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German Pages 199 [200] Year 2021
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Florian Berger Der Begriff des Unternehmens im Rahmen des unionsrechtlich determinierten Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG
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Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 34
Herausgegeben vom UmsatzsteuerForum e.V. – Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts –
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Der Begriff des Unternehmens im Rahmen des unionsrechtlich determinierten Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG
von
Dr. Florian Alexander Maximilian Berger Passau
2021
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62234-3 ©2021 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany
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Meinem väterlichen Freund Prof. Dr. W. Christian Lohse
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Geleitwort Florian Berger untersucht in seiner Arbeit den Begriff des Unternehmens im Rahmen des unionsrechtlich determinierten Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG. Er kritisiert die unterschiedliche Terminologie im Unions recht (der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und im nationalen Recht, hält aber im Ergebnis eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 15 I 1, Ib 1 UStG für möglich und geboten. Er unterscheidet im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache VNLTO nichtwirtschaftliche, aber nicht unternehmensfremde – d. h. insbesondere hoheitliche, ideelle oder rein vermögensver waltende – Tätigkeiten von nichtwirtschaftlichen und zugleich unternehmensfremden Tätigkeiten einer Vereinigung. Bei natürlichen Personen ist der private Bereich unternehmensfremd. Vereinigungen weisen eben falls einen unternehmensfremden Bereich auf, vor allem bei Verwendun gen oder Dienstleistungen für den Bedarf ihres Personals. Hinsichtlich unternehmensfremder Verwendungen besteht ein Zuordnungswahlrecht, das einen Vorsteuerabzug ermöglicht. In Kapitel 3, dem Herzstück der Arbeit, widmet sich Florian Berger den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs aus einem Eingangsumsatz. Des sen Ausübung setzt voraus, dass der Eingangsumsatz in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit einem besteuerten Ausgangsumsatz steht. Eine wichtige Rolle spielt hier unter anderem der Vorsteuerabzug bei teilunternehmerisch verwendeten Grundstücken. Der Unionsgesetz geber hat nachträglich – um anders lautende Rechtsprechung des EuGH (Seeling) zu konterkarieren – Art. 168a I MwStSystRL eingefügt, wonach in diesen Fällen nur ein partieller Vorsteuerabzug möglich ist. Diese Norm setzt der deutsche Gesetzgeber durch § 15 Ib 1 UStG in nationales Recht um. Auch den weiteren Konstellationen geht Florian Berger in al len Verästelungen nach. Die Arbeit setzt sich sehr gründlich mit den aufgeworfenen grundlegen den und höchst praxisrelevanten Rechtsfragen auseinander und löst die terminologischen Differenzen zwischen Unionsrecht und nationalem Recht methodisch korrekt und überzeugend in Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur auf. Sie wird angesichts ihres klaren Pra xisbezugs nicht nur die wissenschaftliche Diskussion, sondern auch die Rechtsanwendung bereichern. Passau, im Februar 2021
Prof. Dr. Rainer Wernsmann VII
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Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2020/2021 von der Juristischen Fa kultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Rechtspre chung und Literatur sind bis Januar 2021 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rainer Wernsmann, für die sehr zügige Erstellung des Erstgutachtens. Seine An merkungen gaben mir viele zielführende Denkanstöße, die meine Dis sertation aufgewertet haben. Bereits im Rahmen des steuerrechtlichen Schwerpunktstudiums versprach er mir im Jahre 2016 die Möglichkeit einer Promotion bei ihm und forderte mich am Tag nach meiner münd lichen Examensprüfung auf, ihm ein Thema vorzuschlagen. Den persön lichen Austausch mit ihm empfinde ich immer als außerordentlich hilf reich und große Bereicherung. Sehr herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Meinhard Schröder für die eben falls sehr zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl tätig zu sein, erweist sich als Glücks griff. Die Zusammenarbeit, vorwiegend im allgemeinen und besonde ren Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht, bereitet mir enorme Freude. Zudem bekam ich von ihm viel Zeit und Freiraum, um mich meiner Promotion widmen zu können. Deshalb konnte ich die Arbeit in knapp zwei Jahren abschließen. Insgesamt betrachtet, ist die Tätigkeit an der Alma Mater, maßgeblich auch dank Kollegen wie Herrn Dr. Ramin Nikkho, die schönste Zeit meines bisherigen Lebens. Mit Stolz erfüllt mich die Aufnahme meiner Dissertation in diese Schrif tenreihe zum Umsatzsteuerrecht. Deswegen bin ich dem Umsatzsteuer Forum e. V. und seinem Vorsitzenden Herrn Prof. Dr. Hans Nieskens sehr dankbar. Meiner Mutter Elisabeth Eva, meinem Vater Franz Hubert und meinem Bruderherz Manuel danke ich sehr für ihre Zugewandtheit und den im mensen Rückhalt, den sie mir stets und unermüdlich gegeben haben. Dadurch haben sie mich motiviert und gestärkt. Mit dieser Arbeit trete ich in die großen Fußstapfen meiner Mutter, die ebenfalls an der Juristi schen Fakultät der Universität Passau promoviert wurde. Mein herzlicher Dank gilt außerdem all meinen guten Freunden, in ers ter Linie Herrn Christoph Draxinger, Herrn Dominik Hübsch und Herrn Jacob Weinert. Ohne ihre Hilfe hätte ich die eine oder andere Herausfor derung nicht gemeistert. Frau Julia Klier möchte ich besonders hervorhe IX
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Vorwort
ben. Sie hat mein Manuskript gelesen und dieses durch ihre kritischen Anregungen nicht nur sprachlich verbessert. Schließlich gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. W. Christian Lohse. Die Entstehung dieser Dissertation wurzelt in seinem Beitrag zur Festschrift 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018. Deswegen widme ich ihm als väterlichem Freund und fachlicher Kapazität diese Arbeit. Passau, im Februar 2021
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Florian Alexander Maximilian Berger
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Inhalt
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Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
Einleitung und Rechtfertigung des Themas § 1 Unklarheiten durch unterschiedliche begriffliche Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in der Mehrwertsteuer systemrichtlinie und im Umsatzsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 2 Vorzugswürdiger Begriff der Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . 2 § 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Kapitel 1: Das Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen (unternehmensfremd/außerhalb des Unternehmens) § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 A. Unionales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 § 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 A. Das Unternehmen und der unternehmensfremde Zweck im Sinne des Art. 26 I MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Geschichtliche Entwicklung in der Zweiten und Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Aktuelle Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Rechtsprechung zum Unternehmen der natürlichen Person 18 a) Das EuGH-Urteil Kühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 b) Das EuGH-Urteil Mohsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 c) Das EuGH-Urteil Armbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 XI
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Inhalt
d) Das EuGH-Urteil Enkler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 e) Das EuGH-Urteil Seeling (sog. Seeling-Rechtsprechung) . 22 f) Das EuGH-Urteil Puffer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 g) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Rechtsprechung zum Unternehmen einer Vereinigung . . . . 25 a) Das EuGH-Urteil VNLTO (ideelle Tätigkeit) . . . . . . . . . . 25 b) Das EuGH-Urteil Securenta (rein vermögensverwaltende Tätigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Das EuGH-Urteil Związek (hoheitliche Tätigkeit) . . . . . . 34 d) Das EuGH-Urteil Fillibeck (unternehmensfremde Dienst leistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 e) Das EuGH-Urteil BLM (unternehmensfremde Verwendung eines Gegenstands) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Stellungnahme zum Unternehmensbegriff des Art. 26 I MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 B. Das Unternehmen und der unternehmensfremde Zweck im Sinne des Art. 16 MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Geschichtliche Entwicklung in der Zweiten und Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Aktuelle Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 A. Das Unternehmen im Sinne des § 2 I 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Das Unternehmen im Sinne des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG . . . . . . . 44 C. Das Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG . . . . . . . . . . . 44 I. Geschichtliche Entwicklung: Das Unternehmen im Sinne von § 1 Nr. 2 UStG 1934 und § 1 I Nr. 2 UStG 1967/1980 . . . . 44 II. Aktuelle Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe . . . . . 47 D. Das Unternehmen im Sinne des § 2 II Nr. 2 UStG . . . . . . . . . . 52 § 4 Vergleich der unionalen und deutschen Rechtsgrundlagen . . . . 54 Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A. Unionales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 B. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 XII
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§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Mehrwertsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 A. Die Tatbestandsmerkmale des Steuerpflichtigen, der wirtschaftlichen Tätigkeit und deren Ableitungen . . . . . . . . . . 59 I. Entstehungsgeschichte der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Aktuelle Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. Rechtsformneutralität des Steuerpflichtigenbegriffs: Das EuGH- Urteil BLM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Typusbegriff des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Bestimmung des Anwendungsbereichs des Mehrwert steuerrechts durch die wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . 68 4. Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit: Das EuGH-Urteil INZO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 5. Entgeltlichkeit einer Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Tatsachenfrage der nachhaltigen Einnahmeerzielungsabsicht: Das EuGH-Urteil Lajvér . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Keine Leistung am allgemeinen Markt: Das EuGH-Urteil Gemeente Borsele . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6. Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei Holding gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Das EuGH-Urteil Investrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Das EuGH-Urteil AB SKF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Das EuGH-Urteil Ryanair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 7. Einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit mehrerer Rechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Das EuGH-Urteil Polski Trawertyn . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Das EuGH-Urteil Malburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Der Unternehmerbegriff und die unternehmerische Tätigkeit . 81 § 3 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 A. Entstehungsgeschichte der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Das Tatbestandsmerkmal des Unternehmers und seine Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
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§ 4 Vergleich der subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen und deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 A. Grundfall des Vorsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Grundlegende Voraussetzungen im unionalen und deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Weitere Voraussetzungen im unionalen und deutschen Recht . 91 B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung . . 93 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Grundfall des Vorsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung . . 95 § 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht . . . . . . . . 96 A. Grundfall des Vorsteuerabzugs (Art. 168 MwStSystRL) . . . . . . 96 I. Entstehungsgeschichte der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Erste Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Aktuelle Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Vorsteuerabzug durch Verwendung für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Das EuGH-Urteil Lennartz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Die EuGH-Urteile Securenta und VNLTO . . . . . . . . . . . . 100 c) Das EuGH-Urteil Eon Aset . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Zuordnungswahlrecht einer natürlichen Person . . . . . . . . 106 b) Zuordnungswahlrecht einer Vereinigung . . . . . . . . . . . . . 108 c) Unrichtige Formulierung der „Zuordnung zum Unternehmen“ in der neuen EuGH-Rechtsprechung . . . . 109 d) Zuordnungswahlrecht – Für und Wider . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Erkennbarkeit der Zuordnungsentscheidung und rechtzeitige Ausübung des Zuordnungswahlrechts . . . . . 112
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3. Keine Einlagenentsteuerung durch das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Stellungnahme zum unterschiedlichen Ausübungszeitpunkt des jeweiligen Vorsteuerabzugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5. Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Das EuGH-Urteil INZO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 b) Das EuGH-Urteil Investrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 c) Das EuGH-Urteil Becker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Das EuGH-Urteil Iberdrola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e) Das EuGH-Urteil Sveda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 f) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung (Art. 168a I MwStSystRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Anwendungsbereich und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . 129 II. Unternehmenstatbestand der Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 26 MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 3 Voraussetzungen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 A. Grundfall des Vorsteuerabzugs (§ 15 I 1 UStG) . . . . . . . . . . . . . 135 I. Entstehungsgeschichte der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Aktuelle Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Vorsteuerabzug durch Verwendung für das tätigkeitsbezogen auszulegende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Zuordnungswahlrecht einer natürlichen Person . . . . . . . . 140 b) Zuordnungswahlrecht einer Vereinigung . . . . . . . . . . . . . 141 c) Zuordnungswahlrecht mit Vorsteuerabzugsverbot bei geringer unternehmerischer Verwendung . . . . . . . . . . . . . 142 d) Zuordnung – Für und Wider: unrichtiges weitergehendes Begriffsverständnis im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 146 e) Erkennbarkeit der Zuordnungsentscheidung und rechtzeitige Ausübung des Zuordnungswahlrechts . . . . . 147 3. Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung (§ 15 Ib 1 UStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Anwendungsbereich und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . 151 II. Unternehmenstatbestand der Vorschrift im Zusammenhang mit § 3 IXa UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 XV
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Zusammenfassung der Ergebnisse Zu Kapitel 1: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Zu Kapitel 2: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Zu Kapitel 3: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas § 1 Unklarheiten durch unterschiedliche begriffliche Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und im Umsatzsteuergesetz Unionale Rechtsgrundlage für das Vorsteuerabzugsrecht ist Art. 168 MwStSystRL. Dieser lautet: „Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: […]“ Im deutschen Recht ist das Vorsteuerabzugsrecht in § 15 UStG geregelt. Die Norm weicht in ihrem Wortlaut von ihrer unionalen Vorgabe ab. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG lautet: „Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.“ Der Vorsteuerabzug kann nur von Steuersubjekten, d. h. von Steuerpflich tigen im Sinne des Unionsrechts (vgl. Art. 9, 168 MwStSystRL) bzw. von Unternehmern im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (vgl. §§ 2, 15 UStG) vorgenommen werden. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG fordert darüber hinaus, dass der Eingangsumsatz für das Unternehmen erfolgt. Die Mehrwert steuersystemrichtlinie kennt dieses Tatbestandsmerkmal als Vorsteuer abzugsvoraussetzung nicht, sondern verlangt stattdessen gem. Art. 168 MwStSystRL einen Eingangsumsatz, der für die besteuerten Umsätze verwendet wird. Die unterschiedlichen Begriffe in den verschiedenen Rechtsnormen füh ren zu Verständnisproblemen und stiften Verwirrung.1 Heuermann spricht
1 Heuermann, MwStR 2017, 729 (730); zustimmend Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 190; Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 919, 927; ders., UR 2020, 333 (338), die den Begriff als „irreführend“ bzw. „verwir rend“ bezeichnen.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
sogar von einer „Sprachverwirrung im höchsten Grad.“2 Diese Verwir rung hat ihren Ursprung im Tatbestandsmerkmal des „Unternehmens“.3 Wie im Verlaufe der vorliegenden Arbeit gezeigt wird, hat das „Unter nehmen“ in den einzelnen Vorschriften des deutschen Umsatzsteuerge setzes unterschiedliche Bedeutungen. Seit dem EuGH-Urteil VNLTO4 weicht der Bedeutungsgehalt des Unternehmensbegriffs im Sinne der Art. 16 und 26 bzw. § 3 Ib, IXa UStG von dem Unternehmenstatbestand innerhalb des § 15 I, Ib UStG ab. Aufgrund dieser Abweichung ist § 15 UStG nach einer Ansicht in der Literatur unionsrechtswidrig,5 da der Unternehmenstatbestand im Rahmen des § 15 I, Ib UStG einen en gen Begriffsinhalt6 enthält, während das „Unternehmen“ im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG weit zu verstehen ist.7 Juristisches Erkenntnisziel dieser Arbeit soll die Klärung des Unternehmensbegriffs sein.
§ 2 Vorzugswürdiger Begriff der Mehrwertsteuer Am 1. Januar 19688 wurde die Besteuerung des Umsatzes eines Unter nehmers vom Allphasen-Brutto-System auf das Allphasen-Netto-System umgestellt. Das Allphasen-Netto-System zeichnet sich dadurch aus, dass von der Steuer auf die Ausgangsumsätze die sog. Vorsteuer, d. h. die in den Eingangsumsätzen enthaltene Umsatzsteuer, abgezogen wird. Da durch ergibt sich eine Mehrwertbesteuerung. Die Steuer, die 1968 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurde, wird außer in der Repu blik Österreich9 in ganz Europa als „Mehrwertsteuer“ bezeichnet.10 Der Begriff „Mehrwertsteuer“ ist spezieller als der Begriff „Umsatz steuer“, da letzterer ein Gattungsbegriff11 für Steuern ist, unter den ne ben der Mehrwertsteuer (allgemeine Umsatzsteuer) z. B. auch die Grund
2 Heuermann, MwStR 2017, 729 (732). 3 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 94. 4 Das Urteil wird ab S. 25 behandelt. 5 Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926. 6 Siehe S. 138 ff. 7 Siehe S. 47 ff. 8 Möller, Umsatzsteuerrecht, Rn. 18. 9 Das Bundesgesetz der Republik Österreich über die Besteuerung der Umsätze trägt den Namen Umsatzsteuergesetz 1994 – UStG 1994. 10 Vgl. z. B. im Englischen: Value added tax; im Französischen: taxe à la valeur ajoutée. 11 Das Vorliegen eines Gattungsbegriffs ergibt sich z. B. aus der Zweiten und Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie durch die Verwendung des Worts „Umsatzsteuern“ im Plural.
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§ 2 Vorzugswürdiger Begriff der Mehrwertsteuer
erwerbsteuer (Sonderumsatzsteuer) fällt.12 Ferner beschreibt der Begriff „Umsatzsteuer“ sowohl die Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer als auch die Allphasen-Netto-Umsatzsteuer, während die Mehrwertsteuer nur die Allphasen-Netto-Umsatzsteuer umfasst.13 Die deutsche Sprachfassung der unionalen Rechtsquellen verwendet stets „Mehrwertsteuer“. Prominentestes Beispiel dafür ist die Mehrwertsteu ersystemrichtlinie. Insbesondere die EU-Verordnungen, die neben dem Umsatzsteuergesetz in Deutschland gem. Art. 288 II 2 AEUV (unmit telbar) geltendes Recht sind, verwenden weit überwiegend den Begriff „Mehrwertsteuer“.14 Auch das Umsatzsteuergesetz und die Verordnun gen verwendeten im Jahre 1968 den Begriff der „Mehrwertsteuer“, der als Klammerzusatz in der Überschrift des Gesetzes stand.15 Dieser Klam merzusatz wurde allerdings durch das UStG 197316 wieder gestrichen.17 Der Wegfall erfolgte nicht aus dogmatischen Gründen, sondern lediglich, um leichter zitieren zu können.18 Das Umsatzsteuergesetz stammt aus dem Jahre 1918.19 Diese Gesetzes bezeichnung wird noch immer im nationalen Recht verwendet, ist aber aus europäischer Sicht veraltet, wie die vorstehenden Erwägungen erge ben. Deshalb wird in dieser Arbeit wegen der Internationalisierung des Wirtschaftslebens der daran anknüpfende unionale Begriff der Mehrwert
12 Vgl. Englisch in Tipke/Lang²³, Steuerrecht, § 18 Rz. 3 f.; siehe auch Seiler in Maunz/ Dürig GG Art. 106 Rn. 143, der die speziellen Verbrauch- und Verkehrsteuern als Sonderumsatzsteuern bezeichnet; in Bezug auf die Verkehrsteuern ebenso Hidien, UR 2020, 667 (671); unberührt davon bleibt die zutreffende Feststellung von Werns mann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 3 AO Rz. 391, dass die Grunderwerbsteuer eine Verkehrsteuer ist. 13 Vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1635, die Allphasen-Netto-Umsatzsteuer wird hier als Mehrwertsteuer bezeichnet. 14 Vgl. z. B. die Durchverführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.03.2011, ABl. L 77, 23.03.2011, S. 1–22; Durchführungsverordnung (EU) Nr. 79/2012 der Kommission vom 31.01.2012, ABl. L 29 vom 01.02.2012, S. 13–32; Durchführungsverordnung (EU) Nr. 815/2012 der Kommission vom 13.09.2012, ABl. L 249 vom 14.09.2012, S. 3–10; der Begriff „Umsatzsteuer“ wird entweder gar nicht oder lediglich als Gattungsbegriff im Plural verwendet; siehe auch NL, FR 2020, 827 (828). 15 Vgl. BGBl. I 1967, 545; BStBl. I 1968, 161, 163, 166, 168, 179, 185, 390, 400; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Anm. 45. 16 Steueränderungsgesetz 1973 vom 26.06.1973, BGBl. I 1973, 676 (684) = BStBl. I 1973, 545 (553); Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Anm. 52. 17 Dies wird in der Literatur bedauert, vgl. NL, FR 2020, 827 (828). 18 Schlienkamp, UR 1971, 209 (210); Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 203. 19 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 ff.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
steuer verwendet, soweit es sich nicht um spezielle Ausführungen zum Umsatzsteuergesetz und seinen Begrifflichkeiten handelt.
§ 3 Gang der Untersuchung Die vorliegende Dissertation zum unionsrechtlich determinierten Vor steuerabzug nach § 15 UStG unterteilt sich in drei Kapitel. Nach ei ner Einführung wird in den jeweiligen Kapiteln zunächst das uniona le Recht untersucht, bevor näher auf das deutsche Recht eingegangen wird. Diese Reihenfolge erklärt sich dadurch, dass das Unionsrecht gem. Art. 4 III EUV die Auslegung des deutschen Rechts bestimmt.20 Kapitel 1 untersucht zunächst den Unternehmensbegriff in den unionalen Vorschriften der unentgeltlichen Wertabgabe. Diese ist für den Vorsteuer abzug von Bedeutung, da sie mit ihm korrespondiert. Sinn und Zweck der unentgeltlichen Wertabgabe ist die Verhinderung eines unversteuerten Endverbrauchs und die Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen/Unter nehmern und Endverbrauchern. Ohne die unentgeltliche Wertabgabe könnte ein Steuersubjekt die Vorsteuer für einen Gegenstand abziehen und diesen im Anschluss aus dem Unternehmen entnehmen bzw. für un ternehmensfremde Zwecke verwenden, ohne dass dafür Mehrwertsteuer anfiele.21 Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des Unternehmens, das die Art. 16 und 26 MwStSystRL bzw. § 3 Ib, IXa UStG enthalten, ist auf das EuGH-Urteil VNLTO einzugehen, das die Reichweite des Unterneh mensbegriffs bei Vereinigungen22 verändert hat. Das Urteil findet auf na türliche Personen keine Anwendung.23 Deswegen ist zunächst die EuGH-Rechtsprechung zur unentgeltlichen Wertabgabe bei natürlichen Personen zu untersuchen, anhand derer das Unternehmen und der unter nehmensfremde Bereich einer natürlichen Person zu bestimmen ist. Im Urteil VNLTO ließ der EuGH nur einen partiellen Vorsteuerabzug zu und judizierte, dass der nichtwirtschaftliche ideelle Bereich einer Verei nigung nicht unternehmensfremd sei.24 Vor der Entscheidung ging der 20 EuGH vom 24.01.2012 – C-282/10, Dominguez = EuZW 2012, 342, Rn. 24; EuGH vom 10.10.2013 – C-306/12, Welter = NJW 2014, 44, Rn. 30; Ehlers in: Schulze/ Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 11 Rn. 46 ff.; Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 4, Rn. 97. 21 Vgl. Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 223 f. 22 Siehe zum Begriff der Vereinigung im Sinne dieser Arbeit S. 64 ff. 23 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39. 24 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37 f.
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§ 3 Gang der Untersuchung
Rechtsanwender, also jeder, der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie oder vom Umsatzsteuergesetz betroffen ist, davon aus, dass das Unter nehmen der wirtschaftlichen Tätigkeit entspricht und der nichtwirt schaftliche mit dem unternehmensfremden Bereich gleichzusetzen ist. Deshalb ist der unternehmenseigene und der unternehmensfremde Be reich einer Vereinigung zu bestimmen sowie die Begründung und Rich tigkeit dieser Entscheidung zu untersuchen. In seinem VNLTO-Urteil verweist der EuGH auf seine Entscheidung Securenta25, die erstmals ein Vorsteuerabzugsverbot für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten enthielt und daher richtungsweisend für das spätere Urteil war.26 Beide Entscheidungen betreffen nichtwirtschaftliche, aber nicht unter nehmensfremde Tätigkeiten27 einer Vereinigung, d. h. insbesondere ho heitliche, ideelle und rein vermögensverwaltende Tätigkeiten. Bei diesen ist der Tatbestand der unentgeltlichen Wertabgabe nicht anwendbar. Eine Vereinigung kann daneben auch einen nichtwirtschaftlichen und zugleich unternehmensfremden Bereich haben, in dessen Rahmen die unentgeltliche Wertabgabe anwendbar ist.28 Die Anwendbarkeit des Art. 26 I MwStSystRL in Bezug auf Vereinigungen wird anhand der Urtei le Fillibeck und BLM erläutert.29 Im Anschluss wird noch auf das Unternehmen im Sinne des Art. 16 MwStSystRL eingegangen, da diese Vorschrift unentgeltliche Wertabga ben in Form von Entnahmen besteuert und der Unternehmensbegriff mit dem des Art. 26 I lit. a MwStSystRL zusammenhängt. Im deutschen Recht wird das Unternehmen in § 2 I 2 UStG definiert und umfasst die gewerbliche und berufliche (= unternehmerische) Tätigkeit des Unternehmers. Weiter sind die Ableitungen des Unternehmens begriffs, z. B. „außerhalb des Unternehmens“ zu untersuchen und zu be werten. § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG bestimmt die Steuerbarkeit eines Umsatzes bzw. den Anwendungsbereich des Umsatzsteuergesetzes. Auch diese Vor schrift enthält das Tatbestandsmerkmal des Unternehmens, dessen Aus legung zu bestimmen ist.
25 Die Entscheidung wird auf den S. 32 ff. behandelt. 26 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 35 ff. 27 Vereinfacht spricht man von nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne, z. B. in Abschnitt 2.3. Ia 2 UStAE. 28 A. A. wohl Reiß, UR 2020, 747 (761). 29 Siehe S. 35 f.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
§ 3 Ib, IXa UStG enthält sowohl das Tatbestandsmerkmal des Unterneh mens als auch dessen Ableitung „außerhalb des Unternehmens“. Die Vorschrift setzt die Art. 16 und 26 MwStSystRL ins deutsche Recht um.30 Die Auswirkungen der VNLTO-Rechtsprechung auf den unternehmens eigenen und den unternehmensfremden Bereich der nationalen Vor schrift sind zu untersuchen. Abschließend wird der Unternehmenstatbestand des unionalen und deut schen Rechts verglichen und geprüft, ob die Bundesrepublik Deutsch land ihre Umsetzungspflicht aus Art. 288 III AEUV erfüllt hat. Kapitel 2 hat die Erforschung des Steuersubjekts zum Gegenstand, weil nur dieses zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn es als solches han delt. Für dieses Handeln ist Voraussetzung, dass das Steuersubjekt eine Tätigkeit erbringt, die gem. Art. 2 I MwStSystRL im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts liegt. Im unionalen Recht ist das Steuersubjekt der Steuerpflichtige. Steuer pflichtiger ist gem. Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL, wer eine wirtschaftli che Tätigkeit selbständig ausübt. Nach der Rechtsformneutralität kann grundsätzlich jedes Rechtssubjekt rechtsformunabhängig Steuerpflichti ger sein. Bei Art. 9 I MwStSystRL ist zu prüfen, ob die Begriffe Steuer pflichtiger und wirtschaftliche Tätigkeit typologisch durch einen wer tenden Vergleich oder durch das Vorliegen starrer Tatbestandsmerkmale zu bestimmen sind.31 Eine wirtschaftliche Tätigkeit setzt gem. Art. 9 I UAbs. 2 S. 2 MwSt SystRL nachhaltiges Handeln mit Einnahmeerzielungsabsicht voraus. Deshalb ist zu untersuchen, wann eine Tätigkeit nach dem unionalen Recht entgeltlich ausgeübt wird. Besondere Probleme bereitet die Frage, wann eine Aktienholding wirt schaftlich tätig ist. Bei reiner Vermögensverwaltung durch die Holding ist (genau wie bei ideellen Vereinszwecken) von einer nichtwirtschaftli chen Tätigkeit im engeren Sinne auszugehen.32 Weiter wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen eine einheitli che wirtschaftliche Tätigkeit von unterschiedlichen Rechtssubjekten erbracht werden kann. Anschlussfrage in Bezug auf den Vorsteuerabzug ist hier, durch wen dieser geltend zu machen ist. 30 Sölch/Ringleb/Martin UStG § 3 Rn. 9. 31 Zum Unterschied zwischen einem Typusbegriff und einem abstrakten Rechtsbe griff siehe Wernsmann, DStR-Beih. 2011, 72 (76). 32 Siehe S. 74 ff.
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§ 3 Gang der Untersuchung
Vom Begriff des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit wer den ihre Gegenbegriffe Nichtsteuerpflichtiger und nichtwirtschaftliche Tätigkeit abgeleitet. Nichtwirtschaftliche Tätigkeiten unterteilen sich in nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne33 und unterneh mensfremde Tätigkeiten. Steuersubjekt im deutschen Recht ist der Unternehmer,34 der in § 2 I 1 UStG tätigkeitsbezogen definiert ist. Die Merkmale dieser Definition und die Ableitungen aus dem Unternehmerbegriff, z. B. nichtunterneh merisch, werden erforscht. Unter eine nichtunternehmerische Tätigkeit fällt sowohl eine nichtunternehmerische Tätigkeit im engeren Sinne als auch eine Tätigkeit außerhalb des Unternehmens.35 Abschließend werden die Tatbestandsmerkmale des Steuersubjekts im unionalen und nationalen Recht verglichen. Insbesondere wird auf ihre inhaltliche Übereinstimmung eingegangen. In Kapitel 3 werden die Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugs er forscht, die sich in Art. 168 MwStSystRL und § 15 UStG befinden. Zen trale Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ist das Handeln als Steuerpflich tiger bzw. Unternehmer im Zeitpunkt des Erwerbs, mithin das Erbringen einer wirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Tätigkeit.36 Art. 168 MwStSystRL lässt einen Vorsteuerabzug bei einer objektiven Verwendung für „besteuerte Umsätze“ zu. Anhand der EuGH-Entschei dung Gmina Ryjewo wird untersucht, ob über den Wortlaut der Vor schrift hinaus bei Gegenständen stets eine Zuordnungsentscheidung er forderlich ist, um den Vorsteuerabzug geltend zu machen. In diesem Fall gäbe es nur einen „Zuordnungsvorsteuerabzug“. Wäre ein Vorsteuerab zug darüber hinaus auch durch objektive Verwendung eines Gegenstands möglich, würde neben dem „Zuordnungsvorsteuerabzug“ ein „Verwen dungsvorsteuerabzug“ existieren. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Zuordnungswahlrecht kann ein Vorsteuerabzug bei einer Verwendung sowohl für besteuerte Umsät ze als auch für unternehmensfremde Zwecke37 im Sinne des Art. 26 I 33 Diese Tätigkeiten werden auch etwas umständlich als nichtwirtschaftlich, aber nicht unternehmensfremd bezeichnet. 34 Vgl. Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 1 UStG Rn. 299. 35 Vgl. Abschnitt 2.3. Ia 2 UStAE; Abschnitt 3.3. I 4 UStAE. 36 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 34; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 8. 37 Man spricht in diesen Fällen auch von einer gemischten bzw. teilunternehmeri schen Verwendung.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
lit. a MwStSystRL im Falle der Zuordnung zum Unternehmen vollstän dig geltend gemacht werden. Die Voraussetzungen und die Funktions weise dieses „Zuordnungsvorsteuerabzugs“ sind zu bestimmen. Ein vollständiger Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit einer unterneh mensfremden Verwendung ist in der Literatur umstritten.38 Daher ist zu untersuchen, ob der volle Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Wirt schaftsgütern überzeugend ist. Unabhängig davon ist zu erläutern, wie eine Zuordnungsentscheidung nach außen erkennbar getroffen werden kann und warum diese angesichts des Grundsatzes des Sofortabzugs der Vorsteuer im Zeitpunkt des Erwerbs erfolgen muss. Im Streitfall, der dem EuGH-Urteil Gmina Ryjewo zugrunde lag, ist im Zeitpunkt der Herstellung des Gegenstands keine Zuordnungsentschei dung erfolgt. Dennoch war ein Vorsteuerabzug mehrere Jahre nach der Herstellung möglich. In der Literatur wird daraus zum Teil gefolgert, dass die Entscheidung ein Meilenstein39 in der Zuordnungsrechtspre chung des EuGH sei und dieser nun eine Einlagenentsteuerung für mög lich halte. Daher sind die Auswirkungen des Urteils auf die Zuordnungs rechtsprechung des EuGH zu bestimmen. Insbesondere ist zu klären, ob das Urteil diese Rechtsprechung überhaupt betrifft.40 Geht man wie in dieser Arbeit davon aus, dass das Urteil Gmina Ryjewo den Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts unbe rührt lässt und es infolgedessen keine Einlagenentsteuerung ermöglicht, stellt sich angesichts des Grundsatzes des Sofortabzugs der Vorsteuer die Folgefrage, warum der Vorsteuerabzug im Streitfall durch die objektive Verwendung für besteuerte Umsätze noch nach mehreren Jahren erfol gen konnte, während er beim Zuordnungswahlrecht im Zeitpunkt des Erwerbs ausgeübt werden muss. Im Rahmen dieser Untersuchung wer den mögliche Differenzierungsgründe für die unterschiedlichen Aus übungszeitpunkte herausgearbeitet. Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugs aus einem Ein gangsumsatz ist, dass dieser in direktem und unmittelbarem Zusammen hang mit einem besteuerten Ausgangsumsatz steht. Deswegen ist zu untersuchen, wann ein derartiger Zusammenhang vorliegt und in wel chen Fällen ein Vorsteuerabzug unabhängig von einem direkten und un mittelbaren Zusammenhang aus Gründen des mehrwertsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes zu gewähren ist. 38 Siehe S. 109 ff. 39 Widmann, UR 2018, 666. 40 Siehe S. 114 ff.
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§ 3 Gang der Untersuchung
Neben dem Grundfall des Art. 168 MwStSystRL existiert mit Art. 168a I MwStSystRL ein Sonderfall, der nur einen partiellen Vorsteuerabzug bei gemischt verwendeten Grundstücken zulässt. Die Vorschrift enthält genau wie Art. 26 I lit. a MwStSystRL das Tatbestandsmerkmal des Un ternehmens. Sinn und Zweck der Vorschrift ist das Konterkarieren der Seeling-Rechtsprechung.41 Vor Einführung der Vorschrift konnten ge mischt genutzte Grundstücke dem Unternehmen zugeordnet und die Vorsteuer vollständig abgezogen werden. Dies spricht zunächst für einen einheitlichen Unternehmenstatbestand in den Art. 26 I lit. a und 168a I MwStSystRL. Ob der Unternehmensbegriff tatsächlich inhaltsgleich ist, ist zu untersuchen und kritisch zu würdigen. Im deutschen Recht ist ein Vorsteuerabzug gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG zulässig, wenn der Unternehmer die Leistung eines anderen Unterneh mers für sein Unternehmen verwendet. Diese Leistung muss steuer pflichtig sein, vgl. § 15 II 1 Nr. 1 UStG. Die Bedeutung des Unternehmens tatbestands des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist durch Auslegung zu ermitteln, weil die zugrundeliegende Vorschrift des Art. 168 MwStSystRL den Un ternehmensbegriff nicht enthält. In der Literatur wird im Rahmen dieser Auslegung seit dem Urteil VNLTO wohl vertreten, dass auch nichtwirt schaftliche Tätigkeiten zum Unternehmen im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG gehören.42 Dieser Ansicht wird kritisch entgegengetreten. Weiter wird untersucht, ob der Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zu ordnungswahlrechts im deutschen Recht der Rechtsprechung des EuGH entspricht. Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfolgt durch eine Zuordnungsentscheidung des Unternehmers. Insbesondere ist zu erforschen, ob ein Handeln als Unternehmer nach dem nationalen Recht immer eine Zuordnung voraussetzt oder ob dies nur im Rahmen des Zuordnungswahlrechts der Fall ist. Daran schließt sich die Frage an, ob die vollständige unternehmerische Verwendung an ein Zuordnungs gebot geknüpft werden kann.43 Im Anwendungsbereich des Wahlrechts ist in Anlehnung an das unionale Recht zu bestimmen, wie die Zuord nung ausgeübt werden kann und bis wann sie zu erfolgen hat. Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ist auch im deutschen Recht das Vor liegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen ei nem Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen. Die 41 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D. 42 Siehe S. 138 ff. 43 Diese Auffassung vertritt die Verwaltung, vgl. Abschnitt 15.2c I 1 UStAE.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
Übereinstimmung dieser Voraussetzung mit der des unionalen Rechts ist zu prüfen. § 15 Ib 1 UStG beruht auf Art. 168a I MwStSystRL. Die Vorschrift nor miert insoweit ein Vorsteuerabzugsverbot, als der Unternehmer ein Grundstück nicht „für Zwecke des Unternehmens“ verwendet, und kon terkariert dadurch die Seeling-Rechtsprechung im deutschen Recht.44 § 15 Ib 1 UStG enthält dreimal das Tatbestandsmerkmal des Unterneh mens. In der Literatur wird vereinzelt vertreten, dass der in der Vorschrift enthaltene Unternehmensbegriff zum einen unionsrechtswidrig und zum anderen unterschiedlich auszulegen sei.45 Die gegenteiligen Argu mente werden in dieser Arbeit dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen und daher verwirrenden Tatbestands voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Art. 168 f. MwStSystRL und § 15 I 1 Nr. 1 S. 1, Ib 1 UStG lautet der Titel der vorliegenden Disserta tion: „Der Begriff des Unternehmens im Rahmen des unionsrechtlich determinierten Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG.“
44 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D. 45 Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926.
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Kapitel 1: Das Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen (unternehmensfremd/außerhalb des Unternehmens) § 1 Einführung A. Unionales Recht Der Begriff des Unternehmens kommt in der unionalen und nationalen Rechtsordnung vielfach vor. Den Begriff des Unternehmens verwendet auf unionaler Ebene nicht nur das Mehrwertsteuerrecht, sondern z. B. auch das unionale Beihilferecht. Unternehmen im Sinne des Art. 107 I AEUV ist jede „natürliche und juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die Güter oder Dienstleistungen auf einem Markt an bietet.“46 Im Wettbewerbsrecht ist ein Unternehmen nach dem EuGH „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von Rechtsform oder Art der Finanzierung.“47 Das unionale Beihilfe- und das unionale Wettbewerbsrecht dienen naturgemäß einem anderen Zweck als das Mehrwertsteuerrecht. Daher beschäftigt sich diese Arbeit auf europäischer Ebene ausschließlich mit dem Unternehmensbegriff des Mehrwertsteuerrechts.
B. Deutsches Recht Auf nationaler Ebene wird der Begriff des Unternehmens in den §§ 74 f. AO verwendet, der nach dem BFH dem des Umsatzsteuergesetzes ent spricht.48 Außerdem gibt es den Unternehmenstatbestand z. B. in § 15 I 1 Nr. 1 EStG, der sich nicht mit dem umsatzsteuerrechtlichen Begriff deckt.49 Für eine Unterscheidung spricht schon der sog. Grundsatz des einheitlichen Unternehmens, der im Mehrwertsteuerrecht gilt, nicht je doch im Einkommensteuerrecht.50
46 Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 107, Rn. 27. 47 Weiß, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 101, Rn. 25 m. w. N.; Berg/Szymczak, UR 2018, 853 (855). 48 BFH vom 11.05.1993 – VII R 86/92 = DStR 1993, 1256. 49 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 42. 50 Siehe dazu S. 41 f.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Grundsätzlich hängt die Definition des jeweiligen Unternehmensbegriffs in einem Gesetz vom Zweck dieses Gesetzes ab. Der Unternehmensbe griff kann je nach Gesetzeszweck also sehr weit oder sehr eng zu definie ren sein. Ebenfalls erscheint es möglich, dass der Unternehmenstatbe stand im Rahmen eines Gesetzes unterschiedlich weit oder eng zu definieren ist, wenn der Gesetzeszweck dies gebietet. Als Beispiel hierfür lässt sich das Handelsgesetzbuch anführen: Unternehmen im Sinne des § 1 II HGB ist „die wirtschaftliche Organisation, mittels derer der Unter nehmer am Markt tätig wird.“51 Im Rahmen von § 271 HGB liegt ein Unternehmen dagegen vor, „wenn in abgrenzbarer Weise eigenständige erwerbswirtschaftliche Ziele mittels einer nach außen in Erscheinung tretenden Organisation verfolgt werden.“52 Während die §§ 1 ff. HGB den Zweck verfolgen, einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs zu definieren, handelt es sich bei § 271 HGB um eine Bilanzierungsvor schrift. Deshalb ergibt sich die abweichende Definition des Unterneh menstatbestands schon aus systematischen Erwägungen und beide Vor schriften dienen einem unterschiedlichen Gesetzeszweck. Dass ein und derselbe Begriff in unterschiedlichen Zusammenhängen ein abweichender Bedeutungsgehalt zukommen kann, zeigt sich etwa auch im Grundgesetz hinsichtlich des Begriffs der „verfassungsmäßigen Ord nung“. Dieser ist in den Art. 2 I, 9 II, 20 III, 20a, 28 I und 98 II53 GG nor miert. Verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 2 I GG ist die ver fassungsmäßige Rechtsordnung, die alle formellen und materiellen Gesetze umschließt.54 Im Rahmen von Art. 28 I GG ist das gesamte Lan desrecht die verfassungsmäßige Ordnung. Fielen nur die Landesverfas sungen unter den Begriff, könnten die Länder der Bindungswirkung der Vorschrift bei einfachen Gesetzen entfliehen.55 Dies widerspräche dem Telos der Vorschrift, daher ist eine extensive Auslegung geboten. Verfas sungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 9 II GG ist die freiheitlich de mokratische Grundordnung (restriktive Auslegung). Hierunter versteht man die gesamte Verfassung, nicht wie bei Art. 2 I GG die gesamte ver fassungsmäßige Rechtsordnung.56 Auch hinsichtlich Art. 20 III und 20a GG ist die verfassungsmäßige Ordnung als die Gesamtheit aller Normen der 51 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth, HGB § 1 Rn. 41, Einleitung vor § 1 Rn. 10. 52 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Morck/Drüen, HGB § 271 Rn. 2a. 53 Siehe zum Begriffsinhalt der verfassungsmäßigen Ordnung des Art. 98 II GG Hill gruber in Maunz/Dürig GG Art. 98 Rn. 37. 54 BVerfG vom 10.04.1997 – 2 BvL 45/92 = NVwZ 1997, 1109 (1110); BVerfG vom 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 = NVwZ 1957, 297. 55 Mehde in Maunz/Dürig GG Art. 28 Rn. 46. 56 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 19.
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§ 1 Einführung
Verfassung auszulegen.57 Begründen kann man diese unterschiedlichen Begriffsinhalte wiederum mit dem Sinn und Zweck der jeweiligen Norm. Bei Art. 2 I GG stellt die verfassungsmäßige Ordnung eine Schranke dar. Es ergäbe keinen Sinn, wenn diese Schranke auf die Normen der Verfas sung begrenzt wäre. Es zeigt sich, dass die Bedeutung eines Worts anhand des jeweiligen Kon texts zu ermitteln ist. Dieser kann einem Rechtsbegriff unterschiedliche Bedeutungen verleihen (sog. Relativität der Rechtsbegriffe).58 Die unions rechtliche Determination des Unternehmens führt im Umsatzsteuerge setz zu einer unterschiedlichen Bedeutung dieser Begrifflichkeit, wie im Verlaufe dieser Arbeit erläutert wird.
C. Gang der Untersuchung Auch wenn Rechtsbegriffe relativ sind, erscheint es zumindest zweifel haft, ob ein Begriff, der in einer Norm im Rahmen eines Absatzes mehr fach vorkommt, eine unterschiedliche Bedeutung haben kann. Nicht von vorneherein ausgeschlossen ist eine unterschiedliche Bedeutung der Tat bestandsmerkmale „Unternehmen“ bzw. „unternehmensfremd/außer halb des Unternehmens“ auf unionaler Ebene im Rahmen des Art. 168a I MwStSystRL und auf nationaler Ebene innerhalb des § 15 Ib 1 UStG.59 Beide Vorschriften werden in Kapitel 360 erforscht, deshalb kann die Mög lichkeit eines unterschiedlichen Begriffsinhalts innerhalb eines Absatzes einer Rechtsnorm jedenfalls in diesem Kapitel noch dahinstehen. Zu nächst soll der Unternehmenstatbestand der Art. 16 und 26 MwStSystRL und auf nationaler Ebene der der § 1, § 2 und § 3 UStG und seine Ablei tungen, z. B. unternehmensfremd und außerhalb des Unternehmens, er forscht werden.
57 Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Art. 20 Rn. 250; A. Epiney in v. Mangoldt/Klein/Starck GG Art. 20a Rn. 54; Scholz in Maunz/Dürig GG Art. 20a Rn. 52. 58 Kowalski, NJW 2020, 2229 (2232) m. w. N. 59 Eine unterschiedliche Auslegung befürwortet Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926. 60 Siehe S. 91 ff.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
A. Das Unternehmen und der unternehmensfremde Zweck im Sinne des Art. 26 I MwStSystRL I. Geschichtliche Entwicklung in der Zweiten und Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie Das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ wurde erstmals in der Zwei ten Mehrwertsteuerrichtlinie61 auf unionaler Ebene eingeführt.62 Damals war die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands bzw. die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung noch nicht steu erbar. Dies änderte sich erst durch die Bestimmung des Art. 6 II der 6. MwSt-RL63, der Vorgängervorschrift des heute gültigen Art. 26 MwSt SystRL.64 Art. 6 II der 6. MwSt-RL lautete: „Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt: a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat; b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“ Der ehemalige Wortlaut unterscheidet sich nicht nennenswert von der heute gültigen Fassung.65 Deswegen ist die Rechtsprechung zu Art. 6 II der 6. MwSt-RL heute noch maßgeblich. Dafür spricht auch der drit te Erwägungsgrund der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, wonach diese 61 Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. P 71 vom 14.04.1967, S. 1303 ff. 62 Beispielsweise in Art. 5 III der 2. MwSt-RL, siehe S. 37 ff. und Art. 11 I der 2. MwStRL, siehe S. 96 f. 63 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1 ff. 64 Gem. Art. 411 I MwStSystRL wurde die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie aufgehoben. 65 Dies ergibt sich bei einem Vergleich der Rechtsnormen.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
grundsätzlich nicht zu einer inhaltlichen Änderung des geltenden Rechts, mithin der Sechsten Richtlinie, führen sollte. Die Mehrwertsteuersys temrichtlinie schließt demnach inhaltlich an die Sechste Mehrwertsteu errichtlinie an.66 Während bereits Art. 6 II der 6. MwSt-RL auf „unternehmensfremde Zwecke“ abstellte, ging der Vorschlag der Kommission für die Regelung noch von „Zwecken, die außerhalb des Unternehmens liegen“, aus.67 Die im Vorschlag verwendete Terminologie entspricht der des deutschen Umsatzsteuergesetzes, die schon in § 1 Nr. 2 UStG 1934 beim damaligen Eigenverbrauch68 verwendet wurde und noch heute im nationalen Recht gültig ist.69 Die Gleichstellung mit einer entgeltlichen Dienstleistung er folgte deshalb, weil der Richtlinie der Steuertatbestand des Eigenver brauchs fremd war.70 Der Vergleich des Wortlauts von Vorschlag und Endfassung der Richtlinie lässt vermuten, dass die heute gültige uniona le und deutsche Terminologie im Bedeutungsgehalt identisch ist. Das gleichzeitig eingeführte Vorsteuerabzugsrecht nach Art. 17 II der 6. MwSt-RL71 enthielt das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ im Ge gensatz zur Vorgängervorschrift des Art. 11 I der 2. MwSt-RL nicht mehr. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass das Unternehmen im Sinne des Art. 6 II der 6. MwSt-RL nicht zwangsläufig einen engen Begriffsin halt72 aufweist.
II. Aktuelle Vorschrift Art. 26 I MwStSystRL lautet:73 „Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sind folgende Umsätze: a) Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Perso66 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Korf, DB 2009, 758 (759). 67 Vgl. Art. 7 II des Vorschlags der sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. C 80 vom 05.10.1973, S. 5 = BR-Drs. 493/73, S. 7. 68 UStG vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942 = RStBl. 1934, 1166; siehe zum ehemali gen Eigenverbrauch S. 44 ff. 69 Die heute gültige nationale Vorschrift ist § 3 IXa UStG, siehe dazu S. 47 ff. 70 Langer/Rokos, Die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, S. 33. 71 Siehe S. 97 f. 72 Zum engen Unternehmensbegriff des Art. 11 I der 2. MwSt-RL siehe S. 96 f. 73 Der Abdruck der kompletten Vorschrift ist hier entbehrlich.
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nals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat; b) unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.“ Sinn und Zweck des Art. 26 I MwStSystRL ist die Herstellung von Gleichbehandlung zwischen einem Steuersubjekt und einem Endver braucher, wenn das Steuersubjekt einen dem Unternehmen zugeordne ten Gegenstand für den privaten Bedarf, für den Bedarf des Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet oder eine Dienst leistung unentgeltlich für die genannten Zwecke erbringt. Deshalb stellt die Vorschrift eine derartige Verwendung bzw. eine unentgeltliche Er bringung einer Dienstleistung mit einer entgeltlichen Dienstleistung, die nach Art. 2 I lit. c MwStSystRL steuerbar ist, gleich.74 Eine Tätigkeit, die nicht in den Bereich des Unternehmens fällt bzw. nicht zum Unter nehmen gehört, ist unternehmensfremd. Dieser Begriff ist von der Ter minologie des Unternehmens abgeleitet. Gäbe es Art. 26 I lit. a MwStSystRL nicht, könnte ein Steuersubjekt ei nen Gegenstand nach Abzug der Vorsteuer unternehmensfremd verwen den, ohne einer Besteuerung ausgesetzt zu sein. Dies hätte erstens einen unversteuerten Endverbrauch und zweitens eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit einem gewöhnlichen Endverbraucher zur Fol ge, der keinen Abzug der Vorsteuer geltend machen kann.75 Wenn ein Steuerpflichtiger einen dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand, d. h. einen Gegenstand, für den der Vorsteuerabzug vorgenommen wurde, für unternehmensfremde Zwecke verwendet, handelt er wertungsmäßig wie ein Endverbraucher und muss daher auch wie ein solcher behandelt werden.76 Ein vorheriger Vorsteuerabzug ist tatbestandlich deshalb erforderlich, da es andernfalls zu einer Doppelbesteuerung käme, die das Mehrwertsteu 74 Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 223. 75 EuGH vom 27.06.1989 – C-50/88, Kühne = NJW 1989, 3089, Rn. 8; EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 33, 35; EuGH vom 16.10.1997 – C-258/95, Fillibeck = EuZW 1998, 51, Rn. 25; EuGH vom 14.09.2006 – C-72/05, Hausgemeinschaft Wollny = IStR 2006, 705, Rn. 31 f.; EuGH vom 11.12.2008 – C-371/07, Danfoss A/S, AstraZeneca = DStRE 2009, 168, Rn. 46 m. w. N.; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 224. 76 Vgl. EuGH vom 11.12.2008 – C-371/07, Danfoss A/S, AstraZeneca = DStRE 2009, 168, Rn. 47; Heuermann, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 462.
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errecht nicht vorsieht und die dem Neutralitätsprinzip zuwiderliefe.77 Beispielhaft könnte ein Steuersubjekt in Form einer natürlichen Person seinen Dienstwagen durch seine willentliche Entscheidung gänzlich sei nem Unternehmen zuordnen und teilweise privat nutzen. Aufgrund der vollständigen Zuordnung ist das Steuersubjekt bzw. die natürliche Per son zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.78 Hinsichtlich des Anteils der Zuordnung besteht ein Wahlrecht des Steuersubjekts. Im Gegenzug ist das Steuersubjekt jedoch verpflichtet, die Mehrwertsteuer hinsichtlich der privaten Verwendung des Dienstwagens zu entrichten, um den inso weit zu hoch ausgefallenen Vorsteuerabzug zu korrigieren.79 Im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zu ordnungswahlrechts formuliert der EuGH, dass mit der Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen ein Vorsteuerabzugsrecht einhergehe.80 Dies ist seit dem EuGH-Urteil VNLTO sprachlich ungenau. Sprachlich treffender wäre eine Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit, denn nur im Rahmen dieser Tätigkeit kann ein Vorsteuerabzugsrecht entstehen.81 Die „Verwendung“ im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL ist eng aus zulegen und umfasst daher nur die zeitweise Verwendung des Gegen stands. Nebenleistungen, die im Zusammenhang mit dieser Verwendung stehen, fallen nicht unter den Tatbestand. Bei einem Auto als Gegen stand sind z. B. die Kfz-Steuer und die Versicherung nicht von der Bemes sungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgabe umfasst, da diese Auf wendungen zur Nutzung und Erhaltung des Gegenstands ihrerseits keine Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ermöglichen.82 Abweichend von Art. 26 I lit. a MwStSystRL ist bei Art. 26 I lit. b MwSt SystRL nicht Voraussetzung, dass eine Berechtigung zum Vorsteuerab zug bestand. Zunächst scheint sich dieser Unterschied dadurch erklären 77 EuGH vom 27.06.1989 – C-50/88, Kühne = NJW 1989, 3089, Rn. 10, 17; EuGH vom 25.05.1993 – C-193/91, Mohsche = BeckRS 2004, 74843, Rn. 9; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 224. 78 Siehe zum Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts S. 105 ff. 79 Vgl. EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, 2. Vorlagefrage; EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 43; EuGH vom 14.09.2006 – C-72/05, Hausgemeinschaft Wollny = IStR 2006, 705, Rn. 24; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 225. 80 Vgl. z. B. EuGH vom 11.12.2008 – C-371/07, Danfoss A/S, AstraZeneca = DStRE 2009, 168, Rn. 47; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 32; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff. 81 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 102, siehe S. 109 dieser Arbeit. 82 Vgl. EuGH vom 25.05.1993 – C-193/91, Mohsche = BeckRS 2004, 74843, Rn. 4, 13 f.; EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 34; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 227.
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zu lassen, dass eine Dienstleistung eine unkörperliche Leistung ist, für die im Vorfeld aufgrund dessen kein Vorsteuerabzug denkbar ist.83 Zwar wird eine Dienstleistung naturgemäß oft mithilfe von Gegenständen er bracht, diesbezüglich greift aber schon Art. 26 I lit. a MwStSystRL. Den noch ist das Fehlen dieser Tatbestandsvoraussetzung schlichtweg unbil lig und als systemwidrig anzusehen. Denn ohne die Voraussetzung eines vorangegangenen Vorsteuerabzugs kann es bei einer unentgeltlichen Wertabgabe nach Art. 26 I lit. b MwStSystRL zu einer Doppelbesteue rung kommen, wenn das Steuersubjekt extern Leistungen für den priva ten Bedarf des Personals, beispielsweise eine Konzertkarte für einen An gestellten, einkauft. Mangels Verwendung für besteuerte Umsätze besteht nach Art. 168 MwStSystRL beim Einkauf kein Vorsteuerabzugs recht. Ungeachtet dessen liegt durch die Abgabe der Konzertkarte an den Arbeitnehmer tatbestandlich eine Leistung für den privaten Bedarf des Personals vor. Dieses unbillige Ergebnis kann aber jedenfalls durch eine enge Auslegung der unternehmensfremden Zwecke oder durch eine Ge samtanalogie der Art. 16 und 26 I lit. a MwStSystRL hinsichtlich der vor herigen Geltendmachung des Vorsteuerabzugs abgewendet werden.84 Im Folgenden soll nun auf das Unternehmen bzw. die unternehmens fremden Zwecke im Sinne der Vorschrift eingegangen werden. Deshalb werden einige EuGH-Entscheidungen zum Unternehmen einer natür lichen Person im Sinne des Art. 6 II der 6. MwSt-RL untersucht, bevor auf das für die Arbeit so bedeutende VNLTO-Urteil und andere Urteile zu Vereinigungen85 eingegangen wird. Wegen der Übereinstimmung des Wortlauts86 der beiden Vorschriften gelten die folgenden Entscheidungen zu Art. 6 II der 6. MwSt-RL auch für Art. 26 I MwStSystRL, zumal mit der Einführung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine inhaltliche Änderung des geltenden Rechts einherging.87 1. Rechtsprechung zum Unternehmen der natürlichen Person a) Das EuGH-Urteil Kühne Das Finanzgericht München88 hatte einen Fall vorgelegt, der einen Rechtsanwalt (Steuersubjekt) betraf. Die natürliche Person erwarb einen 83 Siehe auch Küffner/Kirchinger, UR 2020, 547 (548). 84 Vgl. Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 230. 85 Siehe zur Bedeutung der Vereinigung im Sinne dieser Arbeit S. 64 ff. 86 Die Übereinstimmung ergibt sich aus einem Vergleich der Rechtsnormen. 87 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Korf, DB 2009, 758 (759). 88 Vorlagebeschluss des FG München vom 09.12.1987 – III 138/84 U = EFG 1988, 327.
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gebrauchten Dienstwagen von einer Privatperson und nutzte diesen so wohl im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit als auch privat. Mangels Erwerbs von einem anderen Umsatzsteuersubjekt konnte der Anwalt keinen Vorsteuerabzug beim Kauf des Autos geltend machen. Das Fi nanzamt unterwarf nun die Abschreibung des PKW proportional zur pri vaten Nutzung der Mehrwertsteuer. Hiergegen klagte der Rechtsanwalt. Der Gerichtshof entschied, dass eine Besteuerung nach Art. 6 II der 6. MwSt-RL ausgeschlossen sei, wenn der betreffende, dem Unterneh men zugeordnete Gegenstand nicht von einem Steuersubjekt erworben wurde und der Abzug der Vorsteuer bei diesem Erwerb nicht möglich war, da Art. 17 II lit. a der 6. MwSt-RL eine Lieferung von einem anderen Steuersubjekt voraussetze. Ansonsten komme es zu einer dem Neutrali tätsgrundsatz zuwiderlaufenden Doppelbesteuerung. An dem Ausschluss der Besteuerung nach Art. 6 II der 6. MwSt-RL ändere sich auch dann nichts, wenn der Gegenstand nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt habe, wohl aber gewisse Dienstleistungen, die zum Erhalt und zur Nut zung des Gegenstands (z. B. die Wartung des Dienstwagens) erforderlich waren, denn die Besteuerung nach der Vorschrift setze voraus, dass der Gegenstand selbst und nicht die Aufwendungen für seine Erhaltung und seinen Gebrauch zum Vorsteuerabzug berechtigt habe.89 Hinsichtlich des Unternehmenstatbestands in diesem Urteil ist festzustellen, dass der Be griff nur die in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fal lende entgeltliche Tätigkeit des Anwalts umfasst. Unternehmensfremd ist die private Verwendung des Wagens. Daraus ergibt sich die enge Aus legung des Unternehmens der natürlichen Person. b) Das EuGH-Urteil Mohsche Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens Mohsche hatte der EuGH zu entscheiden, ob ein Werkzeugbauunternehmer, der einen dem Unter nehmen zugeordneten Dienstwagen teilweise privat verwendete, einen Anteil an bestimmten Kosten der Nutzung des Fahrzeugs, für die keine Vorsteuerabzugsmöglichkeit bestand, im Rahmen der unentgeltlichen Wertabgabe des Dienstwagens zu versteuern hat. Mit anderen Worten stellte sich die Frage, ob diese Kosten anteilsmäßig in die Besteuerungs grundlage des Umsatzes nach Art. 6 II der 6. MwSt-RL einfließen müs sen.
89 Vgl. EuGH vom 27.06.1989 – C-50/88, Kühne = NJW 1989, 3089, Rn. 13 sowie die Leitsätze der Entscheidung.
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Der EuGH entschied, dass die Besteuerung eines dem Unternehmen zu geordneten Dienstfahrzeugs, das zum vollständigen Vorsteuerabzug be rechtigt habe, wegen einer Verwendung für private Zwecke nach Art. 6 II der 6. MwSt-RL insoweit ausgeschlossen sei, als die Verwendung Dienst leistungen umfasse, für die der Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden konnte.90 Die Zuordnung zum Unternehmen geht nach Aussage des EuGH mit dem vollständigen Vorsteuerabzugsrecht einher. Das Unternehmen um fasst daher nur in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende, d. h. wirtschaftliche Tätigkeiten, da nur diese gem. Art. 17 II der 6. MwSt-RL zum Vorsteuerabzug berechtigen. Mithin ist der Begriff des Unterneh mens des Werkzeugbauunternehmers eng auszulegen, unternehmens fremd ist der private Bereich der natürlichen Person. c) Das EuGH-Urteil Armbrecht Gegenstand der EuGH-Entscheidung Armbrecht war ein Gastwirt, der ein bebautes Grundstück91 bei dessen Erwerb nur teilweise seinem Un ternehmen zuordnete. Die Zuordnung erfolgte nur insoweit, als er es tat sächlich gastronomisch verwendete. Der andere Teil wurde als Privat wohnung genutzt. Dementsprechend machte der Wirt nur für den gastronomisch genutzten Teil den Vorsteuerabzug geltend. Beim späte ren Verkauf des Grundstücks setzte das Finanzamt auch für die Privat wohnung Mehrwertsteuer fest. Der EuGH entschied, dass einem Steuersubjekt beim Erwerb eines ge mischt genutzten Wirtschaftsguts ein Wahlrecht zukomme, inwieweit es dieses Wirtschaftsgut seinem Unternehmen zuordnen möchte.92 Der Vorsteuerabzug könne insoweit geltend gemacht werden, als der Gegen stand dem Unternehmen zugeordnet werde.93 Wenn der Steuerpflichtige sein Wahlrecht dahingehend ausübe, einen Teil nicht dem Unternehmen
90 EuGH vom 25.05.1993 – C-193/91, Mohsche = BeckRS 2004, 74843. 91 Da im Streitfall der Vorsteuerabzug eines Grundstücks in Rede steht, ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil aus dem Jahre 1995 stammt und die Vorschrift des Art. 168a I MwStSystRL, die einen Vorsteuerabzug bei Grundstücken nur im Rahmen der Verwendung für unternehmerische Zwecke zulässt, erst 2009 geschaf fen wurde und zum 01.01.2011 von den Mitgliedstaaten umzusetzen war; vgl. von Streit/Zugmaier, DStR 2010, 524. 92 EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 20; siehe auch Suabedissen, HFR 2020, 304. 93 EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 29.
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zuzuordnen, so handle er beim Verkauf des Gegenstands hinsichtlich dieses Teils nicht als solcher.94 Auch hier hängt die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs von der Zu ordnung zum Unternehmen ab.95 Das Unternehmen kann nur Tätigkei ten erfassen, die im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts lie gen, da der Vorsteuerabzug gem. Art. 17 II der 6. MwSt-RL nur insoweit zulässig ist, als das Wirtschaftsgut für besteuerte Umsätze verwendet wird. Der Unternehmensbegriff ist wiederum eng auszulegen. Unterneh mensfremd ist die private Nutzung des Gebäudes. d) Das EuGH-Urteil Enkler Frau Enkler hatte ein Wohnmobil erworben, um dieses gewerblich zu vermieten und privat zu nutzen. Fraglich war, ob der geltend gemachte Vorsteuerabzug für das Wohnmobil neben der tatsächlichen Privatnut zung auch für die Zeit anteilig als unentgeltliche Wertabgabe korrigiert werden muss, in der das Wohnmobil nicht privat genutzt wird, es Frau Enkler aber dergestalt zur Verfügung steht, dass eine jederzeitige private Nutzung möglich ist.96 Der Gerichtshof führte aus, dass ein dem Unternehmen zugeordneter Gegenstand, für den der vollständige Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde und der im Anschluss unternehmensfremd verwendet wird, gem. Art. 6 II der 6. MwSt-RL der Besteuerung unterliegt, um ungerechtfertig te Vorteile gegenüber einem Verbraucher, mithin einen unversteuerten Endverbrauch, zu verhindern.97 In die Besteuerungsgrundlage einer un entgeltlichen Wertabgabe sei auch der Zeitraum miteinzubeziehen, in dem das Steuersubjekt den betreffenden Gegenstand jederzeit für private Zwecke verwenden könne.98 Der einzubeziehende Zeitraum müsse im selben Verhältnis wie der Anteil der tatsächlichen Verwendung des Ge genstands für private Zwecke zu dem Anteil der tatsächlichen Verwen dung für unternehmerische Zwecke stehen.99 Der EuGH ist wiederholt der Auffassung, dass sich neben der privaten, unternehmensfremden und nicht in den Anwendungsbereich des Mehr wertsteuerrechts fallenden Sphäre der natürlichen Person der Bereich des 94 EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, 1. Leitsatz, Rn. 24. 95 Zur Kritik an dieser Formulierung siehe S. 109. 96 Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Fahrzeug ungenutzt in der Garage steht. 97 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 33. 98 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 35. 99 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 37.
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Unternehmens befindet.100 Daher geht auch aus diesem Urteil die enge Auslegung des Unternehmensbegriffs hervor. e) Das EuGH-Urteil Seeling (sog. Seeling-Rechtsprechung101) In der Rechtssache Seeling ordnete Herr Seeling, der Inhaber eines Baum pflege- und Gartenbaubetriebs, im Streitjahr 1995 ein Gebäude insge samt seinem Unternehmen zu. Seit dessen Fertigstellung nutzte er die ses auch zu privaten Wohnzwecken. Das Finanzamt versagte den in der Steuererklärung geltend gemachten vollen Vorsteuerabzug für das Ge bäude, da es die private Nutzung gem. § 1 I Nr. 2 S. 2 lit. b UStG102 als steuerfreien Eigenverbrauch beurteilte.103 Der EuGH entschied in Anlehnung an die Entscheidung Armbrecht zu gunsten des Klägers, dass es ihm möglich sei, ein sowohl wirtschaftlich als auch privat genutztes Wirtschaftsgut vollständig seinem Unterneh men zuzuordnen und dementsprechend den ganzen Vorsteuerabzug gel tend zu machen.104 Hinsichtlich des privat genutzten Wohnbereichs sei eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe gem. Art. 6 II der 6. MwSt-RL gegeben. Eine solche Nutzung sei keine steuerfreie Vermietung im Sinne des Art. 13 Teil B lit. b der 6. MwSt-RL und daher steuerpflichtig.105 Das Unternehmen im Sinne des Art. 6 II der 6. MwSt-RL umfasst wiede rum nur die gem. Art. 2 der 6. MwSt-RL im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts liegenden wirtschaftlichen Tätigkeiten, denn nur diesbezüglich ist ein Vorsteuerabzug möglich. f) Das EuGH-Urteil Puffer Das Vorabentscheidungsverfahren betraf Frau Puffer, die ein Einfamilien haus erbaut hatte, das sie zu 11 % unternehmerisch, ansonsten privat, nutzte. Die österreichische Finanzverwaltung verweigerte ihr nach Aus übung des Zuordnungswahlrechts den vollen Vorsteuerabzug. Der öster reichische VwGH wollte den EuGH zur Aufgabe der sog. Seeling-Recht sprechung, also des Zuordnungswahlrechts für natürliche Personen,
100 Vgl. EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 37. 101 Siehe zu diesem Urteil und seiner Korrektur durch den unionalen Gesetzgeber die Ausführungen zu Art. 168a I MwStSystRL auf S. 129 ff. 102 BGBl. I 1993, 565 (567); dieser Eigenverbrauchstatbestand besteht nicht mehr und wurde von § 3 IXa UStG ersetzt, siehe S. 44 ff. 103 EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 17. 104 EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 43. 105 EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 56.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
bewegen, um stattdessen nur noch einen partiellen Vorsteuerabzug zuzu lassen.106 Der EuGH entschied konsequent im Anschluss an die Entscheidung Armbrecht, dass Frau Puffer hinsichtlich einer gemischten Verwendung für private und unternehmerische Zwecke ein Zuordnungswahlrecht zu stehe.107 Deshalb sei die Vorsteuer bei vollständiger Zuordnung zum Un ternehmen grundsätzlich voll abziehbar und der Anteil der privaten Ver wendung gem. Art. 6 II der 6. MwSt-RL im Wege der unentgeltlichen Wertabgabe nachzuversteuern.108 Auch bei einer Verwendung des privaten Teils für unternehmerische Zwecke zu einem späteren Zeitpunkt könne es nicht zu einem Abzug kommen, da Art. 17 I der 6. MwSt-RL das Vorsteuerabzugsrecht entste hen lässt, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht und das unionale Recht keine Berichtigungsregelung für derartige Fälle vorse he.109 Deshalb muss einer natürlichen Person die vollständige Zuordnung zum Unternehmen möglich sein, da es in dieser Situation sonst zu einem Verstoß gegen den dem Mehrwertsteuerrecht immanenten Neutralitäts grundsatz komme.110 Selbst wenn eine Vorsteuerabzugsmöglichkeit eines zunächst privat und erst im Anschluss unternehmerisch genutzten Gegenstands vorgesehen wäre, liege zwischen den Investitionsausgaben und der tatsachlichen un ternehmerischen Nutzung manchmal ein sehr langer Zeitraum, in dem das Steuersubjekt mit den Kosten belastet sei. Der Neutralitätsgrundsatz verlange im Gegensatz dazu, dass Umsätze, die für Zwecke des Unter nehmens getätigt werden, sofort abgezogen werden können.111 Die vorstehenden Erwägungen führen nach Auffassung des Gerichtshofs bei Steuersubjekten, die einen Gegenstand sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerfreie Tätigkeiten verwenden, zu keinem Widerspruch. Zwar sei der Vorsteuerabzug nur hinsichtlich des steuerpflichtig genutz 106 Vgl. Lohse, BB 2009, 1681. 107 A. A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 729, der die Auffassung ver tritt, dass das vom EuGH angenommene Zuordnungswahlrecht dem Richtlinien wortlaut des Art. 168 MwStSystRL widerspricht. 108 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff. 109 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 43 f.; diese Aus führungen des EuGH zeigen bereits, dass es mangels Rechtsgrundlage keine Einla genentsteuerung geben kann, vgl. Kessens, MwStR 2019, 308 (309 f.); siehe S. 114 ff. 110 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 45 f. 111 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 47; a. A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 730.
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ten Anteils zulässig, jedoch lasse sich dieser im Falle einer Erhöhung des Anteils der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze gem. Art. 184 ff. MwStSystRL berichtigen.112 Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Vorsteuerabzug von Frau Puffer zu einem Vorteil gegenüber dem privaten Endverbraucher führe. Die unter schiedliche Behandlung rechtfertige sich zum einen durch die Gleichbe handlung der Steuersubjekte untereinander. Zum anderen habe ein Steu erpflichtiger eine besondere Stellung im Mehrwertsteuerrecht, weil es sich bei ihm um den Steuerschuldner der Mehrwertsteuer handle.113 Da rin liege der Unterschied zu privaten Endverbrauchern. Aufgrund der un terschiedlichen Sachverhalte sei kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch das Zuordnungswahlrecht gegeben.114 Aus diesen Gründen hatte die Vorlage des österreichischen VwGH keinen Erfolg, denn der EuGH bekräftigte die Seeling-Rechtsprechung.115 Der volle Vorsteuerabzug ist wiederum durch die Zuordnung zum Unter nehmen möglich. Das Unternehmen umfasst die in den Anwendungsbe reich des Mehrwertsteuerrechts fallende Tätigkeit. Unternehmensfremd ist die private Verwendung des Gebäudes. Somit ist der Unternehmens tatbestand im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL bei natürlichen Per sonen auch nach diesem Urteil eng auszulegen. g) Stellungnahme Die Steuersubjekte der besprochenen Rechtsprechung waren ausschließ lich natürliche Personen. Sie können Gegenstände, die sie sowohl wirt schaftlich als auch privat verwenden, dem Unternehmen zuordnen. Mit der Zuordnung zum Unternehmen geht ein vollständiges Vorsteuerab zugsrecht einher. Jede private Verwendung eines dem Unternehmen zu geordneten Wirtschaftsguts ist anteilig gem. Art. 6 II der 6. MwSt-RL bzw. Art. 26 I lit. a MwStSystRL nachzuversteuern.116 Die Zuordnung zum Unternehmen ist angesichts des Neutralitätsgrundsatzes erforder lich, da eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. den Art. 184 ff. 112 Vgl. EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 50 f. 113 Der Finanzierungsvorteil durch das Zuordnungswahlrecht dient als Ausgleich für den Aufwand des Steuersubjekts, den es aufgrund der Stellung als Steuerschuldner hat, vgl. Lohse, BB 2009, 1681. 114 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 55 ff.; Berger/ Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 144. 115 Vgl. Dziadkowski, IStR 2010, 766 (767), der von einer Festigung der Rechtspre chung spricht. 116 Siehe auch BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 38.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
MwStSystRL im Zusammenhang mit unternehmensfremden Verwen dungen nicht möglich ist.117 Die Vorschriften regeln nämlich nur das Ver fahren einer Vorsteuerberichtigung, lassen aber kein Recht auf Vorsteu erabzug entstehen.118 Gäbe es das Zuordnungswahlrecht nicht, könnte der Steuerpflichtige bei anfänglich niedriger unternehmerischer Nutzung eines Gegenstands im Falle der späteren Erhöhung dieses Nutzungsan teils keinen anteiligen Vorsteuerabzug geltend machen und wäre dadurch nicht vollständig von der Mehrwertsteuer entlastet.119 Das Unternehmen einer natürlichen Person umfasst nur den Anwen dungsbereich des Art. 2 der 6. MwSt-RL respektive Art. 2 MwStSystRL.120 Mithin ist der Begriff des Unternehmens einer natürlichen Person stets eng auszulegen.121 Unternehmensfremd ist der private Bereich der natür lichen Person. 2. Rechtsprechung zum Unternehmen einer Vereinigung122 a) Das EuGH-Urteil VNLTO (ideelle Tätigkeit) Entsprechend den vorstehend behandelten natürlichen Personen wollte auch die niederländische Vereinigung VNLTO123 vom Zuordnungswahl recht und dem damit einhergehenden Finanzierungsvorteil124 profitieren. Mangels ausdrücklicher Feststellung der Reichweite des Unternehmens begriffs im Urteil Securenta125 ging der Rechtsanwender vor der VNLTO- Entscheidung126 nämlich davon aus, dass der Unternehmensbegriff im Sinne des heute gültigen Art. 26 I lit. a MwStSystRL bzw. der des Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL127 einen engen Begriffsinhalt hatte.128 Zwingend war 117 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 44 ff.; Dziadkowski, UR 2020, 276 (277); Wäger, DB 2012, 1288 (1292). 118 Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht gem. Art. 167 MwStSystRL, wenn der An spruch auf die abziehbare Steuer entsteht. 119 Vgl. EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 43–46; Wiesch, Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand, S. 146. 120 Siehe zum Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer S. 68. 121 Vgl. Englisch, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 80. 122 Zur Bedeutung der Vereinigung im Sinne dieser Arbeit siehe S. 64 ff. 123 Das Akronym VNLTO steht für „Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie“. 124 Zur Erläuterung des Finanzierungsvorteils siehe S. 129 ff. und S. 151 ff. 125 Siehe S. 32 ff. 126 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369. 127 Der Wortlaut von Art. 6 II der 6. MwSt-RL und Art. 26 MwStSystRL unterscheidet sich nicht nennenswert. 128 Vgl. Korf, DB 2009, 758 (762 f.); Sterzinger, UR 2010, 125 (126): „Ein Problembe wusstsein dafür, dass die Privatnutzung und die übrige nichtunternehmerische
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dieser enge Begriffsinhalt seit dem Wegfallen des Unternehmenstatbe stands in der Terminologie des Art. 17 II der 6. MwSt-RL (anders noch Art. 11 I der 2. MwSt-RL) jedoch nicht mehr.129 Vielmehr gibt es in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine Norm, bei der das Unternehmen eng auszulegen ist.130 Die VNLTO ist eine Vereinigung, die die Interessen des Agrarsektors verschiedener niederländischer Provinzen fördert. „Ihre Mitglieder – im Agrarsektor tätige Unternehmen – zahlen an sie Beiträge, von denen der größte Teil für die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer Interessen bestimmt ist. Neben der Wahrnehmung dieser Interes sen erbringt die VNLTO ihren Mitgliedern eine Reihe individueller Dienstleistungen, für die sie eine gesonderte Vergütung berechnet. Diese Dienstleistungen werden auch Dritten angeboten.“131 Strittiger Aspekt des Falls war, ob die VNLTO für erworbene Gegenstän de und in Anspruch genommene Dienstleistungen den vollständigen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dies hat der EuGH unter Bezug nahme auf das Urteil Securenta verneint und ist zum Ergebnis gekom men, dass ein Vorsteuerabzug insoweit nicht möglich sei, als er sich auf Umsätze beziehe, die nicht im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuer rechts liegen.132 Diese Entscheidung hat in Deutschland überrascht133 und sorgt für hitzige Diskussionen.134
Nutzung zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen, bestand bislang offensichtlich nicht.“ Siehe auch Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 411. 129 Siehe S. 14 f. und S. 96 ff.; siehe auch Ehrke-Rabel, ÖStZ 2010, 97 (99), wonach sich die Gleichsetzung von privat und nichtwirtschaftlich nicht zwingend aus der EuGH-Rechtsprechung ergibt. 130 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 216. 131 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 8 f. 132 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37; EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 30 f. 133 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 1; Sterzinger, UR 2010, 125 (126); Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (95), Reiß, UR 2010, 797 (804); Klenk, HFR 2009, 422; Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (586); auch die deutsche Regierung war in diesem Fall der Auffassung, dass für einen Gegenstand, der sowohl für Zwecke des Unternehmens als auch für „unternehmensfremde“ Zwecke verwendet wird, ein Zuordnungswahlrecht bestünde, vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 22. 134 Dem EuGH zustimmend: Pull, MwStR 2013, 611 m. w. N.; Korf/Kuntz, UR 2010, 86 (98); ablehnend z. B. Bunjes/Heidner, UStG § 15 Rz. 121, 123; Wäger, UR 2012, 25; Reiß, UR 2010, 797 (805); Englisch, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kon gress-Bericht 2010, S. 35; von einer Zweifel auslösenden Entscheidung spricht Widmann, UR 2020, 548 (549).
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
Der Gerichtshof führte sinngemäß aus, dass die Umsätze im ideellen Be reich unternehmenseigen seien, weil mit ihnen dem Satzungszweck bzw. dem Unternehmenszweck der VNLTO, also der Wahrung der Inte ressen der Mitglieder, Rechnung getragen werde.135 Dieses Begriffsver ständnis des Unternehmens entspricht dem des französischen Mehr wertsteuerrechts.136 Wegen der Entscheidung des Gerichtshofs, nur einen partiellen Vorsteu erabzug zu gewähren, könnten dessen Ausführungen zu Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL137 überflüssig sein, da die Vorschrift einen Abzug der Vor steuer über den Bereich hinaus, in dem steuerbare Umsätze getätigt wer den, voraussetzt.138 In diesem Fall würde es sich bei der Feststellung zu Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL um ein Obiter Dictum handeln, das ledig lich klarstellende Funktion hätte, da der Vorsteuerabzug nur im Rahmen der tatsächlichen Verwendung für besteuerte Umsätze gewährt wurde. Die Ausführungen des Gerichtshofs, dass „mit Art. 6 II lit. a keine allge meine Regel eingeführt werden sollte, nach der Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, als Tätigkeit be trachtet werden können, die für unternehmensfremde Zwecke im Sinne dieser Vorschrift ausgeführt werden“139 und ideelle Vereinszwecke „nicht als unternehmensfremd betrachtet werden können“,140 lassen jedoch zu dem Schluss kommen, dass der EuGH den Tatbestand von Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL mangels unternehmensfremder Zwecke verneint hat.141 Mithin kann mangels Anwendbarkeit der unentgeltlichen Wertabgabe nur ein partieller Vorsteuerabzug gewährt werden.142 Selbst wenn man Vorstehendes anders sähe, war die ausdrückliche Fest stellung des EuGH, dass auch nicht in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fallende Tätigkeiten zum Unternehmen im Sinne des Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL gehören können, notwendig. Denn der Gerichtshof sorgte damit für Rechtsklarheit beim Rechtsanwender, die zuvor im Urteil Securenta durch den bloßen Ausspruch des Vorsteuerab 135 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38. 136 Vertiefend Pull, UR 2012, 701 ff. 137 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38 ff. 138 Vgl. Wäger, DB 2012, 1288 (1291); Art. 26 I lit. a MwStSystRL lautet am Ende „wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat“. 139 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38. 140 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39. 141 Diese Sichtweise entspricht der des BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 48. 142 Reiß, UR 2020, 747 (751, 760).
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zugsverbots noch nicht hergestellt war. Wegen dieser Rechtsunklarheit kam es zu der Vorlage der Rechtssache VNLTO, aus der hervorgeht, dass (wahrscheinlich nicht nur) das vorlegende niederländische Gericht da von ausging, dass eine Tätigkeit außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts, also eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, stets unternehmensfremd sei.143 Das Urteil ist nicht auf natürliche Personen anwendbar. Dies folgt aus dem Ausspruch des EuGH, dass die „private Nutzung […] ein dem Unter nehmen des Steuerpflichtigen völlig fremder Zweck“144 sei. Art. 26 MwStSystRL enthält hier also – anders als nach der Rechtsprechung zur natürlichen Person – eine Erweiterung des Unternehmensbegriffs, weil dieser auch Tätigkeiten umfasst, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuersystemrichtlinie liegen.145 Daher ist eine ideelle Tä tigkeit nicht unternehmensfremd146 bzw. nach nicht überzeugender Ab leitung147 außerunternehmerisch148. Sähe man dies anders, wären Umsätze, die eigentlich außerhalb des An wendungsbereichs der Mehrwertsteuersystemrichtlinie liegen, plötzlich steuerbar, obwohl Art. 2 I MwStSystRL dies nicht vorsieht. Daher ist Art. 26 I lit. a MwStSystRL so zu verstehen, dass er auf Verwendungen keine Anwendung findet, wenn diese nicht unternehmensfremd (= un ternehmenseigen) sind. Daraus folgt, dass die Mehrwertsteuer, die beim Bezug von außerhalb des mehrwertsteuerlichen Anwendungsbereichs verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen anfällt, nicht abzieh bar ist.149 Der EuGH begründet dies mit der Systematik des Mehrwertsteuersys tems, wonach die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht 143 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 18. 144 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39. 145 Lohse, BB 2010, 1437. 146 Wäger, UR 2017, 85 (89); Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 921. 147 Die Ableitung verwenden z. B. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1302; Weymüller/Hahn UStG § 3 Rn. 164, 504. 148 Außerunternehmerisch sind „außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke“ im Sinne des § 3 IXa UStG, siehe dazu Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 924, der die unionale Bezeichnung „unternehmens fremd“ zutreffend für vorzugswürdig hält, da die Terminologie „außerunterneh merisch“ an den Unternehmerbegriff anknüpft und deshalb im Zusammenhang mit dem Unternehmensbegriff nur Verwirrung stiftet. 149 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 40; EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 31.
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wirtschaftlichen Tätigkeiten anderen Kriterien folge als die Differenzie rung zwischen einer unternehmenseigenen und unternehmensfremden Verwendung.150 Aus dem Wortlaut der Mehrwertsteuersystemrichtlinie folgt, dass das Unternehmen nicht mit der wirtschaftlichen Tätigkeit gleichzusetzen ist, da die Art. 16 und 26 MwStSystRL auf „unterneh mensfremde Zwecke“ abstellen, wohingegen für Art. 168 MwStSystRL besteuerte Umsätze maßgeblich sind. Für Art. 9 MwStSystRL ist die „wirtschaftliche Tätigkeit“ ausschlaggebend.151 Die Konsequenz davon ist nach Lohse, dass die Tätigkeit eines Vereins im Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, also der Be reich, in dem steuerbare Umsätze getätigt werden, unternehmensfremd sei.152 Allerdings erscheint es überzeugender, dass auch die Tätigkeiten, durch die steuerbare Umsätze bewirkt werden, zum Unternehmen eines Vereins gehören – ansonsten hätte dies zur Folge, dass man in dem VNLTO-Urteil einen Widerspruch des Gerichtshofs zu seiner bisherigen Rechtsprechung sehen müsste. Denn nach dieser Rechtsprechung gehört zum Unternehmen jedenfalls immer der Bereich, in dem steuerbare Um sätze getätigt werden. Hinzu kommt, dass bei unternehmensfremden Tätigkeiten eine Berich tigung des Vorsteuerabzugs bei späterer Erhöhung des Verwendungsan teils für die besteuerten Umsätze nach den Art. 184 ff. MwStSystRL aus geschlossen wäre. Dies widerspräche dem Neutralitätsgrundsatz. Deshalb umfasst das Unternehmen einer Vereinigung Tätigkeiten inner halb und außerhalb des mehrwertsteuerrechtlichen Anwendungsbe reichs, mithin auch solche nichtwirtschaftlicher Art.153 Während bei einer anteiligen privaten Verwendung also trotzdem der volle Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts154 gel tend gemacht werden kann und dann gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL nachversteuert werden muss, ist dies im Falle einer Vereinigung im Rah men einer nichtwirtschaftlichen Verwendung für ideelle Zwecke nicht möglich.155 Wäger macht als Ursache der Differenzierung zwischen der 150 EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 32; Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (584). 151 Oelmaier, MwStR 2014, 600 (602), der in der Unterscheidung keinen Systembruch sieht, da auch Frankreich zwischen dem Unternehmen und der wirtschaftlichen bzw. nichtwirtschaftlichen Tätigkeit differenziert. 152 Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 921, 923. 153 Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (588); Heuermann, MwStR 2017, 729 (731). 154 Siehe dazu S. 105 ff. 155 Siehe dazu auch den Vorlagebeschluss des BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 59 ff.
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nichtwirtschaftlichen unternehmensfremden und der nichtwirtschaftli chen, aber nicht unternehmensfremden Verwendung „weniger systema tische Erwägungen als einen einheitlichen Lösungsansatz“ aus, mit dem an der bisherigen, die natürliche Person betreffende Rechtsprechung fest gehalten werden soll.156 Die Folgen des Urteils sind noch nicht abschlie ßend geklärt.157 Aus diesem Grund bedarf es wohl weiterer Vorlagen an den EuGH in ähnlichen Sachverhalten, um die Auswirkungen der Recht sprechung endgültig zu klären.158 Für die Richtigkeit des Urteils spricht, dass eine nichtunternehmerische/ nichtwirtschaftliche Tätigkeit keinesfalls mit dem unternehmensfrem den Bereich gleichgesetzt werden kann. Sonst wäre das Steuersubjekt mit dem Unternehmen gleichzusetzen, was vernünftigerweise nicht in Betracht kommen kann, da eine einheitliche Bezeichnung in diesem Fall ausreichend wäre. Zudem bricht der Gerichtshof mit der Entscheidung keine durch bisherige Rechtsprechung gesetzten Maßstäbe. Obwohl es in der Literatur einige Stimmen gibt, die eine Gleichsetzung von natürlichen Personen und Vereinigungen159 fordern,160 liegen der Ver sagung des Zuordnungswahlrechts mangels Anwendbarkeit der unent geltlichen Wertabgabe überzeugende Aspekte zugrunde. Der EuGH war nicht Willens das durch das Zuordnungswahlrecht geschaffene Steuer stundungsmodell auf ideelle Zwecke einer Vereinigung zu erweitern.161 Normativer Anknüpfungspunkt dafür ist, dass der Unionsgesetzgeber in den Vorschriften zur unentgeltlichen Wertabgabe nur private Verwen dungen, die nur eine natürliche Person tätigen kann, und solche für den Bedarf des Personals ausdrücklich als unternehmensfremd deklariert. Abgesehen vom Bedarf des Personals einer Vereinigung162 kann der Be reich des Unternehmens bei dieser mithin durch Auslegung bestimmt werden. Die Anwendung des Art. 26 I lit. a MwStSystRL stellt eine Ab weichung vom Grundsatz des Art. 168 MwStSystRL dar, wonach ein Vorsteuerabzugsrecht nur im Rahmen der tatsächlichen Verwendung für 156 Wäger, DStR 2011, 433 (437); ebenso Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 150d. 157 Korn, DStR 2009, 372 (373); Sterzinger, UR 2010, 125. 158 Eine Vorlage des BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367 betrifft z. B. die Auslegung des unternehmensfremden Bereichs von Art. 26 I lit. b MwSt SystRL. 159 Siehe zum Begriff der Vereinigung im Sinne dieser Arbeit S. 64 ff. 160 Wäger, UR 2012, 25 (30); Reiß UR 2010, 797 (801); Klenk, HFR 2009, 422 (423). 161 Vgl. Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 489, der dies als ersichtlichen Grund für den Ausgang der Entscheidung ansieht. 162 Siehe S. 35 f.
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besteuerte Umsätze zulässig ist. Deshalb ist die unentgeltliche Wert abgabe als Ausnahmevorschrift eng auszulegen163 und es erscheint über zeugend, das Tatbestandsmerkmal „unternehmensfremd“ bei ideellen Haupttätigkeiten einer Vereinigung abzulehnen. Daher ist es gut vertret bar, bestimmte Tätigkeiten, die nach Art. 26 MwStSystRL nicht aus drücklich unternehmensfremd sind, als unternehmenseigen anzusehen. Diese Auslegung verstößt nicht gegen die Rechtsformneutralität.164 Na türliche Personen und Vereinigungen sind nicht in jeder Hinsicht gleich, deswegen müssen sie auch nicht immer gleich behandelt werden, was sich z. B. bei der Rechtsfähigkeit zeigt: Sie können zwar beide rechtsfähig sein – die Entstehung der Rechtsfähigkeit folgt jedoch unterschiedlichen Regelungen (Geburt/Gründung). Auch nach Entstehung der Rechtsfähig keit gelten für sie unterschiedliche Regelungen (Einkommensteuer/Kör perschaftsteuer). Zudem wird hier danach differenziert, ob eine Verwen dung unternehmenseigen oder -fremd ist, nicht nach der Rechtsform des Steuersubjekts. Ferner sieht das Mehrwertsteuerrecht eine Unterteilung des nichtwirt schaftlichen Bereichs in eine unternehmenseigene und eine völlig unter nehmensfremde (z. B. private) Sphäre auch in Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL vor.165 Diese Vorschrift lautet auszugsweise: „Für die Zwecke der Anwendung der Regeln für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistung gilt 1. ein Steuerpflichtiger, der auch Tätigkeiten ausführt oder Umsätze bewirkt, die nicht als steuerbare Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 angesehen werden, in Bezug auf alle an ihn erbrachten Dienstleistungen als Steuerpflichtiger.“ Nach Satz 2 des vierten Erwägungsgrunds der sog. Dienstleistungs ort-Richtlinie 2008/8/EG166 gelten Steuerpflichtige, die auch nichtsteuer baren Tätigkeiten nachgehen, für alle an sie erbrachten Dienstleistungen als Steuerpflichtige. Die Eigenschaft als Steuerpflichtiger soll nach Satz 4 des vierten Erwägungsgrunds167 dieser Richtlinie aber nicht bei Dienst 163 Vgl. Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 216. 164 Siehe auch Reiß, UR 2020, 747 (758). 165 Lohse, IStR 2009, 486 (487); Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (96); Englisch, in: Englisch/ Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 36 f. 166 Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12.02.2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, ABl. Nr. L 44, S. 11–22. 167 Satz 4 des vierten Erwägungsgrunds lautet: „Diese Regelungen sollten im Einklang mit den allgemeinen Regeln nicht auf Dienstleistungen Anwendung fin-
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leistungen für die persönliche Verwendung des Steuerpflichtigen oder für die Verwendung durch sein Personal vorliegen. Aufgrund der Unterscheidung in Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL erscheint es im Hinblick auf die VNLTO-Rechtsprechung überzeugend, bei einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zwischen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit, die im Zusammenhang mit dem Unternehmen steht (= unter nehmenseigen und nicht steuerbar)168 und einer solchen, die völlig unter nehmensfremd bzw. völlig außerhalb des Unternehmens liegt, zu diffe renzieren. Auch Art. 18 lit. b MwStSystRL spricht dafür, dass eine nichtwirtschaft liche Tätigkeit zum Unternehmen gehören kann. Die Vorschrift lautet: „Die Mitgliedstaaten können der Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt folgende Vorgänge gleichstellen: b) die Verwendung eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen zu einem nicht besteuerten Tätigkeitsbereich, wenn dieser Gegenstand bei seiner Anschaffung oder seiner Zuordnung gemäß Buchstabe a zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat.“ Die Norm ermöglicht den Mitgliedstaaten eine nichtbesteuerte Verwen dung169 mit einer entgeltlichen Lieferung gleichzustellen. Wären diese nichtbesteuerten Tätigkeiten stets unternehmensfremd, würden sie schon unter den Tatbestand des Art. 26 MwStSystRL fallen und Art. 18 lit. b MwStSystRL wäre obsolet.170 b) Das EuGH-Urteil Securenta (rein vermögensverwaltende Tätigkeit) Die Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanage ment AG betrieb den Erwerb, die Verwaltung und die Verwertung von Immobilien, Wertpapieren, Beteiligungen und Vermögensanlagen jegli cher Art.171 Die Kapitalgesellschaft ging sowohl steuerbaren als auch rein vermögensverwaltenden Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts nach.
den, die von Steuerpflichtigen für ihre persönliche Verwendung oder die Verwendung durch ihr Personal empfangen werden“. 168 Diese Tätigkeit wird auch als nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne be zeichnet. 169 Beispielsweise eine ideelle Verwendung. 170 Lohse, IStR 2009, 486 (487). 171 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 11.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
Strittige Vorlagefrage war, inwieweit eine Vorsteuerabzugsberechtigung in einem derartigen Fall gegeben war. Von Securenta wurde die Ansicht vertreten, dass für sämtliche Aktivitäten eine Vorsteuerabzugsberechti gung gewährt werden müsse, da auch die Tätigkeiten außerhalb des An wendungsbereichs den steuerbaren Umsätzen der Gesellschaft dienen.172 Der Gerichtshof stellte fest, dass das Steuersubjekt aufgrund des die Sys tematik des Mehrwertsteuerrechts prägenden Neutralitätsgrundsatzes vollständig von der im Rahmen der Tätigkeit im Sinne des Art. 2 der 6. MwSt-RL geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll.173 Ein Vorsteuerabzug komme aber nur für solche Tätigkei ten im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts in Betracht, die selbst der Mehrwertsteuer unterliegen, mithin nicht für steuerfreie Um sätze.174 Außerdem gebe es ein Vorsteuerabzugsverbot für Aufwendun gen, die sich auf Tätigkeiten beziehen, die außerhalb des Anwendungsbe reichs des Mehrwertsteuerrechts liegen.175 Gesetzt den Fall, dass ein Steuersubjekt in Form einer Gesellschaft steu erbare Tätigkeiten im Sinne des Art. 2 der 6. MwSt-RL bzw. Art. 2 MwSt SystRL sowie solche außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehr wertsteuerrechts betreibt, kann der Vorsteuerabzug nur insoweit geltend gemacht werden, als er sich auf Aufwendungen im Anwendungsbereich des Art. 2 der 6. MwSt-RL bezieht, die selbst steuerpflichtig sind.176 Der EuGH brachte in diesem Urteil erstmals konkludent zum Ausdruck, dass das Unternehmen auch eine Sphäre außerhalb des Anwendungsbe reichs des Mehrwertsteuerrechts umfassen kann.177 Dies ergibt sich aus der Beantwortung der Vorlagefrage, wonach der Vorsteuerabzug hinsicht lich der nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten außerhalb des Anwendungs bereichs des Mehrwertsteuerrechts unzulässig ist.178 Das Vorsteuerab zugsverbot besteht nämlich, weil Art. 26 I lit. a MwStSystRL mangels unternehmensfremder Zwecke nicht anwendbar ist179 und es infolgedes sen bei einer Gewährung des Vorsteuerabzugs zu einem unversteuerten
172 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 13. 173 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 25; Küffner/ von Streit, DStR 2012, 581 (582). 174 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 27 f. 175 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 30; Berger/ Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 400. 176 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 31. 177 Vgl. Robisch, UR 2008, 881. 178 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 31. 179 Reiß, UR 2020, 747 (751, 760).
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Endverbrauch käme.180 Die Entscheidung Securenta war aufgrund des Vorsteuerabzugsverbots wegweisend für die spätere VNLTO-Entschei dung.181 Auch nach diesem Urteil ist festzustellen, dass das Unternehmen nur bei natürlichen Personen schon immer ausschließlich Tätigkeiten im An wendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts umfasste und damit eng ausgelegt werden musste. Bei Vereinigungen wurde diese enge Ausle gung zwar vom Rechtsanwender vor dem VNLTO-Urteil ebenfalls ange nommen, zwingend war sie jedoch nicht.182 c) Das EuGH-Urteil Związek (hoheitliche Tätigkeit) Ein polnischer Gemeindeverband begehrte den vollen Vorsteuerabzug für Gegenstände und Dienstleistungen, die der Durchführung steuerpflichti ger und steuerfreier sowie hoheitlicher Tätigkeiten außerhalb des An wendungsbereichs der Mehrwertsteuer dienten. Der Gerichtshof judizierte, dass der Vorsteuerabzug nach Art. 168 lit. a MwStSystRL nur insoweit erfolgen kann, als die jeweiligen Gegenstände und Dienstleistungen tatsächlich für die besteuerten Umsätze verwen det werden.183 Wie in seinen Urteilen VNLTO und Securenta ließ der EuGH nur ei nen partiellen Vorsteuerabzug im Rahmen der Verwendung für Tätigkei ten im Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer zu. Ausführungen zu Art. 26 I MwStSystRL enthält das Urteil, genau wie die Entscheidung Securenta, nicht. Dennoch zeigt das Urteil Związek, dass auch hoheitli che nichtwirtschaftliche Tätigkeiten nicht unternehmensfremd im Sin ne von Art. 26 I MwStSystRL sind und die Bestimmung deshalb nicht anwendbar ist. Infolgedessen kann die Vorsteuer anders als bei einer un ternehmensfremdenden Verwendung einer Vereinigung, die im Folgen den behandelt wird, nicht vollständig abgezogen werden.
180 Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs scheidet aus, weil die anfänglich bekannte nichtwirtschaftliche Verwendung gem. Art. 185 I MwStSystRL keine Änderung der Faktoren, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, darstellt. 181 Vgl. Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 154; ders., UR 2010, 125 (126), der die VNLTO-Entscheidung nach dem Urteil Securenta für nicht völlig über raschend hält; siehe auch Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 411. 182 Vgl. Ehrke-Rabel, ÖStZ 2010, 97 (99), wonach sich die Gleichsetzung von privat und nichtwirtschaftlich nicht zwingend aus der EuGH-Rechtsprechung ergibt. 183 EuGH vom 08.05.2019 – C-566/17, Związek = DStRE 2019, 1404, Rn. 26 f., 32.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
d) Das EuGH-Urteil Fillibeck (unternehmensfremde Dienstleistung) Im Rahmen der EuGH-Entscheidung Fillibeck ging es zunächst um die Frage, ob ein Bauunternehmen in Form einer Personengesellschaft, das seine Arbeitnehmer unentgeltlich von deren Wohnort zu einer Baustelle transportierte, eine steuerpflichtige Leistung an diese erbrachte. Das Vorliegen einer entgeltlichen und gem. Art. 2 Nr. 1 der 6. MwSt-RL respektive Art. 2 I lit. c MwStSystRL steuerbaren Dienstleistung ist nach dem Gerichtshof zu verneinen, weil der Transport weder Bestandteil des Lohns der Arbeitnehmer sei noch eine andere Gegenleistung der Ange stellten vorliege. Deshalb könne nicht von einem Leistungsaustausch ausgegangen werden und die Leistungen erfolgten unentgeltlich.184 Weiter legte der EuGH fest, dass die Personengesellschaft zwar grund sätzlich eine unentgeltliche Dienstleistung für den privaten Bedarf ihres Personals und damit für unternehmensfremde Zwecke erbringe, wenn sie die Arbeitnehmer von deren Wohnort aus zu einer Baustelle transpor tiere. Dies sei jedoch dann anders zu beurteilen, wenn es den Arbeitneh mern wegen besonderer Schwierigkeiten185, die wechselnden Baustellen zu erreichen, nicht zumutbar sei, selbst zu diesen zu gelangen. In diesem Fall diene die Beförderung unmittelbar dem Unternehmen und der Vor teil des Arbeitnehmers trete dahinter zurück.186 Zum Unternehmen gehört die in den Anwendungsbereich des Mehr wertsteuerrechts fallende Tätigkeit der entgeltlichen Erbringung von Bauleistungen an die Kunden der Klägerin. Weiter hält der Gerichtshof eine Anwendung von Art. 6 II lit. b der 6. MwSt-RL bzw. Art. 26 I lit. b MwStSystRL in Bezug auf Dienstleistungen für den Bedarf des Personals einer Personengesellschaft grundsätzlich für möglich.187 Dies steht nicht in Widerspruch zur VNLTO-Rechtsprechung, da eine unentgeltliche Dienstleistung für das Personal ausdrücklich unternehmensfremd ist, während die Beurteilung einer ideellen Vereinstätigkeit hinsichtlich die ser Frage der Auslegung zugänglich ist. Deswegen ist nicht ausgeschlos sen, dass eine Gesellschaft einen unternehmenseigenen, aber nichtwirt schaftlichen Bereich hat.
184 EuGH vom 16.10.1997 – C-258/95, Fillibeck = EuZW 1998, 51, Rn. 18; zur Ent geltlichkeit einer Leistung siehe S. 69 ff. 185 Zu weiteren Beispielen besonderer Schwierigkeiten siehe Michl in Offerhaus/ Söhn/Lange § 3 UStG Rn. 184c. 186 EuGH vom 16.10.1997 – C-258/95, Fillibeck = EuZW 1998, 51, Rn. 34. 187 A. A. wohl Reiß, UR 2020, 747 (761).
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
e) Das EuGH-Urteil BLM (unternehmensfremde Verwendung eines Gegenstands) Die belgische Gesellschaft BLM verwendete ein dem Unternehmen zu geordnetes Gebäude, für dessen Errichtungskosten die Vorsteuer abgezo gen wurde, seit dem Jahre 2002 zum Teil für den privaten Bedarf des Personals. Der EuGH entschied unter Hinweis auf die Seeling-Rechtsprechung, dass die Gesellschaft durch die Verwendung für ihr Personal den Tatbestand des Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL bzw. Art. 26 I lit. a MwStSystRL er fülle.188 Unternehmenseigen ist die im Anwendungsbereich des Mehr wertsteuerrechts liegende Tätigkeit der Gesellschaft. Unternehmens fremd ist entsprechend dem Wortlaut von Art. 26 I lit. a MwStSystRL die Verwendung des Gebäudes für das Personal. Ein Widerspruch zur VNLTO-Rechtsprechung ergibt sich durch das Urteil nicht, da der dane ben bestehende unternehmenseigene nichtwirtschaftliche Bereich einer Gesellschaft unberührt bleibt. 3. Stellungnahme zum Unternehmensbegriff des Art. 26 I MwStSystRL Die Tätigkeit im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts ist so wohl bei einer natürlichen Person als auch bei einer Vereinigung un ternehmenseigen. Im Falle einer natürlichen Person kann ausschließ lich diese Tätigkeit zum Unternehmen gehören, daneben besteht nur eine völlig unternehmensfremde private Sphäre. Vereinigungen besitzen ebenfalls einen unternehmensfremden Bereich, speziell bei Verwendun gen oder Dienstleistungen für den Bedarf ihres Personals.189 Daneben können Vereinigungen insbesondere noch ideelle, hoheitliche oder rein vermögensverwaltende Tätigkeiten erbringen. Diese sind nach Art. 26 I MwStSystRL nicht ausdrücklich unternehmensfremd, daher ist durch Auslegung zu bestimmen, ob sie unternehmenseigen oder -fremd sind. Im Falle einer unternehmensfremden Verwendung können natürliche Personen und Vereinigungen diese ihrem Unternehmen zuordnen und durch Ausübung dieser Zuordnung den vollen Vorsteuerabzug geltend 188 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 23, 25. 189 A. A. wohl BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 40 ff., da ne ben der wirtschaftlichen Tätigkeit im Falle einer Vereinigung nur die nichtwirt schaftliche Tätigkeit aufgeführt wird; anders und zutreffend jedenfalls noch BFH vom 12.01.2011 – XI R 9/08 = DStR 2011, 570, Rn. 15; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 17; BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 19.
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
machen.190 Die unternehmensfremde Verwendung ist gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL nachzuversteuern. Dieser Vorsteuerabzug durch Zuordnung zum Unternehmen stellt eine Ausnahme vom Grundfall des Art. 168 MwStSystRL dar, wonach ein Vorsteuerabzug nur im Rahmen der tat sächlichen Verwendung für besteuerte Umsätze zulässig ist.191 Als Ausnahmevorschrift ist das Tatbestandsmerkmal unternehmens fremd daher eng auszulegen. Die restriktive Anwendung der unentgeltli chen Wertabgabe führt dazu, dass das Unternehmen bei einer Vereini gung auch nichtwirtschaftliche, nicht in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fallende Tätigkeiten umfasst. Das Unternehmen einer Vereinigung ist deshalb nicht deckungsgleich mit ihrer wirtschaft lichen Tätigkeit. Dies zeigt sich auch durch die unterschiedlichen Tatbe standsvoraussetzungen der unentgeltlichen Wertabgabe im Vergleich zu Art. 9 und 168 MwStSystRL.192 Die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten sind zwar dem Unternehmen im Sinne von Art. 26 MwStSystRL zuge ordnet, nicht jedoch der wirtschaftlichen Tätigkeit.193 Deshalb kann in diesen Fällen nur ein partieller Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Bei Zweifeln hinsichtlich der Abgrenzung des unternehmenseigenen und unternehmensfremden Bereichs einer Vereinigung müsste ein nationales Gericht dem EuGH den Streitfall im Wege des Vorabentscheidungsver fahrens vorlegen.194
B. Das Unternehmen und der unternehmensfremde Zweck im Sinne des Art. 16 MwStSystRL I. Geschichtliche Entwicklung in der Zweiten und Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie Mit Einführung des Unternehmensbegriffs in der Zweiten Mehrwert steuerrichtlinie195 wurde erstmals eine unentgeltliche Wertabgabe in Form der Entnahme eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands 190 Siehe S. 105 ff. 191 Siehe S. 100 ff. 192 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 216. 193 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 40; siehe auch Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 102. 194 Siehe dazu die Vorlage des BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, die die Auslegung des unternehmensfremden Bereichs von Art. 26 I lit. b MwSt SystRL betrifft. 195 Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
steuerbar. Der damalige Entnahmetatbestand war in Art. 5 III lit. a der 2. MwSt-RL geregelt und lautete wie folgt: „Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt: a) die Entnahme eines Gegenstands durch den Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen zum Zwecke des privaten Verbrauchs oder einer unentgeltlichen Zuwendung.“ Festzustellen ist, dass es in der Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie hin sichtlich der Entnahme eines Gegenstands noch keinen Auffangtatbe stand „allgemein für unternehmensfremde Zwecke“ gab. Meines Erach tens fielen unter den damaligen Unternehmensbegriff nur Tätigkeiten im Anwendungsbereich der Richtlinie, der in Art. 2 der 2. MwSt-RL de finiert ist. Dies ergibt sich im Zusammenhang mit der Vorsteuerabzugs vorschrift des Art. 11 I und II der 2. MwSt-RL, die ebenfalls das Tatbe standsmerkmal „Unternehmen“, das nur entgeltliche steuerpflichtige Umsätze erfassen kann, enthielt.196 Der Unternehmensbegriff im Sinne des Art. 5 III der 2. MwSt-RL konnte sich folglich ebenfalls nur auf ent geltliche Tätigkeiten beziehen. Art. 5 III der 2. MwSt-RL wurde durch Art. 5 VI der 6. MwSt-RL197 er setzt.198 Art. 5 VI der 6. MwSt-RL lautete: „Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter.“ Der Wortlaut unterscheidet sich nur unerheblich vom heute gültigen Art. 16 MwStSystRL, der inhaltlich identisch ist.199 Im Vergleich zu Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. P 71 vom 14.04.1967, S. 1303 ff. 196 Siehe S. 96 f. 197 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsa mes Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1 ff. 198 Vgl. Art. 37 der 6. MwSt-RL, der die Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie aufhob. 199 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Korf, DB 2009, 758 (759).
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§ 2 Der unionsrechtliche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
Art. 5 III der 2. MwSt-RL wurden die Tatbestandsmerkmale „für den pri vaten Bedarf des Personals“ und „allgemein für unternehmensfremde Zwecke“ neu eingefügt. Im Entwurf der Vorschrift wurde noch auf den sog. „Eigenverbrauch“ abgestellt,200 der aus dem früheren deutschen Um satzsteuerrecht bekannt war.201 Dieser wurde in der Richtlinie mutmaß lich deshalb nicht übernommen, da die deutsche Terminologie des Ei genverbrauchs dem unionalen Recht unbekannt ist.202 Während das Tatbestandsmerkmal des „Unternehmens“ in Art. 5 VI der 6. MwSt-RL beibehalten wurde, stellte die Vorsteuerabzugsvorschrift des Art. 17 II der 6. MwSt-RL fortan nicht mehr auf „die Zwecke des Unter nehmens“203 als Vorsteuerabzugsvoraussetzung ab.204 Dies deutet darauf hin, dass der unionale Unternehmenstatbestand der Vorschriften zur un entgeltlichen Wertabgabe seitdem auch nichtwirtschaftliche Tätigkei ten, mithin einen weiten Begriffsinhalt, enthalten kann.
II. Aktuelle Vorschrift Art. 5 VI der 6. MwSt-RL wurde durch Art. 16 MwStSystRL ersetzt.205 Die Vorschrift lautet: „Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Jedoch werden einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt nicht gleichgestellt Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster für die Zwecke des Unternehmens.“ Art. 16 I MwStSystRL stellt die Entnahme eines Gegenstands durch ei nen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für unternehmensfrem de Zwecke mit einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleich, 200 Vgl. Art. 5 III lit. a des Vorschlags einer sechsten Richtlinie des Rates zur Harmo nisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. C 80 vom 05.10.1973, S. 5 = BR-Drs. 493/73, S. 6. 201 Siehe S. 44 ff. 202 Langer/Rokos, Die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie, S. 33. 203 In diesem Sinne noch Art. 11 der 2. MwSt-RL, siehe S. 96 f. 204 Siehe S. 97 f. 205 Vgl. Art. 411 I MwStSystRL.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilwei sen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Die Vorschrift hat genau wie Art. 26 MwStSystRL den Sinn und Zweck, den Steuerpflichtigen mit einem Endverbraucher gleich zu behandeln und einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern.206 Deshalb ent sprechen der Unternehmensbegriff und die unternehmensfremden Zwe cke im Sinne des Art. 16 MwStSystRL aus teleologischen und systemati schen Gründen denen des Art. 26 MwStSystRL. Dafür spricht auch die Begründung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die das Ziel der Kohä renz des Wortlauts, d. h. die einheitliche Auslegung eines Tatbestands merkmals in der Richtlinie, enthält.207
§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen Das Umsatzsteuergesetz enthält den Tatbestand des Unternehmens in vielen Regelungen. Der Begriff unternehmensfremd wird unter anderem in den Art. 16, 26 und 168a MwStSystRL, in der Literatur208, von der Ver waltung209 und in der nationalen Rechtsprechung210 verwendet, das deut sche Gesetz enthält ihn jedoch nicht. Dort wird stattdessen die Termino logie „außerhalb des Unternehmens“, beispielsweise in § 3 Ib, IXa UStG, verwendet. Ebenfalls nicht im Gesetz kommen die Begriffe unterneh menseigen211 und außerunternehmerisch212 vor, die aus der Literatur stammen.
206 Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 163. 207 Begründung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie, KOM/2004/0246 endg. – CNS 2004/0079, S. 19. 208 Vgl. z. B. Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D; Weiß, UR 1988, 346 (347); Hundt-Eßwein, UStB 2010, 83 (86 ff.); Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 ff.; Hummel, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 512. 209 BMF vom 05.06.2014 IV D 2 – S 7300/07/10002:001 = DStR 2014, 1173, unter I. 1. 210 BFH vom 25.03.1988 – V R 101/83 = BeckRS 1988, 22008476, unter II. 2. 211 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 85; Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 921; Korn, ÖStZ 2009, 262 (264). 212 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1300 ff.; Robisch verwendet den Begriff im Titel seiner Dissertation „Die umsatzsteuerliche Erfassung von Wertab gaben zu außerunternehmerischen Zwecken“; Oelmaier, MwStR 2014, 600 (602); Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1509); Kußmaul/Türk, BB 2010, 1187 ff.; Ster zinger, UR 2012, 213 (216, 221); Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutsch land 1918–2018, S. 924; Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 477 f.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
A. Das Unternehmen im Sinne des § 2 I 2 UStG § 2 I 2 UStG lautet: „Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers“213. Diese seither unveränderte Legaldefinition des Unternehmensbegriffs wurde im Jahre 1934 in das Umsatzsteuergesetz eingefügt.214 Das Unter nehmen in § 2 I 2 UStG wird tätigkeits- und nicht vermögensbezogen definiert, wie aus dem Wortlaut ersichtlich ist.215 Die neben der gewerb lichen Tätigkeit normierte berufliche Tätigkeit verdeutlicht, dass die Tätigkeit des Unternehmers weiterzufassen ist als eine „gewerbliche Tä tigkeit“ nach allgemeinem Sprachgebrauch.216 Dennoch stellt die ge werbliche Tätigkeit im Rahmen des § 2 I 2 UStG den Hauptgegenstand der Besteuerung dar.217 Ein Unternehmer kann nur ein Unternehmen haben (sog. Grundsatz der Unternehmenseinheit). Selbst wenn er mehrere gewerbliche oder beruf liche Tätigkeiten betreibt, die für sich betrachtet jeweils ein Gewerbe bzw. einen Beruf darstellen, handelt es sich um ein einheitliches Unter nehmen des Unternehmers.218 Dieser gesetzgeberische Wille findet sich schon in der Begründung des Umsatzsteuergesetzes von 1934, wonach ein Unternehmer zwar mehrere Betriebe, jedoch nur ein Unternehmen haben kann.219 Der Grundsatz der Unternehmenseinheit ist schon vor der Normierung des „Unternehmens“ im Umsatzsteuergesetz von der Rechtsprechung entwickelt worden.220 Die Unternehmenseinheit ergibt sich seit 1934 aus der Terminologie „gesamt“, die der Wortlaut des § 2 I 2 UStG enthält. Folge des einheitli chen Unternehmens ist, „dass Leistungen innerhalb des Gesamtunter nehmens weder zu einem Leistungstatbestand noch zu einer fiktiven 213 Siehe zum Unternehmertatbestand S. 82 ff. 214 UStG vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942 = RStBl. 1934, 1166; Stadie in Rau/Dürr wächter, UStG, Einf. Anm. 27; Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 20. 215 Im Gegensatz dazu wird das in der Einführung behandelte Unternehmen im Sinne der §§ 1, 271 HGB jeweils vermögensbezogen definiert, siehe S. 11 f. 216 Dies geht aus der Gesetzesbegründung hervor, vgl. RStBl. 1934, 1549 (1550). 217 Vgl. Begründung zum UStG, RStBl. 1934, 1549 (1550). 218 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 605; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 148; Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 61. 219 Begründung zum UStG 1934, RStBl. 1934, 1549 (1550). 220 Vgl. RFH vom 18.01.1924 – V A 396/23 = RStBl. 1924, 120; RFH vom 28.06.1928 – V A 20/69 = RStBl. 1929, 476.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Leistung im Sinne von § 3 Ib, IXa UStG führen können.“221 Eine steuer bare Leistung nach § 1 I Nr. 1 UStG setzt nämlich eine externe Person und eine unentgeltliche Wertabgabe das Verlassen der unternehmeri schen Sphäre222 voraus. Beides liegt nicht vor, wenn die Leistung inner halb des einheitlichen Unternehmens verbleibt. Da das Unternehmen im Sinne des § 2 I 2 UStG die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit umfasst und es gem. § 2 I 1 UStG der „Unter nehmer“ ist, der eine gewerbliche und berufliche Tätigkeit ausübt, hängt das „Unternehmen“ sowohl sprachlich als auch nach der gesetzgeberi schen Intention (systematisch) mit dem „Unternehmer“ zusammen. Aus dem Wortlaut kann daher abgeleitet werden, dass der Unternehmer zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Unternehmens ist. Schon in den Gesetzesmaterialen von 1934 ist zu finden, dass dem Un ternehmer das Unternehmen entspreche.223 Aus diesem Satz der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass das „Unter nehmen“ im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ursprünglich ausschließ lich eng auszulegen war, da das Handeln als Unternehmer und sein Un ternehmen nur die gewerbliche und berufliche Tätigkeit umfasste. Durch die VNLTO-Rechtsprechung224 kann an einer einheitlichen Ausle gung des Unternehmensbegriffs im gesamten Umsatzsteuergesetz nicht mehr vollumfänglich festgehalten werden, weil der Unternehmenstatbe stand unionsrechtlich determiniert ist.225 Statt der gesetzlichen Terminologie des § 2 I 2 UStG „das Unterneh men umfasst die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit“, könnte man sprachlich logischer und allgemeiner formulieren, dass das Unter nehmen die gesamte „unternehmerische Tätigkeit“ umfasst, die denk logisch nur von einem Unternehmer ausgeübt werden kann. Deshalb ist das „Unternehmen“ im Sinne von § 2 I 2 UStG eng aufzufassen. Gegenteil der unternehmerischen, also der gesamten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, ist die nichtunternehmerische Tätigkeit. Unter eine nichtunternehmerische Verwendung fallen sowohl völlig unterneh 221 Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 127. 222 Die unternehmerische Sphäre meint den unternehmerischen Bereich; siehe dazu auch das sog. Sphärenurteil des BFH vom 20.12.1984 – V R 25/76 = BeckRS 1984, 22007128, nach dessen Kernaussage ein Unternehmer eine unternehmerische und eine nichtunternehmerische Sphäre haben kann. 223 Begründung zum UStG, RStBl. 1934, 1549 (1550); Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 2 Anm. 605. 224 Siehe S. 25 ff. 225 Siehe zur weiten Auslegung des Unternehmenstatbestands von § 3 Ib, IXa UStG S. 47 ff.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
mensfremde als auch nichtunternehmerische Tätigkeiten im engeren Sinne.226 „Außerhalb des Unternehmens“ ist die nationale Terminologie für unternehmensfremd.227 In der Literatur228 wird der Begriff „außerunternehmerisch“ anstelle der in § 3 Ib, IXa und § 15 Ib 1 UStG normierten „Zwecke außerhalb des Unternehmens“ gebraucht. Es ist Lohse zuzustimmen, dass mit dem Be griff „außerunternehmerisch“ zwar sprachlich begrüßenswert ein Ne bensatz vermieden werde, aber an die Tätigkeit des Steuersubjekts (Un ternehmer) und nicht an das in den Art. 16, 26 und 168a MwStSystRL bzw. in § 3 Ib, IXa und § 15 Ib 1 UStG genannte Zuordnungsziel Unter nehmen angeknüpft wird. Richtigerweise seien deshalb die unionalen Begriffe unternehmensfremd und privat zu verwenden.229 Außerunternehmerisch kann stattdessen mit nichtunternehmerisch/ nichtwirtschaftlich gleichgesetzt werden, jedoch nicht mit unterneh mensfremd.230 Sähe man dies anders, würde der Unternehmerbegriff bzw. im Unionsrecht der „Steuerpflichtige“ mit dem Unternehmensbegriff gleichgesetzt, was bei Betrachtung der unionalen und nationalen Rechts quellen nicht zutreffend sein kann, im Rahmen derer das Unternehmen zumindest in Art. 26 I MwStSystRL231 und § 3 Ib, IXa UStG232 auch nicht unternehmerische Tätigkeiten umfasst. 226 Korn, ÖStZ 2009, 262 (264); ebenso Lohse, IStR 2009, 486 (487); Nieskens, EUUStB 2009, 19; Abschnitt 2.3. Ia 2 UStAE; Abschnitt 3.3. I 3, 4 UStAE. 227 Heuermann, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 462. 228 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1300 ff.; Robisch verwendet den Begriff im Titel seiner Dissertation „Die umsatzsteuerliche Erfassung von Wertab gaben zu außerunternehmerischen Zwecken“; Oelmaier, MwStR 2014, 600 (602); Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1509); Kußmaul/Türk, BB 2010, 1187 ff.; Ster zinger, UR 2012, 213 (216, 221). 229 Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 924. 230 Ein Beispiel, zu welcher Verwirrung das in der Literatur geschaffene Wort „außer unternehmerisch“ führt und warum sich der Rechtsanwender besser an die vom EuGH geschaffene Terminologie halten sollte, findet sich bei Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 489: Außerunternehmerisch müsste meines Erachtens zunächst als Synonym für nichtwirtschaftlich/nichtun ternehmerisch verwendet werden, da „außerunternehmerische Satzungszwecke“ keine unternehmensfremden Satzungszwecke sein können, was sich aus dem wei ten Unternehmensbegriff der VNLTO-Rechtsprechung ergibt. Weiter spricht der Verfasser auf S. 490 von einem „unternehmerischen Verwendungsanteil“, also dem Gegenteil von nichtunternehmerisch, jedoch nicht von unternehmensfremd. Demgegenüber wird im Anschluss ein „ausschließlich privat oder anderweitig außerunternehmerisch erworbener Gegenstand“ aufgegriffen, der später „für das Unternehmen verwendet wird.“ Hier ist außerunternehmerisch wohl als „unter nehmensfremd“ zu verstehen. 231 Siehe S. 25 ff. 232 Siehe S. 47 ff.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
B. Das Unternehmen im Sinne des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG lautet: „Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.“ Der Wortlaut der Vorschrift ist seit der Einführung von Unternehmerund Unternehmensbegriff im Jahre 1934 unverändert.233 Nach der Vor schrift ist jede Lieferung oder sonstige Leistung mit Umsatzsteuer zu besteuern, die der Unternehmer gegen Entgelt im Rahmen seines Unter nehmens ausführt.234 Der im vorherigen Punkt behandelte Grundsatz der Unternehmenseinheit bestimmt den Rahmen des Unternehmens und umfasst alle unternehmerischen Tätigkeiten eines Unternehmens.235 Das Tatbestandsmerkmal „im Rahmen des Unternehmens“ ist unions rechtskonform als „im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinne des Art. 9 I MwStSystRL auszulegen.236 Mithin enthält auch § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG den engen Unternehmensbegriff.
C. Das Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG I. Geschichtliche Entwicklung: Das Unternehmen im Sinne von § 1 Nr. 2 UStG 1934 und § 1 I Nr. 2 UStG 1967/1980 Schon bei der Einführung der Umsatzsteuer enthielt das damalige UStG 1918237 den sog. Eigenverbrauch.238 Seit dem UStG 1919239 war auch die selbständige berufliche Tätigkeit steuerbar, weswegen der Wortlaut des Eigenverbrauchs entsprechend angeglichen werden musste. Aufgrund
233 Vgl. UStG vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942 = RStBl. 1934, 1166. 234 Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 1 UStG Rn. 299. 235 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Anm. 952. 236 BFH vom 12.08.2015 – XI R 43/13 = MMR 2016, 32, Rn. 32 f.; BFH vom 26.04.2012 – V R 2/11 = DStR 2012, 965, Rn. 31 f.; Nieskens in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 1 Anm. 951; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 1 UStG Rn. 300b; sie he zur wirtschaftlichen Tätigkeit S. 61 ff. 237 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779. 238 § 1 II UStG 1918 lautete: „Die Steuer wird auch erhoben, wenn die im Abs. 1 bezeichneten Personen Gegenstände aus dem eigenen Betrieb entnehmen, um sie zu außerhalb ihrer gewerblichen Tätigkeit liegenden Zwecken zu gebrauchen oder zu verbrauchen; dabei gilt als Entgelt derjenige Betrag, der am Orte und zur Zeit der Entnahme von Wiederverkäufern gezahlt zu werden pflegt“. 239 UStG vom 24.12.1919, RStBl. 1919, 423.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
der 1934 eingefügten240 Begriffe des Unternehmers und des Unterneh mens musste der Eigenverbrauch in seiner Wortfassung geändert wer den.241 § 1 Nr. 2 UStG 1934 lautete: „Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 2. der Eigenverbrauch. Solcher liegt vor, wenn ein Unternehmer im Inland Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen.“ Aus dem Wortlaut geht hervor, dass zunächst nur Entnahmen als Eigen verbrauch steuerbar waren. Deshalb wurde der Eigenverbrauch im Jahre 1967 in seinem Anwendungsbereich erweitert, um die Gleichstellung von Steuersubjekten und Endverbrauchern weiter voranzutreiben. § 1 I Nr. 2 UStG 1967242 lautete: „Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 2. der Eigenverbrauch. Er liegt vor, a) wenn ein Unternehmer im Inland Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen, b) soweit ein Unternehmer im Inland dem Unternehmen dienende Gegenstände für Zwecke verwendet, die außerhalb des Unternehmens liegen, c) soweit ein Unternehmer im Inland Aufwendungen tätigt, die nach § 4 V des Einkommensteuergesetzes bei der Gewinnermittlung ausscheiden. Das gilt nicht für Geldgeschenke.“ Buchstabe a) regelte den Entnahme-Eigenverbrauch, Buchstabe b) den Verwendungs-Eigenverbrauch und Buchstabe c) den Aufwendungs-Ei genverbrauch. Letzterer knüpfte an das Einkommensteuerrecht an und wird hier nicht weiterverfolgt, weil dieser im Umsatzsteuergesetz heute nicht mehr vorkommt.243 Hinsichtlich des Verwendungs-Eigenverbrauchs wurde nach dem Gesetz in der Fassung von 1967 nur eine Verwendung von dem Unternehmen 240 UStG vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942 = RStBl. 1934, 1166; Stadie in Rau/Dürr wächter, UStG, Einf. Anm. 27; Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 20. 241 Begründung zum UStG, RStBl. 1934, 1549 (1550). 242 UStG vom 29.05.1967, BStBl. I 1967, 224. 243 Vertiefend Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Anm. 5.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
dienenden Gegenständen außerhalb dieses Unternehmens besteuert. Da mit war noch keine völlige Gleichstellung mit den Endverbrauchern er reicht, da Dienstleistungen, die außerhalb des Unternehmens lagen, noch nicht erfasst waren. Deshalb wurde Buchstabe b) durch das Um satzsteuergesetz 1980 in seinem Anwendungsbereich ausgedehnt.244 § 1 I Nr. 2 lit. b UStG 1980245 lautete: „Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 2. der Eigenverbrauch im Erhebungsgebiet. Eigenverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer b) im Rahmen seines Unternehmens sonstige Leistungen der in § 3 IX bezeichneten Art für Zwecke ausführt, die außerhalb des Unternehmens liegen.“ Die Änderung des Wortlauts von § 1 I Nr. 2 lit. b UStG 1980 im Vergleich zu § 1 I Nr. 2 lit. b UStG 1967 könnte beim Rechtsanwender den Ein druck erwecken, als fielen unternehmensfremde Verwendungen eines Gegenstands nicht mehr unter den Tatbestand. Die Terminologie ist ver wirrend, denn unter die Vorschrift fällt sowohl die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke als auch die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung für derartige Zwecke. Sonstige Leistungen im Sinne des § 3 IX UStG 1980 „sind durch den Unternehmer veranlasste, nicht in Gegenständen beste hende Wertabgaben des Unternehmens an den Unternehmer selbst oder einen Dritten für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen.“246 Unter „nicht in Gegenständen bestehende Wertabgaben“ fallen sowohl Verwendungen als auch Dienstleistungen. In Bezug auf den Unternehmensbegriff des ehemaligen Eigenverbrauchs ist Folgendes festzustellen: Der Eigenverbrauch stellt gem. § 1 Nr. 2 UStG 1934 und § 1 I Nr. 2 UStG 1967/1980 auf Zwecke ab, die „außerhalb des Unternehmens“ liegen. Im Gegensatz dazu sind Leistungen nach § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG steuerbar, wenn sie „im Rahmen des Unternehmens“ erfolgen. Das Unternehmen im Sinne von § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG bestimmt sich nach der unternehmerischen Tätigkeit.247 Deshalb umfasste das Tat bestandsmerkmal „außerhalb des Unternehmens“ im Eigenverbrauch 244 Vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Anm. 5. 245 Gesetz zu Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Ge setze vom 26.11.1979, BGBl. I 1979, 1953. 246 BFH vom 05.04.1984 – V R 51/82 = BeckRS 1984, 22006843; das Urteil setzt sich ausführlich mit der Auslegung des § 1 I Nr. 2 lit. b UStG 1980 auseinander und betont die Umsetzung des Art. 6 II der 6. MwSt-RL durch die Vorschrift. 247 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 1 Anm. 952.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
den nichtunternehmerischen Bereich, der damals mit der unternehmens fremden Sphäre gleichzusetzen war. Beispiel für einen Eigenverbrauch wäre das Verschenken des Dienstwagens eines Taxifahrers an seine Tochter, das schon nach den § 1 Nr. 2 UStG 1934 und § 1 I Nr. 2 lit. a UStG 1967 mehrwertsteuerpflichtig war. Der ehemalige Eigenverbrauch in den § 1 Nr. 2 UStG 1934 und § 1 I Nr. 2 UStG 1967/1980 war daher ebenso wie das Unternehmen im Sinne des aktuellen § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG bzw. § 2 I 2 UStG eng aufzufassen. Gegenstand des Unternehmens bei allen vier Vorschriften ist – bzw. im Falle des ehemaligen Eigenverbrauchs war – daher ausschließlich die unternehmerische Tätigkeit.
II. Aktuelle Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe § 3 Ib UStG lautet: „Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt 1. die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen; 2. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; 3. jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.“ § 3 IXa UStG lautet: „Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt 1. die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15 Absatz 6a durchzuführen ist; 2. die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, 47
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.“ Damit ein Gegenstand nach § 3 Ib UStG in Verbindung mit § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG der Besteuerung unterworfen werden kann, muss der Unter nehmer diesen aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, entnehmen. Der Gegenstand muss also aus dem Unternehmensvermögen ausscheiden.248 Eine Besteuerung nach § 3 IXa Nr. 1 UStG in Verbindung mit § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG setzt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für Zwecke außer halb des Unternehmens voraus. Seit dem EuGH-Urteil VNLTO hat sich dieser Unternehmensbegriff bei Vereinigungen249 in seiner Reichweite verändert. Davor ging man davon aus, dass das Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes aus schließlich die unternehmerische Tätigkeit, in deren Rahmen steuer pflichtige Umsätze generiert werden, umfasst.250 Jede nichtunternehme rische Tätigkeit entsprach dem Tatbestandsmerkmal „außerhalb des Unternehmens“ im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG, das aufgrund der richtli nienkonformen Auslegung mit den „unternehmensfremden Zwecken“251 im Sinne der Art. 16 I und 26 I MwStSystRL gleichzusetzen ist.252 Mithin gab es ursprünglich zwei Sphären, nämlich die unternehmerische und die nichtunternehmerische Sphäre.253 An dieser Abgrenzung zwischen dem Unternehmen und dem unterneh mensfremden Bereich kann wegen der Entscheidung VNLTO nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden.254 Nach Auffassung des EuGH sind ideelle, hoheitliche und rein vermögensverwaltende Zwecke nicht 248 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1300. 249 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39. 250 Siehe S. 54 ff. 251 Siehe zu unternehmensfremd S. 25 ff. 252 Vgl. Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (96); Lohse, IStR 2009, 486; Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1509); Korn, ÖStZ 2009, 262; ders., DStR 2009, 372; Heuermann, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 462; auch die deutsche Regierung ging im Rahmen des Verfahrens VNLTO davon aus, dass jede nichtwirt schaftliche Tätigkeit unternehmensfremd sein müsse, vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 22; Wäger ist auch nach der Entscheidung der Ansicht, dass die unternehmerische Tätigkeit dem Unternehmen entspreche und die Verfolgung anderer als unternehmerischer Zwecke außerhalb des Unter nehmens sei, vgl. Wäger, UR 2012, 25 (26). 253 Sog. Sphärenurteil des BFH vom 20.12.1984 – V R 25/76 = BeckRS 1984, 22007128, unter B. 3.; Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 25 ff. 254 Vgl. Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 411, der die nationale Unterscheidung als zu ungenau bezeichnet.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
unternehmensfremd bzw. liegen nach deutscher Terminologie nicht au ßerhalb des Unternehmens, obwohl mit ihnen keine steuerbaren Umsät ze erzielt werden.255 Ideelle, hoheitliche und rein vermögensverwaltende Zwecke sind unter nehmenseigen, da sie zur Zweckbestimmung des Unternehmens einer Vereinigung (Satzungszwecke, Vermögensverwaltung) oder einer juristi schen Person des öffentlichen Rechts (hoheitliches Handeln) gehören, auch wenn sie nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersys temrichtlinie fallen. Unternehmensfremd bzw. außerhalb des Unterneh mens sind daher nur Tätigkeiten, die in keiner Weise mit dem Unterneh men zusammenhängen.256 Auch aus den Art. 18 lit. b und 43 Nr. 1 MwStSystRL lässt sich ableiten, dass zum Unternehmen Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des mehrwertsteuerlichen Anwendungsbe reichs gehören können.257 Ebenso verhält sich dies im französischen Mehrwertsteuerrecht.258 Das Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG umfasst bei Vereinigun gen also zwei Bereiche, nämlich den (engen) Bereich der unternehmeri schen Tätigkeit, in dem steuerbare, entgeltliche Umsätze getätigt wer den und einen (weiten) nichtunternehmerischen Bereich, unter den ideelle, vermögensverwaltende oder bei einer juristischen Person des öf fentlichen Rechts hoheitliche Zwecke fallen.259 Der unternehmenseige ne und der unternehmensfremde Bereich im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG stellen sich folgendermaßen dar: Unternehmen/unternehmenseigen unternehmerischer ereich, Bewirkung B entgeltlicher Umsätze
unternehmensfremd
nichtunternehmerischer, privater Bereich, privater unternehmenseigener Bedarf des Personals, Bereich, z. B. ideelle allgemein unterneh Vereinstätigkeiten mensfremd
255 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39; EuGH vom 08.05.2019 – C-566/17, Związek = DStRE 2019, 1404, Rn. 26 f., 32; EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 30 f.; Nieskens in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 1302; siehe auch Reiß, UR 2010, 797 (804). 256 Vgl. Korn, ÖStZ 2009, 262 (263); Oelmaier, MwStR 2014, 600 (603); Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (587). 257 Siehe S. 25 ff. 258 Ausführlich Pull, UR 2012, 701 ff. 259 Vgl. Lohse, IStR 2009, 486 (487); Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuer recht, S. 92; Korf/Kurtz, UR 2010, 86 (98); Küffner/von Streit, DStR 2012, 581 (587 f.).
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Als Reaktion auf die VNLTO-Rechtsprechung entstand in der Literatur die Drei-Sphären-Theorie. Neben der unternehmerischen (1.) und der nichtunternehmerischen, aber unternehmenseigenen Sphäre (2.) kommt nach dieser Theorie noch die unternehmensfremde Sphäre (3.) hinzu.260 Die Drei-Sphären-Theorie stellt sich nach Pull wie folgt dar:261 unternehmerische phäre, Bewirkung S entgeltlicher Umsätze
nichtunternehmerische, unternehmenseigene Sphäre
unternehmensfremde Sphäre, z. B. private Verwendungen
Die Entstehung einer dritten Sphäre wird von Teilen der Literatur abge lehnt. Stattdessen wird vertreten, dass die nichtunternehmerische Sphä re in einen unternehmenseigenen und einen unternehmensfremden Tä tigkeitsbereich zu unterteilen sei. Daneben bestehe die unternehmerische Sphäre, so dass nach diesem Ansatz weiterhin von zwei Sphären auszu gehen wäre.262 Ob durch die VNLTO-Rechtsprechung eine dritte Sphäre entstanden ist oder nach wie vor zwei Sphären vorliegen, kann dahinste hen, da sich das Tatbestandsmerkmal des Unternehmens im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG dadurch nicht verändert.263 Das Unternehmen besteht nach beiden Auffassungen aus einem unternehmerischen Bereich, in dem entgeltliche Umsätze bewirkt werden und einem nichtunternehme rischen Bereich, der unternehmenseigen ist (siehe erste Tabelle). Eine weitere Ansicht in der Literatur vertritt, dass das Unternehmen im Umsatzsteuergesetz generell mit der unternehmerischen respektive wirtschaftlichen Tätigkeit gleichzusetzen sei. Ideelle Vereinszwecke sei en außerhalb des Unternehmens bzw. unternehmensfremd.264 Nach frü herer Auffassung von Reiß seien Verwendungen für Vereinszwecke unter 260 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 88; wohl i. E. ebenso Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1511), die die dritte Sphäre aber als Systembruch des EuGH sehen. 261 Die Darstellung erfolgt hier in deutscher Terminologie. 262 Korn, ÖStZ 2009, 262 (264); ebenso Lohse, IStR 2009, 486 (487); Nieskens, EUUStB 2009, 19; diff. Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 1 UStG Rn. 300a, der die unternehmerische Sphäre in eine wirtschaftliche und eine nichtwirtschaftliche Sphäre unterteilt; ebenso Sterzinger, UR 2010, 125 (131); Slapio/Erdbrügger, EUUStB 2009, 26 (30). Diese Unterteilung verkennt meines Erachtens, dass die unter nehmerische Sphäre der wirtschaftlichen Sphäre entspricht und daher keine nicht wirtschaftliche Sphäre enthalten kann. Vielmehr ist die unternehmenseigene Sphäre aufzuteilen. 263 Zum Meinungsstreit ausführlich Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuer recht, S. 79 ff.; dies., UR 2012, 701 ff. 264 Reiß, UR 2010, 797 (805); Wäger, UR 2012, 25 (26).
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
Zugrundelegung der Auslegung des EuGH zwar dem Unternehmen im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL zugeordnet, aber nicht der wirt schaftlichen Tätigkeit. Da die Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit unterbleibe, erfolge eine ideelle Verwendung nicht zu unternehmens fremden Zwecken. In der Terminologie des deutschen Rechts bedeute dies, dass Verwendungen für Vereinszwecke nicht dem Unternehmen im Sinne der wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet werden können und in Ermangelung dieser Zuordnung kein Vorsteuerabzugsrecht bestehe. Die Anwendung der unentgeltlichen Wertabgabe scheitert nach dieser An sicht an dem Tatbestandsmerkmal „dem Unternehmen (im Sinne der wirtschaftlichen Tätigkeit) zugeordnet.“265 Diese Sichtweise ist unionsrechtswidrig, da ideelle Vereinszwecke nach dem EuGH nicht unternehmensfremd bzw. nach deutscher Termino logie nicht außerhalb des Unternehmens sind.266 Zudem sind die ideel len Verwendungen dem EuGH zufolge dem Unternehmen zugeord net.267 Deswegen kann das Unternehmen im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL bzw. § 3 IXa UStG nicht mit wirtschaftlichen Tätigkeiten gleichgesetzt werden, da ein Vorsteuerabzug in diesem Fall entgegen der Rechtsauslegung des Gerichtshofs möglich wäre. Das Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG enthält – im Gegensatz zu § 1 I Nr. 1 S. 1, § 2 I 2 UStG und den ehemaligen Eigenverbrauchstat beständen – nicht den engen Begriffsinhalt, sondern ist seit der VNLTO- Entscheidung weit zu verstehen.268 Daher umfasst es zum einen unter nehmerische Tätigkeiten, bei denen steuerbare Umsätze erzielt werden und zum anderen nichtunternehmerische Tätigkeiten, die unterneh menseigen, also nicht unternehmensfremd sind. Daraus folgt im Um kehrschluss, dass das in § 3 Ib, IXa UStG enthaltene Tatbestandsmerk mal „außerhalb des Unternehmens“ nicht so auszulegen ist, dass alle nichtunternehmerischen Tätigkeiten, bei denen keine steuerbaren Um sätze erfolgen, darunterfallen. „Außerhalb des Unternehmens“ können daher nur solche Zwecke sein, die nichtunternehmerisch und nicht un ternehmenseigen sind.
265 Reiß, UR 2010, 797 (805 f.). 266 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39; BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 48; inzwischen auch dieser An sicht ist Reiß, UR 2020, 747 (751). 267 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 40. 268 Vgl. Oelmaier, MwStR 2014, 600 (602, 605), der den Unternehmenstatbestand in § 3 UStG unternehmensbezogen und in den §§ 1, 15 UStG umsatzbezogen (für die unternehmerische Tätigkeit) unionsrechtskonform auslegt.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Der weite Unternehmensbegriff des § 3 Ib, IXa UStG spielt jedoch auf grund des Vorsteuerabzugsverbots hinsichtlich nichtunternehmerischer, aber nicht unternehmensfremder Verwendungen, für die Beurteilung der Unionsrechtskonformität des Unternehmenstatbestands beim Vorsteu erabzug gem. § 15 UStG keine Rolle.269
D. Das Unternehmen im Sinne des § 2 II Nr. 2 UStG270 Die Organschaft wurde ursprünglich vom RFH entwickelt271 und 1934 durch § 2 II Nr. 2 UStG 1934272 in das Gesetz eingefügt.273 Der heute gül tige § 2 II Nr. 2 UStG lautet: „Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, 2. wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.“ Die juristische Person im Sinne des § 2 II Nr. 2 S. 1 UStG, die in das Un ternehmen des Organträgers eingegliedert ist, wird als Organgesellschaft bezeichnet. Entgegen dem Wortlaut der nationalen Vorschrift ist nach dem EuGH jedoch nicht erforderlich, dass diese Organgesellschaft tat sächlich eine juristische Person ist. Eine Organgesellschaft kann also z. B. auch eine OHG, GmbH & Co. KG oder eine KG sein. Beschränkun gen sind nur zulässig, soweit sie den Zielen der Richtlinie dienen, also
269 Siehe dazu S. 138 ff. 270 Die Vorschrift ist aufgrund ihrer möglichen Unionsrechtswidrigkeit Gegenstand eines Vorlagebeschlusses, vgl. BFH vom 07.05.2020 – V R 40/19 = DStR 2020, 1367, Rn. 20 ff.; siehe auch Reiß, UR 2020, 747. 271 RFH vom 26.09.1927 – V A 417/27 = RFHE 22, 69; siehe auch Popitz, UStG, S. 304. 272 § 2 II Nr. 2 UStG 1934 lautete: „Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat“. 273 UStG vom 16.10.1934, RStBl. 1934, 1166; siehe auch Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 130; vertiefend zur Entstehungsgeschichte Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 2 Anm. 780 f.
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§ 3 Der deutsche Tatbestand des Unternehmens und seine Ableitungen
beispielsweise Missbrauch vorbeugen.274 Wie aus dem Begriff „Gesell schaft“ hervorgeht, scheidet eine natürliche Person als Organgesellschaft aus. Demgegenüber ist das Vorliegen einer Gesellschaft im Falle des Or ganträgers nicht zwingend. Dieser kann also auch eine natürliche Person sein, wenn eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt.275 Die Organgesellschaft muss finanziell, wirtschaftlich und organisato risch eingegliedert sein. Eine finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn der Organträger die Organgesellschaft beherrscht, also die Stimmmehr heit besitzt.276 Um eine wirtschaftliche Eingliederung bejahen zu kön nen, ist erforderlich, dass die Tätigkeiten des Organträgers und der Organgesellschaft im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.277 Schließ lich ist die Gesellschaft organisatorisch eingegliedert, wenn seitens des Organträgers durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass sein Wille in der Organgesellschaft tatsächlich umgesetzt wird. Dies er folgt gewöhnlich durch Personenidentität in den Geschäftsführungsorga nen.278 Es ist nicht erforderlich, dass die finanzielle, wirtschaftliche und organi satorische Eingliederung in das Unternehmen gleichermaßen ausgeprägt ist. Deshalb kann eine Organschaft auch vorliegen, wenn eine Eingliede rung in einem dieser Gebiete nicht vollständig, aber in den anderen Ge bieten umso eindeutiger gegeben ist, so dass sich die Eingliederung aus dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse ergibt.279 Das Unternehmen im Sinne des § 2 II Nr. 2 UStG wird nicht tätigkeits bezogen definiert, denn eine finanzielle Eingliederung nach Satz 1 kann nur über eine Kapitalbeteiligung erfolgen, nicht über eine Tätigkeit. Da raus ergibt sich zum einen ein vermögensbezogener Unternehmensbe griff.
274 EuGH vom 16.07.2015 – C-108/14, C-109/14, Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrts AG = DStR 2015, 1673, Rn. 40 ff.; nach dem BFH eignet sich eine GmbH & Co. KG stets als Organgesellschaft, BFH vom 19.01.2016 – XI R 38/12 = DStR 2016, 587, 3. Leitsatz. 275 Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 152; Möller, Umsatzsteuerrecht, Rn. 170; Ab schnitt 2.8. II 9 UStAE. 276 BFH vom 02.12.2015 – V R 15/14 = DStR 2016, 226, Leitsatz; Abschnitt 2.8. V 1 UStAE. 277 BFH vom 22.06.1967 – V R 89/66 = BeckRS 1967, 21005098; Abschnitt 2.8. VI 1 UStAE. 278 Möller, Umsatzsteuerrecht, Rn. 172, m. w. N. 279 BFH vom 23.04.1964 – V 184/61 U = BeckRS 1964, 21005200; BFH vom 22.06.1967 – V R 89/66 = BeckRS 1967, 21005098; Abschnitt 2.8. I 2, 3 UStAE.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Nach Satz 3 der Vorschrift sind die Unternehmensteile als ein Unterneh men zu behandeln. Mit Unternehmensteilen sind nach Auslegung des Wortlauts alle an der Organschaft beteiligten Gesellschaften gemeint. Diese sind als ein Unternehmen im Sinne eines Umsatzsteuerrechtssub jekts zu behandeln. Deshalb ist das Unternehmen im Sinne der Vor schrift zum anderen subjektbezogen definiert. Für einen subjektbezoge nen Begriff spricht auch Art. 11 I MwStSystRL280, nach dessen Wortlaut ansässige Personen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können. Den Unternehmenstatbestand kennt die europäische Vorschrift dagegen nicht. Mangels tätigkeitsbezogenen Unternehmensbegriffs ist die Unter suchung des § 2 II Nr. 2 UStG in dieser Arbeit überflüssig.
§ 4 Vergleich der unionalen und deutschen Rechtsgrundlagen Das Unternehmen im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL,281 der durch § 3 IXa UStG umgesetzt wurde,282 umfasst aufgrund seines weiten Be griffsinhalts nicht nur unternehmerische Tätigkeiten, sondern im Falle einer Vereinigung auch ideelle oder rein vermögensverwaltende Tätig keiten bzw. bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts hoheit liche Tätigkeiten. Für den nationalen Unternehmenstatbestand des § 3 IXa UStG gilt eben falls der weite unionale Tatbestand, der auch nicht in den Anwendungs bereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie fallende Verwendungen umfasst. Ansonsten entspräche die Vorschrift nicht dem Art. 26 I lit. a MwStSystRL. Aus der Definition des Unternehmens in § 2 I 2 UStG ergibt sich ein engerer Begriffsinhalt283 als in Art. 26 I lit. a MwStSystRL respektive § 3 IXa UStG, denn dieser umfasst nur Tätigkeiten im Anwendungsbe 280 Art. 11 I MwStSystRL lautet: „Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend „Mehrwertsteuerausschuss“ genannt) kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln“. 281 Für Art. 16 MwStSystRL, der durch § 3 Ib UStG umgesetzt wurde, ergeben sich bzgl. des Unternehmenstatbestands keine abweichenden Feststellungen, deswe gen kann eine eigene Darstellung hier entfallen. 282 Wäger, in: Wäger UStG § 3 Rn. 456. 283 Siehe S. 41 ff.
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§ 4 Vergleich der unionalen und deutschen Rechtsgrundlagen
reich der Mehrwertsteuer. Pull sieht keine historischen, systematischen oder teleologischen Anhaltspunkte für eine differenzierende Auslegung des Unternehmensbegriffs in den § 1 I, § 2 I 2, § 3 Ib, IXa und § 15 I UStG284. Aus der Systematik des Umsatzsteuergesetzes ergebe sich des halb nicht, dass der Unternehmenstatbestand seit der vorliegenden Ab weichung im Unionsrecht auf nationaler Ebene nun anders zu verstehen sei.285 Vielmehr müsste der Rechtsanwender von einem einheitlichen engen Unternehmenstatbestand im Umsatzsteuergesetz ausgehen. Die Entstehungsgeschichte lege eine stets identische enge Auslegung des nationalen Tatbestands nahe, weil der sog. Eigenverbrauch286 vor ca. vier Jahrzenten noch im Besteuerungstatbestand des § 1 I Nr. 1, Nr. 2 UStG 1980287 aufgeführt war.288 Der Eigenverbrauch wurde später durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002289 überholt und durch § 3 Ib, IXa UStG ersetzt. Sowohl der Wortlaut des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG „im Rahmen seines Unternehmens“ zur Bestimmung eines steuerbaren Um satzes als auch der des einstigen Eigenverbrauchstatbestands – nun in Gestalt des § 3 Ib, IXa UStG – „außerhalb des Unternehmens“, wurde nicht verändert. Auch dies spreche dafür, dass sich die Auslegung des Unternehmenstatbestands nicht geändert habe.290 Dementsprechend lägen die ideellen Zwecke nach dem nationalen Recht eigentlich außerhalb des Unternehmens und wären damit gem. § 3 IXa UStG in Verbindung mit § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG steuerbar. Derartige Zwecke sind bei einer Vereinigung nach der EuGH-Rechtsprechung VNLTO jedoch nicht außerhalb des Unternehmens, sondern unterneh menseigen.291 Aufgrund dessen ist entgegen allen Auslegungskriterien in § 3 Ib, IXa UStG ein weiter und in den § 1 I, § 2 I 2 und § 15 I UStG ein enger Unternehmensbegriff zugrunde zu legen.292 § 3 Ib, IXa UStG ist unionsrechtskonform auszulegen, da diese Ausle gung den anderen nationalen Auslegungsmöglichkeiten vorgeht (sog.
284 § 15 UStG wird auf S. 135 ff. behandelt. 285 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 89 f., mit Verweis auf Wäger, DStR 2011, 433 (436). 286 Siehe zum Eigenverbrauch S. 44 ff. 287 UStG vom 26.11.1979, BGBl. I 1979, 1953. 288 Vgl. Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 90. 289 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BGBl. I 1999, 402 (486 f.). 290 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 90. 291 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38–40. 292 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 94; Lohse, IStR 2009, 486 (487 f.); ders., BB 2010, 1437.
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Kapitel 1: Tatbestandsmerkmal Unternehmen und seine korrekten Ableitungen
Grundsatz des „effet utile“).293 Eine richtlinienkonforme Auslegung ist möglich, wenn der natürliche Wortsinn des § 3 Ib, IXa UStG und der eindeutige Wille des nationalen Gesetzgebers nicht überschritten wer den.294 Der natürliche Wortsinn ist beim Unternehmensbegriff nicht überschritten, da das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ zum einen wie in den Vorschriften der §§ 1 f. und § 15 UStG eng und zum anderen aufgrund der VNLTO-Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Ib, IXa UStG weit ausgelegt werden kann.295 Ebenso steht kein eindeutiger Wille des Gesetzgebers entgegen, zumal dieser die unionalen Vorgaben durch § 3 Ib, IXa UStG umsetzen wollte.296 Nach Pull erschwere diese richtlinienkonforme Auslegung wegen der mit ihr einhergehenden unterschiedlichen Bedeutung des Unterneh mensbegriffs im Umsatzsteuergesetz die Rechtsanwendung in Deutsch land. Zudem genüge die Bundesrepublik Deutschland auch nicht ihrer Umsetzungspflicht von EU-Richtlinien gem. Art. 288 III AEUV, da das nationale Gesetz aufgrund der wegen der Verwendung desselben Begriffs scheinbar einheitlichen Auslegung des Unternehmenstatbestands für be griffliche Unklarheit sorge. Deswegen sei der Gesetzgeber nach der Ver fasserin verpflichtet, den Unternehmensbegriff im Umsatzsteuergesetz an die Richtlinie anzupassen. Dabei empfehle sich die Übernahme der europäischen Terminologie.297 Es erscheint überzeugend, dass die Bundesrepublik Deutschland ihrer Umsetzungspflicht nicht genügt. Deswegen muss dem Rechtsanwender die abweichende weite Bedeutung des Unternehmenstatbestands im Rahmen des § 3 Ib, IXa UStG derzeit bekannt sein. Hier wird nicht länger auf den Verstoß gegen Art. 288 III AEUV und etwaige Änderungsmög lichkeiten der nationalen Vorschriften eingegangen, da Thema dieser Ar beit der unionsrechtlich determinierte Vorsteuerabzug nach § 15 UStG ist, für den eine Verletzung der Umsetzungspflicht des Art. 26 I MwSt SystRL irrelevant ist. 293 Vgl. EuGH vom 26.04.2012 – C-621/10, Balkan and Sea Properties = BeckRS 2012, 80768, Rn. 54; EuGH vom 10.06.2010 – C-395/08 und 396/08, Bruno und Pettini = NZA 2010, 753, Rn. 74. 294 Ismer/Keyser, UR 2011, 81 (86); Schön, Die Auslegung des europäischen Steuer rechts, S. 43 f.; ders., DStJG 19, 1996, S. 187; diff. Lohse, Die Zuordnung im Mehr wertsteuerrecht, S. 195 f., nach dessen Meinung der Vorrang des Unionsrechts die Einschränkung durch den eindeutigen Willen des nationalen Gesetzgebers nicht zulasse. 295 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 91. 296 Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Anm. 75 f.; Entwurf eines Steuerentlas tungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drs. 14/23, S. 195 f. 297 Vertiefend Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 93 ff.
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Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts § 1 Einführung A. Unionales Recht Das Steuersubjekt trägt im unionalen Mehrwertsteuerrecht die Bezeich nung „Steuerpflichtiger.“ Der Begriff des „Steuerpflichtigen“ kommt auch in anderen Rechtsquellen des Unionsrechts vielfach vor.298 Eine nä here Darstellung ist entbehrlich, da das europäische Mehrwertsteuer recht den Steuerpflichtigen im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtli nie in Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL definiert und sich diese Arbeit ausschließlich mit diesem Begriff beschäftigt. Danach gilt als Steuer pflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt.299 Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie betrifft ausschließlich Tätigkeiten wirt schaftlicher Art.300 Noch deutlich öfter findet sich der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im unionalen Recht.301 Da sich diese Arbeit nur mit dem Begriff der wirt schaftlichen Tätigkeit im Sinne des unionalen Mehrwertsteuerrechts beschäftigt und diese ebenfalls in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie definiert ist, können sich die Ausführungen wiederum explizit auf diesen Begriff beschränken. Nach Art. 9 I UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL gilt insbe sondere die Nutzung von körperlichen oder nichtkörperlichen Gegen ständen zur nachhaltigen302 Erzielung von Einnahmen als wirtschaftliche Tätigkeit.
298 Eine entsprechende Suche auf beck-online ergibt über Hundert Treffer sonstiger Normen des unionalen Rechts. 299 Vgl. Dobratz in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.27; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 169; EuGH vom 29.11.2012 – C-257/11, Gran Via = MwStR 2013, 33, Rn. 24. 300 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 20; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 30. 301 Die beck-online Recherche ergab allein bei Richtlinien mehrere Hundert Treffer. 302 Obwohl die Nachhaltigkeit ausdrücklich nur in Satz 2 aufgeführt ist, ist sie auch im Rahmen von Satz 1 und somit grundsätzlich Voraussetzung für eine wirtschaft liche Tätigkeit. Dies zeigt auch der Umkehrschluss aus Art. 12 MwStSystRL, vgl. Langer in: MwStSystRL – eKommentar, Art. 9 Rn. 9.
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Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts
B. Deutsches Recht Im nationalen Recht kommt der Begriff des Steuerpflichtigen in § 33 AO vor.303 Unter den Begriff des Steuerpflichtigen im Sinne der Abgabenord nung fällt jeder, der „als Beteiligter eines Steuerschuldverhältnisses die ihm durch die Steuergesetze auferlegten Pflichten zu erfüllen hat und Rechte beanspruchen kann.“304 Die Steuerpflicht nach der Abgaben ordnung knüpft an eine gesetzliche Verpflichtung an. Nach Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL ist dagegen Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tä tigkeit ausübt. Daher knüpft die Richtlinie an eine Tätigkeit an, um die Steuerpflicht zu begründen. Trotz dieses Unterschieds ist der Unterneh mer im Sinne von § 2 I 1 UStG der Steuerpflichtige gem. § 33 AO.305 Der Unternehmerbegriff findet sich auch in anderen nationalen Steuer gesetzen, z. B. in den § 2 V, § 5 GewStG und in § 15 I Nr. 1, 2 EStG. Auch in § 141 I 1 AO wird der Begriff verwendet. Hier ist er im Sinne des Ein kommensteuerrechts zu verstehen.306 Bei § 2 I 2 GewStG in Verbindung mit § 15 II 1 EStG ist Gewinnerzielungsabsicht erforderlich, wohingegen der Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gem. § 2 I 1, 3 UStG nur mit Einnahmeerzielungsabsicht handeln muss. Daher ist der Un ternehmertatbestand im Mehrwertsteuerrecht inhaltlich weiter und insoweit unabhängig von den Begrifflichkeiten anderer nationaler Steu ergesetze.307 Dafür spricht auch, dass der Unternehmer im Sinne des § 2 I 1 UStG ausschließlich im Lichte der Mehrwertsteuersystemrichtli nie auszulegen ist.308 Deswegen wird in der Arbeit nur der Unternehmer begriff des deutschen Mehrwertsteuerrechts behandelt.
C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung in dieser Arbeit soll sich vorwiegend auf das Tatbe standsmerkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit konzentrieren, anhand 303 § 33 I AO lautet: „Steuerpflichtiger ist, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat“. 304 Koenig/Koenig § 33 Rz. 25; ähnlich Klein/Rüsken AO § 33 Rz. 1. 305 Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 1; der Begriff des Steuerpflichtigen war bereits in § 14 UStG 1918 normiert, vgl. UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 (785). 306 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 42; FG Berlin-Brandenburg vom 14.08.2007 – 8 V 8133/07 = DStRE 2008, 455. 307 Vgl. BGH vom 03.03.2020 – XI ZR 461/18 = BKR 2020, 471, Rn. 16; Weymüller/ S. Müller UStG § 2 Rn. 90. 308 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 86; Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 62.
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§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Recht
derer der Begriff des Steuerpflichtigen nach ständiger EuGH-Rechtspre chung definiert wird.309 Klose bezeichnet die wirtschaftliche Tätigkeit zur Bestimmung des Steuerpflichtigen als „Schlüsselbegriff“.310 Diese stellt für das Handeln als Steuerpflichtiger und somit für den Vorsteuer abzug im nächsten Kapitel die elementare Voraussetzung dar.311
§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Mehrwertsteuerrecht Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Recht
A. Die Tatbestandsmerkmale des Steuerpflichtigen, der wirtschaftlichen Tätigkeit und deren Ableitungen I. Entstehungsgeschichte der Begriffe 1. Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie Der Begriff des Steuerpflichtigen wurde erstmalig in Art. 4 der 2. MwStRL312 normiert. Die Vorschrift lautete: „Als Steuerpflichtiger gilt, wer regelmäßig mit oder ohne Absicht, Gewinn zu erzielen, selbständig Leistungen erbringt, die zu den Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden gehören.“ In Anhang A dieser Richtlinie313 wurden einzelne Vorschriften näher er läutert. Gem. Ziffer 2 des Anhangs A sollte der Begriff der Tätigkeit ei nes Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden weit verstanden werden und alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, auch die Tätigkeiten der Urprodu zenten, der Landwirte sowie der freien Berufe umfassen. Telos des Tatbe standsmerkmals „selbständig“ war nach dem Anhang der Richtlinie, dass Arbeitnehmer, die durch einen Arbeitsvertrag gebunden waren, von der Besteuerung ausgenommen wurden. Weiter galten öffentliche Ein richtungen nach Ziffer 2 nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkei ten im Rahmen ihrer öffentlichen Gewalt ausübten.314 309 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 19; EuGH vom 29.11.2012 – C-257/11, Gran Via = MwStR 2013, 33, Rn. 24. 310 Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen, S. 116. 311 Siehe S. 100 ff. 312 Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. 71 vom 14.04.1967, S. 1303 ff. 313 Gem. Art. 20 der 2. MwSt-RL waren die Anhänge der Richtlinie Bestandteil von dieser. 314 Siehe auch Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 21.
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Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts
2. Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie Art. 4 der 2. MwSt-RL wurde durch Art. 4 der 6. MwSt-RL315 ersetzt.316 Die ersten beiden Absätze der Vorschrift lauteten:317 „Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeit selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.“ Die Definition des Steuerpflichtigen wurde in der Sechsten Mehrwert steuerrichtlinie im Vergleich zur Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie exakter normiert, da die Erläuterungen des ehemaligen Anhangs A der Zweiten Richtlinie in den Art. 4 der 6. MwSt-RL aufgenommen wur den.318 Aus der amtlichen Begründung der Sechsten Richtlinie geht her vor, dass die Änderung des Wortlauts gegenüber der Zweiten Richtlinie den Zweck verfolgte, den Anwendungsbereich der Steuer auf sämtliche Tätigkeiten unabhängig von ihrem Ort und auf sonstige Leistungen aus zudehnen, die ebenfalls eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, aber nur einzeln oder gelegentlich erbracht werden können. Diese Auswei tung war aus Gründen der Steuerneutralität erforderlich.319 Hinsichtlich öffentlicher Einrichtungen wurde in Art. 4 V UAbs. 2 der 6. MwSt-RL ergänzt, dass diese trotz hoheitlicher Aufgabenerfüllung als Steuerpflichtige gelten, wenn eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die Vorschrift
315 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsa mes Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1 ff. 316 Vgl. Art. 37 der 6. MwSt-RL, der die Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie aufhob. 317 Der vollständige Abdruck ist hier entbehrlich. 318 Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 22. 319 Vorschlag und Begründung einer sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisie rung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, BR-Drs. 493/73, S. 37.
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§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Recht
wurde durch Inkrafttreten der Mehrwertsteuersystemrichtlinie am 1. Ja nuar 2007 aufgehoben.320
II. Aktuelle Vorschrift Das Steuersubjekt trägt in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nach wie vor die Bezeichnung „Steuerpflichtiger“. Art. 9 I MwStSystRL lautet:321 „Als „Steuerpflichtiger“ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Als wirtschaftliche Tätigkeit gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“ Der Begriff „Steuerpflichtiger“ ist eine Personenbezeichnung.322 Dem entspricht es ihn als steuerpflichtige Person zu bezeichnen. Der Steuer pflichtige muss keine bestimmte Rechtspersönlichkeit aufweisen, sog. Rechtsformneutralität. Dafür spricht, dass die Rechtsform kein geeigne ter Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung bei den mehrwertsteuer lichen Rechtsfolgen sein kann.323 Die Person oder Vereinigung muss le diglich die Fähigkeiten besitzen, Steuern einzunehmen, an den Staat abzuführen und am Rechtsverkehr teilnehmen können.324 Gegenbegriff zum Steuerpflichtigen ist der Nichtsteuerpflichtige, mithin die nicht steuerpflichtige Person, die den Endverbraucher325 darstellt. Das Erbringen einer wirtschaftlichen Tätigkeit zieht den Steuerpflichti genstatus nach sich.326 Beispielsweise wird eine juristische Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich tätig, wenn sie beschaffte Nutzfahr zeuge nicht zum Ausüben von Hoheitsrechten, sondern für entgeltliche Mäharbeiten, also gewerblich, verwendet. Gegenteil der wirtschaftlichen Tätigkeit ist die nichtwirtschaftliche Tätigkeit, also z. B. Vorgänge im 320 Vgl. Art. 411 I MwStSystRL. 321 Der Abdruck des zweiten Absatzes ist entbehrlich. 322 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. 323 Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz. 70.1.; siehe S. 64 ff. 324 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 51. 325 Vgl. Art. 110 MwStSystRL und Erwägungsgrund 19 der Mehrwertsteuersystem richtlinie. 326 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 19; EuGH vom 29.11.2012 – C-257/11, Gran Via = MwStR 2013, 33, Rn. 24.
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Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts
ideellen Bereich einer Vereinigung oder das hoheitliche Tätigwerden ei ner juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die Begriffe des Steuerpflichtigen, Nichtsteuerpflichtigen und der nicht steuerpflichtigen juristischen Person sowie der wirtschaftlichen Tätig keit kommen mehrfach in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vor. Sie haben jeweils dieselbe Bedeutung, da die Einheitlichkeit des Mehrwert steuerrechts sonst nicht gegeben wäre.327 Selbständiges Handeln wird in Art. 10 MwStSystRL negativ definiert. Danach handelt nicht selbständig, wer aufgrund eines weisungsabhängi gen Arbeitsverhältnisses oder Ähnlichem tätig wird. Entscheidend für die Annahme einer Unselbständigkeit ist die Unterordnung einer Person unter einen Arbeitgeber.328 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts hofs ist selbständiges Handeln gegeben, wenn die Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung, in eigener Verantwortung und mit dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko ausgeübt wird.329 Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL schafft mit seiner Legaldefinition der wirt schaftlichen Tätigkeit eine Abgrenzung zur nichtwirtschaftlichen Tätig keit. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist nach dem EuGH gegeben, wenn sie nachhaltig erfolgt und Einnahmeerzielungsabsicht vorliegt, also ge gen Entgelt erfolgt.330 Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit ist weit auszulegen und umfasst daher alle Transaktionen, die zu einem Ver brauch führen (sog. Konsumgütertransfers).331 Ihr Vorliegen ist durch ob jektive Anhaltspunkte zu belegen.332 Auch vorbereitende Tätigkeiten 327 Vgl. zum Steuerpflichtigenbegriff, EuGH vom 17.09.2014 – C-7/13, Skandia America = MwStR 2014, 728, Rn. 23; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 26; die Ko härenz des Wortlauts ist ein Ziel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, vgl. die Be gründung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie, KOM/2004/0246 endg. – CNS 2004/0079, S. 19. 328 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 54; Reiß in Reiß/Kraeusel/Lan ger, UStG § 2 Rz. 18; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 184. 329 EuGH vom 12.10.2016 – C-340/15, Nigl = MwStR 2016, 905, Rn. 28 m. w. N.; sie he auch Langer in: MwStSystRL – eKommentar, Art. 9 Rn. 5; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 55; Dobratz in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.33; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 184. 330 EuGH vom 29.10.2009 – C-246/08, Kommission/Finnland = EuZW 2010, 34, Rn. 37; Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 41. 331 Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 32; Blankenheim, Steuerpflichtiger, S. 109, 118; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 178; auf die weite Auslegung wurde bereits in Anhang A Ziffer 2 der 2. MwSt-RL hingewiesen, siehe S. 59. 332 EuGH vom 26.06.2007 – C-284/04, T-Mobile Austria = IStR 2007, 512, Rn. 35.
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§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Recht
fallen darunter, wie z. B. der Erwerb eines Grundstücks, das später für die wirtschaftliche Tätigkeit verwendet werden soll.333 Aus diesem Grunde ist ein Handeln als Steuerpflichtiger auch dann gegeben, wenn das betref fende Wirtschaftsgut nach dem Erwerb nicht sofort für die wirtschaftli che Tätigkeit verwendet wird.334 Ebenso werden die Ausgaben bis zur Liquidation bzw. Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit von dieser umfasst.335 Das Erfordernis einer nachhaltigen Tätigkeit bedeutet, dass gelegent liches Tätigwerden grundsätzlich336 nicht ausreichend ist.337 Für die Be urteilung nachhaltigen Handelns ist der gesamte Sachverhalt des jewei ligen Einzelfalls zu ermitteln.338 Entscheidend ist auch die Art des betreffenden Gegenstands. Wenn dessen Nutzung in der Regel wirtschaft lich ist, stellt dies grundsätzlich ein ausreichendes Indiz dar, dass der Gegenstand für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen ge nutzt wird. Ist sowohl eine wirtschaftliche als auch eine private Verwen dung des Gegenstands möglich, sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um feststellen zu können, ob eine nachhaltige Nutzung zur Er zielung von Einnahmen gegeben ist.339 Derartige Gesichtspunkte können z. B. die Dauer der Vermietung eines Gegenstands, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen sein.340 Eine wirtschaftliche Tätigkeit kommt nur in Betracht, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird.341 Das tatsächliche Erzielen von Entgelt ist indes 333 EuGH vom 01.03.2012 – C-280/10, Polski Trawertyn = EuZW 2012, 312, Rn. 28; Dobratz in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.29; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 179. 334 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 14, 16; EuGH vom 29.04.2004 – C-137/02, Faxworld = DStRE 2004, 772, Rn. 28; Kokott, Steuer recht der EU § 8 Rn. 34; das Handeln als Steuerpflichtiger wird im nächsten Kapi tel zum Vorsteuerabzug eingehend untersucht. 335 EuGH vom 29.04.2004 – C-137/02, Faxworld = DStRE 2004, 772, Rn. 39. 336 Lediglich in den Fällen des Art. 9 II, 12 MwStSystRL ist auch gelegentliches Han deln steuerbar. 337 EuGH vom 13.06.2013 – C-62/12, Kostov = DStR 2013, 1328, Rn. 28; Weymüller/ S. Müller UStG § 2 Rn. 42 ff. 338 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 29 f.; EuGH vom 19.07.2012 – C-263/11, Ainārs Rēdlihs = BeckRS 2012, 81478, Rn. 38; eine Vielzahl von Kriterien beschreibt Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuer richtlinie, S. 181. 339 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 27; EuGH vom 19.07.2012 – C-263/11, Ainārs Rēdlihs = BeckRS 2012, 81478, Rn. 34; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 41; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 132. 340 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 29. 341 EuGH vom 12.01.2017 – C-28/16, MVM = DStR 2017, 2806, Rn. 25.
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Kapitel 2: Die Benennung des Steuersubjekts
nicht erforderlich. Ausreichend ist schon die Absicht zur Erzielung von Einnahmen.342 Eine darüberhinausgehende Gewinnerzielungsabsicht ist keine Voraussetzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit.343 Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL, der nicht an ei nen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Ergebnis anknüpft.344 Des wegen ist eine Tätigkeit entgeltlich, selbst wenn sie unter dem Selbst kostenpreis erbracht wird. Voraussetzung für die Entgeltlichkeit ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegen stands oder der Erbringung der Dienstleistung und der Gegenleistung besteht.345 Im Rahmen von öffentlichen Einrichtungen legt der EuGH die wirtschaftliche Tätigkeit einschränkend aus, indem er zusätzlich vo raussetzt, dass die Leistung am allgemeinen Markt angeboten werden muss.346 Im Folgenden wird näher auf die Rechtsformneutralität des Mehrwert steuerrechts, die Typusbegriffe des Steuerpflichtigen bzw. der wirtschaft lichen Tätigkeit und den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts eingegangen. Zudem werden der Beginn und die Entgeltlichkeit der wirt schaftlichen Tätigkeit sowie das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätig keit bei Holdinggesellschaften und die Ausübung der Tätigkeit durch mehrere Rechtssubjekte behandelt. 1. Rechtsformneutralität des Steuerpflichtigenbegriffs: Das EuGH- Urteil BLM Die Entscheidung erging zur unentgeltlichen Wertabgabe.347 Das vorle gende belgische Gericht war der Auffassung, dass die sog. Seeling-Recht sprechung348 nur bei natürlichen Personen anwendbar sei.349 Dem wider sprach der Gerichtshof und entschied, dass die unentgeltliche Wertabgabe, die den Begriff des Steuerpflichtigen als Tatbestandsmerkmal enthalte, nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheide.
342 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 43.1. 343 Vgl. Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 178, der das Vorlie gen einer Gewinnerzielungsabsicht aber als starkes Indiz für eine wirtschaftliche Tätigkeit benennt. 344 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 44. 345 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 26. 346 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 35; Dobratz in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.31. 347 Siehe zum Sachverhalt S. 36. 348 Siehe S. 22. 349 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 11.
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§ 2 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen Recht
Weiter ergebe sich aus den Erwägungsgründen fünf und sechs350 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie351 respektive der Rechtsformneutra lität, dass für das Tatbestandsmerkmal des Steuerpflichtigen getätigte Umsätze entscheidend seien. Die Rechtsform eines Steuerpflichtigen sei mithin bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung eines Sachverhalts ohne Belang.352 Steuerpflichtige können nach inzwischen ständiger Rechtsprechung alle Rechtssubjekte sein, wie z. B. natürliche Personen, Kapital- und Perso nengesellschaften, rechtsfähige und nichtrechtsfähige Vereine, juristi sche Personen des öffentlichen Rechts sowie Einrichtungen mit und ohne Rechtspersönlichkeit.353 Besondere Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit erlangen steuerpflichtige natürliche Personen, da ausschließlich diese „privat verwenden“ kön nen.354 Eine juristische Person ist bloßes Zweckgebilde der Rechtsord nung und besitzt im Gegensatz zu einer natürlichen Person keine mehr dimensionale Persönlichkeit. Zudem knüpft die private Sphäre an die Menschenwürde im Sinne der Art. 1 GRCh und Art. 1 I GG an, die nur natürlichen Personen zuteilwerden kann.355 Alle anderen Steuerpflichtigen werden im Rahmen dieser Dissertation aus Vereinfachungsgründen oftmals einheitlich als „Vereinigungen“ be zeichnet. Bei diesen Steuerpflichtigen ergeben sich, anders als bei natür lichen Personen (beispielsweise hinsichtlich der privaten Verwendung oder des Unternehmensbegriffs), identische Wertungen. Nur bei natürli chen Personen weist das Unternehmen stets den engen Begriffsinhalt
350 Entspricht Erwägungsgrund 13 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. 351 Die Rechtsprechung zur Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie ist auf die Mehrwert steuersystemrichtlinie übertragbar, wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergibt, siehe auch Wernsmann in: Schulze/Jans sen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28, nach dem die Mehrwertsteuersystem richtlinie nicht zu einer inhaltlichen Änderung des geltenden Rechts führen soll te. 352 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 26 f.; Heinrichshofen, EU-UStB 2012, 31; Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäi sches Besteuerungsprinzip, S. 97. 353 Vgl. EuGH vom 12.10.2016 – C-340/15, Nigl = MwStR 2016, 905, Rn. 27; EuGH vom 29.09.2015 – C-276/14, Gmina Wrocław = MwStR 2015, 926, Rn. 28; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 27. 354 Vgl. BGH vom 05.05.1960 – II ZR 128/58 = NJW 1960, 1852, wonach eine Han delsgesellschaft keine private Rechtsphäre besitzt. 355 Vgl. Di Fabio in Maunz/Dürig GG Art. 2 Rn. 224; Jarass, GRCh, Art. 1 Rn. 7; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 7.
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auf.356 Bei Vereinigungen im Sinne dieser Arbeit ist das Unternehmen im Rahmen der unentgeltlichen Wertabgabe weit auszulegen, daher können sämtliche Vereinigungen zusammen abgehandelt werden.357 2. Typusbegriff des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit Nach Wernsmann könne sich der Rechtsanwender – und damit in letzter Konsequenz der Richter – bei der Auslegung eines Typusbegriffs am Ge samtbild der Verhältnisse und an der Verkehrsanschauung orientieren. Im Gegensatz dazu müsse bei einem sog. Klassenbegriff (abstrakter Rechtsbegriff) grundsätzlich jede Voraussetzung erfüllt sein.358 Nur wenn die Definitionsmerkmale erfüllt wären, läge auch eine wirtschaftliche Tätigkeit vor. Ein abstrakter Rechtsbegriff wäre also im Vergleich zu ei nem Typusbegriff enger,359 d. h. ein Typusbegriff ermöglicht dem Rechts anwender mehr Flexibilität.360 Vereinzelt wird in der Literatur angenommen, dass es sich bei der wirt schaftlichen Tätigkeit um einen abstrakten Rechtsbegriff handelt.361 Nach überzeugender Ansicht362 sind die Begriffe des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit Typusbegriffe.363 Dafür spricht der Wortlaut des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL, wonach „alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden“ als wirtschaftliche Tä tigkeiten gelten.364 Voraussetzung ist, dass „wie“ ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender gehandelt wurde. Das Vorliegen einer wirtschaftli chen Tätigkeit und damit auch die von dieser Tätigkeit abhängige Steu erpflichtigeneigenschaft ist durch einen wertenden Vergleich zu ermit teln.365 Diese Ansicht vertritt auch der EuGH in seinem Urteil Trgovina Prizma. Gegenstand des slowenischen Falls war ein Steuerpflichtiger, der auf sie ben sich in seinem Eigentum befindlichen Grundstücken ein Einkaufs 356 Siehe S. 18 ff. 357 Siehe S. 25 ff. 358 Wernsmann, DStR-Beih. 2011, 72 (76). 359 Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 153. 360 Wernsmann, DStR-Beih. 2011, 72 (76). 361 Vgl. z. B. Mößlang, UR 1994, 10 (17). 362 Vgl. z. B. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 330, 832; Stadie, Vorsteuer abzug, S. 43; Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, S. 106; Dziadkowski, UVR 1990, 195 (197). 363 Vertiefend zum Typusbegriff: Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steu erpflichtigen, S. 113 ff.; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 153 ff. 364 Heuermann, MwStR 2015, 725. 365 Vgl. Klose, Die Begriffe des Unternehmers und des Steuerpflichtigen, S. 115.
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zentrum baute und dieses anschließend veräußerte. Während die steuer pflichtige natürliche Person fünf der Grundstücke ihrem Unternehmen zugeordnet hatte, bezog sie zwei weitere Grundstücke privat. Entschei dungserhebliche Frage war, ob auch die beiden letzteren Grundstücke Bestandteil der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen waren. Dies hätte zur Konsequenz, dass auch deren Verkauf mehrwertsteuer pflichtig wäre. Der Gerichtshof entschied, dass maßgebliches Beurtei lungskriterium für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit sei, ob das betreffende Rechtssubjekt aktive Schritte zur Vermarktung des Wirt schaftsguts unternehme und damit „wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender“ handle.366 Der Gerichtshof stellte die wirtschaftliche Tätigkeit mithin typologisch durch einen Vergleich fest. Für einen Typusbegriff spricht auch, dass als wirtschaftliche Tätigkeit gem. Art. 9 I UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL „insbesondere“ die Nutzung von Gegenständen zur Erzielung von nachhaltigen Einnahmen gilt. Das Wort „insbesondere“ legt keine abschließende, sondern eine typologische De finition der wirtschaftlichen Tätigkeit seitens des Richtliniengebers nahe.367 In Art. 4 II 2 der 6. MwSt-RL368 lautete der Wortlaut noch „als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Er zielung von Einnahmen umfasst.“369 D. h. der Wortlaut wurde wohl geän dert,370 um das Vorliegen eines Typusbegriffs anstelle einer abschließen den Definition zu untermauern.
366 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 24; Heuermann, MwStR 2015, 725. 367 Dafür spricht auch die englische und französische Fassung des Art. 9 I UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL. Die englische Fassung lautet: „The exploitation of tangible or intangible property for the purposes of obtaining income therefrom on a continuing basis shall in particular be regarded as an economic activity.” Die französi sche Fassung lautet: „Est en particulier considérée comme activité économique, l’exploitation d’un bien corporel ou incorporel en vue d’en tirer des recettes ayant un caractère de permanence“. 368 Siehe den kompletten Wortlaut der Vorschrift auf S. 60. 369 So auch in der englischen Fassung des Art. 4 II 2 der 6. MwSt-RL: „The exploitation of tangible or intangible property for the purpose of obtaining income therefrom on a continuing basis shall also be considered an economic activity.” Diff. dagegen die französische Fassung: „Est notamment considérée comme activité économique une opération comportant l’exploitation d’un bien corporel ou incorporel en vue d’en retrer des recettes ayant un caractère de permanence“. 370 Diese Ausführung bezieht sich jedenfalls auf die deutsche und die englische Fas sung der Richtlinie.
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3. Bestimmung des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts durch die wirtschaftliche Tätigkeit Der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wird in Art. 2 MwStSystRL definiert. Art. 2 I lit. a und c MwStSystRL371 lautet: „Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze: a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt; c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates gegen Entgelt erbringt.“ Dieser Anwendungsbereich des europäischen Mehrwertsteuerrechts um fasst alle wirtschaftlichen, d. h. entgeltlichen Tätigkeiten eines Händ lers, Erzeugers oder Dienstleistenden.372 Außerhalb dieses Anwendungs bereichs liegen alle nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten, wie das Verwalten von Aktien (Tätigkeit einer reinen Aktienholding) oder die ideelle Tätig keit eines Vereins.373 Der Steuerpflichtige handelt als solcher im Sinne von Art. 2 I MwStSystRL, wenn er Umsätze im Rahmen seiner wirt schaftlichen Tätigkeit erbringt. Das Handeln des Steuerpflichtigen als solcher hat den Zweck, sein wirtschaftliches und damit mehrwertsteuer pflichtiges Tätigwerden von einer z. B. rein privaten Tätigkeit abzugren zen.374 Dieses Handeln ist zentrale Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Deshalb wird darauf im nächsten Kapitel eingegangen.375 4. Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit: Das EuGH-Urteil INZO Bei INZO handelte es sich um eine von mehreren belgischen Kommunen gegründete Gesellschaft, die von den nationalen Steuerbehörden als Steuerpflichtige anerkannt wurde und eine Studie betrieb, ob die von ihr angestrebte Aufbereitung von Meerwasser zur Deckung des Trinkwas 371 Diese Arbeit behandelt auch an anderen Stellen nur diese beiden Buchstaben, des halb kann die Norm verkürzt dargestellt werden. 372 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 20; EuGH vom 28.01.2010 – C-473/08, Eulitz = DStR 2010, 218, Rn. 24; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 20. 373 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 26; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 36. 374 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 22; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 58. 375 Siehe S. 100 ff.; Kokott erläutert das Handeln des Steuerpflichtigen als solcher aus praxisbezogenen Gründen ebenfalls im Rahmen des Vorsteuerabzugs, was über zeugend erscheint, vgl. Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 58.
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serbedarfs wirtschaftlich rentabel sei. Nach Durchführung der Studie er gaben sich zahlreiche Probleme, die der Rentabilität im Wege standen, weshalb die Gesellschaft liquidiert wurde und es nie zur Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit kam. Strittige Vorlagefrage war, ob die Gesell schaft die für die Studie abgezogene Vorsteuer zurückerstatten musste.376 Der EuGH entschied, dass die Durchführung der Studie der beabsichtig ten wirtschaftlichen Tätigkeit diente, obwohl es nur um die Prüfung der Rentabilität der Tätigkeit ging, da die Steuerbehörden die Gesellschaft als Steuerpflichtige anerkannt hätten. Wenn einem Rechtssubjekt die Ei genschaft als Steuerpflichtiger bescheinigt wurde, könne ihm diese we gen des Eintritts oder Nichteintritts bestimmter Ereignisse (im Streitfall der Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit) grundsätzlich nicht wieder entzogen werden.377 Andernfalls liege ein Verstoß gegen den Neutrali tätsgrundsatz vor, da es bei Investitionstätigkeiten zu nicht gerechtfer tigten Unterscheidungen zwischen Steuerpflichtigen, die bereits eine wirtschaftliche Tätigkeit betreiben, und solchen, die durch Investitionen versuchen eine derartige Tätigkeit aufzunehmen, komme.378 Demnach beginnt die wirtschaftliche Tätigkeit mit den ersten getätigten Investitionsausgaben, nicht erst mit der tatsächlichen Aufnahme der Tä tigkeit bzw. dem Erbringen von besteuerten Ausgangsumsätzen.379 Des halb ist die bloße Absicht der Erbringung einer wirtschaftlichen Tätig keit zur Erfüllung der Steuerpflichtigeneigenschaft im Sinne von Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL entscheidend. 5. Entgeltlichkeit einer Leistung Voraussetzung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist gem. Art. 2 I und 9 I UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL ihre Entgeltlichkeit. Von einer entgeltlichen Leistungserbringung ist auszugehen, wenn zwischen ihr und der Gegen leistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dieser wird durch die beiden nachfolgenden Entscheidungen näher erläutert und ist zu be jahen, wenn mit den erbrachten Leistungen nachhaltig Einnahmen er zielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn sich Leistung und Gegenleis tung gegenseitig bedingen.380 376 Siehe zur Antwort auf diese Frage S. 123 f. 377 Siehe auch Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 138. 378 EuGH vom 29.02.1996 – C-110/94, INZO = DStR 1996, 419, Rn. 18 ff.; siehe auch Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 188 f. 379 Vgl. Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 137. 380 EuGH vom 11.03.2020 – C-94/19, San Domenico = BeckRS 2020, 3205, Rn. 26 m. w. N.
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a) Tatsachenfrage der nachhaltigen Einnahmeerzielungsabsicht: Das EuGH-Urteil Lajvér Das EuGH-Urteil Lajvér behandelt thematisch mehrere ungarische Han delsgesellschaften, die ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig wurden und ihre wirtschaftliche Tätigkeit nur ergänzend ausüben durften.381 Ihre Aufgabe bestand darin, Landwirtschaftsbauten in Form eines Abwasser entsorgungssystems, eines Wassertanks und eines Regenwasserbrunnens zu errichten und anschließend zu betreiben. Die Durchführung der Ar beiten wurde staatlich und von der Europäischen Union finanziert. Über einen Zeitraum von acht Jahren war eine Gebühr für das Betreiben der Anlagen vorgesehen.382 Strittige Vorlagefrage war, ob die Gesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit erbringen. Der EuGH betonte zunächst, dass die Mehrwertsteuer zwar grundsätzlich einen sehr weiten Anwen dungsbereich aufweise, aber nur wirtschaftliche Tätigkeiten betreffe.383 Gem. Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL liegt eine wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere dann vor, wenn körperliche Gegenstände zur Erzielung von nachhaltigen Einnahmen verwendet werden. Diese Gegenstände sind im Streitfall die Anlagen, die betrieben werden. Damit diese Dienstleistun gen entgeltlich und damit steuerbar wären, müssten zwischen den er brachten Dienstleistungen und der dafür erhaltenen Entlohnung zu nächst ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Dafür sei Voraussetzung, dass zwischen den Beteiligten ein Rechtsver hältnis bestehe, im Zuge dessen gegenseitige Leistungen dergestalt aus getauscht werden, dass die von den Gesellschaften empfangenen Vergü tungen den tatsächlichen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen bilden.384 Dabei sei es unerheblich, dass eine Tätigkeit ggf. im Interesse des Gemeinwohls liege bzw. die Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht darstelle.385 Eine entgeltliche Dienstleistung liege auch dann vor, wenn sie zu einem Preis unter dem normalen Marktpreis angeboten wird.386 Mithin stelle auch dies den unmittelbaren Zusammenhang zwi schen Leistung und Gegenleistung nicht infrage, sofern sichergestellt sei, 381 Warum die Tätigkeiten nur ergänzend ausgeübt werden durften, lässt der Sachver halt offen. 382 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 11 f. 383 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 20. 384 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 26, 39; siehe auch EuGH vom 11.03.2020 – C-94/19, San Domenico = BeckRS 2020, 3205, Rn. 21. 385 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 42. 386 Siehe auch EuGH vom 11.03.2020 – C-94/19, San Domenico = BeckRS 2020, 3205, Rn. 29.
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dass die Höhe des Entgelts die Dienstleistung nicht nur teilweise vergüte und nicht durch andere Faktoren bestimmt werde, die den unmittelbaren Zusammenhang als fraglich erscheinen lassen.387 Ob die für den unmittelbaren Zusammenhang maßgebliche nachhaltige Einnahmeerzielungsabsicht vorliegt, ist nach dem Gerichtshof eine Tat sachenfrage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des indivi duellen Einzelfalls zu beurteilen ist. Aufgrund der Vergütung über einen Zeitraum von acht Jahren sei eine Einnahmeerzielungsabsicht anzuneh men und der Zeitraum weise nachhaltiges Handeln auf.388 Deshalb liege hier eine wirtschaftliche Tätigkeit vor.389 Da eine Gewinnerzielungsabsicht in diesem Zusammenhang keine Rolle spiele, sei es im vorliegenden Fall irrelevant, dass die Tätigkeiten nur ergänzend ausgeübt werden durften.390 Auch unerheblich sei, dass die In vestitionen größtenteils mit Beihilfen finanziert wurden, weil eine wirt schaftliche Tätigkeit objektiven Charakter habe und aus diesem Grunde nicht nur unabhängig von Zweck und Ergebnis gem. Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL, sondern losgelöst von der Art der Finanzierung vorliege oder nicht vorliege.391 b) Keine Leistung am allgemeinen Markt: Das EuGH-Urteil Gemeente Borsele Die niederländische Gemeinde Borsele beauftragte ein Busunternehmen zur Durchführung von Schülertransporten. Für die Beförderungsdienst leistungen wurde nur von einem Drittel der Eltern ein Entgelt entrichtet. Diese Beträge deckten lediglich 3 % der Kosten ab. Der fehlende, weit überwiegende Betrag wurde aus öffentlichen Mitteln finanziert. Strittige Vorlagefrage war, ob die erbrachten Dienstleistungen der Gemeinde eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Mehrwertsteuerrechts darstellen, um so zu einem Vorsteuerabzugsrecht hinsichtlich der Transportkosten zu kommen und dadurch „zum Wohle des Bürgers Steuern zu sparen.“392 Eine entgeltliche Dienstleistung gem. Art. 2 I lit. c MwStSystRL war nach dem EuGH, obwohl die Zahlungen nur einen kleinen Teil der Kos 387 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 45 f., 49. 388 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 31, 33, 37. 389 Vgl. Buge, EU-UStB 2016, 52 (53); Prätzler, jurisPR-SteuerR 36/2016 Anm. 5, un ter C. 390 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 35. 391 Vgl. EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 38. 392 EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 23.12.2015 – C-520/14, Rn. 49 f.; Grube, MwStR 2016, 495; Küffner, UR 2016, 524.
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ten abdeckten, gegeben. Dies allein reiche allerdings nicht aus, um eine wirtschaftliche Tätigkeit zu begründen.393 Der Gerichtshof relativiert seine Feststellung bzgl. der Entgeltlichkeit umgehend selbst wieder.394 Für die Frage, ob eine Dienstleistung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht werde, seien vielmehr alle Umstände des Einzelfalls zu beleuchten. Insbesondere sei relevant, wie derartige Dienstleistungen für gewöhnlich angeboten werden. Auch die Anzahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen können Aufschluss geben, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliege.395 Die Anforderungen an eine wirtschaftliche Tätig keit im Sinne des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL sind also weitgehender als die einer entgeltlichen Dienstleistung nach Art. 2 I lit. c MwStSystRL.396 Die Differenz zwischen den tatsächlichen Kosten und dem von den El tern bezahlten Anteil spricht nach dem EuGH dagegen eher für eine Ge bühr als ein Entgelt.397 Darüber hinaus lege die vorliegende Asymmetrie den Schluss nahe, dass der im Rahmen von Art. 9 MwStSystRL engere unmittelbare Zusammenhang zwischen der entgeltlichen Leistung und dem tatsächlichen Gegenwert nicht gegeben sei. Dies habe zur Konse quenz, dass die Schülertransporte keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sin ne des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL darstellen. Vielmehr ergebe sich nach einer Gesamtschau des Falls, dass die Gemeinde in der vorliegen den Konstellation Endverbraucher sei und keine Leistung am allgemei nen Markt anbiete.398 c) Stellungnahme Sowohl der Entscheidung Lajvér als auch der Entscheidung Gemeente Borsele lag ein relativ geringfügiges Entgelt für die Erbringung der jewei ligen Tätigkeit zugrunde. Allerdings bejahte der Gerichtshof das Vorlie gen einer wirtschaftlichen Tätigkeit nur im Fall Lajvér. Während der EuGH den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Ge 393 Eine entgeltliche Tätigkeit ist nur der erste Prüfungsschritt bei der Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, vgl. Ismer, MwStR 2016, 654 (660); Sterzinger, UR 2016, 543 (544). 394 Vgl. Küffner, UR 2016, 524; von Streit/Streit, UStB 2020, 180 (182). 395 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 27- 31. 396 Ismer, MwStR 2016, 654 (656). 397 Siehe auch EuGH vom 29.10.2009 – C-246/08, Kommission/Finnland = EuZW 2010, 34, Rn. 50; kritisch von Streit/Streit, UStB 2020, 180 (182), da sich nach den Verfassern der Unterschied zwischen Gebühr und Entgelt nicht erschließe. 398 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 33 ff.; Ismer, MwStR 2016, 654 (656); kritisch von Streit/Streit, UStB 2020, 180 (183, 188 f.).
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genleistung in diesem Fall im Rahmen von Art. 2 MwStSystRL abhandel te,399 differenzierte er in der Entscheidung Gemeente Borsele: Bei der Prü fung von Art. 2 MwStSystRL bestand ein Zusammenhang bzw. eine Entgeltlichkeit400 (1. Schritt). Dagegen wurde der Zusammenhang auf grund der strengeren Voraussetzungen in Bezug auf Art. 9 MwStSystRL abgelehnt401 (2. Schritt).402 Das Urteil Lajvér hatte private Gesellschaften und das Urteil Gemeente Borsele eine juristische Person des öffentlichen Rechts zum Gegenstand. Bei Lajvér war eine monetäre Gegenleistung im Falle der Inanspruchnah me der Dienstleistungen generell vorgesehen, dadurch bedingten sich Leistung und Gegenleistung. Im Fall Gemeente Borsele übernahm dage gen nur ein kleiner Teil der Eltern einen Anteil der Beförderungskosten. Weiter sind die staatlichen Zuschüsse für den Betrieb der Landwirt schaftsbauten im Fall Lajvér gerade im Hinblick auf Art. 73 MwSt SystRL403 als Entgelt anzusehen,404 die Schulbuskosten sind dagegen der kommunalen Daseinsvorsorge zuzurechnen. Ferner entstanden letztere, weil die Gemeinde ein Busunternehmen beauftragte und damit selbst als Endverbraucher auftrat.405 Die beiden privaten Handelsgesellschaften im Fall Lajvér haben demgegenüber keine Endverbrauchereigenschaft, da sie die Dienstleistungen über einen Zeitraum von acht Jahren zu einem ge nau festgelegten Entgelt erbrachten. Trotz der aufgezeigten Unterschiede beider Entscheidungen, die eine un terschiedliche Behandlung rechtfertigen, wäre eine genauere Abgrenzung durch den EuGH im Interesse der Rechtssicherheit von Vorteil gewe sen.406 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es den nationa len Gerichten zu prüfen, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung dergestalt vorliegt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen ist.407 Im Zweifel müsste ein mitgliedstaatliches Gericht, gerade bei geringfügigen Entgelten wiederum ein entsprechen 399 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 26. 400 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 24 ff. 401 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 28 ff. 402 Ismer, MwStR 2016, 654 (658). 403 Nach der Vorschrift umfasst der Wert der Gegenleistung auch damit zusammen hängende Subventionen. 404 Vgl. Ismer, MwStR 2016, 654 (658). 405 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 35. 406 Vgl. Ismer, MwStR 2016, 654 (658). 407 EuGH vom 02.06.2016 – C-263/15, Lajvér = MwStR 2016, 575, Rn. 49; EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492, Rn. 32.
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des Vorabentscheidungsverfahren anstrengen, um Gewissheit darüber zu bekommen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall gegeben ist.408 6. Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei Holdinggesellschaften Ausgehend von drei EuGH-Entscheidungen wird im Folgenden auf wirt schaftliche Tätigkeiten von Holdinggesellschaften eingegangen. Entschei dende Voraussetzung ist, dass die Holdinggesellschaft in die Verwaltung der Tochter- oder Anteilsgesellschaften eingreift. a) Das EuGH-Urteil Investrand Die niederländische Gesellschaft Investrand hielt ca. 43,5 % der Anteile einer weiteren Gesellschaft. Infolge des Verkaufs dieser Anteile geriet sie mit dem Käufer der Anteile in Streit, weswegen ihr Rechtsberatungskos ten entstanden. Mangels Gegenleistung für eine wirtschaftliche Tä tigkeit stellt ein Verkauf von Anteilen nach dem EuGH keine Nutzung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen gem. Art. 9 I UAbs. 2 MwSt SystRL dar, weil das erzielte Entgelt nur auf der Inhaberschaft der betref fenden Forderung beruht.409 Der Verkauf der Anteile falle daher gem. Art. 2 I MwStSystRL nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Ebenso führen die rechtlichen Schritte gegen den Käufer nicht zu steuer pflichtigen Umsätzen.410 In dem Verkauf der Anteile lag also keine wirt schaftliche Tätigkeit. b) Das EuGH-Urteil AB SKF Gegenstand des von einem schwedischen Gericht eingeleiteten Vorabent scheidungsverfahrens war eine Aktiengesellschaft, die sich aktiv an den Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften beteiligte und diesen mehrwert steuerpflichtige Dienstleistungen erbrachte. Im Rahmen einer Umstruk turierung des Konzerns hatte die Aktiengesellschaft die Absicht, sich von einer Tochtergesellschaft zu trennen, deren Anteile sie zu 100 % hielt. Außerdem wollte sie den verbleibenden Anteil von 26,5 % an einer 408 Von Streit/Streit, UStB 2020, 180 (184) stellen ebenfalls die Frage, ab welchem prozentualen Anteil der Deckung der Kosten von einer Asymmetrie auszugehen ist. 409 Vgl. EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 27 f.; EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 26; Berger/ Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 400; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 131. 410 EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 28; Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 151.
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anderen Gesellschaft, der sie ebenfalls steuerpflichtige Dienstleistungen erbrachte, vollständig veräußern, um Kapital für die Finanzierung der üb rigen Konzerntätigkeiten zu sammeln. Zur Durchführung der beiden Veräußerungen beabsichtigte die AG, ähnlich wie im vorstehenden Ver fahren Investrand, bestimmte Dienstleistungen, beispielsweise die Be wertung von Wertpapieren oder anwaltliche Beratungen, durchführen zu lassen.411 Strittig war, ob für diese Dienstleistungen zur Veräußerung der Aktien der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte, was nur dann in Betracht kommt, wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Der Gerichtshof hat wiederum darauf hingewiesen, dass gem. Art. 2 I MwStSystRL nur wirtschaftliche Tätigkeiten in den Anwendungsbe reich des Mehrwertsteuerrechts fallen. Wie im Urteil Investrand wurde festgestellt, dass der bloße Erwerb, das bloße Halten und der bloße Ver kauf von Aktien keine wirtschaftliche Tätigkeit gem. Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL sei, weil hier kein Gegenstand zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen genutzt werde, sondern das Entgelt in einem möglichen Verkaufsgewinn aus den Aktien liege.412 Anders sei es jedoch, wenn die Beteiligung an einem anderen Unternehmen mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergehe, die zu mehrwertsteuerpflichtigen Umsätzen führen.413 Im Streitfall hat die AG in die Verwaltung der Tochtergesellschaften ein gegriffen, da sie ihnen steuerpflichtige Dienstleistungen erbrachte. Die Umstrukturierung des Konzerns durch die Veräußerung sämtlicher An teile an den Gesellschaften führe zu nachhaltigen Einnahmen, die über den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen. Die Veräußerungen weisen eine direkte Verbindung zur Organisation des Konzerns auf und stellen eine Erweiterung der steuerbaren Tätigkeiten der AG dar, so dass sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.414
411 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 21 f. 412 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 27 f.; EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 26; siehe auch Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 116 m. w. N. 413 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 30 ff.; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 116; Dobratz in Schaumburg/Englisch, Euro päisches Steuerrecht, Rz. 19.32; Berger/Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 399; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 131; Datzer, UR 2016, 653 (654). 414 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 32 f.; die Veräu ßerungen sind nur dann nicht im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts, wenn ein Mitgliedstaat gem. Art. 19 I MwStSystRL von der Ermächtigung Ge brauch gemacht hat, eine Übertragung von Gesamt- oder Teilvermögen nicht als Lieferung von Gegenständen anzusehen.
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Im Gegensatz zum obigen Fall Investrand ist hier aufgrund der Eingriffe in die Verwaltung der Tochtergesellschaften und der damit einhergehen den Erbringung von steuerbaren Dienstleistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen. Diese Rechtsprechung hat der EuGH inzwischen mehrfach bestätigt.415 c) Das EuGH-Urteil Ryanair Die Fluggesellschaft Ryanair beabsichtigte die vollständige Übernahme einer anderen Fluggesellschaft (im Folgenden Zielgesellschaft). Dies ge schah mit der Absicht an die Zielgesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen zu erbringen und somit in ihre Verwaltung einzugrei fen. Für die Übernahme fielen Ryanair Beratungskosten an. Letztlich scheiterte die Übernahme aus wettbewerbsrechtlichen Gründen, so dass die Gesellschaft nur einen Teil der Anteile der Zielgesellschaft überneh men konnte. Ryanair berief sich auf die beabsichtigten Eingriffe in die Verwaltung der Zielgesellschaft und begehrte den Vorsteuerabzug, wofür das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit streitentscheidend ist.416 In Anlehnung an seine ständige Rechtsprechung bestätigte der EuGH zu nächst, dass eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen sei, keine wirtschaftliche Tätigkeit erbringe.417 Etwas anderes sei jedoch anzunehmen, wenn die Beteiligung mit Eingriffen in die Verwaltung der Zielgesellschaft einhergehe.418 Wie in der Entscheidung INZO419 führte der Gerichtshof weiter aus, dass auch vorbereitende Tätigkeiten bereits der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen seien.420 Deshalb stellt die beabsichtigte vollständige Über nahme der Zielgesellschaft aufgrund der geplanten Eingriffe in der Ver waltung eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.421 d) Stellungnahme Aus den vorstehenden Urteilen geht hervor, dass wesentliches Abgren zungskriterium zwischen einer Beteiligung im wirtschaftlichen und ei 415 Vgl. z. B. EuGH vom 05.07.2018 – C-320/17, Marle Participations = MwStR 2018, 753, Rn. 30; EuGH vom 17.10.2018 – C-249/17, Ryanair = DStR 2018, 2263, Rn. 17 und die dort jeweils aufgeführte Rechtsprechung. 416 EuGH vom 17.10.2018 – C-249/17, Ryanair = DStR 2018, 2263, Rn. 8 f. 417 Siehe auch Grube, MwStR 2018, 1059; Nieskens, EU-UStB 2018, 95; Datzer, UR 2016, 653 (655). 418 EuGH vom 17.10.2018 – C-249/17, Ryanair = DStR 2018, 2263, Rn. 16 f. 419 EuGH vom 29.02.1996 – C-110/94, INZO = DStR 1996, 419, Rn. 15. 420 EuGH vom 17.10.2018 – C-249/17, Ryanair = DStR 2018, 2263, Rn. 18 ff. 421 Nieskens, EU-UStB 2018, 95 (96).
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ner solchen im nichtwirtschaftlichen Bereich ist, ob die Beteiligung rein auf das Erzielen einer Dividende gerichtet ist oder mit der wirtschaft lichen Gesamttätigkeit einer Gesellschaft im Zusammenhang steht. Letzteres liegt vor, wenn die Muttergesellschaft in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaft eingreift und dieser mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbringt. Neben einer erfolgten Registrierung als Steu erpflichtiger im Zeitpunkt der Beratungsdienstleistungen bzgl. einer Beteiligungsgesellschaft422 ist eine Mehrheitsbeteiligung an der Betei ligungsgesellschaft starkes Indiz für einen Zusammenhang mit der wirt schaftlichen Gesamttätigkeit der Konzernmutter.423 Denn in diesem Fall kann die Muttergesellschaft in die Verwaltung der Tochter eingreifen. Allerdings kann eine Muttergesellschaft einer Beteiligungsgesellschaft, wie im Fall AB SKF, mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbrin gen, obwohl nur eine Minderheitsbeteiligung vorliegt. Mithin können auch Minderheitsbeteiligungen im Einzelfall nicht nur auf das Erzielen einer Dividende gerichtet sein und ein Verkauf der Beteiligung, wie in der Entscheidung AB SKF, aufgrund einer Umstrukturierung des Kon zerns im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit ste hen. Besonders naheliegend wäre eine wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen einer Minderheitsbeteiligung, wenn ungeachtet dessen eine faktische Abhängigkeit der Beteiligungsgesellschaft von der Muttergesellschaft be steht, z. B. weil der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft aus gesell schaftspolitischen Gründen nach den Interessen der Muttergesellschaft handelt.424 Auch wenn viele Aktien im Streubesitz sind, könnte bei einer Beteiligung unter 50 % bereits eine Stimmenmehrheit auf der Hauptver sammlung und dadurch ein Eingriff in die Verwaltung möglich sein. Demnach müssen die nationalen Gerichte bei der Klärung der Frage, ob eine Beteiligung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen steht, alle Gegebenheiten des Sachverhalts be rücksichtigen und im Zweifel ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten. Jedenfalls wenn die Beteiligung vergleichbar mit der Tä tigkeit eines privaten Anlegers ist, dessen Interesse nur auf das Erzie len einer Dividende gerichtet ist, liegt keine wirtschaftliche Tätigkeit
422 Diese lag im Fall Investrand zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor, vgl. EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 30. 423 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 252, der eine Holding als Steuer pflichtige ansieht, wenn die beherrschte Gesellschaft wirtschaftlich tätig ist. 424 Das deutsche Recht enthält eine faktische Leitungsmacht in §§ 17 II, 18 I 3 AktG.
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vor.425 Abgrenzungskriterium kann daher auch sein, ob die Situation mit der einer Privatperson vergleichbar ist. 7. Einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit mehrerer Rechtssubjekte Das Mehrwertsteuerrecht lässt die Erbringung einer einheitlichen wirt schaftlichen Tätigkeit durch mehrere verschiedene Rechtssubjekte aus nahmsweise zu, wenn das betreffende Wirtschaftsgut in engem zeitli chen Zusammenhang von dem Erwerber an den eigentlich wirtschaftlich tätigen Steuerpflichtigen (endgültig) übertragen wird. Voraussetzung ist, dass ansonsten entgegen dem Neutralitätsgrundsatz kein Vorsteuerab zug geltend gemacht werden könnte und kein unmittelbarer Zusammen hang mit einer wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft besteht.426 Die Problema tik wird anhand der folgenden beiden EuGH-Urteile näher erläutert. a) Das EuGH-Urteil Polski Trawertyn Im vorliegenden polnischen Streitfall machte die Gesellschaft Polski Trawertyn den Vorsteuerabzug aus zwei Rechnungen geltend. Die eine Rechnung, die auf die Gesellschafter ausgestellt war, betraf den Erwerb eines Grundstücks, welches die Gesellschafter vor der Gründung der Ge sellschaft erworben hatten, um es sodann im Wege der Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen. Die andere Rechnung, die auf die noch nicht im Handelsregister eingetragene und deshalb noch nicht existente Ge sellschaft ausgestellt war, bezog sich auf Notarkosten für ihre Gründung. In Anlehnung an das Urteil INZO entschied der EuGH, dass die Gesell schafter einer Gesellschaft, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der künftigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft ein Grund stück erwerben, im Zeitpunkt des Erwerbs als Steuerpflichtige angese hen werden können und daher grundsätzlich auch ein Vorsteuerabzugs recht haben.427 Ist dies nach nationalem Recht nicht möglich, müsse der Gesellschaft ein solches Recht zustehen, da ansonsten ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vorliege, der dem Mehrwertsteuerrecht im manent sei.428
425 EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 34. 426 Datzer, UR 2016, 653 (659); Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 82 f. 427 EuGH vom 01.03.2012 – C-280/10, Polski Trawertyn = EuZW 2012, 312, Rn. 30 ff. 428 EuGH vom 01.03.2012 – C-280/10, Polski Trawertyn = EuZW 2012, 312, Rn. 35; Nieskens, EU-UStB 2012, 28.
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Der Gerichtshof trifft an dieser Stelle keine verbindliche Feststellung dazu, wer vorsteuerabzugsberechtigt ist, da das europäische Mehrwert steuerrecht hierzu keine Vorgaben enthält und dies dementsprechend offengelassen werden kann.429 Folglich steht es im Ermessen der nationa len Gesetzgeber, wem die wirtschaftliche Tätigkeit und somit das Vor steuerabzugsrecht zugebilligt wird. Die wirtschaftliche Tätigkeit, die mehrere aufeinanderfolgende Hand lungen umfassen kann,430 beginnt mit der ersten Investitionshandlung, hier vor der Gründung der Gesellschaft bzw. der eigentlich Steuerpflich tigen. Weiter ergibt sich aus dem Urteil, dass die identische wirtschaftli che Tätigkeit von mehreren unterschiedlichen Personen ausgeübt wer den kann.431 Bei der Übertragung des erworbenen Grundstücks von den Gesellschaftern an die Gesellschaft handelte es sich zwar um einen steu erfreien Umsatz. Dieser Aspekt kann am Vorliegen einer wirtschaftli chen Tätigkeit aus Neutralitätsgesichtspunkten aber nichts ändern. Der Grundsatz lässt auch keine andere Beurteilung zu, wenn das Grund stück – abweichend vom Streitfall – nur von einem Teil der Gesellschaf ter eingebracht worden wäre.432 b) Das EuGH-Urteil Malburg In dem einen deutschen Fall betreffenden Vorabentscheidungsverfahren hatte ein Steuerberater der Malburg & Partner-GbR (Alt-Gesellschaft) im Zuge einer Realteilung einen Mandantenstamm abgekauft, den er ei ner neuen Steuerberatungs-GbR (Neu-Gesellschaft) unentgeltlich zur wirtschaftlichen Nutzung überließ. Diese Überlassung des Mandanten stamms an die Neu-Gesellschaft kann aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden.433 c) Stellungnahme Durch die unentgeltliche Überlassung unterscheidet sich der Fall Malburg wesentlich vom EuGH-Urteil Polski Trawertyn, das eine Übertra gung eines Grundstücks zum Gegenstand hatte. Obwohl der Umsatz im Fall Polski Trawertyn steuerfrei war, fiel er in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts. Bei einer unentgeltlichen zeitweisen Überlas sung ist der Anwendungsbereich des Art. 2 I MwStSystRL dagegen nicht 429 Wäger, UR 2012, 911 (913). 430 EuGH vom 01.03.2012 – C-280/10, Polski Trawertyn = EuZW 2012, 312, Rn. 28. 431 Wäger, UR 2012, 911 (912, 918). 432 Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 85; Ismer, MwStR 2015, 407 (410). 433 EuGH vom 13.03.2014 – C-204/13, Malburg = MwStR 2014, 270, Rn. 35 f.
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eröffnet, denn Herr Malburg verhält sich gem. Art. 9 I UAbs. 2 MwSt SystRL nicht „wie ein Dienstleistender“, wenn er einer Gesellschaft ein Wirtschaftsgut unentgeltlich überlässt.434 Dieser nichtsteuerbare Vor gang führt im Gegensatz zu einem steuerfreien Vorgang dazu, dass keine einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit angenommen werden kann, da die unentgeltliche Überlassung den Handlungszusammenhang unterbricht. Aufgrund dieser Unterbrechung und der Tatsache, dass Herr Malburg selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Mandantenstamm ausüb te, bezog er diesen als Nichtsteuerpflichtiger.435 Der Fall Malburg unterscheidet sich außerdem dadurch von dem Fall Polski Trawertyn, dass die Neu-Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbs des Mandantenstamms bereits existent war.436 Die Neu-Gesellschaft hät te das Wirtschaftsgut also selbst erwerben können, um es anschließend für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen. Ein Vorsteuerabzugsrecht wäre auf diese Weise möglich gewesen. Im Fall Malburg müsste vom Grundsatz abgewichen werden, dass der mehrwertsteuerrechtliche Leis tungsempfänger derjenige ist, der Auftraggeber der Leistung ist, also hier Herr Malburg, ohne dass es dafür – im Gegensatz zu Polski Trawertyn, wo die Gesellschaft im Erwerbszeitpunkt zivilrechtlich noch nicht exis tent war – einen hinreichenden Grund gäbe.437 Eine einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit kommt nach einer überzeu genden Literaturansicht also nur in Betracht, wenn mangels existenter Gesellschaft aus zivilrechtlichen Gründen die Ebene der Gesellschaft und die der Gesellschafter noch nicht besteht. Denn lediglich in diesem Fall gebe es keinen Widerspruch zur ansonsten strikten Trennung zwi schen Gesellschaft und Gesellschafter, da die Gesellschaft in dieser Pha se noch nicht existent sei.438 Insgesamt erscheint es überzeugend, dass die Wertungen des Urteils Polski Trawertyn nicht auf den Fall Malburg und auch nicht ohne Weite res auf andere Fälle im Zusammenhang mit einem Dritterwerb übertrag bar sind.439 Beispielsweise kann eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht bei einem Drittaufwand im Rahmen von familiären Beziehungen zwi
434 Siehe auch Korn, MwStR 2014, 273. 435 Ismer, MwStR 2015, 407 (411). 436 EuGH vom 13.03.2014 – C-204/13, Malburg = MwStR 2014, 270, Rn. 44. 437 Vgl. Ismer, MwStR 2015, 407 (410). 438 Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 82 f.; Datzer, UR 2016, 653 (658). 439 Siehe auch Datzer, UR 2016, 653 (657), die von einem Sonderfall spricht.
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schen Leistungsempfänger und Leistungserbringer angenommen wer den,440 denn auch hier ist der Familienangehörige bereits existent. Bei einer einheitlichen wirtschaftlichen Tätigkeit ist die Steuerpflichti geneigenschaft dem Rechtssubjekt zuzurechnen, das später die steuerba ren Ausgangsumsätze erbringt, mithin der im Erwerbszeitpunkt zivil rechtlich noch nicht existenten Gesellschaft.441 Grund dafür ist, dass das mit der Unternehmereigenschaft einhergehende Vorsteuerabzugsrecht aus Praktikabilitätsgründen442 und zur Vermeidung von Fehlbeurteilun gen443 sowie zur genaueren Erfassung von etwaigen Berichtigungen bes ser der Gesellschaft zuzugestehen ist.444
B. Der Unternehmerbegriff und die unternehmerische Tätigkeit Der Unternehmerbegriff kommt in Erwägungsgrund 19 der Mehrwert steuersystemrichtlinie vor und wird vom EuGH teilweise sprachlich an stelle des Steuerpflichtigen verwendet.445 Das an den Unternehmerbegriff anknüpfende Tatbestandsmerkmal „für unternehmerische Zwecke“ verwendet Art. 168a I MwStSystRL.446 Die Terminologie „unternehmerisch“ bezieht sich hierbei nicht auf eine Person, sondern auf eine Tätigkeit. Die unternehmerische Tätigkeit ent spricht der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL, denn nur in deren Rahmen kann nach der Systematik von Art. 168 und 168a MwStSystRL ein Vorsteuerabzug zulässig sein.
440 Wäger, UR 2012, 911 (914); Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 78; a. A. Stadie, UR 2012, 337 (341). 441 Vgl. Ismer, MwStR 2015, 407 (410). 442 Dies wird besonders bei sehr vielen Gesellschaftern relevant. 443 Die Prüfung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfolgt dann in einem Ver fahren mit nur einem Rechtssubjekt. 444 Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 84 f.; Wäger, UR 2012, 911 (913). 445 Z. B. in EuGH vom 21.11.2018 – C-664/16, Vădan = DStR 2018, 2524, Rn. 38; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 43; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 27; EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 35; EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = EuZW 2003, 635, Rn. 25; „Steuerpflichtiger“ in EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 29; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 44 m. w. N. 446 Siehe zu Art. 168a I MwStSystRL S. 129 ff.
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§ 3 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im deutschen Recht A. Entstehungsgeschichte der Begriffe Der Unternehmertatbestand in § 2 I UStG ist seit 1934447 unverändert im Umsatzsteuergesetz normiert. Die Vorschrift lautet: „Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.“ Nach der Gesetzesbegründung von 1934 bildet die gewerbliche Tätigkeit den hauptsächlichen Gegenstand der Besteuerung. Die unternehmeri sche Tätigkeit reicht jedoch weiter als die gewerbliche Tätigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch. Deswegen wurde im Gesetz zusätzlich zu ihr die berufliche Tätigkeit normiert. Weiter kann jede Tätigkeit eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne von § 2 I 3 UStG sein.448
B. Das Tatbestandsmerkmal des Unternehmers und seine Ableitungen Im Umsatzsteuergesetz ist das Steuersubjekt der Unternehmer.449 Dieser ist also die steuerpflichtige Person. Statt der gesetzlichen Terminologie des § 2 I 1 UStG könnte man sprachlich logisch formulieren, dass Unter nehmer ist, wer eine unternehmerische Tätigkeit selbständig ausübt.450 Der Unternehmerbegriff gilt nach wohl allgemeiner Meinung für das ganze Umsatzsteuergesetz. Da einer einheitlichen Auslegung keine sach lichen Gründe entgegenstehen, wäre es widersinnig, den Unternehmer tatbestand innerhalb eines Gesetzes an verschiedenen Stellen unter schiedlich auszulegen.451 Das Umsatzsteuergesetz verwendet in einigen
447 UStG vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, 942 = RStBl. 1934, 1166. 448 Begründung zum UStG 1934, RStBl. 1934, 1549 (1550); siehe S. 41. 449 Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 1 UStG Rn. 299. 450 Diese Formulierung verwendet auch der UStAE in Abschnitt 2.1., m. w. N.; Wey müller/S. Müller UStG § 2 Rn. 120. 451 Vgl. Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 91; Schaub, Der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff, S. 140.
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§ 3 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im deutschen Recht
Vorschriften den Begriff des Kleinunternehmers.452 Dieser entspricht von seiner Begrifflichkeit her dem Unternehmer im Sinne des § 2 I 1 UStG.453 Unternehmer können in Einklang mit der Mehrwertsteuersystemrichtli nie alle Rechtssubjekte sein, die rechtsfähig im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sind. „Umsatzsteuerlich rechtsfähig ist jedes Wirtschaftsgebilde, das sich am Wirtschaftsleben beteiligt, gleichgültig, auf welche Weise es zustande kam und ob es zivilrechtlich als Rechtsperson anzuerkennen ist oder nicht.“454 Weiter ist der Unternehmerbegriff unabhängig von ei ner Rechtsform, d. h. es gibt keine Unternehmereigenschaft kraft Rechts form. Daraus folgt, dass beispielsweise eine Kapitalgesellschaft auch nur dann Unternehmer gem. § 2 I 1 UStG ist, wenn sie Umsätze im Sinne des § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG bewirkt.455 Gegenbegriff des Unternehmers ist der Nichtunternehmer,456 mithin die nichtsteuerpflichtige Person bzw. der Endverbraucher. Kennzeichen des Endverbrauchers ist, dass er nichtunternehmerisch457 tätig wird. Eine nichtunternehmerische Tätigkeit kann zum einen eine unterneh mensfremde Tätigkeit bzw. nach der Terminologie des Umsatzsteuerge setzes eine solche „außerhalb des Unternehmens“ sein. Eine Tätigkeit außerhalb des Unternehmens ist vor allem die Privatentnahme gem. § 3 Ib 1 Nr. 1 UStG oder die private Verwendung gem. § 3 IXa Nr. 1 UStG.458 Zum anderen gibt es die nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sin ne.459 Darunter fällt jede nichtunternehmerische Tätigkeit, die nicht un ternehmensfremd ist.460 Beispiele hierfür sind unentgeltliche Tätigkeiten eines Vereins, die aus ideellen Vereinszwecken verfolgt werden, hoheitli che Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts, bloßes Er 452 Vgl. § 1a I Nr. 3 lit. b, § 3c II Nr. 2 lit. b, § 19 UStG. 453 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 93. 454 BFH vom 21.05.1971 – V R 117/67 = BeckRS 1971, 22001061, unter II. 4.; siehe auch Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 100.1; Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 10. 455 Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz. 70; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 195. 456 Dieser Begriff kommt in § 2b I UStG vor, der regelt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts außer in den Fällen des § 2b IV UStG grundsätzlich nicht als Unternehmer gem. § 2 UStG gelten, es sei denn, dass eine Behandlung als Nicht unternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. 457 Nichtunternehmerisch verwendet der Gesetzgeber in den §§ 13b V, 14b I 4 Nr. 2, § 26 IV 1 Nr. 3 und § 27 II Nr. 2 UStG. 458 Siehe S. 40 ff. und S. 47 ff. 459 Vgl. Abschnitt 2.3. Ia 2 UStAE; Abschnitt 3.3. I 4 UStAE; Abschnitt 15.2b II 7, 8 UStAE; siehe auch Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 369. 460 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 124; Heuermann, MwStR 2017, 729 (732).
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werben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteili gungen und der Leerstand eines Gebäudes verbunden mit dauerhafter Nichtnutzung.461 Im Umsatzsteueranwendungserlass und von Teilen des Schrifttums wird der Begriff teilunternehmerisch verwendet.462 Darunter ist die teilweise Verwendung für unternehmerische und nichtunternehmerische Tätigkei ten zu verstehen.463 Diese Terminologie ist gegenüber der Ausdruckswei se „gemischte Nutzung“ vorzugswürdig, da sie spezieller ist. Während eine teilunternehmerische Nutzung nämlich eine Nutzung für unterneh merische und nichtunternehmerische Verwendungen beschreibt,464 kann unter eine gemischte Nutzung auch eine Verwendung für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze fallen. Ein Unternehmer muss gem. § 2 I 1 UStG selbständig tätig sein. § 2 II UStG regelt abschließend, wann selbständiges Handeln nicht vorliegt.465 Nach der Rechtsprechung ist eine Tätigkeit selbständig, „wenn sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung ausgeübt wird.“466 Dies entspricht den Vorgaben des europäischen Rechts.467 Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit hat positiv formuliert zwei Voraussetzungen: Sie muss mit Einnahmeerzielungsabsicht und nach haltig ausgeführt werden, vgl. § 2 I 3 UStG. Die Differenzierung zwi schen gewerblicher und beruflicher Tätigkeit dient lediglich der Abgren zung zu nichtunternehmerischen Tätigkeiten.468 Des Weiteren ist sie historisch bedingt.469 Bei der Betrachtung des Wortlauts von § 2 I 3 UStG470 ergibt sich, dass notwendigerweise keine tatsächlich erzielten Einnahmen vorliegen müs sen, sondern lediglich eine dahingehende Absicht gegeben sein muss.471 461 Vgl. Abschnitt 2.3. Ia 4 UStAE. 462 Z. B. Weymüller/Looks UStG, § 15 Rn. 73 ff. 463 Vgl. Abschnitt 15.2b II 6 UStAE. 464 Vgl. Abschnitt 15.2c II Nr. 2 UStAE. 465 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 130. 466 BFH vom 10.03.2005 – V R 29/03 = NZG 2005, 607, unter a) m. w. N.; siehe auch Abschnitt 2.2. I 1 UStAE. 467 BFH vom 14.04.2010 – XI R 14/09 = DStR 2010, 1985, Rn. 22; Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 130.2; siehe S. 61 f. 468 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 120. 469 Siehe dazu die Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf S. 82; Reiß in Reiß/Kraeu sel/Langer, UStG § 2 Rz. 21, 1 ff. 470 „Zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt“. 471 Vgl. Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 125.
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§ 3 Die subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im deutschen Recht
D. h. es muss die Absicht bestehen, steuerbare Umsätze auszuführen. Zwischen der vom Unternehmer erbrachten Leistung und den erzielten Umsätzen reicht das Bestehen von Kausalität aus, um die Einnahmeer zielungsabsicht zu begründen.472 Eine über die Einnahmeerzielungsab sicht hinausgehende Gewinnerzielungsabsicht ist schon nach dem aus drücklichen Wortlaut keine Voraussetzung. Die Voraussetzung der Nachhaltigkeit schließt die Unternehmereigen schaft bei bloßem gelegentlichen Tätigwerden aus. Nachhaltiges Handeln liegt nach dem BFH vor, wenn die Tätigkeit auf Dauer473 zur Erzielung von Entgelten angelegt ist.474 Daneben zieht die nationale Rechtspre chung „die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Erlöse, die Beteili gung am Markt durch Werbung, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden und das Unterhalten eines Geschäftslokals“475 als Kriterien einer nachhaltigen Tätigkeit heran.476 In Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung477 sind zur Ermittlung einer etwaigen nachhalti gen Verwendung zur Erzielung von Einnahmen alle Umstände der Nut zung eines Gegenstands zu prüfen, wenn der Gegenstand seiner Art nach sowohl für eine wirtschaftliche als auch für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit verwendet werden kann.478 Je nach Einzelfall kann diesen ver schiedenen Kriterien eine unterschiedlich hohe Gewichtung zukom men.479 Entscheidend für das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung, dass „sie dem Bild entspricht, das nach der
472 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 199. 473 Teilweise wird in der Rechtsprechung auch die Terminologie „auf Wiederholung“ verwendet, vgl. BFH vom 04.06.1987 – V R 9/79 = NJW 1985, 935, unter c). 474 BFH vom 18.07.1991 – V R 86/87 = DStR 1991, 1247; Abschnitt 2.3. II 1 UStAE. 475 BFH vom 27.01.2011 – V R 21/09 = DStRE 2011, 769, Rn. 22; BFH vom 26.04.2012 – V R 2/11 = DStR 2012, 965, Rn. 36; siehe auch Stadie in Rau/Dürr wächter, UStG, § 2 Anm. 315, der die Kriterien als Armutszeugnis bezeichnet, da diese für den Rechtsanwender nicht hinreichend bestimmt seien; zu den „charak teristischen Merkmalen der gewerblichen und beruflichen Tätigkeit“ siehe Anm. 339 ff. 476 Zur Auflistung der Kriterien des BFH siehe Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 65. 477 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 27; EuGH vom 19.07.2012 – C-263/11, Ainārs Rēdlihs = BeckRS 2012, 81478, Rn. 34; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 41; Blankenheim, „Steuerpflichtiger“, S. 132. 478 BFH vom 27.01.2011 – V R 21/09 = DStRE 2011, 769, Rn. 22. 479 BFH vom 27.01.2011 – V R 21/09 = DStRE 2011, 769, Rn. 24; BFH vom 26.04.2012 – V R 2/11 = DStR 2012, 965, Rn. 35; Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 2 Anm. 368.
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Verkehrsanschauung einer wirtschaftlichen Tätigkeit“480 gleicht. Die Be griffe „gewerblich“ und „beruflich“ sind aufgrund dessen typologisch. Ob eine derartige Tätigkeit im individuellen Einzelfall vorliegt, kann also nicht durch die Subsumption bestimmter Merkmale unter eine De finition ermittelt werden, sondern nur dadurch, inwieweit das Verhalten im konkreten Einzelfall einer gewerblichen und beruflichen Tätigkeit ähnelt.481 Infolge dessen, dass „gewerblich“ und „beruflich“ Typusbegrif fe sind, ist auch der Unternehmerbegriff im Sinne des § 2 I 1 UStG ein Typusbegriff.482 Die unternehmerische Tätigkeit hat in den ersten Vorbereitungshand lungen, die mit Einnahmeerzielungsabsicht erfolgen, ihren Anfang.483 Sie entfällt auch nicht rückwirkend, wenn es tatsächlich nicht zu steuerba ren Ausgangsumsätzen kommt.484 Der „erfolglose Unternehmer“ ist also auch Unternehmer im Sinne des § 2 I 1 UStG. In einem grundsätzlich mit der EuGH-Entscheidung Gemeente Borsele485 vergleichbaren Fall vor dem BFH ging es um eine entgeltliche Turn hallennutzung für 1,50 Euro pro Stunde. Der BFH hat sich den vom EuGH aufgestellten Kriterien angeschlossen und sich ebenfalls damit beschäftigt, ob zwischen Leistung und Gegenleistung eine Asymmetrie besteht. Weiter wurde geprüft, ob eine Teilnahme am allgemeinen Markt und damit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung in Betracht kommt.486 Obwohl der Leistung der Stadt nur eine Gegenleistung mit geringem Kostendeckungsgrad gegenüberstand und somit eine Asymmetrie vorlag, schließt dies für sich allein betrachtet die Ausübung einer unternehme rischen Tätigkeit nicht aus. Vielmehr kommt es auch nach dem BFH auf eine Gesamtbetrachtung an, aus der sich aufgrund des im Streitfall marktüblichen Entgelts und der Abhängigkeit des Entgelts von der tat
480 BFH vom 27.01.2011 – V R 21/09 = DStRE 2011, 769, Rn. 28. 481 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 330. 482 Vgl. BGH vom 08.02.2011 – 1 StR 24/10 = NJW 2011, 1616, Rn. 19 f.; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 334, 832; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 20. 483 BFH vom 26.01.2006 – V R 74/03 = BeckRS 2006, 25009669, unter II. 1. a); EuGH vom 14.02.1985 – C-268/83, Rompelman = BeckRS 2004, 72789, Rn. 22; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 627. 484 BFH vom 22.03.2001 – V R 46/00 = DStRE 2001, 773, unter II. 2.; zustimmend Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 647 f. 485 EuGH vom 12.05.2016 – C-520/14, Gemeente Borsele = MwStR 2016, 492. 486 Vgl. BFH vom 28.06.2017 – XI R 12/15 = DStR 2017, 1873, Rn. 43 ff.
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sächlichen Nutzung der Turnhalle ergibt, dass eine wirtschaftliche Tä tigkeit gegeben ist.487 Dem Urteil des BFH ist zuzustimmen. Eine unternehmerische Tätigkeit erfordert nur eine Einnahmeerzielungsabsicht, keine Gewinnerzielungs absicht. Deswegen ist es konsequent, eine wirtschaftliche Tätigkeit nur in Konstellationen abzulehnen, in denen zunächst eine aus einem sehr geringen Entgelt folgende Asymmetrie und darüberhinausgehend kein Tätigwerden am allgemeinen Markt gegeben ist bzw. das Entgelt nicht nach der tatsächlichen Inanspruchnahme bemessen wird und sich des halb der Vergleich zu einem Endverbraucher aufdrängt. In diesen Fällen ist die juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf die Erbringung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern auf eine „Steuerersparnis zum Wohle des Bürgers“488 aus. Daher war eine Vorlage an den EuGH im vor liegenden Fall entbehrlich.489 Auch der Rechtsprechung des EuGH zu Holdinggesellschaften,490 wo nach der bloße Erwerb, das bloße Halten und der bloße Verkauf von Ak tien keine unternehmerische Tätigkeit darstellt, da hierbei kein Gegen stand zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen genutzt wird, sondern die Dividenden auf dem Eigentum an den Unternehmensbeteiligungen beruhen, hat sich der BFH angeschlossen.491 Eine wirtschaftliche Tätig keit liegt deshalb lediglich dann vor, wenn die Unternehmensbeteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft einhergehen, die steuerbar sind.492 Dem EuGH folgend hat der BFH entschieden, dass eine Vorgründungsge sellschafts-GbR, die Umsätze für die spätere wirtschaftliche Tätigkeit einer GmbH tätigt, bereits Unternehmerin ist und dementsprechend eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.493 Anders ist es, wenn ein Steuer 487 BFH vom 28.06.2017 – XI R 12/15 = DStR 2017, 1873, Rn. 53 ff.; siehe auch Heinrichshofen, UStB 2017, 288 (289); a. A. Ismer, MwStR 2016, 654 (659). 488 Vgl. EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 23.12.2015 – C-520/14, Rn. 49 f.; Grube, MwStR 2016, 495; Küffner, UR 2016, 524. 489 Dieser Meinung ist auch Ismer, MwStR 2016, 654 (659). 490 Siehe S. 74 ff. 491 BFH vom 06.04.2016 – V R 6/14 = MwStR 2016, 626, Rn. 29; BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 28; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz. 50.2. 492 BFH vom 06.04.2016 – V R 6/14 = MwStR 2016, 626, Rn. 30; BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 29; siehe auch Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 116. 493 BFH vom 15.07.2004 – V R 84/99 = DStR 2004, 1870, Rn. 14 f.; hierbei handelt es sich um das Folgeurteil der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 – C-137/02, Faxworld = DStRE 2004, 772.
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berater einen Mandantenstamm erwirbt und diesen unentgeltlich einer Steuerberatungs-GbR überlässt. Die unentgeltliche Überlassung liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts. Infolge dessen ist eine wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerberaters ausgeschlos sen.494
§ 4 Vergleich der subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale im unionalen und deutschen Recht Die Begriffe „Steuerpflichtiger“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie und „Unternehmer“ im Sinne des § 2 I 1 UStG haben nach der Recht sprechung des BFH495 und der Literatur496 den gleichen Inhalt. Dies folgt schon aus Gründen der Wettbewerbsneutralität, wonach das Steuersub jekt im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und das der einzelnen Mitgliedstaaten identische Bedeutung aufweisen muss. Ferner wäre an sonsten die einheitliche Anwendung des Unionsrechts nicht gegeben.497 Die identische Bedeutung der beiden Begrifflichkeiten zeigt sich auch daran, dass der EuGH die Terminologie „Unternehmer“ oftmals in sei nen Entscheidungen verwendet.498 Daher entspricht auch die unternehmerische (= gewerbliche und berufli che) Tätigkeit nach § 2 I 3 UStG der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL.499 Gleiches gilt für die Gegensätze „nichtunternehmerische“ und „nichtwirtschaftliche“ Tätigkeit.500 Weiter erschließt sich daraus, dass der Nichtsteuerpflichtige in der Mehrwert
494 BFH vom 26.08.2014 – XI R 26/10 = NZG 2015, 807, Rn. 24; hierbei handelt es sich um das Folgeurteil der Entscheidung des EuGH vom 13.03.2014 – C-204/13, Malburg = MwStR 2014, 270. 495 BFH vom 18.02.2016 – V R 23/15 = NZM 2016, 597, Rn. 16; BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 21. 496 Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 86, 120; Berger/Kindl/Wakounig, MwSt SystRL, S. 103; Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 2 Rn. 2; Friedrich-Vache, BB 2019, 993; Michel, BB 2008, 1936. 497 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 47. 498 Siehe dazu S. 81. 499 Ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH vom 26.04.2012 – V R 2/11 = DStR 2012, 965, Rn. 31 f. m. w. N.; siehe auch Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 86, 120; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 2 Rz. 34; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange § 2 UStG Rn. 15; Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 35, 78; Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 236; Friedrich-Vache, BB 2019, 993. 500 BFH vom 10.05.2017 – V R 7/15 = DStR 2017, 1433.
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§ 4 Vergleich der subjektbezogenen Tatbestandsmerkmale
steuersystemrichtlinie dem Nichtunternehmer501 im nationalen Recht, mithin dem Endverbraucher, entsprechen muss. Der national verwendete Begriff teilunternehmerisch, der dem unionalen Begriff „teilweise wirtschaftliche Tätigkeit“ entsprechen müsste, exis tiert weder in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie noch im nationalen Umsatzsteuergesetz. Dennoch ist die Terminologie „teilunternehme rische Verwendung“ positiv zu sehen, da sie spezifischer als die Termi nologie „gemischte Verwendung“ ist. Insgesamt ist festzustellen, dass das europäische und das deutsche Mehrwertsteuerrecht hinsichtlich des Steuersubjekts und der subjektbezogenen Merkmale inhaltlich völlig übereinstimmen.
501 Siehe dazu Korf, DB 2009, 758 (762).
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs § 1 Einführung A. Grundfall des Vorsteuerabzugs I. Grundlegende Voraussetzungen im unionalen und deutschen Recht Im unionalen und im nationalen Recht sind die Tatbestandsvoraus setzungen des Vorsteuerabzugs unterschiedlich formuliert. Im Wesent lichen gibt es zwei Voraussetzungen: Zum einen haben nur Steuersub jekte das Abzugsrecht.502 Zum anderen müssen die Steuersubjekte die Eingangsumsätze für einen bestimmten Zweck, nämlich nach uniona lem Recht gem. Art. 168 MwStSystRL für „besteuerte Umsätze“ und nach nationalem Recht gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG „für das Unterneh men“ verwenden. Die Verwendungsvoraussetzungen stimmen in diesen Grundsatzvorschriften sowie den Sondervorschriften für Grundstücke (Art. 168a I MwStSystRL und § 15 Ib 1 UStG) im Wortlaut nicht überein.
II. Weitere Voraussetzungen im unionalen und deutschen Recht Auf unionaler Ebene ist gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL außerdem erfor derlich, dass der gelieferte Gegenstand bzw. die erbrachte Dienstleistung von einem anderen Steuerpflichtigen herrühren, nicht von einem Nicht steuerpflichtigen. Erwirbt ein Steuersubjekt einen gebrauchten PKW also von einer Privatperson, um diesen im Anschluss für die Erzielung von besteuerten Umsätzen zu verwenden, kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Erwerb von einem Nichtsteuerpflichtigen nicht steuerbar ist und dadurch keine Belastung mit Mehrwertsteuer vorliegt.503
502 Vgl. Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 25, wobei in den Rn. 23 f. irrtümlich die Terminologie „Unternehmen“ anstatt „Unternehmer“ bzw. „Steuerpflichtiger“ verwendet wird. 503 Kritisch Sterzinger, UStB 2018, 295 (303), nach dessen Auffassung die Ablehnung einer Einlagenentsteuerung nicht nachvollziehbar sei, wenn im Gegensatz dazu bei einer anfänglichen unternehmerischen Verwendung und einer späteren unter nehmensfremden Verwendung eine unentgeltliche Wertabgabe vorliege.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
Der Leistungsempfänger, der den Vorsteuerabzug geltend machen will, muss bei Bezug der Leistung „als Steuerpflichtiger handeln.“504 Dies liegt dann vor, wenn der Umsatz für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tä tigkeit ausgeführt wird.505 Dafür ist nicht erforderlich, dass der Steuer pflichtige die Eingangsleistung sofort für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet.506 Weiter muss der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Art. 178 MwStSystRL erfüllen, um den Vorsteuerabzug geltend machen zu kön nen. Für den hier behandelten Vorsteuerabzug nach Art. 168 lit. a MwSt SystRL muss der Steuerpflichtige gem. Art. 178 lit. a MwStSystRL eine ordnungsgemäße Rechnung besitzen.507 Nach deutschem Recht ergeben sich gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG neben der Verwendung „für das Unternehmen“ folgende Voraussetzungen für den Grundtatbestand: Zunächst muss eine gesetzlich geschuldete Steuer für eine Lieferung oder Dienstleistung vorliegen. D. h. die Leistung muss sowohl nach § 1 UStG steuerbar als auch steuerpflichtig sein, da der Vor steuerabzug für steuerfreie Leistungen gem. § 15 II 1 Nr. 1 UStG in Ver bindung mit § 4 UStG ausgeschlossen ist. Der systematische Aufbau entspricht der ehemaligen Formulierung des Tatbestands aus der Zwei ten Mehrwertsteuerrichtlinie.508 Die nationale Vorschrift ist veraltet und sollte an Art. 168 MwStSystRL angepasst werden, denn die Prüfung, ob ein Umsatz „für sein Unternehmen“ ausgeführt wurde und der Vorsteu erabzug nicht gem. § 15 II UStG ausgeschlossen ist, stellt sich gegenüber der Prüfung, ob ein Umsatz „für besteuerte Umsätze“ ausgeführt worden ist, als unnötig komplizierter Umweg dar. Wie im unionalen Recht muss der Unternehmer im Sinne des § 2 I 1 UStG die Leistung von einem anderen Steuersubjekt empfangen haben, denn bei Bezug von einem Nichtunternehmer ist kein Vorsteuerabzug möglich. Schließlich ist der Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ord nungsgemäßen Rechnung erforderlich und der Vorsteuerabzug darf ins besondere nicht gem. § 15 Ia, Ib UStG, § 19 I 5 UStG, § 24 I 4 UStG aus geschlossen sein.
504 Wäger, UR 2019, 41 m. w. N. 505 Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 502. 506 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 14; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 19. 507 Dieses Tatbestandsmerkmal soll in der Arbeit nicht näher untersucht werden, da es für den Unternehmensbegriff irrelevant ist. 508 Wäger, DB 2012, 1288 (1289); siehe S. 96 f.
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§ 1 Einführung
B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung Auch die Sondervorschriften hinsichtlich des Vorsteuerabzugs bei einer teilunternehmerischen Verwendung509 eines Grundstücks sind unter schiedlich formuliert. Im unionalen Recht ist der Vorsteuerabzug für ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück gem. Art. 168a I MwSt SystRL nur insoweit möglich (positive Formulierung), als es für unter nehmerische Zwecke verwendet wird. Im deutschen Recht schließt § 15 Ib 1 UStG den Vorsteuerabzug dagegen insoweit aus (negative For mulierung), als die Verwendung des Grundstücks nicht für die Zwecke des Unternehmens erfolgt.510 Ferner kommen beide Vorschriften nur zur Anwendung, wenn das teil unternehmerisch genutzte Grundstück dem Unternehmen (vollständig) zugeordnet ist.511 Im Falle einer Ausübung des Zuordnungswahlrechts entsprechend der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung schei det ein weitergehender Vorsteuerabzug im unionalen Recht bereits gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL mangels weitergehender Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen bzw. im deutschen Recht gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG mangels Zuordnung zum Unternehmen aus. Daher ist Art. 168a I MwStSystRL mit der Formulierung „ein dem Un ternehmen zugeordnetes Grundstück“ versehen.512 Aus dem Wortlaut kann man ableiten, dass die Vorschrift nachrangig zu berücksichtigen ist. Ebenso verhält es sich im deutschen Recht, da mangels Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen schon die Vorsteuerabzugsvorausset zung „für sein Unternehmen“ im Sinne von § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG nicht vorliegt und § 15 Ib 1 UStG dadurch nicht anwendbar ist. Es kann kein Vorsteuerabzugsverbot in einem Fall bestehen, bei dem es auf der vorhe rigen Stufe an einem Vorsteuerabzugsrecht fehlt.513 Bei einer Änderung des Verwendungsanteils eines Grundstücks für un ternehmerische Zwecke ist der Vorsteuerabzug im unionalen Recht gem. Art. 168a I UAbs. 2 MwStSystRL abweichend von Art. 26 MwStSystRL gem. Art. 184 ff. MwStSystRL zu berichtigen. Im nationalen Recht er 509 Darunter versteht Abschnitt 15.2b II 6 UStAE die teilweise Verwendung für unter nehmerische und nichtunternehmerische Tätigkeiten. 510 Siehe auch Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 925. 511 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 654. 512 Siehe S. 132 ff. 513 Siehe S. 151 ff.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
folgt die Berichtigung gem. § 15a I UStG aufgrund der nach § 15a VIa UStG anzunehmenden „Änderung der Verhältnisse“ bei einer Verwen dung im Sinne des § 15 Ib UStG.514 Da das Grundstück bei einer Anwen dung der jeweiligen Vorschrift ohnehin dem Unternehmen zugeordnet ist, greifen die Berichtigungsvorschriften tatbestandlich, obwohl sie nur das Verfahren des Vorsteuerabzugs regeln, aber kein solches Recht be gründen.515 Während die Anwendung des Art. 26 MwStSystRL auf europäischer Ebe ne schon am Wortlaut von Art. 168a I UAbs. 2 MwStSystRL scheitert, schließt die deutsche Vorschrift des § 15 Ib 1 UStG die Anwendbarkeit des § 3 Ib, IXa UStG nicht aus. Der Ausschluss der Besteuerung der un ternehmensfremden Verwendung findet sich stattdessen in § 3 IXa Nr. 1 HS 2 Var. 1 UStG. Die Entnahmebesteuerung nach Art. 16 I MwStSystRL, § 3 Ib UStG ist bereits aufgrund des Sinnzusammenhangs ausgeschlossen, denn bei ihrer Anwendung ist gem. Art. 16 I MwStSystRL, § 3 Ib 2 UStG zu prüfen, ob ein Vorsteuerabzug überhaupt stattgefunden hat. Diese Voraussetzung kann bei einem Ausschluss des Vorsteuerabzugs gem. Art. 168a I MwSt SystRL bzw. § 15 Ib 1 UStG nicht erfüllt sein. Art. 168a II MwStSystRL stellt es in das Ermessen der Mitgliedstaaten, den Vorsteuerabzug auch bzgl. sonstiger dem Unternehmen zugeordne ter Gegenstände nur insoweit zu ermöglichen, als sie für die unterneh merischen Zwecke verwendet werden. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesrepublik Deutschland allerdings bisher nicht Gebrauch gemacht, was in der Literatur auf Kritik stößt.516
C. Gang der Untersuchung I. Grundfall des Vorsteuerabzugs Im Rahmen dieser Arbeit sollen nur die Tatbestandsmerkmale „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ in Art. 168 MwStSystRL und „für 514 Allerdings enthält § 44 UStDV eine Bagatellgrenze von 1000 Euro, unterhalb der eine Berichtigung unterbleibt. 515 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 12; Sterzinger, UStB 2018, 295 (296); Meurer, MwStR 2018, 859. 516 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 268; Dziadkowski, IStR 2010, 766 (769 f.); Wäger, UR 2012, 25 (28, 30); Oelmaier, MwStR 2014, 600 (601, 605); differenziert Oldiges, DStR 2010, 793 (795), der die Umsetzung für grundsätzlich begrüßens wert hält, aber eine Harmonisierungshinderung befürchtet.
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§ 1 Einführung
sein Unternehmen“ in § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG näher erforscht werden. Ziel der Untersuchung ist die Erörterung der Fragestellung, ob „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ im unionalen Recht gem. Art. 168 MwStSystRL nur solche sein können, die mit der wirtschaftlichen Tätig keit des Steuerpflichtigen in direktem und unmittelbarem Zusammen hang stehen oder zumindest der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuer pflichtigen im Gesamten dienen. Auf nationaler Ebene ist zu untersuchen, ob das Tatbestandsmerkmal „für sein Unternehmen“ im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG gleichbe deutend mit der unternehmerischen Tätigkeit des Unternehmers ist. In diesem Fall wäre das Tatbestandsmerkmal unabhängig davon, ob es sich bei dem Steuersubjekt um eine natürliche Person oder eine Vereinigung handelt, eng auszulegen.
II. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung Hinsichtlich Art. 168a I MwStSystRL ist ebenfalls zu untersuchen, ob der Unternehmenstatbestand der Vorschrift mit der wirtschaftlichen Tätigkeit gleichzusetzen und mithin eng auszulegen ist. Dies ist in An betracht der Vorschrift des Art. 26 I lit. a MwStSystRL nicht unproble matisch,517 da Art. 168a I MwStSystRL zur Verhinderung der Seeling- Rechtsprechung geschaffen wurde,518 die Art. 26 I lit. a MwStSystRL ermöglichte, und unter den Begriff des Unternehmens im Sinne der letz teren Vorschrift zumindest bei Vereinigungen auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten fallen. Im Tatbestand des § 15 Ib 1 UStG findet sich dreimal das Wort „Un ternehmen“. Wenn das „Unternehmen“ im Sinne des § 15 Ib 1 UStG dreimal die identische Bedeutung hätte, läge keine Rechtsunsicherheit vor, die einer unionsrechtskonformen engen Auslegung im Wege stünde. Der Unternehmenstatbestand beim Vorsteuerabzug wäre damit unions rechtskonform und bedürfte keiner Änderung. Bei einer unterschiedli chen Bedeutung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals innerhalb eines Satzes einer Norm519 wäre die Möglichkeit einer unionsrechtskon formen Auslegung zumindest zweifelhaft.
517 Siehe dazu S. 132 ff. 518 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D. 519 Nach Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926 ist der Unternehmenstatbestand beim ersten und zweiten Mal wie bei der unentgelt
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht A. Grundfall des Vorsteuerabzugs (Art. 168 MwStSystRL) I. Entstehungsgeschichte der Vorschrift 1. Erste Mehrwertsteuerrichtlinie Der Vorsteuerabzug ist dem Mehrwertsteuerrecht immanent. Deswegen enthielt bereits die Erste Mehrwertsteuerrichtlinie520 ein Vorsteuerab zugsrecht. Dieses war in Art. 2 II der 1. MwSt-RL geregelt und lautete: „Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kosten elemente unmittelbar belastet hat.“ Von der geschuldeten Mehrwertsteuer für getätigte Ausgangsumsätze war die Steuer für aufgewendete Eingangsumsätze abziehbar. Durch die se Vorschrift wurde das Allphasen-Netto-System respektive die Mehrwertsteuer auf europäischer Ebene geschaffen. 2. Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie Das Vorsteuerabzugsrecht der Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie521 war in Art. 11 I lit. a der 2. MwSt-RL verankert, der lautete:522 „Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke des Unternehmens verwendet werden, wird der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beiträge abzuziehen: a) die Mehrwertsteuer, die ihm für an ihn gelieferte Gegenstände und an ihn erbrachte Dienstleistungen in Rechnung gestellt wird.“
lichen Wertabgabe weit und beim dritten Mal im Sinne der besteuerten Umsätze eng auszulegen. 520 Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. 71 vom 14.04.1967, S. 1301 ff. 521 Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. 71 vom 14.04.1967, S. 1303 ff. 522 Das Abbilden der gesamten Vorschrift ist hier nicht notwendig.
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
Die Vorschrift konkretisierte das Vorsteuerabzugsrecht des Art. 2 II der 1. MwSt-RL. Der Vorsteuerabzug war zulässig, wenn Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke des Unternehmens verwendet wur den. Alle gem. Art. 2 der 2. MwSt-RL steuerbaren Umsätze sind für die Zwecke des Unternehmens, da für nichtsteuerbare Umsätze kein Vor steuerabzug gewährt werden kann. Steuerbar sind alle steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze. Für steuerfreie Umsätze war der Vorsteuerab zug gem. Art. 11 II der 2. MwSt-RL ausgeschlossen. Dadurch verblieb das Vorsteuerabzugsrecht für Eingangsumsätze, die für steuerpflichtige Aus gangsumsätze verwendet wurden. Der hier enthaltene Unternehmens tatbestand war mithin eng auszulegen. Sofern Eingangsumsätze sowohl für steuerpflichtige als auch für steuer freie Ausgangsumsätze bezogen wurden, war die Vorsteuer im Verhältnis der steuerfreien und steuerpflichtigen (= pro-rata) Verwendung entspre chend aufzuteilen, vgl. Art. 11 II UAbs. 2 der 2. MwSt-RL.523 3. Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie Art. 11 der 2. MwSt-RL wurde durch Art. 17 der 6. MwSt-RL524 ersetzt.525 Art. 17 II lit. a der 6. MwSt-RL lautete:526 „Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: a) die im Inland527 geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuer-
523 Die Vorschrift lautete: „Soweit Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt (Pro-rata-Regel)“. 524 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsa mes Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145 vom 13.06.1977, S. 1 ff. 525 Vgl. Art. 37 der 6. MwSt-RL, der die Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie aufhob. 526 Der Abdruck der gesamten Vorschrift ist hier entbehrlich. 527 Die Terminologie „im Inland“ wurde durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10.04.1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer – Geltungsbereich be stimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung, ABl. L 102 vom 05.05.1995, S. 18–24, nachträglich eingefügt.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
pflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.“ Der Wortlaut „für Zwecke des Unternehmens“ aus der Zweiten Mehr wertsteuerrichtlinie wurde durch die Terminologie „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ ersetzt. Diese Änderung war schon im Vorschlag der Richtlinie durch die Formulierung „für Zwecke seiner besteuer ten Tätigkeiten“ in ähnlicher Weise vorgesehen.528 Die Begründung des Richtlinienvorschlags geht an keiner Stelle auf die terminologische Er neuerung ein.529 Für die Modifikation des Wortlauts „für Zwecke des Unternehmens“ hin zu „für Zwecke der besteuerten Umsätze“ spricht, dass es sich hierbei um die klarere und direktere Formulierung handelt. Für Zwecke des Un ternehmens können auch Umsätze sein, die steuerfrei sind. Da es für steuerfreie Umsätze keinen Vorsteuerabzug geben kann, musste dieser gem. Art. 11 II der 2. MwSt-RL ausgeschlossen werden. Die Formulierung des Tatbestands in Art. 11 der 2. MwSt-RL war gegenüber der Formulie rung „für besteuerte Umsätze“ unpräzise und wurde zu Recht abge schafft. Mit der neuen Formulierung war ein gesetzlicher Vorsteuer ausschluss nicht mehr nötig. Weiter zeigt sich durch den Wegfall des Unternehmens in Art. 17 II der 6. MwSt-RL, dass dieses im Rahmen des Art. 6 II der 6. MwSt-RL nicht mehr zwingend eng auszulegen war.
II. Aktuelle Vorschrift Das heutige Vorsteuerabzugsrecht ist in Art. 168 MwStSystRL normiert. Art. 168 lit. a MwStSystRL lautet:530 „Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden.“ 528 Vgl. Art. 17 II des Vorschlags einer sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisie rung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. C 80 vom 05.10.1973, S. 13 = BR-Drs. 493/73, S. 13. 529 Vorschlag und Begründung einer sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, BR-Drs. 493/73, S. 45. 530 Von einem Abdruck der gesamten Vorschrift kann hier abgesehen werden.
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
Die aktuelle Vorschrift ist inhaltlich mit Art. 17 II der 6. MwSt-RL iden tisch, deshalb ist die Rechtsprechung zu Art. 17 II der 6. MwSt-RL auf Art. 168 MwStSystRL übertragbar.531 Dafür spricht auch der dritte Erwä gungsgrund der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, wonach diese grund sätzlich nicht zu einer inhaltlichen Änderung des geltenden Rechts, mit hin der Sechsten Richtlinie, führen sollte.532 Um den Vorsteuerabzug geltend machen zu können, muss ein Steuer pflichtiger nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs533 im Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands oder einer Dienstleistung als solcher han deln.534 Dies ist der Fall, wenn die Leistung für die besteuerten Umsätze verwendet wird (unter 1.). Daneben kommt im Falle einer teilunternehmerischen Verwendung die willentliche Ausübung des Zuordnungswahlrechts in Betracht, um trotz einer unternehmensfremden Verwendung zu einem vollen Vorsteuerab zug zu kommen (unter 2.). Wenn der Gerichtshof eine Einlagenentsteuerung für möglich hielte, wäre ein Vorsteuerabzug durch Zuordnung aus Neutralitätsgesichts punkten nicht mehr erforderlich und damit überholt, weil durch die Ein lagenentsteuerung auch hinsichtlich unternehmensfremd genutzter Ge genstände jederzeit ein nachträglicher Vorsteuerabzug möglich wäre, wenn sie ab einem gewissen Zeitpunkt für besteuerte Umsätze verwen det werden. Deshalb ist die Möglichkeit einer Einlagenentsteuerung im Mehrwertsteuerrecht zu untersuchen (unter 3.). Bei Ablehnung einer Einlagenentsteuerung ist der unterschiedliche Ausübungszeitpunkt des Vorsteuerabzugs zu bewerten (unter 4.).
531 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, 3. Leitsatz: „Das Recht auf den Abzug der Vorsteuer […] besteht gemäß Art. 17 I und II der Sechsten Richtlinie in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung sowie gemäß Art. 168 der Richtlinie 2006/112 […]“, Rn. 10; EuGH vom 30.09.2009 – C-392/09, Uszodaépítő kft = BeckRS 2010, 91144, Rn. 4 f., 31 f.; EuGH vom 07.10.2009 – C-53/09, C-55/09, Baxi = DStRE 2010, 1392, Rn. 8, 29. 532 Vgl. Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28. 533 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 8; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 18; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo, = MwStR 2018, 968, Rn. 34. 534 Sterzinger, UStB 2018, 295 (300) setzt für den Vorsteuerabzug neben dem Handeln des Steuerpflichtigen als solcher voraus, dass die sonstigen Voraussetzungen des Art. 168 MwStSystRL erfüllt sind. Dem ist zwar nichts entgegenzusetzen, den noch stellt das Handeln des Steuerpflichtigen als solcher die zentrale Vorsteuerab zugsvoraussetzung dar, mit der das Recht steht und fällt.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
Schließlich müssen die Eingangsumsätze eines Steuerpflichtigen mit den besteuerten Ausgangsumsätzen in direktem und unmittelbarem Zusam menhang stehen, damit ein Vorsteuerabzug in Betracht kommt (unter 5.). 1. Vorsteuerabzug durch Verwendung für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze Die Vorsteuer für einen Eingangsumsatz ist abziehbar, wenn der Steuer pflichtige diesen „für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ ver wendet.535 Besteuerte Umsätze können nur solche sein, die gem. Art. 2 I MwStSystRL in den Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts fal len,536 d. h. der Steuerpflichtige muss sie als solcher tätigen.537 a) Das EuGH-Urteil Lennartz538 Art. 17 II der 6. MwSt-RL setzt voraus, dass die vom Steuerpflichtigen erworbene Leistung für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet wer den muss, d. h. der Steuerpflichtige muss als solcher handeln.539 „Ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, hat zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Gegenstände das Recht, die gezahlte Vorsteuer gemäß den Vorschriften des Artikels 17 [der 6. MwSt-RL] abzuziehen, wie gering auch immer der Anteil der Ver wendung für unternehmerische Zwecke sein mag.“540 b) Die EuGH-Urteile Securenta und VNLTO Der Gerichtshof führte aus, dass nichtwirtschaftliche Tätigkeiten nicht im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts liegen.541 Nach Auf 535 EuGH vom 08.05.2019 – C-566/17, Związek = DStRE 2019, 1404, Rn. 26 f., 32; EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 27; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 9, 17; Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168 Rn. 8; Berger/Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 398 f.; Lohse, Die Zuordnung im Mehr wertsteuerrecht, S. 156; ders., UR 2020, 333; Wäger, DB 2012, 1288. 536 Siehe S. 68. 537 Weymüller/Peltner UStG § 1 Rn. 62; sehr kritisch gegenüber der Voraussetzung des als solchen handelnden Steuerpflichtigen ist Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatz steuer in Deutschland 1918–2018, S. 483 ff. 538 Das Urteil spielt auch hinsichtlich der Zuordnung eine wesentliche Rolle und wird deshalb auf S. 105 ff. erneut behandelt. 539 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 8 f. 540 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 3. Leitsatz. 541 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 26; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 36; zu den Sachverhal ten siehe die S. 25 f. und S. 32 f.
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fassung des Gerichtshofs können nur solche Aufwendungen zum Vor steuerabzug berechtigen, die für die besteuerte wirtschaftliche Tätigkeit des Betroffenen verwendet werden und dadurch den Anwendungsbereich der Richtlinie eröffnen.542 c) Das EuGH-Urteil Eon Aset Bei Eon Aset handelte es sich um eine bulgarische Gesellschaft, die ver schiedene wirtschaftliche Tätigkeiten erbrachte. Die für den Untersu chungsgegenstand entscheidende Vorlagefrage war, unter welchen Vo raussetzungen Art. 168 lit. a MwStSystRL die Steuerpflichtige zum Abzug der gezahlten Mehrwertsteuer berechtigt, die sie sowohl aufgrund eines Mietvertrags über einen PKW als auch aufgrund eines Leasingver trags über ein anderes Fahrzeug entrichtet hat. Nach dem Gerichtshof ermögliche die Vorschrift einen Vorsteuerabzug, wenn die Steuerpflichtige die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verwende. Sinn und Zweck des Vorsteuerabzugs sei die dem Neutralitätsgrundsatz entsprechende völli ge Entlastung des Steuerpflichtigen von der im Rahmen seiner wirt schaftlichen Tätigkeit gezahlten Mehrwertsteuer. Werden die vom Steu erpflichtigen bezogenen Umsätze jedoch für steuerfreie oder nicht der Mehrwertsteuer unterliegende Umsätze verwendet, könne es weder zur Erhebung der Steuer noch zum vorherigen Vorsteuerabzug kommen.543 Mithin muss eine Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung im Rahmen einer steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeit, also ein Handeln des Steuerpflichtigen als solcher vorliegen, damit die Vorsteuer eines Umsatzes abgezogen werden kann. d) Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo Die polnische Gemeinde Ryjewo baute ein Kulturhaus und verwendete dieses zunächst nur für eine außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts liegende hoheitliche Tätigkeit und erst nach vier Jahren für steuerpflichtige Umsätze. Strittig war, ob die bis dahin von der Gemeinde für den Bau des Hauses vollständig entrichtete Mehrwertsteu er gem. Art. 184 ff. MwStSystRL berichtigt werden konnte. Mit anderen Worten ging es um die Frage, ob aufgrund der geänderten Nutzung nun „rückwirkend“ ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist. 542 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 28; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 36. 543 EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 42 ff.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugsrechts sei, dass eine Person die Eigenschaft eines Steuer pflichtigen innehabe und im Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands als solcher handle.544 Dieser Grundsatz finde auch auf öffentlich-rechtli che Körperschaften Anwendung, wenn sie eine Berichtigung des Vorsteu erabzugs anstreben.545 Eine bei Erwerb eines Gegenstands hoheitlich handelnde Einrichtung des öffentlichen Rechts werde gem. Art. 13 MwStSystRL nicht als Steuer pflichtige tätig und habe deshalb auch bei späterer Verwendung des Kul turhauses für besteuerte Umsätze grundsätzlich kein Vorsteuerabzugs recht.546 Im Streitfall kommt im Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes sowohl ein hoheitliches Handeln als auch ein solches als Steuerpflichti ger im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit in Betracht. Ob ein Han deln im letzteren Sinne vorliegt, sei eine Tatsachenfrage, die anhand aller Gegebenheiten des Sachverhalts für jeden Einzelfall zu ermitteln ist.547 Die Gemeinde Ryjewo hatte keine Vorrechte der öffentlichen Gewalt in Anspruch genommen. Deshalb war die Steuerpflichtigeneigenschaft nicht gem. Art. 13 MwStSystRL ausgeschlossen.548 Vielmehr wurde der Gemeinde diese Eigenschaft bereits zuerkannt.549 Die juristische Person des öffentlichen Rechts konnte das Kulturhaus sowohl für steuerpflichti ge als auch für nichtsteuerpflichtige Tätigkeiten verwenden.550 Weiter begehrte die Gemeinde den Vorsteuerabzug nach vier Jahren, mithin innerhalb des Berichtigungszeitraums gem. Art. 187 I UAbs. 3 MwSt SystRL.551 Ferner sei es irrelevant, dass ein Gegenstand nicht umgehend 544 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 34; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 8. 545 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 36. 546 Vgl. EuGH vom 02.06.2005 – C-378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen = DStRE 2005, 902, Rn. 34 f.; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 37. 547 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 38; EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 27. 548 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 41 f.; hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Rechtssache Waterschap Zeeuws Vlaanderen, im Rahmen derer ein Vorsteuerabzugsrecht verneint wurde, weil hier ein hoheitliches Handeln und damit ein Handeln als Nichtsteuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs vorlag. 549 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 43. 550 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 48; EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 26; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 21. 551 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 40; Röhrbein, UVR 2018, 333 (336 f.).
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für besteuerte Umsätze verwendet werde, weil die Verwendung eines Gegenstands nur für den Umfang des Vorsteuerabzugs eine Rolle spiele, nicht für die Ausübung des Rechts an sich.552 Aus diesen Gründen, die für ein Handeln als Steuerpflichtiger im Zeit punkt der Herstellung der Immobilie sprechen,553 stehe eine anfängliche Verwendung für außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie lie gende Tätigkeiten und eine unterlassene ausdrückliche Bekundung, den Gegenstand für besteuerte Tätigkeiten verwenden zu wollen, der Annah me nicht entgegen, dass dieser zu einem späteren Zeitpunkt auch für eine wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden könnte, wenn dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Somit war ein Handeln der Gemein de als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes an zunehmen.554 Mithin war ein Vorsteuerabzugsrecht bzw. die Vorsteuer berichtigung möglich.555 Für eine derartige Entscheidung des Streitfalls spricht auch, dass das Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands aus Gründen des mehrwertsteuerlichen Neu tralitätsgrundsatzes weit auszulegen ist.556 Grundlegende Voraussetzung für das Recht zum Vorsteuerabzug ist mit hin das Handeln des Steuerpflichtigen als solcher im Zeitpunkt des Er werbs.557 D. h. der Steuerpflichtige muss den Gegenstand anschaffen, um ihn zumindest innerhalb des Berichtigungszeitraums für seine wirt schaftliche Tätigkeit zu verwenden. Einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anderen Ver einigung ist daher bei einer anfänglichen Verwendung für eine nichtwirt schaftliche Tätigkeit im engeren Sinne558 zu raten, die Verwendung für eine wirtschaftliche Verwendung in der Zukunft jedenfalls nicht auszu
552 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 51; Sterzinger, UStB 2018, 295 (300). 553 Vgl. Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1002). 554 Vgl. Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1001). 555 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 53, 59. 556 EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 19.04.2018 – C-140/17 = MwStR 2018, 557, Nr. 55; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 55, 29–31; Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1005); Kessens, MwStR 2019, 308 (311). 557 Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1001). 558 Im Zusammenhang mit einer unternehmensfremden Verwendung verhält sich dies anders, denn hier muss der Gegenstand sofort nach Erwerb zugeordnet wer den, siehe S. 112 ff. und S. 119 ff.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
schließen.559 Bei dieser Vorgehensweise kann sich das Steuersubjekt ei nen späteren Vorsteuerabzug im Wege der Berichtigung offenhalten. e) Stellungnahme Nur Umsätze im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts, den Art. 2 I MwStSystRL bestimmt, sind steuerbar. In diesem Anwendungs bereich liegen nur wirtschaftliche Tätigkeiten. Nichtwirtschaftliche Tä tigkeiten liegen nach den Entscheidungen Securenta und VNLTO aus drücklich außerhalb des Anwendungsbereichs und sind mithin nicht steuerbar.560 Im Rahmen von nichtsteuerbaren Verwendungen besteht kein Vorsteuerabzugsrecht. Für den Vorsteuerabzug ist vielmehr eine ob jektive Verwendung für eine wirtschaftliche Tätigkeit bzw. ein Handeln des Steuerpflichtigen als solcher erforderlich – unabhängig vom Rechts subjekt des Steuerpflichtigen. Wird ein Gegenstand von einem als solchen handelnden Steuerpflichti gen für besteuerte Umsätze verwendet, liegt der Tatbestand des Art. 168 MwStSystRL vor und es bedarf keiner darüberhinausgehenden willentli chen Zuordnungsentscheidung mehr.561 Dies gilt jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des Zuordnungswahlrechts (unter 2.) und geht aus dem Wortlaut der Norm hervor. Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo bestätigt diese Rechtsauslegung, da ein Vorsteuerabzug in diesem Fall ohne ausdrückliche Zuordnung aufgrund der nach mehreren Jahren er folgten tatsächlichen Verwendung für steuerpflichtige Umsätze gestattet wurde. Eine ausdrückliche Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt der Herstellung des Kulturhauses war für den Vorsteuerabzug nicht erforder lich, weil die Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts einen Gegenstand im Falle einer nichtwirtschaftlichen Verwendung nicht willentlich zuordnen kann,562 aber trotzdem ein anteiliger Vorsteu erabzug aus Gründen der Neutralität der Mehrwertsteuer gewährt wer den muss, wenn der Gegenstand für besteuerte Umsätze verwendet wird. Für die Entbehrlichkeit der Zuordnung bei tatsächlicher Verwendung des Gegenstands für besteuerte Umsätze spricht weiter, dass die Grundsätze der Zuordnung nur bei teilunternehmerisch genutzten Gegenständen 559 Vgl. Röhrbein, UVR 2018, 333 (338). 560 Siehe dazu S. 68. 561 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 274; Lohse, UR 2020, 333; a. A. Wiesch, Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand, S. 145; Wagner/Kurzenberger, BB 2014, 1111; Sterzinger, UR 2018, 377 (385). 562 Lohse, UR 2020, 333 (335); Reiß, UR 2020, 747 (756 f.); Kessens, MwStR 2019, 308 (311).
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
gelten.563 Folglich ist der Vorsteuerabzug bei einer ausschließlichen Ver wendung für die besteuerten Umsätze unabhängig von einer Zuordnung aufgrund dieser Verwendung möglich.564 Wird also der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht, ist zunächst zu prü fen, ob der Gegenstand vollständig für besteuerte Umsätze verwendet wird. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist nachrangig zu prüfen, ob ein Zuordnungswahlrecht besteht und dieses ausgeübt wurde. Der Vorsteu erabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts ist demnach gegen über dem Vorsteuerabzug aufgrund einer tatsächlichen Verwendung sub sidiär. 2. Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Gegenständen Bei einer teilunternehmerischen Verwendung für steuerpflichtige und unternehmensfremde Zwecke kann der Vorsteuerabzug vollständig aus geübt werden, wenn der Steuerpflichtige einen Gegenstand subjek tiv willensgesteuert565 den besteuerten Umsätzen zuordnet.566 Das Zu ordnungswahlrecht besteht nur bei Gegenständen, nicht hinsichtlich Dienstleistungen.567 563 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 20; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 53 f.; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff.; EuGH vom 14.07.2005 – C-434/03, Charles-Tijmens = DStRE 2005, 1025, Rn. 23 f.; EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 40 f.; EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 25. 564 A. A. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 260, wonach eine Zuordnung bei ausschließlicher wirtschaftlicher Nutzung automatisch erfolgt; teilweise wird hier von einem „Zuordnungsgebot“ gesprochen, vgl. Sterzinger, UStB 2018, 295; Kessens, MwStR 2019, 308 (311); siehe auch Abschnitt 15.2c I UStAE; kritisch zum Zuordnungsgebot von Streit, UStB 2014, 120 (123). 565 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 55. 566 Vgl. Pull, MwStR 2016, 838; zur Begriffsbestimmung der „Zuordnung“ und den wesensbestimmenden Merkmalen siehe Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteu errecht, S. 26 ff. 567 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 303; Oelmaier, MwStR 2018, 972 (973); dies zeigt ein Vergleich des Wortlauts von Art. 26 I lit. a und lit. b MwStSystRL, der in lit. a die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke (in Verbindung mit Art. 2 I lit. a MwStSystRL) der Besteuerung zuführt, wohingegen bei lit. b nur die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung Voraussetzung dafür ist, dass eine Besteuerung (in Verbin dung mit Art. 2 I lit. c MwStSystRL) erfolgen kann. Gegen die Differenzierung be stehen keine Bedenken, da sich der Verwendungsanteil einer einmal erbrachten Dienstleistung für die besteuerten Umsätze naturgemäß nicht ändern kann, son dern sich nach dem Status quo im Moment der Erbringung richtet. Demgegenüber
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a) Zuordnungswahlrecht einer natürlichen Person Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Steuerpflichtiger im Hinblick auf die Mehrwertsteuer die Wahl, den Gegenstand voll seinen besteuerten Umsätzen, ihn im Umfang der tatsächlichen Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit oder vollständig dem Privatvermögen zuzuordnen, wenn dieser Gegenstand sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt wird.568 Durch die Ausübung des Zuordnungswahlrechts wird der eigentlich privat verwendete Anteil des Gegenstands als „für die besteuerten Umsätze verwendet“ fingiert. Dadurch kann der Vorsteuer abzug bei einer vollständigen Zuordnung des teilunternehmerisch ge nutzten Gegenstands zu den besteuerten Umsätzen sofort und in voller Höhe erfolgen.569 Das Zuordnungswahlrecht hinsichtlich einer privaten Verwendung be schränkt sich auf natürliche Personen, weil nur diese eine private Ver wendung tätigen können,570 die sämtliche Urteile sowie die Literatur571 voraussetzen. Für die Existenz eines Zuordnungswahlrechts im Falle ei ner privaten Verwendung spricht auch Art. 168a I MwStSystRL,572 der in seinem Wortlaut zwischen unternehmerischen und privaten Verwen dungen differenziert und einen Vorsteuerabzug der natürlichen Person im Rahmen einer teilunternehmerischen Nutzung eines dem Unterneh men zugeordneten Grundstücks nur insoweit ermöglicht, als dieses tat sächlich für Zwecke des Unternehmens573 verwendet wird.574 Zudem wird das Zuordnungswahlrecht in Art. 26 I lit. a MwStSystRL vorausge setzt, der von einem „dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand“ spricht und eine private Verwendung mit einer entgeltlichen Dienstleis tung gleichstellt.
bleibt ein Investitionsgut über Jahre im Unternehmen bestehen, deshalb kann sich der Verwendungsanteil hier mit fortlaufender Zeit ändern. 568 Vertiefend Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 241 f. 569 EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 53 f.; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff.; EuGH vom 14.07.2005 – C-434/03, Charles-Tijmens = DStRE 2005, 1025, Rn. 23 f.; EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 40 f.; EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 25. 570 Siehe S. 64 f. 571 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 267, 274; Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 15 Anm. 711; Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 110; Wäger, in: Brandt, Steuerrecht im Wandel, S. 57 ff. 572 Heuermann, DStR 2017, 2664. 573 Zum Unternehmen im Sinne der Vorschrift siehe S. 132 ff. 574 Siehe auch Reiß, UR 2020, 747 (757, 763).
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Erstmals wurde ein derartiges Recht in der EuGH-Entscheidung Lennartz zugebilligt.575 Herr Lennartz verwendete ein Fahrzeug überwiegend pri vat und nur zu einem geringen Teil unternehmerisch. Trotzdem ent schied der EuGH, dass „ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände für Zwe cke einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Gegenstände das Recht576 hat, die gezahlte Vorsteuer ge mäß den Vorschriften des Artikels 17 [der 6. MwSt-RL] abzuziehen, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag.“577 Aus dem Urteil Armbrecht geht darüber hinaus hervor, dass ein Steuer pflichtiger ein teilunternehmerisch genutztes Wirtschaftsgut nach sei nem Belieben auch nur insoweit dem Unternehmen zuordnen kann, als er es tatsächlich unternehmerisch verwendet. Im Rahmen der Verwen dung für seinen privaten Bedarf handelt der Steuerpflichtige nicht als sol cher. Folglich kann er den Vorsteuerabzug nur hinsichtlich des unterneh merisch genutzten Teils geltend machen und eine Vorsteuerberichtigung ist auf den Teil zu beschränken, der dem Unternehmen zugeordnet ist.578 Das Verbot der Vorsteuerberichtigung im Sinne der Art. 184 ff. MwSt SystRL zeigt, dass die Vorschriften bei natürlichen Personen hinsichtlich privater Verwendungen nicht anwendbar sind.579 Daher haben die Aus führungen des Gerichtshofs zur Berichtigung im Urteil Armbrecht nur die klarstellende Funktion, dass eine Korrektur des Vorsteuerabzugs zu gunsten des Steuerpflichtigen nicht durch eine Berichtigung erfolgen kann. Denn eine Verwendung, die anteilig der privaten Sphäre zugeord net ist, berechtigt insoweit nicht zum Vorsteuerabzug. Dieser kann auch bei einer Erhöhung des Verwendungsanteils für besteuerte Umsätze nicht durch Berichtigung erreicht werden, da die Berichtigungsvorschrif ten nur Verfahrensvorschriften sind und kein Recht auf Vorsteuerabzug begründen.580 Bei einer Korrektur zulasten einer natürlichen Person aufgrund einer ur sprünglich zu hohen Zuordnung zum Unternehmen ist Art. 26 I lit. a 575 Vgl. Dziadkowski, UR 2020, 276 (277). 576 Dieses Recht wird durch die willentliche Zuordnungsentscheidung ausgeübt. 577 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 3. Leitsatz, Rn. 35. 578 EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 20, 24, 29, 33. 579 Einzige Ausnahme ist Art. 168a I UAbs. 2 MwStSystRL im Falle der teilunterneh merischen Nutzung eines Grundstücks, der die Berichtigung nach den Art. 184 ff. MwStSystRL ausdrücklich anordnet; abgesehen davon ist ein Wechsel der Ver wendung eines Gegenstands von einer steuerpflichtigen zu einer steuerfreien Tä tigkeit oder umgekehrt Anwendungsfall der Vorschrift bei natürlichen Personen. 580 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 1. Leitsatz, Rn. 12.
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MwStSystRL gegenüber einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs zulasten des Steuerpflichtigen spezieller und deshalb vorrangig anzuwenden. Es liegt insoweit keine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse vor, da die private Verwendung von Anfang an gegeben bzw. beabsichtigt war. Der steuerpflichtigen natürlichen Person ist wegen der fehlenden Berichti gungsmöglichkeit des Vorsteuerabzugs zu ihren Gunsten bei einer teil unternehmerischen Verwendung immer zu raten, dass sie den Gegen stand vollständig dem Unternehmen zuordnet.581 Hinzu kommt, dass sie bei einer nur teilweisen Zuordnung zum Unternehmen den Liquiditäts vorteil umginge, der mit der vollen Zuordnung einhergeht.582 b) Zuordnungswahlrecht einer Vereinigung In der VNLTO-Entscheidung urteilte der EuGH, „dass mit Art. 6 II der 6. MwSt-RL [bzw. Art. 26 I lit. a MwStSystRL] keine allgemeine Regel eingeführt werden sollte, nach der Tätigkeiten, die nicht in den Anwen dungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, als Tätigkeiten betrachtet wer den können, die für unternehmensfremde Zwecke im Sinne der Vor schrift ausgeführt werden.“583 Eine Vereinigung kann den Vorsteuerabzug im Falle einer nichtwirtschaftlichen Verwendung daher nur im Rahmen der tatsächlichen Verwendung für besteuerte Umsätze geltend machen.584 Nach dem EuGH kommt ein Zuordnungswahlrecht bei Vereinigungen gesetzt den Fall in Betracht, dass diese den Gegenstand sowohl für ihre besteuerten Umsätze als auch für den privaten Bedarf ihres Personals verwenden.585 Die unentgeltliche Wertabgabe unterscheide beim Tat bestandsmerkmal des Steuerpflichtigen nämlich nicht zwischen einer natürlichen und juristischen Person. Weiter folge aus den Erwägungs 581 Vgl. Heinrichshofen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15 Ib Rn. 34; Sölch/ Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 302; Wagner/Kurzenberger, BB 2014, 1111 (1115); Widmann, DB 2000, 1145 (1147). 582 Krumenacker, UR 2007, 473 (473, 478); Nieskoven, GStB 2009, 381; Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1508); Slapio/Erdbrügger, EU-UStB 2009, 26 (30); Kußmaul/ Türk, BB 2010, 1187 (1191); Scholz/Nattkämper, EU-UStB 2010, 32 (34); Reiß, UR 2013, 148 (156); von Streit, UStB 2014, 120 (125); Hiller, DStR 2005, 809 (811), letzterer weist darüber hinaus auf den positiven Zinseffekt hin. 583 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38. 584 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = EuZW 2003, 635, Rn. 30, 31; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37; Lohse, UR 2020, 333 (335). 585 EuGH vom 18.07.2013 – C-210/11, C-211/11, Medicom = MwStR 2013, 544, Rn. 24 f.; a. A. Reiß, UR 2020, 747 (761), nach dessen Ansicht nur die natürliche Person ein Zuordnungswahlrecht besitzt; dies ist aufgrund der Rechtsformneutra lität abzulehnen.
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gründen fünf und sechs der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, dass die Eigenschaft als Steuerpflichtiger an die getätigten Umsätze anknüpfe und nicht an seine Rechtsform.586 c) Unrichtige Formulierung der „Zuordnung zum Unternehmen“ in der neuen EuGH-Rechtsprechung Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Art. 16 und 26 MwStSystRL ist hinsichtlich natürlicher Personen eng auszulegen und entspricht den besteuerten Umsätzen. Bei Vereinigungen ist er dagegen spätestens seit dem EuGH-Urteil VNLTO587 weit auszulegen, da neben wirtschaftlichen Tätigkeiten auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne un ter den unternehmenseigenen Bereich fallen.588 Dennoch spricht der EuGH in seinen Entscheidungen zum Vorsteuerab zug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts auch nach Erlass des Urteils von einer Zuordnung „zum Unternehmen.“589 Pull wendet gegen diese Formulierung zutreffend ein, dass sie sprachlich ungenau sei. Prä ziser sei es, von einer Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen oder der wirtschaftlichen Tätigkeit zu sprechen, denn ein Vorsteuerabzug könne nur im Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts entstehen.590 Das „Unternehmen“ im Sinne der Vorschriften befindet sich dagegen jeden falls bei Vereinigungen teilweise außerhalb dieses Anwendungsbereichs. d) Zuordnungswahlrecht – Für und Wider Das seit der EuGH-Entscheidung Lennartz591 bestehende Zuordnungs wahlrecht ist insgesamt in der Literatur nicht unumstritten: Nach Wäger sei grundlegender Zweck des Vorsteuerabzugs die Entlastung des Steuer pflichtigen von der Mehrwertsteuer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit. Eine private Mitverwendung betreffe dieses Ziel indes nicht. Weiter sei Sinn und Zweck der Verwendungsentnahme, den Vorsteuerab 586 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 25 ff.; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Anm. 84; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 367; Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 171. 587 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369. 588 Siehe S. 18 ff. 589 EuGH vom 18.07.2013 – C-210/11, C-211/11, Medicom = MwStR 2013, 544, Rn. 22 f.; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 53 ff.; EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 33; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 32. 590 Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 102. 591 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752.
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zug rückgängig zu machen, nicht, diesen zu ermöglichen. Demnach sei es widersinnig den Vorsteuerabzug mit der Anwendung einer Vorschrift zu begründen, die ihn wieder entfallen lasse.592 Ferner solle der Vorsteuerabzug zu einer dauerhaften Entlastung führen, nicht zu einem Steuerstundungsmodell durch das Zuordnungswahl recht. Schließlich liegen die Voraussetzungen für die Besteuerung einer Verwendungsentnahme nicht vor. Der Vorsteuerabzug müsse nach dem Tatbestand der Norm vorgenommen worden sein. Daraus folge, dass dieser aus anderen Gründen als der späteren Besteuerung einer Ver wendungsentnahme gewährt worden sei. Eine Verwendungsentnahme komme dann in Betracht, wenn die anfängliche zum Vorsteuerabzug be rechtigende Verwendung durch eine teilweise Privatnutzung ersetzt wer de.593 Nach dieser Ansicht käme es für den Vorsteuerabzug ausschließ lich auf die tatsächliche Verwendung an. Vermindert sich diese, wäre der Anwendungsbereich des Art. 26 MwStSystRL eröffnet.594 Die Begrenzung der unentgeltlichen Wertabgabe auf Fälle anfänglicher vollständiger Nutzung für eine wirtschaftliche Tätigkeit und nachträgli cher, ursprünglich nicht geplanter teilunternehmerischer Verwendung, ist schon aus systematischen Gründen abzulehnen: Art. 26 MwStSystRL wäre bei einer Verminderung der Nutzung für besteuerte Umsätze ein schlägig, während man bei einer Erhöhung die Art. 184 ff. MwStSystRL heranziehen müsste. Die Berichtigungsvorschriften wären nur zuguns ten des Steuerpflichtigen anzuwenden, obwohl sie ihrem Wortlaut nach in beide Richtungen gelten, sofern ihr Anwendungsbereich eröffnet ist.595 Eine solche beiderseitige Anwendung ist indes ausgeschlossen, da die un entgeltliche Wertabgabe ansonsten keinen Anwendungsfall mehr hätte und obsolet wäre. Weiter hat die unentgeltliche Wertabgabe einen „dem Unternehmen zu geordneten“ Gegenstand als Tatbestandsvoraussetzung. Diese Formulie rung impliziert eine freie Willensentscheidung des Steuerpflichtigen, inwieweit er einen Gegenstand dem Unternehmen zuordnen und infol gedessen den Vorsteuerabzug geltend machen will. Auch legt dieser 592 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 487. 593 Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 273; Wäger, in: FS 100 Jahre Um satzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 488. 594 Vgl. Wäger, UR 2012, 25 (29). 595 Art. 184 MwStSystRL lautet: „Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“ Siehe auch EuGH vom 30.03.2006 – C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki = DStRE 2006, 619, Rn. 30.
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Wortlaut nahe, dass der Unionsgesetzgeber ein Zuordnungswahlrecht schaffen wollte. Andernfalls hätte er dieses mit der Einführung der Mehr wertsteuersystemrichtlinie abschaffen können. Wäger führt wohl grundlegend gegen das Zuordnungswahlrecht an, dass eine sofortige unternehmensfremde Mitverwendung nicht zum vollum fänglichen Vorsteuerabzug führen könne.596 Dagegen spricht aber, dass Art. 26 MwStSystRL zum einen tatbestandlich keine zeitliche Kompo nente enthält, ab wann eine unternehmensfremde Verwendung vorliegen darf. Zum anderen führte die Gegenauffassung dazu, dass Rechtsun sicherheiten entstünden, in welchen Fällen eine unternehmensfremde Verwendung „sofort bei Erwerb“ des Gegenstands besteht bzw. ab wann diese jedenfalls bei Erwerb (noch) nicht gegeben ist. Ferner wird als Gegenargument angeführt, dass sich der Vorsteuerabzug nach dem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen der be zogenen Leistung und den besteuerten Ausgangsumsätzen richte. Dieser Zusammenhang bestimme sich nach der beim Steuerpflichtigen beste henden Verwendungsabsicht.597 Indes stellt sich die Frage, wie die Ver wendungsabsicht des Steuerpflichtigen als innere Tatsache zu beweisen ist. Denn unter der Prämisse, dass sich das Vorsteuerabzugsrecht nach der Verwendungsabsicht bestimmt, wäre der Beweis der Verwendungsab sicht der Höhe nach für die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts ent scheidend. In diesem Fall hätten viele Steuerpflichtige zumindest im Erwerbszeitpunkt aus steuerlichen Gründen eine vollständige Verwen dungsabsicht. Diese Absicht dürfte in vielen Fällen nicht zu widerlegen sein. Dadurch würden ehrlichere bzw. kritischere Steuerpflichtige gegen über solchen, die pauschal vollständige Verwendungsabsicht vorgeben, benachteiligt. Daher ist ein Zuordnungswahlrecht jedenfalls in dem vom Unionsgesetzgeber durch Art. 26 I lit. a MwStSystRL geschaffenen Rah men richtig, da es im Rahmen dieses Modells auf keine exakte Bestim mung der Verwendungsabsicht der Höhe nach ankommt und dieses der Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen dient.598 Schließlich wird aufgeführt, dass die Vorschrift des Art. 168a MwSt SystRL zeige, dass der Unionsgesetzgeber die Rechtsprechung des EuGH missbillige.599 Dagegen spricht, dass der Richtliniengeber den Erlass einer Vorsteuerabzugseinschränkung für andere Gegenstände als Grundstücke 596 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 488. 597 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 488. 598 Eine Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Endverbrauchern ist demgegen über nicht immer erforderlich, siehe dazu die S. 22 ff. 599 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 492.
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gem. Art. 168a II MwStSystRL nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt hätte, wenn diesem die EuGH-Rechtsprechung missfiele.600 Zudem setzt Art. 168a I MwStSystRL die Zuordnung gerade voraus601 und verbietet sie nicht, da ein Vorsteuerabzug ansonsten bereits gem. Art. 168 MwStSystRL scheiterte und es keiner Anwendung des Art. 168a I MwStSystRL mehr bedürfte.602 Insgesamt wird aufgrund vorstehender Erwägungen in dieser Arbeit vertreten, dass der EuGH seine Rechtspre chung zum Zuordnungswahlrecht beibehalten sollte. e) Erkennbarkeit der Zuordnungsentscheidung und rechtzeitige Ausübung des Zuordnungswahlrechts Die Ausübung des Rechts setzt voraus, dass die subjektive Willensent scheidung nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht wird.603 Im ein fachsten Fall geschieht dies durch die Geltendmachung des Vorsteuerab zugs.604 Welche Ausübungsmöglichkeiten des Zuordnungswahlrechts neben dem Abzug der Vorsteuer noch bestehen, ist fraglich. Der EuGH hält die Frage, ob ein Steuerpflichtiger im Einzelfall einen Gegenstand für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat, für eine Tat frage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhalts, zu denen die Art des betreffenden Gegenstands und der zwischen dem Erwerb des Gegenstands und seiner Verwendung für die Zwecke der wirt schaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehö ren, zu beurteilen ist.605 D. h. unterschiedliche Indizien sind im Zweifel 600 Bei Grundstücken ist eine Vorsteuerabzugseinschränkung richtig, da eine Auftei lung aufgrund der Grundfläche im Gegensatz zu beweglichen Gegenständen, wie z. B. einem Kraftfahrzeug, unproblematisch möglich ist, vgl. Stadie in Rau/Dürr wächter, UStG, § 15 Anm. 1402 f. 601 Vgl. Reiß, UR 2020, 747 (757, 763), der in Art. 168a MwStSystRL die Bestätigung des „Zuordnungsrechts“ sieht, da nur ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen wurde, aber das Zuordnungswahlrecht völlig unberührt blieb. 602 Siehe S. 132 ff. 603 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 21; EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 21; Sölch/ Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 262; ders., MwStR 2018, 972 (973). 604 EuGH vom 26.09.1996 – C-230/94, Enkler = DStR 1996, 1686, Rn. 27. 605 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 2. Leitsatz, Rn. 21, 35; EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 29; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 58; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 38; Röhrbein, UVR 2018, 333 (336); Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKom mentar, Art. 168 Rn. 6.
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in eine Gesamtabwägung einzubeziehen, auf deren Grundlage zu ent scheiden ist, ob der Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet ist oder nicht.606 Nicht ausreichend für die Ausübung des Zuordnungswahlrechts ist nach dem Gerichtshof jedenfalls der Vorsteuerabzug für Reparaturkosten des betreffenden Gegenstands. Begründet wird dies damit, „dass die Steuer regelung für die Lieferung eines Investitionsguts von derjenigen für die steuerbaren Aufwendungen für seinen Gebrauch und seine Erhaltung zu trennen ist.“607 Das Urteil führt weiter aus, dass die Zuordnung des Ge genstands die Anwendung des Mehrwertsteuerrechts auf das Investi tionsgut selbst bestimme. Im Zweifel wird ein nationales Gericht, wenn das Vorliegen einer Zuord nungshandlung zwischen dem Steuerpflichtigen und der Steuerverwal tung streitig ist, an den EuGH vorlegen müssen. In der Regel wird ein Steuerpflichtiger die Zuordnung jedoch durch das Begehren des Vorsteu erabzugs äußerlich erkennbar zum Ausdruck bringen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Zuordnungsentscheidung608 ist festzu stellen, dass der Steuerpflichtige diese zu treffen hat, wenn er den Gegen stand erwirbt,609 da dem Steuersubjekt im Urteil Lennartz das Recht zum Vorsteuerabzug (= Zuordnungswahlrecht) im „Zeitpunkt des Erwerbs“ eingeräumt wird.610 Ein Abzugsrecht ohne zeitliche Begrenzung wider spreche dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Nach diesem Grundsatz könne die steuerliche Lage des Steuerpflichtigen aufgrund seiner Rechte und Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nicht unbegrenzt lange offenbleiben.611 Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo612 spielt für die Grundsätze des Zuord nungswahlrechts und für den Zeitpunkt seiner Ausübung keine Rolle:613 606 Vgl. Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 331. 607 EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 21, 33; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 301 m. w. N.; Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 332; a. A. damals noch FG München vom 01.08.1996 – 14 K 330/95 = UVP 1997, 214, unter 1. 608 Siehe dazu auch S. 119 ff. 609 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 319; Klenk, UR 1998, 129 (131). 610 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 35. 611 EuGH vom 12.07.2012 – C-284/11, EMS-Bulgaria Transport = DStRE 2013, 102, Rn. 48. 612 Siehe S. 101 ff. 613 Lohse, UR 2020, 333 (335); Kessens, MwStR 2019, 308 (311); siehe auch Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1003), der es für völlig offenhält, wie sich das Urteil auf
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Die schon Jahre zuvor als Steuerpflichtige registrierte polnische Gemein de Ryjewo verwendete das von ihr erbaute Kulturhaus in den ersten Jah ren zwar nur für Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 2 I MwStSystRL. Da die Gemeinde die Verwendung für eine mehr wertsteuerpflichtige Tätigkeit weder ausdrücklich bekundet noch ausge schlossen hat, schließt dies nach dem EuGH die Berichtigung des Vor steuerabzugs gem. Art. 184 ff. MwStSystRL nicht aus.614 Jedoch betrifft dieses Urteil eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die im Rah men ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im hoheitlichen Bereich kein Zuordnungswahlrecht hat.615 Folglich werden die Grundsätze des Zuord nungswahlrechts nicht von der Entscheidung berührt.616 3. Keine Einlagenentsteuerung durch das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo In der Literatur wird das Urteil Gmina Ryjewo – entgegen der hier vertre tenen Ansicht, dass die Entscheidung für die Grundsätze des Zuord nungswahlrechts keine Rolle spielt – zum Teil als Meilenstein in der Zuordnungsrechtsprechung gesehen.617 Vermutet wird, dass der Ge richtshof durch das Urteil eine Einlagenentsteuerung geschaffen haben die private Verwendung auswirkt und betont, dass hierin keine Entscheidung über eine Einlagenentsteuerung privater Verwendungen zu sehen sei. 614 EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 59; siehe S. 101 ff. 615 Lohse, UR 2020, 333 (335); Reiß, UR 2020, 747 (756 f.); a. A. Wiesch, Die umsatz steuerliche Behandlung der öffentlichen Hand, S. 149; Sterzinger, UR 2018, 377 (380); ein Zuordnungswahlrecht im hoheitlichen Bereich ist jedoch durch die VNLTO-Rechtsprechung ausgeschlossen, da mit diesem ein sofortiges Vorsteuer abzugsrecht einherginge, das im nichtwirtschaftlichen Bereich nicht besteht; fer ner ist dem Gedanken von Wiesch (S. 150) nicht zu folgen, wonach sich aus der Zuordnung allein kein Vorsteuerabzugsrecht ergebe, sondern zusätzlich Art. 168 MwStSystRL tatbestandlich vorliegen müsse; wäre dem so, könnte auch bei un ternehmensfremden Verwendungen nur ein anteiliger Vorsteuerabzug erfolgen. 616 Vgl. Kessens, MwStR 2019, 308 (311); Oelmaier, MwStR 2018, 972 (973); Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1002, 1005); diff. Sterzinger, UR 2018, 693 (694), der die Schlussfolgerung einer Abkehr von der bisherigen Zuordnungsrechtsprechung durch das Urteil für verfrüht hält; siehe auch Wäger, DB 2012, 1288 (1294), der eine Unternehmenszuordnung im ähnlichen Fall VNLTO schon im Jahre 2012 für überflüssig hielt. 617 Diese Formulierung wählt Widmann, UR 2018, 666, der die Entscheidung als Mei lenstein hinsichtlich der Zuordnungslehre des EuGH sieht; im Ergebnis ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 706, 1876; Weymüller/Looks UStG § 15 Rn. 66.5; Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168 Rn. 6; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 355; Wäger, in: Brandt, Steuerrecht im Wandel, S. 60, Küffner/Kirchinger, UR 2018, 692; Meurer, MwStR 2018, 859 (866); Bentz, NWB 2019, 3662 (3663); Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2018 Anm. 6, unter D.
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könnte. Nach Kessens ist unter der Einlagenentsteuerung im Wesentli chen Folgendes zu verstehen: „Erwirbt ein Nichtunternehmer oder ein Unternehmer für private oder nichtwirtschaftliche Zwecke einen Gegen stand ohne Abzugsberechtigung der Vorsteuern bei Erwerb des Gegen stands und verwendet er diesen Gegenstand in späteren Jahren für sein Unternehmen [= für besteuerte Umsätze], ist für den Zeitraum der späte ren unternehmerischen Verwendung der Vorsteuerabzug zugunsten des Unternehmers zu berichtigen.“618 Gegen die Annahme eines „Meilensteins“ spricht, dass der EuGH im Rahmen der Entscheidung Gmina Ryjewo den im Urteil Lennartz aufge stellten und danach in ständiger Rechtsprechung beibehaltenen Grund satz wiederholt,619 dass ein Vorsteuerabzug sowie eine Berichtigung nur möglich sind, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs als Steuerpflichtiger ge handelt wurde.620 Denn dieses Handeln impliziert die Verwendungsab sicht für eine wirtschaftliche Tätigkeit621 und führt dadurch zum Vor steuerabzugsrecht. Die von der Verwendungsabsicht ggf. abweichende tatsächliche Verwendung ist deshalb – unterstellt, ein Handeln als Steu erpflichtiger liegt vor – nur hinsichtlich des Umfangs des Vorsteuerab zugs relevant, nicht bzgl. seiner Entstehung.622 Eine Einlagenentsteuerung hätte demgegenüber den Sinn, den Vorsteuer abzug zuzulassen, obwohl im Zeitpunkt des Erwerbs nicht als Steuer pflichtiger, also nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit, gehandelt wurde. Nach dem EuGH gibt es keine nachträgliche Zuordnungsentscheidung hinsichtlich eines bereits erworbenen Gegenstands. Argument für eine derartige Auslegung ist zunächst, dass das Vorsteuerabzugsrecht entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, vgl. Art. 63, 167 MwStSystRL.623 Für eine Einlagenentsteuerung, die einen Steuererstat 618 Kessens, MwStR 2019, 308. 619 Kessens, MwStR 2019, 308 (309), der auf die Kontinuität der Rechtsprechung ver weist; a. A. Widmann, UR 2018, 666 (669) – obwohl ständige Rechtsprechung wie derholt wird. 620 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 8; EuGH vom 02.06.2005 – C-378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen = DStRE 2005, 902, Rn. 38; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 43 f.; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 34, 36; Röhrbein, UVR 2018, 333 (336); Sterzinger, UR 2018, 693; Kritik daran übt Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 483 ff. 621 Sterzinger, UR 2018, 693 (694). 622 EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 57; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 15; Huschens, EUUStB 2018, 68 (69); kritisch Wäger, DB 2012, 1288 (1292 f.). 623 Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1001).
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tungsanspruch gegen den Staat begründet, wäre neben den Art. 63, 167 MwStSystRL eine weitere Rechtsgrundlage erforderlich, die es im Mehr wertsteuerrecht nicht gibt.624 Weiter würde bei Bejahung einer Einlagenentsteuerung willkürlich zwi schen Investitionsausgaben vor und nach der Aufnahme der wirtschaft lichen Tätigkeit unterschieden.625 Ein Steuerpflichtiger könnte bei Auf nahme einer steuerpflichtigen Tätigkeit für alle Gegenstände, die irgendwie mit der Tätigkeit in Verbindung gebracht werden könnten, den Vorsteuerabzug im Wege der Berichtigung anteilig geltend machen, obwohl er diese in der Vergangenheit, z. B. für den privaten Bedarf, ange schafft hat. Diese Missbrauchsgefahr wird durch die Vorsteuerabzugsvo raussetzung des Handelns als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Gegenstands eingedämmt. Ferner geht der EuGH nicht auf die Wortlautänderung des Art. 187 II UAbs. 2 MwStSystRL im Vergleich zum früheren Art. 20 II der 6. MwStRL ein. Diese Änderung stellt das Hauptargument626 der Generalanwäl tin Kokott627 für eine Einlagenentsteuerung dar. Das Ignorieren dieses Aspekts und das Aufgreifen des Hilfsantrags lässt stattdessen vermuten, dass der EuGH eine Vorsteuerberichtigung nicht aufgrund einer mögli chen Einlagenentsteuerung, sondern nur unter engeren Voraussetzungen zulassen wollte.628 Denn der Hilfsantrag der Generalanwältin beginnt mit den Worten „[s]ollte der Gerichtshof meiner Auslegung der Art. 184 ff. (insbesondere Art. 187 II UAbs. 2) der Mehrwertsteuersystem richtlinie nicht folgen.“629 Art. 20 II 3 der 6. MwSt-RL lautete: „Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.“ 624 Kessens, MwStR 2019, 308 (309 f.). 625 EuGH vom 08.06.2000 – C-396/98, Schloßstraße = DStRE 2000, 877, Rn. 38 f.; EuGH vom 08.06.2000 – C-400/98, Breitsohl = DStRE 2000, 881, Rn. 37 f. 626 Röhrbein, UVR 2018, 333 (336); EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 19.04.2018 – C-140/17 = MwStR 2018, 557, Nr. 24. 627 EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 19.04.2018 – C-140/17 = MwStR 2018, 557, Nr. 27, 36. 628 Röhrbein, UVR 2018, 333 (336); nämlich im Falle einer anfänglichen nichtwirt schaftlichen Verwendung im engeren Sinne ohne ausdrückliche Zuordnungsent scheidung zu diesem Bereich. 629 EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 19.04.2018 – C-140/17 = MwStR 2018, 557, Nr. 43.
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Der heute gültige Tatbestand des Art. 187 II UAbs. 2 MwStSystRL lautet: „Die […] Berichtigung erfolgt entsprechend den Änderungen des Rechts auf Vorsteuerabzug, die in den folgenden Jahren gegenüber dem Recht für das Jahr eingetreten sind, in dem die Güter erworben, hergestellt oder gegebenenfalls erstmalig verwendet wurden.“ Der Wortlaut der heute gültigen Vorschrift stellt neben dem Erwerb und der Herstellung nun auch auf die „gegebenenfalls erstmalige Verwen dung“ der Güter ab. Diese Aktualisierung greift die Rechtsprechung Rompelman630 und Lennartz631 auf, nach der ein Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs als solcher handelt, selbst wenn er das Investiti onsgut nicht sofort für besteuerte Umsätze verwendet. Deswegen ist die Änderung der Terminologie der Berichtigungsvorschrift kein Hinweis auf eine nun mögliche Einlagenentsteuerung. Diese Annahme stützt sich auch auf den Grundsatz, dass die Mehrwertsteuersystemrichtlinie inhaltlich mit der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie übereinstimmt.632 Aus diesem Grund gab es für den EuGH keinen Anlass, seine Rechtspre chung zu ändern.633 Anwendungsfälle des Art. 187 II UAbs. 2 MwStSystRL sind stattdessen Konstellationen wie in der Entscheidung Gmina Ryjewo: Ein Steuer subjekt handelt im Zeitpunkt des Erwerbs eines Wirtschaftsguts als Steuerpflichtiger, verwendet das Wirtschaftsgut zunächst für nichtwirt schaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne und im Anschluss für eine wirtschaftliche Tätigkeit. Aufgrund dieser Änderung ist der Vorsteuerab zug nun zu berichtigen.634 Für eine Einlagenentsteuerung ließe sich zwar anführen, dass nur auf die Verwendung eines Gegenstands als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs abgestellt werden könnte. Diese Auslegung legt Art. 168 lit. a MwSt SystRL (in Verbindung mit Art. 2 I lit. a MwStSystRL) nahe. Danach ist das Handeln als Steuerpflichtiger nicht beim Erwerb, sondern bei der Verwendung des Gegenstands erforderlich. Auch könnte man anführen, dass Art. 167 MwStSystRL635 lediglich festlegt, ab wann der Vorsteuerab 630 EuGH vom 14.02.1985 – C-268/83, Rompelman = BeckRS 2004, 72789, Rn. 22. 631 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 14. 632 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; siehe auch den dritten Erwägungsgrund der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. 633 Eine Rechtsprechungsänderung kommt ohnehin nur äußerst selten vor, vgl. Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 492. 634 Vgl. Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1004). 635 Die Vorschrift lautet: „Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.
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zug geltend gemacht werden kann und es sich daher um eine rein zeitbe zogene Regelung und keine Vorsteuerabzugsvoraussetzung handelt.636 Gegen beide Aspekte spricht indes der Grundsatz des Sofortabzugs, wo nach der Abzug sofort geltend gemacht werden muss. Dieser zieht zum einen ein Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs nach sich. Zum anderen ist Art. 167 MwStSystRL in Anbetracht des Grund satzes als Vorsteuerabzugsvoraussetzung und nicht als Klarstellung, „ab wann“ der Vorsteuerabzug erfolgen kann, auszulegen. Weiteres Argument für eine Einlagenentsteuerung könnte der Neutrali tätsgrundsatz sein, nach dem ein Steuerpflichtiger bei einer tatsächli chen Verwendung für besteuerte Umsätze von der Steuer auf die Ein gangsumsätze entlastet werden muss. Mangels Rechtsgrundlage für eine Einlagenentsteuerung kann das Neutralitätsprinzip für sich allein be trachtet indessen nicht zu einem subjektiven Recht in Form eines Steu ererstattungsanspruchs führen.637 Überdies könnte ohne die Einlagenentsteuerung eine im Hinblick auf Art. 20 GRCh gebotene Entlastung eines Steuerpflichtigen von der Mehr wertsteuer nicht möglich sein.638 Folge einer Einlagenentsteuerung wäre aber, dass die Zuordnungsrechtsprechung des EuGH keine Basis mehr hätte.639 Denn der Vorsteuerabzug durch Zuordnung ist zu gewähren, um den Steuerpflichtigen vollständig von der Mehrwertsteuer zu entlasten, da eine nachträgliche Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei einer unter nehmensfremden Verwendung ausgeschlossen ist.640 Diese Zuordnungs rechtsprechung ist von den Art. 26 I lit. a und 168a I MwStSystRL641 in Bezug auf teilunternehmerische Verwendungen vorgegeben. Ferner spricht Art. 168 lit. a MwStSystRL, der einen Vorsteuerabzug für eine Leistung nur zulässt, wenn diese von einem anderen Steuerpflichti gen herrührt, gegen die Einlagenentsteuerung. Bejahte man eine Einlagen entsteuerung, müsste man den Vorsteuerabzug konsequenterweise auch gewähren, wenn ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand von einem Nichtsteuerpflichtigen erwirbt und für besteuerte Umsätze verwendet. Dies wäre contra legem und entspräche nicht dem Willen des Unionsge setzgebers.
636 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 484. 637 Kessens, MwStR 2019, 308 (310). 638 Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1001). 639 Vgl. Widmann, UR 2018, 666 (669); Küffner/Kirchinger, UR 2018, 692 (693). 640 EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 33. 641 Siehe zur Zuordnung im Rahmen des Art. 168a I MwStSystRL S. 132 ff.
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Wenn der unionale Gesetzgeber eine Einlagenentsteuerung tatsächlich gewollt hätte, wäre ihm eine ausdrückliche Regelung bei Einführung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie möglich gewesen. Diese ist unterblie ben.642 Auch der EuGH hat durch sein Urteil Gmina Ryjewo keine Einla genentsteuerung ermöglicht.643 Aufgrund dessen, dass eine Einlagenentsteuerung zur Einhaltung des Neutralitätsgrundsatzes644 respektive aus Vereinfachungsgründen645 für Teile der Literatur unumgänglich ist, bleibt abzuwarten, ob der Gerichts hof eine Einlagenentsteuerung für Gegenstände, die für unternehmens fremde Zwecke erworben wurden, bei zukünftigen Vorabentscheidungs verfahren nicht irgendwann doch bejaht.646 Aktuell ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug das Handeln als Steuerpflichtiger im Erwerbszeit punkt eines Gegenstands. Deswegen gibt es keine Einlagenentsteuerung. 4. Stellungnahme zum unterschiedlichen Ausübungszeitpunkt des jeweiligen Vorsteuerabzugsrechts Es gibt in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine ausdrückliche Re gelung, bis wann der Vorsteuerabzug geltend zu machen ist.647 Der Richt liniengeber ging von einer zeitnahen Ausübung aus, da nur dies dem Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer entspricht.648 Mithin ist der Aus übungszeitpunkt des Vorsteuerabzugs immer im Lichte dieses Prinzips zu bestimmen. Bei einer teilunternehmerischen Verwendung für besteuerte Umsätze und private Zwecke kann der Vorsteuerabzug sofort und vollständig vor genommen werden (erster Fall). Die sofortige vollständige Abziehbarkeit der Vorsteuer mit anschließender Besteuerung folgt aus Art. 26 I lit. a
642 EuGH Schlussanträge GAin Kokott vom 19.04.2018 – C-140/17 = MwStR 2018, 557, Nr. 32; Widmann, UR 2018, 666 (667). 643 Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1003); Röhrbein, UVR 2018, 333 (339). 644 Vgl. Englisch in Tipke/Lang²³, Steuerrecht, § 17 Rz. 331; Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 15 Anm. 1861 ff.; Wiesch, Die umsatzsteuerliche Behandlung der öf fentlichen Hand, S. 145; Tumpel, in: FS Ruppe, S. 667; Reiß, UR 2010, 797 (813); Küffner/Kirchinger, UR 2018, 692 (693); Sterzinger, UR 2018, 377; ders., UStB 2018, 295 (303). 645 Wäger, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 493. 646 Auch Meurer, MwStR 2018, 859 (866) ist der Auffassung, dass ein nationales Ge richt dem EuGH im Zweifel einen derartigen Fall wieder vorlegen müsste. 647 Lohse, UR 2020, 333 (336). 648 Vgl. Widmann, UR 2018, 666 (667); Sterzinger, UR 2018, 377 (382).
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und 168a I MwStSystRL.649 Hinsichtlich einer nichtwirtschaftlichen Tä tigkeit im engeren Sinne ist diese Möglichkeit in der Mehrwertsteuersys temrichtlinie nicht vorgesehen. Dies hat die nachteilige Konsequenz, dass nur ein partieller Vorsteuerabzug in Höhe der tatsächlichen wirt schaftlichen Verwendung geltend gemacht werden kann (zweiter Fall). Wenn ein Gegenstand in den ersten vier Jahren nach der Herstellung nicht für besteuerte Umsätze verwendet wird, kann im zweiten Fall in diesem Zeitraum kein Vorsteuerabzug erfolgen. Aufgrund der sofortigen und vollständigen Abzugsmöglichkeit im Falle einer teilunternehmerischen Verwendung (erster Fall) erscheint es vorbe haltlich der Art. 167, 179 I MwStSystRL650 angemessen,651 dass der Steu erpflichtige das ihm gebührende Zuordnungswahlrecht nur befristet aus üben kann.652 Wird der Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht, obwohl er sofort und vollständig erlangt werden könnte, ist das ein hinreichender Grund zur Annahme, dass der Gegenstand nicht für besteuerte Umsätze erworben wird und somit kein Handeln als Steuerpflichtiger im Zeit punkt des Erwerbs vorliegt.653 Welcher Steuerpflichtige erwirbt einen Ge genstand für seine besteuerten Umsätze, um den jederzeit möglichen Vorsteuerabzug nicht geltend zu machen? Dieser Fall ist lebensfern, des wegen spricht dieses gewichtige Indiz gegen einen Erwerb für die wirt 649 Auch wenn Art. 168a I MwStSystRL dies in Bezug auf Grundstücke gerade verhin dert, siehe S. 129 ff. 650 Die Vorschrift lautet: „Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird“. 651 EuGH vom 12.07.2012 – C-284/11, EMS-Bulgaria Transport = DStRE 2013, 102, Rn. 53. 652 Vgl. Treiber, DStR 2020, 225 (226); Kessens, EFG 2019, 1862 (1863); Sterzinger, UStB 2018, 295 (296); a. A. Lohse, UR 2020, 333 (335), der vertritt, dass dem Steu erpflichtigen bei unterbliebener Zuordnung ein Vorsteuerabzug in Höhe der tat sächlichen Verwendung einzuräumen sei, da ansonsten ein Verstoß gegen die Rechtsformneutralität vorliege; dies erscheint unzutreffend, da auch bei Vereini gungen kein Vorsteuerabzug infrage kommt, wenn feststeht, dass kein Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs vorliegt, wie z. B. aus der Entschei dung des EuGH vom 02.06.2005 – C-378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen = DStRE 2005, 902 hervorgeht. 653 Letztere Wertung geht aus dem EuGH-Urteil Armbrecht hervor, wonach der Steu erpflichtige bei einem Ausgangsumsatz insoweit nicht als solcher handelt, als er den Gegenstand nicht den besteuerten Umsätzen zugeordnet hat, vgl. EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 24. Daraus folgt, dass ein Handeln als Steuerpflichtiger konsequenterweise auch bei Tätigung des Eingangs umsatzes insoweit nicht vorlag.
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schaftliche Tätigkeit, mithin gegen ein Handeln des Steuerpflichtigen als solcher.654 Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit dem Grund satz des Sofortabzugs der Vorsteuer, da der Vorsteuerabzug für ein Wirt schaftsgut in diesen Fällen sofort mit dessen Erwerb entsteht. Wenn dem Steuerpflichtigen dagegen bei einer nichtwirtschaftlichen Verwendung im engeren Sinne jeglicher Vorsteuerabzug versagt ist (zwei ter Fall), muss das Handeln als Steuerpflichtiger, wie im Urteil Gmina Ryjewo geschehen, großzügig ausgelegt werden. Dies stellt einen gewis sen Nachteilsausgleich dar, der wegen des dort fehlenden Zuordnungs wahlrechts besteht.655 Der Steuerpflichtige hat mangels Abzugsmöglich keit überhaupt keinen Grund, einen Vorsteuerabzug geltend zu machen, der ihm nicht gewährt wird. In diesem Fall stellt die Geltendmachung bzw. Nichtgeltendmachung des Vorsteuerabzugs kein gewichtiges Indiz für oder gegen ein Handeln als Steuerpflichtiger im Erwerbszeitpunkt dar. Die Äußerung gegenüber dem Finanzamt, dass der Gegenstand ir gendwann in der Zukunft für besteuerte Umsätze verwendet wird, ist als bloßer Formalismus entbehrlich, wenn gegenwärtig noch kein Vorsteu erabzug erfolgen kann. Folglich muss dem Steuerpflichtigen die Ausübung des Vorsteuerabzugs auch noch nach mehreren Jahren möglich sein, wenn alle Gegebenheiten des Sachverhalts zum Ergebnis führen, dass der Steuerpflichtige im Zeit punkt des Erwerbs als solcher gehandelt hat. Diese Auslegung wird durch Art. 187 I MwStSystRL untermauert, der die Berichtigung des Vorsteuer abzugs bei beweglichen Sachen innerhalb von fünf, bei Grundstücken sogar bis zu zwanzig Jahre zulässt. Auch entspricht sie dem Grundsatz des Sofortabzugs, nach dem der Vorsteuerabzug entsteht, wenn der An spruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Im Fall Gmina Ryjewo ent stand das Abzugsrecht erst vier Jahre nach der Herstellung des Gebäudes. Mithin kann das Recht auf Vorsteuerabzug bei einer anfänglichen Ver wendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne noch nach mehreren Jahren entstehen, wenn es innerhalb des Berichtigungs zeitraums zu einer tatsächlichen Verwendung für besteuerte Umsätze kommt. Daher ist es unzutreffend, dass keine Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmern und der öffentlichen Hand vorlie gen. Es kommt beim Ausübungszeitpunkt des Abzugsrechts nicht darauf an, um welches Rechtssubjekt es sich bei dem Steuerpflichtigen handelt, 654 Vgl. Lange, UR 2008, 23 (25); Sterzinger, UR 2012, 213 (219). 655 Heuermann, MwStR 2018, 1000 (1005); Kessens, MwStR 2019, 308 (309, 311).
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sondern welche Verwendung dieser tätigt.656 Das vom Richtliniengeber geschaffene und vom EuGH angewandte Zuordnungswahlrecht stellt den Differenzierungsgrund hinsichtlich des Ausübungszeitpunkts des Vor steuerabzugs dar. Deshalb kann eine positive Zuordnungsentscheidung mit der Konsequenz des Vorsteuerabzugs bei unternehmensfremden Ver wendungen nur befristet ausgeübt werden, während bei nichtwirtschaft lichen Tätigkeiten im engeren Sinne nur eine negative Zuordnungsent scheidung vorsteuerschädlich ist, da jedenfalls in diesem Fall auch bei großzügiger Auslegung kein Handeln als Steuerpflichtiger im Erwerbs zeitpunkt angenommen werden kann.657 5. Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs Zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehreren besteuerten Ausgangsumsätzen muss ein direkter und unmittelbarer Zusammen hang gegeben sein, damit der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug gel tend machen kann658 und der Umfang des Rechts hinreichend bestimm bar ist. Ein derartiger Zusammenhang liegt vor, wenn die Aufwendungen für die getätigten Eingangsumsätze zu den Kostenelementen der versteu erten Ausgangsumsätze gehören.659 Es ist bereits ausreichend, dass durch die getätigten Eingangsumsätze besteuerte Ausgangsumsätze erstrebt werden.660 Selbst wenn der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der oder den Ausgangsleistungen fehlt, kann ein Recht auf Vorsteuerabzug in Betracht kommen, falls es sich bei den Ein gangsumsätzen um sog. Gemeinkosten handelt. Diese müssen im Preis der gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen des Steu erpflichtigen einberechnet sein und im direkten und unmittelbaren Zu sammenhang mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit stehen.661 Sie dürfen also weder einem konkreten besteuerten Ausgangsumsatz noch einem steuerfreien Ausgangsumsatz oder einer unentgeltlichen 656 Somit kommt durch die Differenzierung auch kein Verstoß gegen die Rechtsform neutralität in Betracht, a. A. Lohse, UR 2020, 333 (335). 657 A. A. Küffner/Kirchinger, UR 2018, 692 (693); Sterzinger, UStB 2018, 295 (304); unsicher diesbezüglich ist der BFH vom 18.09.2019 – XI R 7/19 = DStR 2020, 220, Rn. 48. 658 Vgl. Berger/Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 401. 659 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 57; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 27. 660 EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 33 ff.; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 533. 661 EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 28.
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
Wertabgabe bzw. einer Tätigkeit außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts zuzurechnen sein. Sinn und Zweck des Vorsteuer abzugs von Gemeinkosten ist, Fälle zu erfassen, bei denen der Zusam menhang mit besteuerten Ausgangsumsätzen zwar offenkundig ist, eine Zuordnung zu einem einzelnen besteuerten Ausgangsumsatz aber ent weder nicht möglich ist oder aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands nicht zweckmäßig erscheint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängende Umsätze unter die Gemeinkosten fallen, wie z. B. Betriebsausflüge mit den Angestell ten. Dies würde zu weit gehen und nicht der Dogmatik des Mehrwert steuerrechts entsprechen. Zu beachten ist außerdem, dass ein Vorsteuer abzug von Gemeinkosten hinter dem Vorsteuerabzug aufgrund eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs von Eingangs- und besteu erten Ausgangsumsätzen zurücktritt.662 Bei der Klärung der Frage, ob ein Umsatz im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem besteuerten Ausgangsumsatz steht, hat ein Gericht eines Mitgliedstaats alle Umstände des Sachverhalts zu wür digen.663 Im Zweifelsfall müsste das Gericht dem EuGH den entspre chenden Fall im Wege der Vorabentscheidung vorlegen, damit dieser ent scheiden kann, ob ein entsprechender Zusammenhang vorliegt und ein Vorsteuerabzug möglich ist. Im Folgenden werden die Kriterien für das Bestehen oder Nichtbestehen eines direkten und unmittelbaren Zusam menhangs anhand einiger EuGH-Urteile näher untersucht. a) Das EuGH-Urteil INZO664 Aufgrund der negativ ausgefallenen Rentabilitätsstudie kam es im Fall INZO niemals zu besteuerten Ausgangsumsätzen.665 Die fehlende Renta bilität hatte der Steuerpflichtige nicht zu vertreten. Da eine wirtschaftli che Tätigkeit aus Neutralitätsgesichtspunkten gleichwohl anzunehmen war, konnte es ausnahmsweise nicht auf die Voraussetzung eines tat sächlichen unmittelbaren Zusammenhangs, der in diesem Fall mangels Ausgangsumsätzen nicht bestehen konnte, ankommen.666 662 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 245 f.; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 539. 663 EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 31; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 29; EuGH vom 21.02.2013 – C-104/12, Becker = DStR 2013, 411, Rn. 22. 664 Siehe zum Sachverhalt S. 68 f. 665 EuGH vom 29.02.1996 – C-110/94, INZO = DStR 1996, 419, Rn. 18 ff. 666 Vgl. Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168 Rn. 11, 13.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
Ist das Recht auf Vorsteuerabzug gem. Art. 167 MwStSystRL einmal ent standen, erlischt es nicht dadurch wieder, dass es nicht zu besteuerten Ausgangsumsätzen kommt oder der Steuerpflichtige Gegenstände und Dienstleistungen, für die er den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, im Nachhinein willensunabhängig nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwenden kann, weil es nicht zur Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit kommt.667 Ein Vorsteuerabzug ist nur rückgängig zu machen, wenn das Gesetz dies vorsieht, z. B. nach den Art. 16, 26 oder 184 ff. MwStSystRL. Eine Eingangsleistung ist mithin abziehbar, wenn ein Ausgangsumsatz ernsthaft angestrebt wird. b) Das EuGH-Urteil Investrand668 Da der reine Verkauf von Gesellschaftsanteilen keine wirtschaftliche Tä tigkeit darstellt und nicht steuerbar ist, konnten die Beratungskosten nicht direkt und unmittelbar in Zusammenhang mit den nach Art. 2 I MwStSystRL steuerpflichtigen Umsätzen stehen, die gem. Art. 168 MwSt SystRL zum Vorsteuerabzug berechtigen.669 c) Das EuGH-Urteil Becker Wolfram Becker war einer von drei Geschäftsführern einer GmbH, die mehrwertsteuerpflichtige Bauleistungen erbrachte. Nach der Ausführung eines Bauauftrags eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft ein Ermitt lungsverfahren gegen Herrn Becker und einen weiteren Geschäftsführer wegen Bestechung, durch die die Gesellschaft möglicherweise den Bau auftrag erhalten hatte. Beide Geschäftsführer wurden von Strafverteidi gern vertreten, die von der GmbH mandatiert wurden. Strittig war, ob die Gesellschaft für die Anwaltskosten den Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Dafür ist ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwi schen den Verteidigerhonoraren und den besteuerten Ausgangsumsätzen erforderlich. Für ein Vorsteuerabzugsrecht könnte man zwar anführen, dass die Ver teidigerkosten ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in den be steuerten Tätigkeiten der steuerpflichtigen Gesellschaft haben. Ohne die 667 EuGH vom 29.02.1996 – C-110/94, INZO = DStR 1996, 419, Rn. 20 ff.; EuGH vom 08.06.2000 – C-98/98, Midland Bank = IStR 2000, 591, Rn. 22 m. w. N.; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 535; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 210. 668 Siehe zum Sachverhalt S. 74. 669 EuGH vom 08.02.2007 – C-435/05, Investrand = BeckRS 2007, 70100, Rn. 28; Sterzinger, Umsatzsteuerliche Beurteilung, S. 151.
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
Erbringung der mehrwertsteuerpflichtigen Bauleistungen wäre es zu kei nem Ermittlungsverfahren wegen Bestechung gekommen.670 Die Strafverfahren waren indes nur gegen die Geschäftsführer gerichtet, nicht gegen die GmbH, obwohl nach deutschem Recht gem. § 30 oder § 130671 OWiG auch Sanktionsmaßnahmen gegen die GmbH möglich ge wesen wären. Deshalb war der EuGH der Ansicht, dass die Strafverteidi gung nur den privaten Interessen der Geschäftsführer diente. Die An waltskosten können nach ihrem objektiven Inhalt nicht für die Zwecke der besteuerten Umsätze respektive der wirtschaftlichen Tätigkeit der GmbH aufgewendet worden sein. Mangels direkten und unmittelbaren Zusammenhangs der Verteidigerhonorare mit der wirtschaftlichen Tä tigkeit der Gesellschaft scheide ein Vorsteuerabzug aus.672 Es kann also selbst dann nicht zu einem Vorsteuerabzug kommen, wenn die Straftat einen betrieblichen Bezug hat.673 Begründen kann man dieses Ergebnis damit, dass es Aufgabe der Verteidiger ist, einen möglichst günstigen Ausgang der Strafverfahren gegen die Geschäftsführer herbei zuführen. Dieses private Interesse der Beschuldigten, einer Bestrafung zu entgehen, steht nicht unmittelbar mit dem Erzielen von Ausgangsum sätzen der Baufirma in Zusammenhang. Vielmehr besteht das Interesse unabhängig von den Ausgangsumsätzen der Baufirma. d) Das EuGH-Urteil Iberdrola Die Gesellschaft Iberdrola ließ eine Abwasserpumpstation auf eigene Kosten unentgeltlich für eine Kommune sanieren, obwohl die öffentliche Einrichtung im Eigentum der Gemeinde stand. Die Sanierung der Pump station war zwingend erforderlich, damit die Gesellschaft Immobilien für ihre Vermietungstätigkeit errichten konnte. Strittige Vorlagefrage war, ob Iberdrola für die Sanierungskosten, trotz der unentgeltlichen Dienstleistung an die Kommune, die entrichtete Vorsteuer zum Abzug bringen konnte.674 Der Gerichtshof entschied, dass die Gesellschaft zum Abzug der Vorsteu er berechtigt war, auch wenn die Sanierung der Abwasserpumpstation für die Gemeinde unentgeltlich erfolgte. Andernfalls hätte sie ihre wirt schaftliche Tätigkeit nicht betreiben können. Deshalb stehen die Auf 670 EuGH vom 21.02.2013 – C-104/12, Becker = DStR 2013, 411, Rn. 16 f. 671 Vgl. Graf, in: BeckOK OWiG § 130 Rn. 35. 672 EuGH vom 21.02.2013 – C-104/12, Becker = DStR 2013, 411, Rn. 30 f. 673 Zugmaier, DStR 2013, 414. 674 EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 24.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
wendungen für die Sanierung in direktem und unmittelbarem Zusam menhang mit den besteuerten Vermietungsumsätzen der Gesellschaft.675 e) Das EuGH-Urteil Sveda Bei Sveda handelt es sich um eine juristische Person aus Litauen, die verschiedene wirtschaftliche Tätigkeiten erbrachte. Sveda baute einen Freizeit- und Entdeckungsweg zur baltischen Mythologie, den sie der Öf fentlichkeit kostenlos zugänglich machte. Der Weg diente dazu, Wande rer anzulocken und zur Tätigung entgeltlicher Umsätze zu bewegen, die die Steuerpflichtige in bestimmten Abständen am Wegesrand anbot, wie z. B. Restaurantdienstleistungen. Zwischen der Finanzverwaltung und der Steuerpflichtigen war strittig, ob diese entgeltlichen Gegenstände oder Dienstleistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den Herstellungskosten des Wegs standen.676 Nach dem EuGH erfolgte die Herstellung des Wegs für die wirtschaftli che Tätigkeit von Sveda.677 Weiter seien die Herstellungskosten für den Weg zumindest teilweise über die angebotenen Gegenstände und Dienst leistungen gedeckt.678 Die kostenlose Bereitstellung des Wegs stelle ei nen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Steuerpflichtigen und den Baukosten des Wegs nicht infrage, soweit die Herstellung des Wegs trotzdem der wirtschaftlichen Tätigkeit der Steu erpflichtigen diene.679 Obwohl die Herstellungskosten des Wegs aufgrund der anschließenden kostenlosen Benutzungsmöglichkeit nicht in direktem und unmittel barem Zusammenhang mit den besteuerten Umsätzen der Steuerpflich tigen standen, bestand ein Vorsteuerabzugsrecht, weil es sich bei den Kosten um sog. Gemeinkosten handelte, die durch die wirtschaftliche Gesamttätigkeit der Steuerpflichtigen bedingt waren. f) Stellungnahme Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Ein gangsleistung und einem Ausgangsumsatz liegt vor, wenn eine vom Steu 675 EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 33 ff.; Kokott, Steuerrecht der EU § 8 Rn. 533. 676 EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 8 ff. 677 EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 23. 678 EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 25, 30. 679 EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 34 f.; Slapio, MwStR 2016, 70.
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
erpflichtigen getätigte Aufwendung nach ihrem objektiven Inhalt auf grund seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt. Bereits die Absicht des Steuerpflichtigen, eine Aufwendung für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, ist für eine „Verwendung“ im Sinne von Art. 168 MwStSystRL ausreichend.680 Kommt es willensunab hängig nicht zu besteuerten Ausgangsumsätzen, besteht ein Vorsteuer abzug aus Neutralitätsgesichtspunkten trotz des fehlenden direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zu den angestrebten Ausgangsumsät zen. Wird die Tätigkeit nach der Feststellung der Unrentabilität jedoch nicht unverzüglich beendet, liegt ab diesem Zeitpunkt keine wirtschaft liche Tätigkeit und somit mangels Verwendung für besteuerte Umsätze keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug mehr vor.681 Demgegenüber kann im Urteil Investrand kein Vorsteuerabzugsrecht be stehen, weil der reine Verkauf von Gesellschaftsanteilen mangels Nut zung für eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht gem. Art. 2 I MwStSystRL steuerbar ist. Eine nichtsteuerbare/nichtwirtschaftliche Tätigkeit kann nicht direkt und unmittelbar im Zusammenhang mit einer wirtschaftli chen Tätigkeit stehen.682 Nach dem Urteil Becker kommt ein Vorsteuerabzugsrecht ebenfalls nicht in Betracht, weil die getätigten Umsätze lediglich den nichtsteuer baren privaten Interessen der Geschäftsführer und nicht der wirtschaftli chen Tätigkeit der Gesellschaft dienen, selbst wenn es ohne die Baufirma niemals zu den Verteidigerkosten gekommen wäre. Deshalb können die Verteidigerhonorare nicht in direktem und unmittelbarem Zusammen hang mit den besteuerten Ausgangsumsätzen der GmbH stehen. Die getätigte Sanierung der Pumpstation gehörte zu den Kostenelemen ten der wirtschaftlichen Tätigkeit (Bau der Immobilien mit anschlie ßender Vermietung) der Gesellschaft Iberdrola, da sie die Tätigkeit an sonsten nicht hätte ausführen können. Aufgrund dessen stand die unentgeltliche Sanierung in direktem und unmittelbarem Zusammen hang mit den besteuerten Umsätzen der Gesellschaft. Demgegenüber hingen die Einnahmen in der Entscheidung Sveda, z. B. durch die Restau rantdienstleistungen, zwar nicht direkt vom Bau des Wegs ab, allerdings 680 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 508. 681 Vgl. Rüth, Die Umsetzung der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, S. 179 f. 682 Vgl. z. B. EuGH vom 30.03.2006 – C-184/04, Uudenkaupungin kaupunki = DStRE 2006, 619, Rn. 24; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 28; EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 59; EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 30.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
kämen ohne den Weg wohl keine Restaurantgäste. Deshalb bestand ein Zusammenhang dieser sog. Gemeinkosten mit der wirtschaftlichen Ge samttätigkeit der Steuerpflichtigen.683 Die beiden Entscheidungen Iberdrola und Sveda zeigen zum einen die Unterschiede zwischen den Kostenelementen der wirtschaftlichen Tä tigkeit und den Gemeinkosten der Gesamttätigkeit, denn im ersten Fall ist es ohne die Sanierung der Abwasserpumpstation rechtlich und tat sächlich unmöglich, die wirtschaftliche Tätigkeit auszuführen. Daher gehört die Sanierung zu den Kostenelementen der wirtschaftlichen Tä tigkeit. Der Betrieb eines Restaurants ist dagegen rechtlich und tatsäch lich möglich, wenn man keinen kostenlosen Wanderweg baut. Jedoch erschiene dies aufgrund der dann fehlenden Kunden aus betriebswirt schaftlicher Sicht sinnlos. Deshalb stehen die Aufwendungen bei Sveda im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit. Für Letz teres spricht auch, dass die Kosten für den Weg zumindest teilweise in die mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeit von Sveda einberechnet waren. Zum anderen zeigen beide Entscheidungen, dass die Abgrenzung zwi schen Kostenelementen und Gemeinkosten im Einzelfall schwierig ist, weil die Grenzen fließend sind. Ab wann ist der Betrieb eines Restau rants ohne den Bau des Wanderwegs rechtlich und tatsächlich unmög lich? Sobald diese Unmöglichkeit bejaht werden kann, wären auch die Aufwendungen für den Wanderweg im Fall Sveda Kostenelemente der wirtschaftlichen Tätigkeit. Letztlich kann die Entscheidung, ob es sich bei Aufwendungen um Kostenelemente der wirtschaftlichen Tätigkeit oder um Gemeinkosten der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit handelt, im Zweifelsfall dahinstehen, da beide Ergebnisse ein Vorsteuerabzugs recht nach sich ziehen. Dies führt zu der Frage, ob die Abgrenzung wirk lich notwendig ist. Vereinfacht könnte man darauf abstellen, ob eine (beabsichtigte) Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuer pflichtigen vorliegt und käme in allen Fällen zu dem gleichen Endergeb nis bzgl. eines Vorsteuerabzugsrechts.684 Im Hinblick auf die Frage, wann eine unentgeltliche Tätigkeit, wie im Fall Iberdrola oder Sveda, im Allgemeinen zum Vorsteuerabzug berech tigt, stellen Pull/Streit sehr überzeugend formelhaft darauf ab, dass dog matisch der Tätigkeitsbereich der jeweiligen Einzeltätigkeit maßgeblich sei.685 Wenn ein einzelner Vorgang dem wirtschaftlichen Tätigkeitsbe 683 Vgl. Pull/Streit, MwStR 2018, 108 (111). 684 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 515. 685 Pull/Streit, MwStR 2018, 108 (110 f.).
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
reich zuzuordnen sei, liege ein direkter und unmittelbarer Zusammen hang zu besteuerten Ausgangsumsätzen und somit ein Vorsteuerabzugs recht vor. Dementsprechend scheide ein Vorsteuerabzugsrecht aufgrund des Zusammenhangs mit dem nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich im Fall Investrand aus.686 Mithin ist der Tätigkeitsbereich – nicht die Einzeltätigkeit – entschei dend für das Vorsteuerabzugsrecht. Ob eine unentgeltliche Tätigkeit dem wirtschaftlichen respektive nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbe reich zuzuordnen sei, bestimme sich durch den Neutralitätsgrundsatz.687 Dieser verlangt die vollständige Entlastung des Steuerpflichtigen von der von ihm gezahlten Mehrwertsteuer im Bereich seiner besteuerten Um sätze.688
B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung (Art. 168a I MwStSystRL) I. Anwendungsbereich und Zweck der Vorschrift Art. 168a MwStSystRL wurde am 15. Januar 2010 durch eine Änderungs richtlinie689 in die Mehrwertsteuersystemrichtlinie eingefügt. Die Vor schrift lautet auszugsweise: „Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Steuerpflichtigen sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück höchstens der Teil der Mehrwertsteuer nach den Grundsätzen der Artikel 167, 168, 169 und 173 abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt.“ Art. 168a I MwStSystRL erlaubt den Vorsteuerabzug abweichend von Art. 168 lit. a MwStSystRL nur insoweit, als das Grundstück unterneh merisch genutzt wird. Im Rahmen von Art. 168 MwStSystRL ist der Vor steuerabzug möglich, „soweit der Gegenstand oder die Dienstleistung 686 Vgl. Pull/Streit, MwStR 2018, 108 (112). 687 Pull/Streit, MwStR 2018, 108 (112). 688 Ständige EuGH-Rechtsprechung, vgl. z. B. EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 35. 689 Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22.12.2009 zur Änderung verschiedener Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteu ersystem, ABl. L 10 vom 15.01.2010, S. 14–18.
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
für die besteuerten Umsätze verwendet werden.“ Diese Formulierung des Art. 168 MwStSystRL ist indes lediglich konditional,690 weil außer halb des Anwendungsbereichs von Art. 168a I MwStSystRL ein Vorsteu erabzug gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL auch durch Ausübung des Zu ordnungswahlrechts erreicht werden kann, der in der Regel über den Anteil der tatsächlichen Verwendung für besteuerte Umsätze hinaus geht. Das Tatbestandsmerkmal „unternehmerisch“ wird als Vorsteuerabzugs voraussetzung in Art. 168 MwStSystRL nicht verwendet. Vielmehr sind die „unternehmerischen Zwecke“ der Mehrwertsteuersystemrichtlinie terminologisch fremd. Demgegenüber wird die wirtschaftliche Tätigkeit in Art. 9 I UAbs. 2 MwStSystRL definiert. Daher sollte Art. 168a I MwSt SystRL nach einer Literaturansicht tatbestandlich nicht auf „unter nehmerische Zwecke“, sondern besser auf das Vorliegen einer „wirt schaftlichen Tätigkeit“ abstellen.691 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da das Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen von Art. 168a I MwStSystRL inhaltlich klarer und damit vorzugswürdig wäre. Vor dem Inkrafttreten des Art. 168a I MwStSystRL konnte ein Steuer pflichtiger mit nur geringer wirtschaftlicher Betätigung ein Grundstück durch die EuGH-Entscheidung Seeling692 ganz seinem Unternehmen zu ordnen und dadurch die Vorsteuer vollständig abziehen. Der daraus ent stehende Vorteil des Steuerpflichtigen soll anhand eines Beispiels näher erläutert werden: Ein Endverbraucher lässt auf seinem Grundstück eine Immobilie von ei ner Baufirma erbauen. Die Kosten für das Mauerwerk belaufen sich auf 100.000 Euro zzgl. 19.000 Euro Mehrwertsteuer,693 da der Endverbraucher keinen Vorsteuerabzug erlangen kann. Dagegen konnte ein Steuerpflich tiger das Haus vollständig seinem Unternehmen zuordnen und bezogen auf den Beispielsfall einen Vorsteuerabzug in Höhe von 19.000 Euro geltend machen, selbst wenn er dieses überwiegend wie ein Endver braucher, d. h. für private Zwecke verwendete. Zwar musste der Steuer pflichtige die private Verwendung (in der Regel zu Wohnzwecken) gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL in der Folgezeit nachversteuern, dennoch er 690 Heuermann, MwStR 2017, 729 (731); Berger/Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 398. 691 Lohse, IStR 2009, 486 (489); ders., in: Wagnerová/Sander, Die Rechtsprache in der internationalen Diskussion, S. 99. 692 EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, siehe S. 22. 693 Hier wird die Existenz eines Steuersatzes in Höhe von 19 % unterstellt.
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gab sich hieraus aufgrund des unentgeltlichen Kredits ein Steuervorteil gegenüber dem Nichtsteuerpflichtigen,694 d. h. einem Endverbraucher. Um diesen unliebsamen Steuervorteil gegenüber einem Nichtunterneh mer zu beseitigen, hat der Unionsgesetzgeber Art. 168a MwStSystRL geschaffen.695 Mithin hat die Vorschrift den Sinn und Zweck, das Vor steuerabzugsrecht einzuschränken, um den Steuervorteil, der mit der Seeling-Rechtsprechung einherging, zu beseitigen.696 Diese Entscheidung des unionalen Gesetzgebers ist verständlich, da der für die besteuerten Umsätze verwendete Anteil bei einem teilunterneh merisch genutzten Gebäude im Vorfeld durch die Grundflächen der Räu me genau bestimmt werden kann.697 Bei gemischt genutzten Räumen, wie z. B. einer Diele kann eine Schätzung zugrunde gelegt werden, deren Prozentsatz durch die Fläche der unternehmerisch genutzten Räume im Vergleich zur Gesamtfläche zu ermitteln ist.698 Der Neutralitätsgrundsatz verlangt, dass sämtliche Ausgaben für die wirtschaftliche Tätigkeit sofort von der Mehrwertsteuer absetzbar sind.699 Aufgrund der Möglichkeit der genauen Bestimmung des unter nehmerisch genutzten Anteils anhand der Grundfläche ist der Grundsatz der Neutralität gewahrt. Unter den Tatbestand der Vorschrift fallen alle Aufwendungen, die für den Erwerb, die Herstellung oder die Erhaltung bzw. Änderung (z. B. Um bau eines Gebäudes) des Grundstücks getätigt werden.700 Überzeugender weise erfasst Art. 168a I MwStSystRL nur solche Aufwendungen im Zu sammenhang mit einem Grundstück, die tatsächlich teilunternehmerisch genutzt werden. Bei den Grundmauern ist dies der Fall, denn die Haus wände dienen sowohl dem Wohnen als auch den besteuerten Umsätzen. Anders verhält es sich z. B. bei einer Einbauküche oder einem Swim 694 Wer keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, ist ein Nichtsteuerpflichtiger, vgl. Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL und S. 61 f., siehe auch Korf, DB 2009, 758 (762). 695 Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 924; Wey müller/Looks UStG § 15 Rn. 289.1. 696 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Berger/ Kindl/Wakounig, MwStSystRL, S. 403; von Streit/Zugmaier, DStR 2010, 524 (525); Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D. 697 Weitaus schwieriger wäre dies bei einem teilunternehmerisch genutzten Kraft fahrzeug. 698 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1402 f. 699 EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 47; a. A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 730. 700 Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168a Rn. 8; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1446.
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mingpool eines teilunternehmerisch genutzten Gebäudes. Diese Gegen stände dienen in aller Regel nur dem privaten Bedarf, so dass insoweit keine gemischte Nutzung vorliegt. Die Ausübung des Zuordnungswahl rechts ist dementsprechend nicht möglich.701 Die Mehrwertsteuer, die auf diese Aufwendungen entfällt, ist deshalb schon gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL nicht abziehbar. Infolgedessen kommt es zu keiner Anwen dung des Art. 168a I MwStSystRL. Sähe man dies anders, könnte ein Steuersubjekt den privaten Bereich ei nes Gebäudes bestens ausstatten und auch diese Kosten bei einer nach der Grundfläche zu bemessenden Nutzung des Gebäudes für besteuerte Umsätze in Höhe von z. B. 60 % abziehen, obwohl diese Aufwendungen in keiner Weise teilunternehmerisch genutzt werden und sie von den Kosten für das Mauerwerk abgetrennt werden können. Zwar ließe der Wortlaut des Art. 168a I MwStSystRL entgegen dieser vorgenommenen Einschränkung auch die weite Auslegung702 zu, dass die Kosten aller Auf wendungen im Zusammenhang mit einem Gebäude teilweise abziehbar sind – dem ist aber nicht zu folgen, da dies dem Zweck der Vorschrift, nämlich der Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Endverbrau chern, zuwiderliefe.703
II. Unternehmenstatbestand der Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 26 MwStSystRL Die Voraussetzungen des Art. 168a I MwStSystRL für die Einschränkung des Vorsteuerabzugs könnten mit den in Art. 26 I lit. a MwStSystRL genannten Besteuerungsvoraussetzungen identisch sein.704 In diesem Fall wäre anzunehmen, dass sich der Unternehmenstatbestand in den Art. 168a I und 26 I lit. a MwStSystRL entspricht. Dieser Annahme könnte man folgende Überlegungen zugrunde legen: Ein Steuersubjekt in Form einer Vereinigung kann den Vorsteuerabzug für ein Wirtschaftsgut nur insoweit geltend machen, als dieses tatsäch lich für das Tätigen von steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen verwendet wird, wenn das Wirtschaftsgut daneben auch für eine nichtwirtschaft liche Tätigkeit im engeren Sinne genutzt wird. Der Grund dafür liegt 701 Vgl. Ehrke-Rabel/von Streit, UR 2015, 249 (250). 702 Unter den Begriff des Grundstücks im Sinne des Art. 168a I MwStSystRL fallen nach Art. 13b lit. c MwSt-VO alle wesentlichen Bestandteile, also auch ein einge bauter Pool oder eine Küche. 703 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1436 ff. 704 Vgl. Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 925; Wäger, UR 2012, 25 (28).
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§ 2 Voraussetzungen im unionalen Mehrwertsteuerrecht
darin, dass Art. 26 I lit. a MwStSystRL bei nichtwirtschaftlichen Tätig keiten im engeren Sinne nicht anwendbar ist.705 Dagegen kann ein Steuersubjekt ein Wirtschaftsgut auch bei nur margi naler Verwendung für steuerpflichtige Ausgangsumsätze ganz seinem Unternehmen zuordnen, d. h. den gesamten Vorsteuerabzug geltend ma chen, wenn Art. 26 I lit. a MwStSystRL aufgrund einer unternehmens fremden Tätigkeit706 anwendbar ist. Das mit dem Zuordnungswahlrecht einhergehende Steuersparmodell wurde von Art. 168a I MwStSystRL zu mindest bei der besonders hohen Vorsteuerabzugsmöglichkeit im Zu sammenhang mit Grundstücken trotz oftmals überwiegendem privaten Verwendungsanteil ausgeschlossen. Anders ausgedrückt wurde die Vor schrift aufgrund des mit Art. 26 I lit. a MwStSystRL einhergehenden Zuordnungswahlrechts nachträglich eingefügt.707 Dies könnte nach der gesetzgeberischen Systematik dafür sprechen, dass der Begriff des Unter nehmens in beiden Vorschriften die identische Bedeutung haben müsste. Einem einheitlichen Unternehmenstatbestand in den Vorschriften steht jedoch Folgendes entgegen: Der Unternehmensbegriff im Sinne des Art. 26 I lit. a MwStSystRL ist bei natürlichen Personen stets eng auszu legen, wohingegen er bei Vereinigungen weit zu verstehen ist.708 Denn bei Vereinigungen fallen auch Tätigkeiten, die gem. Art. 2 I MwStSystRL außerhalb des mehrwertsteuerrechtlichen Anwendungsbereichs liegen, unter den Unternehmensbegriff der Vorschrift. Für unternehmenseigene nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Art. 26 I lit. a MwSt SystRL, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuer rechts liegen, besteht gem. Art. 168 MwStSystRL kein Vorsteuerabzugs recht.709 Grund dafür ist, dass hier kein Zuordnungswahlrecht ausgeübt werden kann.710 Die Anwendbarkeit des Art. 168a I MwStSystRL setzt nach dem Wort laut jedoch gerade ein solches Zuordnungswahlrecht voraus.711 Dieses Recht kommt nur im Zusammenhang mit unternehmensfremden Ver 705 EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 38 ff.; Reiß, UR 2020, 747 (751). 706 Der Auffangtatbestand unternehmensfremd umfasst die spezielleren Tatbestands merkmale privat und privater Bedarf des Personals der Vorschrift. 707 Vgl. Wäger, UR 2012, 25 (28). 708 Siehe S. 18 ff. 709 Vgl. EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = EuZW 2003, 635, Rn. 30 f.; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37. 710 Vgl. Lohse, UR 2020, 333 (335); Reiß, UR 2020, 747 (756 f.). 711 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 269; ders., MwStR 2014, 600 (601); Widmann, UR 2018, 666 (668); a. A. Wäger, UR 2012, 25 (28 f.).
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Kapitel 3: Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
wendungen in Betracht, denn nur im Rahmen dieser Verwendungen ist durch Art. 26 I lit. a MwStSystRL sichergestellt, dass es nicht zu einem unversteuerten Endverbrauch kommt.712 Aufgrund dessen kann Art. 168a I MwStSystRL bei unternehmenseige nen nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne, die unter den weiten Unternehmensbegriff fallen, keine Anwendung finden. Es kann nicht zu einem Vorsteuerabzugsverbot nach Art. 168a I MwStSystRL kommen, wenn – wie bei nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne – schon dem Grunde nach gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL kein Vorsteuerabzugsrecht besteht.713 Deshalb spielt der weite Unterneh mensbegriff der Art. 16 und 26 MwStSystRL im Rahmen des Art. 168a I MwStSystRL keine Rolle. Für die Irrelevanz des weiten Begriffs spricht zudem, dass Art. 168a I MwStSystRL die Folgen der Seeling-Rechtsprechung verhindert.714 Diese Rechtsprechung betraf natürliche Personen, bei denen der Unterneh menstatbestand stets eng auszulegen ist.715 Daher ist es naheliegend, dass der Unternehmenstatbestand des neu geschaffenen Art. 168a I MwSt SystRL ebenfalls eng auszulegen ist. Man könnte sogar überlegen, ob die Norm nur auf natürliche Personen anwendbar ist. Diesem Gedanken steht indes neben dem mehrwertsteuerlichen Grundsatz der Rechts formneutralität Folgendes entgegen: Art. 26 I lit. a MwStSystRL ist tat bestandlich unabhängig vom jeweiligen Rechtssubjekt anwendbar, da eine Vereinigung unternehmensfremde Verwendungen für den Bedarf des Personals tätigen kann.716 Deswegen ist Art. 168a I MwStSystRL eben falls unabhängig vom Rechtssubjekt anwendbar. Eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs bei einer Vereinigung wäre in folgendem Fall möglich: Eine Münchner Großkanzlei, organisiert in der Rechtsform einer juristischen Person, baut ein neues Kanzleigebäude. 15 % der Baukosten/Grundfläche entfallen auf einen Kindergarten, der im Kanzleigebäude entsteht. Diesen Kindergarten können die Kinder der Beschäftigten kostenlos besuchen. Die Sozietät kann das Gebäude auf grund der Nutzung sowohl für wirtschaftliche Zwecke als auch für den privaten Bedarf ihres Personals zwar vollständig dem Unternehmen zu 712 Vgl. Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168 Rn. 19. 713 Huschens in: Huschens/Langer, MwStSystRL – eKommentar, Art. 168a Rn. 6. 714 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D; von Streit/Zugmaier, DStR 2010, 524. 715 Siehe S. 18 ff. 716 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 25 ff.; EuGH vom 18.07.2013 – C-210/11, C-211/11, Medicom = MwStR 2013, 544, Rn. 24 f.; Grube, MwStR 2013, 548, siehe dazu S. 64 ff.
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ordnen,717 womit nach Art. 168 lit. a MwStSystRL eigentlich ein volles Vorsteuerabzugsrecht einherginge, jedoch besteht in Höhe von 15 % der Baukosten gem. Art. 168a I MwStSystRL ein Vorsteuerabzugsverbot. Trotz der zunächst aufgeführten Gründe, die für eine Einheitlichkeit des Unternehmensbegriffs in beiden Vorschriften sprechen könnten, ist es überzeugender anzunehmen, dass eine solche nicht vorliegt. Der Begriff des Unternehmens im Sinne des Art. 168a I MwStSystRL ist stets eng auszulegen718 und mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichti gen gleichzusetzen.
§ 3 Voraussetzungen im deutschen Recht A. Grundfall des Vorsteuerabzugs (§ 15 I 1 UStG) I. Entstehungsgeschichte der Vorschrift Der Vorsteuerabzug ist wesentlicher Bestandteil des Allphasen-Netto- Umsatzsteuersystems. Schon im UStG 1918 gab es für ausgeführte Ge genstände Exportsubventionen719 gem. § 28 I UStG 1918720. Diese Rege lung galt bis zur Einführung der Mehrwertsteuer und war zuletzt in § 16 I UStG 1951721 normiert. Bestimmte Luxusgegenstände (z. B. Edelmetalle) wurden nach § 8 UStG 1918722 mit einem erhöhten Steuersatz von 10 % versehen. Der Regelsteuersatz betrug nach § 6 UStG 1918723 0,5 %. Für Luxusgüter wurde der Unterschied zwischen dem Luxussteuersatz und dem Regelsteuersatz unter den Voraussetzungen des § 28 II UStG 1918724 erstattet, beispielsweise wenn die Luxusgegenstände für wissenschaftli che Zwecke oder für die Lehre verwendet wurden. 717 Art. 168a I MwStSystRL enthält ein Vorsteuersteuerabzugsverbot, kein Zuord nungsverbot. 718 Vgl. Englisch, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2010, S. 36, der wohl ebenfalls davon ausgeht, dass die Vorschrift keinen weiten Unterneh mensbegriff enthält; a. A. Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschlang 1918–2018, S. 926. 719 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 31. 720 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 (792); die Vorschrift lautete: „Erbringen Personen der im § 1 I genannten Art den Nachweis, dass sie von ihnen ausgeführte Gegenstände im Inland erworben haben und die Lieferung an sie der Steuerpflicht unterlag, so erstattet ihnen die Steuerstelle nach näherer Bestimmung des Bundesrats den Teil des entrichteten Entgelts, der der Steuer für die Lieferung an sie entspricht“. 721 UStG vom 01.09.1951, BGBl. I 1951, 791 (795). 722 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 (782). 723 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 (781). 724 UStG vom 26.07.1918, RGBl. I 1918, 779 (792).
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1924 veröffentlichte das Reichsfinanzministerium eine Denkschrift über eine Abänderung der damaligen Umsatzbesteuerung, die einen Vorschlag zur Einführung des Vorsteuerabzugsrechts enthielt. Diese vorgeschla gene Systemänderung war die sog. „Siemenssche veredelte Umsatzsteu er.“725 Carl Friedrich von Siemens schlug vor, dass „bei einem einheitli chen Steuersatz in allen Umsatzstufen nicht das gesamte beim Verkäufer vereinnahmte Entgelt als Steuermaßstab zugrunde [gelegt werde], son dern jedes Mal die vom veräußernden Unternehmer beim Einkauf der verarbeiteten Stoffe verauslagten Beträge und die Aufwendungen für neue Betriebsanlagen [abzuziehen seien].“726 Aus formeller Sicht wurde gegen die veredelte Umsatzsteuer eingewandt, dass sie das System verkompliziere. Nur durch das damals geltende All phasen-Brutto-System sei es möglich gewesen, aus der Umsatzsteuer mit verhältnismäßig geringen Unkosten hohe Erträge zu erzielen. Demge genüber hätte man die Kontrolle bei einer Umsetzung des Siemenschen Systems deutlich ausbauen müssen. Materiell wurde bemängelt, dass das System ungleichmäßig sei, da Betriebe, die mit verhältnismäßig geringen Mitteln hochwertige Veredelungsarbeiten ausführten, gegenüber Betrie ben, die gekaufte Waren mit Gewinnaufschlag weiterverkauften oder de ren Bearbeitungs- oder Verarbeitungstätigkeit geringfügig sei, vorbelastet wären. Ferner gerate das System mit den Ertragsteuern der Länder und Gemeinden in Konflikt, versage bei der Urerzeugung, also insbesondere der Landwirtschaft und behebe die bei der Ausfuhr bekannten Mängel nicht.727 Der Reichstag lehnte den mehrfach diskutierten Vorschlag auf grund dieser Bedenken ab.728 Im Jahre 1932 wurde eine Ausfuhrvergütung eingeführt, um die Umsatz steuervorbelastung bei Ausfuhrlieferungen auszugleichen. Die Vergü tung war vom Prinzip her ein pauschalisierter Vorsteuerabzug und wurde bis zum Ende des Allphasen-Brutto-Umsatzsteuersystems, zuletzt in den §§ 23 ff. UStG 1951729, aufrechterhalten.730 725 Der Reichsminister der Finanzen III U 7620, Nr. 558, Denkschrift über eine Abän derung der jetzigen Umsatzbesteuerung vom 01.10.1924, S. 5. 726 Der Reichsminister der Finanzen III U 7620, Nr. 558, Denkschrift über eine Abän derung der jetzigen Umsatzbesteuerung vom 01.10.1924, S. 10, Abschnitt IV. 727 Der Reichsminister der Finanzen III U 7620, Nr. 558, Denkschrift über eine Ab änderung der jetzigen Umsatzbesteuerung vom 01.10.1924, S. 10, Abschnitt IV; Popitz, UStG, S. 45. 728 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Anm. 20. 729 Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 19.03.1964, BGBl. I 1964, 147 (152 ff.). 730 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 33.
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Am 29. Mai 1967 wurde mit dem UStG 1968 der Vorsteuerabzug im Sinne des heutigen Mehrwertsteuerrechts eingeführt. Das Gesetz trug die Bezeichnung „Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer)“731 und trat am 1. Januar 1968 in Kraft. In § 15 UStG732 war der Vorsteuerabzug normiert, der den Unternehmer von der Vorsteuer entlastete. Die Vorschrift beruh te auf der Ersten und Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie733, die in den Art. 2 II der 1. MwSt-RL und Art. 11 der 2. MwSt-RL ebenfalls ein Vor steuerabzugsrecht enthielten.734
II. Aktuelle Vorschrift § 15 I 1 Nr. 1 UStG735 lautet: „Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt vo raus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.“ Gem. § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG sind alle Leistungen steuerbar, die ein Unter nehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Von diesen Aus gangsumsätzen kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen anderer Unternehmer für sein Unternehmen (sog. Ein gangsumsätze) abziehen. Dies ergibt sich aus dem Vorsteuerabzugsrecht des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG. Sinn und Zweck dieses Rechts ist die Mehrwertbesteuerung. Dadurch, dass nur der Mehrwert besteuert wird, wird der im Mehrwertsteuerrecht geltende Neutralitätsgrundsatz gewährleis tet.736 731 UStG vom 29.05.1967, BGBl. I 1967, 545; den Klammerzusatz (Mehrwertsteuer) enthielt das Gesetz nur bis 1973; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Einf. Anm. 45. 732 UStG vom 29.05.1967, BGBl. I 1967, 545 (552 f.). 733 Erste Richtlinie 67/227/EWG und Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. P 71 vom 14.04.1967, S. 1301 ff. 734 Siehe S. 96 f. 735 Ein Abdruck der kompletten Vorschrift ist in dieser Arbeit entbehrlich. 736 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 25; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 27; Zirkl, Die Neutra
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Die Leistung an den Unternehmer muss „für sein Unternehmen“ erfol gen, damit sie abziehbar ist. Dadurch wird ausgeschlossen, dass ein Steu ersubjekt den Vorsteuerabzug geltend macht, wenn er die Leistung für nichtunternehmerische Tätigkeiten verwendet und es somit zu einem unversteuerten Endverbrauch käme. Der nichtunternehmerische Be reich umfasst Tätigkeiten außerhalb des Unternehmens im Sinne von § 3 Ib, IXa UStG und nichtunternehmerische Tätigkeiten im engeren Sinne. Unter Letztere fällt jede nichtunternehmerische Tätigkeit, die nicht außerhalb des Unternehmens liegt.737 1. Vorsteuerabzug durch Verwendung für das tätigkeitsbezogen auszulegende Unternehmen Der Unternehmensbegriff des § 15 UStG ist verwirrend,738 weil es für den Vorsteuerabzug nicht auf das Unternehmen als solches ankommt,739 son dern auf eine Verwendung für eine bestimmte Tätigkeit. Dies gebietet die richtlinienkonforme Auslegung,740 die im Lichte des Art. 168 MwSt SystRL zu erfolgen hat. Präziser ausgedrückt ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug die Verwendung für die unternehmerische bzw. wirt schaftliche Tätigkeit des Unternehmers, also die Verwendung für seine besteuerten Umsätze, nicht die Verwendung für das Unternehmen.741 Der Unternehmenstatbestand des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist demnach entsprechend der gesetzlichen Legaldefinition des § 2 I 2 UStG742 eng aus zulegen.743 lität der Umsatzsteuer als europäisches Besteuerungsprinzip, S. 60; Möller, Um satzsteuerrecht, Rn. 19, 698; Pull, MwStR 2013, 611 (614). 737 Siehe S. 82 ff. 738 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 190; Heuermann, MwStR 2017, 729 (730); Lohse, UR 2020, 333 (338). 739 Der Begriff des Unternehmens ist im Unionsrecht beim Vorsteuerabzug kein Tat bestandsmerkmal, siehe auch Lohse, in: Wagnerová/Sander, Die Rechtsprache in der internationalen Diskussion, S. 96. 740 EuGH vom 11.07.2002 – C-62/00, Marks & Spencer = IStR 2002, 565, Rn. 24; BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 2349, Rn. 21; BFH vom 11.12.2013 – XI R 17/11 = MwStR 2014, 202, Rn. 76; BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 423/16 = NZA 2019, 977, Rn. 17. 741 BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 12; BFH vom 13.01.2011 – V R 12/08 = DStR 2011, 465, Rn. 21; BFH vom 06.05.2010 – V R 29/09 = DStR 2010, 1838, Rn. 16; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 190; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 92; Reiß, UR 2010, 797 (805). 742 Siehe dazu S. 32 ff. 743 Vgl. Heuermann, MwStR 2017, 729 (732), der das Unternehmen mit der wirt schaftlichen Tätigkeit gleichsetzt.
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§ 3 Voraussetzungen im deutschen Recht
Mithin kann für die Regelung des Vorsteuerabzugs nicht der weite Un ternehmenstatbestand des § 3 Ib, IXa UStG gelten, den diese Vorschrift spätestens744 seit der VNLTO-Rechtsprechung enthält. Der weite Begriffs inhalt spielt deshalb für den Vorsteuerabzug keine Rolle.745 Infolgedessen dürfte es bei richtiger Interpretation des Unternehmenstatbestands des VNLTO-Urteils nicht zu Verwirrungen beim Unternehmensbegriff des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG kommen. Dies wird in der Literatur wohl verkannt, die den Unternehmensbegriff aus der VNLTO-Entscheidung auch bei § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG für an wendbar hält. Zugleich wird zutreffend festgestellt, dass für nichtwirt schaftliche Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehr wertsteuerrechts kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann.746 Aus diesem Vorsteuerabzugsverbot747 folgt, dass diese Tätigkeiten nicht für das „Unternehmen“ im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG erfolgen können. D. h. der Unternehmenstatbestand im Sinne der Vorschrift um fasst keine nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne.748 Aus diesem Grund ist das folgende Schaubild749 zum Vorsteuerabzugsrecht bzw. -verbot unzutreffend und verwirrend: unternehmenseigen unternehmerische Tätigkeit, steuerbar nach § 1 I UStG steuerpflichtig, Vorsteuerabzugs recht besteht
steuerfrei gem. § 4 UStG, Vorsteuerabzugs verbot
unternehmens fremd nichtunternehmerische Tätigkeit, nicht steuerbar Vorsteuerabzugs verbot [VNLTO]
Vorsteuerabzug bei Ausübung des Zuordnungswahl rechts
744 Ggf. hätte man den weiten Unternehmensbegriff schon aus dem Urteil Securenta folgern können. Dafür spricht, dass sich der partielle Vorsteuerabzug sonst nicht erklären lässt, siehe S. 32 ff. 745 Vgl. Wäger, DB 2012, 1288 (1293 f.). 746 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 191. 747 Vgl. Abschnitt 15.2b II 4 Nr. 2 S. 1 UStAE. 748 Vgl. auch EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = DStR 2008, 615, Rn. 30 f.; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37. 749 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 191; das Schaubild ist in der Termino logie abgebildet, die diese Arbeit auch an anderer Stelle für die entsprechenden Begriffe verwendet.
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Entgegen den vorstehenden Feststellungen ist in der Grafik auch ein Teil der nichtunternehmerischen/nichtwirtschaftlichen Sphäre generell un ternehmenseigen. Dies trifft aber nur beim Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG zu, nicht bei § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG. 2. Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Gegenständen Bei Gegenständen, nicht jedoch bei sonstigen Leistungen, kommt ein vollständiger Vorsteuerabzug zum einen bei einer vollständigen tatsäch lichen Verwendung für eine unternehmerische Tätigkeit in Betracht. Da neben ist ein vollständiger Vorsteuerabzug auch durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts möglich.750 Dieses Zuordnungswahlrecht besteht bei einer teilunternehmerischen Verwendung für besteuerte Umsätze und unternehmensfremde Zwecke.751 Das Wahlrecht ist auf unterneh mensfremde Verwendungen begrenzt, da nur bei diesen das Recht des vollständigen Vorsteuerabzugs mit der späteren Verpflichtung der Ver steuerung durch die Vorschriften der unentgeltlichen Wertabgabe korres pondiert.752 a) Zuordnungswahlrecht einer natürlichen Person Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann ein Unternehmer in Form einer natürlichen Person bei einer teilunternehmerischen753 Ver wendung für unternehmerische und private Zwecke einen vollständigen Vorsteuerabzug durch die subjektiv-willentliche Ausübung des Zuord nungswahlrechts zum Unternehmen geltend machen.754 750 Vgl. Lohse, UR 2020, 333 (334); a. A. BMF vom 02.01.2014 IV D 2 – S 7300/ 12/10002:001 = DStR 2014, 203, wonach es immer einer Zuordnung bedarf und die Verwendung für besteuerte Umsätze mit der Zuordnung wesensgleich ist. 751 BFH vom 14.10.2015 – V R 10/14 = MwStR 2016, 307, Rn. 16 ff. 752 BFH vom 12.01.2011 – XI R 9/08 = DStR 2011, 570, Rn. 15. 753 D. h. vom Grundsatz der Entstehung eines Vorsteuerabzugsrechts durch Zuord nung ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Gegenstand in keiner Weise für besteuerte Umsätze genutzt wird, vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 204; Wagner/Kurzenberger, BB 2014, 1111 (1112); Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter 3.; vertiefend Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuer recht, S. 241 f. 754 EuGH vom 09.07.2015 – C-331/14, Trgovina Prizma = MwStR 2015, 723, Rn. 20; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 53 f.; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff.; EuGH vom 14.07.2005 – C-434/03, Charles-Tijmens = DStRE 2005, 1025, Rn. 23 f.; EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 40 f.; EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 25; siehe auch Lohse, UR 2020, 333 f.
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Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen.755 Durch die Zu ordnungsentscheidung wird der eigentlich privat verwendete Anteil als für das Unternehmen bzw. für die besteuerten Umsätze verwendet fin giert. Das Tatbestandsmerkmal „für sein Unternehmen“ in § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG wird mithin durch die Zuordnung erfüllt.756 Der BFH bezeich net die Vorschrift deshalb auch als „Zuordnungsvorschrift“.757 Wird der Gegenstand gänzlich dem Unternehmen zugeordnet, ist der Vorsteuerab zug sofort und vollständig abziehbar.758 b) Zuordnungswahlrecht einer Vereinigung Verwendet eine Vereinigung einen Gegenstand sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch im engeren Sinne, kann sie grundsätzlich nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechend der VNLTO-Recht sprechung des EuGH nur einen partiellen Vorsteuerabzug vornehmen.759 Ein Zuordnungswahlrecht scheidet konsequenterweise aus, wäre aber nach einer Ansicht in der Literatur ohnehin überflüssig, da Gegenstände in diesen Fällen automatisch dem Unternehmen zugeordnet seien.760 Dieser Gedankengang ist unzutreffend, da es beim Zuordnungswahlrecht auf den Unternehmenstatbestand im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ankommt, der bei richtlinienkonformer Auslegung den besteuerten Um sätzen entspricht. Nichtwirtschaftliche Verwendungen im engeren Sin ne können nicht den besteuerten Umsätzen zugeordnet werden, da sie außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuerrechts liegen und es sich bei ihnen um nichtsteuerbare Verwendungen bzw. Umsätze handelt. Richtig ist zwar, dass die nichtwirtschaftlichen Verwendungen
755 BFH vom 25.02.2014 – V B 75/13 = BeckRS 2014, 94744, Rn. 3; BFH vom 11.07.2012 – XI R 17/09 = MwStR 2013, 51, Rn. 35; BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 22 f.; BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 2349, Rn. 22; BFH vom 07.07.2011 – V R 42/09 = DStR 2011, 1949, Rn. 21. 756 BFH vom 01.02.1990 – V R 26/85 = BFH/NV 1990, 605, unter 2; Lohse, Die Zuord nung im Mehrwertsteuerrecht, S. 238. 757 BFH vom 11.06.1997 – XI R 65/95 = DStRE 1997, 898, unter B. 1. 758 BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 18; BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 23; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 17; BFH vom 12.01.2011 – XI R 9/08 = DStR 2011, 570, Rn. 14. 759 BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 23, 25; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 10, 16, 28; siehe auch Grube, MwStR 2014, 688 (689); Wäger, UR 2012, 25 (28). 760 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 274, 296; ders., MwStR 2014, 600 (603).
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im Sinne von § 3 IXa Nr. 1 UStG unternehmenseigen761 sind, dieser Un ternehmensbegriff spielt hier aber keine Rolle. Insbesondere bei einer (unternehmensfremden) Verwendung für den Be darf ihres Personals kann eine Vereinigung nach dem EuGH ein Zu ordnungswahlrecht ausüben.762 Auch dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen. In diesen Fällen ist der Anwendungsbereich von § 3 IXa Nr. 1 UStG eröffnet.763 c) Zuordnungswahlrecht mit Vorsteuerabzugsverbot bei geringer unternehmerischer Verwendung Damit ein Unternehmer den Vorsteuerabzug ausüben kann, ist lediglich Voraussetzung, dass der Gegenstand jedenfalls zu einem sehr geringen Anteil für besteuerte Umsätze verwendet wird.764 Dies ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Lennartz, wonach der Vorsteuerabzug ausgeübt wer den kann, „wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unter nehmerische Zwecke sein mag.“765 Auf deutscher Ebene ist gem. § 15 I 2 UStG jedoch mindestens eine Ver wendung für sein Unternehmen in Höhe von 10 % erforderlich, damit der Vorsteuerabzug erfolgen kann.766 § 15 I 2 UStG lautet: „Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.“ Die Vorschrift wäre grundsätzlich nicht von der EuGH-Rechtsprechung gedeckt767 und somit unionsrechtswidrig, weil der Vorsteuerabzug inte graler Bestandteil des Mehrwertsteuerrechts ist und daher eigentlich 761 Vgl. EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 40. 762 EuGH vom 29.03.2012 – C-436/10, BLM = DStRE 2012, 1203, Rn. 25 f.; EuGH vom 18.07.2013 – C-210/11, C-211/11, Medicom = MwStR 2013, 544, Rn. 24 f.; a. A. Reiß, UR 2020, 747 (761), nach dessen Ansicht nur die natürliche Person ein Zuordnungswahlrecht besitzt; dies ist aufgrund der Rechtsformneutralität abzu lehnen. 763 BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 18 f.; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 17; BFH vom 12.01.2011 – XI R 9/08 = DStR 2011, 570, Rn. 15; Grube, MwStR 2013, 548. 764 Vgl. Widmann, DB 2000, 1145 (1147). 765 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 2. Leitsatz, Rn. 35; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1245; BFH vom 16.11.2016 – XI R 15/13 = DStR 2017, 99, Rn. 21. 766 Vgl. Reiß, UR 2020, 747 (751); Wäger, DB 2012, 1288 (1291). 767 Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 262.
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nicht eingeschränkt werden darf.768 Jedoch ist eine Einschränkung aus nahmsweise zulässig, wenn dies ausdrücklich in der Richtlinie vorge sehen ist.769 Folglich bedurfte die Regelung des § 15 I 2 UStG gem. Art. 395 I MwStSystRL einer Ermächtigung770 des Rates der Europäischen Union. Art. 1 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/2428 lautet: „Deutschland wird ermächtigt, abweichend von den Artikeln 168 und 168a der Richtlinie 2006/112/EG die anfallende Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke oder nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen.“ Der Begriff des Unternehmens im Sinne des § 15 I 2 UStG ist eng auszu legen. Dafür spricht zum einen die enge Auslegung in § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG und zum anderen der Wortlaut der Ermächtigung, die den Vorsteu erabzug unter anderem bei einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit von mehr als 90 % ausschließt. Die Leistung an einen Unternehmer gilt also auch bei einer nichtwirtschaftlichen Verwendung nicht „für das Unter nehmen“ im Sinne des § 15 I 2 UStG ausgeführt. Mithin ist das Unter nehmen mit den besteuerten Umsätzen gleichzusetzen. Die nichtwirt schaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne werden nicht erfasst. Zu untersuchen ist, ob die nationale Umsetzung des § 15 I 2 UStG ledig lich ein Vorsteuerabzugsverbot (dafür spricht der Wortlaut der Ermächti gung)771 oder darüberhinausgehend ein Zuordnungsverbot ermöglicht. Im letzteren Fall wäre weiter fraglich, ob ein solches von der Ermächtigung gedeckt wäre. Dass die Einordnung als Vorsteuerabzugs- bzw. Zuord nungsverbot gewichtige Unterschiede mit sich bringt, wird im Folgen den erläutert.
768 EuGH vom 29.10.2009 – C-29/08, AB SKF = DStR 2009, 2311, Rn. 55; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 68; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 16; EuGH vom 14.09.2017 – C-132/16, Iberdrola = DStR 2017, 2044, Rn. 25; EuGH vom 25.07.2018 – C-140/17, Gmina Ryjewo = MwStR 2018, 968, Rn. 30. 769 EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, Rn. 27 ff. 770 Die Ermächtigung ist in Art. 1 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/2428, ABl. L 334/2015, S. 12 geregelt und gilt weiterhin gem. Art. 1 des Durchführungs beschlusses (EU) 2018/2060, ABl. L 329/2018, S. 20. 771 Wagner/Kurzenberger, BB 2014, 1111 (1112); von Streit/Zugmaier, DStR 2010, 524 (528).
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Ist die Ausübung des Vorsteuerabzugs aufgrund einer tatsächlichen Ver wendung für das Unternehmen von mindestens 10 % möglich, ist die gezahlte Vorsteuer bei Ausübung des Zuordnungswahlrechts sofort und vollständig abziehbar. Der Anteil einer unternehmensfremden Nutzung ist gem. § 3 IXa Nr. 1 UStG nachzuversteuern.772 Bei einer gemischt wirt schaftlichen (mindestens 10 %) und nichtwirtschaftlichen Nutzung kann der Vorsteuerabzug im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung an teilig geltend gemacht werden.773 Veränderungen des Vorsteuerabzugs der Höhe nach sind hier gem. § 15a UStG vorzunehmen.774 An diesen Grund sätzen soll sich weder bei unternehmensfremden noch bei nichtwirt schaftlichen Nutzungen etwas ändern, wenn die wirtschaftliche Verwen dung des Gegenstands im Anschluss unter 10 % fällt.775 Strittig sind Fälle, in denen ein Investitionsgut zunächst zu weniger als 10 % für wirtschaftliche Tätigkeiten verwendet wird, sich dieser Anteil jedoch im Laufe der Zeit steigert. Die Verwaltung776 sowie Teile der Lite ratur777 gehen davon aus, dass § 15a UStG in diesen Fällen nicht als Kor rekturvorschrift heranzuziehen sei und es somit bei einer Versagung des Vorsteuerabzugsrechts bleibe. Als Argument wird angeführt, dass damit dem Vereinfachungszweck, aufgrund dessen die Ermächtigung erteilt wurde, Rechnung getragen werde.778 Konsequenterweise geht diese Auf fassung davon aus, dass es sich bei § 15 I 2 UStG um ein Zuordnungsver bot handle.779 Eine andere Ansicht in der Literatur widerspricht diesem Ergebnis: Der Entlastungszweck des Vorsteuerabzugs gebiete es bei einer nachträgli chen Erhöhung der wirtschaftlichen Verwendung von mehr als 10 %, dass eine Berichtigung gem. § 15a UStG stattfinden könne.780 Folglich sei der Vereinfachungszweck des § 15 I 2 UStG kein taugliches Argument, um den Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei einer Erhöhung des Ver
772 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1270. 773 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = EuZW 2003, 635, Rn. 30 f.; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37. 774 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 267. 775 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1272; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 522. 776 Vgl. Abschnitt 15a.1 VI 2 Nr. 5 UStAE. 777 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 522; diff. hinsichtlich der Anwendung bei nichtwirtschaftlichen Verwendungen; Schwarz, UR 1999, 154 (155); ders., UR 2000, 275 (278); Tehler, UR 1999, 319 (323). 778 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 532. 779 Vgl. Abschnitt 15a.1 VI 1 in Verbindung mit Abschnitt 15.2c I 3 UStAE. 780 Tumpel, in: FS Reiß, S. 127.
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wendungsanteils von mindestens 10 % zu rechtfertigen.781 Damit eine Korrektur bei einer unternehmensfremden Nutzung erfolgen kann, ist die Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit Voraussetzung.782 § 15 I 2 UStG stellt demnach lediglich ein Vorsteuerabzugs- und kein Zuordnungsverbot dar.783 Für ein bloßes Vorsteuerabzugsverbot bei einer wirtschaftlichen Verwen dung von weniger als 10 % spricht weiter, dass Generalanwalt Jacobs dieses im französischen Recht für „sicher nicht unangemessen“ hält.784 Zudem geht der Wortlaut der Ermächtigung – „vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen“ – von einem Vorsteuerabzugsverbot aus. Ein Zuordnungsverbot erscheint demgegenüber unionsrechtswidrig. Die Annahme eines Vorsteuerabzugsverbots ist auch deshalb überzeu gender, da ein Zuordnungsverbot in den Fällen der nachträglichen Erhö hung der wirtschaftlichen Verwendung des Gegenstands gegen das dem Mehrwertsteuerrecht immanente Neutralitätsprinzip verstößt. Nach der gesetzgeberischen Wertung der Ermächtigung ist ein solcher „Verstoß“ lediglich bei einer wirtschaftlichen Nutzung von weniger als 10 % aus Vereinfachungszwecken rechtmäßig. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei einer nachträglichen Verwendung für besteuerte Umsätze von mindestens 10 % zwingend ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist. Zu die sem Ergebnis kann nur die letztere Auffassung führen. Schließlich spricht für diese Ansicht, dass für die Anwendung von § 15 I 2 UStG die Höhe der Verwendungsabsicht entscheidend ist. Wenn ein Unternehmer beabsichtigt, den Gegenstand zwar aktuell zu weniger als 10 % unternehmerisch zu nutzen, diese Nutzung aber in Zukunft auf mehr als 10 % zu erhöhen, dann muss er den Gegenstand dem Unterneh men zuordnen dürfen, um das Vorsteuerabzugsrecht künftig geltend ma chen zu können.785 Dies gilt jedenfalls für unternehmensfremde Verwen dungen, bei denen eine zeitnahe Zuordnung erforderlich ist. Insgesamt erscheint die Annahme eines Vorsteuerabzugsverbots überzeugender.786
781 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1276. 782 Vgl. Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 272. 783 Lohse, IStR 2000, 232 (235); Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 100 ff.; dies., MwStR 2016, 838; Sterzinger, UR 2018, 377 (383). 784 EuGH Schlussanträge des GA Jacobs vom 30.04.1991 – C-97/90, Nr. 74; Lohse, IStR 2000, 232 (235). 785 Siehe auch Röhrbein, UVP 2018, 333 (338), wonach auch der Vorsteuerabzug von Indizien abhängig sein könne, die größtenteils erst in der Zukunft eintreten. 786 Vgl. Reiß, UR 2020, 747 (752), der stets von einem Ausschluss des Vorsteuerab zugs spricht.
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d) Zuordnung – Für und Wider: unrichtiges weitergehendes Begriffsverständnis im deutschen Recht Das in der Rechtsprechung des EuGH existierende Zuordnungswahl recht ist überzeugend.787 Dieses Wahlrecht existiert nach dem Gerichts hof nur bei einer Verwendung für wirtschaftliche und unternehmens fremde (private) Zwecke.788 Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen.789 Das Begriffsverständnis der „Zuordnung“ geht im deutschen Recht je doch über die Zuordnung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung hinaus. Die Verwaltung setzt die „Zuordnung zum Unternehmen“ mit der Verwendung für besteuerte Umsätze gleich.790 Der BFH bezeichnet die Zuordnungsentscheidung als materielle Voraussetzung des Vorsteuerab zugs.791 Dementsprechend wird die Zuordnungsentscheidung von der Rechtsprechung und der Literatur792 mit dem Handeln als Steuerpflichti ger gleichgesetzt. Diesem Begriffsverständnis ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, denn eine Zuordnungsentscheidung ist lediglich in be stimmten Fällen notwendig.793 Einer Zuordnungsentscheidung bedarf es nur beim Zuordnungswahl recht, nicht dagegen im Zusammenhang mit einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne.794 Bei letzterer ist eine Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen ausgeschlossen795 und es kommt nur ein partieller Vorsteuerabzug im Rahmen der objektiven Verwendung für besteuerte Umsätze in Betracht. Während das Handeln als Steuerpflichtiger im 787 Siehe S. 109 ff. 788 EuGH vom 18.07.2013 – C-210/11, C-211/11, Medicom = MwStR 2013, 544, Rn. 24 f.; EuGH vom 16.02.2012 – C-118/11, Eon Aset = DStRE 2012, 1077, Rn. 53 f.; EuGH vom 23.04.2009 – C-460/07, Puffer = IStR 2009, 356, Rn. 39 ff.; EuGH vom 14.07.2005 – C-434/03, Charles-Tijmens = DStRE 2005, 1025, Rn. 23 f.; EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635, Rn. 40 f.; EuGH vom 08.03.2001 – C-415/98, Bakcsi = BeckRS 2004, 77131, Rn. 25; EuGH vom 11.07.1991 – C-97/90, Lennartz = DStR 1992, 752, 3. Leitsatz, Rn. 35. 789 BFH vom 25.02.2014 – V B 75/13 = BeckRS 2014, 94744, Rn. 3; BFH vom 11.07.2012 – XI R 17/09 = MwStR 2013, 51, Rn. 35; BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 22 f.; BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 2349, Rn. 22; BFH vom 07.07.2011 – V R 42/09 = DStR 2011, 1949, Rn. 21. 790 BMF vom 02.01.2014 IV D 2 – S 7300/12/10002:001 = DStR 2014, 203. 791 BFH vom 14.03.2017 – V B 109/16 = BeckRS 2017, 94596, Rn. 8. 792 Treiber, DStR 2020, 225. 793 In diesem Sinne wohl auch Dziadkowski, UR 2020, 276 (277). 794 BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 18, 20. 795 Vgl. BFH vom 18.09.2019 – XI R 7/19 = DStR 2020, 220, Rn. 46; BFH vom 18.09.2019 – XI R 3/19 = BeckRS 2019, 35578, Rn. 52; Lohse, UR 2020, 333 (335); Reiß, UR 2020, 747 (756 f.).
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Anwendungsbereich des Zuordnungswahlrechts durch die subjektiv-wil lentliche Ausübung des Rechts fingiert wird, ist dieses Handeln außer halb der Zuordnungsdogmatik durch eine objektive Verwendung zu ma nifestieren. Folglich ist das Handeln als Steuerpflichtiger nicht mit der Zuordnungs entscheidung deckungsgleich. Dies belegt das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo, wonach die fehlende Zuordnungsentscheidung der Gemeinde nicht vorsteuerschädlich war, da das Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs dennoch vorlag.796 Weiter geht weder aus Art. 168 MwStSystRL noch aus § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG hervor, dass eine Zuordnung Voraussetzung für den Vorsteuer abzug ist. Die Zuordnung ist nur in Art. 26 I lit. a, 168a I MwStSystRL und § 3 IXa Nr. 1 UStG geregelt. Der Anwendungsbereich dieser Vor schriften ist auf unternehmensfremde Tätigkeiten begrenzt, deshalb ist eine Zuordnungsentscheidung nur in diesem Rahmen erforderlich, um den Vorsteuerabzug ausüben zu können. Zudem ist eine Zuordnungsentscheidung bei einer vollständigen Ver wendung für besteuerte Umsätze nicht notwendig. Hier ergibt sich das Vorsteuerabzugsrecht bereits aufgrund der verwendungsbezogenen Aus legung des Unternehmens im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG. Deswe gen ist die Ansicht, dass hier ein Zuordnungsgebot bestehe,797 abzuleh nen. Die Annahme, dass der Vorsteuerabzug generell die Ausübung einer subjektiv-willentlichen Zuordnungsentscheidung voraussetzt, ist nicht überzeugend. e) Erkennbarkeit der Zuordnungsentscheidung und rechtzeitige Ausübung des Zuordnungswahlrechts Die Ausübung des Zuordnungswahlrechts muss nach außen erkennbar sein, denn bei der Zuordnung handelt es sich um eine innere Tatsache, die durch Beweiszeichen zu belegen ist.798 Fehlen entsprechende Beweis zeichen, kann die Ausübung des Zuordnungswahlrechts nicht unterstellt werden.799 Erforderlich ist, dass die Leistung in einem objektiv erkennba 796 Siehe dazu das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo und die anschließende Stellungnah me, S. 101 ff. 797 Abschnitt 15.2c I 1 UStAE; siehe auch Fußnote 564 auf S. 105. 798 Vgl. BFH vom 18.09.2019 – XI R 3/19 = BeckRS 2019, 35578, Rn. 26; BFH vom 14.03.2017 – V B 109/16 = BeckRS 2017, 94596, Rn. 11; Röhrbein, UVR 2018, 333 (336); Abschnitt 15.2c XIV 2 UStAE. 799 BFH vom 25.02.2014 – V B 75/13 = BeckRS 2014, 94744, Rn. 5; BFH vom 18.07.2014 – XI B 37/14 = MwStR 2015, 23, Rn. 15; Sterzinger, UR 2018, 377 (382); ders., UStB 2018, 295 (303); Oelmaier, MwStR 2015, 24; Becker, BB 2012, 611 (614).
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ren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der beruflichen oder gewerb lichen Tätigkeit des Unternehmers steht.800 „Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein sachverständiger Dritter – z. B. ein Betriebs- oder Wirt schaftsprüfer – ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehö rigkeit zum unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich erkennen kann.“801 Unwiderlegbares Indiz ist die Ausübung des Vorsteu erabzugs.802 Ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, z. B. weil das Wirtschaftsgut von einem Nichtunternehmer bezogen wurde, sind andere Beweisanzeichen heranzuziehen.803 Die Ausübung des Zuordnungswahlrechts kann bei spielsweise durch die bilanzielle und ertragssteuerrechtliche Behandlung des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommen.804 Weitere Indizien sind das Auftreten des Steuerpflichtigen unter seinem Privat- oder Firmenna men sowie die private oder betriebliche Versicherung des Gegenstands.805 Ebenso können die Verwendung und die Beschaffenheit eines Wirt schaftsguts auf eine bestimmte Zuordnung schließen lassen. Wenn ein Gegenstand nur wirtschaftlich genutzt werden kann oder überwiegend wirtschaftlich genutzt wird, so ist dies in der Regel ein ausreichendes Indiz für die Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen.806 Nicht ausrei chend für eine Zuordnung ist jedenfalls eine bloße Verwendungsabsicht des Gegenstands für unternehmerische Zwecke.807 Um die Frage der Er kennbarkeit der Zuordnungsentscheidung im Einzelfall mit letzter Si cherheit zu klären, müsste ein nationales Gericht dem EuGH im Zweifel einen entsprechenden Fall zur Entscheidung vorlegen. Das Zuordnungswahlrecht ist bei Bezug des Wirtschaftsguts auszu üben. Dies folgt aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer.808 800 BFH vom 31.01.2002 – V R 61/96 = DStR 2002, 633, unter 2. 801 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 324. 802 BFH vom 18.09.2019 – XI R 3/19 = BeckRS 2019, 35578, Rn. 27; BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 2349, Rn. 23; Hundt-Eßwein in Offerhaus/ Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 358; Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 331; von Streit/Zugmaier, DStR 2010, 524 (529); Becker, BB 2012, 611 (614); Sterzinger, UR 2018, 377 (382). 803 BFH vom 31.01.2002 – V R 61/96 = DStR 2002, 633, unter 2. 804 Vgl. BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 2349, Rn. 23; Sölch/Ringleb/ Oelmaier UStG § 15 Rn. 285; Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 330; Heinrichshofen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15 Ib Rn. 30. 805 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 285; Klenk, UVR 1997, 105 (106). 806 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 333. 807 BFH vom 18.07.2014 – XI B 37/14 = MwStR 2015, 23, Leitsatz. 808 BFH vom 18.09.2019 – XI R 7/19 = DStR 2020, 220, Rn. 25; BFH vom 12.07.2012 – XI R 17/09 = MwStR 2013, 51, Rn. 38; Heinrichshofen, in: Hartmann/Metzen macher, UStG, § 15 Ib Rn. 31.
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Diese Voraussetzung ist allerdings so zu verstehen, dass eine Zuord nungserklärung in der zeitnah erstellten Umsatzsteuererklärung des Jah res, in dem die Leistung bezogen wird, noch ausreichend ist,809 d. h. gem. § 149 II 1 AO bis zum 31. Juli des Folgejahres.810 Für diese Auslegung spricht nach der Rechtsprechung und der Literatur, dass gem. § 16 I 2 UStG das Kalenderjahr der maßgebliche Zeitraum sei, in dem die Ein gangs- und Ausgangsumsätze besteuert werden. Ferner stelle der Gesetz geber auch im Rahmen der Vorsteuerberichtigung gem. § 15a I, V UStG auf das Kalenderjahr respektive auf den Berichtigungszeitraum gem. § 15a II 2 UStG ab.811 Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo lässt diesen Grundsatz unberührt.812 3. Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs Das nationale Recht übernimmt, soweit ersichtlich, die Rechtsprechung des EuGH. Damit der Vorsteuerabzug für einen Eingangsumsatz abzieh bar ist, muss dieser direkt und unmittelbar im Zusammenhang mit ei nem besteuerten Ausgangsumsatz stehen.813 Dies ist dann der Fall, wenn der Eingangsumsatz zu den Kostenelementen des Ausgangsumsatzes ge hört.814 Demgegenüber ist ein Vorsteuerabzug bei steuerfreien Umsätzen oder solchen außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehrwertsteuer rechts (sog. vorsteuerschädliche Umsätze) ausgeschlossen.815 In diesen Fällen ist der Zusammenhang zwischen den Eingangsleistungen und der anschließenden unternehmerischen Tätigkeit unterbrochen.816 Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang, ist die Vorsteuer gleichwohl abziehbar, wenn der Eingangsumsatz allgemeine Aufwen dungen (sog. Gemeinkosten) betrifft, die in den Preis der besteuerten Ausgangsumsätze einkalkuliert sind und deshalb im Zusammenhang 809 BFH vom 14.03.2017 – V B 109/16 = BeckRS 2017, 94596, Rn. 5; BFH vom 11.07.2012 – XI R 17/09 = MwStR 2013, 51, Rn. 40; BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 239, Rn. 24; Küffner/Zugmaier, DStR 2011, 1954. 810 Klein/Rätke AO § 149 Rz. 19; Abschnitt 15.2c XVI 4, 5 UStAE. 811 BFH vom 07.07.2011 – V R 21/10 = DStR 2011, 239, Rn. 25; Lange, UR 2008, 23 (27); siehe auch EuGH vom 04.10.1995 – C-291/92, Armbrecht = NJW 1996, 41, Rn. 21. 812 Strittig, siehe dazu S. 112 ff. 813 BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 26; Abschnitt 15.2b II 3 UStAE. 814 Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 18; Abschnitt 15.2b II 4 Nr. 1 S. 2 UStAE. 815 Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 21; Abschnitt 15.2b II 4 Nr. 2 S. 1 UStAE. 816 BFH vom 16.09.2015 – XI R 27/13 = BeckRS 2015, 96068, Rn. 42; EuGH vom 22.10.2015 – C-126/14, Sveda = MwStR 2016, 67, Rn. 32; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 246.
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mit der Gesamtheit der unternehmerischen Tätigkeit stehen.817 Steuer freie und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten können nicht zu diesen Ge meinkosten gehören.818 Die Annahme von Gemeinkosten kommt nur in Betracht, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang nicht ermittelt werden kann oder dies mit einem unverhältnismäßigen Auf wand verbunden wäre. D. h. Gemeinkosten sind bei Bestehen eines di rekten und unmittelbaren Zusammenhangs subsidiär.819 Trotz anders lautender BFH-Rechtsprechung820 erscheint es überlegens wert, anstelle der zum Teil unpräzisen Abgrenzung zwischen Kosten elementen der wirtschaftlichen Tätigkeiten und Gemeinkosten für die wirtschaftliche Gesamttätigkeit lediglich darauf abzustellen, ob die Ein gangsleistung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers steht und das Vorsteuerabzugsrecht allein davon abhängig zu machen.821 Ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang vorliegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Sachverhalts zu klären.822 Damit ein Ein gangsumsatz in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit ei nem Ausgangsumsatz stehen kann, muss dieser nach dem Eingangsum satz ausgeführt werden. Steht ein Eingangsumsatz allerdings mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit in Zusammenhang, ist es für den Vor steuerabzug unschädlich, wenn der Umsatz nach dem Ausgangsumsatz ausgeführt wird.823 Letzterer Fall wäre beispielsweise gegeben, wenn Rechtsanwalt R be schließt, in den Ruhestand zu gehen und seine Kanzlei aufzugeben, ob wohl der Mietvertrag (gewerbliche Vermietung)824 über die Kanzleiräume noch mehrere Jahre ohne Kündigungsmöglichkeit läuft. Von der nach 817 BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 22 ff.; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 13 ff.; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 226; Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 19, 22a; Weymüller/ Looks UStG § 15 Rn. 67, 69; Abschnitt 15.2b II Nr. 3 UStAE. 818 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 227. 819 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 245. 820 BFH vom 09.12.2010 – V R 17/10 = DStR 2011, 460, Rn. 13 ff.; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 12 ff.; BFH vom 11.04.2013 – V R 29/10 = DStR 2013, 1475, Rn. 19 ff.; BFH vom 13.12.2017 – XI R 3/16 = DStR 2018, 860, Rn. 27 f. 821 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 513 ff. 822 BFH vom 16.09.2015 – XI R 27/13 = BeckRS 2015, 96068, Rn. 42; BFH vom 22.04.2015 – XI R 10/14 = MwStR 2015, 768, Rn. 35. 823 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 230, 244. 824 Der Beispielsfall unterstellt, dass der Vermieter gem. § 9 I, II UStG zulässigerweise zur Mehrwertsteuerpflicht optiert hat.
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Aufgabe der Kanzlei weiter zu entrichtenden Miete kann R nach wie vor den Vorsteuerabzug vornehmen. Das Beispiel zeigt, dass ausschließlich der wirtschaftliche Zusammenhang maßgeblich ist, um ein Vorsteuerab zugsrecht zu begründen.825 Nicht ausreichend für die Annahme eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs ist bloße Kausalität zwischen einem Eingangs- und Ausgangsumsatz.826 Keine Relevanz hat ferner der endgültige Zweck, der mit den Eingangsumsätzen verfolgt wird.827 Stattdessen ist der objektive Inhalt der bezogenen Leistung, also die „objektive Natur“ des jeweili gen Umsatzes maßgeblich, um einen direkten und unmittelbaren Zu sammenhang zwischen einem Eingangs- und einem oder mehreren Aus gangsumsätzen zu bestimmen.828
B. Sonderfall der teilunternehmerischen Grundstücksnutzung (§ 15 Ib 1 UStG) § 15 Ib UStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2010829 in das Umsatz steuergesetz eingefügt. Satz 1 der Vorschrift lautet:830 „Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt.“
I. Anwendungsbereich und Zweck der Vorschrift Verwendet der Unternehmer ein Grundstück831 sowohl für Zwecke sei nes Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb seines Unterneh 825 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 506; Weymüller/S. Müller UStG § 2 Rn. 40.1. 826 Siehe hierzu das EuGH-Urteil Becker auf S. 124 f. 827 BFH vom 09.12.2010 – V R 17/10 = DStR 2011, 460, Rn. 15; Sölch/Ringleb/Oel maier UStG § 15 Rn. 231 f. 828 Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 18 mit Rechtsprechungshinweisen; Weymüller/ Looks UStG § 15 Rn. 66.6 f. 829 JStG 2010 vom 08.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 (1786). 830 Der Abdruck von Satz 2 ist hier entbehrlich. 831 Das Grundstück definiert sich nicht nach dem nationalen Zivilrecht, sondern we gen der Bindung an das Unionsrecht nach Art. 13b MwSt-VO. Dementsprechend
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mens liegen (= unternehmensfremde Zwecke)832, ist die Steuer für die getätigten Eingangsumsätze im Zusammenhang mit diesem Grundstück gem. § 15 Ib 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit diese Umsätze nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Un ternehmens entfallen. Aufgrund der Vorschrift kann der Unternehmer durch die Zuordnung der Eingangsumsätze zum Unternehmen nicht mehr wie im Fall Seeling833 den vollen Vorsteuerabzug geltend machen und die Verwendung außerhalb des Unternehmens gem. § 3 IXa Nr. 1 UStG nachversteuern.834 Unter den Tatbestand fallen grundsätzlich alle Aufwendungen im Zu sammenhang mit einem Grundstück, insbesondere die Anschaffung, die Herstellung von Gebäuden, der Erhaltungsaufwand und die laufenden Kosten.835 Ein Eingangsumsatz im Zusammenhang mit einem dem Un ternehmen zugeordneten Grundstück könnte etwa die Reparatur des Ge bäudedachs sein, unter dem das Unternehmen des Steuersubjekts betrie ben wird. Verwendet der Unternehmer dieses Gebäude z. B. zu 80 % für private, also außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke, ist der Vor steuerabzug der Reparaturkosten nur in Höhe von 20 % möglich. Hintergrund der Abschaffung des sog. Seeling-Modells war, dass mit die sem ein Liquiditätsvorteil836 einherging, da gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG der volle Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts geltend gemacht werden konnte und die Nachversteuerung gem. § 10 IV 1 Nr. 2 S. 3 in Verbindung mit § 15a I 2 UStG ratierlich über zehn Jahre bemessen wurde.837 Dieser mit dem Zuordnungswahlrecht einhergehende Liquiditätsvorteil gegenüber einem Nichtsteuerpflichtigen ist bei Grundstücken verfehlt, gelten auch Gebäude oder wesentliche Bestandteile von Gebäuden als Grundstück im Sinne der Norm; a. A. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 569, nach dem die §§ 94 f. BGB maßgeblich sind. 832 Dies folgt aus der richtlinienkonformen Auslegung, vgl. Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 15 Anm. 1429. 833 EuGH vom 08.05.2003 – C-269/00, Seeling = EuZW 2003, 635. 834 Wernsmann in: Schulze/Janssen/Kadelbach EuropaR-HdB § 31 Rn. 28; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter A.; siehe S. 22. 835 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1446. 836 Krumenacker, UR 2007, 473 (473, 478); Nieskoven, GStB 2009, 381; Spiegel/Heidler, DStR 2009, 1507 (1508); Slapio/Erdbrügger, EU-UStB 2009, 26 (30); Kußmaul/ Türk, BB 2010, 1187 (1191); Scholz/Nattkämper, EU-UStB 2010, 32 (34); Reiß, UR 2013, 148 (156); von Streit, UStB 2014, 120 (125); Hiller, DStR 2005, 809 (811), letzterer weist darüber hinaus auf den positiven Zinseffekt hin. 837 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 646; Bunjes/Heidner UStG § 15 Rn. 315; Grube, jurisPR-SteuerR 18/2011 Anm. 5, unter D.
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da der Anteil der jeweiligen Verwendung im Gegensatz zu beweglichen Sachen, wie z. B. einem Dienstwagen, durch die Grundfläche im Vorfeld genau angegeben werden kann. Bei gemischt genutzten Räumen ist der Anteil der unternehmerischen Verwendung zu schätzen, indem die Grundfläche der unternehmerisch genutzten Räume mit der Gesamtflä che ins Verhältnis gesetzt und dieser Prozentsatz zugrunde gelegt wird.838 Grundlegende Voraussetzung für die Anwendung des Tatbestands von § 15 Ib 1 UStG ist, dass das teilunternehmerisch genutzte Grundstück dem Unternehmen zugeordnet wurde.839 Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der nationalen Vorschrift, jedoch ist Art. 168a I MwStSystRL mit seiner Formulierung – „soweit ein dem Un ternehmen zugeordnetes Grundstück“ – eindeutig.840 Zudem folgt das Erfordernis der vorherigen Zuordnung aus dem Sinnzu sammenhang: Ansonsten wäre schon wegen § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG kein Vorsteuerabzugsrecht gegeben und es bedürfte keiner Anwendung des § 15 Ib 1 UStG mehr. Deswegen enthält die Vorschrift – ebenso wie § 15 I 2 UStG841 – kein Zuordnungsverbot, sondern ein Vorsteuerabzugsverbot.842 Demnach handelt es sich bei § 15 Ib 1 UStG um eine Beschränkung des Vorsteuer abzugsrechts, die gesetzessystematisch eine Abziehbarkeit nach dem Grundtatbestand voraussetzt.843 Die Voraussetzung der Zuordnung hat zur Folge, dass das Grundstück teilunternehmerisch genutzt werden muss, da bei einer vollständigen unternehmerischen Verwendung ein Vorsteuerabzugsrecht schon kraft Verwendung für das Unternehmen im Sinne der besteuerten Umsätze besteht und eine Ausübung des Zuordnungswahlrechts subsidiär ist.844 Für das Erfordernis einer teilunternehmerischen Verwendung des Grund
838 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1402 f. 839 Heinrichshofen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15 Ib Rn. 16; a. A. Kessens, EFG 2019, 1862 (1863); ebenso Wäger, UR 2012, 25 (28 f.). 840 Siehe S. 132 ff. 841 Siehe S. 142 ff. 842 Abschnitt 15.6a I 3 UStAE; Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 654; Weymül ler/Looks UStG § 15 Rn. 289.3; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 574 f.; Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange § 15 UStG Rn. 620; Gesetzes begründung zu Art. 4 des JStG 2010, BT-Drs. 17/2249, S. 77. 843 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1404. 844 Siehe S. 104 f.
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stücks spricht auch die tatbestandliche Formulierung des § 15 Ib 1 UStG „sowohl […] als auch.“845 Die teilunternehmerische Verwendung kann entweder räumlich oder zeitlich erfolgen.846 Beispiel für eine gemischte Nutzung in zeitlicher Hinsicht wäre, dass ein Gebäude zunächst sechs Monate für besteuerte Umsätze und anschließend sechs Monate zu Wohnzwecken, mithin pri vat, verwendet wird. Der nicht abziehbare Teil der teilunternehmeri schen Verwendung ist gem. § 15 IV 4, 1 UStG zu ermitteln.847 Ein im Zusammenhang mit einem Grundstück stehender Eingangsum satz wird teilunternehmerisch verwendet, wenn dieser z. B. Kosten für das Mauerwerk darstellt, nicht aber bei Kosten für einen Swimmingpool oder für eine Einbauküche in einem Gebäude, das ein Unternehmer bei spielsweise für mehrwertsteuerpflichtige anwaltliche Tätigkeiten und privat nutzt. Zwar lässt der Wortlaut des § 15 Ib 1 UStG für sich betrach tet auch die Auslegung zu, dass sämtliche Vorsteuerbeträge im Zusam menhang mit dem Grundstück unabhängig davon, ob die jeweiligen Um sätze tatsächlich teilunternehmerisch genutzt werden, abziehbar sind. Jedoch spricht § 15 IV 4 UStG, wonach § 15 IV 1 UStG auf die Fälle des § 15 Ib 1 UStG anzuwenden ist, gegen diese Auslegung.848 § 15 IV 1 UStG lautet: „Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.“ Die Vorschrift ist (verkürzt) wie folgt zu lesen: „Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die gem. § 15 Ib 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, so ist der Teil
845 Heinrichshofen, in: Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15 Ib Rn. 15. 846 Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 657; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Lan ger, UStG § 15 Rz. 581. 847 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 662; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Lan ger, UStG § 15 Rz. 582; Abschnitt 15.6a IV 1 UStAE. 848 Vertiefend Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1435 ff.; siehe dazu die Ausführungen im unionsrechtlichen Teil auf S. 129 ff.
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der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den gem. § 15 Ib 1 UStG ausgeschlossenen Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.“ Gem. § 15 Ib 1 UStG sind Umsätze für Zwecke, die außerhalb des Unter nehmens liegen (= unternehmensfremde Zwecke)849, vom Vorsteuerab zug ausgeschlossen. Die Umsätze für den Pool und die Einbauküche sind gänzlich und nicht nur zum Teil unternehmensfremd und können daher nicht gem. § 15 IV 1, 4 UStG aufgeteilt werden. Vielmehr scheidet der Vorsteuerabzug in diesem Fall gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG aus. Die Vorsteuerbeträge sind nur dann teilweise abziehbar, wenn sie tatsächlich zum Teil für besteuerte Umsätze verwendet werden. Für diese Sichtweise spricht auch, dass gem. Art. 13b lit. c MwSt-VO als Grundstück im Sinne des Art. 168a I MwStSystRL und somit auch im Sinne des § 15 Ib 1 UStG jeder wesentliche Bestandteil eines Gebäudes gilt. Der Pool und die Einbauküche stellen wesentliche Bestandteile des Gebäudes dar. Diese „Grundstücke“ werden im Beispielsfall aber nicht teilunternehmerisch genutzt.
II. Unternehmenstatbestand der Vorschrift im Zusammenhang mit § 3 IXa UStG Ob der Unternehmenstatbestand in den Art. 26 I lit. a und 168a I MwSt SystRL möglicherweise identische Bedeutung hat, wurde bereits unter sucht und abgelehnt.850 Zusammenfassend ist festzustellen: Für nicht wirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne besteht gem. Art. 168 lit. a MwStSystRL kein Vorsteuerabzugsrecht.851 Dies verhält sich im deut schen Recht im Rahmen von § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG genauso.852 Aus der Systematik des Art. 168a I MwStSystRL folgt, dass seine Anwen dung ein grundsätzlich bestehendes Vorsteuerabzugsrecht nach Art. 168 MwStSystRL zwingend voraussetzt. Ebenso verhält es sich bei § 15 Ib 1 und § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG.853 Grund für das Fehlen eines Vorsteuerab 849 Dies folgt aus der richtlinienkonformen Auslegung, vgl. Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 15 Anm. 1429. 850 Siehe S. 132 ff. 851 EuGH vom 13.03.2008 – C-437/06, Securenta = EuZW 2003, 635, Rn. 30 f.; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 37. 852 BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 19; BFH vom 09.02.2012 – V R 40/10 = DStR 2012, 518, Rn. 23, 25; BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 21; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 10, 16, 28; Grube, MwStR 2014, 688 (689). 853 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1404.
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zugsrechts hinsichtlich nichtwirtschaftlicher Verwendungen ist, dass bei diesen kein Zuordnungswahlrecht ausgeübt werden kann.854 Auch dieses setzen Art. 168a I MwStSystRL und § 15 Ib 1 UStG voraus. Daher ist Art. 168a I MwStSystRL respektive § 15 Ib 1 UStG bei gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL bzw. § 3 IXa UStG unternehmenseigenen, nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne (weiter Unterneh mensbegriff) nicht anwendbar.855 Deshalb spielt der weite Unterneh mensbegriff im Rahmen von Art. 168a I MwStSystRL und § 15 Ib 1 UStG keine Rolle. Mithin ist es abzulehnen, dass § 15 Ib 1 UStG entgegen Art. 168a I MwSt SystRL richtlinienwidrig den engen Unternehmenstatbestand enthal te.856 Vielmehr ist der Unternehmenstatbestand des § 15 Ib 1 UStG rich tigerweise dreimal einheitlich, an die besteuerten Umsätze anknüpfend, eng auszulegen.857 Für die enge Auslegung des Unternehmensbegriffs im Rahmen der Vor schrift spricht auch, dass diese in aller Regel nur natürliche Personen hinsichtlich ihres privaten Bedarfs, also die Verhinderung der Seeling- Rechtsprechung, betrifft.858 Bei natürlichen Personen gibt es nur einen engen Unternehmenstatbestand,859 d. h. nichtwirtschaftlich bzw. nicht unternehmerisch ist in Bezug auf natürliche Personen mit privat bzw. unternehmensfremd gleichzusetzen. Zwar ist eine Anwendung von § 15 Ib 1 UStG auch bei Vereinigungen im Falle einer unternehmens fremden Verwendung für den Bedarf ihres Personals nicht ausgeschlos
854 BFH vom 03.08.2017 – V R 62/16 = DStR 2017, 2661, Rn. 19 f.; BFH vom 19.07.2011 – XI R 29/09 = DStRE 2011, 1530, Rn. 31, 35 ff.; BFH vom 03.03.2011 – V R 23/10 = DStR 2011, 1077, Rn. 17; Lohse, UR 2020, 333 (335); Reiß, UR 2020, 747 (756 f.); Heuermann, DStR 2017, 2664. 855 Vgl. Sölch/Ringleb/Oelmaier UStG § 15 Rn. 658; Stadie in Rau/Dürrwäch ter, UStG, § 15 Anm. 1405, 1429; Abschnitt 15.6a I 4 UStAE. 856 A. A. Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926, der die Auffassung vertritt, dass § 15 Ib 1 UStG richtlinienwidrig nicht den weiten Unternehmensbegriff der Art. 26 und 168a MwStSystRL enthält. 857 A. A. Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 926, der davon ausgeht, dass der Unternehmenstatbestand beim ersten und zweiten Mal wie bei der unentgeltlichen Wertabgabe weit und beim dritten Mal im Sinne der besteuerten Umsätze eng auszulegen ist. 858 Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Anm. 1430. 859 EuGH vom 15.09.2016 – C-400/15, Landkreis Potsdam-Mittelmark = DStR 2016, 2219, Rn. 32; EuGH vom 12.02.2009 – C-515/07, VNLTO = DStR 2009, 369, Rn. 39; Lohse, in: FS 100 Jahre Umsatzsteuer in Deutschland 1918–2018, S. 921.
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sen. Dennoch umfasst der Unternehmensbegriff im Sinne der Vorschrift nur die besteuerten Umsätze.860 Aufgrund der einheitlichen Auslegung des Unternehmensbegriffs im Rahmen des § 15 Ib 1 UStG bedarf die eingangs861 aufgeworfene Frage, ob eine unterschiedliche unionsrechtskonforme Auslegung desselben Tat bestandsmerkmals innerhalb eines Satzes einer Rechtsnorm möglich ist, keiner Beantwortung mehr. Vielmehr ist das Tatbestandsmerkmal des „Unternehmens“ genau wie bei § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG862 als „besteuer te Umsätze“ auszulegen. Der Unternehmenstatbestand des § 15 I 1, Ib UStG kann unionsrechts konform ausgelegt werden863 und ist deshalb unionsrechtskonform.864
860 Siehe dazu den eingebauten Beispielsfall und die weiteren Ausführungen auf S. 132 ff.; siehe auch Englisch, in: Englisch/Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Be richt 2010, S. 36. 861 Siehe S. 13. 862 Siehe S. 138. 863 Obwohl man diese Auslegung als „mühevoll“ empfinden kann, vgl. Lohse, in: Wagnerová/Sander, Die Rechtsprache in der internationalen Diskussion, S. 99. 864 Für eine Neujustierung des Unternehmensbegriffs im Umsatzsteuergesetz: Pull, Die Sphärentheorie im Mehrwertsteuerrecht, S. 89 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse Zu Kapitel 1: Normzweck des Art. 26 I MwStSystRL ist die steuerliche Gleichbehand lung von Steuersubjekten und Endverbrauchern. Ohne die Vorschrift könnte ein Steuerpflichtiger einen dem Unternehmen zugeordneten Ge genstand unternehmensfremd verwenden, nachdem die Vorsteuer abge zogen wurde. Dadurch käme es zu einem unversteuerten Endverbrauch und einer Ungleichbehandlung gegenüber Nichtsteuerpflichtigen, die keinen Vorsteuerabzug ausüben können. Jeder Zweck, der nicht in den Bereich des Unternehmens im Sinne der Vorschrift fällt, ist unterneh mensfremd.865 Eine natürliche Person kann einen teilunternehmerisch genutzten Ge genstand dem Unternehmen zuordnen. Für einen Gegenstand, der dem Unternehmen zugeordnet wird, besteht ein vollständiges Vorsteuerab zugsrecht. Der Grund dafür ist, dass das Unternehmen einer natürlichen Person nur entgeltliche, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer systemrichtlinie fallende Tätigkeiten umfasst. D. h. der Begriff des Un ternehmens ist stets eng auszulegen. Unternehmensfremd ist jegliche private Verwendung seitens einer natürlichen Person. Der Umfang einer privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegen stands ist gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL nachzuversteuern, wenn für diesen Gegenstand ein Vorsteuerabzug erfolgt ist.866 Im Urteil VNLTO gewährte der EuGH einer Vereinigung nur einen parti ellen Vorsteuerabzug und entschied, dass Umsätze im nichtwirtschaft lichen ideellen Bereich nicht unternehmensfremd seien, weil sie dem Satzungs- bzw. Unternehmenszweck dienen. Das Vorliegen der Voraus setzungen des Art. 6 II lit. a der 6. MwSt-RL bzw. Art. 26 I lit. a MwSt SystRL wurde tatbestandlich verneint, weil eine nichtwirtschaftliche Haupttätigkeit einer Vereinigung nicht unternehmensfremd ist. Die Anwendbarkeit des Art. 6 II der 6. MwSt-RL bzw. Art. 26 I lit. a MwStSystRL bei natürlichen Personen lässt die Entscheidung dagegen unberührt, da der Gerichtshof ausspricht, dass eine private Verwendung ein völlig unternehmensfremder Zweck sei. Die Vorschriften enthalten bei Vereinigungen eine Erweiterung des Unternehmensbegriffs, da die 865 Siehe S. 15 ff. 866 Siehe S. 18 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
ser – im Gegensatz zum Begriff des Unternehmens bei natürlichen Perso nen – auch Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des Mehr wertsteuerrechts umfasst. Der EuGH begründete diese Entscheidung in seinem späteren Urteil Landkreis Potsdam-Mittelmark mit der Systematik des Mehrwertsteu errechts. Daraus ergebe sich, dass die Unterscheidung zwischen wirt schaftlichen und nichtwirtschaftlichen Verwendungen anderen Kriterien folge als die Differenzierung zwischen einer unternehmenseigenen und unternehmensfremden Verwendung. In Anbetracht der unterschied lichen Tatbestandsvoraussetzungen der unentgeltlichen Wertabgabe, für die ein dem Unternehmen zugeordneter Gegenstand maßgeblich ist, ge genüber Art. 9 MwStSystRL, der auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit abstellt, und Art. 168 MwStSystRL, der eine Verwendung für besteuerte Umsätze voraussetzt, erscheint dies überzeugend. Weiter spricht für die Richtigkeit der VNLTO-Entscheidung, dass eine nichtwirtschaftliche bzw. nichtunternehmerische Verwendung nicht ge nerell mit einer unternehmensfremden Verwendung gleichgesetzt wer den kann, sonst wäre der Steuerpflichtige mit dem Unternehmen im Be deutungsgehalt identisch und es bedürfte keiner unterschiedlichen Bezeichnungen. Zudem ist eine private Verwendung durch eine natürliche Person nach Art. 26 I lit. a MwStSystRL ausdrücklich unternehmensfremd. Das Un ternehmen einer Vereinigung kann dagegen durch Auslegung bestimmt werden. Ferner sieht auch Art. 43 Nr. 1 MwStSystRL eine Unterteilung des nicht wirtschaftlichen Bereichs in eine unternehmenseigene und unterneh mensfremde Sphäre vor. Zuletzt spricht Art. 18 lit. b MwStSystRL für die Zugehörigkeit einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zum Unternehmen im Sinne der Mehr wertsteuersystemrichtlinie.867 Ein Vorsteuerabzugsverbot für Tätigkeiten außerhalb des Anwendungs bereichs des Mehrwertsteuerrechts enthielt erstmals das Urteil Securenta. Aufgrund des Verbots war diese Entscheidung für die spätere VNLTO- Rechtsprechung wegweisend. Der Vorsteuerabzug konnte nicht erfolgen, da Art. 26 I lit. a MwStSystRL auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten einer Vereinigung nicht anwendbar ist. Zweck des Abzugsverbots ist die Ver 867 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 25 ff.
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Zu Kapitel 1
hinderung eines unversteuerten Endverbrauchs. Wäre das Tatbestands merkmal „unternehmensfremd“ gegeben, verhinderte dies den unver steuerten Endverbrauch und der Vorsteuerabzug könnte genau wie bei natürlichen Personen bei einer Zuordnung zum Unternehmen vollstän dig gewährt werden.868 Unternehmensfremde Tätigkeiten einer Vereinigung sind insbesondere solche für den Bedarf ihres Personals. Bei der Bejahung des Tatbestands merkmals „unternehmensfremd“ und der Anwendung der unentgelt lichen Wertabgabe ist Zurückhaltung geboten, denn durch sie entsteht unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 168 MwStSystRL ein Vorsteuerabzugsrecht. Die restriktive Anwendung der unentgeltlichen Wertabgabe hat zur Konsequenz, dass bei Vereinigungen auch nichtwirt schaftliche Tätigkeiten unternehmenseigen sein können. Diese sind zwar dem Unternehmen der Vereinigung zugeordnet, nicht aber ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit.869 Neben Art. 26 MwStSystRL, der die unternehmensfremde Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands der Steuer unter wirft, existiert noch Art. 16 MwStSystRL, der die Entnahme eines Ge genstands aus dem Unternehmen besteuert. Der Unternehmensbegriff ist in beiden Vorschriften aus systematischen und teleologischen Grün den identisch. Dies bestätigt auch die Kohärenz des Wortlauts als Ziel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.870 Das Unternehmen im Sinne des § 2 I 2 UStG wird tätigkeits-, nicht ver mögensbezogen definiert. Nach dem Wortlaut umfasst es die gewerbli che und berufliche (= unternehmerische) Tätigkeit. Mithin ist der Unter nehmensbegriff im Rahmen der Vorschrift eng auszulegen. Gegenteil der unternehmerischen Tätigkeit ist die nichtunternehmeri sche Tätigkeit. Nichtunternehmerisch ist der Oberbegriff für unter nehmensfremde, z. B. private, und nichtunternehmerische Tätigkeiten im engeren Sinne, worunter beispielsweise ideelle Zwecke einer Vereini gung fallen. Der Begriff „außerunternehmerisch“ knüpft an die unternehmerische Tätigkeit, nicht an das Unternehmen an. Deshalb ist diese Terminologie anstelle von „unternehmensfremd“ bzw. „außerhalb des Unternehmens“ abzulehnen, da der Unternehmerbegriff nicht mit dem Unternehmen, 868 Siehe S. 32 ff. 869 Siehe S. 35 ff. 870 Siehe S. 39 f.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
das im Rahmen von § 3 Ib, IXa UStG auch nichtunternehmerische Tätig keiten umfasst, gleichgesetzt werden kann.871 „Im Rahmen seines Unternehmens“ im Sinne von § 1 I Nr. 1 S. 1 UStG ist unionsrechtskonform als „im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätig keit“ auszulegen und weist daher ebenfalls einen engen Begriffsinhalt auf.872 Vor der VNLTO-Entscheidung ging der Rechtsanwender, also jeder, der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie oder vom Umsatzsteuergesetz betroffen ist, davon aus, dass das Unternehmen nur die unternehme rische Tätigkeit umfasst. Dementsprechend waren nichtunternehme rische Tätigkeiten immer außerhalb des Unternehmens im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG. Seit dieser Entscheidung, wonach ideelle Vereinszwe cke unternehmenseigen sind, kann an vorstehender Abgrenzung zwi schen dem Unternehmen und unternehmensfremd nicht mehr uneinge schränkt festgehalten werden. Vielmehr umfasst das Unternehmen im Sinne des § 3 Ib, IXa UStG, das unionsrechtskonform nach dem Unternehmensbegriff der Art. 16 und 26 MwStSystRL ausgelegt werden muss, einen engen unternehmeri schen Bereich und einen weiten nichtunternehmerischen Bereich. Die Gegenauffassung, die das Unternehmen generell mit der unterneh merischen Tätigkeit und ideelle Vereinszwecke mit unternehmensfremd gleichsetzt, ist unionsrechtswidrig und daher abzulehnen.873 Das Umsatzsteuergesetz enthält keine historischen, systematischen oder teleologischen Anhaltspunkte für die unterschiedliche Auslegung des Unternehmenstatbestands. Vorbehaltlich der unionsrechtskonformen Auslegung des § 3 Ib, IXa UStG entgegen allen Anhaltspunkten im deut schen Recht erscheint es überzeugend, dass die Bundesrepublik Deutsch land die verwirrende begriffliche Unklarheit durch die Übernahme der unionalen Terminologie im Umsatzsteuergesetz beseitigen muss und zum jetzigen Zeitpunkt nicht ihrer Umsetzungspflicht aus Art. 288 III AEUV genügt.874
871 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 41 ff. 872 Siehe S. 44. 873 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 47 ff. 874 Siehe S. 54 ff.
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Zu Kapitel 2
Zu Kapitel 2: Steuerpflichtiger im Sinne des unionalen Mehrwertsteuerrechts ist, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt, vgl. Art. 9 I UAbs. 1 MwStSystRL. Die Begrifflichkeit des Steuerpflichtigen ist eine Personen bezeichnung. Aufgrund der Rechtsformneutralität des Mehrwertsteuer rechts kann jedes Rechtsgebilde Steuerpflichtiger sein. Gegenbegriff des Steuerpflichtigen ist der Nichtsteuerpflichtige, also der Endverbraucher. Eine wirtschaftliche Tätigkeit muss nachhaltig und mit Einnahmeerzie lungsabsicht, mithin gegen Entgelt, ausgeübt werden. Sie beginnt mit der ersten Vorbereitungshandlung und umfasst alle Handlungen bis zu ihrer Beendigung.875 Die Begriffe des Steuerpflichtigen und der wirtschaftlichen Tätigkeit sind Typusbegriffe. D. h. die Steuerpflichtigeneigenschaft und das Vorlie gen einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind durch einen wertenden Ver gleich zu ermitteln.876 Der Anwendungsbereich des Mehrwertsteuerrechts erstreckt sich auf wirtschaftliche Tätigkeiten. Außerhalb des Anwendungsbereichs liegen die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten. Der Steuerpflichtige handelt mit hin als solcher im Sinne des Art. 2 I MwStSystRL, wenn er Umsätze im Rahmen seiner entgeltlichen wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt.877 Eine Leistungserbringung ist entgeltlich, wenn zwischen der Leistung und der Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist anzunehmen, wenn nachhaltig Ein nahmen erzielt werden sollen und die erhaltene Vergütung den tatsächli chen Gegenwert der erbrachten Leistung darstellt. Ob eine nachhaltige Einnahmeerzielungsabsicht vorliegt, ist nach den Umständen des Einzel falls zu ermitteln. Eine Leistungserbringung unter dem Marktpreis zieht noch keine Unter brechung des Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung nach sich. Dieser ist jedenfalls dann unterbrochen, wenn das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung derart asymmetrisch ist, dass ver nünftigerweise nicht mehr von einer Gegenleistung ausgegangen werden kann. Im Zusammenhang mit juristischen Personen des öffentlichen
875 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 61 ff. 876 Siehe S. 66 f. 877 Siehe S. 68.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
Rechts ist weiteres Kriterium, ob die Leistung am allgemeinen Markt angeboten wird.878 Eine Aktienholding ist wirtschaftlich tätig, wenn sie in die Verwaltung der Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft eingreift und ihr mehrwert steuerpflichtige Dienstleistungen erbringt. Der bloße Erwerb, das bloße Halten und der bloße Verkauf von Aktien, vergleichbar mit der Tätigkeit eines privaten Anlegers, ist dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit, da entgegen Art. 9 I UAbs. 2 S. 2 MwStSystRL kein Gegenstand zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen genutzt wird, sondern das Entgelt in einem möglichen Verkaufsgewinn der Aktie bzw. einer Dividende liegt.879 Eine einheitliche wirtschaftliche Tätigkeit kann von mehreren unter schiedlichen Rechtssubjekten ausgeübt werden, wenn eine Person oder Vorgründungsgesellschaft ein Wirtschaftsgut erwirbt und dieses in en gem zeitlichen Zusammenhang an die eigentlich wirtschaftlich tätige Gesellschaft endgültig überträgt. Eine ggf. steuerfreie Übertragung des Wirtschaftsguts steht der einheitlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen. Voraussetzung ist, dass der Vorsteuerabzug ansonsten entgegen dem Neutralitätsgrundsatz nicht geltend gemacht werden kann und kein un mittelbarer Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen oder nichtwirt schaftlichen Tätigkeit des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft besteht. In dieser Konstellation ist es überzeugend, von einem einheitli chen Steuerpflichtigen auszugehen und die Steuerpflichtigeneigenschaft ist der Gesellschaft zuzurechnen, die später die entgeltlichen Ausgangs umsätze erbringt.880 Steuersubjekt und steuerpflichtige Person des Umsatzsteuergesetzes ist der Unternehmer. Unternehmer im Sinne des § 2 I 1 UStG ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Eine gewerbli che oder berufliche (= unternehmerische) Tätigkeit muss in Abgrenzung zu gelegentlichem Tätigwerden nachhaltig und mit Einnahmeerzie lungsabsicht erfolgen. Für eine unternehmerische Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung des BFH entscheidend, dass sie dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einer wirtschaftlichen Tätigkeit gleicht.
878 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 69 ff. 879 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 74 ff. 880 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 78 ff.
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Zu Kapitel 3
Der Unternehmerbegriff ist ebenso wie die unternehmerische Tätigkeit ein Typusbegriff und unabhängig von einer bestimmten Rechtsform. Gegenbegriff des Unternehmers ist der Nichtunternehmer, mithin der Endverbraucher. Dieser wird nichtunternehmerisch tätig. Nichtunter nehmerische Tätigkeiten unterteilen sich in Tätigkeiten außerhalb des Unternehmens (= unternehmensfremde Tätigkeiten) und nichtunterneh merische Tätigkeiten im engeren Sinne. Eine teilunternehmerische Verwendung ist jede Verwendung für unter nehmerische und nichtunternehmerische Tätigkeiten. Die Terminologie der „teilunternehmerischen Verwendung“ ist gegenüber der Termino logie der „gemischten Verwendung“ vorzugswürdig, da unter eine ge mischte Verwendung auch Verwendungen für steuerpflichtige und steu erfreie Zwecke fallen und diese damit unspezifischer ist.881 Die Rechtsprechung des BFH entspricht – soweit ersichtlich – der Recht sprechung des EuGH. Die europäischen und deutschen Begriffe des Steu ersubjekts und der subjektbezogenen Merkmale stimmen inhaltlich voll ständig überein.882
Zu Kapitel 3: Zentrale Vorsteuerabzugsvoraussetzung ist gem. Art. 168 MwStSystRL die Verwendung der Leistung für besteuerte Umsätze bzw. für die wirt schaftliche Tätigkeit, mithin ein Handeln des Steuerpflichtigen als sol cher im Zeitpunkt des Erwerbs. Ob ein derartiges Handeln vorliegt, ist eine Tatsachenfrage, die anhand aller Gegebenheiten des Sachverhalts im Einzelfall zu ermitteln ist. Nach dem EuGH besteht ein Vorsteuerabzugsrecht, wie gering auch im mer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag. Für nichtwirtschaftliche, außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehr wertsteuersystemrichtlinie liegende oder für steuerfreie Tätigkeiten kommt kein Vorsteuerabzugsrecht in Betracht.883 Im Zusammenhang mit einer nichtwirtschaftlichen Verwendung im engeren Sinne ist eine Zuordnungsentscheidung zu den besteuerten Umsätzen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug nicht erforderlich, wenn der betreffende Gegenstand daneben objektiv für besteuerte Umsätze 881 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 82 ff. 882 Siehe S. 88 f. 883 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 98 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
verwendet wird. Dies bestätigt das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo. Im Streitfall war eine Ausübung des Zuordnungswahlrechts aufgrund der nichtwirtschaftlichen Verwendung im engeren Sinne nicht möglich, un geachtet dessen musste ein Vorsteuerabzugsrecht im Rahmen der späte ren wirtschaftlichen Verwendung aus Gründen des mehrwertsteuerli chen Neutralitätsgrundsatzes gewährt werden. Unabhängig davon besteht ein Zuordnungswahlrecht nur im Rahmen von teilunternehmerischen Verwendungen. Bei einer vollständigen Ver wendung eines Gegenstands für besteuerte Umsätze ist das Vorsteuer abzugsrecht aufgrund dieser objektiven Verwendung zu gewähren, vgl. Art. 168 lit. a MwStSystRL. Übt der Steuerpflichtige sein Vorsteuerabzugsrecht vollständig aus, ist also zunächst zu prüfen, ob der Gegenstand vollumfänglich für besteuer te Umsätze verwendet wird. Nur wenn dieser „Verwendungsvorsteuer abzug“ mangels kompletter Verwendung für besteuerte Umsätze im Zeitpunkt des Erwerbs kein vollständiges Abzugsrecht ergäbe, ist nach rangig zu prüfen, ob ein vollständiger Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts möglich ist. Der „Zuordnungsvorsteuer abzug“ ist daher gegenüber dem „Verwendungsvorsteuerabzug“ subsi diär.884 Ein Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts kommt in Betracht, wenn eine natürliche Person einen Gegenstand sowohl für besteuerte Umsätze als auch privat verwendet. Durch willentliche Zu ordnung des Gegenstands zu den besteuerten Umsätzen wird ein Han deln als Steuerpflichtiger in Bezug auf den Gegenstand fingiert und ein Vorsteuerabzugsrecht in voller Höhe entsteht. Der Umfang der Zuord nung liegt im Ermessen des Steuerpflichtigen. Aufgrund der fehlenden Anwendbarkeit der Vorsteuerberichtigungsvor schriften in den Art. 184 ff. MwStSystRL ist dem Steuerpflichtigen zu raten, den teilunternehmerisch genutzten Gegenstand vollständig den besteuerten Umsätzen zuzuordnen. Ansonsten kann die Vorsteuer bei nachträglicher Erhöhung des Verwendungsanteils für besteuerte Umsät ze nicht mehr abgezogen werden. Außerdem entgeht dem Steuerpflichti gen ein Liquiditätsvorteil, wenn er von einer vollständigen Ausübung des Zuordnungswahlrechts absieht.885
884 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 101 ff. 885 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 106 ff.
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Zu Kapitel 3
Vereinigungen können das Zuordnungswahlrecht im Zusammenhang mit privaten Verwendungen ihres Personals ausüben. Im Rahmen von nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne ist die Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen ausgeschlossen, wie der EuGH im Urteil VNLTO entschied.886 Die Formulierung der Zuordnung zu den besteuerten Umsätzen ist ge genüber der Formulierung der Zuordnung zum Unternehmen, die der EuGH auch nach seinem Urteil VNLTO verwendet, vorzugswürdig. Denn der Begriff des Unternehmens umfasst seit der Entscheidung auch nicht wirtschaftliche Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehr wertsteuer, in deren Rahmen kein Vorsteuerabzug möglich ist. Der in den Art. 26 I lit. a und 168a MwStSystRL angelegte und in der EuGH-Rechtsprechung praktizierte Vorsteuerabzug durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts ist überzeugend. Dies zeigt sich durch die Vor schrift des Art. 168a MwStSystRL, deren erster Absatz die Zuordnung nach seinem Wortlaut voraussetzt und deren zweiter Absatz es in das Ermessen der Mitgliedstaaten stellt, einen Vorsteuerabzug nur in Höhe der tatsächlichen Verwendung auch bei beweglichen Gegenständen ein zuführen. Mithin enthält das unionale Recht keine Grundlage, den Zu ordnungsvorsteuerabzug zu unterbinden. Weiter korrigiert die Gegenauffassung den Vorsteuerabzug zulasten des Steuerpflichtigen gem. Art. 26 I lit. a MwStSystRL und müsste diesen bei einer nachträglichen Erhöhung des Anteils der wirtschaftlichen Ver wendung zugunsten des Steuerpflichtigen gem. Art. 184 ff. MwStSystRL berichtigen. Dies überzeugt nicht, weil die Berichtigungsvorschriften im Rahmen ihres Anwendungsbereichs auf Korrekturen zugunsten so wie zulasten des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, vgl. Art. 184 MwSt SystRL. Hinzu kommt, dass Art. 26 I lit. a MwStSystRL mit seiner tatbestandli chen Formulierung „dem Unternehmen zugeordnet“ eine freie Entschei dung des Steuerpflichtigen impliziert, inwieweit er einen Gegenstand zuordnen bzw. in welcher Höhe er den Vorsteuerabzug geltend machen will.887 Die Zuordnungsentscheidung ist im einfachsten Fall durch Ausübung des Vorsteuerabzugs erkennbar. Wird der Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht, ist eine Zuordnungsentscheidung respektive ein Erwerb für die 886 Siehe S. 108 f. 887 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 109 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
wirtschaftliche Tätigkeit eine Tatfrage, die anhand aller Gegebenheiten des Sachverhalts zu ermitteln ist. Die Zuordnungsentscheidung ist im Zeitpunkt des Erwerbs zu treffen, da das Vorsteuerabzugsrecht in diesem Zeitpunkt entsteht. Dies folgt aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer.888 Das EuGH-Urteil Gmina Ryjewo stellt keinen Meilenstein in der Zuord nungsrechtsprechung des Gerichtshofs dar. Vielmehr wiederholt die Ent scheidung den in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, dass ein Vorsteuerabzug sowie eine Vorsteuerberichtigung nur in Be tracht kommen, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs ein Handeln als Steuer pflichtiger gegeben war, vgl. Art. 63, 167 MwStSystRL. Das Urteil schafft keine Möglichkeit zur Einlagenentsteuerung. Dieser Steuererstattungsanspruch bedürfte einer Rechtsgrundlage, die es im Mehrwertsteuerrecht nicht gibt. Mangels Rechtsgrundlage kann das Neutralitätsprinzip für sich allein betrachtet nicht zu einem solchen subjektiven Recht führen, zumal dem Unionsgesetzgeber der Erlass einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage mit Einführung der Mehrwertsteuer systemrichtlinie möglich gewesen wäre. Die terminologische Abweichung des Art. 187 II UAbs. 2 MwStSystRL von Art. 20 II 3 der 6. MwSt-RL führt nicht zu einer Einlagenentsteu erung, da die Mehrwertsteuersystemrichtlinie grundsätzlich keine inhalt liche Änderung der Sechsten Richtlinie darstellt und nur EuGH-Recht sprechung in die neue Terminologie eingearbeitet wurde. Zuletzt spricht gegen eine Einlagenentsteuerung, dass die Zuordnungs rechtsprechung in den Art. 26 und 168a MwStSystRL verankert ist.889 Der Ausübungszeitpunkt des Vorsteuerabzugs ist im Lichte des Prinzips des Sofortabzugs der Vorsteuer zu bestimmen. Die Ausübung des Zuord nungswahlrechts eröffnet dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit unternehmensfremden Verwendungen eine sofortige, vollständige Vor steuerabzugsmöglichkeit. Wird der Vorsteuerabzug trotz möglicher Gel tendmachung nicht ausgeübt, ist dies ein hinreichender Grund zur An nahme, dass der betreffende Gegenstand nicht für besteuerte Umsätze verwendet wird und somit kein Handeln als Steuerpflichtiger vorliegt. Deshalb kann das Zuordnungswahlrecht nur befristet ausgeübt werden.
888 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 112 ff. 889 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 114 ff.
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Zu Kapitel 3
Hinsichtlich einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne be steht dagegen kein Vorsteuerabzugsrecht durch Ausübung des Zuord nungswahlrechts. Aufgrund dessen ist das Handeln als Steuerpflichtiger im Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands bei derartigen Tätigkeiten großzügig auszulegen, wenn die Gegebenheiten des Sachverhalts die Schlussfolgerung auf ein solches Handeln im Erwerbszeitpunkt zulassen, also insbesondere keine negative Zuordnungsentscheidung vorliegt und der Vorsteuerabzug erst mehrere Jahre später, jedoch innerhalb des Be richtigungszeitraums, geltend gemacht wird. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Zuordnungswahlrechts stellt den Differenzierungsgrund für den unterschiedlichen Ausübungszeit punkt eines Vorsteuerabzugsrechts dar.890 Weitere Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ist das Bestehen eines direk ten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem Eingangsum satz und einem oder mehreren (erstrebten) Ausgangsumsätzen. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn der Eingangsumsatz zu den Kostenele menten der Ausgangsumsätze gehört. Die Aufwendung muss nach ihrem objektiven Inhalt aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuer pflichtigen erfolgen bzw. seinem wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich zu zuordnen sein. Dies ist anhand aller Umstände des Sachverhalts zu er mitteln. Fehlt ein solcher Zusammenhang, kann dennoch ein Vorsteuerabzugs recht in Betracht kommen, wenn es sich bei den Eingangsumsätzen um sog. Gemeinkosten handelt, die in den Preis der Ausgangsleistungen ein kalkuliert sind und deshalb einen Zusammenhang mit der wirtschaftli chen Tätigkeit aufweisen. Aufgrund des ohnehin bestehenden Vorsteuer abzugsrechts erscheint eine im Einzelfall zum Teil schwierige Abgrenzung zwischen Kostenelementen und Gemeinkosten entbehrlich.891 Art. 168a I MwStSystRL stellt auf „unternehmerische Zwecke“ ab, die dem unionalen Mehrwertsteuerrecht terminologisch fremd sind. Daher wäre ein Abstellen auf die wirtschaftliche Tätigkeit klarer und vorzugs würdig. Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Einschränkung der sog. Seeling- Rechtsprechung bzw. des mit Art. 26 I lit. a MwStSystRL einhergehen
890 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 119 ff. 891 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 122 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
den Vorsteuerabzugs durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Grundstücken.892 Obwohl dies aus systematischen Gründen für eine Einheitlichkeit des Unternehmenstatbestands in den Art. 26 I lit. a und 168a I MwStSystRL spricht, ist der Begriff des Unternehmens im Sinne des Art. 168a I MwSt SystRL eng auszulegen, also mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steu erpflichtigen gleichzusetzen. Grund dafür ist, dass für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne kein Zuordnungswahlrecht und dadurch auch kein Vorsteuerab zugsrecht nach Art. 168 MwStSystRL besteht. Art. 168a I MwStSystRL setzt für seine Anwendbarkeit indes ein Zuordnungswahlrecht bzw. ein dem Grunde nach bestehendes Vorsteuerabzugsrecht gem. Art. 168 MwStSystRL voraus. Deshalb spielt der weite Unternehmensbegriff im Rahmen des Art. 168a I MwStSystRL keine Rolle.893 Der Unternehmensbegriff des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist verwirrend, weil es aufgrund der richtlinienkonformen Auslegung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts nicht auf eine Verwendung „für sein Unter nehmen“ ankommt, sondern auf eine Verwendung für die unternehmeri sche/wirtschaftliche Tätigkeit. Das Unternehmen im Sinne des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist ebenso wie in § 2 I 2 UStG eng auszulegen. Daher ist der weite Unternehmensbegriff aus dem EuGH-Urteil VNLTO, unter den auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne fal len, im Rahmen des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG irrelevant, da für derartige Tätigkeiten kein Vorsteuerabzugsrecht besteht.894 Der BFH hat sich an die EuGH-Rechtsprechung, wonach eine natürliche Person den vollständigen Vorsteuerabzug bei einer teilunternehmeri schen Verwendung durch Ausübung des Zuordnungswahlrechts ausüben kann, angeschlossen. Durch die Ausübung des Wahlrechts wird der pri vat verwendete Anteil des Gegenstands als für das Unternehmen bzw. für die besteuerten Umsätze verwendet fingiert. Das Tatbestandsmerk mal „für sein Unternehmen“ des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG wird in diesem Fall durch die Zuordnung erfüllt. Vorstehendes gilt auch für Vereinigun gen im Zusammenhang mit unternehmensfremden Verwendungen für den Bedarf ihres Personals.895 892 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 129 ff. 893 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 132 ff. 894 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 138 ff. 895 Siehe S. 140 ff.
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Zu Kapitel 3
Der Unternehmenstatbestand des § 15 I 2 UStG ist ebenfalls eng auszu legen. Dafür spricht zum einen die Gesetzessystematik, mithin die enge Auslegung des § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG. Zum anderen sind nichtwirt schaftliche Tätigkeiten von der unionsrechtlichen Ermächtigung erfasst, die § 15 I 2 UStG zugrunde liegt und den Vorsteuerabzug ausschließt. Deswegen können derartige Tätigkeiten nicht als „für das Unterneh men“ im Sinne der Vorschrift ausgeführt gelten. Die Vorschrift hat ein Vorsteuerabzugsverbot zum Gegenstand. Ginge man von einem Zuordnungsverbot aus, wäre bei anfänglich hoher Ver wendung für unternehmensfremde Zwecke kein späterer Vorsteuerabzug mehr möglich, wenn sich der Anteil der wirtschaftlichen Nutzung über den Grenzwert von 10 % erhöht. Grund für den Vorsteuerausschluss des § 15 I 2 UStG sind Vereinfachungszwecke. Diese Vereinfachung ist nur bei einer unternehmerischen Nutzung von unter 10 % gerechtfertigt. Im Umkehrschluss muss bei einer nachträglichen unternehmerischen Ver wendung von mindestens 10 % zwingend ein Vorsteuerabzug gewährt werden.896 Eine Zuordnungsentscheidung ist nur im Anwendungsbereich des Zu ordnungswahlrechts notwendig, deshalb ist die Zuordnung keine gene relle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs. Dafür spricht der Wortlaut von Art. 168 MwStSystRL und § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG. Folglich ist das Han deln als Steuerpflichtiger/Unternehmer grundsätzlich nicht mit einer Zuordnungsentscheidung identisch. Die Ausübung des Zuordnungswahlrechts kann nach dem BFH nicht unterstellt werden und muss deshalb durch Beweiszeichen gestützt werden. Im Regelfall geschieht dies durch die Geltendmachung des Vor steuerabzugs. Ist dieser nicht möglich, sind andere Beweiszeichen heran zuziehen, wie beispielsweise die bilanzielle und ertragssteuerrechtliche Behandlung des Wirtschaftsguts. Der Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer gebietet auch nach der BFH-Rechtsprechung die Ausübung des Zuordnungswahlrechts bei Be zug des Gegenstands. Allerdings ist eine Zuordnungsentscheidung in der Umsatzsteuererklärung, d. h. gem. § 149 II 1 AO bis zum 31. Juli des Fol gejahres, noch ausreichend.897 Hinsichtlich des Vorliegens eines direkten und unmittelbaren Zusam menhangs zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehre 896 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 142 ff. 897 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 146 ff.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
ren besteuerten Ausgangsumsätzen übernimmt die nationale Rechtspre chung, soweit ersichtlich, die Rechtsprechung des EuGH.898 § 15 Ib 1 UStG führt insoweit zu einem Vorsteuerabzugsverbot, als der Unternehmer ein Grundstück nicht „für die Zwecke des Unterneh mens“ verwendet. Diese Vorschrift verhindert den mit der Seeling-Recht sprechung einhergehenden Liquiditätsvorteil im deutschen Recht. Der Tatbestand des § 15 Ib 1 UStG verlangt, dass das teilunternehme risch genutzte Grundstück dem Unternehmen zugeordnet wurde. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Regelung des Art. 168a I MwStSystRL und aus der Systematik von § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 und § 15 Ib 1 UStG. Ein grundsätzliches Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist Voraussetzung dafür, dass das Vorsteuerabzugsverbot nach § 15 Ib 1 UStG anwendbar ist. Deswegen enthält § 15 Ib 1 UStG genau wie § 15 I 2 UStG kein Zuordnungsverbot.899 Für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne besteht gem. § 15 I 1 Nr. 1 S. 1 UStG kein Vorsteuerabzugsrecht, da bei diesen Tätig keiten kein Zuordnungswahlrecht ausgeübt werden kann. Mangels Aus übungsmöglichkeit des Zuordnungswahlrechts ist § 15 Ib 1 UStG bei im Sinne von § 3 Ib, IXa UStG unternehmenseigenen, nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne nicht anwendbar. Deshalb spielt der weite Unternehmensbegriff bei § 15 Ib 1 UStG keine Rolle. Vielmehr ist das Unternehmen im Sinne der Vorschrift dreimal einheit lich eng auszulegen, so dass es mit der wirtschaftlichen bzw. unterneh merischen Tätigkeit des Unternehmers gleichzusetzen ist. § 15 Ib 1 UStG besitzt keinen richtlinienwidrigen Unternehmenstatbestand, der nicht in Art. 168a I MwStSystRL enthalten ist. Die enge Auslegung legt schon der Sinn und Zweck der Vorschrift nahe, der die Seeling-Rechtsprechung konterkarieren will. Diese Rechtsprechung betraf natürliche Personen, bei denen das Unternehmen sogar im Rahmen des § 3 Ib, IXa UStG einen engen Begriffsinhalt hat. Eine unionsrechtskonforme Auslegung des Unternehmensbegriffs im Rahmen von § 15 I 1, Ib 1 UStG ist möglich.900
898 Siehe S. 149 ff. 899 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 151 ff. 900 Siehe zu den vorstehenden Absätzen S. 155 ff.
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Literaturverzeichnis Becker, Stefanie: Einschränkungen bei der Zuordnung zum Unterneh men im Umsatzsteuerrecht, Anmerkung zu den Urteilen des BFH vom 7.7.2011 – V R 41/09 und V R 42/09, BB 2011, 2855, in: BB 2012, S. 611–615 Bentz, Susanne: Zeitnahe Zuordnung gemischt genutzter Photovoltaik anlage zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen, Anmerkung zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 12.9.2018 – 14 K 1538/17, in: NWB 2019, S. 3662–3663 Berg, Hans-Georg/ Szymczak, Michael: Umsatzsteuerrechtliche Vergüns tigungen für gemeinnützige Unternehmen – unionsrechtswidrige Bei hilfen?, in: UR 2018, S. 853–864 Berger, Wolfgang/ Kindl, Caroline/ Wakounig, Marian: Mehrwertsteuer systemrichtlinie, Praxiskommentar, 1. Auflage, Wien 2009 Birk, Dieter/ Desens, Marc/ Tappe, Henning: Steuerrecht, 23. Auflage, München 2020 Blankenheim, Marcus M.: „Steuerpflichtiger“ und Unternehmerbegriff im Umsatzsteuerrecht, Die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie und das deutsche Recht, Dissertation, Köln 2005 Buge, Roland: Unternehmereigenschaft bei fehlender Gewinnerzielungs absicht, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 02.06.2016 – C‑263/15, Lajvér, in: EU-UStB 2016, S. 52–54 Bunjes, Johann/ Geist, Reinhold (Begr.): Umsatzsteuergesetz, Kommen tar, 19. Auflage, München 2020 Calliess, Christian/ Ruffert, Matthias (Hrsg.): EUV, AEUV, mit Euro päischer Grundrechtecharta, Kommentar, 5. Auflage, München 2016 Datzer, Hanna: Akquisitionsgesellschaft im Mehrwertsteuerrecht, in: UR 2016, S. 653–660 Dziadkowski, Dieter: Anmerkung zu den Vorlagebeschlüssen des BFH vom 18.09.2019 – XI R 3/19 und XI R 7/19, in: UR 2020, S. 276–278 Dziadkowski, Dieter: Der Unternehmer „in der Umsatzsteuer“ – zu gleich Anmerkung zum Beitrag von Tehler, UVR 1989, S. 353 ff., in: UVP 1990, S. 195–203 Dziadkowski, Dieter: Zur Harmonisierung des quotalen Vorsteuerab zugs bei gemischt genutzten Gegenständen im europäischen Binnen markt, in: IStR 2010, S. 766–770 Ehrke-Rabel, Tina/ von Streit, Georg: Begriff des Unternehmens, Klärung durch den EuGH im Urteil Gemeente ´s-Hertogenbosch, in: UR 2015, S. 249–255 Ehrke-Rabel, Tina: Vorsteuerabzug bei gemischt, aber nicht unterneh mensfremd genutzten Gegenständen, in: ÖStZ 2010, S. 97–103 173
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