Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers [1 ed.]
 9783428559985, 9783428159987

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 507

Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers

Von

Lisa Staben

Duncker & Humblot · Berlin

LISA STABEN

Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 507

Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers

Von

Lisa Staben

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-15998-7 (Print) ISBN 978-3-428-55998-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Gerichtliche Entscheidungen sowie Literatur sind bis Oktober 2018 umfassend berücksichtigt und wurden vereinzelt noch bis einschließlich Januar 2020 aufgenommen. Mein herzlicher Dank für die Betreuung der Arbeit gilt Professor Dr. Lena Rudkowski. Sie stand mir bei Bedarf stets mit Rat und Tat zur Seite und ließ mir ansonsten bei der Ausarbeitung alle nötigen Freiräume. Professor Dr. Olaf Muthorst danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Die Anfertigung der Arbeit wurde unterstützt durch ein Elsa-Neumann-Promotions­stipendium des Landes Berlin, welches mir ermöglichte, mich zeitweise ausschließlich der Dissertation zu widmen. Der Druck dieser Arbeit wurde dankenswerterweise durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer & Ehemaligen der Freien Universität Berlin e. V. ermöglicht. Bei meiner Familie und meinen Freunden bedanke ich mich sehr für die persönliche Anteilnahme und Begleitung in dieser Zeit. Mein größter Dank gilt meinem Mann Julian Staben für seine immerwährende Motivation und Unterstützung, nicht nur während dieses Projekts. Hamburg, im April 2020

Lisa Staben

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen und der Bedarf einer neuen Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht . . . . I. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herleitung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Materiell-rechtliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechte des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Menschen­ würde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundrechte als Grundsatznormen der gesamten Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alternative Legitimationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Interessenlage im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . a) Sozial-faktische Übermacht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . b) Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, Fürsorgebzw. Treue- und Förderpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematische Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatsächliche Beschäftigung als Ziel eines vertraglichen ­Anspruchs des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestehendes Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwiegen des Beschäftigungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geteilte Rechtsstellung des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organschaftliche Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entbehrlichkeit eines Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung des Anstellungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 20 21 24 24 24 24 28 30 31 32 32 34 34 34 34 35 36 36 37 37 38 39 41 42 45 45 46 47

8 Inhaltsverzeichnis II. Trennungsprinzip und sogenannter „Vorrang der Abberufungsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Aussagen des Trennungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Berührungspunkte von Anstellungs- und Organverhältnis . . . . . 50 3. Vorrang des Organverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Anstellungsverhältnis nicht causa der Bestellung  . . . . . . . . . . . 52 III. Grundzüge des Rechtsschutzes gegen die Abberufung . . . . . . . . . . 55 1. Differenzierung nach Art des Beschlussmangels . . . . . . . . . . . . 55 2. Rechtsschutz mit und ohne förmlich festgestelltes Beschlussergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Anspruch auf Wiederbestellung bei Satzungsrecht? . . . . . . . . . . 59 4. Bestand der Organstellung während eines Rechtsstreits („Schwebezeit“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses . . 64 I. Das „Danosa“-Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Aussagen des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Übertragbarkeit des Urteils auf die Anwendung deutscher Umsetzungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Weitere Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Weites Verständnis der Mutterschutz-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . 71 2. Einbeziehung von Geschäftsführern in den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 III. Weitere Rezeption durch die deutsche Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Anwendung des Mutterschutzgesetzes nur im Rahmen des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Ausweitung auf das Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Abberufungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Schicksal der Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Fortentwicklung in anderen Anwendungsfeldern des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Arbeitsschutzrecht und Elternurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich für Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 bb) Wirkungen im Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 D. Bedürfnis für ein neues Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I. Systematische Bedenken gegen die Ausweitung von Arbeitnehmerschutzgesetzen auf die Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Zuschnitt der Richtlinienvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Infiniter Zirkel von Tatbestand und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis9 3. Rechtsgebietskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Gesellschaftsrechtliche Organisationsbedenken . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Art und Weise der Rechtsdurchsetzung ungeklärt . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Beschäftigungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Abstraktion von europarechtlich determinierten Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Beschäftigungsinteresse als Kern des Rechtskonflikts . . . . . . . . 96 3. Notwendigkeit des Ausgleichs verfassungsmäßig geschützter Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Anlehnung an den arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch . 99 § 3 Grundrechtliche Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 A. Die Beschäftigung des Geschäftsführers als Verwirklichung von Freiheitsgrundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Das Organverhältnis als Beschäftigungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Unterscheidung von materiellem und ideellem Beschäftigungs­ interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 B. Relevanz von Beschäftigung aus soziologischer und psychologischer Perspektive  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Beschäftigung aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive  106 1. Bewertung von Beschäftigung für die eigene Persönlichkeit durch den Einzelnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Bewertung von Beschäftigung durch die Gesellschaft . . . . . . . . 109 III. Fazit: Geltungsanspruch für alle Arten von Beschäftigung . . . . . . . 110 C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Begriff der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . 112 a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht als ein Teilrecht der Entfaltungsdimension des Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . 112 b) Selbstbestimmung der eigenen Identität durch Selbst-Wahl und Selbstreflexivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Konzentration auf Voraussetzungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Innere und äußere Voraussetzungen der konstituierenden Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Beschäftigungsinteresse des GmbH-Geschäftsführers als geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Persönlichkeitsentfaltung durch Beschäftigung als Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Fremdnützigkeit der Organtätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Abgrenzung zum Interesse an der Berufsausübung . . . . . . . 120

10 Inhaltsverzeichnis II. Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Beschäftigungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Gewährleistungsgehalt der Berufsausübungsfreiheit . . . . . . . . . . 122 3. Beschäftigungsinteresse des GmbH-Geschäftsführers als geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Keine verminderte Schutzintensität für sogenannte „mittelbare Verfügungsbefugnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Keine verminderte Schutzintensität wegen mangelnder „personaler Funktion“ des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . 131 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . 132 I. Wirkung der Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Grundrechte als klassische Abwehrrechte gegen staatliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Grundrechte als objektive Werteordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Grundrechte als Gegenstand staatlicher Schutzpflichten . . . . . . 135 II. Die Umsetzung von Grundrechtsschutz mittels der Schutzpflichtendimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Voraussetzungen einer Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Einschlägigkeit eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Bestehen eines Schutzbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Funktionell-rechtliche Zuordnung von Schutzpflichten im Privatrecht und ihre Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Zuständigkeit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Zuständigkeit der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Inhalt einer Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Allenfalls Schutzminimum definierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Ausgleich von Grundrechtskonflikten zwischen Privaten . . 146 c) Entgegenstehende öffentliche Interessen und objektives Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 § 4 Auflösung des Grundrechtskonflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Auflösung des Grundrechtskonflikts im geltenden Recht: Vorrang der Gesellschafterinteressen nach § 38 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Inhaltsverzeichnis11 I. § 38 GmbHG als Ausdruck grundsätzlicher Eigentumsfreiheit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Hinblick auf die Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Voraussetzungen der Aktivierung einer Schutzpflicht grundsätzlich vorliegend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Der Schutzpflicht entgegenstehende Grundrechtspositionen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Der Schutzpflicht entgegenstehende öffentliche Interessen . . . . 154 4. Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 5. Zwischenergebnis: Keine Unterschreitung des Minimalschutzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungs­ motiven  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Relevanz der Motive der Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Schutzpflichtenaktivierung durch Hinzutreten weiterer Grund­ rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Schutz vor Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Persönlichkeitsintendierter, grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Relevanz der Qualifikation der Diskriminierung . . . . . . . . . 160 c) Qualifikation aufgrund des Rechtscharakters der Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Mutterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Inhalt des Schutzauftrags von Art. 6 Abs. 4 GG . . . . . . . . . 164 b) Differenzierung als Anwendungsfall von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Sonstige Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Überwiegen des Beschäftigungsinteresses aufgrund einer Kumulation der Schutzpflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Schutzpflichten-Kumulation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Bedeutung der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Keine Umsetzung der Schutzpflicht im geltenden spezialgesetz­ lichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Unwirksamkeit wegen offenbar unsachlicher Gründe für die Abberufung (§§ 226, 826 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) . . . . . . . . 168 3. Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe beim Abberufungsbeschluss nach geltendem Beschlussmängelrecht . . . . . . . . . . . . 169 a) Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft gem. § 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Verstoß gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften gem. § 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG analog  . . . . . . . . . . 170

12 Inhaltsverzeichnis c) Verstoß gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4 AktG analog) . 171 d) Amtslöschung nach § 398 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 e) Nichtigerklärung durch Anfechtungsurteil gem. § 241 Nr. 5 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 f) Unwirksamkeit bei satzungsmäßig zugesichertem Recht auf Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten durch Zuerkennung eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs . . . . . . . . I. Normanknüpfung in § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Skizzierung des Inhalts eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schuldrechtliche Anknüpfung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang der Anknüpfung an eine Sonderverbindung . . . . . . . . . 2. Geschäftsführer-Anstellungsvertrag als Rechtsgrundlage . . . . . . 3. (Vermeintlich) fehlender Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Entbehrlichkeit ergänzender Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die positive Förderungspflicht im Rahmen des arbeitsrecht­ lichen Beschäftigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entbehrlichkeit der Figur der Förderungspflicht . . . . . . . . . . . . . V. Vorteile einer schuldrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anspruch auf (Wieder-)Bestellung in die Organposition . . . . . . . . . II. Anspruch auf Erstbestellung und Wiederbestellung nach Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegungsergebnis innerhalb geltenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückausnahme: Aktualisierte Interessenabwägung im Einzelfall  . . 1. Entgegenstehende schützenswerte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonders zu berücksichtigende Interessen des Geschäftsführers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anspruchsinhalt bei treuwidriger Umgehung des Beschäftigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Möglichkeiten der Umgehung des Beschäftigungsanspruchs . . . . . II. Umwandlung des Beschäftigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Prozessuale Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . I. Klageart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kein „Weiterbeschäftigungsanspruch“ des Geschäftsführers . . . . . .

176 176 177 178 179 179 180 184 185 185 185 186 188 189 192 192 194 195 196 197 198 198 198 199 200 200 201 203 204

Inhaltsverzeichnis13 § 6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . 206 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Abkürzungen Für verwendete Abkürzungen wird verwiesen auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl., Berlin 2015.

§ 1 Einleitung Im Jahr 1954 stellte der Bundesgerichtshof fest, „das durch die Art. 1 und 2 GG geschützte Recht auf Achtung der Würde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit sei auch ein bürgerl.-rechtl., von jedermann im Privatrechtsverkehr zu achtendes Recht“1. Zur selben Zeit entwickelte das Bundes­ arbeitsgericht den allgemeinen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, welcher damals wie heute im Kern aus dem grundgesetzlich verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet wird.2 Der aus der mangelnden Beschäftigung unter Entgeltfortzahlung folgende Zwang zum Nichtstun sei dem Bild des Arbeitnehmers als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft abträglich.3 Es werde allgemein für „verächtlich“ gehalten, „Lohn in Empfang zu nehmen, der nicht durch entsprechende Leistungen verdient ist“.4 Zugleich werde der Arbeitnehmer gehindert, seine beruflichen Fähigkeiten durch stetige Tätigkeit zu erhalten und fortzubilden – kurz: seine Persönlichkeit zu entfalten.5 Dass jeder Arbeitnehmer gegen seinen Arbeit­ geber grundsätzlich einen schuldrechtlichen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung in der vertraglich vereinbarten Position hat, wird heute nicht mehr bezweifelt. Ein Beschäftigungsanspruch von Organmitgliedern, vor allem des GmbHGeschäftsführers, wird hingegen nicht ernsthaft diskutiert, da im deutschen Recht der Geschäftsführeranstellung das Trennungsprinzip gilt. Demnach sind die Organstellung des Geschäftsführers und sein Anstellungsverhältnis zu trennen und voneinander rechtlich unabhängig.6 Das in der Regel neben der Organstellungstellung noch bestehende Anstellungsverhältnis könne schon keinen Beschäftigungsanspruch beinhalten, da der Geschäftsführer nach geltendem GmbHG jederzeit durch die Gesellschafter aus der Organ1  BGH 25.5.1954, BGHZ 13, 334 (337); so wiedergegeben durch BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269 (271 f.). 2  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221; GS 27.2.1985, BAGE 48, 122; wobei bereits hier darauf hinzuweisen ist, dass die im zitierten Urteil des BGH (Fn. 1) und auch in der Rechtsprechung des BAG noch anklingende sogenannte unmittelbare Drittwirkung inzwischen der Grundrechtsdogmatik der Vergangenheit angehört. 3  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). 4  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). 5  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). 6  BGH 9.2.1978, NJW 1978, 1435; 26.6.1995, NJW 1995, 2850; 10.5.2010, NJW 2010, 2343.

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§ 1 Einleitung

stellung abberufbar sei.7 Der Anstellungsvertrag sei auch ganz grundsätzlich nicht als causa der Bestellung zum Geschäftsführer anzusehen, so dass ein „Anspruch“ auf das Geschäftsführeramt nicht denkbar sei.8 Die Beschäftigung eines Geschäftsführers in der Organstellung, trotz einer vorherigen Abberufungsentscheidung der Gesellschafter, erstmals (implizit) vorgesehen hat der EuGH in seiner Danosa-Entscheidung9. Mit dieser Entscheidung wurde das Kündigungsverbot aus Art. 10 der Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG auf Geschäftsführerinnen, welche unionsrechtlich als Arbeitnehmerinnen anzusehen sind, für anwendbar erklärt. In diesem Zuge postulierte der EuGH, dass die nach nationalen Vorschriften ohne Einschränkungen mögliche Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin, welche Arbeitnehmerin im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs sei, aus der Organstellung gegen das Kündigungsverbot des Art. 10 der Richtlinie verstoße. Im Ergebnis war sie weiter als Geschäftsführerin in der Organstellung zu beschäftigen. Mit dem Danosa-Urteil hat der EuGH einen partiellen Diskriminierungsschutz – nur für schwangere Frauen – anerkannt, welcher sich auf deren tatsächliches Tätigwerden in der Organstellung erstrecken soll. Er hat aber bisher keine grundlegenden Aussagen für einen etwaigen weitergehenden Persönlichkeitsschutz von Organwaltern mit Blick auf das Organverhältnis getroffen. Bislang ist immer noch weitgehend anerkannt, dass ein Geschäftsführer im Grundsatz aus völlig beliebigen Gründen aus seiner Organstellung abberufen werden kann. Dieses Dogma hat der EuGH mit seiner Entscheidung in Frage gestellt und damit eine Diskussion darüber angestoßen, ob die Verletzung höherrangiger individueller Rechte der freien Abberufbarkeit entgegenstehen könnte. Seine Begründung für das „Fortbestehen“ der Organstellung hat jedoch einen Großteil der deutschen Literatur nicht überzeugt und führt im deutschen Recht zu ernst zu nehmenden Verwerfungen.10 Auch die Rechtswissenschaft vermochte bislang nicht, den Ansatz des EuGH in ein sinnvolles übergreifendes Konzept des „Fortbestehens des Organverhältnisses“ zu überführen. In den an die Danosa-Entscheidung anknüpfenden jüngeren Veröffentlichungen wird verstärkt die Meinung vertreten, einzelne unionsrechtlich determinierte Arbeitnehmerschutzrechte seien auf das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers (zumindest so er denn im Einzelfall dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfällt) anwend7  BGH 28.10.2002, NZG 2003, 84; dazu Anm. Goette, DStR 2002, 2182; BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112. 8  BGH 28.10.2002, NZG 2003, 84; 11.10.2010, NZG 2011, 112. 9  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 10  Siehe näher unter § 2 C. III. 1. und § 2 D.



§ 1 Einleitung17

bar.11 Das Organverhältnis findet regelmäßig insoweit Berücksichtigung als eine „Erstreckung“ des Anwendungsbereichs bestimmter Arbeitnehmerschutzgesetze auf die Organstellung untersucht wird.12 Dieser Ansatz wird vor allem von der gesellschaftsrechtlichen Literatur scharf kritisiert und gibt Anlass zu kritischer Prüfung, ob derartige Überlegungen der Dichotomie von Anstellung und Bestellung zwischen Vertrags- und Gesellschaftsrecht wirklich gerecht werden können. Einen gedanklichen Ansatzpunkt für eine Abstraktion von einzelnen Arbeitnehmerschutzgesetzen kann die Konzeption des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs mit der Berücksichtigung einander widerstreitender Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bieten. Bislang ist angenommen worden, dass die Interessen des Geschäftsführers in einer Abberufungssituation gegenüber den Interessen der Gesellschafter beziehungsweise der Gesellschaft regelmäßig zurückzutreten hätten. Mit einem schlichten Verweis auf die Organisationsfreiheit der Gesellschafter wurde das Organverhältnis grundsätzlich außen vor gelassen13 und der Geschäftsführer auf die mate­ rielle Absicherung durch das fortbestehende Dienstverhältnis verwiesen.14 Die ideellen Interessen des Geschäftsführers fanden hingegen kaum Eingang in die Diskussion. Insoweit steht eine ernsthaft betriebene Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Gesellschafterinteressen einerseits und Geschäftsführerinteressen andererseits im Wesentlichen noch aus.15 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als maßgeblicher Begründungsansatz für die Anerkennung eines arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs begründet – über den Vorstoß des EuGH hinausgehend – Anlass zu prüfen, ob ein Beschäftigungsinteresse nicht auch bei Dienstnehmern wie Geschäftsführern berücksichtigt werden muss. Dabei geht es im Grundsatz nicht um rein europarechtliche (Umsetzungs-)Fragen, sondern um eine grundlegendere Problematik, nämlich diejenige der Berücksichtigung individueller Grundrechtspositionen. Der BGH erkennt immerhin neuerdings an, dass etwa die Nichtbestellung zum Geschäftsführer aus diskriminierenden Gründen eine 11  Siehe noch näher unter § 2 C. III. Der in diesem Zuge mittlerweile erschöpfend behandelte unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff und dessen Reichweite brauchen nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit sein. 12  Siehe etwa Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266); Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 33 f.; Schubert, ZIP 2013, 289 (293); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 92 f.; Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 200 ff. 13  So nämlich u. a. Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (343 f.); Giesen, ZfA 2016, 47 (59). 14  Ebenfalls Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (343). 15  Es finden sich jedoch Ansätze hierfür bei Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (355 ff., 359) und Schubert, ZIP 2013, 289 (295 ff.).

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§ 1 Einleitung

eigenständige Persönlichkeitsverletzung enthalten kann. Entstehende immaterielle Schäden könnten einen Schadensersatzanspruch begründen.16 Die grundlegende Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für die Beschäftigungsproblematik bei Geschäftsführern bedarf der Aufarbeitung und Neubewertung. So wie es einst zur „Entdeckung der Arbeitnehmerpersön­ lichkeit“17 kam, soll nun die Entdeckung der „Geschäftsführerpersönlichkeit“ nachfolgen. Da insbesondere gesellschaftsrechtliche Wertungen Berücksichtigung finden sollen, kann es nicht darum gehen, die arbeitsrechtliche Figur des Beschäftigungsanspruchs undifferenziert auf Geschäftsführer zu übertragen. Sie soll lediglich Anlass für eine Untersuchung der einander im Hinblick auf das Organverhältnis entgegenstehenden Interessen und deren möglichen Ausgleich unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Organstellung geben. Das gebietet schon die herausgehobene Position der Geschäftsführer – vor allem aufgrund ihrer weitreichenden Vertretungsmacht (§§ 35, 35a, 37 Abs. 2 GmbHG) – für die GmbH. Dabei sind auch die Wirkungen von Bestellung und Abberufung gegenüber dem allgemeinen Rechtsverkehr zu berücksichtigen. Die vorliegende Arbeit entwickelt Leitlinien und Anforderungen, um den Schutz der Geschäftsführer-Persönlichkeit im Ausgleich mit den Interessen der Gesellschafter zu ermöglichen. Sie ist wie folgt aufgebaut: Um eine Entsprechung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs im Recht der Geschäftsführeranstellung untersuchen zu können, werden zunächst die Grundlagen des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs analysiert (§ 2 A.). Um den Hintergrund der Diskussion im Nachgang der Danosa-Entscheidung und die Grundlage der verbreiteten Ablehnung eines Beschäftigungsanspruchs des GmbH-Geschäftsführers nachzuvollziehen, werden die geltenden gesetzlichen Grundlagen der Geschäftsführer-Anstellung erläutert. Dabei ist insbesondere ein Blick auf das Trennungsprinzip im Hinblick auf das Verhältnis von Anstellungsvertrag und Organverhältnis zu werfen (§ 2 B.). Sodann werden die Aussagen der relevanten EuGH-Rechtsprechung als gedanklicher Ausgangspunkt einer Neukonzeption nachvollzogen (§ 2 C.) und deren Rezeption in Rechtsprechung und Literatur untersucht (§ 2 C. III.). Unter Abstraktion von der konkreten Rechtsentwicklung infolge der EuGHRechtsprechung wird der zugrundeliegende Grundrechtskonflikt zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern der GmbH analysiert (§ 3) und 16  BGH

23.4.2012, BGHZ 193, 110 Rn. 19. charakterisiert von Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 84 Rn. 7. 17  So



§ 1 Einleitung19

insbesondere die Organstellung als persönlichkeitsrelevantes Beschäftigungsverhältnis neu verortet (§ 3 C. I.). Dazu gehört auch ein kurzer Blick auf die Beschäftigungsproblematik aus soziologischer und arbeitspsychologischer Sicht, um die Tatsachengrundlage der zu entwickelnden juristischen Konzeption zu sichern (§ 3 B.). Nach Vorstellung der Möglichkeiten des Umgangs mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht (§ 3 E.) wird geprüft, ob die grundrechtlichen Positionen des Geschäftsführers im geltenden Recht ausreichende Berücksichtigung finden (§ 4 A.). Sodann wird die Situation unbilliger Motivationslagen der Gesellschafter in der Abberufungssituation als bislang rechtlich nicht befriedigend abzubildende Konstellation untersucht (§ 4 B.). Für diese Fälle wird der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers in seiner Funktion als Organwalter diskutiert und ein Lösungsansatz entwickelt (§ 5). Als praktischer Ertrag ergibt sich ein Mechanismus der Abwägung von Interessen, der auf die Belange der Gesellschaft angemessen Rücksicht nimmt. Abschließend wird ein Blick auf die Prozesssituation geworfen und in diesem Zusammenhang noch auf einen etwaigen Beschäftigungsanspruch während des laufenden Prozesses (im Arbeitsrecht als „Weiterbeschäftigungsanspruch“ bezeichnet) eingegangen (§ 5 E. IV.). Auch Fragen der Beweislast finden hier Berücksichtigung (§ 5 E. II.).

§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen und der Bedarf einer neuen Grundkonzeption A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht Im deutschen Arbeitsrecht ist der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers allgemein anerkannt. Zu unterscheiden sind der allgemeine Beschäftigungsanspruch während des laufenden Arbeitsverhältnisses und der Beschäftigungsanspruch während eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer Kündigung, der sogenannte Weiterbeschäftigungsanspruch. Für letzteren existieren gesetzliche Sonderregelungen zu bestimmten Tatbeständen in § 102 Abs. 5 BetrVG und § 79 Abs. 2 BPersVG.1 Inhalt, Entwicklung und Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs werden im Folgenden als Grundlage einer Untersuchung von Entsprechungen für den Geschäftsführer beleuchtet.

I. Anspruchsinhalt Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch ist darauf gerichtet, dem Arbeitnehmer im Rahmen der durch ihn versprochenen Dienste nicht nur seine Bezahlung zu sichern, sondern auch seine tatsächliche Beschäftigung in der ihm vertraglich zugesicherten Position. Begrifflich lässt sich unterscheiden zwischen der Arbeitsleistung, welche der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber schuldet und der Beschäftigung, welche der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber verlangen kann.2 Der Arbeitgeber hat die Pflicht, die angebotene Leistung des Arbeitnehmers auch entgegenzunehmen.3 Die Entgegennahme der Arbeitsleistung umfasst alle Mitwirkungshandlungen4 des Arbeitgebers, die erforderlich sind, 1  Diese finden in dieser Arbeit nur im jeweiligen Kontext Berücksichtigung und sofern dies von Relevanz für den weiteren Fortgang der Untersuchung ist. 2  Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 37 f. 3  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (135 ff.). 4  Lee, Die Beschäftigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (1997), S. 117 ff., unterscheidet innerhalb der Mitwirkungshandlungen zwischen solchen, die für die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung unbedingt erforderlich sind, und



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 21

um die Erfüllung der angebotenen Arbeitsleistung zu ermöglichen: Die sächlichen und personellen Mittel, welche für das vertragsgemäße Tätigwerden des Arbeitnehmers erforderlich sind, sind bereitzustellen. Soweit die vertragsgemäßen Leistungen noch nicht konkretisiert sind, hat der Arbeitgeber auch die notwendigen Weisungen zu erteilen.5 Es besteht demnach für den Arbeitgeber eine Pflicht zum positiven Handeln, um die Beschäftigung zu verwirklichen. Relevanz erlangt der allgemeine Beschäftigungsanspruch nicht nur in Fällen der umfassenden Suspendierung des Arbeitnehmers gegen dessen Willen, sondern auch wenn ihm ein funktionsfähiger Arbeitsplatz vorenthalten wird oder vertragswidrige Weisungen6 erteilt werden.

II. Historische Entwicklung Ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers wurde in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des BGB überwiegend abgelehnt.7 Der Dienstvertrag im BGB war durch den historischen Gesetzgeber an das Modell der Sachmiete angelehnt worden, so dass eine Mitwirkungspflicht des Dienstberechtigten an der Leistung durch den Dienstverpflichteten zunächst fernliegend erschien.8 Nur sofern ein solcher Anspruch im Einzelfall vertraglich zugesichert war oder sich aus der Art der Dienstleistung und dem Vertragszweck ergab – also zumindest ausnahmsweise aus den Umständen des konkreten Falles entnommen werden konnte9 –, wurde er durch das Reichsgericht anerkannt. Damals standen Bühnenengagementverträge im Mittelpunkt der Überlegungen, weil es allgemein als für Bühnenkünstler besonders

solchen, bei denen das nicht der Fall ist. Sie werden entsprechend in echte Pflichten und reine Obliegenheiten des Arbeitgebers unterteilt. 5  BAG 9.4.2014, BAGE 148, 16; Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 37; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 84 Rn. 2. 6  Zu Persönlichkeitsverletzungen durch Zuweisung sinnloser Tätigkeiten: LAG Schleswig-Holstein 30.9.2014, BeckRS 2014, 74310. 7  Siehe zur vorherigen historischen Entwicklung Schniedermann, Das Recht auf tatsächliche Beschäftigung (1960), S. 14–17. 8  Lepsien, Die Suspendierung eines Arbeitnehmers im unstreitigen Arbeitsverhältnis (2001), S. 15 m. w. N. 9  RG 26.10.1910, JW 1911, 39 Nr. 22; 6.2.1923, RGZ 106, 272 (274); deutlich ablehnend hingegen noch das RAG 23.7.1928, JW 1929, 212, welches allenfalls reine Willkür oder einen anderen sittenwidrigen Grund für eine Rechtswidrigkeit des Entziehens der „Gelegenheit zu beruflicher Betätigung“ von Handlungsreisenden gelten lassen wollte.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

wichtig erachtet wurde, ihre Fähigkeiten durch Leistungen vor Publikum zu erhalten.10 Ungefähr ab 1920 wurde die Idee eines allgemeinen Beschäftigungsanspruchs verstärkt diskutiert; in der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie auf der Grundlage der nationalsozialistischen Arbeitsverfassung erstmals anerkannt.11 Hierdurch sollten aber nicht die individuellen Beschäftigungsinteressen der Arbeitnehmer gefördert werden, sondern unter Geltung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) ein Mittel der Arbeits- und Dienstverpflichtung etabliert werden.12 In der Nachkriegszeit entwickelte sich dann unter Geltung des Grundgesetzes in Rechtsprechung und Schrifttum die bis heute anerkannte Lehre vom Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers.13 Treibende Kraft hierfür war das BAG unter seinem damaligen Präsidenten Nipperdey.14 Ab dieser Zeit wurde der Beschäftigungsanspruch im Kern auf grundrechtliche Rechtspositionen des Arbeitnehmers, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde, gestützt. In seiner ersten einschlägigen Entscheidung hierzu im Jahr 195515, sowie in nachfolgenden Entscheidungen16, suchte das BAG einen unmittelbaren verfassungsrecht­ lichen Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis zu begründen. Es modifizierte die überkommene Theorie vom „personenrecht­ lichen Gemeinschaftsverhältnis“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aus welchem verschiedene wechselseitige Treuepflichten hergeleitet wurden, so auch die Pflicht zur vertragsgemäßen Beschäftigung.17 Mit einer Entscheidung zum Weiterbeschäftigungsanspruch vollzog das BAG 1985 dann die 10  Opet, AcP 86 (1896), 155 (161–164) argumentierte als Erster für die Anerkennung eines Beschäftigungsanspruchs für Bühnenkünstler; s. a. Schniedermann, Das Recht auf tatsächliche Beschäftigung (1960), S. 17  ff.; Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 84 Rn. 4. 11  Hueck/Nipperdey/Dietz, Kommentar zum Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit, 1934, § 2 Rn. 18, zitiert nach Fabricius, ZfA 1972, 35 (38 f.). 12  Fabricius, ZfA 1972, 35 (39); Lepsien, Die Suspendierung eines Arbeitnehmers im unstreitigen Arbeitsverhältnis (2001), S. 16. 13  Siehe zu weiteren Einzelheiten den historischen Abriss zur Entwicklung der Beschäftigungsproblematik bei Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 17–33. 14  Siehe etwa dessen Überlegungen in den Kölner Universitätsreden: Grundrechte und Privatrecht (1961), insbes. S. 14 ff.; sowie Fabisch, Die unmittelbare Wirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht (2010), S. 93 ff. 15  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221; s. a. die vorherige instanzgerichtliche Rechtsprechung von ArbG Bremen 24.6.1948, BB 1949, 424; ArbG Offenburg 15.9.1953, ARSt XI Nr. 623; LAG Berlin 10.9.1954, BB 1955, 66. 16  Siehe etwa BAG 19.8.1976, BAGE 28, 168; 26.5.1977, BAGE 29, 195; s. a. Dütz, FS 25 Jahre BAG (1979), 71 (74–80); sowie die Aufarbeitung bei Fabisch, Die unmittelbare Wirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht (2010), S. 157 ff. 17  Näher dazu unter § 2 A. III. 2. b).



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 23

Wende hin zu einem nur noch mittelbaren Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers.18 Diesen gründete es fortan auf eine aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitete Förderpflicht des Arbeitgebers. Es reagierte damit auf die Kritik an seinem Konzept eines unmittelbaren Grundrechtsschutzes zwischen einander nur privatrechtlich verbundenen Arbeitsvertragsparteien. Zugleich dehnte das Gericht gegenüber den ersten Ansätzen des Reichsgerichts den Anspruch auf Beschäftigung auf schlechthin alle Arbeitnehmer aus.19 Zu Beginn seiner Rechtsprechung zum Beschäftigungsanspruch hatte das BAG teilweise noch Aspekte wie ein Erfordernis ständiger Übung in bestimmten Berufen betont, beispielsweise dem des Croupiers.20 Der allgemeine Beschäftigungsanspruch bestehe zugunsten jedes Arbeitnehmers, unabhängig von der vermeintlichen Wertigkeit seiner Tätigkeit oder anderen Differenzierungskriterien, wie etwa einem besonderen Bedürfnis zur Erhaltung bestimmter Fähigkeiten.21 Das BAG hat damit den Beschäftigungsanspruch hin zur Anerkennung eines allgemeinen ideellen Beschäftigungsinte­ resses entwickelt, welches in einer Abwägung nur im Falle überwiegender schutzwerter Interessen des Arbeitgebers zurückzutreten hat. Das Konzept eines Beschäftigungsanspruchs insgesamt ablehnende Stimmen22 hat es immer wieder gegeben; sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Zum Teil ist auch eine Einschränkung des Beschäftigungsanspruchs, differenzierend nach einer besonderen Qualität der jeweiligen Tätigkeit, vorgeschlagen worden. Nur solchen Arbeitnehmern mit einer bestimmten – vermeintlich höherwertigen – Tätigkeit23 oder einem besonders schützenswerten Interesse24 solle ein Beschäftigungsanspruch zustehen. Auch diese Ansätze sind zu Recht durch die Rechtsprechung und herrschende Lehre nicht weiter verfolgt worden. Allenfalls können besondere ideelle oder materielle Interessen – etwa Geltung in der Berufswelt, Ausbildung oder Erhaltung von Fachkenntnissen – im Einzelfall das allgemeine Beschäftigungs­ interesse noch verstärken, so dass es in einer Abwägung gegenüber den Interessen des Arbeitgebers an Gewicht gewinnt.25 Zu einer Entscheidung über 18  BAG

GS 27.2.1985, BAGE 48, 122. FS 25 Jahre BAG (1979), 71 (81). 20  BAG 4.6.1964, BAGE 16, 72 (85). 21  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (141). 22  Weber, BB 1974, 698 (701); Heinze, DB 1985, 111 (116 f.). 23  Lepke, Der Anspruch auf Beschäftigung (1966), S. 147 f.; ders., DB 1971, 478 (482). 24  Kraft, ZfA 1979, 123 (128 f., 132); ähnlich auch Griesam, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1978), S. 36 ff.; ablehnend BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (141). 25  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (142). 19  Dütz,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

die Zu- oder Aberkennung persönlichkeitsrechtlicher Schutzwürdigkeit sind sie hingegen nicht geeignet.26

III. Herleitung und Begründung 1. Materiell-rechtliche Legitimation Der Beschäftigungsanspruch, wie er heute überwiegend hergeleitet und begründet wird, fußt auf dem Grundgedanken, dass die Inhalte eines Arbeitsverhältnisses über eine rein vermögensrechtliche Austauschbeziehung hinaus­ gehen. Oft ist die Rede vom „personalen Gehalt“ des Arbeitsverhältnisses.27 a) Grundrechte des Arbeitnehmers aa) Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Menschenwürde Der Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung wird im Kern auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und – zumindest in der frühen Rechtsprechung – die Würde des einzelnen Arbeitnehmers gestützt. Im Jahr 1955 urteilte das Bundesarbeitsgericht: „Die Achtung und Anerkennung des Arbeitnehmers als Mensch beruht nicht nur auf dem wirtschaftlichen Wert seiner Leistung (die Höhe [sic] des Gehaltes), sondern weitgehend darin, wie er die ihm obliegenden Aufgaben erfüllt. Gerade das gibt ihm im Bereich des Arbeitslebens maßgebend seine Würde als Mensch. Deshalb muß der Arbeitgeber nicht bloß auf Grund seiner Treupflicht, sondern vor allem auch aufgrund der jedermann aus Art. 1 und 2 GG obliegenden Verpflichtung (BGHZ 13, 338; Nipperdey bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Grundrechte II, 15, 37) alles unterlassen, was die Würde des Arbeitnehmers und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit beeinträchtigen kann“28. Werde dem Arbeitnehmer zugemutet, womöglich jahrelang sein Gehalt in Empfang zu nehmen, ohne sich in seinem bisherigen Beruf betätigen zu können, würden diese Grundrechtspositionen beeinträchtigt. Der aus der mangelnden Beschäftigung unter Entgeltfortzahlung folgende Zwang zum Nichtstun sei dem Bild des Arbeitnehmers als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft abträglich. Es werde allgemein für „verächtlich“ gehalten, Lohn in Empfang zu nehmen, der nicht durch entsprechende Leistungen verdient ist. Zugleich werde der Arbeitnehmer gehindert, seine beruflichen Fähigkeiten durch ste26  Dazu

27  Siehe

noch näher sogleich unter § 2 A. III. 1. a). statt vieler Wiese, Der personale Gehalt des Arbeitsverhältnisses, ZfA

1996, 439. 28  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (224 f.).



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 25

tige Tätigkeit zu erhalten und fortzubilden. Schließlich erscheine der betroffene Arbeitnehmer auch nicht mehr als „vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft überhaupt“ und es könne der Eindruck hervorgerufen werden, dass „die bisherigen Leistungen so minderwertig sind, daß der Arbeitgeber lieber Geld aufwendet als die Leistung in Empfang zu nehmen“29. Diese Argumentation ist stetig fortgesetzt worden.30 Auch in seiner letzten maßgeblichen Entscheidung hat der Große Senat des BAG einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung auf Art. 1 und 2 GG gestützt,31 indem er auf die ständige Rechtsprechung verwies und betonte, der Arbeitnehmer habe ein „maßgebliches ideelles Interesse, durch Ausübung der vertragsgemäßen Tätigkeit seine Persönlichkeit zu entfalten sowie sich die Achtung und Wertschätzung der Menschen seines Lebenskreises zu erwerben oder zu erhalten“32. Zugleich ist damals die Konzeption einer unmittelbaren Bindung der Arbeitsvertragsparteien an die Grundrechte aufgegeben worden.33 Die Bedeutung der Grundrechte für das Arbeitsverhältnis ergibt sich aber weiterhin aus der durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten objektiven Werteordnung, welche auch in Privatrechtsverhältnissen Geltung beansprucht.34 Die Lehre von dem so begründeten Beschäftigungsanspruch erkennt den „über den vermögensrechtlichen Austausch hinausgehenden Gehalt des Arbeitsverhältnisses“35 an. Damit wird das Arbeitsverhältnis als ein Verhältnis angesehen, welches sowohl einen vermögensrechtlichen als auch einen personalen Gehalt hat. Denn der auf einen Austausch von Leistungen gerichtete Arbeitsvertrag ist von der Person des einzelnen Arbeitnehmers selbst nicht zu trennen.36 Durch die höchstpersönliche Verpflichtung zur Leistung von auf Dauer angelegten Diensten ist der Arbeitnehmer persönlich in das Arbeitsverhältnis eingebunden. Er verpflichtet sich zu einem Gesamtverhalten, indem er der Tätigkeit in einer Position zustimmt, die in eine von ihm 29  BAG

10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). 26.10.1971, BAGE 23, 484; 19.8.1976, BAGE 28, 168; 26.5.1977, BAGE 29, 195; 2.11.1983, BAGE 44, 201 [zu B. I.]. 31  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122; siehe aus jüngerer Zeit auch BAG 24.6.2015, BAGE 152, 65. 32  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (154). 33  Oetker, RdA 2004, 8 (11). 34  Grundlegend BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205 f.); sowie die Fortentwicklungen z.  B. in BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (254  ff.); 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (229 ff.); s. a. bereits BAG 3.12.1954, BAGE 1, 185 (192 f.). 35  Wiese, ZfA 1996, 439 (455). 36  Wiese, ZfA 1996, 439 (440, 456). 30  BAG

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

nicht beeinflussbare Arbeitsorganisation eingebunden ist.37 In diesem Rahmen schuldet er sein Zusammenwirken (meist) mit anderen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber selbst, um die berechtigten Interessen des Arbeitgebers wahrzunehmen.38 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Achtung der Arbeitnehmer-Persönlichkeit stellt sich als „Korrelat“ zu dessen Treue-Verpflichtungen dar.39 Die materielle Legitimation eines Beschäftigungsanspruchs durch das Persönlichkeitsrecht ist verschiedentlich angegriffen worden, unter anderem mit dem Vorwurf der Beliebigkeit. So sei es nicht erklärbar, warum ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer die Entfaltung von dessen Persönlichkeit – wenn er schon dazu verpflichtet sei – ausgerechnet im Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung ermöglichen solle. Ein Zusammenhang zwischen der geschuldeten Leistung – im Gegensatz zu einer beliebigen anderen Tätigkeit, welche der Persönlichkeit unter Umständen sogar eher entspreche – und der Persönlichkeitsentfaltung sei grundsätzlich nicht ersichtlich.40 Das Gegenteil ist der Fall: Es besteht sogar ein sehr enger Zusammenhang, denn es handelt sich bei der vertraglich geschuldeten Tätigkeit um diejenige, die sich der Arbeitnehmer mit der Wahl seines Arbeitsplatzes bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgesucht hat. Den Arbeitsvertrag hat er in der Regel in dem Bewusstsein und der Erwartung abgeschlossen, mit genau dieser Tätigkeit seine Fähigkeiten einbringen, fortbilden und erhalten zu können. Dass er hingegen keinen allgemeinen, von einem konkreten Arbeitsplatz gelösten, Anspruch auf Förderung seiner Persönlichkeit gegen den Arbeitgeber haben kann, ist ebenso deutlich. Das würde dem ebenfalls in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Privatautonomie widersprechen, in dem der Beschäftigungsanspruch durchaus eine Grenze findet. Der Arbeitgeber wird sich regelmäßig nur zur Bereitstellung eines bestimmten einzelnen Arbeitsplatzes verpflichten. Nur hinsichtlich dieses Arbeitsplatzes – im Rahmen der vertraglich eingegangenen Bindung41 – lässt sich ein Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung herleiten. Selbstverständlich unbenommen bleibt es Arbeitgeber und Arbeitnehmer, jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen den Inhalt der Beschäftigung neu zu bestimmen, so dass die Persönlichkeitsentfaltung in einem anderen Bereich möglich bleibt.

37  Wiese,

ZfA 1996, 439 (461 f.). ZfA 1996, 439 (461 ff.). 39  Wiese, ZfA 1996, 439 (461). 40  Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 73. 41  Siehe dazu auch Wiese, ZfA 1996, 439 (459 ff.). 38  Wiese,



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 27

Einer „Verabsolutierung der personalen Komponente“ im Arbeitsverhältnis42 – mit der Gefahr beliebiger, nicht anders begründbarer Billigkeitsentscheidungen43 – ist hingegen zu Recht entgegenzutreten. Diese Gefahr besteht allerdings beim Persönlichkeitsschutz im Wege des Beschäftigungsanspruchs aufgrund der vertragsrechtlichen Anknüpfung gerade nicht. Auch eine Argumentation mit dem Szenario objektiv verbesserter Beschäftigungsbedingungen aufgrund einseitiger Weisung des Arbeitgebers vermag die Herleitung des Beschäftigungsanspruchs aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht in Zweifel zu ziehen. Bei einer qualitativen Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch eine arbeitgeberseitige Weisung, so das Argument, stehe von vornherein keine Persönlichkeitsverletzung im Raum.44 Da die Bedingungen für den Arbeitnehmer objektiv verbessert seien, könne es nicht um Persönlichkeitsschutz durch einen Beschäftigungsanspruch, sondern nur um Inhalts- und Bestandsschutz gehen. Damit werden aber die Dimensionen des Persönlichkeitsschutzes im Arbeitsverhältnis grundsätzlich verkannt, indem anhand vermeintlich objektiver Maßstäbe eine Abstufung von Tätigkeitsinhalten mit Blick auf ihre Persönlichkeitsrelevanz vorgenommen wird. Was der einzelne Arbeitnehmer als für seine Persönlichkeitsentfaltung entscheidend ansieht, kann aber nur subjektiv bestimmt werden. Denn beim Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht es um die autonome Bestimmung der eigenen Lebensgestaltung in der eigenen geerbten und gewachsenen Identität jeder einzelnen Person und ihrer hieraus abzuleitenden Individualität.45 Es wird in Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit auch als das „innere“ Teilrecht zur Entfaltung der Persönlichkeit beschrieben.46 Eine Person, welche etwa vertragsmäßig Reinigungsarbeiten vornimmt,47 kann mit einer Zuweisung von Bürotätigkeiten möglicherweise nicht viel anfangen, weil sie eine besondere persönliche Erfüllung gerade in der Ausführung von Reinigungsarbeiten findet. Jemand, der gerne handwerkliche Tätigkeiten ausführt, etwa weil er oder sie gerne körperlich aktiv ist, wird die Zuweisung von Bürotätigkeiten trotz der oft damit verbundenen Annehmlichkeiten, vermutlich nicht als positiv empfin42  Dagegen auch BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242, welches die berufliche Tätigkeit als nicht nur der personalen Entfaltung dienend, sondern vor allem die Möglichkeit gewährleistend, sich eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen, bezeichnet. 43  Wiese, ZfA 1996, 439 (472). 44  Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 66 f. 45  Badura, Staatsrecht (2. Aufl. 1996), C 34; Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2007), S. 7 f.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 147. 46  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2007), S. 3, 9. 47  Bei Pallasch bemühtes Beispiel: Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 66.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

den. Bewertungen durch nur vermeintlich objektive Dritte verbieten sich hier von vornherein. Im Übrigen kann der einzelne Arbeitnehmer für den Fall, dass er mit einer anderen Art der Beschäftigung einverstanden ist, schlicht darauf verzichten, seinen Beschäftigungsanspruch geltend zu machen. Dass ein solcher ihm grundsätzlich zusteht, wird dadurch aber nicht in Frage gestellt. bb) Grundrechte als Grundsatznormen der gesamten Rechtsordnung Wie gesehen,48 hat das BAG frühzeitig Rechtspositionen des Arbeitnehmers unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitet und eilte damit der Grundrechtsdogmatik weit voraus.49 Dabei ergab sich die Vorreiterrolle des BAG in Sachen Rechtsfortbildung allerdings nicht nur aus dem gemeinhin angenommenen Machtgefälle zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, welches es auszugleichen galt, sondern schlicht auch aus fehlendem, lückenhaftem oder veraltetem Gesetzesrecht.50 Begründet auf einem Verständnis der Grundrechte als „Ordnungsgrundsätze für das soziale Leben“51 oder auch „Ordnungssätze oder Grundsatznormen für die gesamte Rechtsordnung“52, welche derartige Lücken ausfüllen müssten, entwickelte es die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Denn die Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte habe zur Folge, dass die Grundrechtsnormen zugleich die normative Grundstruktur des Staates und der Gesellschaft festlegen. Sie seien daher auch Grundsatznormen für deren Ordnung53. Diese Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung konnte durch das BAG indes nicht aufrecht erhalten werden, weil der Arbeitgeber ebenfalls Grundrechtsträger ist und damit nicht zugleich direkter Normadressat von Grundrechten sein kann.54 Die Grundrechte richten sich nach Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich nur an Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtspre48  Siehe

soeben unter aa). FS Walter Schwarz (1991), 781 (783); Badura, FS Molitor (1988), 1

49  Richardi,

(2).

50  Richardi, FS Walter Schwarz (1991), 781 (786); Söllner, FS Kissel (1994), 1121 (1125, 1133). 51  BAG 3.12.1954, BAGE 1, 185. 52  Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht (1961), S. 14. 53  BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205); Richardi, FS Walter Schwarz (1991), 781 (784) unter Verweis auf Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 473 ff. 54  BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (204 f.); die eindeutige Aufgabe der unmittelbaren Drittwirkung durch das BAG erfolgte hingegen erst mit den Entscheidungen BAG 20.12.1984, BAGE 47, 363 und BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122; siehe zum Ganzen: Fabisch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht (2010), S.  240 ff.



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 29

chung.55 Das Bundesverfassungsgericht etablierte aber die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privaten unter der Direktive, das Grundgesetz habe in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung errichtet, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen56. Bürgerlich-rechtliche Vorschriften dürfen nicht in Widerspruch zu der durch das Grundgesetz etablierten Werteordnung treten. Einzelne Normen, insbesondere die sogenannten Generalklauseln, müssen vielmehr in ihrem Geiste ausgelegt werden.57 Diese Begrenzung der Grundrechtsgeltung durch das Bundesverfassungsgericht auf eine Ausstrahlungswirkung ändert indes nichts an der Feststellung, dass die Grundrechtsnormen nicht nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts, sondern umgekehrt die durch einfaches Gesetzesrecht festgelegten Verhaltensnormen des Zivilrechts nach Maßgabe der im Grundrechtsabschnitt festgelegten Grundsatznormen gelten. Der Streit um die nur mittelbare oder auch unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte, meinen einige, „entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein Sekundär-, wenn nicht gar Rand­ problem“58. Soweit die Grundrechte Elemente objektiver Ordnung enthielten, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung alle Bereiche des Rechts beherrschten, könne ihre Geltung nicht von einer ihr entsprechenden Gestaltung der Privatrechtsordnung durch den einfachen Gesetzgeber abhängen.59 Insgesamt sind damit die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis vor dem Hintergrund der Wertordnung des Grundgesetzes zu sehen. Der Inhalt des Arbeitsvertrags ist nicht als abschließend einzustufen, daher steht der Arbeitsvertrag wie jedes Schuldverhältnis zwingend unter dem Gebot von Treu und Glauben, das sich wiederum an der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes zu orientieren hat.60 Die Herleitung des Beschäftigungsanspruchs als Einwirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde auf das Arbeitsverhältnis ist daher überzeugend.

55  Richardi, FS Walter Schwarz (1991), 781 (785); Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245 (248). 56  BVerfG 23.4.1986, BVerfGE 73, 261 (269); 7.2.1990, BVerfGE 81, 242; 19.10.1993, BVerfGE 89, 214. 57  Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245 (250). 58  Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 (10). 59  Richardi, FS Schwarz (1991), 781 (786). 60  Kreßel, JZ 1988, 1102 (1103).

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b) Alternative Legitimationsansätze Statt den Beschäftigungsanspruch auf die Grundrechte zu stützen, ist vorgeschlagen worden, diesen aus dem Sozialstaatsprinzip61, aus dem Wesen des Arbeitsvertrags als Austauschverhältnis62 oder aus dem Kündigungsschutzrecht63 herzuleiten. Alle diese Ansätze können jedoch letztlich nicht überzeugen. Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ist eine Staatszielbestimmung und enthält ein Gebot an den Gesetzgeber, die Rechtsordnung sozial auszugestalten. Es enthält aber keine Handlungsansprüche, sofern diese nicht einfach-gesetzlich konkretisiert sind.64 Den Arbeitsvertrag selbst als materielle Grundlage einer Beschäftigungspflicht einzuordnen, ist systematisch besehen kaum haltbar. Eine Abnahmepflicht des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitsleistung ist im Dienstvertragsrecht des BGB gerade nicht geregelt. Zu den Abnahmepflichten im Kauf- und Werkrecht gezogene Parallelen65 können schon aufgrund der fundamentalen Verschiedenheit der Leistungsgegenstände und entsprechend der Vertragstypen nicht überzeugen.66 Den Beschäftigungsanspruch ausschließlich mit einer Absicherung des Kündigungsschutzes legitimieren zu wollen,67 ist unschlüssig und im Ergebnis nicht allein tragfähig. Die Argumentation, der Arbeitgeber schaffe mit einer dauerhaften Nichtbeschäftigung die Voraussetzung einer sozial gerechtfertigten Kündigung und der suspendierte Arbeitnehmer könne praktisch selbst zur Kündigung gezwungen sein, führt argumentativ stets zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zurück. Die Beschäftigungsinteressen, für die ein Arbeitnehmer selbst zur Kündigung bereit sein könnte, um in einem neuen Beschäftigungsverhältnis tätig werden zu können, sind 61  Fabricius,

ZfA 1972, 35 (45 f.). Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis (1966), S. 62, der damit zugleich, wie andere Ansätze auch, eine – nicht näher operationalisierte – Abstufung nach dem „Interesse“ des Arbeitnehmers an der Abnahme seiner Leistung verbindet. In Fällen des Interesses an der Abnahme bestehe eine Schuldnerpflicht, die Leistung abzunehmen. 63  Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S.  74  ff.; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, § 611 Rn. 1697. 64  BVerfG 19.12.1951, BVerfGE 1, 97 (105); 18.7.1972, BVerfGE 33, 303 (333); Lepsien, Die Suspendierung des Arbeitnehmers im unstreitigen Arbeitsverhältnis (2001), S. 24. 65  Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis (1966), S. 62. 66  Ähnlich auch Lepsien, Die Suspendierung des Arbeitnehmers im unstreitigen Arbeitsverhältnis (2001), S. 24. 67  So Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 74 ff.; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, § 611 Rn. 1697. 62  Wiedemann,



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 31

identisch mit den zur Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs herangezogenen.68 Insgesamt überzeugt nach wie vor die Begründung der Rechtsprechung mit einer mittelbaren Wirkung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Würde des Arbeitnehmers, kraft deren er einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung hat.69 Die allgemeine normative Funktion der Grundrechte für die Arbeitsrechtsordnung ist durch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannt.70 Sie gebietet die Einwirkung zumindest über die Generalklauseln und sonstige auslegungsfähige und -bedürftige Begriffe. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Tatsache, dass es sich beim arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch nicht um einen singulären Bereich von Grundrechtswirkungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber handelt, sondern das Arbeitsrecht vielmehr insgesamt davon durchwoben ist. So wird das Konzept der mittelbaren Grundrechtswirkungen im Arbeitsverhältnis beispielsweise auch für den Gleichheitssatz, die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und die Meinungsfreiheit angewandt und weithin anerkannt.71 Auch innerhalb des Persönlichkeitsschutzes ist die Ableitung eines allgemeinen Beschäftigungsanspruchs nur eine Facette der Wirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem daraus abgeleiteten Achtungsanspruch des Arbeitnehmers.72 2. Besondere Interessenlage im Arbeitsverhältnis Zur Begründung von Grundrechtswirkungen zwischen Privaten, wie denjenigen im Rahmen des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs, sind regelmäßig auch besondere Interessenlagen beziehungsweise Strukturmerkmale des Arbeitsverhältnisses argumentativ ergänzend angeführt worden. So nahm die Argumentation zur Entwicklung der Drittwirkung von Grundrechten im Ar68  Ebenso Lepsien, Die Suspendierung des Arbeitnehmers im unstreitigen Arbeitsverhältnis (2001), S. 32. 69  Wenngleich m.  E. die Einordnung der Grundrechtswirkungen in die Schutzpflichtenlehre anstelle der sogenannten mittelbaren Drittwirkung noch überzeugender ist, was aber an dieser Stelle dahinstehen kann. Siehe dazu noch unten § 3 E. I. 3. 70  Siehe etwa BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290; BVerfG 13.1.1982, BVerfGE 59, 231; 16.11.1982, BVerfGE 62, 256; 30.5.1990, BVerfGE 82, 126; 8.7.1997, AP Nr. 39 zu Art. 2 GG. 71  Siehe z. B. den Überblick bei Oetker, RdA 2004, 8. 72  Siehe Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsverhältnis (1989), S. 46 ff.; Oetker, RdA 2004, 8 (15 ff.) zeigt etwa die Wirkungen für Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten, Schutz vor sexueller Belästigung, Kontrolle und Überwachung des Arbeitnehmers sowie die freie Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes des Arbeitnehmers exemplarisch auf.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

beitsrecht ihren Ausgangspunkt vor allem im Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.73 In der Entwicklung des Beschäftigungsanspruchs durch das BAG war hingegen zu Beginn häufig von einem personenrecht­ lichen Gemeinschaftsverhältnis die Rede, welches dem Arbeitsverhältnis immanent sei und eine grundrechtliche Pflichtenbindung mit sich bringe. a) Sozial-faktische Übermacht des Arbeitgebers Schon in den parlamentarischen Beratungen der Weimarer Reichsverfassung wurde von einigen Stimmen zu Gunsten einer Bindung der sogenannten „sozialen Gewalten“ an die Grundrechte plädiert. Das stieß damals in der Arbeitsrechtswissenschaft auf Zustimmung.74 Unter Geltung des Grundgesetzes wurde diese Argumentationslinie zunächst fortgeführt, indem die Unterordnung des Arbeitnehmers unter die Gewalt des Arbeitgebers oder anderer „sozialer Mächte“75 mit der „Unterworfenheit“ des Einzelnen unter die staatlichen Gewalten verglichen wurde76. Aus diesem Grunde könne ein paralleles Schutzbedürfnis des Einzelnen angenommen werden, welches zur analogen Anwendung der Grundrechte im Arbeitsverhältnis führen müsse.77 b) Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, Fürsorge- bzw. Treue- und Förderpflicht Ein anderer Ansatz wurde hingegen mit dem sogenannten „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis“ verfolgt, welches entweder auf die gemeinschaftsbegründende Kraft des Arbeitsvertrages oder auf die Eingliederung durch für das Arbeitsverhältnis typische soziale Gegebenheiten gegründet wurde.78 Allerdings erfolgte das erst nach einer Korrektur des Begriffs des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses durch das BAG im Zuge seiner Rechtsprechungsentwicklung. Durch das BAG ist der Begriff von seinem „Untertanencharakter“ befreit worden.79 Fortan wurde mit diesem Ansatz stärker die Gleichgerichtetheit der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer betont. Die Grundrechtswirkungen wurden nicht mehr allein 73  Gamillscheg,

Die Grundrechte im Arbeitsrecht (1989), S. 28 ff. RdA 2004, 8 (10) m. w. N. 75  Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht (1961), S. 6 f., 8 f., 17. 76  Siehe dazu die Darstellung bei Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, § 76 IV 8 (S. 1586 ff.) m. w. N. 77  Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht (1989), S. 28 ff m. w. N. 78  Siehe zu den Einzelheiten die Darstellung bei Schniedermann, Das Recht auf tatsächliche Beschäftigung (1960), S. 29 ff. 79  Ramm, JZ 1991, 1 (2 f.). 74  Oetker,



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 33

als notwendig kompensatorisch gegenüber der Überlegenheit des Arbeitgebers angesehen. Vielmehr betreffe das Arbeitsverhältnis nicht wie andere Schuldverhältnisse lediglich einzelne Leistungen, sondern es sei „für seinen Geltungsbereich die ganze Person des Arbeitnehmers erfaßt, deshalb wesentlich sein Leben gestaltet und seine Persönlichkeit bestimmt“80.81 Die Lehre vom personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis als solchem ist zwischenzeitlich weitgehend aufgegeben und letztlich durch die in § 242 BGB verankerten Fürsorgepflichten des Arbeitgebers ersetzt worden, kraft derer er auch zur positiven Förderung der Arbeitnehmerpersönlichkeit verpflichtet sei.82 Die Fürsorgepflichten haben mit der Schuldrechtsmodernisierung schließlich eine explizite gesetzliche Ausgestaltung in § 241 Abs. 2 BGB erfahren.83 In jüngeren Entscheidungen werden auch die Fürsorgepflichten und die positive Förderungspflicht im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsanspruch nicht mehr erwähnt, sondern allein auf den Arbeitsvertrag und das Gebot von Treu und Glauben als Rechtsgrundlage abgestellt, wobei § 242 BGB durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG ausgefüllt werde.84 Das ist konsequent, weil die argumentative Zwischenschaltung einer Förderungspflicht bei der Anwendung von § 242 BGB ohnehin unnötig ist. Die Beschäftigungspflicht als positive Pflicht des Arbeitgebers ergibt sich bereits aus dem Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts selbst, welches kraft Treu und Glauben im Vertragsverhältnis zu berücksichtigen ist. Eine § 242 BGB noch ergänzende, spezifisch arbeitsrechtliche Begründung wie die Förderungspflicht stellt lediglich eine Wiederholung der Argumente für die Notwendigkeit der Beachtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vertragsverhältnis dar.85

80  BAG

10.11.1955, BAGE 2, 221 (224). FS Molitor (1988), 1 (4). 82  Reichold, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 84 Rn. 7  f.; Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rn. 981 ff. 83  BAG 15.11.2005, NZA 2006, 502; dennoch wird aber weiterhin regelmäßig allein auf § 242 BGB Bezug genommen: Siehe nur Preis, in: Erfurter Kommentar, BGB § 611a Rn. 563. 84  Siehe etwa BAG 24.6.2015, BAGE 152, 65 (72). 85  Näher dazu noch unter § 5 A. IV. 2. 81  Badura,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

IV. Systematische Einordnung 1. Tatsächliche Beschäftigung als Ziel eines vertraglichen Anspruchs des Arbeitnehmers Der allgemeine Beschäftigungsanspruch ist vertraglicher Natur. Ob es sich bei der Pflicht zur tatsächlichen Beschäftigung um eine vertragliche Hauptpflicht86 oder um eine Nebenpflicht87 des Arbeitgebers handelt, ist nach wie vor umstritten, für die vorliegende Untersuchung aber nicht von Bedeutung. Nachdem die anfangs angenommene unmittelbare Wirkung der Grundrechte, gegründet auf der Konstruktion des „personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses“, durch das BAG und Teile der Literatur aufgegeben wurde, ist der Beschäftigungsanspruch heute normativ in den §§ 611, 613 i. V. m. 242 BGB verankert. Er kann als „rechtsfortbildende Konkretisierung der (Haupt-)Pflichten des Arbeitsgebers“88 bezeichnet werden. Die Anspruchsgrundlage für den Beschäftigungsanspruch sind dementsprechend heute nicht mehr das grundrechtlich verbürgte allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Menschenwürde selbst, sondern der Arbeitsvertrag und die damit einhergehende Verpflichtung der Parteien auf Treu und Glauben. Auch der Topos des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses wird zu Recht nicht mehr bemüht. Vielmehr geht es schlicht um Vertragstreue.89 Die Treuepflichten werden für das Arbeitsverhältnis auf Arbeitgeberseite näher beschrieben als Fürsorgepflichten. Grundsätzlich beinhalten sie vor allem Unterlassenspflichten dahingehend, von der Beeinträchtigung von Rechtsgütern des Arbeitnehmers abzusehen. Für den allgemeinen Beschäftigungsanspruch wird die Fürsorgepflicht zu einer positiven Förderungspflicht ausgeformt. 2. Anspruchsvoraussetzungen a) Bestehendes Arbeitsverhältnis Beschäftigung kann nur in einem bestehenden Arbeitsverhältnis verlangt werden.90 Daran fehlt es, wenn ein Arbeitsverhältnis noch nicht wirksam 86  Preis,

in: Erfurter Kommentar, BGB § 611a Rn. 564. in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, § 84 Rn. 1. 88  Preis, in: Erfurter Kommentar, BGB § 611a Rn. 564. 89  Wiese, ZfA 1996, 439 (460). 90  Hoehn, Beschäftigungsanspruch und Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis (1989), S. 32. 87  Reichold,



A. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch im deutschen Recht 35

begründet worden ist91 oder der Bestand eines Arbeitsverhältnisses streitig und das Bestreiten des Arbeitgebers zugleich nicht offensichtlich unbegründet ist92. Der Beschäftigungsanspruch steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich zu, solange das Arbeitsverhältnis unangefochten besteht93 und damit auch während des Laufs der Kündigungsfrist nach Ausspruch einer Kündigung94. Danach kann ein Weiterbeschäftigungsanspruch bestehen, sofern der Arbeitnehmer schutzwürdig ist. b) Überwiegen des Beschäftigungsinteresses Die Gründung des Beschäftigungsanspruchs auf § 242 BGB, der jede der Vertragsparteien auf die Rücksichtnahme der berechtigten Interessen des anderen Teils verpflichtet,95 bringt eine rational überprüfbare doppelte Beschränkung mit sich. Zum einen besteht der Anspruch nur in Bezug auf ein bestimmtes Schuldverhältnis, zum anderen ist er auf die berechtigten Interessen beschränkt. Das bedeutet, divergierende Interessen der Vertragsparteien sind offenzulegen und gegeneinander abzuwägen.96 Nur wenn kein subjektives Interesse des Arbeitnehmers an tatsächlicher Beschäftigung besteht, kann eine Interessenabwägung von vornherein entbehrlich sein. Während des Laufs der Kündigungsfrist etwa bestehen oftmals keine nennenswerten Beschäftigungsinteressen der Arbeitnehmer, weil sie sich dann leichter auf den Wechsel ihres Arbeitsplatzes vorbereiten können. Wünscht ein Arbeitnehmer dennoch, bis zum Ablauf des Beschäftigungsverhältnisses weiter zu arbeiten, müssen die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden.97 Der Beschäftigungsanspruch hat dort zurückzutreten, wo „überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegen stehen“98. Solche Interessen können beispielsweise der Wegfall der Vertrauensgrundlage, Auftragsmangel oder das baldige Abwandern des Arbeitnehmers zur Konkurrenz sein.99 Auch der begründete Verdacht des Verrats von Betriebsgeheimnissen, strafbarer Handlungen oder schädigenden Verhaltens, die Ungewissheit des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses im Betrieb und eine unzumutbare wirt91  BAG

28.9.1983, BAGE 43, 325. Hamburg 30.9.1994, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 39; Koch, in: APS/Kündigungsrecht, BetrVG § 102 Rn. 231. 93  BAG 26.5.1977, BAGE 29, 195; 21.9.1993, NZA 1994, 267. 94  BAG 19.8.1976, BAGE 28, 168 (173). 95  Grüneberg, in: Palandt, § 242 Rn. 6. 96  Wiese, ZfA 1996, 439 (459 f.). 97  BAG 19.8.1976, BAGE 28, 168 (173). 98  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (141 f.); 9.4.2014, BAGE 148, 16. 99  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (141 f.). 92  LAG

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

schaftliche Belastung durch die Weiterbeschäftigung sollen valide Gründe für ein Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung sein.100 Das Interesse des Arbeitgebers müsse aber nicht das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB erreichen. Denn eine Suspendierung belaste den Arbeitnehmer weit weniger als eine außerordentliche Kündigung, da er immerhin noch weiter sein Arbeitsentgelt erhalte.101 3. Durchsetzung Als dispositiver Anspruch hängt der Beschäftigungsanspruch prinzipiell davon ab, ob der Arbeitnehmer die Beschäftigung verlangt.102 Der Anspruch wird im Wege der Klage oder der einstweiligen Verfügung auf tatsächliche Beschäftigung gegen den Arbeitgeber durchgesetzt. Unabhängig davon, ob man den Anspruch als auf die Erfüllung einer Haupt- oder Nebenleistungspflicht des Arbeitgebers gerichtet ansieht, ist er jedenfalls selbständig einklagbar. Die Vollstreckung des Beschäftigungsanspruchs richtet sich nach § 888 Abs. 1 ZPO; sie erfolgt entsprechend durch die Androhung von Zwangsgeld oder Zwangshaft.103

V. Zwischenergebnis Der Arbeitnehmer hat ein Interesse an tatsächlicher Beschäftigung nicht allein, um gemäß dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ das Entgelt als Gegenleistung für die persönlich erbrachte Tätigkeit verlangen zu können. Mit der Anerkennung des Beschäftigungsanspruchs im Arbeitsrecht ist die Unterscheidung zwischen ideellem und materiellem Beschäftigungsinteresse und zugleich die eigenständige Bedeutung eines ideellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers anerkannt worden. Das materielle Beschäftigungsinteresse ist darauf gerichtet, durch die Erbringung von persönlichen Leis­ tungen im Gegenzug ein Entgelt zu erlangen. Es wird durch § 615 BGB in bestimmtem Umfang abgesichert. Für den Fall des Annahmeverzugs des Arbeitgebers wird der Vergütungsanspruch aufrecht erhalten, weshalb regelmäßig kein Interesse an der Fortführung der Beschäftigung aus rein mate­ 100  Hoehn, Beschäftigungsanspruch und Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers im gekündigten Arbeitsverhältnis (1989), S. 5 f. 101  Bauer/Baeck, NZA 1989, 784 (786). 102  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (141); sofern durch eine Nicht-Beschäftigung eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung eintritt, kann der Arbeitnehmer auch für die Vergangenheit einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG geltend machen: LAG Rheinland-Pfalz 5.6.2014, BeckRS 2014, 73110; LAG Baden-Württemberg 17.6.2011, BeckRS 2011, 77577. 103  LAG Berlin 19.1.1978, EzA Nr. 1 zu § 888 ZPO.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers37

riellen Gründen besteht, da das bloße Angebot der Arbeitsleistung bereits genügt. Die Bedeutung der Entfaltung im beruflichen Bereich für die Persönlichkeit jedes Einzelnen wird durch den allgemeinen Beschäftigungsanspruch anerkannt und damit zugleich ein über das Erwerbsinteresse hinaus gehendes ideelles Interesse an tatsächlicher Beschäftigung.104 Dem ideellen Interesse kann dabei nicht nach der Einordnung des Inhalts der Beschäftigung als höher- oder minderwertig ein unterschiedliches Gewicht beigemessen werden. Dieses ergibt sich allein aus dem individuellen Bedürfnis des Arbeitnehmers nach Beschäftigung.

B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers Ein Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers ist bislang nicht anerkannt. Das wird vor allem auf dessen in Anstellungsverhältnis und Organverhältnis aufgeteilte Rechtsposition zurückgeführt, welche durch die Rechtswirkungen der gesellschaftsrechtlichen Organposition dominiert werde.105 Diese lasse einen Beschäftigungsanspruch grundsätzlich nicht zu.106 Die Wirkungen dieser geteilten Rechtsstellung des Geschäftsführers sollen im Folgenden als Grundlegung der weiteren Untersuchung zunächst erläutert werden.

I. Geteilte Rechtsstellung des Geschäftsführers Die Rechtsstellung des Geschäftsführers ist im GmbHG nur rudimentär geregelt. § 6 GmbHG statuiert, dass die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer haben muss. Aus § 38 Abs. 1 GmbHG ergibt sich, dass diese ihre Stellung in der GmbH durch einen Akt der „Bestellung“ erlangen und § 46 Nr. 5 GmbHG sieht vor, dass für diesen Bestellungsakt die Gesellschafterversammlung zuständig ist. 104  Die Unterscheidung wird besonders deutlich in BAG 24.6.2015, BAGE 152, 65 (72). 105  BGH 29.5.1989, NJW 1989, 2683 für die AG; 10.5.2010, NZG 2010, 827; G. Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (33 f.); Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (400); Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 14, 130; Martens, FS Hilger/Stumpf (1983), 437 (442); ders., FS Werner (1984), 495 (506 f.); Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (215 f.); Goette, FS Wiedemann (2002), 873 (885 f.); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (335). 106  BGH 28.10.2002, NZG 2003, 84; dazu Anm. Goette, DStR 2002, 2182; BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112; Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 (5); Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1421 f.); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. zu § 6 Rn. 28; Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 306; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 35.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Nach ganz überwiegender Meinung ist die Rechtsstellung des Geschäftsführers der GmbH in der Regel geteilt in das Organverhältnis einerseits und ein Anstellungsverhältnis andererseits.107 Ersteres ist die für die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nach außen notwendige gesellschaftsrechtliche Stellung als Organ. Letzteres beschreibt das durch sonstige Abreden ausgestaltete schuldrechtliche Sonderverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer. Angelegt ist diese Unterscheidung von zwei Rechtsverhältnissen zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer im Wortlaut von § 38 Abs. 1 GmbHG, wobei dieses Verständnis der seit 1892 im Wortlaut unveränderten Norm108 freilich erst durch Rechtsfortbildung entwickelt worden ist.109 Zur Zeit der Entstehung von § 38 Abs. 1 GmbHG hing man noch überwiegend der sogenannten Einheitstheorie an. Diese ging von einem einheitlichen Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer aus, welches durch den Widerruf der Bestellung insgesamt enden sollte.110 Die Formulierung „unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen“ in § 38 Abs. 1 GmbHG zielte damals einzig auf mögliche Sekundäransprüche des abberufenen Geschäftsführers.111 Dieses Verständnis hat sich allerdings im Laufe der Zeit gewandelt. Heute ist die Trennung der Rechtsstellung des Geschäftsführers in zwei voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse – mit wenigen Ausnahmen112 – ganz herrschende Meinung. 1. Die Organstellung Die Organstellung beschreibt die gesellschaftsrechtliche Rechtsstellung des Geschäftsführers der GmbH. Der zunächst gebrauchte Begriff der „Organstellung“ knüpfte noch an die durch von Gierke entwickelte Terminologie113 an. Als etwas kürzerer Begriff hat er sich allgemein durchgesetzt. Es ist allerdings präziser, in der heutigen Zeit von der „Organwalterstellung“ zu sprechen,114 107  Siehe statt vieler Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 39; a.  A. nur Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 335 ff., 400 ff., 451 f. 108  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 5. 109  Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 7. 110  Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 7. 111  Siehe näher Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 7. 112  Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 335 ff., 400 ff., 451 f. 113  von Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die Deutsche Rechtsprechung (1887), S. 614 ff., insbes. S. 623–625. 114  Gimmler, Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH (2016), S. 21.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers39

denn mit dem von H. J. Wolff geprägten zweigliedrigen Organbegriff ist zwischen dem Organ als abstrakter Verbandsinstitution und der natürlichen Person, welche den der Verbandsinstitution zugewiesenen Aufgabenbereich ausfüllen soll, zu unterscheiden. Die natürliche Person, welche zur Ausfüllung des Aufgabenbereichs bestellt wird, wird nicht zum Organ, sondern ist Organwalter.115 Das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer wird als „organschaftliches Sonderrechtsverhältnis“ oder auch als „korporationsrechtliches Sonderverhältnis“116 bezeichnet, welches diejenigen Rechte und Pflichten beinhaltet, die dem Geschäftsführer in seiner Organeigenschaft zustehen und obliegen117. Organe einer Gesellschaft können nur durch Organisationsakt in Form eines Gesetzes, Gesellschaftsvertrages oder einer Satzung geschaffen werden.118 Sie bedürfen einer ausdrück­ lichen organisationsrechtlichen Verankerung.119 a) Bestellung Die Organstellung erlangt der Geschäftsführer gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 GmbHG entweder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag oder aufgrund Beschlusses des zuständigen Organs, welches mangels einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung die Gesellschafterversammlung ist. Die Rechtsnatur des Rechtsakts der Bestellung war früher umstritten. Heute nicht mehr vertreten wird die Theorie des einseitigen Rechtsgeschäfts, nach der die Bestellung einseitig erfolge und keiner Zustimmung des Bestellten bedürfe.120 Im Hinblick auf die mit der Bestellung einhergehende Pflichtenbindung wird nunmehr allgemein eine zustimmende Willensäußerung des Bestellten für erforderlich gehalten.121 Die Entscheidung der Gesellschafterversammlung für die Bestellung müsse dem Bestellten mitgeteilt werden und dieser die Erklärung annehmen, da privatrechtlich Pflichten nicht einseitig auferlegt werden können. Eine konkludente Annahmeerklärung des Bestellten – etwa 115  H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2 (1934), S. 224 ff., insbes. S.  229,  230 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 41 ff. Dennoch soll hier wegen der allgemeinen Üblichkeit die Terminologie von „Organstellung“ und „Organverhältnis“ verwendet werden. 116  Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 343. 117  T. Schmidt, Die Geschäftsführerbestellung im reformierten GmbH-Recht (2011), S. 33. 118  Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 49 ff. 119  Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 55 f. 120  So noch Coing, in: Staudinger (11. Aufl. 1957), § 27 Rn. 10. 121  KG 4.4.2000, GmbHR 2000, 660 (661 f.); Plander, GmbHR 1968, 197 (201); Goette, in: MüKo GmbHG, § 6 Rn. 57; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 35 Rn. 24.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

durch Antritt des Amtes – wird regelmäßig als ausreichend erachtet.122 Mit der Kundgabe an und der Annahme der Bestellung durch den Bestellten ist die Bestellung wirksam.123 Die herrschende Auffassung unterteilt somit den Organbestellungsakt in zwei Bestandteile, den Bestellungsbeschluss (interne Willensbildung) und die Bestellungserklärung (Willenserklärung nach außen).124 Sie charakterisiert die Bestellung als einen einseitigen Organisa­ tionsakt, welcher bis zur Erklärung der Zustimmung durch den Bestellten schwebend unwirksam sei.125 Zuweilen ist von einer mitwirkungsbedürftigen Maßnahme organschaftlicher Selbstverwaltung126 die Rede. Andere hingegen gehen von einem echten (organisationsrechtlichen) Vertragsschluss aus.127 Die Satzung kann einem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Sonderrecht auf Geschäftsführung einräumen, was in Zweifelsfällen durch erläuternde und ergänzende Auslegung der Satzung entsprechend den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist.128 Für die Annahme eines Sonderrechts genügt es noch nicht, dass der Gesellschafter in der Satzung als Geschäftsführer namentlich bezeichnet ist oder seine Bestellung im Gesellschaftsvertrag erfolgt ist129. Ein Sonderrecht ist aber dann anzunehmen, wenn ein Gesellschafter sowohl in der Satzung bestellt wurde als auch deren Ausgestaltung im einzelnen zusätzliche Anhaltspunkte für die mitgliedschaftsrecht­ liche Qualität seiner Geschäftsführerstellung bietet, so insbesondere die Bestellung auf Lebenszeit oder für die Dauer der Mitgliedschaft in der Gesellschaft.130

122  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 49; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 10. 123  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 50. 124  BGH 18.11.1968, WPM 69, 158; BGH 22.9.1969, BGHZ 52, 316 (321) für die Bestellung zum Liquidator. 125  Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats (1981), S. 8  f.; Lenz, in: Michalski, GmbHG, § 35 Rn. 11; Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 42 Rn. 20; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 6 Rn. 42. 126  Für die Bestellung des Vorstands der AG: Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 5. 127  Schnorr v. Carolsfeld, DNotZ 1963, 404 (419); Schneider/Schneider, GmbHR 1980, 4 (6) m. w. N. 128  BGH 16.2.1981, GmbHR 1982, 129 (130); Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S.  321 ff. 129  BGH 16.2.1981, GmbHR 1982, 129 (130); OLG München 8.6.1994, GmbHR 1995, 232; Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 322. 130  Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 17.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers41

b) Organschaftliche Rechte und Pflichten Mit der Bestellung erhält der Geschäftsführer die Befugnis der Vertretung und der Führung der Geschäfte der GmbH. Die Vertretungsbefugnis des bestellten Geschäftsführers umfasst sachlich sämtliche Geschäfte, die sich im Rahmen der denkbaren Geschäftstätigkeit der GmbH befinden. Dabei ist sie nicht auf den gegenständlichen Bereich des konkreten Unternehmens oder der konkreten Zweckwidmung der jeweiligen GmbH beschränkt. Es muss sich nur um der Natur nach mögliche Akte einer Geschäftsführung handeln. Dem Geschäftsführer von vornherein nicht möglich sind Maßnahmen, welche die Grundstruktur und Organisation der GmbH betreffen, wie die Änderung der Satzung, die Aufnahme neuer Gesellschafter, die Auflösung der GmbH beziehungsweise Verpflichtungserklärungen.131 Die Befugnis zur Geschäftsführung umfasst grundsätzlich jedes Handeln des Geschäftsführers im Rahmen der ihm übertragenen Organstellung. Eine allgemeine und abschließende Bestimmung der umfassten Aufgaben kann kaum gegeben werden, auch weil die Verteilung der Aufgaben zwischen den Organen durch Satzungsregelung verändert werden kann. Grundsätzlich sind alle Maßnahmen zur Verwirklichung des Satzungszwecks von der Geschäftsführungsbefugnis umfasst.132 Darüber hinaus treffen den Geschäftsführer zwingende organschaftliche Pflichten, die sich grob in die Kategorien Rechnungslegungs-, Auskunftsund Handelsregister-, öffentlich-rechtliche und sonstige Pflichten unterteilen lassen. So hat er für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen (41 GmbHG) und den Jahresabschluss aufzustellen (§ 264 Abs. 1 HGB); bestimmte Vorgänge sind beim Handelsregister (§ 78 GmbHG) anzumelden; den Gesellschaftern ist jederzeit Auskunft und Einsicht in die Bücher der Gesellschaft zu gewähren (§ 51a GmbHG); er hat allgemein die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO), zum Beispiel in der steuerlichen Außenprüfung die Aufzeichnungen und Bücher der Gesellschaft vorzulegen (§§ 34, 200 AO); auch hat der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einzuberufen. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, hat der Geschäftsführer für eine Organisation zu sorgen, die ihm die erforder­ liche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.133 Mit den Pflichten korrespondieren Rechte des Geschäftsführers, etwa das Recht zur Rechnungslegung134, da er für die Folgen persönlich haftet. Auch hat der Geschäftsführer ein umfassendes In131  Altmeppen,

in: Roth/Altmeppen, GmbHG Kommentar, § 35 Rn. 17. in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 132 (S. 279). 133  BGH 20.2.1995, NJW-RR 1995, 669. 134  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 51. 132  Axhausen,

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formationsrecht über die Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere die Buchführung135, um seine Aufgaben erfüllen zu können.136 Aus einer Gesamtschau der durch das Gesetz den Gesellschaftern zugewiesenen Aufgaben ergibt sich, dass im Allgemeinen die Gesellschafter die Grundlinien der Geschäftspolitik bestimmen.137 Für sogenannte Grundlagenentscheidungen sind stets die Gesellschafter zuständig.138 Tätigt der Geschäftsführer solche Entscheidungen ohne die Zustimmung der Gesellschafter, können sie im Einzelfall auch im Außenverhältnis unwirksam sein, beziehungsweise kann sich derjenige, der Kenntnis von dem Handeln gegen oder ohne den Willen der Gesellschafter hat, nicht auf die unbeschränkbare Vertretungsmacht des Geschäftsführers berufen.139 Die Gesellschafter können dem Geschäftsführer darüber hinaus nach der Konzeption des GmbHG auch hinsichtlich seiner laufenden Geschäftsführungstätigkeit Weisungen erteilen. Da die Gesellschafter die Geschäftsführungsbefugnisse des Geschäftsführers zusätzlich von vornherein beschränken können, ist es stets eine Frage des Einzelfalls – je nach Ausgestaltung der Satzung – wie stark der einzelne Geschäftsführer tatsächlich die Führung der Geschäfte der GmbH zu bestimmen vermag. c) Abberufung Der „Widerruf der Bestellung“ zum Geschäftsführer ist in § 38 GmbHG geregelt. Er ist das Pendant zu § 6 GmbHG. Die Bezeichnung als „Widerruf“ durch das Gesetz ist insofern misslich, als nicht der auf § 6 GmbHG beruhende Bestellungsakt ex tunc rückgängig gemacht wird, sondern nur die Organstellung ex nunc beendet wird. Der Begriff „Abberufung“ ist daher vorzugswürdig140 und allgemein gebräuchlich. Die Abberufung ist ein einseitiger Akt, der mit Zugang bei dem betreffenden Geschäftsführer wirksam wird.141 Er setzt sich aus dem Beschluss der Gesellschafter und dessen Bekanntgabe an den Geschäftsführer zusammen. Beschlüsse der Gesellschafter müssen als (mehrseitige) Rechtsgeschäfte eigener Art (auch „körperschaft­ liche Entscheidung“) zu ihrer Wirksamkeit Dritten nicht zugehen. Von der 135  BGH

26.6.1995, NJW 1995, 2850. in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 59. 137  Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 134 (S. 280). 138  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 I. 2. (S. 1069). 139  BGH 5.12.1983, NJW 1984, 1461; 9.1.1995, NJW 1995, 596. 140  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 6; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 1. 141  OLG Hamm 26.9.2002, GmbHR 2003, 111; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 46 Rn. 231 ff. 136  Zöllner/Noack,



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers43

rein internen Beschlussfassung zu unterscheiden ist grundsätzlich die Umsetzung des Beschlusses mit Außenwirkung,142 wie sie auch bei der Abberufung zu erfolgen hat.143 Diese Umsetzung nach außen bedarf keiner zusätzlichen Willenserklärung dem Geschäftsführer gegenüber. Der Abberufungsbeschluss beinhaltet bereits die Willenserklärung, die durch die Bekanntgabe an den Geschäftsführer von einem reinen Internum zu einer nach außen wirkenden Willenserklärung wird.144 Das Ausscheiden aus der Organstellung kann nach überwiegender Ansicht auch für einen späteren Zeitpunkt als den des Zugangs der Abberufungsentscheidung gewählt werden.145 Mit der Beendigung der Organstellung durch Abberufung endet die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des vormaligen Geschäftsführers.146 Zugleich gibt es allerdings sogenannte fortwirkende Organpflichten, welche insbesondere an das Wissen des ehemaligen Geschäftsführers anknüpfen147. § 38 Abs. 1 GmbHG sichert den Gesellschaftern nach bislang herrschender Meinung uneingeschränkte Dispositionsfreiheit über die personelle Besetzung des Vertretungsorgans der Gesellschaft.148 Die Abberufung kann grundlos erfolgen149 und bedarf dementsprechend auch nicht der Begründung gegenüber dem abberufenen Geschäftsführer.150 Die freie Abberufbarkeit bildet nach herrschender Meinung das Gegengewicht zu der nicht möglichen Befristung der Berufung in die Organstellung und der nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers.151 Die Geschäftsführer sollen nur solange im Amt bleiben dürfen, wie sie das volle Vertrauen der 142  BGH 9.2.1998, NZG 1998, 348 (348  f.); BGH 5.5.2003, NZG 2003, 771 (771 f.). 143  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 39 ff. 144  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 40 f.; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 155; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 29; a. A. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 81. 145  OLG Zweibrücken 30.6.1998, GmbHR 1999, 479; OLG Hamm 5.1.2012, BeckRS 2013, 12065; 20.12.2012, BeckRS 2013, 12064. 146  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 101. 147  Näher dazu Palzer, Fortwirkende organschaftliche Pflichten des Geschäftsführers der GmbH (2001), S. 147 ff., 231 ff. 148  BGH 10.5.1993, DStR 1993, 843; OLG Zweibrücken 8.6.1999, NZG 1999, 1011; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 9. 149  OLG Zweibrücken 8.6.1999, NZG 1999, 1011; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 7. 150  Goette, DStR 1998, 938 (940); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 3. 151  Goette, DStR 1998, 938 (940); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 2.

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Gesellschafter besitzen152. Die Möglichkeit jederzeitiger Abberufung solle auch präventiv disziplinierend wirken und im Ergebnis das Weisungsrecht der Gesellschafter (§ 37 GmbHG) stärken.153 Das schließt grundsätzlich auch die Freiheit der Gesellschafter ein, den Geschäftsführer aus unvernünftigen oder sachfremden Motiven abzuberufen, wobei dies teilweise nur in den Grenzen zwingenden Rechts (§§ 226, 826 BGB) zugestanden wird.154 Demnach soll eine Abberufung nach §§ 226, 826 BGB unwirksam sein, wenn sie aus „offenbar unsachlichen Gründen“ erfolgt.155 Dafür soll jedenfalls noch nicht ausreichend sein, wenn nachprüfbare Gründe fehlen oder der Abberufung nur möglicherweise sachfremde Gründe zugrunde liegen.156 Bisher ist allerdings offenbar weder in Rechtsprechung noch Literatur positiv konkretisiert, wann derartige unsachliche Gründe vorliegen sollen. Allein in der mitbestimmten GmbH ist die Abberufungsfreiheit von vornherein insofern beschränkt, als dass die Abberufung durch den Aufsichtsrat nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 84 Abs. 3 AktG möglich ist (§ 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 Montan­ MitbestErgG).157 Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut von § 84 Abs. 3 S. 2 AktG, dass abweichend von § 38 Abs. 2 S. 2 GmbHG auch der Vertrauensentzug durch die Gesellschafter als wichtiger Abberufungsgrund anerkannt ist.158 Insofern ist der wichtige Grund für die Abberufung bei der mitbestimmten GmbH nicht mit dem strengeren Erfordernis eines wichtigen Grundes entsprechend § 38 Abs. 2 S. 2 GmbHG identisch, sondern der freien Abberufbarkeit in einer nicht-mitbestimmten GmbH angenähert. Die freie Abberufbarkeit in der nicht-mitbestimmten GmbH kann durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag beschränkt werden, etwa durch qualifizierte Beschlussmehrheiten oder das Vorliegen eines wichtigen Grundes.159 152  BGH

10.5.1993, DStR 1993, 843. DStR 1998, 938 (940). 154  Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 10; s. dazu noch näher unten unter § 4 B. IV. 1. 155  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.  3, § 42 Rn. 42; Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 16; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 3b; a.  A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG Kommentar, §  38 Rn.  4; Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leitloff, GmbHG, § 38 Rn. 3; differenzierend Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 7. 156  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.  3, § 42 Rn. 42; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbH, § 38 Rn. 3b. 157  A. A. Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 96 ff. 158  Heilmeier, in: BeckOK GmbHG, § 38 Rn. 10; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 4. 159  Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 29. 153  Goette,



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Dabei sind Beschränkungen der Abberufbarkeit in der Satzung, welche über die Regelung des § 38 Abs. 2 S. 1 GmbHG hinausgehen, nicht möglich. Die Abberufung aus einem objektiv vorliegenden wichtigen Grund muss den Gesellschaftern stets möglich sein.160 Entsprechend ist es auch unzulässig, wichtige Abberufungsgründe als solche abschließend in der Satzung zu normieren und damit Gründe auszuschließen, die tatsächlich objektiv einen wichtigen Grund darstellen würden.161 Wie bereits erwähnt, ist für Geschäftsführer, welche zugleich Gesellschafter der GmbH sind, anerkannt, dass ihnen ein Sonderrecht auf Geschäftsführung durch die Satzung zuerkannt werden kann. Ist dies der Fall, können sie ebenfalls nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 38 Abs. 2 S. 1 GmbHG abberufen werden. Das Sonderrecht kann ausdrücklich vereinbart sein, sich aber auch im Wege der Auslegung aus der Satzung ergeben.162 Ohne vereinbartes Sonderrecht kann die Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern dennoch unzulässig sein, wenn sie gegen die zwischen den Gesellschaftern allgemein geltende Treuepflicht verstößt.163 2. Das Anstellungsverhältnis a) Abschluss und Rechtsnatur Die Rechtsbeziehung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft ist durch die Organstellung nicht erschöpfend geregelt. In der Regel besteht ein Bedürfnis beider Parteien zum Abschluss eines ergänzenden Vertrages. Mit dem entsprechenden schuldrechtlichen Anstellungsvertrag regeln Gesellschaft und Geschäftsführer regelmäßig die Anstellung als Geschäftsführer und die weiteren Einzelheiten ihres Innenverhältnisses. Dazu gehören typischerweise die Vergütung einschließlich etwaiger erfolgsabhängiger Vergütungsbestandteile, die Altersversorgung, der Urlaub, Dienstwagenbereitstellung, Dienstzeiten und Wettbewerbsverbote.164 Die Beendigung des Anstellungsvertrags selbst, sowie eine etwaige Koppelung an die Organstellung, werden häufig ebenfalls mitgeregelt. Zwar ist es denkbar, dass ein Geschäftsführer auch ganz ohne den ausdrücklichen Abschluss eines begleitenden Anstellungsvertrags durch die Ge160  BGH

21.4.1969, NJW 1969, 1483. in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 39; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 30. 162  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 73 f. 163  BGH 29.11.1993, DStR 1994, 214 m. Anm. Goette; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 6. 164  Siehe etwa Goette, DStR 1998, 1137 (1138 f.). 161  Schneider/Schneider,

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sellschafterversammlung bestellt und in der Organstellung tätig wird. Insbesondere bei einer unentgeltlichen Tätigkeit des Geschäftsführers ist der Abschluss eines Anstellungsvertrags nicht allgemein üblich.165 Bei entgeltlicher Tätigkeit in der Geschäftsführerposition stellt der Abschluss eines Anstellungsvertrages zwischen GmbH und (zukünftigem) Geschäftsführer indes den absoluten Regelfall dar. Je nachdem, ob der Geschäftsführer entgeltlich tätig wird oder nicht, wird das Anstellungsverhältnis von der herrschenden Meinung als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter166, anderenfalls als Auftrag qualifiziert167. Der Abschluss des Anstellungsvertrags bedarf keiner besonderen Form und kann dementsprechend auch stillschweigend zustande kommen.168 Zum Teil wird angenommen, dass durch den Beschluss über die Bestellung in die Geschäftsführerposition zugleich konkludent auch ein Anstellungsverhältnis mit dem Geschäftsführer abgeschlossen werden könne.169 b) Entbehrlichkeit eines Anstellungsvertrags Es entspricht allgemeiner Meinung, dass es nicht zwingend eines Anstellungsvertrages neben dem Bestellungsverhältnis bedarf.170 In zwei Konstellationen wird der Abschluss eines begleitenden Anstellungsvertrags für entbehrlich gehalten: Bei unentgeltlich tätig werdenden Geschäftsführern halten die Parteien einen Anstellungsvertrag oft für unnötig, weil eine Kompensation nicht zu regeln ist. Die Rechte und Pflichten der bestellten Person ergeben sich dann allein aus der Organstellung. Teilweise wird die persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft aber auch statt in einem Anstellungsvertrag in der Satzung näher geregelt. Ein Vertrag über die Bedingungen der Anstellung sei dann eine unnötige Doppelung, zumal die Regelungen in der Satzung die Gesellschaft regelmäßig hinsicht165  Karsten

Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III. 2. (S. 416). 21.1.2019, NZA 2019, 490 (wobei laut BAG in extremen Ausnahmefällen auch das Vorliegen eines Arbeitsvertrags denkbar sein kann); Eckardt, Die Be­ endigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 8. 167  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 163; a. A. Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (489 f.); ders., in: MüKo BGB (6. Auflage 2012), § 27 Rn. 4 f., der ihn allgemein als einen Amtsführungsvertrag qualifizieren möchte, s. näher u. § 2 B. II. 4. 168  BGH 20.12.1993, NJW-RR 1994, 357; 27.1.1997, NJW-RR 1997, 669; 12.5.1997, NJW 1997, 2319; Goette, DStR 1998, 1137 (1137). 169  Für die Bestellung zum Geschäftsführer einer Genossenschaft durch deren Vorstandsversammlung: OLG Brandenburg 12.12.1994, OLGR 1995, 223. 170  Statt vieler Gimmler, Die Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis am Beispiel des fehlerhaft bestellten Geschäftsführers der GmbH (2016), S. 97 m. w. N. 166  BAG



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lich eines abzuschließenden Anstellungsvertrages inhaltlich begrenzen würden. Ein Aushandeln des Vertrags für den Einzelfall wäre in einem solchen Fall ohnehin nicht möglich. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Körperschaft Verpflichtungen, welche nicht eine Mitgliedschaft betreffen, nur auf die gleiche Weise eingehen kann wie natürliche Personen, nämlich im Wege eines Vertragsschlusses.171 Denn die Satzung betrifft im Wesent­ lichen die Organisation und das körperschaftliche Innenleben, welche durch die Äußerung eines Gesamtwillens kundgetan werden. Rechte Dritter – und dazu zählt in der Geschäftsführerstellung auch der Gesellschafter-Geschäftsführer – können durch sie auch nicht analog § 328 BGB begründet werden.172 Entsprechende Satzungsbestimmungen bedürfen daher einer schuldrecht­ lichen Umsetzung.173 Gegebenenfalls ist in der Bestellung und ihrer Annahme der konkludente Abschluss einer schuldrechtlichen Abrede mit dem Inhalt der entsprechenden Satzungsregelungen zu sehen.174 c) Kündigung des Anstellungsvertrags Der Anstellungsvertrag kann nach den allgemeinen Vorschriften ordentlich und außerordentlich gekündigt werden. Er wird durch die Abberufung aus der Organstellung nicht automatisch mit beendet. Die ordentliche Kündigung unterliegt lediglich einer Kündigungsfrist, die sich im Grundsatz für beide Seiten nach § 622 BGB analog richtet.175 Davon abweichende Fristen für die ordentliche Kündigung können vereinbart werden. Umstritten ist, ob dann die Mindestgrenze von vier Wochen analog § 622 Abs. 5 BGB nicht unterschritten werden darf.176 Ist das Anstellungsverhältnis von vornherein befristet, so scheidet eine ordentliche Kündigung gemäß § 620 Abs. 2 BGB im Grundsatz aus. Die ordentliche Kündbarkeit kann jedoch neben der Befristung vertraglich vereinbart werden.177 In jedem Falle ist die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund stets möglich und kann auch nicht vertraglich abbedungen werden.178 Ein 171  Reuter,

FS Zöllner I (1998), 487 (492). FS Zöllner I (1998), 487 (492). 173  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (492); im Ergebnis ebenso P. Ulmer, FS Werner (1984), 911 (916); a. A. BGH 29.06.1987, NJW 1987, 2503 (2504). 174  Dazu noch näher unten § 5 A. III. 3. 175  BGH 29.01.1981, 79, 291; 26.03.1984, BGHZ 91, 217. 176  So Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK GmbHG, § 6 Rn. 171; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Anh. § 6 Rn. 53; dagegen Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG Kommentar, § 35 Rn. 244. 177  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 242; Wiss­kirchen/Kuhn, in: BeckOK GmbHG, § 6 Rn. 169. 178  Weidenkaff, in: Palandt, § 626 Rn. 2. 172  Reuter,

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Grund, welcher die Abberufung aus wichtigem Grund gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG rechtfertigt, wird vielfach auch für die Kündigung des Anstellungsvertrags nach § 626 BGB ausreichen. Dabei wird die Länge der ordentlichen Kündigungsfrist als ein erhebliches Kriterium angesehen.179

II. Trennungsprinzip und sogenannter „Vorrang der Abberufungsfreiheit“ 1. Aussagen des Trennungsprinzips Im Grundsatz bestehen Anstellungsverhältnis und Organverhältnis nach dem sogenannten Trennungsprinzip der heute ganz herrschenden Meinung, wie bereits erwähnt, unabhängig voneinander.180 Das gilt für die Begründung und die Beendigung jeweils beider Rechtsverhältnisse. Die Berufung in die Organstellung besagt nichts über den Abschluss eines Anstellungsvertrages. Die Beendigung des Organverhältnisses bewirkt nicht die Beendigung des Anstellungsvertrags. Umgekehrt haben die Begründung und die Beendigung des Anstellungsvertrags keine Auswirkungen auf das Organverhältnis.181 Auch stehen die Pflichten aus Bestellung und Anstellung nicht in einem Verhältnis von Gegenseitigkeit, so dass § 320 BGB keine Anwendung findet. Der Geschäftsführer ist nicht berechtigt, seine organschaftlichen Pflichten im Falle der Nichterfüllung von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag zu verweigern.182 Der historische Gesetzgeber hingegen hatte mit dem Widerruf der Bestellung nicht nur den Widerruf der Vertretungsmacht gemeint, sondern zugleich den Widerruf eines Mandats oder Vollmachtauftrags183, welcher damals als Grundlage der Geschäftsführertätigkeit angesehen wurde. Die Abberufung 179  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 222; Wisskirchen/ Kuhn, in: BeckOK GmbHG, § 6 Rn. 155. 180  BGH 28.5.1990, NJW-RR 1990, 1123; 26.6.1995, NJW 1995, 2850; 10.5.2010, NZG 2010, 827; Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 248; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 35 Rn. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 44; U. H. Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 251. 181  Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 248; Lenz, in: Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, § 8 Rn. 18; a. A. Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 335 ff., 400 ff., 451 f., der zumindest für die angestellten, hauptberuflich gegen Entgelt tätigen Geschäftsleiter die Aufgabe der strikten Unterscheidung von Organstellung und Anstellungsverhältnis fordert. Er bezeichnet Abberufung und Amtsniederlegung als Ausübung von Gestaltungsrechten, welche aus verbandsrecht­ lichen Gründen notwendig seien, deren Wirkung sich aber nicht auf die Organstellung beschränke. 182  Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 7. 183  Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 28.



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betraf zur Zeit der Entstehung des GmbHG somit nicht allein das „Außenverhältnis“, sondern auch das „Innenverhältnis“: Dem Geschäftsführer wurde nicht nur die Vertretungsmacht entzogen, sondern auch der ihm erteilte „Auftrag“ zur Geschäftsleitung widerrufen. Unberührt blieb allein der Anspruch auf eine etwaige Vergütung.184 Das Trennungsprinzip entwickelte sich erst nach einer ersten Entscheidung des Reichsgerichts im Jahr 1888 zum Recht der Aktiengesellschaft185. Nach dem heutigen Verständnis dient das Trennungsprinzip zum einen dem Schutz des Rechtsverkehrs, indem jederzeit Rechtssicherheit über das Bestehen und den Inhalt der Organstellung bestehe.186 Darüber hinaus solle es aber auch gewährleisten, dass die Gesellschaft nach Bestellung des Organs durch das zuständige Kreationsorgan in Ruhe den Anstellungsvertrag aushandeln kann.187 Vereinzelt wird darin gar der einzige sachliche Grund dafür gesehen, dass es bei der Einstellung eines neuen besoldeten Geschäftsleiters, nicht bei einem einzigen Rechtsgeschäft – der Unterzeichnung eines Geschäftsführer- oder Anstellungsvertrags – bleibe, sondern die Bestellung erklärt und – meist danach – ein ergänzender Anstellungsvertrag geschlossen werde. Vor allem die Besonderheiten der Mehrpersonengesellschaft, so diese Ansicht, erforderten die Aufteilung auf zwei Rechtsgeschäfte.188 Über die Entscheidung des „Ob“ der Anstellung eines neuen Geschäftsleiters sei in der Regel eine Mehrzahl von Personen berufen – im Fall der GmbH grundsätzlich die Gesellschafterversammlung –, die sich nicht dafür eigne, auch die Einzelheiten der Ausgestaltung (Bezüge, Altersversorgung usw.) zu verhandeln. Die notwendigen Entscheidungen müssten durch einen oder mehrere ausgewählte Unterhändler beschlussreif vorbereitet werden oder die Entscheidung der Gesellschafterversammlung müsse auf die wesentliche Frage des „Ob“ der Einstellung des Bewerbers für ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet und eine bestimmte oder unbestimmte Dauer reduziert werden. Über die Vertragsbedingungen im Übrigen könne dann ein Ausschuss oder eine Einzelperson verhandeln und gegebenenfalls auch entscheiden.189 Darüber hinaus soll aber auch dem Geschäftsführer die Entkoppelung des Anstellungsvertrags vom Schicksal der Organstellung zugute kommen, und zwar durch eine gewisse materielle Absicherung.190 Würde man nur ein einziges, einheitliches Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesell184  Baums,

Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 28. 12.10.1888, RGZ 22, 35 (38). 186  BGH 14.7.1980, BGHZ 78, 82 (92); 8.2.1993, NJW 1993, 1198 (1199 f.). 187  Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (335). 188  Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 33 f. 189  Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 33 f. 190  BGH 27.3.1995, GmbHR 1995, 373 (375). 185  RG

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schaft annehmen, würde das Organmitglied unabhängig vom Grund seiner Abberufung auch seine Gehaltsansprüche verlieren.191 Unter Geltung des Trennungsprinzips könne das zuständige Organ über den Fortbestand der Bestellung entscheiden, ohne über etwaige Konsequenzen für die Person des Organmitglieds nachdenken zu müssen.192 Als entscheidend wird in diesem Zusammenhang stets die finanzielle Absicherung durch den Fortbestand der schuldrechtlichen Vergütungspflichten bis zu einer wirksamen Kündigung des Anstellungsverhältnisses angesehen. Die Trennung hat also insoweit auch den Schutz des Organmitglieds zur Folge. Dieser Schutz kaschiert jedoch die Nachteile, wenn es um Beschäftigungsinteressen geht, wie noch zu zeigen sein wird. 2. Berührungspunkte von Anstellungs- und Organverhältnis Das Trennungsprinzip wird jedoch nicht so verstanden, dass Anstellung und Bestellung völlig voneinander entkoppelt sind. Es ist anerkannt, dass trotz der Trennung zwischen beiden Rechtsverhältnissen eine enge tatsäch­ liche und rechtliche Verknüpfung zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis besteht, die eine Koordinierung beider Rechtsverhältnisse erfordert.193 Der BGH stellt insoweit fest: „Wer als Organmitglied vorgesehen ist, wird in aller Regel dieses Amt nicht annehmen wollen, solange nicht auch die konkreten Bedingungen seiner Anstellung geklärt und verbindliche Abmachungen über sie getroffen sind. Auf der anderen Seite vermag auch das für die Bestellung zuständige Organ nur dann eine verantwortliche und sachgerechte Entscheidung zu treffen, wenn es rechtlich in der Lage ist, zugleich die Anstellungsbedingungen in diese Überlegungen miteinzubeziehen und sich mit dem in Aussicht genommenen Kandidaten verbindlich über sie zu einigen.“194 In Anerkennung dieses engen Zusammenhangs erkennt die Rechtsprechung etwa einem rechtswirksam bestellten, aber fehlerhaft angestellten Geschäftsführer in Entsprechung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses bis zu einer – in diesem Fall jederzeit ohne wichtigen Grund möglichen – wirksamen Kündigung dennoch sein Gehalt aus dem 191  Reischl, Koppelungsklauseln in Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern (2015), S. 89 m. w. N.; Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 248 f.; s. a. BGH 29.5.1989, WPM 1989, 1246; 1.12.1997, WPM 1998, 712 (für den Vorstand der AG). 192  Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 153; Reischl, Koppelungsklauseln in Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern (2015), S. 89. 193  BGH 21.1.1991, BGHZ 113, 237; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III. 2. (S. 417). 194  BGH 21.1.1991, BGHZ 113, 237 (242).



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers51

fehlerhaften Anstellungsvertrag zu.195 Ist ein Geschäftsführer schon bestellt, der Anstellungsvertrag aber noch nicht abgeschlossen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Geschäftsführer sein Amt erst dann anzutreten hat, wenn auch der Anstellungsvertrag abgeschlossen ist.196 Führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist zwar die Bestellung zum Geschäftsführer wirksam; er hat aber das Recht, sein Amt niederzulegen, wenn nicht binnen angemessener Frist zwischen ihm und der Gesellschaft ein Anstellungsvertrag zustande kommt.197 3. Vorrang des Organverhältnisses Von den beiden Rechtsverhältnissen soll dem Organverhältnis gegenüber dem Anstellungsverhältnis regelmäßig der Vorrang gebühren.198 Das Organverhältnis sei das „dominante“ Rechtsverhältnis, im Verhältnis zu dem der Charakter des Anstellungsvertrags als dienend bezeichnet wird.199 Die Anstellungsebene werde nach Inhalt und Struktur maßgeblich durch die Organebene geprägt.200 Der Anstellungsvertrag regele nur diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft, die nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind.201 In die gesetzliche oder statutarische Ausgestaltung des Organverhältnisses dürfe er hingegen nicht eingreifen.202 Der Grund dafür wird vor allem in der grundlegenden Bedeutung der verantwortlichen Leitung und der gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft gesehen.203 195  BGH

20.8.2019, NJW 2019, 3718; 3.7.2000, NJW 2000, 2983. in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 42

196  Diekmann,

Rn. 19. 197  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.  3, § 42 Rn. 19. 198  BGH 29.5.1989, NJW 1989, 2683 für die AG; 10.5.2010, NZG 2010, 827; Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 14, unter Verweis auf Fleck, ZHR 149 (1985), 387 (400); Martens, FS Hilger/Stumpf (1983), 437 (442); ders., FS Werner (1984), 495 (506 f.) spricht von einer „Vorrangtheorie“; Goette, FS Wiedemann (2002), 873 (885 f.); Wank, FS Wiedemann (2002), 587 (594, 601) spricht auch von einer „Rechtsgebietskonkurrenz“. 199  Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 130. 200  G. Hueck, ZfA 16 (1985), 25 (33 f.); Boemke, ZfA 29 (1998), 209 (215 f.); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (335). 201  BGH 10.5.2010, NZG 2010, 827. 202  Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (337). 203  Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (335); Tebben, in: Michalski, GmbHG, § 6 Rn.  108 f.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Widerspreche der Anstellungsvertrag dem Gesellschaftsvertrag (oder dem Gesetz), so habe der Gesellschaftsvertrag mit der dort geregelten Ausformung der Organstellung jedenfalls Vorrang.204 Durch Einblick in den beim Handelsregister hinterlegten Gesellschaftsvertrag müssten sich in die Gesellschaft eintretende Dritte einen zuverlässigen Einblick in die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers verschaffen können.205 Indessen sind von gesetzlich und satzungsmäßig ausgestalteter Organstellung abweichende Vereinbarungen im Anstellungsvertrag nach herrschender Meinung nicht rechtlich unmöglich.206 Nach überwiegender Ansicht sollen aus derartigen Verträgen jedoch nur Sekundäransprüche abgeleitet werden können.207 4. Anstellungsverhältnis nicht causa der Bestellung Das Trennungsprinzip und der Vorrang der Organstellung beinhaltet nach vorherrschender Auffassung auch die Aussage, dass die beiden Rechtsverhältnisse nicht in einem Verhältnis von causa und Durchführung dergestalt stehen, dass das Anstellungsverhältnis den Rechtsgrund für die Bestellung bildet. Die in § 38 Abs. 1 GmbHG verankerte Organisationsfreiheit schließe einen aus dem Anstellungsvertrag hergeleiteten Anspruch auf Bestellung zum Geschäftsführer aus.208 Nach erfolgter Abberufung werde der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag grundsätzlich aber auch nicht als anderweitiger Anstellungsvertrag fort­ gesetzt.209 Dementsprechend könne ein nicht bestellter oder abberufener Geschäftsführer bei fortbestehendem Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis auch nicht in einer untergeordneten (Angestellten-)Position eine tatsächliche 204  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.  3, § 42 Rn. 19. 205  Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 6 Rn. 11, 13; Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 42 Rn. 19. 206  Siehe nur Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 43 Rn. 6. 207  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd.  3, § 43 Rn. 7; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 14 f.; siehe zum Ganzen die Darstellung bei Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag (2000), S. 126  ff. m. w. N. 208  BGH 28.10.2002, NZG 2003, 84; dazu Anm. Goette, DStR 2002, 2182; BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. zu § 6 Rn. 28; Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 306; Windbichler, FS HoffmannBecking (2013), 1413 (1421 f.). Bayer/Lieder, NZG 2012, 1 (5) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Abstraktionsprinzip. 209  BGH 27.3.1995, GmbHR 1995, 373 (375); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 25.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers53

Beschäftigung geltend machen.210 Umgekehrt brauche er auch seine Dienste für den Erhalt des Vergütungsanspruchs grundsätzlich nicht auf anderen Positionen anzubieten, um seine Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs gemäß § 615 S. 1 BGB211 zu erhalten.212 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird allerdings gemacht, wenn der Geschäftsführer trotz selbst verschuldeter Abberufung (etwa durch Leistungsdefizite) an der Durchführung des Anstellungsvertrags für dessen reguläre Laufzeit festhält, indem er die Vergütung einfordert. Dann sei ihm die Übernahme einer angemessenen Tätigkeit unterhalb der Organebene zumutbar.213 Nach anderer Ansicht soll das sogar generell – unabhängig von einem Verschulden – gelten,214 wobei zum Teil hinsichtlich der konkret zumutbaren Tätigkeit wiederum ein Verschulden berücksichtigt wird.215 Weitestgehende Einigkeit herrscht darüber, dass auf Seiten des Geschäftsführers bei Abberufung ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB besteht.216 Einer nur vereinzelt vertretenen Ansicht zufolge handelt es sich bei dem Anstellungsvertrag hingegen um einen Amtsführungsvertrag, der als Kausalgeschäft die Grundlage für die Übernahme der Geschäftsführerstellung bildet.217 Die Bezeichnung als Dienstverhältnis (mit Geschäftsbesorgungscha210  BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112, wobei eine andere Tätigkeit selbstverständlich ausdrücklich im Anstellungsvertrag vereinbart werden kann. 211  Zum Nebeneinander von § 326 und § 615 BGB siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 250 f. 212  BGH 9.10.2000, ZIP 2000, 2199 (2200); Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 330; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 252; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 25; zwar keine Pflicht zur Annahme von Alternativposition, aber Anrechenbarkeit bei Nichtannahme: Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, § 35 Rn. 419. Freilich sieht die herrschende Meinung in der nicht mehr möglichen Tätigkeit des ehemaligen Geschäftsführers in jedem Falle einen Grund für die (ordentliche) Kündigung des Anstellungsvertrags. 213  Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177 (2183); Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 330. 214  OLG Karlsruhe 25.8.1995, GmbHR 1996, 208 (209), wobei die vorherigen Geschäftsführertätigkeiten – jedoch ohne die Vertretungsbefugnis – wegen des Ansehensverlusts durch die Abberufung keine angemessene Alternativtätigkeit sein sollen; A. Bork, NZA 2015, 199 (201); Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 34. 215  Für weite Zumutbarkeit im Falle des Verschuldens durch den Geschäftsführer: Gravenhorst, GmbHR 2007, 417 (419); für enge Zumutbarkeit im Falle des Verschuldens durch den Geschäftsführer: A. Bork, NZA 2015, 199 (201 f.). 216  Siehe statt vieler: Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 421; a. A. allein Röhrborn, BB 2014, 1978 (1979). 217  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (489 f.); ders., in: MüKo BGB (6. Auflage 2012), § 27 Rn. 4 f.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

rakter) sei nicht zutreffend, da die Geschäftsbesorgungspflichten des Geschäftsleiters bereits durch die Bestellung begründet würden und daher für einen darauf gerichteten Dienstvertrag kein Raum sei. Im Vereinsrecht werde dies durch § 27 Abs. 3 BGB mit seiner Verweisung auf die §§ 664 bis 670 BGB unmissverständlich bestätigt.218 Dieses Verständnis knüpft an die früher in Schrifttum und Literatur vorherrschende Auffassung, ohne einen solchen schuldrechtlichen Vertrag fehle der Organstellung die Grundlage, an.219 Demnach führe das Ende des Anstellungsvertrages automatisch auch zur Beendigung der Organstellung, denn diese beruhe auf dem Anstellungsverhältnis. Dem hält die herrschende Meinung entgegen, ein Verständnis des Anstellungsvertrags als Kausalgeschäft mache diesen zwingend notwendig für die Bestellung in die Organstellung, was aber anerkanntermaßen nicht der Fall sei.220 Es widerspreche auch der allgemeinen Auffassung, dass ein Anstellungsvertrag jedenfalls bei unentgeltlicher Tätigkeit entbehrlich sei.221 Zudem könne es keine Pflicht zur Bestellung aus einem so verstandenen Kausalgeschäft geben, da dies mit der Konzeption des Rechtes der Körperschaften – der freien Widerruflichkeit der Bestellung des Leitungsorgans – unvereinbar wäre.222 Vorherrschend ist damit nach wie vor die Auffassung, dass sich aus dem modernen Verständnis von § 38 Abs. 1 GmbHG eine Trennung und Abstraktion von körperschaftlicher Rechtsstellung des Geschäftsführers einerseits und der Regelung seiner persönlichen Rechtsstellung durch einen Anstellungsvertrag andererseits ergibt. Diese Auffassung vermag letztlich nicht vollends zu überzeugen, da aus verständiger Sicht des zu berufenden Geschäftsführers der Anstellungsvertrag regelmäßig Bedingung und Grundlage seiner Tätigkeit in der Organposition sein wird. Die herrschende Meinung behilft sich bislang, indem sie den engen Zusammenhang von Anstellungs- und Bestellungsverhältnis betont und daraus im Einzelfall Sonderrechtsfolgen ableitet.223 Konsequenter wäre es hingegen, die unabweisbare Interdependenz der beiden Rechtsverhältnisse untereinander auch rechtstechnisch anzuerkennen.224 218  Reuter,

in: MüKo BGB (6. Auflage 2012), § 27 Rn. 4. für den Vorstand der AG noch BGH 11.7.1953, DB 1953, 782; A. Hueck, DB 1954, 274 (276): „Die Beendigung des Anstellungsvertrags hat notwendig das Ende der Organstellung zur Folge, denn wer nicht mehr zur Tätigkeit verpflichtet ist, kann nicht Organ sein.“; s. a. Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführeranstellung in Kapitalgesellschaften (1989), S. 117 m. w. N. 220  Goette, FS Wiedemann (2002), S. 873 (875); Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 35 Rn. 34, 230; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 16. 221  Arnold, in: MüKo BGB, § 27 Rn. 6; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 35 Rn. 230. 222  BGH 28.10.2002, NJW 2003, 351 (351); Arnold, in: MüKo BGB, § 27 Rn. 6; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 35. 223  Siehe oben § 2 B. II. 2. 224  Dazu noch näher unten § 5 A. III. 2. 219  So



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers55

III. Grundzüge des Rechtsschutzes gegen die Abberufung Gegen seine Abberufung stehen dem amtierenden Geschäftsführer nur in eingeschränktem Maße Rechtsschutzmöglichkeiten zu, die vor allem auf gesellschaftsrechtliche Notwendigkeiten ausgerichtet sind. Um einen Eindruck von dem die freie Abberufbarkeit flankierenden Verfahrensrecht zu vermitteln, sollen die Rechtsschutzmöglichkeiten kurz umrissen werden. 1. Differenzierung nach Art des Beschlussmangels Unterschiedliche Beschlussmängel können zur Nichtigkeit, zur Anfechtbarkeit oder zur (schwebenden) Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses über die Abberufung führen. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung, einen Geschäftsführer abzuberufen, ist ein Rechtsgeschäft. Im Grundsatz müssten daher die allgemeinen Normen des BGB über Rechtsgeschäfte auf den Beschluss anzuwenden sein. Sie werden allerdings weitestgehend verdrängt durch das Sonderregime eines gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrechts.225 Insbesondere die §§ 134, 138 BGB über Gesetzes- und Sittenverstöße finden nach überwiegender Ansicht keine Anwendung, da sie durch das gesellschaftsrechtliche Regime des Beschlussmängelrechts und dessen Grundkategorisierung in nichtige und anfechtbare Beschlüsse nach dem Modell des Aktienrechts verdrängt werden.226 Nichtige Beschlüsse sind von Anfang an unwirksam. Anfechtbare Beschlüsse können hingegen durch Anfechtungsurteil für nichtig erklärt werden (§ 241 Nr. 5 AktG analog). Ergeht ein entsprechendes Urteil, tritt die Nichtigkeitswirkung ebenfalls ex tunc ein.227 Wird die Anfechtbarkeit hingegen nicht innerhalb angemessener Frist geltend gemacht, wobei der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG eine Leitbildfunktion für die GmbH zukommt228, ist der Beschluss unangreifbar wirksam. Leidet der Abberufungsbeschluss an einem der schweren Mängel des analog anzuwendenden § 241 AktG, ist er nichtig und die Erklärung der Abberufung entsprechend ex tunc wirkungslos. Folglich bleibt der Geschäftsführer 225  Zöllner/Noack,

in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 5. in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 5; a. A. Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen (1989), S. 71 ff., 103 ff., 136 ff. 227  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 359. 228  BGH 1.6.1987, BGHZ 101, 113 (117); 21.3.1988, BGHZ 104, 66 (70  ff.); 14.5.1990, BGHZ 111, 224 (226); 3.5.1999, NJW 1999, 2115 (2116); 13.7.2009, NZG 2009, 1110. 226  Wertenbruch,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

nach einem nichtigen Abberufungsbeschluss im Amt.229 In Anlehnung an § 241 AktG hat sich ein abschließender Katalog der Nichtigkeitsgründe he­ rausgebildet, welcher unter anderem bestimmte Einberufungs- und Beurkundungsmängel, Wesensverstöße, inhaltliche Sittenverstöße und weiteres umfasst.230 Die Nichtigkeit ist analog § 241 AktG nur dann gegeben, wenn der Beschluss selbst (nicht nur ein Beschlussmotiv oder -modalität) mit dem Wesen der GmbH oder den guten Sitten unvereinbar ist.231 Wie bereits erwähnt, sind nichtige Beschlüsse ipso iure von Anfang an (ex tunc) wirkungslos, wie es bei gewöhnlichen Rechtsgeschäften nach § 134 BGB der Fall sein kann.232 Ein Anfechtungsgrund liegt analog § 243 Abs. 1 AktG vor, wenn ein Abberufungsbeschluss gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt, ohne jedoch dadurch an einem schweren nichtigkeitsbegründenden Mangel zu leiden. Anfechtbare Beschlüsse sind zunächst einmal wirksam, es sei denn sie werden durch neue Beschlüsse der Gesellschafter aufgehoben oder auf eine Klage hin durch ein Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt und aufgehoben.233 Werden sie nicht innerhalb angemessener Frist angefochten, sind sie nicht mehr angreifbar.234 Die Anfechtung kann nur durch (gesellschaftsrechtliche) Anfechtungsklage und nicht etwa einredeweise oder anderweitig geltend gemacht werden.235 Allerdings ist Voraussetzung der vorläufigen Wirksamkeit, dass das Beschlussergebnis förmlich festgestellt worden ist, das heißt, dass das Abstimmungsergebnis von einem autorisierten Versammlungsleiter festgestellt oder von den Gesellschaftern im Versammlungsprotokoll einvernehmlich als verbindlich anerkannt wurde.236 So ist etwa auch der förmlich festgestellte Beschluss über die Abberufung aus wichtigem Grund zunächst einmal wirksam, ungeachtet des objektiven Vorliegens oder Fehlens eines wichtigen Grundes. Das tatsächliche Fehlen eines wichtigen Grundes macht den Beschluss also lediglich anfechtbar.237 229  Paefgen,

in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 194. im Einzelnen Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 44–67; Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 27–140. 231  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 4. c) bb) (S. 1105); Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 61 ff. 232  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 17; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 23. 233  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 4. b) (S. 1101 f.); Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 196; Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 2 f. 234  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 6 ff. 235  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 248. 236  BGH, 11.2.2008, NZG 2008, 317 (318 f.); Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 196. 237  Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 197. 230  Siehe



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers57

Hat die Satzung dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein mitgliedschaft­ liches Sonderrecht auf Geschäftsführung eingeräumt, kann der Abberufungsbeschluss im Einzelfall unwirksam sein. Beschlüsse sind (schwebend) unwirksam, wenn sie unvollständig sind, weil ihre Wirksamkeit noch von einem zusätzlichen Erfordernis abhängt.238 Schreibt die Satzung ein mitgliedschaftliches Sonderrecht auf Geschäftsführung zugunsten eines Gesellschafters vor, kann dieser nur mit einem wichtigen Grund aus der Geschäftsführerposition abberufen werden. Fehlt es an einem objektiv wichtigen Grund für die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers, ohne dass dieser zugleich seiner eigenen Abberufung zugestimmt hätte, wird der Beschluss zunächst als schwebend unwirksam angesehen. Verweigert der Betroffene seine Zustimmung, wird der Beschluss endgültig unwirksam.239 Auf die Unwirksamkeit soll sich der Abberufene, jeder andere Gesellschafter, sowie auch Dritte berufen können.240 2. Rechtsschutz mit und ohne förmlich festgestelltes Beschlussergebnis Gegen einen Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung kann insbesondere dem betroffenen Geschäftsführer in sehr unterschiedlichem Umfang Rechtsschutz zustehen. Die Art des Rechtsbehelfs gegen den Beschluss richtet sich neben der Art des Beschlussmangels grundsätzlich danach, ob ein förmlich festgestelltes Beschlussergebnis vorliegt oder nicht.241 Denn nur, wenn ein förmlich festgestelltes Beschlussergebnis vorliege, so die überwiegende Auffassung, sei der anzugreifende Gegenstand eines Rechtsschutzverfahrens hinreichend klar.242 Anderenfalls muss dieser zunächst einmal einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Liegt ein förmlich festgestelltes Beschlussergebnis vor,243 ist analog zu den Regelungen des Aktienrechts, wie bereits dargelegt, zwischen anfechtba238  BGH 13.7.1967, BGHZ 48, 141 (143); 5.3.2007, GmbHR 2007, 535; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 4. 239  BGH 16.2.1981, GmbHR 1982, 129; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 195; von „Nichtigkeit wegen Eingriffs in das Sonderrecht“ sprechen hingegen Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 118. 240  Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 195. 241  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 115; kritisch: Altmeppen, NJW 2016, 2833. 242  Vgl. BGH 11.2.2008, NZG 2008, 317 (318); OLG Stuttgart 13.4.1994, NJWRR 1994, 811 (811 f.); Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 196.; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 62 ff. 243  Die Voraussetzungen dafür bei der GmbH sind wiederum umstritten, vgl. Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 119 ff.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

ren und nichtigen Beschlüssen zu unterscheiden.244 Bei lediglich anfechtbaren Beschlüssen bedarf es zur Geltendmachung des Mangels einer besonderen Anfechtungsbefugnis. In der GmbH steht diese analog § 245 AktG nur den Gesellschaftern zu.245 Der Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist (Fremdgeschäftsführer), ist nicht anfechtungsbefugt.246 Ein Anfechtungsrecht steht ihm auch analog § 245 Nr. 4 oder Nr. 5 AktG nicht zu, da der Geschäftsführer – anders als der Vorstand der Aktiengesellschaft – nicht allgemeiner Wahrer der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sei.247 Auf die Nichtigkeit eines Beschlusses kann sich hingegen jedermann berufen,248 entsprechend auch ein Fremdgeschäftsführer. Da er insoweit auch aktivlegitimiert ist, kann er die Nichtigkeit mit Wirkung erga omnes im Wege der GmbH-rechtlichen Nichtigkeitsklage (§§ 249 Abs. 1 S. 1, 248 Abs. 1 AktG)249 feststellen lassen.250 Mit der Nichtigkeitsklage ist auch der satzungsmäßig unwirksame Abberufungsbeschluss anzugreifen, der das Sonderrecht eines Gesellschafter-Geschäftsführers auf Geschäftsführung umgeht.251 Steht bei einem förmlich festgestellten Beschlussergebnis in Streit, ob das Beschlussergebnis richtig festgestellt wurde, lassen sich die Anfechtungsoder Nichtigkeitsklage mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage verbinden.252 Diese ist darauf gerichtet, die Ablehnung eines Antrags wegen eines unrichtigen Abstimmungsverfahrens anzugreifen und eine positive Beschlussfassung durch das Gericht feststellen zu lassen.253

244  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 115. Ferner werden die Kategorien „Scheinbeschlüsse“ und „unwirksame Beschlüsse“ gebildet, welche für die hiesige Darstellung jedoch von geringem Interesse sind; vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 4. a) (S. 1099 f.). 245  Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 245 AktG Rn. 19 ff. 246  BGH 28.1.1980, BGHZ 76, 139; 11.2.2008, NZG 2008, 317. 247  BGH 11.2.2008, NZG 2008, 317; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 67; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 131; differenzierend neuerdings Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 139. 248  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 1. 249  Für den Genossenschaftsvorstand: BGH 23.2.1978, BGHZ 70, 384 (388); OLG Hamburg 31.5.1995, NJW-RR 1996, 1065; OLG Koblenz 17.11.2005, NZG 2006, 270. 250  Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 194; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 133; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69. 251  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 118; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 195. 252  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 272. 253  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 274.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers59

Liegt kein förmlich festgestelltes Beschlussergebnis vor, kommt zunächst nur eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO in Betracht, welche in diesem Zusammenhang als gesellschaftsrechtliche Beschlussfeststellungsklage bezeichnet wird.254 Denn mangels eines festgestellten Beschlussergebnisses wäre nicht klar, wogegen sich ansonsten eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage richten sollte. Die Beschlussfeststellungsklage zielt darauf ab, ein Beschlussergebnis festzustellen und dabei auch zu überprüfen, ob dieses durch einen Gesetzes- oder Satzungsverstoß möglicherweise nichtig ist.255 Sollte ein Anfechtungsgrund vorliegen, muss die Anfechtung wiederum von einem anfechtungsberechtigten Beteiligten des Prozesses gesondert geltend gemacht werden.256 Anderenfalls erlangt der Beschluss trotz der erhobenen Beschlussfeststellungsklage Wirksamkeit. Da die allgemeine zivilprozessuale Feststellungklage nur inter partes wirkt, wird verbreitet befürwortet, die Beschlussfeststellungsklage mit einer Analogie zu § 248 AktG als Klage mit Gestaltungswirkung erga omnes einzuordnen. Anderenfalls könnte für den Rechtsverkehr eine unerträgliche Unsicherheit über die Wirksamkeit des Beschlusses, gerade etwa bei der Abberufung eines Geschäftsführers, entstehen.257 3. Anspruch auf Wiederbestellung bei Satzungsrecht? Wie erwähnt,258 sollen Gesellschafter-Geschäftsführer gegen ihre Abberufung vorgehen können, wenn sie ein in der Satzung verankertes Sonderrecht auf Geschäftsführung haben und kein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt. Hinsichtlich der Fremdgeschäftsführer ist hingegen umstritten, ob sie aus einem satzungsmäßigen Recht zur Geschäftsführung Rechte herleiten können sollen, da sie keine Gesellschafterstellung inne haben. Vereinzelt wird ein Anspruch des Fremdgeschäftsführers auf Wiederbestellung erwogen, wenn die Satzung ihm ein Recht zur Geschäftsführung einräumt, eine entsprechende Stimmbindung der Gesellschafter zugunsten des Fremdgeschäftsführers begründet wurde259 oder satzungsmäßig ein wichtiger Grund für die

254  Wertenbruch,

in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 380. 4.5.2009, NZG 2009, 1307; Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 241 AktG Rn. 3. 256  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 248. 257  OLG München 27.03.1996, NJW-RR 1997, 988; Paefgen, in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 202; Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 386; a. A. Raiser, in: GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 283. 258  Siehe soeben § 2 B. III. 1. 259  OLG Köln 16.3.1988, GmbHR 1989, 76 (78). 255  BGH

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Abberufung vorliegen muss.260 In diesem Fall könne der Fremdgeschäftsführer, sofern ein wichtiger Grund tatsächlich nicht vorliegt, in Verbindung mit seinem Anstellungsvertrag Wiederbestellung verlangen. Er könne dann einen erneuten Bestellungsbeschluss bewirken, in dessen Rahmen unter Umständen die Stimmen einzelner Gesellschafter nach § 894 ZPO ersetzt werden.261 Die überwiegenden, ablehnenden Stimmen meinen hingegen, derartigen Kon­ struktionen stünde die freie Abberufbarkeit aus § 38 Abs. 1 GmbHG entgegen.262 Die Herbeiführung eines insoweit gegen den Satzungsinhalt verstoßenden Beschlusses sei eine Frage, die nur zwischen den Gesellschaftern zu klären sei.263 Selbst wenn der Anstellungsvertrag die Satzungsregelung zugunsten des Fremdgeschäftsführers inhaltlich wiederhole, könnten aus diesem allenfalls Entschädigungsansprüche hergeleitet werden.264 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Satzung der GmbH eben nicht nur individuelle Rechtsbeziehungen zwischen den Gesellschaftern begründet, sondern zugleich die objektive Gesellschaftsverfassung errichtet.265 Bei der Gestaltung haben die Gesellschafter eine weitgehende Satzungsautonomie inne.266 Die Geschäftsführung ist notwendiger Teil der Gesellschaftsverfassung und kann daher in Voraussetzungen und Umfang, soweit nicht gesetzlich zwingend vorgegeben, als Teil der Organisationsverfassung durch die Gesellschafter konkretisiert werden. Sind die Voraussetzungen der Abberufbarkeit aber satzungsmäßig festgelegt, sind die Gesellschafter meines Erachtens an diese Festlegungen gebunden. Denn die Satzungsfreiheit fußt auf dem Grundsatz der Selbstbestimmung, so dass auch nachteilige Regeln verbindlich sind, sofern der Gesellschafter an ihrer Formulierung mitgewirkt hat oder in voller Kenntnis der entsprechenden Verhältnisse der Gesellschaft beigetreten ist.267 Selbstbestimmung muss notwendig auch Selbstbindung zur Folge haben. In Kenntnis dieser Selbstbindung wird der Geschäftsführer sein Amt übernehmen und in der Organstellung seine Rolle in der durch die Satzung vor260  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 67  f., § 35 Rn. 18; dagegen: OLG Dresden 4.12.2001, NJOZ 2003, 3301; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 130 f. 261  Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 22. 262  OLG Dresden 4.12.2001, NJOZ 2003, 3301; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 131; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 13; Fischer, BB 2013, 2819 (2825). 263  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 131. 264  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 131. 265  Grziwotz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, § 18 Rn. 2. 266  Grziwotz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, § 18 Rn. 4 m. w. N. 267  Grziwotz, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, § 18 Rn. 6.



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers61

geschriebenen Organisationsverfassung ausüben. Er ist somit in Ansehung der Satzung kein unbeteiligter Dritter – dem Rechte durch die Satzung nach überwiegender Auffassung gerade nicht eingeräumt werden könnten268 –, sondern ein unmittelbar von den Satzungsregelungen betroffener Teil der Gesellschaftsorganisation. Es leuchtet daher nicht ein, dass derjenige Geschäftsführer, dem ein Sonderrecht auf Geschäftsführung durch die Satzung eingeräumt worden ist – welches möglicherweise im Anstellungsvertrag sogar nochmals wiederholt ist –, dennoch unkontrolliert abberufen werden können soll. Die Gegenansicht verkennt, dass die Gesellschafter durch Satzungsgestaltung ihr grundsätzliches Recht zur freien Abberufung selbst einschränken können. Ohne die Anerkennung einer korrespondierenden subjektiven Rechtsposition des jeweiligen Geschäftsführers läuft diese Selbsteinschränkung im Zweifel aber leer. 4. Bestand der Organstellung während eines Rechtsstreits („Schwebezeit“) Im Aktienrecht ist mit § 84 Abs. 3 S. 4 AktG für die Schwebezeit eines Rechtsstreits über die Abberufung des Vorstands – die nur aus wichtigem Grund möglich ist – eindeutig geregelt, dass die Abberufung nur im Falle der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit ex tunc ihre Wirksamkeit verliert. Die Abberufung beansprucht zunächst einmal Geltung. Aufgrund dieser gesetzlichen Anordnung besteht nach herrschender Ansicht auch keine Möglichkeit des Eilrechtsschutzes in dieser Konstellation.269 Für die GmbH gilt dies nur im Anwendungsbereich des MitbestG, wenn Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer durch den Aufsichtsrat erfolgen und wie in der Aktiengesellschaft nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Ansonsten gibt es keine vergleichbare Regelung, so dass die Behandlung der Schwebezeit während eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Abberufung im Recht der GmbH äußerst umstritten ist. Der BGH hält bislang bei einem nicht förmlich festgestellten – und deshalb mit der Beschlussfeststellungsklage angegriffenen – Abberufungsbeschluss die objektive Rechtslage für maßgeblich.270 Diese sei gegebenenfalls vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu ermitteln. Nach anderer Auffassung soll ohne ein förmlich festgestelltes Beschlussergebnis bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine tatsächlich getroffene Abberufungsentscheidung der Geschäftsführer als status quo in der Organstellung Ulmer/Löbbe, in: Großkommentar GmbHG, § 3 Rn. 45 ff. m. w. N. etwa Spindler, in: MüKoAktG, § 84 Rn. 141 m. w. N. 270  BGH 20.12.1982, BGHZ 86, 177 (180 f.); s. a. OLG Stuttgart 13.4.1994, NJWRR 1994, 811. 268  Siehe 269  Siehe

62

§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

verbleiben. Erst wenn der Abberufungsbeschluss positiv festgestellt ist, soll die Abberufung ex nunc wirken.271 Anderenfalls wäre für Dritte wie auch für den Geschäftsführer selbst bis zur gerichtlichen Feststellung des Beschluss­ ergebnisses völlig unklar, ob den Geschäftsführer in der Zwischenzeit die gesetzlich zwingenden Organpflichten und die korrespondierende Haftung treffen oder nicht.272 Bei förmlicher Beschlussfeststellung und der Geltendmachung von Anfechtungsgründen gibt es bislang keine eindeutige Rechtsprechung des BGH.273 Einige Instanzgerichte gehen mit einer Analogie zu § 84 Abs. 3 S. 4 AktG von einer vorläufigen Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses aus.274 Jedenfalls für die Zwei-Personen-GmbH ist die vorläufige Wirksamkeit allerdings vom BGH eindeutig abgelehnt worden.275 Die wohl überwiegende Literatur argumentiert im Grundsatz für eine analoge Anwendung von § 84 Abs. 3 S. 4 AktG bis zur rechtskräftigen Klärung.276 Der Abberufungsbeschluss soll vorläufig wirksam sein und eine gegenteilige Gerichtsentscheidung nur ex nunc wirken. Regelmäßig werden Ausnahmen gemacht für den Fall, dass der Abberufungsbeschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig ist, sowie für die paritätische Zwei-PersonenGmbH. Dann soll wiederum für eine Wirksamkeit des Beschlusses ex tunc die objektive Rechtslage entscheidend sein.277 Manche Stimmen wollen auch beim Gesellschafter mit Sonderrecht auf Geschäftsführung (der nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann) bei Streit über das Vorliegen eines wichtigen Grundes die Wirksamkeit der Abberufung erst mit Rechtswirksamkeit einer entsprechenden Entscheidung annehmen.278

271  Paefgen,

in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 202, 209. in: GmbHG Großkommentar, § 38 Rn. 202. 273  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 144. 274  OLG Hamm 17.9.2001, NZG 2002, 50  f.; LG Magdeburg 7.5.2004, NJOZ 2004, 2712 (2715). 275  BGH 20.12.1982, BGHZ 86, 177 (181). 276  U.  H. Schneider, ZGR 1983, 535 (542 f.); im Grundsatz Lieb/Eckhardt, Der GmbH-Geschäftsführer in der Grauzone zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (1987), S.  26 f.; Lunk, ZIP 1999, 1777 (1786); Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 64; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rn. 26. 277  Lunk, ZIP 1999, 1777 (1786); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 28; Terlau, in: Michalski, GmbHG, § 38 Rn. 67. 278  U.  H. Schneider, ZGR 1983, 535 (543); Grunewald, FS Zöllner I (1998), S.  177 (189 f.); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 62; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 38 Rn. 216; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 34. 272  Paefgen,



B. Die Rechtsstellung des GmbH-Geschäftsführers63

Stephan/Tieves weisen zu Recht darauf hin, dass sich die Frage nach der vorläufigen Wirksamkeit einer Abberufung der Sache nach um eine vorweggenommene einstweilige Regelung ohne Einzelfallprüfung dreht.279 Die entscheidende Frage ist, ob dem zweifellos gesteigerten Bedürfnis nach Rechtssicherheit mit dem einstweiligen Rechtsschutz oder mit pauschalierenden Regelungen besser Rechnung getragen wird. Grundsätzlich nehme es die Rechtsordnung hin, dass zunächst Unsicherheit über die Rechtslage bestehe und ein Gericht dann mit Wirkung ex tunc über die Rechtslage entscheide.280 Die für eine analoge Anwendung von § 84 Abs. 3 S. 4 AktG erforderliche vergleichbare Ausgangslage bestehe dann, wenn in der Gesellschafterversammlung keine personellen Verflechtungen mit dem betroffenen Geschäftsführer bestehen oder seine eigene Stimme keinen Unterschied für die Abberufungsentscheidung gemacht hätte. Denn dann sei die Situation mit einer Beschlussfassung des quasi neutralen Aufsichtsrats vergleichbar, die zunächst einmal die Vermutung der Richtigkeit in sich trägt.281 In allen anderen Fällen gibt es hingegen mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung im Recht der GmbH keine automatische vorläufige Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses, so dass einstweiliger Rechtsschutz möglich ist.282 5. Zwischenergebnis Anhand der dargestellten Rechtsschutzmöglichkeiten wird deutlich, dass eine persönliche Rechtsposition des Geschäftsführers im Hinblick auf das Organverhältnis und dessen Beendigung durch einseitigen Akt der Gesellschafterversammlung überwiegend nicht anerkannt ist. In seiner Eigenschaft als Organwalter hat der Geschäftsführer nach überwiegender Auffassung kein subjektives Recht auf die Fortdauer der Bestellung.283 Die Herbeiführung eines Mangels des Beschlusses wird als zwischen den Gesellschaftern zu klärende Frage angesehen. Daher wird angenommen, dass dem Fremdgeschäftsführer keine Anfechtungsbefugnis gegen einen Abberufungsbeschluss zusteht. Das soll selbst dann gelten, wenn er satzungsmäßig nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Ein GesellschafterGeschäftsführer wiederum kann gegen den Abberufungsbeschluss auch nicht in seiner Funktion als Geschäftsführer, sondern nur kraft seines Rechts als Gesellschafter, vorgehen.284 Nur gegen einen nichtigen Abberufungsbeschluss 279  Stephan/Tieves,

in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 151. in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 151. 281  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 153. 282  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 155. 283  Siehe statt vieler Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 130. 284  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 130 f. 280  Stephan/Tieves,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

kann auch der Fremdgeschäftsführer Rechtsschutz im Wege der Nichtigkeitsklage beanspruchen. Insgesamt ergibt sich ein Bild prozessual schwach ausgestalteter Rechtsschutzmöglichkeiten, welche sich überwiegend aus dem Primat der freien Abberufbarkeit und der Konzentration des Beschlussmängelrechts auf Gesellschafter-Streitigkeiten ergeben. Der Bestand der Organstellung des Geschäftsführers erscheint als ein bloßer Reflex inner-gesellschaftlicher Streitigkeiten über die Wirksamkeit zugrundeliegender Beschlüsse.

C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses I. Das „Danosa“-Urteil des EuGH Der Grundsatz der strikten Trennung von Anstellung und Bestellung des Geschäftsführers ist durch die Danosa-Entscheidung des EuGH in Frage gestellt worden und hat damit eine neue Diskussion in der deutschen Rechtswissenschaft entfacht. In der Entscheidung erklärte der Gerichtshof zum einen die Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG auf Geschäftsführerinnen, welche dem europäischen Arbeitnehmerbegriff unterfallen, für anwendbar.285 Zum anderen befand er infolge der Anwendbarkeit des mutterschutzrecht­ lichen Kündigungsverbots die Abberufung der schwangeren Geschäftsführerin aus ihrer Organstellung für unwirksam.286 In der deutschen Literatur hat in Reaktion auf das Urteil vor allem eine intensive Auseinandersetzung mit dem europäischen und deutschen Arbeitnehmerbegriff im Hinblick auf Geschäftsführer stattgefunden.287 Einige Stimmen prophezeien oder fordern bereits eine grundsätzliche Anpassung auch des nationalen Arbeitnehmerbegriffs hin zu einer generellen Einbezie285  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 56 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 286  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 62 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 287  S. etwa Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf Organmitglieder am Beispiel des Geschäftsführers der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und des Vorstands der Aktiengesellschaft (2011); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht: Ein deutsch-italienischer Rechtsvergleich vor dem Hintergrund der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014); Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016).



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 65

hung von Geschäftsführern.288 Die vorliegende Arbeit befasst sich nicht mehr grundsätzlich mit der Einordnung des Geschäftsführers als Arbeitnehmer, sondern knüpft an den Teil des Urteils an, der Aussagen zum Durchgriff des auf der Mutterschutzrichtlinie beruhenden Kündigungsverbots auf das Organverhältnis macht. Der EuGH hat insoweit in seinem Urteil ausgesprochen, dass im Falle der Schwangerschaft einer Geschäftsführerin auch deren Abberufung aus der Organstellung nicht möglich sei.289 1. Aussagen des Urteils Zum Teil ist bereits grundsätzlich kritisch hinterfragt worden, ob der EuGH in seinem Danosa-Urteil tatsächlich so zu verstehen sei, dass die Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung als unwirksam anzusehen ist. Einige Stimmen bezweifeln das290 und wollen von einem Missverständnis ausgehen. Sie führen insbesondere die nicht konsistente Formulierung der Urteilsgründe an, in denen zum einen von der „Abberufung“,291 an anderer Stelle aber wiederum von der „Beendigung eines Geschäftsbesorgungs­ verhältnisses“292 die Rede sei.293 Weder das vorlegende Gericht – der lettische Augstākās Tiesas Senāts –, noch der EuGH hätten trennscharf zwischen Bestellung und Anstellung unterschieden. Bei näherer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass es sich nicht um ein Missverständnis handelt und der EuGH keineswegs unreflektiert von der Unwirksamkeit der Abberufung spricht.294 Es ist zwar zutreffend, dass der EuGH in seinen Urteilsgründen keine trennscharfe Unterscheidung von Kündigung und Abberufung verfolgt hat.295 288  So bereits Wank, FS Wiedemann (2002), 587; Wank, EWiR 2011, 27 (28); a. A. Goette, FS Wiedemann (2002), 873 (885 ff.). 289  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 74 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 290  Bauer, GWR 2010, 586; Baeck/Winzer, NZG 2011, 101; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (37); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (45); Mohr, ZHR 178, 326 (344). 291  So etwa im Tenor zu 2. und unter Rn. 35  f., 67, siehe EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 292  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 67 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 293  So insbesondere Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (37). 294  So auch Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 36; Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 136, 138. 295  Das kann auch zu Recht kritisiert werden; führt es doch in Mitgliedstaaten, in denen das Trennungsprinzip gilt zu Verwirrung über die Reichweite der Aussagen des Gerichts, wie sich in Deutschland beobachten ließ.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Aus dem Urteil lässt sich aber dennoch die deutliche Aussage entnehmen, dass der Kündigungsschutz der Mutterschutz-Richtlinie sowohl die Kündigung des schuldrechtlichen Vertrags einer Arbeitnehmerin im unionsrecht­ lichen Sinne, als auch deren Abberufung aus der Organstellung verhindern soll.296 Zunächst ist schon der Wortlaut des Tenors zu 2. denkbar klar, der von einer ohne Einschränkungen zulässigen „Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft“ spricht.297 Zudem hat der EuGH auch die Unterscheidung des Vorlagegerichts zwischen schuldrecht­ lichem und organschaftlichem Rechtsverhältnis aufgenommen,298 so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Gerichtshof seine Aussagen zur Abberufung bewusst getroffen hat. Noch verdeutlicht werden die Aussagen des Urteils, wenn man die Schlussanträge von Generalanwalt Bot299 hinzuzieht. Die Schlussanträge sind keine Ergänzung des Urteils oder der Urteilsgründe;300 aus ihnen ist aber ersichtlich, auf welcher Tatsachen- und Argumentationsgrundlage der Gerichtshof sein Urteil gesprochen hat. Sie tragen somit zu einer besseren Einordnung bei. Der Generalanwalt legt zunächst dar, welche für die Rechtsstellung der Geschäftsführerin relevanten Bestimmungen im lettischen Recht gelten. Bereits anhand dieser Ausführungen zum nationalen lettischen Recht zeigt sich, dass dort ebenfalls eine Trennung zwischen der gesellschaftsrechtlichen Bestellung und der schuldrechtlichen Anstellung der Geschäftsführer vorgesehen ist. Das lettische Arbeitsgesetz sehe vor, dass mit Mitgliedern der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften ein Arbeitsvertrag geschlossen wird, sofern sie nicht aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrags eingestellt sind.301 Das lettische Handelsgesetz hingegen bestimme, dass der Vorstand das Leitungsorgan der Gesellschaft ist, das sie verwaltet und sie vertritt.302 Das Handelsgesetz bestimme auch, dass die Gesellschafterversammlung die Mitglieder des Vorstands ernenne und abberufe.303 In seiner Zusammenfassung 296  So auch Reufels, ArbRB 2010, 358; Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Schubert, EuZA 2011, 362 (366 f.); Reiserer, DB 2011, 2262 (2267). 297  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 298  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 35 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 299  GA Yves Bot, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, I-11408. 300  Colneric, ZEuP 2005, 225 (231). 301  GA Yves Bot, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, I-11408, Rn. 28. 302  GA Yves Bot, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, I-11408, Rn. 30. 303  GA Yves Bot, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, I-11408, Rn. 31.



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 67

des Vorlageverfahrens stellt der Generalanwalt dar, dass es einen Ernennungsbeschluss der Geschäftsführerin zum alleinigen Vorstandsmitglied durch die Gesellschaft gegeben habe. Der Vorlageentscheidung zufolge sei aber kein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen worden. Die beklagte Gesellschaft habe dieser Feststellung widersprochen und vorgetragen, mit der Klägerin sei entgegen ihres Wunsches zum Abschluss eines Arbeitsvertrags ein Auftragsverhältnis begründet worden. Auf dieser Grundlage sei sie zum Mitglied des Vorstands ernannt worden.304 Der Generalanwalt legt auch dar, dass die Klägerin der Ansicht sei, von den Parteien werde tatsächlich ein Arbeitsverhältnis erfüllt, welches nicht schriftlich niedergelegt worden sei.305 Sie meine, dass Art. 224 Abs. 4 des lettischen Handelsgesetzes, der es der Gesellschafterversammlung erlaubt, die Mitglieder der Leitungsorgane einer Gesellschaft jederzeit abzuberufen, mit Art. 109 Abs. 1 des lettischen Arbeitsgesetzes, der schwangeren Arbeitnehmerinnen bestimmte soziale Garantien einräumt, kollidiere. Dabei habe nach Ansicht der Klägerin Art. 109 des Arbeitsgesetzes, der die Beendigung des Arbeitsvertrags mit einer schwangeren Arbeitnehmerin verbietet, Vorrang.306 Entsprechend lautete die Vorlagefrage zu 2. des lettischen Instanzgerichts: „Stehen Art. 10 der Richtlinie 92/85 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 224 Abs. 4 des lettischen Handelsgesetzes entgegen, der die Abberufung von Mitgliedern des Vorstands von Kapitalgesellschaften ohne jede Einschränkung, insbesondere – im Falle einer Frau – ungeachtet des Bestehens einer Schwangerschaft, gestattet?“ Diese zweite Vorlagefrage wäre unnötig gewesen, wenn es dem vorlegenden Gericht allein auf den Kündigungsschutz auf schuldrechtlicher Ebene angekommen wäre. Denn dieser würde mit der ersten Vorlagefrage nach der Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsführerin im unionsrechtlichen Sinne unvermeidlich geklärt werden. Entsprechend fasst der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zusammen: „Mit seinen Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie 92/85 angesehen werden kann und welche Reichweite gegebenenfalls der in Art. 10 der Richtlinie gewährte Kündigungsschutz hat“ (Hervorhebungen durch Verf.).307 Der Generalanwalt hat die Unterscheidung zwischen Anstellung und Bestellung im lettischen Recht gesehen und das Vorabentscheidungs­ 304  GA Yves Bot, I-11408, Rn.  32 ff. 305  GA Yves Bot, I-11408, Rn. 37. 306  GA Yves Bot, I-11408, Rn. 38. 307  GA Yves Bot, I-11408, Rn. 45.

Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

ersuchen des lettischen Augstākās Tiesas Senāts als spezifisch auf diese getrennten Rechtsverhältnisse bezogen verstanden. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass der Generalanwalt es ausdrücklich nur auf das Bestellungsverhältnis bezieht, wenn er feststellt: „Als Antwort auf die zweite Vorlagefrage werde ich vorschlagen, dass die Richtlinie 92/85 der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Arbeitnehmerin, die Mitglied des Vorstands einer Kapitalgesellschaft ist, ohne Einschränkung abberufen werden kann, soweit diese Regelung eine Abberufung (Hervorhebung durch Verf.) aus Gründen zulässt, die mit der Schwangerschaft zusammen­ hängen.“308 Der Gerichtshof selbst hat die Unterscheidung zwischen dem Anstellungsund dem Bestellungsverhältnis aus den Schlussanträgen des Generalanwalts insbesondere in der Begründung des Urteils zwar nicht in ihrer dortigen Klarheit übernommen. Er hat aber in der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage im Wesentlichen auf die Abberufung aus der Organstellung rekurriert.309 Nicht zuletzt muss auch ganz pragmatisch gesehen werden, dass es Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt, die kein Trennungsprinzip im Recht der Geschäftsleiteranstellung kennen, sondern von einem einheitlichen Rechtsverhältnis ausgehen.310 Hingegen wäre es aber lebensfremd, davon auszugehen, die Möglichkeit der Trennung von Anstellung und Bestellung in einzelnen nationalen Jurisdiktionen sei dem Gerichtshof als multinational besetztem Spruchkörper nicht bewusst gewesen. Der EuGH verfügt über eine eigene Forschungsabteilung, durch die ihm rechtsvergleichende Überlegungen leicht ermöglicht werden.311 Urteile werden häufig intern durch rechtsvergleichende Studien vorbereitet.312 Auch findet in anderen Mitgliedstaaten längst nicht eine derart kontroverse Diskussion um die Aussagekraft und die Folgen des Danosa-Urteils statt. In Italien beispielsweise – wo es ebenfalls die Trennung zwischen Anstellungs- und Organverhältnis gibt – wurde das Urteil vorbehaltlos als Ausspruch eines Abberufungsverbots verstanden, ohne dass dies überhaupt als Problem angesehen worden wäre. Das Urteil wurde auch nicht in der Intensität wie in Deutschland kritisiert, sondern eher akzeptiert.313 Insgesamt 308  GA Yves Bot, Schlussanträge in der Rs. C-232/09 vom 2.9.2010, Slg. 2010, I-11408, Rn. 8. 309  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 62, 67, 74 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 310  Wie Italien; siehe dazu Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 182 f. 311  Colneric, ZEuP 2005, 225 (229). 312  Rebhahn, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2015), § 18 Rn. 47 (S. 413). 313  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 203.



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 69

ist daher trotz gelegentlicher sprachlicher Ungenauigkeiten des Urteils unzweifelhaft, dass der EuGH spezifisch die Möglichkeit der uneingeschränkten Abberufung aus der Organstellung im lettischen Recht als gegen das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot verstoßend eingeordnet hat. 2. Übertragbarkeit des Urteils auf die Anwendung deutscher Umsetzungsakte Dem Urteil ist allerdings ein gewisser Einzelfallentscheidungscharakter nicht abzusprechen, welcher die Übertragbarkeit auf die Anwendung des deutschen Umsetzungsakts, des MuSchG, zumindest zweifelhaft erscheinen lässt.314 Dem EuGH sei es nur darum gegangen, den Schutz der Klägerin von der formalen Qualifizierung ihres Beschäftigungsverhältnisses nach innerstaatlichem Recht unabhängig zu machen,315 wie es auch der EuGH selbst ausgedrückt habe.316 Denn es konnte nicht letztverbindlich aufgeklärt werden, ob eine schuldvertragliche Abrede irgendeiner Art (schriftlich) abgeschlossen worden war.317 Der Vorlageentscheidung zufolge habe es keinen zivilrechtlichen Vertrag über die Ausübung des Geschäftsführeramts gegeben; die beklagte Gesellschaft habe aber den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages behauptet.318 Die Aussage des EuGH, die Abberufung sei unwirksam, sei daher jedenfalls nicht auf Konstellationen im deutschen Recht übertragbar.319 Es bestünden grundsätzlich keine Ansatzpunkte, den Schutz der Mutterschutz-Richtlinie in Deutschland auf andere Rechtsgeschäfte – die nicht das Anstellungsverhältnis sind – auszudehnen.320 Den Kritikern ist zuzugeben, dass bei gänzlichem Fehlen eines Anstellungsvertrages eine wirksame Abberufung jede rechtsgeschäftliche Verbindung zwischen der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführerin beendet hätte. Folglich hätte kein Rechtsverhältnis mehr bestanden, auf dessen Grundlage 314  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (38); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44  f.); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (341 f.); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S.  138 f. 315  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39). 316  Siehe EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 69 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 317  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138. 318  Siehe EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 22 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 319  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44 f.). 320  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44 f.).

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die in der Richtlinie verankerten Rechte hätten gewährt werden können.321 Die Klägerin wäre – vorbehaltlich einer radikal anderen Schutzkonstruktion – gänzlich schutzlos gewesen.322 Um dies zu vermeiden, habe der EuGH in dem ihm vorliegenden Fall notwendig den Kündigungsschutz auf das Bestellungsverhältnis beziehen müssen.323 Es ist daher durchaus denkbar, dass es sich um eine Entscheidung mit Einzelfallcharakter handelt. Zwar betont der EuGH in seinem Urteil auch, dass es keinen Unterschied machen könne, welche formale Qualifizierung ein Beschäftigungsverhältnis nach innerstaatlichem Recht oder durch die Parteien erhalte. Anderenfalls würde der Schutzzweck der Richtlinie vereitelt.324 Es ist dem EuGH fremd, sich in der schriftlichen Begründung seiner Entscheidungen vertieft mit dogmatischen Feinheiten nationaler Rechtssysteme auseinanderzusetzen. Seine Urteilstechnik konzentriert sich darauf, die europäischen Normen einem gemeinsamen Rahmen zuzuführen, wobei rechtsvergleichende Aspekte selten Eingang in die Urteilsgründe finden.325 In der Folge wäre aber dann entscheidend, dass tatsächlich keine unterschiedliche Behandlung von solchen Geschäftsführerinnen mit und ohne einen separaten (ausdrücklichen) Anstellungsvertrag dahingehend erfolgt, dass die einen Mutterschutz im Rahmen ihres bestehenden Anstellungsvertrags erhielten, die anderen hingegen im Rahmen ihrer Organstellung. Ansonsten wären die Inhalte des Schutzes völlig unterschiedlich. Zu derartigen weitergehenden Fragen hat sich der EuGH nicht geäußert. Hinzu kommt noch, dass im lettischen Recht die Bestellung eine größere wirtschaftliche Bedeutung für das Organmitglied hat als im deutschen Recht, denn sie begründet unmittelbar einen Vergütungsanspruch nach Art. 221 Abs. 8 des lettischen HGB.326 Die Abberufung hat deshalb im lettischen Recht gravierendere soziale Folgen für das abberufene Organmitglied als im deutschen Recht, wo der Vergütungsanspruch aus dem Anstellungsvertrag bei

321  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138. 322  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138. 323  So Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (38 f.); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (341 f.); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138 f. 324  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 69 – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 325  Dobler, Legitimation und Grenzen der Rechtsfortbildung durch den EuGH, in: Roth/Hilpold (2008), S. 515, 517. 326  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138.



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 71

einer Abberufung grundsätzlich bestehen bleibt.327 Darauf hat der EuGH seine Entscheidung zwar nicht explizit gestützt. Dennoch mag sie durch diese Zusammenhänge zumindest beeinflusst gewesen sein.

II. Weitere Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung 1. Weites Verständnis der Mutterschutz-Richtlinie Die Erkenntnis, dass der Widerruf der Bestellung wegen einer Schwangerschaft der betreffenden Geschäftsführerin unwirksam ist, steht in einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zum weit verstandenen Kündigungsverbot der Mutterschutz-Richtlinie.328 So sieht der EuGH nicht nur die eigentliche Mitteilung einer Kündigungsentscheidung, sondern auch jede Vorbereitungshandlung – etwa bereits die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes – innerhalb der Schutzzeit als vom Kündigungsverbot der Richtlinie umfasst an.329 Es zeigt sich insgesamt eine Tendenz zur extensiven Auslegung des Kündigungsschutztatbestandes der Richtlinie. 2. Einbeziehung von Geschäftsführern in den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff Das weite Verständnis des persönlichen Anwendungsbereichs besteht nicht nur für den Kündigungsschutztatbestand der Mutterschutz-Richtlinie. Auch wenn es nach wie vor nicht den einheitlichen „unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff“ gibt,330 haben sich doch bestimmte regelmäßig verwendete Kriterien für den unabhängig unionsrechtlich zu bestimmenden Arbeitnehmerstatus herausgeformt. Regelmäßig beschreibt der EuGH das Arbeitsverhältnis in Anknüpfung an seine als „Lawrie-Blum-Formel“ bezeichnete Definition für die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 Abs. 1 AEUV)331 als ein Verhältnis, in dem „eine Person während einer bestimmten Zeit für

327  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 138 f. 328  Oberthür, NZA 2011, 253 (257); s. a. Ziegler, Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht (2011), S. 286 f. 329  EuGH 11.10.2007, Rs. C-460/06, Slg. 2007, I-8513 – Nadine Paquay/Société d’architectes Hoet + Minne SPRL. 330  Rebhahn, EuZA 2012, 3 (31); Junker, EuZA 2016, 184 (190); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (47) gehen indessen von einer starken Tendenz zur Vereinheitlichung aus. 331  EuGH 3.7.1986, Rs. 88/85, Slg. 1986, 2121 Rn. 16 – Deborah Lawrie-Blum/ Land Baden-Württemberg.

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eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.332 Die Einbeziehung von Geschäftsführern in den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff hat in der Rechtsprechung des EuGH ihren Anfang mit einer Entscheidung für den Fall genommen, dass ein alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer jedenfalls nicht in einem Unterordnungsverhältnis im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs stehen soll.333 Den ArbeitnehmerKriterien unterfallen soll ein GmbH-Geschäftsführer nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des EuGH hingegen grundsätzlich, sofern er überhaupt kein oder nur minderheitlich beteiligter Gesellschafter der GmbH ist.334 Seine Eigenschaft als Mitglied der Unternehmensleitung könne nicht als solche ausschließen, dass er sich in einem Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft befinde. Ein Mitglied der Geschäftsleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, erfülle dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen, um als Arbeitnehmer im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu gelten.335 Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff in Bezug auf Geschäftsführer ist nach dem Danosa-Urteil weiter verfestigt und hinsichtlich anderer Richt­ linien bestätigt worden. So sind Geschäftsführer, die unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen, als Arbeitnehmer im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie anzusehen.336 Auch ist auf sie die Zuständigkeitsregelung des Art. 18 Abs. 1 der „Brüssel-I-Verordnung“ (EG Nr. 44/2001) anwendbar, so dass der spezielle Arbeitnehmer-Gerichtsstand zu ihren Gunsten besteht.337 Die im Danosa-Urteil erstmals offensiv vorgenommene „Bereicherung“ des Arbeitnehmerbegriffs338 mit nicht-traditionellen Elementen wurde insoweit 332  So auch EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 39 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 333  EuGH 27.6.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I-03089 Rn. 25 f. – P. H. Asscher/ Staatssecretaris van Financiën. 334  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA; 9.7.2015, Rs.  C-229/14, EuZW 2015, 682  – Ender Balkaya/Kiesel Abbruch- und Recycling Technik GmbH. 335  EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 47 ff. – Dita Danosa/ LKB Līzings SIA. 336  EuGH 9.7.2015, Rs. C-229/14, EuZW 2015, 682 – Ender Balkaya/Kiesel Abbruch- und Recycling Technik GmbH. 337  EuGH 10.9.2015, Rs. C-47/14, EuZW 2015, 922 – Holterman Ferho Exploitatie u. a./Spies von Büllesheim. 338  Rebhahn, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2015), § 18 Rn. 48 (S. 414).



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 73

durch den EuGH weiter bekräftigt. Somit zählen etwa die Möglichkeit des Vertragspartners, den Vertrag zu beenden, eine nicht näher definierte Integration, sowie die Pflicht, dem Aufsichtsrat Rechenschaft zu geben und mit diesem zusammenzuarbeiten als Distinktionsmerkmale.339

III. Weitere Rezeption durch die deutsche Literatur und Rechtsprechung In der deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur ist die Rechtsprechung des EuGH unterschiedlich aufgenommen worden. Neben denjenigen Stimmen, die bereits die Aussagekraft des Danosa-Urteils an sich bezweifeln,340 widerspricht ein Teil der rechtswissenschaftlichen Stimmen der Ansicht des EuGH insgesamt und hält den deutschen Umsetzungsakt der Richtlinie 92/85/EWG, das Mutterschutzgesetz, für unanwendbar auf Geschäftsführerinnen. Die Einbeziehung von Geschäftsleitern in den europäischen Arbeitnehmerbegriff sei generell nicht wünschenswert, da diese nicht einem „strukturell unterlegenen Personenkreis zugehörig“ seien.341 1. Anwendung des Mutterschutzgesetzes nur im Rahmen des Anstellungsverhältnisses Überwiegend hat die Anwendung des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots auf das Anstellungsverhältnis von sogenannten abhängigen Geschäftsführern aber Zustimmung gefunden.342 Die Ausweitung auf die Organstellung durch die Rechtsprechung des EuGH ist hingegen vielfach als ein zu weitgehender Eingriff in die Privatautonomie oder Organisationsfreiheit der Gesellschaft kritisiert worden.343 Sie gehe über die Grenzen eines 339  Rebhahn, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre (2015), § 18 Rn. 47 Fn. 129 (S. 413). 340  Siehe oben § 2 C. I. 1. 341  Giesen, ZfA 2016, 47 (67). Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber im Hinblick auf das Anstellungsverhältnis zwischenzeitlich Klarheit geschaffen und den Anwendungsbereich des MuSchG mit Wirkung ab dem 1.1.2018 in dessen § 1 Abs. 2 S. 1 auf Frauen in einer Beschäftigung iSv. § 7 Abs. 1 SGB IV ausgedehnt. Der dort verwendete sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff erfasst regelmäßig Geschäftsführer ohne Anteilsmehrheit oder anderweitig gesicherten bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft. 342  Schlachter, in: Erfurter Kommentar, § 1 MuSchG Rn. 7; Rolfs, in: A/P/S, Kündigungsrecht, § 9 MuSchG Rn. 12  f., 22; Pepping, in: Rancke, Handkommentar ­MuschG/BEEG, § 1 MuSchG Rn. 28. 343  Baeck/Winzer, NZG 2011, 101; Bauer, GWR 2010, 586; Junker, NZA 2011, 950 (951); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244); Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (283 f.); Sagan, ZESAR 2011, 413 (419 f.);

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

angemessenen Sozialschutzes weit hinaus.344 Unter finanziellen Aspekten und mit Rücksicht auf den Gesundheitsschutz der Schwangeren sei die ­Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses noch nachvollziehbar.345 Hinsichtlich der Organstellung müsse aber die Organisationsfreiheit der ­Gesellschaft vorgehen und sich der Mutterschutz auf die Ebene des Anstellungsvertrags beschränken.346 Anderenfalls würden sowohl die vertraglichen Bindungen aus dem Anstellungsverhältnis als auch der gesetzliche Schutz des einzelnen Organmitglieds auf die Willensbildung einer juristischen Person mittels ihrer Organe durchschlagen. Das organschaftliche Handeln wäre von den dienstvertraglichen Beziehungen zu den Leitungsorganmitgliedern vorgegeben. Der gesellschaftsrechtliche Schutz der Anteilseigner und der Gesellschaftsgläubiger würde durch eine solche Ausweitung auf das Organverhältnis unterlaufen.347 Darüber hinaus wird zum Teil in einer Ausweitung auf das Organverhältnis auch eine Gefahr für die „arbeitsrechtliche Absicherung“ des Organmitglieds selbst gesehen. Um Schadensrisiken zu beseitigen, die aus der fortbestehenden Organstellung folgen, würden die abberufenen Organe in der Regel selbst auf eine sofortige Beendigung der Organstellung hinwirken. Mit einer Amtsniederlegung könnten sie ihre organschaftlichen Pflichten beenden. Stünden sie nunmehr wegen der „Verknüpfung“ von Anstellungs- und Organverhältnis noch zusätzlich unter dem Zwang, das Anstellungsverhältnis ebenfalls schnellstens zu beenden, bliebe in vielen Fällen der damit verbundene soziale Schutz auf der Strecke.348 Dieses Argument beruht allerdings auf der Fehlannahme, dass Anstellungs- und Organverhältnis als eine Einheit zu bewerten sind; jedoch wäre es der Geschäftsführerin aber wohl weiterhin möglich, das Amt niederzulegen ohne zugleich den Anstellungsvertrag zu beenden. Teilweise wird von dieser Argumentation auch wieder Abstand genommen für den Fall, dass Anstellung und Bestellung aufgrund von wirksam vereinbarten Koppelungsklauseln miteinander verbunden seien und daher die Abberufung automatisch auch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses führt.349 Denn dann sei der Kündigungsschutz allein auf Ebene des Anstellungsverhältnisses nicht ausreichend.350 Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (597); Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (44  f.); Schneider/Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 38 Rn. 37; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 6; im Grundsatz auch Schubert, ZESAR 2013, 5 (9 f.); anders dies., EuZA 2011, 362 (367). 344  Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244). 345  Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244). 346  Reinhard/Bitsch, ArbRB 2011, 241 (244); Giesen, ZfA 2016, 47 (59). 347  Giesen, ZfA 2016, 47 (59). 348  Giesen, ZfA 2016, 47 (59). 349  Schubert, EuZA 2011, 362 (367); dies., ZESAR 2013, 5 (9 f.); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (29).



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 75

Orientiere man sich an der Mutterschutz-Richtlinie, sei eine Erstreckung auf das Organverhältnis auch nicht angezeigt.351 Im Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 MuSchRL sei die „Kündigung“ der schwangeren Arbeitnehmerin verboten. Die Erwägungsgründe der Richtlinie stellten klar, dass das Kündigungsverbot die schwangere Arbeitnehmerin davor schützen solle, „entlassen“ zu werden.352 Der Begriff der Entlassung sei zwar in der MuSchRL nicht definiert, jedoch habe der EuGH ihn für den Bereich der Massenentlassungsrichtlinie als die „Kündigung des Arbeitsverhältnisses“ verstanden.353 Messe man diesem Verständnis eine allgemeine Bedeutung bei, spreche das gegen die Erstreckung des Kündigungsverbots auf das Organverhältnis.354 Auch Sinn und Zweck des Kündigungsverbots – Schutz vor physischen und psychischen Beeinträchtigungen auf der einen und Schutz vor Diskriminierung auf der anderen Seite – seien durch den Anstellungsvertrag ausreichend abgedeckt, insbesondere vermittele die MuSchRL keinen absoluten Schutz vor jedwedem Risiko für schwangere Frauen. Vielmehr gebe es eine klare Begrenzung des Schutzzwecks.355 Dass der Schutz vor psychischer Belastung durch die Richtlinie nicht unbegrenzt sei, zeige schon die vorgesehene Ausnahme vom Kündigungsverbot bei nicht mit der Schwangerschaft zusam-

350  Schubert, EuZA 2011, 362 (367); dies., ZESAR 2013, 5 (9 f.); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (29); a. A. Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 148, hält eine Koppelungsklausel, die zur Umgehung des Kündigungsverbots gemäß § 9 MuSchG (seit 1.1.2018 nunmehr § 17 MuSchG) führe, für AGB-rechtlich unwirksam und die Kündigung aus diesem Grund nicht für eine automatische Folge der Abberufung. Im Ergebnis sei im Fall einer automatischen und uneingeschränkten Koppelung von Anstellungsvertrag und Organverhältnis der Arbeitnehmer-Geschäftsführerin nicht von einer Erstreckung des Bestandsschutzes auf das Organverhältnis, sondern von einer Unwirksamkeit der Koppelungsklausel auszugehen. Eine Abberufung sei daher weiter möglich. Das Anstellungsverhältnis bleibe aber entgegen der vertraglichen Regelung bestehen und dürfe auch nicht gesondert gekündigt werden. 351  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 140 ff. 352  Siehe Erwägungsgründe zu Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.19.1992; Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 139. 353  Siehe EuGH 27.1.2005 – Rs. C-188/03, Slg. 2005, I-903, Rn. 36 ff. – Irmtraut Junk/Wolfgang Kühnel; Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 139 f. 354  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 139 f. 355  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 140 ff.; a. A. Schubert, EuZA 2011, 362 (367).

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menhängenden Gründen.356 Im Übrigen ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 10 MuSchRL, dass das Kündigungsverbot vor allem dienende Funktion hat. Es solle den Bestand des Arbeitsvertrags als Grundlage für die effektive Wahrnehmung der anderen, durch die Richtlinie gewährleisteten, Rechte sichern.357 Selbst wenn man den weiteren – der MuSchRL immanenten – Schutzzweck der Gleichbehandlung hinzuziehe, sei deren Reichweite nicht anders zu bewerten.358 Zwar sei die diskriminierende Wirkung einer endgültigen Abberufung mit derjenigen einer Kündigung vergleichbar, wenn die Geschäftsführerin auch nach dem Ende des Mutterschutzes faktisch nicht in der Lage sei, ihre Tätigkeit für die Gesellschaft wiederaufzunehmen. Allerdings handele es sich nur um einen untergeordneten Schutzzweck, dem explizit und primär durch die Gleichbehandlungs-Richtlinie (vor allem deren Art. 14 und 15) Rechnung getragen werde.359 Der durch die GleichbehandlungsRichtlinie 2006/54/EG gewährleistete Kündigungsschutz wiederum bleibe aber hinter demjenigen der MuSchRL zurück: Die Schwangere müsse zum einen wenigstens Indizien für eine Diskriminierung beweisen und zum anderen könnten auf der Grundlage des AGG durch § 15 Abs. 6 nur Sekundär­ ansprüche geltend gemacht werden. Daher könne nicht angenommen werden, dass der Schutz der MuSchRL eine – über diejenige der GleichbehandlungsRichtlinie hinausgehende – Wirkung entfalte.360 Einige Stimmen gehen sogar so weit, zu argumentieren, der diskriminierungsrechtliche Aspekt spreche aus tatsächlichen Gründen eher gegen ein Abberufungsverbot, da er „kollektiv“ zu einer mittelbaren faktischen Benachteiligung aller potenziellen weiblichen Geschäftsführungsorgane führen könne.361 Das sei der Fall, wenn durch die Einschränkung der Abberufbarkeit die Bereitschaft von Gesellschaften zur Einstellung von Frauen im gebärfähigen Alter als Leitungsorgan gemindert werde. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei es daher „kontraproduktiv“,362 die Gefahr derartiger Fehlentwicklungen auf „kollektiver“ 356  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 142. 357  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 142. 358  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 143 f. 359  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 143 f. 360  Schiefer/Worzalla, ZfA 2013, 41 (45); Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 144. 361  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 144 f.



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 77

Ebene gänzlich außer Acht zu lassen, auch wenn man dem Diskriminierungsverbot vorrangig eine individuelle Bedeutung beimesse.363 2. Ausweitung auf das Organverhältnis a) Rechtsgrundlage Von anderen wird im Gegensatz dazu eine Übertragung der Aussagen des EuGH, auch im Sinne einer Ausweitung auf das Organverhältnis, auf das deutsche Recht für möglich und auch erforderlich gehalten. Da bei richtlinienkonformer Auslegung von § 1 Nr. 1 MuSchG auch Geschäftsführerinnen, welche dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfallen, als „Arbeitnehmerin“ anzusehen seien, könne die sogenannte Arbeitnehmer-Geschäftsführerin die auf die Schwangerschaft bezogenen innerstaatlichen Regelungen des MuSchG unmittelbar für sich in Anspruch nehmen. Entsprechend dem EuGH in der Rechtssache Danosa beziehe sich der Kündigungsschutz von § 9 MuSchG (seit 1.1.2018 nunmehr § 17 MuSchG) auch auf die Abberufung aus der Organstellung.364 Über die rechtstechnische Umsetzung herrscht indes Uneinigkeit. Zum Teil wird der Weg über eine ausweitende Anwendung des MuSchG oder eine reduzierende Auslegung von § 38 GmbHG gesucht, zum Teil stattdessen über das AGG. Um die Geschäftsführerin vor psychischen und physischen Belastungen zu schützen, sei einer Ansicht zufolge die rechtfortbildende Anwendung von Art. 10 der MuschRL (92/85/EWG) auf die Abberufung zulässig.365 Diese Auslegung der Richtlinie sei wiederum für die Anwendung von § 9 MuSchG (seit 1.1.2018 nunmehr § 17 MuSchG) maßgeblich, der über eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs Anwendung auf Geschäftsführerinnen finde.366 Denn solange die abberufene Geschäftsführerin nicht einen Anspruch auf erneute Berufung in die Organstellung nach dem Mutterschaftsurlaub habe, erzeuge die Abberufung einen ähnlichen

362  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 144; s. a. Preis, NZA 1997, 1256 (1260); Rolfs, in: A/P/S, § 9 MuSchG Rn. 3. 363  Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 145. 364  Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Reiserer, DB 2011, 2262 (2266). 365  Schubert, EuZA 2011, 362 (367); hinsichtlich der Rechtsgrundlage undifferenziert Oberthür, NZA 2011, 253 (257); a. A. Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des ­ EuGH (2014), S. 140 f. 366  Schubert, EuZA 2011, 362 (367, 369).

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Druck wie die Kündigung des Anstellungsverhältnisses.367 Dieser Druck würde vor allem dadurch erzeugt, dass die Betroffene nach ihrer Abberufung nicht mehr als Geschäftsführerin tätig sein und in der Folge ihr Anstellungsvertrag wegen des weggefallenen Beschäftigungsbedarfs gekündigt werden könnte.368 Andere hingegen suchen den Weg über eine unionsrechtskonform reduzierende Auslegung von § 38 GmbHG, so dass eine Abberufung wegen der Schwangerschaft auf Grundlage von § 38 Abs. 1 GmbHG unwirksam sein soll.369 Insoweit sei eine entsprechende Auslegung nach dem höherrangigen Recht des Art. 10 der MuschRL (92/85/EWG) geboten und auch möglich. Eine unionsrechtskonforme Reduktion sei insbesondere angesichts § 38 Abs. 2 GmbHG durchaus denkbar, der zeige, dass die freie Abberufbarkeit zwar der Regelfall sei, aber auch Einschränkungen vorgesehen werden können.370 An beiden Ansätzen wird kritisiert, dass das MuSchG, insbesondere dessen § 9, sowie auch § 38 GmbHG einer unionsrechtskonformen Auslegung gar nicht zugänglich seien. § 38 GmbHG sei sowohl im Wortlaut als auch von seinem Zweck her eindeutig, so dass es sich um eine Auslegung contra legem handeln würde.371 In diesem Zusammenhang sei es insbesondere auch misslich, dass es keine Regelung für Fälle gebe, in denen die Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin gerade nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang steht. Da § 38 GmbHG keine dem § 9 Abs. 3 MuSchG entsprechende Ausnahmeregelung enthalte und in seinem Wortlaut sehr klar sei, sei es fraglich, ob eine solche in ihn hineingelesen werden könne.372 Schon mangels Behördenzuständigkeit lasse sich § 9 Abs. 3 MuSchG nicht auf die Abberufung übertragen. Im Ergebnis wäre der Abberufungsschutz sonst stärker als der regulär durch das MuSchG vermittelte Kündigungsschutz, weil Ausnahmen im Falle der Abberufung nicht vorgesehen sind.373 Ein Abberufungsverbot wegen Bezuges zur Schwangerschaft könne daher stattdessen aufgrund richtlinienkonformer Auslegung der Normen des AGG (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1) konstruiert werden. Die 367  Schubert,

EuZA 2011, 362 (367). EuZA 2011, 362 (367). 369  Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (597 f.). 370  Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (597 f.). 371  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 204 f.; siehe dazu auch bereits Lunk, FS Bauer (2010), 705 (716). 372  Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (598) haben hingegen keine Bedenken, dass es einer entsprechenden Regelung behördlicher Zustimmung (zur Abberufung) nicht bedarf, da diese auch nicht zwingend von der Richtlinie vorgesehen sei. 373  Junker, NZA 2011, 950 (951); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 205 f. 368  Schubert,



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 79

dort zugrundeliegenden Richtlinien 2006/54/EG (Gleichbehandlungsricht­ linie) und 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) seien weiter zu verstehen als die Mutterschutzrichtlinie, da sie den Begriff der „Entlassungsbedingung“ statt desjenigen der „Kündigung“ verwenden. Somit werde nicht zwischen organschaftlicher und vertraglicher Ebene differenziert.374 Eine wegen einer Schwangerschaft und damit wegen des Geschlechts ausgesprochene Abberufung verstieße gegen § 6 Abs. 1 AGG.375 Die Folge sei die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses gemäß § 7 Abs. 1 AGG i.  V.  m. § 241 Nr. 3 AktG analog.376 Nötigenfalls lasse sich der Abberufungsschutz jedenfalls auch auf der Grundlage des in den Richtlinien konkretisierten Primärrechts – des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Mann und Frau sowie des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Art. 23 und Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta) – erreichen. Dasjenige nationale Recht, welches gegen die in der Richtlinie konkretisierten Primärrechte verstößt – hier § 38 GmbHG –, habe im Ergebnis schlicht unangewendet zu bleiben.377 Daran, dass aufgrund der Richtlinien ein entsprechendes Gebot besteht, den Kündigungsschutz auch auf die Abberufung anzuwenden, bestehen jedoch erhebliche Zweifel, wie soeben unter § 2 C. III. 1. dargestellt worden ist.378 Art. 10 der Mutterschutz-Richtlinie sieht nur vor, dass die mitgliedstaatlichen Vorschriften vor einer Kündigung zu schützen haben. Es ist überzeugend, den Begriff der Kündigung als die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen,379 so dass der sachliche Anwendungsbereich des Kündigungsverbots das Organverhältnis nicht umfasst.380 Auch hinsichtlich der Gleichbehandlungsrichtlinien ist nicht ohne Weiteres klar, dass der dort verwendete Begriff der „Entlassungsbedingungen“ tatsächlich weiter zu verstehen ist, als derjenige der „Kündigung“, da die Begriffe „Entlassung“ und „Kündigung“ im Recht der europäischen Richtlinien weitgehend alternie374  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 206 f.; a. A. Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1993), die sich allerdings nur mit der Umsetzungsregelung durch das AGG beschäftigen. 375  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 207. 376  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 207; dagegen Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1993). 377  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 208 und 39 f. m. w. N. zu der entsprechenden Methodik des EuGH. 378  Siehe noch näher unter § 2 D. I. 379  Siehe Hildebrand, Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 139 f. 380  A.  A. freilich der EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 57 ff. – Dita Danosa/LKB Līzings SIA.

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rend verwendet werden.381 Jedenfalls ist kein positiver Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Begriff der „Entlassung“ auch die Beendigung des Organverhältnisses erfassen soll; vielmehr umfasst er, soweit er nicht mit dem Begriff der Kündigung gleichgesetzt wird, nur alternative schuldrechtliche Beendigungsgründe wie die Anfechtung und den Aufhebungsvertrag.382 Weitere erhebliche Zweifel bestehen – selbst wenn man von einem entsprechenden Inhalt der Richtlinien ausgehen würde – jedenfalls an einer dahingehenden Auslegungsfähigkeit der Umsetzungsnormen des MuSchG wie auch von § 38 GmbHG. Bei einer direkten Anwendung des mutterschutzrechtlichen Kündigungsverbots auf das Organverhältnis sind keine Ausnahmen vom Kündigungsverbot vorgesehen. Der Einwand, dass sich die Möglichkeit der ausnahmsweisen behördlichen Zulässigerklärung der Kündigung schon mangels Behördenzuständigkeit nicht auf die Abberufung anwenden lässt,383 überzeugt. Im Ergebnis wäre der Abberufungsschutz tatsächlich stärker als der Kündigungsschutz auf schuldrechtlicher Ebene. Das widerspräche aber klar der Gesamtkonzeption des MuSchG. Eine teleologische Reduktion von § 38 Abs. 1 GmbHG ist hingegen mit dessen eindeutigem Wortlaut („jederzeit widerrufbar“) wie auch seinem Zweck nicht vereinbar.384 Denn die freie Abberufbarkeit soll den Gesellschaftern eben gerade eine Entscheidung ohne Ansehen der Person des Organwalters ermöglichen. Aus denselben Gründen kann auch ein hilfsweiser Rückgriff auf die Normen des AGG nicht überzeugen, da damit dasselbe unstimmige Ergebnis erreicht würde.385 b) Abberufungsverbot Unabhängig von der konkreten Rechtsgrundlage wird jedenfalls stets ein Abberufungsverbot im Sinne einer Unwirksamkeit der Abberufungsentschei381  Siehe die Erwägungsgründe zu Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.19.1992 (MuschRL): „Die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen, kann sich schädlich auf die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken; daher ist es erforderlich, ihre Kündigung zu verbieten.“ sowie EuGH EuGH 27.1.2005 – Rs. C-188/03, Slg. 2005, I-903, Rn. 34 ff. – Irmtraut Junk/Wolfgang Kühnel. 382  Mohr, in: Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, RL 2006/54/EG Art. 14 Rn.  3 m. w. N. 383  Junker, NZA 2011, 950 (951); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 205 f. 384  So auch Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 204 f. 385  Siehe noch näher unter § 2 D.



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dung gefordert.386 Zeitlich müsse ein solches Abberufungsverbot mit dem Kündigungsverbot des MuSchG korrespondieren.387 Flankiert werden solle es zudem durch eine ungeschriebene Vermutung der schwangerschaftsbedingten Abberufung388 und ein Erfordernis der schriftlichen Begründung der Abberufungsentscheidung389. Die schwangere Geschäftsführerin soll dementsprechend Organwalterin bleiben. Teilweise ist daher schon konstatiert worden, die Trennungstheorie könne im Ergebnis im deutschen Recht der Geschäftsführeranstellung nur in nicht-unionsrechtlich determinierten Sachverhalten überhaupt weiter Bestand haben.390 c) Schicksal der Organpflichten Den Kritikern eines solchen Abberufungsverbots werden unterschiedliche Kompensationsmechanismen entgegengehalten, mit denen einer schwangerschaftsbedingten Abwesenheit der Geschäftsführerin – und insbesondere dem Extremfall einer Blockade wegen eines erforderlichen höchstpersönlichen Handelns – begegnet werden könne. Einige meinen, die Organpflichten würden abgestuft fortbestehen, auch wenn die Geschäftsführerin aus tatsäch­ lichen Gründen zeitweise nur eingeschränkt zur Verfügung stünde. So müsse sie sich etwa zu für die Gesellschaft notwendigen Anmeldungen zur Verfügung halten.391 Alternativ könnte sie sich entscheiden, Mutterschutz in Anspruch zu nehmen oder Gesellschaft und Geschäftsführerin könnten einvernehmlich das Ruhen des Organverhältnisses (mit der Folge einer zwischenzeitlichen Löschung aus dem Handelsregister) vereinbaren.392 Sofern sich die Geschäftsführerin dem Zugriff der Gesellschaft hingegen vollständig ent-

386  Oberthür, NZA 2011, 253 (257); Reiserer, DB 2011, 2262 (2265 f.); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 210 ff.; nicht ganz deutlich: Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (597 f.). 387  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S.  209 f. 388  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 210. 389  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 212; auf die Schwierigkeit des Nachweises einer diskriminierenden Abberufungsentscheidung wegen des grundsätzlich fehlenden Begründungserfordernisses in § 38 Abs. 1 GmbHG hatte auch bereits Hoentzsch hingewiesen: Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 165, 183 ff. 390  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 222. 391  Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (598 ff.). 392  Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (598 f.).

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ziehe, müsse sie wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft dennoch abberufen werden können.393 Andere hingegen warnen, dass eine schwangerschaftsbedingt längere Abwesenheit – und eine damit möglicherweise einhergehende Vernachlässigung der Organpflichten – jedenfalls ihrerseits nicht einen wichtigen Grund für eine Abberufung darstellen könne. Dadurch würde gerade wieder der Bezug zur Schwangerschaft hergestellt und somit der Zweck des Abberufungsverbots konterkariert.394 Eine mangelnde Kooperationsbereitschaft könne daher die Abberufung nicht rechtfertigen, denn der Grund für die daraufhin erfolgende Abberufung liege jedenfalls immer noch ursächlich in der Schwangerschaft. Davon abgesehen sei eine Beschäftigung innerhalb bestimmter Zeiten auch untersagt.395 Stattdessen könne im Bedarfsfall ein Notgeschäftsführer gemäß § 29 BGB gerichtlich bestellt werden. Dessen Befugnisse könne das Gericht im Innenverhältnis zur Gesellschaft auf erforderliche Einzelmaßnahmen beschränken oder die Bestellung von vornherein zeitlich befristen.396 Als ultima ratio sei in Extremfällen auch eine Abberufung im Wege einer einstweiligen Verfügung möglich. Die Voraussetzungen für eine solche müssten aber hoch sein, um einem Missbrauch durch die Gesellschafter vorzubeugen. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund lägen nur vor, wenn eine Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft drohe und die Bestellung eines Notgeschäftsführers zu spät kommen würde, ohne dass die Gesellschafter dies zu verantworten hätten.397 Derartige Behelfslösungen sind aber weder dem Interesse von Gesellschaft und Gesellschaftern noch der Geschäftsführerin dienlich und scheinen die Realitäten der Mutterschutzzeit und deren Konflikt mit den Belangen der Gesellschaft nicht wirklich ernst zu nehmen.398 Schon der Ausgangspunkt, dass nur „im Bedarfsfalle“ ein Notgeschäftsführer bestellt werden solle – und die damit implizite Annahme, dies werde nicht regelmäßig der Fall sein –, dürfte für die Geschäftstätigkeit der meisten Gesellschaften nicht zutreffen. 393  Kruse/Stenslik,

NZA 2013, 596 (600). Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 204. 395  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S.  214 f. 396  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 216; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 72, 75. 397  Siehe Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 217 ff., die meint, anderenfalls wäre wiederum einem Missbrauch der einstweiligen Verfügung durch die Gesellschafter Tür und Tor geöffnet. Ob im Zweifelsfall allerdings eine absolute Blockade der Gesellschaft hinzunehmen ist, beantwortet sie nicht ausdrücklich. 398  Siehe auch noch näher unter § 2 D. 394  Loy,



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Bei den meisten GmbHs dürfte ein ungeplanter Ausfall der aktiven Geschäftsführung auch nur für einige Tage bereits das Potenzial großer Schäden ihrer Geschäftstätigkeit haben. Stattdessen würde mit einer solchen Lösung das Institut der Notgeschäftsführung entgegen seinem eigentlichen Zweck, eine Ausnahme im dringendsten Bedarfsfalle zu sein,399 zu einem regulären Behelf bei schwangeren Geschäftsführerinnen umfunktioniert. Gemessen an diesem Zweck ist auch äußerst fraglich, ob eine gerichtliche Notgeschäftsführerbestellung überhaupt möglich wäre. Denn die Fehlzeiten der schwangeren Geschäftsführerin sind regelmäßig vorhersehbar, so dass die Gesellschafter den Mangel der tatsächlichen Verhinderung durch Bestellung eines Ersatz-Geschäftsführers selbst beseitigen könnten.400 Ist dies der Fall, wird ein Gericht sich aber bei der Bestellung eines Notgeschäftsführers zurückhalten, da „die Ernennung eines Notgeschäftsführers einen wesentlichen Eingriff in das Bestellungsrecht der Gesellschafter (§ 46 Nr. 5 GmbHG) darstellt“.401 Der Weg über die Notgeschäftsführerbestellung soll also vor allem die Entscheidungsmacht der Gesellschafter überspielen, damit diese nicht gerade wegen der Schwangerschaft gegen die Geschäftsführerin entscheiden können. Dafür ist § 29 BGB aber nicht vorgesehen. Auch eine vorübergehende Begrenzung der Organpflichten auf das absolut Notwendigste erscheint nicht zielführend. Für eine solche Begrenzung ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich; Geschäftsführer haben ihre Organpflichten grundsätzlich zu jeder Zeit in vollem Umfang auszuüben, anderenfalls wiederspräche das dem Grundsatz, dass Geschäftsführer in ihrer Organfunktion durch kein anderes Organ und keine andere Person ersetzt oder verdrängt werden können.402 In der Zwischenzeit haben die Gesellschafter ein berechtigtes Interesse daran, dass auch die nicht absolut notwendigen Aufgaben der Geschäftsführerin ausgeführt werden, denn wirtschaftlich können sie gleichwohl bedeutend sein. Diesen Teil der Aufgaben auf eine nicht in die Organstellung berufene Person zu übertragen wäre aber nicht möglich. Auch für eine Geschäftsführerin, die aus nachvollziehbaren tatsächlichen Gründen vorübergehend verhindert ist, erscheint die teilweise Inpflichtnahme in der Realität nicht als gute Lösung. Sie wäre zwar hinsichtlich bestimmter Organpflichten weiterhin „berechtigt“, würde aber möglicherweise hinsichtlich dieser Aufgaben nicht vollumfänglich informiert handeln, weil sie eben das Tagesgeschäft zeitweise nicht mitgestalten würde. Sowohl für die Gesell399  OLG München 11.9.2007, BB 2007, 2311 (2312 f.); Arnold, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 11. 400  Siehe OLG Zweibrücken 12.4.2001, NJW-RR 2001, 1057; OLG München 11.9.2007, BB 2007, 2311 (2312). 401  OLG München 11.9.2007, BB 2007, 2311 (2312). 402  Siehe dazu etwa Paefgen, in: Großkommentar GmbHG, § 35 Rn. 43.

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schafter als auch für die Geschäftsführerin erscheinen daher Anpassungen der Organpflichten wenig sinnvoll, da auch sie die zeitweise vorhandenen Schwierigkeiten der Anwesenheit und Verfügbarkeit der schwangeren Geschäftsführerin nicht adäquat kompensieren können. Auch der EuGH hat sich bedauerlicherweise mit diesen Folgen seiner Rechtsprechung – mangels einer entsprechenden Vorlagefrage403 – nicht auseinander gesetzt. 3. Fortentwicklung in anderen Anwendungsfeldern des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem „Danosa“-Urteil des EuGH ist auch untersucht worden, in welchen Bereichen die Einbeziehung von Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen von GmbHs in den unionsrecht­ lichen Arbeitnehmerbegriff weitere Anwendungsfälle haben kann. Dort, wo es in dem betreffenden Gesetz auch um Bestandsschutz geht, namentlich im AGG, werden wiederum auch die Auswirkungen auf das Organverhältnis diskutiert. a) Arbeitsschutzrecht und Elternurlaub Neben der Mutterschutzrichtlinie wird die Anwendbarkeit von weiterem Arbeitsschutzrecht und Elternurlaubsrecht auf die Geschäftsführer von GmbHs erwogen. Dem Arbeitsschutzrecht liegt grundsätzlich ein weiter Arbeitnehmerbegriff zugrunde, welcher sich an das unionsrechtliche Verständnis des Arbeitnehmers anlehnt. Das ist aus Art. 3 lit. a der Rahmenrichtlinie zum Arbeitsschutz 89/391/EWG und den darauf beruhenden Einzelrichtlinien ersichtlich, so etwa der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG.404 Hinsichtlich der Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EU wird vereinzelt ebenfalls eine Anwendbarkeit der Umsetzungsakte auf Arbeitnehmer-Geschäftsführer befürwortet,405 da diese nicht nur Personen mit einem Arbeitsvertrag nach innerstaatlichem Recht, sondern auch solche, die in einem „Beschäftigungsverhältnis“ stehen, 403  Siehe EuGH 11.11.2010, Rs. C-232/09, Slg. 2010, I-11405 Rn. 38, 57 – Dita Danosa/LKB Līzings SIA. 404  EuGH 14.10.2010, Rs. C-428/09, Slg. 2010, I-9961 – Union syndicale Solidaires Isère/Premier ministre, Ministère du Travail, des Relations sociales, de la ­Famille, de la Solidarité et de la Ville, Ministère de la Santé et des Sports; Ziegler, Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht (2011), S. 277, 282; Schubert, ZESAR 2013, 5 (13); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (47). 405  Oberthür, RdA 2018, 286 (290 f.); dies., NZA 2011, 253 (258); a. A. Ziegler, Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht (2011), S. 232 ff., 235 ff.; Schubert, ZESAR 2013, 5 (13); indifferent: Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (49).



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erfassen soll. Für die Befristungsrichtlinie (1999/70/EG) ist die Anwendbarkeit ebenfalls denkbar.406 b) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz aa) Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich für Organwalter Eine intensive Auseinandersetzung hat auch mit der Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinien durch das AGG in Deutschland stattgefunden. Hinsichtlich der Rechtsstellung von Organwaltern wird zum einen diskutiert, wie der Zuschnitt des persönlichen Anwendungsbereichs für Organwalter in § 6 AGG zu verstehen ist. Weitgehend wird befürwortet, die sogenannten abhängigen Geschäftsführer (Fremdgeschäftsführer und Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer) in Anwendung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs schon unter § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG („Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“) zu fassen.407 § 6 Abs. 3 AGG könne in Ansehung der gesetzgeberischen Fehlannahmen zum Schutzumfang der Richtlinien nicht als eine abschließende Regelung für alle Organmitglieder – unabhängig von ihrem unionsrechtlichen Arbeitnehmerstatus – angesehen werden.408 Nur die sogenannten selbständigen Geschäftsführer (mehrheitlich oder satzungsmäßig bestimmend an der GmbH beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer) könnten demnach überhaupt § 6 Abs. 3 AGG unterfallen, der undifferenziert von „Selbständigen und Organmitgliedern“ spricht. Zugunsten abhängiger Geschäftsführer gelte entsprechend der sach­ liche Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGG und nicht die Einschränkung des § 6 Abs. 3 AGG auf den „Zugang zur Erwerbstätigkeit“ und den „beruflichen Aufstieg“.409 Beim sachlichen Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes für die sogenannten selbständigen Geschäftsführer ist indessen fraglich, ob die 406  Schubert, ZESAR 2013, 5 (13 f.) m. w. N.; für Anwendung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs: Ziegler, Arbeitnehmerbegriffe im Europäischen Arbeitsrecht (2011), S.  247 ff. 407  BGH 26.3.2019, NJW 2019, 2086 sieht den Fremdgeschäftsführer jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG an „wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des AGG über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist“; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (282 f.); Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 64 ff.; Lunk/Rodenbusch, GmbHR 2012, 188 (193); Schubert, ­ZESAR, 2013, 5 (12). 408  Schubert, ZIP 2013, 289 (291). 409  Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 (323); Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1990).

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wortlautmäßige Begrenzung auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg durch § 6 Abs. 3 AGG auch in der Auslegung der Norm aufrecht erhalten werden kann. Vermehrt wird vertreten, dass diese sachliche Begrenzung – würde man sie wörtlich verstehen – richtlinienwidrig sei.410 Denn die zugrunde liegenden Richtlinien differenzierten überhaupt nicht zwischen Beschäftigten und Selbständigen.411 In den Gleichbehandlungsrichtlinien sei die im AGG umgesetzte Begrenzung des Schutzes von Selbständigen auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit gerade nicht angelegt.412 Der Diskriminierungsschutz müsse daher auch für Selbständige die Beschäftigungs- einschließlich der Entlassungsbedingungen beinhalten.413 Im Ergebnis lasse sich schon kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen finden, da es bei der Verhinderung von Diskriminierungen bei der Beschäftigung nicht um Sozialschutz für Arbeitnehmer gehe, sondern um die Durchsetzung fundamentaler Wertungen europäischer Grundrechte (Art. 21 und 23 EuGRC) und Politiken.414 Auch sei es widersinnig, dass für Selbständige zwar der Zugang zur Erwerbstätigkeit geschützt, eine sich (gegebenenfalls auch zeitlich direkt) anschließende Entlassung sich aber nicht an den Diskriminierungsverboten messen lassen müsse.415 Für ein richtlinienkonformes Verständnis des AGG werden verschiedene Wege vorgeschlagen. Einige argumentieren für eine richtlinienkonforme Auslegung von § 6 Abs. 3 AGG dahingehend, dass der dort als Anwendungsbereich genannte „Zugang zur Erwerbstätigkeit“ auch die Beschäftigungsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen als „fortgesetzten Zugang“ umfassen müsse.416 Andere hingegen sehen die rechtliche Grundlage in der Bewertung der Kündigung als sitten- oder treuwidrig, sofern sie diskriminierend sei.417 Denn nach § 2 Abs. 4 AGG seien Kündigungen vom Benachteiligungsverbot ausgenommen, da auf diese der allgemeine Kündi410  Pottschmidt, Arbeitnehmerähnliche Personen in Europa (2006), S. 282, 309, 314 f.; Schubert, ZIP 2013, 289 (292); für die Möglichkeit der richtlinienkonformen Auslegung des Wortlauts: Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 194 ff. 411  Schubert, ZIP 2013, 289 (291 f.). 412  Pottschmidt, Arbeitnehmerähnliche Personen in Europa (2006), S.  268  ff., 273 ff., 282; Schubert, ZIP 2013, 289 (291). 413  Schubert, ZIP 2013, 289 (292). 414  Dazu näher Schubert, ZIP 2013, 289 (291 f.). 415  Zuerst Lutter, BB 2007, 725 (728); a. A. Kort, NZG 2013, 601 (607). 416  Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 204 f. 417  So bereits Oetker, FS Otto (2008), 361 (375); der BGH argumentiert insoweit mit einer missbräuchlichen Rechtsausübung i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB: 23.4.2012, BGHZ 193, 110 [zu II. 1. b) bb)].



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gungsschutz Anwendung finde. Die zivilrechtlichen Generalklauseln § 138 Abs. 1 und § 242 BGB seien entsprechend auszulegen, wofür Art. 3 Abs. 1 GG spreche, der eine entsprechende Schutzpflicht des Staates – und damit auch der Gerichte – statuiere.418 Richtigerweise steht § 2 Abs. 4 AGG mit der Rechtsprechung des BGH und des BAG419 einer Anwendung der Benachteiligungsverbote in Kündigungsfällen aber nicht entgegen, so dass sich der Rückgriff auf die Generalklauseln erübrigt. § 2 Abs. 4 AGG soll lediglich doppelte Prüfungen verhindern, indem er im Anwendungsbereich spezieller Kündigungsschutzvorschriften das AGG für unanwendbar erklärt. Insoweit ist eine teleologische Reduktion der Norm auf solche Kündigungen, die tatsächlich einer speziellen Kündigungsnorm unterfallen, geboten. Der mate­ rielle Schutzumfang hingegen soll durch § 2 Abs. 4 AGG gerade nicht beschränkt werden.420 Dies gilt auch für die Fälle automatischer Beendigung (Bedingung, Befristung), denen ein Willensakt nicht mehr direkt vorausgeht. Denn die Regelung einer automatischen Beendigung stellt eine Entlassungsbedingung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG dar. Diesbezüglich sei die Einordnung durch den EuGH zwar uneinheitlich (Entlassungs- oder Beschäftigungsbedingung), im Ergebnis spiele das jedoch keine Rolle, da die Rechtsfolgen identisch seien.421 Nach anderer Ansicht hingegen ist die Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs durch § 6 Abs. 3 AGG in seiner jetzigen Fassung als richtlinien- und europarechtskonform anzusehen. Die Erweiterung des Diskriminierungsverbots auf die Entlassungsbedingungen sei in der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie in Art. 3 Abs. 1 lit. a und c nur für Arbeitnehmer, nicht aber für Selbständige vorgesehen.422 Teilweise wird § 6 Abs. 3 AGG auch bereits die Analogiefähigkeit abgesprochen.423 Entscheidungen über Entlassungen von selbständigen Geschäftsführern, auch solche über eine Nichtverlängerung oder eine darauf folgende Auswahl zwischen zwei Bewerbern, würden daher nicht in den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsrechts fallen.424 418  Schubert, EuZA 2011, 362 (370); dies., ZESAR 2013, 5 (12); dies., ZIP 2013, 289 (293); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (347 f.) kritisiert daran den Zirkelschluss, dass für eine Anwendung von Diskriminierungsverboten im Rahmen der Generalklauseln wiederum zunächst der sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet sein müsste. 419  BGH 26.3.2019, NJW 2019, 2086; BAG 19.12.2013, BAGE 147, 60; ähnlich schon Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1991). 420  So auch Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 207. 421  Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen, S.  208 f. 422  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (64). 423  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 90; ähnlich Kliemt, RdA 2015, 232 (238 f.). 424  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (62 ff.).

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

bb) Wirkungen im Organverhältnis Im Zuge der Auseinandersetzung mit Anwendungsbereich und Reichweite des AGG werden die Wirkungen im Organverhältnis der Geschäftsführer kontrovers diskutiert. Teilweise wird eine Anwendung des Diskriminierungsschutzes auf das Organverhältnis ganz grundsätzlich abgelehnt, da auf Ebene des Anstellungsvertrags ein ausreichender Schutz gewährleistet sei. Für die soziale Absicherung der Geschäftsführer sei letztlich der Anstellungsvertrag entscheidend.425 Auch zwinge das europäische Recht nicht zu Diskriminierungsschutz im Bestellungsverhältnis, selbst wenn man eine entsprechende Aussage des EuGH im Danosa-Urteil sehen wolle. Denn diese würde jedenfalls nur für die Mutterschutzrichtlinie gelten, welche einem eigenen Schutzzweck, nämlich der Verhinderung freiwilliger Schwangerschaftsabbrüche, diene. Diese Zwecksetzung lasse sich nicht auf das Anti-Diskriminierungsrecht übertragen. Auch erfasse Art. 3 Abs. 3 lit. a der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (2000/78/EG) nur „Erwerbstätigkeiten“, zu denen man das Bestellungsverhältnis eines Geschäftsführers nicht zählen könne, weil sich aus ihm nicht der Entgeltanspruch für den Geschäftsführer ergebe.426 Von anderer Seite wird hingegen befürwortet, dass sich der Diskriminierungsschutz des AGG neben dem Anstellungsverhältnis auch auf das Be­ stellungsverhältnis beziehen müsse.427 Die Beschränkung des Diskriminierungsschutzes auf das Anstellungsverhältnis verhindere eine effektive Richtlinienverwirklichung.428 Auch sei – im Anschluss an den BGH429 – für die Durchführung des Anstellungsvertrags die Bestellung von entscheidender Bedeutung.430 Der Schutz vor einer diskriminierenden Abberufung sei auch vom Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gedeckt, weil der dort verwendete 425  Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (283 f.); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (65 f.); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (343 f.). 426  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (65); a. A. Schubert, ZIP 2013, 289 (293). 427  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 33 f., befürwortet dies allerdings durchweg nur für „abhängige Geschäftsführer“; ebenso Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 92 f.; Schubert, ZIP 2013, 289 (293); Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S.  200 ff. 428  Schubert, ZIP 2013, 289 (293); Kort, WM 2013, 1049 (1050); Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 201. 429  BGH 23.4.2012, BGHZ 193, 110. 430  Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 200.



C. Die EuGH-Rechtsprechung zum Fortbestand des Organverhältnisses 89

Begriff der Entlassung weiter sei, als derjenige der Kündigung. Darüber hi­ naus sollten mit dem Schutz vor dort ebenfalls genannten diskriminierenden „Maßnahmen“ ohnehin sämtliche Benachteiligungen tatsächlicher oder rechtlicher Art untersagt werden.431 Sofern von einzelnen Stimmen hinsichtlich des allein auf den Anstellungsvertrag bezogenen Kündigungsverbots noch von einem gesetzlichen Ausschluss aufgrund § 2 Abs. 4 AGG bei Geschäftsführern ausgegangen wurde, wird dieser Ausschluss hinsichtlich der Abberufung für nicht relevant gehalten. Er richte sich ausschließlich auf den Kündigungsschutz, regele hingegen nichts in Bezug auf einen „Abberufungsschutz“.432 Die konkreten Rechtsfolgen einer Diskriminierung im bestehenden beziehungsweise angebahnten Organverhältnis sind indessen wiederum umstritten. Weitgehende Einigkeit besteht zwar darüber, dass ein Anspruch auf ErstBestellung in die Organstellung wegen diskriminierenden Unterlassens der Bestellung abzulehnen sei.433 Die Regelung in § 15 Abs. 6 AGG stehe einem solchen Kontrahierungszwang entgegen. Von dieser Bestellungssituation abgesehen, wird zum Teil aber für einen Fortbestand des Organverhältnisses bei diskriminierender Abberufung plädiert. Die Wertung von § 15 Abs. 6 AGG stehe dem nicht entgegen.434 Dieser Auffassung zufolge ist der Gesellschafterbeschluss zu einer diskriminierenden Abberufung im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig, da sein Inhalt sich gegen ein öffentliches Interesse von wesentlicher Bedeutung richte.435 Erfolge die Abberufung durch einen Beschluss des Aufsichtsrats leide dieser an einem Inhaltsmangel und sei aus diesem Grund unwirksam.436 Eine diskriminierende Bedingung oder Befristung des Organverhältnisses sei nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.437

431  Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 93. 432  Schubert, ZIP 2013, 289 (293); Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 93. 433  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 169 f.; Schubert, ZESAR 2013, 5 (13); Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 278 f. 434  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 163 ff., scheint insgesamt vom Vorrang der Nichtigkeitsanordnung des § 7 Abs. 1 AGG gegenüber § 15 Abs. 6 AGG auszugehen. 435  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 163 f. 436  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 164 f. 437  Hoentzsch, Die Anwendung der Benachteiligungsverbote des AGG auf Organmitglieder (2011), S. 165 ff.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Zum Teil werden im Gegensatz dazu die Rechtsfolgen insgesamt auf ­ chadensersatz- und Entschädigungsansprüche begrenzt.438 Die Rechtsfolgen­ S anordnungen von § 7 Abs. 1 AGG beziehungsweise §§ 138 Abs. 1, 242 BGB seien entsprechend teleologisch zu reduzieren, da sie mit der Kapitalverkehrsfreiheit der Gesellschafter nach Art. 63 Abs. 1 AEUV unvereinbar seien.439 Durch einen Fortbestand des Organverhältnisses entgegen dem Ab­ berufungsbeschluss würde den Anteilseignern die Kontrolle über die Gesellschaft in unverhältnismäßiger Weise entzogen. Andere wiederum differenzieren nach den einzelnen denkbaren Tatbeständen: Eine diskriminierende Befristung ebenso wie eine Abberufung sei unwirksam nach § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 134 BGB, da sie jeweils gegen ein gesetzliches Verbot verstießen.440 Teilweise wird dies auch nur für die allein aus wichtigem Grund gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG abberufbaren Geschäftsführer erwogen.441 Denn dort stehe im Gegensatz zu einem im AGG nicht vorgesehenen Erfüllungsanspruch der Schutz vor der unbilligen Entziehung einer bereits bestehenden Rechtsposition im Raum. Die aus diskriminierenden Gründen ausbleibende erneute Berufung nach einer wirksamen Befristung des Organverhältnisses sei hingegen nicht gleichzusetzen mit einer diskriminierenden Befristung oder Beendigung. Insoweit sei § 15 Abs. 6 AGG auf das Organverhältnis zu erstrecken, so dass es kein „Verlängerungsgebot“ geben könne. Ein solches würde sonst wie bei der Erst-Bestellung ebenfalls einen – auch europarechtlich nicht vorgesehenen – Kontrahierungszwang erzeugen.442 Gegen eine Anwendung des AGG auf das Organverhältnis sprechen jedoch gewichtige Gründe, die sogleich unter § 2 D. zu erläutern sind.

D. Bedürfnis für ein neues Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers Gegen die bisherigen Vorschläge der Literatur für die Behandlung des Organverhältnisses, sowohl nach dem MuSchG als auch nach dem AGG, bestehen zum einen erhebliche rechtstechnische und systematische, zum an438  Schubert, ZIP 2013, 289 (295); dies., ZESAR 2013, 5 (12 f.); mit Ausnahme der nur aus wichtigem Grund abberufbaren Geschäftsführer: Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1993). 439  Schubert, ZIP 2013, 289 (295). 440  Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 282 f., 290 ff. 441  Hohenstatt/Naber, ZIP 2012, 1989 (1993). 442  Siefer, Der Schutz von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern gegen Diskriminierungen (2016), S. 285 f.



D. Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers91

deren auch praktische Bedenken. Auf der anderen Seite wäre es aber die falsche Konsequenz, das Organverhältnis weiterhin gänzlich außen vor zu lassen, wie es vielmals gefordert worden ist. Die durch den EuGH aufgeworfene Problematik im Recht der Geschäftsführerbestellung ist stattdessen dergestalt in den Gesamtzusammenhang der Beschäftigungsproblematik des GmbH-Geschäftsführers einzuordnen, dass berechtigten Bedenken gegen die bisherigen Ansätze begegnet werden kann und sich in das Gesamtgefüge der Geschäftsführerrechtsstellung einfügende Lösungen herleiten lassen.

I. Systematische Bedenken gegen die Ausweitung von Arbeitnehmerschutzgesetzen auf die Organstellung 1. Zuschnitt der Richtlinienvorgaben Unter rechtssystematischen Gesichtspunkten sind die bislang vorgelegten Ansätze misslich. Denn die auf Unionsrecht basierenden Arbeitneh­ merschutzgesetze sind nicht darauf ausgelegt, ein gesellschaftsrechtliches Rechtsverhältnis, wie das Organverhältnis des Geschäftsführers, mit zu erfassen.443 Wie aus der sich an das Danosa-Urteil des EuGH anschließenden Diskussion deutlich geworden ist, sind die europäischen Richtlinien zunächst einmal auf schuldrechtliche Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisse zugeschnitten. Es ist behauptet worden, das gesellschaftsrechtliche Organverhältnis sei strukturell nicht mit den in den Richtlinien genannten selbständigen und unselbständigen Beschäftigungsverhältnissen vergleichbar.444 Jedenfalls hat die Anwendung der Umsetzungsakte auf zwei Rechtsverhältnisse (Anstellungs- und Organverhältnis), die sich in ihrem Inhalt gegenseitig beeinflussen, weder der europäische noch der nationale Gesetzgeber bei Erlass der entsprechenden Vorschriften konkret vor Augen gehabt. Hinsichtlich der Ausformung der Rechtsstellung des Geschäftsführers in den nationalen Jurisdiktionen ist der Unionsgesetzgeber nicht zuständig, so dass insoweit keine Vereinheitlichung besteht oder hätte stattfinden können. Nicht alle Mitgliedstaaten, in denen die entsprechenden Richtlinien umgesetzt werden, kennen überhaupt die Unterscheidung zwischen Anstellung und Bestellung bei Geschäftsleitern in – der deutschen GmbH vergleichbaren – Kapitalgesellschaften.445 Im Gegensatz dazu besteht aber durchaus insoweit eine einheitliche 443  So für die RL 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf auch Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (65). 444  Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (65 f.). 445  Etwa Italien; siehe dazu Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeitsund Gesellschaftsrecht (2014), S. (182 f.).

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Rechtslage in den Mitgliedstaaten, als dass die Rechtsverhältnisse von Arbeitnehmern und Selbständigen – lässt man die Leitungsorgane juristischer Personen einmal außen vor – zu ihren Arbeitgebern und Auftraggebern stets in einem für sich stehenden schuldrechtlichen Vertrag geregelt sind. Es besteht nur ein Rechtsverhältnis, welches den Regelungen der Umsetzungsgesetze unterworfen ist. Dementsprechend existieren in den Richtlinien und Umsetzungsgesetzen keine Regelungsmechanismen für die integrierte Behandlung der zwei Rechtsverhältnisse Anstellungs- und Organverhältnis sowie ihre Stellung zueinander im Kontext der Regelungen. Es ist nicht normiert, welche Rechtsfolgen an einen „richtlinienwidrigen“ Abberufungsbeschluss zu knüpfen sind, um den unionsrechtlichen Schutzgeboten zu genügen. Denkbar sind grundsätzlich durchaus unterschiedliche Konstruktionen – von der Nichtigkeit über eine rein monetäre Kompensation bis zu einem Anspruch auf Wiederbestellung, wie sich in der umfangreichen Diskussion der Thematik zeigt. 2. Infiniter Zirkel von Tatbestand und Rechtsfolge In systematischer Hinsicht erzeugt die Anwendung von unionsrechtlich determinierten Schutzgesetzen auf das organschaftliche Rechtsverhältnis die Verwerfung, dass es zu einem „infiniten Regress zwischen Tatbestand und Rechtsfolge“ kommt, wenn man etwa den Sonderkündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes auf das Organverhältnis bezieht.446 Denn der EuGH zieht im Rahmen der Subsumtion des Geschäftsführers unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff – und damit für die Eröffnung des Anwendungsbereichs bestimmter Arbeitnehmerschutz-Richtlinien zugunsten der Geschäftsführer – maßgeblich die jederzeitige Abberufbarkeit aus der Organstellung als Indiz für eine Weisungsgebundenheit im Sinne des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs heran. Das führt zu dem Paradoxon von unbeschränkter Abberufungsbefugnis auf der Tatbestandsseite, welche eine Beschränkung der Abberufungsbefugnis auf Rechtsfolgenseite auslöst.447 Der unionsrecht­ liche Arbeitnehmerbegriff stößt hier in der Umsetzung an seine Grenzen.448 Mit einer Rechtsfolgenanordnung, welche die Organstellung mit einbezieht und in ihrem Bestand gerade schützt, beseitigen die unionsrechtlich einge-

446  Preis/Sagan,

ZGR 2013, 26 (44). ZGR 2013, 26 (43 f.). 448  Zur Kritik an der mangelnden Unterscheidung zwischen vertraglichem und organschaftlichem („unternehmerischen“) Weisungsrecht siehe Boemke, ZfA 1998, 209 (212 f.); Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1422 ff.); s. a. BAG 26.5.1999, NZA 1999, 987. 447  Preis/Sagan,



D. Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers93

führten Normen eine der wesentlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des durch sie verwendeten unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. 3. Rechtsgebietskonkurrenz An das Problem der auf die Rechtsverhältnisse der Geschäftsführer nicht zugeschnittenen Richtlinienvorgaben knüpft das Problem der Rechtsgebietskonkurrenz an. Grundsätzlich muss ein Sinnzusammenhang zwischen dem Tatbestand und den Rechtsfolgen einer Norm bestehen.449 Wenn nun bestimmte Meinungen arbeitsrechtliche Schutzgesetze auf den Geschäftsführer (und sei es nur im Anstellungsverhältnis) anwenden wollen, beziehen sie ihre wesentlichen Argumente – wie auch der EuGH in Sachen Danosa zur Arbeitnehmereigenschaft der Geschäftsführerin – aber aus dem Gesellschaftsrecht. Das Gesellschaftsrecht erscheint aber überhaupt nicht in der Dichotomie von Dienstvertrag auf der einen und Arbeitsvertrag auf der anderen Seite, um die es hier geht.450 Insoweit werden Regelungen unterschiedlicher Rechtsgebiete in unzulässiger Weise vermengt, was regelmäßig zu Wertungswidersprüchen innerhalb von Tatbestands- und deren Rechtsfolgenanordnungen führt,451 wie bereits deutlich geworden sein dürfte.

II. Gesellschaftsrechtliche Organisationsbedenken Auf der Grundlage der geltenden Gesetze haben sich viele Stimmen in der Literatur für eine analoge Anwendung von bestehenden Normen auf das Organverhältnis ausgesprochen. Bei dieser „Erstreckung“ von Schutzrechten auf das Organverhältnis aus stark arbeitsrechtlich geprägter Sichtweise werden aber durch den gesellschaftsrechtlichen Kontext bestehende, tatsächliche und rechtliche Aspekte fast gänzlich außer Acht gelassen. Gesellschaftsrechtliche Wertungen fließen allenfalls rudimentär in die Begründung einer Erstreckung auf das Organverhältnis mit ein.452 Geht man mit den Vorschlägen der Literatur von einem Fortbestand des Organverhältnisses im Falle einer Schwangerschaft oder einer diskriminierenden Abberufung aus, stellen sich aber wichtige gesellschaftsrechtliche Umsetzungsfragen. Insoweit ist es geboten, vom Sozialschutz der betreffenden Person zu abstrahieren und zu-

449  Wank, Die juristische Begriffsbildung (1985), S. 87 ff.; ders., FS Wiedemann (2002), 587 (592). 450  Treffend Wank, FS Wiedemann (2002), 587 (592 f.). 451  Wank, FS Wiedemann (2002), 587 (592 ff.). 452  Z. B. bei Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 62.

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

gleich auch die Funktionsnotwendigkeiten einer Korporation in den Blick zu nehmen.453 Zu Recht wird auf die tatsächlichen Schwierigkeiten der Abwesenheit einer schwangeren Geschäftsführerin hingewiesen, die ihren – teilweise nicht delegierbaren höchstpersönlichen – organschaftlichen Pflichten wegen ihrer Schwangerschaft zeitweise nicht nachkommen kann.454 Zahlreiche praktische Probleme lassen sich zwar durch Binnenorganisation, rechtsgeschäftliche Ermächtigung oder Vertretung lösen.455 Solche Konstruktionen stoßen aber an rechtliche und praktische Grenzen. Eine organvertretende Generalvollmacht ist unzulässig.456 Vertretungsregelungen scheiden jedenfalls dann aus, wenn es sich um höchstpersönliche Pflichten der Geschäftsführerin handelt. Etwa bei Kapitalmaßnahmen kann die Gesellschaft dann ernsthaft blockiert sein, zumal die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers dort nicht hilft, weil strafbewehrte Erklärungen und die Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister durch sämtliche Geschäftsführer abgegeben werden müssen (§§ 78, 57i GmbHG).457 Hier wäre die abwesende Geschäftsführerin demnach, neben einer gegebenenfalls zusätzlich bestellten Person, weiterhin in der Pflicht. Auch lässt sich praktisch nicht immer eine geeignete Person für die Rolle des Geschäftsführer-Vertreters finden, da diese das Vertrauen der Gesellschafter genießen muss, zumal es sich nicht nur um den rein rechtsgeschäftlichen Vertretungsakt handelt, sondern auch um Willensbildungsfragen und Geschäftsleiterermessen geht.458 Für die Geschäftsführerin persönlich stehen Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken gemäß § 43 GmbHG und § 15a InsO im Raum, sollte sie etwa im Amt ihre Insolvenzantragspflicht verletzen.459 Auch Befürworter eines Abberufungsverbots räumen ein, dass etwa die Bestellung eines Notgeschäftsführers im Falle der Verhinderung einer schwangeren Geschäftsführerin kein „Allheilmittel“ für jeden Fall der Handlungseinschränkung aufgrund einer Abwesenheit der Geschäftsführerin sein kann. Das einzuhaltende Verfahren kann nämlich trotz des Dringlichkeits­ charakters zu Verzögerungen führen und einen erheblichen Aufwand und Schaden verursachen.460 453  Zöllner/Noack,

in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 6. FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1417 f.); Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (598 ff.). 455  Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1419). 456  BGH 18.7.2002, NZG 2002, 813; Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 237. 457  Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1419). 458  Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1420). 459  Kruse/Stenslik, NZA 2013, 596 (599). 460  Siehe etwa Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 216 f. 454  Windbichler,



D. Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers95

Die Komponente der zeitweiligen persönlichen Verhinderung mag in einem nicht an eine Schwangerschaft anknüpfenden Diskriminierungsszenario fehlen. Dennoch müssen die gesellschaftsrechtlichen Organisationsbedenken in abgeschwächtem Maße auch hier gelten. Schon die grundsätzliche Un­ sicherheit über das Bestehen der Organstellung reicht dafür aus, da weder der betreffende Geschäftsführer-Prätendent, noch die Gesellschafter oder der allgemeine Rechtsverkehr sicher sein können, ob der Betreffende nun geschäftsführungsberechtigt ist oder nicht.

III. Art und Weise der Rechtsdurchsetzung ungeklärt Schließlich ist auch die Frage einer etwaigen Rechtsdurchsetzung bisher noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden. Falls ein Abberufungsbeschluss erfolgt, der möglicherweise angreifbar ist, kommt es zum einen da­ rauf an, ob dieser bis zur gerichtlichen Klärung zunächst Wirksamkeit für die Gesellschaft und gegen den Geschäftsführer entfaltet oder nicht. Bisher ist vielfach vertreten worden, der Abberufungsbeschluss sei unwirksam beziehungsweise nichtig.461 Dabei hat aber keine hinreichende Auseinandersetzung mit dem gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrecht stattgefunden. Denn eine Nichtigkeit stünde im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, nach der ein Abberufungsbeschluss im GmbH-Recht – sofern er nicht formell rechtswidrig zustande gekommen ist – mit Zugang bei dem Geschäftsführer ex nunc sofort die Organstellung beendet.462 Bislang ist es Konsens, dass diese Wirkung nur durch eine erneute Bestellung rückgängig gemacht werden kann.463 Bisher stehen keine anerkannten prozessualen Mittel bereit, die in einer Abberufungssituation durch den betroffenen Geschäftsführer bemüht werden könnten.

IV. Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Beschäftigungsproblematik 1. Abstraktion von europarechtlich determinierten Schutzgesetzen Arbeitsrechtliche Schutzgesetze sollten grundsätzlich weder direkt noch analog auf das Organverhältnis des GmbH-Geschäftsführers angewendet werden. Denn ihre Anwendung im Gesellschaftsrecht führt zu systematisch 461  Siehe

oben § 2 C. III. 2. b) sowie § 2 C. III. 3. b) bb). in: Großkommentar GmbHG, § 38 Rn. 4 m. w. N.; Heilmeier, in: BeckOK GmbHG, § 38 Rn. 4, 8. 463  Paefgen, in: Großkommentar GmbHG, § 38 Rn. 4 m.  w. N.; Heilmeier, in: BeckOK GmbHG, § 38 Rn. 8. 462  Paefgen,

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

fragwürdigen Ergebnissen, deren Folgen im Einzelfall kaum abzusehen wären. Zugleich erscheint es aber fehlgeleitet, einen Schutz im Rahmen des Organverhältnisses ersatzlos zu versagen, wenn er auf übergeordneten Prinzipien beruht. Die Grundannahmen des EuGH in seinem Danosa-Urteil können letztlich auf allgemeine rechtliche Prinzipien zurückgeführt werden, welche die Grundpfeiler der deutschen und europäischen Rechtsordnung bilden. Beim Mutterschutz handelt es sich nicht nur um einfaches umgesetztes Richtlinienrecht. Es ist zugleich verfassungsrechtlich verankert; zum einen als bindender Gesetzgebungsauftrag auf nationaler Ebene in Art. 6 Abs. 4 GG464 als auch auf europäischer Ebene in Art. 33 der europäischen Grundrechtecharta. Das trifft auch für den Diskriminierungsschutz zu, der in seiner Form als allgemeiner Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 der europäischen Grundrechtecharta ein Grundrecht jedes Menschen ist. Abberufungsentscheidungen durch die Gesellschafter, die gegen diese fundamentalen Rechte verstoßen, müssen nach modernem Verfassungsverständnis jedenfalls einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden können. 2. Beschäftigungsinteresse als Kern des Rechtskonflikts Was die Behandlung des Organverhältnisses anbelangt, geht es nicht um die punktuelle Anwendung von Arbeitnehmerschutzgesetzen, sondern um das Problem der tatsächlichen Beschäftigung des Geschäftsführers in der ihm zustehenden Organposition. Dass der Geschäftsführer ein Beschäftigungsinteresse haben kann, wird bisher genauso einhellig implizit anerkannt,465 wie im Ergebnis ein Beschäftigungsanspruch unter Verweis auf das Trennungsprinzip abgelehnt wird. Das allgemeine Interesse des Geschäftsführers am Verbleib in der Organstellung kann – unabhängig vom Grund der Abberufung – als Interesse an tatsächlicher Tätigkeit beziehungsweise Beschäftigung beschrieben werden. Es wird durch die Gründe für eine Abberufung (z. B. einen diskriminierenden Grund) zunächst einmal nicht beeinflusst, sondern steht für sich selbst als Wille zum Tätigwerden als Geschäftsleiter. Es handelt sich daher nicht um eine rein europarechtlich induzierte, sondern um eine grundsätzliche Problematik. Die Rechtsauffassung des EuGH zur Reichweite des Kündigungsschutzes der MuSchRL gibt nur erstmals den Blick dafür frei, dass der Grundsatz der (weitestgehend) freien Abberufbarkeit von Geschäftsführern, selbst unter Inkaufnahme der Verletzung bestimmter indivi-

464  BVerfG

25.1.1972, BVerfGE 32, 273 (277). bereits BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35 (45 f.); 11.10.2010, NZG 2011, 112; A. Bork, Die Beschäftigung des GmbH-Geschäftsführers nach Beendigung der Organstellung (2013), S. 99 ff. 465  Siehe



D. Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers97

dueller Rechte, in seiner bisherigen Form möglicherweise nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Problematik beschränkt sich auch nicht auf Anwendungsfälle des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, sondern ist sowohl bei Fremdgeschäftsführern wie auch mehrheitlichen und minderheitlichen Gesellschafter-Geschäftsführern vorhanden. Freilich kann ein in der Gesellschafterversammlung entscheidend vertretener Gesellschafter-Geschäftsführer die Entscheidungen derselben in der Regel dergestalt beeinflussen, dass sie nicht zu seinen Ungunsten ausfallen. Das ist ihm aber nicht möglich, wenn seine Abberufung aus wichtigem Grund gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG erfolgen soll und er deshalb nicht stimmrechtsberechtigt ist.466 Die Bereiche, in denen der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff Anwendung findet, sind nur insoweit relevant, als der in ihrem Anwendungsbereich unionsrechtlich gebotene Schutz im Rahmen des Organverhältnisses auch auf andere Art und Weise als durch die Anwendung der Umsetzungsakte auf das Organverhältnis realisiert werden kann. Dazu trägt der im Gemeinschaftsrecht aufgestellte Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bei. Er betrifft zwar in erster Linie die zur Umsetzung von Richtlinien erlassenen innerstaatlichen Bestimmungen, beschränkt sich jedoch nicht auf die Auslegung dieser Bestimmungen, sondern verlangt, dass nationale Gerichte das gesamte nationale Recht berücksichtigen, um zu beurteilen, inwieweit es solchermaßen angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt.467 Entsprechend wird darauf einzugehen sein, ob eine die nationale Rechtslage stärker berücksichtigende Lösung möglich ist, die im Ergebnis auch den Unionsrechtsakten Genüge tut. 3. Notwendigkeit des Ausgleichs verfassungsmäßig geschützter Rechte Es soll gezeigt werden, dass es tatsächlich darum gehen muss, verfassungsmäßig geschützte – sowohl auf Seiten von Geschäftsführern als auch von Gesellschaftern bestehende – Rechte miteinander in Ausgleich zu bringen. Um diesen Ausgleich zu ermöglichen, sind die Grundgedanken einer von der Verfassung geprägten Rechtsordnung mit systemimmanenten Mitteln

466  Allgem. Meinung, s. n. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 34; nach h. A. genügt dazu die Behauptung eines wichtigen Grundes (s. dies., in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 35 ff.). 467  EuGH 25.2.1999, Rs. C-131/97 (Carbonari u. a.), Slg. 1999, I–1103, Rn. 49 und 50; vgl. Colneric, ZEuP 2005, 225 (232).

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§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

weiter zu entwickeln.468 Die folgenden verfassungsrechtlichen Positionen stehen in Konflikt: Die Tätigkeit in der Organstellung ist für den Geschäftsführer einer GmbH der Inbegriff von tatsächlicher Beschäftigung. Durch diese Beschäftigung wird in erheblichem Maße Persönlichkeitsentfaltung ermöglicht. In der Realität fungieren Beruf, Arbeit und Ausbildung als Kristallisationspunkte der individuellen Freiheitsentfaltung und Selbstverwirklichung, aber auch der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung des Bürgers in die Gesellschaft.469 Der einzelne kann in aller Regel nur über die Institution des Berufs am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilnehmen; hierüber führt seine Freiheitsentfaltung und Selbstverwirklichung. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG stellt für das Bundesverfassungsgericht eine Konkretisierung des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung dar.470 Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass das Leben eines Arbeitnehmers zu einem ganz wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt wird,471 was – wie noch zu zeigen sein wird – ebenso für Geschäftsführer angenommen werden kann. Das wird nicht zuletzt durch den Schutzbereich der Berufsfreiheit unterstrichen, der für das Bundesverfassungsgericht die Arbeit „in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen“ erfasst, welche sich „erst darin voll ausformt und vollendet, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt“.472 Das Grundrecht steht sowohl selbständig als auch unselbständig Tätigen zu und gewinnt „Bedeutung für alle sozialen Schichten“, die Arbeit als Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde“.473 Auf Seiten der Gesellschafter besteht das Interesse, einen Geschäftsführer jederzeit möglichst frei abberufen zu können. Einfachgesetzlich ist dieses Interesse bislang als sogenannte Organisationsfreiheit für den Bereich der Geschäftsführung in § 38 GmbHG normiert.474 Zugleich ist es auch verfassungsrechtlich durch die Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) garantiert.475 Die 468  Vgl.

etwa BVerfG 14.2.1973, BVerfGE 34, 269. in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, § 170 Rn. 63 unter Verweis auf die Tatsachen bei Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung (1983), S. 32 ff. 470  Ständige Rspr.: BVerfG 16.3.1971, BVerfGE 30, 292 (334); 18.6.1980, 54, 301 (313); 27.1.1982, 59, 302 (315); vgl. ferner BVerfG 14.12.1965, BVerfGE 19, 330 (336 f.). 471  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (138). 472  BVerfGE 7, 377 (397); 50, 290 (362). 473  BVerfGE 7, 377 (397); 50, 290 (362); 59, 231 (262). 474  BGH 28.10.2002, NZG 2003, 84 (84); 21.9.2017, NZG 550 (552). 469  Breuer,



D. Gesamtkonzept des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers99

Gesellschafter haben das Recht zu eigenbestimmter unternehmerischer Disposition476 und sollen kraft ihres Anteilseigentums freie Entscheidungen für die personelle Besetzung von Vertretungsorganen („Führungsauswahl“) der Gesellschaft treffen können.477 Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 3 GG zugunsten juristischer Personen die Freiheit geschützt, „eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann“478. Die natürlichen Personen innerhalb der juristischen Person genießen ebenso den Grundrechtsschutz, so dass von einer parallel bestehenden „Unternehmensfreiheit“ der juristischen Person und „Unternehmerfreiheit“ der assoziierten Personen die Rede ist.479 4. Anlehnung an den arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch Vor allem diejenigen Stimmen, welche einen Fortbestand der Organstellung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ablehnen, führen dafür die einfachgesetzliche Organisationsfreiheit,480 die Eigentumsfreiheit des Art. 17 Abs. 1 sowie die Unternehmerfreiheit des Art. 16 GRC481 und die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV482 zugunsten der Gesellschafter an. Es wird jedoch nur deutlich zögerlicher untersucht, welche Rechte dem auf Seiten des Geschäftsführers entgegenstehen könnten. Es dürfte allgemein anerkannt sein, dass die Verbandsautonomie einen Verband wie die GmbH nicht außerhalb und die Satzungsautonomie die Satzung nicht über staat­ liches Recht stellt.483 Insoweit steht eine ernsthaft betriebene Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Gesellschafterinteressen einerseits und 475  BVerfG

(83).

1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (363, 366); 3.12.1997, BVerfGE 97, 67

476  D. Lorenz, in: Bonner Kommentar, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 219; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 228. 477  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (350, 357). 478  BVerfG 1.3.1979 BVerfGE 50, 290 (363); 19.10.1983, BVerfGE 65, 196 (209 f.); 14.1.1987, BVerfGE 74, 129 (148 f.). 479  Breuer, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, § 170 Rn. 45. 480  Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rn. 32; Reufels/Molle, NZARR 2011, 281 (283 f.); Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (39); Schubert, ZESAR 2013, 5 (9 f.). 481  Dazu Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (352 ff.). 482  Schubert, ZIP 2013, 289 (295 f., insbes. 298); dies., ZESAR 2013, 5 (12); Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (359 f.). 483  Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I a), S. 84.

100

§ 2 Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Grundlegungen

Geschäftsführerinteressen andererseits noch aus.484 Gewisse Parallelen zu einer Handhabung wie im Rahmen des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs drängen sich auf, werden aber – womöglich aus einer überzogenen Angst vor einer arbeitsrechtlichen Infektion des Gesellschaftsrechts – peinlichst vermieden. Dabei kann eine der Rationalität verpflichtete Untersuchung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs und dessen Ergiebigkeit für die Beschäftigungsproblematik des Geschäftsführers sowohl Lücken im Persönlichkeitsschutz des Geschäftsführers aufzeigen als auch die Rechte und Interessen von Gesellschaftern und Gesellschaft praxisgerecht zum Ausgleich bringen.

484  Die Ansätze bei Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (355 ff., 359) und Schubert, ZIP 2013, 289 (295 ff.) sind erfreulich, aber noch nicht hinreichend.

§ 3 Grundrechtliche Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern Das BAG erkannt an, dass das Leben eines Arbeitnehmers zu einem ganz wesentlichen Teil durch sein Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt wird.1 Daraus folgert es, dass die Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Menschen vor allem auch im Arbeitsleben stattfindet und dort auf bestimmte Art und Weise geschützt werden müsse. Ebenso wie für Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeberunternehmen findet aber auch für Geschäftsführer die Persönlichkeitsentfaltung zu einem maßgeblichen Teil in ihrer Tätigkeit für die GmbH statt. Dass das Organverhältnis den Inbegriff eines Beschäftigungsverhältnisses für einen Geschäftsführer darstellt (A.), in dem aus soziologischer und arbeitspsychologischer Sicht relevante Persönlichkeitsentfaltung stattfindet (B.), die durch die Grundrechte geschützt ist (C.), wird im Folgenden gezeigt. Sodann sind die dem Beschäftigungsinteresse widerstreitenden Interessen der Gesellschafter und deren grundrechtliche Absicherung (D.) und schließlich der Umgang mit diesem im Privatrecht spielenden Grundrechtskonflikt zu untersuchen (E.).

A. Die Beschäftigung des Geschäftsführers als Verwirklichung von Freiheitsgrundrechten I. Das Organverhältnis als Beschäftigungsverhältnis Die tatsächliche Tätigkeit, mit welcher ein Arbeitnehmer Beschäftigung von seinem Arbeitgeber verlangen kann, wird in der Regel als eine Stelle im Organisationsaufbau des Arbeitgeber-Unternehmens definiert. Sie ist ausdrücklich oder implizit durch den Arbeitsvertrag festgelegt. Bei Geschäftsführern sind die wesentlichen Merkmale der tatsächlichen Tätigkeit zunächst durch das GmbHG festgelegt. Der Dienstvertrag kann diese wiederholen und teilweise, soweit es gesetzes- und satzungskonform ist, ergänzen. Die tatsächlich zu erbringende Tätigkeit eines Geschäftsführers ist aber auch dann hinreichend definiert, wenn ein schuldrechtlicher Vertrag nicht abgeschlossen wird oder nur einen minimierten Inhalt hat.

1  BAG

GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (138).

102 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Die beiden grundsätzlichen Funktionen des Geschäftsführers einer GmbH sind die Vertretung der Gesellschaft und die Geschäftsführung, das heißt die Entschließung über die Art und Weise der Verfolgung des Gesellschaftszwecks.2 Diese Funktionen ermöglichen dem Geschäftsführer seine Rolle als Träger der unternehmerischen Initiativ- und Entscheidungsmacht in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen auszufüllen.3 Sie stellen den Inbegriff einer Tätigkeit als Geschäftsführer dar und setzen voraus, dass eine Bestellung in die Organposition stattgefunden hat und keine Abberufung erfolgt ist.4 Anderenfalls ist weder die Befugnis zur Geschäftsführung wirksam übertragen, noch die Vertretungsmacht nach außen verliehen. Eine tatsäch­ liche Tätigkeit ist einem Geschäftsführer dementsprechend nur möglich, soweit und solange er zum Geschäftsführer der GmbH bestellt ist. Sobald er abberufen ist, kann er die Funktionen für die Gesellschaft nicht mehr rechtmäßig ausüben, denn mit der Beendigung der Organstellung enden die Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis.5 Ein Anstellungsvertrag mag zwar noch fortbestehen; durch ihn wird im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Bestellung aber keine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis vermittelt. Das Bestehen des Organverhältnisses ist notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Geschäftsführer tatsächlich in dem von ihm selbst gewählten Bereich tätig werden kann. Das gilt selbst dann, wenn – wie nicht unüblich – der konkrete Umfang der Geschäftsführungsbefugnisse im Innenverhältnis vertraglich näher bestimmt und damit im Ergebnis begrenzt wird.6 Trotz der näheren Ausformung durch Vertrag bleibt das Organverhältnis notwendige Bedingung für die Ausübung des Geschäftsführeramts. Das Organverhältnis kann folglich als das Beschäftigungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers bezeichnet werden. Bei Arbeitnehmern kann die vertragsgemäße Beschäftigung in einem bestehenden Arbeitsverhältnis typischerweise entweder durch eine Freistellungserklärung oder eine vertragswidrige Weisung seitens des Arbeitgebers vereitelt werden. Bei Geschäftsführern hingegen wird die tatsächliche Tätigkeit in der Organstellung durch die einseitig mögliche Abberufung aus der Organbestellung seitens der Gesellschafter beendet. Als weitere Möglichkeit der Verhinderung von Beschäftigung ist auch die Aushöhlung der Befugnisse des Geschäftsführers durch Satzungsgestaltungen und Weisungen der Gesell2  Zöllner/Noack,

in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 3 ff. Karlsruhe 25.8.1995, GmbHR 1996, 209; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 4. 4  Siehe Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag (2000), S. 64 ff. 5  OLG Karlsruhe 25.8.1995, GmbHR 1996, 209; Noack/Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 101. 6  Siehe dazu Mildenberger, Der Geschäftsführervertrag (2000), S. 117 ff. 3  OLG



A. Beschäftigung des Geschäftsführers103

schafter in einem solchen Maße, dass der amtierende Geschäftsführer faktisch nur noch wie eine Marionette den Willen der Gesellschafter umsetzt, zu bedenken. Zunächst wird sich die weitere Untersuchung aber auf den klassischen Fall der Abberufung konzentrieren.7

II. Unterscheidung von materiellem und ideellem Beschäftigungsinteresse Wie bereits dargelegt,8 lassen sich ein materielles und ein ideelles Inte­ resse an Beschäftigung unterscheiden. Es hat in diesen beiden Ausprägungen bei Geschäftsführern im Grundsatz den gleichen Inhalt wie bei Arbeitnehmern. Das materielle Beschäftigungsinteresse wird einheitlich sowohl für Arbeitnehmer als auch Dienstverpflichtete durch § 615 BGB in bestimmtem Umfang abgesichert, daher besteht in einer Situation der Nicht-Beschäftigung durch Arbeitgeber oder Dienstberechtigten kein materielles Interesse an der Beschäftigung. Das ideelle Beschäftigungsinteresse hingegen umfasst all das, was nicht auf die Erlangung einer Gegenleistung gerichtet ist, sondern auf die Tätigkeit an sich.9 Orientiert man sich an den Überlegungen zum arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch, insbesondere denjenigen des BAG,10 sind verschiedene Einzelinteressen denkbar, aus denen sich das ideelle Interesse an tatsächlicher Beschäftigung gleichsam zusammensetzt. Zum einen möchten Menschen ganz grundsätzlich die Möglichkeit haben, in dem beruflichen Bereich, den sie sich ausgesucht haben, geistige und körperliche Fähigkeiten zu entfalten. 11 Dadurch haben sie die Chance, Erlerntes anzuwenden und einzubringen. Zudem wollen sie Fähigkeiten auch fortbilden oder gänzlich neu erlernen.12 Dies lässt sich als ideelles Interesse mit materieller Komponente verstehen,13 denn das Erhalten bestimmter Fähigkeiten dient langfristig auch dem Chancenerhalt auf dem Arbeitsmarkt, um weiterhin die Möglichkeit des Lohnerwerbs zu haben. Im Optimalfall finden die Menschen Gefallen an dem, was sie tun und erlangen ein Gefühl der Zufriedenheit durch die Entfaltung ihrer Tätigkeiten. Sie identifizieren sich als Person mit ihrer Tätigkeit beziehungsweise deren Zielen. 7  Siehe

zu den weiteren Möglichkeiten der Gesellschafter unten § 5 D. A. V. 9  Siehe zur Unterscheidung auch BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (154 f.); BAG 17.01.1991, AP Weiterbeschäftigung Nr. 8 zu BGB § 611. 10  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221; GS 27.2.1985, BAGE 48, 122. 11  Siehe BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (138). 12  Ähnlich BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). 13  Andeutungsweise auch BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (142). 8  § 2

104 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Zum anderen möchten Menschen in der Regel durch ihre berufliche Tätigkeit die Achtung und Anerkennung ihrer Mitmenschen erwerben.14 Das Bundesarbeitsgericht scheint davon auszugehen, dass man Achtung und Anerkennung einerseits für die Leistung an sich erfährt; zum anderen aber auch dafür, dass dem gezahlten Lohn überhaupt eine gewisse Leistung gegenüber steht. Negativ gewendet, stehe bei einer Nicht-Beschäftigung schnell der Verdacht einer schlechten Leistung im Raum. Zudem werde die Empfangnahme von Lohn ohne eine Gegenleistung – in den Worten des BAG – „allgemein als verächtlich angesehen“15. Das Selbst- und Fremdbild des Betreffenden als vollwertiges Mitglied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft insgesamt könne Schaden nehmen.16 Schließlich ist die berufliche Betätigung auch ein Ort vielfältiger sozialer Interaktion.17 Beschäftigung erfolgt in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle nicht isoliert, sondern im Zusammenwirken mit anderen Beschäftigten – seien es gleichgestellte Kollegen, Vorgesetzte, hierarchisch Untergeordnete, Mitarbeiter anderer Abteilungen des Unternehmens, Behördenvertreter oder Kunden. Die Kontaktmöglichkeiten hängen von der jeweiligen Stelle ab; verallgemeinernd lässt sich sagen, dass das Beschäftigungsverhältnis viele Möglichkeiten gibt, sich zu anderen Menschen zu verhalten. Der zeit­ liche Raum, den es im Leben der meisten Menschen einnimmt, spiegelt sich oftmals darin wieder, dass über den Arbeitsplatz enge soziale Bindungen entstehen, welche denselben häufig überdauern. Die schiere Menge an Lebenszeit, welche die meisten Menschen an ihrem Arbeitsplatz verbringen, macht diesen zu einer bedeutenden Variable in ihrer Persönlichkeitskonstitution. Unabhängig davon – und damit auch für Menschen, die eine im Vergleich zum Durchschnitt geringere Arbeitszeit leisten – spiegelt aber die gesellschaftlich-soziale Gewichtung von Arbeit wiederum zurück auf ihre Bedeutung für den Einzelnen. Indem der gesellschaftliche Konsens Arbeit als bedeutend für die individuelle Persönlichkeit des Einzelnen bewertet, wird das Individuum motiviert, sich über seinen Arbeitsplatz zu identifizieren. Das ideelle Interesse an Beschäftigung ist notwendig schon in der Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsführern unterschiedlich, weil es auch durch die Inhalte der jeweiligen Tätigkeit geprägt ist. Noch weitergehend ist es aber auch von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer und von Geschäftsführer zu Geschäftsführer unterschiedlich, weil es durch den Kontext jeder individuellen Beschäftigungssituation beeinflusst wird. Gleichwohl 14  BAG

GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (138). 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225); GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (131). 16  BAG 10.11.1955, BAGE 2, 221 (225); GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (131). 17  Treffend charakterisiert als „betriebliches Sozialgeschehen“ durch ArbG Berlin 25.1.2013, BeckRS 2013, 66884. 15  BAG



B. Beschäftigung aus soziologischer und psychologischer Perspektive105

kann, wie gezeigt, bei notwendig typisierender Betrachtung von einer grundsätzlichen Bedeutung von tatsächlicher Beschäftigung für jeden einzelnen Geschäftsführer ausgegangen werden. Das ideelle Beschäftigungsinteresse des Geschäftsführers steht demjenigen eines Arbeitnehmers grundsätzlich in nichts nach.

B. Relevanz von Beschäftigung aus soziologischer und psychologischer Perspektive Die im Rahmen der Darstellung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs angeklungenen Annahmen zur Bedeutung von Beschäftigung für den Einzelnen bedürfen trotz ihrer Augenfälligkeit und wegen ihrer Bedeutung als vor-rechtliche bzw. außerrechtliche Prämisse des Anspruchs eines wissenschaftlichen Fundaments. An dieser Stelle zeigen sich Schnittstellen des Rechts zu anderes Disziplinen wie der Soziologie und Psychologie. Deren Erkenntnisse bilden das tatsächliche Fundament der Grundrechtsverwirk­ lichung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs; daher soll an dieser Stelle ein Schlaglicht auf diese Grundlagen geworfen werden.18 Auf die spezifischen Studiendesigns, die Forschungsmethoden, sowie diszi­ plinäre Strömungen kann dabei an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Auch liegen dabei viele im Kontext des (arbeitsrechtlichen) Beschäftigungsanspruchs relevante Fragen naturgemäß nicht im Zentrum der Erkenntnisinteressen von Psychologie und Soziologie, die vornehmlich eigenen, disziplinär geprägten Untersuchungsfragen nachgehen. Trotz dieser beschränkenden Umstände lassen die Ergebnisse unterschiedlicher Studien Verallgemeinerungen für den hiesigen Kontext zu.

I. Begriffsabgrenzungen Wenn wie im juristischen oder gesellschaftlichen Bereich oft sehr allgemein vom Faktor „Beruf“ für die Persönlichkeitskonstituierung des Einzelnen die Rede ist, wird häufig nicht klar, was im Kern gemeint ist. Denn der Beruf hat verschiedene Ebenen der Verwirklichung: Meist aufbauend auf eine Ausbildung oder ein Studium gibt der Beruf eine allgemeine Vorstellung 18  Daher zu Recht auch die Forderung von H. A. Hesse (AöR 95 (1970), 449), etwa die verfassungsrechtliche Auslegung der Berufsfreiheit mit soziologischen Methoden zu untermauern; siehe auch bereits Sinzheimer, in: Kahn-Freund/Ramm (Hrsg.), Arbeitsrecht und Rechtssoziologie, Bd. 2 (1976), S. 35, zu einer rechtssoziologischen Methode für die Arbeitsrechtswissenschaft: „Sie (die Rechtswissenschaft, Anm. d. Verf.) muss nach den bewegenden Kräften des Rechtslebens forschen, wenn sie das Rechtsleben verstehen will.“

106 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

von bestimmten Tätigkeiten und Eigenschaften, die sich aber auch auf eine ganz bestimmte Beschäftigung konkretisieren kann. Diese wird dann ebenfalls oft als Beruf bezeichnet.19 Der Begriff der Beschäftigung, wie er hier – arbeitsrechtlich – verwendet wird, meint hingegen die konkret ausgeübten Tätigkeiten auf dem Arbeitsplatz, welchen eine Person im Moment der Betrachtung innehat. Er ist damit keinesfalls im volkswirtschaftlichen Sinne zu verstehen (wie etwa bei einem niedrigen „Beschäftigungsstand“ oder der angestrebten „Vollbeschäftigung“), sondern als individueller Beschäftigungsbegriff. Erst mit der Beschäftigung erlangt der Einzelne die Möglichkeit, tatsächliche Tätigkeiten auszuführen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen. Beschäftigung meint also die Realisierung bzw. Ausübung eines Berufs in einer bestimmten Funktion. Der Einzelne kann durchaus einen Beruf „haben“ oder „behalten“ in dem Sinne, dass er einen solchen erlernt hat, zeitweise aber „arbeitslos“ sein (ohne eine Arbeit, eine konkret auszuübende Tätigkeit). Selbst wenn er eine Arbeit hat, aber auf der Arbeitsstelle nicht erwünscht ist, ist er zwar „in Arbeit“, hat aber keine Möglichkeit tatsächlicher Betätigung. Oftmals werden das Innehaben einer Arbeitsstelle und die Möglichkeit der tatsächlichen Tätigkeit, z. B. in arbeitspsychologischen Studien, unbewusst gleichgesetzt. Regelmäßig ist aber aus den Fragestellungen der Untersuchungen ersichtlich, dass vor allem die tatsächliche Beschäftigung und nicht allein der formale Status als „in Arbeit“ untersucht wurde. Dies ist bei der Bewertung entsprechender Erkenntnisse aus der Soziologie und Psychologie zu berücksichtigen.

II. Beschäftigung aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive 1. Bewertung von Beschäftigung für die eigene Persönlichkeit durch den Einzelnen Die Ausübung von Arbeit ist Teil des menschlichen Handelns und wird in der Arbeits- und Industriesoziologie gemeinhin als instrumentell-gegenstandsbezogenes Handeln definiert.20 Ziel von Arbeit ist das Herstellen eines Produkts oder Ergebnisses, wodurch Arbeit aber nicht auf ein reines Mittel zum Zweck reduziert wird. Die Möglichkeit der Selbstentfaltung und Befriedigung von Bedürfnissen durch den Vollzug des Handelns selbst, mit dem Anspruch auf selbstbestimmtes und autonomes Handeln, wird zugleich als 19  Fast synonym mit dem Begriff des Berufs wird oft der Begriff der Arbeit verwendet, wobei mit Arbeit wohl häufiger der gerade konkret ausgeübte Beruf gemeint ist; siehe etwa Papier, DVBl. 1984, 801 (813). 20  Böhle, in: ders./Voß/Wachtler, Handbuch Arbeitssoziologie (2010), S. 151 (152).



B. Beschäftigung aus soziologischer und psychologischer Perspektive107

entscheidend angesehen.21 Dabei wird Arbeit als instrumentelles Handeln grundsätzlich als gesellschaftlich vermittelt und in soziale Kooperationszusammenhänge eingebunden aufgefasst.22 Dass den Menschen die Ausübung einer Tätigkeit grundsätzlich sehr wichtig ist, zeigt sich darin, dass eine Mehrheit von fast 60 % der Befragten einer jüngeren soziologischen Studie auch arbeiten wollen würde, wenn sie das Geld nicht bräuchte.23 Komplett ablehnen würden dies hingegen lediglich 11 % der Befragten.24 Auch der subjektive Blick auf die Qualität des eigenen Lebens ist stark vom Faktor Erwerbsarbeit abhängig. Menschen, die Arbeit haben, bewerten ihre allgemeine Lebensqualität unabhängig von ihrer Lebensregion auf der Welt deutlich besser als Menschen ohne Arbeit.25 Offensichtlich wird mit Arbeit weit mehr verbunden als das nötige Einkommen.26 Im Rahmen soziologischer Studien konnte etwa gezeigt werden, dass Berufstätigkeit zum einen ursächlich für Persönlichkeitsveränderungen sein kann und zum anderen, dass die Persönlichkeit eine Ursache für die Veränderung der individuellen Arbeitssituation darstellt.27 Kombinierte Quer- und Längsschnittstudien untersuchten unterschiedliche Dimensionen von Arbeitstätigkeit, wie etwa Arbeitsinhalt, das Ausmaß des Umgangs mit Personen, Symbolen und Sachen, die Komplexität der Arbeit, Selbständigkeitsanforderungen und auch die Arbeitsformen. Diese Arbeitsmerkmale können zu sogenannten Personmerkmalen – wie z. B. intellektueller Flexibilität und Selbstvertrauen – in beiden Wirkrichtungen in Bezug gesetzt werden.28 Wenig 21  Die mangelnde Berücksichtigung der Subjekte von Arbeit wird jedoch sowohl in der Arbeitssoziologie als auch in der Arbeitspsychologie (Frese, Journal of Occupational Psychology 55 (1982), 209 ff.) bemängelt. So sei erst in den ca. letzten 20 Jahren der Schwenk von einer zuvor „nahezu subjektfreien Analyse“ hin zur verstärkten Berücksichtigung von Subjektivität in der Arbeitssoziologie gelungen (Kleemann/ Voß, in: Böhle/Voß/Wachtler, Handbuch Arbeitssoziologie (2010), S. 415 (416 ff.)). Daher sei eine umfassende Konzeption noch nicht ersichtlich (Kleemann/Voß, in: Böhle/Voß/Wachtler, Handbuch Arbeitssoziologie (2010), S. 415 (437 f.)), was sich auch in der eher fragmentarischen Quellenlage in diesem Bereich zeigt. 22  Siehe Böhle, in: Böhle/Voß/Wachtler, Handbuch Arbeitssoziologie (2010), S. 151 (153). 23  Allmendinger, Das Land, in dem wir leben wollen (2017), S. 95 f. 24  Allmendinger, Das Land, in dem wir leben wollen (2017), S. 95 f. 25  De Neve/Ward, Happiness at work, CEP Discussion Paper No 1474 (2017), S.  4 f., 7 f. 26  Allmendinger, Das Land, in dem wir leben wollen (2017), S. 96. 27  Kohn, Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, (1981), S. 173 ff., 188 ff.; Kohn/Schooler, The American Journal of Sociology Vol. 87 (1982), 1257 (1258, 1281 f.); Kohn/Schooler, Work and personality (1983), S. 60 ff., 73 ff. 28  Kohn, Persönlichkeit, Beruf und soziale Schichtung, (1981), S. 173 ff., 188 ff.; Kohn/Schooler, Work and personality (1983), S. 73 ff., 125 ff., 145 f., 148.

108 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

überraschend sind Persönlichkeitsmerkmale auch prädiktiv für die Bedingungen der Arbeit, welche eine Person ausübt. Menschen suchen sich in Abhängigkeit von ihrer Persönlichkeit gezielt berufliche Positionen, welche diejenigen Persönlichkeitsmerkmale verstärken, welche zuvor entscheidend für die Positionsauswahl waren.29 Letztlich ist es daher schwierig auszumachen, ob Persönlichkeitsmerkmale zur Auswahl einer spezifischen Arbeit geführt haben oder Sozialisationseffekte der Arbeit bestimmte Persönlichkeitsmerkmale in Personen hervorgebracht haben oder zu welchen Anteilen ersteres und letzteres der Fall war. Festhalten lässt sich aber, dass Arbeit jedenfalls ein bedeutender Einflussfaktor für Persönlichkeitsentwicklung ist. Die Bedeutung von tatsächlich ausgeübter Arbeit für die Entwicklung des einzelnen Menschen lässt sich weiter anhand von fünf Erfahrungskategorien, welche die Sozialpsychologin Marie Jahoda herausgearbeitet hat, bemessen. Es können Zeiterfahrung bzw. Zeitstruktur (geregelter Tagesablauf), soziale Kontakte bzw. sozialer Austausch (Kommunikation, Inbeziehungtreten), Beteiligung an kollektiven Zielen und Anstrengungen (Teil von etwas Größerem), Zuweisung eines sozialen Status („Ich bin wichtig/angesehen.“) bzw. Klärung der persönlichen Identität („Wer bin ich?“) und regelmäßige Tätigkeit (täglich eine Aufgabe vor sich haben) als Erfahrungen unterschieden werden, die in den sogenannten Arbeitsgesellschaften durch die Ausübung einer Arbeit erlebt werden.30 Es ist wahrscheinlich, dass diese Erfahrungsmöglichkeiten zeit- und kulturunabhängig grundlegende Bedürfnisse des Menschen befriedigen, da sie in Gesellschaften ohne formale Erwerbsarbeit oftmals durch Rituale ersetzt werden, welche die Funktion stattdessen erfüllen.31 Arbeit kann die genannten Erfahrungen allerdings in guter oder schlechter Qualität vermitteln, dem Grundbedürfnis nach Erfahrungen wird also nicht durch jedwede Arbeit in gleichem Maße begegnet.32 Dass gerade die tatsächliche Ausübung einer Arbeit – und nicht etwa Freizeitgestaltung oder anderes – diese Erfahrungsmöglichkeiten bietet, verdeutlichen Untersuchungen der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit. Diese zeigen unter anderem, dass freie Zeit im Überfluss nicht als positiv gesehen wird und selten sinnvoll genutzt werden kann, dass eine häufige Folge von Ar29  Roberts/Caspi/Moffits, Journal of Personality and Social Psychology 84 (3) (2003), 582 (586, 589 ff.). 30  Jahoda, Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Arbeit und Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert (1986), S. 136. 31  Jahoda, Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Arbeit und Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert (1986), S. 137 f. 32  Siehe Flecker, Arbeit und Beschäftigung (2017), S. 30 f.; siehe zur individuellen Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit und deren Faktoren auch De Neve/Ward, Happiness at work, CEP Discussion Paper No 1474 (2017), S. 17 ff.



B. Beschäftigung aus soziologischer und psychologischer Perspektive109

beitslosigkeit soziale Isolation ist und dass Arbeitslosigkeit psychische Störungen begünstigt.33 2. Bewertung von Beschäftigung durch die Gesellschaft Auch im gesellschaftlichen Zusammenhang spielt die tatsächliche Ausübung einer Arbeit eine wichtige Rolle für die Persönlichkeitskonstitution. Ein grundlegendes Medium von sozialer Integration und der Konstitution von Identität durch den Einzelnen ist Anerkennung. Denn menschliche Identität entwickelt sich von Anfang an intersubjektiv und ist daher auf die Anerkennung anderer angewiesen.34 Im Zuge der Übernahme allgemeinerer Perspektiven lernen Menschen in der Regel, die Gesellschaft insgesamt als „generalisierten Anderen“ und damit als einen Bezugspunkt ihrer Identitätsentwicklung zu integrieren.35 Gesellschaftlich gesehen gründet sich Anerkennung, auch in Form von sozialer Wertschätzung, stark auf Erwerbsarbeit.36 Träger einer Berufsrolle werden nicht nur in der Arbeitsorganisation, sondern auch in anderen sozialen Systemen nach ihren Berufen eingeordnet. Der Beruf hat daher eine ähnlich distinktive Funktion wie das Geschlecht oder das Alter.37 Als soziales Wesen ist der Mensch auf die positive Bewertung durch Mitmenschen angewiesen. Für seine Identitätsarbeit braucht er in gewissem Maße bestätigende Rückmeldungen auf sein Selbstbild.38 Eine Form der Anerkennung ist die soziale Wertschätzung, die auf gesellschaftlicher Ebene und im Zusammenhang mit Arbeit besonders wichtig ist.39 Dabei wird schon die Tatsache der Erwerbstätigkeit positiv bewertet – ohne dass es auf eine nähere Qualifikation der Erwerbstätigkeit ankäme –, was sich im Wege eines Umkehrschlusses aus der Abwertung erwerbsloser Personen ergibt.40 33  Siehe die Darstellung bei Kügler, Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nach dem Beschluss des Großen Senats des BAG vom 27.2.1985 (1991), S.  14 ff.; s. a. Baumann, Selbst- und Fremdbilder von Arbeitslosigkeit (2010), S. 182 ff. 34  Holtgrewe, in: Moldaschl/Voß, Subjektivierung von Arbeit (2003), S. 211 (212). 35  Mead, Geist, Identität und Gesellschaft (1968), S. 230 ff.; Holtgrewe, in: Moldaschl/Voß, Subjektivierung von Arbeit (2003), S. 211 (212). 36  Flecker, Arbeit und Beschäftigung (2017), S. 43; s. a. Holtgrewe, in: Mol­daschl/ Voß, Subjektivierung von Arbeit (2003), S. 211 (215 f.). 37  Windolf, Berufliche Sozialisation (1981), S. 52. 38  Flecker, Arbeit und Beschäftigung (2017), S. 31. 39  Flecker, Arbeit und Beschäftigung (2017), S. 43; zu den unterschiedlichen Formen von Anerkennung Honneth, Kampf um Anerkennung (1994), S. 148 ff. 40  Siehe etwa Hentschel, in: Maiers/Markard, Lieber arbeitslos als ausgebeutet? (1980), S.  64 f.; Baumann, Selbst- und Fremdbilder von Arbeitslosigkeit (2010), S.  231 f., 235.

110 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

III. Fazit: Geltungsanspruch für alle Arten von Beschäftigung Die skizzierten Erkenntnisse beanspruchen grundsätzlich Geltung für jedwede Art von Beschäftigung. Denn obgleich die Ergebnisse je nach spezifischem Tätigkeitsinhalt unterschiedlich ausfallen können, existiert jedenfalls eine grundlegende Übereinstimmung, welche die überragende Bedeutung von Beschäftigung für die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsarbeit des Menschen im sozialwissenschaftlichen wie auch psychologischen Sinne belegt. Der Mensch ist geradezu angewiesen auf die Möglichkeit von tatsäch­ licher Beschäftigung im Erwerbsarbeitskontext, um sich individuell und ­zugleich als Mitglied der Gesellschaft entwickeln zu können. Dies zeigt zunächst, dass die tatsächliche Prämisse des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs, nämlich die hohe Bedeutung der tatsächlichen Beschäftigungs­ ausübung für die Persönlichkeit des Arbeitnehmers, grundsätzlich zutreffend ist. Darüber hinaus legt der Stand der Forschung nahe, dass eine Ausdifferenzierung des Beschäftigungsanspruchs anhand der Art der Tätigkeit oder des Berufs verfehlt wäre.

C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers I. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) 1. Begriff der Persönlichkeit Der Begriff der Persönlichkeit geht auf das ausgehende 18. und das beginnende 19. Jahrhundert zurück. Im Geiste der Romantik und des Neuhumanismus wurde der Begriff „Persönlichkeit“ geschaffen, um gegenüber dem bis dahin allein gebräuchlichen Begriff der „Person“ die Befähigung des Menschen zu freiheitlich-sittlicher Entfaltung zum Ausdruck zu bringen.41 Im 19. Jahrhundert spielte das Recht der Persönlichkeit im jüngeren deutschen Naturrecht, vor allem im Kantianismus, eine große Rolle als „Urrecht“, welches einen gegenüber staatlichen Eingriffen resistenten Freiheitsraum verbürgen sollte.42 von Savigny sah sämtliches Recht „um der sittlichen, jedem einzelnen Menschen innewohnenden Freyheit willen“ vorhanden.43 Im Jahr 1866 versuchte Carl Georg Neuner eine Definition des Rechts der Persönlichkeit als „das Recht, der Person, sich selbst Zweck zu sein, sich als Selbst41  Kube,

in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 8. in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 9. 43  v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2 (1840), § 60 S. 2; Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 9. 42  Kube,



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers111

zweck zu behaupten und zu entfalten“.44 Zugleich gab es eine liberale Strömung in der Staatsrechtswissenschaft, die sich ebenfalls für den Schutz von Persönlichkeitsentfaltung und persönlicher Ehre einsetzte.45 In der Rechts­ praxis fand der Begriff der Persönlichkeit aber zunächst keine Verankerung. Weder die einzelstaatlichen deutschen Verfassungen, noch das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 enthielten ein umfassendes Recht der Persönlichkeit. Geregelt wurden lediglich Teilbereiche, wie etwa das Namensrecht in § 12 BGB. Erst nach der Zeit des Nationalsozialismus fand die menschliche Persönlichkeit wirkliche Anerkennung im deutschen Rechtssystem. Mit der erstmaligen Verbürgung eines Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch das Grundgesetz war der Begriff in die Verfassung eingeführt und der Boden für die praktische Rezeption eines Persönlichkeitsrechts bereitet.46 Die Anerkennung beziehungsweise die inhaltliche Ausgestaltung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts fand dann zunächst im Privatrecht, vor allem durch die Rechtsprechung des BGH,47 statt und wenig später auch im öffentlichen Recht durch das Bundesverfassungsgericht.48 Nach heutigem Verständnis meint Persönlichkeit „jedenfalls eine relativ umfängliche Vorstellung der menschlichen Individualität und bezieht sich auf eine dynamische interne Organisation von Werten, Wünschen und Erwartungen, die das charakteristische Verhalten eines Individuums bestimmt und die auf das Individuum wirkenden Außeneinflüsse bricht“.49

44  Neuner, Wesen und Arten der Privatrechtsverhältnisse (1866), S. 15  f.; siehe zur näheren historischen Einordnung Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 10. 45  Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 11. 46  Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 18. 47  Siehe etwa die wegweisenden Urteile BGH 25.5.1954, BGHZ 13, 334; 14.2.1958, BGHZ 26, 349. 48  Siehe die grundlegenden Entscheidungen BVerfG 16.1.1957, BVerfGE 6, 32; 16.7.1969, BVerfGE 27, 1; siehe zum Ganzen Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 16 ff. 49  Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium (1993), S. 71. Morlok knüpft damit an die Definition von Allport (Personality (1937), S. 48) an: „Personality is the dynamic organization within the individual of those psychophysical systems that determine his unique adjustments to his environment“.

112 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

2. Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht als ein Teilrecht der Entfaltungsdimension des Art. 2 Abs. 1 GG In der Garantie des Art. 2 Abs. 1 GG ist sowohl die äußere als auch die innere Entfaltung des Menschen als Persönlichkeit enthalten. Die äußere Entfaltung erfolgt durch nach außen wirksame Verhaltensweisen und wird durch die allgemeine Handlungsfreiheit (beziehungsweise die speziellen Freiheitsrechte) gewährleistet. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich als das „innere“, nicht unmittelbar verhaltensbezogene, Teilrecht zum Schutz der Persönlichkeitsentfaltung beschreiben.50 Diese innere Entfaltung (der Persönlichkeit) ist auf die Erzeugung von Persönlichkeit gerichtet, während die äußere Dimension eher auf deren Realisierung zielt. Erzeugung und Realisierung stehen dabei allerdings in einem andauernden Kreis wechselseitiger Beeinflussung und sind praktisch kaum voneinander zu trennen.51 Die „Entfaltung“ beschreibt also für das innere Element der Persönlichkeit den sie konstituierenden Vorgang. Dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht neben Art. 2 Abs. 1 GG von Rechtsprechung und Literatur überwiegend zugleich auch mit in Art. 1 Abs. 1 GG verankert wird, ist nicht unverständlich, aber im Ergebnis unnötig.52 Verbreitet wird denn auch darauf hingewiesen, dass die Menschenwürde­ garantie in diesem Zusammenhang nur als Interpretationsrichtlinie zu verstehen sei.53 Anderenfalls entstünde die Schwierigkeit, dass die Menschenwürde als nicht einschränkbares Grundrecht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht insgesamt einen absoluten Schutz verschaffen würde.54 Auch mit dem Charakter als Interpretationsrichtlinie verleiht Art. 1 Abs. 1 GG dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht indes eine Bedeutung gegenüber den weiteren Freiheitsgarantien, für die keine Rechtfertigung ersichtlich ist.55 Aus dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 GG („darum“) folgt bereits unmissverständlich, dass sämtliche Grundrechte – nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht – als Ausprägungen der Menschenwürde zu verstehen sind.56 Die Begründung des 50  Britz,

Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 3. Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 21 f. 52  Ebenso Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 25 f.; Cornils, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 168 Rn. 32. 53  BVerfG 15.1.1970, BVerfGE 27, 344 (351): „bei Bestimmung von Inhalt und Reichweite […] zu beachten“; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 63; Lang, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 2 Rn. 33. 54  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 128. 55  Ähnlich Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 25 f. 56  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 26. 51  Britz,



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers113

allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit der Menschenwürde erscheint daher überflüssig. Kraft des verfassungsmäßig gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt jedem Menschen „in der Gemeinschaft ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch zu“57. Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen sieht das Bundesverfassungsgericht als den Ausgangspunkt der Grundrechte an. Das Wertsystem der Grundrechte habe seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde.58 b) Selbstbestimmung der eigenen Identität durch Selbst-Wahl und Selbstreflexivität Die Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Entfaltung der Persönlichkeit lässt sich auf eine vorrechtliche Konzeption autonomer Freiheit zurückführen.59 Diese versteht Freiheit nicht von der Handlung, sondern vom handelnden Menschen her.60 Die Freiheit zum Handeln wird nicht um ihrer selbst willen gewährt, sondern um dem einzelnen Menschen die tätliche Realisierung dessen zu ermöglichen, was er seiner eigenen Vorstellung nach ist oder sein möchte. Entsprechend setzt autonome Freiheit Selbstbestimmung voraus.61 Die Triebkraft autonomer Handlungen ist die Person selbst. Sie selbst setzt sich die Maßstäbe, denen ihr Handeln folgt oder auch nicht folgt. Sie muss dazu über ein Selbstverständnis verfügen, auf das sie ihre Entscheidungen und Handlungen rückbeziehen kann.62 Dieses „Selbst“ der einzelnen Person muss wiederum selbst gewählt sein. Vorrechtliche autonome Freiheit verlangt demnach einen mehrfachen Reflexionsprozess des einzelnen Menschen, in dem er sich darüber vergewissert, was er sein möchte und ob seine Entscheidungen und Handlungen dieser Vorstellung entsprechen.63 Dabei kann dieser Prozess der Selbstreflexivität notwendig nicht vollkommen ohne äußere Beeinflussung stattfinden. Nicht nur die eigenen praktischen Fähigkeiten wie zugleich auch das eigene Vorstellungsvermögen zeigen Grenzen der Identitätswahl auf, sondern – vor al57  BVerfG

16.7.1969, BVerfGE 27, 1 (6). 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205). 59  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung 60  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung 61  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung 62  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung 63  Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium faltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 9 ff. 58  BVerfG

(2008), (2008), (2008), (2008), (1993),

S. 7 ff. S. 7. S. 8 f. S. 7 ff. S. 283; Britz, Freie Ent-

114 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

lem – auch soziale Effekte.64 Die Ausgestaltung von Persönlichkeit ist ein kommunikativer Vorgang, der stets im Zusammenspiel mit Identitätserwartungen und -bildern anderer Menschen steht.65 Die Selbstfindung kann deshalb stets nur graduell autonom im eigentlichen Sinne verwirklicht werden.66 Art. 2 Abs. 1 GG transformiert diese beiden Dimensionen – äußere und innere – autonomer Freiheit mit der Garantie „freier Entfaltung“ in das Verfassungsrecht. Der „Entfaltung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG lässt sich ein realisierendes und ein konstituierendes Moment zuschreiben. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit enthält damit zwei voneinander rechtlich unabhängige Teilgrundrechte: Die allgemeine Handlungsfreiheit als äußere, verhaltensbezogene Dimension der Entfaltungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht als innere, nicht unmittelbar verhaltensbezogene, Dimension der Entfaltungsfreiheit.67 Die innere Komponente der freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ist demnach als ein konstituierender Vorgang zu verstehen. „Entfaltung“ realisiert mit ihrer inneren Dimension nicht etwas, was es bereits gibt, sondern lässt etwas entstehen oder entwickelt es fort. Mit der Formulierung „jeder habe ein Recht, seine Persönlichkeit frei zu entfalten“ kodifiziert Art. 2 Abs. 1 GG das vorrechtliche Konzept von innerer Autonomie, dass jeder Mensch sein „Selbst“ – seine Identität – frei wählen können soll.68 Das Grundgesetz setzt damit voraus, dass jeder Mensch zumindest einen eigenen Anteil an der Bildung seiner Identität hat. Nicht abgebildet ist die Reflexivität des eigenen Verhaltens. Das wäre auch nicht sinnvoll, weil der innere Rückbezug des eigenen Verhaltens an das Selbstbild nur durch den Einzelnen zu leisten ist und eine grundrechtliche Gewährleistung dementsprechend dazu nicht beitragen kann.69 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist dabei zugleich Bedingung für die Ausübbarkeit allgemeiner Handlungsfreiheit. Denn freies Handeln, welches mehr sein soll als bloß äußerer Freiheitsgebrauch, bedarf notwendig der (Selbst-)Reflexivität, die wiederum nicht ohne die eigene Selbst-Wahl stattfinden kann. Nur in dem Maße also, in dem die Konstituierung eigener Persönlichkeit möglich ist, kann auch tatsächlich autonomer Freiheitsgebrauch gesichert werden.70 64  Britz,

Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 11 ff. Entfaltung der Menschen durch die Menschen (1976), S. 83 ff.; besonders weitgehend: Luhmann, Grundrechte als Institution (1999), S. 60, 61 f. 66  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 15. 67  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 23 f. 68  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 18 f. 69  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 20. 70  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 24. 65  Suhr,



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers115

c) Konzentration auf Voraussetzungsschutz Im Unterschied zur allgemeinen Handlungsfreiheit ist die Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht durch einen vor allem abwehrrechtlichen Schutzbereich einzulösen. Verbreitet wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar als ein der „Abschirmung“ eines Bereichs privater Ent­ faltung dienendes Recht beschrieben.71 Nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht diejenigen Elemente der Persönlichkeit, welche „nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen“72. Der Gewährleistungsgehalt wird dabei allerdings eher eng73 auf einen bestimmten Sinn- und Funktionszusammenhang zugeschnitten, indem kraft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist“74. Dem Einzelnen müsse um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein „Innenraum“ verbleiben, in welchem er „sich selbst besitzt“.75 Der Persönlichkeitsschutz erhält damit den Charakter eines hauptsächlich integritäts- und personenbild­ bezogenen Schutzes, der sich vor allem gegen in einen Zustand eingreifende Rechtsverletzungen richtet.76 Dabei darf aber nicht aus dem Blick geraten, dass es übergeordnet um den Schutz individueller Selbstbestimmung geht.77 Diese setzt zwar einerseits voraus, dass das Individuum einen Freiraum erhält, der durchaus auch räumlich verstanden werden kann und damit eine klassisch abwehrrechtliche Zielrichtung erhält. Damit ist aber letztlich nur ein relativ kleiner Ausschnitt aus den zahlreichen Prozessen der Persönlichkeitskonstituierung erfasst. Die bislang entwickelten Fallgruppen, Gehalte oder Sphären78 sind ungeschrieetwa bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 2 I Rn. 69, 22. 27.2.2008, BVerfGE 120, 274 (303); sowie auch schon BVerfG 10.11.1998, BVerfGE 99, 185 (193); 15.12.1999, BVerfGE 101, 361 (380); 25.10.2005, BVerfGE 114, 339 (346). 73  „Verengend“: Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 104. 74  BVerfG 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 (41). 75  BVerfG 16.7.1969, BVerfGE 27, 1 (6 f.). 76  Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 27. 77  Ähnlich auch Chr. Enders, in: Handbuch der Grundrechte IV, § 89 Rn. 26 (S. 182). 78  Siehe etwa die Darstellung der unterschiedlichen Strukturierungsversuche bei K. Martin, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung (2007), S.  253 ff. 71  So

72  BVerfG

116 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

bene Ausdifferenzierungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Bereiche aufzeigen, in denen eine besondere Schutztätigkeit durch den Staat erforderlich zu sein scheint.79 Der Katalog, welcher sich herausgebildet hat, ist indes keinesfalls abschließend und darf in seiner Zweckbezogenheit nicht dazu führen, dass weitere Facetten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von vornherein ausgeschlossen werden. Selbstverständlich kann es keine Garantie des Gelingens von Persönlichkeitsentfaltung geben. Der Gewährleistungsgehalt muss sich vielmehr vor allem auf den Schutz der Voraussetzungen freier Persönlichkeitsentfaltung konzentrieren. Der Staat hat Voraussetzungen zu schaffen, unter denen Individuen sich zur Wahl zwischen unterschiedlichen Identitätsoptionen befähigt sehen.80 Dieser Voraussetzungsschutz ist äußerst schwierig zu umreißen, weil dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zusteht.81 Eine Annäherung ist möglich, wenn man sich vor Augen führt, dass auch die speziellen Freiheitsrechte dazu beitragen, einem Individuum Identitätserwägungen zu eröffnen.82 Durch äußere Entfaltung im Rahmen der Freiheitsrechte wird ein Ausprobieren, Praktizieren und Modifizieren ermöglicht, welches erst dazu führt, dass eine Person ihre Persönlichkeitsvorstellung definieren kann. Handlungsfreiheit setzt damit nicht nur eine freie Identität voraus, sondern trägt wiederum auch dazu bei, eine solche zu konstituieren.83 Zugleich kann es nicht darum gehen, den Einzelnen von dem Einfluss anderer Menschen vollkommen abzuschirmen. Vielmehr ist Selbstdefinition stets auch ein kommunikativer Vorgang84, der meistens ein aus eigenen und fremden, gegebenenfalls angeeigneten, Vorstellungen „interaktiv hervorgebrachtes Indentitätskonglomerat“85 erzeugt. Persönlichkeitsentfaltung, wie andere Freiheiten auch, findet vor allem im Bereich der Gesellschaft statt.86 Gerade 79  Britz,

Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 36. Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 33. 81  BVerfG 25.2.1975, BVerfGE 39, 1 (44); 28.5.1993, BVerfGE 88, 203 (254); 6.5.1997, BVerfGE 96, 56 (64); Alexy, Thorie der Grundrechte (1985), S. 420 ff.; ­Medicus, AcP 192 (1992), 35 (60); Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S.  44, 80 ff. 82  Ähnlich Grimm, Persönlichkeitsschutz im Verfassungsrecht, in: Egon Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 1996. Schutz der Persönlichkeit (1997), S. 3. 83  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 34 f. 84  Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium (1993), S. 75 spricht davon, dass „Selbstverständnisse nur in Interaktionen aufgebaut werden können“; Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 33, 35, 28. 85  Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 28. 86  Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung (1997), S. 454; Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 130. 80  Britz,



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers117

im Verhältnis zwischen Privaten drohen zahlreiche Hemmnisse der reflektierten Formulierung der eigenen Identität. Um der Autonomiegewährung des Art. 2 Abs. 1 GG tatsächlich zur Verwirklichung zu verhelfen, muss der Einzelne auch im Verhältnis zu Privaten bei der Verwirklichung seines Entfaltungspotenzials unterstützt werden.87 d) Innere und äußere Voraussetzungen der konstituierenden Persönlichkeitsentfaltung Die Definition des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als innere, zunächst nicht unmittelbar tätigkeitsbezogene, Dimension der Persönlichkeitsentfaltung im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG bedeutet daher gerade nicht, dass es keinerlei tätigkeitsbezogenen Gewährleistungsgehalt hätte. Gerade die Untrennbarkeit von Interaktion mit anderen Menschen und der eigenen Reflexion darüber und deren wechselseitige Beeinflussung hin zur Konstitution von Persönlichkeit zeigt, dass äußere Handlungen und Handlungsmöglichkeiten notwendig Teil von Persönlichkeitskonstitution sind.88 Die Integrität der Person ist daher nur ein Teilaspekt der Gewährleistungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts neben der tätigen Entfaltung und unterschiedlichsten Mischformen dieser beiden Aspekte.89 Die allgemeine Handlungsfreiheit schützt insoweit zwar Handlungen als Ausdruck (Realisation) von Persönlichkeit, nicht jedoch in ihrer spezifisch persönlichkeitskonstituierenden Relevanz. Das zeigt sich auch darin, dass die speziellen Freiheitsrechte in einem lex-specialis-Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht stehen, soweit sie „konstituierende Elemente der Persönlichkeit“ gewährleisten.90 Da etliche Grundrechte (zumal die Berufsfreiheit) schwerpunktmäßig handlungsbezogen schützen, muss logischerweise das – dann subsidiäre – allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenfalls das tätige, persönlichkeitsbezogene Handeln gewährleisten91.92 Der Voraussetzungsschutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst damit zum einen die Integrität, die jeder für die eigene Identitätsfindung braucht; zum anderen die 87  Britz,

Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung (2008), S. 32. auch Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen (1976), S. 85. 89  Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 108 unterscheidet Integrität, tätige Entfaltung und herausgebildetes Personbild. 90  BVerfG 3.6.1980, BVerfGE 54, 148 (152 f.). 91  Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 112; hingegen von vorn­ herein nur nach außen orientiert, indem er die „Arbeitskraft“ als „Persönlichkeitsgut“ bezeichnet, welche sich auswirken können solle: Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht (1967), S. 185. 92  Näher zur Konkurrenz s. u. § 3 C. I. 3. c). 88  So

118 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

tätliche Entfaltungsmöglichkeit, die für eine Eröffnung von identitätsstiftenden Handlungsmöglichkeiten nötig ist. 3. Beschäftigungsinteresse des GmbH-Geschäftsführers als geschütztes Rechtsgut a) Persönlichkeitsentfaltung durch Beschäftigung als Geschäftsführer Die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen findet als komplexer Vorgang, der häufig in Interaktion mit anderen Menschen stattfindet, zahlreiche Vo­ raussetzungen in der Ausübung der Beschäftigung als Geschäftsführer. Die vornehmlich ideellen Beschäftigungsinteressen, die sich in typisierender Form bei Arbeitnehmern ausmachen lassen, beanspruchen in vergleichbarer Form Geltung für Geschäftsführer. Geschäftsführer haben ebenso ein Inte­resse daran, ihre beruflichen Fähigkeiten in professionellem Umfeld zu erproben, anzuwenden und zu erhalten oder auch auszubauen. Neben bestimmten Branchenkenntnissen kann es sich dabei beispielsweise um Kenntnisse der Geschäftsleitung und Buchführung oder auch der Personalführung handeln. Wie bei Arbeitnehmern geht es auch bei Geschäftsführern in der Ausübung ihrer Tätigkeit darum, sich zu anderen Menschen in Beziehung zu setzen.93 Das Werben um Anerkennung und das Interesse an Selbstdarstellung im beruflichen Kontext sind keineswegs Interessen, die nur ein Arbeitnehmer entwickelt. Sie lassen sich vielmehr als nahezu universelle Bedürfnisse eines jeden Menschen beschreiben.94 Dabei reichen diese Aspekte zum Teil weit über den rein betrieblichen Kontext hinaus; beispielsweise kann Anerkennung für eine Geschäftsführer-Tätigkeit innerbetrieblich, familiär oder gar gesellschaftlich gezollt werden.95 Selbstdarstellung hinsichtlich der beruf­ lichen Betätigung kann innerhalb des Unternehmens oder gegenüber Außenstehenden stattfinden. Auch vom sogenannten „innerbetrieblichen Sozialgeschehen“ wird der Geschäftsführer einer GmbH typischerweise nicht unberührt bleiben, wenn 93  Bereits Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen (1976), S. 88 ff. bemängelte insoweit das „Abwehr- und Schrankendenken“, welches die Grundrechtsdogmatik durchziehe, während die Menschen füreinander zumindest auch Medien der Entfaltung darstellen. 94  Siehe oben § 3 B. II. 2. 95  Das BAG geht davon aus, dass gerade die gesellschaftliche Anerkennung besonders persönlichkeitsrelevant ist. Indes ist es allerdings eine individuelle Frage, ob die gesellschaftliche z. B. der familiären Anerkennung gegenüber vorgezogen wird bzw. vorgeht. Typisierende Annahmen mögen jedoch der erwartungssichernden Funktion der Rechtsprechung dienlich sein.



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers119

auch die Art und Weise der Interaktion mit anderen Beschäftigten der GmbH sich von derjenigen von Arbeitnehmern untereinander gerade durch die Rolle als Geschäftsleiter unterscheiden kann. Unabhängig von einer näher definierten Qualifikation geht es jedoch darum, die Möglichkeit zu haben, sich zu anderen Menschen zu verhalten. Das kann das spezifische, professionelle Verhalten innerhalb einer Unternehmenshierarchie ebenso erfassen, wie den rein persönlichen Kontakt, der nur anlässlich der Arbeit stattfindet. Letztlich ist der Inhalt der denkbaren sozialen Interaktionen immer einzelfallabhängig. Auch Geschäftsführer benötigen die Möglichkeit eines zur Realisierung bestimmter Identitätskonzepte erforderlichen Handlungsfreiraums. Wie oben gezeigt,96 bietet die Ausübung von Arbeit den Menschen einen wichtigen Referenzrahmen für persönliche Entwicklung und Bestätigung. Durch die Beschäftigung als Geschäftsführer wird dieser Handlungsfreiraum geschaffen. Die (ideellen) Beschäftigungsinteressen des Geschäftsführers sind damit vom Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst. In der Relevanz tatsächlicher Beschäftigung für die Persönlichkeitsentfaltung besteht zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsführern letztlich kein Unterschied.97 Da die Relevanz einzelner Aspekte der tatsächlichen Beschäftigungssituation für die Persönlichkeitskonstitution von Individuum zu Individuum unterschiedlich sein kann, lässt sich auch keine Abstufung des Beschäftigungsinteresses anhand des operativen Handlungsspielraums des einzelnen Geschäftsführers vornehmen. Selbst wenn die Handlungsmacht des berufenen Geschäftsführers im Einzelfall auf die gesetzlich zwingenden Rechte und Pflichten begrenzt ist, kann er sich dennoch etwa mit dem Unternehmenszweck besonders identifizieren, besondere persönliche oder berufliche Beziehungen mit anderen Mitarbeiten pflegen oder die ihm entgegengebrachte Anerkennung für seine Tätigkeit besonders schätzen. Interessanterweise hat das Bundesarbeitsgericht früher eine Abstufung des Beschäftigungsinteresses dahingehend angedeutet, dass ein solches bei Arbeitnehmern mit größerer Verantwortung in der Unternehmenshierarchie eher anzunehmen sei. Die Hinderung der Persönlichkeitsentfaltung gelte „insbesondere bei leitenden Angestellten oder anderen Arbeitnehmern mit besonders bedeutsamen Aufgaben, da gerade bei einer langen Befreiung von der Arbeitsleistung der Eindruck hervorgerufen wird, daß die bisherigen Leistungen so minderwertig 96  Siehe

§ 3 B. II. 1. bereits Leuchten, Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2001, 750 (752); sowie Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S. 70 f., der daraus allerdings den Schluss zieht, es gehe beim arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch nicht um die Persönlichkeitsentfaltung des Arbeitnehmers. 97  Ähnlich

120 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

sind, daß der Arbeitgeber lieber Geld aufwendet, als die Leistung in Empfang zu nehmen“.98 Davon kann heute in der Rechtsprechung zum arbeitsrecht­ lichen Beschäftigungsanspruch keine Rede mehr sein, denn solch eine „Ausschau nach Sonderinteressen“ entspricht schlicht nicht den Wertgehalten der Grundrechte.99 b) Fremdnützigkeit der Organtätigkeit An dieser Einordnung ändert auch die Fremdnützigkeit des Organhandelns, mithin die Tatsache, dass der Geschäftsführer von vornherein nie für sich selbst als Person handelt, nichts. Mit der Organstellung nimmt er zwar eine verbandsinterne Funktion wahr, welche durch den jeweiligen Organwalter als Person nur ausgefüllt wird.100 Diese richtige gesellschaftsrechtliche Qualifikation des Organhandelns vermag jedoch dem Organhandeln und dem Gesamtzusammenhang der Organstellung nicht seine Persönlichkeitsrelevanz zu nehmen.101 Denn die Fremdnützigkeit ist eine rein rechtliche Figur. Die Persönlichkeitsentfaltung des tatsächlich handelnden Individuums ist auf diese tatsächlichen Handlungen angewiesen, hingegen (weitestgehend) unabhängig von deren rechtlicher Zuordnung. Auch Arbeitnehmer handeln letztlich fremdnützig für ihren Arbeitgeber, wenngleich beim Geschäftsführer zusätzlich noch die Bedeutung der Vertretung nach außen hinzukommt. c) Abgrenzung zum Interesse an der Berufsausübung In Abgrenzung dazu fällt das (reine), von allen anderen Aspekten befreite, Interesse an der tätigen Berufsausübung unter die Berufsfreiheit des Art. 12 GG.102 Der Fokus liegt insoweit auf der Arbeit als Beruf, in dem erlernte Tätigkeiten ausgeübt werden können. Damit besteht einerseits eine starke Ausrichtung auf die Realisierung von Persönlichkeit durch eine Tätigkeit. Zugleich kommt aber auch hier eine persönlichkeitskonstituierende Dimension des Interesses an der Berufsausübung selbst zum Tragen. Denn als Voraussetzung der inneren Konstituierung ist die Berufsausübung wiederum essentiell, um dem Menschen durch tätliches Praktizieren, Ausprobieren und Modifizieren et cetera erst die Wahl einer eigenen Identität zu ermöglichen. 98  BAG

10.11.1955, BAGE 2, 221 (225). Berlin 25.1.2013, BeckRS 2013, 66884 [Entscheidungsgründe zu III. 2. b. bb. (3.) (b.)]. 100  Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 43 ff. 101  Siehe zu einer starken Betonung der Fremdnützigkeit und daraus abgeleitetem Vorrang der Gesellschafterinteressen z. B. Mohr, ZHR 178 (2014), 326 (356 f.). 102  Indifferent: Sobieraj, Schutz der beruflichen Betätigung (1960), S. 47. 99  ArbG



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers121

II. Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 1. Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Beschäftigungskontext In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmer spielt die Berufsausübungsfreiheit bislang keine Rolle.103 Das ist verwunderlich, als die tatsächliche Tätigkeitsentfaltung auf einem Arbeitsplatz klar unter die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fällt.104 Grundsätzlich wäre sogar über eine Spezialität des berufsrechtlichen Gewährleistungsgehalts gegenüber dem allgemeineren Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit des Art. 2 Abs. 1 GG nachzudenken.105 Allerdings herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Idealkonkurrenz zur Berufsfreiheit steht, da es nicht nur rein berufsrechtlich relevant ist. Die beiden Grundrechte ergänzen sich, da in einer Beschränkung der Berufsfreiheit zugleich eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen kann.106 Durch eine berufliche Tätigkeit wird nicht nur das Grundrecht der Berufsfreiheit verwirklicht, sondern auch die eigene Persönlichkeit entfaltet und damit Achtung und Selbstachtung erfahren.107 Der Arbeitsplatz kann die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen und seines Selbstwertgefühls maßgeblich bestimmen.108 Die Leistungen in einem Beruf sind nicht nur ein Beitrag jedes Einzelnen zur Wirtschaft, sondern auch „unentrinnbarer Schauplatz menschlicher Selbstver­ wirklichung“.109 Im Zusammenhang des Katalogs der Grundrechte ist die 103  Siehe aber zur Vereinbarkeit einer Tarifvertragsklausel, welche eine einseitige dauerhafte Freistellung ermöglicht und in der Konsequenz den Beschäftigungsanspruch entfallen lässt, mit der Berufsausübungsfreiheit: BAG 27.2.2002, BAGE 100, 339. 104  Siehe dazu noch näher sogleich unter § 3 C. II. 3. 105  Siehe nur Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 122. 106  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 124; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 12 Rn. 275. 107  BVerfG 27.4.1999, BVerfGE 100, 271 (284); 3.4.2001, BVerfGE 103, 293 (307). 108  BVerfG 24.4.1991, BVerfGE 84, 133 (155); 27.1.1998, BVerfGE 97, 169 (177) (wobei es in der Entscheidung um die Beendigung eines Arbeitsvertrags durch Kündigung ging – indem das Bundesverfassungsgericht hier darauf abstellt, dass „dieses ökonomische und soziale Beziehungsgeflecht mit der Beendigung des Arbeitsvertrages in Frage gestellt würde“ ist noch nicht die gesamte Dimension erfasst, da die „soziale Komponente“ auch bereits vorher – durch Nichtbeschäftigung – in Frage gestellt werden kann). 109  Badura, FS Herschel (1982), 21 (23).

122 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Berufsfreiheit über ihre Bedeutung für die materielle Daseinssicherung hi­ naus dem Schutzversprechen einzuordnen, welches dem Staat für die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit obliegt.110 Die Berufsfreiheit ist daher als Konkretisierung des Grundrechts der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung anzusehen,111 konzentriert sich aber selbst stärker auf die wirtschaftliche Existenzsicherung. 2. Gewährleistungsgehalt der Berufsausübungsfreiheit Die Berufsfreiheit wird häufig als personal geprägtes Grundrecht beschrieben.112 Der Beruf ist in seiner Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im Ganzen zu verstehen. Diese forme sich „erst darin voll aus und vollende sich, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt“113. Der Beruf wird entsprechend nicht nur in seinem wirtschaftlichen Sinn („Lebensgrundlage“) für den Grundrechtsträger geschützt, sondern gerade auch in seinem personalen Bezug („Lebensaufgabe“). Die Berufsfreiheit wird allgemein als ein einheitliches Grundrecht angesehen, da sich in vielen Konstellationen Berufswahl und -ausübung kaum trennscharf voneinander unterscheiden lassen.114 Dennoch lässt sich in der Umschreibung der Gewährleistungsgehalte oftmals zwischen den beiden Bereichen als unterschiedlichen Phasen der Berufsfreiheit unterscheiden.115 Dabei ist die Freiheit der Berufswahl zunächst Voraussetzung für die Freiheit der Arbeitsplatzwahl als ihrer Konkretisierung, diese wiederum Voraussetzung der Berufsausübung. Art. 12 GG garantiert dem Einzelnen allerdings kein Recht auf Arbeit, so dass weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl, noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz aus der Berufsfreiheit abgeleitet werden kann.116 Die Berufsausübungsfreiheit kann damit nur für einen dem Grundrechtsträger 110  Badura, FS Herschel (1982), 21 (23); in diese Richtung auch BVerfG 19.11.1985, BVerfGE 71, 183 (201). 111  BVerfG 16.3.1971, BVerfGE 30, 292 (334); 18.6.1980, BVerfGE 54, 301 (313); 27.1.1982, BVerfGE 59, 302 (315); Badura, FS Molitor (1988), 1 (13). 112  Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium (1993), S. 126 f.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 Rn. 4. 113  BVerfG 11.6.1958, BVerfGE 7, 377 (397 f.); 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (362). 114  St. Rspr. seit BVerfG 11.6.1958, BVerfGE 7, 377 (400 ff.). 115  H.-P. Schneider, in: Handbuch der Grundrechte V, § 113 Rn. 33. 116  BVerfG 21.2.1995, BVerfGE 92, 140 (150); 27.1.1998, BVerfGE 97, 169 (175); 25.1.2011, BVerfGE 128, 157 (176 f.).



C. Betroffene Grundrechte des Geschäftsführers123

noch zustehenden Arbeitsplatz beziehungsweise eine noch zustehende Anstellungsposition relevant werden.117 Die Berufsausübung im Sinne des Art. 12 GG umfasst alle Tätigkeiten, in denen ein gewählter Beruf seinen „realen Niederschlag“ findet.118 Die Betätigungen können mit dem Erwerbsziel direkt oder indirekt zusammenhängen.119 Die Ausübung umfasst die Form, die Mittel, den zeitlich, räumlich und gegenständlichen Umfang und den Inhalt, sowie zahlreiche weitere Unteraspekte als Ausdifferenzierungen,120 als genuin tätigkeitsbezogene Aspekte des Berufs.121 Das Grundrecht unterscheidet nicht zwischen selbständig oder unselbständig ausgeübten Berufen122 und gewinnt „Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als „Beruf“ hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde“123. 3. Beschäftigungsinteresse des GmbH-Geschäftsführers als geschütztes Rechtsgut Da sowohl selbstständige als auch unselbständige Tätigkeiten gleicher­ maßen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt werden, ist die Berufsausübung des Geschäftsführers einer GmbH unabhängig von ihrer diesbezüglichen Einordnung vom Gewährleistungsgehalt erfasst. Als Tätigkeit, die in materieller und ideeller Hinsicht der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, ist die Geschäftsführung einer GmbH als Beruf zu qualifizieren. Indem ein Geschäftsführer innerhalb des Rahmens seiner gesetzlichen Befugnisse für die Gesellschaft tätig wird, nimmt er die Freiheit der Berufsausübung war. Der Inhalt seines Berufs ist die Vertretung der Gesellschaft und die Leitung ihrer Geschäfte. Exemplarisch lassen sich als zur Ausübung des Berufs des Geschäftsführers zugehörig der regelmäßige Ort der Geschäftsführung, der Abschluss von konkreten Verträgen für die Gesellschaft oder die Bezeichnung als Geschäftsführer124 nennen. 117  Wobei aus Art. 12 GG allerdings eine staatliche Schutzpflicht gegen den Verlust des Arbeitsplatzes abzuleiten ist, der durch die geltenden Kündigungsschutzvorschriften Rechnung getragen wird (s. insbes. BVerfG 27.1.1998, BVerfGE 97, 169; (175); 25.1.2011, BVerfGE 128, 157 (176 f.)). Entscheidend ist für die Berufsausübungsfreiheit damit die Anknüpfung an ein noch bestehendes oder nicht wirksam angefochtenes Vertragsverhältnis. 118  Breuer, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 170 Rn. 82. 119  H.-P. Schneider, in: Handbuch der Grundrechte V, § 113 Rn. 60. 120  Siehe die Beispiele bei Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 10. 121  Kämmerer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rn. 27; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 10. 122  Badura, FS Herschel (1982), 21 (25). 123  BVerfG 11.6.1958, BVerfGE 7, 377 (397); 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (362). 124  Vgl. BVerwG 13.12.1979, BVerwGE 59, 213 (219).

124 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

III. Ergebnis Auch für den Geschäftsführer einer GmbH bedeutet die Möglichkeit zu tatsächlicher Tätigkeit die Verwirklichung von Grundrechten. Es sind sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch ergänzend die Berufsausübungsfreiheit einschlägig.

D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte der Gesellschafter Dem Beschäftigungsinteresse eines Geschäftsführers stehen notwendig die Interessen der Gesellschafter, welche ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießen, gegenüber. Sie möchten bei der Bestellung wie bei der Abberufung des geschäftsführenden Organvertreters möglichst freie Hand haben. Dieses Interesse ist motiviert durch das zu einem Geschäftsführer erforderliche Vertrauen in dessen Person wie auch dessen Fähigkeiten, da er in der Funktion als notwendiges Organ der GmbH regelmäßig erheblichen Einfluss auf das Gelingen der Geschäfte der Gesellschaft hat. Dieses wiederum hat in unterschiedlichen Dimensionen Auswirkungen auf die Gesellschaftsanteile, die von den Gesellschaftern gehalten werden, sowie die Verfolgung des Gesellschaftszwecks als Kern des korporativen Zusammenwirkens. Im Bereich der Freiheit unternehmerischer Betätigung, wie er hier auf Seiten der Gesellschafter betroffen ist, kommen mehrere Grundrechte in einer nicht immer trennscharf unterteilbaren Gemengelage zusammen. So kann die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1, die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1, die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 und subsidiär auch Art. 2 Abs. 1 GG Bedeutung erlangen. Dabei bildet Art. 12 GG regelmäßig die Basis für die Ausübung unternehmerischer Freiheit durch die Gesellschafter,125 welche durch die Gewährleistungen der Art. 14 und Art. 9 GG speziell und subsidiär durch Art. 2 GG ergänzt wird.126

I. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Die Berufsfreiheit als Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigung umfasst auch die sogenannte „Unternehmerfreiheit“. Die Unternehmerfreiheit ist das von Art. 12 GG gewährleistete Recht der freien Gründung und Führung von 125  Hergenröder,

FS Hadding (2004), 81 (88). in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 101 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 228. 126  Depenheuer/Froese,



D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte125

Unternehmen.127 Dabei umfasst die Berufsfreiheit das Recht zu unternehmerischer Betätigung sowohl im Rahmen von Klein-, Mittel- als auch Groß­ unternehmen.128 Als Unterbereiche der Unternehmerfreiheit lassen sich die Organisationsfreiheit, Dispositionsfreiheit, Investitionsfreiheit und Produk­ tionsfreiheit voneinander abgrenzen.129 Die Dispositionsfreiheit bedeutet Freiheit des Unternehmers in Planungsund Grundsatzentscheidungen für sein Unternehmen.130 Es liegt nahe, hier auch die Einordnung der Entscheidung eines Unternehmers (Gesellschafters) über die personelle Besetzung des Vertretungsorgans „seiner“ Gesellschaft zu erwägen. Indessen handelt es sich dabei aber um einen Modus der unternehmerischen Betätigung, der gerade durch die mitgliedschaftliche Stellung des Anteilseigentums gewährt wird. Gerade kraft seiner Stellung als Eigentümer eines Gesellschaftsanteils ist der einzelne Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung befugt, gemäß §§ 46 Nr. 5, 47 GmbHG über die Besetzung des Geschäftsführerorgans mitabzustimmen. Daher ist die Dispositionsfreiheit über die personelle Besetzung der Geschäftsführung zumindest schwerpunktmäßig bei der Eigentumsfreiheit zu verorten.131

II. Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) 1. Gewährleistungsgehalt Der Begriff des Eigentums des Art. 14 GG umfasst alle subjektiven vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf132. Das Anteils­ eigentum genießt den Schutz der Eigentumsfreiheit. Denn Anteilseigentum gewährt das geschützte Recht zur privatnützigen Verfügung über das investierte Kapital.133 Dabei bezieht sich der Schutz des Anteilseigentums inhaltlich auf die Mitgliedschaft in der Gesellschaft als Bündel von Einzelrechten 127  BVerfG

1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (363). in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 Rn. 69. 129  Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 12 Rn. 69. 130  Siehe BVerfG 30.7.2008, BVerfGE 121, 317 (344 ff.) zur Entscheidung eines Gastwirts zum Rauchen in seinen Gasträumen; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 12 Rn. 69. 131  Siehe nur BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (339 ff.). 132  BVerfG 8.3.1988, BVerfGE 78, 58 (71); 9.1.1991, BVerfGE 83, 201 (208 f.); s. a. BVerfG 8.7.1977, BVerfGE 45, 142 (179); 22.5.1979, BVerfGE 51, 193 (216 f.); 31.10.1984, BVerfGE 68, 193 (222); 8.10.1985, BVerfGE 70, 278 (285); 133  Depenheuer/Froese, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 143. 128  Manssen,

126 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

und -pflichten,134 die unselbständig und nicht von der Mitgliedschaft als Ganzes abtrennbar sind.135 Über die Mitgliedschaft kann auch als Ganzes verfügt werden, indem der Anteil abgetreten wird.136 Anteilseigentum als Mitgliedschaft in einer Gesellschaft stellt damit ein einfachrechtlich ausgeprägtes vermögenswertes subjektives Recht dar.137 Dabei lassen sich Vermögenselemente und mitgliedschaftliche Elemente – deutlicher: Verwaltungs- beziehungsweise Mitverwaltungselemente138 – des Anteilseigentums unterscheiden. Sie bilden rechtlich das der Beteiligung zugrunde liegende Motiv, sich wirtschaftlich an einem Unternehmen zu beteiligen, ab.139 Die Vermögenselemente des Anteilseigentums beinhalten etwa bestimmte Ansprüche auf Gewinnausschüttung aus der Mitgliedschaft. Die Verwaltungs- und Mitverwaltungselemente beinhalten Rechte, die darauf abzielen, den Gang des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens zu beeinflussen. Der verfassungsrechtliche Schutz erstreckt sich sowohl auf die vermögensrechtlichen Ansprüche als auch auf die mitgliedschaftliche Stellung, welche das Anteilseigentum vermittelt.140 Relevant ist im hiesigen Kontext vor allem die aus dem Anteilseigentum folgende Stellung der Verwaltung und Mitverwaltung der Gesellschaft. Denn von der (mit-)verwaltenden Stellung des Anteilseigners umfasst ist auch die Kontrolle über die Führungsauswahl im Unternehmen.141 Dabei bedeutet das Recht des einzelnen Gesellschafters zur Führungsauswahl in der Regel – bei Vorhandensein mehrerer Gesellschafter – das Recht, an der Auswahl durch Mehrheitsentscheidung mitzuwirken. In der Regel können die Eigentumsrechte aus dem Anteilseigentum eben nur zusammen mit anderen Gesellschaftern ausgeübt 134  Etwa

Teilnahme- und Stimmrechte, Bezugsrechte, Gewinnbeteiligung. Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 199 ff.; a. A. Schön, FS Ulmer (2003), 1359 (1369 f.); Wandt, Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand (2004), S. 99, die eine „unmittelbare“ (Gesellschaftsanteil als solcher, über den verfügt werden kann) und eine „mittelbare“ Dimension (mittelbares Eigentum an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern, welches durch mitgliedschaft­ liche Rechte verwirklicht wird) des Anteilseigentums unterscheiden wollen. 136  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 202. 137  Ebenso Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 203. 138  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 205. 139  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 224 f. 140  BVerfG 27.4.1999, BVerfGE 100, 289 (301  f.); 23.8.2000, NJW 2001, 279 (279); Wandt, Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand (2004), S.  88 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195; a. A. Kunze, RdA 1972, 257 (268); Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung (1973), S. 268 f. 141  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (350); Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 224; für die AG: Wandt, Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand (2004), S. 90 ff.; a. A. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung (1973), S.  268 f. 135  Näher



D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte127

werden.142 Der spezifische Einfluss auf die Geschäftsleitung durch die Gesellschafter ist selbstverständlich abhängig davon, wie in der betreffenden Gesellschaftsform die Mitverwaltungsrechte ausgestaltet sind.143 2. Keine verminderte Schutzintensität für sogenannte „mittelbare Verfügungsbefugnisse“ Anteilseigentum wird oftmals als „gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum“144 beschrieben,145 wobei damit vornehmlich die Dimension der Mitverwaltungsrechte gemeint ist. Das Anteilseigentum sei dort durch eine stark gelockerte Koinzidenz von Rechtsinhaberschaft, Herrschafts- und Nutzungsmacht einerseits, Herrschaft und Verantwortung beziehungsweise Haftung andererseits geprägt. Für das Sacheigentum hingegen sei diese Koinzidenz gerade typisch.146 Aus dieser so genannten „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ des Anteilseigentums wird geschlussfolgert, der Eigentumsschutz des Anteilseigentums könne bloß ein abgestufter Schutz sein.147 Indes liegt dieser Unterscheidung hinsichtlich der Schutzintensität die fehlerhafte Prämisse zugrunde, der eigentliche Gegenstand der Eigentumsgarantie sei bei Gesellschaftern das Eigentum am Unternehmen.148 Die Annahme eines durch den Anteil bloß „vermittelten“ Eigentums fußt notwendig auf der Vorstellung, die Gesellschafter hätten tatsächlich jeweils partielles Eigentum an den „kollektivierten“ Eigentumsgegenständen, die zu dem Unternehmen 142  Leisner,

in: Handbuch des Staatsrechts VI (2. Aufl. 2001), § 149 Rn. 112, 116. Anteilseigentum (2010), S. 223 f. 144  Zur Problematik des Art. 14 GG als normgeprägtes Grundrecht statt vieler: Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie (1983), S. 13 ff. 145  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (342 f.): „Neben dem Sozialordnungsrecht (BVerfGE 25, 371 [407] = NJW 1969, 1203) bestimmt und begrenzt das Gesellschaftsrecht die Rechte des Anteilseigners; nach diesem wird das Vermögensrecht durch das Mitgliedschaftsrecht „vermittelt“; der Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustehen. Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum also weitgehend gelöst.“ 146  Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 195. 147  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (342  ff.); Suhr, Eigentumsinstitut und ­Aktieneigentum (1966), S. 91 f.; Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung (1975), S. 173; Stein, Qualifizierte Mitbestimmung unter dem Grundgesetz (1976), S.  55 f. 148  Ausführlich dazu Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 218 ff. 143  Bergbach,

128 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

zusammengefasst sind, dessen Träger die Gesellschaft ist.149 Diese Vorstellung ist geprägt durch das Konzept des Sacheigentums, bei dem eine greifbare Sache Gegenstand von Verfügungs- und Nutzungsbefugnissen ist.150 Damit lässt sich eine – aus jener Sicht – für das Eigentumsrecht relevante Distanzierung zwischen den Anteilseignern und dem Unternehmen (als „eigentlicher“ Eigentumsgegenstand) erblicken.151 Denn auf das Unternehmen selbst hat der einzelne Gesellschafter nur einen mittelbaren Einfluss und entsprechend keine direkte Herrschafts- und Nutzungsmacht. Gegenstand des Eigentums ist aber, wie erläutert, der Gesellschaftsanteil als die Mitgliedschaft selbst. Als solches handelt es sich beim Anteilseigentum nicht um gleichsam minderwertiges – da lediglich „mittelbares“ Eigentum – sondern um vollwertiges Eigentum im Sinne des Art. 14 GG, wenngleich sich sein Inhalt von demjenigen des Sacheigentums notwendig unterscheidet.152 Das Gesellschaftsvermögen hingegen steht dem einzelnen Gesellschafter gerade nicht als vermögenswertes Recht zu, so dass auch eine entsprechende „Vermittlung“ durch die Anteile nicht einleuchtend ist. Inhaberin des Gesellschaftsvermögens ist vielmehr die Gesellschaft als juristische Person, deren Eigentum seinerseits durch Art. 14 GG nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG geschützt wird. Entsprechend ist eine Minderung der Schutzintensität durch die Eigentumsgarantie aus Gründen der vermeintlichen „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ nicht überzeugend. Eine davon zu unterscheidende Frage ist hingegen die konkrete gesetzgeberische Ausgestaltung von Gesellschafterrechten und deren Grenzen und damit die umfassende rechtliche Ausgestaltung des Anteilseigentums.153 Insoweit ließe sich durchaus von einer „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ des Anteilseigentums sprechen, da im Gegensatz zur Beziehung zwischen einem Eigentümer und einer Sache die Beziehung zwischen einem Anteilseigentümer und der Mitgliedschaft als stärker „verrechtlicht“ bezeichnet werden kann.154 Letztlich handelt es sich aber auch hierbei um die für den Eigentumsschutz typische Frage, inwieweit der grundrechtliche Eigentumsschutz auf die einfachrechtliche Ausgestaltung des Eigentums aufbauen kann und muss.

149  Bergbach,

Anteilseigentum (2010), S. 219. eine solch vereinfachende Gegenüberstellung eindringlich Martens, ZGR 1979, 493 (500 ff.). 151  Ausführlich dazu Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 220 ff. 152  Leisner, in: Handbuch des Staatsrechts VI (2. Aufl. 2001), § 149 Rn. 112 ff.; Stern, Staatsrecht IV/1 (2006), S. 2193 f.; Wiedemann, Anmerkung zu AP § 1 MitbestG Nr. 1 (1979), Bl. 32 f.; Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 225. 153  Dazu anschaulich Martens, ZGR 1979, 493 (500 ff.). 154  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 195. 150  Gegen



D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte129

3. Keine verminderte Schutzintensität wegen mangelnder „personaler Funktion“ des Anteilseigentums Nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts dient Eigentum grundsätzlich der Sicherung persönlicher Freiheit des Einzelnen. Eigentum habe daher einen personalen Bezug.155 Dieser soll aber im Einzelfall in gleichem Maße zurücktreten, wie ein sozialer Bezug und soziale Funktionen des Eigentums in den Vordergrund treten.156 Wenn Nutzung und Verfügung über das Eigentum nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers verblieben, sondern Belange anderer berührten, sei der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für Inhalts- und Schrankenbestimmungen entsprechend größer.157 Im Hinblick auf den Schutz von Anteilseigentum knüpft das Bundesverfassungsgericht an sein Verständnis von der „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ des Anteilseigentums an und folgert daraus sehr allgemein zumindest die Mitverwaltungskomponente als Teil des Anteilseigentums habe gerade wegen dieser „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ regelmäßig nur einen geringen personalen Bezug.158 Das Auseinanderfallen von Gebrauch und Verantwortung für das Eigentum zeige, dass nicht der Anleger als Person von seinen Entscheidungen ergriffen werde. Typischerweise bedeute das Anteilseigentum denn auch nicht eine unternehmerische Betätigung, welche die Anleger mit ihrer Person verbinden würden.159 Daher wird es als weniger schutzwürdig angesehen. Davon abgesehen, dass das Konstrukt der „gesellschaftsrechtlichen Vermittlung“ auf unzutreffenden Annahmen beruht,160 ist es als rein rechtliches Konstrukt auch nicht geeignet, den personalen Bezug der Mitverwaltung als Komponente des Anteilseigentums zu erfassen. Denn der personale Bezug ist eine tatsächliche Kategorie.161 Überzeugender wäre es, den personalen Bezug als Maßstab für die Schutzintensität der Eigentumsgarantie auf die Grundlage des vorrechtlichen Tatsächlichen zurückzuführen. Seinen personalen Bezug erlangt das Eigentum durch die Rolle, die es für den Eigentümer im persönlichen Bereich in tatsächlicher Hinsicht spielt. Hat das Anteils­ eigentum in seiner vermögensrechtlichen Dimension Bedeutung für die persönliche Sphäre des Inhabers, dienen auch die Verwaltungs- und Mitverwal155  BVerfG

1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (347 ff.); 2.3.1999, BVerfGE 99, 367 (392). 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (340). 157  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (340 f.). 158  S. dazu auch Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 227 ff. 159  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (348). 160  Siehe soeben unter § 3 D. II. 2. 161  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 247. 156  BVerfG

130 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

tungsrechte diesem Zweck.162 Denn sie sind die Instrumente der Einflussnahme im Rahmen der Mitgliedschaft. Sie bieten dem Inhaber die Möglichkeit, sein Anteilseigentum in seinem Interesse zu nutzen, etwa um gegen eine Geschäftsführung zu stimmen, die für der Entwicklung der Gesellschaft nicht förderlich gehalten wird und zum Beispiel eine Entwertung des Anteilseigentums verursachen könnte. Sichert ein Anleger mit Gesellschaftsanteilen seine Altersvorsorge und verlieren diese dramatisch an Wert, lässt sich wohl ein persönlicher Bezug nicht leugnen. Es lässt sich daher jedenfalls in der Allgemeinheit des Bundesverfassungsgerichts nicht behaupten, die Verwaltungsund Mitverwaltungskomponente des Anteilseigentums habe regelmäßig kaum personalen Bezug. Es ist allerdings fraglich, ob überhaupt an dem Kriterium des personalen Bezugs festgehalten werden sollte. Nähert man sich der Frage des personalen Bezugs von ihrer vermeintlichen Gegenseite, der sozialen Funktion, zeigt sich zunächst, dass personaler Bezug und soziale Funktion gar nicht in einem Alternativverhältnis stehen. Vielmehr ist es geradezu offensichtlich, dass auch Anteilseigentum, welches einen starken personalen Bezug hat, zugleich eine ebenso ausgeprägte soziale Funktion haben kann.163 Da Anteilseigentum regelmäßig an Unternehmensträgern besteht, deren Unternehmen wiederum als Arbeitgeber einerseits das Leben vieler Arbeitnehmer und anderer Personen beeinflussen und andererseits ihre tatsächliche Nutzungsmöglichkeit nicht nur in der Sphäre des Anteilseigentümers entfalten, wirkt diese soziale Funktion bis auf das Anteilseigentum zurück. Sie vermindert aber nicht automatisch den personalen Bezug des Anteilseigentums, denn die beiden Kriterien haben nicht dieselbe Tatsachengrundlage. Personaler Bezug und soziale Funktion sind dementsprechend unabhängig voneinander zu ermitteln. Insbesondere der soziale Bezug und sein Einfluss auf die Rechtsausgestaltung kann nur für konkret zu regelnde Situationen formuliert werden. Er erweitert den staatlichen Gestaltungsspielraum nur für solche Maßnahmen, die eben jenen sozialen Bezug zum Regelungsanlass nehmen und ihm inhaltlich begegnen.164 Daher wird darauf im Rahmen eines Ausgleichs der Grundrechtspositionen zurückzukommen sein.165 Das Kriterium der „personalen Funktion“ erscheint demgegenüber wenig praktikabel und greifbar. Es ist ersichtlich auf natürliche Personen zugeschnitten. Die Suche nach natürlichen Personen als „letzte (indirekte) Eigentümer“ ist aber wirklichkeitsfremd, weil Anteilseigentum oft unzählige Male 162  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 232 ff. untersucht hingegen die Rechtsausübungsinteressen der Anteilseigner hinsichtlich der (Mit-)Verwaltungsrechte. 163  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 266 ff. 164  Bergbach, Anteilseigentum (2010), S. 271 f. 165  Siehe unter § 4.



D. Dem Beschäftigungsinteresse widerstreitende Grundrechte131

weiter gebrochen ist, wenn z. B. Gesellschaften Anteilseigner von Gesellschaften sind.166 Wenn in solchen Strukturen der „personale Eigentumsbezug“ gar nicht mehr greifbar ist, müsste an sich das Vorliegen von Eigentum überhaupt abgelehnt werden. Und es würde juristischen Personen, die den personalen Bezug per se nicht vorweisen können, der Grundrechtsschutz versagt oder zumindest gravierend abgeschwächt, wobei der Anordnung des Art. 19 Abs. 3 GG ohne Not vorgegriffen würde.167 Der „personale Bezug“ als Kriterium der Schutzintensität für Eigentum im Rahmen des Art. 14 GG erscheint daher äußerst fragwürdig. Überzeugender ist es, im Rahmen von Güterabwägungen den von der Verfassung vorgegebenen Sozialbezug zu ermitteln. Die unterschiedlich ausgeprägte Schärfe der Sozialbindung lässt sich ohne eine Verwässerung des Eigentumsbegriffs ermitteln und eröffnet in hinreichendem Maße sozialpolitischen Spielraum.168

III. Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) Der Schutz der Vereinigungsfreiheit umfasst neben Gründungs-, Beitrittsund Austrittsfreiheit auch die Selbstbestimmung der Mitglieder über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte.169 Der Gewährleistungsgehalt überschneidet sich hinsichtlich der Ausübung von Verwaltungsrechten der Vereinigungsmitglieder innerhalb der Vereinigung daher mit demjenigen der Eigentumsfreiheit. Das oben zur Eigentumsfreiheit Gesagte gilt hier entsprechend, so dass die Entscheidung über die Besetzung des Geschäftsführungsorgans durch die Gesellschafter auch durch den Gewährleistungsgehalt der Vereinigungsfreiheit geschützt ist.

IV. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) Nur soweit die speziellen Grundrechte nicht betroffen wären, könnte die „allgemeine Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet“ einschlägig170 und hier von Relevanz sein. Die Zusammenfassung eines Grundrechts unternehmerischer Dispositionsfreiheit unter dem Dach des Art. 2 Abs. 1 GG, wie 166  Leisner,

in: Handbuch des Staatsrechts VI (2. Aufl. 2001), § 149 Rn. 116. in: Handbuch des Staatsrechts VI (2. Aufl. 2001), § 149 Rn. 115 f. 168  Leisner, in: Handbuch des Staatsrechts VI (2. Aufl. 2001), § 149 Rn. 116 ff. 169  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (354). 170  BVerfG 31.10.1984, BVerfGE 68, 193 (223) zur Handlungsfreiheit im Bereich des Berufsrechts; s. a. Depenheuer/Froese, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 103. 167  Leisner,

132 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

sie gelegentlich vorgeschlagen worden ist, lässt sich indessen schwerlich mit den differenzierten Gewährleistungsgehalten der speziellen Freiheitsrechte vereinbaren.171 Der Gewährleistungsbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit bedarf in diesem Zusammenhang daher keiner weiteren Untersuchung.

V. Ergebnis Die Dispositionsfreiheit über die Besetzung des Geschäftsführeramts ist auf Seiten der Gesellschafter durch die grundrechtliche Eigentumsfreiheit geschützt. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht also im Hinblick auf eine Beschäftigung in der Organposition die Eigentumsfreiheit der Gesellschafter gegenüber. Wie dieser Grundrechtskonflikt zwischen zwei Privaten aufgelöst werden kann, ist im Folgenden zu untersuchen.

E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht Das Beschäftigungsinteresse als Wahrnehmung von grundrechtlich gesicherten Freiheiten ist ein Interesse, welches vor allem gegenüber Privaten relevant wird.172 Für die Geschäftsführer von GmbHs stellt sich damit grundsätzlich die Frage, ob und wie ihr auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gestütztes Beschäftigungsinteresse im Verhältnis zu den Gesellschaftern Beachtung finden kann. Dazu ist zunächst die Wirkungsweise der Grundrechte auf das Privatrecht zu klären.

I. Wirkung der Grundrechte im Privatrecht 1. Grundrechte als klassische Abwehrrechte gegen staatliche Handlungen Historisch gesehen hatten Grundrechte vor allem die Funktion, die Bürger vor Eingriffen des Staates zu schützen. Sie waren zunächst ausschließlich 171  In diese Richtung aber H. P. Ipsen, Kartellrechtliche Preiskontrolle als Verfassungsfrage (1976), S. 79 ff. 172  Zwar kann tatsächliche Beschäftigung im Einzelfall auch hoheitlich durch den Staat verhindert werden. Das geschieht dann typischerweise aufgrund von Schutzaspekten, wie etwa bei (temporären) Beschäftigungsverboten zulasten/zugunsten bestimmter Beschäftigtengruppen, die hier nicht näher behandelt werden sollen. Kube, in: Handbuch des Staatsrechts VII, § 148 Rn. 100 konstatiert, dass Persönlichkeitsentfaltung vor allem im zwischenmenschlichen Bereich stattfinde.



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht133

Abwehrrechte gegen den Staat.173 Erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde eine Wirkung im Privatrecht diskutiert.174 Allein Art. 9 Abs. 3 GG ordnet die Wirkung eines Grundrechts, der Koalitionsfreiheit, ausdrücklich auch zwischen Privaten an. Dennoch ist anerkannt, dass die Grundrechte auch im Privatrecht Geltung beanspruchen.175 Dabei kann es allerdings nach dem Wortlaut des Grundgesetzes keine sogenannte „unmittelbare Drittwirkung“ der Grundrechte zwischen Privaten geben, denn sie binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG direkt nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung.176 Gegen eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten spricht auch, dass durch häufig erforderliche Grundrechtsabwägungen die Privatautonomie stark beeinträchtigt und eine beträchtliche Rechtsunsicherheit in das Privatrecht hineingetragen würde.177 Konstruktiv ist daher die Grundrechtsgeltung im Privatrecht eine Konsequenz der Grundrechtsbindung von Gesetzgebung und Rechtsprechung. Sie besteht nicht zwischen den Bürgern untereinander. 178 2. Grundrechte als objektive Werteordnung Das Bundesverfassungsgericht beschreibt die Grundrechte in ihrer Gesamtheit als eine objektive Werteordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten müsse. Entsprechend beeinflusse das grundrechtliche Wertesystem auch das Privatrecht.179 Insoweit wird von einer Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die übrige Rechtsordnung oder auch von einem objektiven Gehalt gesprochen. Die Grundrechte können die ihnen zugedachte Wirkung letztlich nur voll entfalten, wenn sie auch im Privatrecht beachtet werden. Würden sie dort ihre Bedeutung verlieren, geriete die Rechtsordnung insgesamt in einen Selbstwiderspruch.180 Die objektiv-rechtliche Bedeutung der Grundrechte muss dem173  BVerfG 174  Papier,

15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205). in: Handbuch der Grundrechte II, § 55 Rn. 2 f.; Stern, Staatsrecht III/1,

S.  1518 ff. 175  Grundlegend: BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205). 176  BVerfG 4.5.1971, BVerfGE 31, 58 (72 f.); s. a. BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205); Papier, in: Handbuch der Grundrechte II, § 55 Rn. 16 f. 177  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1995), Rn.  354 f. (S.  158 f.); Papier, in: Handbuch der Grundrechte, § 55 Rn. 18 ff. 178  Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971), S. 155; Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 197 Rn. 90. 179  BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205); 12.11.1997, BVerfGE 96, 375 (398). 180  Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 197 Rn. 97; s. a. differenzierend Lerche, FS Odersky (1996), 215 (218 ff.).

134 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

entsprechend notwendig auch eine subjektiv-rechtliche Wirkung für den Einzelnen im Privatrecht nach sich ziehen. Aus der Annahme einer objektiven Werteordnung der Grundrechte folgerte das Bundesverfassungsgericht deren Einwirkung auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten im Wege einer mittelbaren Drittwirkung.181 Die Grundrechte wirkten zwar nicht zwischen Privaten direkt, sie wirkten aber mittelbar zwischen Privaten, nämlich indem sie im Privatrecht – insbesondere bei der Auslegung von Generalklauseln – Beachtung finden müssten.182 Dieses Konzept begegnet zum einen der Kritik, dass die Bezeichnung der Grundrechte als „Werteordnung“ keinen rechtlich relevanten Erklärungs­ gehalt bietet. Als subjektiv-öffentliche Rechte gelten Grundrechte von ihrer Normstruktur her nur gegenüber dem Normadressaten Staat. Die Verweise auf außerjuristische Begriffe wie „Wert“ und „Ausstrahlungswirkung“ seien nicht geeignet, eine Bindung Privater zu begründen.183 Auch widerspreche dieses Konzept seiner eigenen Prämisse, den Grundrechten durch ihre Wirkung als objektive Werteordnung mehr Geltungskraft zu verschaffen. Denn der Staat würde kraft der mittelbaren Drittwirkung gerade ermächtigt, in grundrechtliche Güter und Freiheiten einzugreifen und so die freiheitsschützende Wirkung in ihr funktionales Gegenteil verkehrt.184 Auch wird die starke Konzentration dieser Lehre auf die Generalklauseln und die ausfüllungsbedürftigen Begriffe des Privatrechts kritisiert. Die Grundrechtsverwirklichung im Privatrecht durch andere Normen als Generalklauseln sei nichts Ungewöhnliches und ebenso legitimationswürdig.185 Die Betonung des objektiven Normgehalts der Grundrechte stelle sich als eine Trivialität heraus,186 da jedes subjektive Recht seine Grundlage in einer objektiv-rechtlichen Norm hat. Fragt man aber andersherum nach dem logischen Schluss subjektiver Rechte aus den objektivrechtlichen Normen der Grundrechte, gelangt man wieder zu Eingriffsverboten hinsichtlich der Freiheitsrechte und Diskriminierungsverboten hinsichtlich der Gleichheitsrechte.187 Das scheint mit der mittelbaren Drittwirkung nicht gemeint zu sein; der konkrete Einwirkungsmodus und damit die Reichweite seines Einflusses auf die Privatrechts181  In BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205) noch nicht explizit so genannt; s. a. BVerfG 23.04.1986, BVerfGE 73, 261 (269); 25.10.2005, BVerfGE 114, 339 (348). 182  BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (205); 25.10.2005, BVerfGE 114, 339 (348); sowie maßgeblich: Dürig, FS Nawiasky (1956), 157 (176 ff.). 183  Henke, DÖV 1984, 1 (7 f.); Lerche, FS Odersky (1996), 215 (223). 184  Müller-Franken, FS Bethge (2009), 223 (234). 185  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (222 ff.). 186  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225). 187  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (224 f.).



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht135

interpretation bei der mittelbaren Drittwirkung bleibt weitgehend offen. Letztlich bleibt damit auch der Inhalt der im Einzelfall zu treffenden Entscheidung offen.188 Die Vagheit des Konzepts der mittelbaren Drittwirkung mag zwar ein „flexibles System von ‚Einwirkungen‘ der Grundrechte auf das Privatrecht“189 ermöglichen. Sie lässt aber entsprechend zum einen Struktur vermissen und führt zum anderen zu Gewichtsverlagerungen im Verhältnis von Gesetzgeber und (Verfassungs-)Gerichtsbarkeit.190 3. Grundrechte als Gegenstand staatlicher Schutzpflichten In Kritik der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur mittelbaren Drittwirkung ist vor allem vorgeschlagen worden, diese Frage nicht mehr als eigene Lehre zu behandeln, sondern allein unter dem Blickwinkel der Schutzpflichten des Staates.191 Dass aufgrund der Grundrechte auch Schutzpflichten des Staates bestehen, ist grundsätzlich anerkannt.192 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der gegen den Staat gerichtete, abwehrrechtliche Gewährleistungsgehalt der Grundrechte letztlich nicht ausreichend ist, um die Freiheit des Einzelnen zu verwirklichen. Vielmehr würde diese regelmäßig auch durch Dritte – andere Private, andere Staaten193 – sowie durch Naturgewalten194 gefährdet, weshalb der Staat die grundrechtlichen Freiheiten in gewissem Maße auch positiv schützen müsse. Wegen seiner grundrechtlichen Schutzpflichten habe der Staat den einzelnen Bürger unter anderem vor Übergriffen durch Private zu sichern, indem er mit geeigneten Maßnahmen entsprechende Rechtsgutsverletzungen im privatrechtlichen Bereich verhindert.195 188  Ruffert,

S. 16.

189  Oeter,

Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001),

AöR 119 (1994), 529 (531). AöR 119 (1994), 529 (531 f.). 191  Maßgeblich Canaris, AcP 184 (1984), 201, 225 ff.; ders., Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 33 ff.; siehe für eine ausführliche Darstellung auch Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 16 ff.; für eine Vereinigung der beiden Lehren: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 185 ff.; hingegen für eine Behandlung im Rahmen der Abwehrfunktion der Grundrechte: Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971). 192  Vgl. etwa BVerfG 25.2.1975, BVerfGE 39, 1 (42); 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 („Handelsvertreterbeschluss“); 28.5.1993, BVerfGE 88, 203 (254); 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 („Bürgschaftsbeschluss“); 29.11.1995, NJW 1996, 651; 6.5.1997, BVerfGE 96, 56 (64); BGH 19.9.1961, BGHZ 35, 363 (367 f.); 5.3.1963, BGHZ 39, 124 (131 f.); BAG 25.2.1998, NZA 1998, 715 (716). 193  Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 410; Klein, NJW 1989, 1633 (1633). 194  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 124. 195  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); Oeter, AöR 119 (1994), 529 (549); Langner, Die Problematik der Geltung der Grundrechte unter Privaten (1998), 190  Oeter,

136 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Das ist auch ausdrücklich im Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG vorgesehen, der davon spricht, dass der Staat die Menschenwürde nicht nur zu „achten“, sondern auch zu „schützen“ habe. Das gilt ebenfalls für alle nachfolgend normierten Grundrechte des Grundgesetzes, da diese letztlich Ausprägungen der Fundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG sind.196 Ist von einer Beeinträchtigung der Grundrechte durch Akte Privater die Rede, soll hier im Anschluss an unterschiedliche Stimmen der Schutzpflichtdogmatik in Abgrenzung zum staatlichen Handeln der Begriff des (Grundrechts-)Übergriffs verwendet werden. Die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht könne zum einen durch die grundrechtskonforme Ausgestaltung des Zivilrechts durch den Gesetzgeber geschehen.197 Zum anderen realisiere sie sich auch durch die Verpflichtung des Richters zur grundrechtskonformen Auslegung des Privatrechts.198 Die Schutzpflicht-Dogmatik ist überzeugend, weil sie die Wirkung der Grundrechte auf das Privatrecht letztlich aus ihrer Staatsgerichtetheit herleiten kann. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sie zwischenzeitlich in seine Rechtsprechung aufgenommen199 und sich darüber hinaus terminologisch und dogmatisch langsam von der mittelbaren Drittwirkung distanziert.200 Grundrechte wirken trotz ihrer vertikalen Richtung vom Bürger auf den Staat als horizontale Grenzen zwischen den einzelnen Bürgern. Als grundrechtliche, also staatlich gewährleistete, Freiheit setzen sie die Abgrenzung von einem jedem Bürger zugemessenen Garantiebereich als dessen eigen voraus.201 Die Grundrechte sind Recht im Sinne Kants als „Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“202.203 Zu diesen Bedingungen gehört auch, dass die einzelnen Grundrechtsträger sich gegenseitig wiederum als solche achten und sich Übergriffen auf die Grundrechte der anderen enthalten. Dem Staat fällt dabei die Aufgabe des Koordi-

S.  82 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 37 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 190. 196  Rupp, AöR 101 (1976), 161 (166); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (226); s. a. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 142 ff., 170. 197  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 69 f., 81 ff. 198  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 69 f. 199  BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255 f.); 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (232 ff.). 200  Siehe dazu Kulick, NJW 2016, 2236. 201  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 191 Rn. 174. 202  Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797), Metaphysik der Sitten Bd. 1, Neu-Ausgabe B. Ludwig (1986), S. 38. 203  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 191 Rn. 175.



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht137

nators grundrechtlicher Freiheiten zu.204 Staatstheoretisch baut dieses Verständnis unter anderem auf dem Staatszweck der Sicherheitsgewährleistung für die Bürger auf. Der staatliche Rechtsschutz, welcher die Eigenmacht des Einzelnen zugunsten eines Gesamtzustandes der Sicherheit ablöst, umfasst die grundrechtlichen Schutzgüter.205 Schutzpflichten basieren auf dem staatlichen Sicherheitsversprechen, werden durch die Schutzgüter der Grundrechte konkretisiert und münden letztlich in einer staatlichen Rechtsgüterabwägung.206 Bei der Ausgestaltung des Privatrechts ist der Gesetzgeber gemäß Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die Annahme einer lediglich mittelbaren Wirkung der Grundrechte auf das Privatrecht ist schlicht nicht zutreffend.207 Auch hat das Privatrecht im Hinblick auf die Kollision von Grundrechten in Konflikten Privater keine Sonderstellung, denn es handelt sich um eine allgemeine Erscheinung, die im Verwaltungsrecht oder Strafrecht genauso auftreten kann wie im Privatrecht.208

II. Die Umsetzung von Grundrechtsschutz mittels der Schutzpflichtendimension Die Schutzpflicht-Dogmatik unterscheidet zwischen zwei Stufen, die im Wesentlichen das „Ob“ und das „Wie“ des Grundrechtsschutzes voneinander abgrenzen. Auf der ersten Stufe ist also zu klären, ob überhaupt eine Schutzpflicht des Staates besteht. Das setzt die tatbestandliche Einschlägigkeit eines Grundrechts und ein Schutzbedürfnis voraus. Auf der zweiten Stufe ist sodann zu ermitteln, auf welche Weise eine bestehende staatliche Schutzpflicht eingelöst werden kann. In diesem Zuge sind auch eventuelle Abwägungsmechanismen mit konfligierenden Grundrechten vorzunehmen. 1. Voraussetzungen einer Schutzpflicht a) Einschlägigkeit eines Grundrechts Selbstverständlich kommt ein Schutzgebot von vornherein nur in Betracht, wenn ein Grundrecht überhaupt tatbestandlich einschlägig ist. Es ist vorgeschlagen worden, im Verhältnis der Bürger untereinander den Anwendungs204  Isensee,

in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 191 Rn. 175 f. NJW 1989, 1633 (1635 f.); Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts IX, § 191 Rn. 181 ff. 206  Klein, NJW 1989, 1633 (1636). 207  Maßgeblich Canaris, AcP 184 (1984), 201 (210 ff.). 208  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (212). 205  Klein,

138 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

bereich eines Grundrechts anders – zum Teil enger – zu bestimmen als im Verhältnis zum Staat.209 An dieser Stelle fänden also jener Ansicht nach Modifikationen der Grundrechtsgewährleistungen statt. Das kann allerdings schon aus dem Grund nicht überzeugen, dass die Schutzpflicht eben den Staat trifft und nicht den in ein Grundrecht „eingreifenden“ Bürger. Insofern stellt die Anwendung von Grundrechten „zwischen Privaten untereinander“ gerade keine taugliche Grundlage für eine Verengung der tatbestandlichen Anwendungsbereiche der Grundrechte dar; ganz abgesehen davon, dass Türen für unabsehbare, willkürliche Modifikationen des Geltungsgehalts des Grundgesetzes eröffnet würden. Die Schutzpflicht entspricht in ihrer thematischen Reichweite dem Abwehrrecht, so dass die tatbestandliche Prüfung, ob ein „Übergriff“ in ein Grundrecht gegeben ist, ebenso vorzunehmen ist wie bei einem staatlichen Eingriff in ein Grundrecht.210 Die Unterschiede zum abwehrrechtlichen Gehalt zeigen sich erst auf den weiteren Stufen der Prüfung einer Schutzpflicht. b) Bestehen eines Schutzbedürfnisses Um die staatliche Pflicht des Schutzes eines betroffenen Grundrechts annehmen zu können, muss ein gewichtiges Bedürfnis dafür bestehen.211 Denn dem gesamten Privatrecht liegt die Grundannahme des Vorrangs der Gesellschaft vor dem Staat zugrunde, der entsprechend der Verkehr der Bürger untereinander grundsätzlich von staatlichen Eingriffen frei ist und diese daher jeweils einer besonderen Legitimation bedürfen.212 Im Vertragsrecht wird dieses Prinzip noch durch die ihrerseits auch grundrechtlich abgesicherte Privatautonomie aktualisiert. Ein Schutzbedürfnis kann von vornherein ausscheiden, wenn der Bürger der Gefährdung seines Grundrechts durch eigene Maßnahmen begegnen kann; beispielsweise seine Meinung oder seine politische Propaganda ohne wesentliche eigene Nachteile an anderen Stellen kundtun kann, an denen ihm schon kein Übergriff seitens eines anderen Bürgers droht.213 Es kann hingegen gegeben sein, wenn der Betroffene dem

209  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 73 f.; a. A. Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, § 191 Rn. 56. 210  Ähnlich Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 222. 211  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 74. 212  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 47. 213  Beispiel bei Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 74, 55 f., der damit die „Wahlplakat-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 230) aufgreift; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 245; ähnlich auch Langner, Die Problematik der Gel-



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht139

Grundrechtsübergriff durch den anderen Bürger ausgesetzt ist, ohne sich selbst dagegen schützen zu können.214 Dies bedarf der Konkretisierung. Einer Ansicht nach sollen Kriterien wie die Rechtswidrigkeit des Übergriffs in das Grundrecht, seine Gefährdung und die Angewiesenheit des Grundrechtsträgers auf die Mitwirkung anderer Bürger für die Ausübung zusätzlich mit darüber entscheiden, ob eine Schutzpflicht besteht.215 Des Weiteren sollen Art und Rang des betroffenen Grundrechts, die Schwere des drohenden Übergriffs, die Intensität der Gefährdung, die Möglichkeit zu effizientem Selbstschutz und das Gewicht gegenläufiger Interessen in einem dynamischen System der Abstufungen darüber entscheiden, ob eine Schutzpflicht anzunehmen ist.216 Nach anderer Ansicht kommt es hingegen vor allem auf die Rechtswidrigkeit des privaten Übergriffs an.217 Dazu wird ein Rechtswidrigkeitsmaßstab aus der Verfassung heraus entwickelt, der sich auf das Gewaltverbot und das Schädigungsverbot stützt.218 Demgemäß sollen nur Übergriffe von Verfassungs wegen abzuwehren sein, die auch von Verfassungs wegen missbilligt werden.219 Dagegen ist einzuwenden, dass Schutzpflichten mit ihrer Orientierung auf das Rechtsgut eines Grundrechts nicht das Verhalten Privater betreffen, sondern den unerwünschten Erfolg, namentlich die Grundrechtsverkürzung. Sie wirken also einem Erfolgsunrecht entgegen, ohne Rücksicht darauf, auf ­welche Art und Weise es bewirkt wird.220 Daher ist es nicht überzeugend, die Schutzpflicht des Staates an ein rechtswidriges Verhalten eines Privaten anzuknüpfen, zumal diese Argumentation einen Zirkelschluss darstellt. Denn was die – staatlich gesetzte – Rechtsordnung verbieten muss, ist aus dem grundrechtlichen Schutzauftrag an vielen Stellen gerade erst abzuleiten.221 tung der Grundrechte zwischen Privaten (1998), S. 121; a. A. wohl Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 196. 214  Hermes, NJW 1990, 1764 (1768). 215  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 74 ff. 216  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 78 ff. 217  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 225 ff. 218  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 225 ff. 219  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 227. 220  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 196. 221  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 196, der die Beurteilung des Verhaltens desjenigen, der einen Übergriff in das Grundrechtsgut eines anderen vollzieht aber für Maß und Reichweite der Schutzpflicht im Einzelfall für berücksichtigenswert hält; ähnlich auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (1992), S. 106; Hermes, Das Grundrecht

140 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Ein davon entkoppelter eigener Rechtswidrigkeitsmaßstab erscheint dem­ gegenüber nicht überzeugend. Auch die weiteren vorgeschlagenen Kriterien (Gefährdung und deren Intensität, Angewiesenheit des Grundrechtsträgers auf die Mitwirkung anderer, Art und Rang des Grundrechts, Schwere des drohenden Übergriffs, Möglichkeit zu effizientem Selbstschutz, Gewicht gegenläufiger Interessen) sind als Hürde zum Entstehen einer Schutzpflicht größtenteils nicht überzeugend, da sie entweder eine unzulässige Rangfolge der Grundrechte vornehmen würden222 oder eine anderweitige Bewertung, die indessen aber keine Stütze in den Grundrechtsgewährleistungen selbst findet. Eine Bewertung oder Gewichtung von Grundrechten gegeneinander kann Bedeutung gewinnen für den Ausgleich von Grundrechtskollisionen (im Sinne einer praktischen Konkordanz) oder das Maß des erforderlichen Schutzes; dies betrifft aber dann nur die inhaltliche Ausgestaltung der Schutzpflicht.223 Einen Aussagewert für das grundsätzliche Vorliegen einer Schutzpflicht kann eine derartige Gewichtung nicht haben. Letztlich gelangt man damit zurück zum Kriterium der Schutzbedürftigkeit, das man anders gewendet auch als „zumutbares Maß an Eigenverantwortung und Selbsthilfe“224 bezeichnen kann. Erst wenn ein Grundrechtsberechtigter nicht mehr in der Lage ist, die Grundrechtsbeeinträchtigung durch zumutbare Maßnahmen zu vermeiden oder abzustellen, greift die Schutzpflicht. Auch muss die Bagatellschwelle einer reinen Belästigung überschritten sein. Denn jedenfalls kann die grundrechtliche Schutzpflichtdimension nicht umfassender sein als die abwehrrechtliche Dimension. Daher lässt sich die Unterscheidung einer hinzunehmenden Belästigung von einem abwehrrechtlich relevanten staatlichen Eingriff in das Grundrecht im Rahmen der Schutzpflichten entsprechend heranziehen.225 Einigkeit besteht auch darüber, dass die pflichtenauslösende Beeinträchtigungs- beziehungsweise Übergriffsintensität sich angesichts der unterschiedlichen Art der grundrechtlichen Schutzgüter unterscheiden kann.226 Selbst innerhalb des Anwendungsbereichs einer Grundrechtsgewährleistung kann die Schutzpflichtenschwelle angesichts des Kontextes der Grundrechtsausauf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 226 f.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 233. 222  So auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (1992), S.  86 f.; Bethge, in: Handbuch der Grundrechte III, § 72 Rn. 82. 223  Ähnlich Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 197. 224  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 245. 225  Langner, Die Problematik der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten (1998), S. 115. 226  Langner, Die Problematik der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten (1998), S. 114.



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht141

übung variieren.227 Es ist daher stets eine kontextabhängige Begründung für das Überschreiten der Schutzpflichtenschwelle erforderlich. 2. Funktionell-rechtliche Zuordnung von Schutzpflichten im Privatrecht und ihre Umsetzung Im Rahmen der staatlichen Schutzpflichten findet auch der funktionellrechtliche Aspekt der Gewaltenteilung in seinem Bezug zum Grundrechtsschutz stärkere Beachtung.228 Er ist mit der inhaltlichen Umsetzung der grundrechtlichen Schutzpflichten eng verknüpft. a) Zuständigkeit des Gesetzgebers Grundsätzlich werden grundrechtliche Schutzpflichten durch das einfache Gesetzesrecht den Privaten gegenüber vermittelt. Die Zuständigkeit für die gesetzliche Ausgestaltung staatlicher Schutzpflichten liegt beim Gesetzgeber. Er hat den Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Schutzpflicht auszuformulieren.229 Rechtsstaatlich greift der Vorbehalt des Gesetzes, da Schutzpflichten regelmäßig im Wege eines Eingreifens in den Rechtskreis privater „Störer“ oder auch unbeteiligter Dritter realisiert werden. Demokratisch kommt hinzu, dass nach dem Wesentlichkeitskriterium der Gesetzgeber gehalten ist, alle wesentlichen Regelungen zur Verwirklichung von Schutzpflichten selbst zu bestimmen.230 Die Schutzpflicht ist inhaltlich in besonderem Maße gesetzesmediatisiert, weil sie nicht wie das grundrechtliche Abwehrrecht den konkreten Inhalt der Abwehr eines bestimmten staatlichen Verhaltens hat.231 Stattdessen richtet sie sich auf eine positive Leistung des Staates, deren Inhalt aber (von sehr seltenen Ausnahmefällen der kompletten „Ermessensreduzierung“ abgesehen) nicht von vornherein festliegt.232 Der materielle Inhalt der Schutzpflicht 227  Langner, Die Problematik der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten (1998), S. 114 f. nennt das Beispiel der Meinungsfreiheit, der im Arbeitskampf mehr Gewicht zuzumessen sei als unter Nachbarn. 228  Oeter, AöR 119 (1994), 529 (537); Kulick, NJW 2016, 2236 (2239 f.). 229  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 281. 230  BVerfG 8.8.1978, BVerfGE 49, 89 (126  f.); 26.1.1988, BVerfGE 77, 381 (402 f.) jeweils zum Wesentlichkeitskriterium bei Schutzpflichten; Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 282. 231  BVerfG 6.5.1997, BVerfGE 96, 56 (64); Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 63, 88. 232  BVerfG 6.5.1997, BVerfGE 96, 56 (64); 27.11.2017, NVwZ 2018, 728 (730); Oeter, AöR 119 (1994), 529 (538); Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 40, 82 f., 84.

142 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

hat sich am effektiven Schutz des jeweiligen Grundrechts zu orientieren. Da regelmäßig verschiedene effektive Schutzmöglichkeiten bestehen werden, hat der Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum.233 Der Einschätzungsspielraum umfasst weitestgehend die rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, an welchen Stellen staatliches Handeln zum Schutz gesellschaftlicher Freiräume gegenüber privater Macht überhaupt notwendig erscheint.234 Der Gestaltungsspielraum umfasst die Auswahl der Mittel aus einem weiten Feld möglicher Alternativen. Entsprechend ist nur in Extremfällen ein subjektiver Anspruch auf konkrete Schutzgewährung gegenüber einem Unterlassen des Gesetzgebers denkbar.235 b) Zuständigkeit der Rechtsprechung Die erfolgte gesetzgeberische Ermessensbetätigung in Form einer gesetzlichen Konkretisierung haben die Gerichte zu beachten. Verletzen sie das „Schutzgesetz“, verletzen sie auch das solchermaßen geschützte Grundrecht, wenn sie zugleich die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts verkennen.236 Die Gerichte haben damit im Grundsatz die Aufgabe, die gesetzgeberischen Ausformungen der Schutzpflichten zu befolgen. Zum anderen realisiert sich die Schutzpflicht der Rechtsprechung auch durch die Verpflichtung des Richters zur grundrechtskonformen Auslegung des Privatrechts, wobei deren Reichweite naturgemäß umstritten ist. Recht weitgehend wird zum Teil befürwortet, bei allen auslegungsfähigen Normen des Privatrechts grundrechtliche Wertungen einfließen zu lassen und auch nicht auszuschließen, Grundrechte als gesetzliche Verbote der Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts entgegenzusetzen.237 In Abkehr von der an Dürig238 anknüpfenden Konzentration auf die Generalklauseln bei der „Einstrahlungswirkung“ der Grundrechte im Wege einer mittelbaren Drittwirkung müsse die grundrechtskonforme Auslegung unter dem Schutzpflichtgedanken im gesamten Zivilrecht Bedeutung haben.239 Im Einzelfall könnten demnach 233  BVerfG 14.1.1981, BVerfGE 56, 54 (81); Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 44, 80 ff. 234  Oeter, AöR 119 (1994), 529 (538). 235  Oeter, AöR 119 (1994), 529 (538). 236  BVerfG 11.10.1978, BVerfGE 49, 304 (319 f.); 26.1.1988, 77, 381 (405); Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 284. 237  Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1557 f., 1584 f.; Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 91. 238  Dürig, FS Nawiasky (1956), S. 157 (178 ff.). 239  Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1584 ff.; Papier, in: Handbuch der Grundrechte II, § 55 Rn. 10; ähnlich neuerdings auch das BVerfG: 19.7.2011, BVerfGE 129,



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht143

selbst spezielle Normen, die keine grundsätzliche Offenheit aufweisen, der grundrechtlichen Ausstrahlungswirkung im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung unterliegen. Zum Teil wird noch weitergehend gefordert, alle Privatrechtsnormen grundsätzlich im Lichte der grundrechtlichen Schutzfunktion zu interpretieren. Denn es sei nicht einzusehen, warum Grundrechte nur über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln auf das Privatrecht wirken sollten. Zum einen sei es denkbar, dass auch Normen mit festen Tatbeständen der Verwirklichung von Grundrechten dienten. Zum anderen stehe auch nicht von vornherein fest, dass immer eine geeignete Generalklausel vorhanden ist.240 Die gebotene Begrenzung der Rechtsprechung liege nicht in der Qualität der Normen begründet, sondern im Respekt der Gerichte für die Normen insgesamt und damit für jedes einzelne Gesetz. Die Generalklauseln des Privatrechts seien damit nicht ausschließliches, sondern nur bevorzugtes Einfallstor für grundrechtliche Wertungen.241 Nach anderer Ansicht ist hingegen die weitgehende Begrenzung der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Generalklauseln unbedingt geboten, um einer Verlagerung von grundrechtlichen Abwägungsentscheidungen auf die Gerichte entgegenzuwirken.242 Grundsätzlich müsse ein rechtsstaatliches Privatrecht die Gestaltung von Rechtsbeziehungen und die richterliche Problemlösung durch hinreichend klare, detaillierte und bestimmte Regelungen ermöglichen.243 Es sei dementsprechend in erster Linie Aufgabe des Privatrechtsgesetzgebers den Rechtsgehalt der Grundrechte zu konkretisieren.244 Durch die „Gesetzesmediatisierung“ von Schutzpflichten soll dem parlamentarischen Gesetzgeber eine stärkere Bedeutung für die Konkretisierung ihres Inhalts verliehen werden.245 Hinsichtlich der Nutzung von Generalklauseln sind die Gerichte im Verhältnis zum Gesetzgeber grundsätzlich legitimiert, diesen mit den grundrechtlichen Werten übereinstimmende Inhalte zu geben.246 Ist der Gesetzgeber indessen aus Sicht des Richters schutzpflichtverletzend untätig geblieben, 78 (101 f.); 31.5.2016, BVerfGE 142, 74 (101); s. dazu auch Kulick, NJW 2016, 2236 (2238 f.). 240  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (223); Rüfner, Gedächtnisschrift W. Martens (1987), 215 (225 f.); Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1584. 241  Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1584. 242  E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); s. a. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1995), Rn. 355 f. (S. 159). 243  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1995), Rn. 354 (S. 158 f.). 244  K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (1995), Rn. 355 (S. 159). 245  Oeter, AöR 119 (1994), 529 (549 f., 561 f.). 246  E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640).

144 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

wird zum Teil argumentiert, er könne nicht selbst auf grundrechtliche Wertungen zurückgreifen. Die Gerichte dürften im Falle einer verfehlten gesetzgeberischen Lösung nicht ihre eigene normsetzende Lösung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen.247 Im Ergebnis sollen die Generalklauseln damit nur sehr eingeschränkt für eine grundrechtskonforme Rechtsprechung fruchtbar gemacht werden können. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der Gesetzgeber vor allem auch mit der Schaffung von Generalklauseln seinen Regelungswillen – und zwar auch hinsichtlich der ihm obliegenden Schutzpflichten – zum Ausdruck bringen kann. In gewissem Maße kann der Gesetzgeber sogar gehalten sein, seinen Schutzpflichten gerade auch durch den Erlass von in deutlichem Maße unbestimmten Rechtsnormen zu genügen. Denn durch deren tatbestandliche Weite wird gerade ein dynamischer Rechtsgüterschutz ermöglicht. Dem entspricht, dass der Gesetzgeber zugleich angehalten ist, Entwicklungen zu beobachten, geltende Normen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.248 Zu Recht weist Isensee darauf hin, dass sich sehr dichte, starre Normen im Ernstfall oftmals als unanwendbar erweisen und der gesetzliche Schutz der Grundrechte dann ganz ausbleibt oder mit ungesetzlichen Mitteln erbracht wird.249 Durch die Schaffung von Generalklauseln kann der Gesetzgeber vorsorgen und eine gesetzliche Entscheidung mittels schutzpflichtenbasierter grundrechtskonformer Auslegung durch die Gerichte im Einzelfall ermöglichen.250 Die Schutzpflichten der Rechtsprechung sind daher nicht als grundsätzlich subsidiär zu denjenigen der Gesetzgebung zu verstehen, sondern eher als komplementär.251 Entscheidend für eine Balance der Gewalten dürfte sein, dass sich zum einen die Schaffung von Generalklauseln und anderen tatbestandlich weiten Normen in Grenzen hält, der Gesetzgeber also nicht ohne Not auf seinen Gestaltungsspielraum hin zu konkreten Regelungen verzichtet. Zum anderen ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber konsequenterweise 247  E. Klein, NJW 1989, 1633 (1640); Oeter, AöR 119 (1994), 529 (550 f.); §§ 138, 242 BGB genügten materiell nicht den Anforderungen an den Vorbehalt des Gesetzes: Müller-Franken, FS Bethge (2009), 223 (237); hingegen für subsidiäre Schutzpflichten der Rechtsprechung aufgrund des Vorrangs des Gesetzes: Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 228 ff., 233. 248  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 287. 249  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 286. 250  Ähnlich Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 302, der von der „Überantwortung“ im Einzelfall gebotener Schutzpflichterfüllung qua „Ausfüllung“ an die Zivilgerichte spricht; ebenfalls Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 232: „Delegation der Konkretisierung der die Schutzpflicht erfüllenden Norm für den Einzelfall“. 251  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 244.



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht145

bei ihm nicht genehmer Ausfüllung von Generalklausen beziehungsweise anderen tatbestandlich weiten Normen durch die Gerichte auch im Nach­ hinein noch entscheiden kann, eine Schutzpflicht auf andere Art und Weise ausfüllen und eine entsprechend konkretisierte Regelung vornehmen zu wollen. Für die Generalklausel des § 242 BGB etwa lässt sich sagen, dass diese Norm in ihrer Aufladung durch grundrechtliche Schutzgehalte durch die ­Judikative vom Gesetzgeber weitestgehend „akzeptiert“ ist, da regelmäßig auf entsprechende gesetzliche Regelungen verzichtet wird. Stattdessen bildet sich eine reiche Kasuistik in der Rechtsprechung, die gesetzesgleich ebenfalls einen starken Grad der Konkretisierung entwickelt hat. Daher dürfte es mit dem Vorbehalt des Gesetzes sowie auch mit der rechtsstaatlichen Zuständigkeit vereinbar sein, der Rechtsprechung Recht und Pflicht zur Auslegung im Sinne grundrechtlicher Schutzpflichten zuzuerkennen. Selbst wenn der Gesetzgeber (zunächst) untätig geblieben ist, hat die Rechtsprechung als weiterer Adressat staatlicher Schutzpflichten an seiner Stelle die Schutzpflichten so weit wie möglich zu erfüllen.252 Dazu sind die sachnächste Regelungsmaterie verfassungskonform auszulegen und Lücken durch Interpretation zu füllen.253 Ob schlechthin jede Norm einer verfassungsmäßigen Auslegung im Sinne der Lehre von den Schutzpflichten zugänglich ist, sei dahingestellt. Jedenfalls haben sich für die Auslegung von Generalklauseln und tatbestandlich weiten Normen im Privatrecht angemessene Maßstäbe entwickelt.254 3. Inhalt einer Schutzpflicht a) Allenfalls Schutzminimum definierbar Inhaltlich verlangen die Schutzpflichten vom Staat, das verfassungsrechtlich gebotene Schutzminimum nicht zu unterschreiten. Die Schranke des Minimums lässt sich dabei nicht allgemein festlegen, sondern hängt wesentlich von der Art des betroffenen Rechtsguts und den Möglichkeiten privatautonomen Selbstschutzes ab.255 Daher sind die Schutzpflichten deutlich weniger konturiert, als die Eingriffsverbote, für die stets ein bestimmtes staatliches Verhalten als nicht (mehr) verfassungsgemäß identifiziert werden kann. Der Mindestinhalt der Schutzpflichten lässt sich als „Untermaßverbot“ beschreiben.256 Quasi oberhalb des Untermaßes (also des verfassungsrechtlich absolut 252  So

auch BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255 f.). in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 288. 254  Dazu noch näher unten § 5 A. 255  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); s. a. BVerfG 6.5.1997, BVerfGE 96, 56 (65). 256  Zuerst Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228, 245). 253  Isensee,

146 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

gebotenen) bestehen unterschiedlichste Möglichkeiten staatlicher legislativer Gestaltung zwischen den Polen völliger Versagung des Schutzes bis zum Erlass von Strafnormen.257 Dabei ist zu berücksichtigen, dass privatrechtliche Normen auch in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenwirken einen effizienten Grundrechtsschutz gewährleisten können und der Gesetzgeber auch insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum hat.258 Umfasst sind materielles Recht wie auch Verfahrensrecht, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz Bedeutung hat.259 Im Privatrecht werden Schutzpflichten unter Ausgleich mehrerer Grundrechtspositionen in einem teilweise sehr komplexen Geflecht von Rechtsvorschriften realisiert. Es ist daher stets das Normengeflecht als Ganzes in seiner effektiven Wirkung zu betrachten. Eine Schutzpflichtverletzung kann dementsprechend regelmäßig nicht am Fehlen oder der Unzulänglichkeit einzelner Vorschriften festgemacht werden, sondern nur an einem in seiner Gesamtheit hinter dem gebotenen Minimum zurückbleibenden Regelungskonzept.260 b) Ausgleich von Grundrechtskonflikten zwischen Privaten Schutzpflichtenerfüllende staatliche Maßnahmen bilden nicht automatisch einen Eingriffstitel gegenüber anderen Grundrechtsträgern. Diese haben ihrerseits Grundrechtsschutz gegenüber belastenden staatlichen Maßnahmen,261 wobei aber Schutzpflichten einen verfassungsimmanenten Schrankenvorbehalt der grundrechtlichen Abwehrrechte darstellen.262 Dementsprechend bilden die Grundrechte anderer eine äußerste Grenze von Schutzpflichten, denn wozu der Staat gegenüber dem anderen Grundrechtsträger nicht befugt ist, kann er gegenüber dem Schutzbegehrenden nicht verpflichtet sein.263 Der Gestaltungspielraum des Gesetzgebers ist also durch das Untermaßverbot im Rahmen der Schutzpflicht und das Übermaßverbot im Rahmen des Eingriffsverbots beschränkt, wobei dazwischen aber im Regelfall ein recht breiter Raum der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit verbleibt.264

257  Canaris,

Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 81. Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 82 f. 259  BVerfG 4.5.2011, NVwZ 2011, 991 (993). 260  BVerfG 4.5.2011, NVwZ 2011, 991 (994). 261  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S.  206 f., 248. 262  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 292 ff. 263  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 248. 264  Canaris, JuS 1989, 161 (163 f.); Lerche, FS Odersky (1996), 215 (229 Fn. 33); Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 85 f.; ähnlich auch Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 293 ff., 304. 258  Canaris,



E. Der Umgang mit Grundrechtskonflikten im Privatrecht147

Weder Freiheitsbeschränkung auf der einen Seite noch Freiheitsschutz auf der anderen Seite dürfen in einer solchen Wechselbeziehung unverhältnis­ mäßig sein.265 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt dabei zu adäquaten Lösungen.266 Demnach muss die Grundrechtsverkürzung geeignet sein, um die entgegenstehende (schutzbedürftige) Position zu verwirklichen. Sie muss auch erforderlich sein, um die entgegenstehende Position zur Geltung zu bringen. Schließlich muss ein angemessenes Verhältnis zwischen der zu schützenden Grundrechtsposition und der durch diesen Schutz eingeschränkten Grundrechtsposition bestehen.267 Allerdings darf der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verdecken, dass Grundrechte nicht in jeder Kollisionslage zwangsläufig halb- oder anteilig zur Verwirklichung zu finden haben. Denn um einen angemessenen Ausgleich zwischen zwei miteinander kollidierenden Grundrechtssphären zu finden, bedarf es deren inhaltlicher Justierung mit Blick auf ihren Gewährleistungsumfang. Dieser Gehalt ist im Verhältnis zueinander aber nicht ohne weiteres halbteilig beschaffen. Viele Konflikte müssen und können im Abwägungsfall gerade nicht paritätisch entschieden werden.268 Selbst wenn die Voraussetzungen einer Schutzpflicht anzunehmen sind, kann die inhaltliche Ausgestaltung der Schutzpflicht im Privatrecht auch darauf hinauslaufen, dass das zu schützende Grundrecht letztlich keinen Schutz erfährt, weil es in einer inhaltlichen Abwägung hinter einem gegenläufigen Grundrecht zurückstehen muss.269 Bei der Berücksichtigung entgegenstehender Grundrechte und der dann gebotenen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss und darf der Gesetzgeber notwendig typisieren. Denn es ist erstens rein tatsächlich nicht möglich, Regelungen zu entwerfen die jedem noch so gesondert gelagerten Einzelfall entsprechen. Zweitens wäre das aus Gründen der Rechts­ sicherheit auch nicht wünschenswert, weil anderenfalls etwa im Vertragsrecht bei jeder Störung des Gleichgewichts der Vertragspartner der Vertrag in Frage gestellt oder nachträglich korrigiert würde.270 Als Abwägungskriterien innerhalb der Verhältnismäßigkeitsprüfung können die bereits erwähnten271 Themen Intensität der Gefährdung der Grundrechte auf beiden Seiten, Ange265  BVerfG

7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (260 ff.). für Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 253 f.; ähnlich auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 301 ff. 267  Siehe entsprechend zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 254. 268  Bethge, in: Handbuch der Grundrechte III, § 72 Rn. 85; ders., DÖV 2002, 673 (681). 269  Canaris, Grundrechte und Privatrecht (1999), S. 71 f. 270  BVerfG 19.10.1993, BVerfGE 89, 214. 271  § 3 E. II. 1. b). 266  Siehe

148 § 3 Analyse des Konflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

wiesenheit auf das Mitwirken eines anderen Bürgers, Gewicht der involvierten Güter und Interessen in der konkreten Situation usw. berücksichtigt werden. Letztlich kann aber auch die Schutzpflicht-Dogmatik den letzten Schritt der Bevorzugung des einen Grundrechts gegenüber dem anderen in einem komplexen Abwägungsprozess nicht vollends transparent machen.272 c) Entgegenstehende öffentliche Interessen und objektives Verfassungsrecht Ebenso wie die Grundrechte Dritter können im Einzelfall auch öffentliche Interessen273 und materielle Bestimmungen des objektiven Verfassungsrechts274 eine Schutzpflicht beschränken. Solche überindividuellen Rechtsgüter sind in die Ermittlung der inhaltlichen Grenzen einer Schutzpflicht ähnlich wie bei der Rechtfertigungsprüfung eines Eingriffs aufzunehmen.275 In der Identifikation und Festlegung eines öffentlichen Interesses als legitimem Zweck spielt wiederum der demokratische Gesetzgeber eine entscheidende Rolle.276 Das verfolgte öffentliche Interesse muss – zumindest bei nicht schrankenlos gewährleisteten Grundrechten – seinerseits nicht zwingend Verfassungsrang genießen, darf aber jedenfalls auch nicht der Verfassung zuwiderlaufen.277 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht etwa kann zugunsten überwiegender Allgemeininteressen eingeschränkt werden.278

272  Zu diesem Problem im Rahmen der Werteordnungslehren: Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rn. 58: „Die Deutung der Grundrechte als Wertordnung erlaubt die wechselseitige Beschränkung von Grundrechten im Falle sogenannter Grundrechtskollisionen sowie die Relativierung anderer Verfassungssätze zugunsten einzelner Grundrechte. Damit gibt das Wertordnungsdenken komplexen Abwägungsprozessen und einer reichen Abwägungskasuistik Raum. Die rationale Begründung von Präferenzen in der Abwägung gehört zu den entscheidenden, bis heute nicht völlig befriedigend gelösten Aufgaben der grundrechtlichen Wertordnungslehren.“ Auf die geringe Allgemeingültigkeit entsprechender Entscheidungsmaßstäbe im Hinblick auf Grundrechtskollisionen im Rahmen einer Schutzpflicht weist auch hin Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 255 f. 273  BVerfG 29.10.1987, BVerfGE 77, 170 (229 f.); Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 249 ff.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 304 möchte hingegen „tangierte Güter der Allgemeinheit“ nur im Rahmen der Angemessenheitsabwägung mitberücksichtigen. 274  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 295 ff. 275  Dazu Hillgruber, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 201 Rn. 54 ff.; s. a. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 304. 276  Hillgruber, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 201 Rn. 54. 277  Hillgruber, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 201 Rn. 54 f. 278  BVerfG 15.12.1983, BVerfGE 65, 1 (44).

§ 4 Auflösung des Grundrechtskonflikts zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern Der untersuchte Grundrechtskonflikt zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern bedarf einer Auflösung im Privatrecht. Zunächst ist zu prüfen, inwieweit § 38 GmbHG einen angemessenen Ausgleich der grundrechtlichen Positionen schafft (A.) und sodann, ob es darüber hinausgehend noch eines weitergehenden Konfliktausgleichs für Fälle bedarf, die durch § 38 GmbHG und die ihn flankierenden gesellschaftsrechtlichen Normen nur unzureichend gelöst würden (B.).

A. Auflösung des Grundrechtskonflikts im geltenden Recht: Vorrang der Gesellschafterinteressen nach § 38 GmbHG I. § 38 GmbHG als Ausdruck grundsätzlicher Eigentumsfreiheit der Gesellschafter Die gesetzliche Regelung des § 38 GmbHG löst den grundrechtlichen Konflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern zugunsten der Gesellschafter auf. Sie können den Geschäftsführer jederzeit abberufen und so ihr grundrechtlich geschütztes Eigentumsrecht in vollem Umfang verwirk­ lichen.1 Der Geschäftsführer hingegen kann sein Beschäftigungsinteresse nicht gegen den Willen der Gesellschafter in der Organstellung verwirklichen und muss entsprechend mit seinen Grundrechtspositionen zurücktreten. Er ist der Willkür der Gesellschafter weitgehend ausgeliefert. Die Abberufungsmöglichkeit ist eine einseitige Befugnis zum rechtlichen Können, welche den Geschäftsführer der zu duldenden, geänderten Rechtslage unterwirft und erfüllt damit die Merkmale eines Gestaltungsrechts2. Durch die Norm des § 38 GmbHG ist allein der Schutz der monetären Interessen des abberufenen Geschäftsführers intendiert, indem die Ansprüche aus bestehenden schuldrechtlichen Verträgen von der Abberufung aus der

1  Siehe 2  Siehe

oben § 2 B. I. 1. c). näher Schürnbrand, AcP 204 (2004), 177 (179).

150 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Organposition unberührt gelassen werden.3 Einen ausdrücklich geregelten Schutz des Geschäftsführers vor der privatautonom durch die Gesellschafter getroffenen Abberufungsentscheidung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.4

II. Verfassungsmäßigkeit der Regelung im Hinblick auf die Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers 1. Voraussetzungen der Aktivierung einer Schutzpflicht grundsätzlich vorliegend Dass der Geschäftsführer im Grundsatz schutzbedürftig gegenüber den Gesellschaftern ist, liegt auf der Hand: Durch die einseitig mögliche Abberufung wird die Beschäftigung in der Organposition und damit die Grundrechtsausübung unmöglich gemacht. Der abberufene Geschäftsführer ist dem Grundrechtsübergriff seitens der Gesellschafter ausgesetzt, ohne sich durch eigene Maßnahmen schützen zu können. Die Abberufung liegt als einseitiges Rechtsgeschäft/Gestaltungsrecht in der Hand der Gesellschafter. Wird dieses ausgeübt, enden Rechte und Pflichten des Geschäftsführers aus der Organ­ position, ohne dass er dies beeinflussen könnte. Zumutbare Ausweichmöglichkeiten bestehen in der Regel nicht. Ein Geschäftsführer kann seine Grundrechte nicht ohne weiteres an „anderer Stelle“ verwirklichen. Das ist bedingt durch die Tatsache, dass es sich nicht um eine Art der Grundrechtsausübung handelt, deren Voraussetzungen typischerweise in vielen unterschiedlichen Kontexten gegeben sein können. An dieser Stelle zeigt sich ein Unterschied zwischen den Voraussetzungen der Grundrechtsverwirklichung dahingehend, ob diese tatsächlicher Natur (wie beim Aufhängen von Wahlplakaten) oder rechtlicher Natur (wie beim Handeln im Rahmen rechtlicher Beziehungen) sind. Bei typisierender Betrachtungsweise kann man davon ausgehen, dass grundrechtlich relevantes, rein tatsächliches Handeln an vielen Orten und in vielen Kontexten möglich ist, wobei Ausnahmen selbstverständlich auch hier denkbar sind. Im Gegensatz dazu wird aber grundrechtlich relevantes Handeln im Rahmen rechtlicher Beziehungen (im Durchschnitt) häufiger gerade auf die bereits eingegangene Vertragsbeziehung angewiesen sein. Dabei ist wiederum zu unterscheiden zwischen Ver3  Entsprechend dem Fokus von § 38 GmbHG wäre auch eine Überprüfung aus der Eingriffsperspektive (Möglichkeit der Rechtfertigung eines Eingriffs in das Recht der Gesellschafter zugunsten des Geschäftsführers) oder aus der Schutzpflichtper­ spektive (zugunsten der Gesellschafter) möglich. Aus Gründen der leichteren Nachvollziehbarkeit soll hier aber die Perspektive der Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers beibehalten werden. 4  Siehe bereits oben zur eingeschränkten Möglichkeit der Beschlussanfechtung unter § 2 B. III. 5. und noch weiter sogleich unter § 4 B. IV.



A. Auflösung des Grundrechtskonflikts im geltenden Recht151

trägen, die ein Massengeschäft darstellen und deswegen von einer Vielzahl an Anbietern angeboten werden und solchen, bei denen es auf beiden Seiten in stärkerem Maße auf die Person des Vertragspartners ankommt. Bei Arbeits- und Dienstverhältnissen wird regelmäßig die Möglichkeit zum Ausweichen auf einen anderen Vertrag mit einem anderen Vertragspartner nicht ohne weiteres möglich oder jedenfalls nicht zumutbar sein. Die Auswahl eines Arbeit- oder Dienstgebers erfolgt in der Regel aus guten Gründen, die eine Vielzahl von für den Einzelnen relevanten Faktoren beinhalten können. Ebenso verhält es sich beispielsweise auch bei Mietverträgen über Wohnraum, bei denen vor allem die Mietsache nicht ohne weiteres austauschbar ist, auch wenn der reine Zweck der Unterkunft sicherlich durch eine Vielzahl anderer Wohnraummietverträge, gegebenenfalls auch mit anderen Vermietern, ebenfalls erfüllt werden könnte. In derartigen Vertragsverhältnissen besteht daher regelmäßig eine Begrenzung der Ausweichmöglichkeiten aufgrund nachvollziehbarer Interessenbündel, welche den Vertragsgegenstand betreffen, der nur bei dem einen Vermieter vorhanden ist. Für solche Arten von Verträgen wäre es oftmals unzumutbar, von dem Grundrechtsträger die Beendigung des Vertrages und anschließendes anderweitiges Kontrahieren als Möglichkeit der Selbsthilfe zur Grundrechtsverwirklichung zu erwarten. Entsprechendes gilt auch für die Organstellung des Geschäftsführers. Er hat zwar abstrakt stets die Möglichkeit, sich in einer anderen Gesellschaft in eine Organposition bestellen zu lassen. Es hängt von seiner persönlichen Eignung und seinem Bemühen ab, ob ihm andere Organvertreterpositionen offen stehen. Regelmäßig ist die bestehende Organstellung aber nicht austauschbar, weil der Geschäftsführer sich diese Organstellung aus spezifischen Gründen ausgesucht hatte. Anerkennenswerte Motive können vom Geschäftsgegenstand der GmbH über den Zuschnitt von Geschäftsführungsbereichen bei mehreren Geschäftsführern bis zur Größe der Gesellschaft reichen. Selbst wenn die Austauschbarkeit mit einer anderen Geschäftsführerposition aufgrund entsprechender Ähnlichkeiten gegeben wäre, wird regelmäßig ein „Ausweichen“ kaum zumutbar sein. Der Betroffene wäre darauf angewiesen, durch die Gesellschafter einer anderen GmbH berufen zu werden.5 Etwas anderes kann sich an dieser Stelle auch nicht daraus ergeben, dass sich die Abberufungsmöglichkeit durch die Gesellschafter für jeden Geschäftsführer wie eine der Organstellung von vornherein immanente Beschränkung darstellen muss. Bei Dauerschuldverhältnissen, die kündbar sind, 5  Das wird insbesondere dann schwierig werden, wenn die Abberufung wegen e­ ines äußerlich sichtbaren Diskriminierungsmerkmals erfolgte und davon ausgegangen werden muss, dass im Durchschnitt betrachtet, auch andere Gesellschafterversammlungen an dieses Merkmal anknüpfend eine ablehnende Haltung einnehmen werden.

152 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

kann ein vernünftiger Vertragspartner von vornherein nicht davon ausgehen, dass etwa die Mietsache nie zurückgegeben oder ein Darlehen nie zurückgezahlt werden muss.6 Das Bestehen des Gestaltungsrechts der Kündigung ist diesen Rechtsverhältnissen immanent. Ähnliches gilt für die Organstellung, da die freie Abberufungsmöglichkeit von vornherein bekannt ist und niemand ernstlich erwarten kann, nach der Bestellung von der Bestimmungsmacht der Gesellschafter unabhängig zu sein. Wer sich also in privatautonomer Entscheidung in die Position begibt, von der Gunst der Gesellschafter abhängig zu sein, dem könnte es möglicherweise auch zumutbar sein, sich im Falle der Beendigung dieses Verhältnisses eine Alternative für die Verwirklichung seiner Grundrechte zu suchen. Das wäre allerdings deutlich zu kurz gesprungen, da gerade bei solchen Rechtsgeschäften, die als Mittel einseitiger Fremdbestimmung dienen, eine Kontrolle anhand höherrangigen Rechts angezeigt erscheint. Wie die Kündigungsmöglichkeit von Arbeitsverhältnissen und anderen Dauerschuldverhältnissen7 lässt sich auch die Abberufung aus dem Geschäftsführeramt auf eine abgeschwächte privatautonome Legitimation zurückführen. Da der Geschäftsführer nicht ohne seine Zustimmung in die Organposition bestellt werden kann und die Abberufungsmöglichkeit dieser von vornherein immanent ist, lässt sie sich auf einen rechtsgeschäftlichen Konsens zurückführen. Das bedeutet aber nicht, dass man hier einen Fall reiner Privatautonomie sehen kann, der staatlicher Regelung tunlichst entzogen bleiben sollte. Denn die Abberufungsmöglichkeit besteht nur einseitig und ist damit zu keinem Zeitpunkt durch den Geschäftsführer in seinem Sinne beeinflussbar. Dass sich diese Freiheit der einen Partei zur Fremdbestimmung der anderen nicht automatisch in rechtmäßiger Weise durchsetzen muss, sondern einer Kontrolle bedürfen kann, hat das Bundesverfassungsgericht für den Ausspruch von Kündigungen ausdrücklich festgestellt.8 2. Der Schutzpflicht entgegenstehende Grundrechtspositionen der Gesellschafter Schutzpflichten werden vielfach auch durch Normen des Privatrechts erfüllt, denen dieser Zweck zur Zeit ihrer Entstehung nicht eingeschrieben war. Entscheidend ist allein der objektive Gehalt.9 Mit § 38 GmbHG als vorkonstitutioneller Norm war offensichtlich nicht beabsichtigt, die ab dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 grundrechtlich geschützten immatebei Canaris, AcP 184 (1984), 201 (221). dazu Canaris, AcP 184 (1984), 201 (221); siehe auch schon Canaris, ZHR 143 (1979), 113 (122); P. Ulmer, FS Möhring (1975), 295 (304). 8  BVerfG 27.1.1998, BVerfGE 97, 169. 9  Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 191 Rn. 285. 6  Beispiele 7  Siehe



A. Auflösung des Grundrechtskonflikts im geltenden Recht153

riellen Interessen der Geschäftsführer zu schützen. Auch im Lichte der jüngeren rechtswissenschaftlichen Erkenntnisse ändert sich nichts an der Tatsache, dass § 38 GmbHG in der Privatrechtsbeziehung von Geschäftsführer und Gesellschaftern vor allem die Grundrechte der Gesellschafter verwirklicht. § 38 GmbHG ermöglicht den Gesellschaftern insbesondere die Ausübung ihrer Eigentumsfreiheit über ihre Gesellschaftsanteile. Dabei kommt der Norm eine Doppelfunktion zu. Einerseits realisiert sie die durch Art. 14 GG gewährleistete Freiheit des Anteilseigentums, über die Führungsauswahl im Unternehmen grundsätzlich zu bestimmen. Andererseits gestaltet sie den normgeprägten Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG überhaupt erst aus, indem sie die Befugnis der Abberufung regelt.10 Parallel zu der aus jenem Dilemma entspringenden Frage der einfachgesetzlichen Ausgestaltung von grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten stellt sich im hiesigen Kontext die Frage der Beschränkbarkeit staatlicher Schutzpflichten aufgrund einer Abwägung mit – einfachgesetzlich ausgestalteten – sehr weiten Gewährleistungsbereichen entgegenstehender Grundrechte. Da § 38 GmbHG für sich genommen die Eigentumsfreiheit im Sinne einschränkungsloser Abberufungsfreiheit ausgestaltet, stellt sich die Frage, mit welchem Gewicht diese gesetzgeberische Entscheidung der grundrechtlichen Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers entgegenzusetzen ist. Es lässt sich zunächst sagen, dass die Ausgestaltungmöglichkeiten des Gesetzgebers grundsätzlich weit sind. Die unabdingbare Notwendigkeit der Ausgestaltung führt dabei weder zum Verfassungsrang einer bestimmten einfachrechtlichen Gestaltung noch zur Freizeichnung des Gesetzgebers von der grundrechtlichen Bindung.11 Aus der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Eigentums lässt sich aber ableiten, dass den Gesellschaftern die Kontrolle über die Geschicke des Unternehmens zusteht, an dessen Rechtsträger sie das Anteilseigentum halten. Die Entscheidung über die Organbesetzung gehört zur Selbstbestimmung der Vereinigungen.12 Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 38 Abs. 1 GmbHG im Gesamtbild der Ausgestaltung der Gesellschaftsform GmbH zu sehen ist. Die Möglichkeit der Führungsauswahl durch die Gesellschafter über §  38 GmbHG korrespondiert zu der umfassenden, durch die Organstellung vermittelten Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer, welche nach außen nicht ­beschränkbar ist (§ 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Daher ist es von überragender Wichtigkeit, dass die Geschäftsführer ihr Amt nicht entgegen den Wünschen 10  Zu dem grundlegenden Problem der Normprägung einzelner Grundrechte statt vieler: Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S.  104 ff. 11  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (355). 12  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (355).

154 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

der Gesellschafter ausüben können, sondern einer jederzeitigen Kontrolle unterliegen. Anderenfalls könnten sie mittelbar erheblichen negativen Einfluss auf das Anteilseigentum, vor allem dessen Wert, ausüben. Entsprechend besteht nach nahezu einhelliger Auffassung auch ein jederzeitiges Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern.13 Die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit sorgt wiederum für eine Effektuierung des Weisungsrechts. § 38 Abs. 1 GmbHG kann daher nicht isoliert, sondern nur im systematischen Zusammenhang des Rechts der GmbH betrachtet werden. Die freie Abberufbarkeit spiegelt das zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer regelmäßig erforderliche Vertrauensverhältnis wieder. Da dieses schwerlich – und sein Fehlen oder Schwinden noch schwerer – nachweisbar ist, erscheint es legitim, die Abberufung im Grundsatz ohne Begründung zuzulassen. Das Gesetz verhindert gar die satzungsmäßige Einschränkung der Abberufung durch Aufstellen von Voraussetzungen, die über das Vorliegen eines wichtigen Grundes hinausgehen (§ 38 Abs. 2 GmbHG). 3. Der Schutzpflicht entgegenstehende öffentliche Interessen Die Funktionsfähigkeit der GmbH als Gesellschaftsform lässt sich auch als allgemeines öffentliches Interesse der Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers entgegenhalten. Für ein Funktionieren der GmbH im Rechtsverkehr ist es unerlässlich, dass in Geschäftsführung und Vertretung der GmbH klare Verhältnisse herrschen. Dem dient die gesetzgeberische Entscheidung für die freie Abberufbarkeit bei Unstimmigkeiten zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung. Streitigkeiten und Schwebezustände, die zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Blockade der Gesellschaft führen können, werden vermieden. Der Gesetzgeber trägt mit der Vorschrift des § 38 GmbHG durch die Funktionsfähigkeit der gesellschaftlichen Organe und ihres Zusammenwirkens zur Ermöglichung eines geordneten Vereinslebens bei.14 Das wiederum ermöglicht dem allgemeinen Rechtsverkehr den sicheren Umgang mit der Rechtsform GmbH. 4. Abwägung Die Regelung der freien Abberufbarkeit ist, wie bereits angeklungen, geeignet um die Eigentumsinteressen der Gesellschafter sowie die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu verwirklichen. Eine solche Regelung ist auch erforderlich, da nur die freie Abberufbarkeit im Normkontext des GmbHG die 13  BGH 1.4.2004, NZG 2004, 580; OLG Düsseldorf 15.11.1984, ZIP 1984, 1476 (1478); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 20. 14  BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (355).



A. Auflösung des Grundrechtskonflikts im geltenden Recht155

Durchsetzbarkeit der Gesellschafterinteressen zu sichern vermag. Anderenfalls müssten die Befugnisse des Geschäftsführers von vornherein restriktiver geregelt werden (keine unbeschränkbare Vertretungsmacht nach außen). Die Reichweite der Organbefugnisse so zu regeln, wie im geltenden GmbHG geschehen, ist aber ebenfalls von der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative umfasst, so dass eine dem angepasste Regelung der Abberufbarkeit der Geschäftsführung grundsätzlich als erforderlich anzuerkennen ist. Darüber hinaus ist die Regelung der freien Abberufbarkeit auch angemessen, wenngleich ein „Ausgleich“ zwischen den beschriebenen Grundrechtsposi­ tionen von Geschäftsführer und Gesellschaftern einseitig zu Lasten des Geschäftsführers ausgeht. Denn die Grundrechtsposition der Gesellschafter kann in ihrem Gehalt im Verhältnis zum Geschäftsführer nur verwirklicht werden, wenn dessen Position vollkommen zurücktritt. Die Eigentumsposition der Gesellschafter wiegt aber im Verhältnis zum Geschäftsführer der ihnen gehörenden Gesellschaft besonders intensiv, da er eben einen derartig weitgehenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft haben kann. Aufgrund des zwischen den Parteien erforderlichen Vertrauensverhältnisses, welches nur schwer nachzuweisen ist, kann typisierend davon ausgegangen werden, dass für die ganz überwiegende Anzahl von Fällen nur die freie Abberufbarkeit die Interessen der Gesellschafter angemessen schützen kann. 5. Zwischenergebnis: Keine Unterschreitung des Minimalschutzgebots Wegen des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraums ist nochmals zu betonen, dass letztlich nur bei einer Unterschreitung des verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Minimalschutzes zugunsten der Geschäftsführer („Untermaßverbot“) eine Verletzung der Schutzpflicht festgestellt werden kann. Eine solche Unterschreitung lässt sich hinsichtlich § 38 Abs. 1 GmbHG nicht feststellen. Entsprechend dem engen Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts bleibt die Abwägung von einander entgegenstehenden Grundrechtspositionen grundsätzlich dem Gesetzgeber und hilfsoder ersatzweise den Fachgerichten vorbehalten. Die allgemein gefassten Grundrechtsnormen belassen dem Gesetzgeber dabei einen so erheblichen Spielraum für die Gestaltung, dass Grundrechtsverletzungen in der Schutzpflichtendimension durch das Bundesverfassungsgericht selten festzustellen sind. Sie vermögen die Feinarbeit des Zivilrechts und dessen Interpretation nicht zu verdrängen.15 Das Ergebnis vermag nicht zu überraschen, handelt es sich doch bei den meisten zivilrechtlichen Normen um solche, die in der Bundesrepublik über 15  Rüfner,

in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 111 f.

156 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

längere Zeit mit dem Verfassungsrecht gemeinsam gewachsen sind. Konflikte zwischen den Bürgern werden durch das (weitestgehend) grundrechtskonform ausgestaltete Privatrecht in einer wohldurchdachten und lange erprobten Ordnung ohne ausdrücklichen Rückgriff auf die Grundrechte gelöst.16 Nur in bestimmten Bereichen des Privatrechts treten gehäuft Drittwirkungsprobleme auf;17 vor allem wenn die Wertungen des Grundgesetzes in ihrer Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht von den überkommenen Wertungen des Privatrechts abweichen.18 Sie können sich auch dann ergeben, wenn eine Neubewertung von grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten stattfindet, welche notwendig auch die zivilrechtlichen Auffassungen in den davon berührten Rechtsbereichen beeinflusst.19 Die Neubewertung der Grundrechte des Geschäftsführers vermag hier aber nicht eine derartige Reichweite in die Normierung des GmbHG hinein zu entfalten. Der Gesetzgeber darf zwar offensichtlichen Fehlentwicklungen in besonders schwerwiegenden Ungleichgewichtslagen nicht tatenlos zusehen; ihn kann insoweit eine Schutzpflicht treffen, die gesetzgeberisches Tätigwerden verlangt.20 Indessen liegt eine solche offensichtliche Fehlentwicklung hier nicht vor. Die Merkmale, an denen eine Schutzpflicht ansetzen kann, sind notwendig typisierend zu bestimmen und unterliegen einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Der Grundsatz der freien Abberufbarkeit ist, wie gezeigt, typischerweise geeignet und erforderlich, um die Grundrechtspositionen der Anteilseigner zu schützen. Ein Ausgleich mit Rechtspositionen des betroffenen Geschäftsführers ist hingegen nicht in einer Mehrheit der Fälle geboten. Um den anderen Fällen gerecht zu werden, erscheint es ausreichend, dem Schutzauftrag der Verfassung über die zivilrechtlichen Generalklauseln Gel16  Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1579; Lerche, in: FS Odersky (1996), 214 (222); Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 98 ff.; s. a. K. Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht (1988), S. 39 ff. 17  Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 100 (Fn. 264), Rn. 105 (Fn. 286) nennt beispielhaft die zahlreichen Entscheidungen des BVerfG zum Mietrecht. 18  Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 101: Als Beispiel kann die Gleichberechtigung von Mann und Frau unter dem Grundgesetz ab 1949 dienen, der das bis dahin geltende Zivilrecht nicht entsprach. 19  Als Beispiel dafür kann die Neubewertung von Meinungs- und Pressefreiheit als schlechthin konstituierend für die Demokratie durch das Bundesverfassungsgericht dienen; siehe etwa BVerfG 15.1.1958, BVerfGE 7, 198 (208); 26.2.1969, BVerfGE 25, 256 (264 f.). Sie erforderte unter anderem eine Anpassung des überkommenen straf- und zivilrechtlichen Ehrenschutzes, um zu gewährleisten, dass die Garantie im Alltag nicht wertlos werde; siehe Rüfner, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 197 Rn. 101. 20  BVerfG 7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255); 19.10.1993, BVerfGE 89, 214 (232 ff.); 27.1.1998, BVerfGE 97, 169 (176 f.); siehe auch H.-P. Schneider, in: Handbuch der Grundrechte V, § 113 Rn. 44.



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven157

tung zu verschaffen. Diese Möglichkeit besteht unabhängig von einem Tätigwerden des Gesetzgebers.21

III. Ergebnis Der Geschäftsführer kann nicht wie ein Arbeitnehmer grundsätzlich seine tatsächliche Beschäftigung verlangen, da deren Voraussetzungen im Rahmen des Organverhältnisses speziell GmbH-rechtlich geregelt sind. Diese gesellschaftsrechtlichen Regelungen sind erforderlich und angemessen, um die Rechte der Gesellschafter und den Rechtsverkehr zu schützen. Das die Beschäftigung des Geschäftsführers verwirklichende Organverhältnis unterliegt einem eigenen, verfassungsmäßigen Regelungsregime, während beim Arbeitnehmer die Beschäftigung ein reiner Annex zum schuldrechtlichen Verhältnis des Arbeitsvertrages ist, welcher mit grundrechtlichen Wertungen aufgeladen wird. Dem Arbeitnehmer steht im Lichte der grundrechtlichen Wertungen grundsätzlich ein Anspruch auf Beschäftigung zu, wohingegen der Geschäftsführer im Grundsatz seine Abberufung nach § 38 Abs. 1. GmbHG – und damit die Nichtbeschäftigung – zu akzeptieren hat.

B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven Von dem oben gefundenen Ergebnis erscheinen aber möglicherweise Abweichungen geboten, sofern die Abberufung des Geschäftsführers aus bestimmten Motiven erfolgt. Für den Fall, dass die Abberufung etwa eine Diskriminierung aufgrund des Alters darstellt, ist sehr fraglich, ob das Interesse der Gesellschafter an der Abberufung weiterhin überwiegen kann. Den Staat können in derartigen Konstellationen Schutzpflichten treffen, die aus dem Wortlaut der starren Norm des § 38 GmbHG nicht zu erfüllen sind. Es stellt sich die Frage nach einem ergänzenden Schutzmechanismus.

I. Relevanz der Motive der Abberufung Nicht nur durch die Abberufungsentscheidung an sich, auch durch dieser Entscheidung zugrundeliegende Motive können Grundrechte des Geschäftsführers berührt sein. Insoweit bedarf die Frage des Ausgleichs der Grundrechtskollision zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern einer weitergehenden Untersuchung.

21  BVerfG

7.2.1990, BVerfGE 81, 242 (255 f.).

158 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Das Interesse der Gesellschafter an freier Abberufbarkeit hat zwar im Grundsatz Vorrang vor den Beschäftigungsinteressen des jeweiligen Organwalters.22 Treten jedoch missbilligenswerte Motive hinzu, die beim Organwalter in grundrechtlichen Beeinträchtigungen – welche über die Tatsache des Verlusts der Organposition hinausgehen – resultieren würden, muss das Gesellschafterinteresse möglicherweise zurücktreten und der Geschäftsführer geschützt werden. Denn ein legitimes Interesse an der Vornahme von Diskriminierungen durch den Inhalt von Rechtsgeschäften ist nicht ersichtlich.23 Nach wie vor geht es dabei um das Vorenthalten tatsächlicher Beschäftigung durch die Abberufung. Hinzu tritt nunmehr allerdings ein qualifizierter Grund, aus dem die Beschäftigungssituation beendet werden soll. Es ist zu zeigen, dass diesem Grund die Anerkennung versagt werden muss, wenn er Grundrechte des Geschäftsführers besonders verletzt. Entsprechend kann dann das Abberufungsinteresse der Gesellschafter das Beschäftigungsinte­ resse des Geschäftsführers nicht mehr überwiegen. Oder andersherum gewendet: Der Geschäftsführer ist mit seinem grundsätzlich bestehenden Beschäftigungsinteresse dann schutzwürdig, wenn er die Nicht-Beschäftigung in seiner vormaligen Geschäftsführer-Position aus einem Grund hinzunehmen hätte, der einen gesonderten Grundrechtsübergriff darstellt. Es besteht dann im Grundsatz eine staatliche Schutzpflicht.

II. Schutzpflichtenaktivierung durch Hinzutreten weiterer Grundrechte 1. Schutz vor Diskriminierung a) Persönlichkeitsintendierter, grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz Während zum Teil eine Schutzpflicht aus den Gleichheitssätzen abgelehnt oder nur sehr zurückhaltend angenommen wird,24 lässt sich richtigerweise eine solche jedenfalls aus einer Zusammenschau der Gleichheitssätze mit dem Persönlichkeitsrecht herleiten.25 22  Siehe

oben § 4 A. III. AcP 184 (1984), 201 (237); insgesamt relativierend Dammann, Die Grenzen zulässiger Diskriminierung im allgemeinen Zivilrecht (2005). 24  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S.  186 ff.; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 123 ff. 25  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  226 ff.; Dittmann, Privatrechtliche Diskriminierungsverbote aus verfassungsrecht­ licher Sicht (2010), S. 144 ff.; für eine Rückführung auf die Menschenwürde Nickel, 23  Canaris,



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven159

Schutzpflichten können weder dem allgemeinen noch den besonderen Gleichheitssätzen isoliert entnommen werden.26 Denn Gleichheit und Nichtdiskriminierung sind keine Werte an sich, die einen Schutzgegenstand bereit halten würden, der seinerseits Anknüpfungspunkt für Schutzpflichten sein könnte. Vielmehr wird durch die Gleichheitssätze lediglich ein bestimmter Handlungsmodus definiert, der dem freiheits- und gleichheitsverpflichteten Staat verboten ist.27 Daher ist letztlich kein grundrechtliches Substrat definierbar, welches allseitigem Schutz zugänglich wäre.28 Die zusätzlich durch Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 GG formulierten Programmsätze zu den Merkmalen Geschlecht und Behinderung sind hingegen als Staatszielbestimmungen zu verstehen. Aus ihnen kann isoliert aus diesem Grunde ebenfalls keine Schutzpflicht abgeleitet werden.29 Eine Schutzpflicht vor Diskriminierungen lässt sich aber aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht herleiten, soweit entsprechende Diskriminierungen im Privatrecht das jedem Einzelnen zukommende Recht auf persönliche Würde zu verletzen geeignet sind.30 Das ist desto eher der Fall, je mehr durch eine Diskriminierung der Abgewiesene in seinem Sein und nicht bloß in seinem Verhalten – und damit je mehr er im Kernbereich persönlicher Entfaltung – getroffen wird.31 Die betroffene Person wird dann nicht mehr in Gleichheit und Differenz in der vielfältigen Republik (1999), S. 152 f.; ähnlich Stock, Gleichstellung im Vergleich (2003), S. 207. 26  Überzeugend Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 125, 183, 205 f., 209, 220 ff., 225; s. a. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (1992), S. 84; Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (346); für eine Ableitung von Schutzpflichten direkt aus den Gleichheitssätzen hingegen BVerfG, s. etwa BVerfG 16.11.1993, BVerfGE 89, 276 (286 ff.); 10.3.1998, BVerfGE 97, 332 (348); 18.11.2003, BVerfGE 109, 64 (89 ff.); für Schutzpflicht aus den besonderen Gleichheitssätzen direkt: Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 177 ff., 492 ff.; ebenfalls für die Anwendung der Schutzpflichtenlehre auf die Gleichheitssätze im Grundsatz, wenn auch im Ergebnis gegen einen verpflichtenden Diskriminierungsschutz Dammann, Die Grenzen zulässiger Diskriminierung im allgemeinen Zivilrecht (2005), S. 84 ff. 27  Ähnlich auch Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung (1990), S. 351; insoweit die „grundlegende Arbeitsteilung zwischen Zivil- und öffentlichem Recht“ betonend: Lobinger, Vertragsfreiheit und Diskriminierungsverbote, in: Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2007), S. 113 ff. 28  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  183, 186 ff. 29  Überzeugend Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  222 ff. 30  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 229 ff.; s. etwa auch BAG 14.3.1989, BAGE 61, 209; a. A. Dammann, Die Grenzen zulässiger Diskriminierung im allgemeinen Zivilrecht (2005), S. 112 f. 31  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 228.

160 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

ihrer Individualität und notwendigen Verschiedenheit wahrgenommen, sondern aufgrund generalisierender und unerheblicher Merkmale abqualifiziert.32 Dann ist ein persönlichkeitsintendierter, grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz geboten. Insofern lässt sich mit dem solchermaßen zu schützenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht an den „freiheitlichen Kern der Diskriminierungsverbote“33 anknüpfen.34 b) Relevanz der Qualifikation der Diskriminierung Unter einer Diskriminierung wird zunächst jede nicht gerechtfertigte Benachteiligung, welche an bestimmte unveräußerliche Merkmale von Menschen anknüpft, verstanden.35 Nicht jede private Diskriminierung stellt zwangsläufig auch eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder gar der Menschenwürde im oben erwähnten Sinne dar.36 Denn nicht durch jede Diskriminierung wird schon automatisch die Subjektqualität des Gegenübers in Frage gestellt.37 Die Diskriminierung muss dazu einen persönlichkeitsspezifischen Unrechtsgehalt aufweisen, indem sie eine Herabwürdigung und Exklusion von gesellschaftlicher Teilnahme allein wegen des „Soseins“ des Gegenübers vornimmt.38 Die kraft einer persönlichkeitsintendierten Schutzpflicht zu verhindernde Diskriminierung muss entsprechend eine qualifizierte Diskriminierung sein.

auch Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit (2000), S. 37 f. Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S.  178; s. a. Sachs, NJW 1989, 553 (556); Dietlein, Die Lehre von den grundrecht­ lichen Schutzpflichten (1992), S. 84. 34  In einem übergeordneten Sinne lässt sich in diesem Grundrechtsverständnis und seinen Wirkungen auf das Privatrecht aber auch ein Wandel von einer vormals individuell ausgerichteten Willens- und Freiheitsethik hin zu einer sozialen Verantwortungsethik i. S. v. Solidarität nicht nur durch den Staat, sondern durch die Gesellschaft und jedes ihrer Mitglieder, sehen. Das Privatrecht wirkt stärker als früher als schützendes, eingrenzendes, gegen Missbrauch sicherndes Recht; s. dazu Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft (1953), S. 18 ff.; K. Hesse, Verfassung und Privatrecht (1988), S.  33 f. 35  Siehe etwa Däubler, in: ders./Bertzbach, AGG, § 1 Rn. 12; Bauer/Krieger/ Günther, AGG, Einl. Rn. 10. 36  Nickel, Gleichheit und Differenz (1999), S. 145 f.; Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 (361 Fn. 18); Zapf, Zivilrechtliche Diskriminierungsnormen (2009), S. 93, 97 f.; Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 229. 37  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 229. 38  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 229. 32  Siehe

33  Ruffert,



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven161

Grundsätzlich liegt eine solche qualifizierte Diskriminierung vor, wenn die Abweisung auf den Merkmalen „Rasse“, Ethnie, Geschlecht oder Behinderung beruht. Denn diese Merkmale sind besonders persönlichkeitssensitiv. Der Gewährleistungsbereich von Art. 2 Abs. 1 (i. V. m. Art. 1 Abs. 1) GG umfasst die Anerkennung des Einzelnen als Basis jeder Freiheitsausübung. Denn jede formal gewährte Freiheit ohne interpersonale Anerkennung würde zur leeren Hülse.39 Die menschliche Würde ist eine reziproke, die zumindest nicht allein aus dem Individuum – aus sich selbst – heraus besteht, sondern erst in „sozialer Anerkennung“ entsteht beziehungsweise sichtbar wird.40 Lehner hat überzeugend dargelegt, dass eine Differenzierung aufgrund des Merkmals der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts sowie der Behinderung wegen ihrer hervorgehobenen Stellung in der nationalen wie internationalen Rechtsordnung grundsätzlich eine Negation der Anerkennung des Betroffenen darstellt.41 Im Übrigen liegt eine qualifizierte Diskriminierung vor, wenn bestimmte äußere Umstände zu einer anhand eines bestimmten Merkmals vorgenommenen Differenzierung hinzutreten. Dabei liegt eine Persönlichkeitsverletzung vor allem nahe, wenn entweder persönlichkeitsverletzende Begleitumstände oder eine öffentliche Wahrnehmbarkeit der Diskriminierung hinzukommen.42 Auf diese Weise lässt sich eine gewisse Objektivierung des Diskriminierungsschutzes erreichen, wobei aber zunächst innere Beweggründe des Diskriminierenden, die wahrnehmbar werden, zumindest mitberücksichtigt werden können.43 Insgesamt ist die persönlichkeitsintendierte Schutzpflicht merkmalsoffen zu denken. Erfüllt eine Diskriminierung die Voraussetzungen der Qualifikation als Würde aberkennende Differenzierung, ist es unerheblich, anhand welchen Merkmals differenziert wird.44 So können beispielsweise auch die politische Gesinnung oder die soziale Herkunft als im Grundgesetz nicht

39  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  232 f. 40  Grundlegend H. Hofmann, AöR 118 (1993), 353 (364). 41  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  233 ff.; ähnlich Dittmann, Privatrechtliche Diskriminierungsverbote aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 144. 42  Siehe näher Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  244 f. 43  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  243 f. 44  Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  245 ff.; ebenso Lobinger, Vertragsfreiheit und Diskriminierungsverbote, in: Vertragsfreiheit und Diskriminierung (2007), S. 144, 173.

162 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

ausdrücklich genannte Merkmale Gegenstand einer qualifizierten Diskriminierung sein.45 c) Qualifikation aufgrund des Rechtscharakters der Abberufung Anhand der dargelegten Kriterien lässt sich eine aus diskriminierenden Motiven erfolgende Abberufung stets als eine die Würde des betroffenen Geschäftsführers aberkennende Differenzierung einordnen. Die Abberufung als einseitiges, rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft ist vorgesehen, um die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter zu verwirklichen. Sie ist gleichsam eine „Ermächtigung“ des Gesetzgebers an die Gesellschafter, allein über das Schicksal eines Rechtsverhältnisses zu entscheiden, welches allerdings im Konsens begründet wurde. Wie oben anhand grundrechtlicher Wertungen nachvollzogen werden konnte, ist diese einseitige Gestaltbarkeit im Grundsatz legitim. Sie führt zugleich dazu, dass bei einer diskriminierenden Motivlage stets eine qualifizierte Diskriminierung vorliegt. Denn die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts zur Beendigung eines einvernehmlich eingegangen Rechtsverhältnisses, welches wie gezeigt besondere Persönlichkeitsrelevanz besitzt, gerade aus einem diskriminierenden Motiv heraus, führt stets dazu, dass besonders persönlichkeitsverletzende Begleitumstände im oben beschriebenen Sinne vorliegen. Die Tatsache, dass der Vertragsgegner sein einseitiges Gestaltungsrecht dazu nutzt, eine Diskriminierung vorzunehmen, ist für den Betroffenen eine besonders offensicht­ liche Demonstration der Nichtachtung seiner Persönlichkeit und der gleichzeitigen Maßgeblichkeit seines „So-Seins“ für die Abberufungsentscheidung. Wird etwa eine schwanger gewordene Geschäftsführerin wegen ihrer Schwangerschaft abberufen, weil man ihr – wegen verbreiteter Vorurteile und Fehlannahmen – die Geschäftsführung während der Schwangerschaft oder auch in der Zeit danach nicht mehr zutraut, hat das keinerlei Tatsachengrundlage für den Fall der konkret abberufenen Geschäftsführerin. Dass sie eine Tätigkeit, die sie bis dahin zufriedenstellend ausgeübt hatte, allein wegen derartiger Vorurteile nicht mehr fortführen können soll, ist in einem persönlichkeitsrechtlich bedeutsamen Rechtsverhältnis wie der Organstellung, besonders missachtend. Lediglich verstärkend kann noch hinzukommen, wenn auch die öffentliche Wahrnehmbarkeit einer solchen Diskriminierung gegeben ist. Das kann bereits der Fall sein, wenn sich im Unternehmen ein Gerücht über den diskriminierenden Grund der Abberufung verbreitet.

45  Beispiele bei Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 246.



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven163

Abgesehen von einer Schwangerschaft als einem offensichtlich veränderlichen Merkmal sind insbesondere das – zwar subjektiv unveränderliche, aber fortschreitende – Alter,46 eine eintretende Behinderung, die geänderte sexuelle Identität oder Orientierung oder ein Religionswechsel47 denkbare Motive, aufgrund derer eine spätere Abberufung eine qualifizierte Diskriminierung im oben erklärten Sinne darstellen würde. Sie sind Merkmale, die nachträglich auftauchen und für die Gesellschafter relevant werden können. Allerdings sind auch unveränderliche Merkmale als Motiv einer Diskriminierung durch die Gesellschafter, gedanklich nicht von vornherein auszuschließen. Zum einen müssen solche nicht von vornherein bekannt oder sichtbar sein, so dass ein erst späteres Bekanntwerden Einfluss auf eine Abberufungsentscheidung haben kann. Zum anderen ist zu bedenken, dass auch bei Bekanntsein eines Merkmals wie etwa der zugeschriebenen „Rasse“48 oder der ethnischen Herkunft, sich die Haltung der Gesellschafterversammlung zu dem Merkmal verändern kann. Denkbar ist insbesondere, dass dies wegen einer Veränderung der Zusammensetzung der Gesellschafter geschieht. Als gedankliches Beispiel mag hier der Fall dienen, dass von einer (vielleicht international zusammengesetzten) Gesellschafterversammlung einer deutschen GmbH zunächst zwei Geschäftsführer berufen wurden: ein Deutscher, dem besondere Marktkenntnisse zugeschrieben werden und ein Nicht-Deutscher, der sich mit der durch die Gesellschaft angebotenen Produktpalette und deren Innovationsfähigkeit besonders gut auskennen soll. Einige der Gesellschafter veräußern nun ihre Anteile und werden von anderen abgelöst, welche die Kompetenz des nicht-deutsch-stämmigen Geschäftsführers ohne zureichende Anhaltspunkte in der Qualität seiner Tätigkeit anzweifeln. Es bildet sich eine Mehrheit unter den Gesellschaftern, welche die Abberufung des zweiten Geschäftsführers und dessen Ersetzung durch einen Deutschen durchsetzen. Wenngleich derartige Fälle selten sein werden, sind sie nicht undenkbar und somit eine Vielzahl von Merkmalen als Anknüpfungspunkt einer qualifizierten Diskriminierung durch den Akt der Abberufung denkbar.

46  Siehe

dazu BGH 23.4.2012, BGHZ 193, 110, insbes. Rn. 28 ff. Religion und sexuelle Identität wegen ihrer Betrachtung als besonders identitätsbildend grundsätzlich den unveränderbaren Merkmalen gleichzusetzen sind, siehe dazu Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  234 f. 48  Wenngleich deren Existenz naturwissenschaftlich widerlegt ist, s.  a. Erwägungsgrund Nr. 6 der RL 2000/43/EG; sowie Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S. 234. 47  Wobei

164 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

2. Mutterschutz a) Inhalt des Schutzauftrags von Art. 6 Abs. 4 GG Art. 6 Abs. 4 GG ist ein Auftrag an den Staat, die Lasten der Mutterschaft abzumildern und die entsprechenden Belastungen angemessen auszugleichen. Art. 6 Abs. 4 GG enthält einen positiven Regelungsauftrag, der auch Eingriffe in Rechte Dritter legitimiert.49 Das betrifft vor allem die Bereiche des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, sowie die sozialrechtliche Absicherung für Fälle von Krankheit oder Arbeitslosigkeit.50 Im Zivilrecht sind Mindeststandards geboten, etwa indem zivilrechtliche Regelungen grundsätzlich so angewendet und ausgelegt werden, dass das verfassungsrechtliche Schutzgebot aus Art. 6 Abs. 4 GG Beachtung findet.51 b) Differenzierung als Anwendungsfall von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Soweit Schwangerschaft oder Mutterschaft Anknüpfungspunkt für Differenzierungen sind, ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG unmittelbar einschlägig, da derartige Regelungen normativ kategorial ausschließlich Frauen betreffen können.52 Der persönlichkeitsintendierte, grundrechtsobligatorische Diskriminierungsschutz gilt daher selbstverständlich auch für Frauen, die schwanger oder Mutter sind. 3. Sonstige Motive Denkbar ist auch der Schutz von weiteren Grundrechten wie etwa der Meinungsfreiheit, wenn die Abberufung durch die Gesellschafter gerade darauf abzielen würde, eine bestimmte durch den Geschäftsführer verbreitete Meinung durch den Entzug der Organposition nicht mehr wahrnehmbar zu machen. Sofern die geäußerte Meinung unter Berücksichtigung der ausdifferenzierten verfassungsrechtlichen Judikatur in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fällt und der Geschäftsführer ansonsten schutzlos wäre, greift auch hier eine staatliche Schutzpflicht ein. Die Verhinderung einer Meinungsäußerung als Motiv der Abberufung ist insoweit nicht hinzunehmen. Die Überschreitung der Schutzpflichtenschwelle ist aber einzelfallabhängig nur anzunehmen, wenn es dem Geschäftsführer unter Berücksichtigung der 49  BVerfG

28.4.2011, BVerfGK 18, 401. 28.3.2006, BVerfGE 115, 259. 51  BVerfG 24.5.2005, BVerfGK 5, 266. 52  BVerfG 28.4.2011, BVerfGK 18, 401. 50  BVerfG



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven165

Gesamtumstände unzumutbar ist, seine Meinung auch ohne das Innehaben der Organposition anderweitig kundzutun.53

III. Überwiegen des Beschäftigungsinteresses aufgrund einer Kumulation der Schutzpflichten 1. Schutzpflichten-Kumulation Erfolgt die Abberufung in diskriminierender Art und Weise oder zur Verhinderung der Ausübung eines anderen Grundrechts, wie etwa einer Meinungsäußerung, ist nicht nur isoliert die Würde und Persönlichkeit des Geschäftsführers aufgrund dieser Missachtung bzw. Maßregelung betroffen. Die Verkürzung dieser zusätzlichen Grundrechtspositionen wirkt zugleich zurück auf den Bereich der Persönlichkeitsverwirklichung und Berufsausübung, die in einem solchen Fall allein wegen einer aus unbilligen Motiven getroffenen Abberufungsentscheidung nicht weiter realisiert werden können. In dem Ausgleich, der zwischen den Grundrechtspositionen der Gesellschafter und denjenigen des Geschäftsführers zu suchen ist, führt erst diese Kumulation von Übergriffen durch die Gesellschafter zu einer Schutzpflicht.54 Für sich allein ist das Beschäftigungsinteresse des Geschäftsführers aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Berufsausübungsfreiheit nicht schutzwürdig. Tritt allerdings die weitere Schutzdimension des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Diskriminierungsschutzes (oder der Meinungsfreiheit) hinzu, besteht eine Schutzpflicht. Die Kumulation von Belastungen, die der Geschäftsführer durch eine diskriminierende Abberufung hinzunehmen hätte, führt spiegelbildlich zu einer Verstärkung der Schutzpflicht. Diese ist wegen ihres kumulierten Gewichts auch nicht mehr durch die entgegenstehenden Grundrechtspositionen der Gesellschafter beschränkbar. Die verstärkende Wirkung des persönlichkeitsintendierten Diskriminierungsschutzes lässt sich dogmatisch innerhalb der Verhältnismäßigkeit der Schutzpflicht einordnen.55 Die verstärkende Wirkung – die eine subadditive ist56 – hat daher unmittelbare Wirkung auf den Abwägungsvorgang mit den entgegenstehenden Grundrechten der Gesellschafter. 53  Siehe

§ 3 E. II. 1. b). „Kumulation von Belastungen“ im Rahmen der Eingriffsdogmatik s. E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523 (534 f.). 55  Für die Parallele in der Eingriffsdogmatik s. E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523 (540 ff.). 56  Dazu E. Hofmann, AöR 133 (2008), 523 (545 f.). 54  Zur

166 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

2. Bedeutung der Privatautonomie Häufig wird als abwägungsrelevant auch die im Grundgesetz abgesicherte Privatautonomie, meist in der Ausprägung der Vertragsfreiheit, genannt. Für den hier vorliegenden Anwendungsfall von Schutzpflichten muss in dieser Hinsicht aber die Distanz zu den gerne genannten Beispielen von Vertragsschlüssen gewahrt werden, denn diese betreffen eine andere Situation. In der Abberufungssituation besteht keine durch Konsens und Selbstregulierung geprägte Beziehung von zwei Privatrechtssubjekten mehr.57 Daher kommt es auch nicht auf hinzutretende tatsächliche Gegebenheiten an, welche auf das sogenannte Verhandlungsgleichgewicht der Privatrechtssubjekte einwirken. So wird vielfach ein „Anspruch auf Gleichbehandlung“ gegenüber ­einem Vertragspartner nur im Zusammenhang mit struktureller Überlegenheit58 aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung oder relativer Marktmacht59 diskutiert.60 Die Überlegenheit – allerdings nicht in einem tatsächlichen Sinne – des einen, so man sie denn als Voraussetzung einer Schutz­ pflicht fordern wollte,61 ergäbe sich aus der rechtlichen Zuerkennung einer einseitigen Gestaltungsbefugnis. Allerdings stellt sich im Falle eines einseitigen Gestaltungsrechts wie bei der Abberufung schon die Frage, ob es überhaupt auf die Privatautonomie zurück geführt werden kann, denn diese ist eben Selbst- und nicht Fremdbestimmung.62 Die aus dem ursprünglichen Vertragsschluss abgeleitete Legitimation des einseitigen Gestaltungsrechts ist jedenfalls eine lediglich schwache. Vertragsfreiheit erfährt schließlich eine Vorprägung durch staatliche Ausgestaltung. In diesem vorstrukturierten Bereich, der Privatautonomie im Vertragsrecht erst möglich macht, können wiederum Schutzpflichten so ­Einfluss nehmen, dass entsprechende „Normprogramme eine im Einzelfall Grundrechtsgüter schützende Auslegung erfahren müssen“63. 57  Für eine zurückhaltende Anwendung von Schutzpflichten bei Vertragsverhältnissen zugunsten von „Prozessen privater Selbstregulierung“ etwa Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 294 f.; s. a. Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (341). 58  Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 70. 59  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (6. Aufl. 2010), Art. 3 Abs. 1 Rn. 294. 60  Wobei Schutzvorschriften des Zivilrechts zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren zur Sicherung der Vertragsgerechtigkeit einer Ansicht nach auch nicht auf Art. 3 GG, sondern auf dem Sozialstaatsprinzip beruhen sollen: Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG (6. Aufl. 2010), Art. 3 Abs. 1 Rn. 295. 61  Überzeugend gegen die Rechtsfigur von wirtschaftlichen oder sozialen „Ungleichgewichtslagen“ als Begründung von Schutzpflichten: Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 347. 62  Siehe etwa Canaris, AcP 184 (1984), 201 (220).



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven167

Festzuhalten ist, dass eine Schutzpflicht zugunsten desjenigen Geschäftsführers besteht, der aus grundrechtsverletzenden Motiven abberufen wird. Das sind namentlich die vom Grundgesetz benannten Diskriminierungsgründe des Geschlechtes, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen und der Behinderung, aber auch nicht genannte Gründe wie etwa das Alter oder die soziale Herkunft; ferner andere Grundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit. Auf welche Weise diese Schutzpflicht seitens des Staates ausgefüllt wird, liegt zunächst einmal in einem weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers, der nur durch das sogenannte Untermaßverbot eindeutig eingegrenzt wird.64 Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die herausgearbeiteten Schutzpflichten zugunsten der Geschäftsführer im geltenden Privatrecht bereits eine Umsetzung gefunden haben und wie sie anderenfalls realisiert werden können.

IV. Keine Umsetzung der Schutzpflicht im geltenden spezialgesetzlichen Recht Für diese Fälle von unbilligen Abberufungen sind, um den staatlichen Schutzpflichten zu genügen, Ausnahmen vom Grundsatz der freien Abberufbarkeit oder andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Abberufung nötig. Wie bereits erwähnt, bestehen im Rahmen des geltenden Beschlussmängelrechts nur eingeschränkte Angriffsmöglichkeiten des Geschäftsführers gegen die Abberufung.65 Es bleibt zu zeigen, dass die speziellen Normen des Gesellschaftsrechts (und des BGB) auch materiell nicht hinreichend sind, um den Schutzpflichten zu genügen. 1. Unwirksamkeit wegen offenbar unsachlicher Gründe für die Abberufung (§§ 226, 826 BGB) Einer umstrittenen Ansicht nach soll die Abberufung unwirksam sein, wenn sie aus offensichtlich unsachlichen Gründen erfolgt, wobei dies vor allem an § 226 (Schikaneverbot) und § 826 BGB (Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) festgemacht wird.66 Deren Maßstäbe sind jedoch kaum geeignet, um das Interesse eines Geschäftsführers an sachlicher Behandlung im Hinblick auf die Abberufung zu verwirklichen. Eine Rechtsausübung, welche 63  Treffend Lehner, Zivilrechtlicher Diskriminierungsschutz und Grundrechte (2013), S.  72 f. 64  Siehe oben § 3 E. II. 3. a). 65  Siehe § 2 B. III. 5. 66  Siehe oben § 2 B. I. 1. c).

168 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

wegen des Schikaneverbots unwirksam sein soll, muss zum einen objektiv dem alleinigen Zweck dienen, einem anderen Schaden zuzufügen.67 Zum anderen muss der Rechtsausübende mit Vorsatz hinsichtlich der Schikane handeln. Er muss also um die konkrete Schadenszufügung wissen, sie wollen und im Bewusstsein ihrer Rechtswidrigkeit trotzdem entsprechend handeln.68 Diese Voraussetzungen werden kaum jemals erfüllt sein und sich – wenn sie erfüllt sind – noch seltener praktisch nachweisen lassen. Man denke nur an die Gesellschafterversammlung, der die Diskriminierung durch ihre Abberufungsentscheidung gar nicht bewusst ist, weil sie an sich schließlich keine sachliche Begründung für die Abberufung geben muss. Entsprechend ist zu bezweifeln, dass die von den Verfechtern dieses Ansatzes genannten „offensichtlich unsachlichen Gründe“ die Schwelle des Schikaneverbots oder der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung jemals erreichen oder hinreichend klar ermittelt werden können.69 Im Hinblick auf den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung kommt noch hinzu, dass § 826 BGB eine Ergänzung des Deliktsrechts ist, deren Anwendbarkeit auf den Ausspruch einer Organabberufung völlig ungeklärt ist. Jedenfalls aber ist die Rechtsfolge einzig auf Schadensersatz gerichtet. Keinesfalls ordnet § 826 BGB eine Unwirksamkeitsfolge an. Seine Anwendung auf die Abberufung, um daraus eine Unwirksamkeitsfolge herzuleiten, stünde ohne jede systematische Anknüpfung im Raum und ist schlechthin nicht begründbar. 2. Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) Auch über den Tatbestand der Sittenwidrigkeit lässt sich keine befriedigende Lösung des Konflikts herbeiführen. Zum einen soll § 138 BGB, wie auch § 134 BGB, durch das Beschlussmängelrecht verdrängt und damit unanwendbar sein.70 Soweit vorgeschlagen wird, § 138 BGB dennoch anzuwenden, wird anscheinend davon ausgegangen, dass der nach außen bekannt gegebene Beschluss der Abberufung den allgemeinen Regelungen über Willenserklärungen unterfallen könnte. Das würde jedoch der Intention des Beschlussmängelrechts, ein auf die Besonderheiten des Innenlebens von Gesellschaften abgestimmtes Anfechtbarkeits- und Nichtigkeitsregime aufzustellen, zuwiderlaufen. Bei einem auch gegenüber dem Geschäftsführer unmittelbare Rechtsfolgen entfaltenden Beschluss handelt es sich nicht um eine separate 67  BGH 11.4.1975, BGHZ 64, 273; OLG Düsseldorf 4.9.2000, NJW-RR 2001, 162; Dennhardt, in: Bamberger/Roth, BGB, § 226 Rn. 5. 68  Dennhardt, in: Bamberger/Roth, BGB, § 226 Rn. 6. 69  Siehe auch Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 7. 70  Siehe oben § 2 B. III. 1.



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven169

Willenserklärung, die anderen Regelungen unterfallen könnte. Es wird lediglich der zunächst interne Gesellschafterbeschluss dem Geschäftsführer bekannt gegeben, woraufhin er diesem gegenüber zu einer rechtsverbindlichen Willenserklärung wird.71 3. Nichtigkeits- und Unwirksamkeitsgründe beim Abberufungsbeschluss nach geltendem Beschlussmängelrecht Entsprechend könnte der betroffene Geschäftsführer nach dem geltenden Beschlussmängelrecht nur gegen den Abberufungsbeschluss als Grundlage der Abberufung vorgehen. Ob darüber eine adäquate Handhabe zur Schutzpflichtverwirklichung besteht, ist im Folgenden zu untersuchen. Der Geschäftsführer kann nur eingeschränkt gegen einen Abberufungsbeschluss vorgehen. Inhaltlich ist er auf die Nichtigkeitsgründe beziehungsweise – soweit er zugleich Gesellschafter ist – zusätzlich auf Anfechtungsgründe verwiesen, soweit diese aus dem Aktiengesetz analog anwendbar sind.72 In Betracht kommen überhaupt nur bestimmte inhaltsbezogene Nichtigkeitsgründe. Eine Untersuchung der verfahrensbezogenen Nichtigkeitsgründe (etwa bei Fehlern des Beurkundungsvorgangs) erübrigt sich für die vorliegende Thematik. a) Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Gesellschaft gem. § 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG analog Ein Abberufungsbeschluss wäre nichtig, wenn er mit dem Wesen der Gesellschaft nicht vereinbar ist (§ 241 Nr. 3 Alt. 1 AktG). Dabei handelt es sich um einen Spezialtatbestand im Verhältnis zu der Alternative des Verstoßes gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften.73 Der Nichtigkeitsgrund ist daher eng auf die Rechtsform der GmbH und ihr daraus folgendes „Wesen“ ausgerichtet. Erfasst werden unter anderem die Verlagerung zwingender Organkompetenzen und die Entziehung von Mitgliedschaftsrechten der Gesellschafter, da sie abweichend von wesentlichen gesetzlichen Strukturmerkmalen der Gesellschaftsform GmbH Änderungen an der Gesellschaftsverfassung vornehmen würden. Geschäftsführer sind in ihrer Organposition durch diesen Tatbestand insoweit geschützt, als die Position des Geschäftsführers als Exekutivorgan zum unantastbaren Wesen der Gesellschaft gehört. Mögliche Bindungen im Innenverhältnis zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer – die wegen des übergeordneten Weisungs71  Siehe

bereits § 2 B. I. 1. c). oben § 2 B. III. 2. 73  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 67. 72  Siehe

170 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

rechts der Gesellschafter durchaus zulässig sind – dürfen die gesetzliche Vertretungsmacht des Geschäftsführers nach außen nicht umfassen.74 Die Abberufung eines Geschäftsführers soll aber, selbst wenn sie im Einzelfall rechtswidrig sein sollte, keinen Wesensverstoß darstellen.75 Der Nichtigkeitsgrund des Wesensverstoßes hilft wegen seiner Ausrichtung auf das Wesen der GmbH insbesondere dann nicht, wenn der Geschäftsführer durch den Beschluss persönlich betroffen ist. b) Verstoß gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften gem. § 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG analog Nach § 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG analog sind auch Beschlüsse, die gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften verstoßen, nichtig. Dabei muss die in Frage stehende Vorschrift nach überwiegender Ansicht wie auch Alt. 2 in § 241 Nr. 3 AktG „ausschließlich oder überwiegend“ im öffentlichen Interesse bestehen, so dass der Tatbestand des „öffentlichen Interesses“ jedenfalls nicht weit auszulegen ist.76 Darüber hinaus dürfte der Schutz des öffentlichen Interesses durch die Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht ausreichend sein, so dass gerade die Nichtigkeitsfolge erforderlich sein muss, um das öffent­ liche Interesse hinreichend zu schützen. Entscheidend ist, ob die im Falle der bloßen Anfechtbarkeit gegebene temporäre Wirksamkeit des Beschlusses und die bei Versäumung der Anfechtungsfrist eintretende Bestandskraft mit dem einschlägigen öffentlichen Interesse zu vereinbaren wäre. Anzunehmen ist eine Nichtigkeit jedenfalls bei Verstößen gegen das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, gegen Regelungen der Mitbestimmungsgesetze, regelmäßig auch bei Verstößen gegen das deutsche oder europäische Kartellverbot sowie gegen Steuer- und Sozialrecht.77 Im Hinblick auf den Bestellungsakt zum Geschäftsführer ist – soweit ersichtlich – bislang lediglich anerkannt, dass die in § 6 Abs. 2 GmbHG niedergelegten persönlichen Voraussetzungen eine im öffentlichen Interesse bestehende Vorschrift sind. Eine unter Verstoß gegen diese Voraussetzungen vorgenommene Geschäftsführerbestellung ist nichtig.78 Insoweit könnte hier an einen Verstoß gegen das AGG gedacht 74  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rn. 104; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 131. 75  OLG Hamm 17.10.2007, juris Rn. 24. 76  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 82; Römermann, in: Michalski, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 141; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rn. 102; a. A. Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 53. 77  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 83 ff. 78  OLG Naumburg 10.11.1999, GmbHR 2000, 378.



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven171

werden, wobei allerdings dessen überwiegendes Bestehen im öffentlichen Interesse angenommen werden müsste und auch der Anwendungsbereich hinsichtlich der Abberufung für den Geschäftsführer eröffnet sein müsste, was überaus strittig ist.79 Im Ergebnis kann jedenfalls nicht von einer eindeutigen Nichtigkeitsfolge ausgegangen werden. c) Verstoß gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4 AktG analog) Eine Abberufungsentscheidung ist entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig, wenn der Beschluss inhaltlich gegen die guten Sitten verstößt. Dabei genügt es nicht, dass inhaltlich indifferente Beschlüsse aus einem unsittlichen Motiv oder Zweck getroffen werden. Die Sittenwidrigkeit muss sich wenigstens aus dem „inneren Gehalt“ des Beschlusses ergeben.80 Vor allem wenn nicht anfechtungsberechtigte Personen durch den sittenwidrigen Gehalt eines Beschlusses geschädigt werden, soll nicht allein der isoliert betrachtete Beschlussinhalt maßgeblich sein, sondern dessen „innerer Gehalt“.81 Eine Geschäftsführer-Abberufung kann insbesondere im Rahmen sogenannter „Firmenbestattungen“ sittenwidrig sein, wobei dies vor allem wegen strafrechtlicher Aspekte aber umstritten ist.82 Ansonsten lässt sich die Abberufungsentscheidung grundsätzlich als ihrem Inhalt nach nicht sittenwidrig auffassen, da sie als Maßnahme im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.83 Sie ist ihrem Inhalt nach stets sittlich indifferent. Das Motiv, welches bei einem diskriminierenden Abberufungsbeschluss entscheidend ist, lässt sich nicht als dessen innerer Gehalt in diesem Sinne auffassen. Es soll für die Sittenwidrigkeit im Rahmen von § 241 Nr. 4 AktG also gerade keine Rolle spielen. d) Amtslöschung nach § 398 FamFG Verletzt ein Beschluss zwingende gesetzliche Vorschriften und erscheint seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich, kann die Löschung aus dem Handelsregister durch den Registerrichter erfolgen. Die Nichtigkeit muss auf einem gesetzeswidrigen Inhalt des Beschlusses beruhen.84 Trotz der 79  Siehe

oben § 2 C. III. 3. b) bb). 8.12.1954, BGHZ 15, 382 (385 f.); OLG Dresden 14.7.1999, NZG 1999, 1109; OLG Hamm 17.10.2007, juris Rn. 25; Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 89. 81  BGH 8.12.1954, BGHZ 15, 382 (384 ff.); OLG Dresden 14.7.1999, NZG 1999, 1109; OLG Hamm 17.10.2007, BeckRS 2008, 05437. 82  Siehe zum Ganzen Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 90 ff. 83  OLG Hamm 17.10.2007, juris Rn. 25. 84  BayObLG 18.7.1991, BB 1991, 1729; OLG Köln 12.12.2001, NZG 2003, 75. 80  BGH

172 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

Formulierung „kann“ steht dem Registerrichter dann kein Ermessen zu. Es ist vielmehr mit dem „öffentlichen Interesse“ ein unbestimmter Rechtsbegriff anzuwenden, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Die Löschung hat in einem solchen Fall zu erfolgen. Sie kann aber umgekehrt auch nur erfolgen, wenn die Nichtigkeit des Beschlusses zweifelsfrei feststeht.85 Umstritten ist, ob es sich um Beschlüsse handeln muss, für welche die Eintragung in das Handelsregister konstitutive Wirkung hat. Das wäre bei einem Abberufungsbeschluss nicht der Fall. Die wohl überwiegende Auffassung geht davon aus, dass das Eintragungserfordernis nicht konstitutiv sein muss,86 da es in § 398 FamFG allgemein darum geht, im öffentlichen Inte­ resse erlassene Vorschriften durchzusetzen.87 Die Amtslöschung stellt allerdings kein Mittel dar, mit dem etwa Gesellschafter gegen mangelhafte Beschlüsse vorgehen können. Daher können sie nicht etwa Beschwerde mit dem Ziel der Amtslöschung erheben. Das Registergericht kann lediglich durch eine unverbindliche Anregung zu einer Löschung von Amts wegen veranlasst werden. Da es sich um ein reines Amtsverfahren handelt, können die Urheber einer entsprechenden Anregung an das Gericht diesem gegenüber keine Rechtsstellung erlangen.88 Auch für andere betroffene Personen, insbesondere etwa Fremd-Geschäftsführer, muss dies gelten, da der Charakter als reines Amtsverfahren unterschiedslos gegenüber jedermann gilt. Daher stellt die Amtslöschung kein Mittel dar, um subjektiven Rechtspositionen, die durch einen bestehenden Gesellschafterbeschluss verletzt werden, zur Geltung zu verhelfen. e) Nichtigerklärung durch Anfechtungsurteil gem. § 241 Nr. 5 AktG analog Durch die analoge Anwendung von § 241 Nr. 5 AktG im GmbH-Recht ist auch klargestellt, dass ein auf eine Anfechtungsklage ergehendes Urteil mit Rechtskraft zur Nichtigkeit des angefochtenen Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung ex tunc führt.89 Anfechtbar sind analog § 243 Abs. 1 AktG Be85  BayObLG

18.7.1991, BB 1991, 1729. 18.7.1991, BB 1991, 1729; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 61; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Anh. Rn. 58; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 107; Ganzer, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 14. 87  BayObLG 18.7.1991, BB 1991, 1729 (1729). 88  OLG Zweibrücken, 28.10.1988, ZIP 1989, 241 (242); OLG Köln 12.12.2001, NZG 2003, 75. 89  Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 60; Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 99. 86  BayObLG



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven173

schlüsse, die gegen ein Gesetz verstoßen. Erfasst ist jedes materielle Gesetz, also jede hoheitliche Rechtsnorm. Es muss sich nicht, wie bei den Nichtigkeitsgründen, um ein zwingendes Gesetz handeln. Es ist etwa anerkannt, dass eine Missachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gesellschafter einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 243 Abs. 1 AktG darstellt.90 Dieser ist in § 53a AktG für die Aktionäre der AG ausdrücklich normiert, stellt aber darüber hinaus ein für die GmbH unabhängig davon geltendes, allgemeines verbandsrechtliches Prinzip dar.91 Für Gesellschafter-Geschäftsführer lässt sich aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung etwa herleiten, dass ihre Vergütung in keinem Missverhältnis zur vergüteten Leistung stehen darf. Sie muss dem Vergleich mit der hypothetischen Vergütung eines Fremd-Geschäftsführers standhalten.92 Zum Teil wird auch der Verstoß gegen § 9 MuSchG (seit 1.1.2018 nunmehr § 17 MuSchG) bei den zur Anfechtbarkeit führenden Gesetzesverstößen eingeordnet, sofern die betroffene Geschäftsführerin dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterfällt.93 Auch Verstöße gegen Generalklauseln sollen zu einem Anfechtungsgrund wegen Gesetzesverstoßes im oben genannten Sinne führen können.94 Insoweit ist vor allem die Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB relevant, wobei sie von einigen als praktisch unbedeutend neben den anderen Regelungen des gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsrechts eingeordnet wird.95 Als Fallgruppen haben sich insoweit die Fälle des Machtmissbrauchs, der vorsätzlichen Schädigung Dritter und der Einschüchterung durch einen Gesellschafter oder einen Dritten herausgebildet, wobei stets vorrangig zu prüfen ist, ob aus diesen Gründen nicht bereits ein Formfehler bei der Abhaltung der Gesellschafterversammlung vorgelegen hat.96 Wertungen des Grundgesetzes könnten an sich hier Berücksichtigung finden, umfasst doch der rechtsethische Inhalt der Norm die der Rechtsordnung selber innewohnenden Werte und Prinzipien, 90  Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. §  47 Rn. 129; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anhang nach § 47 Rn. 91; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 45 Rn. 105. 91  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 175. 92  BGH 14.5.1990, BGHZ 111, 224 (227); Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 176. 93  So unter anderen Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 139a; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 38 Rn. 6. 94  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 173; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Anhang nach § 47 Rn. 86; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 124; Römermann, in: Michalski, Anh. § 47 Rn. 299. 95  Siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Anh. nach § 47 Rn. 86; Raiser, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, Anh. § 47 Rn. 125. 96  Römermann, in: Michalski, Anh. § 47 Rn. 303 f.

174 § 4 Grundrechtskonflikt zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern

die vor allem in den Grundrechten, aber auch in den Grundsätzen des Europarechts, als maßgeblichen Wertentscheidungen ihren Ausdruck finden.97 Allerdings ist die Anfechtungsbefugnis Voraussetzung, um den Gesetzesverstoß geltend machen zu können.98 Diese steht nur den Gesellschaftern der GmbH zu, so dass Fremd-Geschäftsführer von vornherein ausgeschlossen wären, die Sittenwidrigkeit des Abberufungsbeschlusses zu ihren eigenen Gunsten geltend zu machen. Verstreicht die Anfechtungsfrist, kann der Ab­ berufungsbeschluss überhaupt nicht mehr angegriffen werden. f) Unwirksamkeit bei satzungsmäßig zugesichertem Recht auf Geschäftsführung Sofern ein Gesellschafter-Geschäftsführer ein satzungsmäßig zugesichertes Recht auf Geschäftsführung hat, kann sich der Abberufungsbeschluss ohne seine Zustimmung als unwirksam herausstellen. Allerdings wird er bei seiner Abberufung aus wichtigem Grund, die jedenfalls stets noch möglich sein muss, von der Beschlussfassung zunächst regelmäßig ausgeschlossen sein.99 Im Nachhinein kann er jedoch die Anfechtungsklage erheben und – wenn ein wichtiger Grund nicht vorlag – den Abberufungsbeschluss für nichtig erklären lassen. Dieses Recht erwächst aber aus dem Sonderrecht kraft der mitgliedschaftlichen Stellung. Kann demgegenüber ein Fremd-Geschäftsführer kraft Regelung in der Satzung nur aus wichtigem Grund abberufen werden, steht ihm dennoch kein Anfechtungsrecht gegen den Abberufungsbeschluss zu.100

97  Wendtland, in: Bamberger/Roth, § 138 Rn. 17; Ellenberger, in: Palandt, § 138 Rn. 3-6. 98  Siehe oben § 2 B. III. 2. 99  BGH 21.4.1969, NJW 1969, 1483; OLG Düsseldorf 7.1.1994, GmbHR 1994, 884 (886); OLG Zweibrücken 30.10.1997, GmbHR 1998, 373 (374); OLG Naumburg 23.2.1999, NZG 2000, 44, 46; OLG Karlsruhe 4.5.1999, NZG 2000, 264, 265; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 76; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rn. 17; a. A. OLG Karlsruhe 28.11.2006, ZIP 2007, 1319 (1320); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rn. 35 plädieren insoweit für einen Stimmrechtsausschluss nur bei tatsächlichem Vorliegen – ein entsprechender Befund des Versammlungsleiters soll erforderlich sein – eines wichtigen Grundes, um zu verhindern, dass ein solcher nur behauptet wird, um das Stimmrecht des Betroffenen auszuschließen. 100  Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 38 Rn. 131.



B. Auflösung des Grundrechtskonflikts bei unbilligen Abberufungsmotiven175

V. Ergebnis Durch das Beschlussmängelrecht ist schon auf der Ebene der einzelnen Tatbestände der Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe kein hinreichender Schutz des Geschäftsführers gegen grundrechtsbeeinträchtigende Abberufungsbeschlüsse normiert. Einzig über den Anfechtungsgrund des Verstoßes gegen im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften wäre die Umsetzung grundrechtlicher Wertungen denkbar. An dieser Stelle müssen allerdings die verfahrensrechtlichen Hürden berücksichtigt werden, die nach herrschender Ansicht im Beschlussmängelrecht gelten. Zur Geltendmachung bedarf es einer Anfechtungsbefugnis, weshalb ein Fremd-Geschäftsführer insoweit ausgeschlossen ist, als er keine Anfechtungsgründe geltend machen kann. Daran wird plastisch, dass das gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht nicht auf individuelle Rechtspositionen abstellt, sondern vor allem auf die Rechtssicherheit im gesellschaftsrechtlichen Verkehr. Dem Geschäftsführer nützt seine (vormalige) Organstellung nicht, denn Organrechte sind fremdnützig auszuüben. Sie sind – nach der Konzeption des Gesellschaftsrechts – weder dazu gedacht, ihrem Träger in der Verwirklichung seiner individuellen Freiheit zu helfen, noch bei der Durchsetzung eigener Interessen. Und nichts anderes gilt für die dem einzelnen Organwalter eingeräumten organmitgliedschaftlichen Befugnisse.101 Die Organbefugnisse weisen keinen den subjektiven Rechten vergleichbaren personalen Bezug auf.102 Daher kann es nicht überraschen, dass im geltenden GmbH-Recht die individuellen Rechtsgüter des Geschäftsführers keinen Schutz erfahren. Der (abberufene) Geschäftsführer hat letztlich in seiner Eigenschaft als Privatperson keine Möglichkeit, seine persönliche Rechtsstellung gegen einen grundrechtsverletzenden Abberufungsbeschluss gegenüber den Gesellschaftern zu verteidigen. Da somit kein konsequenter Schutz gesetzlich garantiert ist, ist das Untermaßverbot berührt.

101  Schürnbrand, 102  Schürnbrand,

Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 377 f. Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 378 f.

§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten durch Zuerkennung eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers Da durch die speziellen Normen der Sachmaterie des Gesellschaftsrechts die Schutzpflichten nicht umgesetzt sind, hat eine Untersuchung der besonders weit auslegungsfähigen Normen des Privatrechts zu erfolgen, um festzustellen, ob und wie die Schutzpflichten anhand dieser Normen durch die Rechtsprechung erfüllt werden können. Da zur Umsetzung von Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum besteht und insbesondere auch das Zusammenspiel der Einzelnormen in ihrer Gesamtwirkung zur Erfüllung von Schutzpflichten beitragen kann,1 bestehen vor allem für den Gesetzgeber regelmäßig unterschiedliche Möglichkeiten der Schutzpflichtenumsetzung. Die Rechtsprechung hat sich indessen mit dem bestehenden Normensystem zu behelfen und dort hinreichende Anknüpfungspunkte zu suchen. Es soll gezeigt werden, dass insoweit über die zur Verfügung stehenden Generalklauseln eine Lösung gefunden werden kann, die einen angemessenen Schutz der Geschäftsführer bei gleichzeitiger Flexibilität der Rechtsfigur zugunsten der Interessen von Gesellschaftern und Allgemeinheit bereitstellt.

A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs Eine Verwirklichung der Schutzpflicht zugunsten des Geschäftsführers erscheint nach den oben gefundenen Ergebnissen nur mehr mittels Auslegung der Generalklauseln möglich. Im Privatrecht sind die Anforderungen an den Rahmen, der durch ausfüllungsbedürftige Normen gefüllt werden soll, geringer als im öffentlichen Recht. Denn eine eingreifende Wirkung erfolgt hier nicht als gemeinwohl­ orientierte Freiheitsverkürzung. Sie erfolgt im Privatrechtsverhältnis vielmehr zwischen Gleichgeordneten im Wege „eines Gebens und Nehmens“ durch den quasi „schiedsrichterlich auftretenden Staat“.2 Gerade die Erfüllung 1  Canaris, AcP 184 (1984), 201 (237); ders., Grundrechte und Privatrecht (1999), S.  81 f. 2  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 132.



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs177

von Schutzpflichten über unbestimmte Normen ist im Privatrecht daher in wesentlich flexiblerem Maße möglich. Die judikative Konfliktentscheidung durch Analogie und Rechtsfortbildung hat im Privatrecht auch eine große Tradition, so dass sie in der zivilrechtlichen Methodenlehre fest verankert ist.3 Im Ergebnis erscheint daher im Privatrecht eine etwas weitere Ablösung der Rechtsfindung vom Gesetzeswortlaut als im Verwaltungs- oder Strafrecht begründbar.4 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Generalklauseln für die hier interessierende Problemstellung nach diesen Maßgaben fruchtbar gemacht werden können.

I. Normanknüpfung in § 242 BGB Wie oben gezeigt, erscheint die Anwendung von § 138 BGB auf die Abberufungsentscheidung wenig sinnvoll.5 Es bleibt daher als Anknüpfungspunkt vor allem das Gebot von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist über seinen Wortlaut hinaus als das gesamte Rechtsleben beherrschender Grundsatz anerkannt.6 „Treue bedeutet nach dem Wortsinn eine auf Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme beruhende äußere und innere Haltung gegenüber einem anderen; Glauben das Vertrauen auf eine solche Haltung.“7 Trotz dieser Definitionsversuche sind die tatbestandlichen Begriffe von § 242 BGB auf so hohem Abstraktionsniveau angesiedelt, dass ein eindeutig fassbarer Begriffskern nicht mehr vorhanden ist. Bei jeder Normanwendung ist daher eine Umsetzung der Begriffe auf den jeweiligen Einzelfall erforderlich. Sie erfordert stets eine wertende Entscheidung.8 Eine auf die Grundsätze des § 242 BGB gestützte Ergänzung der Rechtsordnung muss sich in diese einfügen und darf sie nicht nach Belieben korrigieren.9 Der Inhalt von § 242 BGB wird daher wesentlich anhand von zwei Grundgedanken bestimmt: Zum einen von der inhaltlichen Konkretisierung mit bestimmten Mitteln und zum anderen von dem eher formalen Prinzip, dass die gefundenen Ergebnisse der Abstraktion und Verallgemeinerung zugänglich sein müssen.

3  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 132, 230. 4  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S.  132 f. 5  § 4 B. IV. 2. 6  Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242 Rn. 1. 7  Grüneberg, in: Palandt, § 242 Rn. 6. 8  Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 16, 32. 9  Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 26.

178

§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

Die Mittel zur Konkretisierung des Inhalts von Treu und Glauben sind die gesetzlichen Grundwertungen – wobei die wichtigsten jene der Grundrechte sind10 –, die anerkannten rechtethischen Prinzipien, die Regeln der Verkehrs­ sitte, die sozialethischen Anschauungen und Bewertungen sowie schließlich die richterliche Eigenwertung.11 Die Konkretisierungsmittel selbst sind anhand der bekannten Auslegungsmethoden mit Blick auf die Generalklausel des § 242 BGB zu ermitteln.12 Inhaltlich ist die Rechtsfindung im Rahmen von § 242 BGB zwar dadurch determiniert, dass es sich um eine am Einzelfall und seinen speziellen Inte­ ressen orientierte Entscheidung handelt. Die Rechtsentwicklung muss aber dennoch der Verallgemeinerung und Abstraktion fähig, und somit auf eine unbestimmte Mehrzahl gleich liegender Fälle übertragbar, sein.13 Die gebotene Fähigkeit zur Verallgemeinerung eines unter Zuhilfenahme von § 242 BGB gebildeten Rechtssatzes kann auf verschiedenen Ebenen erreicht werden, etwa durch allgemeine Grundgedanken und -regeln für ein Rechtsgebiet oder für rechtsgebietsübergreifende allgemeine Überlegungen.14 Die letzteren sind wiederum notwendig abstrakter und können zu ihrer konkreten Anwendung der rechtsgebietsspezifischen Modifikation bedürfen.

II. Skizzierung des Inhalts eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers Eine effektive Umsetzung der Schutzpflichten läge darin, dem abberufenen Geschäftsführer einen Anspruch auf Wiederbestellung in die Organposition zuzuerkennen. Die Gesellschafter wären verpflichtet, den entsprechenden Beschluss zu fassen, um die weitere Beschäftigung des Geschäftsführers in der Organposition möglich zu machen und somit die ihm zugefügte Unrechtssituation zu beenden. Ob und wie ein solcher Anspruch aus dem Gehalt von Treu und Glauben abgeleitet werden kann, wird sogleich noch eingehender zu erörtern sein.

nur Grüneberg, in: Palandt, § 242 Rn. 8 ff. ZAS 1970, 145 (147 f.); Teubner, Standards und Direktiven in Generalklauseln (1971), S. 45 ff., 90 ff.; insbes. Bydlinski, Symposium Wieacker (1990), 189 (199 ff.); Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S. 178 ff. 12  Siehe nur Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S. 184. 13  Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 26. 14  Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 28. 10  Siehe

11  Canaris,



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs179

III. Schuldrechtliche Anknüpfung des Anspruchs 1. Vorrang der Anknüpfung an eine Sonderverbindung Vor einer notwendigen Konkretisierung des Inhalts eines etwaigen Anspruchs auf Beschäftigung zugunsten des Geschäftsführers ist zunächst zu untersuchen, ob überhaupt eine rechtsgeschäftliche Grundlage als Anknüpfungspunkt für die Wirkung des Gebots von Treu und Glauben zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern vorhanden ist. Denn Treu und Glauben sind anerkanntermaßen nicht gegenüber jedermann zu beachten (wie etwa die guten Sitten aus § 826 BGB). Daher ist für die Ableitung von Rechten und Pflichten aus § 242 BGB an sich anerkannt, dass eine rechtliche Sonderverbindung zwischen den beteiligten Parteien erforderlich ist. Um die Frage, welchen Zuschnitt diese Sonderverbindung haben muss, hat es viele Kontroversen gegeben.15 Weitgehend anerkannt ist aber auch, dass es Ausnahmen vom Erfordernis der Sonderverbindung geben muss oder jedenfalls der Begriff sehr weit zu fassen ist. Anderenfalls hätte etwa die Figur der culpa in contrahendo nicht entwickelt werden können, bei der ein für die Treuepflicht relevantes Rechtsverhältnis aus § 242 BGB gerade erst hergeleitet wird. Ebenso wären anderenfalls Pflichten aufgrund von Treu und Glauben auf der Grundlage eines nichtigen Vertrages nicht denkbar. Nach der zwischenzeitlich erfolgten Regelung der Sonderverbindung zwischen Parteien aufgrund einer Vertragsanbahnung in § 311 Abs. 2 und 3 BGB ist eine Ansicht im Vordingen, die pragmatisch annimmt, je enger der Kontakt zwischen den Beteiligten sei, desto höher könnten die Anforderungen aus § 242 BGB an ihr Verhalten sein.16 Eine spezifisch typisierte Sonderverbindung wäre dementsprechend nicht erforderlich. Allerdings ist die Anknüpfung an ein Rechtsverhältnis, so ein solches besteht, weiterhin vorzugswürdig. Anhand eines bestehenden Schuldverhältnisses können nämlich (stärkere) Rechte und Pflichten weit besser konkretisiert und damit dem Ausufern einer „Billigkeitsjudikatur“, anknüpfend allein an § 242 BGB, entgegengewirkt werden. Diese Überlegung steht in engem Zusammenhang mit der Auffassung, dass § 242 BGB regelmäßig keine eigenständige Anspruchsgrundlage ist,17 sondern nur in Verbindung mit anderen Normen Rechte und Pflichten auslösen können soll, auch wenn einzelne Ausnahmen anerkannt

15  Siehe etwa die Darstellung bei Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S.  53 ff. 16  Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S. 56. 17  BGH 23.4.1981, NJW 1981, 1779 (1779); 21.10.1983, BGHZ 88, 344 (351); Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242 Rn. 29.

180

§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

sind.18 Daher ist es eine Betrachtung wert, ob eine schuldrechtliche Anknüpfung eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers möglich ist. Denn die organschaftliche Rechtsbeziehung, die sich in der Abberufungssituation ohnehin nur noch in nach-organschaftlichen (Treue-)Pflichten des Geschäftsführers erschöpft, kann jedenfalls nicht als Sonderverbindung im Sinne von § 242 BGB zugrunde gelegt werden. Materiell wurde sie durch den Akt der Abberufung beendet. Auf dieses Rechtsverhältnis eine Beschäftigungspflicht aus § 242 BGB gründen zu wollen, wäre zutiefst widersprüchlich. 2. Geschäftsführer-Anstellungsvertrag als Rechtsgrundlage Jede inhaltliche Verknüpfung der beiden Rechtsverhältnisse Organverhältnis und Anstellungsverhältnis miteinander wird von der herrschenden Meinung unter dem Dogma des Trennungsprinzips als überaus problematisch gesehen. Die Vorstellung vom Anstellungsverhältnis als rechtliche Verbindung, auf die für das Organverhältnis relevante Wirkungen gestützt werden, wird fast einhellig grundsätzlich abgelehnt.19 Dabei ist die strikte Trennung beider Rechtsverhältnisse schlicht nicht durchzuhalten, wie auch Formulierungen des BGH zeigen, dass „zwischen ihnen gewisse Zusammenhänge [bestehen], die zu tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen aufeinander führen können“.20 Die Anwendung bestimmter Rechtsfiguren, wie etwa die Heranziehung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses bei einem nicht wirksam abgeschlossenen Anstellungsvertrag,21 zeigt die Widersprüchlichkeit der herrschenden Meinung. Würde man tatsächlich jedes der beiden Rechtsverhältnisse für sich betrachten, dürfte es keinen Unterschied machen, ob ein Anstellungsvertrag wirksam abgeschlossen worden ist oder nicht. Durch die Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses wird implizit anerkannt, dass die Organstellung jedenfalls für ihre tatsäch­ liche Dauer einer schuldrechtlichen Grundlage bedarf. Zwar ist somit anerkannt, dass Anstellungs- und Bestellungsverhältnis nicht komplett beziehungslos nebeneinander stehen, aber die Bedeutung des Anstellungsverhältnisses wird vielfach noch zu restriktiv eingestuft. Der Anstellungsvertrag ist schließlich nicht ein Dienstvertrag mit beliebigem Inhalt. Seine Essenz ist die Ermöglichung und Umrahmung des Organverhältnisses. Sein gesamter Inhalt ist darauf ausgerichtet, die Tätigkeit in der Organposition mit allen von den Parteien für notwendig erachteten Aspekten anzurei18  Siehe zu Beispielen aus der Rechtsprechung: Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, § 242 Rn. 29. 19  Siehe oben § 2 B. II. 20  BGH 24.11.1980, BGHZ 79, 38 (41). 21  BGH 3.7.2000, NJW 2000, 2983.



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs181

chern.22 Die Parteien gehen davon aus, Fragen wie Vergütung und Altersvorsorge für die Geschäftsführertätigkeit oder etwaige Nebenpflichten der Geschäftsführertätigkeit zu regeln, nicht hingegen für eine niemals erwähnte, andere Position im Unternehmen. Der Anstellungsvertrag ist für die Begründung des Organverhältnisses aus Sicht beider Parteien essentiell.23 Findet die Bestellung in die Organstellung nicht statt, ist der Hauptzweck des Anstellungsvertrages verfehlt. Nicht überzeugend ist es, eine Tätigkeitspflicht unterhalb der Organstellung aus dem Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis herleiten zu wollen.24 Selbst wenn es im Einzelfall nicht ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen worden ist, so ist doch aus dem Anstellungsvertag in seiner Gesamtkonstruktion zweifellos ersichtlich, dass nur die Geschäftsführer-Tätigkeit sein Gegenstand sein kann.25 Anderslautende Auslegungsversuche gehen ersichtlich gegen den klar erkennbaren Willen der Parteien. Auch der viel beschworene soziale Schutz des Geschäftsführers durch den Anstellungsvertrag, der die jederzeitige Abberufbarkeit wenigstens materiell kompensieren soll, liefe leer. Denn bei einer Obliegenheit oder Pflicht des ­Geschäftsführers zur Alternativtätigkeit wird dieses „Risiko“ gerade in die Sphäre des Geschäftsführers zurückverschoben, der sich unterlassene Erwerbsmöglichkeiten dann anrechnen zu lassen hätte.26 Allein durch Reuter ist in jüngerer Zeit ein ausdrücklicher Vorstoß zu einer stärkeren Verknüpfung von Anstellungs- und Organverhältnis gewagt worden, indem er das Anstellungsverhältnis als Kausalgeschäft für die Organbestellung beschreibt.27 Denn der Anstellungsvertrag bringe mit der beruflichen Existenzgrundlage des Geschäftsführers auch einen rechtlich erheblichen 22  Auch der BGH räumt ein, dass der Anstellungsvertrag „Entscheidungen der Gesellschafter über [die] Organstellung in erheblicher Weise zu beeinflussen geeignet ist“: BGH 25.3.1991, NJW 1991, 1680 (1681). 23  Siehe insoweit auch BGH 21.1.1991, BGHZ 113, 237 (242). 24  So aber noch BGH 14.7.1966, WM 1966, 968 (969  f.) für einen Vorstand; 9.2.1978, NJW 1978, 1435 (1436); ebenfalls dagegen Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 345 f.; Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (490, 497); Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497 (498); nunmehr in begrüßenswerter Klarheit auch BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112: „Der Anstellungsvertrag hat aber regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Organebene ist typischerweise nicht vereinbart. Sie stellt ein aliud zu der Geschäftsführertätigkeit dar und kann deshalb aus dem Anstellungsvertrag nicht hergeleitet werden.“ 25  Anders zu beurteilen können selbstverständlich die in Rechtsprechung und Wissenschaft reichlich diskutierten Fälle von „ruhenden Arbeitsverhältnissen“ und ausdrücklich getroffenen Alternativ-Regelungen sein. 26  So aber A. Bork, Die Beschäftigung des GmbH-Fremdgeschäftsführers nach Beendigung der Organstellung (2013), S. 137 ff. für den Fremd-Geschäftsführer. 27  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (488); Reuter, in: MüKo BGB, Bd. 1 (6. Auflage 2012), § 27 Rn. 4 ff.

182

§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

Zweck der Ausübung des Geschäftsführeramts zum Ausdruck. Liege ein solcher rechtlich erheblicher Zweck vor, bedürfe es für die Ausübung des Geschäftsführeramtes eines Rechtsgrundes für die Übernahme der Organstellung.28 Dieser Rechtsgrund liege in Gestalt des Anstellungsvertrages vor, der die Übernahme der Organstellung in rechtlich abgesicherter Weise zur Existenzgrundlage mache. Dieses Verständnis des Anstellungsvertrags als ­ Verpflichtungsgeschäft, welches durch die (entgeltliche) Wahrnehmung der Organstellung erfüllt werde, decke sich mit der Auffassung des BGH zur Zuständigkeit für den Abschluss des Anstellungsvertrags, die von der Akzesso­ rietät der Anstellungs- zur Bestellungskompetenz ausgeht.29 Zugleich kann sich laut BGH „eine Zuständigkeit, die auf die Regelung des Anstellungsverhältnisses beschränkt ist, nicht auf Maßnahmen erstrecken, die notwendigerweise auch die Organstellung berühren und damit in einen der Entscheidungsgewalt des Bestellungsorgans unterliegenden Bereich übergrei­ fen“30. Die Organstellung in ihrer inhaltlichen Ausformung ist dem Anstellungsverhältnis vorgegeben. Ähnlich wie im Sachenrecht könne sich somit, so Reuter, die Verpflichtung, vergleichbar der Verschaffung eines dinglichen Rechts, nur auf die Wahrnehmung einer Organstellung beziehen, die in gesetz- und satzungsgemäßer Weise begründet worden ist. Die Bestellung in die Organstellung sei entsprechend nicht als echte Pflicht aus dem Anstellungsvertrag einzuordnen, sondern als eine Obliegenheit, deren Nicht-Erfüllung die Aufrechterhaltung der Entgeltpflicht zur Folge hat, ohne dass der Geschäftsführer im Gegenzug seine Schuld (Wahrnehmung der Organstellung) zu erfüllen hätte.31 Ein solches Verständnis des Anstellungsvertrags als causa32 des Organverhältnisses wird entsprechend auch nicht den Grundsatz der freien Abberufung untergraben. Denn dieser ist der Organstellung nach ihrer gesetzlichen Ausformung immanent und somit von vornherein Inhalt der zu erfüllenden Verpflichtung aus dem Anstellungsvertrag. Die Einordnung der Bestellung zum Geschäftsführer als Obliegenheit erscheint daher konsequent. Ob mit der Einordnung in diese herkömmliche Systematik des Schuldrechts die Rechtsnatur der Regelungen des Anstellungsverhältnisses zur Organberufung abschließend beschrieben werden kann, kann an dieser Stelle nicht vertiefend untersucht werden.33 Auch ist die Anlehnung an das Sachenrecht 28  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (488); Reuter, in: MüKo BGB, Bd. 1 (6. Auflage 2012), § 27 Rn. 4; a. A. etwa Baums, Der Geschäftsleitervertrag (1987), S. 52 ff. 29  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (496). 30  BGH 24.11.1980, BGHZ 79, 38 (42). 31  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (493 f.). 32  Näher zum Begriff der causa: Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996). S. 9 f. 33  Möglicherweise sind die herkömmlichen Kategorien des BGB auf einen schuldrechtlichen Vertrag, der ein gesellschaftsrechtliches Rechtsverhältnis zum Ge-



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs183

äußerst fragwürdig, denn sachenrechtliche Verfügungsgeschäfte enthalten ihren Zweck nicht in sich (was beim gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis durchaus der Fall sein dürfte) und begründen auch nicht ihrerseits wiederum ein dauerhaftes Rechtsverhältnis.34 Das ist aber kein Hindernis, den Anstellungsvertrag in seinem zweckgebenden Charakter als die schuldrechtliche Grundlage der Bestellung in die Organposition anzusehen, wie insbesondere aufgrund allgemeiner rechtsgeschäftlicher Erwägungen noch zu zeigen ist. Denn zugleich greift die Konzentration auf den Anstellungsvertrag als vor allem für die Bestimmung des Zwecks der Bestellung relevantes Rechtsverhältnis noch deutlich zu kurz. Vielmehr ist bei vernünftiger Anschauung des Willens der Parteien der Anstellungsvertrag die allgemeine Grundlage für die Eingehung des Organverhältnisses. Mit dem Anstellungsvertrag werden nicht nur die materiellen Konditionen der Organbestellung (und damit deren – zumindest materieller – „Zweck“) vereinbart, sondern es wird überhaupt erst die dem gesamten Organverhältnis zugrunde liegende Absicht erklärt, die Bestellung vornehmen und sie im Gegenzug annehmen zu wollen. Die Ansicht besonders strenger Verfechter der Trennungstheorie, dass Anstellungsund Organverhältnis beziehungslos und daher unabhängig nebeneinander stünden, erscheint lebensfremd. Denn weder werden die Gesellschafter ohne Absprache mit dem zukünftigen Geschäftsführer die Bestellung erklären, noch würde der künftige Geschäftsführer eine solchermaßen erklärte Bestellung ohne vorherige Rücksprache einfach „ins Blaue hinein“ annehmen.35 Die Parteien werden sich vorher – und sei es auch in noch so knapper Form – verständigen, ob und wann sie das Organverhältnis begründen wollen. Darin liegt eine entsprechende schuldrechtliche Absprache über die Eingehung des Organverhältnisses. Auch sofern ein ausführlicher schriftlicher Anstellungsvertrag erst nach der Bestellung in die Organposition ausgehandelt und abgeschlossen wird, wird dennoch der Vertragsschluss über die Begründung der Organstellung zwischen den Parteien vor oder spätestens genstand hat, nicht übertragbar. Auch fehlt hier der Raum, sich mit allen Einzelheiten des Ansatzes Reuters auseinanderzusetzen. So leitet Reuter aus dem Anstellungsvertrag in umgekehrter Richtung eine echte Pflicht des Geschäftsführers her, die Geschäftsführerposition wahrzunehmen und sein Amt nicht niederzulegen (FS Zöllner I (1998), 487 (499)), was fragwürdig sein dürfte. Auch sieht er eine Akzessorietät zwischen Anstellungsvertrag und Organverhältnis als gegeben (FS Zöllner I (1998), 487 (498 f.)), für die keine gesetzliche oder dogmatische Grundlage ersichtlich ist. 34  Siehe zur Typologie und Terminologie: Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996), S. 18–23. 35  „Ein Geschäftsführer [wird] im allgemeinen nicht ohne Vertragsgrundlage weiterarbeiten“, so dass diese den Boden der Organstellung bildet: BGH 24.11.1980, BGHZ 79, 38 (1 f.).

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

mit dem Akt der Bestellung mündlich oder konkludent erfolgen.36 Er wird durch die Regelungen des schriftlichen Anstellungsvertrags, die auch im Nachgang zur Bestellung noch im Einzelnen ausgehandelt werden können, entsprechend ergänzt. 3. (Vermeintlich) fehlender Anstellungsvertrag Die schuldrechtlichen Pflichten der Parteien bedürfen stets eines Anstellungsvertrags. Sie können nicht direkt auf Satzungsrecht begründet werden, sondern bedürfen einer Transformation in das Zwei-Parteienverhältnis.37 Denn die Satzung ist eine mehrseitige Setzung von Regeln, die nur innerverbandlich direkte Wirksamkeit beanspruchen und damit Rechte und Pflichten nur unter den Mitgliedern begründen kann.38 Die Beziehungen zu Dritten können lediglich als formeller Satzungsbestandteil Eingang in die Satzung finden; ihr Schicksal richtet sich aber dann nach den weiteren, für ihren ­Inhalt maßgeblichen Vorschriften.39 Entsprechend kann bei unwirksamem Anstellungsvertrag auch nicht mit einer Ergänzung des Organverhältnisses die geschuldete Vergütung ermittelt werden. Vielmehr greift die Rechtsprechung, wie erwähnt, auf die Grundsätze über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage entsprechend zurück („fehlerhaftes Anstellungs­ verhältnis“).40 Daher ist jedenfalls von einem konkludent abgeschlossenen Anstellungsvertrag auch dann auszugehen, wenn alle relevanten Konditionen bereits in der Satzung normiert sind und vermeintlich ein solcher nicht erforderlich ist. Den Willenserklärungen der Parteien kann entnommen werden, dass sie die Konditionen, wie sie in der Satzung innerverbandlich festgelegt sind, zwischen sich gelten lassen wollen. Diese Überlegungen gelten auch für Gesellschafter-Geschäftsführer, denen ein satzungsmäßiges Sonderrecht auf die Geschäftsführung eingeräumt ist. Denn die Satzungsregelung vermag ihnen nur in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter das Recht auf die Geschäftsführerstellung zu verschaffen. Es be­ 36  Für die Bestellung zum Geschäftsführer einer Genossenschaft durch deren Vorstandsversammlung: OLG Brandenburg 12.12.1994, OLGR 1995, 223; BAG 16.9. 1998, BAGE 89, 376 (380 f.) etwa nimmt schlüssig eine konkludente Abänderung des Arbeitsvertrages einer zur Schulleiterin bestellten ehemaligen Lehrerin mit dem verwaltungsrechtlichen Bestellungsakt (zur Schulleiterin) an, so dass eine arbeitsvertragliche Pflicht bestehe, sie auch weiterhin als Schulleiterin zu beschäftigen. 37  Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (491 f.); siehe bereits oben § 2 B. I. 2. b). 38  Sie binden insoweit das Anstellungsorgan beim Abschluss des Vertrages, s. dazu Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (492 f.). 39  P. Ulmer, FS Werner (1984), 911 (916). 40  BGH 21.1.1991, NJW 1991, 1727 (1729 f.); Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (493).



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs185

inhaltet hingegen keinen Rechtsgrund für die Organbestellung für den betreffenden Gesellschafter in seiner Eigenschaft als natürliche Person, als die er zum Organwalter wird.41 Die schuldrechtliche Basis der Organbestellung sind ad personam zu gewährende Rechte und Pflichten. Für sie ist die Satzung als Organisationsvertrag nicht der richtige Regelungsort.42 4. Zwischenergebnis Nach verständiger Würdigung bildet stets ein Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis die schuldrechtliche Grundlage für den gesellschaftsrecht­ lichen Bestellungsakt. Das Anstellungsverhältnis kann daher im Rahmen der Anwendung von § 242 BGB als Sonderverbindung schlüssig herangezogen werden, um einen Schutzmechanismus mit Wirkung für das Organverhältnis auf der Grundlage von Treu und Glauben herzuleiten.

IV. Entbehrlichkeit ergänzender Erwägungen 1. Die positive Förderungspflicht im Rahmen des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs Die Begründung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs hat die Rechtsprechung, der sich die Literatur weitgehend angeschlossen hat, nicht allein auf die Grundrechte des Arbeitnehmers gestützt, die über Treu und Glauben im Vertragsverhältnis Beachtung finden müssen. Vielmehr wurde stets als zwischengeschaltete Figur eine besondere Verbindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer angenommen, welche die Anwendung von ­ Grundrechten zwischen ihnen erst legitimieren sollte.43 Das lässt sich vor allem auf die Annahme zurückführen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht an sich zwischen Privaten keine positiven, die Grundrechtsverwirk­ lichung fördernden, Handlungs- und Unterstützungspflichten hervorbringen könne.44 Kraft einer besonderen Verbundenheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen unter dem Oberbegriff „Fürsorgepflichten“ verschiedene Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers.45 Sie sollen auch die Pflicht der Beschäftigung gegenüber dem Arbeitnehmer Zöllner, in: Baumbach/Hueck (17. Aufl. 2000), § 35 Rn. 8 f. Ulmer, FS Werner (1984), 911 (922 ff.). 43  Siehe oben § 2 A. III. 2. 44  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, § 611 Rn. 1697. 45  Die Förderungspflicht ist nicht auf die Beschäftigung des Arbeitnehmers begrenzt, sondern umfasst ein Bündel an konkretisierten Pflichten des Arbeitgebers ge41  A. A. 42  P.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

als positive Förderungspflicht zur Grundrechtsverwirklichung umfassen. Darin wird zugleich eine Abgrenzung zum freien Dienstvertrag gesehen, der eine solche Förderungspflicht nicht umfasse, da eben gerade der „Lebenstatbestand der abhängigen Arbeit mit der persönlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers und die dadurch bedingte Fremdbestimmtheit des Arbeitnehmers hinsichtlich der von ihm zu leistenden Dienste“46 zu einer Erweiterung der allgemeinen Fürsorgepflicht hin zu einer Förderungspflicht führe. 2. Entbehrlichkeit der Figur der Förderungspflicht Unbestreitbar handelt es sich bei der tatsächlichen Beschäftigung um eine Rechtsfolge, die allein durch ein Unterlassen des Gegenübers nicht einzu­ lösen wäre. Denn die Beschäftigungsproblematik ist stets aus der Situation heraus zu denken, dass die Beschäftigung einseitig durch den Dienstherrn unterbrochen worden und der Betroffene mit der Unterbrechung nicht einverstanden ist. Sein Interesse wird also auf Handlungen seines Gegenübers zielen, welche die Voraussetzungen für sein künftiges, erneutes tatsächliches Tätigwerden schaffen (wie etwa die Aushändigung eines Schlüssels zum Arbeitsplatz, die Zuweisung eines örtlichen Arbeitsplatzes oder im Falle des Geschäftsführers die Bestellung in die Organposition).47 Lebensfremd wäre es hingegen, das Begehren des Betroffenen in ein solches des „Unterlassens von weiterer Nicht-Beschäftigung“ umdeuten zu wollen, um einer Pflicht zum positiven Handeln zu entgehen. Der Arbeitgeber oder Dienstherr muss zwar den Ausspruch der Freistellung inhaltlich für die Zukunft zurücknehmen und insoweit von einer Fortführung der Nicht-Beschäftigung absehen. In der Realität zieht das allein aber nicht ohne weiteres Dazutun die vollumfängliche tatsächliche Beschäftigung auf dem Arbeitsplatz nach sich. Weitere aktive Handlungen sind stets erforderlich, auch wenn sie im Einzelfall nur die Gewährung des Zutritts auf das Unternehmensgelände oder in das vir­ tuelle Firmennetzwerk umfassen. Das Konstrukt der positiven Förderungspflicht führt indes in die Irre, wenn es gleichsam als Katalysator für Grundrechtswirkungen, insbesondere Pflichten zum positiven Handeln, zwischen Privaten gebraucht wird, und diese zu-

genüber dem Arbeitnehmer, wie z. B. den Schutz von Leben und Gesundheit und vermögensrechtlicher Belange. 46  BAG GS 27.2.1985, BAGE 48, 122 (136 f.). 47  Bader, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz als Privatrecht (2012), S. 118, 121 f. ordnet den Beschäftigungsanspruch daher überzeugend als „Rechtskreis­ erweiterung“ ein, welche rechtsgeschäftlich erklärbar ist.



A. Vertragsrechtliche Konstruktion des Beschäftigungsanspruchs187

gleich auf das Arbeitsverhältnis zu begrenzen sucht.48 Denn im Grundsatz muss die Möglichkeit der Persönlichkeitsentfaltung im beruflichen Bereich für jeden in Arbeit stehenden Menschen gelten.49 Der hinter dem Konstrukt der Förderungspflicht stehende Gedanke der besonderen Einwirkungsmöglichkeit eines Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer, weil dieser seine ganze Persönlichkeit in das Arbeitsverhältnis einbringe, ist ebenso auf einen „Dienstnehmer“ wie den Geschäftsführer anwendbar.50 Es kommt dementsprechend nicht spezifisch auf die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers in einem Arbeitsverhältnis an, sondern auf die tatsächlichen und rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten Dritter auf die Persönlichkeitsentfaltung und Berufsausübungsfreiheit.51 Persönliche Abhängigkeit als Konzept ist – entgegen der Ansicht des BAG – keine zwingende Voraussetzung der „Einbringung von Persönlichkeit“ in ein Vertragsverhältnis. Sie ist, wie oben gezeigt, ebenso in Dienstverhältnissen denkbar. Eine positive Pflicht zum Handeln (Förderungsund Unterstützungspflicht) kann daher in jedem Vertragsverhältnis ihre Grundlage finden. Sie ist nicht Ausdruck einer spezifisch arbeitsrechtlichen Förderungspflicht, sondern Realisation des oben beschriebenen Voraussetzungsschutzes, dessen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Berufsausübungsfreiheit bedürfen. Voraussetzungen und Umfang einer positiven Förderungs- und Unterstützungspflicht zur Grundrechtsverwirklichung sind daher Gegenstand der allgemeinen Schutzpflichtdogmatik.52 Das zeigen auch Beispiele aus der Rechtsprechung in anderen Bereichen des Privatrechts, wie etwa, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in Rechtsverhältnissen Geltung beansprucht, die nicht – wie das Arbeitsverhältnis – durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt sind. So ist etwa bei identitätsverfälschenden Darstellungen in der Öffentlichkeit anerkannt, dass der Betroffene nicht nur einen Unterlassungs-, sondern auch einen Gegendarstellungsanspruch und darüber hinausgehend einen Beseitigungs- und Be-

48  Müller-Franken, FS Bethge (2009), 223 (231) hält etwa auch den verwandten Begriff der „sozialen Gewalt“ wegen seiner Gestaltlosigkeit für ungeeignet zur eigentlichen Begründung von Grundrechtswirkungen im Privatrecht. Er könne allenfalls als „antreibender Hintergrundbegriff“ verstanden werden, dem eine Ordnung des Privatrechts – mit unterschiedlichen Mitteln, nicht zwangsläufig einer Inpflichtnahme Privater – einen freiheitsverträglichen Rahmen zu setzen habe. 49  Ähnlich bereits Sobieraj, Schutz der beruflichen Betätigung (1960), S. 34. 50  In Ansätzen auch Pallasch, Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (1993), S.  70 f. 51  Richardi/Fischinger, in: Staudinger, § 611 Rn. 1690 ordnen denn auch rechtsdogmatisch die Fürsorgepflicht schlicht als eine spezielle Ausprägung der mit jedem Vertragsverhältnis einhergehenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils ein. 52  Siehe oben § 3 E. II.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

richtigungsanspruch haben kann.53 Erst durch die positive Handlung der Gegendarstellung seitens des Verletzers kann der dort vor allem betroffenen Integrität der Persönlichkeit überhaupt ansatzweise wieder zur ­Verwirklichung beziehungsweise zum Schutz verholfen werden.

V. Vorteile einer schuldrechtlichen Lösung Wie oben dargelegt, weisen die einzelnen Organrechte – auch diejenigen eines Geschäftsführers – keinen personalen Bezug auf. Daher lassen sie sich nicht als subjektives Recht im engeren Sinne qualifizieren.54 Die Organstellung in ihrer Gesamtheit weist demgegenüber allerdings einen sehr bedeutenden personalen Bezug auf, weshalb es schlüssig ist, hier ein subjektives Recht in Form eines Anspruchs auf Beschäftigung zugunsten des Geschäftsführers zu begründen. Eine solche schuldrechtliche Lösung des Grundrechtskonflikts hat gegenüber einer Anknüpfung allein an den Abberufungsbeschluss (etwa mit § 138 BGB, sofern man diesen für anwendbar hielte) einige Vorteile. Zum einen findet die Sicherheit des Rechtsverkehrs – und damit ein gewichtiges Allgemeininteresse – besser Berücksichtigung. Denn über die Wirksamkeit der ausgesprochenen Abberufung besteht zunächst Klarheit. Anders wäre dies, wenn die Abberufung selbst zunächst gerichtlich überprüft werden müsste. Eine solche Unklarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des organschaftlichen Rechtsverhältnisses ist nicht wünschenswert und würde auch das zuständige Registergericht vor problematische Abwicklungsfragen stellen. Demgegenüber hat eine schuldrechtliche Lösung den Vorteil, dass das Registergericht die Abberufung in das Handelsregister regulär eintragen kann. Erst im Falle der tatsächlich durchgeführten Wiederberufung ist eine erneute Eintragung der Vertretungsverhältnisse erforderlich. In der Zwischenzeit spiegelt das Handelsregister eindeutig und unmissverständlich die gegebenen Verhältnisse in der betreffenden Gesellschaft wieder, ohne dass es eine „Schwebezeit“ gibt, während der die materielle Rechtslage gegebenenfalls von der formellen abweichen könnte. Auch wird mit einer schuldrechtlichen Lösung das grundsätzlich berechtigte Interesse der Gesellschafter zur freien Disposition über die Geschäftsführerposition rechtstechnisch anerkannt. Der gesellschaftsrechtliche Akt der Abberufung ist wirksam und bleibt dies auch. Nur wenn klar ist, dass er ge53  Siehe dazu etwa Seitz, in: Götting/Schertz/Seitz (Hrsg.), Handbuch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, § 48 Rn. 7 ff.; sowie Kamps, in: dies., Handbuch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, § 49. 54  Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S. 378 f.



B. Anspruchsgegner189

gen elementare Positionen des Abberufenen verstoßen hat, kann jener seinen Anspruch auf Berufung in die Organposition erfolgreich geltend machen. Damit fügt sich eine schuldrechtliche Lösung weit besser in die dargestellte Systematik des GmbH-Rechts ein, als eine Unwirksamkeitsfolge bei der Abberufung. Die sprachlich eindeutigen Regelungen von § 38 GmbHG bleiben unangetastet. Teilweise wird besonders betont, dass die vorbeugende Zielsetzung von Schutzpflichten einen Vorrang präventiver Maßnahmen gebiete.55 Dem ist im Grundsatz zuzustimmen. Eine schuldrechtliche Lösung ist in diesem Sinne nur eine „nachträgliche“ Maßnahme. Sie ist aber nicht als von vornherein subsidiär zu qualifizieren, wenn man die Besonderheiten der Schutzpflichten im Privatrecht mit einstellt. Die grundsätzlich geltende Privatautonomie gebietet gerade, in die Rechte der Privaten nicht ohne Not präventiv einzugreifen. Das bringt es als Kehrseite mit sich, dass die Prävention grundrechtlich relevanter Übergriffe durch Private selten möglich oder gar geboten ist. Auch im Privatrecht haben präventive Maßnahmen zwar im Grundsatz Vorrang, sind aber häufig von vornherein nicht statthaft. Hinzu kommt, dass die schutzverpflichteten Gewalten grundsätzlich davon ausgehen können, dass gerade im Privatrechtsverkehr (unter vernünftigen Privatrechtssubjekten) auch nachträgliche „Korrektur-Instrumente“ eine präventive Wirkung haben. Die Erwartung geht dahin, dass diejenige Partei, der klar ist, dass ihr Handeln einen bestimmten Gegenanspruch der anderen Partei auslösen wird, diese Handlung häufig von vornherein unterlassen wird.

B. Anspruchsgegner Für die Umsetzung des Beschäftigungsanspruchs ist es letztlich erforderlich, dass die Gesellschafter einen entsprechenden Bestellungsbeschluss fassen, um dem Geschäftsführer die Wiederaufnahme seiner Geschäftsführer­ tätigkeit in der Organstellung zu ermöglichen. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag als Grundlage des Beschäftigungsanspruchs wird zwischen dem (künftigen) Geschäftsführer auf der einen und den Gesellschaftern, die mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft handeln, abgeschlossen.56 Er kommt also zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft zustande und verpflichtet somit grundsätzlich nur diese gegenüber dem Geschäftsführer. Eine bestimmte Treuepflicht der Gesellschafter als solche kann aus dem Vertrag 55  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S.  263 f. m. w. N.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzpflichten (2003), S. 276. 56  Diekmann, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 43 Rn. 12.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

entsprechend nicht ohne Weiteres hergeleitet werden, da diese gar nicht Vertragspartner sind.57 Hier kommt es entscheidend auf das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Bestellungsorgan, der Gesellschafterversammlung, an. Die Gesellschafterversammlung begründet durch ihre Beschlüsse für die Gesellschaft sowohl das Organverhältnis als auch das Anstellungsverhältnis. Rechte und Pflichten aus beiden Rechtsverhältnissen spielen sich zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ab. Das ist Resultat des Zurechnungsverhältnisses zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft als juristischer Person. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung ist, wie oben bereits erwähnt, ein mehrseitiges, nicht vertragliches Rechtsgeschäft eigener Art. Er ist jedenfalls nicht mit der Gesamtheit der ihn tragenden Stimmen identisch, sondern beruht nur auf ihnen. Im Wege einer doppelten Zurechnung gilt zunächst das Verhalten der Organmitglieder als ein solches der abstrakten Verbandsinstitution Organ und in einem zweiten Schritt erfolgt die Zuordnung zur Gesellschaft selbst.58 Die Gesellschaft als solche ist zwar von dem Grundrechtskonflikt, der über den Beschäftigungsanspruch gelöst werden soll, nicht selbst betroffen. Es sind vornehmlich die Freiheitsrechte der Gesellschafter, die berührt sind.59 Im Einzelfall können allerdings auch Dritte in die Umsetzung von Schutzpflichten miteinbezogen werden, wenn dies notwendig ist und der Dritte nicht übermäßig belastet wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dieser Konstellation die Gesellschaft als selbständige juristische Person und ihre Gesellschafter bzw. deren in Beschlüsse gefasste Interessen kaum mehr voneinander trennbar sind. Die Beschlüsse zur Bestellung und zum Abschluss eines Anstellungsvertrages sind zwar Willens- und Meinungsäußerung der GmbH, wegen ihres Beruhens auf der Ausübung des mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechts aber zugleich eine Willens- und Meinungsäußerung der Gesellschafter selbst als solcher. Man kann dies als einen Effekt der personalistischen Elemente der GmbH60 betrachten. Die Gesellschafter handeln als Kollektiv zwar organschaftlich (als Gesellschafterversammlung); dieses Handeln beruht aber wiederum auf der jeweils individuell durchaus nach den 57  Begründet aber wird die Ablehnung eines Anspruchs auf Bestellung gegen die Gesellschafter aus dem Anstellungsvertrag durch die h. M. indessen regelmäßig nur mit der Organisationsfreiheit des Bestellungsorgans, die zur Trennungstheorie führt, siehe nur: Stephan/Tieves, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 85. 58  Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, §  47 Rn.  3 f.; s. a. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), S.  367 ff. 59  Siehe oben § 3 D. 60  Wilhelmi, in: BeckOK GmbHG, § 13 Rn. 168.



B. Anspruchsgegner191

eigenen Interessen – und damit nicht zwingend fremdnützig61 – ausgeübten Bestimmungsmacht über den Geschäftsführer (als Mit-Verwaltungsrecht jedes Geschäftsanteils). Gerade bei Entscheidungen der Gesellschafter einer GmbH, die eben im Gegensatz zur Aktiengesellschaft personalistische Züge trägt, lassen sich Organrecht und subjektives Recht nicht vollkommen trennscharf voneinander abgrenzen.62 Weil die Summe der Einzelinteressen den nach außen wirksamen Organwillen der Gesellschaft formt, wirkt eine da­ gegen – und damit gegen die Gesellschaft – gerichtete Rechtsposition wie­ derum auf jeden einzelnen Gesellschafter zurück. Entsprechend ist die Gesellschaft in dieser Konstellation kaum wirklich Dritter, sondern ein Vehikel der Gesellschafter. Im Kern beeinträchtigt ein Beschäftigungsanspruch auf der Grundlage des Anstellungsvertrages daher nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter in ihrer mitgliedschaftlichen Freiheit zu Organisation und inhaltlicher Ausrichtung der Geschäftsführung.63 Eine parallele Situation findet sich im Bereich der Geschäftsführer-Entlastung: Der Geschäftsführer soll gegen die Gesellschaft einen mit der Leistungsklage durchsetzbaren Anspruch haben, dass über seine Entlastung Beschluss gefasst werde, wenn kein zureichender Sachgrund für eine Verweigerung der Entlastung bestehe.64 Dort betrifft der Anspruch auf Entlastung das Organverhältnis, welches zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer besteht. Kompetent für den Ausspruch der Entlastung ist die Gesellschafterversammlung. Ein entsprechendes Urteil kann allerdings richtigerweise den Beschluss der Gesellschafter als Willens- und Meinungsäußerung der GmbH selbst ersetzen.65 61  Dazu

62  Siehe

377 f.

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007), 376 f. aber Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände (2007),

63  Die Fälle, in denen Bestellung und Abberufung durch den Aufsichtsrat in einer mitbestimmten GmbH erfolgen, können in dieser Arbeit nicht mit behandelt werden. Im Wege der Rechtsfortbildung zum Grundsatz der Akzessorietät von Bestellungsund Anstellungskompetenz wäre anzunehmen, dass die Kompetenz zur Anstellung ebenfalls beim Aufsichtsrat liegt (BGH 14.11.1983, BGHZ 89, 48); Baums, Der ­Geschäftsleitervertrag (1987), S. 117 ff.; Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (498)). Ob sich auch hier ein Beschäftigungsanspruch aus dem Anstellungsvertrag begründen ließe, bedürfte weiterer Untersuchung. 64  Buchner, GmbHR 1988, 9 (14); Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/ Löbbe, GmbHG Großkommentar, § 46 Rn. 80; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 45 f.; a. A. BGH 20.5.1985, BGHZ 94, 324; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 101 f. 65  Hüffer/Schürnbrand, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, § 46 Rn. 80; a. A. K. Schmidt, ZGR 1978, 425 (439 ff.), der meint, eine Leistungsklage auf Entlastung könne es nicht geben, weil es keine rechtsgeschäftliche Entlastungserklärung gebe; s. a. BGH 10.4.1989, NJW-RR 1989, 1056, das die Ersetzung der einzelnen Zustimmungserklärung eines Gesellschafters zum Gegenstand hat.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

Somit richtet sich der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers gegen die GmbH, vertreten durch die Gesellschafterversammlung.

C. Anspruchsinhalt Um die Schutzpflicht zugunsten der Grundrechtspositionen des Geschäftsführers zu erfüllen, ist § 242 BGB im Lichte dieser grundrechtlichen Wertungen auszulegen. Als wichtigster Anwendungsfall der gesetzlichen Grund­ wertungen besteht kein Zweifel über die Wichtigkeit der Grundrechte als Mittel der Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Mit der Anknüpfung an das Anstellungsverhältnis ist zugleich eine schuldrechtliche Verankerung vorhanden, welche das Auslegungsergebnis berechenbarer macht.

I. Anspruch auf (Wieder-)Bestellung in die Organposition Unter Zugrundelegung der oben behandelten grundrechtlichen Wertungen, die den Schutz des aus unzulässigen Motiven abberufenen Geschäftsführers gebieten, ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch des Geschäftsführers auf Beschäftigung. Man könnte versucht sein, davon zu sprechen, dass die ursprüngliche Obliegenheit aus dem Anstellungsverhältnis unter Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zur einer echten Pflicht „erstarkt“, sofern der Geschäftsführer-Aspirant aus Gründen, welche diesen in seinen Grundrechten verletzen, nicht in die Organposition berufen oder aus dieser abberufen worden ist. Indes ist aber zu differenzieren, denn aus einem „kausalen“ Rechtsgeschäft können regelmäßig mehrere Ansprüche hergeleitet werden.66 Die ursprüngliche Obliegenheit zur Bestellung steht für sich, während der Anspruch auf Beschäftigung aus dem GeschäftsführerAnstellungsvertrag (i. V. m. § 242 BGB) in den genannten Konstellationen ergänzend hinzu tritt. Reuters Ansatz konzentriert sich demgegenüber, wie auch die herrschende Meinung bisher, allein auf die Vergütungspflichten gegenüber dem Geschäftsführer. So erklärt sich, dass er die Vergütung des Tätigwerdens in der Organstellung als echte Pflicht der Gesellschaft einordnet, die Berufung in das Amt hingegen stets als Obliegenheit.67 Auch andere Stimmen, die einen Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers zumindest einmal erwogen 66  Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion (1996), S. 10. 67  Siehe Reuter, FS Zöllner I (1998), 487 (492).



C. Anspruchsinhalt193

haben,68 gehen davon aus, dass die Organstellung nicht erzwingbar sei. Selbst aus einer ausdrücklichen schuldrechtlichen Verpflichtung der Gesellschaft zur Wiederbestellung könnten bei Verletzung allenfalls Sekundäransprüche folgen, da sonst die körperschaftliche Kompetenzordnung durchbrochen würde.69 Der abberufene (Fremd-)Geschäftsführer könne die Wiedereinräumung der Organstellung und damit die Übernahme des Geschäftsführeramts nicht gerichtlich durchsetzen.70 Daher könne sich ein etwaiger Beschäftigungsanspruch nur auf eine Tätigkeit beziehen, die unterhalb der Organstellung zu leisten sei.71 Dabei werden aber, wie gesehen, die immateriellen Interessen des Geschäftsführers nicht mit einbezogen. Ein echter Beschäftigungsanspruch hingegen berücksichtigt diese und muss dementsprechend auch die körperschaftsrechtliche Ebene mit einbeziehen.72 Das Persönlichkeitsrecht kann nur durch tatsächliche Beschäftigung in der Organposition verwirklicht und damit geschützt werden.73 Ansprüche auf Schadensersatz wären insoweit nicht ausreichend.74 Die Verpflichtung eines Privaten zu positivem Tun, um eine staatliche Schutzpflicht zu verwirklichen, wird zum Teil kritisch gesehen.75 Vorliegend ist sie allerdings nur ein Ergebnis der Schutzpflichtenerfüllung im Wege eines schuldrechtlichen Anspruchs. Der ursprüngliche Übergriff war ein positives Tun – der Akt der grundrechtsbeeinträchtigenden Abberufung –, dessen Resultate nachträglich wieder beseitigt werden sollen. Die Verpflichtung der Gesellschafter zu einem positiven Tun, um die grundrechtlich geschützten Interessen des Geschäftsführers zu schützen, ist entsprechend nur ein Reflex der Anspruchskonstruktion. Diese entspricht auch dem allgemeinen Rechtsgedanken der Ingerenz nach pflichtwidrigem Vorverhalten. Die pauschale

68  Leuchten, Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2001, 750–753; Boemke, RdA 2018, 1 (16 f.). 69  Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1422). 70  Leuchten, Der Beschäftigungsanspruch des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2001, 750 (750). 71  Dass dies nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre nicht haltbar ist, ist oben (§ 5 A. III. 2.) bereits dargelegt worden. 72  Zweifelnd insoweit Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1422). Unklar bleibt leider bei Boemke, der einen „Weiterbeschäftigungsanspruch“ für „Arbeitnehmer“-Geschäftsführer befürwortet, welchen Inhalt dieser haben soll: RdA 2018, 1 (16 f.). 73  Boemke, RdA 2018, 1 (16 f.) hingegen scheint eine persönlichkeitsrechtswahrende Beschäftigung (von „Arbeitnehmer“-Geschäftsführern“) nach Abberufung aus der Organposition für möglich zu halten. 74  Vgl. BAG 24.6.2015, BAGE 152, 65 (72); daher abzulehnen die Lösung von BGH 23.4.2012, BGHZ 193, 110. 75  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzpflichten (2003), S. 223 f.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

Ablehnung positiver „Schutzhandlungspflichten“76 vermischt hingegen die tatbestandliche Ebene mit der Rechtsfolgenebene. Dass tatbestandlich die Qualifikation des Unterlassens eines Privaten als schutzpflichtauslösender Übergriff problematisch ist, bedeutet nicht zugleich, dass aufgrund der Schutzpflicht ein Privater auf der Rechtsfolgenseite nicht zu bestimmten Handlungen verpflichtet werden kann. Die Rechtsfolge hat sich vielmehr danach zu richten, wie die Schutzpflicht effektiv realisiert werden kann. Es liegt hier im Schutzgehalt des Beschäftigungsinteresses des Geschäftsführers begründet, dass eine effektive Verwirklichung nur durch ein positives Handeln möglich ist. Denn das Beschäftigungsinteresse ist eben nicht allein auf die Freiheit ausgerichtet ist, ohne Intervention seitens Dritter ein Freiheitsrecht auszuüben, sondern gerade darauf, unter deren notwendiger Mitwirkung (zur Schaffung der erforderlichen Voraussetzungen) ein solches fortdauernd zu verwirklichen. Eine gewisse Kontinuität in dieser Entwicklung eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers zeigt – trotz aller Unterschiede im sachlich anzuwenden Recht – die Parallelität zum allgemein anerkannten arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch auf. Hier verdeutlicht sich die Allgemein­ gültigkeit und Abstraktionsfähigkeit eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers. Als übergeordnetes Prinzip ist der Grundsatz des Persönlichkeitsschutzes im Vertragsverhältnis aus dem Arbeitsrecht bereits bekannt; dieses Prinzip wird lediglich auf einen anderen Bereich des Privatrechts übertragen.77 Bereits die Mehrzahl der Anwendungsfälle – schwangere Geschäftsführerinnen, anderweitig (etwa wegen Alters oder Herkunft) diskriminierte Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen – verdeutlicht, dass es sich um ein der Abstraktion fähiges Auslegungsergebnis handelt. Da gezeigt werden konnte, dass die der Rechtsfigur des Beschäftigungsanspruchs im Arbeitsrecht zugrundeliegenden wesentlichen Gedanken auch für die Geschäftsführer von GmbHs Geltung beanspruchen, stellt es keine überraschende Rechtsentwicklung dar, eine Entsprechung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs im Bereich der Geschäftsführeranstellung zu entfalten.

II. Anspruch auf Erstbestellung und Wiederbestellung nach Befristung Der Beschäftigungsanspruch steht auch demjenigen Geschäftsführer zu, der trotz entsprechender vorheriger vertraglicher Abrede aus unbilligen, 76  So bezeichnet von Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzpflichten (2003), S. 224. 77  Zu den gebotenen Anpassungen und Konkretisierungen siehe noch sogleich unter § 5 C. IV.



C. Anspruchsinhalt195

grundrechtsverkürzenden Motiven doch nicht in die Geschäftsführerstellung berufen wurde. Die rechtliche Bewertung ändert sich dadurch, dass es sich um eine Erst-Bestellung handelt, nicht. Ebenso hat derjenige, der aufgrund solcher Motive bei befristeter Bestellung nicht wiederberufen wurde, einen Beschäftigungsanspruch.

III. Auslegungsergebnis innerhalb geltenden Rechts Die Schwelle einer Auslegung contra legem wäre erst erreicht, wenn das Ergebnis der Auslegung von einem im Gesetz ausgedrückten Willen des Gesetzgebers abwiche, also von einem „Durchbruch durch das Gesetzesrecht“ die Rede sein könnte.78 Ein solcher Durchbruch ist aber dann nicht gegeben, wenn die Auslegung unter Zuhilfenahme der gesetzlichen Wertungen stattfindet. Daher werden auch nicht stets, wenn ein neues Institut mittels Auslegung beziehungsweise Konkretisierung der Generalklauseln geschaffen wird, gesetzlich normierte Grenzen durchbrochen. Insbesondere muss es auch legitim sein, ältere gesetzliche Wertungen durch ein Auslegungsergebnis zu überkommen, um einen Widerspruch mit neueren Wertungen aufzulösen.79 Daher steht der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers trotz des klaren Wortlauts von § 38 GmbHG (aus dem sich nach wie vor im Grundsatz die freie Abberufbarkeit ergibt) nicht im Verdacht einer Auslegung contra legem.80 Die oben aufgezeigten grundrechtlichen Wertungen gebieten eine einschränkende Ergänzung des § 38 GmbHG, denn sein seit 1892 unverändert bestehender Wortlaut konnte die Rechtsentwicklung unter dem Grundgesetz und dem europäischen Recht schlicht nicht nachvollziehen. Auch handelt es sich nicht um einen Bereich, in dem der Gesetzgeber die Normierung eines konfliktträchtigen Rechtsgebiets komplett unterlassen oder aufgegeben hätte.81 In einem solchen Fall wäre eine Ausfüllung der Lücken über die Generalklauseln problematisch. Doch zum einen handelt es sich nicht um ein größeres Rechtsgebiet im Sinne einer grundlegend zu regelnden Materie, sondern um einen Teilaspekt in einem ansonsten weitgehend durch78  Bydlinski, Symposium Wieacker (1990), 189 (214 ff., 220 ff.); Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S. 191, 196 f. 79  Lange, Treu und Glauben und Effizienz (2013), S. 197. 80  Im Übrigen ist auch rechtshistorisch in Rechnung zu stellen, dass sich die Auslegung des Wortlauts von § 38 GmbHG in der Vergangenheit bereits einmal gewandelt hat, siehe § 2 B. II. 1. Ein ähnlich tiefgreifender Wandel soll hier aber gerade nicht vollzogen werden. 81  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S. 132, 231 hält in solchen Fällen die Ausfüllung durch die Rechtsprechung zu Recht für problematisch, da sie das gesetzgeberische Versagen durch eigenständige politisch gestaltende Schutzkonzepte kompensieren müsste.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

normierten Rechtsbereich. Dazu wird auch letztlich die Anzahl der praktischen Anwendungsfälle zu gering sein. Zum anderen sind Regelungsversuche und -ansätze des Gesetzgebers sichtbar, etwa im AGG, aber augenscheinlich nicht genügend, um die herausgearbeiteten staatlichen Schutzpflichten zu erfüllen. Damit liegt nach wie vor ein typischer Fall von Einzelfallkonkretisierung vor, der durch eine methoden- und dogmatikgeleitete Rechtsprechung entschieden werden kann.

IV. Rückausnahme: Aktualisierte Interessenabwägung im Einzelfall Teil des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs ist stets eine Interessenabwägung im Einzelfall.82 Das gebietet schon die Herleitung des Anspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.83 Das Beschäftigungs­ interesse des Arbeitnehmers muss dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.84 Dasselbe muss im Grundsatz für den Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers gelten. Selbst wenn dessen Voraussetzungen dem Grunde nach vorliegen, können gewichtige Interessen der Gesellschaft oder Gesellschafter einer Berufung in die Organposition entgegenstehen. Jenseits von Übermaßverbot und Untermaßkontrolle vollzieht sich die Konfliktabwägung in einem Konkretisierungsvorgang, der zivilrechtlich determiniert ist. Das Abwägungsergebnis ist somit letztlich Produkt der anerkannten Methoden des Zivilrechts und garantiert auf diese Weise auch die Einbettung in die Zivilrechtsdogmatik insgesamt.85 Ein solcher aktualisierter Gegenabwägungsmechanismus erscheint sogar geboten, um faktischen Diskriminierungen vorzubeugen, die sich wiederum als Folge der Umsetzung von Schutzpflichten ergeben könnten.86 Müssten die Gesellschafter befürchten, selbst in Fällen ernsthafter Interessenkonflikte bis zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft an einen Geschäftsführer gebunden zu sein, bestünde ein erhöhter Anreiz, eine Person, die einer der besonders geschützten Gruppen angehört, gar nicht erst für die Geschäftsführerposition in Betracht zu ziehen.87 82  Siehe

oben § 2 A. IV. 2. b). in: Bamberger/Roth, § 242 Rn. 18. 84  Siehe oben § 2 A. IV. 2. b). 85  Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts (2001), S.  233 f. 86  Für eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers: BVerfG 18.11.2003, BVerfGE 109, 64 (90); s. a. bereits 28.1.1992, BVerfGE 85, 191 (209 f.); s. näher Krause, FS Pfarr (2010), 392 (394 ff., 400 ff.). 87  Freilich ist das aber eben gerade kein Argument, bestimmten Gruppen (etwa Frauen im gebärfähigen Alter oder älteren Geschäftsführern und Geschäftsführerin83  Sutschet,



C. Anspruchsinhalt197

1. Entgegenstehende schützenswerte Interessen Dabei kann für die Interessenabwägung allerdings schon wegen der Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Maßstab des Arbeitsrechts nicht ohne Weiteres übernommen werden, sondern ist ein eigener Abwägungsmechanismus zu entwickeln. Fest steht dabei jedenfalls, dass das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne von § 38 Abs. 2 GmbHG durch die einzustellenden Interessen von Gesellschaftern und Gesellschaft nicht erreicht werden muss. Denn eine tatsächlich aus wichtigem Grund erfolgte Abberufung hat jedenfalls Bestand und lässt für einen Beschäftigungsanspruch von vornherein keinen Raum. Die im Rahmen von § 38 Abs. 2 GmbHG genannten wichtigen Gründe können jedoch Anhaltspunkte dafür bieten, was als ein besonders schützenswertes Interesse an der Nichtbeschäftigung gelten kann. Die Norm selbst nennt beispielhaft grobe Pflichtverletzungen und Unfähigkeit zur Geschäftsführung als wichtige Gründe der Abberufung. Bereits eine einzige grobe Pflichtverletzung, aber auch die Häufung mehrerer kleinerer Pflichtverletzungen kann zur Abberufung berechtigen.88 Unterhalb dieses Maßstabs können entsprechend leichte bis mittlere Pflichtverletzungen oder die Häufung auch einfachster Pflichtverletzungen (auch wenn sie zunächst nicht die eigentliche Motivation für die Abberufung waren) ein schützenswertes Inte­ resse der Gesellschafter an der Abberufung bilden. Eine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung kann sich abgesehen von fachlichen Mängeln, fehlenden Kenntnissen oder fehlender Bereitschaft zur Zusammenarbeit und ähnlichem auch aus durch den Geschäfts­ führer nicht beeinflussbaren Umständen wie etwa schwerer Krankheit89 er­ geben.90 Ein dem Beschäftigungsanspruch entgegenstehendes besonders schützenswertes Interesse kann unterhalb dieser Schwelle jedenfalls in durch den Geschäftsführer gezeigten Unfähigkeiten liegen, die geeignet sind, die Geschicke der Gesellschaft nicht nur unerheblich negativ zu beeinflussen. Im Falle einer Schwangerschaft der Geschäftsführerin ist zu berücksichtigen, dass – sofern die Schwangerschaft zu ihrer temporären Abwesenheit oder Unerreichbarkeit führt – die Geschäftsführerin in diesen Zeiten ihre Organnen) von vornherein jedweden Schutz zu versagen, wie etwa Hildebrand argumentiert: Arbeitnehmerschutz von geschäftsführenden Gesellschaftsorganen im Lichte der Danosa-Entscheidung des EuGH (2014), S. 145; s. a. Preis, NZA 1997, 1256 (1260); Rolfs, in: A/P/S, § 9 MuSchG Rn. 3; Krause, FS Pfarr (2010), 392 (402 f.) hat insoweit das „Risiko“ herausgearbeitet, dass „unter dem Banner der Gleichberechtigung Schutznormen zurückgefahren werden“. 88  Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 38 Rn. 86. 89  OLG Zweibrücken 5.6.2003, NZG 2003, 931. 90  Stephan/Tieves, in: MüKoGmbHG, § 38 Rn. 87.

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funktionen für die Gesellschaft faktisch nicht wahrnehmen kann.91 Das kann für die Gesellschaft erhebliches Gefahrenpotenzial haben, so dass während solcher Zeiten – jedenfalls sofern sie nicht ganz unerheblich sind – das Suspensivinteresse der Gesellschafter überwiegt. Sobald die Abwesenheit oder Unerreichbarkeit weggefallen ist, lebt der Beschäftigungsanspruch aber ohne weiteres wieder auf. 2. Besonders zu berücksichtigende Interessen des Geschäftsführers? Die von der Rechtsprechung eingebrachten Aspekte des Ansehensverlusts und der Minderung der Lebensfreude92 stellen indessen keine tauglichen Kategorien besonders zu berücksichtigender Interessen des Geschäftsführers dar. Sie sind nach verständiger Würdigung stets gegeben, wenn der Geschäftsführer sich entscheidet, den Beschäftigungsanspruch geltend zu machen. Eine Gegenabwägung mit besonderen Interessen des Geschäftsführers erscheint grundsätzlich nicht zielführend.

D. Anspruchsinhalt bei treuwidriger Umgehung des Beschäftigungsanspruchs I. Möglichkeiten der Umgehung des Beschäftigungsanspruchs Mit dem Bestellungsakt allein sind noch nicht die weiteren Modalitäten angesprochen, die eine Beschäftigung des Geschäftsführers beeinflussen können. Im Wesentlichen wird der tatsächliche Zuschnitt der Organposition durch drei Fragen bestimmt: Ob derjenige alleiniger Geschäftsführer oder einer von mehreren ist; im Falle eines Kollegiums sodann, ob unter der Mehrzahl von Geschäftsführern die Ressortverantwortlichkeit speziell geregelt ist (was fast immer der Fall sein wird); und schließlich, ob es eine Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Geschäfte gibt. Werden diese Modalitäten verändert, kann sich der Beschäftigungsinhalt für den Geschäftsführer dramatisch wandeln. Theoretisch könnte er durch eine entsprechende Umgestaltung der Zuständigkeiten auch ohne abberufen zu werden, faktisch entmachtet und das Beschäftigungsverhältnis der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit weitestgehend entleert werden. Existieren Regelungen über die Anzahl der Geschäftsführer und deren Zuständigkeitsbereiche in der Satzung, setzen sich diese gegenüber einer Regelung im Anstellungsvertrag schon aus Gründen der Publizität der Orga91  Siehe 92  BGH

bereits oben § 2 D. II. 11.10.2010, NZG 2011, 112 (113).



D. Treuwidrige Umgehung des Beschäftigungsanspruchs199

nisationsverfassung durch.93 Dieser Vorrang des Organisationsrechts soll auch bei einer durch die Gesellschafter beschlossenen Geschäftsordnung oder einer konkreten Einzelweisung zum Aufgabenbereich gelten.94 Die Befugnisse des Geschäftsführers können entsprechend bis auf die unabdingbar durch ihn auszuführenden Tätigkeiten durch Neuregelungen, vor allem in der Satzung, seitens der Gesellschafter beschnitten werden.95 Der Geschäftsführer führt dann im Extremfall nur noch die Direktiven der Gesellschafter nach außen hin aus.96 Jedenfalls die organschaftliche Vertretungsmacht gegenüber Dritten, die der Geschäftsführung als Exekutivorgan immanent ist, ist jedoch unantastbar.97 Diese letzte Schwelle bringt dem Geschäftsführer, der sich einer Entkleidung seiner Position von sämtlichen Kompetenzen gegenüber sieht, indessen wenig.

II. Umwandlung des Beschäftigungsanspruchs Grundsätzlich steht es den Gesellschaftern frei, die Satzung der GmbH nach ihrem Belieben zu ändern oder Einzelweisungen zu erteilen und auf diesem Wege auch die Organposition des Geschäftsführers anders auszugestalten. In Fällen, in denen derartige Änderungen ersichtlich nur aus dem Grund erfolgen, um einen Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers weitestgehend zu vereiteln, erscheint dies jedoch als ein Fall von Rechtsmissbrauch. Die Gesellschafter würden dann ihre formale Rechtsposition ausnutzen, um im Widerspruch zu den sonstigen vertraglichen Beziehungen handeln zu können.98 Ob ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt, ist – wie auch in sonstigen Fällen des Rechtsmissbrauchs99 – anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist zunächst von der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter auszugehen, so dass die Anforderungen an eine missbräuchliche Gestaltung zulasten des Geschäftsführers 93  Kleindiek,

in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 13. in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 6 Rn. 14. 95  Sog. „Zölibatsgeschäftsführer“, siehe Axhausen, in: Beck’sches Handbuch der GmbH, § 5 Rn. 138. 96  Vgl. BVerfG 1.3.1979, BVerfGE 50, 290 (346): Befugnis, „erheblichen Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen“; siehe zu einer als sittenwidrig erachteten Satzungsgestaltung OLG Brandenburg 12.6.1996, GmbHR 1997, 168; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4 (reines Exekutivorgan, „Vertretungsmarionette“); Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 37 Rn. 26; a. A. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 18; Kleindiek, in: Lutter/Hom­ melhoff, GmbHG, § 37 Rn. 18a. 97  Wertenbruch, in: MüKo GmbHG, Anh. § 47 Rn. 70. 98  Siehe zur Rechtsmissbräuchlichkeit im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz für Organvertreter BAG 21.9.2017, NZA 2018, 358. 99  Schubert, in: MüKo BGB, § 242 Rn. 243, 159. 94  Kleindiek,

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

jedenfalls erheblich sind. Es sind sowohl eine objektiv mangelnde Schutzwürdigkeit der Gesellschafter als auch subjektive Merkmale wie Gesinnung und Absichten, aus denen zusammengenommen der rechtlich-sittliche Vorwurf folgt, miteinzustellen.100 Indizien für eine verwerfliche Absicht können sein, dass in zeitlichem Zusammenhang mit den Satzungsänderungen auch eine Abberufung diskutiert wurde oder dass bei einer Mehrzahl von Geschäftsführern lediglich die Kompetenzen eines der Geschäftsführer begrenzt werden, ohne dass dafür vernünftige Gründe ersichtlich sind. Liegen in solchen Fällen zusätzlich unbillige Motive für die Umgestaltungen vor, können die Gesellschafter den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nur durch konkrete Gründe für ihre Maßnahmen entkräften. Ihnen obliegt dann ausnahmsweise eine Begründungslast für die Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit. Sind solche Gründe nicht ersichtlich, liegt objektiv eine mangelnde Schutzwürdigkeit der Gesellschafter für die Rechtsausübung vor. Der Beschäftigungsanspruch wandelt sich in diesem Fall hin zu einem Anspruch auf Beschluss der Aufhebung entsprechender Maßnahmen. Ein solcher Eingriff in die Satzungsfreiheit der Gesellschafter erscheint allerdings nur in eindeutigen und krassen Fällen der Umgestaltung gerechtfertigt.

E. Prozessuale Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs I. Klageart Der Beschäftigungsanspruch ist im Wege einer regulären Leistungsklage gegen die GmbH, vertreten durch ihre Gesellschafter, geltend zu machen. Für einen vollsteckbaren Tenor hat dieser auf Ersetzung der Willenserklärung der Bestellung durch die Gesellschaft zu lauten.101 Ein stattgebendes Urteil ersetzt entsprechend die Wirkung des Gesellschafterbeschlusses als Willensäußerung der GmbH insgesamt.102 Erlangt ein entsprechendes Urteil Rechtskraft, gilt die entsprechende Willenserklärung gemäß § 894 ZPO als abgegeben. In der Folge könnte die Eintragung der Bestellung in das Handelsregister erfolgen. Sofern der betreffende Geschäftsführer auch Gesellschafter der GmbH ist und dementsprechend mit einer gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage 100  Schubert,

in: MüKo BGB, § 242 Rn. 243. bereits § 5 B. 102  Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1422) macht es sich demgegenüber zu leicht, nur auf die Ersetzung einzelner Stimmabgaben abzustellen und aus diesem Grund die Durchsetzbarkeit anzuzweifeln. 101  Siehe



E. Prozessuale Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs201

gegen den Abberufungsbeschluss vorgehen kann, steht ihm diese Möglichkeit wahlweise neben der Leistungsklage zur Verfügung.103 Die Anfechtungsklage stellt auch keinen deutlich schnelleren und einfacheren Weg zur Erreichung des Klagezieles dar, so dass die Leistungsklage etwa nur subsidiäres Rechtsschutzmittel wäre. Denn die Leistungsklage kann dem tatsächlichen Begehren des Geschäftsführers auf (Wieder-)Einsetzung in die Organstellung unmittelbar zur Durchsetzung verhelfen, weil die erforderliche Willenserklärung der Gesellschaft gemäß § 894 ZPO mit Rechtskraft des Urteils fingiert wird.104

II. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Als Voraussetzung des Beschäftigungsanspruchs muss durch den Geschäftsführer (-Prätendenten) insbesondere dargelegt werden, dass die Abberufung, Nicht-Berufung oder erneute Berufung aus diskriminierenden oder sonst ein Grundrecht verkürzenden Gründen erfolgt bzw. nicht erfolgt ist. Dabei ist der Erschwernis zu begegnen, dass die Entscheidung der Gesellschafter keiner Begründungspflicht unterliegt, an der sich insoweit ansetzen ließe.105 Tatsächlich unter den Gesellschaftern besprochene Motive für die Abberufung dringen nicht unbedingt nach außen, was erst recht der Fall sein wird, wenn sich diese zumindest latent bewusst sein sollten, dass ihre Motivationslage grundrechtsverkürzende Wirkung hat. Entsprechend sieht sich der Anspruchsteller einer erheblichen Beweisnot ausgesetzt. Dem kann durch eine analoge Anwendung von § 22 AGG im Rahmen des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers begegnet werden. § 22 AGG findet nach richtiger Ansicht jedenfalls zugunsten von Bewerbern auf eine Geschäftsführerposition grundsätzlich Anwendung.106 Nach den allgemeinen Grundsätzen der Analogie kann er auf den Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers ausgedehnt werden. Eine planwidrige Regelungslücke kann angenommen werden, da Rechtsfortbildungen und -auslegungen mittels der Generalklauseln, wie § 242 BGB, durch den Gesetzgeber vorgesehen sind, aber für die solchermaßen entwickelten Ansprüche grundsätzlich keine ausdrücklichen Beweislastregeln existieren. Anzunehmen, es müssten immer die allgemeinen Beweislastregeln – grundsätzlich Beweislast des Anspruchstel103  OLG Köln, 16.03.1988, NJW-RR 1989, 352 (352) für den Fall einer Stimmrechtsbindung. 104  Vgl. OLG Köln, 16.3.1988, NJW-RR 1989, 352 (352). 105  Siehe oben § 2 B. I. 1. c). 106  BGH 23.4.2012, BGHZ 193, 110; Reufels/Molle, NZA-RR 2011, 281 (285); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG Großkommentar, § 35 Rn. 262; Jaeger/Steinbrück, in: MüKo GmbHG, § 35 Rn. 266.

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

lers, da ihm die Tatsachen günstig sind – gelten, wäre aber in vielen Fällen nicht interessengerecht. In den durch § 6 Abs. 3 AGG angesprochenen Situationen, in denen § 22 AGG Anwendung findet, geht es um den Zugang zur Erwerbstätigkeit. § 22 AGG schafft insoweit eine verfahrensrechtliche Flankierung zur wirksamen Durchsetzung des Diskriminierungsschutzes. Die Interessenlage bei der Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers ist vergleichbar. Denn der Zugang zu tatsächlicher Beschäftigung als – vor allem – Diskriminierungsschutz ließe sich, wie erwähnt, kaum jemals durchsetzen, wenn nicht eine Beweiserleichterung greift. In Anwendung von § 22 AGG reicht dementsprechend die Beibringung von Indizien für das Vorliegen einer Diskriminierung (oder sonstigen Grundrechtsbeeinträchtigung) bei der Abberufungsentscheidung aus. Folge dessen ist, dass die Kausalität der indizienmäßig dargelegten unbilligen Motive für die Abberufungsentscheidung vermutet wird. Es reicht aus, wenn die beizubringenden Indizien die Benachteiligung nach der allgemeinen Lebenserfahrung als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.107 Im Fall einer Schwangerschaft einer Geschäftsführerin wäre es dementsprechend ausreichend, wenn diese darlegt, dass bis zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens ihrer Schwangerschaft keine Absicht der Abberufung bestanden hatte.108 Im Falle der beabsichtigten Erst-Berufung, welche wegen einer zwischenzeitlich bekannt gewordenen Schwangerschaft der künftigen Geschäftsführerin nicht durchgeführt wird, würde die Schwangerschaft allein als Indiz ebenfalls offensichtlich ausreichen. Die Gesellschafter können die beigebrachten Indizien widerlegen, indem sie Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die verbotenen Merkmale, die zu der Abberufung geführt haben.109 In diesem Rahmen stellt sich das Problem des „Vertrauensverlusts“ in die Person des Geschäftsführers. Die Erforderlichkeit von Vertrauen wird als ein Grund für die grundsätzlich freie Abberufbarkeit des Geschäftsführers angesehen.110 Ein Vertrauensverlust ist der Natur der Sache nach sehr schwer nachzuweisen, was aber nicht dazu führen darf, dass die Gesellschafter sich auf diesen als reine Behauptung zurückziehen können dürfen. Anderenfalls könnte darüber wirkungsvoll jed107  BAG 17.12.2009, AP Nr. 2 zu § 7 AGG Rn. 19; 22.7.2010, AP 17.12.2009 Nr. 2 zu § 22 AGG Rn. 65; siehe zu ausreichenden Indizien für eine Diskriminierung wegen des Alters: BGH 23.4.2012, BGHZ 193, 110. 108  Eine Vermutung der schwangerschaftsbedingten Abberufung ist hingegen nicht erforderlich; dafür Loy, Der GmbH-Geschäftsführer zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht (2014), S. 210 f. 109  Thüsing, in: MüKoBGB, AGG § 22 Rn. 20. 110  BGH 11.10.2010, NZG 2011, 112 (113); s. a. schon BGH 12.11.1952, BGHZ 8, 35 (46).



E. Prozessuale Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs203

weder Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers vereitelt werden. Vielmehr muss auch ein Vertrauensverlust im Zuge der Beweiserleichterung nach § 22 AGG analog positiv dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden. Denkbarer Beweisvortrag sind insoweit etwa durch die Gesellschafter vor der Abberufung vermehrt ausgesprochene Weisungen und Kontrollmaßnahmen gegenüber dem Geschäftsführer.

III. Einstweiliger Rechtsschutz Vor allem im Fall einer in diskriminierender Art und Weise abberufenen schwangeren Geschäftsführerin kommt es grundsätzlich auf eine schnelle Entscheidung über den Beschäftigungsanspruch an, denn realistischerweise werden im Zuge eines Hauptsacheprozesses Schutzfristen und gegebenenfalls Elternzeit bereits abgelaufen sein.111 Insoweit ist zu untersuchen, ob der Beschäftigungsanspruch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig durchgesetzt werden könnte. Die Frage, ob eine einstweilige Verfügung überhaupt auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sein kann, ist umstritten.112 Im Gesellschaftsrecht werden die Einflussnahme auf die Willensbildung der Gesellschaft im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, etwa durch das Verbot einer bestimmten Beschlussfassung113 oder die Veranlassung zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten114 verbreitet noch als unzulässig angesehen. Es kommt im Hinblick auf die Bestellung eines Geschäftsführers noch hinzu, dass der Verkehrsschutz, wie bereits erwähnt, einen hohen Stellenwert hat, und hinsichtlich der Vertretung der Gesellschaft nach außen grundsätzlich klare Verhältnisse herrschen sollten. Dieses Ziel kann durch ein „Hin und Her“ aufgrund einstweiliger Verfügung und späterer Hauptsacheentscheidung aufgeweicht werden. Andererseits ist aber gerade bei auf gerichtlicher Entscheidung beruhender Bestellung des Geschäftsführers die Vertretungssituation eindeutig und ohne weiteres eintragungsfähig. Auch rechtfertigt der Grundsatz der Autonomie der innergesellschaftlichen Willensbildung an sich keine auch nur vorübergehend rechtsfreien Räume.115

Windbichler, FS Hoffmann-Becking (2013), 1413 (1422). nur Gruber, in: MüKo ZPO, § 894 Rn. 6 m. w. N. 113  OLG Koblenz 25.10.1990, NJW 1991, 1119. 114  OLG München 16.10.2013, NZG 2014, 66. 115  v. Gerkan, ZGR 1985, 167 (167 ff.); für die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung auf Wiedereinsetzung zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers bei Beschlussmängeln: Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht (1996), S.  163 ff., 184 f. 111  So

112  Siehe

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§ 5 Vorschlag für die Umsetzung der Schutzpflichten

Jedenfalls ist eine einstweilige Verfügung dann möglich, wenn die Rechtslage besonders eindeutig ist oder es beim Antragsteller ohne die Maßnahme zu einer schweren und existenziellen Rechtsbeeinträchtigung kommen würde, er also besonders schutzwürdig erscheint.116 Dann kommt die einstweilige Verfügung auch als Befriedigungsverfügung in Betracht,117 welches sie im hiesigen Fall stets sein würde. Die einstweilige Verfügung auf Abgabe einer Willenserklärung, wie hier die Bestellung in die Geschäftsführerposition, hat also nach zustimmungswürdiger Ansicht hohe Hürden. Das gebieten die grundsätzliche Selbstbestimmung der Gesellschafter über die Gesellschaft und der Verkehrsschutz. Im Einzelfall ist eine einstweilige Verfügung aus dem Beschäftigungsanspruch aber denkbar. Für die Vollstreckung nach § 894 ZPO bedarf es eines rechtskraftfähigen Beschlusses im einstweiligen Verfügungsverfahren.118

IV. Kein „Weiterbeschäftigungsanspruch“ des Geschäftsführers Der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers wird nicht durch eine dem Institut des arbeitsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs vergleichbare Ergänzung flankiert. Im Arbeitsrecht greift ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn auf eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin ein erstes stattgebendes Urteil ergeht. Ab einer solchen Entscheidung soll das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers das Suspensivinteresse des Arbeitgebers bis zu einer anderslautenden Entscheidung zunächst überwiegen, es sei denn gewichtige Gründe des Arbeitgebers sprechen gegen die Beschäftigung. Diese Vermutungsregelung hat bei Arbeitnehmern Sinn, weil ihr Beschäftigungsanspruch bei bestehendem Arbeitsverhältnis regelmäßig ohne besondere Voraussetzungen gegeben ist. Dieses Grundschema findet aus zwei Gründen keine Entsprechung beim Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers: Erstens ist der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers kein lediglich als Annex zu entscheidender Anspruch. Seine Voraussetzungen müssen gesondert dargelegt werden, da ein Geschäftsführer allein aufgrund seines Anstellungsvertrags im Grundsatz gerade keinen Anspruch auf Beschäftigung in der Organposition hat. Zwei116  OLG Stuttgart 20.2.1987, NJW 1987, 2449; OLG Saarbrücken 30.6.1989, NJW-RR 1989, 1512; OLG Köln 7.12.1995, NJW-RR 1997, 59; Linnerz, BB 2013, 3027. 117  OLG München 20.7.1998, NZG 1999, 407; OLG Düsseldorf, 18.5.2005, NZG 2005, 633. 118  Bartels, in: Stein/Jonas, ZPO, § 894 Rn. 4; Grunsky, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor § 935 Rn. 15, 50.



E. Prozessuale Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs205

tens kommt die prozessuale Komponente hinzu, dass der Antrag nach § 894 ZPO erst mit einer rechtskräftigen Entscheidung die Willenserklärung der Gesellschaft zur Bestellung ersetzt. Eine vorherige Vollstreckung ist durch die Prozessordnung nicht vorgesehen. Selbst wenn der Geschäftsführer mit seiner Leistungsklage in einer der gerichtlichen Instanzen obsiegt – die Voraus­ setzungen des Beschäftigungsanspruchs also gerichtlich festgestellt sind –, kann das Urteil nicht (vorläufig) vollstreckt werden, da es nach § 894 ZPO der Rechtskraft bedarf. Der Status des Geschäftsführers kann in der Zwischenzeit deswegen nur mit den oben dargelegten Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung geklärt werden. Ein Pendant zum arbeitsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch lässt sich daher für den ­Geschäftsführer nicht entwickeln.

§ 6 Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen 1. Der arbeitsrechtliche Beschäftigungsanspruch findet seine materiellrechtliche Legitimation im Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers (§ 2 A. III. 1.). 2. Durch den Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung in der durch den Arbeitnehmer selbst gewählten vertraglichen Position wird das ideelle Interesse an Beschäftigung – im Unterschied zu dem auf das Entgelt gerichteten materiellen Interesse – als für sich gesondert schützenswert anerkannt (§ 2 A. V.). 3. Das Recht der Geschäftsführeranstellung wird beherrscht durch die Trennung von Organschaftsverhältnis und Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers. Dies sichert die freie Abberufbarkeit des Geschäftsführers durch die Gesellschafter gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG (§ 2 B. II.). 4. Als relevant für den Geschäftsführer wird bislang allein seine materielle Absicherung angesehen, die über das Anstellungsverhältnis erfolgt. Ein Anspruch auf den Fortbestand des Organverhältnisses wird überwiegend abgelehnt (§ 2 B. II. 4.). 5. Gegen die Abberufungsentscheidung kann der Geschäftsführer nur eingeschränkt nach den Maßgaben des gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrechts vorgehen (§ 2 B. III. 5.). 6. Die Rechtsprechung des EuGH im Fall Danosa (11.11.2010, Rs. C-232/09) hat erstmals den Aspekt beleuchtet, dass gegenüber der freien Abberufbarkeit aus dem Organverhältnis höherrangige Rechte Berücksichtigung finden könnten (§ 2 C. I.). Die in Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH diskutierte analoge Anwendung bestimmter Arbeitnehmerschutzgesetze auf das Organverhältnis des Geschäftsführers, um entsprechende Vorgaben des europäischen Rechts zu erfüllen, ist allerdings unter rechtssystematischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll (§ 2 D.). 7. Für den Geschäftsführer lässt sich wie beim Arbeitnehmer ein materielles und ein ideelles Beschäftigungsinteresse unterscheiden (§ 3 A. II.).



A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen207

8. Das Organverhältnis des Geschäftsführers ist ein Beschäftigungsverhältnis, in dem Sinne, dass sich nur im Wege der tatsächlichen Durch- und Ausführung des Organverhältnisses das ideelle Beschäftigungsinteresse des Geschäftsführers verwirklichen lässt (§ 3 A. II.). 9. Die Relevanz von tatsächlicher Beschäftigung für die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Menschen unabhängig von der näheren rechtlichen Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses ist anhand soziologischer und arbeitspsychologischer Untersuchungen nachgewiesen (§ 3 B. III.). 10. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bezeichnet die innere Dimension der Entfaltung i. S. v. Art. 2 Abs. 1 GG (§ 3 C. I. 2. a)). 11. Das Organverhältnis des Geschäftsführers als Beschäftigungsverhältnis ist Voraussetzung für die Verwirklichung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 3 C. I. 3.). 12. Das Organverhältnis als Beschäftigungsverhältnis unterfällt ergänzend auch dem Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit (§ 3 C. II. 3.). 13. Die Dispositionsfreiheit über die Besetzung des Geschäftsführungsorgans ist grundrechtlich durch die Eigentumsfreiheit hinsichtlich des Anteilseigentums zugunsten jedes einzelnen Gesellschafters geschützt (§ 3 D. II.). 14. Zwischen Geschäftsführer und Gesellschaftern besteht hinsichtlich der Disposition über die Organposition ein Grundrechtskonflikt, in dem das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Geschäftsführers der Eigentumsfreiheit der Gesellschafter gegenüber steht (§ 3 D. V.). 15. Grundrechte sind neben ihrem Charakter als Abwehrrecht auch Gegenstand staatlicher Schutzpflichten. Schutzpflichten können insbesondere auch im Privatrecht bestehen, wenn eine Grundrechtsverkürzung durch einen anderen Privaten droht (§ 3 E. II.). 16. Die Voraussetzungen einer Schutzpflicht sind hinsichtlich des Geschäftsführers in der Abberufungssituation grundsätzlich gegeben (§ 4 A. II. 1.). 17. Im Zuge der Umsetzung des Schutzauftrags im Privatrecht haben der Gesetzgeber und die Rechtsprechung insbesondere die entgegenstehenden Grundrechte Dritter zu beachten und mit den zu schützenden Grundrechtspositionen in Ausgleich zu bringen (§ 3 E. II. 3. b)). 18. Im geltenden Recht ist durch § 38 GmbHG der Grundrechtskonflikt zugunsten der Gesellschafter aufgelöst (§ 4 A. I.). 19. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung vermag sich im Regelfall die Grundrechtsposition des Geschäftsführers nicht gegen diejenige der Gesellschafter durchzusetzen. Entsprechend ist die Regelung durch § 38 GmbHG verfassungsmäßig nicht zu beanstanden (§ 4 A.).

208

§ 6 Zusammenfassung und Ausblick

20. Keine Berücksichtigung im geltenden Recht findet derzeit die Relevanz von unbilligen Motiven für die Abberufung (§ 4 B. I.). 21. Aus dem allgemeinen und den besonderen Gleichheitssätzen lassen sich keine Schutzpflichten herleiten (§ 4 B. II. 1.). 22. Es besteht jedoch ein persönlichkeitsintendierter, grundrechtsobligatorischer Diskriminierungsschutz aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 4 B. II. 1.). Dieser setzt eine qualifizierte Diskriminierung vo­ raus (§ 4 B. II. 1. b)). 23. Die persönlichkeitsintendierte Schutzpflicht bei qualifizierter Diskriminierung erfasst nicht allein die im Grundgesetz ausdrücklich genannten Merkmale, sondern ist merkmalsoffen (§ 4 B. II. 1. b)). 24. Die Abberufung des Geschäftsführers aus diskriminierenden Motiven erfüllt aufgrund ihres Rechtscharakters und der damit verbundenen Außenwirkungen stets die Voraussetzungen einer qualifizierten Diskriminierung und damit einer Schutzpflicht (§ 4 B. II. 1. c)). Eine Schutzpflicht kann auch bei Verletzung weiterer Grundrechte, wie etwa der Meinungsfreiheit, bestehen (§ 4 B. II. 3.). 25. Das grundrechtlich geschützte Beschäftigungsinteresse des Geschäftsführers überwiegt die Rechte der Gesellschafter bei einer Abberufung aus diskriminierenden oder sonstige Grundrechte verletzenden Gründen aufgrund einer Schutzpflichten-Kumulation (§ 4 B. III.). 26. Die Schutzpflichten bei einer grundrechtsverkürzenden Abberufung werden durch das geltende, spezialgesetzliche Recht nicht eingelöst (§ 4 B. IV.). 27. Die Schutzpflicht ist durch die vertragsrechtliche Konstruktion eines Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers zu erfüllen (§ 5 A.). 28. Der Beschäftigungsanspruch ist aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB herzuleiten (§ 5 A. I.). 29. Der Beschäftigungsanspruch findet seine schuldrechtliche Anknüpfung in dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (§ 5 A. III.). 30. Bei vernünftiger Anschauung des Willens und der Interessen der Parteien stellt der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag stets die Rechtsgrundlage für die Organbestellung dar (§ 5 A. III. 2.). 31. Ist ein Anstellungsvertrag im Zeitpunkt der Bestellung noch nicht schriftlich abgeschlossen, kann jedenfalls von einem konkludenten Vertrag als Grundlage der Organbestellung ausgegangen werden (§ 5 A. III. 3.). 32. Grundsätzlich ist die Bestellung in die Organposition als sich aus dem Anstellungsvertrag ergebende Obliegenheit einzustufen (§ 5 A. III. 2.).



A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen209

33. Aufgrund des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers besteht eine Pflicht zur (Wieder-)Bestellung in die Organposition (§ 5 C. I.). 34. Anspruchsgegner des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers ist die Gesellschaft (§ 5 B.). 35. Aufgrund des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers besteht auch dann eine Pflicht zur Bestellung in die Organposition, wenn es sich um eine Erst-Bestellung handelt und diese aus diskriminierenden oder sonstigen grundrechtsverletzenden Motiven unterblieben ist (§ 5 C. II.). 36. Aufgrund des Beschäftigungsanspruchs besteht zudem auch im Falle einer Befristung des Organverhältnisses aus diskriminierenden Motiven eine Pflicht zur erneuten Bestellung nach Ablauf der Befristung (§ 5 C. II.). 37. Im Rahmen des Beschäftigungsanspruchs des Geschäftsführers hat wie beim arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch eine aktualisierte Interessenabwägung im Einzelfall stattzufinden (§ 5 C. IV.). 38. Im Rahmen der Interessenabwägung sind überwiegende schützenswerte Interessen der Gesellschafter zu berücksichtigen (§ 5 C. IV.). 39. Schützenswerte Interessen der Gesellschafter müssen das Gewicht eines wichtigen Grundes i. S. v. § 38 Abs. 2 GmbHG nicht erreichen, aber eine nicht unerhebliche negative Beeinflussung der Geschicke der Gesellschaft befürchten lassen (§ 5 C. IV.). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entfällt der Beschäftigungsanspruch (§ 5 C. IV. 1.). 40. Bei treuwidriger Umgehung des Beschäftigungsanspruchs durch satzungsmäßige Umgestaltungen der Geschäftsführerposition hin zu einer bewussten Entmachtung, wandelt sich dieser zu einem Anspruch auf Rücknahme der entsprechenden Maßnahmen (§ 5 D.). 41. Der Beschäftigungsanspruch ist prozessual im Wege einer allgemeinen Leistungsklage gegen die Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, durchzusetzen. Der Antrag richtet sich auf Abgabe der Willenserklärung zur Bestellung seitens der Gesellschaft (§ 5 E. I.). 42. Zugunsten des Geschäftsführers findet im Rahmen des Beschäftigungsanspruchs die Beweislastregel des § 22 AGG analog Anwendung (§ 5 E. II.). 43. Eine einstweilige Verfügung als Befriedigungsverfügung aufgrund des Beschäftigungsanspruchs ist zugunsten des Geschäftsführers möglich, wenn die Rechtslage besonders eindeutig ist oder es beim Antragsteller anderenfalls zu einer schweren und existenziellen Rechtsbeeinträchtigung kommen würde (§ 5 E. III.).

210

§ 6 Zusammenfassung und Ausblick

44. Bei einer rechtskräftigen Entscheidung gilt die entsprechende Erklärung gemäß § 894 ZPO als abgegeben. Eine vorläufige Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen Urteilen findet hingegen nicht statt (§ 5 E. IV.). 45. Eine Entsprechung zum arbeitsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch besteht für den Geschäftsführer nicht (§ 5 E. IV.).

B. Ausblick Der entwickelte Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers bedeutet eine schuldrechtliche, einheitliche Lösung der Beschäftigungsproblematik bei Geschäftsführern, durch die der Persönlichkeits- und allgemeine Grundrechtsschutz des Geschäftsführers im Organverhältnis erstmals anerkannt wird. Er soll damit zugleich die Unsicherheiten der Anwendbarkeit von unionsrechtlich determinierten Arbeitnehmerschutzgesetzen auf das Organverhältnis beseitigen, indem ein von diesen Einzelregelungen und spezifischen gesetzlichen Anwendungsbereichen abstrakter, allgemeingültiger Anspruch hergeleitet wird. Dazu erfolgt eine Neujustierung der beiden Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer: Anstellungsverhältnis auf der einen und Organverhältnis auf der andern Seite. Zugleich bleiben aber die tragenden Prinzipien der Geschäftsführeranstellung, vor allem die rechtliche Trennung der beiden Rechtsverhältnisse, im Grundsatz erhalten. Die Orientierung am arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch liefert dabei Leitlinien. Der Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers emanzipiert sich aber von diesem Vorbild und erhält einen eigenen Regelungsmechanismus. Eine ausdrückliche Klärung der Beschäftigungsfrage von Geschäftsführern, vor allem durch den europäischen Gesetzgeber, ist dabei in Zukunft eher nicht zu erwarten, da das Organverhältnis – welches nicht in allen Mitgliedstaaten als separates Rechtsverhältnis bekannt ist – im europäischen Recht nicht im Fokus steht. Daher wird es der Rechtsprechung obliegen, handhabbare Lösungen unter Anwendung des geltenden Rechts zu finden, die sich systematisch überzeugend auch in das nationale Recht einpassen lassen. Für das deutsche Recht wurde hier ein entsprechender Vorschlag unterbreitet. Um in Zukunft die Frage zu beantworten, in welchen Konstellationen der Geschäftsführer der GmbH einen Beschäftigungsanspruch faktisch geltend machen kann und wird, geht der Blick weg vom grundrechtsdogmatischen Fundament und hin zu Fragen seiner praktischen Um- bzw. Durchsetzung. Für das Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs könnten sich zusätzlich Fallgruppen herausbilden, welche die typischen Konstellationen einer gravierenden Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Abberufungsentscheidung der Gesellschafter abbilden. Ebenso dürften sich Fallgruppen für Konstellationen ergeben, in denen dringende schützenswerte Interessen der Gesellschafter



B. Ausblick211

dem Beschäftigungsanspruch in einer aktualisierten Interessenabwägung entgegenstehen und den Anspruch entfallen lassen. Zu erhellen bleibt in diesem Zusammenhang zukünftig insbesondere auch die Konstellation der Drittanstellung des Geschäftsführers, in welcher das Anstellungsverhältnis mit einer anderen Konzerngesellschaft besteht als das Organverhältnis. Im Vordergrund stehen dort Fragen der Zurechnung. Erhebliche Impulse für die rechtsdogmatische Entwicklung und die juristische Praxis in diesem Bereich sind infolge des Rechtsprechungsumbruchs hinsichtlich des Rechtswegzugangs des Geschäftsführers zu den Arbeitsgerichten zu erwarten. Wenn zukünftig verstärkt vor den Arbeitsgerichten über die Anstellungsverträge von Geschäftsführern verhandelt wird, hat dies das Potenzial mittelbarer Auswirkungen für den Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers. Denn der Anstellungsvertrag bildet die schuldrechtliche Grundlage des Beschäftigungsanspruchs.1 Eine möglicherweise eher für den Bestand plädierende arbeitsgerichtliche Rechtsprechung könnte somit das Fundament des Beschäftigungsanspruchs stärken. Nach den Beschlüssen des BAG vom 22.10.20142 und vom 3.12.20143 ist es denkbar, dass Geschäftsführer bei Beendigung ihres Anstellungsvertrags sogar regelmäßig vor die Arbeitsgerichte ziehen, während dies früher nur in Sonderkonstellationen der Fall war.4 Nach der bisherigen Rechtsprechung war ihnen dies wegen der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nur möglich, wenn die Organstellung im Zeitpunkt der Klageerhebung beendet war.5 Nunmehr nimmt das BAG an, dass die Fiktionswirkung nachträglich entfällt, wenn die Organstellung nur vor der rechtskräftigen Entscheidung endet. Auch wenn der hier entwickelte Beschäftigungsanspruch wohl keine simple oder besonders schnelle Möglichkeit ist, das ideelle Beschäftigungsinteresse des Geschäftsführers zur Geltung zu bringen, ergibt sich seine Bedeutung aber aus der Antizipation der potentiellen Folgen seiner Geltendmachung. Bereits die Möglichkeit der Geltendmachung verstärkt die Position des Geschäftsführers gegenüber den vormals bei der Abberufung sehr frei agierenden Gesellschaftern. Der Anspruch dürfte die Gesellschafter bereits im Vorfeld einer Abberufungsentscheidung dazu anhalten, sich über ihre Motive und deren kommunikative Vermittlung klar zu werden, um den Verdacht einer benachteiligenden oder maßregelnden Abberufung von vornherein zu vermeiden. 1  § 5

A. III. 22.10.2014, AP Nr. 72 zu § 5 ArbGG 1979. 3  BAG 3.12.2014, AP Nr. 73 zu § 5 ArbGG 1979. 4  Siehe etwa BAG 26.5.1999, NZA 1999, 987 (988), in der das LAG die Zulässigkeit des Rechtswegs rechtskräftig angenommen hatte, woran das BAG sodann gebunden war. 5  BAG 15.11.2013, BeckRS 2014, 73465. 2  BAG

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Stichwortverzeichnis Abberufung  42 ff., 47 f., 50, 52 ff., 55, 64 ff., 74 ff., 88 ff., 92 ff., 102 f., 124, 149 ff., 157 ff., 162 ff., 180, 188, 197, 200 ff. –– Nichtigkeitsgründe der  169 ff. –– Rechtsschutz  55 ff. –– unsachliche Gründe  167 –– Unwirksamkeitsgründe  167 ff. Abberufungsmotive  157 ff. Abberufungsverbot  68, 76, 78, 80 f., 94 Abnahmepflicht  30 Abwehrrecht  132 ff., 138, 146 AGG  76 ff., 84 ff., 196, 201 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit  112, 114 f., 117, 131 f. Allgemeines Persönlichkeitsrecht  24 ff., 110 ff. Amtslöschung  171 f. Anerkennung  109, 111, 118 f., 161 Anfechtungsklage  56, 172, 174, 200 Anfechtungsurteil  55, 172 Anspruchsumwandlung  199 ff. Anstellungsvertrag  45 ff., 180 ff. Arbeitsleistung  20 f., 26, 30, 37, 119 Arbeitsorganisation  26, 109, 186 Arbeitsrechtlicher Beschäftigungsanspruch  20 ff., 99 Arbeitsschutzrecht  84 Aufsichtsrat  44, 61, 63, 73, 191 Auftragsverhältnis  46, 67 Berufsausübung  120 ff., 165 Berufsausübungsfreiheit  121 ff., 165 Beschäftigung, tatsächliche  34, 96, 101 Beschäftigungsinteresse –– ideelles  23, 25, 36 f., 103 ff., 118 f. –– materielles  36, 103 ff., 123 

Beschluss, Anfechtbarkeit  55, 170, 173 Beschlussmangel  55 ff., 167 ff. Bestellung  37 ff., 46 ff., 192 ff.  Bestellungsakt  37, 40, 42, 170, 185, 198 Bewerber  49, 87, 201 Danosa-Urteil  64 ff., 77, 84, 88, 91, 93, 96, Darlegungs- und Beweislast  201 ff. Diskriminierungsschutz  85 ff., 158 ff., 202 Dispositionsfreiheit  43, 125, 131, 132  Dispositiver Anspruch  36 Eigentumsfreiheit  98 f., 125 ff., 149  Einstweiliger Rechtsschutz  63, 203 ff. Elternurlaub/Elternzeit  84, 203 Entfaltungsdimension des Art. 2 Abs. 1 GG  112 ff. Erfahrungskategorien  108 Freiheitsgrundrechte  101, 112, 116 f., 132, 134, 190 Fremdnützigkeit der Organtätigkeit  120 Fürsorgepflicht  33 f., 185 ff. Generalklauseln  29, 31, 87, 134, 142 ff., 156, 173, 176 f., 195, 201 Geschäftsbesorgung  46, 53 f. Gesellschafterbeschluss  55, 89, 169, 172, 200 Gesellschafterversammlung  39, 49, 55, 57, 66 f., 163, 168, 190, 192 Gesellschaftsanteile  124, 128, 130, 153, 163 Grundrechtskonflikte  132 ff., 146 ff.,

Stichwortverzeichnis229 Gute Sitten  179 Gute Sitten, Verstoß  56, 171 ff., Höchstpersönliche Pflichten  25, 81, 94 Identitätsarbeit  109 f. Interessenabwägung  35, 196 f. Klageart  200 Kundgabe –– Abberufung  168 –– Bestellung  40 Kündigung –– Anstellungsvertrag  47 f., 50, 53, 74 ff., 78 ff., 86 f. –– Arbeitsvertrag  20, 30, 35 f., 64 ff. Kündigungsschutz  30, 66 f., 70 f., 74 ff., 80, 87, 92, 96 Leistungsklage  200 f., 205 Menschenwürde  22, 24, 34, 112 f., 136, 160 Mittelbare Verfügungsbefugnis  127 f. Mittelbarer Grundrechtsschutz  23, 133 ff., 142 Mitwirkungshandlungen  20 Mutterschutz  70, 74, 76, 81 f., 96, 164, Mutterschutzgesetz  73 Mutterschutz-Richtlinie  64, 66, 69, 71, 75, 79 f. Nichtigkeit, Beschlussrecht  55 ff., 79, 168 ff. Organschaftliche Pflichten  41 ff., 48, 74, 94 Organstellung  38 ff., 41 ff., 48 ff., 61 ff., 70, 73 f., 77, 89, 91 f., 95 f., 98, 102, 120, 149 ff., 175, 180 ff., 189, 192 f., 201 Organverhältnis  50 ff., 64 ff., 77 ff., 88 f., 101 ff. Organwalter  39, 63, 80 f., 85, 120, 175, 185

Personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis  32 f. Persönlichkeitsentwicklung  108, 110 Persönlichkeitsintendierter Diskriminierungsschutz  158, 160 Persönlichkeitsmerkmale  108 Privatautonomie  26, 73, 133, 138, 152, 166, 189, Prozessuale Durchsetzung  95, 200 ff. Psychologie der Beschäftigung  105 ff. Rechtsgebietskonkurrenz  93 Rechtskraft  172, 201, 204 f. Rechtsmissbrauch  199 f. Satzungsänderungen  199 f. Satzungsrecht, Geschäftsführung  59 ff. Schutzbedürfnis  32, 137 ff. Schutzintensität  127 ff., 131 Schutzpflicht –– Gesetzgeber  141 f. –– Rechtsprechung  142 ff. Schutzpflichten im Privatrecht  87, 135 ff. Schutzpflichten-Kumulation  165 Schwebezeit  61 ff., 188 Selbst-Wahl  113 f. Selbstreflexivität  113 Sonderrecht, Geschäftsführung  40, 45, 57 ff., 61 f., 174, 184 Sonderverbindung, vertragliche  179 f., 185 Sozial-faktische Übermacht  32 Sozialstaatsprinzip  30, 166 Soziologie der Beschäftigung  105 ff. Staatliche Schutzpflicht  135 ff., 167 ff. Trennungsprinzip  48 ff., 65, 68, 180 Trennungstheorie  81, 183, 190  Treu und Glauben  23, 29, 33 f., 177 ff., 185, 192 Umgehung, treuwidrige  198 ff. 

230 Stichwortverzeichnis Unentgeltliche Tätigkeit  46, 54 Unzumutbare wirtschaftliche Belastung  35 f. Verbandsinstitution  39 Vereinigungsfreiheit  124, 131 Vertrauensgrundlage  35 Voraussetzungsschutz  115 f.

Weisungsrecht  21, 42, 44, 92, 102, 199, 203 Weiterbeschäftigungsanspruch  204 f. –– arbeitsrechtlicher  20, 22, 35 Widerruf der Bestellung  38, 42, 48 f., 71 Wiederbestellungsanspruch  59 f., 178, 193 f.