. Müller-Chorus (Hrsg.), Handbuch der konsularischen Praxis, München, Stand: August 2007 (3. EL): 175 Vertretungen im Jahr 1961; Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 7 (195 Vertretungen im Jahr 1976). 270 Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 128; Ludwig Biewer, Die Geschichte des Auswärtigen Amts – Ein Überblick, S. 7.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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II. Rechtsgrundlagen Die Darstellung der für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik relevanten Bestimmungen orientiert sich an der Normenhierarchie und wird zunächst diejenigen des Verfassungsrechts behandeln (unter 1.), bevor sie sich den einfach-gesetzlichen Bestimmungen widmet (unter 2.). 1. Verfassungsrecht Dem Bereich der auswärtigen Gewalt bzw. der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland widmet sich das Grundgesetz an mehreren Stellen, nämlich in Art. 32 Abs. 1 GG, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG und Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG. Auffällig ist, dass die systematisch nicht geordneten271 Bestimmungen verschiedene Begriffe verwenden, von denen einige wesentliche im Folgenden erläutert und voneinander abgegrenzt werden sollen. Gemäß dem Willen des Verfassungsgebers der föderal gegliederten Bundesrepublik obliegt dem Bund nach Art. 32 Abs. 1 GG die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten.272 Diesem fällt nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG konsequenterweise auch die ausschließliche Gesetzgebung für die „auswärtige Angelegenheiten“ zu. Einen geschlossenen Katalog außenpolitischer Leitlinien enthält das Grundgesetz hingegen nicht, insofern haben die genannten Bestimmungen auch den Zweck, den Handlungsrahmen für die Außenpolitik auf Verfassungsebene abzustecken. a) Art. 32 Abs. 1 GG Das Grundgesetz nimmt mit Art. 32 Abs. 1 GG die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern im Bereich der Außenbeziehungen vor (Verbandskompetenz).273 Hiernach ist es Sache des Bundes, die Beziehungen zu auswärtigen Staaten zu pflegen. Durch die Bestimmung wird die Grundentscheidung des Art. 30 GG, nach der die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder ist, umgekehrt, jedoch nicht ohne 271

Den Versuch einer systematischen Ordnung der Verfassungsbestimmungen zur auswärtigen Gewalt hat in Europa z. B. die schwedische Verfassung (Kapitel 10: Internationale Beziehungen, Verfassung des Königreichs Schweden vom 28.2.1974, in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 2011:109, 1. Teil: Regierungsform) unternommen, weitere Nachweise bei: Wilhelm G. Grewe, Auswärtige Gewalt (§ 77), in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 2. Aufl., Heidelberg 1996, Rn. 32 mit Fn. 30. 272 Vgl. hierzu bereits unter B. I. 1. 273 Aussagen zur Zuständigkeit der Bundes- und Landesorgane (Organkompetenz) treffen Art. 59 GG bzw. die Länderverfassungen.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Ausnahme.274 Eine Entscheidung über das (Rang-)Verhältnis von Föderalismus und auswärtiger Gewalt trifft die Vorschrift damit nicht.275 Vom Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG erfasst werden alle Maßnahmen, die im Bereich der „Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten“ erforderlich werden,276 also beispielsweise auch die Beziehungen zu internationalen und überstaatlichen Organisationen. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, die föderalen Strukturen der Bundesrepublik zu denen internationaler Organisationen so zueinander in Beziehung zu setzen, dass ein aufeinander abgestimmtes Verhältnis entsteht. Das für die auswärtigen Angelegenheiten sachlich in erster Linie zuständige Bundesorgan, die Bundesregierung, wirkt mit dem nach Art. 59 Abs. 1 GG nach außen – politisch und rechtlich – vertretungsberechtigten Bundespräsidenten zusammen. Eine Aussage zur ressortmäßigen Aufgaben- und Kompetenzzuweisung innerhalb der Bundesregierung für den Bereich der auswärtigen Angelegenheiten trifft das Grundgesetz nicht. Damit obliegt der Zuschnitt der Geschäftsbereiche der Bundesministerien nach Art. 65 Abs. 1 S. 2 GG dem Bundeskanzler. Traditionell fällt der Bereich der auswärtigen Angelegenheiten in das Ressort des Auswärtigen Amts, als dem für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Bundesministerium. Dabei weicht das Alleinvertretungsmonopol der Außenministerien angesichts der sich auch in anderen Geschäftsbereichen der Regierungen niederschlagenden Europäisierung und Internationalisierung zunehmend einer zentralen Federführung im Sinne einer Koordinierungsfunktion.277 b) Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG Durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG erklärt das Grundgesetz den Bund für den Bereich der „auswärtigen Angelegenheiten“ als für die Gesetzgebung ausschließlich zuständig. Im Sinne dieser Vorschrift umfasst der Begriff der „auswärtigen Angelegenheiten“ nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Lehre 274

Vgl. Art. 32 Abs. 2 und 3 GG; hierzu bereits unter B. I. 1. Die Problematik verdeutlichend die auf der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer im Jahre 1954 von Menzel (Nichtgeltung des Föderalismus bei der Ausübung auswärtiger Gewalt) und Nawiasky (strikter Vorrang des Föderalismus; die andere Ansicht berge die Gefahr, „den Bundesstaat umzubringen“) vertretenen Positionen, Eberhard Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin 1954, S. 179 und Hans Nawiasky, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, Aussprache, in: VVDStRL Bd. 12 (1954), Berlin 1954, S. 237. 276 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 5. 277 Hocking beschreibt den Prozess als Wandel vom kontrollierenden „gatekeeper“ zum koordinierenden „boundary-spanner“, vgl. Brian Hocking, Introduction: Gatekeepers and Boundary-Spanners – Thinking about Foreign Ministries in the European Union, in: ders./D. Spence, Foreign Ministries in the European Union – Integrating Diplomats, Basingstoke u. a. 2002, S. 4 ff. Siehe in diesem Teil auch bereits unter A. 275

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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„(…) alle Beziehungen, die sich aus der Stellung der Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten ergeben“.278

Entscheidend kommt es bei der Frage, ob eine Angelegenheit eine „auswärtige“ im Sinne der Verfassung ist oder nicht, darauf an, dass eine hoheitliche Beziehung zu einem anderen Völkerrechtssubjekt besteht, wobei sich die Frage der Hoheitlichkeit nach völkerrechtlichen Kriterien bestimmt.279 Das schlichte Erfordernis einer nur irgendwie gearteten Auslandsberührung darf angesichts der engen inter- und transnationalen Verflechtung der unterschiedlichen Politikbereiche des 21. Jahrhunderts nicht genügen. Um zu verhindern, dass der ohnehin weitgefasste Tatbestand des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG schier uferlos interpretiert und damit letztlich seines Sinnes gänzlich beraubt wird, ist es zweckmäßig, bei der Bestimmung des Begriffs „auswärtige Angelegenheiten“ auch die Verteilung der Gesetz­ gebungskompetenzen im Übrigen zu berücksichtigen (Art. 70 ff. GG).280 c) Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG Neben dem Begriff der „auswärtigen Angelegenheiten“ verwendet das Grundgesetz in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG auch den des „Auswärtigen Dienstes“. Die Bestimmung errichtet den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik als solches nicht, sondern setzt dessen Existenz voraus. Sie sieht vor, dass er in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Er stellt das mit der Wahrnehmung des Auftrags nach Art. 32 Abs. 1 GG, der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten betraute „Instrument“ dar.281 Anders als es der Wortlaut der Norm vermuten lässt, sind vom Begriff des „Auswärtigen Dienstes“ in Art. 87 Abs. 1 GG nicht nur die vom Auswärtigen Amt selbst wahrgenommenen Aufgaben, sondern darüber hinaus auch die über den Kern dessen Aufgabenkreises hinausgehenden und damit alle Aufgaben erfasst, die von der Bundesverwaltung im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten wahrzunehmen sind.282 278 Nur andere Staaten erfassend: BVerfGE 33, 52 (60); im Übrigen: Markus Heintzen, Art. 73 GG Rn. 8, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010; Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 1. 279 Markus Heintzen, Art. 73 GG Rn. 8, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 280 So BVerfGE 100, 313 (368). Eine Übersicht der den „auswärtigen Angelegenheiten“ zuzuordnenden Gesetze findet sich bei Markus Heintzen, Art. 73 GG Rn. 9, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2010. 281 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 GAD. 282 Martin Burgi, Art. 87 GG Rn. 10, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl., München 2010; Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 1, 8 (dort zum Kernbereich der Zuständigkeit).

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Diese nicht unumstrittene Ansicht283 gründet auf der Annahme, dass der Ausdruck „Auswärtiger Dienst“ in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG schon deshalb keinen grundlegend anderen Bedeutungsgehalt als die in Art. 32 Abs. 1 und Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG verwendeten Begriffe „Beziehungen zu auswärtigen Staaten“ und „auswärtige Angelegenheiten“ haben dürfe, weil es sonst für viele Aufgaben mit Auslands­ bezug, die in den Anwendungsbereich der beiden letztgenannten Bestimmungen fallen, an einer entsprechenden Kompetenzgrundlage fehle. Die gegenteilige Auffassung unterstellt dem Grundgesetz unausgesprochen, eine bestimmte Form der Behördenorganisation für die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten dauerhaft festlegen zu wollen. Folgte man dieser Ansicht, würde man der Verfassung in letzter Konsequenz die Absicht „unterstellen“, sich durch die Festlegung auf eine bestimmte Organisationsform zukünftigen Entwicklungen im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten verschließen zu wollen. Dies wiederum widerspräche dem dem Grundgesetz innewohnenden Konzept der offenen Staatlichkeit.284 Somit kann folglich davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs „Auswärtiger Dienst“ in Art. 87 Abs. 1 GG lediglich um die Charakterisierung eines Aufgabenkreises handelt.285 Damit kann bereits an dieser Stelle vorweggenommen werden, dass der Begriff des „Auswärtigen Dienstes“ im Sinne des Verfassungsrechts (Art. 87 GG) weiter gefasst ist als der in der entsprechenden einfach-gesetzlichen Grundlage verwendete Begriff.286 Eine unumkehrbare ressortbezogene Kompetenzverteilung derart, dass alle auswärtigen Angelegenheiten vom Auswärtigen Amt ausgeführt werden müssten, gibt Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG nicht vor.287 Folglich können einzelne Bereiche, wie z. B. die Entwicklungshilfe, in den Ressorts anderer Ministerien an­ gesiedelt werden. Damit ist der Auswärtige Dienst, wie bereits dargelegt, zwar in erster Linie, jedoch nicht als einziges Ressort mit der Wahrnehmung der in Art. 32 Abs. 1 GG bezeichneten Aufgabe der Beziehungspflege zu auswärtigen Staaten betraut.288 283

Anders z. B. Ulrich Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, München 1986, S. 110 ff.; Gerhard Hans Reichel, Die auswärtige Gewalt nach dem Grund­ gesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Berlin 1967, S. 173 f.; Michael Sachs, Art. 87 GG Rn. 27 f., in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, 6. Aufl., München 2011. 284 Hierzu in diesem Teil unter B. II., dort m. w. N. 285 Martin Burgi, Art. 87 GG Rn. 11, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl., München 2010. 286 Zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD) sogleich unter 2. 287 Martin Ibler, Art. 87 GG Rn. 71, in: Th. Maunz/G. Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. VI, München, Stand: Januar 2012 (64. EL); Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 6. 288 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 GAD sowie § 1 Rn. 10; zu den weiteren mit der Ausübung nationaler Außenpolitik befassten Institutionen in diesem Teil unter A.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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2. Einfaches Recht: Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst Unter Berücksichtigung des auf Verfassungsebene abgesteckten Rahmens wurde im Jahre 1990 vom Deutschen Bundestag unter Beteiligung des Bundesrates als einfachgesetzliche Grundlage für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland das Gesetz über den Auswärtigen Dienst (GAD)289 verabschiedet. Dessen erster Abschnitt (§§ 1 bis 4 GAD) widmet sich den Aufgaben, der Stellung und der Organisation des Auswärtigen Dienstes. a) § 1 GAD Vor dem Hintergrund, dass das Grundgesetz zwar mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern den verfassungsrechtlichen Rahmen festlegt, darüber hinaus allerdings keinen Katalog außenpolitischer Leitlinien zur Ausfüllung dieses Rahmens bereithält, wurden mit und in § 1 GAD erstmals die Aufgaben und Ziele des Auswärtigen Dienstes in geschriebener Form niedergelegt. Die Sätze 1 und 2 des ersten Absatzes weisen dem Auswärtigen Dienst die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes sowie die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten und zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen zu. Damit wiederholt er und präzisiert zugleich die auf verfassungsrechtlicher Ebene bereits in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG getroffene Aussage290 und bekräftigt gleichzeitig den Grundsatz der Zuständigkeit des Auswärtigen Dienstes. Mit § 1 Abs. 1 S. 3 GAD schließt sich eine Aufzählung politischer und rechtlicher Ziele an, denen sich die Bundesrepublik Deutschland in außenpolitischer Hinsicht verschrieben hat. Hierzu zählen u. a. die Erhaltung einer dauerhaften, friedlichen und gerechten Ordnung in Europa (§ 1 Abs. 1 S. 3, erster Spiegelstrich GAD), die Wahrung der Menschenrechte (§ 1 Abs. 1 S. 3, zweiter Spiegelstrich GAD) und der Aufbau eines vereinten Europas (§ 1 Abs. 1 S. 3, fünfter Spiegelstrich GAD). Der zweite Absatz des § 1 GAD enthält einen – nicht abschließenden – Auf­ gabenkatalog. Hervorzuheben sind die hierin zum Ausdruck kommenden vielfäl­ tigen Funktionen, die der Auswärtige Dienst in auswärtigen Angelegenheiten wahrnimmt. Die ihm übertragenen Aufgaben lassen sich, entsprechend der Normstruktur des § 1 GAD, den drei Schwerpunkten „Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes“, „Koordination außenpolitischer Tätigkeiten“ sowie „Unterstützung der außenpolitisch relevanten Tätigkeiten der Verfassungsorgane“ zuordnen. 289

Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30. August 1990 (BGBl. I S. 1842), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 14. November 2011 (BGBl. I S. 2219). 290 Hierzu näher bereits oben unter D. II. 1. c).

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

aa) Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes Die in § 1 GAD aufgeführten Ziele und Aufgaben hat der Bundesgesetz­geber bewusst weit gefasst. Hierdurch wollte er vermeiden, dass ein zu sehr an der Tages­politik orientierter Aufgabenkatalog entsteht, der alsbald veraltet und überholt sein würde.291 Der Auswärtige Dienst vertritt die Interessen der Bundesrepublik im Ausland (Interessenvertretungsfunktion: Abs. 2, erster Spiegelstrich), pflegt und fördert die auswärtigen Beziehungen auf verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gebieten und Ebenen (Förderungsfunktion: Abs. 2, zweiter Spiegelstrich); er unterrichtet einerseits die Bundesregierung über aktuelle Entwicklungen im Ausland (Abs. 2, dritter Spiegelstrich) und informiert andererseits auch den Empfangsstaat über die Bundesrepublik (Abs. 2, vierter Spiegelstrich), um somit seiner Unterrichtungsfunktion umfassend nachzukommen. Dass die „Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland“ auch die Vertretung der Bundesländer einschließt, ist durch Art. 32 Abs. 1 GG nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern wird auch durch die Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2, letzter Spiegelstrich GAD klargestellt.292 bb) Koordinierung außenpolitischer Aktivitäten Die Koordinierung der von der Bundesregierung unterhaltenen außenpolitischen Beziehungen und der außenpolitischen Aktivitäten anderer öffentlicher Einrichtungen der Bundesrepublik im Ausland ist ein weiterer elementarer Bestandteil der Aufgaben des Auswärtigen Amts (Koordinierungsfunktion: Abs. 2, siebenter Spiegelstrich). Gemäß § 1 Abs. 2, letzter Spiegelstrich GAD übt der Auswärtige Dienst seine Koordinierungsfunktion „im Rahmen der Politik der Bundesregierung“ aus. Dies bedeutet, dass die in Art. 65 GG verankerte Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers sowie das Ressortprinzip und das Kabinettsprinzip hier an ihre Grenzen stoßen. Dem Auswärtigen Dienst könnte die Aufgabe der Koordinierung außenpolitischer Kontakte der Bundesrepublik im Umkehrschluss also letztlich nicht durch das gezielte und zweckgerichtete Gebrauchmachen der genannten Prinzipien aus seinem Verantwortungsbereich entzogen werden.293 Dementsprechend 291 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 9; zu den Hauptaufgaben eines Diplomaten schon: Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 35 ff. 292 Abgedruckt bei: Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 83 f. 293 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 15.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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weist auch § 11 GOBReg die Koordinierung auswärtiger Angelegenheiten der Ressortverantwortung des Außenministers zu. Die Beteiligung einer steigenden Anzahl von außenpolitisch tätigen Akteuren und die zunehmende Interdependenz staatlicher, aber auch nichtstaatlicher Stellen verpflichtet den Auswärtigen Dienst als dem für die Koordinierung des gesamten politischen Spektrums Verantwortlichen und macht ihn damit letztlich zu einem Querschnittsressort.294 Angesichts dieser Entwicklung, aber auch angesichts des interministeriellen Abstimmungsbedarfs ist der Koordinierungsauftrag des Auswärtigen Dienstes als ebenso diffizil wie unverzichtbar einzustufen.295 Seinen Auftrag nimmt er hauptsächlich durch wechselseitige Information und einen ständigen Dialog mit den beteiligten Akteuren wahr, um der Bildung widerstreitender Interessen im Idealfall bereits vorzubeugen, sie jedenfalls aber aus­ zugleichen oder in ein übergreifendes, kohärentes Konzept auswärtiger Politik einzubinden.296 Praktisch wird diese Aufgabe beispielsweise dadurch erfüllt, dass Mitarbeiter der Auslandsdelegationen Regierungsmitglieder, nicht nur den Außenminister, oder Mitglieder des Bundestages bei Besuchen im Empfangsstaat zu offiziellen Gesprächen begleiten und der Zentrale hierüber berichten. Angesichts der zunehmenden Verflechtung vieler Politikbereiche ist die Beteiligung weiterer Regierungsressorts und des Bundeskanzleramts297 an der Wahrnehmung und Ausübung nationaler Außenpolitik unvermeidlich; sie lässt das Außen­ vertretungsmonopol des Auswärtigen Amts in kompetentieller Hinsicht formal unangetastet. Faktisch geht mit den Internationalisierungs- und Europäisierungstendenzen in den verschiedensten Politikbereichen eine Ablösung des Auswärtigen Amts als unangefochtener Alleinvertreter der Bundesrepublik in außenpolitischen Angelegenheiten bzw. dessen hierdurch bedingte Wandlung zur zentralen Koordinierungs- und Steuerungsautorität einher.298

294

Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 12. 295 Zu Problemen der interministeriellen Politikkoordinierung, insbesondere zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in der Vergangenheit: Manfred Neumann, Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30.9.1990, in: Verwaltungsrundschau 2005, S. 233. 296 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 11 f.; Fritjof von Nordenskjöld/Julius Georg Luy, Der Auswärtige Dienst auf dem Weg nach Berlin, in: Auswärtiger Dienst 1995, S. 5. 297 Zur Rolle des Bundeskanzleramts in der Europapolitik: Ralf Neukirch, Draußen vor der Tür – Das Auswärtige Amt leidet an seinem Bedeutungsverlust. Die Europapolitik wird im Kanzleramt gemacht, Guido Westerwelle bleibt unbeliebt, Der Spiegel 18/2012, S. 42 ff. 298 Manfred Neumann, Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30.8.1990, in: Verwaltungsrundschau 2005, S. 228 f.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

cc) Unterstützung der Verfassungsorgane Nach § 1 Abs. 3 GAD fällt dem Auswärtigen Dienst schließlich die Aufgabe zu, die mit außenpolitischen Fragen und Kontakten befassten Verfassungsorgane des Bundes zu unterstützen. Die Amtliche Begründung zu § 1 Abs. 3 GAD299 hebt die besondere Bedeutung der in dieser Bestimmung formulierten Aufgabe des Auswärtigen Dienstes hervor. Neben der Unterstützung des Staatsoberhauptes und des Bundeskanzlers gehört auch die Begleitung anderer Verfassungsorgane, wie z. B. der übrigen Regierungsmitglieder und Vertretern des Bundesrates, aber auch von Parlamentariern zu Gesprächsterminen ebenso zu diesem Aufgabenbereich wie die Berichterstattung über diese Kontakte an die Zentrale des Auswärtigen Amts in Berlin. Besondere Bedeutung haben das Protokoll und der Sprachendienst des Aus­ wärtigen Amts für den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler. Sie werden ihnen im Rahmen des Unterstützungsauftrages des Auswärtigen Amts für den Empfang von Staatsgästen oder eigenen Auslandsreisen zur Verfügung gestellt. b) § 2 GAD Der organisatorischen Grundstruktur des Auswärtigen Dienstes widmet sich § 2 GAD. Er besteht hiernach „(…) aus dem Auswärtigen Amt (Zentrale) und den Auslandsvertretungen, die zusammen eine einheitliche Bundesbehörde unter der Leitung des Bundesministers des Auswärtigen bilden“.

Der Begriff des „Auswärtigen Dienstes“ umfasst nach der einfachgesetzlichen Legaldefinition des § 2 GAD die Zentrale und die Auslandsvertretungen. Wie bereits an anderer Stelle erörtert, ist er folglich enger gefasst als das Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG zu Grunde gelegte Verständnis.300 Der Aufbau der Zentrale ist an ihrem Behördenleiter, dem Minister des Auswärtigen, ausgerichtet und folgt damit der hergebrachten Tradition monokra­tischer Behördenstruktur. Der den Minister umgebende Leitungsstab ist in drei ihm unmittelbar unterstellte Referate unterteilt. Dies sind das Ministerbüro, das Parlaments- und Kabinettsreferat sowie das Pressereferat. Aufgabe des Ministerbüros ist es, den Minister bei der Erledigung seiner Dienstgeschäfte organisatorisch zu unterstützen. Das Parlaments- und Kabinettsreferat pflegt den Kontakt des Auswärtigen Amts zum Deutschen Bundestag, den dort mit außenpolitischen Fragen 299 Abgedruckt bei: Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 84 f. 300 Zur Auslegung des Begriffs im Sinne des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG bereits oben unter D. II. 1. c) und Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 1 Rn. 2.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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befassten Parteigremien, Fraktionen und Ausschüssen, und bereitet Sitzungen des Bundeskabinetts für den Minister vor. Das Pressereferat unterrichtet den Minister über das inländische Meinungs- und Pressebild zu Themen aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums und bildet die Kontaktstelle für alle im Inland vertretenen Printmedien, Hör- und Fernsehfunk sowie alle anderen in der Bundesrepublik Deutschland akkreditierten Organe, die der öffentlichen Meinungsbildung dienen. Bei der Leitung des Auswärtigen Amts und des Auswärtigen Dienstes unterstützen den Minister zwei (beamtete) Staatssekretäre („Staatssekretäre des Auswärtigen Amts“301). Sie dirigieren die ihnen jeweils unterstellten Geschäftsbereiche in der Zentrale und führen zudem die Aufsicht über die Auslandsvertretungen. Ähnlich wie in anderen Regierungsressorts wurde im Auswärtigen Amt im Jahre 1966 zur Entlastung des Ministers und zusätzlich zu den beiden beamteten Staatssekretären die Stelle eines parlamentarischen Staatssekretärs eingeführt; sechs Jahre später kam eine weitere hinzu.302 Die in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG)303 verankerte Aufgabe der beiden parlamentarischen Staatssekretäre ist es, den Minister, dem sie beiordnet sind, bei der Ausübung seiner Regierungsaufgaben zu unterstützen. Für eine effektive Wahrnehmung dieser Aufgaben ist es erforderlich, dass die Staatssekretäre den Amtsleiter nicht nur innenpolitisch, sondern auch bei internationalen Konferenzen auf Ministerebene rechtswirksam vertreten können. Zum Zwecke der Rangwahrung gegenüber ausländischen Amtskollegen wird ihnen daher aus protokollarischen Gründen gemäß § 8 ParlStG auf Vorschlag des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister vom Bundes­ präsidenten der Titel eines „Staatsministers“ verliehen. Für die „Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen“304 hat sich hinsichtlich der politischen Ver 301 Die Verwendung unterschiedlicher Amtsbezeichnungen, „Staatssekretär des Auswärtigen Amts“ für den dienstälteren, hingegen „Staatssekretär im Auswärtigen Amt“ für den anderen Staatssekretär, wurde durch Organisationserlass des damaligen Außenministers Brandt vom 9.11.1967 zu „Staatssekretär des Auswärtigen Amts“ vereinheitlicht, vgl. Thietmar Bachmann, § 1 A. Rn. 3, in: G. Hecker/G. Müller-Chorus (Hrsg.), Handbuch der konsularischen Praxis, München, Stand: August 2007 (3. EL). 302 Thomas Bagger, Minister, Staatsminister und Staatssekretäre, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 109. 303 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG) vom 24. Juli 1974, BGBl. I S. 1538, zuletzt geändert durch Artikel 15 Absatz 3 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160). 304 Oft verwendet, wenngleich formal nicht korrekt, wird die Bezeichnung „Staatsminister im Auswärtigen Amt“, da die parlamentarischen Staatssekretäre dem Minister lediglich „beigegeben“ werden (§ 1 ParlStG) und daher – im Gegensatz zu den beamteten Staatssekretären – nicht über innerministerielle Befugnisse verfügen. Dennoch hat sich die genannte Bezeichnung selbst im Auswärtigen Amt durchgesetzt, vgl. Thomas Bagger, Minister, Staatsminister und Staatssekretäre, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 109; Thietmar Bachmann, § 1 A. Rn. 3, in: G. Hecker/G. Müller-Chorus (Hrsg.), Handbuch der konsularischen Praxis, München, Stand: August 2007 (3. EL) oder unter: http:// www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Leitung/Uebersicht_node.html (letzter Abruf: 29.5.2013).

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

tretung des Ministers unter den Staatsministern eine Zweiteilung der Aufgabengebiete etabliert: Während sich eine der beiden Positionen schwerpunktmäßig mit dem Bereich „Europa“ befasst,305 widmet sich die andere hauptsächlich den gelegentlich zum Bereich „Nord-Süd-Politik“ zusammengefassten Themen Entwicklung und Außenwirtschaft.306 Den Leitungsbereich ergänzen ferner drei Koordinatoren und vier Beauftragte. Sie nehmen diejenigen Themenfelder wahr, die den Regierungen der Bundesrepublik aus den verschiedenen, vielfach historisch motivierten Gründen beson­ dere Anliegen sind. Derzeit sind Beauftragte und Koordinatoren für die deutschfranzösische,307 deutsch-polnische,308 deutsch-russische309 und transatlantische310 Zusammenarbeit eingesetzt. Außerdem gibt es einen Beauftragten für den Men­ schen­rechtsschutz,311 einen Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan312 und schließlich einen Beauftragten, der für den Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle313 zuständig ist. Der im Jahre 1963 eingerichtete Planungsstab analysiert mittel- und langfristige Entwicklungen im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts und entwirft unter Beteiligung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen außenpolitische Strategien und Leitlinien. Die Organisation des Auswärtigen Amts folgt in weiten Teilen der Gliederung nach Sachgebieten (im Gegensatz zur geografischen Gliederung).314 Auf Arbeitsebene ist die Zentrale in Abteilungen und Referate gegliedert. Unter den zehn Ab-

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Er trägt seit November 2002 zusätzlich die Bezeichnung „Staatsminister für Europa“. Thomas Bagger, Minister, Staatsminister und Staatssekretäre, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 109. Mit dem Bereich „Europa“ befasst ist gegenwärtig Staatsminister Georg Michael Link; der Bereich „Nord-Süd-Politik“ fällt derzeit in das Aufgabengebiet von Staatsministerin Cornelia Pieper. 307 Der Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit ist gegenwärtig Staats­ minister im Auswärtigen Amt Michael Georg Link (FDP). 308 Die Koordinatorin für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit ist derzeitig Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP). 309 Die Stelle des Koordinators für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit nimmt gegenwärtig Andreas Schockenhoff (CDU) wahr. 310 Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit ist zurzeit Harald Leibrecht (FDP). 311 Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe ist momentan Markus Löning (FDP). 312 Die Position des Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan nimmt Botschafter Michael Koch wahr. 313 Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle ist derzeit Rolf Nikel. 314 Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 129; Nordenskjöld und Luy befürworten „mehr regional betonte Ansätze“ bei gleichzeitiger „Straffung und Konzentration der Einheiten mit Querschnittsauftrag“, Fritjof von Nordenskjöld/Julius Georg Luy, Der Auswärtige Dienst auf dem Weg nach Berlin, in: Auswärtiger Dienst 1995, S. 7. 306

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

91

teilungen befinden sich neben der Zentralabteilung zwei politische Abteilungen, sowie je eine Abteilung für die Bereiche Wirtschaft und Nachhaltige Entwicklung, Recht, Vereinte Nationen und Globale Fragen,315 Europa, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie Kultur und Kommunikation.316 Besondere Bedeutung kommt der Abteilung 7, dem Protokoll, zu. Die sich unterhalb der Abteilungsebene befindenden Referate sind entweder nach Ländern und Regionen oder, abermals, nach thematischen Sachgebieten gegliedert. Der Aufbau der Auslandsvertretungen richtet sich nach der Geschäftsordnung für die Vertretungen im Ausland (GOV).317 Wie in der Zentrale ist auch dort eine Untergliederung in Verwaltungseinheiten unter Leitung eines Kanzlers einerseits und in (Fach-)Referate unter der Leitung des Missionschefs andererseits üblich. Zentrale und Auslandsvertretungen318 werden in § 2 GAD ausdrücklich als eine einheitliche Behörde bezeichnet. Zweck dieser Struktur ist es, die zentrale Steuerung der, so gesehen über die ganze Welt „verstreuten“, Behörde dem Bedürfnis hoher Mobilität im Personaleinsatz und der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel anzupassen.319 In organisationsrechtlicher Hinsicht zeigt sich die Einheitlichkeit der Behörde vor allem dadurch, dass die Zentrale die Auslandsvertretungen in Deutschland gegenüber Dritten vertritt. Trotz ihrer Abhängigkeit von Weisungen der Zentrale, die die Auslandsvertretung mit dem Status einer sonstigen nach­ geordneten Behörde gemein hat, unterscheidet sie sich von letzterer durch ihre konstitutive Mitzeichnung von Entscheidungen der Zentrale und prägt deren Arbeit hierdurch gestaltend mit. c) § 3 GAD Regelungsgegenstand des § 3 GAD sind die bereits in § 2 GAD erwähnten Auslandsvertretungen. Dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 GAD zufolge zählen hierzu Botschaften, Generalkonsulate und Konsulate sowie ständige Vertretungen bei zwischen- und überstaatlichen Organisationen. Gegenwärtig verfügt das Auswärtige Amt weltweit über insgesamt 229 Auslandsvertretungen. Hierunter finden sich 153 Botschaften, 61 Generalkonsulate

315 Zu Entwicklung und Reform der Abteilung „Vereinten Nationen und Globale Fragen“, vgl. Hans-Peter Schiff, Ein moderner Auswärtiger Dienst, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 343. 316 Zu den einzelnen Abteilungen: Reinhard Bettzuege, Auswärtiger Dienst, in: S. Schmidt/ G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 228 ff. 317 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 2 Rn. 5. 318 Näher zu den Auslandsvertretungen sogleich unter 2. c). 319 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 2 Rn. 6.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

und Konsulate,320 zwölf Ständige Vertretungen, zwei Außenstellen, ein Vertretungsbüro sowie eine inoffizielle Vertretung.321 Zusätzlich wird die Arbeit des Auswärtigen Dienstes durch ehrenamtlich tätige Honorarkonsuln unterstützt und ergänzt. Dem Begriff der diplomatischen Vertretung unterfallen Botschaften (Missionen) und sog. Ständige Vertretungen. Botschaften werden nach Art. 2 WÜD im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Empfangs- und Entsendestaat eingerichtet. Sie bilden die Repräsentanz des Entsendestaats im Empfangsstaat (Art. 3 WÜD), die mit der Unterhaltung und Pflege der politischen Beziehungen der beiden Länder beauftragt ist. Ständige Vertretungen werden diejenigen Missionen genannt, die bei zwischenoder überstaatlichen Organisationen eingerichtet werden, so beispielsweise die Ständigen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union in Brüssel oder bei den Vereinten Nationen in Genf, New York und Wien. Von den Missionen unterscheiden sich Generalkonsulate und Konsulate dadurch, dass ihr Aufgabenspektrum vor allem das Rechts- und Konsularwesen, die kulturelle Zusammenarbeit sowie die Förderung der Außenwirtschaft umfasst. Wie die Konsularabteilungen der Botschaften gewähren sie den im Ausland in Not geratenen Staatsbürgern Beistand und sind zentrale Anlaufstelle für Auskünfte im Ausland. Im Gegensatz zur Zuständigkeit einer Botschaft für ein oder mehrere Länder ist die eines Generalkonsulats oder Konsulats regional auf einen Amtsbezirk beschränkt. Eine Außenstelle ist im organisationsrechtlichen Sinne ein unselbstständiger Teil der ihr übergeordneten Vertretung, deren Leiter aus diesem Grund die Fachaufsicht über Arbeitsabläufe in der Außenstelle übertragen ist. Ein Vertretungsbüro für die Palästinensischen Gebiete hat das Auswärtige Amt in Ramallah mit einem Verbindungsbüro in Gaza eingerichtet. Schließlich unterhält es eine inoffizielle Vertretung in Taiwan.322 Honorarkonsuln sind in Abgrenzung zu Konsuln ehrenamtlich tätige Personen, die nicht notwendigerweise über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen müssen, sondern im Gegenteil oft Staatsbürger des Empfangsstaats sind. Sie werden ernannt, sofern die Einrichtung einer eigenen berufskonsularischen Vertretung für das Auswärtige Amt zu aufwendig wäre, eine örtliche Anlaufstelle für Hilfe 320 Zu den Anfängen des Konsularwesens und seiner Trennung von der (permanenten) Diplomatie: Heinz L. Krekeler, Die Diplomatie, München 1965, S. 32 ff. 321 Stand: 28.10.2012, vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Auslandsvertretungen/ Uebersicht_node.html (letzter Abruf: 29.5.2013). 322 Da die Bundesrepublik Deutschland Taiwan nicht als souveränen Staat anerkennt und infolgedessen keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhält, besteht die Aufgabe des in Teipeh unterhaltenen Deutschen Instituts ausschließlich in der Förderung wirtschaftlicher und kultureller Kontakte.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

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suchende deutsche Staatsbürger wegen der geografischen Größe oder der Beschaffenheit des Konsulatsbezirks jedoch sinnvoll ist. Auf diese Weise werden deutsche Interessen weltweit von derzeit323 insgesamt 346 Honorarkonsuln und Honorar­ generalkonsuln vertreten und geschützt. Aufgrund der Verweisung in Art. 58 Abs. 1 WÜK (Wahlkonsularbeamte) auf die Art. 28 ff. WÜK (Vorrechte für konsularische Vertretungen) gelten die allgemeinen Bestimmungen für berufskonsularische Vertretungen und deren Angehörige auch für Wahlkonsularbeamte, d. h. für die Honorarkonsuln. Diese zählen damit nach dem Völkerrecht (Art. 58 bis Art. 68 WÜK) zu den Konsulaten. Auch wenn das äußere Erscheinungsbild eines Honorarkonsulats dem eines (General-)Konsulats gleicht,324 verfügen die Honorarkonsuln per definitionem nicht über die volle Kompetenz zur Wahrnehmung sämtlicher konsularischen Sachverhalte, wie sie den fest institutionalisierten berufskonsularischen Vertretern zusteht.325 Den Auftrag der Auslandsvertretungen formuliert § 3 Abs. 2 GAD. Hiernach erfüllen sie „(…) ihre Aufgaben nach Maßgabe des Völkerrechts und der innerstaatlichen Gesetze und Vorschriften. Sie koordinieren in Durchführung der Politik der Bundesregierung die in ihrem Amtsbezirk ausgeübten amtlichen Tätigkeiten von staatlichen und anderen öffentlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland“.

Die Vorschrift wiederholt damit die dem Auswärtigen Dienst bereits mit § 1 Abs. 2, letzter Spiegelstrich GAD übertragene Koordinationsaufgabe für die Auslandsvertretungen.326 Außerhalb des Auswärtigen Amts sind innerhalb der Ressorts der Bundesregierung allein ca. 250 Referate und Arbeitseinheiten mit außenoder speziell europapolitischen Fragen befasst.327 Hinzu kommen entsprechende Abteilungen in den Ressorts der Landesregierungen, insbesondere in den Europaministerien und den Staatskanzleien. Diese Entwicklung zollt der eingetretenen Internationalisierung und Europäisierung vieler, früher als rein innenpolitisch charakterisierter Politikbereiche Tribut. Da aber „eine Vielzahl außenpolitischer 323

Stand: 28.10.2012, vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/Auslandsvertretungen/ Uebersicht_node.html (letzter Abruf: 29.5.2013). 324 Auch Honorarkonsulate sind mit der Flagge und dem Wappen der Bundesrepublik versehen. 325 Im nationalen Recht findet die Unterscheidung zwischen berufs- und honorarkonsularischen Vertretung in § 18 Abs. 1 Konsulargesetz (Konsulargesetz vom 11. September 1974 [BGBl. I S. 2317], zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 [BGBl. I S. 2586]) ihren Niederschlag. 326 Vgl. hierzu unter 2. a). 327 Vgl. Fritjof von Nordenskjöld/Julius Georg Luy, Der Auswärtige Dienst auf dem Weg nach Berlin, in: Auswärtiger Dienst 1995, S. 5. Bei der Angabe sind die außen- oder europa­ politischen Stellen im Verteidigungsministerium nicht berücksichtigt. Hinzukommen die in den Bundesländern mit derartigen Fragen befassten Einheiten. Nach Neumann waren es allein in den Bundesministerien 281 Referate, die sich mit Fragen „europäischer Innenpolitik“ beschäftigten (Stand: 2005), vgl. Manfred Neumann, Das Gesetz über den Auswärtigen Dienst vom 30.9.1990, in: Verwaltungsrundschau 2005, S. 229.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

Akteure (…) keine Außenpolitik ‚aus einem Guss‘ betreiben“328 kann, kommt der dem Auswärtigen Amt in § 1 Abs. 2, siebenter Spiegelstrich GAD übertragene Aufgabe der Koordination außenpolitischer Tätigkeiten aller Beteiligten eine zentrale Rolle zu. Die Koordinierung ist damit in vielen Politikbereichen an die Stelle des früher unbestritten bestehenden außenpolitischen Monopols der Auswärtigen Dienste getreten.329 Der die völkerrechtliche Vertretung des Bundes durch den Bundespräsidenten statuierende Art. 59 Abs. 1 GG ermöglicht mittelbar, dass den Leitern der Missionen durch § 3 Abs. 3 S. 1 GAD die Verantwortung für die Tätigkeit der Vertretung, der sie vorstehen, übertragen wird. Ihre Verantwortlichkeit bezieht sich sowohl auf inhaltliche Aspekte als auch auf die internen Verfahrensabläufe der Vertretung. Der Verantwortung des Behördenleiters, dem Missionschef, korrespondiert ein umfassendes Weisungsrecht in allen Angelegenheiten seines Geschäftsbereichs. Gewöhnlich kommt es zwischen dem Leiter und seinem Stellvertreter, dem sog. ständigen Vertreter, zu einer Aufgabenteilung dergestalt, dass der Missionsleiter für politische Fragen, der ständige Vertreter für den Wirtschaftsbereich verantwortlich ist.330 Die Botschafter stellen nach § 3 Abs. 3 S. 2 GAD die persönlichen Repräsentanten des für die völkerrechtliche Vertretung des Bundes zuständigen Bundespräsidenten beim Staatsoberhaupt der Empfangsstaaten dar. Aus verfassungsrechtlicher Sicht genießen sie hierdurch die höchstmögliche und unmittelbarste Legitimierung, die ein Behördenleiter der Bundesrepublik erfahren kann. Die Legitimation durch das Staatsoberhaupt erfasst neben allen drei Gewalten auch die Bundes­ länder. Die Missionsleiter werden im Gegensatz zu den berufskonsularischen Behördenleitern nach sog. Rangklassen unterteilt. Gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. a) bis c) WÜD werden unterschieden: erstens Botschafter oder Nuntien,331 zweitens Gesandte, Minister oder Internuntien332 und drittens Geschäftsträger333. In der heutigen Staatenpraxis wird hauptsächlich von der ersten Rangklasse Gebrauch gemacht.

328 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden, 2004, § 3 Rn. 17. 329 Hierzu bereits in diesem Teil unter A. I.; Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden, 2004, § 3 Rn. 17; Lisette Andreae/Karl Kaiser, Die „Aussenpolitik“ der Fachministerien, in: W.-D. Eberwein/K. Kaiser (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4, München 1998, S. 31. 330 Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 3 Rn. 23 ff. 331 Abgeleitet von lat. „nuntius“ (Bote). Eine Beglaubigung beim Empfangsstaat erfolgt beim jeweiligen Staatsoberhaupt. 332 Ursprünglich lat. „internuntius“ (päpstlicher Gesandter zweiten Ranges). Auch Gesandte, Minister und Internuntien werden beim Staatsoberhaupt des Empfangsstaats akkreditiert. 333 Geschäftsträger werden beim Außenminister des Empfangsstaats beglaubigt.

D. Auswärtiger Dienst in der Bundesrepublik Deutschland

95

d) § 4 GAD Die letzte Vorschrift des ersten Abschnitts, § 4 GAD, befasst sich schließlich mit der Möglichkeit der Errichtung und Unterhaltung gemeinsamer diplomatischer oder konsularischer Auslandsvertretungen mit anderen Staaten. Als „Partnerinstitutionen“ in Betracht kommen hierbei insbesondere solche anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Auf dem Weg hin zur Etablierung eines diplomatischen Dienstes der EU bietet die Errichtung bilateraler gemeinsamer Auslandsvertretungen das Potential, zum (Fern-)Ziel, der Artikulierung einer einheitlichen, nicht notwendigerweise einer einzigen Stimme für Europa, einen wesentlichen Beitrag zu leisten.334 § 4 Abs. 1 GAD ermächtigt den Bundesminister des Auswärtigen zum Abschluss entsprechender Regierungsvereinbarungen. Die hierzu formulierte Amt­ liche Begründung335 betont, dass die Norm nicht auf die schlichte Einrichtung von Bürogemeinschaften, sondern auf die Errichtung einer echten gemeinsamen Außen­vertretung Deutschlands und mindestens eines weiteren Partnerstaats abzielt. Eine solche „Verschmelzung“ von Institutionen wird in völkerrechtlicher Hinsicht durch Art. 6 WÜD ermöglicht. In dieser Bestimmung heißt es schlicht: „Mehrere Staaten können dieselbe Person in einem anderen Staat als Missionschef beglaubigen, es sei denn, dass der Empfangsstaat Einspruch erhebt.“

Mit Blick auf die im Grundgesetz enthaltenen Bestimmungen, insbesondere Art. 24 Abs. 1 GG, wonach der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen kann, wirft die im GAD vorgesehene Gestaltungsmöglichkeit die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen „Konstruktion“ auf. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Errichtung gemeinsamer Auslandsvertretungen nach § 4 Abs. 1 GAD nicht mit der Übertragung von Hoheits­rechten auf eine zwischenstaatliche Ebene im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG einhergeht. Vielmehr soll es nach dem Willen des Gesetzgebers bei der vollen Weisungs­ gebundenheit der Vertretungen bleiben, einzig mit der Besonderheit, dass die Weisungen zur Vermeidung von Interessenskonflikten von den beteiligten Regierungen im Voraus miteinander abgestimmt werden. Der Ursprung der Vorschrift geht auf eine gemeinsame Initiative der Außen­ minister Deutschlands und Frankreichs, Hans-Dietrich Genscher und Roland ­Dumas, aus dem Jahre 1988 zurück. Die damals bestehenden Pläne zur Errichtung 334

Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 4 Rn. 1. 335 Amtliche Begründung zu § 4 GAD abgedruckt bei: Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 109.

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1. Teil: Grundlagen nationalen außenpolitischen und auswärtigen Handelns 

gemeinsamer Botschaften in Botswana und in der Mongolei scheiterten jedoch an dem Einwand der beteiligten Außenministerien, Deutschland und Frankreich verfügten nicht über kompatible Verwaltungskulturen,336 sowie letztlich am obersten französischen Verwaltungsgericht, dem Conseil d’État, der in der Ernennung eines Botschafters mit einer „doppelten Treuepflicht“, d. h. einerseits gegenüber Frankreich und andererseits gegenüber einem weiteren Staat, einen Verstoß gegen die französische Verfassung sah. Auch zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten des GAD hat die Bundesrepublik von der durch § 4 Abs. 1 GAD eröffneten Möglichkeit, gemeinsame Auslandsvertretungen mit anderen Staaten zu errichten, keinen Gebrauch gemacht. Erprobt wurden bisher, entgegen dem in der Amtlichen Begründung ausdrücklich formulierten Willen des Gesetzgebers, lediglich verschiedene Formen von Bürogemeinschaften.337 Der in Deutschland eingeschlagene Weg und die nach nationalem Recht bereits eingeräumte Möglichkeit der Verschmelzung von nationalstaatlichen Außen­ vertretungen kann als Zwischenetappe des auf den Aufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes gerichteten Weges gewertet werden.

E. Zwischenfazit Die Formulierung und Durchführung der Außenpolitik stellt eine Kernaufgabe des Nationalstaats dar. Wenngleich die daraus resultierenden auswärtigen Beziehungen aufgrund der zu beobachtenden Europäisierungs- und Globalisierungsentwicklungen, wie im Falle der Bundesrepublik, nicht mehr vollständig als Monopol der nationalen diplomatischen Dienste gewertet werden können, ist ihre Befugnis zur Vertretung des Staates nach außen von zentraler Bedeutung. Wie kein anderes Politikfeld verkörpert das außenpolitische Tätigwerden eines Staates seine Souveränität. Unter Geltung des Grundgesetzes ist maßgeblich der Bund für die Pflege der auswärtigen Beziehungen zuständig. Insbesondere im Zusammenhang mit Art. 23 GG, dem „Europa-Artikel“ des Grundgesetzes, zeichnen sich jedoch Tendenzen zur Föderalisierung der auswärtigen Beziehungen ab. Wenngleich vermehrt auch Ansätze einer Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt zu verzeichnen sind, kann hinsichtlich der Organkompetenz immer noch von einem weitreichenden Vorrecht der Exekutive („domaine réservé“) gesprochen werden. Wichtigstes Instrument der Außenpolitik bildet die Diplomatie, die in der Bundesrepublik seit der Ära Bismarcks hauptsächlich vom Auswärtigen Dienst wahrgenommen wird.

336

Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 6. Beispielsweise die gemeinsame Nutzung von Liegenschaften, Dienstkraftwagen oder sonstiger Infrastruktur, vgl. Ulrich Grau/Götz Schmidt-Bremme, Gesetz über den Auswärtigen Dienst, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2004, § 4 Rn. 5. 337

E. Zwischenfazit

97

Würde man auf einer Skala den Umfang und die Reichweite von Kompetenzen zur Vertretung nach außen abbilden und miteinander vergleichen wollen, müsste man den Staat bei dem maximal zu erreichenden Wert ansiedeln. Diese Überlegung aufgreifend sollen der Gruppe der Staaten im folgenden Teil zum Zwecke des Vergleichs zwei ausgewählte internationale Organisationen gegenübergestellt werden. Die Gegenüberstellung der Kategorie „Staat“ einerseits sowie zweier unterschiedlicher klassischer „internationaler Organisationen“ andererseits soll im weiteren Fortgang der Untersuchung eine Einordnung des von der Europäischen Union geschaffenen Systems der Außenvertretung, insbesondere des EAD, hinsichtlich ihrer Organisationsstrukturen, des Umfangs und der Reichweite der verliehenen auswärtigen Kompetenzen ermöglichen.338

338

Hierzu im 7. Teil.

Zweiter Teil

2

Vergleich mit der Kompetenz zur Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen Trotz der – gemessen an der relativ kurzen Zeitspanne von wenigen Jahrzehnten – enormen Entwicklung, die die Europäische Gemeinschaft bzw. die Europäische Union seit ihren Gründungen genommen haben, kann die Union bis heute nicht zweifelsfrei einem der klassischen völker- bzw. staatsrechtlichen Modelle zugeordnet werden. Vielmehr enthält sie Anleihen verschiedener Konzepte und bildet damit, in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts als „Staatenverbund“ bezeichnet, eine eigenständige Kategorie.1 Ihre Supranationalität, verstanden als Überstaatlichkeit, verbunden mit der Befugnis, unmittelbar anwendbares Recht mit Durchgriffswirkung auf den von ihm betroffenen Bürger zu setzen, unterscheidet sie bis heute von anderen internationalen Organisationen des Völkerrechts. Letztere werden als Zusammenschluss mindestens zweier Völkerrechtssubjekte – meist, aber nicht notwendigerweise durch Vertrag – verstanden, der über mindestens ein eigenes Organ verfügt, auf eine gewisse Dauer angelegt ist und bestimmte Aufgabe wahrnimmt.2 Sie werden im Folgenden zwecks besserer Unterscheidbarkeit von der EU als „klassische“ internationale Organisationen bezeichnet. Den nachstehenden Ausführungen liegt die zu überprüfende Annahme zugrunde, dass die aus oben genannten Gründen naturgemäß nur beschränkte Möglichkeit klassischer internationaler Organisationen, auswärtige Beziehungen zu unterhalten – verglichen mit dem Umfang und der Reichweite nationalstaatlicher Außenvertretungskompetenz – gleichsam den entgegengesetzten Pol des Spektrums bildet und dass man sie auf der bereits oben angesprochenen Skala daher bei dem geringstmöglichen Wert abbilden müsste. Wie schon die Darstellung der staatlichen Außenvertretungkompetenzen sollen im Folgenden auch die Außenvertretungsbefugnisse und die Vertragsschlusskom 1 Thomas Oppermann/Claus Dieter Classen/Martin Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl., München 2011, § 4 Rn. 4 ff. 2 Michael Schweitzer, Staatsrecht III – Staatsrecht, Völkerrecht Europarecht, 10. Aufl., Heidelberg 2010, Rn. 684; Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl., Köln u. a. 2000, Rn. 0105 (mit weiteren Elementen); Gerhard Ullrich, Das Dienstrecht der Internationalen Organisationen, Berlin 2009, S. 32

A. Die Welthandelsorganisation

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petenzen von klassischen internationalen Organisationen im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung eine Einordnung der auswärtigen Kompetenzen der Europäischen Union ermöglichen. Ein ähnlicher Versuch des Vergleichs mit anderen internationalen Organisationen und staatlichen diplomatischen Diensten ist bereits an anderer Stelle unternommen worden, bezog sich seitens der EU jedoch noch auf das von Rat und Kommission unterhaltene Delegationsnetz.3 Für die horizontale Vergleichung der allgemeinen Kompetenzen zur Außenvertretung internationaler Organisationen werden die Welthandelsorganisation (WTO) und der Europarat als exemplarisch ausgewählte Beispiele herangezogen. Als Vergleichskriterien sollen ihre Kompetenzen zur Außenvertretung und zum Vertragsschuss dienen.

A. Die Welthandelsorganisation Als erstes Vergleichsbeispiel dient die in Genf angesiedelte Welthandelsorganisation (WTO). Sie ging 1995 aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT)4 hervor, das am 30. Oktober 1947 mit dem Ziel geschlossen wurde, Zölle, Abgaben und andere Hemmnisse für den Welthandel schrittweise abzubauen. Ihre Fokussierung auf wirtschaftliche Themen hat die Welthandelsorganisation im Unterschied zur EU, die sich heute im Vergleich zu ihrer Anfangsphase mehr und mehr politischen Fragen wie die der Grund- und Menschenrechte widmet, behalten.5 Ein weiterer Unterschied zur EU und zu dem anderen exemplarisch ausgewählten Vergleichsbeispiel, dem Europarat, besteht darin, dass die Mitglieder der Welthandelsorganisation nicht einer geografisch mehr oder weniger eng begrenzten Staatengruppe entstammen, sondern dass sie als universelle Organisation grundsätzlich allen Staaten offensteht. Dementsprechend bezieht sich das Tätigkeitsfeld der Welthandelsorganisation auf die ihr angehörenden 157 Staaten, die ihre weltweit verteilten Mitglieder bilden.

3 Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S.  138 ff. 4 Im Gegensatz zur Welthandelsorganisation handelt es sich beim Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen nicht um eine internationale Organisation, sondern schlicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, weshalb die daran teilnehmenden Staaten „Vertragsparteien“, nicht „Mitgliedstaaten“ sind. 5 Nichtsdestotrotz bestehen auch innerhalb der WTO-Rechtsordnung Möglichkeiten zur Berücksichtung nationaler und internationaler Menschenrechte, hierzu: Saskia Hörmann, WTO und Menschenrechte (§ 27), in: M. Hilf/S. Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, 2. Aufl., BadenBaden 2010, S. 597 ff.

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2. Teil: Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen 

I. Außenvertretungsbefugnis Regelungen allgemeiner Art, die die Außenvertretung der Welthandelsorganisation betreffen, sind der für die Organisation maßgeblichen Rechtsgrundlage, dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation6 (kurz: WTOÜbereinkommen) nicht zu entnehmen. Dem entspricht die Tatsache, dass die WTO anders als die EU keine ständigen Repräsentanzen bei Nichtmitgliedern oder anderen internationalen Organisationen, etwa den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank, unterhält,7 die mit einer entsprechenden Außenvertretungsbefugnis ausgestattet werden müssten. Soweit dem Allgemeinen Rat jedoch die Beziehungspflege zu und die Zusammenarbeit mit anderen zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen übertragen ist (Art. V des WTO-Übereinkommens), kann das Bedürfnis nach einer inhaltlichen oder auch nur strategischen Abstimmung, also nach kohärenten Politiken, bestehen. Diesem wurde für die Welthandelsorganisation und den Internationalen Währungsfonds bzw. die Weltbank durch die Einräumung eines Beobachterstatus oder die Zusammenarbeit ihrer Sekretariate nachgekommen.8

II. Kompetenz zum Abschluss von Verträgen Von den Organen der Welthandelsorganisation zählen die Ministerkonferenz (Ministerial Conference) und der Allgemeine Rat (General Council) zu den obersten Beschlussorganen. Zu den Aufgaben des Allgemeinen Rats gehört insbesondere auch das Führen von Beitrittsverhandlungen mit Staaten und Zollgebieten,9 wobei der endgültige Beschluss über den Beitritt von der Ministerkonferenz getroffen wird (Art. XII des WTO-Übereinkommens). Bevor jedoch der Allgemeine Rat und die Ministerkonferenz mit einem Beitrittsgesuch überhaupt in der Sache befasst werden, verhandelt eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Organisation

6 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 15. April 1994 [Beschluss des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeit fallenden Bereiche (94/800/EG), ABl.EG 1994, Nr. L 336 S. 3 ff. vom 23.12.1994]; am 1.1.1995 in Kraft getreten; Bekannt­ machung vom 18.5.1995, BGBl. II S. 456. 7 Umgekehrt sind hingegen die Mitglieder der WTO oft durch Ständige Vertretungen in Genf vertreten, vgl. Meinhard Hilf, Organisationsstruktur und Verfahren (§ 6), in: ders./S. ­Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, 2. Aufl., Baden-Baden 2010, S. 149. 8 Meinhard Hilf, Organisationsstruktur und Verfahren (§ 6), in: ders./S. Oeter (Hrsg.), WTORecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2010, S. 151. 9 Wolfgang Weiß, Die WTO als Organisation: Organe (Rn. 178), in: Ch. Herrmann/W. Weiß/ Ch. Ohler, Welthandelsrecht, 2. Aufl., München 2007.

B. Der Europarat

101

mit dem jeweiligen Bewerber. Der von ihr erarbeitete Abschlussbericht wird dem Allgemeinen Rat dann zur Zustimmung zugeleitet.10 Diese ihm eingeräumten Befugnisse machen den monatlich tagenden Allgemeinen Rat zu einem für die Geschäfte der Welthandelsorganisation faktisch besonders bedeutsamen Organ, zumal die Ministerkonferenz in der Regel nur alle zwei Jahre tagt.

B. Der Europarat Der im Jahr 1949 gegründete Europarat soll im Folgenden als zweites Vergleichsbeispiel betrachtet werden. Als solches wurde er ausgewählt, weil er wie auch die Europäische Union und im Gegensatz zur Welthandelsorganisation, auf das – im Direktvergleich mit der EU größere – europäische Territorium begrenzt handelt. Gegenwärtig umfasst der in Straßburg ansässige Europarat 47 Mit­ gliedstaaten. Mit der Union gemeinsam hat der Europarat einen allgemeinpoli­ tischen Auftrag, nämlich die Förderung der gemeinsamen Ideale und Grundsätze sowie des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts (Art. 1 der Satzung des Europa­rates).11

I. Außenvertretungsbefugnis Wie die Europäische Union ist auch der Europarat darauf angewiesen, einem seiner beiden Organe, Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung,12 die Kompetenz zur Vertretung nach außen einzuräumen oder auf eine irgendwie gefasste Kompetenzverteilung hinzuwirken. Diese Zuweisung unternimmt Art. 13 der Satzung des Europarats, in dem es heißt: „Das Ministerkomitee ist das Organ, das dafür zuständig ist, im Namen des Europarats entsprechend den Artikeln 15 und 16 zu handeln.“

Art. 15 und 16 der Satzung ermächtigen das Ministerkomitee zur Fassung von Beschlüssen, die die innere Organisation des Europarates betreffen, aber auch von Beschlüssen, die über diesen Bereich hinausgehen.13

10 Meinhard Hilf, Organisationsstruktur und Verfahren (§ 6), in: ders./S. Oeter (Hrsg.), WTORecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2010, S. 157 ff. Zum Ablauf der Beitrittsverhandlungen der ab 1995 beigetretenen WTO-Mitglieder vgl. auch: http://www.wto.org/english/thewto_e/acc_e/ completeacc_e.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 11 Ausführlich zum Europarat: Michaela Wittinger, Der Europarat: Die Entwicklung seines Rechts und der „europäischen Verfassungswerte“, Baden-Baden 2005. 12 Art. 10 der Satzung des Europarates. 13 Dazu sogleich unter II.

102

2. Teil: Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen 

Das in der Regel einmal jährlich tagende Ministerkomitee besteht aus den Außen­ministern der 47 Mitgliedstaaten oder den von ihnen bestellten Beauftrag­ten (Art. 14 Satzung des Europarates).14 Es wird daher auch als „Stimme der Regie­ rungen“15 bezeichnet.16 Bedingt durch die Tatsache, dass das Ministerkomitee mit Handlungs- und Entscheidungskompetenzen ausgestattet ist, bildet es das Hauptorgan des Europarates.17 Wie die EU unterhält der Europarat ständige Repräsentanzen in ausgewählten Staaten.18 Anders als die der Union sind diejenigen des Europarates jedoch ausschließlich in seinen Mitgliedstaaten gelegen.

II. Kompetenz zum Abschluss von Verträgen Durch die Ermächtigung zum Handeln „entsprechend der Artikel 15 und 16“ der Satzung des Europarates wird das Ministerkomitee durch Art. 15 lit. a der Satzung des Europarats zur Prüfung von Maßnahmen ermächtigt, „die zur Erfüllung der Aufgaben des Europarates geeignet sind“. Dies schließt den Abschluss von Abkommen und Vereinbarungen ebenso ein wie die Fassung von Beschlüssen, Empfehlungen und Protokollen. 14 Um beiden verschiedenen Besetzungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen, wurden für das Ministerkomitee zwei Verfahrensordnungen verabschiedet, vgl. „Rules of Procedure of the Committee of Ministers, text adopted by the Committee of Ministers at its 9th Session (August 1951) with amendments adopted at its 10th Session (March 1952), 16th Session (July 1955), 23rd Session (December 1958); and the 73rd (June 1959), 133rd (July 1964) and 934th (July 2005) meetings of the Ministers’ Deputies“ sowie „Rules of Procedure for meetings of the Ministers’ Deputies, text adopted by the Committee of Ministers at its 16th Session (4–5 July 1955). This edition incorporates the changes made in the original text at the 40th meeting of the Ministers’ Deputies. The relevant text was approved by the Deputies at their 69th meeting (March 1959) and amended at their 133rd meeting (June 1964), 182nd and 183rd meetings (September and October 1969), 201st meeting (September 1971), 519bis meeting (November 1994) and 934th meeting (July 2005).“ Zu den Unterschieden der Verfahrensordnungen: Guy de Vel, The Committee of Ministers of the Council of Europe, Straßburg 1995, S. 25 ff. Zu den bestellten Beauftragten: Simon Palmer, The Committee of Ministers, in: T. Kleinsorge (Hrsg.), Council of Europe, Alphen aan den Rijn 2010, S. 95 f. 15 Europarat (Hrsg.), Der Europarat, Funktion und Arbeitsweise, Straßburg 1998, S. 9. 16 Zum Komitee der Ministerbeauftragten sowie zu Ausschüssen und Untereinheiten des Ministerkomitees: Klaus Brummer, Der Europarat, Wiesbaden 2008, S. 37 ff.; Guy de Vel, The Committee of Ministers of the Council of Europe, Straßburg 1995. 17 Simon Palmer, The Committee of Ministers, in: T. Kleinsorge (Hrsg.), Council of Europe, Alphen aan den Rijn 2010, S. 93; Michaela Wittinger, Der Europarat: Die Entwicklung seines Rechts und der „europäischen Verfassungswerte“, Baden-Baden 2005, S. 119. 18 Neben dem Büro in Paris bestehen Niederlassungen in Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Georgien, der Republik Moldau, in Serbien, der Ukraine, Projektbüros in Italien, Montenegro, der Russischen Föderation und der Türkei. Schließlich befinden sich Verbindungsbüros – mit Zuständigkeiten für Tätigkeitsbereiche internationaler Organisationen – in Brüssel (EU), Wien (OSZE, VN), Warschau (OSZE) und Genf (VN).

C. Resümee zu den Außenvertretungskompetenzen

103

Nach Art. 4 Satzung des Europarats kann das Ministerkomitee gegenüber einem beitrittswilligen und -fähigen europäischen Staat die Einladung aussprechen, Mitglied des Europarats zu werden.19 Nach einer Beitrittswelle in den 1990er Jahren, die sich als Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion ebenso einstellte wie die Beitritte der aus dem Jugoslawienkrieg hervorgegangenen Staaten bis Mitte der 2000er Jahre, ist einzig mit Weißrussland ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte geblieben. Dessen Beitritt steht derzeit nicht zu erwarten. Der Europarat unterhält darüber hinaus enge Kontakte zu den Beobachter­ staaten und dem Heiligen Stuhl sowie Beziehungen zu anderen internationalen Organisationen und Drittstaaten.20 Eine besondere Bindung unterhält er zur EU, deren geplanter Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) den Höhepunkt der bisherigen Entwicklung in dem Verhältnis der beiden Organisationen bilden dürfte.21

C. Resümee zu den Außenvertretungskompetenzen „klassischer“ internationaler Organisationen Wie einleitend dargelegt soll die Darstellung der staatlichen Außenvertretungkompetenzen, aber auch der Außenvertretungsbefugnisse und der Vertragsschlusskompetenzen von Welthandelsorganisation und Europarat als klassischen internationalen Organisationen der vorliegenden Untersuchung am Ende eine Einordnung der Außenvertretungskompetenzen der EU ermöglichen. Insbesondere hinsichtlich des EAD, der im Jahr 2011 seine Arbeit aufgenommen hat, sollen vergleichende Schlussfolgerungen gezogen, insbesondere etwaige Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt werden.22 Einige Folgerungen über die Außenvertretungskompetenzen klassischer internationaler Organisationen sollen jedoch bereits an dieser Stelle festgehalten werden.

19 Zu den Beitrittsbedingungen: Florence Benoît-Rohmer/Heinrich Klebes, Das Recht des Europarates – Auf dem Weg zu einem pan-europäischen Rechtssystem, Berlin 2006, S. 36 ff. 20 Die Strategie dieser Zusammenarbeit hält der auf dem dritten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates in Warschau am 16.–17. Mai 2005 beschlossene Aktionsplan [CM(2005)80 final vom 17.5.2005] fest. Zu den auswärtigen Beziehungen auch im Jahresbericht des Europarates 2011, Straßburg 2012, S. 71 ff. und Jack Hanning, The Council of Europe’s Place in Europe and the World, in: T. Kleinsorge (Hrsg.), Council of Europe, Alphen aan den Rijn 2010, S. 205 ff. 21 Zum EMRK-Beitritt der EU: Johan Callewaert, Grundrechtsraum Europa – Die Bedeutung der Grundrechte für den Verwaltungsrechtsraum Europa, in: DÖV 2011, S. 825 ff.; Walter Obwexer, Der Beitritt der EU zur EMRK: Rechtsgrundlagen, Rechtsfragen und Rechtsfolgen, in: EuR 2012, S. 115 ff. 22 Vgl. 7. Teil.

104

2. Teil: Außenvertretung „klassischer“ internationaler Organisationen 

Anders als die zuvor dargestellte Kompetenz der Nationalstaaten, Außenpolitik zu betreiben und sich hierzu von den zur Vertretung nach außen berufenen Per­ sonen repräsentieren zu lassen, verfügen internationale Organisationen nicht per se über die Befugnis, rechtliche Beziehungen nach außen, d. h. zu Drittstaaten oder zu anderen internationalen Organisationen zu unterhalten. Sie erhalten diese Befugnis erst, sofern und soweit die sie gründenden Staaten ihnen autonome Rechte zur Außenvertretung gegenüber Drittstaaten übertragen. Eine Befugnis, diese Kompetenz selbst zu kreieren (sog. Kompetenz-Kompetenz) steht den internationalen Organisationen dagegen nicht zu.23 Zweifelsohne sind die internationalen Organisationen in ihrer Ausgestaltung so vielfältig, dass aus ihrem Vergleich kein allgemein gültiger Prototyp filtriert werden kann. Anhand der exemplarisch ausgewählten Beispiele der Welthandels­ organisation und des Europarates kann hinsichtlich des Aspekts der Außenvertretungsbefugnis jedoch gezeigt werden, dass die Gründungsrechtsakte internationaler Organisationen nicht zwingend entsprechende allgemeine Bestimmungen enthalten.24 Sofern solche vorhanden sind, können sie ähnlich einer Generalklausel formuliert sein.25 Weder die Welthandelsorganisation noch der Europarat unterhalten ständige Repräsentanzen in Staaten, die nicht zu ihren Mitgliedern zählen. Diese Erkenntnis deckt sich mit dem Befund anderer Untersuchungen, nach der Vertretungen bei Nichtmitgliedern generell selten sind.26 Schließlich ist bei beiden untersuchten Organisationen das oberste bzw. eines der jeweils obersten Beschlussorgane zum Abschluss von Beitrittsverträgen ermächtigt. Auch dieses Ergebnis überrascht aus völkerrechtlicher Perspektive nicht, entspricht es doch neben dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch der Selbstbestimmung der dort vertretenen Mitglieder, die einen Beitritt billigen müssen.27 23 Wo die Europäische Union zu den Mitgliedern einer internationalen Organisation zählt, ihr also von den Mitgliedstaaten entsprechende Kompetenzen verliehen wurden, sind neben ihr in der Mehrheit der Fälle auch die Mitgliedstaaten stimmberechtigt vertreten. Lediglich in einigen wenigen, sachlich begrenzten – und in der politischen Praxis oft wenig relevanten – Gebieten haben die Mitgliedstaaten bislang auf eine eigene Mitgliedschaft neben der der Europäischen Union verzichtet, so z. B. im Internationalen Zuckerrohrrat, im Olivenölrat oder in der Indian Ocean Tuna Commission (vgl. http://www.iotc.org/English/index.php, letzter Abruf: 29.5.2013). Weitere Beispiele bei: Rolf Ahmann/Reiner Schulze/Christian Walter, Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951– 1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 11. Bereits diese kleine Auswahl zeigt, in welch begrenztem Maß die Mitgliedstaaten eine ausschließliche Vertretung ihrer Interessen durch die EU bisher billigten. 24 Solche fehlen etwa für die Welthandelsorganisation; siehe im 2. Teil unter A. I. 25 Wie beispielsweise Art. 13 der Satzung des Europarats. 26 Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 842; Rachel Frid, The Relations Between the EC and International Organizations, o. O. 1995, S. 38. 27 Ignaz Seidl-Hohenveldern/Gerhard Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl., Köln u. a. 2000, Rn. 0508.

C. Resümee zu den Außenvertretungskompetenzen

105

Die Ausführungen zur Welthandelsorganisation und zum Europarat haben also die Annahme bestätigt, dass die naturgemäß nur beschränkte Möglichkeit klassischer internationaler Organisationen, auswärtige Beziehungen zu unterhalten – verglichen mit dem Umfang und der Reichweite nationalstaatlicher Außenvertretungskompetenz – den entgegengesetzten Pol des Spektrums bilden, sodass sie auf einer Skala daher bei dem geringst möglichen Wert abzubilden sind. Auf diese Schlussfolgerungen wird im Zusammenhang mit der Bewertung der Kompetenzen des EAD zurückzukommen sein.28

28

Vgl. 7. Teil.

Dritter Teil

3

Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“: Überblick über die Geschichte des auswärtigen Handelns der Europäischen Union A. Die Entstehung einer „europäischen Außenpolitik“ Angesichts der leidvollen Erfahrungen in zwei Weltkriegen war die Verhinderung weiterer militärischer Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent das wichtigste Anliegen der europäischen Staaten zu Beginn der 1950er Jahre. Im Zeitpunkt der Gründung der EG stand die Schaffung einer gemeinsam koordinierten Außenpolitik der sechs Mitgliedstaaten dennoch zunächst nicht auf der Tagesordnung. Dies änderte sich mit der erfolgreichen Intensivierung der außenwirtschaftlichen Kontakte der Gemeinschaft in den Folgejahren jedoch schlagartig. Der Erkenntnis, dass eine auch nur in Ansätzen angelegte Koordinierung der außenpolitischen Maßnahmen – auch außerhalb der E(W)G – erheblich zu einem gesteigerten Bewusstsein und einer größeren Anerkennung der wirtschaftlichen und politischen Bedeutsamkeit Europas auf internationaler Ebene beitragen würde,1 konnten sich die Mitgliedstaaten mit Blick auf ihren ehrgeizigen Plan, aus der EWG einen einheitlichen, starken und dynamischen Wirtschaftsraum zu machen, auf Dauer nicht verschließen.2 Nachdem zunächst mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG, 1950) und dem Projekt einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG, 1952) zwei Initiativen zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Jahre 1954 an innenpolitischen Bedenken Frankreichs scheiterten, ergriff dieses in der Folge innerhalb des europäischen Integrationsprozesses wiederum die Initiative zur außenpolitischen Zusammenarbeit, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, die Aktivitäten des wieder erstarkenden deutschen Nachbarn durch eine gezielte Einbindung in das System zu kontrollieren.3 Die Bundesrepublik sah ihrerseits bereits im Keim 1

Im Davignon-Bericht (Erster Teil, Punkt 10) heißt es hierzu wörtlich: „(…) um vor aller Welt darzutun, daß Europa eine politische Sendung hat“. 2 Rolf Ahmann/Reiner Schulze/Christian Walter, Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 10. 3 Vgl. Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 147.

B. Institutionelle Fortentwicklung

107

außenpolitischer Zusammenarbeit eine willkommene Gelegenheit, um nach den Geschehnissen der beiden Weltkriege in der europäischen Staatengemeinschaft wieder für die eigene Außenpolitik zu werben, Vertrauen zu bilden und Unterstützung zu gewinnen.4 Grundsätzlichen Geschmack an der Idee Frankreichs fanden auch die übrigen Mitgliedstaaten, war mit ihr doch auch die Hoffnung verbunden, Kompetenzen auf internationaler Ebene zu bündeln und Reibungsverluste, die sich bis dato in der Verschiedenartigkeit nationaler Außenpolitiken gründeten, zu minimieren.5

B. Institutionelle Fortentwicklung Den Rahmenbedingungen einer wie auch immer ausgestalteten Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen und deren Besonderheiten Rechnung tragend, bildeten die sog. Fouchet-Pläne6 aus den Jahren 1961/1962 einen neuerlichen Anlauf zur Schaffung einer zwischenstaatlichen Kooperation. Ihr Konzept bestand darin, den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik einerseits in den Kompetenzbereichen der Mitgliedstaaten zu belassen, sie andererseits aber mit den in der Verantwortung der Gemeinschaft stehenden Bereichen zu verbinden. Mangels Konsenses unter den beteiligten europäischen Staaten scheiterten die nach dem französischen Diplomaten Christian Fouchet benannten Pläne letztlich jedoch.7

4 Janning fasst die Ausgangslage deutscher Außenpolitik treffend wie folgt zusammen: „Sich in Europa und seinem politischen Gefüge zu behaupten, war, je nach Standpunkt des Betrachters, Schicksal und Ratio deutscher Politik.“ Vgl. Josef Janning, Europäische Union und deutsche Europapolitik, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 747. 5 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 147. 6 Ziel des Fouchet-Plans I war die Gründung einer Europäischen Politischen Union. Der Fouchet-Plan II stellte insoweit eine Verschärfung der Ziele des ersten Entwurfs dar, als de Gaulle die Gemeinschaften EWG, EGKS und EAG hiermit zu abhängigen Hilfsagenturen der geplanten Europäischen Politischen Union degradieren wollte. 7 Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Partner, darunter auch Deutschland, den Plänen de Gaulles verweigerten, mit einer unter französische Führung gestellten „unauflöslichen europäischen Staatenunion“ die Vormacht der USA in Westeuropa zu brechen [vgl. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Europapolitik als Staatsraison in: M. G. Schmidt/R. Zohlnhöfer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik Deutschland – Innen- und Außenpolitik seit 1949, Wiesbaden 2006, S. 470; Claudia Dunlea, Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplo­ matie, Vierteljahreshefte der Zeitgeschichte, 2007, S. 463 ff., auch zu dem bereits ab 1953 gegen die Herausbildung einer supranationalen europäischen Diplomatie geführten „Kreuzzug“ Frankreichs, S. 478 ff. m. w. N.]. Gleichwohl ging aus bilateral fortgesetzten Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich letztlich der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Januar 1963 hervor, vgl. Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 82.

108

3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

Im Nachgang der Haager Gipfelkonferenz8 und auf der Grundlage des am 27. Oktober 1970 in Luxemburg von den Außenministern der sechs Gründungsstaaten der EG verabschiedeten, an die Staats- und Regierungschefs adressierten gleichnamigen Berichts9 konnte der politischen Zusammenarbeit im Bereich der Außenpolitik mit der Schaffung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) Ende des Jahres 1970 endlich ein gemeinsamer Rahmen10 gegeben werden. Die EPZ stellte damit quasi den „Embryo“ gemeinsamer europäischer Außenpolitik dar.11 Sie wurde als rechtlich unverbindlicher Kooperations- und Konsultationsmechanismus zwischenstaatlicher Zusammenarbeit12 der Außenministerien der EG-Staaten „in allen wichtigen Fragen der Außenpolitik“,13 zunächst ohne vertragliche Grundlage und nicht als neue Organisation oder Völkerrechtssubjekt14 geschaffen. In der Sache bedeutete das vereinbarte informelle15 Konsultationsverfahren jedoch nicht mehr als die Verständigung auf den kleinsten, gemeinsamen Nenner.16 Die wegweisenden außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen wurden während des anhaltenden Ost-West-Konflikts weiterhin im Rahmen der NATO getroffen.17 Dies mag als ein letztlich in sich widersprüchliches institu 8 Zur Haager Gipfelkonferenz: Thomas Oppermann/Claus Dieter Classen/Martin Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl., München 2011, § 2 Rn. 23; Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 338 f. 9 Der Luxemburger Bericht wird in Praxis und Literatur zuweilen auch – nach dem damaligen belgischen politischen Direktor im Außenministerium und späterem Vizepräsidenten der EG-Kommission Etienne Davignon, seinerzeit Vorsitzender des Ausschusses der politischen Direktoren der EWG – „Davignon-Bericht“ genannt. 10 Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 945 („loosely-knit framework“). 11 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 268. 12 Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 147; Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 338. 13 Vgl. Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 1970 (Luxemburger Bericht), Zweiter Teil, Abschnitt IV (Konsultationsthemen), S. 1, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP), 11. Aufl., Bonn 1998, S. 40. 14 Philippe de Schoutheete, La coopération politique européenne, 2. Aufl., Brüssel 1986, S.  221.­­ 15 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 83; Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 338 f. 16 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 145. 17 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 268.

B. Institutionelle Fortentwicklung

109

tionelles Konzept gesehen werden,18 doch vermag diese Bewertung nichts an der pragmatischen und im Ergebnis erfolgreichen Herangehensweise zu ändern, zunächst eine Verknüpfung zwischen der Tätigkeit der damaligen Gemeinschaften und der außenpolitischen Kooperation ihrer Mitgliedstaaten zu schaffen.19 Die Verschärfung des Ost-West-Konflikts Anfang der 1980er Jahre führte in Bezug auf die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik nahezu zu einem vollkommenen Stillstand. Schließlich konnte die EPZ mit dem Teil III der Einheitlichen Europäschen Akte20 (EEA) von 1986 auf ein gemeinschaftsvertragliches Fundament gestellt werden.21 Art. 3 Abs. 2 und Art. 32 EEA stellten sicher, dass die vereinbarten Bestimmungen nicht zum Bestandteil des Gemeinschaftsrechts würden. Wichtigste Errungenschaft der EPZ war, neben der „vertraglichen Festschrei­ bung“22 der bisherigen Praxis, die Einrichtung turnusmäßiger Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten, bei denen Standpunkte im Bereich der Außenpolitik abgestimmt und harmonisiert wurden, die Staaten einander über aktuelle Entwicklungen unterrichteten und gegenseitig konsultierten. Wenngleich ganz im Sinne des Kohärenzgedankens23 eine Verklammerung von EG und EPZ – auch auf der Ebene der Organe24 – erfolgte, wurde die Koexistenz von supranationaler und intergouvernementaler Methode beibehalten.25 18 So z. B. die Einbeziehung von einzelnen Themen, die die Beziehung zwischen den Mitgliedstaaten und nicht die Beziehungen zu Drittstaaten betreffen, vgl. Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 153; diese Konstruktion ebenfalls als widersprüchlich einstufend: Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 28. 19 Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 148. 20 ABl.EG 1987, Nr. L 169 S. 1 ff. vom 29.6.1987 (= BGBl. 1986 II S. 1104). 21 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 339; Müller-Graff bezeichnet die EEA daher auch als „eine Art Vorgründungsgesellschaft mit dem Zweck der Gründung eines Verbandes namens ‚Europäische Union‘“, Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 149; in eine ähnliche Richtung geht: Siegfried Magiera, Die Einheitliche Europäische Akte und die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union, in: W. Fiedler/G. Ress (Hrsg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht – Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, Köln u. a. 1989, S. 507 f., 528 ff. 22 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 268. 23 Zur Bedeutung des Kohärenzgebots im Allgemeinen sowie im Zusammenhang mit dem auswärtigen Handeln der Union im 5. Teil A. I. 24 Das Treffen der Außenminister wurde durch einen Vertreter der Kommission erweitert und dem Parlament größere Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt, vgl. Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 84. 25 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 268.

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3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

Trotz einiger Fortschritte lässt sich der Zustand der Integrationsgemeinschaft bis zum Ende des Kalten Krieges daher mit der mittlerweile fast formelhaft verwendeten Wendung eines „wirtschaftlichen Riesen“, aber „(außen-)politischen Zwerges“ zusammenfassen.26 Im Angesicht des Zusammenbruchs des sowje­ tischen Systems und der Wiedervereinigung Deutschlands trat die Notwendigkeit gemeinsamen außenpolitischen Handelns der Gemeinschaft und der Mitglied­ staaten in der Folge offen zu Tage.27 Der Maastrichter Vertrag brachte den nächsten entscheidenden qualitativen Entwicklungssprung.28 Mit ihm wurde die EPZ im Jahre 1993 in die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik (GASP)29 mit rechtlich verbindlichem Charakter überführt und „damit vertraglich aus den Niederungen der bloß informellen Kooperation herausgehoben (…)“30. Mit der unter dem Dach der Europäischen Union (EU) neu geschaffenen Säule verbunden war der Wunsch, die bislang praktizierte außenpolitische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten durch die Etablierung der der GASP eigenen Handlungsformen und Entscheidungsregeln zu intensivieren.31 Dahinter stand das Ziel, den globalen Gestaltungsanspruch der EU nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig zur Profilschärfe sowie zu größerer Sichtbarkeit der europäischen Außen 26 So beschrieben bei Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 11; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 266; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 1. Die Metapher von „Zwerg und Riese“ vervollständigend: Stephan Leibfried, Ein Riesenzwerg, der vieles kann. Die Außenpolitik der Europäischen Union ist enorm erfolgreich. Es merkt nur keiner, in: Die Zeit, 14. Mai 2009, Nr. 21, S. 15. 27 Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/ Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 103. 28 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Union als Akteur in den Internationalen Beziehungen, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 25 f. (dort auch zu den internen wie externen Faktoren des Politikwechsels). 29 Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt bislang auf der außenpolitischen Komponente. Zur Entwicklung des hier nicht näher dargestellten Sicherheits- und Verteidigungsaspekts im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) vgl. Gisela Müller-BrandeckBocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 269 ff. Zur Zusammenarbeit von deutscher Regierung und Legislative sowie zu den Beratungsstrukturen der GASP: Ingo Winkelmann, Das Verhältnis von Exekutive und Legislative in der zweiten und dritten Säule der Europäischen Union, in: R. Geiger (Hrsg.), Neuere Probleme der parlamentarischen Legitimation im Bereich der auswärtigen Gewalt, Baden-Baden 2003, S. 70 f., 73 ff. 30 Heiner Busch/Timo Tohidipur, Mehr als die Summe der Einzelteile: Europäische Union als sicherheitspolitischer Akteur, in: KJ 2011, S. 50. 31 Kritik an der Schaffung einer weiteren Säule (statt einer Erweiterung der EG um explizite, auswärtige Kompetenzen) äußert Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 103.

B. Institutionelle Fortentwicklung

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politik als eigene Politik der Union32 beizutragen. Abseits der in Presse und Öffentlichkeit turnusmäßig wiederkehrenden, pauschalen Kritik an „Europa“ besteht zahlreichen Autoren und Umfragen zufolge33 nicht nur auf Seiten der europäischen Regierungen, sondern darüber hinaus auch in den Bevölkerungen der Mitgliedstaaten – europaweit – ein breiter Konsens hinsichtlich der angestrebten Stärkung europäischer Kompetenzen in dem Bereich der Außenbeziehungen und das Eintreten für ein kohärenteres Auftreten der EU in Fragen der Außenpolitik und der Außenvertretung.34 Bei der institutionellen Zuordnung wurde die GASP bis Ende 2009 gemeinhin auch als zweite Säule der EU bezeichnet, deren hervorstechendes Merkmal ihr intergouvernemental angelegter Charakter war35 – und immer noch 32 So der Wortlaut von Art. J.1 IV und Art. J.4 IV EUV: „(Außen- und Sicherheits-) Politik der Union“. Diese Formulierung änderte an dem rein intergouvernementalen Charakter der GASP nichts; Pechstein nannte sie daher „reine Rhetorik“, Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 249; siehe aber auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 425: „(…) so ist offenbar davon auszugehen, dass damit eigene außenpolitische Kompetenzen der rechtssubjektiven Union beschrieben werden“, wenngleich dieses Ergebnis im Folgenden (S. 427) durch die Ergänzung in Frage gestellt wird, „(…) dass eventuelle eigene Unionszuständigkeiten im Bereich der GASP rein additiver Natur sein müssten (…)“. Die Intergouvernementalität ebenfalls anerkennend, gleichwohl in der Union einen neuen Akteur der Außenpolitik sehend: Horst Günter Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 147 ff.; Stephan Marquardt, Kompetenzgefüge und Handlungsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP): Neuere Entwicklungen und Perspektiven, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 195. Die Meinungsdifferenzen über die Akteursqualität der Union sind spätestens mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hinfällig geworden, da dieser ihr ausdrücklich Rechts­ persönlichkeit verleiht (Art. 47 EUV). Zur Frage, inwiefern der Union auch schon zuvor Rechtspersönlichkeit zuerkannt werden konnte siehe 5. Teil B. II. 33 Zuletzt beispielsweise in: Standard Eurobarometer 71 von Juni/Juli 2009, S. 166, 147 f. Das Ergebnis entspricht mit leichten Schwankungen den Resultaten der Jahre 1992 bis 2005, vgl. die Übersicht bei Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 9 (mit Abb. 1). 34 Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 500; Christoph Heusgen, Nach den gescheiterten Referenden – Was wird aus dem Außenminister der Union und dem Europäischen Auswärtigen Dienst?, in: integration 2005, S. 336; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 280; Daniel Thym, Weiche Konstitutionalisierung – Optionen der Umsetzung einzelner Reformschritte des Verfassungsvertrags ohne Vertragsänderung, in: integration 2005, S. 312. 35 Wenngleich von den insgesamt zwölf Mitgliedstaaten, die bei der Einführung der GASP durch den Maastrichter Vertrag eine Mehrheit die „méthode communautaire“ favorisierten, konnte sich eine Minderheit, darunter Frankreich und Großbritannien, mit der intergouver­

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3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

ist.36 Der Begriff der Intergouvernementalität soll hier nicht im ursprünglichen Sinne einer bloßen Abstimmung der mitgliedstaatlichen Regierungen verstanden werden, die ohne jeglichen institutionellen Unterbau auskommt. Vielmehr hat sich der Bedeutungsgehalt des Begriffs über die Jahre gewandelt und „verfeinert“37. Der intergouvernementale Charakter der GASP wurde zum einen darin gesehen, dass die Kompetenzträgerschaft im Wesentlichen beim Rat, also letztlich bei den Regierungen der Mitgliedstaaten verblieb und den Gemeinschaftsorganen keine oder nur geringfügige Mitwirkungsmöglichkeiten eingeräumt wurden,38 zum anderen darin, dass Beschlüsse im Regelfall einstimmig zu fassen waren.39 Um den Kernbereich nationaler Souveränität weitgehend unangetastet zu lassen, sind Mehrheitsentscheidungen immer noch nur in begrenzten Bereichen möglich (z. B. bei der Passarelle-Klausel, Art. 48 Abs. 7 EUV). Aus Sicht der Mitgliedstaaten besteht zu ihren Gunsten zusätzlich ein Vetorecht in sog. „domaines réservés“, also in Politikbereichen, die staatliche Kerninteressen tangieren und daher aufgrund ihrer politischen Sensibilität de facto aus dem Anwendungsbereich der GASP herausfallen können.40 Im Gegensatz zum „integrationistischen“ Ansatz der Europäischen Gemeinschaften ist das Funktionieren der GASP bis heute auf die gedeihliche und effektive Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen Regierungen angewiesen. Dieser Umstand veranlasste die Fachliteratur, der GASP eine völkerrechtliche, nicht eine gemeinschaftsrechtliche, Natur zuzuschreiben.41 Seit ihrer rechtlichen Verankerung im europäischen Primärrecht war die GASP immer wieder Gegenstand mehr oder weniger grundlegender Reformen,42 die die Verträge von Amsterdam und Nizza in den Jahren 1999 und 2003 mit sich brach-

nementalen Struktur durchsetzen, vgl. Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 238. 36 Vgl. hierzu noch im 4. Teil C. 37 Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 408. 38 Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 426. 39 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 345. 40 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 151. 41 Werner Kaufmann-Bühler, Art. 23 EUV Rn. 33, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 155. 42 Vorschläge für Weiterentwicklungen kamen auch aus der Wissenschaft, vgl. z. B. Mathias Jopp/Jan Reckmann/Elfriede Regelsberger, Ansatzpunkte und Optionen zur institutionellen Weiterentwicklung von GASP und ESVP, in: integration 2002, S. 230 ff.

B. Institutionelle Fortentwicklung

113

ten. Mit dem Vertrag von Amsterdam43 eingeführt wurde beispielsweise das Amt des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Zuletzt griff der Europäische Konvent44 die immer wieder aufflammende Grundsatzdebatte um Inhalt und Gestalt der GASP auf und formulierte u. a. Vorschläge für institutionelle Reformen, die vom Verfassungsvertrag und in der zeitlichen Abfolge dann vom Vertrag von Lissabon zu großen Teilen übernommen wurden.45 Neue außenpolitische Kompetenzen wurden mit dem Vertrag von Lissabon nicht übertragen. Mit Inkrafttreten dieses jüngsten Reformwerkes ging die Auflösung der klassischen Drei-Säulen-Struktur der EU einher. Da die wesentlichen Bestimmungen über die GASP nicht in den Nachfolgevertrag des EG-Vertrages, den Vertrag über die Arbeitsweise der EU (kurz: AEUV), integriert wurden, sondern ihren Standort im EU-Vertrag behielten, scheint die Säulenstruktur im Hinblick auf den Bereich der GASP zumindest dem ersten Anschein nach in der Sache bewahrt geblieben zu sein.46 Gleiches gilt somit für den intergouvernementalen Charakter der GASP.47 43

Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 1997, Nr. C 340 S. 1 ff. vom 10.11.1997, in Kraft getreten am 1.5.1999; zum Hohen Vertreter für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vgl. Art. 18 Abs. 3 EUV (in der Fassung von Amsterdam). 44 Offizielle Bezeichnung: Europäischer Konvent zur Zukunft Europas. Zur Arbeit des Konvents allgemein: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 184 ff.; Siegfried Magiera, Die Arbeit des europäischen Verfassungskonvents und der Parlamentarismus, in: DÖV 2003, S. 578 ff. sowie 3. Teil A. und 4. Teil B. (mit einem Fokus auf das auswärtige Handeln der Union). 45 Hierzu im 4. Teil B. und C. 46 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 137; Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 52. Missverständlich insoweit Martenczuk, der einerseits (schon) vom Reformvertrag, andererseits (noch) von den drei Säulen der Union („three ­pillars of the Union)“ spricht, vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 941. Kaddous verzeichnet einen „starken Willen“ der Mitgliedstaaten zur Wiedereinführung einer Art „zweiter Säule“ für den GASP-Bereich, vgl. Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 179. 47 BVerfGE 123, 267 (401, 425 f.); Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 242 f. Zu den damit einhergehenden Problemen: Marise Cremona, The Draft Constitutional Treaty: External relations and external action, in: CMLRev. 2003, S. 1353; Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 97 f. Kritisch äußert sich Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 425. Von einer eigenständigen Verbundform kollektiver Politikgestaltung sprechen: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Union als Akteur in den Internationalen Beziehungen, in: Die Außenpolitik im europäischen Mehrebenensystem

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3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

Inhaltlich umfasst sie alle Bereiche der Außenpolitik, sofern sie nicht durch den AEU-Vertrag geregelt wird, sowie alle mit der Sicherheit der Union in Zusammenhang stehenden Fragen der Friedenserhaltung, auf die in dieser Darstellung nicht näher eingegangen wird. Das in weiten Teilen der GASP vorgesehene Einstimmigkeitserfordernis (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV und Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EUV) verleiht der GASP einen insgesamt eher reaktiven denn proaktiven Charakter.48 An diesem Befund vermag auch die durch den Vertrag von Amsterdam eingeführte Möglichkeit qualifizierter Mehrheitsentscheidungen sowie „konstruktiver Enthaltungen“ (Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 2 EUV) nichts Grundlegendes zu ändern. Hintergrund dieses Befundes ist die vor allem von den Mitgliedstaaten vertretene Auffassung, die GASP sei – verglichen mit den Gemeinschaftspolitiken mit Außenbezügen – ein Aliud. Sie beziehe sich ausschließlich auf die sog. „High politics“ (Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik) und rechtfertige daher die Etablierung (und Fortschreibung) eines eigenen Regelungsregimes, das die Kompetenzen der Mitgliedstaaten unberührt lasse.49 Unter der Geltung der Säulenstruktur hatte die Union mit dem Problem der Abgrenzbarkeit paralleler Außenpolitiken zu kämpfen. Die Trennung der beiden „Sphären“, die der GASP einerseits sowie die der mitgliedstaatlichen Außen­ politik(en) andererseits, erschwerten eine zweifelsfreie Zuordnung von Maßnahmen der Union, nicht zuletzt weil erstere durch die Mitgliedstaaten vollzogen wurde (Art. 11 EUV a. F.). Dies stellte insbesondere Drittstaaten vor die Herausforderung, zu erkennen, wer in einem konkreten Fall handelte, wann die GASP-Organe für die EU agierten (supranationaler Charakter) und wann sie bloße Koordinierungsinstrumente der nationalen Außenpolitiken darstellten (inter­ gouvernementaler Charakter). Damit ist der dahinter stehende Kern des Problems bezeichnet, dessen sich die Union vor allem mit den Vertragsänderungen von Lissabon angenommen hat. Es lässt sich auf die Kurzformel „mangelnde Kohärenz und Effizienz des Unionshandeln nach außen“ bringen. Der Vollständigkeit halber sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass die Union über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als Teilbereich „reiner“ Außenpolitik hinaus Beziehungen in vielerlei anderen Politikbereichen, wie etwa der Entwicklungs- und Forschungszusammenarbeit50 oder auch der Währungs­ politik51 pflegt, um nur einige Beispiele zu nennen. und ihre rechtliche Basis – Einleitung, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 31, und: Stefan Kadelbach, Die Außenpolitik im europäischen Mehrebenensystem und ihre rechtliche Basis – Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 15. 48 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 22. 49 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12. 50 Vgl. Art. 186 AEUV. 51 Vgl. Art. 219 AEUV.

B. Institutionelle Fortentwicklung

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Parallel zu und unabhängig von der schrittweise erfolgten Kompetenzübertragung auf die Europäische Gemeinschaft bzw. die Europäische Union baute die Europäische Kommission mit der Errichtung von (zuletzt 130)52 Delegationen weltweit ein eigenes Netz der Außenvertretung auf,53 das aufgrund seiner ausgeprägten Strukturen der Sache nach als „quasi-diplomatischer Dienst“ bezeichnet werden konnte.54 Grund hierfür war das Selbstverständnis der Kommission, als Sachwalterin der Union deren Interessen auf internationaler Ebene vertreten zu können. Es gründete im Wesentlichen auf die der Kommission durch weitreichende Bestimmungen des EGV übertragenen Aufgaben und Kompetenzen.55 Dass die übrigen EU-Organe, insbesondere Rat und Parlament im Einzelfall gegensätzlicher Auffassung waren und ihre Interessen selbst vertreten sehen wollten, versteht sich insbesondere in Anbetracht der europäischen Integrationsgeschichte freilich von selbst. Entsprechend der Entwicklung auf nationalstaatlicher Ebene, wonach die Außen­ministerien ihr Alleinvertretungsmonopol zugunsten anderer Ressorts und Organisationseinheiten haben einschränken müssen, kann die EU im Bereich der 52 Zur historischen Entwicklung der Delegationen der Kommission vom Informationsbüro zur „diplomatischen Vertretung“ und ihrer ersten primärrechtlichen Verankerung in Art. 20 EUV (Maastricht) vgl. Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/ M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, ­Baden-Baden 2007, S. 500 ff. 53 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 197. Ein erstes Informationsbüro richtete bereits die Vorläuferin der Europäischen Kommission, die Hohe Behörde im Jahre 1954 in Washington DC ein, vgl. Europäische Kommission, Taking Europe to the World. 50 Years of European Commission’s External Service, Luxemburg 2004, S. 56; Claudia Dunlea, Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplomatie, Vierteljahreshefte der Zeitgeschichte, 2007, S. 468; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein ko­ härenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 12. Die angegebenen Zahlen variieren von „mehr als 130 Delegationen“ (Lieb/Kremer) bis „mehr als 150 Delegationen“ der Kommission (Europäische Kommission). 54 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU ­Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 236; Caterina Carta, The European Union Diplo­ matic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 85, 160; Brian Hocking/ David Spence, Towards a European Diplomatic System?, Netherlands Institute of International Relations ‚Clingendael‘, 2005, S. 2; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 12 f. („botschaftsähnliche Funktion“). 55 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 197. Den vertraglichen Vorgaben trug die Kommission dabei durch ein ausdifferenziertes System außenpolitischer Einheiten Rechnung; eine Übersicht der Entsprechungen von Primärrecht und Kommissionsstruktur findet sich bei: Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohären­ teres Außen­handeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 38 ff. (Anhang, Tab. 4).

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3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

Außenvertretung keinen Alleinvertretungsanspruch für sich erheben. Je nach Themen- und Interessenfeld haben sich „weitere Forme(l)n der Außenvertretung“56 gebildet, so z. B. die „EU 3+3“ (bestehend aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland sowie den Vereinigten Staaten, China und Russland) oder der „5+5-Dialog“ (Mittelmeerdialog zwischen Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und Malta einerseits sowie Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Mauretanien andererseits) – eine Entwicklung, die einem kohärenten Handeln auf europäischer Ebene nicht gerade zuträglich ist. Unbestritten und ungeachtet, wie man die Frage beantwortet, ob es eine „europäische Außenpolitik“ dem Wortsinne nach überhaupt geben kann,57 muss der häufig so bezeichnete Bereich als vorläufiges (Zwischen-)Ergebnis der seit Ende des Zweiten Weltkriegs andauernden Verhandlungen auf gesamteuropäischer Ebene gesehen werden. Die Gesamtbetrachtung offenbart jedoch auch, dass die EU bislang noch nicht zu dem einheitlichen Akteur geworden ist, der sie seit Jahrzehnten zu sein versucht. Die Diskrepanz zwischen dem ökonomischen Potential der Europäischen Union und ihrer Effektivität im Bereich der GASP zeigte sich „vor ihrer Tür“ zu Beginn der 1990er bedauerlich anschaulich am Krisenherd des ehemaligen Jugoslawiens. Die Gründe für ihre politische Lähmung waren vielfältiger Natur; eine wesentliche Ursache lag in der Diskrepanz zwischen den an die EU als globalem Akteur gestellten – hohen, teils unterschiedlichen – Erwartungen einerseits und ihren tatsächlichen Fähigkeiten andererseits (sog. „capability-expectation-gap“58).59 Trotz der dargelegten systembedingten Fragmentierung der europäischen Außen­vertretung60 hat sich die Europäische Union bis zum heutigen Tag zu einem global handelnden Akteur61 entwickeln und sich auf der politischen Weltbühne als

56 Waldemar Hummer, Art. III-292 EVV Rn. 15, in: Ch. Vedder/W. Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, Kommentar, Baden-Baden 2007; Koen Lenaerts/ Piet van Nuffel, Constitutional Law of the European Union, 3. Aufl., London 2011, Rn. 27–003 (S. 1044). 57 Vgl. hierzu 1. Teil A. 58 Christopher Hill, The Capability-Expectations Gap, or Conceptualising Europe’s International Role, in: Journal of Common Market Studies 1993, S. 305 ff. 59 Treffend beschreibt Magiera die Divergenz der Erwartungen: „Der Erfolg der Europäischen Union ist zugleich ihr Hauptproblem.“ Vgl. Siegfried Magiera, Der Verfassungsvertrag als Zwischenstation im europäischen Integrationsprozess, in: F. Kirchhof/H.-J. Papier/H. Schäffer (Hrsg.), Rechtsstaat und Grundrechte – FS für Detlef Merten, Heidelberg 2007, S. 429. 60 Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 942 („high degree of fragmentation“). 61 Ebenfalls den Begriff des „globalen Akteurs“ verwendend: Europäische Sicherheitsstrategie – Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, vom Europäischen Rat angenommen am 12.12.2003, S. 1.

B. Institutionelle Fortentwicklung

117

ernst zu nehmender Partner etablieren können.62 Dieser Erfolg ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich ungeachtet oder gerade auf Grund der ungünstigen Ausgangssituation eine Form der „Diplomatie jenseits des Staates“63 gebildet hat. Diese ist u. a. in der sich über die Jahre hinweg entwickelnden Außenvertretung der Europäischen Kommission zu sehen, die daher bereits als „quasi-diplomatischer“ Dienst bezeichnet wurde.64 Ein Begründungsansatz hierfür könnte in dem von Slaughter vertretenen New-World-Order-Modell gesehen werden. Dieses zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass der Staat nicht länger als einheitliches Wesen zu verstehen ist, das die Geschicke seiner Gesellschaft lenkt, sondern dass seine „Teile“, die klassischen drei Gewalten, mit ihren europäischen und internationalen Pendants zusammenarbeiten. Der Staat besteht nach diesem Konzept weiter fort, allerdings in verwandelter, „disaggregierter“65 Form. Auf die Diplomatie bezogen heißt dies, dass Außenkontakte nicht durch ein hierfür spezialisiertes Instrumentarium (z. B. durch einen diplomatischen Dienst), sondern durch den jeweils innerstaatlich zuständigen Akteur wahrgenommen werden, der seinen internen Zuständigkeitsbereich auf den komplementären äußeren Bereich erstreckt.66 Auf das Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht übertragen bedeutete dies, dass die Kommission die – insbesondere vor dem Hintergrund des Fehlens eines ausdifferenzierten Systems über interne und externe Gemeinschafts- bzw. Unionspolitiken – ihr im Bereich der Binnenpolitiken übertragenen Kompetenzen (z. B. Gemeinsamer Markt) auf komplementäre externe Gemeinschaftspolitiken (z. B. Außenhandelspolitik) erweiterte, ihre Binnenkompetenz quasi nach außen „ausstülpte“.67

62

Perthes wählt einen anderen Blickwinkel und resümiert kritisch, Europas „Schonzeit“ sei in internationaler Sicht vorbei, vgl. Volker Perthes, Die Europäische Union in der Welt – Die Sicht der anderen und die Aufgaben der nahen Zukunft, in: Universitas 4/2010, S. 348. 63 Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/I. Ley/ O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 170. 64 Simon Duke, Preparing for European Diplomacy, in: Journal of Common Market Law 2002, S. 855; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 12 f. („botschaftsähnliche Funktion“); David Spence, The Commission’s External Service, in: ders./ G. Edwards (Hrsg.), The European Commission, 3. Aufl., London 2006, S. 396. 65 Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton u. a. 2004, S. 5, 12 ff. 66 Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton u. a. 2004, S. 12 ff., 36 ff. 67 Waldemar Hummer, Art. III-292 EVV Rn. 6, in: Ch. Vedder/W. Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, Kommentar, Baden-Baden 2007. Diese Entwicklung stützt sich (auch) auf das AETR-Urteil des EuGH, Rs. 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263 Rn. 19 (AETR); zum AETR-Urteil und seinen Folgen: Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 451 ff. sowie im 5. Teil J. III. 1.

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3. Teil: Entwicklung der „europäischen Außenpolitik“

Der Dualismus aus supranational und intergouvernemental gestalteten Außenbeziehungen ist, wie noch zu zeigen sein wird, auch im Vertrag von Lissabon erhalten geblieben.68

68 Noch für die Lage nach dem Verfassungsvertragsentwurf: Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 136; ebenso Govaere, die klare Worte für den Vorschlag des Verfassungsvertrag findet: „(…) A closer look reveals that it is mainly the wrapping and not so much the content that has changed (…)“, Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 112.

Vierter Teil

4

Das auswärtige Handeln der Europäischen Union Die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des auswärtigen Handelns der Union hat durch den Vertrag von Lissabon einige Änderungen erfahren. Ausgehend von der unter Geltung des Vertrags von Nizza bestehenden Rechtslage werden im Folgenden die wesentlichen Reformschritte skizziert und in der institutionellen Architektur „post Lissabon“ widergespiegelt.

A. Ausgangslage Noch unter Geltung des Vertrags von Nizza war die Verteilung der Kompetenzen in der Außenvertretung von EG und EU durch eine ansehnliche Anzahl an beteiligten Akteuren gekennzeichnet.1 Von welchem Organ sie wahrgenommen wurde, hing von der je nach Fallgestaltung betroffenen Säule ab.2 Im Bereich der vormals ersten Säule, also in den vergemeinschafteten Politikbereichen der EG, war dies die Kommission. Sie wurde in erster Linie durch den für Außenbeziehungen zuständigen Kommissar, aber auch durch den für Akkreditierungen zuständigen Kommissionspräsidenten repräsentiert. Hinsichtlich der GASP, also der ehemals zweiten Säule, handelte für die Union der Vorsitz des Rates der Europäischen Union,3 wenngleich mit Unterstützung des Hohen Vertreters für die GASP. Der Ratsvorsitz nahm schließlich auch in Bezug auf die dritte Säule, die PJZS, die Vertretung nach außen wahr. Zu den „Stimmen“ von Außenkommissar, Kommissionspräsident, Rats­vorsitz und Hohem Vertreter konnten – je nach Situation – die Stimmen der stetig wachsenden Zahl der Mitgliedstaaten kommen. Insbesondere die gelegentlichen Differen 1 Allein an der Gestaltung der GASP/ESVP waren nicht weniger als 22 verschiedene Gremien beteiligt, die Kommissionsdelegationen nicht mitgerechnet, so: Jolyon Howorth/AnneMarie Le Gloannec, The institutional logic behind the EEAS, in: The EU Foreign Service: how to build a more effective common policy, EPC Working Paper No. 28, November 2007, S. 28. 2 Zu den – ausdrücklichen und impliziten – Außenkompetenzen der einzelnen Säulen: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 46 ff., 152 ff.; Manazha Nawparwar, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union zu internationalen Organisationen nach dem Vertrag von Lissabon, in: Ch. Tietje (Hrsg.), Beiträge zum Europa- und Völkerrecht, Heft 4, Mai 2009, S. 13 ff. 3 Zur besseren Unterscheidbarkeit vom Europäischen Rat im Folgenden auch schlicht „Rat“ oder „Ministerrat“ genannt.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

zen der drei „Großen“ (Frankreich, Vereinigtes Königreich und Deutschland) verhinderten nicht selten die Findung eines Kompromisses in der GASP, wohingegen kleinere Mitgliedstaaten an der Herausbildung gemeinsamer Positionen und entsprechenden Vertretungsstellen schon allein aus Gründen der Ressourcen(schonung) ein erhebliches Interesse hatten.4 Mit Blick auf die Inhalte auswärtiger Angelegenheiten der Union umfasst der Bestand auswärtiger Beziehungen der Union damals wie heute bi- oder multilateral organisierte Verbindungen sowie institutionalisierte politische Dialoge. Die Union unterhielt vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon mit mehr als 160 Staaten diplomatische Beziehungen und war auf internationalen Konferenzen meist durch einen Vertreter der Kommission oder des Rates vertreten. Unter den Mitgliedstaaten kristallisierte sich zudem die Praxis heraus, in Krisenfällen gemeinsame Positionen zu beziehen.5 In wirtschaftlicher Hinsicht finanziert die Union auch heute noch Förderprogramme und Aufbaumaßnahmen für Drittstaaten, die sie teilweise durch spezielle Assoziierungsabkommen, oft im Bereich der Handelspolitik,6 an sich bindet, und mit denen die sowohl die regionale Zusammenarbeit fördert (wie beispielsweise MERCOSUR) als auch die Liberalisierung des Welthandels als WTO/GATT-Akteur unterstützt. Das teils vom jeweiligen Politikfeld, teils von den betroffenen Institutionen abhängige Tätigwerden der EU in unterschiedlichen Konstellationen stellt die logische Konsequenz der Entscheidung des Maastrichter Vertrags für das Säulenmodell dar, die in der oben beschriebenen Aufteilung des auswärtigen Handelns auf die Säulen mündete. In der Literatur wurde dieses Phänomen bisweilen als „Mehrdimensionalität“ des Außenhandelns der Union bezeichnet. Dieses sollte sowohl die vertikale Beziehung zwischen Union und Mitgliedstaaten als auch die horizontale Wechselbeziehung der Organe, insbesondere zwischen Rat und Kommission beschreiben.7 Die Gliederung der Union in Säulen ist, wie noch zu zeigen sein wird, nicht ohne Auswirkung auf die Kohärenz auswärtigen Handelns geblieben.8 Bei der Lektüre der wissenschaftlichen Literatur, die sich mit der Verteilung der Kompetenzen im Bereich der Außenvertretung in der EU befasst, fällt auf, dass 4 Dazu: Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/ J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108; Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 25. 5 Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 36 ff. 6 Beispielsweise das am 12. September 1963 von der EWG mit der Türkei geschlossene Assoziierungsabkommen (Abkommen von Ankara). 7 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 28 f. 8 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 277.

A. Ausgangslage

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sich die Vielfalt der relevanten Akteure bemerkenswert häufig in einem Vokabular niedergeschlagen hat, das der Sphäre der Musik entliehen ist. So gleiche beispielsweise die Union bei der Diskussion politischer Dossiers einem „vielstimmigen europäischen Chor“, der nicht selten durch hörbare Dissonanzen von sich Reden mache.9 Bei ihrer Vertretung nach außen habe sie zuletzt mit (mindestens) zwei Stimmen „gesprochen“: für den GASP-Bereich mit der Stimme des Rates, ansonsten mit der der Kommission. Von Fall zu Fall seien aber die Stimmen der Mitgliedstaaten und die der Ratspräsidentschaft hinzugekommen. Weiter habe Solana als Hoher Vertreter für die GASP und gleichzeitig als Generalsekretär des Rates (Art. 18 Abs. 3 EUV a. F.) der EU unter der Geltung des Vertrags von Nizza im Hinblick auf ihre Tätigkeit im Bereich der GASP „Gesicht und Stimme“ verliehen10 und auf der internationalen Bühne auf diese Weise zu einer erheblichen „Personifizierung der (…) Handlungsfähigkeit“11 und damit zur Sichtbarkeit der Union in auswärtigen Belangen beigetragen, obwohl diese Aufgabe nach den Verträgen eigentlich dem Außenminister der jeweiligen Ratspräsidentschaft zukam. Ein weiteres Beispiel für die musikalische Prägung des Vokabulars der einschlägigen Literatur bildet das allgemein formulierte Ziel, zu verhindern, dass die Union wie bei der letzten Irak-Krise in „Sprachlosigkeit“ verfällt;12 es ließe sich ergänzen, dass auch ein babylonisches „Stimmengewirr“ dem Anliegen der Union nicht gerecht wird. Das so angestimmte „Konzert“13 der Union mit den Mitgliedstaaten verlief in der Vergangenheit teils „einstimmig“, oft „mehrstimmig“, wobei die Mitgliedstaaten die Union vielfach als „Resonanzboden“ ihrer nationalen Außenpolitiken nutzten,14 um sich Gehör zu verschaffen. Die Bundesrepublik hatte hierbei mit der Stimme des Bundes und der der 16 Bundesländer einen nicht unerheblichen Anteil an der Vielstimmigkeit der europäischen Interessen, wobei der Bund durch die 9 In der Sache ähnlich: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 37. 10 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 146; ebenso, aber noch zum Verfassungsvertrag: Elfriede Regelsberger, Mehr Sichtbarkeit, Kohärenz und Effizienz für die GASP – Chancen und Risiken im neuen Verfassungsvertrag, in: M. Jopp/S. Matl (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 324. 11 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 34. 12 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 276. 13 Edmund Ratka, Lissabons Chancen nutzen: Die außenpolitische Verfassung der EU nach dem Reformvertrag, in: Politische Studien, März/April 2010, S. 75. 14 Wolfgang Wagner, Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, in: S. Schmidt/G. Hellmann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 151.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Bundesregierung in dem „Chor“ deutscher Interessenvertretung in Brüssel lediglich eine, wenn auch gewichtige Stimme erhebt.15 Ebenso anschauliches wie trauriges Beispiel einer „außenpolitischen Lähmung“ der Union bildet der Irak-Krieg im Jahr 2003, bei der die EU zunächst keine gemeinsame Erklärung abzugeben vermochte. Diese Beispiele zeigen einerseits, dass EG und EU unter Geltung des Vertrags von Nizza noch weit von dem angestrebten Ziel eines einheitlichen bzw. einstimmigen Akteurs der Außenpolitik entfernt waren16 und andererseits, dass die Zusammenarbeit der zur Außenvertretung berufenen Akteure regelmäßig durch Wettbewerb und Konflikte geprägt war.17

B. Konventsarbeiten für den Verfassungsvertrag Angesichts der geschilderten Fragmentierung in eine Vielzahl ­außenpolitischer Stimmen, die für sich den Anspruch erheben konnten, für die Europäische Union zu sprechen, überrascht es nicht, dass der Bereich der Außenbeziehungen als dringend reformbedürftig angesehen18 und der Überarbeitung der EU-Außenbeziehungen durch den Verfassungskonvent daher ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wurde.19 Dementsprechend ist nur konsequent, dass der Bereich des 15

Josef Janning, Europäische Union und deutsche Europapolitik“, in: S. Schmidt/G. Hell­ mann/R. Wolf (Hrsg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Wiesbaden 2007, S. 760. 16 Martenczuk sprach insoweit (sinngemäß) von „einer Palette unterschiedlicher Akteure und Institutionen, die dem Rest der Welt manchmal ein verwirrendes Bild bot“ [„(…) a panoply of different actors and institutions, offering a sometimes confusing picture to the rest of the world.“], Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/ N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 941. 17 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 26. 18 Siehe Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union, SN 300/01 sowie Mitteilung der Kommission „Ein Projekt für die Europäische Union“, KOM (2002) 247 endg. vom 22.5.2002. 19 Vgl. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union, SN 300/01; die meisten Vorschläge zur Neukonzeption gehen auf die Konvents-Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) zurück: Paul Craig, The Lisbon ­Treaty, Oxford 2010, S. 380; Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 130, insbesondere Fn. 747; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 173; Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: First Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 96. Kritische Würdigung dieser Vorschläge bei Stefan ­Griller, External Relations, in: B. de Witte (Hrsg.), Ten Reflections on the Constitutional ­Treaty for Europe, Fiesole 2003, S. 133 f.

B. Konventsarbeiten für den Verfassungsvertrag

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auswärtigen Handelns im Ergebnis den vom Vertrag von Lissabon inhaltlich am stärksten reformierten Politikbereich darstellt.20 Die Entwürfe21 der an der Neukonzeption beteiligten Konvent-Arbeitsgruppen III („Rechtspersönlichkeit“), VII („Außenpolitisches Handeln“) und VIII („Verteidigung“) mündeten in dem den Ausarbeitungsprozess abschließenden Ergebnis der Regierungskonferenz.22 Hinsichtlich des EAD kam es zu einer gesonderten Erklärung über dessen Einrichtung, in der bereits die Funktion des EAD als Unterstützung des Hohen Vertreters (damals noch „Außenminister“) festgehalten wurde.23 Die Arbeiten am Vertrag über eine Verfassung für Europa waren von der Vorstellung geprägt, den sich in den Überlegungen abzeichnenden politischen „Paradigmenwechsel“24 im Vertragstext widerzuspiegeln. Die Europäische Gemeinschaft orientierte sich in ihren Anfängen stark an der Sicherung des internen Friedens und der Vollendung des gemeinsamen Marktes; ihre Ausrichtung kann daher als binnenzentriert beschrieben werden. Die auswärtigen Beziehungen der EG hingegen fristeten „im Prozess der europäischen Integration ein Aschenputtel“-Dasein.25 Im Laufe der Jahrzehnte verlagerte sich die Motivation des Gemeinschafts- bzw. Unionshandelns neben den wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend darauf, auch in politischer Hinsicht auf globaler Ebene als ernst zu nehmender Akteur wahrgenommen zu werden.26 Erklärtes Ziel des Europäischen Konvents war es hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten daher, mit dem bis dato entstandenen „Wildwuchs“ europäischer Bestimmungen über die Außenbeziehungen aufzuräumen, das bestehende Regelungsgeflecht zu entwirren und einer klareren Systematik zu unterwerfen. Insbesondere 20 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 172; Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: First Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 95. 21 Entwürfe des Konventspräsidiums vom 23.4.2003 (CONV 685/03), vom 28.5.2003 (CONV 727/03) und vom 12.6.2003 (CONV 802/03), gefolgt von den Dokumenten des Vorsitzes der Regierungskonferenz vom 25.11.2003 (CIG 50/03, redaktionelle Änderungen), vom 16.6.2004 (CIG 81/04, inhaltliche Änderungen). 22 Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, Vorsitz, Ergebnis der Regierungskonferenz vom 17./18.6.2004, CIG 85/04. 23 Erklärung über die Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, CONV 848/03 vom 9.3.2003, Anhang III (S. 169). 24 Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 500. 25 Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 99 („External Relations as the Cinderella of the EC Integration Process“). 26 Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmenta­ tion to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 941.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

das durch die Pfeilerstruktur der EU begünstigte Mehrebenensystem europäischer Außenbeziehungen sah sich der Kritik ausgesetzt, Zuständigkeitszersplitterungen zwischen Union und Mitgliedstaaten einerseits, zwischen den Organen, insbesondere Rat und Kommission andererseits hervorzurufen und ein kohärenteres Auftreten gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen zu unterlaufen.27 Abhilfe schaffen sollte die Formulierung eines einzigen Titels im Verfassungsvertrag, in dem alle Außenkompetenzen28 zusammengeführt werden sollten.29

C. Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union Vom Konzept, die Vorschriften zu den Politikfeldern mit Außenbezug, also die gemeinsame Handelspolitik, die Entwicklungszusammenarbeit, die wirtschaft­ liche und technische Zusammenarbeit mit Drittländern und die humanitäre Hilfe mit der intergouvernementalen GASP in einem Vertragswerk zu verklammern, wie es die Zielsetzung der Erklärung von Laeken war und es auch noch die Bestimmungen des Verfassungsvertrages vorgesehen hatten, beide mit dem Zweck, eine einheitliche Rechtsgrundlage für das auswärtige Handeln der Union zu schaffen, ist der Vertrag von Lissabon nach der durch die negativen Referenden zum Verfassungsvertrag30 in den Niederlanden und Frankreich bedingten „Reflexionsphase“31 bewusst abgerückt. Hinsichtlich der Überarbeitung und der Zusammenfassung der Vorschriften zu einer „Außenverfassung“32 war allerdings auch dem Verfas 27

Stefan Fröhlich, Die Europäische Union als globaler Akteur, Wiesbaden 2008, S. 14. Eine Übersicht hierzu geben: Thomas Bruha/Markus Rau, Verfassungsrechtliche Dimensionen europäischer Außenpolitik, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 165 ff. 29 Vgl. hierzu Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002, S. 2; Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 380. Ausführlich zu den GASP-Bestimmungen nach dem Verfassungsvertrag: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 241 ff. 30 Vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002. Zu den vom Gipfel von Laeken ausgehenden Folgeerwägungen: Elmar Brok, Europa im Aufwind? Überlegungen zu den Ergebnissen des Gipfels von Laeken, in: integration 2002, S. 3 ff. Zu weiteren Struktur­ unterschieden zwischen Verfassungsvertrag und Lissabon-Vertrag: Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 380 ff. 31 Eingehend zur Reflexionsphase: Vanessa Hellmann, Der Vertrag von Lissabon, Berlin 2009, S. 7 ff. 32 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 196; Christoph Herrmann, Die Rolle der erweiterten Union in der WTO: Das Integrationsmodell der Union als geeignetes Leitbild für die Mitwirkung, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 301; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 233 f. 28

C. Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union 

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sungsvertrag nicht der ganz große Wurf gelungen – sah doch auch dieser eine Verstreuung außenpolitisch relevanter Vorschriften abseits der Kernvorschriften in den Titeln III bis V vor33 – im Unterschied zum Lissabonner Vertrag jedoch immerhin in einem Vertragswerk.34 Der Vertrag von Lissabon behält das Nebeneinander zweier Vertragswerke sowie die Konzepte von Supranationalität und Intergouvernementalität bei. Dies hat ihm die Kritik eingebracht, es fehle ihm „(…) die Eleganz des einheitlichen Wurfs“35, die den Verfassungsvertrag noch weitestgehend36 gekennzeichnet habe. Diese Einschätzung wird in systematischer Hinsicht durch die Tatsache belegt, dass das Primärrecht in der Fassung des Reformvertrags von Lissabon über keinen eigenständigen, einheitlichen Abschnitt zur Außenvertretung der Union verfügt. Bestimmungen zu den einzelnen auswärtigen Politiken mit ihren spezifischen Zielen und Handlungsaufträgen finden sich dementsprechend sowohl im EU- als auch im AEU-Vertrag verteilt an mehreren Stellen.37 Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Verträge an den Punkten, an denen die Außendimension des Unionshandelns angesprochen ist, den Begriff des „aus­ wärtigen Handelns“ verwenden. Dieser erfasst über die GASP hinaus alle Politikbereiche mit Außenbezug, also auch die des AEU-Vertrags sowie schließlich die externen Aspekte der übrigen Politikbereiche (vgl. Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 EUV), was auch den Begriff der „Außenbeziehungen“ in Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV einschließt.38 Die staatsverfassungsrechtlich verwurzelte Begrifflichkeit der „auswärtigen Gewalt“ findet hingegen keine Verwendung. Sie mag jedoch dort angebracht sein, wo es nicht um Rechtsprobleme einzelner Politikbereiche, sondern um übergeordnete Fragen oder darum geht, die partielle Entkopplung und die Verselbst 33

Peter-Christian Müller-Graff, Die primärrechtlichen Grundlagen der Außenbeziehungen der Europäischen Union – eine Skizze, in: ders. (Hrsg.), Die Rolle der erweiterten Euro­ päischen Union in der Welt, Baden-Baden 2006, S. 12 f. 34 Den Versuch einer grafischen Strukturierung der GASP nach dem Verfassungsvertrag unternahm Martin Sümening in: Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 410 (Schaubild 3). 35 Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 52. 36 Eine Ausnahme hiervon bildeten die auswärtigen Dimensionen der jeweiligen einzelnen Sachpolitiken, Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 131. 37 Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 443. 38 Dass die „Außenbeziehungen“ der EU einen Unterfall ihres „auswärtigen Handelns“ darstellen, ergibt sich aus der Formulierung des Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV, in der es heißt: „(…) und mit der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Union (…)“. Außenbeziehungen werden zu anderen Völkerrechtssubjekten unterhalten und können entweder bioder multilateral ausgestaltet sein. Eine über diese Elemente hinausgehende Bedeutung ist dem Begriff der Außenbeziehungen nicht zu entnehmen. Petersen hält die Verwendung des Begriffs in diesem Zusammenhang daher für „nicht gewinnbringend“, vgl. Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 182.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

ständigung der auswärtigen Dimension von der (komplementären) Binnenper­ spektive zu verdeutlichen.39 Die GASP-Vorschriften haben ihren Standort mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im EU-Vertrag beibehalten. Dieser enthält einen das „auswärtige Handeln der Union“ behandelnden Titel V, der sich in zwei Kapitel unterteilt. Allgemeine Bestimmungen, die für alle Bereiche des auswärtigen Handelns gelten, enthält das erste Kapitel (Art. 21 bis 22 EUV); die dort für das auswärtige Handeln der Union vorgenommene Zusammenstellung von Grundsätzen und Zielen hatte in dem vor „Lissabon“ geltenden Primärrecht keine Entsprechung.40 Kapitel 2 hingegen führt die besonderen Bestimmungen über die GASP zusammen. Es ist durch seine Eingangsbestimmung, Art. 23 EUV, nun ausdrücklich mit anderen Bereichen des auswärtigen Handelns der EU verbunden. Die Verknüpfung wird durch dessen – insoweit klarstellende41 – Bezugnahme auf die in Art. 21 EUV (Kapitel 1) genannten Grundsätze und Ziele hergestellt.42 Das Kapitel über die GASP ist seinerseits in einen allgemeinen (grundlegende GASP-Vorschriften, Art. 23 bis 41 EUV) und einen besonderen Teil (spezielle Vorschriften über die GSVP, Art. 42 bis 46 EUV) gegliedert. Im Bereich der GASP ist der Erlass von Gesetzgebungsakten ausgeschlossen (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3 EUV), internationale Übereinkommen können hingegen geschlossen werden (Art. 37 EUV; Art. 216 Abs. 1 AEUV).43 Durch die Vertragsänderung von Lissabon in den EU-Vertrag hinzugekommen ist schließlich mit Art. 8 EUV, in systematischer Sicht überraschend, wenn nicht gar fragwürdig,44 eine Vorschrift über die Nachbarschaftspolitik.45 Wie eingangs erwähnt finden sich spezielle Vorschriften über auswärtiges Handeln der Union aber auch außerhalb der Vorschriften über die GASP. Sie sind insbesondere in dem mit dem Titel „Das auswärtige Handeln der Union“ überschriebenen fünften Teil des AEU-Vertrags (Art. 205 bis 222 AEUV) enthalten. Damit ist auch das Ziel, die Vorschriften über das auswärtigen Handeln der Union – wenigstens – innerhalb eines Vertragswerkes in einem Titel zusammenzufassen gescheitert; allerdings fasst der Reformvertrag immerhin einen großen Teil der Vor 39 In diesem Sinne verwendet von: Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/ J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 444 ff. 40 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 131. 41 Rudolf Geiger, Art. 21 EUV Rn. 5, in: ders./D.-E. Kahn/M. Kotzur, EUV/AEUV – Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Kommentar, 5. Aufl., München 2010. Die einheitliche Geltung der Grundsätze und Ziele für das gesamte auswärtige Handeln ordnet bereits Art. 21 Abs. 3 EUV an. 42 Vgl. zu beidem folgend unter D. und E. 43 Zum Abschluss internationaler Übereinkünfte im außen- und sicherheitspolitischen Sektor in diesem Teil unter G. I. 44 Hierzu sogleich. 45 Hierzu am Ende des Abschnitts.

C. Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union 

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schriften über das auswärtige Handeln der Union im gleichnamigen, fünften Teil des AEU-Vertrags zusammen und trägt somit zu einer gesteigerten Sichtbarkeit bei.46 Nach einer allgemeinen Vorschrift über das auswärtige Handeln der Union (Art. 205 AEUV), die auf die Ziele und Grundsätze des EU-Vertrags (Titel V, Kapitel 1) Bezug nimmt, folgen Vorschriften zur Gemeinsamen Handelspolitik (Art. 206 bis 207 AEUV), zur Zusammenarbeit mit Drittländern und zur humanitären Hilfe (Art. 208 bis 214 AEUV), zu restriktiven Maßnahmen der Union (Art. 215 AEUV), zu internationalen Übereinkünften (Art. 216 bis 219 AEUV) sowie schließlich zu den Beziehungen der Union zu internationalen Organisationen und Drittländern sowie zu Delegationen der Union (Art. 220 bis 221 AEUV). In den genannten Bereichen vergemeinschafteter Außenpolitiken können sowohl Gesetzgebungsakte erlassen als auch internationale Übereinkommen geschlossen werden (Art. 216 Abs. 1 AEUV). Den Abschluss des fünften Teils des AEUV bildet die Solidaritätsklausel (Art. 222 AEUV). Auch die Bestimmungen des AEU-Vertrags haben in systematischer Hinsicht inhaltliche Bezüge zur GASP bzw. zum Innenverhältnis der Union oder deren Mitgliedstaaten, so z. B. die in Art. 218 AEUV enthaltenen Vorschriften über das Verfahren der Aushandlung und des Abschlusses internationaler Übereinkünfte, die Bestimmungen über die Beziehung zu Drittstaaten und internationalen Organisationen (Art. 220 AEUV), die Solidaritätsklausel (Art. 222 AEUV) sowie schließlich die Vorschriften über restriktive Maßnahmen (Art. 215 AEUV). Insbesondere die Einordnung der Solidaritätsklausel des Art. 222 in den fünften Teil des AEUV wird angesichts der Aufgabe des ursprünglichen Konzepts des Verfassungsvertrages (Verschränkung mit der GSVP) durch den Vertrag von Lissabon (Verbleib der GASP im EU-Vertrag) als systembrüchig kritisiert.47 Der Grund für ihren Standort liegt schlichtweg in der Tatsache, dass die Regelung des Art. 222 AEUV nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages einfach im AEU-Vertrag stehen gelassen wurde.48 Ein anderes Beispiel für Inkonsistenzen in der Systematik des auswärtigen Handelns bieten die Vorschriften über den Abschluss internationaler Übereinkünfte und die Beziehungen zu internationalen Organisationen, soweit es sich hierbei um bisherige gemeinschaftliche Politiken handelt (vgl. Art. 216 ff. AEUV). Zuständig für die Vertretung der Union nach außen ist in diesen Bereichen – wie bisher – die Europäische Kommission, mit dem kleinen, aber bedeutsamen Unterschied, dass 46 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 175; Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12. 47 Vgl. Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 131. 48 Folgerichtig ist daher der Verweis in Art. 222 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 AEUV auf den EUV. So ebenfalls: Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 131.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

sie sich mit Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV hierbei erstmals auf eine primärrechtliche Rechtsgrundlage stützen kann.49 Schließlich bildet Art. 8 EUV mit seinen Bestimmungen zur europäischen Nachbarschaftspolitik ein Beispiel für die misslungene systematische Gliederung der Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union. Angesichts ihrer engen Verwandtschaft zu den oben genannten Vorschriften des AEU-Vertrags, hätte sich eine Verankerung im dortigen Teil V geradezu angeboten,50 nicht zuletzt, weil sie dort in enger Nachbarschaft mit den übrigen Kommissionszuständigkeiten im Bereich auswärtiger Angelegenheiten gestanden hätte. Insgesamt zeigen die ausgewählten Beispiele anschaulich, dass eine Zusammenfassung aller Bestimmungen zum auswärtigen Handeln in einem Vertrag (EUV), und hier wiederum in einem einzigen Titel, nicht nur transparenter und übersichtlicher gewesen wäre, sondern überdies die praktische Handhabung erheblich erleichtert hätte.

D. Grundsätze des auswärtigen Handelns Im Vorfeld der Arbeiten am Verfassungsvertrag wurde ein Katalog konzipiert, der die für das auswärtige Handeln der Union geltenden Grundsätze und Ziele zusammenfasste.51 Die Auflistung aller für das auswärtige Handeln der Union maßgeblichen Grundsätze und Ziele wurde in der Folge zunächst in Art. III-292 EVV aufgenommen. Als eine der zentralen Änderungen des Primärrechts durch den Reformvertrag52 fanden sie schließlich in Art. 21 EUV ihren positivrechtlichen Niederschlag. Ausweislich dessen Abs. 1 UAbs. 1 werden die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgeblichen Grundsätze, im Einzelnen also „(…) Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts (…)“ 49

Vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/ N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 951. 50 Für eine Aufnahme der inhaltlichen Regelung von Art. 8 EUV in den AEUV plädiert Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 199. 51 Vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002, S. 2 f. Die Abfassung eines derart umfassenden (Ziel-)Katalogs wird mitunter kritisch bewertet, vgl. Marise Cremona, The Union as a Global Actor: Roles, Models and Identity, in: CMLRev. 2004, S.  567 f. 52 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 178.

E. Ziele des auswärtigen Handelns

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zu Grundwerten und Handlungsmaßstäben der Unionsordnung erklärt. Sie gelten sowohl für das im EU-Vertrag geregelte auswärtige Handeln der Union als auch – über Art. 205 AEUV – für die im Vertrag über die Arbeitsweise der EU verankerten Bereiche des Unionshandelns mit auswärtigem Bezug. Dies stellt (auch) Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 EUV klar. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass das auswärtige Handeln der Union, gleich auf welcher Rechtsgrundlage es fußt, von den berufenen Organen auf dieselben Grundsätze und Ziele verpflichtet und in kohärenter Art und Weise ausgeübt wird.

E. Ziele des auswärtigen Handelns Wie schon die Grundsätze des auswärtigen Handelns beruhen auch dessen Ziele auf der Konzeption53 des Verfassungskonvents.54 Mit Art. 21 Abs. 2 EUV besteht erstmals ein umfassender Zielkatalog, der eine Verzahnung der in beiden Verträgen enthaltenen Teilsegmente zum auswärtigen Handeln bezweckt.55 Genau diese Verklammerung und die Unterwerfung unter gemeinsame Ziele stellen von mehreren Möglichkeiten eine Form dar, die vom Primärrecht als Leitgedanke des auswärtigen Handelns vorgesehene Kohärenz in die Praxis umzusetzen.56 Der für den EU-Vertrag bereits allgemein geltende Art. 3 Abs. 5 EUV erfährt mit Art. 21 EUV in außenpolitischer Hinsicht eine Konkretisierung. Dessen drei Absätze geben allen von der EU unterhaltenen Außenbeziehungen eine einheitliche Zielsetzung. Der Union kommt in Bezug auf ihr auswärtiges Handeln somit u. a. die Aufgabe zu, ihre Werte, Interessen und Sicherheit zu wahren (Art. 21 Abs. 2 lit. a EUV) und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu fördern (Art. 21 Abs. 2 lit. b EUV). In den genannten Bestimmungen sowie allen weiteren Zielen (Art. 21 Abs. 2 lit. c bis h EUV) ist der Europäische Rat nach Art. 22 Abs. 1 und 2 EUV „zur Festlegung strategischer Interessen und Ziele der Union“ für den Bereich der GASP und „anderer Bereiche des auswärtigen Handelns der Union“ ermächtigt, also hinsichtlich des gesamten Bereichs des auswärtigen Handelns der Union, mit Ausnahme der externen Aspekte der sonstigen Politikfelder. Dies darf aus dem Ver 53

Die korrespondierende Bestimmung des Verfassungsvertrags war Art. III-292 EVV. Zur Entstehungsgeschichte im 4. Teil C. und D. 55 Zu den Zielbestimmungen unter früherer Rechtslage: Christian Calliess, Politische Ziele und Prinzipien im Verfassungsrecht der Europäischen Union, in: Berliner Online-Beiträge zum Europarecht, Nr. 7, 2004; Dokument verfügbar unter: http://portal-europarecht.de/index. php?option=com_jdownloads&view=viewcategory&catid=5&Itemid=12 (letzter Abruf: 29.5. 2013); Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 235. 56 Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 185. Vgl. hierzu noch 4. Teil H. IV., 5. Teil A. I. 4. sowie 5. Teil E. II. und III. 54

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

gleich der Formulierung des Art. 22 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 EUV („Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie auf andere Bereiche des auswärtigen Handelns der Union“) mit der des Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 EUV („auswärtiges Handeln in den verschiedenen unter diesen Titel und den Fünften Teil des Vertrags über die Arbeitsweise […] fallenden Bereiche sowie der externen Aspekte der übrigen Politikbereiche“) gefolgert werden. In Bezug auf den Geltungsbereich der in Abs. 1 und 2 aufgezählten (Grundsätze und) Ziele benennt Art. 21 Abs. 3 EUV alle Bereiche, in denen das auswärtige Handeln der Union relevant werden kann, nämlich Titel V des EUV, den fünften Titel des AEUV (Art. 205 AEUV wiederholt insoweit die Bindung an Art. 21 EUV) sowie bei den „externen Aspekten der übrigen Politikbereiche“. Damit erkennt er das Bedürfnis nach kohärenten Regelungen für die einzelnen Bereiche des auswärtigen Unionshandelns sowie für die Summe dieser und der Binnenpolitiken an.57 Von den besonderen Zielvorgaben für das auswärtige Handeln der Union abgesehen, gelten daneben auch die in den Querschnittsklauseln der Art. 6 bis 12 AEUV genannten Ziele und Gebote. Für den im AEUV fixierten Bereich des auswärtigen Handelns der Union erneuert Art. 205 AEUV die Bindung an den Zielkatalog des Art. 21 Abs. 1 und 2 EUV, was letzterer Vorschrift die Bezeichnung als „chapeau provision“58 eingebracht hat. Diese Wiederholung ist angesichts der Verschmelzung von EG und EU allenfalls deklaratorisch, wenn nicht sogar redundant59 oder kontraproduktiv.60 Denn sie wirft die Frage nach dem Rangverhältnis der Zielvorgaben, ins­besondere für den Fall etwaiger Zielkonflikte und der Notwendigkeit eines Interessenausgleichs auf,61 für die auch die Vertragsänderung von Lissabon keine Lösung gefunden hat. Die an sich überflüssige Wiederholung zeigt andererseits unbeabsichtigt, aber dafür umso deutlicher, dass es den Verträgen an einer Rückverpflichtung der

57 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 133. 58 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 242; im Deutschen etwa: „Dachbestimmung“. Ähnlich: Tobias Jaag, Demokratische Legitimation der EU-Außenpolitik nach Lissabon, in: EuR 2012, S. 310 („Dach“). 59 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 133. 60 Das Fehlen eines Rangverhältnisses der Zielvorgaben untereinander bzw. eine Rückverknüpfung der Binnenpolitiken mit auswärtigem Bezug auf die außenpolitischen Ziele stellt sich als problematisch dar: Marise Cremona, The Union as a Global Actor: Roles, Models and Identity, in: CMLRev. 2004, S. 567 f.; Jan Wouters/Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 5. 61 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 178; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 238 (noch zur entsprechenden Bestimmung des Verfassungsvertrags).

F. Kompetenzordnung im Bereich des auswärtigen Handelns

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Binnenpolitiken mit externem Bezug auf die genannten außenpolitischen Ziele ermangelt.62 Unabhängig davon, ob man die Ziele der Union Dworkin zufolge als „policies“ einordnet, die nach seinem Verständnis anders als die „Prinzipien“ am Kollektiv ausgerichtet, dem Gemeinwohl, nicht aber dem Individuum verpflichtet sind,63 oder ob man sie mit Alexy als konkretisierte Gemeinwohlbelange als Prinzip und damit als Optimierungsgebot versteht,64 kommt ihnen in Bezug auf die durch sie verpflichteten Unionsorgane eine handlungsleitende Funktion zu, indem sie Vorgaben machen, an der sich die Organe bei der Ausübung ihrer Kompetenzen orientieren müssen. Wenngleich die EU nicht die einen Staat konstituierenden Eigenschaften aufweist, weisen doch ihre Ziele, auch die des auswärtigen Handelns, durch ihre direktive Funktion starke Ähnlichkeiten mit denen eines Staates auf.65 Dies resultiert daher, dass die ursprünglich aus der staatlichen Sphäre stammenden Ziele von den Mitgliedstaaten auf die Unionsebene übertragen („vergemeinschaftet“) wurden,66 um trotz der in der Folge überlagerten nationalen Ziele eine staatlichen Ansprüchen entsprechende Kompetenzausübung und Aufgabenerledigung zu bewirken.

F. Kompetenzordnung im Bereich des auswärtigen Handelns Das auswärtige Handeln der Union unterliegt keiner einheitlichen Kompetenzstruktur. Während die gemeinsame Handelspolitik zu den nach Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV ausschließlichen Zuständigkeiten der Union, die Entwicklungshilfe (Art. 4 Abs. 4 AEUV) hingegen zu den zwischen Union und Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeiten zählt, erklärt Art. 2 Abs. 4 AEUV die Union für berechtigt, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen. Neben den im AEU-Vertrag niedergelegten und anerkannten Kompetenzordnungskategorien (ausschließliche, geteilte und Unterstützungs-, Koordinierungs- und 62

Hinweise auf Auflösungsmöglichkeiten dieser Inkonsistenzen bei: Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 133. 63 Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, London 1977, S. 90 f. 64 So das Verständnis von Prinzipien bei Alexy, der sie als rechtlich verbindliche Optimierungsgebote begreift, die möglichst weitgehend Verwirklichung finden, im Kollisionsfall aber in einen schonenden Ausgleich gebracht werden sollen, Robert Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994, S. 75 ff. 65 Zu den Zielen einer Staatsverfassung und der Unionsverfassung: Karl-Peter Sommermann, Herkunft und Funktionen von Verfassungsprinzipien in der Europäischen Union, in: H. Bauer/ Ch. Calliess (Hrsg.), Verfassungsprinzipien in Europa – Constitutional Principles in Europe – Principes Constitutionnels en Europe, Societas Iuris Publici Europaei, Bd. 4, Athen u. a. 2008, S.  25 ff. 66 Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997, S. 280.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Ergänzungszuständigkeiten, Art. 3 bis 6 AEUV) bildet die GASP also einen eigenen Kompetenztypus.67 Hieran wird deutlich, dass die GASP die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten unberührt lässt68 bzw. sie lediglich ergänzen soll – dies gilt auch nach dem Vertrag von Lissabon.69 Hintergrund dieser Entscheidung der Mitgliedstaaten ist die Einstufung der GASP-Maßnahmen als solche, die nicht zum „Tagesgeschäft“ gehören, sondern eine stete Neubewertung der Situation und der konkreten politischen Rahmenbedingungen erfordern. Da es sich bei EU-Vertrag und AEU-Vertrag um rechtlich gleichrangige Verträge (Art. 1 UAbs. 3 S. 2 EUV und Art. 1 Abs. 2 S. 2 AEUV) handelt, ist die aus der Verschmelzung der Säulen hervorgegangene Rechtsordnung einheitlicher Natur. Damit steht nicht mehr das Verhältnis der Verträge zueinander in Frage, sondern nur das Verhältnis der GASP-Bestimmungen zu den übrigen Vorschriften der vormaligen Gemeinschaftspolitiken mit externen Aspekten. Hinsichtlich der Abgrenzung der GASP-Vorschriften von den Bestimmungen der übrigen Politikfelder sieht Art. 40 EUV eine wechselseitige Verpflichtung zur Beachtung der jeweiligen Kompetenzen: Demnach lässt die Durchführung der GASP die Anwendung der Verfahren und den Umfang der Befugnisse der Organe, die sich aus dem AEUV ergeben, unberührt (UAbs. 1). Unterabsatz 2 derselben Vorschrift sieht eine entsprechende Verpflichtung in „umgekehrter Richtung“70 vor.

67 Vgl. Marise Cremona, The Draft Constitutional Treaty: External relations and external action, in: CMLRev. 2003, S. 1353 f. („something ‚special‘ or ‚sui generis‘“); in diese Richtung auch, wenngleich auf die Widersprüche in der Kompetenzverteilung hinweisend: Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 427; Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 137, insbesondere Fn. 788 m. w. N.; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 511 („Sonderstellung“); kritisch zur Annahme einer „sui generis“-Kategorie: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 229, 244; Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 46 mit Fn. 11 („ohne Zuordnung“). „Zwischen“ den Bereichen geteilter Zuständigkeit und den Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungszuständigkeiten sieht Wessels die GASP-Kategorie eingeordnet, Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungs­ vertrag“, in: ZSE 2003, S. 412. 68 Stephan Marquardt, Kompetenzgefüge und Handlungsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP): Neuere Entwicklungen und Perspektiven, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 196 („Parallelkompetenzen“). 69 Zu der sich aus diesem Umstand ergebenden haftungsrechtlichen Problematik: Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 430 ff. 70 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 139.

G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren

133

Angesichts der Verbindlichkeit einheitlicher Ziele für das gesamte auswärtige Handeln der Union71 scheiden diese als Kriterien für die Abgrenzung der Vorschriften über das auswärtige Handeln voneinander aus. Taugliche Abgrenzungskriterien liegen jedoch neben dem „Inhalt“ der Vorschrift auch in der „Handlungsform“.72 Die GASP ist hinsichtlich der Handlungsform vor allem auf den Beschluss (Art. 25 lit. b EUV) festgelegt; völkerrechtliche Abkommen können im Rahmen der GASP nur als unterstützendes Instrument hinzugezogen werden. Die Vertragsabrundungsklausel des Art. 352 AEUV scheidet als Rechtsgrundlage für die Verwirklichung von Zielen der GASP nach dessen eindeutigem Wortlaut (Art. 352 Abs. 4 AEUV) aus. Die letztgenannte Vorschrift bringt hinsichtlich der Abgrenzungsproblematik im Übrigen keinen nennenswerten Mehrwert, da mit dem Vertrag von Lissabon die Unterscheidung zwischen „Zielen der GASP“ und „anderen Zielen des auswärtigen Handelns“ zum Zwecke eines kohärenten Handelns der Union in auswärtigen Angelegenheiten gerade aufgegeben wurde. Sie bildet im Gegenteil ein Beispiel für die durch den Vertrag von Lissabon (bzw. den Verfassungsvertrag) eingetretene Inkonsistenz.

G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren Die Kompetenz der Union, völkervertragsrechtliche Verpflichtungen einzu­ gehen (hierzu unter I.) sowie das Vertragsschlussverfahren (unter II.) sollen im folgenden Abschnitt dargestellt werden. Aus Gründen der Üblichkeit wird hierbei die Abkürzung „GASP“ verwendet, wenngleich sich die Untersuchung auf das Segment der gemeinsamen Außenpolitik konzentriert.

I. Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen Eine Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge stand der EG ausweislich der Bestimmung des Art. 300 EGV zu.73 Sie knüpfte an die ihr in Art. 281 EGV verliehene Völkerrechtssubjektivität an.74 Ungeachtet der Tatsache, dass auf 71

Vgl. hierzu im 4. Teil E. Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 139. 73 Eine Übersicht über das Zusammenwirken der beteiligten Organe Rat und Kommission in den verschiedenen Phasen des Vertragsschlusses nach Art. 300 EGV geben Thomas Bruha/ Markus Rau, Verfassungsrechtliche Dimensionen europäischer Außenpolitik, in: Th. Bruha/ C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 169. 74 Zu Struktur und Wandel der Außenkompetenzen der EG: Peter Gilsdorf, Die Außenkompetenzen der EG im Wandel – eine kritische Auseinandersetzung mit Praxis und Rechtsprechung, in: EuR 1996, S. 145 ff. 72

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

dogmatischer Ebene noch darüber diskutiert wurde, ob auch die EU vor Inkrafttreten des Reformvertrags die notwendige Völkerrechtssubjektivität hatte, um völkerrechtliche Übereinkommen zu schließen,75 tat sie genau dies bereits in der Vergangenheit.76 Auf der Basis der seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon explizit anerkannten Völkerrechtssubjektivität wird die EU zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen durch Art. 37 EUV bzw. durch Art. 216 Abs. 1 AEUV unter den dort näher genannten Voraussetzungen77 explizit ermächtigt. Demnach kann sie mit Drittländern oder internationalen Organisationen Übereinkünfte abschließen, „wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist“ oder wenn der Abschluss im Rahmen der Unionspolitik zur Verwirklichung eines Vertragsziels „erforderlich“ oder in einem verbindlichen Unionsrechtsakt „vorgesehen ist oder aber gemeinsame Vorschriften beeinträchtigen oder schließlich deren Anwendungsbereich ändern könnte“. Art. 37 EUV erweitert die Möglichkeit des Abschlusses internationaler Übereinkünfte um den Bereich der GASP, indem er durch seine Formulierung („Übereinkünfte mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen“) inhaltlich an den Wortlaut des Art. 216 AEUV anknüpft.78 Schließlich ist nach Art. 217 AEUV der Abschluss von Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten und internationalen Organisationen möglich, die gegenseitige Rechte und Pflichten und besondere Verfahren begründen. Mit den für Art. 216 AEUV gewählten Formulierungen lässt der Vertrag von Lissabon die im Laufe der Jahre ergangene Rechtsprechung des EuGH zur impliziten Vertragsschlusskompetenz der EG79 in kodifiziertes Primärrecht einfließen.80 Unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf die die Übereinkünfte gestützt werden, 75

Hierzu Rudolf Streinz, Europarecht, 8. Aufl., Heidelberg 2008, Rn. 134 sowie noch im 5. Teil B. II. 76 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 357; Stefan Kadelbach, Die Außenpolitik im europäischen Mehrebenensystem und ihre rechtliche Basis – Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, BadenBaden 2006, S. 15; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 175. 77 Zur Anwendung des Art. 216 AEUV und dessen Voraussetzungen: Jennifer Heuck, Die Außenkompetenzen der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon, in: Jura 2013, S.  199 ff. 78 Art. 218 Abs. 3 AEUV sieht dementsprechend ein Verfahren für den Fall vor, dass die Übereinkunft ausschließlich oder hauptsächlich GASP-Fragen zum Gegenstand hat. 79 Von wegweisender Bedeutung für die Vertragsschlusskompetenz der EG/EU war ins­ besondere das Urteil: EuGH, Rs. 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263 (AETR); weitere Beispiele bei Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 176. 80 Marise Cremona, The Draft Constitutional Treaty: External relations and external action, in: CMLRev. 2003, S. 1351, 1362; Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 134.

G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren

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werden auf „Unionsseite“ sowohl die Unionsorgane als auch die Mitgliedstaaten gebunden (Art. 216 Abs. 2 AEUV). Gleiches gilt – getreu dem Prinzip „pacta sunt servanda“ – für die jeweiligen Vertragspartner. Die Vertragsschlusskompetenz ist nach Art. 3 Abs. 2 AEUV ausschließlich, „wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist, wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte.“

Liest man die Bestimmung des Art. 216 Abs. 1 AEUV und des Art. 3 Abs. 2 AEUV nun zusammen, ist die Vertragsschlusskompetenz demnach ausschließlich, wenn sich die Kompetenzbestimmung in einem Rechtsakt findet, der im (ordentlichen oder besonderen) Gesetzgebungsverfahren angenommen wurde und nach Art. 289 Abs. 3 AEUV einen sog. Gesetzgebungsakt darstellt (1. Alt.) oder wenn der betroffene Rechtsbereich derart durch unionale Vorschriften „durchnormiert“ ist, dass für mitgliedstaatliche Regelungen kein eigenständiger Raum bleibt, den sie mit völkerrechtlichen Bestimmungen füllen könnten (2. Alt.). Eröffnen die Unionsbestimmungen hingegen einen solchen Spielraum, ist die Zuständigkeit zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkommen entsprechend der dargestellten Funktionslogik der Vorschriften der Art. 216 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 AEUV („soweit“) zwischen der Union und den Mitgliedstaaten geteilt (Art. 2 Abs. 2 AEUV). Über eine lediglich geteilte Zuständigkeit für den Abschluss eines völkerrecht­ lichen Übereinkommens verfügt die Union ferner, wenn sich die Kompetenz aus einer Vorschrift der Verträge ergibt, die den Mitgliedstaaten eigene Abschluss­ kompetenzen einräumt, oder wenn eine entsprechende Kompetenz der Union in einem Rechtsakt, der nicht als Gesetzgebungsakt ergangen ist, vorsieht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass unabhängig von der Vertragsschlusskompetenz nach Art. 216 AEUV mit der Kompetenzergänzungsklausel des Art. 352 AEUV81 eine Art. 308 EGV entsprechende Regelung über die impliziten Vertragsschlusskompetenzen der Union (ehemals EG) besteht, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht näher untersucht werden soll.82

II. Vertragsschlussverfahren Bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon war in auswärtigen EG-Politikbereichen (z. B. Entwicklungshilfe, Außenhandels- und Nachbarschaftspolitik) die Kommission für die Außenvertretung zuständig. Für die Vertretung und Wahr 81 Vgl. die zu Art. 352 AEUV ergangenen Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz Nr. 41 und 42. 82 Zur Kompetenzergänzungsklausel: Marcus Geiss, Art. 352 AEUV, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Baden-Baden 2012; Daniela Winkler, Art. 352 AEUV, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. III, München, Stand: Oktober 2011 (46. EL).

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

nehmung ihrer Interessen im Ausland baute die Kommission ein weltweites Netz von Delegationen auf, die dem Außenkommissar unterstanden. Die Kompetenz der EG, internationale Abkommen abzuschließen, speiste sich hauptsächlich aus zwei verschiedenen Quellen. Zum einen statuierte Art. 133 EGV eine Kompetenz im Bereich der Gemeinsamen Außenhandelspolitik. Daneben verankerte Art. 310 EGV zum anderen die Befugnis der EG, mit Nichtmitgliedstaaten Assoziationsabkommen für die Gemeinschaften abzuschließen. Diese sind seit Bestehen der EGKS Grundmuster und bis heute wichtigste Form der Gestaltung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften und der jetzigen Europäischen Union.83 Darüber hinaus lieferte Art. 310 EGV die rechtliche Grundlage für den Abschluss von Abkommen mit anderen internationalen Organisationen.84 Hingegen wurden Übereinkünfte, die im Rahmen der GASP getroffen wurden (Titel V EUV a. F.), vom Rat auf Empfehlung des zur Aufnahme von Vorverhandlungen ermächtigten Ratsvorsitzes (gegebenenfalls einstimmig) getroffen (Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 EUV a. F.).85 Das Verfahren zum Abschluss von völkerrechtlichen Übereinkommen der Union mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen (Art. 216 Abs. 1 und Art. 217 AEUV und Art. 37 EUV) richtet sich seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon grundsätzlich unabhängig vom jeweils betroffenen Politikbereich nach den in Art. 218 AEUV niedergelegten Grundsätzen.86 Die Integration der GASP in das allgemeine Vertragsschlussverfahren ermöglicht Art. 37 EUV, der durch seine Formulierung „Übereinkünfte mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen“ implizit auf Art. 216 ff. AEUV Bezug nimmt. Ausnahmen von der grundsätzlichen Anwendung des Art. 218 AEUV bestehen mit

83 Rolf Ahmann/Reiner Schulze/Christian Walter, Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 10. 84 Zum Abschluss gemischter Abkommen nach alter bzw. neuer Rechtslage: Ricardo Gosalbo Bono, The new organization of external relations, non-paper, Workshop on the institutional implementation of the Lisbon Treaty, 11–12 February 2010, European University Institute Florence, S. 5, 15 ff.; Tobias Jaag, Demokratische Legitimation der EU-Außenpolitik nach Lissabon, in: EuR 2012, S. 317 ff.; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 145 ff., auch zu Cross-pillar-mixity-Abkommen (S. 168 f., 379); Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S.  481 ff. 85 Durch die Erklärung seines Vertreters im Rat, „dass in seinem Land bestimmte verfassungsrechtliche Vorschriften eingehalten werden müssen“, konnte sich ein Mitgliedstaat nach alter Rechtslage noch von der Bindung der Übereinkunft suspendieren (Art. 24 Abs. 5 HS 1 EUV a. F.). 86 Spezialbestimmungen zur GASP wie beispielsweise über die Einstimmigkeit der Beschlussfassung (Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EUV; Art. 218 Abs. 8 UAbs. 2 AEUV) bleiben hiervon freilich unberührt.

G. Vertragsschlusskompetenz der EU und Vertragsschlussverfahren

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Art. 207 AEUV für die gemeinsame Handelspolitik bzw. mit Art. 219 AEUV für die Währungspolitik.87 Nach Art. 218 Abs. 2 AEUV erteilt der Rat, nicht der Ratsvorsitz,88 die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen, legt Leitlinien für den Verhandlungsprozess fest, genehmigt die Unterzeichnung und schließt die Übereinkünfte.89 Beschlüsse des Rates erfolgen in der Regel mit qualifizierter Mehrheit (Art. 218 Abs. 8 UAbs. 1 AEUV). Einstimmigkeit ist nur vorgesehen, wo die Übereinkunft einen Bereich betrifft, in dem für den Erlass eines Rechtsakts Einstimmigkeit notwendig ist, oder bei Beitritts- oder Assoziierungsübereinkünften sowie schließlich für die Übereinkunft über den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 AEUV). Dem Rat kommt im Vertragsschlussverfahren damit eine zentrale Rolle zu. Die Intensität der Beteiligung anderer Unionsorgane variiert je nach Materie, in der der Vertrag geschlossen werden soll. Abhängig vom Themenbereich der Vereinbarung legt entweder die Kommission oder der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik dem Rat gemäß Art. 218 Abs. 3 HS 1 AEUV Empfehlungen vor, zu dem Letzterer dann einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und zur Benennung eines Verhandlungsführers erlässt (HS 2). Durch die in Art. 218 Abs. 4 AEUV eingeräumte Möglichkeit des Erlasses von Richtlinien für den Verhandlungsführer kann der Rat wichtige Weichenstellungen bei den Vertragsschlussverfahren vornehmen. Die Beteiligungsrechte des Europäischen Parlaments haben durch Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 AEUV gegenüber der früheren Rechtslage (Art. 300 Abs. 3 EGV) eine beträchtliche Aufwertung erfahren. Hiernach ist die Anhörung des Parlaments außer in Fällen, die ausschließlich die GASP betreffen,90 obligatorisch (Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 lit. b); in den unter lit. b aufgezählten Bereichen (insbesondere für Übereinkünfte in Bereichen, für die das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gilt, lit. v) ist sogar die Zustimmung des Parlaments erforderlich.91 87

Zu den verfahrensrechtlichen Besonderheiten beim Abschluss von Handels- bzw. Währungsabkommen: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 375 f., 381 ff. bzw. S. 379 ff. (noch zu den entsprechenden Vorschriften des Verfassungsvertrags). 88 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 5, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Der Ratsvorsitz muss hingegen explizit ermächtigt werden, internationale Abkommen für die Union rechtsverbindlich abzuschließen. 89 Das Verfahren nach Art. 218 Abs. 2 AEUV gilt auch für den Abschluss von gemischten Verträgen, also für Übereinkommen, die verschiedenen Politikfeldern unterfallen, vgl. An­dreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 373, 379 (noch zu den entsprechenden Vorschriften des Verfassungsvertrags). 90 Damit entspricht der EUV i. d. F. von Lissabon Art. 24 EUV a. F., der ebenfalls keine direkte Beteiligung des Parlaments am Vertragsschlussverfahren vorsah. 91 Zur gestiegenen Bedeutung des Europäischen Parlaments in diesem Teil unter H. V.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns nach der Vertragsreform von Lissabon Der Vertrag von Lissabon hat einige Veränderungen im institutionellen Gefüge des auswärtigen Handelns der Union, insbesondere in der GASP bewirkt,92 von denen im Folgenden einige für das Verständnis des Systems europäischer Vertretung nach außen und für die Einordnung des EAD wesentliche Änderungen einer näheren Betrachtung unterzogen werden sollen.93

I. Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Das Herzstück der Vertragsreform liegt in der Schaffung des gegenüber der vorigen Rechtslage im Aufgabenzuschnitt veränderten94 Amtes eines Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV), das zu einer Bündelung der außenpolitischen Kompetenzen der EU beitragen soll. 92 Zur Übergangs- und Umsetzungsphase nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1.12.2009 unter spanischer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2010: Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 243 ff. 93 Neben den im Folgenden betrachteten Änderungen ist ferner das nun primärrechtlich verankerte Recht auf Austritt aus der Union (Art. 50 Abs. 1 EUV) besonders hervorzuheben, das in vorliegender Darstellung nicht behandelt wird. Hierzu aus rechtlicher und ökonomischer Perspektive bei: Thomas Bruha/Carsten Nowak, Recht auf Austritt aus der Europäischen Union? Anmerkungen zu Artikel I-59 des Entwurfs über eine Verfassung für Europa sowie bei Wolf Schäfer, Austritt aus der EU? Das Sezessionsrecht aus konstitutionenökonomischer Sicht, beide Beiträge in: Th. Bruha/W. Schäfer/A. Graf Wass von Czege (Hrsg.), Die Europäische Union nach der Erweiterung – Deutsch-ungarische Standpunkte, Baden-Baden 2004, S. 69 ff., 75 ff. (beide noch zur Vorläuferbestimmung des Verfassungsvertrags); Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 95 ff. 94 Wie noch darzulegen sein wird, hat sich das Aufgabenspektrum des Hohen Vertreters erweitert (vgl. hierzu folgenden Abschnitt). Um dies angesichts der nur marginalen Änderung der Amtsbezeichnung (früher: „Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“, Hervorhebungen nur hier) zu veranschaulichen, versieht Rüger sie daher mit der Zusatz „2.0“, der sozusagen die „Neuauflage“ des Amtes andeuten soll, vgl. Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 201 ff. Mit den Aufgaben des im Verfassungsvertrags vorgesehenen „Außenministers der Union“ ist es jedoch deckungsgleich: Rudolf Streinz/ Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 142. Anders: Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, BadenBaden 2008, S. 178 f., der die Auffassung vertritt, dass mit der Aufgabe des Begriffs „Außenminister“ ein Verlust an Wirkungskraft einhergeht. Zu den Aufgaben des Hohen Vertreters für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach den Verträgen von Amsterdam und Nizza: Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 945 f.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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1. Entwicklung des Amts und Amtsbezeichnung Das Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik entspricht in vollem Umfang dem Amt des Außenministers der Union, das der Verfassungsvertrag in Art. I-28 EVV vorsah. Wie die Mehrheit der übrigen institutionellen Neuerungen im Bereich der Außenvertretung geht auch die Neukonzeption des Amts des Hohen Vertreters auf den Vorschlag der im Rahmen der Verfassungskonvents eingesetzten Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) zurück.95 Die vormals gängige Praxis der Troika, bestehend aus Ratsvorsitz, Hohem Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und dem Kommissar für Außenbeziehungen wurde durch das Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik abgelöst.96 Bei den Überlegungen über die Konzeption des Amtes des Hohen Vertreters wurden, ähnlich wie für den EAD,97 verschiedene Optionen erwogen. Dass der Hohe Vertreter nach den geltenden Verträgen nicht originärer Bestandteil der Ratsstrukturen ist, geht auf die auch von deutscher Seite geäußerte Befürchtung zurück, dass hiermit einer Renationalisierung bereits vergemeinschafteter Bereiche der EU-Außenpolitik Vorschub geleistet werde.98 Während der Verhandlungen über das Amt des Hohen Vertreters wurden verschiedene Amtsbezeichnungen diskutiert. Im Gespräch waren neben dem letztlich gewählten auch die Titel

95 Vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002, S. 5, zur Diskussion und anderen Gestaltungsoptionen vgl. S. 19 ff. sowie Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 247 ff. und Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 207. 96 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 199; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 206; Hans Krück, Art. 11–28 EUV Rn. 55, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 1. Aufl., Baden-Baden 2000; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 214 („Troika in einer Person“); Rudolf ­Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 142; noch zu den Bestimmungen des Verfassungsvertrages: Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 102 [„concentrating these (…) roles in one single person“]. 97 Hierzu im 5. Teil D. II. 1. 98 Arbeitsdokument Nr. 17 („Doppelhut“) der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, vom 5. November 2002, S. 2; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres ­Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 20.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

„Europäischer Vertreter für Auswärtiges“ („European External Representative“),99 „EU-Minister für Auswärtige Angelegenheiten“ („Union Minister for Foreign Affairs“) oder „EU-Außenminister“ („EU Foreign Secretary“).100 Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der Bezeichnung „Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik“101 war einerseits die bereits bei der gescheiterten Ratifizierung des Verfassungsvertrags zu Tage getretene Ablehnung des Begriffs „Außenminister“102 oder anderer, Staatlichkeit suggerierender Amtsbezeichnungen durch einige Mitgliedstaaten103 sowie andererseits der Wille, einen Begriff zu wählen, der auf den nationalen Ebenen keine Entsprechung findet104 und daher nicht nur Verwechselungen mit nationalen Ämtern vorbeugen kann, sondern darüber hinaus das Potential hat, zum Kennzeichen für die europäische Außenvertretung zu werden. Anders jedoch als die gewählte Amtsbezeichnung suggeriert, ist das Tätigkeitsfeld des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, im Gegensatz zu dem seines Vorgängers, materiell nicht auf die im EU-Vertrag verankerte GASP beschränkt, sondern umfasst alle von der EU unterhaltenen Außenbeziehungen, also auch die des AEU-Vertrags.105 Die gewählte Amtsbezeichnung birgt also die Gefahr von Missverständnissen. Zu allem Überfluss hat sich allen strategischen Überlegungen zum Trotz der durch den Verfassungsvertrag in die Diskussion eingebrachte und gegenüber der aktuellen Amtsbezeichnung griffigere Begriff des „Außenministers“ in Politik und Medien weitgehend gehalten.106 99 Arbeitsdokument Nr. 17 („Doppelhut“) der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, vom 5. November 2002, S. 3. 100 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 208. 101 Auf Englisch: „High Represenative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy“, auf Französisch: „Haut Représentant de l’Union pour les affaires étrangères et la politique de sécurité“. 102 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 239. Zu dem mit der Aufgabe des Begriffs „Außenminister“ verbundenen Verlustes an Wirkungskraft: Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 178 f.; ders., Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S.  128 ff. 103 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Represen­ tative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 209. 104 Vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16. Dezember 2002, dort S. 5 (mit Fn. 1). 105 Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 178. 106 So beispielsweise: Nikolas Busse, Ratspräsident und Außenministerin – Herman von Rompuy und Catherine Ashton bilden die EU-Spitze, FAZ vom 20.11.2009 (abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/ratspraesident-und-aussenministerin-

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Der Amsterdamer Vertrag hatte dem Generalsekretär des Rates zusätzlich das Amt des Hohen Vertreters für die GASP übertragen. Dessen eigentlich nur die Ratspräsidentschaft „unterstützende“107 Funktion hatte Javier Solana, erster und (fast) einziger Amtsinhaber, nicht nur Form und Gestalt verliehen, sondern zu einer – gegenüber dem Wortlaut des Art. 26 EUV a. F. – insgesamt erweiterten Interpretation108 und damit durch „soft power“ zu einer beträchtlichen Aufwertung der Position insgesamt beigetragen.109 De facto hatte Solana die Außenvertretung der Union also bereits zu diesem Zeitpunkt übernommen,110 was ihm den Spitz­ namen „Mr. GASP“ einbrachte.111 Unter der Geltung des Vertrags von Nizza arbeiteten dem Generalsekretär des Rates und Hohen Vertreter Solana verschiedene Generaldirektionen zu, von denen eine, die Generaldirektion E,112 mit der ratsseitigen Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen (GASP inkl. GSVP, Erweiterung, Handel und Entwicklung) betraut war. Auf Seiten der Kommission waren fünf113 Generaldirektionen regelmäßig mit Fragen der Vertretung nach außen befasst. Waren Solana im Fall von Meinungsunterschieden zwischen den Mitglied­ staaten in Bezug auf GASP-Angelegenheiten noch die Hände gebunden,114 weil herman-van-rompuy-und-catherine-ashton-bilden-eu-spitze-1884010.html; letzter Abruf: 29.5. 2013), aber auch Kommissionspräsident Barroso: „[o]ur Foreign Minister“ (vgl. www.euobserver. com vom 20.11.2009). 107 Vgl. Art. 18 Abs. 3, Art. 26 EUV a. F.; vgl. auch Carolin Rüger, A position under construc­ tion: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. MüllerBrandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 225 („serving position“); Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 91. 108 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 24. 109 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 274; dies./Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 25. 110 Als Beispiele hierfür werden angeführt: die Vermittlerrolle Solanas im Balkankonflikt oder die Bemühung und die Wiederherstellung dauerhaften Friedens durch das Nahost-Quartett, vgl. Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 11, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 111 Matthias Ruffert, Institutionen, Organe und Kompetenzen – der Abschluss eines Reformprozesses als Gegenstand der Europarechtswissenschaft, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 44. 112 Die Abkürzung „E“ stand für die Bezeichnung der Generaldirektion in englischer Sprache („External relations“). 113 Vgl. die bereits in der Einleitung unter A. Genannten. 114 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 274.

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er nur auf Weisung des Europäischen Rates und des Rates tätig werden durfte, hat Ashton eine gegenüber ihrem Amtsvorgänger gestärkte Position inne.115 Sie verfügt mit ihrem Initiativrecht dem Wortlaut nach über ein echtes Gestaltungspotential. Anders formuliert, wurde der Hohe Vertreter durch den Vertrag von Lissabon dazu befähigt, potentiellen politischen Blockaden im Bereich der GASP vorzubeugen (Art. 18 Abs. 2 S. 2 EUV, dies wiederholend: Art. 30 Abs. 1 EUV). Das Initiativrecht muss der Hohe Vertreter sich allerdings mit den Mitgliedstaaten teilen; er kann hierbei auch von der Kommission unterstützt werden. Außerdem bleibt die Kommission in allen anderen Fragen mit auswärtigem Bezug vorschlagsberechtigt (Art. 22 Abs. 2 EUV). Die Funktion des Generalsekretärs des Rates wurde durch den Vertrag von Lissabon vom Amt des Hohen Vertreters getrennt.116 Erstere besteht seitdem selbstständig fort und wurde zunächst von dem Franzosen Pierre de Boissieu (Dezember 2009 bis Juni 2011), dann von dem Deutschen Uwe Corsepius (seit Juni 2011) bekleidet. 2. Ernennung Der Hohe Vertreter wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und der Zustimmung des Kommissionspräsidenten ernannt (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV). Eine Befassung des Europäischen Parlaments erfolgt über das Verfahren zur Einsetzung der Kommission. Nach Art. 17 Abs. 7 UAbs. 3 S. 1 EUV unterliegt der Hohe Vertreter ebenso wie alle anderen Kommissionsmitglieder dem Zustimmungsvotum des Parlaments. Hinsichtlich seiner Amtszeit sieht der EU-Vertrag keine gesonderte Regelung vor, sodass die für die Kommission vorgesehene Amtszeit von fünf Jahren ausschlaggebend ist (Art. 17 Abs. 3 UAbs. 1 EUV).117 Die für die Besetzung des Amts maßgeblichen Kriterien sind ebenso wie die für den Präsidenten des Europäischen Rates und den Kommissionspräsidenten in der Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrags von Lissabon118 genannt. Hierzu zählen die gebührende Berücksichtigung und die angemessene Achtung der „geografischen und demografischen Vielfalt“ der Union und ihrer Mitgliedstaaten. 115 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 238; Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 459. 116 Zum Aufgabenbereich des Generalsekretariat des Rates nach Lissabon: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 171 f. 117 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 398 (mit Fn. 39). 118 Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrags von Lissabon, ABl.EU 2008, Nr. C 115 S. 338 vom 9.5.2008.

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Zweifellos zeigte die von der interessierten Öffentlichkeit verfolgte Suche nach einem geeigneten Kandidaten für die erste Amtszeit,119 dass sich die EU-Organe und Mitgliedstaaten bei ihren Vorschlägen neben den benannten Kriterien auch von machtpolitischem Kalkül leiten ließen, die sich freilich nicht im Wortlaut der Erklärung Nr. 6 niedergeschlagen haben.120 Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon übernahm Baroness Catherine Ashton (Großbritannien), ehemalige Handelskommissarin des Barroso-I-Kabinetts, das neu geschaffene Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik. 3. Aufgaben Auf soeben beschriebene Art und Weise ernannt, obliegen dem Hohen Vertreter eine Vielzahl von Aufgaben. Eine seiner Hauptpflichten besteht gemäß Art. 18 Abs. 2 S. 1 EUV und Art. 26 Abs. 3 EUV darin, die GASP einschließlich der – in vorliegender Arbeit nicht näher betrachteten – Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zusammen mit den Mitgliedstaaten zu leiten und sie im Auftrag des Rates durchzuführen. Damit ist der Hohe Vertreter bei der Durchführung der GASP von den Vorgaben des Rates abhängig, dem die (Letzt-)Entscheidungsbefugnis obliegt. Die Tätigkeit des Hohen Vertreters ist jedoch nicht auf den Bereich der früheren zweiten Säule beschränkt, sondern schließt auch die im Kompetenzbereich der Kommission liegenden supranationalen Außen­politiken mit ein.121 In Durchbrechung der nach dem Maßstab des Art. 16 Abs. 9 EUV im Übrigen weiterhin durchgeführten Rotation des Ratsvorsitzes122 ist der Hohe Vertreter zugleich und für die gesamte Dauer seiner Amtszeit Vorsitzender des Rates in der Besetzung „Auswärtige Angelegenheiten“ (Art. 18 Abs. 3 EUV und Art. 27 Abs. 1 EUV). Innerhalb des Rates der Außenminister übt er damit den Vorsitz auch dann aus, wenn es um andere auswärtige Angelegenheiten als die der GASP geht.123 Der Hohe Vertreter ist damit weder ein eigenständiges Organ der EU noch ist 119

Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 62 ff. 120 Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom 29.6.2004, abgedruckt im Dokument des Rates der Europäischen Union Nr. 10972/04 INST 194 vom 29.6.2004. 121 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 92; vgl. in diesem Teil bereits unter H. I. 1. 122 Diese Regelung geht auf eine von deutscher Seite eingebrachte Initiative im Konvent zurück, vgl. Dok. 17 Rev. 1 der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) vom 8.11.2002. 123 Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 952.

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er Mitglied des Rates.124 Letzteres sind nur die Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene (Art. 16 Abs. 2 EUV), der Hohe Vertreter wirkt nur an dessen Arbeit mit.125 Als Hoher Vertreter ist er für die Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Rates und des Rates verantwortlich. Hierzu nimmt er – quasi als „Ersatz“ der durch den Vertrag von Lissabon entfallenen Teilnahme der mitgliedstaatlichen Außenminister – an den Sitzungen des Europäischen Rates als deren „Vertreter“126 teil (Art. 15 Abs. 2 S. 2 EUV).127 Er repräsentiert die Union nach Art. 27 Abs. 2 S. 1 EUV „in den Bereichen der GASP“. Damit obliegt es ihm, im Namen der EU gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen, den politischen Dialog mit Dritten zu führen und schließlich für die Union bei internationalen Konferenzen und in internationalen Organisationen (Art. 27 Abs. 2 S. 2 EUV) zu sprechen. Auch bei dieser Form der Außenvertretung wird der Hohe Vertreter als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ im Sinne des S. 1 der Vorschrift tätig.128 Die in Art. 27 Abs. 2 EUV verankerte Repräsentationsfunktion des Hohen Vertreters stellt die logische und konsequente Fortsetzung der Koordinierungs- und Abstimmungspflichten der Mitgliedstaaten nach Art. 34 EUV und Art. 35 EUV für ihr Handeln in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen sowie für ihr Verhalten auf diplomatischer und konsularischer Ebene in Drittländern dar. Um zu gewährleisten, dass der Hohe Vertreter alle Aspekte des auswärtigen Handelns der Union koordinieren kann, ist er vollwertiges129 Mitglied der Kom 124 Anderer Auffassung anscheinend aber: Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 458. 125 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 129; Matthias Herdegen, Europa­recht, 15. Aufl., München 2013, § 7 Rn. 58; Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus MeyerLandrut, Art. 27 EUV Rn. 1, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 104. 126 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 127 Anders als der Kommissionspräsident ist der Hohe Vertreter nicht Mitglied des Euro­ päischen Rates (Art. 15 Abs. 2 S. 1 EUV). Da er auch nicht wie dieser an den vorbereitenden Arbeiten des Europäischen Rates teilnimmt (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. b EUV) und damit keinen institutionell abgesicherten, direkten Einfluss auf den Inhalt der Sitzungen nehmen kann, wird die Stellung des Hohen Vertreters im Europäischen Rat insgesamt als die gegenüber dem Kommissionspräsidenten schwächere eingestuft, vgl. Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 196. 128 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 7, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 129 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 173 ff.

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mission und qua Amtes Vizepräsident des Kollegiums (Art. 18 Abs. 4 S. 1 EUV). Seine Zuständigkeit innerhalb der Kommission umfasst die Außenbeziehungen und die Koordinierung der übrigen Materien mit auswärtigem Bezug. Damit übernimmt er die Aufgaben, die vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, dem Außenkommissar (zuletzt: Benita Ferrero-Waldner) oblegen haben. Eine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Kommissionsmitgliedern, die mit der Wahrnehmung auswärtiger Aspekte der Kommissionsarbeit betraut sind, kommt ihm allerdings nicht zu. Auch wenn der Hohe Vertreter der Richtlinienkompetenz des Kommmissionspräsidenten unterworfen ist (Art. 17 Abs. 6 UAbs. 1 lit. a EUV und Art. 248 S. 3 AEUV), handelt er als Mitglied der Kommission in Bezug auf seinen Geschäftsbereich, im Gegensatz zu seiner Funktion für den Rat, unabhängig.130 Wie jedes andere Kommissionsmitglied ist der Hohe Vertreter auf fünf Jahre gewählt (Art. 17 Abs. 3 UAbs. 1 EUV), ebenso wie diese muss er sich nach der Nominierung dem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments stellen (Art. 17 Abs. 7 UAbs. 3 S. 1 EUV). Der Hohe Vertreter ist darüber hinaus nach Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV im Zuständigkeitsbereich der Kommission uneingeschränkt mit der Wahrnehmung der Außenbeziehungen131 betraut, koordiniert die „übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns“ und sorgt für ein kohärentes Handeln (Art. 18 Abs. 4 S. 2 EUV). Was freilich zu den „übrigen Aspekten“ auswärtigen Handelns gehört, erläutern die Verträge nicht explizit. Dies geschieht aus gutem Grund, ist doch schließlich kaum ein Rechtsbereich denkbar, der keinerlei auswärtigen Aspekte aufweist.132 Eine enge Interpretation der Formulierung bietet sich daher auch mit Blick auf die Bestimmung in Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV an, nach der die Kommission die Union außer in der GASP und anderen vertraglich vorgesehenen Fällen nach außen vertritt.133

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Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 176 ff. (dort auch zur potentiellen Kollision der Leitlinienkompetenz des Kommissionspräsidenten mit der Ressortkompetenz des Hohen Vertreters); Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur euro­ päischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 64 f. mit Fn. 77; Andreas Maurer/ Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 2 (noch zum Wortlaut des Verfassungsvertrags). 131 Zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Di­ plomatie, Berlin 2011, S. 182. 132 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 95. 133 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 143. Daneben besteht schließlich auch ein Recht des Präsidenten des Europäischen Rates zur Vertretung der Union nach außen, siehe Art. 15 Abs. 6 EUV sowie im Folgenden unter IV.

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Der Hohe Vertreter bildet des Weiteren das Bindeglied zum Europäischen Parlament in Angelegenheiten mit auswärtigem Bezug. Er hört das Parlament regel­ mäßig an und ist ihm gegenüber politisch verantwortlich.134 Zu den weiteren Aufgaben des Hohen Vertreters gehört der Vorschlag zur Einsetzung von Sonderbeauftragten (Art. 33 EUV) sowie für das Budget für militärische und zivile Krisenmanagementmissionen (Art. 42 Abs. 4 EUV). Schließlich sorgt er für die Einhaltung der für die GASP in Art. 21 EUV niedergelegten Grundsätze und somit für Kohärenz allen außenpolitischen Handelns der EU, insbesondere in der GASP.135 Insgesamt kommt dem Hohen Vertreter durch seine Aufgaben eine zentrale Funktion sowohl innerhalb der GASP als auch hinsichtlich der übrigen Politik­ bereiche mit externen Aspekten zu. Im Gegensatz zu der noch im Vertrag von Nizza enthaltenen Regelungen verfügt der Hohe Vertreter nach „Lissabon“ – wie erwähnt – über ein primärvertraglich garantiertes Initiativrecht, das er sich allerdings mit den Mitgliedstaaten teilt (Art. 30 Abs. 1 EUV). Damit wurde ihm de iure eingeräumt, was sich Solana durch seine Persönlichkeit und sein Charisma erst hat de facto erschließen müssen.136 Das geteilte Initiativrecht relativiert die Abhängigkeit des Hohen Vertreters vom Rat bei der Durchführung der GASP, da ihm auf diese Weise eigene Spielräume für die operative Politikgestaltung verbleiben dürften,137 mögen sie gegenüber der „Vollversion“ einer Ressortkompetenz eines echten EU-Außenministers auch noch so klein sein.138 134 Vgl. in diesem Teil H. V. sowie die „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl. EU 2001, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. Als Mitglied des Kommissionskollegiums ist der Hohe Vertreter dem Europäischen Parlament durch Art. 17 Abs. 8 S. 1 EUV verantwortlich. 135 Hierzu noch im 5. Teil A. I. Diese Regelung spricht für eine Interpretation der Aufgaben­ teilung zwischen ihm und dem Präsidenten dergestalt, dass der Hohe Vertreter „der wahre Manager der GASP (…) [zu] sein [scheint]“, so: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 276; ähnlich: Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 217 („vom Assistenten zum Manager“). 136 Stephan Keukeleire, The European Union as a Diplomatic Actor: Internal, Traditional, and Structural Diplomacy, in: Diplomacy and Statecraft 2003, S. 297. 137 Dieter Kugelmann, „Kerneuropa“ und der EU-Außenminister – die verstärkte Zusammenarbeit in der GASP, in: EuR 2004, S. 334 (noch zu den Bestimmungen des Verfassungs­ vertrags). 138 Zum Zusammenhang des geteilten Initiativrechts und der Abänderung der Amtsbezeichnung „EU-Außenminister“ in „Hoher Vertreter“: Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 128 ff.; keine Auswirkungen auf die Kompetenzen sieht: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 165.

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In seiner rechtlichen wie politischen Gestaltungskraft ist der Hohe Vertreter in GASP-Angelegenheiten allerdings durch das Einstimmigkeitsprinzip (Art. 31 Abs. 1 EUV) beschränkt. Für den Bereich der supranationalen Außenbeziehungen ist er an das dort geltende Verfahren „gekettet“. Nach Art. 18 Abs. 4 S. 4 EUV unterliegt er den für die Arbeitsweise der Kommission geltenden Verfahren, d. h. dass die Kommission in Abstimmung mit Rat und Parlament die Inhalte der suprana­ tionalen Außenpolitik bestimmt.139 Schließlich kommt dem Hohen Vertreter im Fall der Passarelle-Klausel des Art. 31 Abs. 2 UAbs. 2 EUV die Funktion eines Mediators bei Abstimmungs­ blockaden im Rat zu. Sofern es ihm durch die Verhandlung mit dem betroffenen Mitgliedsstaat nicht gelingt, einen Beschluss des Rates (mit qualifizierter Mehrheit) zu ermöglichen, wird die Frage dann an den Europäischen Rat verwiesen. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich der Hohe Vertreter zur Erfüllung seiner Aufgaben nach Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst stützt, für den er die Verantwortung trägt.140 Auffallend ist jedoch, dass die Verträge dem Hohen Vertreter keinen primärrechtlich legitimierten Stellvertreter zur Seite stellt, der mit denselben Befugnissen141 ausgestattet wäre.142 Angesichts der Dichte wahrzunehmender Termine im Kommissionskollegium, aber auch für den (Europäischen) Rat, stellt dies in der Konzeption des Amtes des Hohen Vertreters einen Schwachpunkt dar. Der Amtsinhaber ist daher darauf angewiesen, sich im Einzelfall und je nach Fallkonstellation mit einem Vertreter des EAD (anbieten würden sich die beiden Stellvertretenden Generalsekretäre),143 mit dem jeweiligen Fachkollegen der Kommission zu „behelfen“144 oder, sofern das außen- bzw. sicherheitspolitische Element der zu verhandelnden Materie überwiegt, mit dem Außenminister eines Mitgliedstaates, beispielsweise der amtie-

139 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 93. 140 Der EAD ist Gegenstand der im 5. Teil vorgenommenen Analyse. 141 Zur sog. „Doppelhut“-Problematik im folgenden Abschnitt. 142 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 241; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8. 143 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 253. Eine politische Stellvertretung durch den Geschäftsführenden Generalsekretär scheidet auf Grund der dem französischen Vorbild eines beamteten Generaldirektors nachempfundenen rein administrativen Kompetenzen aus, hierzu noch im 5. Teil unter D. III. 1. 144 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 249.

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renden Ratspräsidentschaft145.146 Angesichts des als „Doppelhut“147 bezeichneten Amts des Hohen Vertreters sowie des hiermit verbundenen Ziels der Vereinheitlichung der unionalen Außenvertretung dürfte sich die letztgenannte Option, die Revitalisierung des Außenministers der Ratspräsidentschaft, jedoch allenfalls als „dritte Wahl“ erweisen.148 Explizite Hinweise zur Vertretung des Hohen Vertreters bestehen einzig hinsichtlich des Europäischen Parlamentes. Sie sind in der Erklärung der Hohen Vertreterin zur politischen Rechenschaftspflicht enthalten und sehen vor, dass bei Aussprachen im Europäschen Parlament abhängig von der jeweils betroffenen Thematik entweder ein Mitglied der Kommission bei Fragen, die ausschließlich der überwiegend in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen, oder ein Mitglied des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ bei GASP-Angelegenheiten zur Vertretung der Hohen Vertreterin herangezogen wird.149 Hinsichtlich der Aufgaben des Hohen Vertreters lässt sich vorläufig festhalten, dass seine Außenvertretungsbefugnis und damit sein Tätigkeitsbereich streng von der außenpolitischen Zuständigkeit der Union abhängen.150 Sofern und solange innerhalb der GASP einstimmig entschieden wird, limitiert dies auch die Mög­ lichkeiten des Hohen Vertreters, wenngleich das ihm eingeräumte Initiativrecht ihn gegenüber seinem Vorgänger Solana privilegiert. Eine eher politische Schranke seiner Aktivitäten markieren die Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Na 145

Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 12, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight ­Europe 05/2010, Juni 2010, S. 7. Diese Art der Stellvertretung legt hinsichtlich der Aufgabe des Hohen Vertreters, den Vorsitz im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ wahrzunehmen, Art. 2 Abs. 5 UAbs. 2 GORat fest. 146 Zu den theoretisch bestehenden Optionen: Brian Crowe, The European External Action Service – Roadmap for Success, Royal Institute of International Affairs (Chatham House Report), London 2008, S. 17 f. 147 Dazu sogleich unter I. 4. 148 So geschehen bei einem Treffen im Rahmen der ASEAN, bei dem der ungarische Außenminister die Hohe Vertreterin Ashton vertrat, vgl. Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 252 (mit Fn. 27); Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 149 Vgl. Nr. 6 der „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8. 150 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 5, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL).

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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tionen. Zwar lassen sich viele Ratsbeschlüsse auf Maßnahmen des Sicherheitsrates zurückführen, die von den Mitgliedstaaten als Mitglieder der Vereinten Nationen umgesetzt werden müssen. Solange die Union selbst nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann der Hohe Vertreter für sie im Rahmen der Vereinten Nation, etwa bei der Vorbereitung von Entschließungen, nicht offiziell auftreten. Einzig in dem Fall des Art. 34 Abs. 2 UAbs. 3 EUV, also in der Situation, in der die Union einen Standpunkt zu einem Tagesordnungspunkt des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen formuliert hat, kann der Hohe Vertreter auf Antrag der im Sicherheitsrat vertretenen EU-Mitgliedstaaten vortragen. Innerhalb der Union obliegt dem Hohen Vertreter dann aber wieder die Durchführung der – auch auf Maßnahmen des Sicherheitsrates gestützten – Beschlüsse nach Art. 27 Abs. 1 EUV. 4. „Doppelhut“ Bereits die Regelungen des Verfassungsvertrages sahen die Schaffung eines Europäischen Außenministers vor. Der auf anderen Namen getaufte Hohe Vertreter soll nach dem Willen des Vertrags von Lissabon unter denjenigen Organen und Organteilen der Union, deren Tätigkeit einen auswärtigen Bezug aufweist, in organisatorischer Hinsicht eine Sonderstellung einnehmen, nämlich einen sog. „Doppelhut“ tragen. Dieser mittlerweile zur festen Größe avancierte Begriff geht auf einen gemeinsamen Vorschlag des Auswärtigen Amts und des französischen Außenministeriums151 zurück.152 Er dient dazu, zum Ausdruck bringen, dass das Amt des Kommissars für Außenbeziehungen einerseits und das des Hohen Repräsentanten des Rates für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik anderer 151

Eingebracht wurde der Vorschlag im Januar 2003 im Rahmen der Konventsarbeiten als deutsch-französische Initiative mit dem Titel „Deutsch-französischer Beitrag für den Europäischen Konvent zum institutionellen Aufbau der Union“ (CONV 489/03). Er fußte zunächst auf einem Vorschlag des deutschen Regierungsvertreters Peter Glotz (CONV 200/02); nach dessen Ausscheiden aus dem Verfassungskonvent griffen sein Nachfolger und damaliger Außen­ minister Fischer sowie Staatssekretär Pleuger die Idee wieder auf (vgl. Arbeitsgruppe VII: Außenpolitisches Handeln, Dok. 11 vom 5.9.2002); siehe auch Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 206 f. Zu den Entwicklungsschritten der deutschfranzösischen Initiative: Mathias Jopp/Saskia Matl, Perspektiven der deutsch-französischen Konventsvorschläge für die institutionelle Architektur der Europäischen Union, in: integration 2003, S. 99 ff. 152 Vgl. auch Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/ M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 93; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 198; Carolin ­Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 206 ff.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

seits zu einem einzigen Amt fusioniert wurden und dass der – neue – Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik in seiner Person sowohl für Rat handelt als auch die Kommission vertritt. In organisatorischer und funktionaler Hinsicht ist er der Kommission zuzuordnen,153 auch wenn er seitens des Rates mit der Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beauftragt ist.154Aufgrund seiner Schlüsselfunktion bildet er als eine Art „Relais“ die „personelle Klammer“155 zwischen Kommission und Rat.156 Der Begriff des Doppelhuts ist zwar schon zum festen Bestandteil des europarechtlichen Vokabulars avanciert, jedoch trifft er die Lage nicht mit absoluter Präzision. Wenn man nach einer passenden Metapher sucht, sollte man berücksichtigen, dass aufgrund der doppelten institutionellen Verankerung des Hohen Vertreters im Grunde nicht zwei, sondern drei bis dahin getrennte Funktionen im Amt des Hohen Vertreters vereint werden.157 Zusätzlich zu den beiden genannten obliegt dem Hohen Vertreter nämlich auch der Vorsitz in der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“, und dies, anders als bei den übrigen Ratsformationen, ohne Rotation für die gesamte Dauer seiner Amtszeit. Der „Doppelhut“ ist also eigentlich ein „Mehrfachhut“, der die Ämter des Vizepräsidenten der Kommission, des Außenkommissars und des Vorsitzenden der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“ in Personalunion vereint.158 153

Vgl. Roland Bieber, § 4 Rn. 60, in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. 154 Die Kopplung des Amtes des Hohen Vertreters mit dem des Generalsekretärs des Rates hingegen ist aufgehoben worden. Noch zur Rechtslage nach Nizza: Stephan Marquardt, Kompetenzgefüge und Handlungsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­ politik (GASP): Neuere Entwicklungen und Perspektiven, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 206. 155 Klemens H. Fischer, Der Europäische Auswärtige Dienst: Mittel zum Zweck oder Selbstzweck?, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), AIES Fokus 4/2010, S. 1. 156 Thym bezeichnet die Position des Hohen Vertreters daher auch mit dem Begriff einer „umbrella institution“ zwischen Kommission und Rat, vgl. Daniel Thym, The institutional matrix of European foreign policy in the Constitutional Treaty, WHI-Paper 5/2005, S. 18. 157 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 200; Ricardo Gosalbo Bono, The new organization of external relations, non-paper, Workshop on the institutional implementation of the Lisbon Treaty, 11–12 February 2010, European University Institute Florence, S. 5; Edmund Ratka, Lissabons Chancen nutzen: Die außen­ politische Verfassung der EU nach dem Reformvertrag, in: Politische Studien, März/April 2010, S. 77. 158 Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 89, 111, 385 („triple hats“); Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 99, 113 („three distinct, albeit invisible, hats“); Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 37 („Dreifachhut“); Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 243 („triple-hatted“); ebenso: Simon Duke, The Constitutional Debacle and External Relations, in: Eipascope 2/2005, S. 16 (noch zum „Außenminister“); Matthias Ruffert, Institutionen, Organe und Kompetenzen – der Abschluss eines Reformprozesses als Gegenstand der

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Mit der beschriebenen Sonderstellung des Hohen Vertreters gehen Vorteile einher, es entstehen aber auch zahlreiche neue Probleme, von denen einige wesentliche im Folgenden angesprochen seien. Auf der einen Seite sorgt der dem Hohen Vertreter verliehene institutionelle Doppelhut für eine fortschreitende „Interpillarisation“. Wie der Begriff nahe legt, entstammt er der Zeit, in der für die Charakterisierung der Union das Säulen­ modell herangezogen wurde und beschrieb ein pfeilerübergreifendes Handeln.159 Obgleich mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Auflösung der Säulenstruktur der Union einherging, wurden auch unter der Geltung des EU-Vertrags (n. F.) und des AEU-Vertrags unterschiedliche Sektoren beibehalten, deren Struktur und Verfahrensweisen sich noch immer stark voneinander unterscheiden.160 Prominentestes Beispiel ist die Fortgeltung „besonderer Bestimmungen und Verfahren“ (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S.1 EUV) für den Bereich der GASP. Der für sämtliche Bereiche auswärtigen Handelns zuständige Hohe Vertreter muss den Spagat meistern, einerseits die Vorgaben des Europäischen Rates und dessen Beschlüsse zu vertreten, da er im Bereich der GASP nämlich dem Rat gegenüber verantwortlich ist, und andererseits die Politik der Kommission in die Praxis umzusetzen, weil er in den übrigen Bereichen des auswärtigen Handelns als Kommissionsmitglied agiert. Interpillarisation müsste damit nun als sektorübergreifendes Handeln verstanden werden. Die Doppelfunktion des Hohen Vertreters wird in Literatur und Praxis unterschiedlich bewertet. Die Urteile reichen von der positiv gestimmten Annahme, der Hohe Vertreter sei damit in die Lage versetzt, die Brücke zwischen den EU-Organen Rat und Kommission zu schlagen, Synergien beider Organe zu bündeln161 und

Europarechtswissenschaft, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 44 („Mehrfachhut“); Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 167 („dritter Hut“); Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 246. Dass es bei Morillas „triplehated“ (statt „triple-hatted“) heißt, mag den gegenüber dem Doppelhut kritisch eingestellten Leser amüsieren, gleichwohl kann es sich nur um ein Versehen handeln. 159 Annette Jünemann, Auswärtige Politikgestaltung im EU-Mehrebenensystem, in: K. Schu­ bert/G. Müller-Brandeck-Bocquet (Hrsg.), Die EU als Akteur der Weltpolitik, Opladen 2000, S. 70; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 277. 160 Hierzu bereits im 3. Teil B. 161 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Union als Akteur in den Internationalen Beziehungen, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 38; Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Meinung 2/2010, S. 14; Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 953; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 175.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Hindernisse zu überwinden, die zuvor gerade aus der Fragmentierung der Säulen hervorgingen, bis hin zur Kritik, die Personalunion sei eine janusköpfige Konstruktion und schaffe als solche für den Amtsinhaber einen latenten Loyalitätskonflikt.162 Nur zu nachvollziehbar war die alsbald nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geäußerte Frage, ob diese hybride Konstruktion dem Hohen Vertreter das politische Gewicht zu verleihen vermag, das mit dem „Doppelhut“ als Kräfte­ verhältnis zwischen den Institutionen bewusst angestrebt wurde.163 Es schließen sich eine Fülle weiterer offener Fragen an, wie die, ob in dem Doppelhut die materialisierte Kohärenz oder eine schlichte „Brutstätte“ für Interessenkonflikte liege, ob die Zugehörigkeit des Hohen Vertreters zu zwei verschiedenen „insti­ tutionellen Welten“164 schlicht für eine „institutionelle Schizophrenie“165sorge und ob ein Hoher Vertreter mit mehreren Hüten trotz sorgfältigen Balancierens nicht Gefahr laufe, das System auswärtiger Vertretung aus dem Gleichgewicht zu bringen.166 Daneben, so die Befürchtung, könne die Koordinierungsherausforderung den Hohen Vertreter – bewusst oder unbewusst – dazu verleiten, in allen auswär­tigen Materien den GASP-Aspekt zu „suchen“, um den für Kommissionsangelegenheiten notwendigen Kollegialbeschluss zu vermeiden167 und „sonstiges auswärtiges Handeln“ somit letztlich im „Sog der intergouvernementalen Außen- und

162 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 143, insbesondere Fn. 814 m. w. N.; Nicolai von On­ darza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27; zu kritischen Äußerungen in den Konventsberatungen: Kolja Raube, Die Verfassungsaußenpolitik der Europäischen Union, BadenBaden 2007, S. 238 f. 163 Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 501; Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/ N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-­ Baden 2008, S. 951. 164 Franco Algieri/Thomas Bauer, Die Festschreibung mitgliedstaatlicher Macht: GASP und GSVP im Vertragswerk von Lissabon, in: W. Weidenfeld (Hrsg.), Lissabon in der Analyse – Der Reformvertrag der Europäischen Union, Baden-Baden 2008, S. 132. 165 Den Begriff der „institutionelle[n] Schizophrenie“ verwenden: Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 145; Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 111; ähnlich: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 241. 166 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 213. 167 So sinngemäß: Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 143.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Sicherheitspolitik“168 untergehen könnte.169 Umgekehrt bestand die Sorge, dass durch den Doppelhut supranationale Elemente in den Rat einfließen könnten. Ein Aufreiben des Hohen Vertreters zwischen den Fronten scheint auch angesichts der Aufgabenfülle vorstellbar,170 ist er doch nicht „Diener“ zweier, sondern gleich mehrerer „Herren“.171 Hier schlägt zusätzlich zu Buche, dass das Primärrecht dem Amtsinhaber keinen mit ebenbürtigen Befugnissen ausgestatteten Vertreter zur Seite stellt. Auf die schlichte Formel, die Ämterfusion sorge für „mehr Verwirrung als Synergie“172 brachte es Solana, der seine Befürchtung bereits im Rahmen der Verhandlungen des Europäischen Konvents zum Ausdruck brachte. In ähnlicher Weise äußerten sich die interessierten Medien. Sie bezeichneten Ashtons Auftrag u. a. als „mission impossible“.173 Richtig daran ist sicherlich, dass die Idee der Konstruktion eines „Doppelhuts“ von Geburt an einen Kompromiss darstellt und dem Umstand geschuldet ist, dass bereits bei den Verhandlungen über den Verfassungsvertrag absehbar war, dass eine vollständige Verschmelzung der Ämter des Hohen Vertreters und des Außen­kommissars politisch nicht durchsetzbar war.174 Weder ließ sich unter den Mitgliedstaaten eine Mehrheit dafür finden, die Aufgaben des Hohen Vertreters auf die Kommission zu übertragen, noch war die „Re-Intergouvernemetalisierung

168 Horst Günter Krenzler, Die Außenhandelsbefugnisse der EU, in: J. Schwarze (Hrsg.) Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, Baden-Baden 2004, S. 390. 169 Der britische EU-Parlamentarier Andrew Duff äußerte in der Plenumssitzung des Konvents am 20.12.2002, die Kommission könne mit dem Doppelhut „einen Rats-Kuckuck ins Kommissionsnest“ gelegt bekommen, vgl. Plenumssitzung vom 20.12.2002, S. 17; ähnlich: Daniel Thym, Reforming Europe’s Common Foreign and Security Policy, in: ELJ 2004, S. 21 („trojanisches Pferd“). 170 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 37. 171 Dementsprechend warf Hill noch in Bezug auf den Verfassungsvertrag die Frage auf: „[H]ow will the Minister be able to ride two horses at once?“, Christopher Hill, A Foreign Minister without a Foreign Ministry – or with too many?, in: CFSP Forum, Vol. 1, Nr. 1 (Juli 2003), S. 2. 172 Europäischer Konvent, Sekretariat: Ansprache des Generalsekretärs/Hohen Vertreters Javier Solana im Rahmen der Sitzung der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) am 15. Oktober 2002, Arbeitsdokument 8, S. 7. 173 Philippe Ricard/Jean-Pierre Stroobants: Lady Ashton – mission impossible, in: Le Monde vom 28.1.2011, aber auch: Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 127; ähnlich: Martin Winter, Auf Bewährung. Zögerlich und unerfahren: Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kämpft ein Jahr nach Amtsantritt noch immer mit ihrem schlechten Ruf, in: SZ vom 19./20.2.2011. 174 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 94.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

bereits vergemeinschafteter Bereiche“175 eine mehrheitsfähige oder wünschenswerte Option. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der Hohe Vertreter der Herausforderung ausgesetzt sieht, sich einerseits als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ die für seine Arbeit notwendige Unterstützung der Mitgliedstaaten zu verdienen und sich andererseits dem Kollegialitätsprinzip der Kommission sowie der politischen Direktion ihres Präsidenten unterwerfen muss.176 5. Beendigung der Amtszeit Das Verfahren für die Beendigung der Tätigkeit des Hohen Vertreters folgt den vom Ernennungsverfahren bekannten Regularien. Art. 18 Abs. 1 S. 2 EUV und Art. 17 Abs. 6 UAbs. 2 S. 2 EUV verweisen insoweit auf die für die Einsetzung relevante Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV. Demnach kann der Europäische Rat die Amtszeit des Hohen Vertreters mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission beschließen, ohne dass hierfür zwingend eine Begründung angeführt werden müsste.177 Bei einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die Kommission verlangt Art. 17 Abs. 8 S. 3 EUV, dass der Hohe Vertreter „sein im Rahmen der Kommission ausgeübtes Amt niederlegen“ muss. Dies heißt zunächst, dass er nur sein Amt als Kommissionsmitglied (und Vizepräsident) verliert.178 Was aber mit dem „anderen Hut“, richtigerweise mit den anderen beiden Hüten,179 die den Kopf des Hohen Vertreters seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bedecken, passiert, regelt der EU-Vertrag weder in dieser Bestimmung noch an anderer Stelle ausdrücklich. Im Umkehrschluss zu der soeben getroffenen Feststellung könnte man

175 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 94. Ähnlicher Ansicht: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 258. 176 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 177 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 5, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 178 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl. München 2010, S. 143; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 174; Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 219. 179 Beauftragter für die GASP und Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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also theoretisch annehmen, dass der Hohe Vertreter seine beiden anderen Ämter un­abhängig von dem Verlust der Kommissionsmitgliedschaft weiterführt.180 Will man ein Auseinanderfallen der als Personalunion gedachten Ämter vermeiden, wird es in der politischen Praxis wohl aber notwendig sein, dass der Hohe Vertreter die beiden anderen Ämter ebenfalls zur Verfügung zu stellt.181 Wollte der Hohe Vertreter sie weiterführen, müsste er sich zunächst einem neuen Zustimmungs­ votum (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV) unterziehen.182 Als weitere Fälle der Amtsbeendigung treten zum erfolgreichen Misstrauensvotum nach Art. 17 Abs. 8 EUV und Art. 234 UAbs. 2 AEUV der Rücktritt, die Amtsenthebung oder der Tod des Hohen Vertreters hinzu. Art. 246 UAbs. 5 AEUV sieht entsprechend der oben angeführten Argumentation für den nicht umfänglich geregelten Fall des Ausscheidens des Hohen Vertreters infolge eines erfolgreichen Misstrauensvotums vor, dass das Amt des Hohen Vertreters im Fall des Rücktritts, der Amtsenthebung oder des Todes für die verbleibende Amtszeit mit einem Nachfolger besetzt wird. Da die Vorschrift nicht hinsichtlich der verschiedenen Funktionen des Hohen Vertreters differenziert, sondern pauschal auf Art. 18 Abs. 1 EUV verweist, ist davon auszugehen, dass der Nachfolger in alle Positionen seines Vorgängers einrückt, somit also auch Vizepräsident der Kommission wird (Art. 18 Abs. 4 EUV).183 Dem entspricht die vorerst beibehaltene Regelung des Art. 17 Abs. 4 EUV, nach der jeder Mitgliedstaat in der Kommission durch einen eigenen Vertreter repräsentiert wird. Die Entscheidung über die Nachbesetzung wird gemäß Art. 18 Abs. 1 EUV vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Kommissionspräsidenten getroffen.

180

Mathias Jopp, Ideen und Realitäten im Verfassungsprozess am Beispiel der Reform­ ansätze für GASP und ESVP, in: P.-Ch. Müller-Graff (Hrsg.), Die Rolle der erweiterten Europäischen Union in der Welt, Baden-Baden 2006, S. 47; Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 245; Elfriede Regelsberger, Mehr Sichtbarkeit, Kohärenz und Effizienz für die GASP – Chancen und Risiken im neuen Verfassungsvertrag, in: M. Jopp/S. Matl (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 330 ff.; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 514. 181 Tobias Jaag, Demokratische Legitimation der EU-Außenpolitik nach Lissabon, in: EuR 2012, S. 316; Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 219. 182 Bernd Martenczuk, Art. 17 EUV Rn. 115, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: September 2010 (42. EL); Jan Wouters/Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 6. 183 Bernd Martenczuk, Art. 246 AEUV Rn. 13, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. III, München, Stand: August 2011 (45. EL).

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Von den genannten Beendigungsgründen abgesehen kann der Hohe Vertreter als Mitglied der Kommission wie jeder andere Kommissar seines Amtes auch nach Art. 247 AEUV enthoben werden, sofern er „die Voraussetzungen für die Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat“.

Den Antrag, den Hohen Vertreter seines Amtes entheben zu können, kann der Rat mit einfacher Mehrheit oder die Kommission als Gremium stellen. Die Ent­ hebung erfolgt in diesem Fall durch den EuGH (Art. 247 AEUV a. E.). 6. Kontrolle des Hohen Vertreters Wegen des institutionellen Doppelhuts, den der Hohe Vertreter trägt, muss hinsichtlich der Kontrolle seines Handelns nach den beiden Bereichen unterschieden werden, in denen er tätig wird. Im Anwendungsbereich des supranationalen auswärtigen Handelns fungiert der Hohe Vertreter als Mitglied des Kommissionskollegium („Außenkommissar“ und zugleich Vizepräsident). Er unterliegt daher Kontrollmechanismen durch das Europäische Parlament, dem EuGH (als Mitglied der Kommission insbesondere Art. 263 AEUV) und dem Rechnungshof. Soweit die übrigen Aspekte des auswärtigen Handels der Union nach Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV betroffen sind, ist der Hohe Vertreter (nur) mit der Koordinierung innerhalb der Kommission betraut. Dies bedeutet eine „Endkontrolle“ durch die sachlich beteiligten Kommissare, zumindest aber durch den Kommissionspräsidenten (im Rahmen seiner Leitlinienkompetenz)184 im Sinne eines Nachprüfens, ob die „Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns“ den vertretenen Positionen entspricht, freilich ohne dass hierfür ein besonderes Intra-Organ-Verfahren geschaffen worden wäre. Einen speziellen gegen den Hohen Vertreter gerichteten Rechtsbehelf sieht das Primärrecht im Übrigen weder für den Bereich des supranationalen auswärtigen Handelns noch für den des intergouvernementalen vor. Soweit das Handeln des Hohen Vertreters die Durchführung der GASP (einschließlich der GSVP), also den intergouvernementalen Bereich, berührt, unterliegt es der Kontrolle durch den Rat, in dessen Namen die GASP vom Hohen Vertreter ausgeführt wird. Es besteht in rechtlicher Hinsicht keine Möglichkeit einer unmittelbaren Kontrolle durch den EuGH (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV) oder das Europäische Parlament.185 184

Art. 17 Abs. 6 UAbs. 1 lit. a EUV und Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Kommission (GOKOM), Beschluss der Kommission vom 24. Februar 2010 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (2010/138/EU, Euratom), ABl.EU 2010 Nr. L 55 S. 61 vom 5.3.2010. 185 Zur Rolle des Europäischen Parlaments noch im 4. Teil H. V.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

157

Vor diesem Hintergrund ist es daher bemerkenswert, dass das Europäische Parlament der Hohen Vertreterin Ashton in den Verhandlungen über den EAD eine Erklärung186 abgerungen hat, in der sie dem Europäischen Parlament – teilweise über den Wortlaut des Primärrechts187 hinaus – Kontroll- und Mitspracherechte einräumt und sogar inhaltliche, die Außenpolitik gestaltende Rechte verbrieft werden. So hat sich die Hohe Vertreterin z. B. verpflichtet, das Erscheinen von Delegationsleitern und hohen EAD-Beamten vor den einschlägigen parlamentarischen Ausschüssen zu erleichtern (Nr. 7). Weiterhin verdanken einige organisatorische Einheiten des EAD ihre Existenz den besonderen Forderungen des Europäischen Parlaments, so beispielsweise die Abteilung für interinstitutionelle Kontakte und die Generaldirektion für Haushalt und Verwaltung.188

II. Der Europäische Rat und der Präsident des Europäischen Rates Der Vertrag von Lissabon hat den Europäischen Rat in den Rang eines Unionsorgans erhoben. Dementsprechend wurde er in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV, der alle Organe der EU abschließend aufzählt, aufgenommen. Der Europäische Rat ist dasjenige Organ, das auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs allgemeine politische Zielvorstellungen formuliert und der Union damit Impulse für ihr Handeln gibt (Art. 15 Abs. 1 EUV). Ferner legt er die strategischen Interessen und die Ziele der Union in allen Bereichen des auswärtigen Handelns fest und bestimmt Ziele und allgemeine Leitlinien der GASP (Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 EUV und Art. 26 Abs. 1 S. 1 EUV). Er unterscheidet sich damit von der Konferenz der Vertreter der Mitgliedstaaten.189 Diese kann im Einzelfall zwar ähnlich zusammengesetzt sein, nimmt jedoch Aufgaben wahr, die die Verträge nicht einem Unionsorgan (Europäischer Rat oder Ministerrat), sondern den

186

Die „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“ ist dem Dokument „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“ als Anhang beigefügt, vgl. ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 187 Vorgesehen sind gemäß Art. 36 EUV die „Anhörung“ und die „Unterrichtung“ des Parlaments durch den Hohen Vertreter sowie die „gebührende Berücksichtigung“ dessen Auffassungen. Ferner räumt die Vorschrift dem Parlament das Recht ein, „Anfragen oder Empfehlungen“ an den Hohen Vertreter zu richten. 188 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Euro­ päischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43), vgl. ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 189 Zur Abgrenzung: EuGH, Rs. C-181/91, Europäisches Parlament/Rat, Slg. 1993, I-3685.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

gemeinsam handelnden Mitgliedstaaten z. B. bei der Änderung der Verträge zuweist (Art. 48 Abs. 4 UAbs. 1 EUV).190 Im Einzelnen sind die Beschlussfassungs- und Benennungsrechte des Euro­ päischen Rates durchaus weitreichender Natur. Exemplarisch genannt seien hiervon folgende: Neben dem Beschluss über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments (Art. 14 Abs. 2 UAbs. 2 EUV), der Formationen des Mi­ nisterrates (Art. 16 Abs. 6 EUV und Art. 236 lit. b AEUV) oder der Verabschiedung von GASP-Beschlüssen (Art. 25 EUV und Art. 26 EUV), wählt der Europäische Rat seinen Präsidenten, schlägt dem Europäischen Parlament einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vor und ernennt, mit der Zustimmung des Letztgenannten, den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik.191 Das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates ersetzt den bis dahin existierenden, halbjährlich unter den europäischen Staats- und Regierungschefs wechselnden Vorsitz sowie die „Troika“ aus amtierender Präsidentschaft, deren Vorgänger und Nachfolger.192 Im Gegensatz zum weiterhin rotierenden Vorsitz im Ministerrat sollte die Leitlinien gebende Institution des Europäischen Rates – überspitzt formuliert – nicht länger dadurch geschwächt werden, dass die derzeit 28 Mitgliedstaaten versuchen, in ihrer im Turnus von 14 Jahren wiederkehrenden Präsidentschaft mit einer daran gemessenen kurzen Amtszeit, eigene Akzente zu setzen und schnelle Erfolge zu erzielen.193 Der Präsident wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit auf zweieinhalb Jahre gewählt, eine einmalige Wiederwahl ist nach Art. 15 Abs. 5 S. 1 HS 2 EUV zulässig. Die Einführung eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates geht auf einen im Rahmen des Verfassungskonvents eingebrachten Vorschlag der unter dem Namen „ABC-Gruppe“ bekannt gewordenen damaligen Staats- und Regierungschefs Spaniens, Großbritanniens und Frankreichs, José María Aznar López, Tony Blair und Jacques Chirac zurück, die dem Präsidenten des Europäischen Rates

190

Roland Bieber, § 4 Rn. 41, 61, in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. 191 Vgl. hierzu bereits in diesem Teil unter H. I. 2. 192 Matthias Ruffert, Institutionen, Organe und Kompetenzen – der Abschluss eines Reformprozesses als Gegenstand der Europarechtswissenschaft, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 42. 193 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 86. Kehrseite der gestärkten Position des Präsidenten ist die hieraus resultierende Anfälligkeit des Außenvertretungssystem für Inter-Organkonflikte, vgl. Roland Bieber, § 4 Rn. 42, in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. Petersen sieht in dem früheren Halbjahresturnus Vorteile, z. B. eine hierdurch bedingte „Beschleunigung der Integrationsbemühungen“: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 195.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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eine dem französischen Staatspräsidenten nachempfundene Führungsposition geben wollten.194 Erster Amtsinhaber wurde der Belgier Herman van Rompuy.195 Das Tätigkeitsfeld des Präsidenten legt der Vertrag detaillierter fest als das desjenigen Organs, dem er vorsteht.196 Der Präsident des Europäischen Rates führt demnach nicht nur den Vorsitz bei den Arbeiten des Europäischen Rates, sondern gibt ihnen Impulse (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. a EUV), sorgt zusammen mit dem Kommissionspräsidenten und auf der Grundlage des Ratsformation „Allgemeine Angelegenheiten“ für deren Vorbereitung und Kontinuität (lit. b) und wirkt auf Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat hin (lit c). Schließlich erstattet er dem Parlament Bericht über die Tagungen des Europäischen Rates (lit. d). Rechtsstaatliche Maßstäbe fordern auch vom Amt des Präsidenten des Europäischen Rates eine gewisse demokratische Rückbindung; sie wird über die Berichtspflicht gegenüber dem Parlament nach Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. d EUV hergestellt.197 Eine gerichtliche Kontrolle des Handelns des Europäischen Rates, und damit der Handlungen seines Präsidenten, ermöglicht schließlich Art. 263 UAbs. 1 S. 1 AEUV. Eine im Kontext der Außenvertretung besonders hervorzuhebende Aufgabe des Präsidenten ist die in Art. 15 Abs. 6 UAbs. 2 EUV verankerte, nach der er „auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft (…), unbeschadet der Befugnisse des Hohen Vertreters (…) die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der GASP wahr[nimmt]“.

Das Primärrecht kommt mit dieser Bestimmung der Forderung einiger Mitgliedstaaten nach der Einrichtung einer Außenvertretung auf der Ebene der Staatsund Regierungschefs nach,198 die es ermöglicht, Staatsoberhäuptern von NichtEU-Ländern, beispielsweise der USA, „auf Augenhöhe“ zu begegnen.199 194 Jan-Peter Hix, Das institutionelle System im Konventsentwurf eines Vertrags über die Verfassung für Europa – Der Ministerrat und der Europäische Rat, in: J. Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, Baden-Baden 2004, S. 95; Mathias Jopp, Ideen und Realitäten im Verfassungsprozess am Beispiel der Reformansätze für GASP und ESVP, in: P.-Ch. Müller-Graff (Hrsg.), Die Rolle der erweiterten Europäischen Union in der Welt, BadenBaden 2006, S. 67; Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur euro­päischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 65. 195 Zum Verfahren der Kandidatenauswahl: Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 59 ff. 196 Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 62. 197 Matthias Ruffert, Institutionen, Organe und Kompetenzen – der Abschluss eines Reformprozesses als Gegenstand der Europarechtswissenschaft, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 42. 198 Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 953. 199 Bernd Martenczuk, Die neue Verfassung für die Europäische Union: Außenbeziehungen und Außenvertretung, in: W. Hummer/W. Obwexer (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung von Europa, Baden-Baden 2007, S. 193.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Eine präzise Aufgabenteilung hinsichtlich der Außenvertretung zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Hohen Vertreter nimmt die Vorschrift nicht vor.200 Dies kann dazu führen, dass Strukturen wider erklärtem Willen letztlich doch lediglich verdoppelt werden201 und die Regelung als potentielle Einbruchstelle für Kompetenzkonflikte zwischen den Ämtern des Präsidenten des Europäischen Rates und des Hohen Vertreters in Angelegenheiten der GASP,202 und damit letzten Endes als Relativierung des erweiterten Aufgabenspektrums des Hohen Vertreters gewertet wird.203 Letztlich spricht viel für die – pragmatische – Interpretation der Formulierung „auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft“ als Auftrag an den Präsidenten, „nur in Angelegenheiten des Europäischen Rates (z. B. auf G 8-Gipfeln)“ als Repräsentant für die Union auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs aufzutreten.204 Hieraus könnte auf eine Aufgabenteilung geschlossen werden, bei der der Präsident des Europäischen Rates (rein) repräsentative, der Hohe Vertreter operative Aufgaben übernähme.205 Eine derartige Unterscheidung der Aufgabenbereiche

200 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 180; Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 103; Julia Lieb, Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), in: dies./A. Maurer (Hrsg.), Der Vertrag von Lissabon, Kurzkommentar, SWP-Diskussionspapier, 3. Aufl. 2009, S. 28. 201 Claudia Major, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach Lissabon, SWP-Aktuell 7, Januar 2010, S. 3. 202 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 401; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 214. Dies betrifft nur den Bereich der GASP. In den weiteren Kompetenzbereichen des Hohen Vertreters ist ein solcher Konflikt mangels Zuständigkeit des Präsidenten des Europäischen Rates nicht möglich. 203 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 200. 204 Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 103; Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 64; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 512. Für eine nur repräsentative Funktion: Peter-Christian Müller-Graff, Der Vertrag von Lissabon auf der Systemspur des Primärrechts, in: integration 2008, S. 128; Albrecht Weber, Vom Verfassungsvertrag zum Vertrag von Lissabon, in: EuZW 2008, S. 7. 205 Dieter Kugelmann, „Kerneuropa“ und der EU-Außenminister – die verstärkte Zusammenarbeit in der GASP, in: EuR 2004, S. 335 (noch zu den Bestimmungen des Verfassungs­ vertrags); in diese Richtung auch: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 168.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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wird in der Praxis wohl aber nicht in der nötigen Strenge durchzuhalten sein.206 Daher bilden die genannten Kategorien nach der hier vertretenen Ansicht keine tauglichen Kriterien für die Abgrenzung der Kompetenzbereiche der beiden Ämter. Der Zusatz „in seiner Eigenschaft“ könnte jedoch ebenso auf eine der nationalen Verfassungssystemen ähnliche Rollenverteilung zwischen Staats- oder Regierungschef und Außenminister hindeuten.207 Die in Art. 15 Abs. 6 EUV zusammengetragenen Aufgaben des Präsidenten des Europäischen Rates sind Ergebnis eines politischen Kompromisses. Dieser trägt einerseits dem bereits genannten, von Frankreich, Spanien und dem Vereinigten Königreich unterbreiteten Vorschlag Rechnung, der einen Präsidenten mit weitreichenden Befugnissen z. B. beim „Agenda-Setting“ vorsah. Er berücksichtigt andererseits aber auch die insbesondere von kleineren Mitgliedstaaten geäußerten Bedenken, ein einflussreicher, mit den großen Mitgliedstaaten institutionell eng vernetzter Präsident des Europäischen Rates könne sich nachteilig auf die auf Ausgleich bedachte institutionelle Kompetenz- und Machtverteilung auswirken.208 Der Vertragstext ließe hinsichtlich der rechtlichen Stellung des Präsidenten des Europäischen Rates sowohl einen präsidialen Führungsstil als auch den eines Vorsitzenden mit koordinatorischer bzw. sitzungsleitender Funktion209 zu.210 Van Rompuy wurde bereits bei der Tagung des Europäischen Rates im September 2010 von den Mitgliedstaaten mit dem Mandat ausgestattet, multi- und bilaterale Konferenzen mit Drittstaaten künftig auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs vorzubereiten,211 die zwar in Zusammenarbeit mit der Hohen Vertreterin aus­geübt werden soll, aber gleichzeitig den Kern für eine Konkurrenz mit ihrem Amt ver-

206

So auch: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 168. Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 274; Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 63; ders., Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 95. 208 Zum institutionellen Gleichgewicht: Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 87. 209 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 88. 210 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 214. 211 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 16.9.2010, EUCO 21/1/10 REV 1, insbesondere Nr. 5 sowie Anlage I („Interne Vereinbarungen zur Verbesserung der Außenpolitik der Europäischen Union“). 207

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

stärkt.212 Dieses potentielle Spannungsfeld lässt sich durch engmaschige Konsultationen minimieren; außerdem besteht Raum für eine Präzisierung der Aufgabenteilung durch eine Vereinbarung zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates van Rompuy und der Hohen Vertreterin Ashton. Wie die beiden neu geschaffenen Positionen die Außenvertretung letztlich mit Leben füllen werden, wird maßgeblich von der Prägung durch ihre ersten Amtsinhaber und deren Amtsverständnis abhängen.213 Bislang zeigte die politische Praxis keine Tendenzen zu einer nur übermäßigen inhaltlichen Einflussnahme des Präsidenten des Euro­päischen Rates auf die Arbeiten des Organs, dem er vorsteht. Ein ähnlich gelagertes Spannungsfeld könnte sich mit Blick auf GASP-relevante Budgetfragen zwischen dem vom Hohen Vertreter geführten Rat für Auswärtige Angelegenheiten und dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten ergeben, der wiederum eng mit dem Präsidenten des Europäischen Rates zusammenarbeitet. Zu Recht wird also die Befürchtung geäußert, es könne bei der Überwindung der alten Strukturen zu einer neuen Fragmentierung kommen.214 Zusammenfassend betrachtet sind die durch den Vertrag von Lissabon eingetretenen Änderungen überwiegend dadurch gekennzeichnet, dass sie die Gemeinschaftsmethode stärken (z. B. Anhebung der Fälle qualifizierter Mehrheitsent 212

Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 213 Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 501. Dass dies möglich war, zeigte der Hohe Vertreter „nach Nizza“, Javier Solana, vgl. Edmund Ratka, Lissabons Chancen nutzen: Die außenpolitische Verfassung der EU nach dem Reformvertrag, in: Politische Studien, März/April 2010, S. 81; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 215. Stellenweise wird in der Besetzung der beiden neuen Positionen mit ihren ersten Amtsinhabern, Herman van Rompuy und Catherine Ashton, denen zum Teil eine (außen-)politische Profilierung abgesprochen wird [z. B. Fidelius Schmid, Ashton und van Rompuy – An die Spitze getrieben, Financial Times Deutschland vom 20.11.2009, abrufbar unter: http://www.ftd.de/ politik/europa/:koepfe-des-tages-ashton-und-van-rompuy-an-die-spitze-getrieben/50039901. html (letzter Abruf: 29.5.2013); weitere Fundstellen für kritische Würdigungen der beiden Amtsinhaber vgl. Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 218; Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 55 ff.; Annegret Bendiek, Neuer Europäischer Realismus, SWP-Aktuell 10, Februar 2010, S. 2; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 4], ein Versuch der Mitgliedstaaten gesehen, die beiden „Schaltstellen“ der Union im Bereich der GASP zu ihren Marionetten zu machen. 214 Siehe sogleich im nächsten Abschnitt (III.) Die „neue“ Troika würde aus dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem Hohen Vertreter und dem Kommissionspräsidenten bestehen, vgl. auch Claudia Major, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach Lissabon, SWP-Aktuell 7, Januar 2010, S. 3 und Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 131.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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scheidung). Während die übrigen EU-Außenbeziehungen reine Unionspolitiken darstellen, verhält es sich bei den Änderungen im Bereich der GASP gerade umgekehrt. Das Leitmotiv des Vertrags von Lissabon bestand hierbei darin, den intergouvernementalen Gedanken215 beizubehalten, der Vertrag hat damit die Souveränität der Mitgliedstaaten nahezu unangetastet gelassen. Dies zeigt sich vor allem darin, dass das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten wurde (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV und Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EUV). Vor dem Hintergrund vielfältiger und zuweilen komplexer einzelstaatlicher Interessen bedeutet es, wie noch zu zeigen sein wird, eine besondere Herausforderung für den Europäischen Auswärtigen Dienst, sich als effiziente und schlagkräftige Institution zu etablieren und sich Gehör zu verschaffen. Gleiches gilt im Grunde für den Hohen Vertreter: Auch dessen Gestaltungskraft wird trotz seines neuen Initiativrechts von Fall zu Fall vom Konsens der Mitgliedstaaten abhängig bleiben.216

III. Der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ Der mit nationalen Vertretern im Rang eines Ministers217 besetzte Rat der Europäischen Union gestaltet in seiner Formation „Auswärtige Angelegenheiten“ das auswärtige Handeln der Union entsprechend den strategischen Vorgaben des Euro 215

Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 950; Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 151. Kritiker sehen in der Perpetuierung des intergouvernementalen Konzepts sogar einen Paradigmenwechsel, demzufolge nicht länger die Mitgliedstaaten der Union dienten, sondern umgekehrt die Union für ihre Mitglieder da sei, vgl. Annegret Bendiek, Neuer Europäischer Realismus, SWP-Aktuell 10, Februar 2010, S. 2 f. 216 Vgl. bereits in diesem Teil unter H. I. 3. und 4.; Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspek­ tiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 93. 217 Dies kann auch ein im Rahmen des Art. 23 Abs. 6 GG handelnder und vom Bund bevollmächtigter Landesminister sein. Zum Auftreten von Landesministern auf EU-Ebene: Anette Greulich, Der Landesminister als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Rat der Europäischen Union, München 1997; zu weiteren Formen der Mitwirkung der Bundesländer an Tagungen des Rates vgl. § 6 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) vom 12.3.1993, BGBl. I, S. 313 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22.9.2009; der Bundesrat hat am 26.4.2013 einen Entwurf (BR-Drs. 342/13) für die Neufassung des EUZBLG vorgelegt. Der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeit geltenden Vorschrift des § 6 EUZBLG entspricht § 10 des Bundesratsentwurfs. Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist mittlerweile auch die Mitwirkung von Staatssekretären des Bundes an der Beschlussfassung im Rat, vgl. Matthias Herdegen, Europarecht, 15. Aufl., München 2013, § 7 Rn. 19; Thomas Oppermann/Claus Dieter Classen/Martin Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl., München 2011, § 5 Rn. 65.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

päischen Rates, sorgt für die Kohärenz des Handelns der Union (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 3 EUV) und erlässt hierzu alle zur Durchführung der GASP erforder­lichen Beschlüsse (Art. 26 Abs. 2 UAbs. 1 EUV). Fragen der GASP werden im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ also ebenso behandelt wie supranationale auswärtige Politiken, wie beispielsweise die Gemeinsame Handelspolitik. Dieser Schluss folgt aus der Formulierung des Art. 16 Abs. 6 UAbs. 3 EUV, in der, wie auch in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 EUV, lediglich vom „auswärtigen Handeln“ allgemein die Rede ist.218 Der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ beschließt anders alle übrigen Rats­ formationen im Regelfall einstimmig (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV und Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 EUV).219 Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit sind nur in den durch Art. 31 Abs. 2 EUV aufgezählten Fällen, also nur in einem relativ eng begrenzten Feld möglich. Sie können durch das Veto eines Mitgliedstaats, der „wesentliche Gründe der nationalen Politik“ (Art. 31 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 EUV) berührt sieht, verhindert und auf ein Einstimmigkeitsquorum des Europäischen Rates zurückgeführt werden.220 Mit Ausnahme der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“, dem stets der Hohe Vertreter vorsitzt (Art. 18 Abs. 3 EUV), tagt der Rat in wechselnden Formationen (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 1 EUV); sein Vorsitz wird – wie auch in den meisten Arbeitsgruppen des Rates221 – nach dem Prinzip gleichberechtigter Rotation (Art. 16 Abs. 9 EUV) wahrgenommen.222 Eine Rückausnahme vom Prinzip des ständigen Vorsitzes des Hohen Vertreters besteht gemäß der zu Art. 2 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Rates der Europäischen Union223 (GORat) ergangenen Erklärung lit. a für den Bereich der Außenhandelspolitik.

218 Christina Ziegenhorn, Art. 16 EUV Rn. 62, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Zu Art. 21 Abs. 3 UAbs. 1 EUV siehe bereits in diesem Teil unter D. und E. 219 Der Rat beschließt sonst im Regelfall mit qualifizierter, d. h. doppelter Mehrheit, Art. 16 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 EUV (Abs. 5 betrifft die bis Oktober 2014 geltenden Übergangs­ vorschriften). 220 Mit Art. 31 Abs. 2 EUV wurde die Praxis des sog. Luxemburger Kompromisses mit der Abweichung kodifiziert, dass nur „wesentliche“ (statt bisher „wichtige“) Gründe das Veto eines Mitgliedstaats rechtfertigen, Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, BadenBaden 2008, S. 177 m. w. N. 221 Vgl. Art. 19 GORat. Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 7. 222 Vgl. auch Beschluss 2009/881/EU des Europäischen Rates vom 1.12.2009 über die Ausübung des Vorsitzes im Rat, ABl.EU 2009 Nr. L 315 S. 50 vom 2.12.2009. 223 Beschluss 2009/937/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Annahme seiner Geschäftsordnung, ABl.EU 2009, Nr. L 325 S. 35 vom 11.12.2009 (berichtigt durch ABl.EU 2010, Nr. L 55 S. 83 vom 5.3.2010; ursprünglicher Titel „Verordnung des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Änderung seiner Geschäftsordnung“).

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Die Geschäftsordnung des Rates führt in Art. 1 Abs. 4 und Abs. 6 außerdem (wiederum mit Ausnahme der Zusammensetzung „Auswärtige Angelegenheiten“) für den Vorsitz eine sog. „Triopräsidentschaft“ ein.224 Dies bedeutet, dass der Vorsitz von drei Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von 18 Monaten225 wahrgenommen wird, wobei jeder der Mitgliedstaaten den Vorsitz im eigentlichen Sinne für sechs Monate übernimmt und die beiden anderen Vertreter der Mitgliedstaaten ihn dabei unterstützen.226 Damit ist der Vorsitz im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ im Hinblick auf die Vertretung nach außen nach wie vor ein entscheidender Akteur.227 Durch die Schaffung der 18 Monate währenden „Triopräsidentschaften“, die aus den drei aufeinander folgenden Ratspräsidentschaften bestehen228 und die in einem Aktionsprogramm politische Tätigkeitsschwerpunkte benennen können,229 ist es zu einer erheblichen Aufwertung des Ratsvorsitzes gegenüber den anderen Akteuren gekommen. Da der Ministerrat für die Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Rates verantwortlich ist, wird insbesondere in dem Verhältnis des rotierenden Ratsvorsitzes und dem Präsidenten des Europäischen Rates teilweise eine „Achillesferse des neuen Organisationsgefüges“230 gesehen.231

224 Zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon amtierenden Trio­ präsidentschaft aus Spanien, Belgien und Ungarn: Giovanni Grevi, The Trio Presidency and EU Foreign Policy: muddling through, Fundación para las Relaciones Internacionales y el Dialogo Exterior (FRIDE), Policy Brief Nr. 84, Juni 2011. 225 Vgl. Erklärung b zu Art. 2 Abs. 6 GORat. 226 Dasselbe gilt für den Ausschus der Ständigen Vertreter und die Arbeitsgruppen des Rates, vgl. Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 108. 227 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 3 f., in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 228 Die Troika aus den drei aufeinander folgenden Ratspräsidentschaften wurde durch den Vertrag von Maastricht eingeführt (Art. J.5 Abs. 3 EUV in der Fassung von Maastricht), um der Außenvertretung der EU stärkere Kontinuität zu verleihen, vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 945; vgl. auch Erklärung Nr. 9 zu Art. 16 Abs. 9 EUV betreffend den Beschluss des Europäischen Rates über die Ausübung des Vorsitzes im Rat, dort Art. 1 Abs. 1. 229 Dies ist ein Privileg, das dem Präsidenten des Europäischen Rates zumindest formell nicht zukommt, vgl. Christian Tomuschat, Calling Europe by Phone (guest editorial), in: CMLRev. 2010, S. 4. 230 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 91. 231 Ebenso: Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 104 ff.; zum Verhältnis von Hohem Vertreter, Ratspräsidentschaft und Kommission: Rikard Bengtsson/David Allen, Explor­

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Eine seit der Geltung des Reformvertrags vom Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ entkoppelte Formation bildet die des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“.232 Als solche schafft er mit seinen Arbeiten die Grundlage für die Vorbereitung und die Kontinuität des Europäischen Rates (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. b EUV). Der Rat greift hierfür auf die Vorarbeit des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV)233 und des Rates der Außen- und Europaminister zurück. Der Präsident des Europäischen Rates ist bei seinem oben beschriebenen Tätigkeitsfeld auf die Arbeiten des Ministerrats angewiesen; auf dessen Einrichtung, also die Zusammensetzung und den Vorsitz hat der Europäische Rat, anders als bei den übrigen Formationen,234 gemäß Art. 16 Abs. 6 UAbs. 1 EUV und Art. 236 lit. a AEUV jedoch keinen Einfluss.235 Durch den Vertrag von Lissabon an Bedeutung und Funktion „eingebüßt“ haben in Bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten die nationalen Außenminister (bzw. deren jeweilige Staats- oder Regierungschefs). Während der Vorsitz im Rat in allen Formationen weiter wechselt, haben die Außenminister des jeweiligen Vorsitzlandes ihre Funktion an den Hohen Vertreter als ständigem Vorsitzenden des Rates

ing a Triangular Drama: The High Representative, The Council Presidency and the Commission, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 109 ff. 232 Vgl. Art. 2 Abs. 1 S. 2 GORat a. F. Vor der Primärrechtsänderung hieß die Ratsformation „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“. Zu den Themengebieten „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Außenbeziehungen“ tagte der Rat jedoch gesondert, vgl. Sven von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, Köln u. a. 2009, S. 59 [noch zur Geschäftsordnung des Rates vom 22. März 2004 (Beschluss des Rates 2004/338/EG, Euratom, ABl.EU 2004, Nr. L 106 S. 22 vom 15.4.2004), geändert durch Beschluss des Rates 2004/701/EG, Euratom, ABl.EU 2004, Nr. L 319 S. 15 vom 20.10.2004 und Beschluss 2006/34/EG, Euratom des Rates, ABl.EU 2006, Nr. L 22 S. 32 vom 26.1.2006, ersetzt durch Beschluss 2006/683/EG, Euratom des Rates, ABl.EU 2006 Nr. L 285 S. 47 vom 16.10.2006, geändert durch Beschluss 2007/4/ EG, Euratom des Rates, ABl.EU 2007, Nr. L 1, S. 9 vom 4.1.2007, d. h. zur Rechtslage nach dem Vertrag von Nizza]; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 234 f. 233 Synonym wird die auf die französische Langform „Comité des représentants permanents“ zurückgehende Abkürzung „Coreper“ (oder „COREPER“) verwendet. Der AStV ist in zwei thematische Bereiche gegliedert: Während politische Fragen von den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten im „AStV II“ erörtert werden, werden administrative und technische An­gelegenheiten von ihren Stellvertretern in der Runde des „AStV I“ besprochen; vgl. auch Art. 19 GORat. 234 Alle übrigen Formationen bedürfen der Annahme durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit (Art. 16 Abs. 3 EUV), vgl. Art. 16 Abs. 6 UAbs. 1 EUV, Art. 236 lit. a AEUV und Art. 2 Abs. 1 S. 2 GORat. 235 Die Einrichtung der Formationen „Allgemeine Angelegenheiten“ und „Auswärtige Angelegenheiten“ erfolgen durch das Primärrecht selbst (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 2 und UAbs. 3 EUV). Streinz/Ohler/Herrmann sprechen daher von einem „Subordinationsverhältnis“, Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl. München 2010, S. 61; zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Sven von Alemann, Der Rat der Europäischen Union, Köln u. a. 2009, S. 59 („primus inter pares“).

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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„Auswärtige Angelegenheiten“,236 ihre Staats- oder Regierungschefs den Vorsitz an den ständigen Präsidenten des Europäischen Rates verloren.237

IV. Die Europäische Kommission Das auswärtige Handeln der Union ist nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon zweigeteilt. Neben der in der vorliegenden Untersuchung schwerpunktmäßig analysierten, vom Rat geprägten GASP steht unabhängig und gleich­ berechtigt der Teil des auswärtigen Handelns, der vor allem durch die Kommission gestaltet wird. Hierzu zählt insbesondere die Gemeinsame Handelspolitik (Art. 206 und Art. 207 AEUV), die eine ausschließliche Kompetenz der Union bildet (Art. 3 Abs. 1 lit. e AEUV).238 Zur Vertretung der Union nach außen berufen ist – ab­gesehen von der GASP und anderen vertraglich vorgesehenen Fällen (Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV) – die Kommission. Innerhalb der Kommissionszuständigkeiten unterscheidet Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV insoweit zwischen einem Bereich der „Außenbeziehungen“ und den „übrigen Aspekten des auswärtigen Handelns der Union“.239 Aus dieser Differenzierung können zweierlei Schlüsse gezogen werden. Erstens muss im Umkehrschluss zur Formulierung „und (…) der übrigen Aspekte“ gefolgert werden, dass der Bereich der „Außenbeziehungen“ eine Unterkategorie des auswärtigen Handelns bildet. Zweitens dient die Unterscheidung der beiden Gebiete dazu, kenntlich zu machen, dass sich hieran unterschiedliche Aufträge des Hohen Vertreters knüpfen. Während im erstgenannten Bereich der Außenbeziehungen innerhalb der Kommission eine vollumfängliche Zuständigkeit des Hohen Vertreters besteht, ist sie hinsichtlich der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Kommission auf eine nur koordinierende Rolle beschränkt.240

236

Seit September 2010 pflegen die nationalen Außenminister den Gedanken- und Meinungsaustausch wieder verstärkt in einem informellen Forum (sog. Gymnich-Treffen). Der Begriff „Gymnich-Treffen“ geht auf das erstmals im April 1974 von Hans-Dietrich Genscher auf Schloss Gymnich veranstaltete Treffen der Außenminister zurück. Derartige informelle Treffen sollen nach dem Willen der Gruppe zur Zukunft Europas häufiger stattfinden, vgl. Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 9, abrufbar unter: http://www.auswaertigesamt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918-AbschlussberichtZukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 237 Zum Präsidenten des Europäischen Rates in diesem Teil unter H. II. 238 Zu den Außenkompetenzen im Bereich der Gemeinsamen Handelspolitik sowie in anderen Politikbereichen mit auswärtigem Bezug: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 288 ff. 239 Zur systematischen Einordnung dieser Zuständigkeiten siehe 4. Teil C. 240 Hierzu bereits in diesem Teil unter H. I. 6.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Hinsichtlich der Beziehungen der Union zu internationalen Organisationen und Drittstaaten gilt Art. 220 Abs. 2 AEUV. Die Vorschrift überantwortet die Durchführung der Vertragsbestimmung dem Hohem Vertreter und der Kommission. Eine präzise Aufteilung der Kompetenzen gibt der Vertrag nicht an die Hand. Angesichts des den Verträgen innewohnenden Zweiklangs von intergouvernementalen außenpolitischen Fragen einerseits und vollumfänglich vergemeinschafteten außenpolitischen Bereichen andererseits bietet sich eine Aufgabenteilung der­ gestalt an, dass der Hohe Vertreter in Verhandlungen mit internationalen Organisationen und Drittstaaten Fragen der GASP vertritt, die Kommission hingegen ihre jeweilige außenpolitischen Zuständigkeiten.241 Von den genannten Kategorien des auswärtigen Handelns zu trennen ist die GASP, die das Mosaik der unterschiedlichen Bereiche des auswärtigen Handelns der Union vervollständigt.242 Anders als noch vor Geltung des Vertrags von Lissabon kommt der Kommission als solcher innerhalb der GASP aktuell keine eigenständige Funktion mehr zu.243 Insbesondere ist die vormals bestehende Möglichkeit der Beteiligung an den Arbeiten im Bereich der GASP (Art. 18 Abs. 4 S. 1 EUV a. F. und Art. 27 EUV a. F.244) entfallen, ebenso die, eine eigene Beschluss­ initiative in den Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ einzubringen. Sie ist auf den Hohen Vertreter übergegangen, den die Kommission jedoch bei dieser Aufgabe unterstützen kann (Art. 30 Abs. 1 EUV). Gemeinsame Vorschläge von Hohem Vertreter und Kommission können auch im Rahmen des Art. 22 Abs. 2 EUV vorgelegt werden, d. h. für alle auswärtigen Bereiche außerhalb der GASP. Hierin kann ein Mittel gesehen werden, das auswärtige Handeln der Union kohärent zu gestalten.245 Durch die Personalunion von Außenkommissar und Hohem Vertreter bleibt die Kommission der GASP letztlich jedoch verbunden.

V. Das Europäische Parlament und das auswärtige Handeln Im folgenden Abschnitt soll die Rolle des Europäischen Parlamentes im Bereich des auswärtigen Handelns der Union erörtert werden. Die Darstellung orientiert sich hierbei an der vertraglich angelegten Unterscheidung von kommissionsseitigem Außenhandeln einerseits, insbesondere die im fünften Teil des AEU-Vertrags geregelten Materien (dazu unter 1.), sowie andererseits der GASP (dazu unter 2.). 241

Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 183. Zur GASP siehe insbesondere 3. Teil B. sowie 4. Teil C. 243 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon: Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 414 ff. 244 Zu der unter alter Rechtslage bestehenden Beteiligungsmöglichkeit der Kommission in der GASP: Thomas Grunert, Die verfassungsvertragliche Rolle der Organe der Europäischen Union in den Außenbeziehungen, in: P.-Ch. Müller-Graff (Hrsg.), Die Rolle der erweiterten Europäischen Union in der Welt, Baden-Baden 2006, S. 31. 245 Zu anderen Möglichkeiten bereits im 4. Teil H. IV. und E. sowie noch im 5. Teil E. II. und IV. 242

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Beide Bereiche sollen auf die Entstehung von Parlamentarisierungsansätzen untersucht werden. 1. Parlamentarisierungsansätze des auswärtigen EU-Handelns im AEU-Vertrag Eine gegenüber dem EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Nizza deutlich gestärkte Position kommt dem Europäischen Parlament im außenpolitischen Bereich zu, wenn es um das „kommissionsseitige Außenhandeln“246 der Union, also um diejenigen Politikbereiche geht, die der Gemeinschaftsmethode unterliegen. Anschauliches, wenngleich nicht typisches Beispiel hierfür ist das Verfahren zur Einsetzung des Hohen Vertreters. Dieser muss sich als Mitglied der Kommission gemäß Art. 17 Abs. 7 UAbs. 3 S. 1 EUV dem Votum des Europäischen Parlaments stellen, ist also von der Zustimmung des Parlaments abhängig. Im Bereich der vergemeinschafteten Bereiche des auswärtigen Handelns liegt das Initiativrecht bei der Kommission (Art. 289 Abs. 1 S. 1 AEUV: „auf Vorschlag der Kommission“), das Europäische Parlament ist damit von der direkten Initiative im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ausgeschlossen.247 Innerhalb des unionseigenen auswärtigen Handelns wiederum ist die Mitwirkung des Parlaments unterschiedlich stark ausgeprägt.248 Wird eine Übereinkunft zwischen der Union und Drittländern oder internationalen Organisationen ausgehandelt, ist das Europäische Parlament gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV „in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend“

durch die Verhandlungsleitung der Union zu unterrichten. In den von Art. 218 Abs. 6 UAbs. 2 lit. a AEUV aufgezählten Politikbereichen erlässt der Rat den Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft erst nach Zustimmung des Parlaments; in allen übrigen Fällen ist das Parlament lediglich über die Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer vom Rat gesetzten Frist am Abschluss der Über­ einkunft beteiligt (Abs. 6 UAbs. 2 lit. b). Der Bereich der GASP ist von beiden Beteiligungsformen ausgenommen (Abs. 6 UAbs. 2) und das Parlament hinsichtlich des Abschlusses von Übereinkünften über reine GASP-Materien damit von einer Einflussnahme ausgeschlossen. 246 Teilweise noch zum EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Nizza: Gisela MüllerBrandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 29. 247 Zur indirekten Initiative des Europäischen Parlaments im Bereich des auswärtigen Handelns: Tobias Jaag, Demokratische Legitimation der EU-Außenpolitik nach Lissabon, in: EuR 2012, S. 313 f. 248 Zu den verschiedenen Beteiligungsformen: Tobias Jaag, Demokratische Legitimation der EU-Außenpolitik nach Lissabon, in: EuR 2012, S. 315.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

2. Parlamentarisierungsansätze des auswärtigen EU-Handelns im EU-Vertrag Im Grundsatz ist die auf europäischer Ebene betriebene gemeinsame Außenpolitik eine Domäne der mitgliedstaatlichen Exekutiven. Am deutlichsten zeigt sich dies am Modus der Beschlussfassung, der der Einstimmigkeitsregel folgt (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 und Art. 31 Abs. 1 S. 1 EUV). Bei dieser primärrechtlichen Vorgabe kann dem Europäischen Parlament im Bereich der gemeinsamen Außenpolitik von vornherein eine nur sehr begrenzte Rolle zukommen. Dies soll allerdings nicht als europäische Besonderheit gewertet werden, sondern entspricht in weiten Teilen den von den Mitgliedstaaten über Jahrhunderte gepflegten Verfassungstraditionen,249 so auch der der Bundesrepublik Deutschland.250 Mit besonderem Interesse zu beobachten sind daher die im Bereich der GASP zu verzeichnenden Parlamentarisierungstendenzen. a) Anhörung des Europäischen Parlaments vor Beschluss über den Europäischen Auswärtigen Dienst Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme von Parlamentarisierungsansätzen innerhalb der GASP liefert beispielsweise Art. 27 Abs. 3 S. 4 EUV, nach dessen Wortlaut der Rat beim Beschluss über den EAD „auf Vorschlag des Hohen Vertreters nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach Zustimmung der Kommission“

entscheidet. Zwar ist die Beteiligung des Parlaments mit der vorgesehenen „Anhörung“ denkbar schwach ausgestaltet – dies entspricht dem bereits beschriebenen Konzept der GASP als „domaine réservé“ der Mitgliedstaaten sowie mehrheitlich der Rechtslage nach mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht251 –, doch bedeutet selbst diese geringfügige Beteiligung des Parlaments, dass die den Vertrag von Lissabon ratifizierenden Mitgliedstaaten das Bedürfnis einer parlamentarischdemokratischen Rückbindung der neuen Institution „EAD“ an das von den Unionsbürgern gewählte Europäische Parlament anerkannt und eine diese Notwendigkeit umsetzende Vertragsbestimmung geschaffen haben.

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Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 211. 250 Vgl. Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 221 f. Zur Rolle des Bundestages im Bereich der auswärtigen Gewalt oben 1. Teil B. I. 2. b). 251 Joachim Bitterlich, Art. 36 EUV Rn. 2, in: C. O. Lenz/K.-D. Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Köln 2012. Vgl. hierzu auch 4. Teil H. VI.

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Von der Anhörung beim Beschluss über den EAD einmal abgesehen wusste sich das Europäische Parlament bei den Verhandlungen über die Organisation und die Arbeitsweise des EAD im Übrigen durchaus praktisch zu helfen.252 Zwar war es am Zustandekommen des Ratsbeschlusses formal nur im Wege der oben genannten Anhörung beteiligt, doch vermochte es sich in den Diskussionen mit den übrigen Organen, dem Quadrilog, über seine Zuständigkeit für die flankierenden budgetrechtlichen Maßnahmen Gehör zu verschaffen.253 b) Anhörung und Unterrichtung des Europäischen Parlaments durch den Hohen Vertreter Ein weiteres Beispiel für eine in Ansätzen gestiegene Bedeutung des Europäischen Parlaments in Angelegenheiten der GASP stellt Art. 36 UAbs. 1 S. 1 EUV dar. Hiernach hört der Hohe Vertreter „(…) das Europäische Parlament regelmäßig zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und unterrichtet es über die Entwicklung der Politik in diesen Bereichen“.

Der Hohe Vertreter ist demnach in außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Angelegenheiten zur zentralen Anlaufstelle des Europäischen Parlamentes geworden254 und hat damit den Ratsvorsitz und die Kommission in dieser Rolle abgelöst (Art. 21 UAbs. 1 EUV a. F.). Die Anhörung umfasst allerdings nach wie vor lediglich ein Recht zur Beobachtung, Information und zur Kommentierung, nicht jedoch zur Mitentscheidung.255 252

Hierzu noch im 5. Teil B. IV. Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 105; Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 220: „Das Parlament schreckt hierbei nicht davor zurück, ein Junktim zwischen der Bereitstellung von Finanzmitteln und der (…) Anhörung herzustellen (…)“. Hierzu noch im 5. Teil B. IV. Einen informelleren Weg der Parlamentarisierung bietet der Abschluss interinstitutioneller Vereinbarungen. Zu ihrer Bedeutung als Instrument vor allem zugunsten des Europäischen Parlaments vgl. Daniela Kietz/Peter Slominski, Kontinuierliche Verfassungsentwicklung durch interinstitutionelle Vereinbarungen, in: dies./A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 18 ff. Zu ihrer Rolle innerhalb der GASP: Andreas Maurer/Daniela Kietz, Interinstitutional Agreements in CFSP – Informal and Incremental Parliamentarisation, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005. 254 Stefan Kadelbach, Die Außenpolitik im europäischen Mehrebenensystem und ihre rechtliche Basis – Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 17. 255 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 419; Hans-Joachim Cremer, Art. 36 EUV Rn. 1, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/ AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 253

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Wie schon seine Vorgängervorschrift verpflichtet auch Art. 36 UAbs. 1 S. 1 EUV den Hohen Vertreter zu einer Anhörung des Parlaments, die einem „regelmäßigen“ Intervall folgt. Dem Hohen Vertreter ist damit weiterhin ein erhebliches politisches Ermessen hinsichtlich der Konkretisierung des Begriffs der Regelmäßigkeit wie auch hinsichtlich der Einstufung eines Aspektes bzw. einer Weichenstellung als „wichtig“ bzw. „grundlegend“ eingeräumt,256 das einer gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH weitgehend entzogen ist (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV i. V. m. Art. 275 UAbs. 2 AEUV).257 Hinsichtlich der Frequenz der Anhörungen dürfte sich aus Art. 36 UAbs. 2 S. 2 EUV selbst ein Minimum von zwei Anhörungen bzw. Unterrichtungen pro Jahr ergeben, da die Vorschrift vorsieht, dass das Parlament zweimal jährlich eine Aussprache über die in GASP und GVSP erzielten Fortschritte führt.258 Ungeachtet der Frage, wie der Hohe Vertreter das ihm eröffnete Ermessen im Übrigen ausübt und von den Anhörungen Gebrauch macht, liegt gerade in der Gewährung eines Anspruchs des Parlaments auf seine Anhörung, wenn auch nicht zu einer konkreten Einzelentscheidung,259 der entscheidende Grund, von einer gesteigerten Bedeutung des Europäischen Parlaments in GASP-Angelegenheiten auszugehen. Im Unterschied zu Art. 36 EUV war Art. 21 EUV a. F. die Einbeziehung der GSVP in die Anhörungs- und Unterrichtungspflicht noch vollkommen fremd; der Umfang der Anhörung hat sich mit dem Vertrag von Lissabon also auch inhaltlich erweitert. Die substanziellen Befugnisse des Parlaments sind jedoch auch hinsichtlich der GSVP schwach ausgestaltet und erfordern eine Ergänzung durch die Kontrolle der nationalen Parlamente.260 Ebenfalls erhalten geblieben ist auch nach dem durch den Vertrag von Lissabon geänderten Vertragstext eine (nur) „gebührende Berücksichtigung der Auffassungen der Europäischen Parlaments“, für die der Hohe Vertreter Sorge zu tragen hat (Art. 36 UAbs. 1 S. 2 EUV). Kraft seiner Position als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ sowie seiner Teilnahme an den Sitzungen des Europäischen Rates kann der Hohe Vertreter in den Beratungen dieser beiden Organe auf eine „gebührende Berücksichtigung“ hinwirken. Dies gilt für Beschlüsse und Entscheidungen des politischen Alltagsgeschäfts, aber umso mehr für die von Kommission und Hohem Vertreter gemeinsam dem Rat (und später dem Europä 256 Hans-Joachim Cremer, Art. 36 EUV Rn. 3, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 257 Zu Letzterem vgl. 5. Teil J. 258 Vgl. auch Art. 96 Nr. 3 i. V. m. Anlage VII-I GOEUParl. 259 Jörg Philipp Terhechte, Art. 36 EUV Rn. 1, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar. 3. Aufl., Baden-Baden 2012. 260 Von dieser Tatsache ging bereits der Abschlussbericht der von Michel Barnier geleiteten Arbeitsgruppe VIII (Verteidigung) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 461/02 vom 16.12.2002 aus (S. 25); Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002, S. 6. Für die Bundesrepublik vgl. bereits im 1. Teil B. I. 2. b) cc) und dd).

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ischen Rat) vorgelegten Vorschläge für strategische Interessen und Ziele der Union (Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 EUV). Zweifelsfrei beziehen sich Anhörung und Unterrichtung des Europäischen Parlaments auf die in der Vergangenheit liegende Entwicklung der GASP/GSVP (sog. Ex-post-Anhörung).261 Um aber die soeben beschriebene „gebührende Berücksichtigung“ umfassend gewährleisten zu können, müssten vom Hohen Vertreter in die Anhörung und die Unterrichtung des Parlaments logischerweise auch Aspekte einbezogen werden dürfen, die die zukünftige Entwicklung von GASP und GSVP betreffen, also Pläne und zukunftsbezogene Konzepte umfassen.262 Eine diesbezügliche Anhörung müsste der „Berücksichtigung“ daher denknotwendig vorgeschaltet sein (Ex-ante-Anhörung). Die gegenteilige Auffassung,263 die ausschließlich eine nachträgliche Angehörung des Parlaments annimmt, setzt zum einen die dem Hohen Vertreter auferlegte Aufgabe herab, für eine gebührende Berücksichtung der Auffassungen des Europäischen Parlaments zu sorgen, und „verbannt“ zum anderen das Parlament ohne jede Möglichkeit der Einflussnahme auf außen-, sicherheits- und verteidigungspolitische Willensbildungsprozesse „auf die Zuschauerbank“264.265 Nach dieser Lesart des Art. 36 EUV wird die GASP dem Postulat allerdings gerecht, auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon „den letzten intergouvernemental geprägten Politikbereich der Union“266 darzustellen. Um dieses Postulat aufrecht zu erhalten, bedarf es allerdings keiner übertriebenen Strenge. Es ließe eine Interpretation des Art. 36 EUV zu, die, den genannten 261 Jörg Philipp Terhechte, Art. 36 EUV Rn. 1, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar. 3. Aufl., Baden-Baden 2012 [„(…) also erst nachträglich, obwohl damit die Erfüllung der Aufgabe, die Auffassung des Parlaments gebührend zu berücksichtigen, unmöglich wird.“]. 262 Hans-Joachim Cremer, Art. 36 EUV Rn. 7, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 263 Werner Kaufmann-Bühler, Art. 21 EUV Rn. 11, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 264 Hans-Joachim Cremer, Art. 36 EUV Rn. 7, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 265 Hans-Joachim Cremer, Art. 36 EUV Rn. 7, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011; Hans Krück, Art. 11–28 EUV Rn. 63, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 1. Aufl., Baden-Baden 2000. 266 Andreas Haratsch/Christian Koenig/Matthias Pechstein, Europarecht, 8. Aufl., Tübingen 2012, Rn. 1282; Stefan Oeter, Vertrag oder Verfassung: Wie offen lässt sich die Souveränitätsfrage halten?, in: Th. Bruha/J. J. Hesse/C. Nowak (Hrsg.), Welche Verfassung für Europa?, ­Baden-Baden 2001, S. 251 („in der Konsensabhängigkeit der klassischen intergouvernementalen Zusammenarbeit steckengeblieben“); Risse geht dabei auch der Frage nach, aus welchen Gründen der traditionell ebenfalls „mit nationalen Souveränitätsüberlegungenen belastet[e]“ Politikbereich der inneren Sicherheit weitgehend vergemeinschaftet werden konnte und erklärt dies mit „institutionellen Pfadabhängigkeiten“, Thomas Risse, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsvertragsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheits­politik, in: integration 2003, S. 568.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Grundsatz vorausgesetzt, eine Art „Ausnahme-Regelung“ einführte, in der eine „ausdrückliche Einbeziehung der parlamentarischen Haltung (…) für die Außenpolitikformulierung in der GASP“ und damit eine Ex-ante-Beteiligung „besonders opportun [erscheint]“.267 Die hier vertretene Auffassung einer – punktuellen – Einbeziehung zukunftsorientierter Aspekte in die Anhörung des Europäischen Parlaments mag an „Schrecken“ verlieren, führt man sich vor Augen, dass das Parlament wegen seines Budget­rechts bei den Haushaltsberatungen die Planungen einbezogen werden muss (Art. 41 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 EUV bzw. Art. 310 und Art. 312 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 AEUV)268 und über diesen verfahrensrechtlichen Umweg im Regelfall Kenntnis von den beabsichtigten Vorhaben erhalten, Mitsprache für sich reklamieren und so an Einfluss gewinnen wird.269 Die budgetrechtliche Vetomöglichkeit des Parlaments kann allenfalls durch Sonderzahlungen der Mitgliedstaaten ausgehebelt werden.270 Von diesem verfahrensrechtlichen Argument abgesehen entspricht es ferner dem dem Vertrag von Lissabon zugrunde liegenden Anliegen, die Parlamentsrechte, sei es auf europäischer, sei es auf nationaler Ebene, zu stärken.271 Es ist daher nur konsequent, bei entsprechendem Bedarf nach parlamentarischen Legitimation von GASP-Beschlüssen von der noch zur Vorgängervorschrift des Art. 36 EUV entwickelten Auffassung abzuweichen, nach der sich die „gebührende Berücksichtigung“ der Auffassungen des Europäischen Parlaments nur auf die vergangene Entwicklung der GASP bezieht. Die dargestellte (rechtliche) Kontroverse verliert in Anbetracht der (politischen) Erklärung des Hohen Vertreters über die Rechenschaftspflicht gegenüber dem 267 Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 36 EUV Rn. 3 f., in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. Als Beispiele, in denen die Ex-ante-Beteiligung des Parlaments als opportun angesehen wird, werden angeführt: die Absicherung von GASP-Positionen bei Menschenrechtsfragen, bei der Entsendung von EU-Wahlbeobachtern oder bei ausgabewirksamen GASP-Beschlüssen. Für Letztere wurde eine interinstitutionelle Vereinbarung geschlossen, vgl. interinstitutionelle Vereinbarung vom 14.6.2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung, ABl.EU 2006, Nr. C 139 S. 1 ff. vom 14.6.2006 (Nr. 33: Übersendung des Haushaltsvorentwurfs an das Europäische Parlament). 268 Dies betrifft beispielsweise auch die Planung zur Eröffnung einer Unionsdelegation an einem neuen Standort, Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 207. 269 Joachim Bitterlich, Art. 36 EUV Rn. 3, in: C. O. Lenz/K.-D. Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Köln 2012. 270 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 51. 271 Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 99; Siegfried Magiera, Die Arbeit des europäischen Verfassungskonvents und der Parlamentarismus, in: DÖV 2003, S. 578 f.; Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 51 (beide noch zur Rechtslage nach Nizza); Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 54.

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Europäischen Parlament272 an Schärfe. Diese enthält mit Nr. 1 und 2 der Erklärung – ähnlich einer Verwaltungsvorschrift – „Interpretationshilfen“273 zu Art. 36 EUV, der die Pflicht des Hohen Vertreters begründet, das Europäische Parlament „im Vorfeld der Annahme von Mandaten und Strategien im Bereich der GASP“ zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen (inkl. GSVP) regelmäßig anzuhören. Hervorzuheben ist insbesondere die vorherige Unterrichtung des Europäischen Parlaments über Mandatsentwürfe, die im Rahmen der GASP eingebracht werden.274 Sie relativiert den oben erörterten Grundsatz der Ex-post-Anhörung und stärken die dort vertretene Ansicht, dass im Einzelfall nur eine vorherige Anhörung des Europäischen Parlaments eine „gebührende Berücksichtung“ dessen Auffassungen ermöglichen kann.275 c) Einbeziehung der Sonderbeauftragten in die Unterrichtung Einer gegenüber dem Vertrag von Nizza minimal erhöhten demokratischen Kontrolle unterliegen nach dem Inkrafttreten des Reformvertrags nun auch die von der Union eingesetzten Sonderbeauftragten (Art. 33 EUV),276 die das Europäische Parlament zu seiner Unterrichtung nun auf seinen Wunsch nach Art. 36 UAbs. 1 S. 3 EUV hinzuziehen kann. Auch in Bezug auf neu ernannte Sonderbeauftragte kann das Parlament nun verlangen, diese vor Dienstantritt zu hören, wenngleich ein zustimmendes Votum des Europäischen Parlaments nur eine die allgemeine Akzeptanz stärkende Wirkung hat, jedoch keine vertragliche Voraussetzung für die Ernennung der Sonderbeauftragten bildet.277 272 Vgl. „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011 Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 273 Ähnlich: Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External ­Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 499 („interpretative provision“). 274 Zum verbesserten Konsultationsverfahren mit dem außenpolitischen und dem Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments vgl. Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8. 275 Siehe in diesem Teil schon auch zuvor unter H. V. 2. b). 276 Zu den von der Union eingesetzten Sonderbeauftragten: Cornelius Adebahr, Working inside out: what role for Special Envoys in the European External Action Service, in: Policy Brief, January 2011, European Policy Centre, S. 2 f. 277 Vgl. Nr. 5 und 7 der „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Das Parlament kann ferner Anfragen oder Empfehlungen an den Rat und den Hohen Vertreter richten und zweimal jährlich eine Aussprache über Fortschritte bei Durchführung der GASP herbeiführen (Art. 36 UAbs. 2 EUV). d) Rolle des Europäischen Parlaments im Übrigen Im Bereich der GASP ist das Europäische Parlament im Übrigen darauf beschränkt, durch den Präsidenten des Europäischen Rates über die Tagungen der Staats- und Regierungschefs unterrichtet zu werden (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. d EUV); nicht zuletzt zeigt die Erklärung Nr. 14 der Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon angenommen hat, in seinem Unterabsatz 2 die Vorbehalte der Mitgliedstaaten und ihre Befürchtung, das Europäische Parlament könne durch die Änderungen im Bereich der GASP erweiterte Befugnisse erhalten. Dies soll mit der gewählten Formulierung („dass diese Bestimmungen [scil. die Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik] die Rolle des Europäischen Parlaments nicht erweitern“) eindeutig ausgeschlossen werden. Zwar ist die Erklärung von ihrem Charakter her nicht rechtsverbindlich, gleichwohl zeigt sie, ebenso wie die Erklärung Nr. 13,278 dass Spill-over-Effekte seitens der Mitgliedstaaten nicht uneingeschränkt willkommen geheißen werden.279 Mit dem Ausschuss Auswärtige Angelegenheiten (Affaires étrangères, AFET) hat das Europäische Parlament seine Expertise in außenpolitischen Fragen institutionalisiert. Gemäß der im Mai 2009 angenommenen Anlage VII zur GOEUParl ist der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zuständig für: 1. die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). (…); 2. die Beziehungen zu anderen EU-Organen und -Einrichtungen, der UNO sowie anderen internationalen Organisationen und interparlamentarischen Versammlungen für Angelegenheiten, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen; 3. die Stärkung der politischen Beziehungen zu Drittländern, insbesondere denjenigen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Union, (…); 4. die Eröffnung und Überwachung sowie den Abschluss von Verhandlungen über den Beitritt europäischer Staaten zur Union; 5. Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten, dem Schutz von Minderheiten und der Förderung demokratischer Werte in Drittländern. (…).

278

Vgl. hierzu 6. Teil A. Claudia Major, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach Lissabon, SWP-Aktuell 7, Januar 2010, S. 4. 279

H. Institutionelle Architektur des auswärtigen EU-Handelns

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Mit den aufgezählten Zuständigkeiten spiegelt der Ausschuss die komplette Bandbreite des auswärtigen Handelns der Union wider. Es handelt sich hierbei selbstredend lediglich um eine Befassungskompetenz. Eine Befugnis zur Wahrnehmung, Durch- oder Ausführung soll und kann durch die GOEUParl nicht statuiert werden. 3. Resümee zur Parlamentarisierung des auswärtigen EU-Handelns Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass das Europäische Parlament auch im Bereich auswärtiger Angelegenheiten seine Rolle als „institutionelles Gegengewicht“280 zu Rat und Kommission wahrzunehmen versucht. Am deutlichsten kommt dies beim kommissionsseitigen Außenhandeln der Union zum Ausdruck, bei dem die Politikbereiche mit Außenbezug der Gemeinschaftsmethode unterliegen. Bezieht man den interparlamentarischen Austausch über außenpolitische Themen mit dritten Staaten in die Betrachtung ein, kann auch in diesem Betätigungsfeld ein dezentrales Forum auswärtigen Handelns des Europäischen Parlaments erblickt werden.281 Konnte die GASP dagegen unter der Geltung des Vertrags von Nizza und dem Säulenmodell der Union zweifellos noch als „parlamentsfreier Raum“282 charakterisiert werden, ist es mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon trotz der vorherrschenden Stellung der Mitgliedstaaten im Bereich der GASP zu einer punktuellen Rückbindung auch der GASP an das Europäischen Parlament gekommen.283 Diese Rückbindung an das Parlament spiegelt sich am anschaulichsten in der inhaltlichen bzw. personellen Einbeziehung der GSVP bzw. der Sonderbeauftragten wider. In der Gesamtheit betrachtet bleibt das auswärtige Handeln der Union der Einflussnahme durch das Europäische Parlament dennoch weitgehend entzogen; die Stärkung seiner Rechte an der Binnengesetzgebung spiegelt sich in den Politikbereichen mit Außenbezug jedenfalls nicht wider.284 280 Stefan Oeter, Föderalismus und Demokratie, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 107. 281 Vgl. auch Art. 10 des Protokolls Nr. 1 zum EU-Vertrag „Über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union“. Zu diesem Betätigungsfeld des Europäischen Parlaments: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 212 ff. 282 Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 212; Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 105. 283 Zur Forderung des Verfassungskonvents nach einer größeren Beteiligung des Europäischen Parlaments an der GASP: Kolja Raube, Die Verfassungsaußenpolitik der Europäischen Union, Baden-Baden 2007, S. 201 f., 240 f. 284 Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 464.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

Obwohl das Ausmaß der Beteiligung mit der Beibehaltung der Anhörung des Europäischen Parlaments auf konstant niedrigem Niveau bleibt, sollen die geschilderten Ansätze einer parlamentarischen Rückbindung des auswärtigen Handelns in der vorliegenden Arbeit als zaghafte Parlamentarisierung der GASP bezeichnet, keinesfalls aber bereits als unumkehrbarer Trend für die Zukunft eingeschätzt werden.285

VI. Die Rolle der nationalen Parlamente Die Übertragung von (ausschließlichen) Kompetenzen an die Europäische Union hat im Grundsatz zur Folge, dass eine Kontrolle durch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten entfällt. Dies gilt auch für den Bereich der vergemeinschafteten Bereiche der Außenpolitik, wie beispielsweise die Außenhandelspolitik.286 Art. 12 EUV bezweckt zwar, die Rolle der nationalen Parlamente zu stärken.287 Diesen Auftrag konkretisierend eröffnet Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 EUV i. V. m. dem infolge des Vertrags von Lissabon ergangenen Protokoll Nr. 2288 den nationalen Parlamenten zwar die Möglichkeit, die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu kontrollieren (sog. Subsidiaritätskontrolle).289 Dieses Instrument ist ein Mittel der Gesetzgebungskontrolle, mithin anwendbar, sofern es um „Gesetzgebungsakte“ geht (Art. 2 ff. des Protokolls). Der Bereich des auswärtigen Handelns ist hiervon nicht grundsätzlich ausgenommen. Insbesondere die Rechtsakte der Politikbereiche des fünften Teils des AEU-Vertrags ergehen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, sodass eine Subsidiaritätskontrolle prinzipiell möglich ist. Durch die innerstaatliche Ratifizierung gemischter Abkommen wirken die nationalen Parlamente an außenpolitischen Grundentscheidungen der Union mit. 285 Vgl. Gisela Müller-Brandeck-Boquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 30 mit Fn. 28; Andreas Maurer/Daniela Kietz, Interinstitutional Agreements in CFSP – Informal and Incremental Parliamentarisation, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 226. 286 Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 940. 287 Siehe hierzu auch das Protokoll Nr. 1 zum EU-Vertrag über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union. Durch Art. 51 EUV ist das Protokoll integraler Bestandteil des EU-Vertrags. 288 Protokoll Nr. 2 zum EU-Vertrag über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Durch Art. 51 EUV ist das Protokoll integraler Bestandteil des EU-Vertrags. 289 Zu den Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips: Martina Mayer, Die Europafunktion der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, Tübingen 2012, S. 125 ff.; Philipp Molsberger, Das Subsidiaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, Berlin 2009, S. 200 ff.; Christian Calliess, Grundsatz der Subsidiarität: Nur ein leeres Versprechen?, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 61 ff.

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Von der Subsidiaritätskontrolle ausgenommen sind jedoch die innerhalb der GASP getroffenen Maßnahmen. Dies liegt in praktischer Hinsicht zum einen an der mit GASP-Angelegenheiten regelmäßig verbundenen Eilbedürftigkeit der zu treffenden Maßnahmen, die sich einem an die Einhaltung verschiedener Fristen gebundenen Verfahren der Subsidiaritätskontrolle daher entziehen. Von diesem praktischen Grund abgesehen liegt die ausschlaggebende Ursache für die Nichtanwendbarkeit des besonderen Mechanismus der Subsidiaritätskontrolle darin, dass er ausschließlich die Überprüfung von „Gesetzgebungsakten“ ermöglicht, GASP-Maßnahmen hingegen regelmäßig als Beschlüsse des Rates ergehen. Als „Gesetzgebungsakte“ gelten im Sinne des Unionsrechts nach Art. 289 Abs. 3 AEUV alle „Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden“. Der Erlass von Gesetzgebungsakten wird für den Bereich der GASP durch Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3 EUV jedoch gerade explizit aus­ geschlossen.290 Für eine analoge Anwendung der Vorschriften über die besondere Subsidiaritätskontrolle fehlt es im rechtlichen Sinne an einer planwidrigen Regelungslücke.291 Denkbar ist jedoch, dass nationale Parlamente sich im Rahmen politischer Eigeninitiative unmittelbar auf das in Art. 5 Abs. 3 EUV verankerte Subsidiaritätsprinzip berufen und auf diese Weise eine Kontrolle der Zuständigkeiten herbeiführen.292 Ein absoluter Ausschluss der nationalen Parlamente von einer Befassung mit Fragen, die die GASP betreffen, soll und kann durch das Unionsrecht nicht bewirkt werden. Außen- und sicherheitspolitische Themen können beispielsweise Gegenstand interparlamentarischer Konferenzen oder anderer Formen interparlamentarischer Zusammenarbeit sein.293 Die auf diese Weise mittelbar bewirkte Meinungsbildung vermag zwar keine verbindliche Wirkung außerhalb des par­

290 Mit ähnlicher Begründung: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 218 f. 291 Jürgen Bast/Armin von Bogdandy, Art. 5 EUV Rn. 51, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Zu den Voraussetzungen der Analogiebildung: A. W. Heinrich Langhein, Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, Berlin 1992, S. 117 ff.; für das öffent­ liche Recht: Katja Hemke, Methodik der Analogiebildung im öffentlichen Recht, Berlin 2006, S.  27 ff. 292 Jürgen Bast/Armin von Bogdandy, Art. 5 EUV Rn. 51, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 293 Beispielsweise im Rahmen der Conference of Community and European Affairs Committees of Parliaments of the European Union (COSAC) oder der Interparlamentarischen Union (IPU). Art. 10 des Protokolls Nr. 1 zum EU-Vertrag über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union bezieht die GASP in den Kreis der Beratungsgegenstände ausdrücklich mit ein, vgl. auch: COSAC Secretariat, 14th Bi-annual Report: Developments in the European Union, Procedures and Practices Relevant to Parliamentary Scrutiny, XLIV. Conference of Community and European Affairs Committees of Parliaments of the European Union, Oktober 2010, Brüssel, S. 17 ff., 28 ff.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

lamentarischen Raumes zu entfalten;294 sie dient jedoch dem Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Parlamentariern und kann auf diese Weise auch die Bildung horizontaler Netzwerke ermöglichen.295 Die parlamentarische Kontrolle von Angelegenheiten oder Entscheidungen mit auswärtigem Bezug ist in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet.296 Eine Einflussnahme auf die Gesetzgebung der EU kann wie geschildert jedoch allenfalls mittelbar zustande kommen.297 Hinsichtlich der Weiterentwicklung der Europäischen Union und den weiteren im Rahmen des Art. 23 GG zu treffenden Maßnahmen werden im deutschen Gesetzgebungsprozess Bundestag und Bundesrat beteiligt.298 Nimmt man das hier gewonnene Resultat mit dem Ergebnis der Analyse der Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der GASP zusammen, muss als Fazit (immer noch) ein allgemeines parlamentarisches Kontrolldefizit in Fragen gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik konstatiert werden.299

VII. Interinstitutionelle Vereinbarungen Der in den vorigen Abschnitten (II. bis VI.) dargestellte Pluralismus der an der auswärtigen Architektur der EU beteiligten Akteure bleibt nicht ohne Auswirkung auf das institutionelle Gleichgewicht der Union. Die Neukonzeption der auswärtigen Vertretung verfügt angesichts der in den vorigen Abschnitten herausgearbeiteten Friktionen im Primärrecht über das Potential, das institutionelle Gleichgewicht

294

Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 270; Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. ­Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 214 f. 295 Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 214 f. 296 In der Bundesrepublik ist in manchen Fällen die Zustimmung des Bundestages erforderlich, so z. B. bei bewaffneten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, vgl. bereits 1. Teil B. I. 2. b). Zur Mitwirkung der Parlamente anderer Mitgliedstaaten bei der Einsatzentscheidung: Georg Nolte/Heike Krieger, Europäische Wehrrechtssysteme, Baden-Baden 2002, S. 60 ff.; Kolja Raube, Die Verfassungsaußenpolitik der Europäischen Union, Baden-Baden 2007, S.  113 ff. 297 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 106. 298 Vgl. hierzu bereits im 1. Teil B. II. Zur Kontrolle von außen- und sicherheitspolitischen Verträgen im Rahmen des Art. 59 Abs. 2 GG: Juliane Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, in: DVBl. 1996, S. 941 ff. 299 Volker Pilz, Der Auswärtige Ausschuss des Deutschen Bundestages und die Mitwirkung des Parlaments an der auswärtigen und internationalen Politik, Berlin 2008, S. 106.

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zwischen den Organen gegenüber der früheren Rechtslage zu verschieben.300 Dieser Gefahr kann durch institutionelle Absprachen zwischen den involvierten Organen begegnet werden, will man dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Prinzip der loyalen Zusammenarbeit301 zu praktischer Wirksamkeit verhelfen. Hierzu dienen in der Praxis vor allem sog. interinstitutionelle Verein­barungen.302 Diese haben mit Art. 295 AEUV nicht nur die lang geforderte explizite Rechtsgrundlage erhalten, womit sich die Kontroverse über ihre rechtliche Zulässigkeit303 endgültig erledigt haben dürfte. Die Vorschrift des Art. 295 AEUV eröffnet zudem die Möglichkeit, dem Inhalt eine rechtlich verbindliche Wirkung zu verleihen. Da die interinstitu­ tionelle Vereinbarung ähnlich einer Verwaltungsvorschrift nicht unmittelbar auf die Herbeiführung eines Erfolges außerhalb der Organe, die sie abschließen, zielt, verbleibt sie jedoch Innenrecht.304 Die vormals auf den Grundsatz der Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EG bzw. auf die daraus abgeleitete Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit sowie auf ein ungeschriebenes Selbstorganisationsrecht gestützten305 interinstitutionellen Vereinbarungen sind Absprachen, die zwischen Organen der EU geschlossen werden und die Bestimmungen über ihre Zusammenarbeit hinsichtlich der gemeinsamen Politikgestaltung enthalten.306 Weder hinsichtlich ihrer Bezeichnung noch hinsichtlich ihres Inhalts oder der beteiligten Akteure307 sind sie per se festgelegt. Demzufolge 300

Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 65. Das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit (auch Treuepflicht genannt) bezieht sich nach seinem Wortlaut primär auf das Verhältnis von Union zu den Mitgliedstaaten. Durch die Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-65/93, Europäisches Parlament/Rat, Slg. 1995, I-643) wurde seine Geltung jedoch auf das Verhältnis der Organe zueinander übertragen. 302 Erstmalig wurde die Bezeichnung „interinstitutionelle Vereinbarung“ im Jahr 1988 verwendet, nämlich in der „Interinstitutionellen Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens“, ABl.EG 1988, Nr. L 185 S. 33 ff. vom 15.7.1988. 303 Florian von Alemann, Die rechtliche Einordnung der interinstitutionellen Vereinbarung als Handlungsform des Unionsrechts, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S.  123 ff.; Waldemar Hummer, Interorganvereinbarungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 78 ff. 304 Matthias Herdegen, Europarecht, 15. Aufl., München 2013, § 7 Rn. 9. 305 Florian von Alemann, Die rechtliche Einordnung der interinstitutionellen Vereinbarung als Handlungsform des Unionsrechts, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S.  128 f. 306 Daniela Kietz/Peter Slominski, Kontinuierliche Verfassungsentwicklung durch interinstitutionelle Vereinbarungen, in: dies./A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 14. 307 In der Praxis sind dies hauptsächlich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission, vgl. Übersichten in den Tab. 2 bis 6 bei Waldemar Hummer, Interorganverein­ barungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/ P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 65 ff. sowie die Art. 127 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, 7. Wahlperiode, Juli 2012 (GOEUParl). 301

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weist die Mehrzahl der Vereinbarungen hinsichtlich der genannten Kriterien eine große Variabilität auf.308 Gemeinsam ist den Vereinbarungen jedoch in aller Regel, dass sie die Beteiligung des Europäischen Parlaments am Rechtssetzungsprozess auch dort zu ermöglichen, wo sie vom Primärecht nicht (explizit) vorgesehen ist,309 ohne jedoch die Verträge materiell zu ändern oder zu ergänzen.310 Durch diese Eigenschaft eignen sich interinstitutionelle Vereinbarungen, die Kooperation der Organe einem festgelegten Verfahren zu unterwerfen sowie interinstitutionelle Konflikte zu verhindern oder zu lösen.311 Sie entfalten ihre Wirkung dort, wo das Primärrecht nur vage formulierte Bestimmungen bereithält, die Spielräume für verschiedene Interpretationen eröffnen. Grenze ihres Inhalts bildet dementsprechend der eindeutig entgegenstehende Wortlaut des Primärrechts sowie das den Verträgen nach der Rechtsprechung des EuGH immanente, aber dynamisch zu interpretierende institutionelle Gleichgewicht.312 Der vom EuGH in der Rechtssache „Roquette“313 aus dem Primärrecht hergeleitete Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts ist in diesem Zusammenhang in zweierlei Hinsicht relevant. Aus rechtlicher Perspektive verkörpert er das demokratische („Verfassungs-“314)Prinzip,315 das von allen Organen der Union verlangt, ihre Kompetenzen unter Beachtung der jeweiligen Befugnisse anderer Organe auszuüben.316 Damit ähnelt es dem Grundsatz der Gewalten­

308

Daniela Kietz/Peter Slominski, Kontinuierliche Verfassungsentwicklung durch interinstitutionelle Vereinbarungen, in: dies./A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 15. 309 Waldemar Hummer, Interorganvereinbarungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 53 f. 310 Vgl. Erklärung (Nr. 3) zu Art. 10 EGV, ABl.EU 2001, Nr. C 80 S. 77 vom 10.3.2001; zu den hieraus erwachsenden Problemen: Waldemar Hummer, Interorganvereinbarungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/P. Slominski/ A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 58 f., 70 ff. 311 Andreas Maurer/Daniela Kietz, Interinstitutional Agreements in CFSP – Informal and Incremental Parliamentarisation, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 226 f. 312 Christian Calliess, Europäische Gewaltenteilung und Agenturen: Zu den Grenzen der Organisationsgewalt in der Europäischen Union, in: W. Meng/G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, FS zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Baden-Baden 2001, S. 79; Andreas Maurer/Daniela Kietz, Interinstitutional Agreements in CFSP – Informal and Incremental Parliamentarisation, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 226. 313 EuGH, Rs. 138/79, Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, 3333 Rn. 33. 314 Jean-Paul Jacqué, The principle of institutional balance, in: CMLRev. 2004, S. 383 f. 315 EuGH, Rs. 138/79, Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, 3333 Rn. 33. 316 EuGH, Rs. C-70/88, Parlament/Rat, Slg. 1990 Rn. 21 f.; Thomas Oppermann/Claus Dieter Classen/Martin Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl., München 2011, § 5 Rn. 20. Vgl. auch EuGH Rs. 9/56, Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 1, 36 ff.; EuGH, Rs. 10/56, Meroni/Hohe

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teilung,317 erfüllt letztlich aber eher die Aufgabe einer Funktionenteilung.318 Anders als der Gewaltenteilungsgrundsatz fängt der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts nämlich Kompetenzverschiebungen im vertraglich vorgesehenen System der Zuständigkeitsverteilung unter den Organen auf; Kompetenzzuweisung nimmt er selbst nicht vor, sondern knüpft insoweit an die vertraglichen Kompetenzbestimmungen an. In politischer Hinsicht beschreibt das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts die „Ausgestaltung institutioneller Wechselbeziehungen in der Union“.319 Nach politikwissenschaftlichen Maßstäben betrachtet bieten interinstitutionelle Vereinbarungen die Möglichkeit, durch die Schaffung informeller Arenen einen institutionellen Wandel, also einen Pfadwechsel herbeizuführen und in der Gesamtbetrachtung des Prozesses auf diese Weise Vertragsänderungen vorzubereiten.320 Mit Blick auf anstehende Vertragsreformen stärken sie so gesehen die Effizienz der Entscheidungsfindung,321 indem sie eine allgemeine Akzeptanz unter den beteiligten Organen über den Inhalt der Bestimmungen im Zeitpunkt des Beschlusses über die Reform des Primärrechts bereits herbeigeführt haben. Aus demokratietheoretischer Perspektive stellt sich bei Betrachtung des Phänomens der interinstitutionellen Vereinbarung jedoch das Problem mangelnder Transparenz im politischen Entscheidungsprozess. Zwar werden auch die interinstitutionellen Vereinbarungen im Amtsblatt der Union veröffentlicht,322 doch Behörde, Slg. 1958, 51, 75 ff. Die Rechtsprechung fortführend: EuGH, Rs. 204/86, Griechenland/Rat, Slg. 1988, 5359; EuGH, Rs. C-25/94, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1497. 317 Irene Karper, Reformen des Europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 51 f. Zur Meroni-Rechtsprechung: Christoph Görisch, Demokratische Verwaltung der Unionsagenturen, Tübingen 2009, S. 362 ff. 318 Christian Calliess, Europäische Gewaltenteilung und Agenturen: Zu den Grenzen der Organisationsgewalt in der Europäischen Union, in: W. Meng/G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, FS zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Baden-Baden 2001, S. 76. Allgemein zur Problematik der Gewaltenteilung auf europäischer Ebene: Hugo J. Hahn, Funktionenteilung im Verfassungsrecht europäischer Organisationen, Baden-Baden 1977; Goetz von Hippel, La séparation des pouvoirs dans les Communautés Européennes, Nancy 1965. 319 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 481 („the organization of the institutional interrelationships within the Union“). 320 Zur Pfadabhängigkeit und der Möglichkeit von Pfadwechseln in der EU-Außenvertretung: Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/I. Ley/O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, Baden-Baden 2009, S. 173 ff. 321 Daniela Kietz/Peter Slominski, Kontinuierliche Verfassungsentwicklung durch interinstitutionelle Vereinbarungen, in: dies./A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 27. 322 Veröffentlichungen sind verstärkt seit den 1990er Jahren zu verzeichnen, vgl. Waldemar Hummer, Interorganvereinbarungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstituti-

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konterkarieren sie aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit323 und ihres nur informellen Charakters die Übersichtlichkeit des unionalen Entscheidungsprozesses. Einzig die Gefahr einer Entkopplung vom Legitimationsträger, wie sie für den Fall befürchtet wird, wo die interinstitutionelle Vereinbarung der Ausdehnung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments dient,324 ist im Bereich des auswärtigen Angelegenheiten, speziell bei der GASP, nicht zu befürchten, bleiben doch deren Legitimationsträger gerade die im Rat vertretenen mitgliedstaatlichen Regierungen und nur in untergeordneter Weise das Europäische Parlament. Zusammenfassend betrachtet bieten präventiv abgeschlossene interinstitutionelle Vereinbarungen auch im Bereich der GASP die Möglichkeit, die durch die Vielzahl der beteiligten Akteure bedingte Gefahr der Verschiebung des institutionellen Gleichgewichts einzudämmen.

VIII. Zwischenfazit Bereits die Lektüre der für die auswärtige Vertretung der Union einschlägigen Bestimmungen des Primärrechts verdeutlicht, dass den Verträgen eine einheit­ liche, im Sinne einer in den Händen eines einzigen Amtsträgers liegende Kompetenz zur Außenvertretung fremd ist. Eine Bewertung der durch den Vertrag von Lissabon herbeigeführten Änderungen in Bezug auf die außenpolitische Handlungsfähigkeit muss daher – gemessen an den durch die Erklärung von Laeken erstmals formulierten Ziele („mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz“)325 – fast zwangsläufig gemischt ausfallen.

onelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 55. Sie erfolgt jedoch nicht einheitlich in dem für interinstitutionelle Vereinbarungen wohl einschlägigen Teil „C“ des Amtsblatts, sondern in systematisch nicht nachvollziehbarer Weise gelegentlich auch im Teil „L“, vgl. Andreas Maurer/Daniela Kietz, Interinstitutional Agreements in CFSP – Informal and Incremental Parliamentarisation, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 227 f. (noch zu den insoweit gleichlautenden Bestimmungen des EVV). Inwieweit die Kodifizierung der interinstitutionellen Vereinbarung im Primärrecht, die sich allerdings einer Aussage zu ihrer Rechtsnatur enthält, zu einer Vereinheitlichung der Veröffentlichungspraxis führen wird, bleibt abzuwarten. 323 Einer obligatorischen Zusammenstellung aller interinstitutionellen Vereinbarungen – ähnlich der des Ausschusswesens – ermangelt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch, vgl. Waldemar Hummer, Interorganvereinbarungen: Rechtsgrundlage – Rechtsnatur – Rechtswirkungen – Justiziabilität, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 61, mit einer Dokumentation der interinstitutionellen Vereinbarungen aus dem Jahr 2010, S. 63 ff. 324 Daniela Kietz/Peter Slominski, Kontinuierliche Verfassungsentwicklung durch interinstitutionelle Vereinbarungen, in: dies./A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 27. 325 Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union, Anhang I zu den Schluss­ folgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat am 15.12.2001, Abschnitt II.

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Wenig überraschend ist zunächst, dass die durch den Vertrag von Lissabon bewirkten Änderungen insgesamt, aber vor allem in Bezug auf die auswärtige Handlungsfähigkeit der Union je nach Perspektive des Betrachters unterschiedlich bewertet werden. Teils wird angenommen, sie gehe aus dem über Jahre hinweg andauernden Reformprozess gestärkt hervor, teils konstatiert man, allein die Position der Mitgliedstaaten seien aufgewertet worden und die Außenpolitik der Union werde, wie nie zuvor, in den europäischen Hauptstädten gemacht.326 Der von einzelnen Stimmen in der Literatur327 vorhergesagte grundlegende System- oder Paradigmenwechsel ist nach hier vertretener Auffassung jedenfalls nicht zu verzeichnen. Die GASP hat nach wie vor keine (vertikale) Supranationalisierung erfahren;328 die Skepsis der Mitgliedstaaten kommt auch in den insbesondere auf Initiative Großbritanniens ergangenen Erklärungen Nr. 13329 und 14 zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unmissverständlich zum Ausdruck.330 Durch die im Amt des Hohen Vertreters verankerte Personalunion werden die Organe Rat und Kommission (und damit inhaltlich ehemals erste und zweite Säule) miteinander verklammert.331 Damit bleibt der GASP eine Doppelstruktur erhalten. Lag sie vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in der Dichotomie von früherem Außenkommissar und dem Hohen Beauftragten für die Außenpolitik der EU, liegen diese von zwei Personen wahrgenommenen Aufgaben des „operationellen Geschäfts“ nun zwar formell in der Hand einer einzigen Person, der des Hohen Vertreters, der mit seiner Tätigkeit für Kommission und Rat aber dennoch „zwei Herren dienen“ muss und in seiner Person das Prinzip geteilter

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Annegret Bendiek, Neuer Europäischer Realismus, SWP-Aktuell 10, Februar 2010, S. 2 f. Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 500. 328 Hans-Joachim Cremer, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 59; Stephan Keukeleire, The European Union as a Diplomatic Actor: Internal, Traditional, and Structural Diplomacy, in: Diplomacy and Statecraft 2003, S. 293; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 195; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 248; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 174; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 2. Zur fehlenden vertikalen Supranationalisierung sowie zur horizontalen Konstitutionalisierung der GASP: Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 145 ff. 329 Vgl. hierzu 6. Teil A. 330 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 195; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 174, 189 („keine Kehrtwende“). 331 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12. 327

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Exekutivkompetenzen verkörpert.332 Mit der nahezu allegorischen Beschreibung „[z]wischen beiden liegen Welten und nicht nur die Rue de la Loi“333 wird auf den Umstand angespielt, wie sehr sich die Interessenlagen der Organe Rat und Kommission im Einzelfall voneinander unterscheiden können. Es bedeutet eine besondere Anstrengung, die beiden Tätigkeitsbereiche des Hohen Vertreters, und, davon abhängig, die verschiedenen Verfahrensarten der Organe Rat und Kommission in der Praxis deutlich voneinander zu unterscheiden,334 nicht nur unter Transparenzgesichtspunkten. Die in anderen auswärtigen Angelegenheiten als der GASP durch die Kommission nach Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV wahrgenommene Repräsentation der Union nach außen betrifft u. a. mit der Handelspolitik einen bedeutenden und in der Praxis besonders relevanten Politikbereich. Hierbei setzt sie ebenso wie in anderen Politikbereichen eine Zusammenarbeit des Hohen Vertreters mit dem jeweils zuständigen Kommissionskollegen voraus, sei es für den Bereich Handel (gegenwärtig: Karel de Gucht), Entwicklung (gegenwärtig: Andris Piebalgs), Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik (gegenwärtig: Štefan Füle), Internationale Zusammenarbeit, Humanitäre Hilfe und Krisenreaktion (gegenwärtig: Kristalina Georgieva) oder Wirtschaft und Währung (gegenwärtig: Olli Rehn). Die Liste der genannten Politikbereiche, die quasi naturgemäß einen Außenbezug aufweisen, ist jedoch keinesfalls abschließend. Es sind andere Politikfelder aus der ursprünglichen RELEX-Familie vorstellbar (z. B. die Klima- oder Energiepolitik), für die ebenfalls auswärtige Bezüge denkbar sind und auf die sich die Zusammenarbeit des Kommissars mit dem Hohen Vertreter erstrecken müsste. Es ist also festzuhalten, dass die Neukonzeption des Amtes des Hohen Vertreters mit Doppelhut die Dichotomie von kommissions- und ratsseitigem auswärtigem Handeln nicht hat beseitigen können.335 Die Schatten der durch den Vertrag von Lissabon abgeschafften Säulenstruktur reichen damit immer noch in den Bereich des auswärtigen Handelns hinein. Allerdings ist durch den Doppelhut eine stärkere Verknüpfung der beiden Regimes eingetreten. Die Bestimmung, welche Akteure an der Wahrnehmung auswärtiger Unionsvertretung beteiligt sind, hängt folglich von der „Integrationsdichte“336 des jeweils 332 Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 89, 110; Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 130 ff. 333 Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 2. 334 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 190. 335 Jan Wouters/Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 8 (noch zu den entsprechenden Bestimmungen des Verfassunsgvertrags). 336 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Union als Akteur in den Internationalen Beziehungen, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 19.

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betroffenen Politikfeldes ab; sie erfordert mithin eine präzise Unterscheidung hinsichtlich des betrachteten Aufgaben- und Tätigkeitsfelds (GASP oder vergemeinschaftete Politikbereiche) sowie der betroffenen institutionellen Ebene (Organe). Als gesichert ist ebenfalls anzunehmen, dass die Vertragsreform von Lissabon dem Hohen Vertreter eine Schlüsselrolle zuweist. Ob diese tatsächlich die Qualifikation als „Gravitationszentrum der EU-Außenvertretung“337 verdient, wie stellenweise behauptet, sei an dieser Stelle dahingestellt. Von den durch die Ämterfusion von Außenkommissar und Hohem Vertreter ausgehenden Schwierigkeiten abgesehen bleibt daneben die Zuständigkeit des Präsidenten des Europäischen Rates, der die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der GASP gemäß Art. 15 Abs. 6 UAbs. 2 EUV „auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft“ wahrnimmt. Auch hier liefert der Vertrag keine eindeutige Antwort auf die Frage, wie die Aufgabenteilung zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Hohen Vertreter aussehen soll. Nach hier vertretener Auffassung könnte die einen Kompetenzkonflikt vermeidende Auslegung des Vertragstextes darin liegen, dass der Präsident des Europäischen Rates die EU ausschließlich auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs nach außen vertritt, während der Hohe Vertreter die Repräsentation der Union im Übrigen übernimmt. Dieser Vorschlag dürfte leichterdings mit dem insoweit vage formulierten Primärrecht zu vereinbaren sein, dem Ziel, für eine einheitliche unionale Vertretung zu sorgen, allerdings ebenso abträglich sein. Es wurde daher schon die Sorge geäußert, ob das Amt des Hohen Vertreters zu einem Amt des „Hohen Koordinators“338 für Außen- und Sicherheitspolitik verkomme, weil die Mitgliedstaaten es versäumten, ihm ein politisches Mandat zu verleihen, das echten Platz für eigene Initiativen lässt.339 Berücksichtigt man zudem, dass auf der außenpolitischen Bühne neben den Genannten weitere Akteure stehen, spricht im Ergebnis viel für die Annahme, dass es durch die mit dem Vertrag von Lissabon bewirkte Neuordnung der institutionellen Architektur lediglich zu einer Rollenverschiebung gekommen,340 aber dass es bei der Vielstimmigkeit in auswärtigen Angelegenheiten der EU geblieben ist, die

337 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 128. 338 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 33. 339 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 33. 340 Thym spricht gar von einer neuen Troika bestehend aus dem Hohem Vertreter, dem Kommissionspräsidenten und dem Präsidenten des Europäischen Rates, die er z. B. mit deren gemeinsamer Erklärung zu den Ereignissen in Ägypten am 11.2.2011 belegt sieht, vgl. Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 131.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

letztlich auf den Vertrag von Maastricht und die durch ihn geschaffene neue Säule GASP zurückgeht.341 Vor diesem Hintergrund kommen einige Autoren der Rechts- und Politikwissenschaft zu dem Befund, „[a]us dem bisherigen institutionellen Dreieck der politischen Organe Parlament, Rat und Kommission [sei ein] Pentagon mit einer Fülle ungeklärter Kompetenzabgrenzungsprobleme [geworden].“342

Bezieht man alle außenpolitisch relevanten Akteure und die von ihnen ausgehende Pluralität von Verantwortlichkeiten bzw. die Konkurrenz343 des Präsidenten des Europäischen Rates, des Ratspräsidenten, des Kommissionspräsidenten und des Hohen Vertreters mit in die Betrachtung ein, kann man wohl sogar von einem „Vieleck“ sprechen, das – bereits der Begriff legt es nahe – eine vertragskonforme, gleichzeitig auch leistungsstarke und effiziente Wahrnehmung der Aufgaben mit Außenvertretungscharakter schon von vornherein erschwert. In der Praxis ist in den ersten Monaten ihrer Amtszeit insbesondere Catherine Ashton in und von der Öffentlichkeit vielfach kritisiert worden.344 Die Gründe 341 Inge Govaere, The External Relations of the EU – Legal Aspects, in: D. Mahncke/A. Ambos/Ch. Reynolds (Hrsg.), European Foreign Policy – From Rhetoric to Reality, Brüssel 2004, S. 106. 342 Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 63; ähnlich: Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 9 („Institu­ tionen-Vieleck“); anders hingegen: Edgar Lenski, Rat und Europäischer Rat nach dem Vertrag von Lissabon (Reformvertrag), in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 114 [„echtes „institutionelles Viereck“ entsteht (…) nicht.“]. Ein institutionelles Dreieck verortet Petersen zwischen Rat, Kommission und Hohem Vertreter, vgl. Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 164 ff. 343 Juan Fernando López Aguilar, The balance of power between the European Council, the Council and the Commission in the draft European Constitution, in: H.-J. Blanke/St. Mangiameli (Hrsg.), Governing Europe under a Constitution, Berlin u. a., 2006, S. 434; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 213; Johannes Christian Wichard, Art. I-22 EVV Rn. 11, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), Verfassung der Europäischen Union – Kommentar der Grundlagenbestimmungen (Teil 1), München 2006. 344 Nachweise bei: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 240; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 218 m. w. N.; Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S.  63 f. Gegen diese Kritik hätte man die Hohe Vertreterin, so die Studie „Foreign Policy – Many Opportunities and a Few Unknows“, mit einem „Regenmantel und einem Schirm“ gegen Stürme der Entrüstung ausrüsten sollen, vgl. Joint Study CEPS/Egmont/EPC, Foreign Policy –

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hierfür reichen von dem Vorwurf, niemals ein demokratisch gewähltes Amt inne gehabt zu haben, fehlenden Gespürs und diplomatischen Geschicks über mangelnde Fremdsprachenkenntnisse bis hin zur Kritik, bei außenpolitisch relevanten Terminen regelmäßig durch Abwesenheit auf sich aufmerksam zu machen. Deutlich besser kamen der Präsident des Europäischen Rates van Rompuy345 und Kommissionspräsident Barroso weg. Während sich der Belgier van Rompuy zwar anfänglich den Vorwurf gefallen lassen musste, er sei ein „außenpolitischer Niemand“,346 hat er durch seine solide Amtsführung im ersten Amtsjahr seine Kritiker mehr und mehr verstummen lassen. Die Sicherung außenpolitischer „Pfründe“ sowie der Zugriff auf ein „zentrales Finanzinstrument“347 für die Kommission, etwa durch die Ausgliederung des Kommissionsressorts „Europäische Nachbarschaftspolitik“ aus dem direkten Zuständigkeitsbereich des VizePräsidenten, Außenkommissars und zugleich Hohen Vertreters und die Einsetzung ehemaliger Kommissionsangehörige in bedeutende Unionsdelegation, erfuhren maßgebliche Unterstützung durch Barroso348; dennoch blieben sie aufgrund der intransparent durchgeführten Ernennungsverfahren349 in der Öffentlichkeit350 nahezu ohne Widerhall. Wie man die Ernennung Catherine Ashtons zur Hohen Vertreterin auch bewerten mag, so vermochte zumindest die um ihre Person entflammte Diskussion eine große Aufmerksamkeit in der innereuropäischen Politik und in der Öffentlichkeit351

Many Opportunities and a Few Unknows, in: dies. (Hrsg.), The Treaty of Lisbon – Implementing the institutional innovations, 2007, S. 129; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security ­Policy, Baden-Baden 2011, S. 226. 345 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 32. 346 Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 56. 347 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 28. 348 Julia Lieb, Die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Über die Grenzen einer gemeinsamen EU-Diplomatie, in: F. Baasner/S. Seidendorf (Hrsg.), Jeder für sich in Europa? Die Debatte über Identität, Wohlstand und die institutionellen Grundlagen der EU, ­Baden-Baden 2013, S. 219 (mit Fn. 35). 349 Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 65 („chosen behind closed doors“). 350 Anders hingegen in der Fachöffentlichkeit: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 240, 254; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Re­presentative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 221. 351 Hierzu in diesem Teil unter H. II.

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4. Teil: Das auswärtige Handeln der Europäischen Union

zu entfachen.352 Keineswegs als polemisch verstanden werden darf die Einschätzung, dass die Debatte insgesamt zur „Personalisierung“ und zur Sichtbarmachung der Union beigetragen haben dürfte (Stichwort „Gesicht und Stimme“). Verfolgt man die Auftritte der hochrangigen Repräsentanten der Union auf der internationalen Bühne, vermag der – empirisch nicht belegte – Eindruck entstehen, dass die Gelegenheiten, bei denen die Hohe Vertreterin, Catherine Ashton, oder der Präsident des Europäischen Rates, Herman van Rompuy, ohne Begleitung durch den Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso reisen, selten sind. Dies liegt weniger an der Neigung der Kommission, in irgendeiner Weise immer auch Gemeinschaftsmaterien (Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV) berührt zu sehen, sondern fußt vielmehr auf einer beim Europäischen Rat im September 2010 getroffenen Vereinbarung,353 die Union auf internationaler Ebene, etwa der G20, durch den Präsidenten des Europäischen Rates und durch den Kommissionspräsidenten zu vertreten. Für sich genommen muss das beschriebene „Kompetenzvieleck“ nicht zwangsläufig als Defizit bewertet werden. So sieht beispielsweise Thym hierin schlicht die Spiegelung eines zentralen Wesensmerkmals der Union, nämlich einer „hybriden Verbundstruktur (…) mit (…) bündischen und föderalen Verfassungs­ elementen“;354 dies aber demonstriere auch einen Teil der „Eigenheiten der europäischen Rechtsordnung“.355 Hinsichtlich der Einrichtung des EAD und dessen Tätigkeit bedeutet dieser Befund jedoch eine große Bürde. Nicht genug damit, dass sich im EAD der Doppelhut des Hohen Vertreters fortsetzt.356 Der EAD muss sich darüber hinaus im institutionellen Geflecht der zur Außenvertretung berufenen Stellen der Union als „primus inter pares“ etablieren, um die ihm übertragenen Aufgaben bewältigen zu können.

352 Ähnliche Einschätzung: Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 219. 353 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 16. September 2010, EUCO 21/1/10 REV 1, insbesondere Nr. 5 sowie Anlage I („Interne Vereinbarungen zur Verbesserung der Außenpolitik der Europäischen Union“), vgl. hierzu bereits 4. Teil H. II. 354 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 99. 355 Matthias Ruffert, Institutionen, Organe und Kompetenzen – der Abschluss eines Reformprozesses als Gegenstand der Europarechtswissenschaft, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 47. 356 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 377 (Fn. 132); vgl. hierzu noch 5. Teil D.

Fünfter Teil

5

Der Europäische Auswärtige Dienst Angesichts der starken Kompetenzfragmentierung im Bereich des auswärtigen EU-Handelns und der hieraus resultierenden, fortwährend beklagten In­kohärenz europäischer Außenvertretung formte sich der seit den 1950er Jahren immer dringender werdende Wunsch der europäischen Staats- und Regierungschefs, Europa in der Welt mit einer einzigen Stimme sprechen zu lassen. Dies sollte zugleich einen Beitrag zur gesteigerten Transparenz in der öffentlichen Wahrnehmung leisten.

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“ Die Arbeit der an der Außenvertretung der Union beteiligten Organe und Einrichtungen wird in den Verträgen an vielen Stellen unter die Prämisse kohärenten Handelns gestellt. Diesem Anspruch gerecht zu werden ist ein Anliegen, das die Union seit den Anfängen des europäischen Integrationsprozesses verfolgt (unter I.). Ähnlich wie die Verpflichtung zu kontinuierlichem Handeln (unter II.) sowie zu Loyalität und Solidarität (unter III.) überspannt es die Gesamtheit aller die Außen­vertretung betreffenden Politikbereiche und soll auf diese Weise für eine vertragsübergreifende Geltung sorgen.

I. Kohärenz der unionalen Außenvertretung In Anbetracht der Gesamtarchitektur der am auswärtigen Handeln der EU, insbesondere der an der GASP beteiligten Organe und Akteure, erlangt die nachfolgend betrachtete Kohärenz zentrale Bedeutung. Das Gebot kohärenten Handelns stellt einen das Europarecht prägenden Leitgedanken dar. In seinem Charakter als formeller Grundgedanke des Unionsrechts ähnelt er den staatsorganisatorischen Strukturprinzipien1.2 Er greift Platz, sofern und soweit Aufgaben und Befugnisse auf verschiedene Organe oder Organteile verteilt sind. „[D]ie gesellschaftspoliti-

1 Zu den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien und ihrer Abgrenzung von Staatszielbestimmungen: Karl-Peter Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, Tübingen 1997, S. 373. 2 Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Europäischen Union und seine Justiziabiliät, ­Baden-Baden 1999, S. 107 ff.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

sche Erwartung nach Einheit auf[greifend]“,3 zielt die Kohärenz, vereinfacht beschrieben, darauf, für ein abgestimmtes Verhalten oder stimmige Politik zu sorgen. Um mit wenigen Beispielen Bedeutung und Tragweite des Kohärenzgedankens zu veranschaulichen, seien einführend einige Bestimmungen des Primärrechts genannt, in denen er seinen positivrechtlichen Niederschlag findet: Allgemeiner Natur ist beispielsweise die Verpflichtung des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV, der die Organe der Union auffordert, Kohärenz, Effizienz und Kontinuität ihrer (eigenen) Politik sicherzustellen sowie die durch den Vertrag von Lissabon in Art. 7 AEUV eingeführte Verpflichtung der Union, Politik und Maßnahmen kohärent zu gestalten, um einer Zersplitterung der europäischen Rechtsordnung entgegenzuwirken bzw. durch die systematische Verschränkung der Normen Schutz vor einer Fragmentierung des Unionsrechts zu bieten. Auch einzelne Organe der Union und ihre Organteile können angehalten sein, ihre Arbeit kohärent zu verrichten, so obliegt es beispielsweise dem Rat „Allgemeine Angelegenheiten“, für die Kohärenz der verschiedenen Ratsformationen zu sorgen.4 Als spezielles Kohärenzgebot schafft Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1 EUV eine Rückbindung einzelner Politikbereiche mit Außenbezug an andere Politikfelder. Es bezweckt damit, zu verhindern, dass „ein Politikbereich (…) außenpolitisches Eigenleben entwickelt“.5 Dem Gegenstand dieser Untersuchung entsprechend konzentrieren sich die folgenden Abschnitte auf die außenpolitische Dimension des Kohärenzgedankens. Ausgehend von Überlegungen zu seinem Ursprung soll er von weiteren Dimensionen und verwandten Begriffen abgegrenzt und seine Reichweite bestimmt werden. Ferner wird ermittelt, welches Organ oder Organteil für die Verwirklichung außenpolitischer Kohärenz verantwortlich ist, und schließlich, ob der Kohärenzgedanke einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. 1. Ursprung des (außenpolitischen) Kohärenzgedankens Das Gebot kohärenten Handelns an sich ist weder eine Errungenschaft des Maastrichter noch des Lissabonner Vertrags. Der Begriff der Kohärenz hat bereits mit der Einheitlichen Europäischen Akte Einzug in das europäische Primärrecht 3

Frank Schorkopf, Wahrhaftigkeit im Recht der Grundfreiheiten – zu Maßstab und Rechtsfolgen der Glücksspielurteile des Europäischen Gerichtshofs, in: DÖV 2011, S. 262 mit Verweis auf Armin von Bogdandy, Grundprinzipien, in: ders./J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 34 f. 4 Für die Formationen des Rates: Art. 16 Abs. 6 EUV; innerhalb der Kommission: Art. 17 Abs. 6 UAbs. lit. b EUV. 5 Rudolf Geiger, Art. 21 EUV Rn. 18, in: ders./D.-E. Kahn/M. Kotzur, EUV/AEUV – Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Kommentar, 5. Aufl., München 2010.

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“

193

gehalten. In Art. 30 Ziff. 5 S. 1 EEA hieß es in Bezug auf die auswärtigen Angelegenheiten der Gemeinschaften: „Die auswärtigen Politiken der Europäischen Gemeinschaften und die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vereinbarten Politiken müssen kohärent sein.“

Diese Bestimmung setzte erstmals die beiden nebeneinander stehenden Bereiche der gemeinschaftsrechtlichen Außenpolitik und der intergouvernementalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zueinander in Beziehung. Die Einheitliche Europäische Akte war somit auch primärrechtlicher Wegbereiter für das heute im Rahmen der GASP geltende Kohärenzgebot des Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV.6 Während der „Reflexionsphase“ und der Folgezeit gewann die Kohärenzproblematik erneut an Aktualität. Ihr wurde seitens der Kommission durch die in der Mitteilung „Praktische Vorschläge für mehr Kohärenz, Effizienz und Sichtbarkeit“7 im Jahre 2006 unterbreiteten Empfehlungen Rechnung getragen. Die Bandbreite der damit eingebrachten Vorschläge reichte von einer verbesserten strategischen Planung in der Kommission sowie zwischen dieser und dem Ratssekretariat bis hin zu verstärktem Personalaustausch zwischen den Organen der Union und den Mitgliedstaaten oder gemeinsamen Ausbildungsprogrammen. Durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat zwar der ehemals in Art. 1 UAbs. 3 EUV a. F.8 herausgehobene allgemeine Kohärenzgedanke9 seine 6

Hinsichtlich des Kohärenzgebots war die EEA allerdings strenger als der Unionsvertrag, dafür aber freilich in ihrem Geltungsbereich begrenzter. Während es in Art. 30 Ziff. 5 S. 1 EEA hieß: „Die auswärtigen Politiken (…) müssen kohärent sein“, heißt es in der Lissabonner Fassung des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV, die Kontinuität werde „sichergestellt“, und in Art. 7 AEUV sogar nur, die Union „achte“ auf die Kohärenz. Ausführlich zur historischen Entwicklung: Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 147 ff. 7 „Europa in der Welt – Praktische Vorschläge für mehr Kohärenz, Effizienz und Sichtbarkeit“, Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat, KOM/2006/0278 endg. vom 8.6.2006. 8 Nach Art. 1 Abs. 3 S. 2 EUV a. F. war es „(…) Aufgabe der Union (…), die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen ihren Völkern kohärent und solidarisch zu ­gestalten“. 9 Zur Frage der Einstufung der Kohärenzregelungen hinsichtlich ihrer Normqualität als „Prinzip“ vgl. Christian Calliess, Art. 1 EUV Rn. 54, in: ders./M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl., München 2007; Matthias Pechstein, Art. 1 EUV Rn. 40, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 2. Aufl., München 2003. Kritisch: Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 821 f. Zur Frage der Justiziablität des Kohärenzgebots: Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Europäischen Union und seine Justiziabiliät, Baden-Baden 1999, S. 151 ff.; Cordula Stumpf, Art. 1 EUV Rn. 48, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2009; Eberhard SchmidtAßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 822.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

exponierte Stellung im Primärrecht verloren. Nichtsdestotrotz bleibt die außenpolitische Komponente des Kohärenzgebots den Verträgen erhalten und bildet, wie noch zu zeigen sein wird, innerhalb des reformierten auswärtigen Handelns der Union ein „wiederkehrendes Motiv“. 2. Begriffsausprägungen und -abgrenzung Obwohl das Primärrecht den Begriff der Kohärenz vielfach verwendet, verleiht es ihm nur eine vage Kontur. Das Hinwirken auf kohärentes auswärtiges Handeln der Union setzt jedoch einen Konsens hinsichtlich der Begrifflichkeit, deren Umfang und Reichweite, also eine irgendwie gefasste Definition voraus. Es soll an dieser Stelle nicht der Versuch unternommen werden, den Begriff der Kohärenz einer exakten Legaldefinition zuzuführen; vielmehr soll im Folgenden seinem Gehalt anhand grundlegender Ausprägungen10 nachgegangen und versucht werden, ihn in Beziehung zur auswärtigen Vertretung der Union zu setzen. Bei der Suche nach einer Bestimmung des Begriffs „außenpolitische Kohärenz“ muss als Ausgangspunkt auf allgemeine Erläuterungen zum Begriff der „Kohärenz“ zurückgegriffen werden. Für den ursprünglich vom lateinischen Wort „cohaerentia“ abgeleitete Begriff schlägt das Fremdwörterlexikon als Synonym „Zusammenhang“11 vor. Zieht man andere Wissenschaftsdisziplinen als die Rechtsund Politikwissenschaft zu Rate, wird man beispielsweise in der Physik fündig. Dort werden kohärente Strahlen als solche beschrieben, die die gleiche Wellenlänge und Schwingungsart haben.12 Ausgehend von dem lateinischen Ursprung des Wortes kann dem B ­ egriff der außenpolitischen Kohärenz also die Bedeutung „Stimmigkeit“ oder „Ab­ gestimmtheit“13 zugemessen, das Kohärenzgebot daher – vereinfacht – als Gebot der Herstellung zusammenhängender, in sich stimmiger Außen- und Sicherheitspolitik verstanden werden.14 Verkürzt ausgedrückt kann es auch als Abstimmungs 10 Schmidt-Aßmann erschließt den Begriff der Kohärenz anhand vier verschiedener „Kohärenzdimensionen“: Kohärenz als Sachziel, als Qualitätsziel, als Maßnahmenkohärenz sowie in Form einer organisationsrechtliche Kohärenzvorsorge, vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 824 ff. 11 Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 15, 21. Aufl., Mannheim 2006, Stichwort „Kohärenz“; Duden, Das Fremdwörterbuch (Bd. 5), 10. Aufl., Mannheim u. a. 2010, Stichwort „Kohärenz“. 12 Horst Günter Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 145. 13 Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 253; Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Europäischen Union und seine Justiziabiliät, Baden-Baden 1999, S. 27. 14 Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 147.

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“

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gebot bezeichnet werden, für das ein aufeinander abgestimmtes Verhalten, welches dasselbe Ziel mit vergleichbaren Mitteln verfolgt, charakteristisch ist.15 Bezogen auf das auswärtige Handeln der Union bedeutet dies im Umkehrschluss, eine stimmige, widerspruchsfreie Außenpolitik zu verfolgen.16 Abhängig von der gewählten Perspektive werden mehrere Ausprägungen des Kohärenzgebots unterschieden. Da es sowohl vertikale als auch horizontale Wirkung entfaltet, wird die Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Politik­ feldern (ehemalige Säulen) als horizontale Kohärenz bezeichnet, wohingegen die vertikale Kohärenz das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten berührt.17 Legt man das Begriffspaar „innen – außen“ an den Kohärenzbegriff an, so bezeichnet der Begriff der inneren Kohärenz, unabhängig von den Politikfeldern, die Beziehungen unter den Mitgliedstaaten (so in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1 Alt. 2 EUV), während für das Auftreten der Union gegenüber Drittstaaten und inter­nationalen Organisationen der Begriff der äußeren Kohärenz gebraucht wird (so in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1 Alt. 1 EUV).18 Im Sinne eines Gebots, die Handlungen der Unionsorgane inhaltlich aufein­ ander abzustimmen, verstanden wird schließlich der Begriff der Maßnahmen­

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Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 254; Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Euro­ päischen Union und seine Justiziabiliät, Baden-Baden 1999, S. 27. 16 Horst Günter Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 145 [„widerspruchslose (Außen-)Politik“]. 17 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 201; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 511 (noch zu den insoweit gleich lautenden Bestimmungen des Verfassungsvertrages); Horst Günter Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 144; Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 204. 18 Christian Calliess, Art. 1 EUV Rn. 55, in: ders./M. Ruffert, EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl., München 2007; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 238 (noch zur entsprechenden Bestimmung des Verfassungsvertrags); Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 147; Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 253 f.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffent­ liches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 820; Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Europäischen Union und seine Justiziabiliät, BadenBaden 1999, S. 23.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

kohärenz (oder: inhaltliche Kohärenz),19 die sowohl im internen Bereich als auch im Verhältnis zu Drittstaaten Relevanz erlangen kann.20 Sie leistet letztlich einen Beitrag zur Einheit des Unionsrechts und wird daher gelegentlich auch als institutionelle Kohärenz bezeichnet.21 Das dem Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV innewohnende Verständnis von Kohärenz im Bereich des auswärtigen Handelns entspricht dem der Politik- und Maßnahmenkohärenz.22 Ihm korrespondiert die allgemein geltende Bestimmung des Art. 7 AEUV. In einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Kohärenzbegriff stehen sinnverwandte Begriffe wie die der Solidarität, der Kontinuität, der Kooperation und der Konsistenz.23 An dieser Stelle sollen vor allem „Kooperation“ und „Konsistenz“ von der Kohärenz abgegrenzt werden; Kontinuität und Solidarität sind eigene Abschnitte24 gewidmet. Sofern der Begriff der „Kooperation“ im Rahmen des auswärtigen Handelns im Primärrecht verwendet wird, steht er meist für eine Form der Zusammenarbeit. Er liegt damit dem Anwendungsbereich des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV nahe. Eine spezielle Ausprägung dieses Grundsatzes enthält Art. 24 Abs. 3 UAbs. 2 EUV für den Bereich der GASP. Im

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Matthias Ruffert, Kohärente Europäisierung: Anforderungen an Verfassungs- und Verwaltungsverbund, in: W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, Tübingen 2010, S. 1400. Zurückhaltender ist Müller-Graff, der in der Maßnahmenkohärenz zwar ebenfalls eine „konzeptionelle Stimmigkeit von Einzelmaßnahmen“ sieht, diese aber mit der „Vermeidung unabgestimmter, widersprüchlicher, konterkarierenden Maßnahmen“ gleichsetzt, vgl. PeterChristian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 147, 150. 20 Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 254. 21 Hermann-Josef Blanke, Art. 3 EUV Rn. 6, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/EGV, Kommentar, 3. Aufl., München 2007; Eckart Klein, Institutionelle Kohärenz in der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft, in: M. Ruffert (Hrsg.), Recht und Organisation, Staatsrecht – Verwaltungsrecht – Europarecht – Völkerrecht; Vorträge und Diskussionen zum Symposion anläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Meinhard Schröder in Trier, Berlin 2003, S. 124. 22 Ruffert bezeichnet sie als „Verwandte“, vgl. Matthias Ruffert, Kohärente Europäisierung: Anforderungen an Verfassungs- und Verwaltungsverbund, in: W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, Tübingen 2010, S. 1399. 23 Weiter werden die Begriffe Kooperation (Art. 45 Abs. 1 lit. c EUV), Koordination/Koordinierung (Art. 16 Abs. 1 S. 2 und Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV), Konvergenz (Art. 24 Abs. 2 EUV) und Kohäsion (Art. 171 Abs. 1 AEUV) verwendet. Ihr Verhältnis zur Kohärenz ist weitgehend ungeklärt, vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 819. 24 Hierzu in diesem Teil unter A. II. und III.

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“

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einschlägigen Sekundärrecht ist er beispielsweise in Art. 3 Abs. 1 EAD-Beschluss wiederzufinden.25 Der Verbreitungsgrad der Begriffe „Konsistenz“ und „Kohärenz“ ist in der Fachliteratur vor allem durch das Primärrecht beeinflusst. Während in anderen Sprachfassungen Begriffe verwendet werden, die sich ebenfalls von dem lateinischen „cohaerentia“ ableiten,26 verwendet nur die englische Fassung des Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV den Begriff „consistency“, was in diesem Kontext so viel wie „Folgerichtigkeit“, „Widerspruchsfreiheit“ oder „Übereinstimmung“ bedeutet.27 Der entscheidende Grund für die sprachliche Differenzierung hängt mit den den jeweiligen Begriffen zugeschriebenen Bedeutungsgehalten zusammen. Im Deutschen kann der Begriff der Konsistenz einen Zustand beschreiben, der durch die schiere Abwesenheit von Widersprüchen in den verschiedenen Bereichen europäischer Politik gekennzeichnet ist, während „Kohärenz“ über die Widerspruch­ freiheit hinaus materielle Synergien zwischen verschiedenen Aspekten euro­ päischer Politik impliziert28 und ansatzweise den Anspruch auf Folgerichtigkeit erhebt, „ohne dass sich das [Prinzip] zu einer (…) [P]flicht zu absoluter Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit verdichten würde“.29 Demzufolge ist „Konsistenz“ nach deutschem Sprachverständnis die graduell erste Stufe auf dem Weg zur „Kohärenz“.30 Ihm korrespondiert im Englischen wie gezeigt der Begriff der „consistency“.

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Siehe im 5. Teil E. So die französische („cohérence“), die italiensche („coerenza“) und die spanische („coherencia“) Sprachfassung des Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV. 27 Kirsten Siems, Das Kohärenzgebot in der Europäischen Union und seine Justiziabiliät, ­Baden-Baden 1999, S. 21; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 233. 28 So: Pascal Gauttier, Horizontal Coherence and the External Competences of the European Union, in: European Law Journal 2004, S. 25 f.; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 233. 29 Frank Schorkopf, Wahrhaftigkeit im Recht der Grundfreiheiten – zu Maßstab und Rechtsfolgen der Glücksspielurteile des Europäischen Gerichtshofs, in: DÖV 2011, S. 262; ders., Art. 7 EUV Rn. 8 ff., in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 30 Pascal Gauttier, Horizontal Coherence and the External Competences of the E ­ uropean Union, in: European Law Journal 2004, S. 25 f.; Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S.  483 m. w. N. 26

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

3. Umfang und Reichweite der außenpolitischen Kohärenz Kohärentes Auftreten der Europäischen Union gegenüber internationalen Partnern wirkt vertrauensbildend und steigert bei außen- und sicherheitspolitischen Auftritten „auf der Weltbühne“ ihre politische Glaubwürdigkeit.31 Die Festlegung und die Zusammenstellung der für das auswärtige Handeln der Union maßgeb­ lichen Grundsätze und Ziele in Art. 21 EUV fördern die Wahrnehmung der Union als einheitlicher Akteur auf der internationalen Ebene.32 Dennoch sind sie allein nicht ausreichend,33 um für ein kohärentes auswärtiges Handeln zu sorgen. Deshalb unterwirft Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV das gesamte Regime unionalen Außenhandelns einem generellen „Kohärenzpostulat“.34 Es heißt diesbezüglich: „Die Union achtet auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns sowie zwischen diesen und ihren übrigen Politikbereichen.“

Damit gilt das Gebot kohärenten Handelns nicht nur in allen Bereichen, in denen die Union nach außen tätig wird, sondern beinhaltet auch die Abstimmung zwischen den außenpolitischen Handlungsinstrumenten und der Binnenpolitik der EU.35 Der Kohärenzgedanke ist also gleichermaßen bei der Koordinierung der mitgliedstaatlichen Außenpolitiken wie bei der Koordinierung der supranationalen sowie der intergouvernementalen Sphäre auf Unionsebene relevant.36 Geltung be­ansprucht die Kohärenz dabei nicht nur hinsichtlich der (materiellen) Politikfelder, sondern darüber hinaus auch bei der Planung der politischen Programme und deren Finanzierung.37 Anschaulich wird dies am Beispiel der Entwicklungszusam-

31 Beispiele, bei denen die Glaubwürdigkeit durch inkohärentes Verhalten der EU gegenüber Dritten gelitten hat, sind in der jüngeren Vergangenheit zu finden, so im Balkankonflikt in den 1990er Jahren, im zweiten Irak-Krieg (2002–2003), aber auch in der Libyen-Krise im Frühjahr 2011. 32 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 178. 33 Marise Cremona, The Draft Constitutional Treaty: External relations and external action, in: CMLRev. 2003, S. 1349; Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 178. 34 Waldemar Hummer, Art. III-292 EVV Rn. 32, in: Ch. Vedder/W. Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, Kommentar, Baden-Baden 2007. 35 Marc Bungenberg, Außenbeziehungen und Außenhandelspolitik, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 201. 36 D. h. innerhalb der (ehemals) vergemeinschafteten Außenbeziehungen, zwischen diesen und den intergouvernementalen Bereichen der GASP und schließlich zwischen diesen und den innenpolitischen Fragen mit außen- (oder sicherheits-)politischen Elementen; Daniel Thym, Foreign Affairs, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Principles of European Constitutional Law, 2. Aufl., Oxford u. a. 2010, S. 310. 37 Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 3.

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menarbeit, bei der Politik gestaltende und budgetäre Kompetenzen des Hohen Vertreters und der Kommission zusammenkommen. Als spezieller Ausdruck des außenpolitischen Kohärenzgebots kann auch Art. 34 Abs. 1 EUV gesehen werden. In dieser Bestimmung ist die Pflicht zur Koordination in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen verankert (UAbs. 1). Sofern auf einer internationalen Konferenz nicht alle Mitgliedstaaten vertreten sind, ist vorgesehen, dass sich die anwesenden Staaten für die Standpunkte der Union einsetzen (UAbs. 2). Der vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Bereich des auswärtigen Handelns bestehende Dualismus von GASP-Maßnahmen und dem sonstigem außenpolitischem Tätigwerden der EG bzw. der EU, auch in Bezug auf das Kohärenzgebot, führte nicht selten zu widersprüchlichen Politiken.38 Ein besonderes Anliegen des Vertrags von Lissabon war es daher, Kohärenz, Kontinuität und damit letztlich Effizienz in der GASP zu steigern. Seit seinem Inkrafttreten richtet sich das außenpolitische Kohärenzgebots nach der eingangs zitierten Vorschrift an die Union. Demnach ist es deren Aufgabe39 für innere Kohärenz zu sorgen. Die betroffenen Organe oder Organteile verpflichtet dies zur gegenseitigen Abstimmung. Da der EU-Vertrag und der AEU-Vertrag rechtlich gleichrangig sind (Art. 1 Abs. 3 S. 2 EUV), besteht keine hierarchische oder graduelle Abstufung dieser Verpflichtung.40 Tatsächlich aber dürften die GASPMaßnahmen den Maßnahmen der übrigen auswärtigen Politikfeldern regelmäßig zeitlich vorgehen,41 sodass für die anderen Politikbereiche de facto nur der Nachvollzug bleibt, um nicht den Vorwurf inkohärenten Handelns auf sich zu ziehen.42 38 Horst  Günter Krenzler/Henning C.  Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 148; Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 1; Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 1. 39 So offensichtlich schon: Horst Günter Krenzler/Henning C. Schneider, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Zur Frage der Kohärenz, in: EuR 1994, S. 147, noch zur Rechtslage des Vertrags von Maastricht, damals a. A.: Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 255 mit dem Verweis auf die (damals) fehlende Völkerrechtssubjektivität der EU, demzufolge – neben den Europäischen Gemeinschaften – nur die Vertragsstaaten Adressaten des Kohärenzgebots sein konnten. 40 So bereits: Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 256 (noch zur Rechtslage des Vertrags von Maastricht). 41 Sie werden daher auch „High-politic-decision“ genannt, während die Maßnahmen der übrigen Politikfelder demgegenüber als „Welfare-politic-decision“ bezeichnet werden, vgl. Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Euro­ päischen Union, in: EuR 1995, S. 256. 42 Matthias Pechstein, Das Kohärenzgebot als entscheidende Integrationsdimension der Europäischen Union, in: EuR 1995, S. 256.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Zweifelsohne tragen die Abschaffung der Pfeilerstruktur sowie die explizite Verleihung der Rechtspersönlichkeit an die Union auch zu einer kohärenteren auswärtigen Vertretung der Unionsinteressen bei.43 Gleichwohl sind sie nur erste Schritte zur Entflechtung der bestehenden komplexen Strukturen im Kompetenzgefüge zwischen Union und den Mitgliedstaaten.44 Die Annahme, mit der Schaffung einer einheitlichen Rechtsperson „EU“ gleichzeitig auch das Kohärenz­ problem im bis dato bestehenden institutionellen Rahmen der drei Säulen gelöst zu haben,45 wäre wünschenswert, dürfte aber, aus genannten Gründen, im Ergebnis nur im Ansatz richtig sein. 4. Verantwortung für die außenpolitische Kohärenz Institutionell abgesichert wird die Wahrung der Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union sowie zwischen diesen und ihren übrigen Politikbereichen nach Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV in erster Linie durch den Rat und die Kommission, wobei Letztere im Bereich der GASP durch Art. 26 Abs. 2 UAbs. 2 EUV von dieser Pflicht ausgenommen wird. Die Sorge des Rates und gegebenenfalls der Kommission für die Wahrung der Kohärenz soll vom Hohen Vertreter unterstützt werden. Wörtlich heißt es in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EUV beide genannten Organe „stellen diese Kohärenz sicher und arbeiten zu diesem Zweck zusammen.“

Art. 18 Abs. 4 S. 2 EUV betraut den Hohen Vertreter insgesamt mit der „Sorge für die Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union“. Der dem Hohen Vertreter zugewiesene (Unterstützungs-)Auftrag um die Einhaltung der Kohärenz ist nicht zu unterschätzen. Da er nach der Fusion der Ämter des Außenkommissars und des Hohen Vertreters des Rates für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik beiden Organen in der Aus- und Durchführung auswärtiger Angelegenheiten verpflichtet ist, kommt ihm bei der Zusammenarbeit von Rat und Kommission eine ganz entscheidende Rolle zu. Von herausragender Bedeutung ist diese in etwaigen Konfliktfällen46, für die die Verträge keine Regelung 43 Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 173 f. 44 So auch Kaddous in ihrer Schlussbetrachtung, vgl. Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 186 („trompe l’œil“). 45 So anscheinend: Frank Schorkopf, Maßstäbe für die institutionelle Architektur der Europäischen Union, in: E. Pache/F. Schorkopf (Hrsg.): Die Europäische Union nach Lissabon, ­Baden-Baden 2009, S. 80. 46 Peter-Christian Müller-Graff, Europäische Politische Zusammenarbeit und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: integration 1993, S. 151.

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vorsehen und in denen daher der Hohe Vertreter als Vermittler zum Tragen kommt. Die Hybridität seines Amtes ist der Inbegriff institutioneller Kohärenz und verbindet in diesem Fall die supranationale und intergouvernementale auswärtige Politik der EU. Damit verfügt der Hohe Vertreter (zusammen mit dem ihn unterstützenden EAD) über das Potential, eine die ehemaligen Säulen übergreifende Kohärenz zu fördern47 und stellt den eigentlichen „Träger des Kohärenzprinzips“48 dar.49 Dreh- und Angelpunkt der Überwindung des allseits beklagten Kohärenzdefizits liegt also in der Position des Hohen Vertreters. Durch die Verschmelzung der Ämter in einer Person kann er wie erläutert auf horizontaler Ebene die Kohärenz des Handelns von Kommission und Rat in auswärtigen Angelegenheiten fördern.50 Ähnliche Möglichkeiten kommen dem Hohen Vertreter hinsichtlich der Gewährleistung vertikaler Kohärenz (Art. 24 Abs. 3 EUV), also kohärentem Handeln der Union sowie der Mitgliedstaaten, zu.51 Hinsichtlich des für die Herstellung der Kohärenz nötigen Instrumentariums schweigt der Vertrag indes.52 Es soll in dieser Untersuchung daher an jeweils entsprechender Stelle auf Möglichkeiten und Hebel hingewiesen werden, die geeignet erscheinen, das Ziel eines kohärenten auswärtigen EU-Handelns zu erreichen.53

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Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 213. 48 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 49 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 94. Neben den genannten Akteuren ist auch die Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“ mit der Sorge für ein kohärentes auswärtiges Auftreten der Union betraut (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 2 EUV). Für ein insgesamt kohärentes Handeln der verschiedenen Zusammensetzungen des Ministerrates sorgt dieser selbst in seiner Formation „Allgemeine Angelegenheiten“ (Art. 16 Abs. 6 UAbs. 2 EUV). 50 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 36 f. 51 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 37. 52 Jan Wouters/Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 5. 53 Zu anderen Möglichkeiten schon 4 Teil E. und H. IV. sowie noch 5. Teil E. II. und III.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

5. Kontrolle der Wahrung des Kohärenzgebotes Bisher steht kein allgemeines oder spezielles Verfahren zur Verfügung, das der Überprüfung der Einhaltung des Kohärenzgebotes dient. Ebenso sehen die europäischen Verträge keinen expliziten „Kohärenzwächter“54 vor, der mit dieser Aufgabe betraut werden könnte. Für den Bereich der Außenvertretung, der sich nach der Vertragsreform von Lissabon gerade durch seine (besondere) Stimmigkeit auszeichnen soll, könnte man überlegen, dem bereits als „Träger des Kohärenzprinzips“ bezeichneten Hohen Vertreter zusätzlich die Funktion eines „Wächters“ aufzuerlegen.55 Eine solche Wächterfunktion ist im Wortlaut der Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 UAbs. 3 EUV („Sorge tragen“) für den Bereich der GASP sowie in Art. 18 Abs. 4 S. 2 EUV („sorgt“) und Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV i. V. m. Art. 205 AEUV („sicher­stellen“) für die übrigen Bereiche des auswärtigen Handelns angelegt sowie dem Hohen Vertreter und dem Rat bzw. dem Rat und der Kommission mit Unterstützung des Hohen Vertreters zugewiesen. In praktischer Hinsicht begegnet diese Idee allerdings in zweifacher Hinsicht Bedenken. Mit der Benennung von Rat, Hohem Vertreter und Kommission sind zweifelsfrei Organe bzw. Organteile bezeichnet, die kraft ihres primärrechtlichen Auftrags befähigt sind, die Einhaltung der Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union zu überwachen. Es sind gleichzeitig aber auch genau diejenigen Organe, die zum auswärtigen Handeln für die Union selbst berufen sind. Ob eine Kontrolle der Einhaltung der Kohärenz durch dieselben Organe zweckmäßig ist, die die entsprechenden außenpolitischen Vorhaben vorbereiten und beschließen, erscheint zweifelhaft. Ein weiteres Problem liegt darin, dass vor allem der Hohe Vertreter, der mit der EAD-Zentrale über einen – gemessen an seinen ihm vertraglich zugedachten Funktionen und Aufgaben – verhältnismäßig kleinen Stab verfügt, schon durch Letztere ausgelastet sein dürfte. Würde man ihm eine über das „Sorge­tragen“ hinausgehende Aufgabe aufbürden, litten darunter gewiss andere ihm übertragene Aufgaben. Wenngleich das Kohärenzgebot für die Organe der Union verbindlich ist, ist die Einhaltung des außenpolitischen Kohärenzgebots nur sehr eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.56 Grundsätzlich zuständig ist der EuGH nur für die Einhaltung des allgemeinen Kohärenzprinzips nach Art. 7 AEUV; wegen Art. 275 AEUV ist er nicht für die Bestimmungen der GASP zuständig. Überprüfbar ist allerdings die 54

Matthias Ruffert, Kohärente Europäisierung: Anforderungen an Verfassungs- und Verwaltungsverbund, in: W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Offene Rechtswissenschaft, Tübingen 2010, S. 1407. Vgl. aber die zentrale Rolle des Hohen Vertreters für die Kohärenz unter 4. Teil H. I. 4. 55 So beispielsweise: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 217; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 253 (noch zum Verfassungsvertrag: „Hüter der ­Kohärenz“). 56 Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 24 EUV Rn. 19, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012.

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Einhaltung der sog. Unberührtheitsklausel des Art. 40 EUV. Die Unberührtheitsklausel unterstreicht das Fortbestehen zweier unterschiedlicher Rechtsregime mit unterschiedlichen Binnenhierarchien: das supranationale Unionsrecht (im Sinne des hergebrachten Gemeinschaftsrechts) und das weiterhin intergouvernementale Recht der GASP.57 Beide Bereiche werden durch das Gebot wechselseitiger Unberührtheit im Sinne eines Nichteingreifens miteinander verklammert.58 Damit ist der auf die Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union abzielende Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV einer Kontrolle durch den EuGH nicht zugänglich,59 sondern bleibt allein einer „politischen Korrektur“60 vorbehalten. Der fehlende Organstatus des Hohen Vertreters hindert abgesehen von dem allgemeinen Ausschluss des EuGH von der Rechtsprechung in GASP-Angelegenheiten schließlich die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Mitgliedstaaten (Art. 258 AEUV), denen ein Verstoß gegen das Kohärenzgebot vorgeworfen wird.61 Eine Kontrolle der Einhaltung des Kohärenzgebots durch das Europäische Parlament ist ebenfalls nur in geringem Umfang möglich. Das Europäische Parlament kann hinsichtlich der Einhaltung des Kohärenzprinzips zwar Fragen an den Rat und die Kommission richten. Einer entsprechenden politischen oder rechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf das Kohärenzgebot ermangelt es hingegen bei den beiden Organen.62 Offen steht dem Europäischen Parlament also nur, auf eine allgemeine politische Kontrolle der Wahrung des Kohärenzgebots hinzuwirken. Überlegenswert wäre es jedoch, ähnlich dem Verfahren der Subsidiaritätskon­ trolle,63 die nationalen Parlamente damit zu beauftragen, die Einhaltung der 57 Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 428; Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 143. 58 Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 429. 59 Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 24 EUV Rn. 19, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. 60 Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 428. 61 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 217. Zu einem politischen Compliance-Verfahren im Sinne eines „naming, blaming, shaming“: Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 415 (noch zum „Außenminister“), der einer „Rolleninterpretation“ des Hohen Vertreters als „moralisches Gewissen“ zwecks Aufrechterhaltung der „Gruppendisziplin“ wenig Erfolgschancen einräumt. 62 Koen Lenaerts/Piet van Nuffel, Constitutional Law of the European Union, 3. Aufl., London 2011, Rn. 27–004 (S. 1044). 63 Zu den Kontrollmöglichkeiten der nationalen Parlamente hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips: Martina Mayer, Die Europafunktion der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, Tübingen 2012, S. 125 ff.; Philipp Molsberger, Das Subsidiaritätsprinzip im Prozess europäischer Konstitutionalisierung, Berlin 2009, S. 200 ff.; Christian Calliess, Grundsatz der Subsidiarität: Nur ein leeres Versprechen?, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 61 ff.; vgl. auch unter 4. Teil H. VI.

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Kohärenz zu überwachen. Durch eine frühzeitige Unterrichtung über geplante außenpolitische Vorhaben könnte es ihnen ermöglicht werden, im Rahmen ihrer Unterrichtung und ihrer Information über geplante Gesetzgebungsakte und sonstige Maßnahmen der Union ex ante auf Inkonsistenzen und Widersprüche im auswärtigen Handeln der Europäischen Union hinzuweisen. An ihre Grenzen stieße dieses Verfahren freilich dort, wo die Situation ein schnelles Handeln der Union erfordert, wie es im Rahmen der GASP regelmäßig der Fall ist. Auch eine Ex-postBewertung solcher Maßnahmen durch die nationalen Parlamente erscheint derzeit und mit Blick auf die im Rahmen der GASP weiterhin bestehenden Vorrechte nationaler Exekutiven wenig aussichtsreich.64 Für alle übrigen Bereiche des auswärtigen Handelns könnte dieser Vorschlag einen Beitrag zur Fortschreibung des bereits erörterten Parlamentarisierungsprozesses im Bereich des auswärtigen Handelns der Union leisten. Schließlich könnte ein anderer Ansatz darin bestehen, die Verpflichtung zur Kohärenz als Teil des allgemeinen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV oder als Element des in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes65 zu interpretieren. In diesem Falle könnte in der Missachtung des Gebots zu kohärentem Handeln eine Verletzung von Unionsrecht angenommen werden und auf diese Weise eine gerichtliche Kontrolle durch den EuGH ermöglicht werden. Von dieser wären allerdings GASP-Angelegenheiten wiederum ausgenommen (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV). Neben diesem Nachteil sprechen gegen eine solche Interpretation letztlich jedoch der eigenständige Charakter und der hohe Stellenwert des Kohärenzgebots im Unionsrecht, dem es widerspräche, es als „Subkategorie“ eines anderen Gebots zu subsumieren.

II. Kontinuitätsgebot In engem Kontext mit dem Kohärenzgebot steht die Verpflichtung der Europäischen Union, auch die Kontinuität ihrer Politik und ihrer Maßnahmen sicherzustellen (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV). Anders gewendet, kann man in der Verpflichtung zu Kontinuität die zeitliche Dimension des Kohärenzgebots sehen, die einen Politikwechsel ohne Konsultation der Entscheidungsträger anderer politischer Bereiche untersagt.66 In materiell-rechtlicher Hinsicht dürfen jedoch keine allzu hohen Anforderungen an das Kontinuiätsgebot gestellt werden, da die Ent 64

Vgl. hierzu 4. Teil H. V. Es müsste beispielsweise argumentiert werden, jedes inkohärente auswärtige Handeln der Union ginge im Sinne des Art. 5 Abs. 4 EUV „über das erforderliche Maß hinaus“. Problematisch würde die Argumenation bereits in dem Moment, in dem die Inkohärenz darin bestünde, dass nicht ein „Zuviel“, sondern ein „Zuwenig“ vorläge, die Maßnahmen also hinter dem „erforderlichen Maß“ zurückbleiben. 66 Rudolf Streinz, Art. 13 EUV Rn. 9, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. 65

A. Leitgedanken einer reformierten „EU-Außenpolitik“

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scheidungsorgane auf EU-Ebene ebenso wie auf nationaler Ebene unterschied­ lichen (partei-)politischen Strömungen angehören, ihre Zusammensetzung also unmittelbar oder mittelbar vom Ausgang der demokratischen Entscheidungen bei Wahlen und damit letztlich von deren Bestätigung abhängt. Umfasst sind jedenfalls aber Gesichtspunkte wie der Vertrauensschutz oder die Rechtssicherheit.67 Gewährleistet werden kann der Auftrag zu kontinuierlichem Handeln z. B. durch einen fortwährenden politischen Dialog des Hohen Vertreters mit Drittstaaten (Art. 27 Abs. 2 S. 2 EUV).68

III. Loyalität und Solidarität Eine das (außenpolitische) Kohärenzgebot ebenfalls ergänzende Vorschrift ist die des Art. 24 Abs. 2 und 3 EUV. Die genannten Absätze statuieren für den Bereich der GASP besondere Loyalitäts- und Solidaritätspflichten. Wörtlich heißt es: „(2) Die Union verfolgt, bestimmt und verwirklicht (…) eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einer Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten (…) beruht. (3) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltslos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten das Handeln der Union in diesem Bereich.“

Hinsichtlich der Pflicht zu loyalem Verhalten und Handeln wiederholt die Vorschrift damit für den Bereich der GASP, was der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit für das Verhältnis von Union und Mitgliedstaaten vorgibt, spezifiziert ihn jedoch zugleich,69 indem sie den Mitgliedstaaten eine gegenüber Art. 4 Abs. 3 EUV gesteigerte Pflicht zur Förderung der GASP und zur Leistung von Beistand auferlegt.70 Der in dem eingangs zitierten Art. 24 Abs. 2 und 3 EUV zum Ausdruck kommende Solidaritätsgedanke ist eine Leitidee des Unionsrechts, die den europäischen Integrationsprozess von Beginn an prägte. Aufbauend auf einer Solidarität der europäischen Völker sollte, in den Worten Schumans, durch die „Solidarität der

67 Rudolf Streinz, Art. 13 EUV Rn. 9, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. 68 Dieser politische Dialog umfasst derzeit etwa 50 Drittstaaten und ca. 20 internationale Organisationen und regionale Staatenverbindungen, Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus MeyerLandrut, Art. 27 EUV Rn. 10 ff., in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 69 Hans-Joachim Cremer, Art. 24 EUV Rn. 12, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 70 Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 24 EUV Rn. 9, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/ AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. Zur Loyalität als Rechtsprinzip: Armin Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip der Europäischen Union, Baden-Baden 2001.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Tat“ („solidarité de fait“71) die Europäische Union als ein Verbund solidarischer Mitgliedstaaten geschaffen werden. Unterstrichen wird die Bedeutung der an verschiedenen Stellen der Verträge zu Tage tretenden Solidaritätsidee insbesondere durch ihre Aufnahme in die Prä­ ambel des EU-Vertrags sowie in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 EUV, der Vorschrift über die Ziele der Union.72 Gemäß der Maxime „Wo Einheit fehlt, wird Zusammenhalt wichtig“73 fordert das Solidaritätsgebot zu Unterstützungsleistungen, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme von Opfern zugunsten eines anderen, auf.74 Eine besonders intensive normative Regelung erhält das Gebot durch die Solidaritätsklausel (Art. 222 AEUV). Wenngleich nicht so nachdrücklich wie in der Solidaritätsklausel, „schimmert“ der Gedanke jedoch auch an anderen Passagen des Unionsrechts durch. Er muss dabei von der Loyalität unterschieden werden. Im Unterschied zur Solidarität setzt Loyalität das Bestehen einer Pflichtenbindung bereits voraus, die sodann auf loyale Art und Weise erfüllt werden muss. Solidarität hingegen begründet diese ideelle oder materielle Pflichtenbindung.75 Der Solidaritätsgedanke erscheint in verschiedenen Zusammenhängen und Dimensionen; er erfasst dabei nahezu alle Politikbereiche.76 So weist die genannte Solidaritätsklausel beispielsweise innenpolitische Bezüge (Terrorismus, Naturkatastrophen) auf. Die außenpolitische Solidarität, die für diese Darlegung von besonderem Interesse ist, stellt eine weitere der vielen Ausprägungen des Solidaritätsgedankens dar. Die „leicht tautologisch[e]“77 Forderung in Art. 24 Abs. 3 UAbs. 1 EUV nach „gegenseitiger Solidarität“ verlangt eine gegenüber dem in Art. 4 Abs. 3 EUV ver 71 Vgl. Erklärung Robert Schumans vom 9. Mai 1950: „(…) Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. (…)“, abgedruckt in: Robert-Schuman-Stiftung (Hrsg.), Für Europa, 2. Aufl., Genf 2010, S. 145 ff. Im Original: „(…) L’Europe ne se fera pas d’un coup, ni dans une construction d’ensemble. Elle se fera par des réalisations concrètes créant d’abord une solidarité de fait. (…)“. 72 Die Solidarität ist nicht dem EU-Vertrag vorbehalten. Sie hat auch Eingang in den AEUVertrag gefunden, z. B. in Vorschriften zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Art. 67 Abs. 2 S. 1 und Art. 80 S. 1 AEUV. 73 Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen – Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat – FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 819. 74 Zur Solidarität als Rechtsprinzip: Martina Lais, Das Solidaritätsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, Baden-Baden 2007, S. 91 ff.; Christian Calliess, Art. 222 AEUV Rn. 2, 6 ff., in: ders./M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 75 Armin Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip der Europäischen Union, Baden-Baden 2001, S. 16 f. 76 Christian Calliess, Art. 222 AEUV Rn. 2, 6 ff., in: ders./M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 77 Hans-Joachim Cremer, Art. 24 EUV Rn. 12, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011.

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ankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gesteigerte Form solidarischen Verhaltens der Mitgliedstaaten in der Weise, dass sie sich mit der von der Union betriebenen GASP „identifizieren“.78 Diese Identifizierung soll sich auch darin zeigen, dass die Mitgliedstaaten die Politik der Union, wie Art. 24 Abs. 3 UAbs. 1 EUV formuliert, „aktiv und vorbehaltslos“ unterstützen. An die Bestimmungen des Art. 24 EUV anknüpfend, liefern Art. 31 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3 EUV sowie Art. 32 UAbs. 1 S. 4 EUV, ebenfalls auf den außen- und sicherheitspolitischen Bereich beschränkt, Konkretisierungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht.79 Die genannten Bestimmungen sehen für die Mitgliedstaaten einerseits die Pflicht vor, bei der Beschlussfassung im Rat alles zu unterlassen, was dem Vorgehen der Union zuwiderlaufen könnte. Andererseits sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich im Europäischen Rat und im Rat in Fragen außen- und sicherheitspolitischer Art abzustimmen, bevor ein Mitgliedstaat auf internationaler Ebene eine Verpflichtung eingeht, die das Interesse der Union berühren könnte. Nationale „Alleingänge“ können durch die Abstimmungs- und Unterlassenpflichten zwar nicht verhindert werden – zumindest nicht, solange sie im Rahmen nationaler Außenpolitik erfolgen80 –; dennoch wird die moralische Hemmschwelle für ein nicht abgestimmtes, unsolidarisches Verhalten für die Mitgliedstaaten erhöht. Für die Einhaltung sowohl der sich aus Art. 24 EUV ergebenden Loyalitäts- als auch der Solidaritätspflichten tragen Rat und Hoher Vertreter Sorge. Art. 24 Abs. 3 UAbs. 3 EUV verleiht dem Rat als Organ und dem Hohen Vertreter, der im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ den Vorsitz führt, die Kompetenz, sich bei unloyalem oder unsolidarischem Verhalten eines Mitgliedstaates mit der Frage zu befassen, ob der betreffende Mitgliedstaat den sich aus Art. 24 Abs. 3 EUV ergebenden Pflichten genügt. Der Rat wird dabei als politisches Gremium tätig, das nicht zu einer rechtlich verbindlichen Entscheidung über diese Frage befugt ist.81 Dem Charakter der GASP als einem intergouvernemental geprägten Politikfeld entspricht es schließlich, dass die Frage der Erfüllung oder Nichterfüllung der Loyalitäts- und Solidaritätspflichten nach Art. 24 EUV einer gerichtlichen Überprüfbarkeit nicht zugänglich ist.82

78 Hans-Joachim Cremer, Art. 24 EUV Rn. 12, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 79 Christoph Ohler, Art. 222 EUV Rn. 1, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. 80 Werner Kaufmann-Bühler, Art. 24 EUV Rn. 40, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 81 Hans-Joachim Cremer, Art. 24 Rn. 13 EUV, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011. 82 Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 24 EUV Rn. 9, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/ AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012. Justiziabel hingegen sind die allgemeinen Pflichten nach Art. 4 Abs. 3 EUV, Wolfgang Kahl, Art. 4 EUV Rn. 42, in: Ch. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung Die Vorstellung einer Kompetenzbündelung im Aufgabengebiet der Außenvertretung war und ist die entscheidende Antriebsfeder für die Reform der Entscheidungsstrukturen sowie des administrativen Unterbaus, die in der Idee der Schaffung einer gemeinsamen diplomatischen Vertretung, des Europäischen Auswärtigen Dienstes, ihren vorläufigen Abschluss fand. Sie ist Ausdruck des Selbstverständnisses der Europäischen Union, zukünftig für die Gesamtheit aller EU-Institutionen auf diplomatischer Ebene handeln zu wollen.83 Bevor sich die vorliegende Untersuchung dem Konzept und den Strukturen des EAD im Einzelnen widmet, wird sie zunächst die für das Projekt abgesteckten Rahmenbedingungen erläutern und den beschrittenen Weg von der Idee zur Verwirklichung des EAD nachzeichnen.

I. Rahmenbedingungen für den Aufbau Untrennbar mit der Idee eines EAD verbunden sind weitere konzeptionelle Neuerungen, die der Vertrag von Lissabon mit sich gebracht hat und die für die Analyse des EAD von erheblicher Bedeutung sind.84 Zu diesen konzeptionellen Neuerungen zählt zunächst die bereits erörterte Fusion des Amts des Hohen Vertreters des Rates für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit dem des Außenkommissars zu der neuen Position des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 4 EUV) und der damit einhergehenden Verknüpfung der Organe Ministerrat und Kommission.85 Für die Arbeit des EAD ferner von Bedeutung ist die Wahl eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates (Art. 15 Abs. 2, Abs. 5 und Abs. 6 EUV), dem auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs die Außen­ vertretung der Union obliegt (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 2 EUV).86 Die im Vertrag von Lissabon vorgesehene ausdrückliche Zuerkennung eigener Rechtspersönlichkeit der EU in Art. 47 EUV verleiht ihr auf internationaler Ebene erstmals volle recht­ liche Handlungsfähigkeit und beendet die hierüber jahrelang geführte dogmatische 83

Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 24. Simon Duke, The Constitutional Debacle and External Relations, in: Eipascope 2/2005, S. 15; Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungsvertrag, Berlin 2007, S. 96; ähnlich: E ­ lmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 1 f. 85 Hierzu bereits 4. Teil H. I. 86 Hierzu bereits im 4. Teil H. II. 84

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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Debatte87 damit.88 Schließlich wird die Umwandlung der „Delegationen der Europäischen Kommission“ im Ausland zu „Delegationen der Europäischen Union“ eine rechtliche Neubewertung erforderlich machen. Zu den Rahmenbedingungen, unter denen die Einrichtung des EAD erfolgte, gehören im weiteren Sinne auch die Erfahrungen aus der „Ära Solana“.89 Im Zeitraum von 1999 bis 2009 prägte der Spanier das Amt des Hohen Vertreters des Rates für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in einer Weise, die es trotz der durch den Vertrag von Lissabon erfolgten rechtlichen Aufwertung des Postens eines Hohen Vertreters nahelegen, den jeweiligen Amtsinhaber, aber auch den EAD an den Erfahrungen dieser Ära zu messen.90

II. Idee und Initiative Die Idee zur Schaffung des EAD als einheitlicher diplomatischer Dienst der Union formulierte erstmals das Europäische Parlament im Jahre 2000.91 Sie geht zurück auf eine Mitte der 1990er Jahre angestrengte Initiative der Kommission, die 87 Vgl. Stefan Kadelbach, Die Außenpolitik im europäischen Mehrebenensystem und ihre rechtliche Basis – Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 9 ff.; Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/ N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-­ Baden 2008, S. 945 (Fn. 15 m. w. N.); Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 425; Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 96 f. Zur damals bereits bestehenden Praxis des Abschlusses internationaler Übereinkommen durch die EU: Christine Kaddous, External Action under the Lisbon Treaty, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, BadenBaden 2009, S. 173 f. 88 Zum Stand der Positionen: Matthias Pechstein, Art. 1 EUV Rn. 16 ff., in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, München 2003. Auch die ausdrückliche Verleihung der Rechtspersönlichkeit an die EU kann in zweierlei Arten interpretiert werden. Entweder man sieht sie als Beleg für ihre bislang fehlende Staatlichkeit an (hierzu: Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 132) oder man betrachtet sie als – zeitlich verzögerte – vertragliche Nachzeichnung, als schriftliche Fixierung der bereits bestehenden tatsächlichen Praxis [in diese Richtung: Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissa­ boner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 179]. 89 Zum Verhältnis Solanas zu den einzelnen Akteuren der europäischen Außen- und Sicher­ heitspolitik: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 24 ff. 90 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 24. 91 Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Meinung 2/2010, S. 12.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

im sog. Williamson-Report92 mündete. Hierin wurde ein spezielles Programm zur Rekrutierung, Fortbildung und Mobilität des Delegationspersonals vorgeschlagen. Die Wurzeln der Idee gemeinsamer diplomatischer Stellen reichen allerdings noch weiter zurück. Pate gestanden hat nämlich der bereits in den 1980er Jahren eingebrachte Vorschlag zur Errichtung deutsch-französischer Botschaften.93 Angestrebt war zu damaliger Zeit ein gemeinsames Arbeiten deutscher und franzö­ sischer Diplomaten unter der Leitung eines (deutschen oder französischen) mit Akkreditierungen beider Staaten ausgestatteten Missionschefs. Obwohl die Pläne an Souveränitätsbedenken zunächst scheiterten, konnten sie im Jahr 2003 im Rahmen der Projekte zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags wiederbelebt werden. Heute arbeiten einige Botschaften zumindest in gemeinsamen Örtlichkeiten, so z. B. in Liberia und Malawi.94 Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, den Rahmen der historisch gewachsenen bilateralen deutsch-französischen Zusammenarbeit, die der EU oft als „Integrationsmotor“95 diente, (auch) für die Arbeit des EAD zu nutzen.96 Der für die Umsetzung der Idee ausschlaggebende Anstoß zur Institutiona­ lisierung eines – in der Terminologie des Verfassungsvertrags97 – „Außen­ ministers der Union“ sowie des ihm zuarbeitenden EAD erfolgte im Rahmen des Verfassungskonvents.98 Der Vorschlag hierzu wurde von deutscher Seite in 92 Longer-term requirements of the External Service vom 27.3.1996, SEC (96) 554; Bericht von David Williamson, früherer Generalsekretär der Kommission; vgl. auch Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 507 m. w. N. 93 Yann-Sven Rittelmeyer/Samy Saadi, Der Europäische Auswärtige Dienst – Deutsch-französische Initiativen für die europäische Diplomatie, in: Dokumente/Documents: Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 2010, S. 13 f. 94 Rudolf Balmer, Wunsch und Wirklichkeit, in: Das Parlament 1–3/2013 vom 2.1.2013, S. 5; Yann-Sven Rittelmeyer/Samy Saadi, Der Europäische Auswärtige Dienst – Deutsch-französische Initiativen für die europäische Diplomatie, in: Dokumente/Documents: Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 2010, S. 13. Bemerkenswert ist, dass das französische Außenministerium, zumindest im Falle Malawis, im Gegensatz zum Auswärtigen Amt auf seiner Internetseite auf die gemeinsam genutzten Örtlichkeiten hinweist, vgl. http://www. diplomatie.gouv.fr/fr/dossiers-pays/malawi/la-france-et-le-malawi/presentation-21315/ (letzter Abruf: 29.5.2013). Vgl. hierzu bereits 1. Teil D. II. 2. d). 95 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 12. 96 Vgl. Yann-Sven Rittelmeyer/Samy Saadi, Der Europäische Auswärtige Dienst – Deutschfranzösische Initiativen für die europäische Diplomatie, in: Dokumente/Documents: Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog 2010, S. 14. 97 Zu den konstitutionalistischen Anleihen im Verfassungsvertrag bzw. im Vertrag von Lissabon vgl. Evgeni Tanchev, The Lisbon treaty within and without Constitutional Orthodoxy, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 22 ff. 98 Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 250 ff.

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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die vom Konvent eingesetzte Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) ein­ gebracht.99 Die Reaktionen der Mitgliedstaaten auf den auf Unionsebene geäußerten Vorschlag, eine gemeinsame europäische Außenvertretung zu schaffen, fielen durchweg unterschiedlich aus.100 Vor allem den kleineren und den jüngsten Mitgliedstaaten lag der Aufbau des EAD am Herzen, vermittelt ihnen dessen Existenz doch eine Möglichkeit, ihrem außenpolitischen Auftreten stärkeres Gewicht zuzu­ messen, dies bei gleichzeitiger Minimierung der Verwaltungskosten für die Unterhaltung ihrer bilateralen außenpolitischen Vertretungsstellen.101 Große Mitgliedstaaten argwöhnten die Idee eines EAD tendenziell eher und fürchteten um den Verlust politischer Einflussmöglichkeiten durch ihre eigenen nationalen auswärtigen Dienste. Vor allem Frankreich und Großbritannien unterhalten mit der „Francophonie“ bzw. dem „Commonwealth of Nations“ seit dem 19. Jahrhundert bzw. seit Beginn des 20. Jahrhunderts enge politische Beziehungen, Beistands- und Kooperationsverpflichtungen mit anderen Staaten,102 sie sahen sich daher nicht zwangsläufig auf den Aufbau eines EAD angewiesen. Die Regierung der Bundesrepublik favorisierte in der Debatte über die organisatorische Einbettung des EAD in das bestehende Institutionengefüge der Union von Beginn an eine von anderen europäischen Institutionen unabhängige Aus­ gestaltung des EAD. Er sollte nach ihrem Willen weder bei der Europäischen Kommission noch beim Europäischen Rat angesiedelt werden.103 Die Institution „sui generis“ sollte nach ihrem Willen Teil des EU-Haushalts sein und damit der

99

Vgl. das von Staatssekretär Gunter Pleuger vorgelegte Arbeitsdokument Nr. 17 („Doppelhut“) der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, vom 5. November 2002 sowie Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII, CONV 459/02 vom 16. Dezember 2002, dort S. 6 f.; Claas Knoop, Der Außenminister der Euro­ päischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 93. 100 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 5. 101 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/ A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, BadenBaden 2007, S. 521. 102 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 6. 103 Vgl. Pressemitteilung des Bundestages, heute im bundestag Nr. 283/2009 vom 25.11.2009: Rede des Staatsministers im Auswärtigen Amt Werner Hoyer (FDP) vor dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

vollen Haushaltskontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen.104 Vermieden werden sollte der schlichte Aufbau eines zusätzlichen diplomatischen Dienstes.105 Hinsichtlich der Arbeitsaufteilung zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Hohen Vertreter vertrat die Bundesregierung die Auffassung, der Präsident solle die Außenvertretung im Bereich der GASP übernehmen, während der Hohe Vertreter die Konzeption der Politik und deren operative Steuerung obliegen solle,106 die Mitgliedstaaten würden über die Gremien des Rates in den Meinungsbildungsprozess eingebunden.107 Eine weitere Forderung der Bundes­ regierung war es, Deutsch als Amtssprache des EAD aufzunehmen.108

III. Zielvorstellungen für eine gemeinsame Diplomatie Ohne Zweifel hat die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten u. a. dazu geführt, dass die ministeriellen Fachressorts auf europäischer Ebene einen intensiven Informationsaustausch pflegen. Gleichwohl ist die klassische Diplomatie nach Ansicht der Mitgliedstaaten durch diese Verschiebung nicht etwa entbehrlich geworden, weil sich die zu behandelnde Bandbreite politischer Fragen durch die fortschreitende Zusammenarbeit stetig vergrößert habe und eine institutionell verstetigte Grundlage erfordere.109 Nach dem Willen der Mitgliedstaaten sollte der Verfassungsvertrag der Verwirklichung der von der Erklärung von Laeken proklamierten Ziele („mehr Demokra-

104

Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 1203. 105 Hierzu die Pressemitteilungen des Bundestages, heute im bundestag, Nr. 283/2009 vom 25.11.2009 und Nr. 077/2010 vom 16.3.2010: Wörtlich ist hierin von einem „28. diploma­ tischen Dienst“ die Rede. Die Formulierung bezieht damit sich noch auf die Rechtslage vor dem Beitritt Kroations zur EU am 1.7.2013. 106 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Aus­ wärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/ J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 94. 107 Vgl. hierzu die Pressemitteilung des Bundestages, heute im bundestag, Nr. 003/2010 vom 8.1.2010. 108 Vgl. Pressemitteilung des Bundestages, heute im bundestag, Nr. 283/2009 vom 25.11. 2009: Rede des Staatsministers im Auswärtigen Amt Werner Hoyer (FDP) vor dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 5/2010, Juni 2010, S. 6; hierzu auch 5. Teil F. 109 Michael Koch, Wozu noch Diplomaten? in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 347; Hans-Peter Schiff, Ein mo­ derner Auswärtiger Dienst, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 339 f.

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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tie, Transparenz und Effizienz“110) dienen. Die hiermit verbundenen Erwartungen an einen Außenminister der Union und den Präsidenten des Europäischen Rates, aber auch an die der Union und ihre Aufgaben in einer globalisierten, aber politisch und wirtschaftlich zersplitterten Welt waren mit Blick auf die außenpolitische Sichtbarkeit der Union als solche – rückblickend betrachtet – zu hoch.111 Die durch den Lissabon-Vertrag letztlich umgesetzten Ziele sind zwar bescheidener als noch vom Verfassungsvertrag formuliert, sehen sich allerdings gerade aufgrund dessen Scheiterns einer gesteigerten Erwartungshaltung ausgesetzt.112 An diesen zugegebenermaßen immer noch hohen Maßstäben und Zielen wird sich der EAD messen lassen müssen. Vom dem ihm vorstehenden Hohen Ver­treter für Außen- und Sicherheitspolitik wird erwartet, Europa zu der viel beschworenen (einen) Stimme zu verhelfen113 bzw. durch die Einrichtung seines Amtes einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Artikulierung einer einheitlichen Position voranzubringen. Die Beantwortung der Fragen, inwieweit der EAD diese Erwartungen erfüllen kann, ob gar die von Kissinger vor über 30 Jahren gestellte Frage nach der europäischen Telefonnummer nunmehr beantwortet ist114 oder wo die institutionelle Neuordnung durch den Vertrag von Lissabon strukturelle Schwachstellen in Bezug auf eine einheitliche Vertretung der Union bewirkt hat, soll nach 110

Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union, Anhang I zu den Schluss­ folgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat am 15.12.2001, Abschnitt II. 111 Graham Avery, Towards a European Foreign Service: conclusions and recommendations, in: The EU Foreign Service: how to build a more effective common policy, EPC Working Paper No. 28, November 2007, S. 75; Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 86; hieran lediglich Zweifel hegend: Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 37 f. 112 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 85 f.; Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 421. Insofern erscheint es nicht fernliegend, die Überlegungen von Hill zu einer „capability-expectations-gap“ für diese Fallkonstellation zu aktivieren, vgl. Christopher Hill, The Capability-Expectations Gap, or Conceptualising Europe’s International Role, in: Journal of Common Market Studies 1993, S. 305 ff. 113 Daniela Schröder, Eine neue Nummer für Europa, in: Das Parlament, Nr. 18–19/2008, S. 11. 114 So: Jürgen Meyer, Europa wird ein Staatenbund sein, in: ZRP 2003, S. 106; offenbar auch: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 256; Daniela Schröder, Eine neue Nummer für Europa, in: Das Parlament, Nr. 18–19/2008, S. 11; Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 92 f.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

der Skizzierung der wesentlichen Etappen des Aufbaus des EAD das Ziel des folgenden Abschnitts sein.

IV. Etappen des Aufbaus Formell wurden die Vorarbeiten zur Errichtung des EAD gemäß der Erklärung Nr. 24 zu Art. III-296 Abs. 3 EVV durch die Unterzeichnung des Vertrages über eine Verfassung für Europa am 29. Oktober 2004 eingeleitet.115 Die zu Art. 27 EUV abgegebene Erklärung wiederholt die Aufforderung zur Aufnahme der Vorarbeiten für den EAD durch den Generalsekretär des Rates, den Hohen Vertreter für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Kommission und die Mitgliedstaaten mit dem Moment der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon. Aufgrund der teils langwierigen Ratifikationsverfahren in den Mitgliedstaaten konnte bis zum Inkrafttreten des Vertrags am 1. Dezember 2009 hinsichtlich des Aufbaus des EAD lediglich ein Konsens über grundlegende Leitlinien erarbeitet werden.116 Der ursprüngliche Zeitplan sah vor, dass der EAD seine Arbeit im November 2006, dem Zeitpunkt des zunächst ins Auge gefassten Termins des Inkrafttretens des Verfassungsvertrags, aufnehmen sollte.117 Mit dem durch die beiden ablehnenden Referenden in Frankreich und in den Niederlanden im Mai und Juni 2005 bedingten endgültigen Scheitern des Verfassungsvertrags im Ratifizierungsprozess und der darauf folgenden zweijährigen „Reflexionsphase“118 rückte die Schaffung des Amtes eines „Außenministers der Union“, wie es im Text des Verfassungsvertrags in Art. I-28 EVV noch hieß,119 sowie die eines seine Arbeit unterstützenden

115 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 4. 116 Julia Lieb/Andreas Maurer, Der Europäische Auswärtige Dienst – Notwendige Vorarbeiten gegen ein böses Erwachen, SWP-Aktuell 35, Mai 2008, S. 2 f. Zu den 2004 bis 2005 geleisteten Vorarbeiten vgl. auch die Zusammenstellung bei: Julia Lieb/Andreas Maurer, Making EU Foreign Policy more effective, consistent and democratic, The options and variables for the European External Action Service, SWP-Working Paper der Forschungsgruppe „EU-Integration“, Juli 2007, S. 5 ff. 117 Committee on Constitutional Affairs, No progress in debate on European diplomatic service, in: News report of the European Parliament, 17.03.2005, http://www.europarl.europa.eu, „Press archives“, „News report/Direct info“ (letzter Abruf: 29.5.2013). 118 Vgl. hierzu bereits 4. Teil C. 119 Der Begriff des „Außenministers“ ist mit dem Reformvertrag ebenso aus dem Vertragstext verschwunden wie andere, eine Staatseigenschaft suggerierende Begriffe wie zunächst einmal der der „Verfassung“ selbst; hierzu Tanchevs pointiert-kritische Bewertung der Reaktionen auf die ablehnenden Referenden zum Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden: „Since the constitution phraseology has been blamed an obstacle to ratification and all references to the treaty as a written constitution have been taken out […] it seems that we are back on the international sui generis treaty track and in the unwritten constitution train of aca-

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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EAD zunächst in weite Ferne.120 Als sicher galt bis zu diesem Zeitpunkt lediglich, dass der EAD überhaupt aufgebaut werden, dass er sich aus Beamten der Kommission, des Rates und aus den mitgliedstaatlichen diplomatischen Diensten zusammensetzen und dass er die Außenpolitik auf europäischer Ebene vollkommen neu gestalten sollte.121 Weitere Bestrebungen zur Realisierung dieser nur in groben Zügen festgelegten Ziele wurden erst einmal ausgesetzt.122 An der Richtigkeit der Aussage eines Sprechers des Rates „There is a long list of questions and no answers yet“123 war daher lange Zeit nicht viel verloren gegangen.124 Was die weitere Zukunft des Reformvorhabens anbetraf, schien auch bei den optimistischsten Europapolitikern Ernüchterung eingetreten zu sein.125 Als Ausweg aus dem Dilemma wurde mit Blick auf weitere Vertragsrevisionen aus strategischen Gründen erwogen, statt eines „großen Wurfs“ ein Bündel einzelner Maßnahmen zu treffen, das den Reformstau abmildern und vor allem der GASP insgesamt zu größeren Handlungsspielräumen verhelfen sollte. Inhaltlich wurde angedacht, die dem Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheits­politik unterstehende Policy Unit, von Javier Solana im Zuge des Inkrafttretens des Amsterdamer Vertrags im Jahre 1999 eingerichtet und zur Analyse außenpolitischer Vorgänge sowie zu Strategieentwicklung eingesetzt, personell aufzustocken und die Zusammenarbeit mit den relevanten Kommissionsdienststellen zu intensi­ vieren.126 Ziel dieser Idee war es, ein einheitlicheres Auftreten der Mitgliedstaaten demic thought.“ Vgl. Evgeni Tanchev, The Lisbon treaty within and without Constitutional Orthodoxy, in: I. Pernice/E. Tanchev (Hrsg.), Ceci n’est pas une Constitution – Constitutionalism without a Constitution?, Baden-Baden 2009, S. 22. 120 Elfriede Regelsberger, Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik, in: Institut für Europäische Politik, W. Weidenfeld/W. Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2005, S. 241; Duke stellte in diesem Zusammenhang fest, dass das Schicksal des EAD auf das Engste mit dem des Außenministers [jetzt: Hohen Vertreters] verknüpft ist, vgl. Simon Duke, The Constitutional Debacle and External Relations, in: Eipascope 2/2005, S. 16. 121 Annette Heuser, Diplomaten für Europa – Eckpunkte zur Gestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Reform-Spotlight 2/2005, S. 3. 122 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 199; Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungs­ vertrag, Berlin 2007, S. 95; Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 251. 123 Tim King, Council and Commission ready for diplomat battle, in: European Voice, Vol. 10, Nr. 42 vom 2.2.2004, vgl. http://www.europeanvoice.com/article/imported/council-and-com mission-ready-for-diplomat-battle/51229.aspx (letzter Abruf: 29.5.2013). 124 Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungsvertrag, Berlin 2007, S. 97. 125 Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 500; Dieter Kugelmann, „Kerneuropa“ und der EU-Außenminister – die verstärkte Zusammenarbeit in der GASP, in: EuR 2004, S. 322. 126 Elfriede Regelsberger, Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik, in: Institut für Europäische Politik, W. Weidenfeld/W. Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2005, S. 248.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

gegenüber Drittstaaten zu gewährleisten. Als Alternative wurde die Forcierung des Modells eines „Kerneuropas“ angeregt, das als „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ – ähnlich dem Konzept der Eurozone oder des Schengenraums – einen ausgewählten Kreis europäischer Mitgliedstaaten an einer intensivierten gemeinsamen Außenpolitik hätte teilnehmen lassen.127 Im Ergebnis vermochte sich keine der beiden Ideen durchzusetzen. Vielmehr konnte zum Abschluss der Regierungskonferenz 2007128 eine Einigung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Form und des Inhalts des Ende 2009 in Kraft getretenen Reformvertrags erzielt werden. Der Aufbau des EAD verlief in der Folgezeit wiederum schleppend: Nur einige grundlegende Weichenstellungen für den EAD konnten während der slowenischen Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte des Jahres 2008 getroffen werden.129 Beispielsweise wurde die organisatorische Trennung des EAD von Kommission und Rat festgelegt.130 Auch hinsichtlich des Zuschnitts der Zentralverwaltung des EAD, dessen organisatorischem Aufbau und der Beschäftigung entsandter nationaler Diplomaten konnten in der Debatte erste Eckpfeiler eingeschlagen werden.131 Im Juni 2008 wurden die Arbeiten am Aufbau des EAD wegen des ablehnenden Referendums Irlands über die Ratifikation des Vertrags von Lissabon allerdings erneut ausgesetzt.132 Der im Oktober 2009 an den Europäischen Rat gerichtete Bericht der schwedischen Ratspräsidentschaft über den EAD133 fasste die bis dahin erbrachten Vorarbeiten zum EAD zusammen; er enthielt zudem wegweisende Richtlinien sowie

127 Nachweise zu „Kerneuropa“ und vergleichbaren anderen Modellen bei: Dieter Kugelmann, „Kerneuropa“ und der EU-Außenminister – die verstärkte Zusammenarbeit in der GASP, in: EuR 2004, S. 324; Hänsch bezeichnet diese Vorschläge hingegen als „intellektuelle Nebelkerzen“, vgl. Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 501. 128 Die Regierungskonferenz 2007 wurde durch Beschluss des Europäischen Rates vom 21./22.6.2007 einberufen und am 23.7.2007 eröffnet. Ihre Arbeit beendete sie am 18.10.2007. Zum Mandat vgl. das Dokument des Rates der Europäischen Union 11218/07 vom 26.6.2007; zu den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Brüssel vom 21./22.6.2007 vgl. das Dokument des Rates der Europäischen Union Nr. 11177/07 REV 1 vom 20.7.2007. 129 Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 2. 130 Vgl. Sachstandsbericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat – Vorbereitungsarbeiten im Hinblick auf das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, Dok. 10650/08 vom 13. Juni 2008, Nr. 12. 131 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 252. 132 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 252. 133 Rat der Europäischen Union, Bericht der Präsidentschaft an den Europäischen Rat über den Europäischen Auswärtigen Dienst, Dok. 14930/09 vom 23.10.2009. Zu den einzelnen Vorschlägen, vgl. auch Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 244 ff.

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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einen in drei Phasen134 unterteilten „Fahrplan“ für den mit der Vorbereitung eines Entwurfs des EAD-Beschlusses betrauten Hohen Vertreter.135 Diese unter schwedischer Präsidentschaft formulierten Leitlinien zur Schaffung des EAD brachten den entscheidenden Fortschritt in den Verhandlungen, da sie aus intensiven Diskus­ sionen unter den Mitgliedstaaten hervorgegangen waren und sich verhältnismäßig breiter Akzeptanz erfreuten. Der hierin gefundene vorläufige Konsens wurde vom Europäischen Rat noch im selben Monat gebilligt136 und mit der Aufforderung an den Hohen Vertreter versehen, möglichst zügig nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (bis spätestens April 2010) einen konkreten Entwurf zur Organisation und der Arbeitsweise des EAD vorzulegen.137 Ungeachtet des Schicksals, das der Verfassungsvertrag erlitten hatte, bedeuteten bereits die darin vorgesehenen Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union und insbesondere zum EAD für sich genommen einen Meilenstein im Prozess der Institutionalisierung der Außenvertretung der EU. Mit Blick auf die Regelungen zur Außenvertretung lässt sich rückblickend sagen, dass sich die für den Verfassungsvertrag gefundenen Regelungen letztlich durchgesetzt haben. Belegt wird dies dadurch, dass sie vom Reformvertrag in Gänze und fast wortgleich übernommen wurden, einzig mit dem sprachlichen Unterschied, dass auf die Verwendung des Begriffs „Außenminister“138 und alle anderen eigene Staatlichkeit

134

Die Idee eines solchen „Drei-Phasen-Plans“ existierte bereits zu Zeiten des Verfassungsvertragsentwurfs, vgl. dazu Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 106 f.; Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Euro­ päische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 6. 135 Bericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat über den Europäischen Auswärtigen Dienst, Dok. 14930/09 vom 23.10.2009 (S. 10). Diese Verfahrensweise wurde insbesondere von Vertretern des Europäischen Parlamentes mit der Begründung kritisiert, es sei verwerflich, die Leitlinien der Annahme durch das Organ zu unterwerfen, das letztlich auch den endgültigen Beschluss fasse. Zu detaillierter Kritik vgl. Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 3. 136 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 29./30.10.2009, Dok. 15265/09, Nr. 3; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 246. 137 Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 29./30.10.2009, Dok. 15265/09, Nr. 3. 138 Während einige Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und die Niederlande, auf diese sprachliche Modifikation drangen (vgl. Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 131), in der einige Autoren nur einen Wechsel des „Labels“, nicht jedoch des Inhalts sehen (so: Graham Avery, Towards a European Foreign Service: conclusions and recommendations, in: The EU Foreign Service: how to build a more effective common policy, EPC Working Paper No. 28, Novem-

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

suggerierende Begriffe verzichtet wurde. Alle bis dato zu den Regelungen des Verfassungsvertrags vorliegenden Arbeiten und Dokumente haben daher auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon grundsätzlich ihre Bedeutung und ihre Berechtigung behalten, weshalb auch sie im weiteren Gang der Darstellung von Fall zu Fall herangezogen werden. Die Hoffnung der EAD-Befürworter, der Dienst stünde schon im Zeitpunkt des Amtsantritts des Hohen Vertreters für Sicherheits- und Außenpolitik einsatz­ bereit zur Verfügung, hat sich jedoch nicht verwirklicht. Die informelle Nominierung Ashtons durch die europäischen Staats- und Regierungschefs, wie im Übrigen auch die des ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, erfolgte am 19. November 2009.139 Der Europäische Rat ernannte Ashton mit der nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 EUV erforderlichen qualifizierten Mehrheit und mit Zustimmung der Kommission am Tag des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon, am 1. Dezember 2009, zur Hohen Vertreterin. Gemäß der Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrags von Lissabon140 führte sie das Amt zunächst nur bis zum Ende der Amtszeit der Barroso-I-Kommission. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments zur darauffolgend eingesetzten Barroso-II-Kommission, deren Mitglied der Hohe Vertreter ist, erfolgte am 9. Februar 2010. Ein umsetzbares Konzept für den ihre Arbeit als Hohe Vertreterin unterstützenden EAD stand zu diesem Zeitpunkt jedoch immer noch nicht zur Verfügung. So viel Einigkeit unter den am Aufbau eines EAD beteiligten Akteuren über die Idee an sich bestand, so viel Uneinigkeit herrschte indes über dessen konkrete Ausgestaltung. Da es für die Einrichtung des EAD auf europäischer Ebene bislang keine konkreten Vorbilder gab,141 verwundert es nicht, dass der EAD bereits im Verfassungsvertrag nur in äußerst groben Zügen konturiert war.142 Ein grundlegendes Manko im Konzept zur Etablierung des EAD lag sicherlich von Beginn an darin, dass keine zentrale Koordinierungsstelle für dessen Aufbau bestimmt

ber 2007, S. 75), betrachten sie andere als echten Rückschritt im europäischen Integrationsprozess. Hänsch sieht hierin „(…) mehr als nur Vertragskosmetik zur Weichzeichnung des ‚Verfassungs-Profils‘“, vgl. Klaus Hänsch, Ende gut – alles gut? Anmerkungen zum Reformvertrag, in: integration 2007, S. 500; vgl. auch Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 3; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 173. 139 Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 245; Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market ­Studies 2010, S. 55. 140 Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrags von Lissabon, ABl.EU 2008, Nr. C 115 S. 338 vom 9.5.2008. 141 Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Meinung 2/2010, S. 11. 142 Vgl. hierzu Art. III-296 Abs. 3 EVV.

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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wurde.143 Insoweit konnte auch der dem Rat im Juni 2005 als Sachstandsmitteilung vorgelegte sog. „Solana-Barroso-Bericht“144 nur kurzfristig als „Masterplan“145 bzw. als „Fahrplan“ dienen. Er reichte nämlich die Streitfrage, wie und wo sich der EAD in das institutionelle Gefüge der Union eingliedern soll, an die Mitgliedstaaten weiter.146 Seit der mit Wirkung ab 1. Dezember 2009 umgesetzten Reform des Primärrechts bildet Art. 27 Abs. 3 EUV die für den EAD zentrale Grundlage. Abgesehen von den noch zu erläuternden Bestimmungen zu Aufgabe und Zusammensetzung des EAD (Sätze 1 und 2)147 enthält sich das Primärrecht detaillierteren Festlegungen zum EAD mit dem Hinweis darauf, dass „(…) die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (…) durch einen Beschluss des Rates festgelegt (…) [werden].“

Diese in Abs. 3 S. 3 der Vorschrift enthaltene Festlegung wird durch den darauf folgenden Satz ergänzt, der für den Aufbau des EAD ein spezielles Rechtssetzungsverfahren vorsieht.148 Nach diesem bedarf der Ratsbeschluss der Zustimmung der Kommission sowie der Anhörung des Europäischen Parlaments. Während das Zustimmungserfordernis vor allem an die Außenvertretungsbefugnis der Kommission (Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV) und ihre Zuständigkeiten für das auswärtige Handeln der Union nach Art. 205 ff. AEUV sowie an die Tatsache anknüpft, dass sie bestehende Infrastrukturen in den EAD einspeisen sollte, grün 143 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 6. Eine solche zentrale Koordinierungsstelle hätte sich aus Vertretern der Kommission, des Generalsekretariats des Rates, des Europäischen Parlaments, der Mitgliedstaaten sowie aus Wissenschaftlern zusammen setzen können (vgl. Julia Lieb/Andreas Maurer, Making EU Foreign Policy more effective, consistent and democratic, The options and variables for the European External Action Service, SWP-Working Paper der Forschungsgruppe „EU-Integration“, Juli 2007, S. 13). Ob eine solche Vorgehensweise die mittels Quadrilog geführten Nachverhandlungen über den EAD (hierzu sogleich) hätte verhindern können, kann im Nachhinein nicht gesagt werden. 144 Rat der Europäischen Union, Europäischer Auswärtiger Dienst, Gemeinsamer Sachstandsbericht des Generalsekretärs/Hohen Vertreters und der Kommission für den Europäischen Rat, Dok. 9956/05 vom 9. Juni 2005. Dem Bericht liegt ein gemeinsames Diskussionspapier Solanas und Barrosos vom März 2005 zu Grunde, das im Anhang II des Gemeinsamen Sachstandsberichts vom 9.6.2005 enthalten ist. 145 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 6. 146 Daniela Schröder, Eine neue Nummer für Europa, in: Das Parlament, Nr. 18–19/2008, S. 11; Stellungnahme des Bundestages: Pressemitteilung heute im bundestag Nr. 283 vom 25.11.2009. Beispielhaft für die in Deutschland geführte Debatte ist die Antwort der Bundes­ regierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion zum Stand der Verhandlungen über den EAD (Drs. 16/9174), Drs. 16/9316 vom 27. Mai 2008. 147 Hierzu in diesem Teil unter E. und G. 148 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 17, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL): „Rechtssetzungsverfahren sui generis“.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

det das Anhörungserfordernis vor allem auf den Haushaltsbefugnissen des Europäischen Parlaments (Art. 41 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 EUV; Art. 310 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV und Art. 314 AEUV).149 Im Gegensatz zur Anhörung nach Art. 36 EUV, die in der Regel nachträglich erfolgt, musste die Anhörung des Parlaments für die Errichtung des EAD nach Art. 27 Abs. 3 S. 4 EUV zwingend dem Beschluss des Rates150 vorgeschaltet sein. Einen Entwurf des Beschlusses nach Art. 27 Abs. 3 EUV,151 bestehend aus zwölf Artikeln, legte die Hohe Vertreterin dem Rat am 25. März 2010 vor. Inhaltlich entsprach er im Wesentlichen den zuvor von der schwedischen Präsidentschaft dem Europäischen Rat im Oktober 2010 unterbreiteten Leitlinien.152 Der AshtonEntwurf erhielt bei dem Treffen der Außenminister am 26. April 2010 in Luxemburg breite Zustimmung;153 einzig das Europäische Parlament meldete Bedenken an einigen in dem Entwurf enthaltenen Festlegungen an.154 Das am Zustandekommen des Beschlusses nur im Wege der ­Stellungnahme beteiligte Europäische Parlament verweigerte den im ordentlichen Gesetz­ gebungsverfahren zu beschließenden flankierenden Maßnahmen, Änderungen der Haushaltsordnung und des Beamtenstatuts, im Juni 2010 sodann seine Zustimmung und verkündete, beide Rechtsakte nur im Paket155 verhandeln zu

149 Zu den Haushaltsbefugnissen des Europäischen Parlaments im Sinne des Art. 41 EUV: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 199 f. 150 Zur Frage des für den EAD-Beschluss erforderlichen Abstimmungsquorums: Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 19, in: E. Grabitz/M. Hilf/ M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 151 Entwurf eines Beschlusses des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Ratsdok. 8029/10 vom 25.3.2010. Er wurde von der durch Ashton eingesetzten sog. „High Level Group“ erarbeitet, die aus Vertretern des Rates, der Kommission und mitgliedstaatlichen Vertretern bestand, vgl. Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 4; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 479; kritische Würdigung der „High Level Group“ bei: Finn Maigaard, What will come of Lady Ashton’s EEAS blueprint?, Foreign Policy Association vom 18.4.2010, verfügbar unter: http://foreignpolicyblogs.com/2010/04/18/ what-will-come-of-lady-ashton%E2 %80 %99s-eeas-blueprint/ (letzter Aufruf: 29.5.2013). 152 Zu den Einzelheiten dieses Entwurfs: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 247 ff. 153 Rat der Außenminister, Dok. 8979/10, Pressemitteilung vom 26. April 2010. 154 Zu den Bedenken der Parlamentarier: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 250 f. 155 Pressemitteilung des Europäischen Parlaments, EU foreign service: EP links budget ­approval to agreement on EEAS organization vom 16.4.2010; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 202; Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 193.

B. Der Europäische Auswärtige Dienst: Von der Idee zur Verwirklichung 

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wollen.156 Anstoß fand bei den EU-Parlamentariern insbesondere der Vorschlag, den EAD mit einem eigenen, von der Kontrolle des Parlaments entkoppelten Budget auszustatten. Das Europäische Parlament favorisierte hingegen zunächst den Vorschlag, den EAD der Kommission zu unterstellen, um auf diese Weise einen weiteren Schritt im europäischen Integrationsprozess zu gehen und der Zielvorgabe einer „immer engeren Union der Völker Europas“ (Art. 1 UAbs. 2 EUV) näher zu kommen.157 Letztlich beendeten simultan geführte Nachverhandlungen zwischen dem Rat, der Kommission, dem Parlament und der Hohen Vertreterin (sog. Quadrilog158) den Konflikt und führten innerhalb weniger Wochen zur Annahme des über­ arbeiteten Entwurfs durch das Parlament am 8. Juli 2010.159 Der endgültige – einstimmige – Beschluss des Rates, wichtigste Etappe auf dem Weg zu einem voll funktionsfähigen EAD, konnte am 26. Juli 2010 gefasst werden.160 Diesem als Anhänge beigefügt wurden die Erklärung zur politischen Rechenschaftspflicht161 und der Entwurf einer Erklärung über die grundlegende Organisation der Zentral­ verwaltung des EAD.162 156 Der Sache nach verwandelte das Europäische Parlament die eigentlich vorgesehene Anhörung in eine veritable Mitentscheidung, vgl. Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus MeyerLandrut, Art. 27 EUV Rn. 17, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 157 Siehe schon Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2009 zu den institutionellen Aspekten der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2009/2133(INI)), ABl.EU 2010, Nr. C 265 E S. 9 ff. vom 30.9.2010. 158 Nach den Beschlüssen des Europäischen Rates von Lissabon Ende 2007 sollten die Vorbereitungsarbeiten für den Europäischen Auswärtigen Dienst lediglich durch den Rat, den Hohen Vertreter und die Kommission, also einen „Trialog“ erfolgen. Zur Wortschöpfung des „Quadrilogs“ vgl. Erklärung der Berichterstatter Elmar Brok, Guy Verhofstadt und Roberto Gualterini, Statement on the political agreement reached in the Quadrilogue today on the establishment of the EEAS vom 22. Juni 2010. Sogar von einem „Pentalog“ sprechen: Christophe Hillion/ Maxime Lefebvre, Le service européen pour l’action extérieure: vers une diplomatie commune?, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 169, vom 17. Mai 2010, S. 5. 159 Zur besonderen Rolle der Wahl eines simultanen Verhandlungsführung (statt eines konsekutiven Beschlussverfahrens): Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 7. 160 Ratsbeschluss 2010/427/EU vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes, ABl.EU 2010, Nr. L 201 S. 30 ff. vom 3.8.2010, im Folgenden „EAD-Beschluss“ genannt. 161 Vgl. „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 162 Vgl. Grundzüge der von der Hohen Vertreterin im Plenum des Europäischen Parlaments abgegebenen Erklärung über den grundsätzlichen Aufbau der Zentralverwaltung des EAD, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Mit dem Beschluss billigte der Rat in seiner Besetzung als Rat für Allgemeine Angelegenheiten nicht nur die durch das Europäische Parlament herbeigeführten Änderungen zum Beamtenstatut und zur Haushaltsordnung, sondern auch die Rechtsgrundlagen für den EAD insgesamt und verlieh den vagen Vertragsbestimmungen dadurch präzisere Konturen.163 Die Zustimmung des Europäischen Parlaments war nurmehr eine Formsache,164 sodass der EAD ein Jahr nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2010 offiziell seine Arbeit aufnehmen konnte.165 Kaum auf den Weg gebracht, bereitete dem EAD das Scheitern der Verhandlungen über den Haushalt für das Jahr 2011 erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten. Die planmäßige Arbeitsaufnahme war hierdurch allerdings nicht gefährdet, da zumindest für das Jahr 2010 bereits entsprechende Mittel in den Haushalt eingestellt worden waren. So konnten bereits Ende Oktober 2010 erste Personalentscheidungen getroffen werden.166 Als ersten Geschäftsführenden General­sekretär berief die Hohe Vertreterin den Franzosen Pierre Vimont. Ihm zur Seite gestellt wurde ein Stellvertretender Generalsekretär für interinstitutionelle Fragen (Maciej Popowski, Polen) und eine Stellvertretende Generalsekretärin für politische Fragen (Helga Schmid, Deutschland).167 In die operative Verwaltungsleitung des EAD berufen wurde der Ire David O’Sullivan. Als Vorsitzender des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees wurde der Schwede Olof Skoog benannt.168

163

Zu den einzelnen Artikeln des Beschlusses in diesem Teil unter D. Das Europäische Parlament stimmte auf der Grundlage des Berichts des deutschen Abgeordneten Brok ab, vgl. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (08029/2010 – C7–00902010 – 2010/0816(NLE)). Abstimmungsergebnis: 549 Stimmen für die Annahme, 78 gegen die Annahme und 17 Enthaltungen. 165 Marianne Truttmann, Der Auswärtige Dienst ist startbereit, in: NZZ vom 9.7.2010, verfügbar unter: http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/der_auswaertige_dienst_ der_eu_ist_startbereit_1.6492922.html (letzter Abruf: 29.5.2013). Zum Arbeitsbeginn des EAD auch: Erklärung des Chief Operating Officers, David O’Sullivan, Setting up the EEAS vom 14.1.2011. 166 Zugrunde gelegt wurde hierbei das „französische Modell“ mit der Besetzung durch Generalsekretäre, vgl. Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 204. 167 Die Ernennungen erfolgten am/zum 29.10.2010. 168 Zur – teilweise umstrittenen – Ernennung der EU-Delegationsleiter vgl. Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 221, 223. 164

C. Rechtsgrundlagen

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C. Rechtsgrundlagen Bereits der Verfassungsvertrag gab dem EAD mit Art. III-296 Abs. 3 EVV die notwendige Rechtsgrundlage. Er lautete: „Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Außenminister der Union auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst. Dieser Dienst arbeitet mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammen (…).“

Das Projekt, einen einheitlichen auswärtigen Dienst für die Union zu schaffen, galt nach dem Scheitern des Verfassungsvertrags als eines der wenigen Vorhaben, deren Realisierung auch ohne Änderung der Verträge etwa durch eine interinstitutionelle Vereinbarung169 „als pragmatischer Zwischenschritt“170 hätte gesondert weiterverfolgt werden können.171 Diese Überlegungen mussten letzten Endes gar nicht bemüht werden, konnte doch die durch den Vertrag von Lissabon zur Regelung des EAD ins Primärrecht eingefügte Bestimmung des Art. 27 Abs. 3 EUV die 169

Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 25; Laura Rayner, The EU Foreign Ministry and Union Embassies, in: Foreign Policy Centre (Hrsg.), Foreign Policy Centre Publications, London 2005, S. 2 f.; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 525; kritisch zur Lösung über eine interinstiu­titonelle Vereinbarung: Jan Wouters/Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 15 f.; zum Hohen Vertreter und zum EAD: Georg Kristian Kampfer, Die Europäische Union auf dem Weg zu einem Bundesstaat? – Von der föderalen Struktur der Europäischen Union und der Europäisierung der Außenpolitik, Baden-Baden 2010, S. 273. 170 Daniel Thym, Weiche Konstitutionalisierung – Optionen der Umsetzung einzelner Reformschritte des Verfassungsvertrags ohne Vertragsänderung, in: integration 2005, S. 315. 171 Johann Schoo, Das neue institutionelle Gefüge der EU, in: EuR 2009, Beih. 1, S. 51. Duke bezeichnet diese Verfahrensweise zwar als „cherry picking“ (Rosinen picken) [ebenso: Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 26; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 525], befindet sie für diese Situation aber, anders als die Vorgenannten, insgesamt als legitim, vgl. Simon Duke, The Constitutional Debacle and External Relations, in: Eipascope 2/2005, S. 16. Zu dieser Option auch: Laura Rayner, The EU Foreign Ministry and Union Embassies, in: Foreign Policy Centre (Hrsg.), FPC Publications, London 2005, S. 2 ff. Zum EAD sowie zu weiteren vertragsunabhängigen Reformschritten: Daniel Thym, Weiche Konstitutionalisierung – Optionen der Umsetzung einzelner Reformschritte des Verfassungsvertrags ohne Vertragsänderung, in: integration 2005, S. 307 ff. (312, 314 f.); Christoph Heusgen, Nach den gescheiterten Referenden: Was wird aus dem Außenminister der Union und dem Europäischen Auswärtigen Dienst?, in: integration 2005, S. 338; Andreas Maurer, Nachsitzen, Sitzenbleiben oder Klassenverweis? – Realisierungsperspektiven für den Europäischen Verfassungsvertrag, SWP-Studie S 4, Februar 2006, S. 19 f.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Formulierung des Art. III-296 Abs. 3 EVV mit Ausnahme der sprachlichen Abwandlung „Hoher Vertreter“ statt „Außenminister der Union“ wortgleich übernehmen. Gemäß Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV setzt sich der EAD aus Beamten der einschlägigen Abteilungen des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie aus abgeordnetem Personal der nationalen diplomatischen Dienste zusammen. Zwar bildet Art. 27 Abs. 3 EUV die einzige primärrechtliche Bestimmung, die den EAD erwähnt. Sie isoliert zu betrachten, würde die Zusammenhänge des auswärtigen Handelns der Union ausblenden und dem gesamten Regelungsgeflecht damit dessen Wirkung berauben. Daher muss die Vorschrift im systematischen Zusammenhang mit den zuvor dargelegten172 übrigen Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union aus beiden Verträgen, insbesondere mit der für das Amt des Hohen Vertreters wesentlichen Bestimmung des Art. 18 EUV, gelesen werden. Auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 3 EUV ist, wie dargelegt, am 26. Juli 2010 der Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (im Folgenden: EAD-Beschluss) ergangen.173 Er sieht u. a. detaillierte Bestimmungen zur Rechtsnatur, den Aufgaben und dem Aufbau des EAD vor und füllt damit den sehr vage gehaltenen, lediglich auf eine Grundidee reduzierten Wortlaut des Vertrages mit Leben.174 Die Bezeichnung des Dienstes variiert in den Sprachfassungen des Vertrags. Während in der deutschen Fassung mit „Europäischer Auswärtiger Dienst“ ein an die Bezeichnung des Auswärtigen Dienstes als traditionelle Betitelung des deutschen diplomatischen Dienstes175 angelehnter Ausdruck gewählt wurde, weichen die französische („Service Européen pour l’Action Extérieure“) und englische („European External Action Service“) Fassung bewusst von den Bezeichnungen ihrer nationalen Außenministerien bzw. ihrer diplomatischen Dienste ab („Ministère des Affaires étrangères“ bzw. „Foreign and Commonwealth Office“). Dies kann einerseits der schlichten Vermeidung von Verwechselungen, andererseits aber auch dazu dienen, sprachlich zum Ausdruck zu bringen, dass es sich beim EAD gerade nicht um eine quasi-ministerielle Dienststelle handelt, der es zu seiner Vervollkommnung lediglich noch eines europäischen Außenministers als hierarchischer Spitze bedarf.176

172

Zur Systematik der Vorschriften über das auswärtige Handeln im 4. Teil C. Beschluss des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2010/427/EU), ABl.EU 2010, Nr. L 201 S. 30 ff. vom 3.8.2010, abgedruckt im Anhang (S. 340 ff.). 174 Zu den einzelnen Bestimmungen des Ratsbeschlusses in diesem Teil unter D. bis I. 175 Vgl. hierzu bereits 1. Teil C. I. und D. I. 176 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 16, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 173

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

225

Im Gegensatz zur deutschen Bezeichnung weisen beide genannten Sprach­ fassungen außerdem ein auf „Aktion“ hindeutendes Element auf, das wiederum als äußeres Zeichen für eine Tendenz zur „Verselbstständigung“ der GASP gedeutet werden könnte.177 Zu den rechtlichen Grundlagen des EAD zählt im weiteren Sinne schließlich auch die – nicht rechtsverbindliche – Erklärung der Hohen Vertreterin hinsichtlich ihrer politischen Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament.178 Deren zentralen Aussagen werden in der vorliegenden Arbeit an der thematisch jeweils einschlägigen Stelle eingeflochten.179

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes Die Integration des EAD in das bestehende institutionelle Gefüge der Union bildete eine der größten Herausforderungen und rief sowohl zwischen den Unionsorganen als auch zwischen den Mitgliedstaaten zahlreiche Kontroversen über die Organisation des Dienstes hervor. Bevor der Rechtsstatus des EAD einer Analyse unterzogen wird (unter II.), sollen zunächst einige Überlegungen zu dessen demokratischer Legitimation angestellt werden (unter I.).

I. Demokratische Legitimation Die EU hat sich seit Beginn des Integrationsprozesses demokratischen Grundsätzen verschrieben. In der Präambel des EU-Vertrags kommt der Wunsch, die „Demokratie (…) in der Arbeit der Organe weiter zu stärken“, explizit zum Ausdruck. Weitere Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze finden sich eigens in dem mit der Überschrift „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“ überschriebenen Titel II des EU-Vertrags. Art. 10 Abs. 1 EUV beispielsweise legt die Arbeitsweise der Union auf die Grundsätze der repräsentativen Demokratie fest. Von der Verpflichtung, die eigene Tätigkeit an demokratischen und transparenten Grundsätzen auszurichten, kann daher auch der EAD nicht befreit sein. Zwar ist er, wie festgestellt, kein eigenständiges, in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV aufgeführtes Organ der EU. Es liegt jedoch nur nahe, dass für Stellen, die nicht den 177 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 16, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 178 Vgl. hierzu im 4. Teil H. I. (a. E.); Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 480. 179 Siehe schon 4. Teil H. V. 2. b) und c).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Rang eines Unionsorgans haben, erst recht verlangt werden muss, dass sie bei der Ausübung ihrer Aufgaben und Kompetenzen über eine demokratische Legitimation verfügen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen.180 Von diesen Gedanken ausgehend, verwundert die Tatsache, dass in der wissenschaftlichen Literatur bislang allenfalls punktuell zu einer Analyse der demokratischen Legitimation des EAD Stellung genommen wird.181 Für die an die demokratische Legitimation gestellten Anforderungen ist regelmäßig entscheidend, von wem die Einrichtung eingesetzt wird, wer für sie handelt und welche Wirkungen ihre Tätigkeit entfalten, d. h. ob und inwieweit das Tätigwerden Rechtswirkungen nach außen zu setzen vermag.182 Die an die Legitimation zu stellenden Anforderungen korrelieren also mit der Intensität des (potentiellen) Eingriffs in Rechte Dritter. Aus diesem Befund darf jedoch nicht geschlossen werden, dass beispielsweise an jede nur vorbereitende oder technische Tätigkeit geringere Maßstäbe anzulegen seien, da auch solches Handeln im Einzelfall für die zeitlich folgende Entscheidung von so maßgeblicher Bedeutung sein können, dass sie sie quasi vorwegnehmen.183 Allein die hierarchische Gliederung des EAD, dessen „Ausrichtung“ am Amt des Hohen Vertreters oder bestehende Weisungsketten sprechen zumindest nicht von vornherein gegen eine Unabhängigkeit des Dienstes. Hierfür spricht auch die ihm durch Art. 1 Abs. 2 EAD-Beschluss eingeräumte „funktionelle Eigenständigkeit“, auf die noch näher einzugehen sein wird.184 Auch die Setzung von Rechtswirkungen außerhalb des internen Bereichs scheint per se nicht unmöglich. Immerhin ist die dem EAD zugestandene Rechts- und Geschäftsfähigkeit Indiz dafür, dass er, wenn ihm schon keine Letztentscheidungskompetenz in Fragen der Außenvertretung zukommt,185 überhaupt die Befugnis besitzt, Handlungen mit 180 Zur demokratischen Legitimation unabhängiger Behörden: Daniel Couzinet, Die Legitimation unabhängiger Behörden an der Schnittstelle von unionalem und nationalem Verfassungsrecht – Zur Zulässigkeit der unionsrechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Errichtung unabhängiger Behörden, in: A. Debus/F. Kruse/A. Peters/H. Schröder/O. Seifert/ C. Sicko/I. Stirn (Hrsg.), Verwaltungsrechtsraum Europa, Baden-Baden 2011, S. 213 ff. Zur Zuordnung des EAD in die sekundäre Organisationsschicht vgl. im Folgenden unter II. 2. 181 Hierzu: Draft Report on the institutional aspects of setting up a ‚European External Action Service‘ (2004/2207(INI), Committee on Constitutional Affairs, European Parliament, 22.2.2005, Berichterstatter: Elmar Brok. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive: Jozef Bátora, A Democratically Accountable European External Action Service: Three Scenarios, in: S. Vanhoonacker/H. Dijkstra/H. Maurer (Hrsg.), Understanding the Role of Bureaucracy in the European Security and Defense Policy, European Integration online Paper (EIoP) Nr. 14, 2010, verfügbar unter: http://eiop.or.at/eiop/index.php/eiop/article/view/2010_013a (letzter Abruf: 29.5.2013). 182 Georg Hermes, Legitimationsprobleme unabhängiger Behörden, in: H. Bauer/P. M. Huber/ K.-P. Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, Tübingen 2005, S. 474. 183 Georg Hermes, Legitimationsprobleme unabhängiger Behörden, in: H. Bauer/P. M. Huber/ K.-P. Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, Tübingen 2005, S. 474 f. 184 In diesem Teil unter D. II. 2. 185 Hierzu in diesem Teil unter E. I.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

227

Rechtswirkung herbeizuführen. Wie noch zu zeigen sein wird, obliegt dem EAD, den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seines Auftrags zu stützen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es hierbei auch zu Rechtsverletzungen außerhalb des Binnenbereichs kommen kann. Entsprechend der hybriden Zusammensetzung des EAD aus Mitarbeitern der Kommission, des Generalsekretariats des Rates und nationaler Diplomaten (sog. Drei-Quellen-Prinzip186) kann für die demokratische Legitimation des EAD auf drei verschiedene, sich ergänzende Legitimationsstränge zurückgegriffen werden. Der aus den Reihen der Kommission gespeiste Teil der EAD-Mitarbeiter ist mittelbar über das Europäische Parlament legitimiert, das durch die Unionsbürger als Legitimationssubjekte nach allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen Grundsätzen gewählt wird (Art. 14 Abs. 3 EUV) und nach Art. 17 Abs. 7 und 8 EUV die Kommission wählt. Der aus dem Rat der Europäischen Union rekrutierte Teil des EAD erfährt seine Legitimation mittelbar über die Mitgliedstaaten bzw. deren gewählte und in den Rat entsandten Regierungsvertreter, die wiederum aus den Wahlen zu den einzelstaatlichen Parlamenten hervorgehen.187 Unmittelbar über die Mitgliedstaaten legitimiert sind schließlich die in den EAD abgeordneten Diplomaten der Mitgliedstaaten als von diesen entsandte Regierungsvertreter. Der EAD unterliegt ferner als Ganzes der vollständigen Haushaltskontrolle durch das Europäische Parlament.188 Einer politischen Rechenschaftspflicht hat sich der EAD durch eine Erklärung189 ebenfalls gegenüber dem Europäischen Parlament verschrieben. Der EAD wurde durch Beschluss des Rates, also der darin vertretenen Mitgliedstaaten, sowie nach vorheriger Beteiligung der Kommission und des Europäischen Parlamentes eingesetzt. An seiner Gründung waren damit die Hauptrechtsetzungsorgane beteiligt, was den Dienst mit der höchstmöglichen demokratischen Legitimation und breiter Akzeptanz ausstatten dürfte.

186

In diesem Teil unter G. I. Für den Rat generell: Siegfried Magiera, Der europäische Verfassungskonvent und der Parlamentarismus, in: DÖV 2003, S. 582. 188 Vgl. hierzu in diesem Teil unter H. 189 Vgl. „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011 C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 187

228

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

II. Rechtlicher Status Die durch die Vertragsreform bedingte Offenheit hinsichtlich der konkreten Strukturen des EAD war ein Einfallstor für Kontroversen über sein letztendliche Gestaltung. Die Errichtung des EAD war aus diesem Grund von Beginn an ein sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch den Unionsorganen hart umkämpfter Reformteil. Allein die Frage der institutionellen Ein- und Zuordnung des diplomatischen Dienstes der Union sowie seines rechtlichen Status führte zu einem monatelangem intensiven „Hin- und Herverhandeln“ zwischen dem Rat bzw. den Mitgliedstaaten, dem Hohen Vertreter, der Kommission und dem Parlament.190 1. Optionen institutioneller Integration in das Organgefüge Bei den Verhandlungen über den EAD boten sich verschiedene Optionen insti­ tutioneller Anbindung an, die teilweise bestehende Organstrukturen mit einbezogen. Von der Entscheidung über die Stelle der institutionellen Verankerung des EAD zu trennen ist die Frage, welche bereits bestehenden Einheiten in den EAD überführt werden sollten.191 In ihrer Bandbreite reichten die Vorschläge über das „institutionelle Design“ des EAD von „Minimal-“ bis zu „Maximalversionen“192.193 Die wesentlichen seien an dieser Stelle in gebotener Kürze vorgestellt. Eine erste Option war der u. a. vom Europäischen Parlament und der Kommission favorisierte Vorschlag, die neue Institution „in organisatorischer, administrativer und budgetärer Hinsicht an die (…) Kommission“194 anzugliedern, um eine 190 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 38; zu den Etappen des Aufbaus siehe auch 5. Teil B. IV. 191 Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 197 f.; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 222. Zur Integration bestehender Einheiten in den EAD siehe in diesem Teil unter D. III. 1. und G. I. 192 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 519 f.; Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S. 212 ff.; Franziska Brandtner, Der Europäische Auswärtige Dienst – einen Schritt nach vorn, zwei zurück? Dokument verfügbar unter: http://www.boell.de/internationalepolitik/ aussensicherheit/aussen-sicherheit-europaeischer-auswaertiger-dienst-lissabon-vertrag-9008. html (letzter Abruf: 29.5.2013). 193 Wie für den EAD wurden im Verfassungskonvent auch für das Amt des Hohen Vertreters verschiedene Optionen der Umgestaltung diskutiert, vgl. Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 247 ff. 194 Vgl. Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2009 zu den institutionellen Aspekten der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2009/2133(INI)), ABl.EU 2010, Nr. C 265 E S. 12 vom 30.9.2010 (Nr. 7), Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Bildung 2/2010, S. 13.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

229

höchstmögliche Kontrolle über sie zu gewährleisten.195 Diese Option hätte den institutionellen wie budgetären Vorteil geboten, die bestehenden Auslandsvertretungen der Kommission schlicht in Delegationen der Union umwidmen zu können und hätte außerdem einer Stärkung der Gemeinschaftsmethode und des in Art. 1 UAbs. 2 EUV zum Ausdruck kommenden Anspruchs „einer immer engeren Union der Völker Europas“ entsprochen. Gegen diese Lösung sprach allerdings der ausdrückliche Wille der Mitgliedstaaten, Angelegenheiten der GASP vorrangig bzw. ausschließlich selbst zu entscheiden. Eine andere Option hätte darin bestanden, den EAD institutionell an den Rat bzw. dessen Generalsekretariat anzubinden.196 Für eine solche Integration des EAD in das Generalsekretariat des Rates plädierten neben dem Europäischen Rat und dem Rat selbst insbesondere Frankreich und Großbritannien.197 Dahinter standen Erwägungen der nationalen Interessenwahrung bzw. der Verhinderung eines Kontrollverlusts für die Mitgliedstaaten198 sowie die Befürchtung eines Rivalitätsverhältnisses zwischen EAD und den nationalen diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten.199 Für diese Option sprach grundsätzlich die Nähe der sachlich eng mit der GASP verbundenen Tätigkeit des EAD. Dagegen angeführt werden musste hingegen das Argument der Gefahr einer Re-Gouvernementalisierung, d. h. einer abermals verstärkten Rückbindung an die Mitgliedstaaten und einer damit ein­hergehenden Schwächung der Gemeinschaftsmethode und, in institutioneller Sicht, der Kommission.200 Eine doppelte Verankerung des EAD in Rat und Kommission hätte die primärrechtliche Stellung des Hohen Vertreters widergespiegelt, dem der Dienst unterstellt ist. In dieser Lösung wurde angesichts dienstrechtlicher Bedenken und Zweifeln darüber, ob der EAD dann überhaupt einen einheitlichen Dienst bilde, kein 195 Zu dieser „Kommissions-Option“: Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 196; Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 4 f.; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 224 f. 196 Zur „Rats-Option“: Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 5; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 223 f. 197 Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungsvertrag, Berlin 2007, S. 101; Julia Lieb/ Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 20. 198 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 5 f. 199 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 5. 200 Annette Heuser, Diplomaten für Europa – Eckpunkte zur Gestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Reform-Spotlight 2/2005, S. 2; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 203.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Mehrwert erblickt, weshalb diese Möglichkeit auch nicht als echte Option in die Verhandlung über die institutionelle Integration in das Organgefüge der EU eingebracht wurde.201 Eine letzte Möglichkeit bestand schließlich darin, den EAD, wie von der Bundes­regierung favorisiert, als unabhängige Institution202 bzw. als Agentur203 einzurichten. Diese Option wurde als Kompromisslösung vorgeschlagen.204 Sie vermag dem Dienst das Potential für eine größtmögliche Unabhängigkeit von den bestehenden Strukturen zu geben. Der Konzeption dieses Vorschlags entsprechend sollte der EAD einschlägige Abteilungen des Ratssekretariats umfassen. So z. B. den bereits als „EAD-Embryo“205 betitelten Politischen Stab, das als „Großhirn der EU“206 bezeichnete Lagezentrum, Teile der mit auswärtigen und militärpolitischen Angelegenheiten befassten Generaldirektion E sowie schließlich Einheiten der Kommission. Zwar wurde diesem Entwurf entgegengehalten, er erschwere die demokratische Legitimation des EAD und konterkariere das allseits erstrebte Ziel, mit dem Aufbau des EAD nicht für eine Verdopplung der Zuständigkeiten und Stellen zu sorgen. Betrachtet man die vorgebrachten Vorschläge und Argumente in ihrer Gesamtheit, wird deutlich, dass die Frage nach der institutionellen Einbindung des EAD regelrecht durch einen Wettbewerb der mit der Pflege auswärtiger Beziehungen befassten EU-Organe um politische Einflussnahme gekennzeichnet war.207

201

Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 225. So u. a. der Pressemitteilung des Bundestages, heute im bundestag Nr. 283 vom 25.11. 2009; Brok weist darauf hin, dass diese „intergouvernementale Methode“ die Begriffe „unabhängig“ bzw. „eigenständig“ und „sui generis“ gleichsetzt: Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Bildung 2/2010, S. 13. In diesem Sinne wird der Begriff auch von der Bundesregierung gebraucht, vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion zum Stand der Verhandlungen über den EAD, Drs. 16/9316 vom 27.5.2008. 203 So ein Vorschlag Polens im Oktober 2009, vgl. http://euobserver.com/18/28851 (letzter Abruf: 29.5.2013); Frederik von Harbou/Heike Baddenhausen, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU nach dem Vertrag von Lissabon, Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Nr. 11/08 vom 29.2.2008, S. 1. Er wurde in den Verhandlungen über den EAD jedoch nicht weiter verfolgt. 204 Die Lösung favorisierend auch der Solana-Barroso-Bericht, vgl. Dok. 9956/05 vom 9.6.2005. 205 Christoph Heusgen, Nach den gescheiterten Referenden: Was wird aus dem Außenminister der Union und dem Europäischen Auswärtigen Dienst?, in: integration 2005, S. 338; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 25. 206 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Die Europäische Außenpolitik: Genese, Entwicklungsstand und Perspektiven, in: E. Bos/J. Dieringer (Hrsg.), Die Genese einer Union der 27 – Die Europäische Union nach der Osterweiterung, Wiesbaden 2008, S. 274. 207 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 1. 202

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

231

Auch die in den Mitgliedstaaten geführte Debatte um die institutionelle Zuordnung des EAD und die rechtliche Ausgestaltung seiner Zuständigkeiten war oftmals weniger von einer die Zuständigkeiten ordnenden Systematik als vielmehr von einer diffusen „Kompetenzangst“208 gekennzeichnet, nach der „Brüssel“ quasi ungeachtet des Subsidiaritätsprinzips durch einen geschickten Griff in die „Kompetenz-Trickkiste“ für die Etablierung des EAD neue Zuständigkeiten generieren und so zu einer (weiteren) Aushöhlung nationalstaatlicher Kernkompetenzen führen könne. Schließlich bildete sich auch die Zivilgesellschaft eine Meinung zu den unterbreiteten Vorschlägen für die institutionelle Integration des EAD und veröffentlichte in der Folge ihre eigenen Vorstellungen noch während der Verhandlungsphase.209 Dem Bericht der Plattform der europäischen Nicht-Regierungsorganisationen European Peacebuilding Liaison Office (EPLO) zufolge sollte der EAD einen speziellen Fokus im Bereich der Friedenssicherung erhalten; seine Arbeit sollte für den Bürger transparent sein und Möglichkeiten für den Informationszugang bieten.210 Allen Bedenken zum Trotz intensivierten sich die zwischen den Organen der Union und den Mitgliedstaaten geführten Verhandlungen auf den Kompromiss­ vorschlag, den EAD als unabhängigen Dienst zwischen Rat und Kommission anzusiedeln. Seiner konkreten Ausgestaltung soll in den folgenden Abschnitten nachgegangen werden. 2. Rechtsstatus, Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit Mit der gewählten Lösung wurde der EAD keinem der bestehenden Organe zugeschlagen, sondern wurde genau „zwischen“ die von der Kommission betriebenen auswärtigen, supranationalen Unionspolitiken und die vom Rat getragene GASP platziert. Er unterliegt damit der Ressortkompetenz und der Organisationsgewalt des Hohen Vertreters.211 Formal betrachtet zählt er nicht zu den in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV aufgezählten Organen der Union.212 Der EAD stellt vielmehr ein Konstrukt eigener Art 208 Franz C. Mayer, Die Rückkehr der Europäischen Verfassung? – Ein Leitfaden zum Vertrag von Lissabon, in: ZaöRV 2007, S. 1163. 209 Zur Teilhabe gesellschaftlicher Akteure an der EU-Außenpolitik: Matthias Dembinski, Vom diplomatischen Club zum außenpolitischen Regieren in Netzwerken? Der Einfluss gesellschaftlicher Akteure auf die EU-Außenpolitik, in: M. Jopp/P. Schlotter (Hrsg.), Kollektive Außenpolitik – Die Europäische Union als internationaler Akteur, Baden-Baden 2007, S. 91 ff. 210 EPLO letter „Towards a Peacebuilding Strategy for the European External Action Service“ vom 14.2.2010; Dokument verfügbar unter: http://www.eplo.org/assets/files/2.%20Activities/ Working%20Groups/EEAS/EPLO_EEAS_WG_Statement_Towards_a_Peacebuilding_Strategy _for_the_European_External_Action_Service.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 211 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 190. 212 So im Ergebnis auch: Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 487.

232

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

dar und nimmt damit im Institutionengefüge der EU eine Sonderstellung ein.213 Die in die Verhandlungen eingebrachte Charakterisierung als Einrichtung sui generis214 fand im Beschluss über den EAD letztlich keinen nachhaltigen sprach­ lichen Widerhall. Die Bezeichnung „sui generis“ wird im EAD-Beschluss jedenfalls an keiner Stelle verwendet.215 Um dem autonomen Charakter des EAD dennoch Rechnung zu tragen, heißt es im EAD-Beschluss im ersten Erwägungsgrund wie auch in Art. 1 Abs. 2, erster Halbsatz: „Der EAD (…) ist eine funktional eigenständige Einrichtung der Europäischen Union, die vom Generalsekretariat des Rates und von der Kommission getrennt ist (…).“

Hiermit wird – entgegen der in den Verhandlungen geäußerten Vorstellung des Europäischen Parlamentes – die funktionale Eigenständigkeit des EAD begründet, die ihm jedoch keine politische Eigenständigkeit verleiht, sondern lediglich die organisatorische Trennung von Rat und Kommission kennzeichnet und den EAD daher in rechtlicher Sicht beispielsweise von den Generaldirektionen der Kommission unterscheidet.216 Der Begriff der „Einrichtung“ wird auch im Primärrecht an verschiedenen Stellen verwendet, z. B. in Art. 9 EUV oder Art. 263 UAbs. 1 S. 2 AEUV. Anders als der Begriff des Organs, der alle in Art. 13 Abs. 1 EUV genannten Institutionen der Union bezeichnet, die der primären Ebene der Organisationsstruktur der Union entsprechen, sagt der Begriff der Einrichtung an sich noch nichts über seine Einordnung in die Organisationsschichten der Union aus. Er kann unspezifisch für alle Institutionen verwendet werden, die nicht zu den Hauptorganen zählen.217

213

Die Annahme einer Sonderstellung des EAD wird beispielsweise durch die Tatsache untermauert, dass er auch im Unionshaushalt wie ein EU-Organ mit eigenem Haushaltstitel geführt wird. Näher hierzu vgl. im Folgenden sowie im 5. Teil H.  214 Diese Option wurde vor allem seitens des Europäischen Parlaments favorisiert, vgl. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2009 zu den institutionellen Aspekten der Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (2009/2133(INI)), ABl.EU 2010, Nr. C 265 E S. 12 (Nr. 7) vom 30.9.2010. 215 Den Mehrwert der Klassifizierung „sui generis“ allgemein wie im konkreten Fall hinterfragt: Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action ­Service, in: CMLRev. 2011, S. 482. 216 Josep M. Lloveras Soler, The New EU Diplomacy: Learning to Add Value, European University Institute Florence, Working Paper RSCAS 2011/05, S. 4 [„(…)more than an agency but less than an institution (…)“]; Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 142; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 483. Von politikwissenschaftlicher Seite wurde der EAD aus diesem Grund bereits als „Agent“ im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie bezeichnet, vgl. Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 157. 217 Christian Calliess, Art. 13 EUV Rn. 5 f., in: ders./M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

233

Welchen Rechtsstatus die „Einrichtung EAD“ in der Union einnimmt, hängt also davon ab, welcher Schicht sie innerhalb der unionalen Organisationsstruktur218 zugeordnet werden kann. Da der EAD mit Art. 27 Abs. 3 S. 3 EUV, in dem es heißt: „Die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes werden durch einen Beschluss des Rates festgelegt (…)“,

über eine ausdrückliche Errichtungsermächtigung im Primärrecht verfügt, ist er der sekundären Ebene der Organisationsstruktur der EU zuordnen. Diese Bestimmung, die einerseits zur Gründung des EAD generell ermächtigt, ohne andererseits selbst Befugnisse, Aufgaben, Rechtsstatuts oder die innere Organisation festzulegen, bildet das maßgebende Kriterium für die Unterscheidung von der tertiären Schicht der Organisationsstruktur, deren Einrichtungen gerade nicht auf eine ausdrückliche Errichtungsermächtigung im Primärrecht zurückgeführt werden können.219 Im Entstehungsprozess der unionalen Außenvertretung stellt die Gründung des EAD in organisatorischer Sicht somit einen bedeutenden Entwicklungsschritt dar, der auf den ehemaligen, „nur“ der tertiären Organisationsstruktur zugerechneten Kommissionsdelegationen220 aufbaut. Der „Griff zur organisatorischen Er­ mächtigung“221 dürfte sich beim EAD vor allem mit den Ansinnen der beteiligten Unionsorgane erklären, nach den kontrovers geführten Verhandlungen endlich und überhaupt eine organisatorische Grundentscheidung herbeizuführen. Primärer Adressat der Ermächtigung ist nach dem bereits zitierten Art. 27 Abs. 3 S. 3 EUV der Rat. Für dessen Beschlussfassung wiederum sind die vorherige Anhörung des Parlaments sowie die Zustimmung der Kommission allerdings obligatorisch, so dass sich die Ermächtigung zur Errichtung des EAD faktisch auf mehrere Organe zugleich bezieht.222 Nach Art. 1 Abs. 2 des EAD-Beschlusses verfügt die Einrichtung „EAD“ „(…) über die erforderliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit (…), um ihre Aufgaben auszuführen und ihre Ziele zu erreichen.“

218 Grundlegend zu einem dreistufigen Strukturmodell: Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 13 ff.; ein vierstufiges Struktur­ modell schlägt im Hinblick auf die Einordnung von Unionsagenturen Görisch vor, vgl. Christoph Görisch, Demokratische Verwaltung der Unionsagenturen, Tübingen 2009, S. 189 ff. 219 Christian Calliess, Art. 13 EUV Rn. 6 f., in: ders./M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011; Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 65, 109. 220 Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 70. 221 Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 65. 222 Vgl. hierzu in diesem Teil bereits unter B. IV.; Meinhard Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1982, S. 71.

234

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Die durch die Konjunktion „um“ hergestellte finale Verknüpfung der Rechtsund Geschäftsfähigkeit des EAD mit seiner Aufgabenausführung und Zielerreichung begrenzt die Rechts- und Geschäftsfähigkeit funktional auf die Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Verwirklichung seiner Ziele.223 Damit verfügt der EAD folglich über eine beschränkte Rechtsfähigkeit. Einer beispielsweise bei Agenturen üblicherweise im Errichtungsakt enthaltenen (expliziten) Erklärung zur Rechtspersönlichkeit ermangelt es den Bestimmungen über den EAD.224 Der Ratsbeschluss macht sozusagen den zweiten Schritt vor dem ersten, indem er dem EAD zwar Rechts- und Geschäftsfähigkeit zugesteht und damit beispielsweise den Abschluss von Rechtsgeschäften erlaubt, hingegen die Rechtspersönlichkeit, also die Fähigkeit, überhaupt Träger von Rechten und Pflichten zu sein, nicht explizit anspricht. Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des EAD ist es daher heute in etwa so bestellt wie für die Europäischen Union unter Geltung des Vertrags von Nizza: Der Vertrag erlaubte mit Art. 24 Abs. 1 EUV a. F. zwar den Abschluss internationaler Übereinkünfte im Bereich der GASP; in Bezug auf die hierfür streng genommen notwendige Rechtspersönlichkeit schwieg er sich indes aus.225 Ein „Erst-recht-Schluss“ legt nahe, dass die Institutionen, aus denen sich EAD speist, nämlich der Rat und die Kommission, die anders als der EAD zwar den Status eines Organs aufweisen, allerdings nicht über eine von der EU als solche unabhängige, eigene Rechtspersönlichkeit verfügen,226 nicht schlechter stehen dürfen, als die daraus geschaffene Einrichtung. Wenn also dem Rat und der Kommission keine eigene Rechtspersönlichkeit zugestanden wird, dann kann für den EAD nichts anderes gelten: Er kann, wenn eine gegenteilige explizite Re­ gelung fehlt, keine schwächere, soll aber auch keine stärkere Stellung im Institutionengefüge innehaben als seine „Mutterinstitutionen“.227 Damit „profitiert“ der EAD – ebenso wie die Organe der EU – von der Zuerkennung der Rechtspersönlichkeit in Art. 47 EUV. Seine Rechtspersönlichkeit muss daher jedenfalls so weit 223

Umgekehrt argumentieren: Bruno Simma/Christoph Vedder, Art. 282 EGV Rn. 8 f., in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, München, Bd. III, Stand: Oktober 1999 (14. EL) für die EG. 224 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 484. 225 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 485. 226 Nach Art. 47 EUV verfügt nur die EU als Ganze über Rechtspersönlichkeit. Aus der Tatsache, dass der Europäischen Zentralbank als einzelnem EU-Organ (Art. 282 Abs. 3 S. 1 AEUV) sowie der nicht zum Kreis der EU-Organe (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV) zählenden Euro­ päische Investitionsbank (Art. 308 UAbs. 1 AEUV) jeweils explizit Rechtspersönlichkeit verliehen wurde, ist im Gegenschluss zu folgern, dass es den übrigen EU-Organen als solchen an einer von der EU unabhängigen, eigenen Rechtspersönlichkeit ermangelt. 227 Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 196; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 484.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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reichen, wie es für die Ausübung einer beschränkten Rechts- und Geschäftsfähigkeit nötig ist.

III. Interne Organisationsstruktur Ebenso wie die Europäische Union als solche „eines ganz eigenständigen institutionellen Arrangements bedarf“,228 benötigt der EAD eine Organisationsstruktur, die ihn in die Lage versetzt, seinem Auftrag nachzukommen und dabei der außenpolitischen Kohärenz Rechnung zu tragen. Für die Ausgestaltung der Binnenorganisation des EAD ist der Hohe Vertreter zuständig und verantwortlich.229 Gemäß Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV werden für den Aufbau des EAD bestehende Einheiten verschiedener EU-Organe zusammengeführt und um Personal aus den nationalen diplomatischen Diensten ergänzt. Der dem EAD-Beschluss vom 26. Juli 2010 beigefügte Anhang enthält eine detaillierte Auflistung der­jenigen Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche des Generalsekretariats des Rates sowie der Kommission, die vollständig oder partiell in den EAD überführt werden.230 Bewusst von der Eingliederung ausgenommen wurden diejenigen Generaldirektionen der Kommission, die die Bereiche Nachbarschafts-, Erweiterungs-, Entwicklungs-, humanitäre Hilfs- und Handelspolitik betreffen, da hierfür spezielle Kommissionszuständigkeiten geschaffen wurden.231 Für diese besitzt der Hohe Vertreter lediglich eine koordinierende Zuständigkeit (Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV). Nach diesem Modus zusammengesetzt, hat der EAD am 1. Dezember 2010 seine Arbeit aufgenommen. Ihren Sitz hat die Einrichtung gemäß Art. 1 Abs. 2 EAD-Beschluss in Brüssel. Dort befindet sie sich wie das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) im Triangle building mitten im Herzen des Quartier euro­péen am Schumanplatz und damit in direkter Nachbarschaft zu den für die Arbeit des EAD besonders wichtigen EU-Organen Kommission und Rat.232 Der EAD besteht aus einer Zentralverwaltung und den Delegationen der Union, deren Strukturen im Folgenden erläutert werden. 228

Stefan Oeter, Vertrag oder Verfassung: Wie offen lässt sich die Souveränitätsfrage halten?, in: Th. Bruha/J. J. Hesse/C. Nowak (Hrsg.), Welche Verfassung für Europa?, Baden-­Baden 2001, S. 259. 229 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 184 f., 190. 230 Zu dem in den EAD überführten Personal bestehender Dienststellen in diesem Teil näher unter G. 231 Isabelle Tannous, Der Europäische Auswärtige Dienst und die Organisation europäischer Außen- und Entwicklungshilfe: von institutionellen Dissonanzen zur dienstübergreifenden Harmonie?, in: integration 2012, S. 283 („Strategie der Statussicherung“). 232 Dort ist die EAD-Zentrale seit Juli 2012 untergebracht. Zuvor waren die Einheiten auf verschiedene Gebäude der Kommission und des Rates verteilt. Die Büros des Geschäftsführenden Generalsekretärs und des Generaldirektors für Verwaltung befanden sich in den Anfängen im Hauptgebäude der Europäischen Kommission (Berlayment-Gebäude) in nächster Nähe der Hohen Vertreterin.

236

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

1. Zentralverwaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes Die Organisationsstruktur der Zentralverwaltung weist Merkmale eines klas­ sischen nationalen Außenministeriums233 auf. Wie ein solches ist der EAD hierarchisch gegliedert.234 Seine politische Leitung wird durch den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik ausgeübt. Er wird durch ein Kabinett unterstützt, das ihn, wie das Ministerbüro im Auswärtigen Amt den Außenminister, bei der Erledigung seiner Aufgaben organisatorisch unterstützt. Dem Hohen Vertreter unmittelbar unterstellt ist ein (beamteter) Geschäftsführender Generalsekretär. Der Zusatz „geschäftsführend“ wurde auf Beharren des Europäischen Parlamentes eingefügt, um nach außen hin deutlich zu machen, dass die politische Verantwortlichkeit einzig und allein beim Hohen Vertreter liegt; eine politische Stellvertretung für Letzteren ist hiermit im Grunde ausgeschlossen.235 Der Geschäftsführende Generalsekretär sorgt gemäß Art. 4 Abs. 1 EAD-Beschluss „(…) für das reibungslose Funktionieren des EAD, einschließlich dessen Verwaltung und Haushaltsführung (…)“

ebenso wie für „(…) eine effektive Koordinierung zwischen allen Abteilungen der Zentralverwaltung sowie mit den Delegationen (…)“.

Der Geschäftsführende Generalsekretär wird bei seiner Tätigkeit durch einen Stellvertretenden Generalsekretär für interinstitutionelle Fragen und einen Stellvertretenden Generalsekretär für politische Fragen unterstützt (Art. 4 Abs. 2 EADBeschluss). Die Verantwortung für die Verwaltung des EAD obliegt dem „Chief Operating Officer“. Zusammen bilden der Hohe Vertreter, der Geschäftsführende Generalsekretär, die beiden Stellvertretenden Generalsekretäre236 und der Verwaltungsleiter den Leitungsstab (Verwaltungsrat) des EAD, das sog. Corporate board.

233 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 38; Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-BrandeckBocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 250; Peter Chase, The EU’s External Action Service: Will it Deliver?, in: Brussels Forum – Paper, März 2011, S. 4. 234 Die im Folgenden verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf das am 1.6.2013 veröffentliche Organigramm, abrufbar unter: http://eeas.europa.eu/background/docs/organisation_ en.pdf (letzter Abruf: 1.6.2013). 235 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11; vgl. bereits 4. Teil H. I. 3. 236 Stellvertretende Generalsekretärin für Politische Angelegenheiten ist derzeit die Deutsche Helga Schmid; Stellvertretender Generalsekretär für Interinstitutionelle Fragen ist gegenwärtig der Pole Maciej Popowski.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

237

Dem Corporate board ist auf der politischen Leitungsebene in der Person des Stellvertretenden Generalsekretärs für politische Fragen eine Direktion für Politische Angelegenheiten unmittelbar zugeordnet, deren Herzstück das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK)237 bildet. Daneben bestehen das Intelligence Analysis Centre (IntCen) und der Bereich Krisenreaktion. Fünf sicherheitsund verteidigungspolitische Einheiten sind dem Corporate board beigegeben. Dies sind der zur Frühwarnung, Lagebeurteilung und strategischen Planung berufene Europäische Militärstab238 (EU Military Staff, EUMS), dessen ziviles Gegenstück, der für die zivile Krisenvorsorge zuständige Zivile Planungs- und Durchführungsstab (Civilian Planning and Conduct Capability, CPCC), der für die militärische Operationsführung und die Beratung sicherheitspolitischer Gremien zuständige Militärausschuss239 (EU Military Committee, EUMC), die Direktion Krisenbewältigung und Planung240 (Crisis Management and Planning Directorate, CMPD) sowie schließlich eine für Sicherheitspolitik und Krisenprävention verantwortliche Abteilung, die dem Stellvertretenden Generalsekretär unterstellt ist. Der Europäische Militärstab (Gründung: 2001) und der Zivile Planungs- und Durchführungsstab (Gründung: 2007) sowie weitere, bereits zuvor bestehende und in den EAD integrierte Einheiten241 gehen zu einem beträchtlichen Teil auf Mit 237 Beschluss 2001/78/GASP des Rates vom 22. Januar 2001 (ABl.EU 2001, Nr. L 27 S. 1 ff. vom 30.1.2001); vgl. auch Art. 38 EUV und Art. 4 Abs. 4 EAD-Beschluss. Zum PSK: Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 407 ff.; Stephan Marquardt, Kompetenzgefüge und Handlungsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP): Neuere Entwicklungen und Perspektiven, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 208; Daniel Thym, The Intergovernmental Branch of the EU’s Foreign Affairs Executive: Reflections on the Political and Security Committee, in: H.-J. Blanke/St. Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon, Heidelberg u. a. 2012, S.  517 ff. Trotz der durch Art. 38 UAbs. 1 EUV vorgenommenen Kompetenzabgrenzung zum Hohen Vertreter (S. 2) und zum AStV (S. 1) durch die Formulierung „unbeschadet“, weist Petersen zu Recht auf die Weisungsgebundenheit der aus den nationalen Außenministerien entsandten Vertreter im PSK an ihre mitgliedstaatlichen Regierungen hin [Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 38 EUV Rn. 9, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL)], deren Bei­behaltung im Hinblick auf die Integration des Komitees in den EAD und damit der Unterstellung unter den Hohen Vertreter in der Praxis Probleme hervorrufen könnte, Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 201 f. Anzeichen für eine „enge Beobachtung“ des Außenministers (jetzt Hohen Vertreters) durch die nationalen Diplomaten im PSK sieht auch: Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 422. 238 ABl.EU 2001, Nr. L 27 S. 7 vom 30.1.2001; Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 411 f. 239 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 410 f. 240 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 26. 241 Vgl. Anhang des EAD-Beschlusses.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

arbeiterstäbe zurück, die durch den Hohen Vertreter Solana als Teil der Generaldirektion E des Ratssekretariats eingesetzt wurden, so beispielsweise der als Strategieplanungs- und Frühwarneinheit242 gegründete, im Jahre 1999 infolge der Verabschiedung des Vertrags von Amsterdam geschaffene Politische Stab (Policy Unit, PU), der nun in der bereits genannten Direktion für Politische Angelegenheiten (Einheit „Strategic Planning“) aufgegangen ist (Art. 4 Abs. 3 lit. b, erster Spiegelstrich EAD-Beschluss), sowie die 2009 eingerichtete Direktion Krisenbewältigung und Planung (CMPD). Gleiches gilt schließlich für das Intelligence Analysis Centre (IntCen), das erst im Jahr 2012 aus dem 2003 gegründeten Joint Situation Centre of the European Union243 (SitCen) hervorging.244 Innerhalb der Kommission neu gegründet, aber dem Hohen Vertreter unmittelbar unterstellt wurde ein Dienst für außenpolitische Instrumente (Foreign Policy Instruments Service, FPI). Er umfasst vier Referate und ist vor allem für die Durchführung des GASPHaushaltes sowie für kurzfristig zu treffende Maßnahmen im Rahmen des zur Absicherung von krisenbedrohten Drittstaaten geschaffenen Stabilitätsinstruments zuständig.245 Schließlich unterstützt die Arbeit des Corporate boards ein eigenes Sekretariat. Die grobe Gliederung der unterhalb der Leitungsebene befindlichen Einheiten des EAD ähnelt der Einteilung in politische, funktionelle und administrative Organisationseinheiten, wie sie für die Gliederung nationaler Außenministerien üblich ist.246 Auf Arbeitsebene ist die Zentralverwaltung des EAD in sieben Exekutiv­

242 Vgl. Erklärung Nr. 6 zur Schlussakte des Vertrags von Amsterdam zur Schaffung einer Strategieplanungs- und Frühwarneinheit (ABl.EG 1997, Nr. C 340 S. 132 vom 10.11.1997): „(…) 1. Im Generalsekretariat des Rates wird unter der Verantwortung des Generalsekretärs und Hohen Vertreters für die GASP eine Strategieplanungs- und Frühwarneinheit geschaffen. (…)“. 243 Ursprünglich war das „SitCen“ Bestandteil der Strategieplanungs- und Frühwarneinheit und wurde erst später zu einer eigenständigen Arbeitseinheit unter dem institutionellen Dach des Generalsekretariats „ausgegründet“, vgl. Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 249, insbesondere Fn. 15. 244 Stephan Marquardt, Kompetenzgefüge und Handlungsinstrumentarium der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP): Neuere Entwicklungen und Perspektiven, in: Th. Bruha/ C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 209. Zur Integration bestehender Einheiten vgl. Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 13, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 245 Verordnung (EG) Nr. 1717/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. No­vember 2006 zur Schaffung eines Instrumentes für Stabilität, ABl.EU 2006, Nr. L 327 S. 1 ff. vom 24.11.2006 sowie Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 15 (zur Bewertung der Zusammenarbeit mit dem EAD). 246 Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 128; Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 198.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

239

direktionen („Management Directorate“, MD) unterteilt.247 Diese Bereiche dürften am ehesten den „Abteilungen“ eines deutschen Ministeriums entsprechen. Mit Ausnahme der Direktion „Krisenreaktion“, die dem Hohen Vertreter direkt unterstellt ist, gliedern sie sich wiederum in ein bis zwei Unterabteilungen sowie auf hierarchisch unterster Ebene in zwei bis sechs Referate.248 Anders als das Auswärtige Amt folgt der organisatorische Aufbau des EAD mehrheitlich einer geografischen Gliederung: Fünf der sieben Abteilungen, acht der zehn Unterabteilungen sowie die Mehrheit der Referate sind nach Ländern oder Regionen der Welt gegliedert.249 Nur zwei Abteilungen,250 sofern vorhanden deren Unterabteilungen sowie die angeschlossenen Referate sind nach Politikfeld übergreifenden Sachthemen unterteilt.251 Flankiert werden die Fachabteilungen durch eine für die operativen Verwaltungsgeschäfte zuständige administrative Abteilung („Verwaltung und Haushalt“). Sie bündelt ähnlich der Zentralabteilung des Auswärtigen Amts die Unterabteilungen „Haushalt“, „Personal“ und „Sicherheit“, für die der Generaldirektor für Verwaltung, Personal, Haushalt, Sicherheit und Kommunikations- und Informationssysteme ebenso verantwortlich ist wie für die von dem Bereich „Verwaltung und Finanzen“ organisatorisch getrennten Referate „Inspektion und interne Revision“ (Art. 4 Abs. 3 lit. a, zweiter Spiegelstrich EAD-Beschluss).252 Dem Hohen Ver­ treter gegenüber ist der Verwaltungsleiter für die interne Haushaltsführung und die Verwaltung des EAD verantwortlich. Schließlich verfügt der EAD über eine eigene Rechtsabteilung, über die der Geschäftsführende Generalsekretär die Verwaltungsaufsicht führt. Anders als noch

247 Auffällig ist insoweit, dass sich die im EAD-Beschluss und die im Organigramm verwendeten Bezeichnungen von einigen EAD-Einheiten voneinander unterscheiden. Beispielsweise ist der EAD nach Art. 4 Abs. 3 in „Generaldirektionen“ (englisch: „directorates-general“, französisch: „directions générales“) gegliedert, wohingegen das Organigramm den Begriff der Exektivdirektionen („management directorates“) verwendet. Ein inhaltlicher Unterschied soll hierdurch allerdings nicht eingeführt werden. 248 Der Direktion „Krisenreaktion“ fehlt die Unterabteilungsebene; der Abteilung sind un­ mittelbar zwei Referate angeschlossen. 249 Sie bearbeiten die Regionen „Asien und Pazifik“, „Afrika“, „Europa und Zentralasien“, „Nordafrika, Mittlerer Osten, Arabische Halbinsel, Iran und Irak“ sowie „Nord-, Mittel- und Südamerika“. 250 Eine dieser Abteilung bearbeitet „Globale und multilaterale Angelegenheiten“, die andere bildet die Stelle für Krisenreaktion. 251 Damit bleibt die interne Gliederung des EAD hinter der Erwartung zurück, die EU müsste als multilaterale Organisation eine „multilaterale Ausrichtung stärker gewichte[n] als (…) länderspezifische Einheiten“, vgl. Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 22, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 252 Eine der Vorschrift des § 8 GAD entsprechende Bestimmung, die Aufgaben und Zuständigkeit der Inspektion festlegt, fehlt dem EAD-Beschluss hingegen.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

von der schwedischen Präsidentschaft vorgeschlagen253 werden für die Bearbeitung rechtlicher Fragen nicht die juristischen Dienste des Rates und der Kommission genutzt. Die Rechtsabteilung des EAD arbeitet jedoch nach Art. 4 Abs. 3 lit. b, zweiter Spiegelstrich EAD-Beschluss eng mit ihnen zusammen. Diese Organisation widerspricht im Grunde der zu Beginn des Aufbaus des EAD getroffenen Grundsatzentscheidung, nach der die Verwaltungsstruktur des EAD schlank gehalten werden sollte, um durch die Vermeidung von Doppelstrukturen Kosten zu sparen und stattdessen soweit wie möglich, mittels des Abschlusses von Dienstleistungsvereinbarungen,254 auf Dienste der Kommission und des Rates zurückgreifen. Aus der in Art. 4 Abs. 3 lit. b, dritter Spiegelstrich EAD-Beschluss vor­gesehenen Abteilung für interinstitutionelle Beziehungen ist ausweislich des Organigramms ein auf parlamentarische Angelegenheiten spezialisiertes Referat geworden.255 Dies zeigt, dass er sich der besonderen Sensibilität und seiner besonderen politischen, nicht rechtlichen, Verantwortung gegenüber den Parlamenten bewusst ist. Die Organisationseinheiten der GSVP, darunter das EU-Satellitenzentrum, die Europäische Verteidigungsagentur und das Europäische Sicherheits- und Ver­ teidigungskolleg, sind nicht unmittelbar in die Abteilungsstrukturen des EAD integriert, sondern bestehen als EAD-Dienststelle,256 jedoch von den nach geo­ grafischen Gebieten oder Politikbereichen gegliederten Abteilungen getrennt als Agenturen der Europäischen Union fort, arbeiten jedoch genauso wie Letztere unter der politischen Aufsicht des Hohen Vertreters. Problematisch an der Organisation der EAD-Zentrale ist, neben der Tatsache, dass es wie beim Dienst für außenpolitische Instrumente oder den aus der Generaldirektion E hervorgegangenen Einheiten entgegen dem eigentlich erklärten Willen der Mitgliedstaaten doch zu einer Verdoppelung von Strukturen kam, dass die Einheiten auf Arbeitsebene faktisch wieder nach der ursprünglichen Herkunft aus Rat oder Kommission unterschieden werden und keine inhaltliche Bündelung unterhalb der Leitungsebene erfolgt.257 Dieser Umstand läuft der durch den Doppelhut des Hohen Vertreters mühsam herbeigeführten Zusammenlegung von Auf­ gaben zweifelsohne entgegen.258 Eine ähnliche Beobachtung lässt sich auch bei

253 Der Vorschlag der schwedischen Präsidentschaft sah vor, für den EAD die Rechts- und Übersetzungsabteilung des Rates oder der Kommission nutzbar zu machen. 254 Den Abschluss von Dienstleistungsvereinbarungen ermöglichen Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 5 EAD-Beschluss. 255 Vgl. hierzu in diesem Teil noch unter D. III. 1. 256 Daniel Thym, The Intergovernmental Branch of the EU’s Foreign Affairs Executive: Reflections on the Political and Security Committee, in: H.-J. Blanke/St. Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon, Heidelberg u. a. 2012, S. 521. 257 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10, 12. 258 Brian Crowe, The European External Action Service – Roadmap for Success, Royal Institute of International Affairs (Chatham House Report), London 2008, S. 20 f.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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den EU-Delegationen machen. Auf die Tatsache, dass dieser Umstand die Herausbildung einer EAD-eigenen Arbeitskultur oder eines Korpsgeistes erschwert, wird noch zurückzukommen sein.259 2. Delegationen der Union Die Delegationen der Union bilden die dezentrale Struktur des EAD. Sie sorgen nach Art. 221 Abs. 1 AEUV für die Vertretung der Union in Drittstaaten oder bei internationalen Organisationen nach außen (vgl. auch Art. 1 Abs. 4 EADBeschluss).260 Art. 221 AEUV trifft hinsichtlich der institutionellen Stellung der Delegationen im Unionsgefüge keine Regelung. Die Zuordnung der Delegationen als integraler Bestandteil des EAD nimmt das Sekundärrecht mit Art. 1 Abs. 4 EAD-Beschluss vor. Diese Struktur erinnert an die Organisation des Auswärtigen Amts, in der dessen Zentrale und die Auslandsvertretungen zusammen eine einheitliche Bundesbehörde bilden (§ 2 GAD).261 Im Gegensatz zur Zentralverwaltung des EAD, die Schritt für Schritt aufgebaut werden musste, konnte bei den EU-Delegationen auf die bereits bestehenden De­ legationsstrukturen der Kommission262 und des Rates263 zurückgegriffen werden; sie wurden noch um abgeordnete Diplomaten aus den mitgliedstaatlichen auswärtigen Diensten ergänzt. Auf diese Weise zusammengesetzt, arbeiten die Dele­ gationen nun als „EU-Delegationen“ weiter.264 Ebenso werden auch die bei internationalen Organisationen angesiedelten Vertretungen der Kommission vom EAD weitergeführt. Anders als noch zu der Zeit, als sich die Delegationen unter der Direktive der Kommission mit Fragen der Entwicklungshilfe oder des Handels mit dem jeweiligen Empfangsstaat widmeten, politische und sicherheitspolitische Dossiers hingegen von den einzelnen mitgliedstaatlichen Botschaften erörtert

259

Hierzu in diesem Teil unter G. IV. Mit der Bezeichnung als „Delegation“ der Union (nicht „Botschaft“ oder „Mission“) wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die EU nicht den Status eines Staates genießt. 261 Vgl. 1. Teil D. II. 2. b). 262 Die Delegationen der Kommission stellten eindeutig die Mehrheit der gesamten Delegationen dar. Zu den Delegationen der Europäischen Kommission noch: Michael Bruter, Diplomacy without a state: the external delegations of the European Commission, in: Journal of European Public Policy 1999, S. 183 ff.; zu deren Entwicklung: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 205 ff. 263 Verbindungsbüros des Rates hingegen gab es lediglich zwei. Sie waren bei den Vereinten Nationen in Genf und in New York eingerichtet, vgl. Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 250 mit Fn. 17. 264 Dies, obwohl es hierzu keine explizite primärrechtliche Bestimmung gibt, vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 954. 260

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

wurden, arbeiteten die Unionsdelegationen heute entsprechend dem Auftrag des EAD umfassend in allen politischen Sparten des auswärtigen Handelns.265 Zurzeit existieren weltweit 140 EU-Delegationen.266 Ihre Arbeit ist für den EAD angesichts der globalen Reichweite, der Ansiedlung in Nicht-EU-Staaten sowie der Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten von besonderer Wichtigkeit. Daher bilden sie „zunehmend den Schwerpunkt der Tätigkeit des EAD“.267 Art. 5 EAD-Beschluss trifft Regelungen über die Organisation und die Arbeitsweise der Unionsdelegationen. Entsprechend dem Koordinierungsauftrag, der den auswärtig tätigen EU-Organen aufgegeben ist, wird der Beschluss über die Er­ öffnung oder die Schließung einer Delegation vom Hohen Vertreter im Einvernehmen mit der Kommission und dem Rat gefasst (Art. 5 Abs. 1 EAD-Beschluss). Diese Verfahrensweise, die sowohl die Kommission als auch den Rat einbezieht, spiegelt den Doppelhut des Hohen Vertreters, also die Personalunion von Außenkommissar und Hohem Vertreter für die GASP, wider.268 Zwar unterstehen die Delegationen des EAD allesamt der Leitung des Hohen Vertreters, doch wird ihre operative Leitung nicht zentral von Brüssel aus, sondern jeweils lokal von einem sog. Delegationsleiter269 ausgeübt (Art. 221 Abs. 2 S. 1 AEUV), dessen Funktion der des Botschafters eines diplomatischen Dienstes ähnelt. Wie bei den Sonderbeauftragten270 kann das Europäische Parlament ver­langen, neu ernannte Delegationsleiter vor Dienstantritt zu hören, wenngleich

265 Michele Comelli/Raffaelle Matarazzo, Rehashed Commission Delegations or Real Embassies? EU Delegations Post-Lisbon, Instituto Affari Internazionali, IAI Working Paper Nr. 23, Juni 2011, S. 3 f. Hierzu sogleich sowie in diesem Teil unter E. I. 266 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 4; vgl. auch die Datenbank der EU-Delegationen unter: http://ec.europa.eu/external_relations/repdel/edelhrm/index. cfm?fuseaction=crepdel.europa&lang=EN (letzter Abruf: 29.5.2013); Schmalenbach zählte 138 Delegationen, vgl. Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 205. 267 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 4. 268 Das Akkreditierungsschreiben wird aus Gründen der unionsinternen Hierarchie vom Präsidenten der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rates, nicht jedoch vom Hohen Vertreter unterzeichnet, gleichwohl wird die EU im Empfangsstaat „on behalf of the European Council President Herman van Rompuy and Commission President José Manuel Barroso, and under the authority of the High Representative Catherine Ashton“ präsentiert, vgl. Erklärung des Botschafters und Delegationsleiters Gilles Hervio in Sambia am 3.2.2011, einsehbar unter: http://eeas.europa.eu/delegations/zambia/press_corner/all_news/ news/2011/20110128_02_en.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 269 Insofern hat sich mit der Bezeichnung „Delegationsleiter“ die von britischer Seite ver­ tretene Auffassung durchgesetzt, die den Amtstitel „Botschafter“ für den Leiter der Vertretung ablehnte, vgl. House of Commons, Foreign Affairs Committee, Developments in the European Union, Sixth Report of Session 2005–2006, vom 26.7.2006, S. 35. 270 Vgl. bereits 4. Teil H. V. 2. c).

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ein zustimmendes Votum des Europäischen Parlaments keine Voraussetzung für die Ernennung der Delegationsleiter bildet,271 sondern nur deklaratorische Bedeutung hat. Dem Delegationsleiter obliegen neben der Leitung der Delegation die Vertretung der Union im Empfangsstaat bei Vertragsabschlüssen und vor Gericht (Art. 5 Abs. 8 EAD-Beschluss) sowie die Verantwortung für das gesamte Personal der Delegation, sei es von Kommission, Rat oder von Mitgliedstaaten entsandt, sei es lokal rekrutiert (Abs. 2 UAbs. 1). Diese Verantwortung trifft den Delegationsleiter sogar für das von der Kommission außerhalb der Zuständigkeit des EAD entsandte Personal (Abs. 2 UAbs. 3). Bezüglich der Tätigkeiten, die von der Delegation ausgeübt werden, ist ihr Leiter dem Hohen Vertreter unmittelbar zur Rechenschaft verpflichtet; dies schließt die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Haushaltsmittel der Auslandsdelegation ein (Abs. 2 UAbs. 2). Umgekehrt nimmt er Weisungen des Hohen Vertreters, des EAD (d. h. der EAD-Zentrale272) und der Kommission entgegen und verantwortet deren Umsetzung (Abs. 3). Das Personal der Delegation ist im Aufnahmeland wie die Delegation selbst durch Vorrechte und Immunitäten besonders geschützt. Der Hohe Vertreter trägt Sorge dafür, dass der Empfangsstaat den EU-Delegationen sowie seinen Mitarbeitern alle Vorrechte und Immunitäten einräumt, die die WVK den Mitarbeitern nationaler diplomatischer Dienste zu Gute kommen lässt (Art. 5 Abs. 6 EAD-Beschluss).273 Der Delegationsleiter unterliegt ebenso wie das entsandte Personal, das ihm untersteht, einem regelmäßigen Ortswechsel nach dem Rotationsprinzip.274 Hiernach wird eine Position nur für eine Zeitdauer von etwa ein bis vier Jahren mit einer Person besetzt. Um die Herausbildung von missbräuchlichen Strukturen vorzubeugen, wird die Position nach Ablauf dieser Zeit mit einer anderen Person besetzt. Die EU-Delegationen nehmen im Hinblick auf andere Organe der EU, z. B. das Parlament, eine Art Schalterfunktion wahr. Dies tun sie, indem sie interessierte Organe bei der Pflege ihrer Kontakte mit Drittstaaten oder mit internatio 271 Vgl. Nr. 5 der „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8. 272 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208; hierzu in diesem Teil auch unter D. III. 4. 273 Zu diesen Vorrechten: Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 832 ff. m. w. N. 274 Hierzu in diesem Teil noch unter G. II.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

nalen Organisationen unterstützen und hierfür entsprechende Kapazitäten vorhalten (Abs. 7).275 Schließlich übernehmen die Unionsdelegationen im Hoheitsgebiet von Drittstaaten, bei denen sie akkreditiert sind, für EU-Bürger die in Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 lit. c AEUV vorgesehene konsularische Schutzfunktion, die sie im Einklang mit Art. 35 Abs. 3 EUV ausüben (Art. 5 Abs. 10 EAD-Beschluss). Eine Begrenzung des Aufgabengebietes der Unionsdelegationen auf GASP-Angelegenheiten, wie es die systematische Stellung des Art. 35 EUV im GASP-Kapitel nahe legt, kommt angesichts des uneingeschränkten Wortlauts des Art. 221 AEUV („sorgen für die Vertretung der Union“) nicht in Betracht.276 Diese Annahme wird durch den in Art. 27 EUV niedergelegten Auftrag des EAD untermauert, wonach er den Hohen Vertreter „bei der Erfüllung seines Auftrags stützt“. Wie schon früher festgestellt, umfasst der „Auftrag“ des Hohen Vertreters nämlich nicht nur Angelegenheiten der GASP.277 Damit sind mittelbar auch alle Stellen des EAD dem Unterstützungsauftrag verpflichtet, unabhängig davon, ob sie im Ausland be­legen oder bei der Zentrale in Brüssel angesiedelt sind. Auch in diesem Punkt ähnelt der EAD wiederum dem Auswärtigen Amt, das nach § 2 GAD aus einer Zentrale und Auslandsvertretungen besteht, die zusammen eine einheitliche Behörde dar­ stellen.278 Der Betrieb und das Funktionieren aller Delegationen der Union wird vom Geschäftsführenden Generalsekretär des EAD bewertet (Art. 5 Abs. 5 EAD-Beschluss). Diese Beurteilung schließt auch Finanz- und Verwaltungsprüfungen ein und stellt damit, ungeachtet des hierdurch unberührten Kompetenz- und Tätigkeitsbereichs des Europäisches Amtes für Betrugsbekämpfung (Art. 5 Abs. 5 EAD-Beschluss), ein Mittel der Betrugsprävention und der Betrugsbekämpfung dar. Handelt eine Unionsdelegation in einer auswärtigen Angelegenheit, die nicht Teil der GASP ist, ist der ihr übergeordnete Hohe Vertreter nach dem oben Gesagten an die Verfahrensregeln der Kommission gebunden. Er muss sich dementsprechend mit dem jeweils zuständigen Kommissionsmitglied abstimmen. Diese Abstimmung ist aus Gründen der außenpolitischen Kohärenz zwingend erforderlich (Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV). 275 Zu den bei internationalen Organisationen unterhaltenen Auslandsdelegationen: http:// ec.europa.eu/external_relations/repdel/edelhrm/index.cfm (letzter Abruf: 29.5.2013) sowie Michele Comelli/Raffaelle Matarazzo, Rehashed Commission Delegations or Real Embassies? EU Delegations Post-Lisbon, in: Instituto Affari Internazionali (Hrsg.), IAI Working Paper Nr. 23, Juni 2011, S. 5 ff. 276 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 522 f.; so im Ergebnis auch: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S.  210 f. 277 Vgl. hierzu bereits im 4. Teil H. I. 3.; zum EAD in diesem Teil unter E. 278 Vgl. hierzu auch 1. Teil D. II. 2. b).

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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Innerhalb der Kommission leitet ihr Präsident279 bzw. die Hohe Vertreterin die Arbeitsgruppe „Außenbeziehungen“, die allen mit diesem Themenbereich befassten Kommissionsmitgliedern eine Plattform für interne Beratungen gibt.280 Während die Existenz mehrerer gemeinsamer Erklärungen der Hohen Vertreterin und des Kommissars für Erweiterung und Europäischer Nachbarschaftspolitik für einen (zumindest punktuell) regen Austausch innerhalb der Kommission sprechen,281 wurde die Koordinierungsmöglichkeit im Rahmen der Arbeitsgruppe „Außenbeziehungen“ im ersten Jahr ihres Bestehens nur vereinzelt genutzt.282 Ein entsprechendes Verfahren könnte beispielsweise in der Geschäftsordnung der Kommission verbindlich geregelt werden.283 Dass die Zusammenarbeit des Hohen Vertreters mit den übrigen Kommissionsmitgliedern klareren Regeln unterworfen werden muss, hebt auch der Vorschlag der Gruppe zur Zukunft Europas hervor. In ihrem Abschlussbericht vom 17. September 2012, in dem „konkrete Vorschläge [unterbreitet werden], die sich mit den Herausforderungen befassen sollen, mit denen Europa konfrontiert ist“,284

wird u. a. angeregt, die Zusammenarbeit von Hohem Vertreter und den anderen Kommissionsmitgliedern im Bereich des Außenhandelns durch die Schaffung von

279 In der politischen Praxis wurde der Vorsitz in der Arbeitsgruppe bislang von Kommissionspräsident Barroso wahrgenommen, vgl. Isabelle Tannous, Der Europäische Auswärtige Dienst und die Organisation europäischer Außen- und Entwicklungshilfe: von institutionellen Dissonanzen zur dienstübergreifenden Harmonie?, in: integration 2012, S. 284. 280 Europäische Kommission, Vademecum on working relations with the European External Action Service (EEAS), SEC (2011) 1636, unveröffentlicht, Punkt 2.2.1. (S. 12). 281 Beispielsweise auch hinsichtlich einer gemeinsamen dienstübergreifenden Vereinbarung: Gemeinsamer Brief von Catherine Ashton und Andris Piebalgs vom 27.7.2010 an die EU-Parlamentarierin Eva Joly, auf ihre Anfrage zum Entwurf des EAD-Beschlusses; Dokument abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/deve/dv/ashtonpiebalgs_jo/ashton-piebalgs_joly.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). Die dienstübergreifende Vereinbarung wurde am 13.1.2012 abgeschlossen, vgl. Europäische Kommission, Working Arrangements between Commission Services and the European External Action Service (EEAS) in relation to external issues, SEC (2012) 48, unveröffentlicht; hierzu sogleich. 282 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 26. 283 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 523. 284 Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 1, abrufbar unter: http://www.auswaertigesamt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918-AbschlussberichtZukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). Der Bericht sieht auch Vorschläge für die Weiterentwicklung der EU vor, S. 4.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

sog. „Senior-“ und „Juniorkommissaren“ zu intensivieren.285 Es wird daher abzuwarten sein, auf welche Weise die kommissionsinterne Zusammenarbeit der relevanten Akteure zukünftig institutionalisiert werden wird. Ein erster Schritt in Richtung einer Strukturierung des Verfahrens der Zusammenarbeit ist der Abschluss einer dienstübergreifenden Vereinbarung zwischen Generaldirektionen Handel, EuropeAid – Entwicklung und Zusammenarbeit, Erweiterung, Humanitäre Hilfe sowie dem EAD im Januar 2012.286 Inhaltlich betrifft diese Vereinbarung die Organisation der von der EU geleisteten Entwicklungshilfe und damit nur einen Aspekt des auswärtigen Handelns der Union, wenn auch einen praxisrelevanten. Sie ersetzt eine im Jahr 2001 zwischen dem ehemaligen Amt für Zusammenarbeit (EuropeAid – Co-operation Office, AIDCO) und den Generaldirektionen Außenbeziehungen und Entwicklung abgeschlossene Dienstleistungsvereinbarung287 und soll dafür sorgen, dass der Ablauf des Programmplanungs- und Verwaltungszyklus (Art. 9 EAD-Beschluss) detaillierten Vorgaben unterworfen wird. Einen Schwerpunkt der Vereinbarung bilden Ausführungen zum Verhältnis der betroffenen Kommissionsdienststellen zu den EU-Delegationen. Der Doppelhut des Hohen Vertreters wird – obwohl im Primärrecht nicht explizit vorgesehen – auf alle Delegationen der Union und ihre Botschafter übertragen.288 Dies bedeutet, dass die Leiter der weltweit arbeitenden Unionsdelegationen neben außenpolitischen Fragen auch als Ansprechpartner der Kommission fungieren, vor Ort also eine „One-voice-policy“ artikuliert werden kann.289 Dies schließt die Verwaltung und die Vergabe der Kommissionsgelder im Empfangsstaat mit ein (Art. 5 Abs. 4 EAD-Beschluss). Grundlage hierfür ist eine eigens in die EU-Haushaltsordnung eingefügte Rechtsgrundlage, nach der die Kommission ihre Vollzugsbefugnis für operative Mittel an die Leiter der Delegationen delegie 285

Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 3, 9; Dokument abrufbar unter: http:// www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918Abschlussbericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 286 Europäische Kommission, Working Arrangements between Commission Services and the European External Action Service (EEAS) in relation to external issues, SEC (2012) 48, vom 13.1.2012, unveröffentlicht. 287 Europäische Kommission, Working Arrangements between Commission Services and the European External Action Service (EEAS) in relation to external issues, SEC (2012) 48, vom 13.1.2012, unveröffentlicht, S. 2; Isabelle Tannous, Der Europäische Auswärtige Dienst und die Organisation europäischer Außen- und Entwicklungshilfe: von institutionellen Dissonanzen zur dienstübergreifenden Harmonie?, in: integration 2012, S. 280. 288 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 3; Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 2. 289 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 3.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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ren kann.290 Hierdurch erhält der Delegationsleiter den Status eines nachgeordnet bevollmächtigten Anweisungsbefugten im Sinne der Art. 73 EU-Haushaltsordnung und ist damit haftungsrechtlich zum Ersatz eines verschuldeten Schadens verpflichtet.291 Eine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Politik der Empfangsstaaten durch Setzung finanzieller Anreize ist dem EAD damit jedoch nicht eingeräumt, da er nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 4 EAD-Beschluss an das ihm von der Kommission erteilte Mandat gebunden ist („wenn er [scil. der Delegationsleiter] hierzu im Einklang mit der Haushaltsordnung nachgeordnet bevollmächtigt wurde“). Um die Delegationsleiter auf diese Verantwortlichkeiten frühzeitig vorzubereiten, sieht die EU-Haushaltsordnung eine spezielle Trainingsverpflichtung zu den Aufgaben und Zuständigkeiten vor.292 3. Sonderbeauftragte Ebenso wie die Delegationen der Kommission wurden auch die Sonderbeauftragten des Rates für besonders politische Fragen in den EAD eingegliedert (vgl. Anhang zum EAD-Beschluss). Sie üben ihr Mandat gemäß Art. 33 EUV „unter der Verantwortung des Hohen Vertreters aus“. Damit hat der Vertrag von Lissabon klargestellt, dass die vom Rat ernannten (Art. 33 EUV) Sonderbeauftragten unter der Leitung des Hohen Vertreters stehen und an dessen Weisungen gebunden sind. Sie sind in verschiedenen Ländern oder Regionen der Welt für die Union tätig. Ihre Arbeit dient der Unterstützung des Hohen Vertreters; sie sollen vor Ort als „Gesicht und Stimme“ der Union wahrgenommen werden.293

290 Art. 56 Abs. 2 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, ABl.EU 2012, Nr. L 298 S. 1 ff. vom 26.10.2012 (im Folgenden: EU-Haushaltsordnung). Die Anpassung wurde eingeführt durch: Art. 1 Nr. 10 Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1081/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften in Bezug auf den Europäischen Auswärtigen Dienst, ABl.EU 2010, Nr. L 311 S. 9 ff. vom 26.11.2010. 291 Vgl. Art. 73 Abs. 1 und Abs. 5 EU-Haushaltsordnung; Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 2; Christian Sichel, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes als EU-Organ – gleichzeitig eine kleine Ordnung der EU-Verwaltungsorganisation, in: EuR 2011, S. 457. 292 Art. 73 Abs. 5 EU-Haushaltsordnung. 293 Eine aktuelle Übersicht der Sonderbeauftragten findet sich unter: http://eeas.europa.eu/ policies/eu-special-representatives/index_de.htm (letzter Abruf: 29.5.2013).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

4. Erteilung von Weisungen gegenüber dem Europäischen Auswärtigen Dienst Die gesamte Struktur des EAD, insbesondere aber die der EAD-Zentrale, lässt hierarchische Über- und Unterordnungsverhältnisse erkennen. Diesem für monokratische Organisationen typischem Element entspricht die grundsätz­liche Ausrichtung des EAD am Hohen Vertreter, der ähnlich einem klassischen „Behörden­ leiter“294 die Führungs- und Entscheidungsgewalt ausübt und die Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen übernimmt. Diese Struktur des EAD macht auch eine Betrachtung der sich aus Über- und Unterordnung ergebenden Weisungsbefugnisse erforderlich, die gegenüber der Zentrale des EAD, aber auch gegenüber den Delegationen der Union bestehen. Nach Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV und Art. 2 Abs. 1 EAD-Beschluss „unterstützt“295 der EAD den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Aus der hierin liegenden Zu- bzw. Unterordnung des EAD zum Hohen Vertreter kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass dem Hohen Vertreter dem EAD gegenüber ein Weisungsrecht zustehen muss. Will man dieses Weisungsrecht nicht schon in das Primärrecht „hineininterpretieren“, so wird man jedenfalls bei der Betrachtung des Art. 1 Abs. 3 des EAD-Beschlusses zu keinem anderen Ergebnis kommen können. Hierin heißt es: „Der Europäische Auswärtige Dienst untersteht dem Hohen Vertreter (…).“

Demnach ist der Hohe Vertreter gegenüber dem gesamten EAD weisungs­ befugt, d. h. sowohl gegenüber der Zentrale als auch gegenüber den EU-Delega­ tionen, die Zentrale ihrerseits wiederum gegenüber den Unionsdelegationen. Damit ähneln die in der Gliederung des EAD angelegten Weisungsketten denen des Auswärtigen Amts, wo der Außenminister gegenüber der Zentrale und den Botschaften bzw. Ständigen Vertretungen und den Konsulaten, die Zentrale ihrerseits gegenüber allen Missionen weisungsbefugt ist.296 Angesichts der ohnehin knappen Regelung des Primärrechts betreffend den EAD überrascht es nicht, dass es sich auch der Normierung konkreter Weisungsbefugnisse nahezu vollkommen enthält. Der Normierung von Weisungsbefugnissen widmet sich hingegen Art. 5 Abs. 3 EAD-Beschluss. Hierin wird der Leiter einer Unionsdelegation zum Empfänger von Weisungen des Hohen Vertreters und des EAD, also der EAD-Zentrale,297 deklariert. Der Hohe Vertreter kann somit Weisungen entweder direkt an eine Unionsdelegation richten oder den Weg über die EAD-Zentrale wählen, die ihrerseits die Unionsdelegation anweist – letztere 294 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208. 295 Zu sprachlichen Präzisierungen des Wortlauts des Primärrechts in diesem Teil unter E. I. 296 Hierzu bereits oben 1. Teil D. II. 2. 297 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208.

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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Option eröffnet der EAD-Zentrale die Möglichkeit, in einem frühen Stadium von der Weisung der Kommission Kenntnis zu erlangen. Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 EAD-Beschluss legt außerdem die Verantwortung des Delegationsleiters für die Ausführung der erhaltenen Weisungen fest. Inhaltlich erfassen die Weisungen, wie das Handeln des EAD überhaupt, beide „Hüte“ des Hohen Vertreters, also sowohl den Bereich der GASP (einschließlich der GSVP) als auch das sonstige auswärtige Handeln der Union. Parallel zur Weisungsbefugnis des Hohen Vertreters und der Zentralverwaltung des EAD ist nach Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 EAD-Beschluss auch die Kommission gegenüber den Delegationen der Union berechtigt, Weisungen zu erteilen.298 Dies kann dann der Fall sein, wenn nach den Verträgen Zuständigkeiten der Kommission bestehen. Der EAD unterscheidet sich in diesem Punkt von Exekutiv­ agenturen, die der Kommission unmittelbar nachgeordnet sind, die die ihr von der Kommission delegierten Aufgaben ausüben und die daher auch grundsätzlich, nicht nur ausnahmsweise, ihrer Anweisung unterstehen. Insbesondere in den Fällen, in denen eine Unionsdelegation im Auftrag der Kommission den Haushaltsplan vollzieht, also über den Bereich des EAD-Budgets hinaus handelt, oder wenn die Delegation hinsichtlich externer Aspekte der übrigen Politikbereiche im Sinne des Art. 21 Abs. 3 EUV tätig wird, ist eine Abordnung von Kommissionsbediensteten, neben dem regulären EAD-Personal, nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 3 EADBeschluss erforderlich. Auf diese, aber eben nur auf diese Fälle bezieht sich das soeben beschriebene Weisungsrecht der Kommission.299 Erteilt wird eine solche Weisung direkt von dem jeweils zuständigen Kommissionsmitglied an die in die Unionsdelegationen entsandten Kommissionsmitarbeiter, die sich mit „Kommissionspolitiken“ beschäftigen, also „am Delegationsleiter vorbei“.300 Dieses Kommissionspersonal stellt von der Gesamtheit der Unions­ delegationen einen verhältnismäßig großen Anteil der Beschäftigten.301 Da es nach wie vor der Kommission unterstellt ist, ist diese für ihre Mitarbeiter bei den Unions­delegationen die Fachvorgesetzte, während der Delegationsleiter (nur) die Funktion eines Dienstvorgesetzten wahrnimmt. 298

Zur Relevanz dieser Fallkonstellation hinsichtlich einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem EuGH in diesem Teil unter J. 299 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208 f. 300 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208. 301 Ein Vertreter des Auswärtigen Amts schätzte das Anteilsverhältnis von Kommissionsbediensteten und EAD-Bediensteten an den Unionsdelegationen mancherorts auf ca. 80 % zu 20 %, Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012; Möller/Rappold nennen keinen prozentualen Anteil, bezeichnen die Anzahl der Kommissionsbeamten im EAD aber als „dominant“, Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/ O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAP analyse Nr. 12, September 2012, S. 10.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Nach dem Gesagten können die Unionsdelegationen daher Adressaten zweier voneinander unabhängiger Weisungen sein. Zumindest theoretisch denkbar ist daher auch der Fall, dass sie einander widersprechende und dadurch miteinander konkurrierende Weisungen der EAD-Zentrale einerseits, der zuständigen Generaldirektion der Kommission andererseits erhalten.302 Welche Weisung von der Delegation in diesem Falle vorrangig auszuführen ist, wird im EAD-Beschluss nicht abschließend geregelt. Zwar ist die Kommission nach dem 13. Erwägungsgrund des Ratsbeschlusses gehalten, dem Delegationsleiter wie der EAD-Zentrale eine Kopie ihrer Weisung zukommen zu lassen; doch läuft diese Unterrichtung im Falle einer zeitlich früheren, gegensätzlichen Weisung des EAD an die Delega­ tion ins Leere. Die Problematik der Parallelität der Weisungsbefugnisse wird auch im ersten Sachstandsbericht der Hohen Vertreterin von Dezember 2011 aufgegriffen.303 Es wird hierin die Absicht geäußert, ein Dokument zu erarbeiten, das sich entsprechend dem 13. Erwägungsgrund des EAD-Beschlusses der Regelung der Weisungsbeziehungen an die Unionsdelegationen annimmt.304 Abhilfe konnte bis dahin auch das in Art. 7 AEUV für alle Unionspolitiken verankerte allgemeine Kohärenzgebot nicht schaffen, da es sich an die Union insgesamt richtet bzw. die für die Sorge um Kohärenz berufenen Organe der Union verpflichtet, wohingegen die Weisungsproblematik meist die unteren Hierarchieebenen betrifft. Die Lücke bietet Raum für den Abschluss einer (interinstitutionellen) Verein­ barung zwischen Kommission und EAD.305 Diese vermag nicht nur eine materielle Lösung des Problems sich inhaltlich widersprechender Weisungen herbeiführen, sondern gleichzeitig auch für eine transparente Regelung der Weisungsstränge im EAD sorgen. Gleichwohl kann auch die Information des Delegationsleiters und der EAD-Zentrale über die jeweilige Weisung der Kommission im Einzelfall nur bewirken, dass eine (dieser widersprechende) Weisung nicht mehr getroffen wird; im Falle einer schon existenten anderslautenden Anweisung der Delegation geht die Information des Delegationsleiters ins Leere. Die Frage, welche der beiden Weisungen Vorrang hat, ist in diesem Fall immer noch nicht beantwortet. Eine (interinstitutionelle) Vereinbarung kann das Risiko sich widersprechender Weisungen nicht ausschließen, sondern nur verringern; sie vermag die im Sachstands­ 302

Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 9 f., 11. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 18. 304 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208. 305 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208; Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. Zu interinstitutionellen Vereinbarungen vgl. bereits 4. Teil H. VII. 303

D. Institutionelle Einbindung des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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bericht beabsichtigte inhaltliche Abstimmung jedoch nicht zu ersetzen.306 Ein notfalls gangbarer Weg bestünde jedenfalls in der Möglichkeit, eine Angelegenheit, in der widersprüchliche Weisungen seitens der EAD-Zentrale und der Kommission ergingen, an die EAD-Zentrale zurückzuverweisen.307 Soweit der Zuständigkeitsbereich der Kommission betroffen ist, ist für die Gewährleistung kohärenten Handelns nach Art. 18 Abs. 4 S. 2 EUV ohnehin eine entsprechende Absprache des sachlich zuständigen Kommissars mit dem Hohen Vertreter geboten, die Konflikte über Weisungen an eine Unionsdelegation vorbeugen oder zumindest bereinigen kann.308 In Anbetracht dieses Dilemmas und insbesondere um die Arbeit der Unions­ delegationen zu erleichtern, haben die Kommission und die Hohe Vertreterin im März 2012 einen gemeinsamen Beschluss über die Zusammenarbeit bei der Verwaltung der Delegationen herbeigeführt.309 Durch diesen soll der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen zwischen dem EAD und den Dienststellen der Kommission ermöglicht werden (siebenter Erwägungsgrund). Darüber hinaus wird durch ihn ein Lenkungsausschuss für die Delegationen (EUDEL) eingerichtet (Art. 2 Nr. 1 EUDEL-Beschluss), der die Zusammenarbeit und die gegenseitige Konsultation zwischen EAD und den Dienststellen der Kommission hinsichtlich aller die Verwaltung der Unionsdelegationen betreffenden Fragen „gewähr­leistet“ (Art. 2 Nr. 1 EUDEL-Beschluss). Der Ausschuss besteht aus je einem Vertreter des EAD, der Generaldirektionen Entwicklung und Zusammenarbeit, Haushalt und Humanressourcen und Sicherheit sowie des Generalsekretariats (Art. 3 Nr. 1 EUDEL-Beschluss). Anders als der Wortlaut zum Auftrag des Lenkungsaus­schusses („gewährleistet“) jedoch vermuten lässt, haben seine Rechtsakte nur empfehlenden Charakter, das Gremium nimmt lediglich eine beratende Funktion wahr (Art. 2 Nr. 3 EUDEL-Beschluss), weshalb es nur einen Beitrag zur Zusammen­ arbeit der Kommission mit dem EAD leisten, diese aber nicht im Sinne einer Garantie „gewährleisten“ kann.

306

Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 18. 308 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 209. Insoweit rief Kommis­ sionspräsident Barroso die regelmäßig mit Fragen des auswärtigen Handelns befassten Kommissionskollegen zu einer engen Zusammenarbeit mit der Hohen Vertreterin auf, vgl. Aufgabenbeschreibungen von Präsident Barroso an die ernannten Kommissare Kristalina Georgieva (vom 27.1.2010), Štefan Füle (vom 27.11.2009) und Andris Piebalgs (vom 27.11.2009), jeweils S. 2. Die Aufgabenbeschreibungen sind einsehbar unter: http://ec.europa.eu/commission_2010–2014/mission_letters/index_de.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 309 Gemeinsamer Beschluss der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außenund Sicherheitspolitik vom 28.3.2012 über Verfahren der Zusammenarbeit bei der Verwaltung der Delegationen der Europäischen Union, JOIN (2012) 8 endg. (im Folgenden: EUDELBeschluss). 307

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Die Existenz der beiden parallelen Weisungsstränge stellt die betroffenen Akteure vor praktische Probleme, verdeutlicht aber auch die Schwierigkeiten, die sich einstellen können, wenn dem Kohärenzauftrag Genüge getan werden soll. Angesichts der bereits genannten faktischen Trennung organisatorischer Einheiten auf der unteren hierarchischen Ebene der EAD-Zentrale nach ihrer ursprünglichen Herkunft aus Rat oder Kommission,310 der damit verbundenen Problematik des Aufeinandertreffens von Supranationalität und Intergouvernementalität311 sowie der Problematik komplexer Weisungsketten, wurde bereits die Sinnfrage gestellt, nämlich, ob es sich beim EAD überhaupt um einen einheitlichen Dienst oder nicht vielmehr um eine Manteleinrichtung handelt, die mehrere Dienste beherbergt.312 Dieser Gefahr hatte in den Verhandlungen über den EAD dadurch vorgebeugt werden sollen, dass er gerade nicht wie der Hohe Vertreter sowohl im Rat als auch in der Kommission primärrechtlich verankert worden war.313 Von den in Art. 2 Abs. 1, dritter Spiegelstrich, Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 3 EAD-Beschluss genannten Personen oder Organen abgesehen darf das Personal des EAD keine Weisungen einholen oder entgegennehmen (Art. 6 Abs. 4 S. 2 EAD-Beschluss). Dies gilt insbesondere für die nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten. Eine Ausnahme vom Verbot der Weisungserteilung durch nationale Regierungen besteht innerhalb des EAD allerdings hinsichtlich der bei den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel angesiedelten PSK-Botschafter.314 Die Beibehaltung der Weisungsgebundenheit dieser aus den nationalen 310 Mit dieser Trennung sollte vermieden werden, dass es zu Kompetenzüberschreitungen kommt, die dadurch hätten entstehen können, dass Bedienstete des Rates innerhalb des EAD Befugnisse der Kommission wahrnehmen und umgekehrt, vgl. auch Lars Ole Petersen, Euro­ päisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 226 sowie die entsprechenden Änderungen des Beamtenstatuts: Art. 336 AEUV i. V. m. Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1080/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, berichtigt durch: ABl.EU 2012, Nr. L 144, S. 48 vom 5.6.2012. 311 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 140, 143. 312 Klemens H. Fischer, Der Europäische Auswärtige Dienst: Mittel zum Zweck oder Selbstzweck?, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), AIES Fokus 4/2010, S. 3. Aus diesen Gründen wurde bereits eine doppelte Verankerung des EAD in Rat und Kommission, die die primärrechtliche Stellung des ihm überstellten Hohen Vertreters widergespiegelt hätte, in den Verhandlungen über den EAD gar nicht erst erwogen, siehe schon 5. Teil D. II. 1. 313 Hierzu in diesem Teil bereits unter D. II. 1. 314 Anders als die aus dem Rat in den EAD integrierten Verwaltungseinheiten, dessen Personal als Bestandteil des EAD der Weisung des Hohen Vertreters unterliegt. Zu den nationalen Vertretern im PSK: Beschluss des Rates vom 14. Februar 2000 zur Schaffung des Politischen und Sicherheitspolitischen Interimskomitees 2000/143/GASP, ABl.EU 2000, Nr. L 49 S. 1 vom 22.2.2000; Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 38 EUV Rn. 9, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Elfriede Regelsberger/Dieter Kugelmann, Art. 38 EUV Rn. 1, in: R. Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., München 2012; Daniel

E. Aufgaben und Kompetenzen

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Außenministerien entsandten Vertreter an ihre mitgliedstaatlichen Regierungen bei gleichzeitiger Integration des PSK in den EAD dürfte die Arbeit des EAD zumindest theoretisch vor zusätzliche Schwierigkeiten stellen.315 In Anbetracht der Tatsache, dass der Haupttätigkeitsbereich des PSK in dem Entscheidungen vorbereitenden316 Bereich der GASP liegt, dürfte es durch die Eingliederung in den EAD allerdings nicht zu schwerwiegenden Friktionen kommen, da es hierdurch dem Rat und dem „GASP-Hut“ des Hohen Vertreters zuzuordnen ist,317 Entscheidungen also ohnehin bei den Mitgliedstaaten liegen und eine Entkoppelung von Letzteren damit nicht zu befürchten steht.

E. Aufgaben und Kompetenzen Die einzige primärrechtliche Bestimmung, die den EAD explizit nennt und die zugleich dessen Rechtsgrundlage bildet, ist der bereits mehrfach genannte Art. 27 Abs. 3 EUV. Zur Aufgabe des EAD heißt es in dessen Sätzen 1 und 2: „Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf den Europäischen Auswärtigen Dienst. Dieser Dienst arbeitet mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammen (…).“

Der wesentlichste, in dieser Vorschrift aber nur vage umrissene Aufgaben­ bereich des EAD, die Unterstützung des Hohen Vertreters, wird im Folgenden (unter I.) ebenso behandelt wie aus anderen Bestimmungen resultierende Arbeitsgebiete, die nach thematischen Schwerpunkten zusammengefasst dargestellt werden (unter II. und III.).

I. Unterstützung des Hohen Vertreters Bevor auf den ersten Aufgabenkomplex des EAD eingegangen wird, soll vorab auf eine Besonderheit sprachlicher Natur hingewiesen werden. Ausweislich der primärrechtlichen Grundlage „stützt“ sich der Hohe Vertreter bei der Erfüllung seines Auftrags auf den EAD. Gleichwohl wird in den zu Art. 27 EUV bzw. den zum EAD veröffentlichten wissenschaftlichen Beiträgen und den Kommentierungen oftmals die Formulierung verwendet, der EAD „unterstütze“ den Hohen VerThym, The Intergovernmental Branch of the EU’s Foreign Affairs Executive: Reflections on the Political and Security Committee, in: H.-J. Blanke/St. Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon, Heidelberg u. a. 2012, S. 523, 529 f. 315 Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 201 f. 316 Daniel Thym, The Intergovernmental Branch of the EU’s Foreign Affairs Executive: Reflections on the Political and Security Committee, in: H.-J. Blanke/St. Mangiameli (Hrsg.), The European Union after Lisbon, Heidelberg u. a. 2012, S. 525. 317 Hans-Joachim Cremer, Art. 38 EUV Rn. 1 EUV, in: Ch. Calliess/M. Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Aufl., München 2011.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

treter.318 Der Blick in andere Sprachfassungen des Vertrages legt offen, dass auch sie nicht frei von einer entsprechenden sprachlichen Abweichung sind. Während die französische Fassung des Vertragstextes beispielsweise weitgehend der deutschen Formulierung entspricht („[…] le haut représentant s’appuie sur […]“),319 geht der Wortlaut in englischer Sprache eher in die Richtung des „Unterstützens“ („[…] the High Representative shall be assisted […].“).320 Damit dürfte es insgesamt als legitim zu betrachten sein, die Formulierung des Vertrages im Sinne eines „Unterstützens“ zu lesen. Die praktischen Auswirkungen dieser Akzentverschiebung dürften in der Realität ohnehin zu vernachlässigen sein. Sie zeigt jedoch, wie sehr die Verfasser des Verfassungsvertrages, auf den die Formulierungen wie erläutert zurückgehen, bereits darum bemüht waren, auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen, dass das gesamte Regime der Außenvertretung am Posten des Hohen Vertreters ausgerichtet ist, dem dann die Aufgaben des EAD folgen – und nicht umgekehrt –, um dem Prinzip kohärenten Außenhandelns auf europäischer Ebene zu weitreichender Wirksamkeit zu verhelfen. Vor dem Hintergrund dieser sprachlichen Präzisierungen des Primärrechts kann also zumindest verkürzend davon gesprochen werden, dass der EAD den Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik ausweislich des Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV bei dessen Aufgaben unterstützt. Dass sie nicht das Ansinnen des EAD konterkarieren, belegt schließlich die Formulierung des Art. 2 Abs. 1 EAD-Beschluss, in dem es dann auch ausdrücklich heißt: „Der EAD unterstützt den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seines Auftrags, (…).“321

Zugleich erlaubt die Formulierung des Art. 27 EUV, der Hohe Vertreter stütze sich „[b]ei der Erfüllung seines Auftrags“ auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst, den Rückschluss, dass Letzterer den Hohen Vertreter bei allen ihm übertragenen Aufträgen Hilfe leistet. Dies bedeutet, dass sich der „Doppelhut“ des Hohen Vertreters gewissermaßen auf den EAD „durchschlägt“.322 318 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 20, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 8. 319 Ähnliche Einschätzung: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 165. Auch die niederländische Formulierung („[…] wordt de hoge vertegenwoordiger bijgestaan door een […]“) weist in eine ähnliche Richtung wie die deutsche und die französische Fassung. 320 So auch Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 165, der allerdings dem Verb „unterstützen“ einen schwächeren Interaktionsgrad zumisst als dem Wort „­stützen“. 321 In der englischen Fassung: „The EEAS shall support (…)“, in der französischen Fassung: „Le SEAE assiste (…)“. 322 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 377 (Fn. 132). Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der

E. Aufgaben und Kompetenzen

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Im EAD wurde daher teilweise das dem „Außenminister“ beigeordnete Ministerium gesehen, also eine ihn in sämtlichen seiner Aufgaben unterstützende Behörde.323 Anderer Einschätzung zufolge spiele der Dienst eine derart untergeordnete Rolle, dass noch nicht einmal von einem eigenständigen Ministerium (sondern eher von einem verlängerten Arm des Außenministers) gesprochen werden könne.324 Das Primärrecht enthält über Art. 27 EUV hinaus keine Konkretisierungen zu Aufgaben und Zielen des EAD.325 Seine Aufgaben werden allerdings sekundärrechtlich durch Art. 2 des EAD-Beschlusses weiter präzisiert. So führt der mit dem Titel „Aufgaben“ überschriebene Art. 2 Abs. 1 fort: „Der EAD unterstützt den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seines Auftrags, wie er ins­ besondere in den Artikeln 18 und 27 EUV niedergelegt ist (…).“

Es folgt die Aufzählung einiger Tätigkeitsbereiche des Hohen Vertreters, die der EAD zu unterstützen ersucht ist. Die Verwendung des Begriffs „insbesondere“, der nach juristischem Verständnis eine nicht abschließende Aufzählung ankündigt, verdeutlicht, dass hiermit nicht etwa eine Beschränkung der unterstützenden Tätigkeiten auf die genannten Aufgabenbereiche des Hohen Vertreters beabsichtigt ist. Die unterstützende Tätigkeit des EAD bezieht sich demzufolge auf die Leitung der GASP und der GSVP. Sie besteht ferner darin, beide Politikfelder durch eigene Vorschläge zur Durchführung zu bereichern und für ein kohärentes auswärtiges Handeln der Union zu Sorge zu tragen (Art. 2 Abs. 1, erster Spiegelstrich EADBeschluss). Weiter soll der EAD den Hohen Vertreter in dessen Eigenschaft als Präsident der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“ unterstützen (zweiter Spiegelstrich) und ihm schließlich in dessen Funktion und Tätigkeit als Kommissionsvize assistieren (dritter Spiegelstrich). europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 142. Dies ist zumindest für die Unionsdelegationen ausdrücklich anerkannt worden, vgl. Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 EAD-Beschluss. Für die Leiter der Unionsdelegationen in diesem Teil schon unter D. III. 2. 323 So: Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 2; Annette Heuser, Diplomaten für Europa – Eckpunkte zur Gestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: ReformSpotlight 2/2005, S. 7; Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 179 f. („ministerialbürokratischer Unterbau“). 324 Dieser Einschätzung folgt beispielsweise Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungs­ vertrag, Berlin 2007, S. 97 ff. 325 Dies erklärt, warum sich im Verhandlungsprozess immer wieder Anfragen an den Deutschen Bundestag richteten, die sich nach dem Stand der Entwicklungen um die Skizzierung der Aufgaben des EAD erkundigten. So betraf z. B. die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/103 vom 27.11.2009) die konkrete Ausgestaltung der Aufgaben und Kompetenzen des EAD sowie dessen Zusammenarbeit mit den nationalen diplomatischen Diensten.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Die Tatsache, dass manche Themen des politischen Alltagsgeschäft entweder wegen ihrer besonderen Dringlichkeit oder umgekehrt, mangels besonderer Bedeutung, gar nicht erst auf die Tagesordnung der Ratssitzungen gelangen, sondern vom PSK als „operativem Verwaltungsrat der GASP“326 behandelt werden, lässt den EAD auch in dem Bereich, in dem Entscheidungen des Rates nicht in Form von formellen GASP-Beschlüssen ergehen, zusätzlich an Bedeutung gewinnen, da er auch in den Vorbereitungsgremien des Rates vertreten ist.327 Zusammenfassend kann man also zunächst festhalten, dass das Tätigkeitsspektrum des EAD unter geltendem Primärrecht unauflöslich an das des Hohen Ver­treters gebunden ist328 und nicht, wie aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Kapitel der „besonderen Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ gefolgert werden könnte,329 auf den Bereich der GASP beschränkt, sondern sich auf den gesamten Auftrag des Hohen Vertreters einschließlich seiner Arbeit für die Kommission und den Rat bezieht.330 Der Umstand, dass der Hohe Vertreter sich bei seinen Aufgaben als Kommissionsmitglied andernfalls auf keinerlei administrative Strukturen zurückgreifen kann – ein entsprechender Unterbau für den Hohen Vertreter als dem für auswärtige Angelegenheiten zuständigem Kommissionsmitglied fehlt insoweit – untermauert die Annahme zusätzlich. Mit diesem Ergebnis korrespondiert im Übrigen die Tatsache, dass auch die Amtsbezeichnung des „Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ das Missverständnis birgt, seine Tätigkeit beziehe sich ausschließlich auf die GASP, während sie in Wirklichkeit auch die supranationalen

326 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 137. 327 Hierzu Art. 4 Abs. 4 EAD-Beschluss sowie im Folgenden. 328 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 8; Giovanni Grevi/ Fraser Cameron, Towards an EU Foreign Service, European Policy Centre, Issue Paper 29, 10.4.2005, S. 15; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 489; Franziska Brandtner, Der Europäische Auswärtige Dienst – einen Schritt nach vorn, zwei zurück? Dokument verfügbar unter: http://www.boell. de/internationalepolitik/aussensicherheit/aussen-sicherheit-europaeischer-auswaertiger-dienstlissabon-vertrag-9008.html (letzter Abruf: 29.5.2013); Erklärung des Chief Operating Officers, David O’Sullivan, Setting up the EEAS, 14.1.2011, S. 5. 329 Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungsvertrag, Berlin 2007, S. 99. 330 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 406 (zu beiden Auslegungen); Jean-Claude Piris, The Lisbon Treaty, Cambridge 2010, S. 250; Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 195; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 518; Rosa Balfour/Hanna Ojanen, Does the European External Action Service Represent a Model for Challenges of Global Diplomacy?, Instituto Affari Internazionali, IAI Working Paper Nr. 17, Juni 2011, S. 3.

E. Aufgaben und Kompetenzen

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Außenbeziehungen der Union erfasst.331 Dem so geschaffenen Gleichklang zufolge haben der EAD und der Hohe Vertreter kongruente Aufgabenfelder.332 Das Mandat des Hohen Vertreters wird jedoch nicht in einer einzigen Bestimmung einheitlich beschrieben, sondern muss aus der Zusammenschau mehrerer Regelungen des EU-Vertrags333 „zusammengepuzzelt“334 werden. Ein Schwerpunkt liegt, so sagt es bereits die Amtsbezeichnung, in der Durchführung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.335 Dementsprechend lässt sich als Ergebnis weiterhin festhalten, dass der EAD in seinem Tätigkeitsbereich im Grundsatz zunächst einmal nicht auf die GASP beschränkt, wohl aber konzentriert ist.336 Konsequenterweise haben im Tätigkeitsbereich der Kommission diejenigen Dienststellen ihre eigenständige Existenz behalten, d. h. sie wurden nicht in den EAD überführt, die die Außenvertretung der Kommission in den vergemeinschafteten Bereichen mit Außenbezug gewährleisten.337 Abgesehen von einigen vertraglich vorgesehen Ausnahmefällen, in denen der EAD auch die Kommission bei ihrer Arbeit unterstützt (Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 EAD-Beschluss), ist er also vornehmlich auf die Ausübung von unterstützenden Tätigkeiten nach Art. 23 ff. EUV konzentriert. Neben der Repräsentation der Union durch ihre Delegationen in den Empfangsstaaten liegt eine der wichtigsten Unterstützungsaufgaben des EAD darin, durch die Gewinnung von Informationen vor Ort und ihrer Weiterleitung an die Zentrale in Brüssel,338 vor allem an den Hohen Vertreter mittels „drahtberichtsähn­ icher“ Meldungen, mittelbar an der Formulierung und der Gestaltung der auswärtigen Unionspolitik teilzuhaben. Eine weitere Aufgabe des EAD ist es, die Leitung der die Arbeit des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vorbereitenden Arbeits­ gruppen wahrzunehmen.339 Tatsächlich ist dies aktuell jedoch nur in ca. 20 (von den insgesamt ca. 250) Arbeitsgruppen des Rates der Fall.340 331 Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 178. 332 Hierzu schon im 4. Teil H. I. 3. 333 Im Wesentlichen sind dies Art. 18, 26, 27 und 42 EUV; hierzu auch im 4. Teil H. I. 334 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 489. 335 Vgl. bereits im 4. Teil H. I. 336 So auch: Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 132. 337 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 8. 338 Giovanni Grevi/Fraser Cameron, Towards an EU Foreign Service, European Policy Centre, Issue Paper 29, 10.4.2005, S. 24. 339 Vgl. Art. 4 Abs. 4 EAD-Beschluss; Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 459; Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 247. 340 Vgl. Art. 4 Abs. 4 EAD-Beschluss; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 252. Dies sind

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Die Unterstützungsleistung des EAD beinhaltet, gleich in welchem Bereich, keine vom Hohen Vertreter unabhängige (Letzt-)Entscheidungskompetenz.341 Eine solche Kompetenz aus dem Verb „(unter-)stützen“ herzuleiten, widerspräche nicht nur dem allgemeinen Sprachverständnis, sondern auch Sinn und Zweck des im Primärrecht angelegten, die einheitliche Außenvertretung der Union gewährleistenden Hohen Vertreters und eines ihm zuarbeitenden EAD. Er ist damit eine Dienststelle, derer sich der Hohe Vertreter zwar bedient, sie ist selbst allerdings kein veritables Entscheidungsorgan.342 Zusätzlich zu den genannten Funktionen hat der EAD entsprechend seinen Tätigkeitsfeldern GASP und GSVP schließlich auch zivil-militärische Aufgaben. Zu diesem Zweck wurden, wie bereits an anderer Stelle beschrieben,343 die bereits von Solana im Generalsekretariat des Rates angesiedelten und weiter ausgebauten Strukturen zur Krisenbewältigung in den EAD überführt. Der EAD vereint somit Arbeitsbereiche unter (s)einem Dach, die in einem Staat in die Kompetenz­bereiche des Außen- und des Verteidigungsministeriums fallen.344

II. Unterstützung anderer Institutionen der Union Während die primärrechtliche Rechtsgrundlage des Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV für den EAD einzig die Aufgabe formuliert, den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seiner Aufgabe zu stützen, geht der EAD-Beschluss inhaltlich über diese Festlegung die in Anhang II des Beschlusses des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung des Beschlusses des Europäischen Rates über die Ausübung des Vorsitzes im Rat und über den Vorsitz in den Vorbereitungsgremien des Rates (2009/908/EU), ABl.EU 2009, Nr. L 322 S. 28 ff. vom 9.12.2009, genannten Vorbereitungsgremien des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“; Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 142. 341 Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 202; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 488, 490 f. Van Vooren zieht aus diesem Grund Parallelen zum AStV, stellt aber auch Unterschiede zu ihm heraus und charakterisiert den EAD auch als „kommis­ sionsähnliche Generaldirektion“, der freilich der „rechtliche Vorteil (…) eines Unionsorgans mit eigener Entscheidungskompetenz“ fehle [„(…) characterise the EEAS as a ‚Commission Directorate General, without the legal advantage of being part of an institution with decisionmaking powers proper.‘(…)“]. 342 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 4 f. 343 In diesem Teil unter D. III. 1. 344 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 8.; Brian Crowe, The European External Action Service – Roadmap for Success, Royal Institute of International Affairs (Chatham House Report), London 2008, S. 16. Im Umkehrschluss ebenso: Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 14, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL).

E. Aufgaben und Kompetenzen

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hinaus, indem er auch andere EU-Institutionen als den Hohen Vertreter benennt, deren Aufgabenerfüllung der EAD unterstützen soll. Konkret unterstützt der EAD nach Art. 2 Abs. 2 EAD-Beschluss, „(…) den Präsidenten des Europäischen Rates, den Präsidenten der Kommission und die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben im Bereich der Außenbeziehungen“.

Soweit hiermit eine Stütze für die Kommission bzw. deren Präsidenten statuiert werden soll, geht diese nicht über diejenige hinaus, die der EAD dem Hohen Vertreter in seiner Funktion als Kommissionsmitglied ohnehin nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 EUV bzw. Art. 27 Abs. 3 EUV zu leisten verpflichtet ist. In dieser Funktion stellt der EAD den „Ersatz“ für die mit der Vertragsreform entfallene General­ direktion „Außenbeziehungen“, also den administrativen Unterbau dar. Einen wesentlichen Baustein der Zusammenarbeit mit der Kommission bildet die in Art. 9 EAD-Beschluss näher präzisierte vorbereitende Arbeit des EAD hinsichtlich der Programmplanung.345 Nach Art. 3 Abs. 4 S. 1 EAD-Beschluss garantiert der EAD anderen Organen und Einrichtungen der Union „zweckdienliche Unterstützung und Zusammen­ arbeit“. Eine solche kann z. B. in der Beantwortung von Auskunftsersuchen bestehen.346 Eine nähere Bestimmung dessen, was „zweckdienlich“ ist, ist dem Beschluss nicht zu entnehmen. Es liegt nahe, dass hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Zweckdienlichkeit unter den Organen je nach Blickwinkel unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Da die Unterstützung durch den EAD aller Wahrscheinlichkeit nach von der unterstützten Einrichtung im Einzelfall als „zweckdienlich“ (im Sinne von „hilfreich“) empfunden werden wird, bedarf es daher im Zweifel der Entscheidung des Hohen Vertreters darüber, ob die Unterstützung eines anderen Unionsorgans angebracht ist oder nicht.347 Eine wesentliche Unterstützungsleistung des EAD für die genannten EU-Organe erbringen seine Unionsdelegationen. Ähnlich wie die Vertretungen des Auswärtigen Amts liefern sie mit den von ihnen gewonnenen Informationen die Basis 345

Zu anderen Szenarien der Zuständigkeitsverteilung zwischen EAD und Kommission: Isabelle Tannous, Der Europäische Auswärtige Dienst und die Organisation europäischer Außenund Entwicklungshilfe: von institutionellen Dissonanzen zur dienstübergreifenden Harmonie?, in: integration 2012, S. 278 f. 346 Nach dem Sachstandsbericht der Hohen Vertreterin von Dezember 2011 bearbeitete der EAD im Zeitraum vom 1.1.2011 bis 30.9.2011 insgesamt 67 Auskunftsersuchen für den Präsidenten des Europäischen Rates, 125 für den Kommissionspräsidenten, 235 für den Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik. Der Summe von diesen 427 Ersuchen stehen (lediglich) 243 Anfragen der Hohen Vertreterin gegenüber, vgl. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 13. 347 Der Qualität dieser Zusammenarbeit soll jedenfalls nicht hinter der vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissbon praktizierten Zusammenarbeit des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und dem für Außenbeziehungen zuständigen Kommissar zurückbleiben, vgl. Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 498 (Sicherung des „Status quo“).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

für die Willensbildung und die Politikgestaltung in den Mitgliedstaaten gleichermaßen wie in der EU selbst und koordinieren deren Politik in den internationalen Organisationen.348 Daneben leisten die Unionsdelegationen, wiederum wie die Missionen des Auswärtigen Amts für die deutschen Bundesorgane,349 Hilfe bei allen Auslandsaktivitäten der EU-Organe. Hierzu zählt beispielsweise, Abordnungen aus den genannten Organen zu empfangen und die Vertreter bei ihren Dienst­ geschäften im Ausland zu begleiten.350 Die Hervorhebung der Unterstützung des Europäischen Parlaments und der Zusammenarbeit mit ihm knüpft an die besondere Rolle des Hohen Vertreters als zentrale Anlaufstelle in GASP-Angelegenheiten für das Europäische Parlament an (Art. 36 EUV) und ergänzt auch die politische Erklärung zur Rechenschaftspflicht des Hohen Vertreters351 gegenüber diesem. Die Unterstützung des EAD bezieht sich ferner auf das Generalsekretariat des Rates und die Dienststellen der Kommission (Art. 3 Abs. 1 EAD-Beschluss). Anders jedoch als die in Art. 2 Abs. 2 EAD-Beschluss verankerte einseitige Unter­ stützung der genannten Organe und Organteile handelt es sich bei der Unterstützung der Kommission (nicht des Generalsekretariats!) nach Art. 3 EAD-Beschluss um eine reziproke Unterstützung. Hergestellt wird diese Reziprozität durch die Formulierung „einander“ (Abs. 2), die den notwendigen Rückbezug herstellt und damit der Überschrift des Artikels („Zusammenarbeit“) erst gerecht wird.352 Um die Zusammenarbeit mit der Kommission zu erleichtern, wurde vorgeschlagen, ähnlich dem „Dienstagsausschuss“, in dem sich alle mit EU-Fragen befasste Ressortleiter der deutschen Bundesministerien treffen, ressortübergreifende Treffen von „Verbindungspersonen“ der Generaldirektionen und des EAD auf europäischer Ebene einzurichten.353 Dieses Ansinnen liefe allerdings Gefahr, die durch den EAD bezweckte Transparenz zu konterkarieren und die Nachvollziehbarkeit getroffener Entscheidungen durch die faktische Einrichtung eines zusätzlichen informellen Gremiums insgesamt nachhaltig zu schwächen. 348

Siehe bereits 1. Teil D. II. 2. a) bb). Siehe oben 1. Teil D. II. 2. a) cc). 350 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 210. 351 Vgl. „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. Die Rechenschaft bezieht sich auf alle Funktionsbereiche (Hüte) des Hohen Vertreters, Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 499. 352 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 497. 353 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 6. 349

E. Aufgaben und Kompetenzen

261

Die Zusammenarbeit des EAD mit den genannten Organen und Organteilen der EU ist final ausgerichtet („um die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union sowie zwischen diesen und den übrigen Politikbereichen der Union sicherzustellen“).354 Sie stellt damit, neben der „Vereidigung“ des gesamten auswärtigen Handelns auf gemeinsame Ziele,355 einen weiteren Mechanismus dar, die Anforderungen an eine kohärente Außenpolitik der Union (Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV) in die Praxis umzusetzen.

III. Zusammenarbeit mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten Als zweite und letzte explizit genannte Aufgabe des EAD sieht Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV die Zusammenarbeit mit den nationalen diplomatischen Diensten vor. Diesen Auftrag wiederholt Art. 3 Abs. 1 EAD-Beschluss mit der sprachlichen Abweichung, dass er als ersten Schritt dieser „Zusammenarbeit“ zusätzlich vorsieht, dass der EAD die diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten „unterstützt“. Eine von Art. 27 EUV inhaltlich verschiedene Leistung soll mit dieser sprachlichen Nuance jedoch nicht zum Ausdruck gebracht werden. Es ist nicht davon aus­zugehen, dass der EAD-Beschluss das Rollenverhältnis zwischen EAD und den diplomatischen Mitgliedstaaten im Vergleich zum Primärrecht ändern konnte oder wollte, sondern der diesbezügliche Wortlaut des Ratsbeschlusses eher als Zugeständnis an die Mitgliedstaaten formuliert wurde.356 Der Wortlaut des Art. 221 Abs. 2 S. 2 AEUV trägt zu einer gewissen Präzisierung der sonst nicht weiter beschriebenen „Zusammenarbeit“ bei. Hiernach werden die Delegationen „(…) in enger Zusammenarbeit mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten tätig“.

Art. 5 Abs. 9 EAD-Beschluss ergänzt die primärrechtliche Bestimmung um das Austauschen von Informationen zwischen EU-Delegationen und nationalen diplo­ 354

Vgl. ähnlich lautende Formulierung in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1 EUV. Vgl. hierzu bereits im 4. Teil E. und H. IV. sowie 5. Teil A. I. 4. und noch E. III. 356 Indem der Vertrag die Zusammenarbeit des EAD mit den nationalen diplomatischen Diensten in Art. 27 EUV vorsieht, geht er, anders als vielfach unterstellt [Nachweise bei: Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 521; Elfriede Regelsberger, Mehr Sichtbarkeit, Kohärenz und Effizienz für die GASP – Chancen und Risiken im neuen Verfassungsvertrag, in: M. Jopp/S. Matl (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 334; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 5.], im Umkehrschluss selbst von deren Fortbestand aus, vgl. Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus MeyerLandrut, Art. 27 EUV Rn. 16, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL) 355

262

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

matischen Diensten. In eine ähnliche Richtung geht auch Art. 35 EUV. Dessen Wortlaut sieht in UAbs. 1 und 2 vor, dass „[d]ie diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und die Dele­ gationen der Union in dritten Ländern und auf internationalen Konferenzen sowie ihre Vertretungen bei internationalen Organisationen [sich abstimmen], um die Einhaltung und Durchführung der nach diesem Kapitel erlassenen Beschlüsse (…) zu gewährleisten. Sie intensivieren ihre Zusammenarbeit durch Informationsaustausch und gemeinsame Bewertungen.“

Mit der Verwirklichung des letztgenannten Aspekts, des Informationsaustauschs, dürfte eine echte Verbesserung für die Mitgliedstaaten, aber auch für die Arbeit des EAD einhergehen. Die routinemäßige Weitergabe von Informationen aus dem staatlichen an den europäischen Bereich und umgekehrt kann die Arbeit der diplomatischen Dienste, gleich welcher Ebene, erheblich erleichtern, indem die für anstehende Entscheidungen notwendigen Grundlagen möglichst genau und detailliert zur Verfügung gestellt werden. Ebenso wie bei der Zusammenarbeit mit den Organen (Art. 3 Abs. 1 EADBeschluss) handelt es sich bei der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten um eine wechselseitige Verpflichtung,357 die final an der Kohärenz ausgerichtet ist („um die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union sowie zwischen diesen und den übrigen Politikbereichen der Union sicherzustellen“). Sie stellt ebenso wie die Zusammenarbeit des EAD mit den Organen und die Unterwerfung des gesamten auswärtigen Handelns unter gemeinsame Ziele358 eine Form dar, die in Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 EUV vertraglich geforderte Kohärenz mit Leben zu füllen.

IV. Konsularische Aufgaben Der Vertrag von Maastricht hat dem Primärrecht eine Bestimmung hinzuge­ fügt,359 die den Konsulaten der Mitgliedstaaten bzw. den Konsularabteilungen ihrer Botschaften die Möglichkeit eröffnete, konsularische Aufgaben und Funktionen zugunsten von EU-Staatsangehörigen zu übernehmen, sofern im jeweiligen Drittstaat nicht eine eigene konsularische Vertretung vorhanden war. Das im Jahre 2006 veröffentlichte Grünbuch zum diplomatischen und konsularischen Schutz des Unionsbürgers in Drittländern360 untermauerte den Anspruch der Kommis-

357 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 497. 358 Vgl. hierzu im 4.  Teil E. und H. IV. sowie 5. Teil A. I. 4. und E. III. 359 Vgl. Art. 20 EGV. 360 Europäische Kommission, Grünbuch zum diplomatischen und konsularischen Schutz des Unionsbürgers in Drittländern, KOM (2006) 0712 endg. vom 28.11.2006.

E. Aufgaben und Kompetenzen

263

sion, für eine verbesserte Organisation und effektivere Strukturen zur Gewährleistung diplomatischen und konsularischen Schutzes für Unionsbürger in Drittstaaten (Art. 20 EGV) zu sorgen.361 Konsequenterweise nimmt der EU-Vertrag in der Fassung von Lissabon mit Art. 35 UAbs. 3 EUV i. V. m. Art. 20 Abs. 2 UAbs. 1 lit. c AEUV diesen Ge­danken auf und ebnet seinerseits den Weg für ein konsularisches Tätigwerden der EUDelegationen.362 Hiernach sind die Unionsdelegationen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Gewährung konsularischen Schutzes für die Unionsbürger verpflichtet. Der EAD-Beschluss greift diesen Gedanken mit Art. 5 Abs. 10 auf und sieht diesbezüglich vor, dass „[d]ie Delegationen der Union (…) die Mitgliedstaaten im Einklang mit Art. 35 Abs. 3 EUV auf Verlangen und ressourcenneutral in ihren diplomatischen Beziehungen und bei ihrer Rolle [unterstützen], konsularischen Schutz für Bürger der Union in Drittländern bereit[zu] stellen“.

Die primäre Verantwortung für den diplomatischen und konsularischen Schutz liegt folglich (immer noch) bei den Mitgliedstaaten. Eine Situation, in der ein Unionsbürger Hilfe in einem Staat benötigt hätte, in dem keiner der derzeit 28 Mitgliedstaaten mit einer Dienststelle vertreten gewesen wäre, ist bisher nicht bekannt.363 Erwogen wurde bei den Diskussionen über die Aufgaben des EAD auch, ob er die Ausstellung von Visa übernehmen könnte,364 eine Idee, die in der Hoffnung auf Kosteneinsparungen insbesondere bei kleineren Mitgliedstaaten Anklang fand.365 Problematisch ist insofern, dass es sich bei dieser Ausübung konsula­rischer Tätigkeit nach wie vor um eine Hoheitsaufgabe der Nationalstaaten handelt, die als besonders empfindliche Materie oftmals als Grundkompetenz in den Verfassungen der Mitgliedstaaten niedergelegt ist. Der Bereich konsularischer Tätigkeit ist nicht nur von den nationalen Verfassungskulturen stark geprägt, weswegen nationale Vorbehalte gegen die Einrichtung zentraler konsularischer Strukturen in Brüssel bestehen, sondern bildet seinerseits oftmals eine Art politisches „Barometer“ für staatliche Asyl- und Einwanderungspolitik.

361 Zu diplomatischen Schutzmöglichkeiten durch die EG im Rahmen der GASP: Christian Storost, Diplomatischer Schutz durch die EG und EU?, Berlin 2005, S. 129 ff. 362 Kritik an der Übernahme der bereits zuvor bestehenden Bestimmungen zum diploma­ tischen Schutz seitens der EU durch den Konventsentwurf (und in dessen Folge des Reformvertrags), ohne die Chance für eine inhaltliche Aufwertung zu nutzen, äußert Christian Storost, Diplomatischer Schutz durch die EG und EU?, Berlin 2005, S. 258 ff. 363 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 210. 364 Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Bildung 2/2010, S. 15. 365 Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 6.

264

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Zwar hätte den Bedenken der Mitgliedstaaten mit Kompromiss- oder Übergangsvorschlägen366 begegnet werden können, doch wog ein anderes, praktisches Problem ungleich schwerer. Es bestand darin, dass die aus den Kommissions­ einheiten hervorgegangenen Unionsdelegationen nicht über die nötige Erfahrung mit konsularischen Angelegenheiten verfügten,367 sondern – ihrer Entstehung entsprechend – überwiegend auf Wirtschaftsfragen spezialisiert waren.368 Dies wiederum resultierte aus der Tatsache, dass die Delegationen der Kommission meist auf Fragen des Außenhandels spezialisiert waren und erst nach und nach um (außenund sicherheits-)politische Kenntnisse erweitert werden mussten.369 Ungeachtet der Frage des „Wie“ bestanden bereits Zweifel an der prak­tischen Notwendigkeit, den Unionsdelegationen zusätzlich zu den mitgliedstaatlichen Vertretungen konsularische Aufgaben zu übertragen, also an der Frage des „Ob“.370 Die Verwendung der Begriffe „ressourcenneutral“ und „auf Verlangen“ in Art. 5 Abs. 10 EAD-Beschluss lässt darauf schließen, dass dem EAD keine nennenswerten Spielräume für die autonome Gestaltung konsularischer Angelegenheiten eröffnet werden sollten. Aber auch die Formulierung „bei ihrer Rolle [scil. der Rolle der Mitgliedstaaten], konsularischen Schutz (…) bereitzustellen“ bringt zum Ausdruck, dass sich letztlich diejenigen Mitgliedstaaten in den Verhandlungen haben durchsetzen können, die die Übertragung konsularischer Aufgaben auf den EAD ablehnten.371 Der Zurückhaltung der Mehrheit der Mitgliedstaaten bei der Frage, ob dem EAD echte konsularische Aufgaben gewährt werden sollen, steht allerdings, wie die Praxis zeigt, eine Arbeitsteilung zwischen der nationalen Mission und der Unionsdelegation nicht entgegen. So wird beispielsweise hinsichtlich der Berichter-

366 Elmar Brok, Der Europäische Auswärtige Dienst – Konsequenz einer realpolitischen Notwendigkeit, in: Die politische Bildung 2/2010, S. 15. 367 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 255. 368 Michele Comelli/Raffaelle Matarazzo, Rehashed Commission Delegations or Real Embassies? EU Delegations Post-Lisbon, in: Instituto Affari Internazionali (Hrsg.), IAI Working Paper Nr. 23, Juni 2011, S. 5; Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 18, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 369 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Ähnlich: Brian Crowe, The European External Action Service – Roadmap for Success, Royal Institute of International Affairs (Chatham House Report), London 2008, S. 25; Gernot Sydow, Der Euro­ päische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11. 370 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 8: „Ein praktisches Bedürfnis (…) besteht demnach nicht.“ 371 Vgl. auch den Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 20; Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 29.

F. Arbeitssprache

265

stattung über die Bereiche Inneres und Justiz, Menschenrechte und Minderheiten oder hinsichtlich der Auswertung der Presse des Empfangsstaates bereits eine arbeitsteilige Zusammenarbeit der deutschen Mission mit der EAD-Delegation – in englischer Sprache – erfolgreich praktiziert.372

F. Arbeitssprache Die Arbeitssprachen des EAD sind Englisch und Französisch. Die von der Bundesregierung erhobene Forderung nach Deutsch als dritter Arbeitssprache konnte nicht durchgesetzt werden.373 Ob von der im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union behandelten Initiative deutscher Parlamentarier,374 die Unionsorgane, insbesondere die Kommission, anzuhalten, verstärkt auf die Bereitstellung deutscher Übersetzungen ihrer herausgegebenen Dokumente zu achten, eine katalysierende Wirkung auch für den intergouvernementalen Bereich, also auch für die GASP bzw. den EAD, ausgehen wird, bleibt abzuwarten. Die Initiative wurde vor dem Hintergrund gestärkter Rechte der nationalen Parlamente in Europafragen gestartet. Obwohl sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages über die Details des vorzuschlagenden Übersetzungsregimes und der damit einhergehenden Kosten nicht einig waren, befürworteten sie geschlossen, nach­ haltig daran zu erinnern, dass alle Schriftstücke von allgemeiner Bedeutung in alle 23 Amtssprachen375 übersetzt werden müssen und dieses Problem auch bei der Finanzplanung 2014–2020 zu thematisieren. Die Mitarbeiter des EAD kommunizieren intern vorwiegend in englischer Sprache.376 Die von ihnen erstellten Dokumente müssen dem Sprachenregime des jeweils beschlussfassenden Gremiums entsprechen; für die Kommission gilt im Kollegium ein Dreisprachenregime (Deutsch, Englisch, Französisch), für den Rat existiert nur auf Ministerebene und in wenigen Arbeitsgruppen ein sog. Vollsprachenregime,377 im AStV und wenigen anderen Arbeitsgruppen ein Dreisprachenregime, für die Mehrheit der Ratsarbeitsgruppen ein „Marktmodell“, d. h. es wird nur auf Anforderung gedolmetscht.

372

So z. B. in Peking; Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Vgl. Pressemitteilung des Bundestages, heute im bundestag, Nr. 283/2009 vom 25.11.2009: Rede des Staatsministers im Auswärtigen Amt Werner Hoyer (FDP) vor dem Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. 374 BT-Drs. 17/9736 vom 22.5.2012 („Übersetzungserfordernisse der nationalen Parlamente in der mehrjährigen EU-Finanzplanung 2014–2020 berücksichtigen – Übersetzung auch im intergouvernementalen Rahmen sicherstellen“). 375 Art. 1 und Art. 4 der Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Euro­ päische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl.EG 1958, Nr. P 17 S. 385 vom 6.10.1958. 376 Auskunft eines EAD-Vertreters vom 14.2.2013. 377 Beim Vollsprachenregime werden Dokumente in allen Amtssprachen gedolmetscht und vorgelegt. 373

266

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Der Internetauftritt des EAD378 wird in alle Amtssprachen übersetzt. Vollständig verfügbar ist sie bisher379 nur in englischer Sprache. In andere Amtssprachen, so auch in die französische und deutsche Sprache, sind darüber hinaus die Navi­ gationsbereiche der Internetseite übersetzt; die Inhalte hingegen sind noch nicht (vollständig) in die jeweiligen Amtssprachen übertragen, sondern mit der englischen Originalfassung gefüllt. Diese Tatsache erklärt sich entweder daher, dass auch auf EU-Ebene die englische Sprache zur „Lingua franca“ avanciert und das Französische mehr und mehr ablöst, oder aber auch schlicht daher, dass die für den EAD verantwortliche erste Hohe Vertreterin britischer Herkunft ist, ebenso wie Teile ihres engsten Mitarbeiterstabes und das Englische von dieser Seite eine Forcierung erfuhr.

G. Personal Das Personal des EAD setzt sich entsprechend der primärrechtlichen Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV aus verschiedenen Quellen zusammen. Der Rekrutierung dieser Bediensteten (unter I.), ihrer Rotation (unter II.), der Entsendung nationaler Diplomaten in den EAD (unter III.) sowie der Identifikation von Ansätzen einer europäischen diplomatischen Kultur (unter IV.) soll in den folgenden Abschnitten nachgegangen werden.

I. Rekrutierung Das für die Arbeit des EAD notwendige Personal besteht gemäß Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV aus Beamten einschlägiger Abteilungen des Generalsekretariats des Rates, der Kommission sowie aus abgeordnetem Personal der nationalen diploma­ tischen Dienste. Diese als „Drei-Quellen-Prinzip“380 beschriebene Rekrutierungsmethode ähnelt dem bereits in der Erklärung Nr. 6 zum Vertrag von Amsterdam für die Policy Unit verwendeten Mechanismus.381 Auf diese Weise wurde ermöglicht, dass die dem Hohen Vertreter bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon unmittelbar unterstehenden Arbeitseinheiten zum großen Teil „im EAD

378

http://www.eeas.europa.eu/. Stand: 8.2.2013. 380 Eigene Übersetzung des von Hillion/Lefebvre verwendeten französischen Ausdrucks „principe tripartite“, vgl. Christophe Hillion/Maxime Lefebvre, Le service européen pour l’action extérieure: vers une diplomatie commune?, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 169, vom 17. Mai 2010, S. 6. 381 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 17, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 172. 379

G. Personal

267

aufgehen“382 konnten; zugleich wurde vermieden, dass es durch die Errichtung des EAD zu allzu umfangreichen Doppelstrukturen kommt.383 Zwar definiert der EU-Vertrag nicht, welche Kriterien für die Beurteilung einer Abteilung des Rates oder der Kommission als „einschlägig“ herangezogen werden sollen.384 Dem zu Art. 27 EUV ergangenen EAD-Beschluss ist jedoch ein Anhang beigefügt, der diejenigen Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche der Kommission und des Generalsekretariats des Rates abschließend auflistet, die in den EAD überführt werden und damit als „einschlägig“ im Sinne des Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV angesehen werden dürfen.385 Hierzu zählen auf Seiten des Generalsekretariats des Rates neben dem bereits erwähnten386 Politischen Stab alle weiteren von Solana geschaffenen zivilen und militärischen Krisenbewältigungs- und Planungseinheiten, die ihm als Hohem Vertreter bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon unmittelbar zugeordnet waren. Im Einzelnen sind dies die Direktion Krisenbewältigung und Planung (CMDP), der Zivile Planungs- und Durchführungsstab (CPCC), der Militärstab der Europäischen Union (EUMS) sowie schließlich das Lagezentrum (IntCen). Hinzukommen ausgewählte Fach- bzw. Länderreferate (Direktionen) der Generaldirektion E sowie schließlich Beamte, die zu EU-Sonderbeauftragten oder die für – hier nicht näher behandelten – Missionen der GSVP abgestellt wurden. Der Kommissionsanteil des EAD-Personals speist sich vorwiegend aus Fachbzw. Länderreferaten der Generaldirektionen „Auswärtige Beziehungen“ und 382 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 17, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 383 Die Entscheidung, die Entwicklungspolitik aus dem Aufgabenportfolio des Außenkommissars (und damit des Hohen Vertreters) herauszulösen und sie zu einer eigenständigen Generaldirektion zu machen, führte jedoch zwangsläufig z. B. zum Entstehen konkurrierender geografischer Referate im EAD und den entsprechenden Kommissionsdienststellen. An diesem Problem wird zukünftig noch zu arbeiten sein, vgl. Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Der Europäische Auswärtige Dienst – Nukleus einer starken Europäischen Außenpolitik, Internationale Politikanalyse, Arbeitsgruppe Europäische Integration, Berlin, März 2009, S. 3; Brian Crowe, The European External Action Service – Roadmap for Success, Royal Institute of International Affairs (Chatham House Report), London 2008, S. 16 f. 384 Welches die einschlägigen Abteilungen sind, bleibt im Primärrecht ebenso offen wie die Frage, nach welchen Kriterien sich die „Einschlägigkeit“ bestimmt, vgl. Maximilian Müngersdorff, Die Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes – Struktur, institutionelle Ansiedlung und Aussicht für die Zukunft, in: M. Niedobitek/S. Ruth (Hrsg.), Die neue Union – Beiträge zum Verfassungsvertrag, Berlin 2007, S. 100; zu den Optionen: Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S.  103 ff. 385 Vgl. Anhang ab S. 354; zu den allein nach dem Primärrecht möglichen Optionen vgl. Lars Ole Petersen, Euro­päisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 227 ff. 386 Vgl. hierzu in diesem Teil unter D. III. 1.

268

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

„Entwicklung“ sowie aus den 130 Delegationen der Kommission.387 Damit arbeiten seitens der Kommission vor allem Teile der zur „RELEX“-Familie zusammengefassten Generaldirektionen388 in Gestalt des EAD weiter. Die kommissions­ interne Koordination, die die Generaldirektion RELEX einst ausübte, wird nun von den Generaldirektionen Handel und Entwicklung wahrgenommen.389 Zum Personal des EAD zählen Beamte und sonstige Bedienstete der EU, einschließlich der auf Zeit ernannten Bediensteten aus dem „Bestand“ diploma­tischer Dienste der Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs. 2 EAD-Beschluss). Daneben kann der EAD, sofern erforderlich, eine begrenzte Anzahl sog. „nationaler Sachverständiger mit Spezialkenntnissen“ in seinen Dienst stellen (Art. 6 Abs. 3 EAD-Beschluss). Der erste Personaltransfer vom Generalsekretariat des Rates und von der Kommission zum EAD fand zum 1. Januar 2011 statt (Art. 7 Abs. 1 EAD-Beschluss).390 Zu diesem Zeitpunkt umfasste der Personalbestand, abweichend von den Angaben des ursprünglichen Plans,391 2805 Mitarbeiter der Kommission (davon 1084 lokale Bedienstete) und 675 Mitarbeiter des Rates. Zuzüglich der 118 zusätzlichen Planstellen für nationale Beamte, die dem Personalbestand zwischen den Haushalten 2010 und 2011 hinzugefügt wurden, zählte der EAD Ende des Jahres 2011 insgesamt 3611 Mitarbeitern, von denen 1551 in der Zentralverwaltung in Brüssel und 2060 in den Unionsdelegationen arbeiten.392 Bis Ende des Jahres 2013 wird der EAD um insgesamt 160 zusätzliche Beamtenstellen erweitert, die für Diplomaten aus den Mitgliedstaaten vorgesehen sind.393 387 Die Unterhaltung von Delegationen in Drittstaaten konnte sich bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nicht auf eine vertragliche Grundlage, sondern lediglich auf die gängige Praxis stützen, vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 947; Bothe leitete das aktive Gesandtschaftsrecht aus der Notwendigkeit her, die sich durch die auswärtigen Aktivitäten der Europäischen Kommission de facto ergebe, vgl. Michael Bothe, Die Stellung der Europäischen Gemeinschaften im Völkerrecht, ZaöRV 1977, S. 133. 388 Zur „RELEX-Familie“ zählen alle Arbeitsbereiche, die mit außenpolitischen Aufgaben betraut sind, unter Geltung des Vertrags von Nizza der Generaldirektion Außenbeziehungen (RELEX) selbst, ferner Einheiten, die den Generaldirektionen Handel, Entwicklung und Erweiterung angehörten. 389 Peter Chase, The EU’s External Action Service: Will it Deliver?, in: Brussels Forum – ­Paper, März 2011, S. 5. 390 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11. 391 Ursprünglich waren 411 Stellen für Mitarbeiter des Rates, 1114 Stellen für Mitarbeiter der Kommission vorgesehen, vgl. zu den Zahlen: Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 3. 392 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 21. 393 Zu den Zahlen: Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 3.

G. Personal

269

Anstellungsbehörde für das gesamte Personal des EAD ist das Amt des H ­ ohen Vertreters; dieser kann seine Befugnisse innerhalb des EAD jedoch delegieren.394 Die eigene Personalhoheit stellt die logische Folge des Zugeständnisses funk­ tionaler Eigenständigkeit des EAD dar.395 Eine Ausnahme bildet das Personal der Kommission, das die operativen Mittel der Unionsdelegationen verwaltet;396 dieses untersteht, was Beförderungen und Ernennungen anbelangt, weiterhin der Kommission.397 Die Einstellung des Personals erfolgt ausweislich Art. 6 Abs. 6 und 8 EADBeschluss auf der Grundlage des Leistungsprinzips.398 Auch eine angemessene geografische Streuung und ein angemessenes Geschlechterverhältnis soll sichergestellt werden. Das Drei-Quellen-Prinzip bildet nicht nur den Maßstab für das einzustellende, sondern auch für das einstellende Personal des EAD. Dies bedeutet, dass auch die Zusammensetzung des jeweiligen Einstellungsgremiums dem Grundsatz dreier Rekrutierungsquellen (Kommission, Rat, Mitgliedstaaten)399 entsprechen muss, wobei der Kommission bei der Auswahl der Delegationsleiter durch das Zustimmungserfordernis ein Prä eingeräumt wurde.400 Wenngleich der Vertrag in Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV die drei Quellen benennt, aus denen sich der Personalbestand des EAD speist, lässt er die numerischen Anteile der einzelnen Komponenten bewusst offen.401 Bei den Verhandlungen über den EAD wurde eine Zusammensetzung von je etwa einem Drittel erwogen,402 wobei das Personal trotz unterschiedlicher institutioneller Herkunft gleichgestellt sein soll (Art. 6 Abs. 7 EAD-Beschluss). Ein fest anvisiertes Ziel besteht darin, den Anteil des Personals aus den Mitgliedstaaten bis Mitte 2013 auf mindestens ein Drittel des Personals der Funktionsgruppe „Administration“ (AD-Ebene) zu steigern.403 394

Art. 6 Abs. 5 EAD-Beschluss, Art. 95 Abs. 1 EU-Beamtenstatut. Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. 396 Vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2 EAD-Beschluss. 397 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 33. 398 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 26. 399 Vgl. Art. 6 Abs. 8 EAD-Beschluss. 400 Christophe Hillion/Maxime Lefebvre, Le service européen pour l’action extérieure: vers une diplomatie commune?, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 169, vom 17. Mai 2010, S. 6. Zur Personalrepräsentanz nach Nationalität siehe noch im diesem Abschnitt. 401 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 18, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). 402 Annette Heuser, Diplomaten für Europa – Eckpunkte zur Gestaltung des Europäischen Aus­wärtigen Dienstes, in: Reform-Spotlight 2/2005, S. 4; Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 11. 403 Art. 6 Abs. 9 EAD-Beschluss. Nicht mitgerechnet werden hierbei die abgeordneten nationalen Sachverständigen, vgl. 12. Erwägungsgrund des EAD-Beschlusses. Einem Bericht der 395

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Im Jahr 2011 betrug der Anteil insgesamt bereits 19 %.404 Jedoch besteht noch ein deutliches Gefälle der Anteile zwischen den Unionsdelegationen und der Zentrale: Während in den Delegationen 29 % aller AD-Stellen durch Diplomaten aus den Mitgliedstaaten besetzt sind, beträgt deren Anteil in der Zentralverwaltung lediglich 13 %.405 Über die Besetzung der Stellen im EAD einschließlich der genannten Anteile legt der Hohe Vertreter dem Europäischen Parlament und dem Rat jährlich einen Bericht vor.406 Die Personalrepräsentanz nach Nationalität war während der Verhandlungen über den EAD immer wieder Gegenstand kontrovers geführter Diskussionen.407 Kleinere Mitgliedstaaten forderten bei der Besetzung der EAD-Posten zunächst (feste) Quoten für ihre Staatsangehörigen,408 weil sie befürchteten, ihre Stimme würde ansonsten innerhalb des neuen Dienstes untergehen. Ungeachtet der Tat­ sache, dass sie sich mit dieser Forderung nicht durchsetzen konnten, wurde auf ihre Initiative die Formulierung der „geografischen Ausgewogenheit“ im EADBeschluss409 aufgenommen, die eher einem proportionalen Bevölkerungsschlüssel entspricht.410 Die nationale Ausgewogenheit soll eines der zu überprüfenden Kriterien des Berichts im Jahr 2013 bilden.411 Die Personalverantwortung für alle Mitarbeiter des EAD ebenso wie für das Auswahlverfahren und die Ernennung liegen beim Hohen Vertreter. Für die Einstellung von Führungskräften und Delegationsleitern zieht er einen Beratenden „Presse“ zufolge, die sich auf den EAD-Personalbericht vom 24.7.2012 beruft, ist Deutschland im EAD unterrepräsentiert (Quote von 9,3 % statt 16,3 %), vgl. Oliver Grimm, Trübsal in ­Ashtons Superdienst, Die Presse vom 7.9.2012. Dies dürfte durch den Bericht der Bundesregierung vom 19.12.2012 als bestätigt gelten: Dritter Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen, BT-Drs. 17/11942 vom 19.12.2012, S. 6 (von 920 EAD-Posten im vergleichbaren höhreren Dienst sind 85 Posten mit deutschem Personal besetzt, was eine Quote von 9,24 % ergibt). 404 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 24. 405 Zu den Zahlen vgl. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 24. 406 Art. 6 Abs. 9 S. 3 EAD-Beschluss. 407 Nikolas Busse, Autonom oder angebunden?, FAZ vom 23.10.2009, S. 10; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWPArbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 5. 408 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 206; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 6. 409 Vgl. Art. 6 Abs. 6 und 8 EAD-Ratsbeschluss. Hierzu auch: Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 6. Ebenso wird auf ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter geachtet. 410 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 6. 411 Art. 6 Abs. 6 EAD-Beschluss. Hierzu unter I. II. Auch an den Bundestag richteten sich ähnliche Anfragen zur Rekrutierungspolitik für den EAD, wie die des Bündnisses 90/Die Grünen, vgl. Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/4110 vom 2.12.2010.

G. Personal

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Ausschuss für Ernennungen412 hinzu. Auch er setzt sich entsprechend des DreiQuellen-Prinzips aus Vertretern der Kommission, des Rates und der Mitgliedstaaten zusammen. Die einzustellenden Führungskräfte und Delegationsleiter werden vom Hohen Vertreter auf der Basis einer zuvor von der Kommission genehmigten Kandidatenliste („shortlist“) ernannt.413 Für die Einstellung in den EAD sind spezifische Regeln z. B. hinsichtlich der Beurteilung, der Beförderung, aber auch hinsichtlich der Gleichbehandlung von ständigen und entsandten nationalen Bediensteten sowie ein spezielles Verfahren für nationale Sachverständige entwickelt worden.414 Grundlage für Personal­fragen im EAD bildet Art. 6 des EAD-Beschlusses. Dieser bestimmt das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften415 für anwendbar. Darüber hinaus statuiert Art. 6 Abs. 4 S. 1 EAD-Beschluss einen Verhaltens­ kodex, der für das gesamte Personal gilt. Hiernach richten die beim EAD beschäftigten Personen die Erfüllung ihrer Aufgaben ausschließlich am Unionsinteresse aus. Abgesehen von einigen im Beschluss selbst geregelten Weisungsverhältnissen416 ist es dem EAD-Personal untersagt, Weisungen gleich welcher Regierung, Behörde, Organisation oder Person außerhalb des EAD entgegenzunehmen.417 412

Englisch: Consultative Committee on Appointments (CCA). Durch den Gemeinsamen Brief und Non-Paper der Außenminister Belgiens, Estlands, Finnlands, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, der Niederlande, Polens und Schwedens an die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Catherine Ashton, vom 8.11.2011 ist bekannt geworden, dass hinsichtlich der Einstellungsverfahren unter der Leitung von Ashton große Unzufriedenheit herrscht. Zu den Gründen: Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAP analyse Nr. 12, September 2012, S. 12. 413 Art. 95 Abs. 2 EU-Beamtenstatut; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 205. 414 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 27. 415 Verordnung Nr. 31 (EWG), Nr. 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschafts­ gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl.EG 1962, Nr. P 45 S. 1387 ff. vom 14.6.1962, zuletzt geändert durch: Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1080/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, berichtigt durch: ABl.EU 2012, Nr. L 144 S. 48 vom 5.6.2012. 416 Ausgenommen und damit weisungsbefugt sind der Hohe Vertreter, die Kommission, der Präsident des Europäischen Rates und die Leiter der EU-Delegationen, vgl. Art. 2 Abs. 1, dritter Spiegelstrich; Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 3 EAD-Beschluss. 417 Die Bestimmung entspricht damit zum Teil dem von Maurer und Reichel unterbreiteten Vorschlag, die EAD-Beamten auf einen „Diplomatic Code of Conduct“ zu verpflichten, vgl. Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines DreiPhasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 7 f.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Dasselbe gilt für Vergütungen (Art. 4 S. 2 EAD-Beschluss). Somit soll sicher­ gestellt werden, dass das Personal des EAD nicht durch finanzielle Zuwendungen von dritten Stellen bei seinen Entscheidungen in Interessenskonflikte gerät oder sogar der Anschein eines Amtsmissbrauchs entsteht.

II. Rotation Dem Grundsatz der Rotation (im EAD-Beschluss: „Mobilitätsregelung“) zufolge ist das gesamte Personal418 des EAD verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Dienst in den Delegationen der Union zu leisten (Art. 6 Abs. 10 S. 3 EAD-Beschluss).419 Das Rotationsprinzip bewirkt einen regelmäßigen Wechsel zwischen der Beschäftigung in der Zentralverwaltung und den EU-Delegationen, die für nationale Beamte auf eine maximale Dauer von acht Jahren beschränkt ist. Nach Art. 6 Abs. 10 EAD-Beschluss ist der Hohe Vertreter angehalten, eine entsprechende Mobilitätsregelung festzulegen. Wie auch im Auswärtigen Amt praktiziert dienen die zeitliche Begrenzung und die regelmäßige Versetzung dazu, der Herausbildung von amtsmissbräuchlichen Strukturen vorzubeugen. Diese Praxis entspricht den in diplomatischen Diensten allgemein üblichen Routinen.420 Bei der Bemessung der Entsendezeitperiode sollten Fort- und Ausbildungs­ zeiten im EAD berücksichtigt werden, um zu vermeiden, dass durch eine Reihe unbedacht verkürzter Entsendungen die Arbeitsleistungen des EAD erheblich geschmälert werden. Gegebenenfalls ist seitens der Mitgliedstaaten eine Anpassung der Rotationszeitpunkte oder -rhythmen erforderlich.421

418

Ausnahmen bestehen für Mitarbeiter der Direktion Krisenmanagement und Planung, des Stabs für die Planung und Durchführung ziviler Operationen, des Militärstabs und des Lagezentrums, vgl. Art. 6 Abs. 10 i. V. m. Art. 4 Abs. 3 lit. a, dritter Spiegelstrich EADBeschluss. 419 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Aus­wärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 107; Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 206. 420 Für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland regelt dies § 5 Abs. 1 GAD. Der Wechsel des Einsatzortes (und des Fachgebietes) erfolgt in der Regel alle drei bis vier Jahre. 421 Julia Lieb/Andreas Maurer, Der Europäische Auswärtige Dienst – Notwendige Vorarbeiten gegen ein böses Erwachen, SWP-Aktuell 35, Mai 2008, S. 4 f. Vgl. auch 6. Teil B. II. 2.

G. Personal

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III. Entsendung Wer nach Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV zum „abgeordneten Personal der nationalen diplomatischen Dienste“ zählt, bestimmen die Mitgliedstaaten selbst. Es muss hierbei nicht zwingend um Personen mit Diplomatenstatus handeln. So lassen Deutschland und Frankreich beispielsweise Bewerbungen von Staatsbediensteten zu, die nachweislich im Bereich der auswärtigen Beziehungen und/oder in der Europapolitik kompetent sind und eine entsprechende Berufserfahrung vorweisen können.422 Das aus den nationalen diplomatischen Diensten für den EAD rekrutierte Personal muss sich zunächst auf die Positionen bewerben.423 Eine Entsendung in den EAD ist für die maximale Dauer von acht Jahren möglich; eine Verlängerung um (wiederum maximal) zwei Jahre ist ausnahmsweise möglich (Art. 6 Abs. 11 S. 2 EAD-Beschluss und Art. 50b BBSB). Seitens des Auswärtigen Amts ist ein Regelentsendezeitraum von vier Jahren vorgesehen, bei der auch etwaige Aus- und Fortbildungszeiten während der Tätigkeit für den EAD berücksichtigt sind.424 Die nach Art. 6 Abs. 10 EAD-Beschluss möglichen weiteren vier Jahre sollen im Hinblick auf die Reintegration des entsandten Personals in die Heimatbehörden, die von dem beim EAD erworbenen Wissen der „Rück­ kehrer“ profitieren wollen, die absolute Ausnahme bilden.425 Mit der Dauer des Entsendungszeitraums korrelieren zwei andere Aspekte, einerseits die der Identifikation des entsandten nationalen Beamten mit seinem Heimatland und andererseits die Auswirkungen für die Entwicklung eines gemeinsamen, europäischen Korpsgeistes. Aller Wahrscheinlichkeit nach birgt eine lange Verweildauer im EAD (z. B. das Maximum von acht Jahren) eher die Gefahr von Loyalitätskonflikten während oder nach der Tätigkeit im EAD, in dem die nationalen Beamten nur dem Interesse der Union verpflichtet sind, als eine nur kurze Entsendung. Genauso kann jedoch davon ausgegangen werden, dass eine lange Entsendung eines nationalen Diplomaten in den EAD die nötige Stabilität und Kontinuität für das Heranreifen eines gemeinsamen, europäischen Korpsgeistes ermöglicht,426 während eine kurze Entsendung diesem Ansinnen eher zuwider läuft. Ist der Entsendezeitraum abgelaufen und der nationale Beamte in den ihn entsendenden Mitgliedstaat zurückgekehrt, ist Letzterer verpflichtet, die sofortige 422 Christophe Hillion/Maxime Lefebvre, Le service européen pour l’action extérieure: vers une diplomatie commune?, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 184, vom 25. Oktober 2010, S. 6 mit Anm. 11. 423 Julia Lieb, Diplomatisches Neuland für die EU – Den Erfolg des Europäischen Auswärtigen Dienstes durch regelmäßige Evaluierung sichern, SWP-Aktuell 5, Februar 2011, S. 2. 424 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 425 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 426 Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 21 f. (noch zum Verfassungsvertrag).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Wiederverwendung der entsandten Beamten im Anschluss an ihre Tätigkeit für den EAD zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 11 EAD-Beschluss). Einen anderen Gesichtspunkt betrifft die Frage, ob und inwieweit sich die Tätigkeit im EAD nach der Rückkehr im Heimatland z. B. bei Beförderungsentscheidungen als karrierewirksam erweist.427 Eine frühzeitige und vorausschauende Rückkehrplanung über die weitere dienstliche Verwendung sowie gegebenenfalls entsprechende Absprachen können dem Eintreten von Nachteilen durch (organisatorische oder technische) Inkompabilitäten und damit einer Aufstiegshemmung vorbeugen.428

IV. Ansätze einer europäischen diplomatischen Kultur Das Zusammentreffen der – in den Außenministerien der Mitgliedstaaten unterschiedlich sozialisierten – Diplomaten im EAD kann zu Konflikten führen und in Bezug auf den EAD damit das Bedürfnis nach Anpassung der nationalen Aus­ bildungen und der Laufbahnen auf den Plan rufen. Auch hinsichtlich der Arbeitsmethoden und Arbeitskultur des aus Kommission und Rat stammenden Personals besteht noch Harmonisierungsbedarf.429 Die Ursache etwaiger Reibungsverluste für die Arbeit des EAD liegt darin begründet, dass die Organisationsstrukturen der Verwaltungen und demzufolge auch die von ihnen getragenen Ausbildungen sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat zuweilen sehr stark voneinander unterscheiden.430 Ein einheitliches Training für alle im EAD rotierenden Bediensteten könnte

427 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 59. 428 Erste empirische Befunde zur Einstellungs- und Entsendepraxis des Bundes und der Länder bei: Heinrich Siedentopf/Benedikt Speer, Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse in der Einstellungs- und Entsendepraxis des deutschen höheren Ministerialdienstes, hrsg. von der Berliner Initiative für mehr Internationalität in Bildung, Ausbildung und Personalpolitik, Berlin 2004; vgl. auch Dritter Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen, BT-Drs. 17/11942 vom 19.12.2012. 429 Vgl. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 22; vgl. in diesem Teil unter D. III. 1. und 2. (dort zur Problematik der faktischen Trennung von Einheiten unterhalb der politischen Leitungsebene nach ihrer ursprünglichen Herkunft aus Kommission oder Rat und der damit verbundenen Perpetuierung unterschiedlicher Arbeitskulturen); Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 151 f.; Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 327 („Inhomogenität“); Oliver Grimm, Trübsal in Ashtons Superdienst, Die Presse vom 7.9.2012. Ansätze einer organisa­ tionssoziologischen Betrachtung des EAD bei: Bastien Nivet, Europeanizing European foreign policies by forging European diplomats?, Institut de Relations Internationales et Stratégiques, Working Paper, Paris, Juli 2011. 430 Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 21 (mit Fn. 46).

G. Personal

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die Heterogenität der Verwaltungsapparate, aus denen sie stammen, ausgleichen. Diesen Gedanken aufgreifend sieht Art. 6 Abs. 12 EAD-Beschluss daher vor, dass „(…) Vorkehrungen für eine geeignete gemeinsame Fortbildung des EAD-Personals getroffen [werden]; dabei wird insbesondere auf Vorgehensweisen und Strukturen aufgebaut, die auf nationaler und auf Ebene der Union vorhanden sind. (…)“

Erste Konzepte für diesbezügliche Aus- und Fortbildungsprogramme auf europäischer Ebene wurden lange vor der Gründung des EAD bereits in den 1990er Jahren entworfen, um die nationalen Diplomatenausbildungen zu ergänzen und das Interesse an der Herausbildung einer gemeinsamen europäischen diplomatischen Kultur zu wecken.431 Ausgangspunkt der Überlegungen bildete der sog. Williamson-Bericht vom 27. März 1996, der mit den darin vorgesehenen Ausund Fortbildungsprogrammen vom heutigen Standpunkt aus betrachtet richtungs­ weisend wirkte. Das European Diplomatic Programme (EDP),432 konzipiert und angenommen vom Politischen Komitee des Rates im Jahr 1999, sah u. a. den Aufbau von Netzwerken europäischer Diplomaten vor, die transnationale Trainings mit verschiedenen Lehrmodulen anbieten können. Das Programm ist auf den diplomatischen Nachwuchs der Mitgliedstaaten ebenso wie auf das Personal der Kommission und des Rates zugeschnitten. Es existiert kein fester Ausbildungsstandort, sondern wird zumeist in dem Mitgliedstaat ausgerichtet, der im Zeitpunkt des Trainings die Ratspräsidentschaft innehat. Der nächste Entwicklungsschritt lag in dem 2004 erfolgten Zusammenschluss von 17 Lehr- und Forschungseinrichtungen aus verschiedenen Mitgliedstaaten und (damaligen) Beitrittskandidaten im Rahmen der European Diplomatic Training Initiative (EDTI),433 deren Ziel es damals schon im Hinblick auf den Aufbau des europäischen auswärtigen Dienstes war, ein kohärentes Kursprogramm anzubieten, das von nationalen Regierungen und Institutionen zur Aus- und Weiter­ bildung ihres Personals für die Vorbereitung auf einen Auslandsposten genutzt werden kann. Neben den beschriebenen Vorschlägen, die nationalen Diplomaten durch Adhoc-Schulungen für ihre Zusammenarbeit im EAD zu sensibilisieren, wurde in der 431 Vgl. hierzu bereits in diesem Teil unter B. II. Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 27. 432 European Diplomatic Programme, vom Politischen Komitee des Rates am 26.11.1999 angenommen [abgedruckt in: Diplomatische Akademie Wien (Hrsg.), The Future of European Diplomacy, Wien 2001]. Es findet im Ausbildungszeitraum 2012–2013 bereits in 13. Auflage und immer mit wechselnden thematischen Schwerpunkten statt. Eine Übersicht über die alle Jahresprogramme inklusive der Ausbildungsmodule ist unter: http://eeas.europa.eu/ delegations/edp/index_en.htm (letzter Abruf: 29.5.2013) einsehbar. 433 Auskunft über die an der Initiative beteiligten Einrichtungen gibt http://www.edti.org/ (letzter Abruf: 8.2.2013). Ein deutsches Institut ist bislang nicht vertreten.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

politischen Praxis und der Wissenschaft auch immer wieder angeregt, eine europäische Diplomatenakademie ähnlich der Europäischen Polizeiakademie434 als Institution mit festem Standort zu gründen.435 Hauptgrund dafür, dass dieser Vorschlag bislang nicht verwirklicht wurde, dürfte – fatalerweise – gerade der in vielen Mitgliedstaaten ausgeprägte Wille sein, an den hergebrachten nationalen Ausbildungsstrukturen festzuhalten; unabhängig hiervon wurde dieser Vorschlag von den Mitgliedstaaten wohl auch angesichts der mit der Gründung einer solchen Diplomatenschule verbundenen Kosten bis heute nicht aufgegriffen.436 Wie eingangs angesprochen ist der Hohe Vertreter durch Art. 6 Abs. 12 EADBeschluss aufgefordert, im Jahr 2011 geeignete Maßnahmen für die gemeinsame Fortbildung des EAD-Personals zu treffen. Ausweislich des ersten Sachstands­ berichts der Hohen Vertreterin „verfolgt der EAD [diesbezüglich] einen zweigleisigen Ansatz“. Dieser besteht darin, einerseits auf bestehende Fortbildungsmöglichkeiten für das im Bereich auswärtiger Angelegenheiten tätige Kommissions- und Ratspersonal zurückzugreifen und es um neue Fortbildungsangebote zu ergänzen, 434 Beschluss des Rates vom 20.9.2005 zur Errichtung der Europäischen Polizeiakademie (EPA) und zur Aufhebung des Beschlusses 2000/820/JI, ABl.EU 2005, Nr. L 256 S. 63 ff. vom 1.10.2005. 435 Vgl. Europäisches Parlament, Bericht über die gemeinsame europäische Diplomatie, Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (Berichterstatter: Galeote Quecedo), A5-0210/2000 vom 24.7.2000 Punkte Q 1 bis 4, Bericht und Aussprache verfügbar unter: http://www.europarl. europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20000904+ITEM-007+DOC+ XML+V0//DE (letzter Abruf: 29.5.2013); Alasdair Blair, Diplomacy: The impact of the EU on its Member States, in: W. Carlsnaes/H. Sjursen/B. White (Hrsg.), Contemporary Foreign Policy, London u. a. 2004, S. 200; Simon Duke, Preparing for European Diplomacy, in: Journal of Common Market Studies 2002, S. 860 ff.; Fraser Cameron, The EU’s External ­Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 255; Jörg Monar, The Case for a Diplomatic Academy of the European Union, in: European Foreign Affairs Review 2000, S. 283 ff.; Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 65. Auch der Abschlussbericht der Konvents-Arbeitsgruppe zum außenpolitischen Handeln enthielt noch den Vorschlag, eine „EU-Diplomatenschule“ zu errichten, vgl. Abschlussbericht der Arbeitsgruppe VII (Außenpolitisches Handeln) des Europäischen Konvents zur Zukunft Europas, CONV 459/02 vom 16.12.2002, S. 6. Der endgültige Konventsentwurf hingegen sah die Einrichtung einer solchen europäischen diplomatischen Akademie nicht mehr vor. Auch die Reflexionsgruppe Europa 2030 greift die Idee einer Diplomatenakademie auf: Projekt Europa 2030 – Herausforderungen und Chancen, Bericht der Reflexionsgruppe an den Europäischen Rat über die Zukunft der EU 2030, S. 46; das Dokument ist abrufbar unter: http://www. consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/de_web.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 436 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 37; Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 28; Monar stellt Vor- und Nachteile eines diplomatischen Ausbildungsprogramms und einer Diplomatenschule einander gegenüber, vgl. Jörg Monar, The Case for a Diplomatic Academy of the European Union, in: European F ­ oreign Affairs Review 2000, S. 284 ff.

G. Personal

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sowie andererseits „fortlaufende Konsultationen“ mit den Mitgliedstaaten und akademischen wie diplomatischen Fortbildungsanbietern zu pflegen.437 Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass eine punktuell integrierte Ausbildung der nationalen Diplomaten auf europäischer Ebene durchaus dem Konsens der Mitgliedstaaten entspricht, eine Institutionalisierung als Akademie auf absehbare Zeit trotz der nun noch engeren Zusammenarbeit im EAD aber wohl nicht auf der Tagesordnung der Mitgliedstaaten stehen wird.438 Es wäre naiv, anzunehmen, dass allein die Gründung des EAD aus dem Konglomerat bestehenden Personals der Europäischen Union die Herausbildung eines gemeinsamen, supranationalen Korpsgeistes, eine gemeinsame diplomatische Kultur bewirken kann, die der sog. „méthode fonctionnaliste“439 entspricht, für die bereits Robert Schuman und Jean Monnet geworben haben.440 Dennoch könnte er zumindest mittelbar eine „Sozialisation als EU-Diploma­ ten“441 katalysieren. Diese auf die Zukunft bezogene Hypothese basiert auf der Annahme, dass bereits die Einrichtung beständiger GASP-Strukturen zu einer „paneuropäischen Sozialisierung mit einer zentripetalen Sogwirkung“,442 und damit zu 437 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 37. Zu den bestehenden Fortbildungsprogrammen und -anbietern vgl. Studie des European Institute of Public Administration, (Hrsg.), Fortbildungsprogramme zur europäischen Integration: Für eine Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen und den Verwaltungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der Fortbildung von Personal und Führungskräften, Maastricht 1999. Einen Vorschlag für ein Ausbildungskonzept, das auch den EAD berücksichtigt, legt ­Lloveras Soler vor, Josep M. Lloveras Soler, The New EU Diplomacy: Learning to Add Value, European University Institute Florence, Working Paper RSCAS 2011/05, S. 18 ff. 438 In dieser Hinsicht optimistischer ist Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 521. 439 Die méthode fonctionnaliste wird in der Erklärung Robert Schumans vom 9. Mai 1950 wie folgt zusammengefasst: „(…) Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen ent­stehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. (…)“, abgedruckt in: Robert-Schuman-Stiftung (Hrsg.), Für Europa, 2. Aufl., Genf 2010, S. 145 ff. Im Original: „(…) L’Europe ne se fera pas d’un coup, ni dans une construction d’ensemble. Elle se fera par des réalisations concrètes créant d’abord une solidarité de fait. (…)“. 440 Ähnlich: Josep M. Lloveras Soler, The New EU Diplomacy: Learning to Add Value, European University Institute Florence, Working Paper RSCAS 2011/05, S. 3. 441 Jacob C. Øhrgaard, International Relations or European Integration, in: B. Tonra/Th. Christiansen (Hrsg.), Rethinking European Union Foreign Policy, Manchester 2004, S. 30 f., 38; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 255. 442 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahr-

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

einer europäischen diplomatischen Kultur führen wird. Der erste Sachstandsbericht der Hohen Vertreterin von Dezember 2011 greift diesen Punkt als einen künftig zu forcierenden Aspekt in der Weiterentwicklung des EAD jedenfalls auf.443

H. Budgetautonomie und Haushaltskontrolle Der Haushalt des EAD bildet einen Teil des EU-Gesamthaushaltes. Für den EAD ist ein eigener Einzelplan im Gesamthaushaltsplan der Union (Art. 314 AEUV) ausgewiesen.444 Es handelt sich um den „Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Dienst“, der die Verwaltungsausgaben des EAD aufführt. In budgetärer Hinsicht wird der EAD damit wie ein echtes Organ der EU behandelt,445 obwohl ihm dieser Status aus rechtlicher Perspektive gerade nicht zukommt.446 Dieser Umstand erklärt sich aus der dem EAD zugestandenen funktionalen Eigenständigkeit im Haushaltsbereich. Deren logische Folge ist zum einen die Budgetautonomie des EAD,447 zum anderen die volle Kontrolle des EAD durch den Rechnungshof nach Art. 287 Abs. 1 AEUV. Mit Ausnahme der operativen Mittel der Unions­ delegationen, die (weiterhin) vom Personal der Kommission verwaltet werden,448 bewirtschaftet der EAD seine Mittel entsprechend dieser ihm zugestandenen Budgetautonomie selbst. Dies gilt auch und insbesondere für die EU-Delegatio­nen, in denen die Delegationsleiter mit der Zuständigkeit für das Verwaltungs­budget des EAD betraut sind, das in der Delegation arbeitende Kommissionspersonal hingegen nicht in die Finanzkreisläufe dieses Verwaltungsbudgets einbezogen ist.449 buch 2011/I, München 2012, S. 94 mit Fn. 43; dort Verweis auf die politikwissenschaft­lichen Theorie bei: Jacob C. Øhrgaard, International Relations or European Integration, in: B. Tonra/ Th. Christiansen (Hrsg.), Rethinking European Union Foreign Policy, Manchester 2004, S. 30 ff. 443 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 38; vgl. hierzu auch unter I. I. 444 Zu den mit Blick auf den EAD herbeigeführten Änderungen im Haushaltsrecht: Art. 322 AEUV i. V. m. Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, ABl.EU 2012, Nr. L 298 S. 1 ff. vom 26.10.2012. 445 Im Gesamthaushaltsplan 2011 wird der EAD entgegen dem im Ratsbeschluss explizit festgelegten Rechtsstatus sogar als „Organ“ bezeichnet, vgl. beispielsweise Gesamthaushaltsplan 2011, Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Dienst, ABl.EU 2011, Nr. L 68 S. I-498 (Kapitel 4 0–404) vom 15.3.2011; ebenso in der Art. 2 lit. b EU-Haushaltsordnung: Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Auf­hebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, ABl.EU 2012, Nr. L 298 S. 1 ff. vom 26.10.2012. 446 Hierzu in diesem Teil unter D. II. 2. 447 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. 448 Vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 1 EAD-Beschluss. 449 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 35.

H. Budgetautonomie und Haushaltskontrolle

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Konsequenz der Tatsache, dass der EAD einen Teil des Gesamthaushalts der Union bildet, ist, dass er damit auch der vollen Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegt. Von diesem Kontrollrecht machte das Europäische Parlament schon und vor allem in der Phase der Verhandlungen über den EAD-Beschluss erfolgreich Gebrauch.450 Das Startbudget des EAD betrug im Jahre 2011 rund 464,1 Millionen Euro, von denen ca. 39,7 % (184,2 Millionen Euro) für die Zentrale in Brüssel vorbehalten waren.451 Für das Haushaltsjahr 2012 sollte der auf den EAD entfallende Anteil der Gesamtausgaben nach ursprünglicher Planung in etwa stabil bleiben. Vorge­sehen waren für die Zentrale 187,3 Millionen Euro, für die EU-Delegationen 297,6 Millionen Euro. Mit einer leichten Steigerung gegenüber den Vorjahr (ca. 4,3 %) betrugen die Ausgaben für den EAD nach ursprünglicher Planung somit insgesamt 484,9 Millionen Euro.452 Um vor allem die Auszahlung der Gehälter zu gewährleisten und das Tagesgeschäft zu sichern, musste der EAD dann jedoch für das Jahr 2012 eine Aufstockung der Haushaltsmittel um 26,9 Millionen beantragen.453 Zu dem regulären Budget hinzugerechnet werden muss das Budget, das der EAD im Namen der Kommission für die im Zusammenhang mit dem Kommis­ sionspersonal der Unionsdelegationen entstehenden Ausgaben verwaltet (253 Millionen Euro im Jahr 2011).454 Art. 8 des EAD-Beschlusses enthält nähere Bestimmungen zum Haushalt des EAD, so hinsichtlich des Haushaltsaufstellungsverfahrens und der Haushaltstransparenz. Die Mehrzahl der operativen Ausgaben verbleibt in dem die Kommission betreffenden Einzelplan (Einzelplan III) des Gesamthaushaltsplans. Hierzu zählen die wirtschaftlich besonders relevanten Bereiche, so z. B. die Mittel für Entwicklungs- oder Nachbarschaftspolitik.455 Der direkte Zugriff auf Haushaltsmittel 450

Vgl. schon in diesem Teil unter B. Gesamthaushaltsplan 2011, Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Dienst, ABl.EU 2011, Nr. L 68 S. I-512 vom 15.3.2011. Leicht abweichende Zahlen bei: Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 3. 452 Für die Angaben zum Haushaltsjahr 2012: Line-by-line 2012, Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Dienst, S. 10. 453 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 29. 454 Gesamthaushaltsplan 2011, Einzelplan X: Europäischer Auswärtiger Dienst, ABl.EU 2011, Nr. L 68 S. I-509 vom 15.3.2011: „Einnahmen aus einem Beitrag der Kommission an den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) für in Delegationen der EU tätige Kommissionsbedienstete“; Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 28. 455 Vgl. hierzu die insoweit kritische Bewertung der Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens in ihrem Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 9; Dokument abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/ contentblob/626324/publicationFile/171791/120918-Abschlussbericht-ZukunftsgruppeDeutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 451

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

aus dem EU-Haushalt wird dem EAD in Bereichen wie dem GASP-Haushaltsplan oder punktuell für z. B. Wahlbeobachtungseinsätze ermöglicht.456 Durch die Entsendung des Personals, aber auch darüber hinaus ganz grundsätzlich sollen bei der Einrichtung des EAD keine zusätzlichen Kosten entstehen (Grundsatz der Haushaltsneutralität).457 Mit der Zusammenlegung von selbstständigen Organisationseinheiten aus Rat und Kommission, die ohnehin bereits mit auswärtigen Angelegenheiten befasst waren, war von Beginn der Verhandlungen über den EAD die Hoffnung verbunden, eine Einsparung von 10 % der Kosten zu erzielen. Konkrete Anhaltspunkte, wie diese Haushaltsneutralität erreicht werden soll, enthält weder der EAD-Beschluss noch der Entwurf der Hohen Vertreterin aus dem Monat März 2010.458 Es mehren sich jedoch die Stimmen, die davon ausgehen, dass das Ziel, den EAD haushaltsneutral zu errichten, verfehlt wurde.459 Ein anschauliches Beispiel für diese Vermutung bildet die bereits hervorgehobene Einrichtung einer eigenen Rechtsabteilung innerhalb des EAD.460 Sie widerspricht der beim Aufbau des EAD getroffenen Grundsatzentscheidung, nach der dessen Verwaltungsstruktur schlank gehalten (um durch Vermeidung von Doppelstrukturen Kosten zu sparen) und stattdessen soweit wie möglich, mittels Dienstleistungsvereinbarungen, auf Dienste der Kommission und des Rates zurückgegriffen werden soll.461 456 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 23, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Zur gestärkten Rolle des Europäischen Parlaments hinsichtlich der Planung von Wahl­ beobachtungseinsätzen und der Ernennung von EU-Chefbeobachtern vgl. Nr. 9 der „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011; Dietmar Nickel, Die Entstehung des Europäischen Auswärtigen Dienstes aus der Sicht eines Praktikers, SWP-Arbeitspapier FG02, 2010/05, November 2010, S. 8. 457 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 des EAD-Beschlusses („möglichst kostenneutral“). Hierzu auch: Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 205; Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 3. 458 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 250. 459 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 1; Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 3 ff. 460 Vgl. 5. Teil D. III. 1. 461 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 31.

I. Bericht und Überprüfung

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I. Bericht und Überprüfung Die in Art. 13 Abs. 2 S. 1 EAD-Beschluss verankerte Berichtspflicht gibt dem Hohen Vertreter auf, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Arbeitsweise des EAD bis Ende 2011 zu berichten. Diesem Auftrag kam die Hohen Vertreterin Ashton mit dem 16-seitigen Bericht vom 22. Dezember 2011 nach (unter I.).462 Eine Überprüfung von Organisation und Arbeitsweise ist durch Art. 13 Abs. 3 S. 1 EAD-Beschluss für das Jahr 2013 vorgesehen (unter II.).

I. Bericht über die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes Der Bericht der Hohen Vertreterin über die Arbeitsweise des EAD vom 22. Dezember 2011 entspricht einem Sachstandsbericht, der einerseits die Entwicklungen hinsichtlich der Arbeitsweise des EAD seit seiner Inbetriebnahme dokumentiert und andererseits zukünftige Herausforderungen und Prioritäten benennt. Wie vom EAD-Beschluss gefordert, bilden die Bestimmungen zur Erteilung von Weisungen an die Delegationen sowie zum konsularischen Schutz (Art. 5 Abs. 3 und 10 EAD-Beschluss) besondere Schwerpunkte des Berichts. Unter der Überschrift „Politischer Kontext“ werden zunächst überblicksartig die außenpolitischen Aktivitäten zusammengefasst, in die der EAD im ersten Jahr seiner Tätigkeit eingebunden war.463 Im Abschnitt „Aufgaben gemäß dem Vertrag von Lissabon“ werden die Aufgaben und die Rolle des EAD im Organgefüge der Union anhand einiger wesentlicher Schwerpunkte erläutert.464 Der in Art. 13 Abs. 2 EAD-Beschluss niedergelegten Aufforderung an den Hohen Vertreter, in seinem ersten Sachstandsbericht insbesondere Stellung zur Programmplanung im Bereich des auswärtigen Handelns (Art. 9 EAD-Beschluss) zu beziehen, wird mit dem Hinweis versagt, „in der derzeitigen Phase des Programmzyklus [sei] es (…) verfrüht, die jeweiligen Rollen des EAD und der Kommissionsdienste (…) zu beurteilen.“465

462 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018. 463 Vgl. Nr. 3 bis 8. Hierzu zählten vor allem der „Arabische Frühling“, der Nahost-Friedensprozess, das iranische Atomprogramm, Hilfsmaßnahmen am Horn von Afrika, die Überarbeitung der Strategien gegenüber den wichtigsten strategischen Partnern der EU, der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo und die Schaffung eines Gremiums für Krisenbewältigung (Crisis Management Board). 464 Vgl. Nr. 9 bis 20. Als Schwerpunkte werden genannt: „Verpflichtungen im Rahmen des Vorsitzes“, „Kohärenz der EU-Außenbeziehungen“ und „EU-Delegationen“. 465 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 14.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

In der Tat waren zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme des EAD am 1. Dezember 2010 bereits weitgehend alle Rechtsgrundlagen für den mehrjährigen Finanzrahmen 2007–2013 und damit auch für die Programmplanung im Bereich des auswärtigen Handelns geschaffen. Diesem Auftrag des EAD-Beschlusses müsste der Hohe Vertreter mit Blick auf die bereits 2011 gelaufenden Vorbereitungen für den mehrjährigen Finanzrahmen 2014–2020 in der für das Jahr 2013 vorgesehenen Überprüfung des EAD466 nachträglich nachkommen können. Die Bewertung der Umwandlung der Kommissionsdelegationen in 140 bi- oder multilaterale Delegationen der Union fällt durchweg positiv aus.467 Hingewiesen wird jedoch auf die rechtlichen Schwierigkeiten der Entgegennahme von Weisungen der Kommission (Art. 5 Abs. 3 EAD-Beschluss) und die mehrheitliche Ab­ lehnung einer Übertragung konsularischer Aufgaben für EU-Bürger, die sich in Drittländern aufhalten, durch die Mitgliedstaaten.468 Unter der Überschrift „Organisation“ werden im Bericht der Hohen Vertreterin, gegliedert nach sechs Unterpunkten,469 wesentliche Aspekte der EAD-Organisation bewertet. Diese Ausführungen erstaunen an dieser Stelle insoweit, als der Bericht nach Art. 13 Abs. 2 EAD-Beschluss lediglich einen Bericht hinsichtlich der „Arbeitsweise“ des EAD verlangt, wohingegen die nach Abs. 3 der Vorschrift in die für 2013 vorgesehene Überprüfung neben der „Arbeitsweise“ des EAD auch dessen „Organisation“ einbezogen werden soll. Dies zeugt offensichtlich von dem Umstand, dass beide Aspekte nur schwer voneinander zu trennen sind, ein Aufschub der Bewertung der „Organisation“ des EAD auf das Jahr 2013 nicht un­ bedingt durchgehalten werden kann. Den Abschluss des Sachstandsberichts bilden Ausführungen zu „künftigen Prioritäten“.470 Als vorrangig weiterzuentwickelnde Bereiche des EAD werden hierbei genannt: die Konsolidierung der Fähigkeit, politische Inhalte durchzu­ setzen, die weitere Stärkung der Arbeit der Unionsdelegationen, die Forcierung des Aufbaus einer gemeinsamen Organisationskultur im EAD sowie schließlich die Beantwortung offener Fragen, die das Verhältnis des EAD zur Kommission betreffen.

466

Hierzu sogleich unter II. Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 16 bis 20. 468 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 18. 469 Dies sind die Unterpunkte „Struktur“, „Personal/Einstellung“, „Haushaltsführung/Finanzmanagement“, „Ressourcenmanagement“, „Sicherheit“ und „Fortbildung“ (Nr. 21 bis 37). 470 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 38. 467

I. Bericht und Überprüfung

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II. Überprüfung der Organisation und der Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes Neben der Pflicht, einen ersten Sachstandsbericht zu fertigen, sieht Art. 13 Abs. 3 des EAD-Beschlusses die Überprüfung der Organisation und der Arbeitsweise des EAD durch den Hohen Vertreter bis Mitte 2013 vor, bei der insbesondere die Durchführung der Personaleinstellungen einer Untersuchung unterzogen werden sollen. Der Beschluss des Rates über Organisation und Arbeitsweise des EAD soll hierfür analysiert471 und erforderliche Änderungen bis Anfang des Jahres 2014 eingearbeitet werden. Es stand zu erwarten, dass das Auswärtige Amt zusammen mit anderen Außenministerien, wie schon für den ersten Sachstandsbericht,472 auch für die zweite Überprüfung des EAD durch die Hohe Vertreterin im Vorfeld ein gemeinsames Papier erarbeiten würde, das Vorschläge zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des EAD und dessen Zusammenarbeit mit den nationalen diplomatischen Diensten formuliert.473 Ein solches ist am 1. Februar 2013 mit dem Positions­ papier „Strengthening the European External Action Service“ vorgelegt worden.474 Hierin werden beispielsweise die Forderung nach einer engeren Zusammenarbeit des EAD und der Kommission, insbesondere die (budgetrelevante) Überführung der Nachbarschaftspolitik in das Verantwortungsportfolio des Hohen Vertreters, aber auch die Forderung nach der Einrichtung eines Stellvertreters für den Hohen Vertreter und die Reform der Weisungsketten im EAD wiederholt und durch ent­ sprechende Vorschläge zur Implementation ergänzt.475 471 Julia Lieb/Martin Kremer, Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes: Stand und Perspektiven, in: integration 2010, S. 207. Nachdruck verleiht dieser Forderung nochmals die Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens in ihrem Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 3, 8; Dokument abrufbar unter: http:// www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918Abschlussbericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 472 Gemeinsamer Brief und Non-Paper der Außenminister Belgiens, Estlands, Finnlands, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, der Niederlande, Polens und Schwedens an die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Catherine Ashton, vom 8. November 2011; siehe auch: Nikolaus Busse, Klage über den Auswärtigen Dienst der EU, FAZ vom 14.12.2012, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/brief-von-12-staaten-klageueber-auswaertigen-dienst-der-eu-11563442.html (letzter Abruf: 29.5.2013). 473 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 474 Non-Paper der Außenministerien Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Italiens, Lettlands, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Schwedens, der Slowakei und Spaniens vom 1. Februar 2013; Dokument abrufbar unter: http://eurotradeunion. eu/documents/20130201_nonpaper.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 475 Non-Paper der Außenministerien Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Italiens, Lettlands, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Schwedens, der Slowakei und Spaniens vom 1. Februar 2013; S. 1, 2. Dokument abrufbar unter: http://euro tradeunion.eu/documents/20130201_nonpaper.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013).

284

5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Die Formulierung des Art. 13 Abs. 3 EAD-Beschluss ähnelt der einer Evaluationsklausel, wie sie im deutschen Recht verbreitet ist.476 Mit einer solchen wird eine Vorschrift bezeichnet, die eine nachträgliche Überprüfung einer einzelnen Norm oder eines gesamten Regelungswerkes, z. B. eines Gesetzes, innerhalb eines festgelegten Zeitraums oder zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Norm anordnet und die entweder dazu dient, die Erreichung der mit der Vorschrift verfolgten Ziele im Nachhinein zu überprüfen und/oder bezweckt, eingetretene Nebeneffekte zu erfassen, beides mit der Intention, Schlüsse hinsichtlich eines etwaigen Novellierungsbedarfs zu ziehen.477 Allerdings enthält Art. 13 Abs. 3 EAD-Beschluss weder konkrete Angaben hinsichtlich des durch die Überprüfung zu erreichenden Ziels (z. B. Effektivitäts- und/oder Effizienzanalyse)478 noch zu der hierzu zu verwendenden wissenschaftlichen Methode.479 Schließlich lässt sie Anhaltspunkte hinsichtlich der für die Bewertung relevanten Prüfkriterien vermissen.480 Die damit weit gefasste Formulierung der Vorschrift („eine Überprüfung der Organisation und Arbeitsweise“) deutet darauf hin, dass sie eine umfassende Ex-post-Bewertung des EAD bezweckt.481 Im Sinne einer Erfolgskontrolle besteht ihr Hauptinteresse somit darin, Schwachstellen im Arbeitsprozess des EAD oder auch Defizite in der praktischen Umsetzung zu identifizieren und hieraus gegebenenfalls entsprechende Handlungsempfehlungen für die Zukunft zu formulieren.

476

Bastian Jantz/Sylvia Veit, Bessere Rechtsetzung durch Befristungs- und Evaluationsklauseln? Empfehlungen zur Befristung von Bundesgesetzen in Deutschland auf Basis einer empirischen Auswertung internationaler Erfahrungen, Gutachten, Mai 2010. 477 Zu den Elementen und den Zielen retrospektiver Gesetzesfolgenabschätzungen bzw. Expost-Gesetzesevaluationen: Carl Böhret/Götz Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, Baden-Baden 2001, S. 255 f. und Jan Ziekow/Alfred G. Debus/Axel Piesker, Leitfaden zur Durchführung von ex-post-Gesetzes-evaluationen unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Folgen vom 18.11.2012, Dokument verfügbar unter: http://www.bfdi. bund.de/SharedDocs/Publikationen/Allgemein/Evaluation_Leitfaden.html?nn=408908 (letzter Abruf: 29.5.2013). 478 Der Zusatz in Art. 13 Abs. 3 EAD-Beschluss „(…) bei der unter anderem die Durch­ führung des Artikels 6 Absätze 6, 8 und 11 behandelt wird“ (Hervorhebung nur hier) benennt insoweit nur einen Teilaspekt der Überprüfung. 479 So auch: Julia Lieb, Diplomatisches Neuland für die EU – Den Erfolg des Europäischen Auswärtigen Dienstes durch regelmäßige Evaluierung sichern, SWP-Aktuell 5, Februar 2011, S. 4. 480 Es überrascht daher nicht, dass die Bestimmung bereits im Entwurfsstadium den Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bildete (Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/103 vom 27.11.2009, S. 3). Erbeten war hierin insbesondere Auskunft über die nach der Meinung der Bundesregierung relevanten Kriterien für den Sachstandsbericht und der sich anschließenden Überprüfung. Siehe auch Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 3. 481 Zur Ex-post-Evaluation deutscher Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften: Carl Böhret/Götz Konzendorf, Handbuch Gesetzesfolgenabschätzung, Baden-Baden 2001, S.  255 ff.

I. Bericht und Überprüfung

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Der gemessen am Zeitpunkt des Inkrafttreten des EAD-Beschlusses relativ kurze Untersuchungszeitraum482 birgt zwar einerseits das Risiko von Fehleinschätzungen oder Überbewertungen anfänglicher Systemfehler oder Probleme; andererseits bietet er die Chance und die Möglichkeit, Fehlentwicklungen früh­zeitig entgegenzusteuern und die Entwicklung des EAD damit insgesamt positiv zu beeinflussen. Die Erfahrungen mit dem Ende 2011 vorgelegten Sachstandsbericht dürften gezeigt haben, dass eine Überbewertung anfänglicher Probleme durchaus vermeidbar ist, wenn die Einschätzungen, Prognosen und Tendenzen nur ihrem Stellenwert gemessen gewichtet und in die Bewertung eingestellt werden. Für die Überprüfung vorgeschlagen wurde die Erstellung von Fragebögen und eine repräsentative sog. 360-Grad-Evaluierung, die nicht nur ausgewählte Ein­ heiten des EAD selbst, sondern auch andere Unionsorgane und -einrichtungen, nationale (Außen-)Ministerien oder sogar Partner außerhalb der Union einbezieht,483 die mit dem EAD kooperieren oder von der Einrichtung des EAD betroffen sind.484 Das Ziel einer solchen Evaluation könnte darin bestehen, zu analysieren, ob der EAD der ihm zugedachten Rolle in der Vertretung der auswärtigen Interessen der Union gerecht wird, welche Faktoren dem EAD zu Erfolgen verhelfen, aber auch zu ergründen, welche Umstände die Arbeit des EAD behindern, dieses Ziel zu erreichen. Schließlich könnte die Beurteilung seiner Funktionsfähigkeit oder der Art und Weise seiner Personalrekrutierungen von Interesse für eine Evaluation sein. Insbesondere die praktischen Erfahrungen der Pilotvertretung des EAD bei der Afrikanischen Union in Addis Abeba485 könnten von besonderem Nutzen sein und daher in die Evaluation und den Bericht des Hohen Vertreters einfließen.486 Nachliefern sollte die Überprüfung auf jeden Fall die eigentlich bereits für den Sachstandsbericht vorgesehene Bewertung der Programmplanung (Art. 13 Abs. 2

482 Zu den zeitlichen Aspekten einer retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung in dem vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Auftrag gegebenen Leitfaden: Jan Ziekow/Alfred G. Debus/Axel Piesker, Leitfaden zur Durchführung von ex-postGesetzesevaluationen unter besonderer Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Folgen vom 18.11.2012, Dokument verfügbar unter: http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publika­ tionen/Allgemein/Evaluation_Leitfaden.html?nn=408908 (letzter Abruf: 29.5.2013). Evalua­ tionsklauseln deutscher Bundesgesetze sehen danach in der Regel einen Untersuchungszeitraum von drei bis fünf Jahren vor. 483 In eine ähnliche Richtung geht die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 17/362 vom 21.12.2009, S. 6): „Grundsätzlich sollten alle für den Aufbau und die Funktionsweise relevanten Aspekte des EAD, einschließlich des Zusammenwirkens mit anderen EU-Institutionen, (…) berücksichtigt werden.“ 484 Julia Lieb, Diplomatisches Neuland für die EU – Den Erfolg des Europäischen Auswärtigen Dienstes durch regelmäßige Evaluierung sichern, SWP-Aktuell 5, Februar 2011, S. 4. 485 Die Pilotvertretung in Addis Abeba bei der Afrikanischen Union wurde im Januar 2008 eingerichtet, vgl. http://eeas.europa.eu/delegations/african_union/about_us/welcome/index_en.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 486 Andreas Maurer/Sarah Reichel, Der Europäische Auswärtige Dienst – Elemente eines Drei-Phasen-Plans, SWP-Aktuell 53, November 2004, S. 7 (noch zum Verfassungsvertrag).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

EAD-Beschluss).487 Vorgesehen ist, dass die Überprüfung der Frage der „geografischen Streuung“ des EAD-Personals nachgeht und Vorschläge für die Korrektur eventueller Ungleichgewichte liefert.488 Da bereits im Sachstandsbericht Ende 2011 Ausführungen zur „Organisation“ (und nicht wie in Art. 13 Abs. 2 EADBeschluss lediglich gefordert zur „Arbeitsweise“) gemacht wurden, böte es sich für die für 2013 vorgesehene Überprüfung an, die Aussagen des Sachstands­ berichts (nicht unbedingt die Gliederung oder die methodische Vorgehensweise) zu Grunde zu legen und um neue Erkenntnisse zu erweitern.

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes Der EAD ist als eine Einrichtung der sekundären Organisationsebene der Union geschaffen worden. Die Ermächtigung für seine Gründung enthält das Primärrecht mit Art. 27 Abs. 3 S. 1 und 3 EUV. Wo eine neue Einrichtung geschaffen wird, verlangen die Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, denen sich die Europäische Union in Art. 2 EUV verschrieben hat, gleichsam als Kehrseite der Medaille, die Einrichtung von Kontrollmechanismen. Im Folgenden werden zunächst die Aufsicht über den EAD behandelt (unter I.), sodann die parlamentarischen (unter II.) und die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten (unter III.) erörtert. In Form eines Resümees (unter IV.) werden abschließend die wesentlichen Ergebnisse hinsichtlich der Kontrolle des EAD festgehalten.

I. Aufsicht Ähnlich wie in einem nationalen Ministerium sind auch im EAD Weisungsstränge angelegt, die einerseits der Delegation von Aufgaben, andererseits aber auch der Beaufsichtigung des EAD dienen. Einer Kontrolle seiner Handlungen unterliegt der EAD zunächst durch den Hohen Vertreter. Gemäß Art. 1 Abs. 3 EAD-Beschluss „untersteht“ der EAD dem Hohen Vertreter, der hieraus ein umfassendes Weisungsrecht ableitet. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt man über Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV, wonach er den Hohen Vertreter bei der Erfüllung dessen Tätigkeiten unterstützt. Auch über diesen Argumenta­ tionsweg lässt sich ein umfassendes Weisungsrecht des Hohen Vertreters gegenüber dem ihm nachgeordneten Dienst begründen.489 487 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 14; vgl. bereits unter soeben unter I. 488 Art. 6 Abs. 6 EAD-Beschluss. 489 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Aus­ wärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M.Ibler/

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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Diesem Weisungsrecht korrespondiert die weder primär- noch sekundärrechtlich explizit fixierte Pflicht des Hohen Vertreters zur Dienstaufsicht über die Bediensteten des EAD als der für das EAD-Personal maßgeblichen Anstellungsbehörde490 sowie als „Behördenleiter“491. Diese Verpflichtung zur Kontrolle bildet quasi die Kehrseite des Rechts des Hohen Vertreters, Aufgaben an Stellen der EAD-Zentrale oder an die Unionsdelegationen zu übertragen. Von der Dienstaufsicht des Hohen Vertreters ausgenommen ist das in den Unions­delegationen arbeitende Kommissionspersonal, das direkt der Kommission untersteht,492 sodass der Delegationsleiter in diesem Fall „nur“ der Dienst-, nicht aber der Fachvorgesetzte ist.493 Von der insbesondere im Tätigkeitsbereich der Kommission verstärkt vorzufin­ denden Entwicklung, Funktionen auf Einrichtungen und dezentralisierte (Exekutiv- oder Regulierungs-)„Agenturen“,494 „Behörden“ oder „Ämter“495 auszu­ lagern, deren Anzahl seit den 1990er Jahren zu verzeichnen496 und vor allem seit den 2000er Jahren sprunghaft angestiegen ist,497 unterscheidet sich der EAD durch seine Lokalisierung zwischen den Organen Rat und Kommission – er befindet sich also nicht wie die Agenturen ausschließlich im Tätigkeitsbereich der Kommission. Seine Gründung sollte jedoch auch nicht primär der Externalisierung anfallender Arbeiten und damit einer Arbeitsentlastung der EU-Organe, vor allem der Kommission, sowie der Einsparung von Kosten dienen.498 J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 98. 490 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswär­ tigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 522. 491 Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 208. 492 Siehe in diesem Teil bereits unter D. III. 4. 493 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 494 Zur Definition und Typologie von Agenturen: Dorothee Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1999, S. 38 ff. 495 Zur Terminologie vgl. Wolfgang Kilb, Europäische Agenturen und ihr Personal – die großen Unbekannten?, in: EuZW 2006, S. 268. 496 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 484. 497 Irene Karper, Reformen des Europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 133; eine Übersicht über bestehende Agenturen findet sich beispielsweise bei: Christian Calliess, Europäische Gewaltenteilung und Agenturen: Zu den Grenzen der Organisationsgewalt in der Europäischen Union, in: W. Meng/G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung – FS zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Baden-Baden 2011, S. 70 ff. 498 Christian Calliess, Europäische Gewaltenteilung und Agenturen: Zu den Grenzen der Organisationsgewalt in der Europäischen Union, in: W. Meng/G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung – FS zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Baden-Baden 2011, S. 68; zur Zulässigkeit und Grenzen der Einrichtung von Agenturen im Allgemeinen: Michael Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, Baden-Baden 2004.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

II. Parlamentarische Kontrolle Der direkten Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegt der EAD, wo er im Bereich des supranationalen auswärtigen Handelns tätig wird499 sowie bei der Ausgabe der von ihm verwalteten Mittel.500 Im Bereich der GASP ist die Rolle des Europäischen Parlaments (und damit auch seine Kontrolle) auf ein Minimum reduziert, auch insoweit kann auf die Feststellung zaghafter Parlamentarisierungstendenzen verwiesen werden.501 Die Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht diente dazu, den nur begrenzten Rechten des Europäischen Parlaments im Bereich des GASP zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen.502 Eine wenn auch verhältnismäßig schwach ausgestaltete Kontrollfunktion kommt dem Europäischen Parlament gegenüber dem Hohen Vertreter zu. Diesbezüglich kann auf die früheren Ausführungen verwiesen werden.503 Diese inhaltlichen Kontrollrechte vermitteln dem Europäischen Parlament damit auch einen Einfluss auf den EAD, dessen Leitung dem Hohe Vertreter übertragen ist. Mittelbar unterliegt die GASP auch der Kontrolle der nationalen Parlamente und deren Austausch im Rahmen der COSAC.504 Sie wachen darüber, dass auch die im EAD betriebene Außen- und Sicherheitspolitik den Grundzügen ihrer jeweiligen nationalen Politiken entspricht.505

III. Gerichtliche Kontrolle im Bereich des auswärtigen EU-Handelns Eine in der rechtswissenschaftlichen Literatur bisher kaum behandelte Frage ist diejenige nach den Möglichkeiten, gegen Handlungen des EAD gerichtlich vorzugehen.506 Dieser Befund erstaunt insoweit, als die Etablierung einer jeden neuen 499

Vgl. auch sechster Erwägungsgrund des EAD-Beschlusses. Vgl. in diesem Teil unter H.  501 Siehe oben 4. Teil H. V. 1. und 2. 502 Vgl. „Erklärung der Hohen Vertreterin über die politische Rechenschaftspflicht“, Anhang des Dokuments „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2011/C 351 E/43)“, ABl.EU 2011, Nr. C 351 E S. 454 vom 2.11.2011. 503 Vgl. oben 4. Teil H. I. 5. und V. 504 Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAPanalyse Nr. 12, September 2012, S. 13 ff. 505 Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAPanalyse Nr. 12, September 2012, S. 13. 506 Einzig Martenczuk und van Vooren widmen sich dieser Frage in einem Teilaspekt ihrer Abhandlungen, vgl. Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, 500

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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Einrichtung der Union untrennbar mit der Problematik der – zumindest theoretisch – denkbaren Beeinträchtigung von Individualrechten oder Individualrechtsgütern verbunden sein kann.507 Zwar vermag nicht die Gründung des EAD als Einrichtung der Union an sich, wohl aber dessen Tätigkeit rechtliche Konflikte hervorzurufen. Unter der Berücksichtigung der dem EAD übertragenen Aufgaben und Kompetenzen erscheint es als nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es durch die Tätigkeit der EAD-Zentrale oder die Unionsdelegationen beispielsweise zu Eigentumsverletzungen, Schadenersatzforderungen oder beamtenrecht­ lichen Streitigkeiten kommen kann. Daher sollen im Folgenden den Möglichkeiten gerichtlicher Kontrolle des EAD nachgegangen werden. Die bereits mehrfach erwähnte Trennung des auswärtigen Handelns der Union in einen supranationalen und einen intergouvernementalen Bereich und der Doppelhut des Hohen Vertreters bleiben dabei nicht ohne Auswirkung auf das Rechtsschutzregime. Sie bewirken dessen Zweiteilung. Da das supranationale Unionsrecht einen Durchgriff auf die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erlaubt, können Konflikte zwischen diesen und dem EU-Recht entstehen. Weil mit der Setzung supranationalen europäischen Rechts regelmäßig Rechtswirkungen gegenüber dem Einzelnen beabsichtigt sind, unterliegen Rechtsakte der Unionsorgane daher in diesem Bereich der vollen Kontrolle durch den EuGH, die insbesondere durch die in Art. 263 AEUV verankerte Nichtigkeitsklage verwirklicht wird. Beih. 2, S. 201 ff.; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 493 ff. 507 So hat beispielsweise die vermehrte Errichtung von Agenturen der Union in der Fach­ literatur eine ansehnliche Anzahl von Beiträgen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten hervorgerufen. Zu Bestand und Klassifizierung der EU-Agenturen: Christian Calliess, Europäische Gewaltenteilung und Agenturen: Zu den Grenzen der Organisationsgewalt der Europäischen Union, in: W. Meng/G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Europäische Integration und Globalisierung, FS zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts, Baden-Baden 2001, S. 67 ff.; Saskia Eckhardt, Die Akteure des außergerichtlichen Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union, Frankfurt am Main 2010, S. 279 ff.; Matthias Herdegen, Europarecht, 15. Aufl. München 2013, § 7 Rn. 108; Thomas Oppermann/Claus Dieter Classen/Martin Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl., München 2011, § 6 Rn. 26 ff.; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 489. Zum Agenturwesen allgemein und zu dessen Ursprüngen: Dorothee Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1999, S. 78 ff.; Wolfgang Kilb, Europäische Agenturen und ihre Personal – die großen Unbekannten?, in: EuZW 2006, S. 268 ff.; Michaela Wittinger, „Europäische Satelliten“: Anmerkungen zum Europäischen Agentur(un)wesen und zur Vereinbarkeit Europäischer Agenturen mit dem Gemeinschaftsrecht, in: EuR 2008, S. 609 ff. Zum Rechtsschutz Privater gegen Handlungen von europäischen Agenturen: Jörg Gundel, Der Rechtschutz gegen Handlungen der EG-Agenturen – endlich geklärt?, in: EuR 2009, S. 383 ff.; Daniel Riedel, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Agenturen, in: EuZW 2009, S. 565 ff.; Johannes Saurer, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, in: EuR 2010, S. 51 ff. und Jürgen Schwarze, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: I. Appel/G. Hermes/Ch. Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat, FS für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 847 ff.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Anders hingegen verhält es sich auch nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weiterhin mit dem intergouvernemental geprägten Unionsrecht, der GASP. Im Unterschied zum supranationalen Recht weist die GASP einen exekutiven Charakter auf. Sie zielt nicht darauf, gegenüber dem Einzelnen Rechtswirkungen zu erzeugen; dementsprechend bedürfen in diesem Bereich getroffene Maßnahmen der EU zu ihrer Wirksamkeit im nationalen Recht der Unterstützung (Umsetzung) durch die Mitgliedstaaten.508 Der dargelegten Dichotomie entsprechend wird im Folgenden zunächst der Rechtsschutz im supranationalen Bereich des auswärtigen Handelns (unter 1.), sodann der des intergouvernementalen Handelns (unter 2.) skizziert, um schließlich Schlussfolgerungen für die gerichtliche Kontrolle des Handelns des EAD ziehen zu können (unter 3.). 1. Rechtsschutz im supranationalen Bereich Ausgangspunkt der Überlegungen zum Rechtsschutz im Bereich der vergemeinschafteten „Außenbeziehungen“ der Europäischen Union bildet die AETRRechtsprechung des EuGH aus dem Jahr 1971. Bis zu diesem Zeitpunkt spielte der Bereich der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft in der Recht­ sprechungspraxis des EuGH eine eher untergeordnete Rolle.509 Erst mit seinem AETR-Urteil510 verschaffte der EuGH sich gemeinschaftsintern auch im Politik­ bereich Außenbeziehungen Gehör, in dem er Natur und Umfang der Außenbeziehungen der (damaligen) Europäischen Gemeinschaft erstmals konkretisierte. Hintergrund der dem Urteil zu Grunde liegenden Streitigkeit zwischen Rat und Kommission war die vom Rat gegenüber den Mitgliedstaaten ausgesprochene Ermächtigung, mit Drittstaaten Verhandlungen über den Abschluss des AETRÜbereinkommens zu führen. Die Kommission begehrte die Annullierung des dies­bezüglich gefassten Ratsbeschlusses mit der Begründung, nicht die Mitgliedstaaten, sondern sie selbst sei zum Abschluss eines solchen Abkommens befugt – und dies, obwohl es dem EG-Vertrag insofern an der expliziten Vertragsschlusskompetenz für derartige gemeinschaftsextern wirkende Rechtsakte ermangelte. 508 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 148 f. 509 Christian Kohler/Niklas Görlitz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemein­schaft in der Rechtsprechung des EuGH bis zum Vertrag von Maastricht, in: R. Ahmann/R. Schulze/ Ch. Walter (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 141. 510 EuGH, Rs. 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263 Rn. 19 (AETR); zum AETR-Urteil und seinen Folgen: Marise Cremona, External Relations and External Competences of the European Union: The Emergence of an Integrated Policy, in: P. Craig/G. de Búrca (Hrsg.), The Evolution of EU Law, 2. Aufl., Oxford 2011, S. 217 ff.; Daniel Thym, Auswärtige Gewalt, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S.  451 ff.

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

291

Hauptargument des Rates hingegen war, dass die Mitgliedstaaten mangels expliziter Kompetenzzuweisung an die Gemeinschaft gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung für den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags im Bereich Verkehrspolitik zuständig seien.511 Der EuGH entschied bekanntlich zugunsten einer parallelen Ausgestaltung von internen und externen Kompetenzen der Gemeinschaft und folgte somit letztlich der Argumentation der Kommission. Als vorläufiger Schlussstein der von diesem Urteil ausgehenden Rechtsprechungsentwicklung kann Art. 216 Abs. 1 AEUV gesehen werden, der den im AETR-Urteil verwendeten Wortlaut aufgreift und die Europäische Union für befugt erklärt „(…) mit einem oder mehreren Drittländern oder (…) internationalen Organisationen eine Übereinkunft [zu] schließen“,

welche nach Abs. 2 der Vorschrift sowohl die Organe der Union als auch die Mitgliedstaaten bindet. Die Vorschrift beinhaltet auf den ersten Blick per se keine neuartigen Regelungen, war doch bereits die Fähigkeit der Europäischen Gemeinschaft anerkannt, derartige Bindungen einzugehen. Doch konnte, rückblickend gesehen, die Entwicklung der explizit formulierten EG-Kompetenzen nicht mit der tatsächlichen Zuerkennung ihrer impliziten Kompetenzen Schritt halten. Es ist somit ein Verdienst des Vertrags von Lissabon, dass die bisherige Rechtsprechung kodifiziert wurde und in diesem Punkt Rechtssicherheit geschaffen hat. Den seit dem 11. September 2001 weltweit auftretenden terroristischen Anschlägen der vergangenen Dekade Rechnung tragend, ermöglicht Art. 215 Abs. 2 AEUV nun auch ausdrücklich wirtschaftliche Sanktionen gegenüber natürlichen und juristischen Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten zur Erreichung nicht-wirtschaftlicher Ziele, wie z. B. die Einfrierung von Konten, die Verhinderung von Kapitaltransfer oder die Verhängung von Waffenembargos. Im Gegensatz zur Rechtslage nach Nizza ermöglicht es die Rechtspersönlichkeit der Union nach aktuell gültigem Primärrecht, eine restriktive Maßnahme im Sinne des Art. 215 Abs. 1 AEUV in einem einzigen Schritt zu treffen; das gestufte Vorgehen, nach dem früher zuerst ein gemeinsamer Standpunkt bzw. eine gemeinsame Aktion verabschiedet werden musste, der oder die dann auf der Grundlage von Art. 301 EGV implementiert wurde, ist damit obsolet geworden. Wo individuelle Sanktionen möglich sind, kann es zur Verletzung subjektiver Rechtspositionen kommen, sei es rechtmäßiger- oder rechtswidrigerweise. Dieser Möglichkeit korrespondiert naturgemäß ein Bedürfnis des von den Maßnahmen Betroffenen nach einer gerichtlichen Überprüfung. Um rechtsstaatlichen Anforderungen Genüge zu tun, lautet Art. 215 Abs. 3 AEUV denn dementsprechend auch:

511 Von ihrer Binnenkompetenz hatte die Gemeinschaft durch den Erlass der Verordnung Nr. 543/69 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. EG 1969, Nr. L 77 S. 49 vom 29.3.1969) bereits Gebrauch gemacht.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

„In den Rechtsakten nach diesem Artikel müssen die erforderlichen Bestimmungen über den Rechtsschutz vorgesehen sein.“

Die Bedeutung dieses Anliegens unterstreicht die Union durch die den Ver­ trägen anhängende Erklärung Nr. 25 zu den Artikeln 75 und 215 AEUV. Hierin wird insbesondere das Bedürfnis nach klaren und eindeutigen Kriterien für die Beschlussfassung von sanktionierenden Maßnahmen hervorgehoben. Der EuGH ist nach Art. 275 UAbs. 2 AEUV für Nichtigkeitsklagen von natürlichen oder juristischen Personen zuständig. Die in Art. 215 Abs. 2 AEUV genannten sonstigen „Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten“ sind nicht nach Art. 263 UAbs. 4 AEUV klagebefugt, soweit sie nicht die hierfür erforderliche (Teil-)Rechtsfähigkeit aufweisen.512 2. Rechtsschutz im intergouvernementalen Bereich Obwohl sich der Arbeitskreis „Gerichtshof“ im Rahmen des Europäischen Konvents mit dem Thema Rechtsschutz im GASP-Bereich beschäftigte,513 ist es durch die Beratungen über den Verfassungsvertrag zu keinen tiefgreifenden Änderungen gekommen. Das Recht der GASP entfaltet auch nach dem Vertrag von Lissabon keine Durchgriffswirkung im innerstaatlichen Recht; es hat vielmehr (nur) die dem Völkerrecht durch die nationale Verfassung zugewiesene Wirkung. In der Bundes­republik genießt es nach Art. 59 Abs. 2 GG den Rang eines einfachen Bundesrechts.514 Auf diese Weise kann beispielsweise auch verbindliches Recht der Vereinten Nationen durch entsprechendes Unionsrecht umgesetzt werden.515 Im Bereich der GASP (und der GSVP) ist es dem EuGH entsprechend der nahe­zu unveränderten rechtlichen Ausgangslage auch nach dem Vertrag von Lissabon (noch) nicht möglich, seine Jurisdiktion auszuüben.516 Der Grund hierfür 512 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 146. 513 Vorsitzender des Arbeitskreises „Gerichtshof“, Ergänzender Bericht zur Frage der gerichtlichen Kontrolle über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, CONV 689/1/03 REV 1. 514 Matthias Pechstein, Die Intergouvernementalität der GASP nach Lissabon, in: JZ 2010, S. 429. 515 Beispielsweise: EuGH, Verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P, Yassin Abdulla Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Slg. 2008, I-6351 sowie EuG, Rs. T-306/01, Ahmed Ali Yusuf und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Slg. 2005, II-3533; vgl. auch Irene Karper, Reformen des Europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 50. 516 Zu den durch den Vertrag von Lissabon herbeigeführten Änderungen des Rechtsschutzsystems vgl. Meinhard Schröder, Neuerungen im Rechtsschutz der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, in: DÖV 2009, S. 64 f.

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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liegt neben Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV in der Vorschrift des Art. 275 UAbs. 1 AEUV begründet. Hiernach ist der Gerichtshof „(…) nicht zuständig für die Bestimmungen hinsichtlich der Gemeinsamen Außen- und Sicher­heitspolitik und für die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassenen Rechtsakte“.

Dies erweist sich mit Blick auf die Ziele und Werte der Union (Art. 3 EUV), zu denen auch der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit zählt, als erhebliches Defizit.517 Indes haben Vorschläge im Rahmen des Verfassungskonvents, die Rechtsprechung des EuGH entsprechend zu erweitern, keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten gefunden.518 Die Verhandlungen im Konvent brachten immerhin in einem Punkt einen Kompromiss hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle der außenpolitischen Tätigkeit der Union hervor: Der EuGH ist nun im Rahmen einer (erweiterten) Nichtigkeitsklage zuständig, soweit Rechtsakte, die diesem Bereich entspringen, natürliche oder juristische Personen unmittelbar und individuell betreffen.519 Dieser Kompromiss wurde in Art. 275 UAbs. 2 AEUV kodifiziert.520 Von dem oben genannten Ausschluss der Jurisdiktion explizit durch Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV i. V. m. Art. 275 UAbs. 2 AEUV ausgenommen und daher justiziabel sind Beschlüsse über restriktive Maßnahmen, die im Rahmen des Art. 215 AEUV verabschiedet werden. Die Formulierung des Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 2 EUV, („[…] ausgenommen ist die Kontrolle der Einhaltung des Artikels 40 dieses Vertrages […]“), eröffnet dem EuGH einen gewissen Interpretationsspielraum und erlaubt es ihm ferner, die Befolgung des Art. 40 EUV, der die Durchführung von GASP-Maßnahmen regelt, zu überwachen und damit implizit einige von dem Rechtsprechungs­ ausschluss nicht umfasste Aspekte der Durchführung der GASP, so z. B. die Ziele der auswärtigen Handelns, auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.521 Eine weitere Ausnahme vom Rechtsprechungsausschluss des EuGH bildet nach Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 2 EUV und Art. 275 UAbs. 2 AEUV die Über 517 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 145. 518 Vgl. Bericht des Arbeitskreises „Gerichtshof“, CONV 689/1/03 REV 1 vom 16. April 2003; Irene Karper, Reformen des Europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 49 f.; Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 105 f. 519 Irene Karper, Reformen des Europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., Baden-Baden 2011, S. 50. 520 Die nie in Kraft getretene „Vorgänger“-Vorschrift war Art. III-376 EVV. 521 Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 105.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

prüfung der Rechtmäßigkeit individualbelastender GASP-Beschlüsse.522 Damit ist die Reichweite des Rechtsprechungsausschlusses durch das Primärrecht nicht zweifelsfrei festgelegt.523 Schließlich sieht die in Art. 218 Abs. 11 AEUV verankerte Möglichkeit, auf Initiative eines Mitgliedstaats, des Europäischen Parlaments, des Rates oder der Kommission ein Gutachten des EuGH über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit dem Unionsrecht einzuholen, keine Beschränkung hinsichtlich der GASP vor. Da die geplante Übereinkunft bei einem ablehnenden Votum des Gerichtshofs nur in Kraft treten kann, wenn sie selbst oder die Unionsverträge entsprechend geändert werden, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass es dem EuGH über diesen (Um-)Weg gestattet ist, seine Rechtsprechung auszuüben524 und somit zumindest indirekt eine gerichtliche A-priori-Kontrolle des aus­ wärtigen Handelns der Unionsorgane im Rahmen internationaler Übereinkünfte herbeizuführen. Kontrolliert werden können Angelegenheiten der GASP ferner durch nationale Gerichte.525 Dass das Unionsrecht dies anerkennt, belegt Art. 274 AEUV für diejenigen Sachverhalte, bei denen die Union Partei ist. Da GASP-Beschlüsse aufgrund des (generellen) Anwendungsvorrangs des Unionsrechts entgegenstehendem nationalen Recht vorgehen, müssen sich damit auch nationale Gerichte an ihm orientieren.526 Ein Dilemma entsteht bei der Klage eines Einzelnen vor einem nationalen Gericht, das hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines GASP-Ratsbeschlusses Zweifel hat. Einerseits darf es wegen Art. 275 UAbs. 1 AEUV im Regelfall nicht dem EuGH vorlegen (eine Ausnahme besteht insoweit für etwaige Nichtigkeit des Beschlusses wegen Verstoßes gegen die Satzung der Vereinten Nationen); anderer 522 Frederik von Harbou/Heike Baddenhausen, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheits­ politik der EU nach dem Vertrag von Lissabon, Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Nr. 11/08 vom 29.2.2008, S. 2. 523 Marise Cremona, The Union as a Global Actor: Roles, Models and Identity, in: CMLRev. 2004, S. 571 f. Streinz/Ohler/Herrmann resümieren daher wie folgt: „Art. 275 AEUV be­ inhaltet damit lediglich eine Begrenzung des Prüfungsmaßstabs, hingegen wohl nicht der möglichen Prüfungsgegenstände.“ (Hervorhebungen nur hier), vgl. Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 145. 524 Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 106. 525 Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 145; Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 152. 526 Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 106.

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seits ist das nationale Gericht nach Art. 267 UAbs. 1 lit. b AEUV und der FotoFrost-Rechtsprechung527 des EuGH nicht zur Verwerfung berechtigt. Da die strikte Anwendung dieser beiden Grundsätze in letzter Konsequenz bedeutet, dass sowohl die nationale Kontrolle als auch eine Kontrolle durch den EuGH ausgeschlossen wäre, dem klagenden Individuum damit jedweder Zugang zu einer gerichtlicher Kontrolle abgeschnitten wäre, wird unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine Lösung des Konflikts zu suchen sein. Diese könnte darin liegen, entweder ausnahmsweise doch eine Verwerfungskompetenz des nationalen Gerichts anzuerkennen oder die EuGH-Kontrolle auszuweiten.528 Über diese Fallkonstellation hinaus vorstellbar ist auch die Vorlage durch nationale Gerichte an den EuGH zur Interpretation von Ratsbeschlüssen oder sogar zu ihrer Gültigkeit im Hinblick auf Grundrechte, Grundsätze und Ziele, wie sie durch den EU-Vertrag und die über Art. 6 EUV in das Primärrecht inkorporierte Grundrechte-Charta (GRCh) benannt sind. Zusammenfassend betrachtet kann man zwar nicht von einem vollständigen Ausschluss der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der GASP sprechen.529 In der Praxis dürfte die politische Kontrolle gegenüber den rechtlichen Kontrollmöglichkeiten weitaus überwiegen. Damit bleibt das bereits eingangs verzeichnete Rechtsschutzdefizit im Bereich der GASP auch nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bestehen. Besonders bedauerlich ist dieser Befund vor dem Hintergrund, dass nationale Gerichte sich, verglichen mit rein innerstaatlichen Sachverhalten, in Bereichen mit auswärtigem Bezug in ihren Kontrollmöglichkeiten tendenziell eher zurücknehmen.530 Hiervon abgesehen vermag selbst eine „streng ausgeübte“ Rechtsprechungskontrolle der mitgliedstaatlichen Gerichte die Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf die einheitliche „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV) in der Sache nicht zu ersetzen.

527 EuGH Rs. 314/85, Foto Frost/Hauptzollamt Lübeck-Ost, Slg. 1987, 4199. Eine Vorlagepflicht für nicht-letztinstanzliche Gerichte besteht hiernach dann, wenn durch die Verwerfung des Unionsrechts durch das nationale Gericht die Einheitlichkeit des Unionsrechts gefährdet wäre. 528 Zu diesem Dilemma: Rudolf Streinz/Christoph Ohler/Christoph Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., München 2010, S. 145. 529 Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 105. 530 Bruno de Witte, The Constitutional Law of External Relations, in: I. Pernice/M. Poiares Maduro (Hrsg.), A Constitution for the European Union: first Comments on the 2003-Draft of the European Convention, Baden-Baden 2004, S. 106.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

3. Fragen des Rechtsschutzes im Zusammenhang mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst Da der EAD wie gezeigt über Organisationsstrukturen verfügt, die vornehmlich politische, aber auch exekutive Aufgaben wahrnehmen, ist es angezeigt, politische, rechtliche und finanzielle Kontrollmechanismen zu schaffen, die dafür sorgen, dass der EAD nicht nur als demokratisch legitimierte Einrichtung531 erscheint, sondern auch als Akteur auftritt, gegen dessen Handeln für den Betroffenen zumindest im Grundsatz Rechtsschutz ermöglicht wird. Anders als die Rechtsakte zur Errichtung von Unionsagenturen, die Bestimmungen über die Eröffnung des Rechtswegs zum EuGH vorsehen,532 fehlt dem EAD-Beschluss eine diesen Beispielen entsprechende Regelung ebenso wie die Einrichtung eines speziellen EAD-internen Rechtsbehelfssystems. Ist diese für Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegenüber den Agenturen notwendig, da sie von Kommission übertragene Aufgaben, d. h. in aller Regel exekutive Tätigkeiten ausführen, steht beim EAD hingegen vielfach der Bereich politischer Tätigkeit im Vordergrund, insbesondere sofern er innerhalb der GASP tätig wird. In der für den EAD maßgeblichen Rechtsgrundlage des Primärrechts, Art. 27 Abs. 3 S. 1 EUV, heißt es: „Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf einen Europäischen Auswärtigen Dienst.“

Die Aufträge des Hohen Vertreters sind wie dargestellt jedoch vielfältiger Natur.533 Dies illustriert schon die in seinem Amt niedergelegte Personalunion von Außenkommissar, Vize-Präsidenten der Kommission und Vorsitzendem der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“. Hiervon ist allerdings nur die Funktion des Ratsvorsitzenden dem Anwendungsbereich der GASP zuzuordnen. Daraus folgt, dass der EAD auch in Bereichen tätig wird, die dem Aufgabengebiet der Kommission angehören. Auch aus den zur Rechtsstellung des EAD getroffenen Aussagen534 lassen sich einige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den EAD ziehen. Da der EAD dem Hohen Vertreter an sich weisungsgebunden unterstellt ist und sich seine in Art. 1 Abs. 2 EAD-Beschluss verankerte funktionale Eigenständigkeit nur auf die organisatorische Trennung von Rat und Kommission bezieht, nicht 531

Hierzu in diesem Teil unter D. I. Beispielsweise Art. 27 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 zu Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ABl.EG 2007, Nr. L 53 S. 1 ff. vom 22.2.2007. Zum Rechtsschutz gegen Agenturen: Daniel Riedel, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Agenturen, in: EuZW 2009, S. 567. 533 Vgl. bereits 4. Teil H. I. 3. 534 Hierzu in diesem Teil unter D. II. 2. 532

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aber mit einer politischen Unabhängigkeit gleichzusetzen ist, muss für etwaigen Rechtsschutz danach unterschieden werden, in welchem Bereich die streitgegenständliche Maßnahme getroffen wurde. Betrifft sie den Bereich der GASP, fehlt es dem EAD an der Möglichkeit, überhaupt letztverbindliche, vom Hohen Vertreter unabhängige Entscheidungen zu treffen,535 die Außenwirkung entfalten könnten.536 Die Entscheidungsbefugnis liegt insofern weiterhin beim Rat (Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EUV und Art. 275 AEUV); auch der Hohe Vertreter wird so gesehen nur vorbereitend tätig. Hinzu kommt der weitgehende Rechtsprechungsausschluss des Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 6 HS 1 EUV.537 Rechtsschutz gegen den EAD ist im Bereich der GASP folglich nicht möglich, aber – mangels Außenwirkung – auch nicht nötig. Soweit die Tätigkeit des EAD hingegen die übrigen Bereiche des auswärtigen Handelns betrifft, müssen sich Rechtsbehelfe gegen die erlassenen Gesetz­ gebungsakte und sonstigen Maßnahmen, also letztlich gegen die jeweiligen Organe richten, wobei nur für Gesetzgebungsakte eine Delegation der Entscheidungs­ befugnis an die Kommission zulässig ist (Art. 290 EUV und Art. 291 EUV).538 Hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzregimes des Unionsrechts gelten in Bezug auf den EAD in diesem Bereich folglich keine Besonderheiten. Anders als der AStV, der vom EuGH als „Hilfsorgan des Rates“ eingestuft wurde, „(…) das für diesen [lediglich] vorbereitende und ausführende Aufgaben wahrnimmt“,539

verfügt der EAD über eine, wenn auch nur vage definierte, überdies beschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit.540 Folglich ist mit der Möglichkeit des Abschlusses von Dienstleistungsvereinbarungen (Art. 3 Abs. 3 bzw. Art. 4 Abs. 5 EADBeschluss) zumindest eine Situation angelegt, in der von der Handlung des EAD unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber Dritten im Sinne des Art. 263 UAbs. 1 AEUV ausgehen können.541 Hinsichtlich der der Schaffung des EAD als neuer Einrichtung der Union kor­ respondierenden Möglichkeit des Rechtsschutzes profitieren potentielle Kläger von der vor allem für den Bereich der Agenturen gedachten Kodifizierung der Rechtsprechung zur Frage des Rechtsschutzes von Privaten gegen Handlungen 535

Vgl. hierzu in diesem Teil bereits unter E. I. Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 202; Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 490. 537 Siehe bereits in diesem Teil unter J. III. 2. 538 Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 202. 539 EuGH, Rs. C-25/94, Kommission/Rat, Slg. 1996, I-1469, Rn. 26. 540 Vgl. hierzu bereits in diesem Teil unter D. II. 2. 541 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 493. 536

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

von europäischen Agenturen durch den Vertrag von Lissabon, die auf die Rechtssachen „Les Verts“ und „Sogelma“ zurückgehen. In seiner Les Verts-Rechtsprechung542 hatte der EuGH zunächst festgestellt, dass es der Systematik des Vertrags widerspreche, Art. 230 EGV so auszulegen, das dass – damals darin nicht genannte – Parlament aus dem Kreis der Anfechtungsgegner auszuschließen sei. Auf dieser Rechtsprechung aufbauend leitete das Europäische Gericht (EuG) in seinem Urteil in der Rechtssache „Sogelma“ vom 8. Oktober 2008 über den Wortlaut des Art. 230 EGV, der nur bestimmte Organe erfasste, hinaus den allgemeinen Grundsatz ab, dass „jede Handlung einer Gemeinschaftseinrichtung, die dazu bestimmt ist, Rechtswirkungen gegenüber Dritten zu erzeugen, gerichtlich nachprüfbar sein muss“.543

Diesen Grundsatz begründete es wiederum mit einer andernfalls bestehenden systemwidrigen Rechtsschutzlücke sowie dem Fehlen einer Art. 41 Abs. 1 EUV a. F. entsprechenden Vorschrift, die die Anwendbarkeit bestimmter Verfahrens­ arten in bestimmten Bereichen (im Umkehrschluss) ausschließe. Nach dem oben Gesagten reduziert sich der Bereich, in dem die Entscheidungen des EAD Außenwirkung erlangen, daher auf diejenigen Gebiete, in denen dem EAD Haushalts- und Personalautonomie zukommt, von seinen Entscheidungen also unmittelbare Wirkung ausgehen.544 Als „Einrichtung“ der Union im Sinne des Art. 263 UAbs. 1 S. 2 AEUV kann der EAD daher im Rahmen einer Nichtigkeitsklage als Beklagter vor dem EuGH auftreten,545 dies auch in Bezug auf den durch Art. 13 Abs. 1 EAD-Beschluss garantierten Zugang zu Dokumenten. Hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes ist es angesichts der durch Art. 6 Abs. 7 S. 1 EAD-Beschluss bewirkten Gleichstellung unerheblich, ob der handelnde Beamte dem Ursprung nach Kommissionsbeamter oder Ratsbeamter ist oder aus einem Mitgliedstaat entsandt wurde. Da es sich beim EAD – wie beim Auswärtigen Amt – um einen einheitlichen Dienst handelt, der aus einer Zentrale und den Unionsdelegationen besteht, werden Klagen gegen eine Unionsdelegation analog dem im deutschen Verwaltungs 542

EuGH, Rs. C-294/83, Les Verts, Slg. 1986, 1339. EuG, Rs. T-411/06, Sogelma/Europäische Agentur für Wiederaufbau, Slg. 2008, II-2771; Daniel Riedel, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Agenturen, in: EuZW 2009, S. 566. 544 Bernd Martenczuk, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 202. 545 Bislang richteten sich sieben Verfahren gegen den EAD, die ihren Ursprung weit überwiegend im Beamtenrecht nahmen, vgl. Rechtssachen F-15/11, F-64/12, F-70/12, F-154/12, F-11/13, F-53/13 sowie T-221/13 (Stand: 31.5.2013). Mit der Rechtssache F-15/11 wurde auch der Europäische Bürgerbeauftragte befasst (Beschwerde 1095/2012/JF vom 11.7.2012). Noch vor dem Ablauf der dem EAD von Bürgerbeauftragten gesetzten Frist zur Stellungnahme einigten sich die Parteien außergerichtlich, so dass der Kläger einerseits seine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten und andererseits die eingereichte Klage zurücknahm, vgl. Beschluss des Gerichts für den öffentlichen Dienst vom 19.9.2011 (ABl.EU 2011, Nr. C 138 S. 40 vom 12.5.2012). 543

J. Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes

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recht geltenden Rechtsträgerprinzip gegen den EAD gerichtet. Hinsichtlich des Klagegegners formulierte das EuG bereits in seiner „Sogelma“-Entscheidung546 den Grundsatz, wonach „das Organ oder die Einrichtung, von dem oder der die Entscheidung stammt“,

den richtigen Klagegegner bilde. Es machte die Entscheidung also vom Grad der Selbstständigkeit des handelnden Organs abhängig. Diesen Gedanken des „Sogelma“-Urteils aufgreifend, bestimmt die durch den Vertrag von Lissabon erweiterte Fassung des Art. 263 UAbs. 1 S. 2 AEUV547 hinsichtlich dieses Aspektes nun, dass „(…) Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten“

Gegenstand einer Rechtmäßigkeitsprüfung seitens des EuGH sein können.548

IV. Resümee zur Kontrolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes Der EAD unterliegt in mehrerlei Hinsicht einer Kontrolle seiner Handlungen. Von einer insgesamt verhältnismäßig schwachen parlamentarischen Kontrolle und der uneingeschränkten Nachprüfung seiner Ein- und Ausgaben durch den Rechnungshof abgesehen, untersteht der EAD dem Hohen Vertreter, der hieraus ein umfassendes Weisungsrecht ableitet. Diesem korrespondiert die weder primärnoch sekundärrechtlich fixierte Pflicht, die Handlungen des EAD im Sinne einer „Dienstaufsicht“ zu überwachen, also die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen zu kontrollieren. Der EAD verfügt über eine nur beschränkte Rechts- und Geschäftsfähigkeit;549 seine Eigenständigkeit bezieht sich allein auf die organisatorische Trennung von Kommission und Rat; sie stellt keine vollkommene Unabhängigkeit von den genannten Organen dar. Außenwirkung kommt den Entscheidungen des EAD nur in dem Maße zu, in dem er über eine entsprechende Autonomie verfügt. Da dies nur im Bereich des Haushalts- und des Personalwesens der Fall ist, bleiben die Fälle, in denen der EAD

546 EuG, Rs. T-411/06, Sogelma/Europäische Agentur für Wiederaufbau, Slg. 2008, II-2771, Rn. 49. 547 Die näheren Bedingungen der Klageerhebung waren durch Art. 263 UAbs. 5 AEUV präzisiert. 548 Zur Erweiterung der Nichtigkeitsklage um Maßnahmen insbesondere der Agenturen: Meinhard Schröder, Neuerungen im Rechtsschutz der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, in: DÖV 2009, S. 63 f. 549 Siehe in diesem Teil bereits unter D. II. 2.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

als tauglicher Klagegegner auftritt, auf administrative und beamtenrechtliche Rechtsstreitigkeiten begrenzt.

K. Zwischenfazit Mit der Entscheidung des Verfassungsvertrags bzw. des Vertrags von Lissabon zugunsten der Errichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes wurde der in der Praxis der Kommission bereits eingeschlagene Weg einer eigenen Außen­ vertretung hin zu einem mit der Wahrnehmung der unionalen Außenkontakte beauftragten spezialisierten Instrumentarium zementiert. Die Wahl fiel damit auf ein mit dem Ansatz des New-World-Order550 konkurrierendes Modell, in dem mit der Wahrnehmung der Außenkontakte nicht das innergemeinschaftlich zuständige Organ, sondern ein hierfür spezialisiertes Instrumentarium beauftragt ist.551 Mit dem EAD ist zweifellos ein Dienst der EU geschaffenen worden, der gegenüber dem zuvor bestehenden Netz von Kommissionsdelegationen und Rats­ vertretungen eine Weiterentwicklung darstellt.552 Betrachtet man jedoch das Organigramm des EAD, erinnert es mehr an das eines klassischen Außenministeriums, als dass es die Vorstellung „neuer Strukturen für eine innovative europäische Außenpolitik“ weckt.553 Die traditionelle, in den nationalen Außenministerien weit verbreitete Gliederung in Länderreferate, teilweise mit sektorübergreifender Be­arbeitung aller Beziehungen zu einem anderen Staat, minimiert zwar die Zahl potentieller Kompetenzkonflikte. Die Gliederung nach Sachthemen bietet jedoch, vor allem für den Leitungsbereich, die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zuständiger Referate und Abteilungen wirkungsvoll auszugestalten.554 Einzig die institutionelle Stellung des EAD quasi zwischen den Organen Rat und Kommission findet auf nationalstaatlicher Ebene keine Entsprechung, da die Außenministerien einen Teil des Regierungsapparates darstellen.555 Zur Stärkung des im Spannungsfeld zwischen Rat und Kommission angesiedelten EAD wird zukünftig auch dazu­gehören, auf eine Vermeidung bzw. eine Reduzierung konkurrierender geografischer Referate mit politischer Aufgabenstellung im EAD und

550 Vgl. Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton u. a. 2004, S. 5 f., 12 ff.; hierzu auch bereits 3. Teil B. 551 Ebenso: Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12. 552 Diese Frage offen lassend: Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S. 227. 553 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 250. 554 Albrecht Lohma, Stichwort „Auswärtige Ämter“, in: K. Strupp/H.-J. Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin 1960, S. 128. 555 Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S. 228.

K. Zwischenfazit

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den General­direktionen der Kommission (Single-desk-Prinzip556) hinzuwirken.557 Ebenso muss für das von einigen Mitgliedstaaten in ihrem Gemeinsamen Brief beklagte „Besitzstandsdenken der Kommission“ in den Unionsdelegationen eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden.558 Zweifellos gilt es bei der Integration neuer bzw. bei der Neukonzeption bestehender Außenvertretungsstrukturen wie des EAD zahlreiche Interessen zu berücksichtigen. Auf den Punkt gebracht „sind Organisationsfragen [auch immer] Machtfragen“.559 Insgesamt wird man die Ausgestaltung des EAD jedoch, gemessen an den erwogenen Gestaltungsoptionen, die zum Zeitpunkt der Verhandlungen bestanden, wohl als „kleinsten gemeinsamen Nenner“560 bezeichnen müssen. Wollte man den Zustand bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon als „Flickenteppich“ auswärtiger Repräsentation und Kompetenzen begreifen, kann man nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon immerhin eine gewisse Strukturierung der immer noch vielschichtigen und störungsanfälligen Mechanismen der Außenvertretung erkennen. Konfliktpotential bieten insbesondere die Zusammenarbeit des Hohen Ver­ treters mit der Kommission bei gleichzeitiger Abgrenzung von Letzterer, das Verhältnis zum Präsidenten des Europäischen Rates, der ebenfalls mit der Wahrnehmung der Außenvertretung beauftragt ist, wenngleich „auf seiner Ebene“, sowie schließlich die Zusammenarbeit der wechselnden Ratspräsidentschaft mit den für die Außenvertretung wichtigen Akteuren. Das in weiten Teilen der GASP nach wie vor vorgesehene Einstimmigkeits­ prinzip bedeutet für den Hohen Vertreter, von vornherein ein außenpolitisches Mandat mit nur sehr begrenztem Spielraum erhalten zu haben und ausfüllen zu 556 Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Der Europäische Auswärtige Dienst – Nukleus einer starken Europäischen Außenpolitik, Internationale Politikanalyse, Arbeitsgruppe Europäische Integration, Berlin, März 2009, S. 3. 557 Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 148, 151. 558 Gemeinsamer Brief und Non-Paper der Außenminister Belgiens, Estlands, Finnlands, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, der Niederlande, Polens und Schwedens an die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Catherine Ashton, vom 8. November 2011; siehe auch: Nikolaus Busse, Klage über den Auswärtigen Dienst der EU, FAZ vom 14.12.2012, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/brief-von-12-staaten-klageueber-auswaertigen-dienst-der-eu-11563442.html (letzter Abruf: 29.5.2013); Kirsten Schmalenbach, Die Delegationen der Europäischen Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen, in: EuR 2012, Beih. 2, S. 215. 559 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 7. 560 Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 237. Cameron geht in seinem Urteil noch weiter, indem er die Reform hinsichtlich der Gründung des EAD als „missed opportunity“ einschätzt (S.  256 f.).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

müssen. Die Erklärungen, die er im Namen der Europäischen Union nach außen abgibt, erfordern eine vorherige Abstimmung mit den Regierungen der Mitgliedstaaten. Reagiert der Hohe Vertreter beispielsweise auf einen politischen Vorfall unmittelbar, erfolgt die außenpolitische Erklärung lediglich in seinem eigenen Namen. Die eigentliche politische Erklärung folgt dann anschließend, wiederum nach Konsultation der mitgliedstaatlichen Regierungen, im Namen der EU. Anschau­ liches Beispiel für ein derartiges Prozedere war das Verhalten der Union im An­ gesicht der Arabischen Revolution im Frühjahr 2011. Im Zuge der auch als „Arabischer Frühling“ bezeichneten Unruhen im nord­ afrikanischen Raum, insbesondere in Tunesien, Ägypten und Libyen, musste sich auch das Amt des Hohen Vertreters und der EAD einer ersten Bewährungsprobe unterziehen.561 Der Einsatz des EAD stand im Zusammenhang mit der Bewältigung der politischen und gesellschaftlichen Folgen, die durch die Ablösung der nordafrikanischen Machthaber Tunesiens, Ägyptens und Libyens ausgelöst wurden. Die Operation stand seitens des EAD unter der Federführung des Leiters der Abteilung für den Mittleren Osten und die Südliche Nachbarschaft. Eine am Beispiel der Arabischen Revolution gezogene Zwischenbilanz fällt hinsichtlich der Außenvertretung der Union unter mehreren Gesichtspunkten gemischt, wenn nicht gar „ernüchternd“562 aus: Die Kritik betraf zunächst das Verhältnis der Union zu ihren Mitgliedstaaten. Zunächst konnte die Hohe Vertre­terin Ashton nämlich keine gemeinsame Position der Union präsentieren, weil eine solche zunächst nicht gefunden werden konnte; demgemäß fielen ihre erste Stellungnahme563 hinsichtlich der Bewertung der Unruhen sowie der Ablehnung eines Machtverzichts des Regimes in Ägypten sehr zurückhaltend aus. Als dann wenige Tage später eine gemeinsame EU-Position gefunden war, verhallte die Stimme der Hohen Vertreterin in den hiervon unabhängig abgegebenen Erklärungen der großen Mitgliedstaaten der Union (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien564) und der USA.565 561

Vgl. hierzu den Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 5. 562 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 31. 563 Statement by the EU High Representative Catherine Ashton on Egypt, 28.1.2011; Stellungnahme verfügbar unter: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/ EN/foraff/118992.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 564 Joint UK, France, Germany, Italy and Spain Statement on Egypt, 3.2.2011; Stellungnahme verfügbar unter: https://www.gov.uk/government/news/joint-uk-france-germany-italyand-spain-statement-on-egypt (letzter Abruf: 29.5.2013). 565 Gemeinsames Dokument des Hohen Vertreters und der Kommissarin für humanitäre Hilfe, SEC (2010) vom Juni 2010, vgl. auch Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 11, in: E. Grabitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Euro­ päischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Ähnliche Koordinationsprobleme waren zuvor bereits nach dem Erdbeben von Haiti im Januar 2010 aufgetreten, bei der die Hohe Vertreterin Ashton die Koordinierung der EU-Maß-

K. Zwischenfazit

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Die Krise im nordafrikanischen Raum zeigte ganz deutlich, dass die Reform der GASP eines nicht hatte vollbringen können, nämlich Mut zu entschlossenem Handeln der EU. Ihre Haltung war vielmehr (abermals) von großem Zögern gekennzeichnet. In Krisensituationen zeigt sich, wie sehr der Hohe Vertreter – trotz seines formellen Initiativrechts – in der Praxis vor allem von den großen Mitgliedstaaten abhängig ist, die den nach dem Vertragstext bestehenden Raum für eigene Initia­ tiven des Hohen Vertreters beschneiden.566 Die Entwicklung der EU hin zu einem weitgehend kollektiven Akteur europäischer Außenpolitik verlief nicht in einem linearen Prozess.567 Sie hat Rückschläge wie beispielsweise beim Balkankrieg hinnehmen müssen. Gerade dieser Krieg auf dem Balkan zu Beginn der 1990er Jahre kann als Beweis dafür angeführt werden, dass die EU sich insbesondere dann mit ihrem Handeln schwer tat, wenn die Krisenherde in ihrer unmittelbaren Nähe lagen. Allerdings ist dies auch durch die bereits beschriebene strukturelle Schwäche568 bedingt, die darin liegt, dass der Bereich der Europäischen Nachbarschaftspolitik aus dem Ressort der Generaldirektion „Auswärtige Beziehungen“ ausgegliedert wurde und somit nicht in den Aufgabenbereich des Hohen Vertreters fällt, sondern der Kompetenz des Kommissars für Erweiterung zugeschlagen wurde,569 die Kommission hierdurch also bei politischen Krisen in Regionen ihrer unmittelbaren Nähe eine gewichtige Stimme erheben kann.570 nahmen und die Vertretung der Union auf internationaler Ebene, einschließlich der Haiti-Geberkonferenz in New York und dem dort verabschiedeten Papier, erstmals übernahm. Sie zog damals den Vorwurf auf sich, verspätet reagiert zu haben, vgl. Peter Chase, The EU’s External Action Service: Will it Deliver?, in: Brussels Forum – Paper, März 2011, S. 6; Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 254 f. 566 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 6. 567 Mathias Jopp/Peter Schlotter, Kollektive Außenpolitik – Die Europäische Union als internationaler Akteur, in: dies. (Hrsg.), Kollektive Außenpolitik – Die Europäische Union als internationaler Akteur, Baden-Baden 2007, S. 381 ff. 568 Vgl. hierzu bereits 4. Teil H. VIII. 569 Dies wird vielfach als zielgerichtete Schwächung des Amts des Hohen Vertreters seitens des Kommissionspräsidenten Barroso gewertet, vgl. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/ Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 39. Positiver bewertet Thym diesen Umstand, vgl. Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 132. Er sieht hierin eine Parallele zu der auch auf nationaler Ebene zu beobachtenden Entwicklung, nach der die Außenvertretung eines Staates in einer vernetzten und „interdependenten“ Welt nur teilweise noch dem Grundsatz einer monolithischen Außenvertretung entspricht. Hierzu auch: Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton u. a. 2004 sowie 1. Teil A. I. 570 Dem Hohen Vertreter kommt hier wie auch für die Bereiche Entwicklung, humanitäre Hilfe und Handel allein eine koordinierende Funktion zu, vgl. Art. 18 Abs. 4 S. 3 EUV. Kritisch gesehen auch von Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 94.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

Kritik wurde auch dem Verhältnis der Unionsorgane untereinander entgegengebracht. Nahezu zeitgleich mit dem ersten Statement Ashtons folgten Stellungnahmen des Präsidenten des Europäischen Rates van Rompuy,571 des Kommissars Füle,572 sowie des damaligen Präsidenten des Europäischen Parlamentes Buzek.573 Es wird den Organen der Union in Zukunft noch einiges abverlangen, sich zu disziplinieren und ihr Handeln untereinander zu koordinieren.574 Damit kann der Union zwar insgesamt eine schnelle Reaktion attestiert werden, nachdem Resolution vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einmal verabschiedet war. Allerdings blieb letztlich völlig unklar, worauf dies zurückzuführen war. Die viel beschworene „Einstimmigkeit“ der EU in außenpolitischer Hinsicht ließ jedoch nach oben Gesagtem noch zu wünschen übrig. Die Reform der Außenbeziehungen bindet den EAD eng an den Hohen Vertreter. Dieser mag nun durchaus in der Lage sein, die Interessen der Union einheitlich nach außen zu vertreten; die institutionellen Änderungen des Primärrechts liefern hierfür die Grundlage, erzeugen aber keinen Automatismus der Art, dass ein Konsens ohne Konsultationen der Mitgliedstaaten möglich wäre.575 Problematisch ist ferner, dass die Abteilungen und Referate der EAD-Zentrale auf Arbeitsebene wieder nach Rat bzw. Kommission getrennt werden und dass eine inhaltliche Bündelung der Leitungsfunktion – freilich unterhalb der Ebene des Hohen Vertreters – nicht vorgesehen ist. Außerdem setzt sich die „Personalunion (…) nicht in einem einheitlichen Weisungsstrang vom Hohen Vertreter an den EAD fort“.576 Stattdessen existieren zwei unterschiedliche, im schlimmsten

571

Statement of Herman van Rompuy, President of the European Council, on the Situation in Egypt, Pressemitteilung vom 29.1.2011; Stellungnahme verfügbar unter: http://www. consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/118993.pdf (letzter Abruf: 29.5. 2013). 572 Statement of Štefan Füle, Commissioner for Enlargement and European ­Neighbourhood Policy, European Commission Calls for Orderly Transition and the Holding of Free and Fair Elections in Egypt, Pressemitteilung, 31.1.2011; Stellungnahme verfügbar unter: http:// ec.europa.eu/commission_2010-2014/fule/headlines/news/2011/02/20110203_2_en.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 573 Jerzy Buzek on the Development in Egypt, 28.1.2011; Stellungnahme verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/former_ep_presidents/president-buzek/en/press/press_release/ 2011/2011-January/press_release-2011-January-33.html (letzter Abruf: 29.5.2013). 574 Auf die öffentliche Kritik an den isolierten Erklärungen der Präsidenten der euro­päischen Organe folgte anlässlich Mubaraks Rücktritts erstmals eine gemeinsame Erklärung: Joint Statement by President of the European Council Herman van Rompuy, President of the European Commission José Manuel Barroso, and EU High Representative Catherine Ashton on Recent Developments in Egypt, 11.2.2011; Pressemitteilung verfügbar unter: http:// europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/11/83&type=HTML (letzter Abruf: 29.5.2013). 575 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 32. 576 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12.

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Fall miteinander konkurrierende Weisungsketten.577 Die Ordnung der Weisungsbefugnisse ist daher sowohl hinsichtlich der Unionsdelegationen als auch hinsichtlich der EAD-Zentrale als verbesserungsbedürftig anzusehen. Damit bleibt der EAD-Beschluss insgesamt „(…) hinter dem erreichten Integrationsstand auf Ebene des Hohen Vertreters zurück“.578 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rivaliät der doppelten Strukturen von Kommission und Generalsekretariat des Rates augenscheinlich durch „[die] Verdopplung der Strukturen und der Rivalität zwischen EAD und Kommission“ ersetzt wurden.579 Anstatt für außenpolitische Kohärenz zu sorgen wurde also neuer Abstimmungsbedarf zwischen den Akteuren geschaffen. Vielfach ist Enttäuschung darüber geäußert worden, dass sich das Primärrecht hinsichtlich der konkreten institutionellen Ausgestaltung des EAD enthält580 und diese dem Sekundärrecht überlässt. Dabei wird jedoch übersehen, dass genau hierin eine große Stärke des EAD liegt. Da sich die EU mit der Schaffung des EAD auf „unbekanntes Terrain“ wagte, bei dem sie auf kaum einen nennenswerten Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte,581 gewährt der mit dem Erlass des EADBeschlusses eingeschlagene Weg eine große Flexibilität.582 Änderungsbedarfen kann, etwa nach der Evaluation des EAD im Jahr 2013, durch die – gegenüber der zeitintensiven Vertragsänderung – verhältnismäßig einfache und zügige Anpassung des Ratsbeschlusses nachgekommen werden. Wie dargelegt geht das Aufgabenfeld des Hohen Vertreters und des ihn unterstützenden EAD weit über die GASP hinaus, weshalb der für Art. 27 EUV gewählte Standort im Kapitel über die „Besonderen Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ missglückt ist.583 Es wird erst nach 577

Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 161 („dual allegiance“); Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 9, 10 ff. 578 Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 12. 579 Zitiert nach: Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 252 f. 580 Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S. 229. 581 Zurückgegriffen werden konnte allenfalls auf die allgemeinen Erfahrungen mit der Institutionalisierung und verschiedenen Institutionalisierungsdynamiken, vgl. Jolyon Howorth/ Anne-Marie Le Gloannec, The institutional logic behind the EEAS, in: The EU Foreign Service: how to build a more effective common policy, EPC Working Paper No. 28, November 2007, S. 28 ff. 582 Ähnlich: Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 133. 583 Brian Crowe, Foreign Minister of Europe, Foreign Policy Centre 2005, S. 6; Jan Wouters/ Dominic Coppens, A Global Actor in Making? Reforming the EU’s External Relations Machinery with or without the Constitution, K. U. Leuven Faculty of Law – Institute for International Law, Working Paper Nr. 79, Juni 2005, S. 8 (beide noch zu den entsprechenden Vorschriften des Verfassungsvertrags).

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

eingehender Beschäftigung mit dem EAD (und dem Hohen Vertreter) deutlich, dass sogar bereits die Fixierung im Kapitel über die „Allgemeinen Bestimmungen über das auswärtige Handeln der Union“ (Titel V, Kapitel 1 EUV) sinnvoll gewesen wäre, da auf diese Weise über Art. 205 AEUV eine zweifelsfreie Geltung auch für den Bereich des AEU-Vertrags hätte hergestellt werden können. Zweifelsohne ist mit der Etablierung des EAD als Einrichtung zwischen Rat und Kommission die Wahl auf eine „kreative“584 Option gefallen, die als Mittel zur Steigerung kohärenten Unionshandelns in auswärtigen Angelegenheiten dient. Gleichwohl ist die Sui-generis-Konstruktion „nicht problemlösend“,585 zumindest nicht von vornherein und in jedem denkbaren Fall. Der angesichts der dargelegten Probleme von einigen Mitgliedstaaten eingebrachte Vorschlag, für Politikfelder, in denen der EAD keine oder nur rudimentäre Befugnisse besitzt, wieder den rotierende Vorsitz im Rat einzuführen,586 würde bedeuten, einen Schritt zurückzugehen. Die Rückausnahme von der Abschaffung des rotierenden Ratsvorsitzes nach außen würde für noch mehr Verwirrung und Unverständnis sorgen – ein Resultat, was dem Ziel der Kohärenzsteigerung ganz und gar abträglich wäre. Vergessen werden darf nicht, dass die gerade noch vor Arbeitsaufnahme des EAD von Kommissionspräsident Barroso vorgenommene Veränderung des Ressortzuschnitts der Generaldirektion „Auswärtige Angelegenheiten“ dazu geführt hat, dass der ausgegliederte Bereich der Europäischen Nachbarschaftspolitik dem Erweiterungsressort zugeschlagen wurde, was, auch mit Blick auf die für dieses Ressort eingeplanten Haushaltsmittel, zu einer nicht unerheblichen Stärkung der Kommission in außenpolitischer Hinsicht führte.587 Insoweit könnte der Vorschlag der Gruppe zur Zukunft Europas Abhilfe schaffen. Er sieht vor, dem Hohen Vertreter die Zuständigkeit auch für die Nachbarschaftspolitik zuzuschlagen588 und seine Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit, ebenfalls eine „Domäne“ der Kommission, deutlich zu stärken. Das hinter beiden Vorschlägen stehende Ziel besteht darin, dem Hohen Vertreter die Zuständigkeit für alle „zentralen Bereiche des

584

Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. Gernot Sydow, Der Europäische Auswärtige Dienst, in: JZ 2011, S. 10. 586 Vorschlag erwähnt bei: Julia Lieb, Diplomatisches Neuland für die EU – Den Erfolg des Europäischen Auswärtigen Dienstes durch regelmäßige Evaluierung sichern, SWP-Aktuell 5, Februar 2011, S. 3. 587 Diese Entwicklung antizipieren: Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 2. 588 Dies Forderung wiederholend: Non-Paper der Außenministerien Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Italiens, Lettlands, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Schwedens, der Slowakei und Spaniens vom 1. Februar 2013, S. 1; Dokument abrufbar unter: http://eurotradeunion.eu/documents/20130201_nonpaper.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 585

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Außenhandelns“ zu übertragen,589 damit die Bündelung der Außenvertretung in seiner Person weiter zu forcieren und damit letztlich die für die Kohärenz notwendige Grundlage zu schaffen. Auch der Vorschlag der Zukunftsgruppe, der die Schaffung von „Junior-“ und „Seniorkommissaren“ vorsieht, nimmt sich der Problematik mangelnder Abstimmung und Kohärenz an. Die Frage, ob er jedoch einen praxistauglichen Beitrag leisten kann, der Fragmentierung der Kompetenzen im Bereich des auswärtigen Handelns entgegenzuwirken, kann gegenwärtig noch nicht beurteilt werden, da es der im Abschlussbericht der Zukunftsgruppe enthaltenen Anregung noch an der nötigen Präzisierung mangelt.590 Erweitert man nach der Detailanalyse des EAD nun den Blick auf das Gesamt­ gefüge auswärtiger Vertretung auf Unionsebene, lässt sich festhalten, dass man es mit einer insgesamt hochkomplexen Organstruktur zu tun hat, in der sich unvollkommene Strukturen und langwierige Abstimmungsprozesse vor dem Hintergrund andauernden Ressourcenmangels gehalten und die Anfangs- bzw. Übergangsphase591 nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon entgegen der Hoffnung überzeugter Europäer592 bis dato überlebt haben. Trotz aller Kritik darf ein nicht zu unterschätzendes Detail nicht vergessen werden: Der Vertrag von Lissabon hat es erlaubt, diplomatische, zivile und militärische, wirtschaftliche und entwicklungspolitische Instrumente der unionalen Außenvertretung unter der Schirmherrschaft des Hohen Vertreters und des ihm zuarbeitenden EAD zusammenzuführen.593 Ermöglicht hat dies erstmals, Lösungen zu finden, die über die einzelnen Politikbereiche hinausgehen und die es zur Krisenprävention oder im Krisenfall erlauben, die Mittel miteinander zu verknüpfen. Dies gewährleistet insgesamt ein in sich abgestimmtes Verhalten der Union, das sie in ihrer Außenwahrnehmung in einen (wirklich) ernst zu nehmenden Partner

589 Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens in ihrem Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 8 f.; Dokument abrufbar unter: http:// www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918Abschlussbericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 590 Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 3, 9; Dokument abrufbar unter: http:// www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918Abschlussbericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). Hierzu in diesem Teil auch unter D. III. 2. 591 Zur Übergangsphase nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1.12.2009 unter spanischer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2010: Pol Morillas, Institutionalization or Intergovernmental Decision-Taking in Foreign Policy: The Implementation of the Lisbon Treaty, in: European Foreign Affairs Review 2011, S. 243 ff. 592 Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 465. 593 Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 462.

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5. Teil: Der Europäische Auswärtige Dienst

verwandeln dürfte. Die institutionellen Strukturen der „europäischen Diplomatie“ haben damit eine Aufwertung erfahren.594 Das grundlegendste Defizit besteht sicherlich darin, dass der Reformvertrag keine (absolute) Klarheit hinsichtlich der Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den „High-level-decision-makers“, insbesondere dem Hohen Vertreter, dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Kommissionspräsidenten hat erreichen können.595 Dies bereitet insbesondere Probleme bei der Zurechnung von außenpolitischem Handeln und hat – trotz der Stärkung des Hohen Vertreters als „Gesicht und Stimme der Union“ – daher in der Außenwahrnehmung weder zu dem intendierten kohärenten Handeln noch zu gesteigerter Sichtbarkeit geführt hat. Die politische Rolle des EAD ist damit zusammenfassend betrachtet weitaus bedeutender als sein rechtlicher Stellenwert.596 Dies liegt darin begründet, dass ihm in ersterem Fall durch die Sammlung und Weitergabe von Informationen sowie die interne Koordination nicht unerheblicher Einfluss auf die Entscheidungsfindung in Fragen der Außenvertretung zukommt. Was seine rechtliche Relevanz angeht, hält der Vertrag die Rolle des EAD hingegen bewusst ungenau. Die Hauptaufgabe der „Unterstützung“ des Hohen Vertreters ist nicht positivrechtlich definiert, sondern korrespondiert mit dem Mandat des Hohen Vertreters. Dem EAD wird gelegentlich die Eigenschaft zugeschrieben, Inbegriff der sog. „Brüsselisierung“597 zu sein. Dieser Begriff wird verstanden als ein Prozess, bei dem auch ohne formelle Supranationalisierung Kompetenzen vom Nationalstaat losgelöst und auf die Brüsseler Ebene verlagert werden.598 Innerhalb der GASP ist der EAD genaugenommen die materialisierte und personalisierte „Brüsse­ lisierung“ wie beispielsweise Thym die im Hinblick auf die sich immer weiter verstetigende Institutionalisierung der Expertise in den zuständigen Stellen im Rat und der Kommission bezeichnet.599 Als Beispiel hierfür kann die faktische Ent 594

Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 221. Tony Barber, The Appointments of Herman van Rompuy and Catherine Ashton, in: Journal of Common Market Studies 2010, S. 59. 596 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 491. 597 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 217. 598 David Allen, Who Speaks for Europe? The Search for an effective and coherent external policy, in: J. Petersen/H. Sjursen (Hrsg.), A Common Foreign Policy for Europe, London 1998, S. 56 f.; Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Das neue Entscheidungssystem in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, in: dies. (Hrsg.), Europäische Außenpolitik, Baden-Baden 2002, S. 12; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 169 mit Fn. 554; Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 138. 599 Daniel Thym, Parlamentsfreier Raum? Die Rolle des Europäischen Parlaments in der Außen- und Sicherheitspolitik, in: A. Maurer/D. Nickel (Hrsg.), Das Europäische Parlament – Supranationalität, Repräsentation und Legitimation, Baden-Baden 2005, S. 211 m. w. N. 595

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scheidung politischer Fragen unterhalb der Ministerebene in den Vorbereitungsgremien des Rates und dem PSK als Teil des EAD herangezogen werden.600 Die dem EAD eigene Art und Weise des Regierens („governance“), angesiedelt zwischen Intergouvernementalität und Supranationalität, kann daher wie in der Politikwissenschaft geschehen als „rationalised intergouvernementalism“601 bezeichnet werden. Die gegenüber dem EAD bestehenden Möglichkeiten gerichtlicher Kontrolle fügen sich in die Rechtsschutzsystematik der Verträge ein. Gemessen an dem Tätigkeitsspektrum des EAD kommt nur einem geringen Teil seiner Entscheidungen (Haushalts- und Personalbereich) letztverbindliche Wirkung zu, gegen die im Wege der Nichtigkeitsklage vorgegangen werden kann. Soweit der Bereich intergouvernementalen Handelns betroffen ist, führt die Gründung des EAD zumindest nicht zu einer Erweiterung der hinsichtlich der GASP bereits bestehenden Rechtsschutzlücken. Der Umstand, dass mit dem EAD im System der GASP eine weitere Ebene hinzugekommen ist, ist einer transparenten Zurechenbarkeit der innerhalb der GASP vorgenommenen Maßnahmen und Handlungen allerdings abträglich.

600 Daniel Thym, Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 138. 601 Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and iden­ tities, London 2012, S. 127; Wolfgang Wessels, Nice results. The Millenium IGC in the EU’s evolution, in: Journal of European Public Policy 2001, S. 204.

Sechster Teil

6

Der Europäische Auswärtige Dienst und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

A. Allgemeine Bedeutung für die nationalen diplomatischen Dienste Die Errichtung des EAD hat die diplomatischen Dienste der derzeit 28 Mitgliedstaaten nicht ihrer Existenz beraubt. Sie nehmen ihre Aufgaben vielmehr neben dem europäischen Dienst wahr.1 Von dieser Tatsache geht auch der EU-Vertrag aus, wenn er in Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV die Zusammenarbeit des EAD mit den nationalen diplomatischen Diensten vorsieht. In der Erklärung Nr. 13 zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik haben die Mitgliedstaaten – wenngleich nicht mit rechtsverbindlicher Wirkung – dezidiert zum Ausdruck gebracht, dass „(…) die Errichtung des Auswärtigen Dienstes, weder die derzeit bestehenden Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Formulierung und die Durchführung ihrer Außenpolitik noch ihre nationale Vertretung in Drittländern und internationalen Organisationen berühren.“

Erklärung Nr. 14 erweitert diese Aussage sinngemäß dahingehend, dass die Beziehungen der Mitgliedstaaten zu Drittländern, ihre Beteiligung an internationalen Organisationen, einschließlich der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die Bestimmungen zum EAD nicht berührt werden. Die Öffnung und Schließung diplomatischer und konsularischer Vertretungen steht demnach unverändert im Ermessen der Nationalstaaten. Da auch der EAD, in der Zentrale wie in den Delegationen, der Vermittlung von Informationen aus den Hauptstädten der Mitgliedstaaten bedarf, ist er auf eine enge Zusammenarbeit mit den Außen­ ministerien und deren Botschaften in den Empfangsstaaten angewiesen.2 1 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 16, in: E. Grabitz/ M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL). Anders anscheinend Fischer, der die Mitgliedstaaten „am Scheideweg zwischen der Aufrechterhaltung der klassischen Diplomatie (…) gegenüber der Einrichtung eines allumfassenden, gemeinschaftlichen Außenauftretens (…)“ sieht, vgl. Klemens H. Fischer, Der Europäische Auswärtige Dienst: Mittel zum Zweck oder Selbstzweck?, Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), AIES Fokus 4/2010, S. 1. 2 Dies brachte David O’Sullivan, auf den Punkt, indem er sagte: „However, the EEAS does not mean we need fewer embassies. It was created to complement, not to subsume national diplomatic identities.“ Vgl. Erklärung des Chief Operating Officers David O’Sullivan, Setting up the EEAS, 14.1.2011, S. 4.

A. Allgemeine Bedeutung für die nationalen diplomatischen Dienste 

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Unbestreitbar ist jedoch, dass die Etablierung des EAD strukturelle Änderungen in den nationalen diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten herbeigeführt hat und auch künftig noch Anpassungen erforderlich machen wird.3 Als einfaches Beispiel hierfür kann etwa die Harmonisierung des Zeitpunktes angeführt werden, zu dem das Personal aus den Mitgliedstaaten seine Tätigkeit für den EAD aufnimmt. Vor dem Hintergrund einer sich unter dem Eindruck der Europäisierung auch der Außenministerien und ihrer diplomatischen Dienste4 gewandelten und einer sich weiter wandelnden nationalen Außenpolitik sowie der Tatsache, dass Außenpolitik in Zukunft noch mehr als bereits jetzt auf europäischer Ebene determiniert wird, bedeutet der Umstand, dass die Außenminister nach der Vertragsreform von Lissabon nicht mehr wie zuvor an den Treffen des Europäischen Rates teilnehmen und dort unterstützend mitwirken, einen nicht nur formalen Bedeutungsverlust.5 Gleiches gilt für die Einbuße der Möglichkeit, dem Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ vorsitzen zu können, die eine Konsequenz der Einführung des Hohen Vertreters als ständigem Präsidenten der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“ ist. Ihre Rolle in der Union „post Lissabon“ haben die Außenminister der Mitgliedstaaten daher zum Gegenstand informeller Gespräche gemacht.6 Der Vorschlag, die nationalen Außenminister (zumindest jedoch den Außenminister der Ratspräsidentschaft) zu einer Art Stellvertreter des Hohen Vertreters zu machen und ihnen innerhalb der GASP damit doch wieder eine tragende Funktion zuzuweisen,7 liefe allerdings Gefahr, das Ansinnen des Lissabon-Vertrages, 3

European Policy Institutes Network (EPIN), Reviewing Member States’ Commitment to the European External Action Service, Working Paper Nr. 34, November 2012 veranschaulicht die Auswirkungen des EAD anhand neun ausgewähler Mitgliedstaaten. Überblickartig auch dargestellt bei: Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/ M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 251. 4 Die Ausrichtung nationaler Außenpolitik an der Europapolitik muss eine „Europäisierung“ der nationalen diplomatischen Dienste vollziehen: Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 521; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011. 5 „Wenn es die Tagesordnung erfordert“, können die Staats- und Regierungschefs jedoch „beschließen, sich jeweils von einem Minister (…) unterstützen zu lassen“ (Art. 15 Abs. 3 S. 2 EUV). Die eher für den Ausnahme-, denn den Regelfall konzipierte Bestimmung begrenzt die Hinzuziehung nicht auf die Außenminister. 6 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 204. 7 Giovanni Grevi, The Trio Presidency and EU Foreign Policy: muddling through, Fundación para las Relaciones Internacionales y el Dialogo Exterior (FRIDE), Policy Brief Nr. 84, Madrid, Juni 2011, S. 5; Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27.

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6. Teil: Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

nämlich eine einheitliche Vertretung der Union nach außen zu schaffen, zu konter­ karieren.8 Obwohl unter den Mitgliedstaaten Einigkeit darüber besteht, dass mit der Einsetzung des EAD nicht lediglich ein weiterer diplomatischer Dienst seine Arbeit aufgenommen hat,9 ging in einigen Mitgliedstaaten die Angst um, der EAD werde die nationalen Botschaften schlichtweg ersetzen, zumindest mit ihnen konkur­ rieren10 und damit in einen hergebrachten Kernbereich staatlicher Souveränität eingreifen. Dass eine solche Entwicklung nicht der mit dem Aufbau des EAD verbundenen Zielsetzung entspricht, brachte die Hohe Vertreterin Ashton in ihrem ersten Sachstandsbericht über den EAD zum Ausdruck, in dem sie klarstellte: „Da die einzelstaatlichen diplomatischen Dienste ihre Ressourcen allmählich kürzen, um sich besser auf nationale Prioritäten zu konzentrieren, besteht der Mehrwert der Delegationen darin, dass sie eine angemessene Repräsentation der EU in der ganzen Welt gewährleisten. Dabei geht es nicht darum, die nationalen diplomatischen Dienste zu ersetzen, sondern darum, die Ressourcen effizienter und kostenwirksamer einzusetzen.“11

Zu befürchten steht eher, dass die Schaffung des EAD bei gleichzeitigem Weiterbestehen der mitgliedstaatlichen diplomatischen Dienste erhebliche Probleme bei der Vernetzung der Strukturen mit sich bringen wird, die allerdings für eine Effizienzsteigerung in der Bilanz außenpolitischer Tätigkeiten unentbehrlich ist und letztlich sowohl die Bedingung als auch die maßgebliche Legitimation für jedwede Bemühung bildet, das System europäischer Außenvertretung zu reformieren. 8 Carolin Rüger, A position under construction: Future prospects of the High Representative after the Treaty of Lisbon, in: G. Müller-Brandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 204. 9 Diese Befürchtung äußerte George Walden, britischer Abgeordneter der Konservativen und selbst ehemaliger Diplomat, noch während der Verhandlungen über den EAD-Beschluss weithin hörbar, vgl. George Walden, Scandale, Waste and Waffle of EU diplomacy – a new legion of ambassadors will dangerously diminish Europe’s voice in the world, in: The Times vom 16.3.2010; Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 1. 10 Claudia Dunlea, Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplomatie, Vierteljahreshefte der Zeitgeschichte, 2007, S. 483; Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 521; Elfriede Regelsberger, Mehr Sichtbarkeit, Kohärenz und Effizienz für die GASP – Chancen und Risiken im neuen Verfassungsvertrag, in: M. Jopp/S. Matl (Hrsg.), Der Vertrag über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden, 2005, S. 334; Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 5. 11 Bericht der Hohen Vertreterin zur Vorlage an das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission vom 22. Dezember 2011, PROC HR (2011) 018, Nr. 4; ähnlich: Frank-­Walter Steinmeier in der Sitzung des Europaausschusses des Bundestages am 23. April 2008: Der EAD wird „(…) nicht das ersetzen, was wir unterhalten.“

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik

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Da die Fortführung des europäischen Integrationsprozesses kein Selbstzweck ist, muss also die Frage erlaubt sein, ob die Beibehaltung bilateraler Kontakte in Zeiten des EAD nicht einen aufwendigen, kostspieligen Anachronismus darstellt, von dem sich die Mitgliedstaaten, also auch die Bundesrepublik, auf Dauer verabschieden müssen.12 Die Gründung des EAD hat die Frage der Existenzberechtigung nicht eben entschärft.13 Ihre Beantwortung ist letztlich politischer Natur. Wie man ihr gegenüber steht, hängt davon ab, aus welcher Perspektive man die Frage betrachtet. Berücksichtigt werden muss jedenfalls die Tatsache, dass sich auch die Aufgabenschwerpunkte klassischer Diplomatie gewandelt haben (von Repräsentation zu Koordination bei gleichzeitigem Anstieg der zu behandelnden thematischen Dossiers). Es gilt im 21. Jahrhundert insbesondere, die Gesamtbeziehungen zu den Gastländern zu beobachten, politische Entwicklungen zu verfolgen, zu analysieren und einzelne Aspekte der Entwicklungen zu koordinieren.14

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Der am 26. Oktober 2009 zwischen CDU, CSU und FDP für die 17. Legis­ laturperiode geschlossene Koalitionsvertrag15 bekräftigt im Hinblick auf die lange Zeit umstrittene Frage nach der Existenzberechtigung eines EAD die Forderung, einen solchen institutionell weitgehend unabhängig auszugestalten. Wörtlich forderte die Bundesregierung, der EAD solle „(…) seine Aufgaben wirksam wahrnehmen und über die erforderlichen Mittel und Instrumente verfügen (…)“

können. Die inhaltliche Verzahnung der EU-Außenpolitik mit der Außenpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten werde „(…) am besten durch einen organisatorisch unabhängigen EAD gelingen, in dem Vertreter der Mitgliedstaaten auf allen Ebenen angemessen repräsentiert sind und eine gleichberechtigte Stellung einnehmen“.

Mag man auch die Nachhaltigkeit der von der 17. Bundesregierung betriebenen Europapolitik im Übrigen in Frage stellen,16 so wurde zumindest diese Forderung 12 Karl Th. Paschke, Die Zukunft der deutschen Botschaften in der EU, in: E. Brandt/ Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 333. 13 Michael Koch, Wozu noch Diplomaten? in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 346 ff. 14 Karl Th. Paschke, Die Zukunft der deutschen Botschaften in der EU, in: E. Brandt/ Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 334. Vgl. auch 1. Teil A. II. 15 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“, 17. Legislaturperiode, S. 118. 16 So z. B. Joachim Wuermeling, Berlin blassblau: zur Europapolitik der neuen Bundesregierung, in: integration 2010, S. 65 ff.; im Ergebnis auch: Edmund Ratka, Lissabons Chancen nut-

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6. Teil: Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

während des gesamten Verhandlungsprozesses über den EAD fortwährend und parteiübergreifend bekräftigt. Dementsprechend interessiert zeigten sich auch die Fraktionen des Bundestages. Sie stellten in Form von Anträgen oder Kleinen Anfragen eine Reihe konkreter Forderungen oder Nachfragen zum Themenbereich EAD.17 Die im Folgenden erörterten Fragen betreffen die Anpassung des Auswärtigen Amts an die auf europäischer Ebene institutionell veränderten Rahmenbedingungen. Es soll untersucht werden, inwiefern sich der Auswärtige Dienst der Bundesrepublik auf die auf europäischer Ebene institutionell veränderte Ausgangsposition eingestellt und wie sich die Europäisierung in der Organisationsstruktur sowie der strategischen Aus- und Weiterbildung des Personals niedergeschlagen hat. Die hiermit angesprochenen Fragen der Zusammenarbeit betreffen vorwiegend das vertikale Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Mitgliedstaat Deutschland. Aspekte der horizontalen Europäisierung der Diplomatie, also etwa der Verstärkten Zusammenarbeit (Art. 20 EUV) der nationalen diplomatischen Dienste oder deren Integration, sollen vorliegend ausgeklammert werden.18

I. Zusammenarbeit mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst Gemäß Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV arbeitet der EAD „mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten“ zusammen. Der EAD-Beschluss nimmt diese primärrechtliche Vorgabe der Kooperation auf, wenngleich er anscheinend ein leicht verschobenes Rollenverhältnis zwischen dem EAD und den nationalen diplomatischen Diensten voraussetzt.19 In seinem Art. 3 Abs. 1 findet die „Unter­ stützung“ der diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten durch den EAD besondere Betonung, hingegen ist im Primärrecht von einer nicht näher präzisierten „Zusammenarbeit“ die Rede.20 Art. 221 Abs. 2 S. 2 AEUV legt schließlich den zen: Die außenpolitische Verfassung der EU nach dem Reformvertrag, in: Politische Studien, März/April 2010, S. 76. 17 So beispielsweise die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, Personalsituation im Auswärtigen Amt für den Aufbruch in die Diplomatie des 21. Jahrhunderts, BT-Drs. 16/2112 vom 27.6.2006, der Antrag der SPD-Fraktion, Den Europäischen Auswärtigen Dienst im Dienste aller EU-Institutionen handlungsfähig und wirkungsvoll ausgestalten, BT-Drs. 17/2118 vom 15.6.2010, der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Den friedenspolitischen und krisenpräventiven Auftrag des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) jetzt umsetzen, BTDrs. 17/4043 vom 30.11.2010 oder der Antrag der Fraktion Die Linke, Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU wirksam kontrollieren, BT-Drs. 17/5387 vom 6.4.2011. 18 Hierzu: Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 233 ff., 264 ff. (insbesondere auch zum Begriff der „Verwaltungsintegration“ in Abgrenzung zur „Verwaltungskooperation“). 19 Zur Zusammenarbeit des EAD mit den nationalen diplomatischen Diensten im 5. Teil E. III. 20 Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der EAD-Beschluss das Rollenverhältnis zwischen EAD und den diplomatischen Mitgliedstaaten im Vergleich zum Primärrecht weder ändern konnte noch wollte, sondern eher als Zugeständnis an die Mitgliedstaaten so formuliert wurde.

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik

315

Grundstein für das Verhältnis von EU-Delegationen und den nationalen diplomatischen Diensten. Hiernach werden die Delegationen „in enger Zusammenarbeit mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten tätig“. Art. 5 Abs. 9 EAD-Beschluss ergänzt die primärrechtliche Bestimmung und liefert mit dem hierin vorgesehenen Austausch von Informationen zwischen EU-Delegationen und nationalen diplomatischen Diensten einen Anhaltspunkt für den materiellen Gehalt der nicht weiter konkretisierten Zusammenarbeit mit dem EAD. Seitens des Auswärtigen Amts wurden die für die Zusammenarbeit mit dem Rat und der Kommission bereits bestehenden Strukturen zusammengeführt und gebündelt.21

II. Anpassungen in Organisation und Verfahren Die Schaffung des EAD ist nicht ohne Auswirkungen auf die interne Organisationsstruktur des Auswärtigen Amts geblieben. Nachdem das Ministerium bereits mit zwei Reformen auf den seit Mitte der 1990er Jahre schrittweise umgesetzten Personalabbau reagierte, die einerseits die Modernisierung interner Abläufe und den Ausbau des IT-Netzes (Reforminitiative I), andererseits Veränderungen beim laufbahnübergreifenden Personaleinsatz betrafen (Reforminitiative II),22 rückten mit der Einrichtung des EAD erneut vor allem Fragen der internen Organisation ins Zentrum der Überlegungen über die Anpassungsbedarfe.23 1. Personalsekretariat Europäischer Auswärtiger Dienst Am Ende des durch die Einrichtung des EAD in Gang gesetzten Anpassungsprozesses im Auswärtigen Amt stand die Einrichtung eines „Personalsekreta­ riats EAD“, das in den Bereich des Personalwesens in der Zentralabteilung integriert wurde. Seine Aufgabe besteht darin, Interessenbekundungen potentieller deutscher Bewerber, die aufgrund der Stellenausschreibungen des EAD bei ihm eingehen, zu sammeln. Es betreut die Bewerber während der Bewerbungsphase, bespricht mit ihnen konkret, was eine zeitweise Einstellung beim EAD für die wei 21

Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zur Personal­ situation des Auswärtigen Amts für den Aufbruch in die Diplomatie des 21. Jahrhunderts, BTDrs. 16/2298 vom 25. Juli 2006, S. 8 f. 23 Im Zuge einer allgemeinen Europäisierungsbestrebung hat das Auswärtige Amt einen vergleichbaren Prozess bereits früher erlebt, vgl. Claas Knoop, Der Außenminister der Euro­ päischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108. 22

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6. Teil: Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

tere Karriereplanung bedeuten würde. Hierbei greift es auf eine Liste (sog. „Toolbox“) zurück, die mögliche Angebote enthält, die die Attraktivität einer Bewerbung beim EAD steigern sollen.24 2. Einheitlicher Versetzungstermin Der EAD hat sich mittlerweile auf den Sommertermin für die Rotation eingestellt, weil der Zeitraum von Juli bis September in den meisten diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten der übliche Versetzungszeitpunkt ist. Dennoch versucht das Auswärtige Amt darauf hinzuwirken, dass die vom EAD vorgegebenen Ausschreibungs- und Bewerbungsfristen peu à peu früher angesetzt werden, damit die deutschen Bewerber, die ansonsten der regulären Versetzung im Auswärtigen Amt unterliegen, eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich ihrer nächsten Verwendung haben. Um die Bewerber zusätzlich abzusichern, bezieht sie das Auswärtige Amt in den regulären Versetzungsplan mit ein, damit sie im Falle des Scheiterns ihrer Bewerbung beim EAD noch einen Einfluss auf ihren Inlandsoder Auslandsposten nehmen können25 und nicht die „unattraktivsten“ Posten zugeteilt erhalten. Für den Fall, dass die Bewerbung beim EAD erfolgreich ist, sucht das Amt nach einem Ersatz für den freigehaltenen Posten im Auswärtigen Amt oder seiner Delegation.26 3. Einrichtung von Verbundbotschaften? Angesichts des mit zunehmender Integrationsdichte enger werdenden Beziehungsgeflechts zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der immer wieder – meist negativ – betonten Stellung „Brüssels“ als Sinnbild „euro­ päischer Machenschaften“ wurde in der Vergangenheit wiederholt die Frage gestellt, ob die Unterhaltung bilateraler Beziehungen durch diplomatische Dienste überhaupt noch eine Existenzberechtigung habe27 oder ob die Interessen der Mitgliedstaaten und der Union nicht durch einen gemeinsamen diplomatischen Dienst auf europäischer Ebene gebündelt wahrgenommen werden könnten.

24

Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 26 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 27 Vgl. Karl Th. Paschke, Die Zukunft der Diplomatie, in: E. Brandt/Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 333; Fraser Cameron, The EU’s External Action Service – Golden or Missed Opportunity?, in: G. MüllerBrandeck-Bocquet/C. Rüger (Hrsg.), The High Representative for the EU Foreign and Security Policy, Baden-Baden 2011, S. 255; Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 69 f. 25

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik

317

Um die Zahl der neben der einheitlichen europäischen Außenvertretung existierenden bilateralen Vertretungsstellen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, ist mittel- bis langfristig auch die Einrichtung sog. Verbundbotschaften vorstellbar.28 Bislang hat das – in der politischen Praxis größerer Mitgliedstaaten wenig populäre – Konzept der Verbundbotschaft noch wenig an Konkretisierung erfahren. Die denkbaren Entwicklungsszenarien reichen von der Idee, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die in einem Drittstaat keine eigene diplomatische Vertretung unterhalten, an der Unionsdelegation einen Vertreter abstellen, der auch zur bilateralen Beziehungspflege berufen ist, über die gemeinsame Gebäudenutzung29 bis hin zum Vorschlag, einzelne mitgliedstaatliche Vertretungsstellen zusammenzu­ legen.30 Bislang ist jedoch keine dieser unter dem Schlagwort „Verbundbotschaft“ zusammengefassten Ideen in die Wirklichkeit umgesetzt worden. 4. Erweiterung des Bewerberkreises Um den Gesamtanteil deutscher Vertreter des Auswärtigen Amts31 sowie die Erfolgsquote der deutschen Bewerbungen beim EAD von derzeit 10 %32 weiter zu steigern, ist auch dem Personal anderer Ressorts als dem des Auswärtigen Amts der Weg für eine Entsendung in den EAD eröffnet. Um der primärrecht­ lichen Anforderung des Art. 27 Abs. 3 S. 2 EUV zu entsprechen, die vorsieht, dass der EAD „(…) abgeordnetes Personal der nationalen diplomatischen Dienste (…)“

28 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108. 29 Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAPanalyse Nr. 12, September 2012, S. 14. Derzeit ist von der Idee, im Empfangsstaat für eine deutsche Botschaft und die Unions­ delegation eine gemeinsame Räumlichkeit einzurichten, noch kein Gebrauch gemacht worden, jedoch hat der EAD für zwei Dienstorte Interesse hieran bereits bekundet (Auskunft eines Vertreters des Auswärtigen Amts am 3.12.2012). 30 Vgl. Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/ A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 521 f. 31 Inge Gräßle, Stellen und Stellenbesetzungen im Europäischen Auswärtigen Dienst, Vermerk vom 14.9.2011; nach Möller/Rappold waren es noch im August 2012 weniger als 20 Vertreter, vgl. Almut Möller/Julian Rappold, Deutschland und der Europäische Auswärtige Dienst – Perspektiven einer Europäisierung der Außenpolitik, in: E. Sandschneider/O. Wolff (Hrsg.), Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik, DGAP analyse Nr. 12, September 2012, S. 11. 32 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012.

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6. Teil: Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

umfasst, stellt das Auswärtige Amt für Bewerber anderer Ressorts eine Bescheinigung aus, nach der der Bewerber das gesuchte Qualifikationsprofil erfüllt33 und nach § 13 Abs. 1 S. 2 HS 1 GAD als Angehöriger des Auswärtigen Amts gilt. Auch in Frankreich ist die Bewerbung beim EAD nicht nur den Diplomaten vorbehalten, sondern steht auch anderen Bewerbern offen.34

III. Anpassungen im Aus- und Fortbildungssystem Die Europäisierung der mitgliedstaatlichen Verwaltungsapparate macht auch vor Bereichen der Aus- und Weiterbildung sowie der Einstellungs- und Beförderungspraktiken nationaler Außenministerien keinen Halt. Mit ihr untrennbar verbunden ist der Begriff der europapolitischen Fachkompetenz der öffentlich Bediensteten, die auch unter dem Begriff der Europafähigkeit diskutiert wird. 1. Stärkung der Europafähigkeit Unter dem Begriff der Europafähigkeit wird aus nationaler Perspektive das Vorhandensein bzw. der Erwerb spezifischer europabezogener Fach- und Sprachkompetenzen verstanden, die auch die Förderung interkultureller Fähigkeiten einschließt.35 Eine konsequente Ausrichtung der Organisationsstruktur des Auswärtigen Amts an der Europäisierung des Auswärtigen Dienstes36 setzt voraus, dass die so verstandene Europafähigkeit in allen Abteilungen und auf allen hierarchischen Ebenen gestärkt wird. Durch die Entsendung eigenen Personals haben die Mitgliedstaaten nun Anteil an der Tätigkeit des EAD. Inwieweit sich die damit verbundene Hoffnung, dass sie ihn auch als „ihren europäischen diplomatischen Dienst“ empfinden37 und ihn dementsprechend nach Kräften unterstützen, verwirklicht hat, hängt maßgeblich auch damit zusammen, welche Rolle und welchen Stellenwert der EAD innerhalb des deutschen diplomatischen Dienstes spielt.

33

Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Christophe Hillion/Maxime Lefebvre, Le service européen pour l’action extérieure: vers une diplomatie commune?, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 184, vom 25. Oktober 2010, S. 6 mit Anm. 11. Siehe auch bereits 5. Teil G. III. 35 Definition in Anlehnung an: Günther Wurster/Sieglinde Hübsch-Barten, Europafähigkeit als Fortbildungsaufgabe der BaköV, in: Verwaltung und Fortbildung, Nr. 3, 2003, S. 13 f. 36 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108. 37 Helga-Maria Schmid, EU-Außenpolitik nach Lissabon. Struktur und Wirkung, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 2010, S. 465. 34

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik

319

Eine Förderung einer EU-kompatiblen deutschen Rekrutierungs- und Entsende­ praxis kann beispielsweise in den vom Auswärtigen Amt angebotenen Vorbereitungskursen für EU-Concours, der Einrichtung eines Koordinators für internationale Stellenpolitik im Referat 1-IP der Zentralverwaltung oder auch in der Anpassung der Personalentwicklungskonzepte auf europäische Rahmenbedingungen gesehen werden, die sich auch in der Einrichtung des Personalsekretariats EAD im Referat Personalwesen des Auswärtigen Amts niedergeschlagen hat.38 Über diese Angebote hinaus bietet das Referat E 01 speziell für Bewerbungen beim EAD konzipierte Seminare an, die das Ziel verfolgen, Spezialkenntnisse über den EAD vermitteln. Für diejenigen Kandidaten, die zu Vorstellungsgesprächen beim EAD eingeladen wurden, besteht die Möglichkeit, besondere Schulungen für das beim EAD zu führende Interview zu besuchen, in dem Fachwissen über den EAD und seine Delegationen, aber auch allgemein über die GASP oder den EUHaushalt erworben werden kann.39 2. Auswirkung einer Bewerbung beim Europäischen Auswärtigen Dienst Ein weiterer für die Förderung der Unterstützung und der Akzeptanz des EAD seitens des Personals der nationalen diplomatischen Dienste wesentlicher Faktor dürfte darin bestehen, dass sich eine Tätigkeit im EAD für die Karriere in der heimatlichen Ministerialbürokratie (z. B. bei der Beförderung) katalysierend,40 zumindest jedoch nicht aufstiegshemmend auswirkt.41 Eine Flexibilisierung der üblichen Zeitpunkte der Rotation zwischen Zentrale, Auslandsvertretung und europäischen und internationalen Posten oder der Entsendungsintervalle war entgegen mancher Erwartungen nicht erforderlich.42 Hinsichtlich aller genannten Aspekte kamen die seitens des EAD hierfür vorgesehenen Regelungen den Regularien des Auswärtigen Amts im Grundsatz sehr entgegen.43 38

Siehe in diesem Teil bereits unter B. II. 1. Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012; Dritter Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen, BTDrs. 17/11942 vom 19.12.2012, S. 6. 40 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 59; Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/ F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 66. 41 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. So aber in der Vergangenheit beobachtet von: Heinrich Siedentopf/Benedikt Speer, Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse in der Einstellungs- und Entsendepraxis des deutschen höheren Ministerialdienstes, hrsg. von der Berliner Initiative für mehr Internationalität in Bildung, Ausbildung und Personalpolitik, Berlin 2004, S. 60 ff. 42 Julia Lieb/Andreas Maurer, Der Europäische Auswärtige Dienst – Notwendige Vorarbeiten gegen ein böses Erwachen, SWP-Aktuell 35, Mai 2008, S. 4 f. 43 Hierzu schon 5. Teil G. III. und in diesem Teil unter B. II. 2. 39

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6. Teil: Europäischer Auswärtiger Dienst und Auswärtiges Amt der BRD

Zu den genannten Elementen hinzu kommt eine strategische Planung hinsichtlich der Rekrutierung, der Aus- und Weiterbildung des Personals44 und schließlich der erfolgreichen Wiedereingliederung der „Rückkehrer“.45 Diesen Aspekten trägt das Auswärtige Amt Rechnung, indem es einerseits die europapolitischen Fachkompetenzen seines Personals z. B. durch das Angebot von internen EU-Seminaren stärkt und indem es die EAD-Bewerber andererseits von Beginn des Bewerbungsprozesses an durch das Personalsekretariat EAD begleitet und über Möglichkeiten der Verwendung nach der Tätigkeit beim EAD frühzeitig informiert.46 Es anerkennt auch eine im Ergebnis erfolglose Bewerbung beim EAD, weil sich der Bewerber den Mühen der Bewerbung überhaupt unterzogen hat und die Gründe eines Scheiterns oftmals nicht auf Umstände zurückzuführen sind, die der Bewerber zu vertreten hat.47

IV. Zwischenfazit Der EAD hat das Weiterbestehen der nationalen Außenministerien und ihrer diplomatischen Dienste erklärtermaßen nicht in Zweifel gezogen oder ziehen wollen. Er ist nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung zu den diplomatischen Diensten gedacht.48 Gleichwohl hat sich das Auswärtige Amt, wie die Außenministerien anderer Mitgliedstaaten, auf die Zusammenarbeit mit dem EAD einstellen müssen. Essentieller Gegenstand dieser Kooperation ist die Weiterleitung gewonnener Informationen von den Unionsdelegationen an die EAD-Zentrale sowie an die nationalen Außenministerien. Die Zusammenarbeit mit dem EAD hat Anpassungen in der internen Organisation des Auswärtigen Amts hervorgerufen, insbesondere durch die Einrichtung spezialisierter Arbeits- oder Personalreferate.49 Die europapolitische Komponente des Aus- und Fortbildungssystems des Auswärtigen Amts hat durch die Zusam 44 Claas Knoop, Der Außenminister der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst – Grundlagen im Europäischen Verfassungsvertrag, in: R. Hendler/M. Ibler/J. Martínez Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa, FS für Volkmar Götz zum 70. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 108. 45 Praktische Erfahrungen zur Wiedereingliederung der „Rückkehrer“ existierten zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Untersuchung noch nicht, da der Regelentsendezeitraum von vier Jahren seit der Inbetriebnahme des EAD noch nicht abgelaufen war; Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. Über negative Erfahrungen hinsichtlich der Tätigkeit im EAD berichtet: Andrew Rettman, Staff leaving EU diplomatic service amid bad working conditions, EUobserver vom 30.9.2011, Artikel verfügbar unter: http://euobserver.com/institutional/113777 (letzter Abruf: 29.5.2013). 46 Hierzu in diesem Teil bereits unter B. II. 1. („Tool-box“). 47 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012. 48 Vgl. in diesem Teil unter A. 49 Hierzu bereits unter B. II.

B. Auswirkungen für den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik

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menarbeit mit dem EAD im Spektrum möglicher Themen erneut an Gewicht gewonnen. Die Attraktivität und damit die Anzahl der Bewerbungen für Entsendungen zum EAD versucht das Auswärtige Amt dadurch zu erhöhen, dass es die Interessenten im Bewerbungsprozess nach Kräften durch spezielle Schulungen fördert und erfolglose Bewerber durch die Einbeziehung in den üblichen Versetzungsplan auffängt und ihnen größtmögliche Planungssicherheit verschafft.

Siebenter Teil

7

Fazit: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Auswärtigen Dienstes Die vorangehenden Kapitel haben das System der Außenvertretung der EU von verschiedenen Seiten beleuchtet und dabei nicht nur Fortschritte, sondern auch Schwachstellen freigelegt. Zu den Errungenschaften der Reformen zählen zum einen die (weitgehende) Zusammenfassung der mit auswärtigen Fragen befassten Dienststellen in der Kommission und dem Generalsekretariat der Rates, zum anderen das Initiativrecht des Hohen Vertreters. Beide Aspekte bilden Grundvoraussetzungen dafür, dass eine kohärente europäische Außenpolitik überhaupt durchgeführt werden kann.1

A. Einordnung der Problematik in den Kontext des Verfassungsverbundes Die Reform des Systems europäischer Außenvertretung trägt zur Weiterentwicklung der europäischen Integration bei. Letztere bildet freilich nicht nur einen Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Forschung. Sie beschäftigt daneben vor allem auch die Wirtschaftswissenschaft, die Politik- und die sonstigen Sozialwissenschaften, insbesondere die Geschichtswissenschaft.2 Bei der Erforschung und der systematischen Analyse der europäischen Integration hat nahezu jede der genannten wissenschaftlichen Disziplinen ihre ganz eigenen theoretischen Ansätze und Erklärungsmodelle gesucht und gefunden.3 Nicht selten ermöglicht erst 1 Thomas Risse, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsvertragsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, in: integration 2003, S. 567. 2 Zu den von diesen Disziplinen für den Bereich der europäischen Integration verwendeten Theorien: Roland Bieber, § 1 Rn. 41 ff., in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. 3 Prominente Vertreter dieser Modelle, etwa im Bereich der Politikwissenschaft, bilden z. B. die Theorien des Mehrebenensystems, des Neo-Institutionalismus oder der Pfadabhängigkeit. Zu theoretischen Erklärungsansätzen im Bereich der EU-Außenpolitik: Mathias Jopp/Peter Schlotter, Die Europäische Union – ein kollektiver außenpolitischer Akteur? Theoretische Annäherung und Einführung, in: dies. (Hrsg.), Kollektive Außenpolitik – Die Europäische Union als internationaler Akteur, Baden-Baden 2007, S. 14 ff.

A. Einordnung der Problematik in den Kontext des Verfassungsverbundes 

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ihre kombinierte Anwendung bzw. eine disziplinenübergreifende Zusammenschau eine umfassende Analyse des zweifellos mehrdimensionalen und daher komplexen Untersuchungsgegenstandes. Ausgehend von dem klassischen völkerrechtlichen Verständnis der wachsenden europäischen Gemeinschaft als Verbindung von souveränen Staaten im Rahmen einer – mit einigen Besonderheiten versehenen – internationalen Organisation hat auch die Rechtswissenschaft nicht aufgehört, nach einem Modell zu suchen, das die europäische Integration als eigenständige Kategorie erklärt,4 ohne auf umfangreiche Anleihen aus der Staatslehre (z. B. Bundesstaats- oder Staatenbund­modell5) zurückgreifen zu müssen. Die Ursache hierfür ist überwiegend in der Entwicklungsoffenheit der sich seit den 1950er Jahren enger zusammenschließenden europäischen Staatengemeinschaft. Von einem (Bundes-)Staat unterscheidet sich die Union vor allem durch das Fehlen einer All(gemein-)zuständigkeit für sämtliche Politikbereiche sowie durch die Kompetenz, eigene Zuständigkeiten zu generieren (Kompetenz-Kompetenz). Überdies ermangelt es ihr an einem eigenen Staatsvolk im völkerrechtlichen Sinne. Fester Bestandteil der rechtswissenschaftlichen Theorien zur europäischen Integration ist daher das bereits genannte Modell des Staaten- oder Verfassungsverbundes6 geworden. Mit dem Verfassungsverbund hat die Rechtswissenschaft eine dem politik­ wissenschaftlichen Modell des in sich verflochtenen Mehrebenensystems ähnliche Kategorie geschaffen. Ihm liegt die Annahme zu Grunde, Union und Mitglied­staaten bildeten ein miteinander verwobenes föderales Gesamtgefüge, das hoheitliche Aufgaben erledige, sowie ferner die Annahme, die Verfassung des Gesamtgebildes stütze sich auf besondere Weise auf die Verfassungen der Mitgliedstaaten,7 wodurch die Trennung der Rechtsordnungen von Union und Mit-

4 Armin von Bogdandy, Beobachtungen zur Wissenschaft vom Europarecht. Strukturen, Debatten und Entwicklungsperspektiven der Grundlagenforschung zum Recht der Europäischen Union, in: Der Staat 2001, S. 3 ff.; Roland Bieber, § 1 Rn. 44 f., in: ders./Astrid Epiney/Marcel Haag, Die Europäische Union, 10. Aufl., Baden-Baden 2013. 5 Zu beiden: Stefan Oeter, Vertrag oder Verfassung: Wie offen lässt sich die Souveränitätsfrage halten?, in: Th. Bruha/J. J. Hesse/C. Nowak (Hrsg.), Welche Verfassung für Europa?, ­Baden-Baden 2001, S. 247 ff. 6 Zum Begriff des Verfassungsverbundes: Ingolf Pernice, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, in: VVDStRL Bd. 60 (2000), Berlin, S. 163 f.; Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 49 f., 74 f.; Ines Härtel, Demokratie im europäischen Verfassungsverbund, in: JZ 2007, S. 431 mit Fn. 2, dort m. w. N. 7 So gesehen kann der europäische Verfassungsverbund quasi als „Pate“ eines entsprechenden Verwaltungsverbundes angesehen werden, vgl. Thorsten Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund – Horizontale Entscheidungsvernetzung und vertikale Entscheidungs­ stufung im nationalen und europäischen Verwaltungsverbund, Tübingen 2009, S. 11. Hiernach wurde „[d]er Begriff des europäischen Verwaltungsverbundes (…) in Anlehnung an die Figur des europäischen Staaten- und Verfassungsverbundes entwickelt“.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

gliedstaaten verwische. Die hieraus entstehende Gesamtrechtsordnung bilde den sog. Verfassungsverbund.8 Besonderer Ausdruck dieses Verfassungsverbundes ist im Hinblick auf auswärtige Angelegenheiten das Miteinander von „europäischer“ und nationaler Außenpolitik. In diesem System mit mehreren Ebenen nehmen sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten öffentliche Gewalt wahr, handeln aber nicht losgelöst voneinander, sondern sind in einen einheitlichen Verbund integriert, in dem wechselseitige Abhängigkeiten bestehen.9 Dieses Miteinander10 stellt ein „Markenzeichen“ der EU dar – freilich nicht nur im Bereich des auswärtigen Handelns.

B. Bedeutung des Vertrags von Lissabon für das auswärtige EU-Handeln Der Vertrag von Lissabon markiert auf der Zeitachse nicht nur hinsichtlich der Außenvertretung ebenso eine „Zwischenstation im europäischen Integrations­ prozess“11 wie es vor ihm bereits der Verfassungsvertrag und andere Verträge taten. Gerade das Schicksal des Verfassungsvertrags zeigt besonders deutlich, dass „[d]er Integrationsprozess (…) nicht stets geradlinig verlaufen“ ist.12 Dass er dies auch zukünftig nicht tun (können) wird, belegt sehr anschaulich das politische Ringen um eine Lösung für das Problem überschuldeter Mitgliedstaaten und deren Verbleiben in der Währungsunion, das besonders in den Jahren 2011 und 2012 aktuell geworden ist.

8

Ingolf Pernice, Bestandssicherung der Verfassungen: Verfassungsrechtliche Mechanismen zur Wahrung der Verfassungsordnung, in: R. Bieber/P. Widmer (Hrsg.), Der europäische Verfassungsraum, Zürich 1995, S. 262; zum hybriden Charakter des Verfassungsverbundes auf Unionsebene: Stefan Oeter, Föderalismus und Demokratie, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., Dordrecht u. a. 2009, S. 119. Auch die Bezeichnung als „Staaten- und Verfassungsverbund“ ist gebräuchlich, vgl. Christian Calliess, Grundsatz der Subsidiarität: Nur ein leeres Versprechen?, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 77. 9 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 47; ders., Intergouvernementale Exekutivgewalt – Die Verfassung der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in: AVR 2012, S. 132. 10 Oder in den Worten Weilers: „[T]he strength inherent in united action“, vgl. Joseph H. H. Weiler, The External Legal Relations of Non-Unitary Actors, in: ders. (Hrsg.), The Constitution of Europe, Cambridge, 1999, S. 185. 11 Siegfried Magiera, Der Verfassungsvertrag als Zwischenstation im europäischen Integrationsprozess, in: F. Kirchhof/H.-J. Papier/H. Schäffer (Hrsg.), Rechtsstaat und Grundrechte – FS für Detlef Merten, Heidelberg 2007, S. 429 ff. 12 Siegfried Magiera, Der Verfassungsvertrag als Zwischenstation im europäischen Integrationsprozess, in: F. Kirchhof/H.-J. Papier/H. Schäffer (Hrsg.), Rechtsstaat und Grundrechte – FS für Detlef Merten, Heidelberg 2007, S. 429.

C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung

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Obwohl der Vertrag von Lissabon eine Fülle von Vertragsanpassungen hervorgerufen hat, die zu einem großen Teil sicherlich als bedeutend einzustufen sind, hat er im Bereich der auswärtigen Politik der EU keinen Paradigmenwechsel bewirkt.13 Für einen solchen hätte es eines grundlegenden Wechsels von einer Grundauffassung zu einer anderen,14 somit eines Wandels des Blickwinkels auf das System der Außenvertretung bedurft. Wenngleich es zu einer kompetentiellen Stärkung der Position des Hohen Vertreters gekommen und die Einrichtung des EAD als die „wohl größte Errun­ genschaft des Lissabon-Vertrages in institutioneller Hinsicht“15 einzustufen ist, bleibt die gemeinsame Außenpolitik der Union weiterhin von dem Einfluss der Regierungen der Mitgliedstaaten stark beherrscht. Für das Amt des Hohen Vertreters lässt sich zusammenfassen, dass es zwar zu einer Zusammenlegung der außenpolitisch relevanten Vertretungsbefugnisse gekommen ist, dies allerdings ohne gleichzeitig die Entscheidungsmechanismen zu reformieren.16 Neben der Personifizierung der Außenvertretung in dem Amt des Hohen Vertreters war für die Weiterentwicklung der europäischen Außenpolitik jedoch ebenso wichtig, die Entscheidungsstrukturen und den ministerialbürokratischen Unterbau des Hohen Vertreters zu überdenken.17

C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung Die bisher zu verzeichnende Zersplitterung des EU-Außenhandelns ist trotz der Bemühungen der Mitgliedstaaten nicht überwunden, sondern nach der hier vertretenen Auffassung durch ein neues System der Fragmentierung abgelöst worden. Zwar ist mit der Fusion der Posten des bisherigen Hohen Vertreters und des Außen­kommissars ein „aktiver Spieler vom Platz gestellt“ worden. In der Summe der Mitspieler vermag sich dies jedoch nicht nennenswert auszuwirken, da auch 13

Edmund Ratka, Lissabons Chancen nutzen: Die außenpolitische Verfassung der EU nach dem Reformvertrag, in: Politische Studien, März/April 2010, S. 76. 14 Duden, Das Fremdwörterbuch (Bd. 5), 10. Aufl., Mannheim u. a. 2010, Stichwort „Paradigmenwechsel“. 15 Werner Kaufmann-Bühler/Nikolaus Meyer-Landrut, Art. 27 EUV Rn. 10, in: E. Gra­ bitz/M. Hilf/M. Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd. I, München, Stand: Juli 2010 (41. EL); Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 94. 16 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 94. 17 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 60.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

die Bedeutung anderer Personalien von der Reform erfasst wurden. So haben die Außenminister der Mitgliedstaaten ihre regelmäßige Beteiligung an den Sitzungen des Europäischen Rates eingebüßt (Art. 4 UAbs. 2 S. 2 EUV a. F.), was durchaus als Schwächung begriffen werden kann.18 Die Reform der GASP, insbesondere die Einführung des Amtes des Hohen Vertreters hat sich heftiger Kritik unter­ ziehen müssen. So wurde es als „Hilfskonstruktion“19 oder „Mogelpackung“20 verunglimpft. Mit den durch den Vertrag von Lissabon eingetretenen Reformen des Primärrechts wurde zum einen die Verschlankung administrativer Strukturen bewirkt, z. B. durch die Figur der Personalunion. Ferner bewirkt der Doppelhut des Hohen Vertreters gegenüber der früheren Rechtslage zweifelsohne Synergien und Effizienzgewinne. Eine Vereinfachung der Entscheidungsprozesse geht damit angesichts der Einbeziehung anderer, neuer Akteure, andererseits nicht automatisch einher. Der Bereich des auswärtigen Handelns der Union ist auch nach Inkraft­treten des Vertrags von Lissabon gekennzeichnet durch die Dichotomie zwischen der intergouvernementalen GASP und den supranationalen auswärtigen Beziehungen der Union.21 Dies hängt mit der in den Verträgen angelegten „exekutiven Doppelspitze“22 aus Hohem Vertreter und Präsidenten des Europäischen Rates zusammen.23 Sie bewirkt, dass das Außenhandeln der Union immer noch auf verschiedenen horizontalen und vertikalen Ebenen stattfindet, was dazu geführt hat, dass in diesem Zusammenhang bereits von einer „Mehrebenendiplomatie“24 18 Volker Epping, Art. I-21 EVV Rn. 5, in: Ch. Vedder/W. Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäischer Verfassungsvertrag, Kommentar, Baden-Baden 2007; Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 195. Siehe bereits 6. Teil A. Aufgefangen werden könnte diese Schwächung durch die im Rahmen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ erbrachten Vorbereitungsarbeiten und potentielle Einflussnahmemöglichkeit der Außenminister für die Tagungen des Europäischen Rates (Art. 15 Abs. 6 UAbs. 1 lit. b EUV), vgl. Horst Günter Krenzler, Die Europäische Union, in: Ch. Bertram/F. Däuble (Hrsg.), Wem dient der Auswärtige Dienst? Opladen 2002, S. 61. 19 Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 2. 20 Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 2. 21 Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 94; ders., Foreign Affairs, in: A. v. Bogdandy/J. Bast (Hrsg.), Principles of European Constitutional Law, 2. Aufl., Oxford u. a. 2010, S. 330 ff. 22 So bereits Daniel Thym im Titel seines Beitrags: Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 85 ff. 23 Paul Craig, The Lisbon Treaty, Oxford 2010, S. 104 („regime of shared executive power“). 24 Julia Lieb/Andreas Maurer, Europas Rolle in der Welt stärken – Optionen für ein kohärenteres Außenhandeln der Europäischen Union, SWP-Studie S 15, Juni 2007, S. 30.

C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung

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und sogar von einer „auswärtigen Multicephalie“25 gesprochen bzw. geschrieben wurde. Diese Zweiteilung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Ebenen auswärtigen Handelns. So ist auf oberster Ebene der Präsident des Europäischen Rates für die Vertretung im Bereich der GASP zuständig, während der Kommissionspräsident die übrigen Politikfelder nach außen repräsentiert; auf mittlerer Ebene ist für die GASP der Hohe Vertreter zuständig, ansonsten das jeweils fachlich zuständige Kommissionsmitglied; auf unterster Ebene schließlich für den Bereich der GASP der Außenminister der rotierenden Ratspräsidentschaft bzw. die fachlich zuständigen Kommissare.26 Damit wird zum einen deutlich, dass die in dem Posten des Hohen Vertreters vorgenommene Kompetenzkonzentration nicht auch auf anderen Ebenen durchgehalten wurde. Zum anderen zeigt die Teilung in zwei verschiedene Regimes der Außenvertretung, dass die Entscheidungskompetenzen des Hohen Vertreters in beiden „Arenen“,27 also im Rat und in der Kommission, unvollkommen sind.28 Beispielhaft hierfür kann die Abhängigkeit von den Mitgliedstaaten (im Bereich der ­ erden. GASP) und von den Kommissaren (in anderen Politikfeldern) angeführt w Als defizitär erwiesen hat sich auch die Zersplitterung des Vorschlagsrechts bei Beschlussfassung für die GASP in ein Recht des Hohen Vertreters einerseits, der Mitgliedstaaten andererseits. Schließlich bleibt auch die Frage nach der Einrichtung eines politischen (Stell-)Vertreters für den durch die Aufgaben des Doppelhuts zeitlich überanstrengten Hohen Vertreter auf der Liste der noch zu bewältigenden Herausforderungen.29

25 Peter-Christian Müller-Graff, Die primärrechtlichen Grundlagen der Außenbeziehungen der Europäischen Union – eine Skizze, in: ders. (Hrsg.), Die Rolle der erweiterten Euro­ päischen Union in der Welt, Baden-Baden 2006, S. 21. 26 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 27 Dem politikwissenschaftlichen Verständnis zufolge vollziehen sich politische Prozesse in unterschiedlichen Arenen, z. B. in parlamentarischen, administrativen, öffentlichen oder juristischen Arenen. Eine Arena zeichnet sich dabei dadurch aus, dass sie über eine „ausdifferenzierte Handlungsebene mit eigenen Handlungslogiken und Handlungsanforderungen, unterschied­ lichen Reichweiten [und] Grenzen“ verfügt [vgl. Karl-Rudolf Korte, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, in: H.-J. Lauth/Ch. Wagner (Hrsg.), Politikwissenschaft: Eine Einführung, 7. Aufl., Stuttgart 2012, S. 78]. Zum „Arenen“-Begriff sowie zu den verschiedenen Arten: Hanspeter Kriesi, Die Rolle der Öffentlichkeit im politischen Entscheidungsprozess, Berlin 2001, S. 4; Dieter Rucht, Themes, Logics, and Arenas of Social Movements: A Structural Approach, in: B. Klandermans (Hrsg.), From Structure to Action, Greenwich 1988, S. 322. Der aufgrund der Zugehörigkeit zu beiden Arenen von Wessels verzeichnete Informationsvorsprung dürfte auf der obersten Leitungsebene der EU minimal sein, Wolfgang Wessels, Institutionelle Architektur für eine globale (Zivil-)Macht? Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im „Verfassungsvertrag“, in: ZSE 2003, S. 421 f. (noch zum „Außenminister“). 28 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27. 29 Gespräch mit einem Vertreter des Auswärtigen Amts am 31.10.2012.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

In Anbetracht der dargestellten Reformen und ihrer Folgen überrascht es nicht, dass die Schriften, die sich mit Fragen der EU-Außenvertretung befassen, seien sie rechts- oder politikwissenschaftlichen Ursprungs, zu durchaus unterschiedlichen, ja gar gegensätzlichen Einschätzungen kommen. Natürlich hängt die Bewertung der Neukonzeption des auswärtigen EU-Handelns von einer Vielzahl von Faktoren ab. Wesentliche Indikatoren für die Einordnung und die Messung des Erfolgs der Reform liegen in den mit ihr verbundenen Zielen, vor allem in dem der Kohärenz. Da die Zwischenschritte der Reform der EU-Außenvertretung weder durch die Erklärung von Laeken, noch durch den Verfassungsvertrag und schon gar nicht durch den Vertrag von Lissabon derart präzise definiert wurden (und angesichts der Vielschichtigkeit der mit der Reform der Außenvertretung verbundenen Interessen der Mitgliedstaaten auch nicht präzise definiert werden konnten), dass ein raster­artiger Abgleich zur Feststellung des Erreichens oder Nichterreichens angestrebter Ziele im Sinne eines „Vorher-Nachher-Vergleichs“ ermöglicht würde, wird man daher letztlich in beiden, hier exemplarisch herangezogenen Positionen stichhaltige Aspekte finden (müssen). Die Zusammenfassung der Kompetenzen von (ehemaligem) Außenkommissar und (ehemaligem) Hohen Vertreter in einem Portfolio ist „weniger revolutionär, als dies (…) erscheinen mag“, sondern „nur folgerichtig“, da eine strikte Trennung der außenpolitischen Kompetenzen von Kommission und Rat in der Praxis der Vergangenheit kaum durchgehalten wurde.30 Damit besteht in „[der] Stärke der Doppelhutlösung (…) zugleich auch ihre größte Schwäche“.31 Eine Grauzone unklarer Verantwortlichkeiten bleibt durch sie nämlich erhalten.32 Die Verflechtung der Akteure wiederum erschwert eine zweifelsfreie Zurechnung ihrer Handlungen und damit ihrer Verantwortlichkeiten. Die Normenstruktur des EU- und des AEUVertrags, die das komplexe Organgefüge der Außenvertretung rechtlich „konstruiert“, sind der Transparenz der hierin getroffenen Regelungen abträglich.33 Freilich darf die Zukunft der europäischen Außenpolitik nicht auf Repräsen­ tationsfragen reduziert werden. Die Reform der Entscheidungsstrukturen und des hierarchischen Unterbaus sind wie gezeigt ebenso wichtig wie unerlässlich. Die Einheitlichkeit der artikulierten Stimme setzt auch nicht notwendigerweise voraus, dass sie (nur) von einem einzelnen Akteur erhoben wird.34 30 Thomas Risse, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsvertragsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, in: integration 2003, S. 567. 31 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 61. 32 Thomas Bruha/Markus Rau, Verfassungsrechtliche Dimensionen europäischer Außenpoli­ tik, in: Th. Bruha/C. Nowak (Hrsg.), Die Europäische Union: Innere Verfasstheit und globale Handlungsfähigkeit, Baden-Baden 2006, S. 174. 33 Thomas Risse, Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik? Der Verfassungsvertragsentwurf und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, in: integration 2003, S. 567. 34 Daniel Thym, Die neue institutionelle Architektur europäischer Außen- und Sicherheitspolitik, in: AVR 2004, S. 60.

C. Fragmentierung trotz Bemühen um Kompetenzbündelung

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Vergegenwärtigen muss man sich bei der Beschäftigung mit der Außenvertretung der Union ferner, dass die GASP zwar einen wichtigen, aber eben „nur“ einen Ausschnitt des gesamten auswärtigen Handelns der Union darstellt. Die Konzentration auf sie soll nicht verschleiern, dass nach wie vor der im Rahmen der supranationalisierten Außenbeziehungen von der Kommission ausgeübte Teil des auswärtigen Handelns den Schwerpunkt der auswärtigen Betätigung der Union darstellt. Deren Grundlagen wurden durch den Vertrag von Lissabon keiner systematischen Reform unterzogen, sondern nur punktuell angepasst.35 Dass beide Bereiche nicht isoliert voneinander existieren, veranschaulicht die Bestimmung über restriktive Maßnahmen (Art. 215 AEUV), die ausdrücklich auf Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu Drittstaaten Bezug nimmt und auf der Basis eines GASPBeschlusses entsprechende Sanktionen erlaubt.36 Das Verbleiben der Entwicklungshilfe im Ressort der Kommission verschafft dieser nicht nur in finanzieller Hinsicht einen großen Handlungsspielraum. Viele Nichtregierungsorganisationen, hatten für den Fall, dass der EAD für die Entwicklungshilfe zuständig geworden wäre, befürchtet, dass die Mitgliedstaaten über den Hohen Vertreter und den EAD die Materie zu „repolitisieren“ versuchen.37 Kompetenzüberschneidungen ergeben sich bei der Gewährung von Geldern aus Programmen der Entwicklungshilfe, für die nach dem Vertrag im Grunde allein die Kommission zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 S. 6 EUV), nicht. Die Annahme, der EAD entscheide in Abstimmung mit dem zuständigen Kommissar darüber, wer von den Geldern profitiere,38 ist angesichts der in Art. 9 Abs. 1 EAD-Beschluss enthaltenen Regelung, nach der die Kommission für die Verwaltung und die konkrete Umsetzung der Programme der Union für die Zusammenarbeit mit Drittländern (letzt-)verantwortlich ist, verfehlt. Dem EAD kommt in Bereichen wie der Entwicklungszusammenarbeit39 in der Anfangsphase „lediglich“ die konzeptio-

35 Einen Überblick über die Anpassungen bietet: Daniel Thym, Außenverfassungsrecht nach dem Lissaboner Vertrag, in: I. Pernice (Hrsg.), Vertrag von Lissabon: Reform der EU ohne Verfassung?, Baden-Baden 2008, S. 186 ff. Die zum supranationalen auswärtigen Handeln der Union (EG) erschienenen Werke behalten somit weitgehend ihre Gültigkeit, z. B. Piet ­Eeckhout, External Relations of the European Union – Legal and Constitutionals Foundations, Oxford u. a. 2005; Rass Holdgaard, External Relations Law of the European Community, ­Alphen aan den Rijn 2008. 36 Hans-Joachim Cremer, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: S. Kadelbach (Hrsg.), Die Außenbeziehungen der EU, Baden-Baden 2006, S. 55 („Schnittstelle zwischen unionsexternem Sachverhalt und binnenrelevanter Unionspolitik“). 37 Stefani Weiss, Europas Auswärtiger Dienst: Viel Lärm um nichts, in: Spotlight Europe 05/2010, Juni 2010, S. 3 f. 38 So Inge Gräßle, Die Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes – eine kritische Analyse, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 194, vom 14. Februar 2011, S. 1. 39 Andere Beispiele vgl. Art. 9 Abs. 2 EAD-Beschluss. Zur Aufgabe des EAD im Bereich der Entwicklungshilfe und das Verhältnis zur Kommission: Isabelle Tannous, Der Europäische Auswärtige Dienst und die Organisation europäischer Außen- und Entwicklungshilfe:

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

nelle Aufgabe zu, für eine strategische Ausrichtung der Programmierung der Finanzmittel zu sorgen (Art. 9 Abs. 2 EAD-Beschluss). Als problematisch erweist sich die Tatsache, dass die Kompetenz für die Europäische Nachbarschaftspolitik, die Erweiterung der Union um weitere Mitgliedstaaten und vor allem der Entwicklungszusammenarbeit bei der Kommission verbleiben, insbesondere mit Blick auf den Kohärenzgedanken. Allein die Aufforderung Barrosos an seine fachlich zuständigen Kommissionskollegen, eng mit dem EAD zusammenzuarbeiten, wird das Problem jedoch nicht bewältigen können.40 Detaillierte Angaben enthält das Vademecum der Kommission über die Arbeitsbeziehungen zum EAD.41 Es liefert dem Kommissionspersonal eine Handreichung für Zweifelsfragen der Zusammenarbeit bzw. der Arbeitsteilung mit dem EAD. Um der Gefahr eines hierdurch fragmentierten auswärtigen Handelns entgegenzuwirken, schlägt die Zukunftsgruppe in ihrem Abschlussbericht vor, die Rolle des Hohen Vertreters im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zu stärken,42 Gleiches soll für den EAD gelten. Angesichts der im Bereich des auswärtigen Handelns angelegten Zweigleisigkeit und der auf insgesamt weniger Spieler verringerte Anzahl an Akteuren be­ stehen jedoch Zweifel, dass auch die Bürger den Hohen Vertreter als Dreh- und Angelpunkt für das auswärtige Handeln der Union wahrnehmen. Hinzu kommt eine durch die Vertragssystematik bedingte Intransparenz. Die Zuständigkeitsverteilung im Bereich des auswärtigen Handelns lässt sich nicht mit einem Blick in eine zentrale Bestimmung, sondern erst nach vollständigem Studium der Verträge und des Zusammenspiels der verschiedenen Regelungen feststellen.43 Mit Blick auf zukünftige Aufgaben der europäischen Außenvertretung und ihre Wahrnehmung durch Dritte ist eine Forcierung einer noch einheitlicheren, transparenteren Außenvertretung wünschenswert. Zumindest eine Überlegung wert wäre es daher, die Doppelspitze aus Hohem Vertreter und Präsidenten des Europäischen Rates mittelfristig aufzugeben und zu einem einzigen Amt zu ver­

von institutionellen Dissonanzen zur dienstübergreifenden Harmonie?, in: integration 2012, S. 274 ff., insbesondere S. 287 ff. 40 Vgl. Aufgabenbeschreibungen von Präsident Barroso an die ernannten Kommissare Kristalina Georgieva (vom 27.1.2010), Štefan Füle (vom 27.11.2009) und Andris Piebalgs (vom 27.11.2009), jeweils S. 2. Die Aufgabenbeschreibungen sind einsehbar unter: http://ec.europa. eu/commission_2010–2014/mission_letters/index_de.htm (letzter Abruf: 29.5.2013). 41 Europäische Kommission, Vademecum on working relations with the European External Action Service (EEAS), SEC (2011) 1636, unveröffentlicht. 42 Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 9; Dokument abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918-Abschluss bericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 43 Optimistischer dagegen: Andreas Metz, Die Außenbeziehungen der Europäischen Union nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, Berlin 2007, S. 257.

D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des EAD

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schmelzen,44 oder, wie im Abschlussbericht der Zukunftsgruppe erwähnt, die Schaffung einer Personalunion von dem Amt des Kommissionspräsidenten und dem des Präsidenten des Europäischen Rates.45 Chief Operating Officer David O’Sullivan ging im Januar 2011 davon aus, dass es ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme drei Jahre dauere, bis der EAD seine volle Funktionsfähigkeit erreicht haben wird.46 Dieser Einschätzung zufolge sollte der EAD zu Beginn des Jahres 2013 den Zustand erreicht haben, den er eine „moderne, handlungsfähige und serviceorientierte Organisation“ nennt, die „in der Lage ist, die nationalen diplomatischen Dienste in einer sich schnell wandelnden Umwelt zu ergänzen“.47 Nach den in dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnissen ist dies eine überaus optimistische Einschätzung.

D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des Europäischen Auswärtigen Dienstes D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des EAD

In der Gründung des EAD manifestiert sich das Fortschreiten des europäischen Integrationsprozesses. Der EAD stellt eine logische Weiterentwicklung dieses Integrationsprozesses48 dar; er bildet sozusagen das derzeit jüngste Instrument, um dem Jahrzehnte lang währenden Kampf der Union „mit sich selbst“ um der Vielstimmigkeit, der Fragmentierung europäischer Außenvertretung auf der internationalen Bühne zu begegnen. Hinsichtlich der EU-Außenvertretung hat die Gründung des EAD eine Weiterentwicklung auf europäischer Ebene bewirkt, die es rechtfertigt, die Europäische Union – freilich in Bezug auf die Außenvertretung – in der Nähe der Kate 44 Christian Calliess, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, Tübingen 2010, S. 401 f. m. w. N. und Hinweisen auf bestehende primärrechtliche Hürden. Zur katalysierenden Wirkung einer erstmaligen Entscheidung zugunsten eines „Doppelhuts“ im Hinblick auf die Schaffung weiterer „Doppelhüte“ im Sinne der Pfadabhängigkeit: Julia Lieb, Diplomatie jenseits des Staates – Eine historisch-institutionalistische Analyse des Wandels der EU-Außenvertretung, in: I. Pernice/B. von Engelhardt/S. H. Krieg/I. Ley/O. Saldias (Hrsg.), Europa jenseits seiner Grenzen – Politologische, historische und juristische Perspektiven, ­Baden-Baden 2009, S. 175 ff., 181. 45 Gruppe zur Zukunft Europas der Außenminister Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Österreichs, Polens, Portugals und Spaniens, Abschlussbericht vom 17. September 2012, S. 11; Dokument abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/626324/publicationFile/171791/120918-Abschluss bericht-Zukunftsgruppe-Deutsch.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). 46 Vgl. Erklärung des Chief Operating Officers, David O’Sullivan, Setting up the EEAS, 14.1.2011, S. 1. 47 Im Original: „A modern, agile and service-oriented organisation that is able to complement national diplomacies in a rapidly changing operating environment.“ 48 Ähnlich: Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 477.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

gorie der Staaten49 anzusiedeln.50 Was die bereits angesprochene Einordnung der EU-Außen­vertretungskompetenzen der EU, verwirklicht insbesondere durch den EAD, auf einer Skala betrifft,51 die unterschiedliche Grade von Außenvertretungskompetenzen aufführt, entsprechen die Befugnisse der EU eher denen eines Staates als denen einer „klassischen“ internationalen Organisation, weshalb der EAD als „quasi-diplomatischer“ Dienst eingestuft werden kann. Anders als die von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Drittstaaten und bei internatio­ nalen Organisationen unterhaltenen Delegationen und Verbindungsbüros kann die in Art. 221 Abs. 1 AEUV beschriebene Tätigkeit der Unionsdelegationen als „Ausdruck des aktiven Legations- und Gesandtschaftsrechts“52 des Völkerrechtssubjekts „EU“ verstanden werden, die auf der expliziten Anerkennung ihrer Rechtspersönlichkeit (Art. 47 EUV) basiert.53 Die Unterhaltung nationaler bilateraler Außenpolitiken und ihrer diplomatischen Dienste durch die Mitgliedstaaten will der EAD dabei nicht in Frage stellen. Mit dem Hohen Vertreter und der EAD-Zentrale verfügt die EU über Strukturen, die denen eines hierarchisch geordneten nationalen Außenministeriums ähneln. Von den klassischen internationalen Organisationen unterscheidet sich die Union vor allem durch die Unionsdelegationen, die sie ähnlich denen eines Nationalstaats54 als ständige Repräsentanzen in einer Vielzahl von Drittstaaten unterhält, während andere internationale Organisationen dies üblicherweise nur in einigen ausgewählten Staaten tun. Auch dieser Aspekt rückt die EU in die Nähe der 49

Vgl. 1. Teil E. So noch zu den Delegationen der Kommission: Michael Bruter, Diplomacy without a state: the external delegations of the European Commission, in: Journal of European Public ­Policy 1999, S. 185; Rachel Frid, The Relations Between the EC and International Organizations, o. O. 1995, S. 36 f.; Henry G. Schermers/Niels M. Blokker, International Institutional Law – Unity within diversity, 4. Aufl., Boston u. a. 2003, § 1836 (S. 1170); in jüngerer Zeit: Caterina Carta, The European Union Diplomatic Service: ideas, preferences and identities, London 2012, S. 162. 51 Siehe 2. Teil C. 52 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 495; ähnlich: Claudia Dunlea, Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplomatie, Vierteljahreshefte der Zeitgeschichte, 2007, S. 465, auch allgemein zur Entwicklung des aktiven Gesandtschaftsrechts. Ebenfalls zum Legationsrecht: Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 824 f. Zum passiven Gesandtschaftsrecht der Union sowie zu den übrigen Voraussetzungen der diplomatischen Betätigung vgl. Lars Ole Petersen, Europäisierung der Diplomatie, Berlin 2011, S. 24 ff., 52 ff. bzw. für internationale Organisationen allgemein: Patrick Daillier/Mathias Forteau/Alain Pellet, Droit international public, 8. Aufl., Paris 2009, S. 838 ff. 53 Rachel Frid, The Relations Between the EC and International Organizations, o. O. 1995, S. 28 (noch zu den Kommissionsdelegationen). 54 Freilich mit dem elementaren Unterschied, dass ihnen originäre konsularische Befugnisse fehlen, siehe 5. Teil E. IV. 50

D. Bewertung der Außenvertretungskompetenz des EAD

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Staaten. Hinzukommt, dass die EAD-Zentrale und die Unionsdelegationen nach der Vertragsreform von Lissabon einen einheitlichen Dienst bilden. Dieser Aufbau erinnert an den des Auswärtigen Amts. Eine weitere Eigenschaft, die der EAD mit den nationalen diplomatischen Diensten teilt, liegt darin, dass seinen in den Unionsdelegationen arbeitenden Angehörigen die durch das WÜD garantierten Vorrechte und Immunitäten zuteil werden. Schließlich können die Aufgaben des EAD, vor allem die der Unionsdelega­ tionen, durchaus mit denen nationaler diplomatischer Dienste verglichen werden. Ein wesentlicher Auftrag der Unionsdelegationen liegt ähnlich wie für die Nationalstaaten eingangs anhand des Auswärtigen Amts dargestellt, darin, die EU im jeweiligen Drittstaat zu repräsentieren, Informationen aus betreffendem Staat zu sammeln und der Zentrale Bericht zu erstatten. Dieser wiederum obliegt es, die erhaltenen Informationen auszuwerten und hieraus die für die Politik der EU notwendigen Schlüsse zu ziehen. Dem pauschal erhobenen Vorwurf, der EAD bliebe weit hinter den an ihn gerichteten Erwartungen zurück, muss mit dem Argument begegnet werden, dass gerade diese Erwartungen augenscheinlich unrealistisch waren. Auch die Missionen nationaler diplomatischer Dienste nehmen angesichts der engen Vernetzung der Staats- und Regierungsoberhäupter nur noch selten selbst konkrete Verhandlungsaufträge in den Empfangsstaaten wahr,55 sondern konzentrieren ihre Tätigkeit zunehmend auf die Repräsentation im Empfangsstaat, die Sammlung und Weitergabe von Informationen, die Berichterstattung an die Zentrale und die Pflege der Beziehungen zu dem betreffenden Staat. Der wohl wesentlichste Unterschied zwischen Unionsdelegationen und Auslandsvertretungen eines Nationalstaates liegt darin, dass der Aspekt des Schutzes von Staatsangehörigen bei nationalen diplomatischen Diensten weit mehr im Vordergrund steht als dies bei den Unionsdelegationen der Fall ist. Insofern bleibt der durch die Unionsdelegationen in Zusammenarbeit mit den nationalen diploma­ tischen Diensten gewährte Schutz für Unionsbürger (Art. 35 UAbs. 3 EUV) in seiner Qualität hinter dem Schutz zurück, den Letztere ihren Angehörigen gewähren.56 Mit der Gründung des EAD ist ein wichtiger Schritt zur „Zentralisierung der Außenvertretung“57 getan; die dezentrale Außenvertretung in Drittstaaten und bei internationalen Organisationen war mit dem von der Kommission etablierten Netz 55

Karl Th. Paschke, Die Zukunft der deutschen Botschaften in der EU, in: E. Brandt/ Ch. Buck (Hrsg.), Auswärtiges Amt – Diplomatie als Beruf, 4. Aufl., Wiesbaden 2005, S. 335; Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S.  43 ff. m. w. N. 56 Kirstin Karalus, Die diplomatische Vertretung der Europäischen Union, Tübingen 2009, S.  141 f. 57 Waldemar Hummer, Vom ‚Außendienst‘ der Gemeinschaften zum ‚Europäischen Auswärtigen Dienst‘ im Vertrag über eine Verfassung für Europa, in: A. Epiney/M. Haag/A. Heinemann (Hrsg.), Die Herausforderung von Grenzen, FS für Roland Bieber, Baden-Baden 2007, S. 495.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

aus Delegationen und Büros bereits vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angelegt. Weitere Schritte sind in der Zukunft jedoch notwendig, um den EAD in die Lage zu versetzen, seine Arbeit reibungslos und im Gleichklang mit den EUOrganen ausüben zu können.58 So sind Präzisierungen hinsichtlich seiner Rechtspersönlichkeit, der Möglichkeit, Akte mit rechtsverbindlicher Wirkung zu setzen, sowie der möglichen Beteiligtenfähigkeit vor den europäischen Gerichten für die Zukunft wünschenswert.59

E. Ausblick Wessen Telefonnummer unter den an der auswärtigen Vertretung der Union beteiligten Organen die für außenstehende politische Partner maßgebliche ist, kann auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon und der damit einhergehenden institutionellen Neuordnung nicht eindeutig bestimmt werden, da die Aufteilung der Verantwortlichkeiten im „Institutionen-Vieleck“60 der Union auch auf den Bereich der Außenvertretung durchschlägt.61 Diejenige des Präsidenten des Europäischen Rates ist, wie gezeigt, sicherlich nicht die erste Wahl, ist sein Amt doch eher wie das eines „Moderatoren“,62 eines „Repräsentanten“63 strukturiert, der im Konfliktfall zwischen den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten vermittelt64 als das eines „Entscheiders“.65 Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Präsident bei Abstimmungen im Europä 58 Mit den Worten van Voorens: „(…) legal and institutional innovations are far from perfect and will require further legal and practical elaboration in the near future.“ Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action Service, in: CMLRev. 2011, S. 501. 59 Bart van Vooren, A Legal-Institutional Perspective on the European External Action ­Service, in: CMLRev. 2011, S. 502. 60 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 7, 13. 61 Peter Chase, The EU’s External Action Service: Will it Deliver?, in: Brussels Forum – Paper, März 2011, S. 3: „Innovations of the Lisbon Treaty do not answer (…) Kissinger’s question about whom to call in Europe.“ 62 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 9. 63 Elmar Brok, Vorurteile, Herausforderungen und Potentiale – Eine unvoreingenommene Analyse des Europäischen Auswärtigen Dienstes, in: Fondation Robert Schuman, Policy Paper Nr. 199, vom 21. März 2011, S. 6. 64 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 9. 65 Ricardo Gosalbo Bono, Some Reflections on the CFSP Legal Order, in: CMLRev. 2006, S. 377; Christian Tomuschat, Calling Europe by Phone (guest editorial), in: CMLRev. 2010, S.  4 f.; Daniel Thym, Exekutive Doppelspitze aus Hoher Vertreterin und dem Präsidenten des Europäischen Rates: Erfahrungen und Perspektiven, in: Stiftung Gesellschaft für Rechtspolitik Trier/Institut für Rechtspolitik an der Universität Trier (Hrsg.), Bitburger Gespräche Jahrbuch 2011/I, München 2012, S. 99.

E. Ausblick

335

ischen Rat nicht über ein eigenes Stimmrecht verfügt.66 Bei der Erledigung aller im Zusammenhang mit seinem Vorsitz stehenden Angelegenheiten kann er nur auf einen verhältnismäßig kleinen Stab von etwa 20 Mitarbeitern zurückgreifen und ist im Übrigen auf die gedeihliche Zusammenarbeit mit der wechselnden Ratspräsidentschaft oder dem Generalsekretariat des Rates angewiesen.67 Die Telefonnummer des Hohen Vertreters wird nach hier vertretener Ansicht zur Nummer erster Wahl werden, wenngleich sie nicht die einzige sein wird.68 Gleichwohl wird die Artikulierung einer Stimme der Union ungeachtet des Umstands, dass dies zunächst einmal die Bildung einer einheitlichen Ansicht voraussetzt,69 angesichts der komplexen Strukturen und Kompetenzen der europäischen Außenvertretung schwierig bleiben.70 Insofern würde die Artikulierung einer einheit­ lichen Position, wenn auch durch mehrere „Stimmen“, dem Ziel eines kohärenten auswärtigen Handelns schon sehr nahe kommen.71 Dass aber auch eine einzige außenpolitische Stimme der EU nicht unmöglich ist, belegt die Tatsache, dass sich die Staaten der EU bei den Gesprächen im iranischen Atomkonflikt auf eine Verhandlungsführung durch Catherine Ashton als „die eine Stimme“ einigten.72 „Der Aufbau des EAD eröffnet eine Chance, das auswärtige Handeln der EU kohärenter und wirkungsvoller zu machen. Eine Garantie dafür bietet er nicht.“73 66

Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 6. 67 Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 9. 68 Martenczuk sieht im Hohen Vertreter den zentralen Gesprächspartner, vgl. Bernd Martenczuk, The External Representation of the European Union: From Fragmentation to a Single European Voice?, in: A. Fischer-Lescano/H.-P. Gasser/T. Marauhn/N. Ronzitti (Hrsg.), Frieden in Freiheit, FS für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008, S. 956. Für Guérot bleibt es bei drei Telefonnummern, nämlich der des Präsidenten des Europäischen Rates, der des Hohen Vertreters und der der Kommission, vgl. Ulrike Guérot, After Lisbon: Is Europe Becoming a Global Player?, in: Internationale Politik, Nr. 11–12/2009, S. 1. Dokument abrufbar unter: https://ip-journal.dgap.org/en/ip-journal/topics/after-lisbon (letzter Abruf: 29.5.2013). 69 Diese Frage am Rande aufwerfend: Daniel Thym, Foreign Affairs, in: A. v. Bogdandy/ J. Bast (Hrsg.), Principles of European Constitutional Law, 2. Aufl., Oxford u. a. 2010, S. 342. 70 Weitaus pessimistischer dagegen: Nicolai von Ondarza, Koordinatoren an der Spitze – Politische Führung in den reformierten Strukturen der Europäischen Union, SWP-Studie S 8, April 2011, S. 27: „Das Kernziel einer einheitlichen EU-Außenvertretung dürfte damit bis auf weiteres Utopie bleiben.“ 71 Entsprechend heißt es beispielsweise bei Guérot: „This duo [scil. The President of the European Council and the High Representative] is supposed to provide the Union with a single voice (…).“ und „It is less about one voice, than a well-led choir (…)“, mit dem Hohen Vertreter als „conductor“, Ulrike Guérot, After Lisbon, Is Europe Becoming a Global Player?, in: Internationale Politik, Nr. 11–12/2009, S. 1, 4, abrufbar unter: https://ip-journal.dgap.org/en/ ip-journal/topics/after-lisbon (letzter Abruf: 29.5.2013). 72 Erklärung der E3+3-Außenminister anlässlich der Annahme der am 9.6.2010 beschlossenen Resolution 1929 des Sicherheitsrates zur Islamischen Republik Iran. 73 Julia Lieb/Andreas Maurer, Aufbau mit Weitsicht – Der Europäische Auswärtige Dienst als Chance für die EU-Außenpolitik, SWP-Aktuell 2, Januar 2010, S. 3.

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7. Teil: Errungenschaften und Defizite der reformierten EU-Außenvertretung 

Diese Einschätzung müsste man damit ergänzen, dass die mit dem Aufbau des EAD verbundene Chance schon gar nicht mit einem Automatismus verwechselt werden darf. Die in dieser Untersuchung behandelte Thematik dürfte angesichts dieses Fazits interdisziplinären Forschungsvorhaben auch künftig reichhaltige Nahrung bieten. Von besonderem Interesse dürfte z. B. sein, inwieweit der recht­ liche Status des Hohen Vertreters „post Lissabon“ durch den Amtsvorgänger Solana determiniert wurde oder inwiefern es Catherine Ashton, der ersten Hohen Vertreterin „nach Lissabon“, gelang, der Europäischen Union in außenpolitischer Hinsicht tatsächlich Gesicht und Stimme zu verleihen.74 Dreh- und Angelpunkt weiterer wissenschaftlicher Forschung dürfte auch zukünftig die „Doppelhut“Struktur des Hohen Vertreters bilden. Schließlich wird die Einbettung der Interessen der nationalen diplomatischen Dienste in die von der EU betriebene Außenpolitik zukünftig eine praktische Herausforderung bleiben, die seitens der Wissenschaft weiter zu begleiten und aufzuarbeiten sein wird. Die erörterten Fragestellungen werden dabei sowohl für die Rechts- als auch für die Politikwissenschaft, insbesondere die Integrationsforschung, von Interesse bleiben.75 Die Initiativen zum Aufbau einer europäischen Diplomatie sind zeitlos, dies zeigt schon ihr Scheitern in den 1960er Jahren und die Zeitspanne bis zur Gründung des EAD. Geblieben sind bisher allerdings auch die Schwierigkeiten, die die Herausbildung einer supranationalen Diplomatie mit sich bringt.76 Am 10. November 2012 wurde der Europäischen Union in Oslo feierlich der Friedensnobelpreis verliehen. Nach den in dieser Untersuchung zusammengetragenen Ergebnissen verwundert es nicht, dass diesen – neben vier ausgewählten Unionsbürgern – nicht weniger als drei Repräsentanten der Union, nämlich die Präsidenten des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Europäischen Rates stellvertretend für die EU in Empfang nahmen. „Wir wollen gemeinsam wollen – …“ ist immer noch der Leitgedanke des EAD. Den Ergebnissen dieser Untersuchung Rechnung tragend müsste man in Abwandlung des eingangs zitierten Ausspruchs ergänzen: … même si l’on ne sait pas encore comment.

74 Medienberichten zufolge steht Catherine Ashton nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung, vgl. Andrew Rettman, Ashton about to leave EU foreign policy job next year, EUobserver vom 18.3.2013, Artikel verfügbar unter: http://euobserver.com/institutional/119464 (letzter Abruf: 29.5.2013). 75 Gisela Müller-Brandeck-Bocquet/Carolin Rüger, Zehn Jahre Hoher Vertreter – Lehren für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik nach Lissabon, in: integration 2011, S. 24. 76 Claudia Dunlea, Charles de Gaulle und das Scheitern einer europäischen Diplomatie, Vierteljahreshefte der Zeitgeschichte, 2007, S. 464.

Zusammenfassende Thesen (1) Das Politikfeld der Außenpolitik ist in seinem Ursprung in zweifacher Hinsicht ein „domaine réservé“: einerseits der Nationalstaaten (gegenüber der Europäischen Union) und andererseits der Exekutive (gegenüber dem Parlament als Gesetzgeber). (2) Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist durch die europäische Integration um eine europäische Dimension erweitert worden. In der Folge hat das Auswärtige Amt sein Alleinvertretungsmonopol faktisch eingebüßt. Kompensiert wurde diese Entwicklung durch die Aufgabe, die auswärtigen Kontakte der Bundesrepublik Deutschland zu koordinieren. (3) An der auswärtigen Vertretung der Bundesrepublik sind neben dem Bundespräsidenten die Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie die deutschen Bundesländer beteiligt. Durch die vom Bundesverfassungsgericht ausgeübte verfassungsrechtliche Kontrolle der auswärtigen Gewalt wird mittelbar dazu beigetragen, dass die Rolle und die Rechte des Parlaments im Rahmen von politischen Entscheidungen mit auswärtigem Bezug beachtet und gewahrt werden. (4) Dem Auswärtigen Amt als dem für die Außenpolitik fachlich zuständigen Bundesministerium obliegt die Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes, die Koordination seiner außenpolitischen Aktivitäten sowie die Unterstützung der mit außenpolitischen Fragen befassten Verfassungsorgane. (5) Nationalstaaten haben die denkbar umfassendsten Kompetenzen bei der Außen­vertretung. (6) Klassische internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation oder der Europarat bilden in Bezug auf den Umfang und die Reichweite ihrer Außen­vertretungskompetenzen den Gegenpol zum Nationalstaat. (7) Seit den Anfängen der europäischen Integration in den 1950er Jahren hat sich sowohl eine supranationalisierte als auch eine von den Mitliedstaaten gemeinsam ausgeübte „EU-Außenpolitik“ herausgebildet. (8) Im Bereich der unionalen Außenvertretung bestehen nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Zuständigkeiten des Hohen Vertreters, des Präsidenten des Europäischen Rates, des Rates und der Kommission. Die Vielzahl der an der Außenvertretung beteiligten Akteure resultiert aus den disparaten vertraglichen Grundlagen. Die sich aus diesen Zuständigkeiten ergebende auswärtige Kompetenzordnung profitiert von und leidet zugleich an der Vielzahl der hieran beteiligten

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Zusammenfassende Thesen

EU-Organe. Die Komplexität der der Außenvertretung der Union dienenden Strukturen ist vor allem auf die divergierende Integrationsdichte des auswärtigen EU-Handelns zurückzuführen, die eine Zweiteilung in supranationale Außenbeziehungen und intergouvernementale Außen- und Sicherheitspolitik bewirkt. (9) Die rechtlichen Möglichkeiten nationaler Parlamente und des Europäischen Parlaments, an der gemeinsamen „EU-Außenpolitik“ mitzuwirken, sind auch nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon auf ein Minimum begrenzt. Gleichwohl sind zaghafte Ansätze einer Parlamentarisierung zu verzeichnen. (10) Der Wunsch, das gesamte auswärtige Handeln der Union in kohärenter Art und Weise auszuüben, bildete einen wesentlichen Antrieb für die Reform der EU-Außenvertretung. Die Hauptverantwortung für die Verwirklichung der Kohärenz liegt neben Rat und Kommission vor allem beim Hohen Vertreter. Spezielle Verfahren zu ihrer Verwirklichung existieren jedoch ebenso wenig wie die Möglichkeit, mangelnde Kohärenz gerichtlich zu sanktionieren. (11) Die Organisationsstruktur des EAD weist große Ähnlichkeiten mit dem Aufbau eines klassischen Außenministeriums, wie dem Auswärtigen Amt, auf. Er ist ebenfalls nach geografischen Regionen oder Sachthemen gegliedert und ferner in unterschiedliche hierarchische Ebenen mit entsprechenden Weisungsstrukturen unterteilt. (12) Umfang und Reichweite der Kompetenzen des EAD korrespondieren mit den Zuständigkeiten und Befugnissen des Hohen Vertreters, dem der EAD zugeordnet und weisungsabhängig unterstellt ist. (13) Durch den „Doppelhut“ des Hohen Vertreters ergibt sich für den Bereich des auswärtigen Handelns der Europäischen Union eine Zweiteilung des Kontroll- und Rechtschutzregimes. Die Zuständigkeiten des EuGH bleiben auch nach der Vertragsreform von Lissabon im Wesentlichen auf das Segment supranationalen auswärtigen Handelns beschränkt. (14) Da der EAD dem Hohen Vertreter weisungsabhängig unterstellt ist, kommt seinem Handeln nur in einem auf das Haushalts- und Personalwesen eng begrenzten Bereich Außenwirkung zu. Nur in diesen Gebieten vermag er daher Beklagter eines Rechtsstreits vor dem EuGH zu sein; im Übrigen fehlt es ihm an einer gegenüber dem Hohen Vertreter unabhängigen (Letzt-)Entscheidungsbefugnis. (15) Die Zusammenarbeit mit dem EAD verlangte den nationalen Außenministerien und ihren diplomatischen Diensten interne Anpassungsmaßnahmen ab. Diese waren im Fall des Auswärtigen Amts allerdings nicht fundamentaler Natur, sondern betrafen die Einrichtung spezialisierter Referate in der Abteilung Europa und der Zentralabteilung sowie die Aufnahme besonderer Schulungen für Bewerbungen beim EAD in das Weiterbildungsangebot.

Zusammenfassende Thesen

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(16) Mit dem EAD wurde eine Einrichtung geschaffen, die den Anspruch erheben kann, einen quasi-diplomatischen Dienst der Union darzustellen, und die das Potential hat, sich zu einem supranationalen diplomatischen Dienst der Union weiterzuentwickeln.

Anhang Beschluss des Rates vom 26. Juli 2010 über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (2010/427/EU); ABl.EU 2010, Nr. L 201 S. 30 vom 3. August 2010: DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 27 Absatz 3, auf Vorschlag der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments, nach Zustimmung der Europäischen Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Zweck dieses Beschluss es ist es, die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes („EAD“) festzulegen, einer dem Hohen Vertreter der Union für Außenund Sicherheitspolitik („Hoher Vertreter“) unterstellten, funktional eigenständigen Einrichtung der Union, die nach Artikel 27 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union („EUV“) in der durch den Vertrag von Lissabon geänderten Fassung errichtet wird. Dieser Beschluss und insbesondere der darin verwendete Begriff „Hoher Vertreter“ werden im Einklang mit den verschiedenen Funktionen des Hohen Vertreters nach Artikel 18 EUV ausgelegt. (2) Nach Artikel 21 Absatz 3 Unterabsatz 2 EUV achtet die Union auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns sowie zwischen diesen und ihren übrigen Politikbereichen. Der Rat und die Kommission, die vom Hohen Vertreter unterstützt werden, stellen diese Kohärenz sicher und arbeiten zu diesem Zweck zusammen. (3) Der EAD wird den Hohen Vertreter, der auch einer der Vizepräsidenten der Kommission und Präsident des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) ist, bei der Erfüllung seines Auftrags unterstützen, der, wie insbesondere in den Artikeln 18 und 27 EUV umrissen, darin besteht, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik („GASP“) der Union zu leiten und die Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union sicherzustellen. Der EAD wird den Hohen Vertreter in seiner Eigenschaft als Präsident des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) unbeschadet der normalen Aufgaben des Generalsekretariats des Rates unterstützen. Der EAD wird den Hohen Vertreter ferner in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Kommission im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Zuständigkeiten innerhalb der Kommission in Bezug auf deren Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und bei der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Union unbeschadet der normalen Aufgaben der Kommissionsdienststellen unterstützen. (4) Im Rahmen seines Beitrags zu den Programmen der Union für die Zusammenarbeit mit Drittländern sollte der EAD bestrebt sein, sicherzustellen, dass die Programme die Ziele für das auswärtige Handeln nach Artikel 21 EUV, insbesondere dessen Absatz 2 Buchstabe d, erfüllen und dass sie den Zielen der Entwicklungspolitik der Union nach Artikel 208 des Vertrags über

Anhang

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die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) gerecht werden. In diesem Zusammenhang sollte der EAD auch die Verwirklichung der Ziele des Europäischen Konsenses über die Entwicklungspolitik1 und des Europäischen Konsenses über die humanitäre Hilfe2 fördern. (5) Aus dem Vertrag von Lissabon ergibt sich, dass der EAD so bald wie möglich nach Inkrafttreten dieses Vertrags funktionsfähig sein muss, damit dessen Bestimmungen durchgeführt werden können. (6) Das Europäische Parlament wird seine Rolle im auswärtigen Handeln der Union – einschließlich seiner Aufgaben der politischen Kontrolle nach Artikel 14 Absatz 1 EUV – sowie in Gesetzgebungs- und Haushaltsangelegenheiten gemäß den Verträgen uneingeschränkt wahrnehmen. Außerdem wird der Hohe Vertreter nach Artikel 36 EUV das Europäische Parlament regelmäßig zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der GASP hören und darauf achten, dass die Auffassungen des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Der EAD wird den Hohen Vertreter in dieser Hinsicht unterstützen. Es sollten spezifische Vereinbarungen über den Zugang der Mitglieder des Europäischen Parlaments zu Verschlusssachen aus dem GASP-Bereich getroffen werden. Bis zur Annahme solcher Vereinbarungen gelten die Bestimmungen der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 20. November 2002 zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über den Zugang des Europäischen Parlaments zu sensiblen Informationen des Rates im Bereich der Sicherheitsund Verteidigungspolitik3. (7) Der Hohe Vertreter oder sein Vertreter sollte die in den jeweiligen Gründungsakten der Europäischen Verteidigungsagentur4, des Satellitenzentrums der Europäischen Union5, des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien6 und des Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskollegs7 vorgesehenen Zuständigkeiten ausüben. Der EAD sollte jenen Einrichtungen die Unterstützung zukommen lassen, die derzeit vom Generalsekretariat des Rates bereitgestellt wird. (8) Es sollten Bestimmungen über das Personal des EAD und dessen Einstellung erlassen werden, sofern solche Bestimmungen für die Organisation und Arbeitsweise des EAD notwendig sind. Gleichzeitig sollten nach Artikel 336 AEUV die erforderlichen Änderungen des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften („Statut“) und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften8 („BBSB“) unbeschadet des Artikels 298 1

ABl. C 46 vom 24.2.2006, S. 1. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat für einen europäischen Konsens zur humanitären Hilfe (KOM/2007/0317). Nicht im Amtsblatt veröffentlicht. 3 ABl. C 298 vom 30.11.2002, S. 1. 4 Gemeinsame Aktion 2004/551/GASP des Rates vom 12. Juli 2004 über die Einrichtung der Europäischen Verteidigungsagentur (ABl. L 245 vom 17.7.2004, S. 17). 5 Gemeinsame Aktion 2001/555/GASP des Rates vom 20. Juli 2001 betreffend die Einrichtung eines Satellitenzentrums der Europäischen Union (ABl. L 200 vom 25.7.2001, S. 5). 6 Gemeinsame Aktion 2001/554/GASP des Rates vom 20. Juli 2001 betreffend die Einrichtung eines Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (ABl. L 200 vom 25.7.2001, S. 1). 7 Gemeinsame Aktion 2008/550/GASP des Rates vom 23. Juni 2008 zur Errichtung eines Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskollegs (ESVK) (ABl. L 176 vom 4.7.2008, S. 20). 8 Verordnung Nr. 31(EWG), Nr. 11(EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 45 vom 14.6.1962, S. 1387/62). 2

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AEUV vorgenommen werden. In Angelegenheiten seines Personals sollte der EAD wie ein Organ im Sinne des Statuts und der BBSB behandelt werden. Der Hohe Vertreter wird die Funktion der Anstellungsbehörde sowohl hinsichtlich der Beamten, die dem Statut unterliegen, als auch hinsichtlich der Bediensteten, die den BBSB unterliegen, wahrnehmen. Die Zahl der Beamten und Bediensteten des EAD wird jährlich als Teil des Haushaltsverfahrens beschlossen und im Stellenplan aufgeführt werden. (9) Das Personal des EAD sollte sich bei der Erfüllung seiner Pflichten und in seinem Verhalten ausschließlich von den Interessen der Union leiten lassen. (10) Personaleinstellungen sollten auf der Grundlage des Leistungsprinzips erfolgen, wobei auf eine angemessene geografische Streuung und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu achten ist. Der EAD sollte eine bedeutsame Personalpräsenz aller Mitgliedstaaten aufweisen. Die für 2013 vorgesehene Überprüfung sollte diesen Punkt sowie gegebenenfalls Vorschläge für zusätzliche gezielte Maßnahmen zur Beseitigung etwaiger Unausgewogenheiten umfassen. (11) Nach Artikel 27 Absatz 3 EUV wird der EAD Beamte des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie Personal aus den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten umfassen. Zu diesem Zweck werden die betreffenden Abteilungen und Aufgabenbereiche des Generalsekretariats des Rates und der Kommission zusammen mit den Beamten und Bediensteten auf Zeit, die eine Planstelle in solchen Abteilungen und Aufgabenbereichen innehaben, in den EAD überführt. Bis zum 1. Juli 2013 wird der EAD ausschließlich Beamte des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie Personal aus den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten einstellen. Nach diesem Zeitpunkt sollten sich alle Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Union auf freie Planstellen im EAD bewerben können. (12) Der EAD kann in Einzelfällen auf abgeordnete nationale Sachverständige („ANS“) zurückgreifen, die dem Hohen Vertreter unterstellt werden. ANS, die eine Planstelle im EAD innehaben, werden nicht dem Drittel des gesamten Personals des EAD auf Ebene der Funk­ tionsgruppe Administration („AD-Ebene“) zugerechnet, das aus nationalen Bediensteten der Mitgliedstaaten bestehen sollte, sobald der EAD seine volle Stärke erreicht haben wird. Während der Aufbauphase des EAD können sie nicht automatisch, sondern nur mit Zustimmung der Behörden des Herkunftsmitgliedstaats versetzt werden. Bei Ablauf des Vertrags eines nach Artikel 7 zum EAD versetzten ANS wird der betreffende Posten in eine Zeitbedienstetenstelle umgewandelt, sofern die von dem ANS wahrgenommenen Aufgaben den Aufgaben entsprechen, die normalerweise von Personal der AD-Ebene erfüllt werden, und sofern die erforder­ liche Stelle im Stellenplan vorgesehen ist. (13) Die Kommission und der EAD werden die detaillierten Regelungen vereinbaren, nach denen die Kommission den Delegationen Weisungen erteilt. Darin sollte insbesondere vorgesehen werden, dass die Kommission, wenn sie den Delegationen Weisungen erteilt, gleichzeitig dem Delegationsleiter und der Zentralverwaltung des EAD eine Kopie dieser Weisungen übermittelt. (14) Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften9 („Haushaltsordnung“) sollte dahin gehend geändert werden, dass der EAD in deren Artikel 1 aufgenommen wird und einen eigenen Einzelplan im Haushaltsplan der Union erhält. Nach den geltenden Vor-

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ABl. L 248 vom 16.9.2002, S. 1.

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schriften und wie für anderen Organe üblich, wird ein Teil des Jahresberichts des Rechnungshofs auch dem EAD gewidmet sein und der EAD wird auf diesen Bericht antworten. Der EAD wird den Entlastungsverfahren nach Artikel 319 AEUV und nach den Artikeln 145 bis 147 der Haushaltsordnung unterliegen. Der Hohe Vertreter leistet dem Europäischen Parlament die erforderliche Unterstützung, damit das Europäische Parlament sein Recht als Entlastungsbehörde ausüben kann. Die Ausführung des Verwaltungshaushaltsplans fällt nach Artikel 317 AEUV in die Zuständigkeit der Kommission. Bei Beschlüssen mit finanziellen Auswirkungen werden insbesondere die in Titel IV der Haushaltsordnung festgelegten Zuständigkeiten eingehalten, vor allem die Artikel 64 bis 68 über die Verantwortlichkeit der Finanzakteure und Artikel 75 über Ausgabenvorgänge. (15) Die Errichtung des EAD sollte nach dem Grundsatz der Kostenwirksamkeit erfolgen, mit dem Ziel, möglichst haushaltsneutral zu sein. Deshalb wird es erforderlich sein, Übergangs­ regelungen vorzusehen und die Kapazitäten erst allmählich aufzubauen. Unnötige Überschneidungen von Aufgaben, Funktionen und Ressourcen mit anderen Strukturen sind zu vermeiden. Jede sich bietende Rationalisierungsmöglichkeit sollte genutzt werden. Zudem wird es notwendig sein, eine Anzahl zusätzlicher Stellen für Zeitbedienstete aus den Mitgliedstaaten vorzusehen, die im Rahmen des derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmens finanziert werden müssen. (16) Es sollten Vorschriften für die Tätigkeiten des EAD und seines Personals bezüglich Sicherheit, den Schutz von Verschlusssachen und Transparenz erlassen werden. (17) Es wird darauf hingewiesen, dass das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union auf den EAD, seine Beamten und sonstigen Bediensteten, die dem Statut beziehungsweise den BBSB unterliegen werden, Anwendung findet. (18) Die Europäische Union und die Europäische Atomgemeinschaft verfügen weiterhin über einen einheitlichen institutionellen Rahmen. Daher ist es unbedingt erforderlich, die Kohärenz in den Außenbeziehungen von Union und Euratom zu gewährleisten und es den Delegationen der Union zu ermöglichen, die Vertretung der Europäischen Atomgemeinschaft in Drittländern und bei internationalen Organisationen wahrzunehmen. (19) Der Hohe Vertreter sollte bis Mitte 2013 eine Überprüfung der Organisation und der Arbeitsweise des EAD vorlegen, der gegebenenfalls Vorschläge für eine Überarbeitung dieses Beschlusses beigefügt werden. Diese Überprüfung sollte spätestens Anfang 2014 angenommen werden – HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1 Rechtsnatur und Geltungsbereich (1) Dieser Beschluss legt die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes („EAD“) fest. (2) Der EAD, der seinen Sitz in Brüssel hat, ist eine funktional eigenständige Einrichtung der Europäischen Union, die vom Generalsekretariat des Rates und von der Kommission getrennt ist und über die erforderliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit verfügt, um ihre Aufgaben auszuführen und ihre Ziele zu erreichen.

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(3) Der EAD untersteht dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik („Hoher Vertreter“). (4) Der EAD besteht aus einer Zentralverwaltung und den Delegationen der Union in Drittländern und bei internationalen Organisationen.

Artikel 2 Aufgaben (1) Der EAD unterstützt den Hohen Vertreter bei der Erfüllung seines Auftrags, wie er insbesondere in den Artikeln 18 und 27 EUV niedergelegt ist: – bei der Erfüllung seines Auftrags, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik („GASP“) der Europäischen Union, einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik („GSVP“), zu leiten, durch seine Vorschläge zur Festlegung dieser Politik, die er im Auftrag des Rates durchführt, beizutragen und für die Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union zu sorgen; – in seiner Eigenschaft als Präsident des Rates (Auswärtige Angelegenheiten), unbeschadet der normalen Aufgaben des Generalsekretariats des Rates; – in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Kommission bei der Wahrnehmung – innerhalb der Kommission – der dieser übertragenen Zuständigkeiten im Bereich der Außenbeziehungen und bei der Koordinierung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Union, und zwar unbeschadet der normalen Aufgaben der Dienststellen der Kommission. (2) Der EAD unterstützt den Präsidenten des Europäischen Rates, den Präsidenten der Kommission und die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben im Bereich der Außenbeziehungen.

Artikel 3 Zusammenarbeit (1) Der EAD unterstützt die diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten sowie das General­ sekretariat des Rates und die Dienststellen der Kommission und arbeitet mit ihnen zusammen, um die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union sowie zwischen diesen und den übrigen Politikbereichen der Union sicherzustellen. (2) Bei der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben konsultieren der EAD und die Dienststellen der Kommission einander zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem auswärtigen Handeln der Union; davon ausgenommen sind Fragen, die in den Bereich der GSVP fallen. Der EAD nimmt an den vorbereitenden Arbeiten und Verfahren im Zusammenhang mit Maßnahmen, die die Kommission in diesem Bereich vorzubereiten hat, teil. Dieser Absatz wird gemäß Titel V Kapitel 1 EUV und nach Artikel 205 AEUV durchgeführt. (3) Der EAD kann außerdem mit den einschlägigen Dienststellen des Generalsekretariats des Rates, der Kommission oder anderen Stellen oder interinstitutionellen Einrichtungen der Union Dienstleistungsvereinbarungen schließen.

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(4) Der EAD stellt den anderen Organen und Einrichtungen der Union, insbesondere dem Europäischen Parlament, zweckdienliche Unterstützung und Zusammenarbeit zur Verfügung. Der EAD kann gegebenenfalls auch von diesen Organen und Einrichtungen sowie von Agenturen der Union Unterstützung und Zusammenarbeit erhalten. Der Interne Prüfer des EAD arbeitet mit dem Internen Prüfer der Kommission zusammen, um eine kohärente Prüfungspraxis insbesondere unter dem Blickwinkel der Zuständigkeit der Kommission für die operativen Ausgaben zu gewährleisten. Der EAD arbeitet außerdem nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1073/199910 mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung („OLAF“) zusammen. Insbesondere erlässt er unverzüglich den nach der genannten Verordnung erforderlichen Beschluss über die Bedingungen und Modalitäten für interne Untersuchungen. Nach der genannten Verordnung lassen die Mitgliedstaaten gemäß den einzelstaatlichen Bestimmungen und die Organe den Bediensteten von OLAF bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderliche Unterstützung zukommen.

Artikel 4 Zentralverwaltung des EAD (1) Der EAD wird von einem Geschäftsführenden Generalsekretär verwaltet, der dem Hohen Vertreter unterstellt ist. Der Geschäftsführende Generalsekretär trifft alle erforderlichen Maßnahmen für das reibungslose Funktionieren des EAD, einschließlich dessen Verwaltung und Haushaltsführung. Der Geschäftsführende Generalsekretär gewährleistet eine effektive Koordinierung zwischen allen Abteilungen der Zentralverwaltung sowie mit den Delegationen der Union. (2) Der Geschäftsführende Generalsekretär wird von zwei Stellvertretenden Generalsekretären unterstützt. (3) Die Zentralverwaltung des EAD wird in Generaldirektionen untergliedert. a) Sie umfasst insbesondere: – Mehrere Generaldirektionen, die alle Länder und Regionen der Welt abdeckende geografische Referate sowie Referate für multilaterale Angelegenheiten und thematische Referate umfassen. Diese Verwaltungseinheiten stimmen sich erforderlichenfalls mit dem Generalsekretariat des Rates sowie mit den einschlägigen Dienststellen der Kommission ab. – Eine Generaldirektion für Verwaltung, Personal, Haushalt, Sicherheit sowie Kommunika­ tions- und Informationssysteme, die im Rahmen des EAD unter der Leitung des Geschäftsführenden Generalsekretärs tätig ist. Der Hohe Vertreter ernennt nach den üblichen Einstellungsvorschriften einen Generaldirektor für Haushalt und Verwaltung, der dem Hohen Vertreter untersteht. Dieser Generaldirektor ist dem Hohen Vertreter gegenüber für die Verwaltung und interne Haushaltsführung des EAD verantwortlich. Er folgt denselben Haushaltslinien und Verwaltungsvorschriften, wie sie auf den Teil des Einzelplans III des Haushaltsplans der Union Anwendung finden, der unter die Rubrik 5 des mehrjährigen Finanzrahmens fällt. 10 Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 1).

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Anhang

– Die Direktion Krisenmanagement und Planung, den Stab für die Planung und Durchführung ziviler Operationen, den Militärstab der Europäischen Union und das Lagezentrum der Europäischen Union, die der unmittelbaren Aufsicht und Verantwortung des Hohen Vertreters unterstehen und diesen bei seiner Aufgabe unterstützen, die GASP der Union nach Maßgabe der Bestimmungen des Vertrags durchzuführen, wobei nach Artikel 40 EUV die sonstigen Zuständigkeiten der Union zu achten sind. Die spezifischen Merkmale dieser Strukturen sowie die Besonderheiten ihrer Funktionen, ihrer Einstellungsverfahren und der Rechtsstellung ihres Personals werden geachtet. Es wird eine umfassende Koordinierung zwischen allen Strukturen des EAD sichergestellt. b) Die Zentralverwaltung des EAD umfasst ferner: – Einen strategischen Planungsstab; – eine Rechtsabteilung, die der Verwaltungsaufsicht des Geschäftsführenden Generalsekretärs untersteht und die eng mit den Juristischen Diensten des Rates und der Kommission zusammenarbeitet; – Abteilungen für interinstitutionelle Beziehungen, Information und öffentliche Diplomatie, interne Prüfung und Inspektionen sowie den Schutz personenbezogener Daten. (4) Der Hohe Vertreter benennt die Vorsitzenden der Vorbereitungsgremien des Rates, in denen ein Vertreter des Hohen Vertreters den Vorsitz führt, einschließlich des Vorsitzenden des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees, entsprechend den detaillierten Regelungen, die in Anhang II des Beschlusses 2009/908/EU des Rates vom 1. Dezember 2009 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung des Beschlusses des Europäischen Rates über die Ausübung des Vorsitzes im Rat und über den Vorsitz in den Vorbereitungsgremien des Rates11 festgelegt sind. (5) Der Hohe Vertreter und der EAD werden erforderlichenfalls vom Generalsekretariat des Rates und den einschlägigen Dienststellen der Kommission unterstützt. Hierzu können zwischen dem EAD, dem Generalsekretariat des Rates und den einschlägigen Dienststellen der Kommission Dienstleistungsvereinbarungen geschlossen werden.

Artikel 5 Delegationen der Union (1) Der Beschluss zur Eröffnung oder Schließung einer Delegation wird vom Hohen Vertreter im Einvernehmen mit dem Rat und der Kommission erlassen. (2) Jede Delegation der Union wird einem Delegationsleiter unterstellt. Das gesamte Personal der Delegation untersteht – unabhängig von seiner Rechtsstellung – hinsichtlich all seiner Tätigkeiten dem Delegationsleiter. Der Delegationsleiter ist gegenüber dem Hohen Vertreter für die Gesamtleitung der Arbeit der Delegation und für die Gewährleistung der Koordinierung aller Maßnahmen der Union rechenschaftspflichtig.

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ABl. L 322 vom 9.12.2009, S. 28.

Anhang

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Das Personal der Delegationen umfasst Personal des EAD und, soweit dies für die Ausführung des Haushaltsplans der Union und für die Durchführung der Politik der Union in Bereichen, die nicht in die Zuständigkeit des EAD fallen, zweckmäßig ist, Personal der Kommission. (3) Der Delegationsleiter nimmt Weisungen vom Hohen Vertreter und vom EAD entgegen und ist für deren Ausführung verantwortlich. In Bereichen, in denen die Kommission die ihr durch die Verträge übertragenen Befugnisse ausübt, kann die Kommission den Delegationen im Einklang mit Artikel 221 Absatz 2 AEUV ebenfalls Weisungen erteilen, die unter der Gesamtverantwortung des Delegationsleiters ausgeführt werden. (4) Der Delegationsleiter führt operative Kredite im Zusammenhang mit Projekten der EU in dem betreffenden Drittland aus, wenn er von der Kommission hierzu im Einklang mit der Haushaltsordnung nachgeordnet bevollmächtigt wurde. (5) Der Betrieb jeder Delegation wird regelmäßig durch den Geschäftsführenden Generalsekretär des EAD bewertet; die Bewertung beinhaltet auch Finanz- und Verwaltungsprüfungen. Zu diesem Zweck kann der Geschäftsführende Generalsekretär des EAD Unterstützung durch die einschlägigen Kommissionsdienststellen beantragen. Zusätzlich zu den internen Maßnahmen des EAD übt das OLAF seine Befugnisse nach der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 aus, vor allem indem es Betrugsbekämpfungsmaßnahmen durchführt. (6) Der Hohe Vertreter schließt die erforderlichen Vereinbarungen mit dem betreffenden Aufnahmeland, der betreffenden internationalen Organisation oder dem betreffenden Drittstaat. Der Hohe Vertreter trifft insbesondere die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Aufnahmeländer den Delegationen der Union sowie ihrem Personal und ihrem Besitz Vorrechte und Immunitäten einräumen, die den im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 genannten Vorrechten und Immunitäten gleichwertig sind. (7) Die Delegationen der Union müssen über ausreichende Kapazitäten verfügen, um den Bedürfnissen anderer Organe der Union, insbesondere des Europäischen Parlaments, bei ihren Kontakten mit den internationalen Organisationen oder den Drittstaaten, bei denen die Delegationen akkreditiert sind, nachzukommen. (8) Der Delegationsleiter ist befugt, die Union in dem Land, in dem die Delegation akkreditiert ist, insbesondere beim Abschluss von Verträgen und als Partei bei Gerichtsverfahren zu vertreten. (9) Die Delegationen der Union arbeiten eng mit den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten zusammen und tauschen mit ihnen Informationen aus. (10) Die Delegationen der Union unterstützen die Mitgliedstaaten im Einklang mit Artikel 35 Absatz 3 EUV auf Verlangen und ressourcenneutral in ihren diplomatischen Beziehungen und bei ihrer Rolle, konsularischen Schutz für Bürger der Union in Drittländern bereitzustellen. Artikel 6 Personal (1) Dieser Artikel mit Ausnahme des Absatzes 3 gilt unbeschadet des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften („Statut“) und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften („BBSB“), einschließlich der nach Artikel 336 AEUV zur Anpassung an die Erfordernisse des EAD vorgenommenen Änderungen dieser Vorschriften.

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Anhang

(2) Dem EAD gehören Beamte und sonstige Bedienstete der Europäischen Union an, einschließlich zu Bediensteten auf Zeit ernannter Mitglieder des Personals der diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten. Das Statut und die BBSB gelten für dieses Personal. (3) Erforderlichenfalls kann der EAD in bestimmten Fällen auf eine begrenzte Zahl abgeordneter nationaler Sachverständiger („ANS“) mit Spezialkenntnissen zurückgreifen. Der Hohe Vertreter erlässt eine der im Beschluss 2003/479/EG des Rates vom 16. Juni 2003 über die Regelung für zum Generalsekretariat des Rates abgeordnete nationale Sachverständige und Militärexperten12 festgelegten Regelung gleichwertige Regelung, nach der ANS zum EAD abgestellt werden, um spezielle Fachkenntnisse in den Dienst einzubringen. (4) Das Personal des EAD lässt sich bei der Erfüllung seiner Pflichten und in seinem Verhalten ausschließlich von den Interessen der Union leiten. Unbeschadet des Artikels 2 Absatz 1 dritter Gedankenstrich und der Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absatz 3 darf es Weisungen von einer Regierung, Behörde, Organisation oder Person außerhalb des EAD oder von einer anderen Stelle oder einer anderen Person als dem Hohen Vertreter weder einholen noch entgegennehmen. Nach Artikel 11 Absatz 2 des Statuts nimmt das Personal des EAD von keiner Stelle außerhalb des EAD Vergütungen irgendwelcher Art an. (5) Die Befugnisse, die der Anstellungsbehörde durch das Statut und der zum Abschluss von Verträgen berechtigten Behörde durch die BBSB übertragen sind, liegen beim Hohen Vertreter, der sie innerhalb des EAD delegieren kann. (6) Personaleinstellungen in den EAD erfolgen auf der Grundlage des Leistungsprinzips, wobei auf eine angemessene geografische Verteilung und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu achten ist. Das Personal des EAD umfasst eine bedeutsame Präsenz von Staatsangehörigen aus allen Mitgliedstaaten. Die nach Artikel 13 Absatz 3 vorgesehene Überprüfung deckt auch dieses Thema ab und beinhaltet gegebenenfalls Vorschläge für weitere besondere Maßnahmen, um etwaige Ungleichgewichte zu korrigieren. (7) Beamte der Union und Bedienstete auf Zeit aus den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten haben dieselben Rechte und Pflichten und werden gleich behandelt; dies bedeutet insbesondere, dass sie für sämtliche Stellen unter gleichwertigen Bedingungen in Betracht kommen. Bei der Zuweisung von auszuführenden Aufgaben in allen Bereichen, in denen der EAD tätig wird und in denen er politische Maßnahmen durchführt, wird nicht zwischen Bediensteten auf Zeit aus den nationalen diplomatischen Diensten und Beamten der Union unterschieden. Im Einklang mit den Bestimmungen der Haushaltsordnung unterstützen die Mitgliedstaaten die Union bei der Erfüllung finanzieller Verbindlichkeiten der Bediensteten auf Zeit aus den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten, die sich aus einer Haftung aufgrund des Artikels 66 der Haushaltsordnung ergeben. (8) Der Hohe Vertreter legt die Auswahlverfahren für das Personal des EAD fest, die im Wege eines transparenten, auf das Leistungsprinzip gestützten Verfahrens durchgeführt werden, damit Personal gewonnen wird, das in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügt, während gleichzeitig eine angemessene geografische Streuung und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis gewährleistet und der bedeutsamen Präsenz von Staats-

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ABl. L 160 vom 28.6.2003, S. 72.

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angehörigen aus allen Mitgliedstaaten im EAD Rechung getragen wird. Vertreter der Mitgliedstaaten, des Generalsekretariats des Rates und der Kommission werden in das Auswahlverfahren für die Besetzung freier Planstellen im EAD einbezogen. (9) Wenn der EAD seine volle Stärke erreicht hat, sollte das in Absatz 2 Unterabsatz 1 genannte Personal aus den Mitgliedstaaten mindestens ein Drittel des gesamten EAD-Personals auf AD-Ebene ausmachen. Ebenso sollten die Beamten der Union mindestens 60 % des gesamten EAD-Personals auf AD-Ebene ausmachen, einschließlich des aus den diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten stammenden Personals, das nach den Bestimmungen des Statuts in den Stand eines Beamten der Union übernommen wurde. Der Hohe Vertreter legt dem Europäischen Parlament und dem Rat jährlich einen Bericht über die Besetzung der Stellen im EAD vor. (10) Der Hohe Vertreter legt die Mobilitätsregelung fest, um für ein hohes Maß an Mobilität der Mitglieder des EAD-Personals zu sorgen. Für die in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a dritter Gedankenstrich genannten Mitglieder des Personals gelten besondere und detaillierte Regelungen. Grundsätzlich leisten alle Mitglieder des EAD-Personals in regelmäßigen Abständen Dienst in Delegationen der Union. Der Hohe Vertreter legt eine entsprechende Regelung fest. (11) Jeder Mitgliedstaat garantiert seinen Beamten, die Bedienstete auf Zeit im EAD geworden sind, nach den geltenden Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts die sofortige Wiederverwendung am Ende ihrer Dienstzeit im EAD. Diese Dienstzeit darf nach Artikel 50b der BBSB acht Jahre nicht überschreiten, es sei denn, sie wird in Ausnahmefällen im Interesse des Dienstes um höchstens zwei Jahre verlängert. Beamte der Union, die im EAD ihren Dienst verrichten, sind berechtigt, sich zu den gleichen Bedingungen wie interne Bewerber auf Planstellen in ihrem Herkunftsorgan zu bewerben. (12) Es werden Vorkehrungen für eine geeignete gemeinsame Fortbildung des EAD-Personals getroffen; dabei wird insbesondere auf Vorgehensweisen und Strukturen aufgebaut, die auf nationaler und auf Ebene der Union vorhanden sind. Der Hohe Vertreter ergreift in dem auf das Inkrafttreten dieses Beschlusses folgenden Jahr geeignete Maßnahmen zu diesem Zweck.

Artikel 7 Übergangsbestimmungen betreffend das Personal (1) Die im Anhang aufgeführten einschlägigen Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche im Generalsekretariat des Rates und innerhalb der Kommission werden in den EAD überführt. Die Beamten und Bediensteten auf Zeit, die eine Planstelle in den im Anhang aufgeführten Verwaltungseinheiten oder Aufgabenbereichen innehaben, werden zum EAD versetzt. Dies gilt entsprechend für die Vertragsbediensteten und örtlichen Bediensteten, die diesen Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereichen zugewiesen sind. Die in den betreffenden Verwaltungseinheiten oder Aufgabenbereichen tätigen ANS werden ebenfalls zum EAD versetzt, wenn die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der Versetzung zustimmen. Diese Versetzungen werden zum 1. Januar 2011 wirksam. Gemäß dem Statut weist der Hohe Vertreter jeden Beamten bei dessen Versetzung zum EAD einer der Besoldungsgruppe dieses Beamten entsprechenden Planstelle in seiner Funktionsgruppe zu.

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(2) Die Verfahren für die Rekrutierung von Personal für auf den EAD übertragene Planstellen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses noch nicht abgeschlossen sind, bleiben gültig. Sie werden unter der Aufsicht des Hohen Vertreters im Einklang mit den entsprechenden Stellenausschreibungen und den geltenden Regeln des Statuts und der BBSB weitergeführt und abgeschlossen.

Artikel 8 Haushaltsplan (1) Die Aufgaben des Anweisungsbefugten für den den EAD betreffenden Einzelplan des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union werden nach Artikel 59 der Haushaltsordnung delegiert. Der Hohe Vertreter beschließt die internen Regeln für die Führung der Haushaltslinien der Verwaltung. Die operativen Ausgaben verbleiben in dem die Kommission betreffenden Einzelplan des Gesamthaushaltsplans. (2) Der EAD nimmt seine Befugnisse im Einklang mit der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union im Rahmen der ihm zugewiesenen Mittel wahr. (3) Bei der Veranschlagung der Verwaltungsausgaben des EAD wird der Hohe Vertreter das für Entwicklungspolitik, beziehungsweise das für Nachbarschaftspolitik zuständige Mitglied der Kommission im Rahmen seiner jeweiligen Zuständigkeiten konsultieren. (4) Nach Artikel 314 Absatz 1 AEUV stellt der EAD einen Haushaltsvoranschlag für seine Ausgaben für das folgende Haushaltsjahr auf. Die Kommission fasst diese Voranschläge in einem Entwurf für den Haushaltsplan zusammen, der abweichende Voranschläge enthalten kann. Die Kommission kann den Haushaltsplanentwurf nach Artikel 314 Absatz 2 AEUV ändern. (5) Um die Haushaltstransparenz im Bereich des auswärtigen Handelns der Union zu gewährleisten, legt die Kommission der Haushaltsbehörde zusammen mit dem Entwurf des Haushaltsplans der Europäischen Union ein Arbeitsdokument vor, das einen umfassenden Überblick über alle Ausgaben im Zusammenhang mit dem auswärtigen Handeln der Union liefert. (6) Der EAD unterliegt den Verfahren betreffend die Entlastung nach Artikel 319 AEUV und nach den Artikeln 145 bis 147 der Haushaltsordnung. Diesbezüglich arbeitet der EAD in vollem Umfang mit den an dem Entlastungsverfahren beteiligten Organen zusammen und legt gegebenenfalls erforderliche Zusatzinformationen vor, unter anderem durch Teilnahme an Sitzungen der einschlägigen Gremien.

Artikel 9 Instrumente des auswärtigen Handelns und Programmplanung (1) Die Verwaltung der Programme der Union für die Zusammenarbeit mit Drittländern fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kommission; die nachstehend beschriebenen Funktionen der Kommission und des EAD bei der Programmplanung werden davon nicht berührt. (2) Der Hohe Vertreter stellt die allgemeine politische Koordinierung des auswärtigen Handelns der Union sicher und gewährleistet dabei insbesondere durch folgende Außenhilfeinstrumente die Geschlossenheit, Kohärenz und Wirksamkeit des auswärtigen Handelns der Union:

Anhang

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– Instrument für Entwicklungszusammenarbeit13, – Europäischer Entwicklungsfonds14, – Europäisches Instrument für Demokratie und Menschenrechte15, – Europäisches Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument16, – Instrument für die Zusammenarbeit mit Industrieländern17, – Instrument für Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit18, – Instrument für Stabilität hinsichtlich der in Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1717/2006 vorgesehenen Hilfe19. (3) Der EAD trägt insbesondere zum Programmplanungs- und Verwaltungszyklus für die in Absatz 2 genannten Instrumente bei und stützt sich dabei auf die in diesen Instrumenten fest­ gelegten Politikziele. Er hat die Aufgabe, folgende Beschlüsse der Kommission zu den strategischen, mehrjährigen Maßnahmen innerhalb eines Programmzyklus vorzubereiten: i) Mittelzuweisungen an die Länder zur Festlegung des Gesamtfinanzrahmens für die einzelnen Regionen, vorbehaltlich der vorläufigen Aufteilung der Mittel in dem mehrjährigen Finanzrahmen. Innerhalb jeder Region bleibt ein Teil der Mittelausstattung den regionalen Programmen vorbehalten; ii) Länderstrategiepapiere und Regionale Strategiepapiere; iii) Nationale und Regionale Richtprogramme. Nach Artikel 3 arbeiten der Hohe Vertreter und der EAD während des gesamten Zyklus der Programmplanung, Planung und Umsetzung der in Absatz 2 genannten Instrumente unbeschadet des Artikels 1 Absatz 3 mit den zuständigen Mitgliedern und Dienststellen der Kommission zu 13 Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates am 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 41). 14 Verordnung Nr. 5 zur Festlegung der Einzelheiten für die Anforderung und Überweisung der Finanzbeiträge sowie für die Haushaltsregelung und die Verwaltung der Mittel des Entwicklungsfonds für die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete (ABl. 33 vom 31.12.1958, S. 681/58). 15 Verordnung (EG) Nr. 1889/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Einführung eines Finanzierungsinstruments für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte (ABl. L 386 vom 29.12.2006, S. 1). 16 Verordnung (EG) Nr. 1638/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006 zur Festlegung allgemeiner Bestimmungen zur Schaffung eines Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ABl. L 310 vom 9.11.2006, S. 1). 17 Verordnung (EG) Nr. 382/2001 des Rates vom 26. Februar 2001 über die Durchführung von Projekten zur Förderung der Zusammenarbeit und der Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Industrieländern in Nordamerika, im Fernen Osten und in Austral­asien (ABl. L 57 vom 27.2.2001, S. 10). 18 Verordnung (Euratom) Nr. 300/2007 des Rates vom 19. Februar 2007 zur Schaffung eines Instruments für Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit (ABl. L 81 vom 22.3.2007, S. 1). 19 Verordnung (EG) Nr. 1717/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Schaffung eines Instruments für Stabilität (ABl. L 327 vom 24.11.2006, S. 1).

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Anhang

sammen. Alle Vorschläge für Beschlüsse werden nach den Arbeitsverfahren der Kommission ausgearbeitet und der Kommission zur Annahme vorgelegt. (4) Hinsichtlich des Europäischen Entwicklungsfonds und des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit werden alle Vorschläge, einschließlich derjenigen zur Änderung der Grundverordnungen und der in Absatz 3 genannten Programmplanungsdokumente, von den einschlägigen Dienststellen des EAD und der Kommission unter der Verantwortung des für Entwicklungspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds gemeinsam erstellt und gemeinsam mit dem Hohen Vertreter zur Annahme durch die Kommission vorgelegt. Thematische Programme – mit Ausnahme des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte, des Instruments für Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit und des in Absatz 2 siebter Gedankenstrich genannten Teils des Instruments für Stabilität – werden von den geeigneten Kommissionsdienststellen unter der Leitung des für Entwicklungspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds vorbereitet und dem Kollegium der Mitglieder der Kommission in Absprache mit dem Hohen Vertreter und den anderen relevanten Kommissionsmitgliedern vorgelegt. (5) Hinsichtlich des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments werden alle Vorschläge, einschließlich derjenigen zur Änderung der Grundverordnungen und der in Absatz 3 genannten Programmplanungsdokumente, von den einschlägigen Dienststellen des EAD und der Kommission unter der Verantwortung des für Nachbarschaftspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds gemeinsam erstellt und gemeinsam mit dem Hohen Vertreter zur Annahme durch die Kommission vorgelegt. (6) Maßnahmen im Rahmen des GASP-Haushaltsplans, des Stabilitätsinstruments (mit Ausnahme des in Absatz 2 siebter Gedankenstrich genannten Teils), des Instruments für die Zusammenarbeit mit Industrieländern, der Kommunikationsmaßnahmen und der Maßnahmen der öffentlichen Diplomatie sowie der Wahlbeobachtungsmissionen fallen in die Zuständigkeit des Hohen Vertreters/des EAD. Die Kommission ist unter Aufsicht des Hohen Vertreters in seiner Eigenschaft als Vizepräsident der Kommission für die finanzielle Ausführung dieser Maßnahmen zuständig. Die für diese Ausführung zuständige Dienststelle der Kommission wird beim EAD mit angesiedelt.

Artikel 10 Sicherheit (1) Der Hohe Vertreter beschließt nach Konsultation des in Teil II Abschnitt I Ziffer 3 des Anhangs des Beschlusses 2001/264/EG des Rates vom 19. März 2001 über die Annahme der Sicherheitsvorschriften des Rates20 genannten Ausschusses die Sicherheitsvorschriften für den EAD und trifft alle geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der EAD den Risiken für sein Personal, seine materiellen Vermögenswerte und seine Informationen wirksam entgegenwirkt und seinen Fürsorgepflichten und seiner Verantwortung in dieser Hinsicht nachkommt. Solche Vorschriften gelten für das gesamte Personal des EAD und das gesamte Personal der Delegationen der Union, unabhängig vom Dienstverhältnis und von der Herkunft.

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ABl. L 101 vom 11.4.2001, S. 1.

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(2) Bis der Beschluss nach Absatz 1 ergangen ist, – wendet der EAD hinsichtlich des Schutzes von Verschlusssachen die im Anhang des Beschlusses 2001/264/EG festgelegten Sicherheitsmaßnahmen an; – wendet der EAD hinsichtlich anderer Sicherheitsaspekte die im einschlägigen Anhang der Geschäftsordnung der Kommission21 festgelegten Sicherheitsvorschriften an. (3) Der EAD verfügt über eine Stelle, die für Sicherheitsfragen zuständig ist und von den einschlägigen Dienststellen der Mitgliedstaaten unterstützt wird. (4) Der Hohe Vertreter trifft alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Sicherheitsvorschriften im EAD, insbesondere in Bezug auf den Schutz von Verschlusssachen und in Bezug auf Maßnahmen bei Verstößen von Mitgliedern des EAD-Personals gegen die Sicherheitsvorschriften. Der EAD lässt sich zu diesem Zweck vom Sicherheitsbüro des General­ sekretariats des Rates und von den einschlägigen Dienststellen der Kommission der Mitgliedstaaten beraten. Artikel 11 Zugang zu Dokumenten, Archivierung und Datenschutz (1) Der EAD wendet die Vorschriften in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission22 an. Der Hohe Vertreter legt die Durchführungsbestimmungen für den EAD fest. (2) Der Geschäftsführende Generalsekretär des EAD organisiert das Archiv des Dienstes. Die einschlägigen Archive der in den EAD überführten Verwaltungseinheiten des Generalsekretariats des Rates und der Kommission werden ebenfalls in den EAD überführt. (3) Der EAD schützt natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr23. Der Hohe Vertreter legt die Durchführungsbestimmungen für den EAD fest. Artikel 12 Immobilien (1) Das Generalsekretariat des Rates und die einschlägigen Dienststellen der Kommission treffen alle erforderlichen Vorkehrungen, damit parallel zu den in Artikel 7 genannten Übertragungen auch die für den Betrieb des EAD erforderlichen Gebäude des Rates und der Kommission übertragen werden können. (2) Die Bedingungen, zu denen der Zentralverwaltung des EAD und den Delegationen der Union Immobilien zur Verfügung gestellt werden, werden vom Hohen Vertreter und vom Generalsekretariat des Rates bzw. von der Kommission gemeinsam festgelegt. 21

ABl. L 308 vom 8.12.2000, S. 26. ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43. 23 ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1. 22

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Anhang Artikel 13 Schlussbestimmungen und allgemeine Bestimmungen

(1) Der Hohe Vertreter, der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten sind für die Durchführung dieses Beschlusses verantwortlich und treffen alle dazu erforderlichen Maßnahmen. (2) Der Hohe Vertreter legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission bis Ende 2011 einen Bericht über die Arbeitsweise des EAD vor. In dem genannten Bericht wird insbesondere die Durchführung des Artikels 5 Absätze 3 und 10 und des Artikels 9 behandelt. (3) Bis Mitte 2013 legt der Hohe Vertreter eine Überprüfung der Organisation und Arbeitsweise des EAD vor, bei der unter anderem die Durchführung des Artikels 6 Absätze 6, 8 und 11 behandelt wird. Der Überprüfung werden erforderlichenfalls geeignete Vorschläge für die Überarbeitung dieses Beschlusses beigefügt. In diesem Fall überarbeitet der Rat diesen Beschluss bis Anfang 2014 im Einklang mit Artikel 27 Absatz 3 EUV im Lichte der Überprüfung. (4) Dieser Beschluss tritt am Tag seiner Annahme in Kraft. Die Bestimmungen über die Haushaltsführung und die Personaleinstellung gelten, sobald die notwendigen Änderungen des Statuts, der BBSB und der Haushaltsordnung vorgenommen und der entsprechende Berichtigungshaushaltsplan verabschiedet worden sind. Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, werden der Hohe Vertreter, das Generalsekretariat des Rates und die Kommission die notwendigen Vereinbarungen treffen und Konsultationen mit den Mitgliedstaaten durchführen. (5) Innerhalb eines Monats nach dem Inkrafttreten dieses Beschlusses unterbreitet der Hohe Vertreter der Kommission einen Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des EAD einschließlich eines Stellenplans, damit die Kommission den Entwurf eines Berichtigungshaushaltsplans vorlegen kann. (6) Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Geschehen zu Brüssel am 26. Juli 2010. Im Namen des Rates Der Präsident S. Vanackere

ANHANG In den EAD zu überführende Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche24 Nachstehend werden alle Verwaltungseinheiten aufgelistet, die vollständig in den EAD überführt werden. Dies präjudiziert weder den zusätzlichen Bedarf und die Zuweisung von Mitteln, die in den Verhandlungen über den Gesamthaushaltsplan für die Errichtung des EAD festgelegt werden, noch die Beschlüsse über die Bereitstellung von ausreichendem Personal für Unterstützungsaufgaben und der damit verbundenen Notwendigkeit von Dienstleistungsverein­ barungen zwischen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission und dem EAD. 24 Das zu versetzende Personal wird vollständig im Rahmen der Rubrik 5 (Verwaltung) des mehrjährigen Finanzrahmens finanziert.

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1. GENERALSEKRETARIAT DES RATES Das Personal der nachstehend genannten Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche wird in seiner Gesamtheit in den EAD überführt, mit Ausnahme einer sehr begrenzten Zahl von Bediensteten, die normale Aufgaben des Generalsekretariats des Rates im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich erfüllen, und bestimmter besonderer Aufgabenbereiche, die nachstehend angegeben sind: Politischer Stab GSVP und Krisenbewältigungsstrukturen – Direktion Krisenbewältigung und Planung (CMDP) – Ziviler Planungs- und Durchführungsstab (CPCC) – Militärstab der Europäischen Union (EUMS) – Unmittelbar der GD EUMS unterstellte Abteilungen – Direktion „Konzepte und Fähigkeiten“ – Direktion „Aufklärung“ – Direktion „Operationen“ – Direktion „Logistik“ – Direktion „Kommunikations- und Informationssysteme“ – Lagezentrum der EU (SITCEN) Ausnahme: – SITCEN-Personal, das die Akkreditierungsstelle für IT-Sicherheit unterstützt Generaldirektion E – Unmittelbar dem Generaldirektor unterstellte Referate – Direktion „Amerika und Vereinte Nationen“ – Direktion „Westlicher Balkan, Osteuropa und Zentralasien“ – Direktion „Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen“ – Direktion „Parlamentarische Angelegenheiten im Bereich der GASP“ – Verbindungsbüro in New York – Verbindungsbüro in Genf Beamte des Generalsekretariats des Rates, die zu EU-Sonderbeauftragten und für GSVPMissionen abgestellt sind 2. KOMMISSION (EINSCHLIESSLICH DELEGATIONEN) Das Personal der nachstehend genannten Verwaltungseinheiten und Aufgabenbereiche wird in seiner Gesamtheit in den EAD überführt, mit Ausnahme einer begrenzten Zahl von Bediensteten, die nachstehend angegeben sind:

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Generaldirektion „Auswärtige Beziehungen“ – Alle Planstellen mit hierarchischer Funktion und das diesen unmittelbar beigeordnete Unterstützungspersonal – Direktion A (Krisenplattform und Politikkoordinierung in der GASP) – Direktion B (Multilaterale Beziehungen und Menschenrechte) – Direktion C (Nordamerika, Ostasien, Australien, Neuseeland, EWR, EFTA, San Marino, Andorra und Monaco) – Direktion D (Koordinierung der Europäischen Nachbarschaftspolitik) – Direktion E (Osteuropa, Südlicher Kaukasus, Zentralasiatische Republiken) – Direktion F (Naher und Mittlerer Osten, Südlicher Mittelmeerraum) – Direktion G (Lateinamerika) – Direktion H (Asien, außer Japan und Korea) – Direktion I (Mittelverwaltung, Information, interinstitutionelle Beziehungen) – Direktion K (Außendienst) – Direktion L (Strategie, Koordination und Analyse) – Task Force „Eastern Partnership“ (Arbeitsgruppe „Östliche Partnerschaft“) – Referat Relex-01 (Audit) Ausnahmen: – für die Verwaltung von Finanzinstrumenten zuständiges Personal – für die Auszahlung von Gehältern und Vergütungen an das Personal in den Delegationen zuständiges Personal Auswärtiger Dienst – alle Delegationsleiter und stellvertretenden Delegationsleiter und das diesen unmittelbar beigeordnete Unterstützungspersonal – alle politischen Abteilungen oder Einheiten und ihr Personal – alle Abteilungen für Information und öffentliche Diplomatie und ihr Personal – alle Verwaltungsabteilungen Ausnahmen: – für die Durchführung von Finanzinstrumenten zuständiges Personal Generaldirektion „Entwicklung“ – Direktion D (AKP II – West- und Zentralafrika, Karibik und ÜLG) mit Ausnahme der ÜLGTask-Force – Direktion E (Horn von Afrika, Ostafrika und südliches Afrika, Indischer Ozean und Pazifik) – Referat CI (AKP I: Entwicklungshilfeprogrammierung und -verwaltung): für die Programmierung zuständiges Personal

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– Referat C2 (Panafrikanische Fragen und Institutionen, Gouvernance und Migration): für panafrikanische Beziehungen zuständiges Personal – Alle Planstellen mit hierarchischer Funktion und das diesen unmittelbar beigeordnete Unterstützungspersonal.

Literaturverzeichnis Adebahr, Cornelius: Working inside out: what role for Special Envoys in the European External Action Service, in: European Policy Centre (Hrsg.), Policy Brief, Januar 2011. – Dokument verfügbar unter: http://www.epc.eu/documents/uploads/pub_1216_working_inside_ out.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). Ahmann, Rolf/Schulze, Reiner/Walter, Christian: Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992 – eine Einführung, in: dies. (Hrsg.), Rechtliche und politische Koordinierung der Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaften 1951–1992, Berlin 2010, S. 9–21. Alemann, Florian von: Die rechtliche Einordnung der interinstitutionellen Vereinbarung als Handlungsform des Unionsrechts, in: D. Kietz/P. Slominski/A. Maurer/S. Puntscher Riekmann (Hrsg.), Interinstitutionelle Vereinbarungen der Europäischen Union, Baden-Baden 2010, S. 111–154. Alemann, Sven von: Der Rat der Europäischen Union, Köln u. a. 2009. Alexy, Robert: Theorie der Grundrechte, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1994. Algieri, Franco/Bauer, Thomas: Die Festschreibung mitgliedstaatlicher Macht: GASP und GSVP im Vertragswerk von Lissabon, in: W. Weidenfeld (Hrsg.), Lissabon in der Analyse – Der Reformvertrag der Europäischen Union, Baden-Baden 2008, S. 125–156. Allen, David: Who Speaks for Europe? The Search for an effective and coherent external policy, in: J. Petersen/H. Sjursen (Hrsg.), A Common Foreign Policy for Europe – Competing visions on CFSP, London 1998, S. 41–58. Andreae, Lisette/Kaiser, Karl: Die „Aussenpolitik“ der Fachministerien, in: W.-D. Eberwein/ K. Kaiser (Hrsg.), Deutschlands neue Außenpolitik, Bd. 4: Institutionen und Ressourcen, München 1998, S. 29–46. Auswärtiges Amt (Hrsg.): 125 Jahre Auswärtiges Amt, Festschrift, Bonn 1995. – (Hrsg.): Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP), 11. Aufl., Bonn 1998. Avery, Graham: Towards a European Foreign Service: conclusions and recommendations, in: The EU Foreign Service: how to build a more effective common policy, EPC Working Paper No. 28, November 2007, S. 74–79. – Dokument verfügbar unter: http://www.epc.eu/ documents/uploads/555858396_EPC%20Working%20Paper%2028 %20The%20EU%20 Foreign%20Service.pdf (letzter Abruf: 29.5.2013). Baade, Hans W.: Das Verhältnis von Parlament und Regierung im Bereich der auswärtigen Gewalt der Bundesrepublik Deutschland, Studien über den Einfluß der auswärtigen Beziehungen auf die innerstaatliche Verfassungsentwicklung, Hamburg 1962. Badura, Peter: Staatsrecht, 5. Aufl., München 2012.

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Personen- und Sachverzeichnis ABC-Gruppe  158 f., 161 Act-of-State-Doktrin 58 AD-Ebene siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Agentur der Europäischen Union  230, 234, 249, 287 ff., 296 ff. Alliierte Hohe Kommission  77 Amsterdam siehe Vertrag von Amsterdam Arbeitssprachen siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Arena  183, 327 Ashton, Catherine  142 f., 153, 157, 162, 188 f., 218 ff., 281, 302, 312, 336 Ausschuss der Regionen  48 Ausschuss der Ständigen Vertreter  166, 265, 297 Außenbeziehungen der EU  37 Außenminister der Union 23, 123, 139 ff., 146, 149, 210, 213 ff., 224 Außenpolitik –– Akteure  41 ff., 52 ff. –– Begriff  29 ff. –– der EU  34 ff. –– deutsche  29 ff., 41 ff. –– Domaine réservé  34, 96, 112, 170 –– europäische  34 ff. Außenpolitisches Amt der NSDAP  75 Außenstelle siehe Auswärtiges Amt Außenvertretung  71, 98 Außenvertretungsmonopol  30, 87 Auswärtige Beziehungen  32 Auswärtige Gewalt –– Akteure  42 ff., 50 ff. –– Begriff  40 ff., 50 ff. –– Föderalisierung  44 ff. –– Gemischte Gewalt  51 –– Kombinierte Gewalt  51 –– Organkompetenz  50 ff. –– Parlamentarisierung  60 ff. –– Unionswärtige Gewalt  49 f., 65 ff. –– Verbandskompetenz  42 ff.

Auswärtiger Dienst –– Aufgaben  85 ff. –– Begriff 73 –– Funktion 72 –– Organisation (siehe auch Auswärtiges Amt)  88 ff. –– Rechtsgrundlagen  81 ff. Auswärtiges Amt  77 ff., 88 ff. –– Abgeordnete Beschäftigte  79 f. –– Aus- und Fortbildung  318 f. –– Auslandsvertretungen 80 –– Außenstelle 92 –– Beschäftigtenzahlen  79 f. –– Bewerbung beim Europäischen Auswär­ tigen Dienst  317 f. –– Botschaft 92 –– des Deutschen Reiches  74 –– des Norddeutschen Bundes  74 –– Europaabteilung  90, 319 –– Europafähigkeit 318 –– Generalkonsulat 92 –– Honorarkonsul  92 f. –– im Nationalsozialismus  75 f. –– Konsulat 92 –– Leitungsstab 88 –– Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten Preußens  74 –– Personalsekretariat EAD  315 f., 319 f. –– Planungsstab 90 –– Reformen  315 ff. –– Staatsminister im Auswärtigen Amt  89 –– Ständige Vertretung  92 –– Tool-box 316 –– Verbindungsbüro  63, 92 –– Verbundbotschaften 316 –– Versetzungstermin 316 –– Weisung  91, 94 f. –– Wilhelmstraße 75 –– Zusammenarbeit mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst  314 f. Auswärtiges Handeln der EG 119 ff.

Personen- und Sachverzeichnis Auswärtiges Handeln der EU  126 ff. –– Fragmentierung  119 ff., 325 ff. –– Geschichte  106 ff. –– Grundsätze 128 –– Institutionelle Architektur  138 ff. –– Kompetenzordnung  131 ff. –– Parlamentarisierung  169 ff. –– Reform  122 f., 138 ff. –– Rolle der nationalen Parlamente  178 ff. –– Systematik  124 ff. –– Vertragsschlusskompetenz  133 ff. –– Vertragsschlussverfahren  135 ff. –– Ziele 129 Barroso, José Manuel  189 f., 306, 330 Beratender Ausschuss für Ernennungen siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften  252, 271 Botschaft siehe Auswärtiges Amt Brüsselisierung 308 Bundesländer  56 ff. Bundespräsident –– Aufgaben  53 f. –– Außenvertretung 55 Bundesrat  56 ff. Bundesregierung  55 ff. Bundestag  56 ff. –– Integrationsverantwortung 63 Bundesverfassungsgericht  58 ff. –– Lissabon-Urteil  62 ff. –– Maastricht-Urteil  62 ff. –– Nachrüstungsurteil 61 –– Richterliche Selbstbeschränkung  59 Büro für Friedensfragen  76 ff. Civilian Planning and Conduct Capability siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Commonwealth 211 Conference of Community and European Affairs Committees of Parliaments of the European Union  179, 288 Corporate board siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Crisis Management and Planning Directorate siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Cross-pillar-mixity-Abkommen 136

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Davignon-Bericht siehe Luxemburger Bericht Dienstleistungsvereinbarung siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten  77 f. Diplomatic Code of Conduct siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Diplomatie –– Begriff 69 –– Entwicklung 69 –– Funktion  71 f. –– Public Diplomacy  30 Diplomatischer Dienst siehe Diplomatie Domaine réservé siehe Außenpolitik Doppelhut siehe Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Drei-Quellen-Prinzip siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Dreisprachenregime siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Einheitliche Europäische Akte  192 f. Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa  122 ff. Erklärung von Laeken 23, 124, 184, 212, 328 EU Military Committee siehe Europäischer Auswärtiger Dienst EU Military Staff siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Europäische Kommission  167 ff. –– Kommissar für Außenbeziehungen  139 –– Präsident 156, 159, 188 ff., 306 ff., 327, 331 Europäische Politische Zusammenarbeit  108 ff. Europäische Polizeiakademie  276 Europäische Union –– Europäischer Verfassungsverbund  322 ff. –– Europäischer Verwaltungsverbund  39 ff. –– Kompetenz-Kompetenz  104, 323 –– Kompetenzübertragung Europäischer Auswärtiger Dienst –– AD-Ebene 269 –– Arbeitssprachen  265 f. –– Aufbau 214 –– Aufgaben  253 ff. –– Aufsicht  286 ff.

386 –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– –– ––

Personen- und Sachverzeichnis

Außenvertretungskompetenz  331 ff. Beratender Ausschuss für Ernennungen  271 Bericht  281 ff. Civilian Planning and Conduct Capability  237 Corporate board  236 ff. Crisis Management and Planning Directorate 237 Delegationen der Union  241 ff. Demokratische Legitimation  225 ff. Dienstleistungsvereinbarung  240, 246, 280, 297 Diplomatic Code of Conduct  271 Drei-Quellen-Prinzip  227, 266, 269 ff. Dreisprachenregime 265 Entsendung  273 ff. EU Military Committee  237 EU Military Staff  237, 267 Europäische diplomatische Kultur  274 ff. Evaluation siehe Überprüfung Foreign Policy Instrument Service  238 Geschäftsführender Generalsekretär  222, 235 f., 239, 244 Governance 309 Haushalt  278 ff. Institutionelle Ansiedlung  228 ff. Intelligence Analysis Centre of the European Union  237 f., 267 Kontrolle  286 ff., 288 ff. Krisenreaktionszentrum  237, 239 Leistungsprinzip 269 Lenkungsausschuss für die Delegationen (EUDEL)  251 ff. Management Directorate  239 Marktmodell 265 Mobilitätsregelung  272 ff. Organisation  235 ff. Personal  266 ff. Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee  222, 237, 252 ff., 309 Positionen der Mitgliedstaaten  211, 228 ff. Rationalised Intergouvernementalism  309 Rechtsfähigkeit  233 ff. Rechtsgrundlagen  223 ff. Rechtspersönlichkeit  234 f. Rechtsschutz  288 ff. Rechtsstatus  231 ff. Rekrutierung  266 ff.

–– Rotation  272 ff. –– Sitz 235 –– Sonderbeauftragte  146, 175 ff., 242, 247, 267 –– Stellvertretender Generalsekretär für interinstitutionelle Fragen  222, 236 –– Stellvertretender Generalsekretär für politische Fragen  222, 236 f. –– Überprüfung  283 ff. –– Ursprung  209 f. –– Verwaltungsleitung  222, 236 –– Verwaltungsrat siehe Corporate board –– Vollsprachenregime 265 –– Weisung  248 ff. –– Zentrale  236 ff. Europäischer Rat  157 –– Präsident  158 ff. Europäisches Amt für Personalauswahl  235 Europäisches Parlament –– Auswärtiges EU-Handeln  168 ff. –– Ordentliches Gesetzgebungsverfahren  135, 137, 169, 178, 220 –– Quadrilog  171, 221 –– Trialog 221 Europäisierung  25, 37 ff., 58, 61 ff., 96 f., 311, 314, 318 Europarat siehe Internationale Organisation European Diplomatic Programme  275 European Diplomatic Training Initiative  275 European Peacebuilding Liaison Office  231 Foreign Policy Instrument Service siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Foto-Frost-Rechtsprechung siehe Gerichtshof der Europäischen Union Fouchet-Pläne 107 Fragmentierung siehe Auswärtiges EU-Handeln Francophonie 211 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik –– Einstimmigkeit  114, 136 f., 147 f., 163 f., 170, 301 –– Geschichte  107 ff. –– Intergouvernementalität  112 ff., 125, 252, 309 –– Qualifizierte Mehrheit  114, 137, 147, 162, 164 ff.

Personen- und Sachverzeichnis –– Reformen  110 ff. Gemischte Abkommen  136, 178 Generaldirektion Außenbeziehungen (RELEX) siehe Rat der Europäischen Union Generaldirektion E siehe Rat der Europäischen Union Generalkonsulat siehe Auswärtiges Amt Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union siehe Rat der Europäischen Union Gerichtshof der Europäischen Union –– Foto-Frost-Rechtsprechung 295 –– GASP  292 ff. –– Les Verts-Urteil  298 –– Meroni-Rechtsprechung  182 ff. –– Nichtigkeitsklage  289, 292 f., 298, 309 –– Sogelma-Urteil  298 f. Gesetz über den Auswärtigen Dienst siehe Auswärtiger Dienst Gesetzgebungsakt  126, 135, 178 f., 297 Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts  161, 180, 182 ff. Gruppe zur Zukunft Europas  167, 245 f., 279, 306, 330 f. Gymnich-Treffen 167 Haager Gipfelkonferenz  108 Hauptabteilung V „Außenhandel“  76, 78 Hohe Behörde siehe Europäische Kommission Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik –– Amtsbezeichnung  139 ff. –– Aufgaben  143 ff. –– Beendigung der Amtszeit  154 ff. –– Doppelhut  149 ff. –– Ernennung  142 f. –– Kontrolle  156 ff. Honorarkonsul siehe Auswärtiges Amt Institutionelles Gleichgewicht siehe Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts Integrationsforschung 336 Integrationstheorien 322 Integrationsverantwortung siehe Bundestag Intelligence Analysis Centre of the European Union siehe Europäischer Auswärtiger Dienst

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Intergouvernementalität  112 ff., 125, 252, 309 Interinstitutionelle Vereinbarung  180 ff., 223, 250 ff. Internationale Beziehungen  31 f. Internationale Organisation –– Außenvertretungsbefugnis  100 f., 103 –– Europarat  101 ff. –– Welthandelsorganisation  99 f. Interorganvereinbarungen siehe interinstitu­ tionelle Vereinbarung Interpillarisation 151 Joint Situation Centre of the European Union siehe Intelligence Analysis Centre of the European Union Judicial self-restraint siehe richterliche Selbstbeschränkung Kabinettsprinzip 86 Kohärenz –– Abgrenzung  194 ff. –– äußere 195 –– Begriff  194 ff. –– horizontale 195 –– innere 195 –– Kontrolle  202 ff. –– Maßnahmenkohärenz  195 f. –– Rat 164 –– vertikale 195 –– Verwirklichung  129, 168, 261 f. Kompetenz-Kompetenz siehe Europäische Union Kompetenzübertragung siehe Europäische Union Konferenz der Vertreter der Mitgliedstaaten  157 Konsulat siehe Auswärtiges Amt Kontinuitätsgebot  204 f. Konvent siehe Verfassungskonvent Krisenreaktionszentrum siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Länderbeobachter  48 f. Legationsrecht 332 Leistungsprinzip siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Lindauer Abkommen  44 ff.

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Personen- und Sachverzeichnis

Lissabon-Urteil siehe Bundesverfassungsgericht Luxemburger Bericht  108 Luxemburger Kompromiss  164 Maastricht-Urteil siehe Bundesverfassungsgericht Management Directorate siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Marktmodell siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Mehrjähriger Finanzrahmen  265, 282 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten  78 Ministerrat siehe Rat der Europäischen Union Mission siehe Botschaft Mobilitätsregelung siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Monnet, Jean  22, 277 Nachrüstungsurteil siehe Bundesverfassungs­ gericht New-World-Order-Modell  117, 300 Nichtigkeitsklage siehe Gerichtshof der Europäischen Union Offene Staatlichkeit  67, 84 Organisationsbüro für die konsularischen und wirtschaftlichen Vertretungen  77 Passarelle-Klausel  112, 147 Petersberger Abkommen  77 Pfadabhängigkeit  173, 183, 322, 331 Policy Unit siehe Strategieplanungs- und Frühwarneinheit Political-Question-Doktrin 58 Politischer Stab siehe Strategieplanungs- und Frühwarneinheit Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung  291 Prinzip der loyalen Zusammenarbeit 181, 205 ff. Public Diplomacy siehe Diplomatie Quadrilog siehe Europäisches Parlament

Rat der Europäischen Union –– Formation „Auswärtige Angelegenheiten“  163 ff. –– Generaldirektion Außenbeziehungen (RE LEX) 21, 186, 268 –– Generaldirektion E 141, 230, 238, 240, 267 –– Generalsekretariat des Rates 22, 121, 141 f., 224, 227, 229 ff., 235, 258, 260, 266 ff., 335 –– Geschäftsordnung  148, 164 ff. –– Triopräsidentschaft  165 f. –– Vorsitz  164 ff., 258 Ressortprinzip 86 Richterliche Selbstbeschränkung siehe Bundesverfassungsgericht Richtlinienkompetenz –– des Bundeskanzlers  55, 86 –– des Kommissionspräsidenten  145 Rompuy, Herman van  159, 161 f., 189 f., 304 Rotation siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Säulenmodell  120, 186 f. Schuman, Robert  205 f., 277 Sogelma-Urteil siehe Gerichtshof der Europäischen Union Solana, Javier  22, 121, 141, 146, 148, 209, 215, 238, 336 Solana-Barroso-Bericht 219 Solidarität  127, 196, 205 ff. Solidarité de fait  206, 277 Sonderbeauftragte siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Souveränität  31, 34, 96, 112, 163, 312 Souveränitätsvorbehalt  33, 112, 210 Spill-over-Effekt 176 Staatsminister im Auswärtigen Amt siehe Auswärtiges Amt Ständige Vertretung siehe Auswärtiges Amt Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften  220, 222, 252, 269 ff., 271 Strategieplanungs- und Frühwarneinheit  238 Subsidiaritätsprinzip  63, 178 f., 203, 231 Supranationalisierung  33, 185, 308 Tool-box siehe Auswärtiges Amt Trialog siehe Europäisches Parlament

Personen- und Sachverzeichnis Triopräsidentschaft siehe Rat der Europäischen Union Troika  139, 158, 165 Verbindungsbüro siehe Auswärtiges Amt Verfassungskonvent  23, 122 ff., 210, 293 Verfassungsverbund siehe Europäische Union Verfassungsvertrag siehe Vertrag über eine Verfassung für Europa Vertrag –– über eine Verfassung für Europa  23 ff. –– von Amsterdam 112 ff., 141, 215, 238, 266 –– von Lissabon  22 ff., 119 ff.

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–– von Maastricht  48, 110, 187, 262 –– von Nizza  21 Verwaltungsverbund siehe Europäische Union Vollsprachenregime siehe Europäischer Auswärtiger Dienst Weisung –– Auswärtiges Amt siehe dort –– Europäischer Auswärtiger Dienst siehe dort Welthandelsorganisation siehe Internationale Organisation Wilhelmstraße siehe Auswärtiges Amt Williamson-Bericht  210, 275