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German Pages 128 [130] Year 2023
Der Amerikanische Bürgerkrieg war der einzige Krieg auf dem Boden der USA: Der Konflikt zwischen weißer Siedlergesellschaft im Norden und dem von Großgrundbesitz, afroamerikanischen Sklaven und deren Nachkommen geprägten Süden drohte die Union zu zerreißen. Die dramatischen Höhepunkte dieses heftigen Krieges werden ebenso thematisiert wie die Rolle der Eisenbahn, der Fotografie oder die Entwicklung moderner Waffen (wie dem ersten U-Boot, der CSS Hunley). Genauso wichtig aber sind Vorgeschichte und Gründe für die Zerrissenheit der Vereinigten Staaten, die europäische Dimension des Konfliktes und sein Nachwirken in den unterschiedlichen politischen Mentalitäten – bis heute. Mit Beiträgen von Manfred Berg, Klaus-Jürgen Bremm, Ronald D. Gerste, Michael Hochgeschwender, Torben Lütjen, Ute Planert, Ursula Prutsch und Georg Schild.
ISBN 978-3-8062-4631-5 ISBN 978-3-8062-4631-5
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DER AMERIKANISCHE BÜRGERKRIEG
DAS DRAMA EINER GANZ JUNGEN NATION
DER AMERIKANISCHE BÜRGERKRIEG Trauma einer Nation
Der Amerikanische Bürgerkrieg Trauma einer Nation
Eine Stadt in Trümmern: das von den Kämpfen des Amerikanischen Bürgerkriegs zerstörte Charleston in South Carolina (Foto von 1865).
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Manfred Berg Klaus-Jürgen Bremm Ronald D. Gerste Michael Hochgeschwender Torben Lütjen Ute Planert Ursula Prutsch Georg Schild
Der Amerikanische Bürgerkrieg Trauma einer Nation Herausgegeben in Zusammenarbeit mit DAMALS – Das Magazin der Geschichte
Ein Novum des Amerikanischen Bürgerkriegs war dessen Dokumentation durch Fotografen. Die vermutlich 1865 gemachte Aufnahme von Matthew Brady zeigt einen verwundeten Soldaten eines Zuaven-Regiments mit einem Kameraden. Die orientalische Uniform der Zuaven war angelehnt an französische Infanterietruppen.
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akg-images: S. 7 (Science Source), 8 (British Library), 9 (Liszt Collection), 10 (North Wind Picture Archives), 11 (oben: Florilegius), 12 (De Agostini Picture Lib./W. Buss), 13, 17 (oben: UIG/ Universal History Archive), 18 (WHA/World History Archive), 19 (Universal Images Group/Universal History Archive), 20 (Glasshouse/Circa Images), 21, 23 (Heritage Images/Fine Art Images), 24 (unten: British Library), 30 (John Parrot/Stocktrek Images), 34 (Science Source), 39 (UIG/HUM Images), 41 (Glasshouse/Circa Images), 42 (Science Source), 43 (Science Source), 52 (North Wind Picture Archives), 53 (North Wind Picture Archives), 54 (UIG/Buyenlarge), 57 (Heritage Images/Heritage Art), 59 (oben: Glasshouse/Circa Images), 65 (historic-maps), 67, 68 (oben: De Agostini/Biblioteca Ambrosiana; unten: Mondadori Portfolio/Archivio GBB), 69, 70 (De Agostini/Biblioteca Ambrosiana), 71 (oben: akg-images; unten: Glasshouse/Circa Images), 72 (oben: André Held; unten: Album/Prisma), 73 (De Agostini/ M. Seemuller), 74, 75 (North Wind Picture Archives), 77 (oben: Heritage Images/Heritage Art), 78 (© Library of Congress/Science Source), 80 (UIG/Universal History Archive/ UIG), 81 (oben: De Agostini Picture Library), 92 (oben: Science Source; unten: UIG/ Universal History Archive/UIG), 93 (North Wind Picture Archives), 94 (North Wind Picture Archives), 95, 97 (oben), 99 (Heritage Images/Heritage Art), 100 (UIG/Buyenlarge), 106 (North Wind Picture Archives), 107 (Glasshouse/Circa Images), 108 (Science Source), 116, 119 (De Agostini/G. Sioen) Bridgeman Images: S. 11 (unten: New York Historical Society), 14 (oben: Bridgeman Images/Michael Graham-Stewart; unten: Bridgeman Images/Universal History Archive/UIG), 15, 16 (Peter Newark American Pictures), 17 (unten: Granger), 22 (© Look and Learn), 24 (oben: Philadelphia History Museum at the Atwater Kent/Courtesy of Historical Society of Pennsylvania Collection), 26 (Courtesy, American Antiquarian Society), 31 (Granger), 32 (oben: Everett Collection; unten: Peter Newark American Pictures), 33 (J. T. Vintage), 35 (Everett Collection), 36 (Granger), 37 (Indianapolis Museum of Art/Gift of Mrs M. S. Cassen), 38 (The Stapleton Collection), 40 (Granger), 44
(Peter Newark American Pictures), 45 (Everett Collection), 46 (Granger), 47 (oben: The Stapleton Collection; unten: New York Historical Society), 48, 49 (Granger), 50 (Granger), 51 (Peter Newark Military Pictures), 55 (unten rechts: Photo © Civil War Archive), 56 (Peter Newark Military Pictures), 58 (CSU Archives/ Everett Collection), 59 (unten: © NPL – DeA Picture Library), 60 (The Stapleton Collection), 61 (Peter Newark Military Pictures), 62 (Peter Newark Military Pictures), 63 (Granger), 64 (© Look and Learn), 66 (Southampton City Art Gallery), 76, 77 (unten: Granger), 79 (Circa Images/Glasshouse Images), 81 (Peter Newark Military Pictures), 82 (The Stapleton Collection), 83 (Lebrecht History), 84, 85 (Gift of Mrs. Everett Kovler), 86 (Granger), 87 (Universal History Archive/UIG), 88 (© Look and Learn), 89 (Granger), 91 (Everett Collection), 96 (Granger ), 97 (unten: © New York Historical Society), 98 (Universal History Archive/ UIG), 101 (Everett Collection), 102 (Universal History Archive/ UIG), 103 (Granger), 104 (Granger), 105 (© Library Company of Philadelphia), 109 (Everett Collection), 110 (oben: © Dallas Historical Society; unten: Granger). 111 (Granger), 112 (Granger), 113 (Granger), 116 (© Courtesy, American Antiquarian Society), 117 (Everett Collection), 118 (oben: Everett Collection; unten: Granger) mauritius images: S. 25 (Alpha Stock/Alamy/Alamy Stock Photos), 29 (Pitopia/Jule), 55 (unten links: Jim Lane/Alamy/ Alamy Stock Photos), 114 (Richard Levine/Alamy/Alamy Stock Photos) Peter Palm, Berlin: S. 27, 90 picture alliance: S. 28 (dpa/Michael_Reynolds), 120 (Associated Press/Alex Brandon), 121 (AP Images/Steve Helber), 122 (Associated Press/Evan Vucci), 123 (Zumapress.com/Carol Guzy) Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen und zu kontaktieren. Berechtigte Ansprüche können beim Verlag angemeldet werden und werden nachträglich vergütet.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Theiss ist ein Imprint der wbg. © 2023 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Redaktion DAMALS (Dr. Armin Kübler, Ralph Schmidberger) Bildrecherche: Carsten Felker Layout, Satz und Prepress: schreiberVIS, Seeheim Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen Umschlagabbildung: Gruppe von Offizieren im Artilleriehauptquartier, Meade in Virginia, 1863. Library of Congress, Abteilung für Drucke und Fotografien Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4631-5 Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-4647-6
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Vorwort
Ute Planert
Der lange Schatten der Sklaverei
Internationale Perspektive
6 Michael Hochgeschwender
Sklaven- und Plantagenwirtschaft
Eine tickende Zeitbombe 7 Ursula Prutsch
Expansion der Vereinigten Staaten
Neue Staaten – neue Probleme 19 Georg Schild
Abraham Lincoln
Der Aufstieg eines Underdogs 29 Georg Schild
Politische Zuspitzung und Kriegsausbruch
High Noon 39 Klaus-Jürgen Bremm
Erste Kriegsphase
Der Süden erwischt den besseren Start 51
Wie der Konflikt die Welt veränderte 65 Ronald D. Gerste
Der Norden übernimmt die Kontrolle
Die Stunde des „Metzgers“ 75 Michael Hochgeschwender
Kapitulation und Attentat auf Lincoln
Die unvermeidliche Niederlage 89 Manfred Berg
„Reconstruction“ des Südens
Eine unvollendete Revolution 101 Torben Lütjen
Spuren des Konflikts bis heute
Der Sieg des Südens in den Köpfen 115
Chronologie 125
Literatur 127
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Der lange Schatten der Sklaverei In der Geschichte der USA gibt es zwei Ereignisse, die zeitlich so weit auseinanderliegen, dass man einen Zusammenhang fast übersehen könnte. Am 9. April 1865 unterzeichnete der Südstaaten-General Robert E. Lee im Gerichtsgebäude des Bezirks Appomattox in Virginia die Kapitulation der von ihm geführten Armee. Damit war der Amerikanische Bürgerkrieg nach rund vier Jahren effektiv zu Ende. Die Union unter der Führung von Präsident Abraham Lincoln hatte gewonnen. Fast genau 100 Jahre danach, am 7. März 1965, wurden der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. und Hunderte seiner Mitstreiter während eines Demonstrationszugs von Selma nach Montgomery, der Hauptstadt des Staates Alabama, brutal von der Polizei niedergeknüppelt. Grund für die Protestaktion waren die massiven Behinderungen gewesen, denen sich Afroamerikaner ausgesetzt sahen, die sich in Wahllisten eintragen wollten. Warum musste im Jahr 1965 überhaupt für die Rechte schwarzer US-Bürger demonstriert werden? Schließlich ging mit der Niederlage der Südstaaten 1865 nicht nur das Kapitel der Sklaverei zu Ende, zwei Zusätze zur US-Verfassung sicherten in der direkten Folge den früheren Sklaven die vollen Bürgerrechte (1868) und das uneingeschränkte Wahlrecht (1870) zu. Ein Blick auf die Entwicklungen unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen bringt die Erklärung. Denn der Versuch, den ehemaligen Sklaven ein normales Leben als amerikanische Bürger zu ermöglichen, scheiterte an den reaktionären Kräften im Süden. Nach dem Krieg sollten die abtrünnigen Staaten wieder zurück in die Union geführt werden. Dazu zählte selbstverständlich auch die Umsetzung der neuen Verfassungszusätze. Das politische Schlagwort für diesen Prozess hieß „Reconstruction“. Was zunächst mit einem recht strikten Besatzungsregime des Nordens begann, verlor schnell an Schwung, als 1870 mit dem Wiedereintritt aller Südstaaten das Ziel der politischen und wirtschaftlichen Einheit erreicht war. Für das Schicksal der befreiten Sklaven interessierte man sich in Washington nun kaum noch. Oh-
nehin darf der Einsatz der Nordstaaten für das Ende der Sklaverei nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rassismus auch hier weit verbreitet war. So kam es, dass die Unterdrückung der Schwarzafrikaner in den früheren Sklavenstaaten seit den 1870er Jahren fast ungehindert fortgesetzt wurde. Unter Namen wie „black codes“ oder „Jim Crow laws“ wurde die Vorenthaltung der Bürgerrechte sogar offiziell in die Gesetzbücher der einzelnen Staaten aufgenommen. Daran änderte sich so lange nichts, bis die Proteste von Martin Luther King Jr. und seinen Mitstreitern im August 1965 zum Beschluss eines neuen Wahlrechtsgesetzes führten. Zur historischen Einordnung des Bürgerkriegs, wie es namhafte Historikerinnen und Historiker in diesem Band tun, ist aber auch ein Blick auf die Entwicklungen vor dessen Ausbruch nötig. Eigentlich beginnt die Geschichte des Konflikts bereits mit der Gründung der Vereinigten Staaten. Denn die Väter der Verfassung von 1787 unterschätzten die Sprengkraft, die die Sklaverei für die Union entwickeln sollte. In der Verfassung taucht der Begriff gar nicht auf. Doch die Sklaverei war der zentrale Grund dafür, dass sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen der Nord- und Südstaaten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts immer weiter auseinanderentwickelten. Zu einer Zuspitzung kam es durch die Expansion der USA: Bei jedem neuen Bundesstaat wurde darum gestritten, ob die Sklaverei hier verboten oder erlaubt sein sollte. Zweimal gelang es, durch Kompromisse eine Sezession oder gar einen militärischen Konflikt zu verhindern. Doch nach der Wahl Lincolns zum Präsidenten im November 1860 sah der Süden sein Modell so sehr bedroht, dass es zur Abspaltung und schließlich zum Krieg kam. Dieser Band trägt den Titel „Der Amerikanische Bürgerkrieg“, doch die Kapitel blicken weit über die vier Jahre des blutigen militärischen Konflikts zwischen 1861 und 1865 hinaus. Nur so wird deutlich, wie die unmenschliche Institution der Sklaverei die USA über einen Großteil ihrer Geschichte geprägt hat und wie der Rassismus, der ihre Abschaffung 1865 überdauerte, die Nation bis heute traumatisiert. Dr. Armin Kübler Redakteur beim Geschichtsmagazin DAMALS
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Sklaven- und Plantagenwirtschaft
Eine tickende Zeitbombe Michael Hochgeschwender
Bereits kurz nach der Gründung der britischen Kolonie in Virginia kamen dort die ersten Sklaven an. Mit dem massiven Ausbau der Plantagenwirtschaft seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelte sich die brutale Ausbeutung von Menschen zum Kern der Gesellschaft in den Südstaaten der jungen USA.
Im späten August 1619, so berichtet es John Rolfe, der Chronist der britischen Kolonie Jamestown im heutigen Bundesstaat Virginia, landete ein englisches Kaperschiff namens „White Lion“ im noch recht kümmerlichen Hafen der 1605 gerade erst gegründeten Siedlung. Jamestown hatte zu diesem Zeitpunkt gleich mehrere verheerende Hungerkrisen und schwere Verluste durch allerlei Ausbrüche infektiöser Krankheiten nur dank der Hilfe der indigenen Stämme der Powhatan-Konföderation überstanden. Rolfe hatte maßgeblich zum Überleben beigetragen, indem er Pocahontas, die Tochter des obersten Häuptlings, geheiratet hatte, was die durchaus militärisch aggressiven und expansionistischen Powhatan gegenüber den Siedlern versöhnlich stimmte. Pocahontas reiste sogar mit Rolfe nach England, wo sie eine Attraktion am Hof König Jakobs I. wurde. Allerdings erlag sie in England 1617 einer schweren Infektionskrankheit. Auch wenn Jamestown das Gröbste wohl hinter sich hatte, war die Kolonie noch lange nicht über den Berg. Ihre Gründung war schlecht geplant gewesen.
Insbesondere fehlte es an Bauern, Romantisierende Darstellung der Hochzeit des Siedlers und TabakHandwerkern und Frauen. Überdies pflanzers John Rolfe mit der Häuptwar noch nicht ganz klar, auf welcher wirtschaftlichen Grundlage das lingstochter Pocahontas im Jahr Experiment überhaupt glücken sollte. 1614. Ohne die Hilfe der indigenen Vom Gold, das man zu finden Stämme konnten die frühen eurohoffte, gab es keine Spur. Der Anbau päischen Siedler in Virginia kaum von Zucker, der den englischen Kariüberleben. bikkolonien Jamaika, Bermudas und Bahamas reiche Gewinne bescherte, lohnte sich im kühleren Virginia nur bedingt. Auch mit dem Pelzhandel, die Stärke der Franzosen, die weiter nördlich, im heutigen Kanada, agierten, war das wirtschaftliche Überleben der Kolonie nicht wirklich zu sichern.
Tabakanbau bringt den wirtschaftlichen Durchbruch Doch eine von den ansässigen Indigenen gehegte Pflanze, der Tabak, verhieß Profite, da sich das Rauchen, Inhalieren, Kauen und Schnupfen der nikotinhaltigen Pflanze mit hoher Geschwindigkeit über Eu-
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ropa ausbreitete. Hierin sahen die Kapitalgeber der Virginia Company, einer unter köder Insel Antigua, brachte einen grauniglichem Privileg agierensamen Handel mit Menschen aus Afrika den Handelsgesellschaft von in Gang (Farblithographie, 1823). merchant adventurers, einer Risikokapitalgesellschaft für den Fernhandel, neben dem Anbau von Reis und Indigo ihre Chance. Nur an Arbeitskräften mangelte es. Zwar kannte die englische Rechtstradition in Form der indentured servants ein geeignetes Instrument, aber bislang reichte deren Zahl nur bedingt aus. Bei den indentured servants handelte es sich um Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich nach offizieller Lesart freiwillig einem Dienstherrn in der Neuen Welt für fünf bis sieben Jahre als Leibeigene verpflichteten. Sie bekamen dafür die Überfahrt bezahlt und nach Beendigung ihrer Dienstpflicht das Recht auf eigenes Land in der jeweiligen Kolonie eingeräumt. Allerdings starb ein großer Teil dieser hörigen Leibeigenen vor dem Ende ihrer Dienstpflicht an Krankheiten, Erschöpfung oder Misshandlungen. Frauen, die während der Schwangerschaft nicht arbeiten konnten, mussten diesen Ausfall nacharbeiten, und die Kinder blieben bis zum Ende der Dienstzeit faktisch Eigentum des Dienstherrn. Gerade in den karibischen Zuckerkolonien unterschied sich das Los dieser Leibeigenen oft nur unwesentlich von demjenigen der Sklaven. Zumal viele der Leibeigenen aus Sicht der englischen Plantagenbesitzer als sozial deklassiert galten – schließlich zählten dazu verurteilte Verbrecher, Prostituier-
te, Waliser, Schotten oder gar Iren. Letztere hielt man in England für minderwertige Wilde, auf deren Leben man keinerlei Rücksicht nehmen musste. Gerade vor dem Hintergrund des Mangels an Arbeitskräften war die Landung der „White Lion“ für die Obrigkeiten von Jamestown von höchster Bedeutung. Der britische Kaperfahrer zählte zu den vielen englischen, holländischen oder französischen Schiffen, die praktisch als offiziell legitimierte Piraten in den bislang nur von Spaniern und Portugiesen befahrenen Gewässern unterwegs waren. Dabei war es auch zweitrangig, dass die „White Lion“ diesmal unter holländischer Flagge fuhr. John Rolfe notierte, warum die Ankunft des Schiffs für die Kolonie so bedeutend war: Es waren mehr als 20 Sklaven aus Schwarzafrika an Bord. Allerdings war dies nur ein Bruchteil der rund 320 Schwarzafrikaner, die in Angola gezwungen worden waren, an Bord des portugiesischen Schiffs zu gehen. Die Hälfte war bereits während der Überfahrt gestorben, das Gros der Überlebenden hatten die Portugiesen nach Neuspanien im heutigen Mexiko verkauft. Die englischen Kaperfahrer nahmen bei ihrem Überfall die verbliebenen Schwarzafrikaner an Bord. Da es ihnen an Platz und an Nahrungsmitteln mangelte, fuhren sie danach rasch Jamestown an, um die Sklaven gegen Proviant einzutauschen. Die Siedler sahen in den Schwarzafrikanern willkommene Arbeitskräfte. Heute gilt der August 1619 oft als Beginn der schwarzafrikanischen Sklaverei auf dem nordamerikanischen Kontinent. Die „New York Times“ hat die-
Die Plantagenwirtschaft mit Sklaven in der Karibik, hier Zuckerrohranbau auf
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Als sie im 15. Jahrhundert die Kanarischen Inseln erreichten, wurden die dort lebenden Guanchen, nun gegen den Widerstand Roms, ebenfalls versklavt. In der Folge trugen die katholischen Staaten der Iberischen Halbinsel ihren Kreuzzug gegen den Islam, die reconquista, nach Afrika, wo sie gleichfalls Jagd auf Sklaven machten. In England und Westeuropa dienten Iren oder Slawen als Sklaven, in Italien Griechen. Auch die oströmischen Byzantiner kannten durchaus die Sklaverei. Sklaven galten wie in der Antike als Sachen, nicht als Personen, waren also weitgehend rechtlos. Allerdings gründete die Sklaverei bis Die Sklaverei war über lange Zeit ins 17. Jahrhundert hinein noch nicht auf die Ausbeutung von nicht auf dem Denken in Rassenkategorien. Zudem konnten Menschen mit schwarzer HautSklaven einen ganz unterschiedfarbe beschränkt. Der Stich von lichen Status in der Gesellschaft 1684 zeigt europäische Sklaven einnehmen. In den islamischen in einer nordafrikanischen Stadt.
sem Datum 2019 zum 400. Jahrestag sogar eine aufwendige erinnerungspolitische Initiative gewidmet. Mit „The 1619 Project“ will die Zeitung publizistisch auf die zentrale Bedeutung der Sklaverei für die Geschichte der USA aufmerksam machen. Historisch betrachtet, ist diese Einschätzung jedoch gleich in mehrerlei Hinsicht wenn nicht falsch, so doch einseitig. Zum einen werden die schwarzen Sklaven ausgeblendet, die bereits 1536 dem spanischen Konquistadoren Lucas Vázquez de Ayllón dabei halfen, Florida zu erforschen. Zudem waren 1539 bei einer weiteren Florida-Expedition unter Hernando de Soto, die unter anderem dazu diente, die Halbinsel zu besiedeln, so viele Sklaven dabei, dass es zu einer Revolte kam und die Afrikaner zu den umliegenden Indianerstämmen flohen. Überdies hatten die englischen Zuckerbarone auf den Bermudas einige Zeit zuvor gleichfalls afrikanische Sklaven importiert. Aus Sicht der 13 Gründerstaaten der USA aus dem Jahr 1776 lagen all diese Gebiete aber außerhalb der Vereinigten Staaten, weswegen sie bis heute nur zu gern ausgeblendet werden.
Die Sklaverei war nie wirklich verschwunden Interessant ist die Frage, wie es beim Thema Sklaverei überhaupt zu der Situation, wie wir sie Anfang des 17. Jahrhunderts vorfinden, gekommen war. Die Vorstellung, der Aufstieg des Christentums seit der Spätantike und dessen ablehnende Haltung zur Sklaverei hätten dazu geführt, dass diese Praxis im mittelalterlichen Europa weitgehend verdrängt wurde, ist falsch. Zwar wurde die Sklaverei unter Christen um 1000 verboten, dennoch war auch in christlichen Staaten – besonders auf der italienischen Halbinsel – die Haussklaverei weiter gängig. Zur Fortführung des römischen Instituts der Sklaverei in großem Maßstab trug allerdings der Islam bei. So wurde etwa die Sklaverei in den arabischen Besitzungen auf der Iberischen Halbinsel wieder eingeführt. Seit dem Hochmittelalter wurden Jahr um Jahr Hunderte christlicher Sklaven als Tribut nach Nordafrika verschifft. Muslimische Sklavenjäger machten das gesamte Mittelmeer und Ostafrika unsicher und raubten bis in das 19. Jahrhundert Europäer und Afrikaner, um sie auf den Sklavenmärkten in Algier, Tunis, Kairo oder Rabat zu verkaufen. Umgekehrt versklavten Spanier und Portugiesen mit Duldung des römischen Papstes kriegsgefangene Muslime.
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Sie war ein Produkt des frühen, ethisch enthemmten Kapitalismus. Und ihr Rassismus war tiefer verwurzelt als in den spanischen und portugiesischen Kolonien, die, ebenso wie die Franzosen, im Lauf der Zeit ein höchst diffiziles und komplexes System abgestufter Zugehörigkeit zur weißen oder schwarzen „Rasse“ entwickelten. Je nach dem Anteil schwarzer und weißer Vorfahren konnten Mulatten, also Mischlinge, in der gesellschaftlichen Stufenleiter einige Sprossen emporsteigen, nie aber nach ganz oben an die Spitze der Pyramide. Dieses römisch-rechtliche Kastensystem unterschied sich von der englischen Lesart, wonach lediglich ein Tropfen schwarzen Bluts angeblich ausreichte, um eine Person zum Schwarzen zu machen. Einzig bei Iren und im 19. Jahrhundert bei Juden und Slawen fragten sich die Amerikaner, ob deren weiße Hautfarbe wirklich die Zugehörigkeit zur weißen „Rasse“ konstituierte. Radikale Nativisten sprachen in diesem Fall gern abfällig von den white niggers. Diese Willkür wird beim Blick auf die verschiedenen Formen, rassische Unterschiede zu begründen, noch deutlicher. Anfangs beriefen südstaatliche Sklavenhalter sich gern auf die Verfluchung Hams und der Hamiten durch Noah im Buch Genesis (9, 24), wobei die Hamiten als Ahnherren der Afrikaner galten. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden daneben säkular-naturwissenschaftliche Begründungsparadigmen aus dem Umfeld protodarwinistischer und später sozialdarwinistischer Evolutionstheorien benutzt. Bedeutend war hier die These von der Polygenese, wonach faktisch zu verschiedenen Zeiten in der Urgeschichte unterschiedlich wertvolle Formen der Menschheit entstanden seien. Gleichzeitig war man sich unsicher, ob die rassischen Unterschiede essentialistisch, also in Gestalt unveränderbarer Rassencharakteristika, gedacht werden müssten oder im Sinn der Aufklärung als durch Erziehung veränderbare kulturelle Unterschiede. In den späteren USA trat die aus dieser Konfusion allmählich entwickelte Vorstellung von der one drop rule als sozial restriktiver und exklusiver color line an die Stelle der im Mutterland so ungemein wichtigen Klassengrenze zwischen Arm und Reich oder zwischen Bürgertum und Adel. Das Gleichheitsdenken der englischen Siedler in den nordamerikanischen Festlandskolonien und in den USA basierte mithin auf der fest etablierten Gewissheit, winzige Relikte „schwarzen Bluts“ würden Menschen von jeder politischen und sozialen Teilhabe ausschließen. Deswegen galt seit dem 18. Jahrhun-
Gesellschaften etwa, wo man, wie in Byzanz, das Erbe der Antike in besonderem Maß pflegte, konnSo besaß New York einen eigenen ten versklavte Soldaten, wie die Sklavenmarkt (kolorierter Holzägyptischen Mamelucken, sogar zu stich, 19. Jahrhundert). Erst 1827 Herrschern aufsteigen. verbot der Staat die Sklaverei. Aber all diese mittelalterlichen Gesellschaften waren Gesellschaften mit Sklaven und keine Sklavenhaltergesellschaften, das heißt, ihre Wirtschaft gründete nicht auf der Sklaverei, sondern auf anderen, sehr differenzierten Formen von Unfreiheit beziehungsweise bedingter Freiheit. Dies galt auch für Jamestown und die Kolonie Virginia, wo die Statuten der Virginia Company eigentlich keine Sklaverei vorsahen. Daher kann man annehmen, die eingehandelten Afrikaner seien erst einmal als indentured servants eingestuft worden. Für diese Auffassung spricht die Quellenlage, da einige dieser Schwarzen sowie weitere, die mit dem nächsten Kaperschiff, der „Treasurer“, an Land kamen, einige Jahre später als Freie und als Landbesitzer galten. Darüber hinaus sind reguläre, gesetzlich legitimierte Mischehen zwischen Engländern und Schwarzafrikanern in der frühen Virginia-Kolonie belegt, was wiederum gegen die Vorstellung spricht, 1619 habe dort die Rassensklaverei begonnen. Erst 1705 setzte sich im Kolonialrecht endgültig die Vorstellung durch, die Afrikaner seien Sklaven, weil sie schwarz und minderwertig seien. Insofern entstand die nordamerikanische Rassensklaverei mit den Profiten, die auf den Plantagen im Süden des nordamerikanischen Festlands erwirtschaftet wurden. Auch in den Nordstaaten kannte man den Handel mit Menschen.
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dert in den englischen Kolonien ein oft unausgesprochenes, aber dennoch überwiegend beachtetes Verbot der Mischehen mit Schwarzen, was die sexuelle Ausbeutung schwarzer Sklavinnen freilich keineswegs ausschloss. Selbst wenn 1619 also rein rechtlich gesehen nicht die Sklaverei in Nordamerika eingeführt wurde, handelte es sich dennoch um ein zentral bedeutsames Datum, denn von nun an führte die Entwicklung zielgerichtet zur Entstehung der kapitalistischen Rassensklaverei, der chattel slavery. Bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein rivalisierte jedoch noch die auf Eigentum gegründete Ordnung des britischen Mutterlandes mit der später so genannten Herrenvolk democracy der Kolonialisten, bei der eine aus eigener Sicht rassisch überlegene Gruppe alle anderen beherrscht. Solange letzteres Konzept sich noch nicht durchgesetzt hatte, verfügte die durchaus vorhandene Gruppe freier Schwarzer sowohl über ökonomische Teilhaberechte als auch das Wahlrecht. Erst in den 1810er Jahren wurde sämtlichen freien Schwarzen das Wahlrecht zugunsten der eigentumslosen weißen Unterschichten entzogen, was den Aufstieg der Demokratischen Partei gegen ihre nationalliberalen Widersacher, die Federalists und Whigs, zwischen 1810 und 1830 maßgeblich begünstigte. Während in den nördlichen Kolonien, vor allem in New York und Pennsylvania, schwarze Sklaven zumeist als Haussklaven fungierten, nicht zuletzt bei Geschäftsleuten, die vom Sklavenhandel in erheblichem Ausmaß profitierten – New York et-
wa entwickelte sich zum häufig freMit dem Tabakanbau setzte sich in Virginia auch die Planquentierten Umschlagsplatz im Sklatagenwirtschaft durch. Hier venhandel –, herrschten im Süden die Plantagensklaverei, die Sklaverei in Sklaven beim Trocknen der Kleinbauernbetrieben und die städtische Tabakblätter (kolorierter Sklaverei mit schwarzen Hausdienern Kupferstich, 1837). und Handwerkern vor. Diese Unterschiede in der Gesellschaftsordnung von Norden und Westen einerseits und dem Süden andererseits bildeten sich bereits in der Kolonialzeit heraus und wurden dann in der Revolution und Die 1788 von Abolitionisten veröffentlichte Skizze eines Sklavenschiffs lässt die unmenschlichen Bedingungen bei einem solchen Transport erahnen.
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der frühen Republik bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1861 zur ter Stich, 19. Jahrhundert). In den tickenden Zeitbombe für die juneinstigen französischen Territorien ge Union. im Süden der USA dominierte eine All diese Entwicklungen waren mit der Karibik vergleichbare Plannur möglich, weil die Sklaventagengröße mit 100 und mehr Sklawirtschaft unter den klimatischen ven. Bedingungen des Südens produktiv und profitabel war. Dort wuchsen mit Reis, Zucker, Indigo, Tabak und seit dem 18. Jahrhundert der Baumwolle Produkte, die nicht nur auf dem imperialen Markt Großbritanniens reißenden Absatz fanden. Im Gegensatz zu den nördlichen Kolonien, deren Wirtschaft lange auf kleinbäuerlichen Subsistenzbetrieben, Handwerk, Handel, Walfang und Schmuggel beruhte, waren die Sklavenhalter des Südens früh in den globalen Handel der Briten eingebunden, und sie blieben es bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1861. Seit 1720 konnten sie zunehmend mit den Zuckerkolonien in der Karibik konkurrieren. Um 1770 nahmen viele in den englischen Kolonien in Nordamerika an, sie würden innerhalb der kommenden Jahrzehnte selbst das Mutterland überholen. Seit den 1790er Jahren lohnte sich dann der Anbau der hochprofitablen, in Europa sehr geschätzten Baumwolle dank der Erfindung der cotton gin, einer Maschine zum Entkernen von Baumwolle. Zusammen mit dem Baumwollanbau verlagerte die Sklaverei ihren Schwerpunkt nun vom oberen Süden (Virginia, Maryland, Kentucky, Tennessee, North Carolina) mehr
und mehr in den tiefen Süden (Louisiana, South Carolina, Mississippi, Alabama und Arkansas). In der Folge wurden die großen Plantagenbesitzer des Südens zu einer auch politisch mächtigen, wenn auch insgesamt sehr kleinen Gesellschaftsschicht, deren Mitglieder zu den reichsten Menschen der Welt zählten, obwohl das Gros ihres finanziellen Kapitals in Landbesitz und Sklaven gebunden war.
Sklavenmarkt in Louisiana (kolorier-
Millionen Menschen werden verschleppt Die britische Handelsflotte sorgte dann seit dem 18. Jahrhundert, der Zeit der höchsten Ausdehnung des Sklavenhandels – ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung –, für beständigen Nachschub an Schwarzafrikanern. Den Briten war es im späten 17. Jahrhundert gelungen, die Spanier und Portugiesen, die bis dahin den Sklavenhandel beherrscht hatten, aus ihren zwischen Senegambien im Norden und Angola im Süden gelegenen etablierten Handelsnetzwerken mit afrikanischen Händlern und Herrschern zu vertreiben. Denn die eigentliche Sklavenjagd lag nicht in den Händen der Europäer, sondern in denen der afrikanischen Küstenstämme, die in Kriegen mit den im Hinterland gelegenen Stämmen Sklaven erbeuteten und diese gegen Geld, Waffen, Munition und andere Güter eintauschten. Die transatlantische Passage wurde, finanziert von den aufgeklärten Eliten Europas, nunmehr vor-
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nehmlich von Engländern, Niederländern und Franzosen übernommen. Inwieweit die Kontrolle über die sogenannte middle passage und die Ausbeutung der Kolonien zum europäischen Wohlstand beitrugen und damit auch eine wirtschaftliche Grundlage für den technologischen Fortschritt seit dem 18. Jahrhundert (Industrialisierung) waren, wird bis heute höchst kontrovers diskutiert. Aus humanitärer Sicht war der transatlantische Sklavenhandel eine Katastrophe. Schätzungsweise zehn bis 20 Prozent der vermutlich rund zwölf Millionen versklavten Afrikaner starben bereits auf der Überfahrt. Auch auf den Plantagen war die Sterberate aufgrund der harten Arbeit unter tropischen Klimabedingungen außerordentlich hoch. Doch aufgrund der hohen Profite bei den erzeugten Produkten lohnte sich das Geschäft dennoch. Die nordamerikanische Sklaverei unterschied sich allerdings in vielerlei Hinsicht von der Sklaverei in den eigentlichen Zentren, der Karibik und Brasilien. Plantagenwirtschaft mit 100 und mehr Sklaven war in Nordamerika eher die Ausnahme, wenn man von den Küstenregionen in South Carolina und Louisiana einmal absieht. Louisiana war bis 1803 französisch und zählte wie South Carolina eher zur Karibik, deren Sozialstruktur in beiden Gebieten übernommen wurde. Mehr noch: In Louisiana galt bis weit in die 1850er Jahre die kontinentaleuropäische Kastenordnung mit einem speziellen gesellschaftlichen Status freier Schwarzer und Mulatten, die über eine eigene Miliz verfügten und teilweise selbst Sklavenhalter waren. Schwarze Sklavenhalter fand man, allerdings als seltene Ausnahmen, auch in Virginia, oft Nachfahren der indentured servants von 1619 und den Jahren danach, und in South Carolina, wo relativ viele französische Plantagenbesitzer lebten. Ansonsten herrschte in Nordamerika die Kleinsklaverei mit zwei bis acht Sklaven vor. Dies hatte auch kulturelle Folgen. Nur in den Großplantagen konnten, vor allem in den Nächten, schwarze Sklaven ihre eigenen kulturellen und religiösen Traditionen pflegen oder ihre eigenen Sprachen sprechen. Daher überlebten etwa westafrikanische Religionsformen wie Voodoo in Nordamerika nur in Louisiana und bei den afrikanischen Gullah in South Carolina als kulturelle Relikte. In der Karibik und in Brasilien dagegen nahmen sie – trotz katholisierender Einflüsse – eine dominante Rolle ein. Insbesondere ein Aspekt aber war wichtig: Die Kleinsklaverei verhinderte Massenaufstände, wie sie
in der Karibik und Brasilien an der Tagesordnung waren. Zwar gab es hin und wieder auch in Nordamerika Aufstandsversuche, man denke an Nat Turner (1831), Denmark Vesey (1822) oder den Aufstand an der sogenannten German Coast in Louisiana (1811). Auch in der Kolonialzeit hatte es mit der Stono Rebellion (1739) und dem Sklavenaufstand in New York (1712) bereits solche Versuche gegeben, die aber meist relativ rasch und gewaltsam unterdrückt werden. Fast alle bedeutenden Erhebungen spielten sich in Regionen mit großen Gemeinschaften von Plantagensklaven ab. Mit den Massenaufständen in Brasilien, wo sogar eigene, unabhängige Gemeinschaften ehemaliger Sklaven oft für Jahrzehnte im Hinterland existieren konnten, oder dem erfolgreichen großen Sklavenaufstand auf Saint-DoBei Verfehlungen wurden die Sklamingue in den 1790er Jahren, der zur Gründung Haitis führte, ven auf den Plantagen der Südstaalassen sie sich nicht vergleichen. ten oft brutal bestraft (Stahlstich Wegen der Angst, die der haiaus dem Bildatlas des Brockhaustianische Aufstand im US-ameriKonversationslexikons, 1849).
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Millionen Menschen werden verschleppt
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dung der Peitsche, andere aber ließen sich selbst durch sozialen Druck nicht davon abbringen, Sklaven jeglichen Geschlechts und Alters auszupeitschen, in Ketten zu legen, mit Brandzeichen zu verstümmeln oder – trotz des damit verbundenen finanziellen Verlusts – sogar zu töten. Wieder andere bemühten sich um ihre Sklaven, desinfizierten die Sklavenhütten, um Cholera, Typhus und weitere Krankheiten zu vermeiden. Evangelikale Plantagenbesitzer brachten ihnen sogar das Lesen und Schreiben bei, um durch die Bibellektüre die Seelen dieser Menschen zu retten. Das aber waren Ausnahmen. Insgesamt war allen zeitgenössischen Beobachtern klar, wie brutal und inhuman das Plantagenleben sein konnte. In einer Gesellschaft, in der Freiheit als Höchstwert galt, musste dies auf Dauer zu Opposition führen. Der Unmut regte sich gleichwohl nur bei einer winzigen Minderheit und nahm erst in den 1840er Jahren ein größeres Ausmaß an. Vorerst blieb die Sklavenwirtschaft für die Ökonomie der 13 Festlandskolonien und der jungen USA unabdingbar. Eine Mehrheit der Bevölkerung profitierte direkt oder indirekt davon. Dennoch stand man vor dem Problem, wie sich das System aufrechterhalten ließ, obwohl nur ein winziger Bruchteil des transatlantischen Sklavenhandels mit Nordamerika abgewickelt wurde. Während zwischen etwa 1600 und 1830 über eine Million Afrikaner allein nach Jamaika verschleppt wurden, weitere 1,8 Millionen in den Rest der Karibik und rund fünf Millionen ins heutige Brasilien, gelangten nur rund 360 000 Sklaven nach Nordamerika, davon 27 000 in den Norden. Dies hing mit der bis 1770 marginalen ökonomischen Bedeutung der britischen Festlandskolonien zusammen, die zudem nur über wenig Bargeld verfügten, da die Krone ihnen das Münzrecht vorenthielt. Auch nach der Unabhängigkeit blieben die USA ein an Finanzkapital armes Land, das rundum von britischen Geldgebern, besonders der 1762 in London gegründeten Barings Bank, abhängig blieb. Aus diesem Grund vermieden es nordamerikanische Sklavenhalter in der Regel, ihre Sklaven sich zu Tode schuften zu lassen, denn obwohl Versicherungen dann bezahlten, fehlte es im Gegensatz zu Brasilien oder der Karibik an kostengünstigem Nachschub. Ganz im Gegenteil war man bemüht, die Skla-
„Bin ich nicht ein Mensch und ein Bruder?“: Ein kniender Sklave wurde zum Erkennungszeichen der britischen Abolitionsbewegung (Medaillon, um 1790).
kanischen Süden ausgelöst hatte, wurde der Staat Haiti bis 1863 nicht völkerrechtlich anerkannt, und selbst das Wort Haiti durfte in den USA nicht ausgesprochen werden. In Brasilien wiederum existierten auf den riesigen Plantagen oft Gemeinschaften mit Kriegern eines Stammes, was in Nordamerika nicht vorkam. Dennoch gab es Widerstand und Widerständigkeit bei nordamerikanischen Sklaven, etwa in Gestalt von Brandstiftung, Vergiftung, Sabotage, Dienst nach Vorschrift, Flucht und der bei schwangeren Sklavinnen weitverbreiteten Abtreibung.
Misshandlungen der Sklaven bis hin zum Tod Diese Widerständigkeit legitimierte in den Augen der Sklavenhalter wiederum die Anwendung von zum Teil komplett entgrenzter Gewalt. Mehrheitlich sahen sich die Sklavenhalter zwar als paternalistische Erzieher kindlich-rückständiger Menschen zweiter Klasse, die sie gern rhetorisch der eigenen Familie zuordneten, in Gestalt der family black and white. Viele verzichteten demnach auch auf die Anwen-
Allegorische Darstellung zum politischen Kampf um das Verbot des Sklavenhandels (Abbildung aus dem Gedichtband „The Black Man’s Lament“, 1826).
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ven dazu zu bringen, möglichst viel Nachwuchs zu zeugen – oder man vergewaltigte die Sklavinnen, um selbst für Nachwuchs zu sorgen. Solche Maßnahmen wurden noch wichtiger, als im späten 18. Jahrhundert in Großbritannien der Abolitionismus, die Anti-Sklaverei-Bewegung, getragen von Quäkern, Evangelikalen und einigen aufgeklärten Philanthropen, politisch an Einfluss gewann. 1807 verboten die Briten dann endgültig den globalen Sklavenhandel. Die Royal Navy, die königliche Marine, brachte nun von ihren afrikanischen Stützpunkten aus spanische und portugiesische Sklaventransporte auf. Die USA fügten sich dem britischen Druck und verboten ihrerseits 1808 den transatlantischen Sklavenhandel. Zu diesem Zeitpunkt waren die USA aber bereits, trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen und der hohen Abtreibungsquote unter den Sklavinnen, die weltweit einzige Sklavenhaltergesellschaft mit einer sich selbst reproduzierenden und sogar wachsenden Sklavenpopulation. Dieser Schritt wurde in erster Linie möglich, weil man sorgsamer als zuvor mit der Arbeitskraft der Sklaven umging, gleichzeitig aber die Freilassung (Manumission) von Sklaven auf legalem Weg nahezu unmöglich machte. Auf diese Weise konnte die Sklaverei überleben. Aus 360 000 importierten Sklaven wurden bis 1860 über vier Millionen, das heißt, die
Zahl der Sklaven hatte sich – bei Eine Baumwollplantage am Mississippi. Der Maler William Aiken Walrelativ wenigen Importen nach ker stellte die Szenerie im Rückblick 1808 – aus sich heraus mehr als verzehnfacht. sehr verklärt dar (Farblithographie Mit der Sklaverei war im Sünach Walker, um 1884). den der USA nicht allein eine Wirtschafts-, sondern auch eine Gesellschaftsordnung und eine ganz eigenständige Kultur verknüpft. Die Sklavenhalter sahen sich selbst als aristokratische Klasse von Gentlemen, die wiederum mit besonders schönen und edlen Frauen, den southern belles, verheiratet waren. In diesem aristokratischen Selbstverständnis wurzelte zum einen der literarisch aufbereitete Mondschein-und-Magnolien-Mythos, wonach schöne Frauen und edle, tapfere Kavaliere auf großen, prachtvollen Plantagen, umgeben von loyalen, hingebungsvollen Sklavinnen und Sklaven einem Lebensstil huldigten, der sich dramatisch von der kapitalistischen Geldgier bürgerlicher Yankees im Norden unterschied. Zu dieser aristokratischen Kultur zählte auch das Duell – der ritterliche Zweikampf – als Bewährungsprobe männlicher Tugend und Tapferkeit. Diese kulturellen Muster entnahm man gern den Ritterromanen von Sir Walter Scott, die sich im Süden größter Beliebtheit erfreuten. Man sah sich als Nachfahren keltischer, vornehmlich schottischer und irischschottischer Helden.
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Glück der Sklaven gar nicht erst zu reden. Am ehesten traf der Mythos noch auf die Großgrundbesitzer in Louisiana und South Carolina zu, die sich ja immer schon an den karibischen Zuckerkolonien ausgerichtet hatten. Vor allem aber waren die südstaatlichen Plantagenbesitzer erheblich kapitalistischer als selbst die Fabrikbesitzer des Nordens, da sie ganz und gar, auf Gedeih und Verderb, mit dem imperialen Markt Großbritannien verbunden waren, weswegen sie über Jahrzehnte politisch massiv für Freihandel eintraten, während sich die Kapitalisten im Norden, um ihre eigenen Industrien vor billiger britischer Konkurrenz zu schützen, für hohe Schutzzölle einsetzten. Schon früh gelang es den Sklavenhaltern, obwohl sie nur eine Minderheit der weißen Südstaatler darstellten, ihr kulturelles Narrativ in politische Macht umzusetzen. In den südlichen Kolonien hatten sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz ohnehin das Sagen. Insofern war es besonders wichtig, dass sich diese Kolonien seit 1765 an den von Massachusetts ausgehenden Protesten gegen die Steuergesetzgebung des imperialen Parlaments in Westminster beteiligten. Dennoch blieb der Süden lange eine Hochburg der monarchistischen Torys, die für Loyalität zu Großbritannien standen. Das änderte sich jedoch, als der britische Lord-Oberrichter, selbst ein Tory, 1772 die Einfuhr von Sklaven in das Mutterland verbot und 1774 der „Quebec Act“ sowohl eine katholische Hierarchie für Kanada etablierte als auch die Bodenspekulation in den Indianergebieten des Westens unterband. Letztere war etwa für George Washington und Thomas Jefferson ein attraktives Geschäftsfeld gewesen. Zahlreiche südstaatliche Großgrundbesitzer aus den Küstenregionen schlossen sich nun der Revolution an. Demgegenüber blieb eine starke Minderheit der nicht-sklavenhaltenden Kleinbauern in den Mittelgebirgen monarchistisch. Dies galt ebenfalls für die Mehrheit der indigenen Stämme und der schwarzen Sklaven, die beide von der Revolution der kolonialen Oligarchen nichts zu erwarten hatten.
Zum anderen gründeten die Südstaaten-Aristokraten auf ihre Tugend, Tapferkeit und Ritterlichkeit kerne der Baumwolle entfernt ihren Anspruch, die amerikanische werden, was den Anbau in den Republik dauerhaft politisch zu fühSüdstaaten noch profitabler ren. Den Nordstaatlern unterstellte machte (Farblithographie, 1793). man Gier, schnöde Bürgerlichkeit und Egalitarismus, sich selbst dagegen die Tugendhaftigkeit des über allen Parteien stehenden, aufgeklärten, vernunfthaften Gentleman, den die – sowieso oft aus dem Süden stammenden – Gründerväter bei der Grundlegung der Republik im Auge gehabt hätten. Häufig wurde dabei auf die „Virginia-Dynastie“ verwiesen, denn es stammten bis 1824 mit Ausnahme von John Adams sämtliche Präsidenten der USA aus der Sklavenhalter-Elite Virginias. Und nicht zuletzt berief man sich auf die wichtige Rolle, die Virginia, neben Massachusetts und New York, in der Revolution und in der frühen Republik gespielt hätte. Diese Erzählung hatte einen großen Nachteil: Sie war in weiten Teilen schlicht falsch. Schon am aristokratischen Habitus mangelte es. Der Pflanzer-Elite fehlte es in einer hochmobilen Gesellschaft an Stabilität. Kaum einer Familie gelang es, sich über mehr als drei Generationen an der Spitze zu halten. Das amerikanische Duellwesen war außerdem demokratisch legitimiert und Bestandteil der Leistungsgesellschaft, es hatte rein gar nichts mit der adligen Duelltradition im protestantischen Europa zu tun. Selbst über die Schönheit der Plantagenherrinnen ließ sich trefflich streiten, um vom vorgeblichen Mit einer Cotton Gin genannten Maschine konnten die Samen-
Großbritannien lockt mit „Freiheit für alle“ Im Herbst 1775 erklärte der königliche Gouverneur von Virginia, Lord Dunmore, die Sklaven aller revolutionären Großgrundbesitzer für frei, was ihm den bis heute währenden Hass der kolonialen Südstaatler eintrug. Die Reaktion der Revolutionäre, darunter et-
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wa der Radikale Patrick Henry, die allesamt Dunmore den Tod wünschten und ihn regelrecht dämonisierten, lässt die Erklärung der Kolonialversammlung von Virginia vom Juli 1774, in der ein Boykott britischer Waren beschlossen und der britische Sklavenhandel verurteilt wurde, in einem etwas sonderbaren Licht erscheinen. Massen von Sklaven verließen daraufhin die Plantagen und schlossen sich in einer eigenen „äthiopischen Legion“ unter dem Wahlspruch „Freiheit für alle“ der Krone an. Auch der Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee George Washington büßte auf diese Weise einige seiner Sklaven ein, die nach dem Ende des Revolutionskriegs von den Briten nach Kanada verschifft und seinem Einfluss entzogen wurden. Die Sklaven-Frage war demnach für das revolutionäre Engagement der südlichen Eliten durchaus ausschlaggebend. Demgegenüber war im Norden ein gewisses Unbehagen gegenüber der peculiar institution, der „sonderbaren Einrichtung“, des Südens unverkennbar. 1778 etwa verbot New Hampshire die Sklaverei, andere nördliche Staaten folgten. Von einer generell sklavereifeindlichen Haltung kann man indes nicht sprechen, da im Norden nicht allein viele Händler von der Sklaverei enorm profitierten. Das allmähliche Verbot der Sklaverei verfestigte allerdings die Bedeutung der nach zwei Landvermessern benannten Mason-Dixon-Linie, die 1769 von der Krone als endgültige Grenze zwischen Virginia und Pennsylvania bestätigt worden war und nun schrittweise den Charakter einer symbolischen Kulturgrenze zwischen Sklavenstaaten und Freistaaten annahm. Am Ende der amerikanischen Revolution gelang es den Südstaaten-Eliten zunächst, ihre Vormachtstellung in der neugegründeten Republik auch legal abzusichern. Die „Articles of Confederation“ von 1775 hatten den Einzelstaaten ein derartiges Maß an Souveränität belassen, dass die Sklaverei durch sie in keiner Weise bedroht werden konnte. In den 1780er Jahren wurde jedoch deutlich, wie wenig praktikabel diese Praxis war. Zwischen 1787 und 1791 ging es darum, eine neue Verfassung auszuarbeiten, welche die USA von einer lockeren Konföderation in eine föderalistische Union überführen sollte. Offen blieb dabei, ob aus den USA dadurch ein nationaler Bundesstaat oder ein eher loser Staatenbund werden würde. Im Süden und Teilen des Westens sah man eine bundesstaatliche Zentralregierung als problematisch an. Im Süden war für diese Position die Sklaven-Frage entscheidend. Im ebenfalls mit einer Zentrali-
1775 begehrten die Plantagenbesitsierung der Macht fremdelnden Westen gab es dagegen viele Krizer auf, als Lord Dunmore (rechts), tiker der Sklaverei, die sich vorder Gouverneur von Virginia, die nehmlich vor dem unlauteren Sklaven derjenigen, die sich gegen Wettbewerb zwischen kleinen Großbritannien stellten, für frei erFreibauern mit bezahlten Ernteklärte (Abbildung aus einem Gehelfern und Großgrundbesitzern schichtsbuch, 1900). mit unbezahlten Sklaven fürchteten. Die Sklavenhalter wiesen darauf hin, sie müssten ja auch für Kinder, arbeitsunfähige alte Sklaven und Kranke bezahlen, was in der freien Wirtschaft nicht nötig sei, aber das war aus Sicht der Kleinbauern kein überzeugendes Argument. Letztlich aber gelang es den Sklavenhaltern, ihre Position durchzusetzen. Vor allem wurde ihnen zugestanden, drei Fünftel ihrer Sklaven als Wähler ohne Wahlrecht zu zählen, wobei nicht explizit von Sklaven, sondern verschämt von „Personen in einem befristeten Dienstverhältnis“ die Rede war, obwohl indentured servants seit JahrDie von den Landvermessern Charles Mason und Jeremiah Dixon 1767 bestimmte Grenze zwischen den Kolonien Maryland und Pennsylvania erhielt später als Demarkation zwischen US-Staaten mit und ohne Sklaverei eine neue Bedeutung (kolorierter Holzschnitt, 19. Jahrhundert).
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Unbehagen ihren Ausgang, Menschen, selbst dann, wenn man sie für rassisch minderwertig hielt, in dauerhafter Unfreiheit zu halten. Die Freiheitsrhetorik der Revolution verfehlte selbst bei Sklavenhaltern mitnichten ihre Wirkung. Seinen Ausgang hatte der Abolitionismus (englisch abolition = Abschaffung) in Großbritannien genommen. Es handelte sich nämlich um eine transatlantische Bewegung, deren zentrale Akteure erst einmal die Quäker, eine radikale, pazifistische christliche Minderheit, waren. Zu ihnen gesellten sich freie Schwarze, vor allem Journalisten und Pastoren der schwarzen Methodisten- und Baptistengemeinschaften. Sie alle waren anfangs Gradualisten, befürworteten also eine lediglich schrittweise erfolgende Emanzipation der Sklaven und plädierten mehrheitlich dafür, die Eigentümer zu entschädigen. Einige wollten die befreiten Sklaven nach Afrika zurückschicken, womit sie dem britischen Beispiel in Sierra Leone folgten. Die American Colonization Society, der viele Sklavenhalter angehörten, erwarb zu diesem Zweck Land im heutigen Liberia. Erst in den 1820er Jahren radikalisierte sich der Abolitionismus in die immediatistische Richtung, die für eine sofortige und entschädigungslose Emanzipation eintrat. Federführend waren dabei evangelikale Christen, die in der Sklaverei eine Sünde wider den Willen Gottes sahen, und liberale Philanthropen sowie radikale demokratische Freigeister. Auch wenn selbst viele Immediatisten durchaus rassistisch gesinnt waren und den freien Schwarzen keine politische Mitbestimmung in den USA einzuräumen bereit waren, so sorgte allein ihr Auftreten für eine tiefe Spaltung der Gesellschaft. Schätzungsweise sympathisierten in den 1820er Jahren rund zehn Prozent der amerikanischen Bevölkerung, vor allem im Norden, mit dem Abolitionismus, womit sie, nach der evangelikalen Bewegung der Sabbat-Observanz zur Sonntagsheiligung, die größte gesellschaftliche Aktivistengruppe darstellten. Allein schon ihr Aktivismus beförderte die sektionalen Konflikte zwischen Nord und Süd. Großbritannien verbot die Sklaverei in allen Teilen des Empires 1834. In den Vereinigten Staaten sollte dazu ein Bürgerkrieg nötig sein.
zehnten in der amerikanischen Gesellschaft nicht mehr vorhanden waren. In der Folge war der Sü„Liberia“ siedelten befreite Skladen im Repräsentantenhaus deutven. 1847 erklärte sich Liberia zur lich überproportional vertreten. Da unabhängigen Republik. Hier eine sich dort überdies ein faktisches Sitzung des Senats (Aquarell von Einparteiensystem herausbildete Robert Griffin, um 1856). und in den Kongress-Ausschüssen der Vorsitzende durch Anciennität, also entsprechend der Länge der Mitgliedschaft im Parlament, bestimmt wurde, waren Südstaatler dort auch überproportional mächtig. Denn sie hatten in ihren Staaten kaum Opposition zu befürchten, wurden regelmäßig wiedergewählt und waren damit oft die dienstältesten Abgeordneten. Als Ausschussvorsitzende hatten sie dann zu entscheiden, über welche Anträge überhaupt diskutiert und abgestimmt werden durfte. In einer weiteren Passage verbot die Verfassung in erneut höchst verklausulierten Worten die Aufnahme geflohener Sklaven, was allerdings in der politischen Realität der USA meist unbeachtet blieb. Im Gegenzug gestand der Süden das ohnehin angesichts britischen Drucks unvermeidbare Verbot des transatlantischen Sklavenhandels zu. In der 1822 in Westafrika gegrün-
deten US-amerikanischen Kolonie
Die Bewegung des Abolitionismus nimmt Fahrt auf Die bald erkennbar werdende Machtstellung der Sklavenstaaten im politischen Gefüge der Union sorgte indes in wachsendem Maß für Unruhe. Die Opposition gegen die Sklaverei nahm gegen Ende des 18. Jahrhunderts von einem gewissen moralischen
Prof. Dr. Michael Hochgeschwender geb. 1961, ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte, Empirische Kulturforschung und Kulturanthropologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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Expansion der Vereinigten Staaten
Neue Staaten – neue Probleme Ursula Prutsch
Der Streit um die Sklaverei zog sich wie ein roter Faden durch die frühe Geschichte der USA – er wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert viel erbitterter geführt, als dies allgemein bekannt ist. Mit jedem neuen Staat, der durch die Westexpansion dazukam, stellte sich wieder die Frage: Wird Sklaverei hier erlaubt oder nicht?
Sojourner Truth, heute als bedeutende Frauenrechtlerin der USA gewürdigt, erblickte um 1797 im Staat New York das Licht der Welt – als Sklavin. Weil sie einer Familie niederländischen Ursprungs gehörte, wuchs Isabella, wie man sie nannte, holländischsprachig auf. Dass Sklavenhalter die Identität afrikanischer Verschleppter brachen und ihnen europäische Namen aufzwangen, dass Sklaven aus Mangel an Mobilität oftmals nur die Sprache ihrer Besitzer redeten, war üblich. Hing im englischen Recht der Status eines Kindes vom Vater ab, so bestimmte ihn in den englischen Kolonien die Mutter. Denn die Väter waren nicht selten die Besitzer der Sklavinnen. So wuchs auch Isabella ausgebeutet auf und wurde mehrmals weiterverkauft. Ihre Biographie teilte sie mit Millionen anderer Sklavinnen in Amerika, doch das Geburtsjahr und der Geburtsort im Staat New York mögen aus heutiger Sicht verwundern. Laut vielen Geschichtsbüchern
schafften die Nordstaaten der jungen Allegorische Darstellung der ManiUSA – New Hampshire, Massachufest Destiny, der „offenbaren Besetts, New York, New Jersey, Rhode stimmung“ der Vereinigten StaaIsland, Connecticut und Pennsylvaten, den gesamten Kontinent bis nia – nach dem erfolgreichen Unabzum Pazifik zu besiedeln (Farbhängigkeitskrieg gegen Großbritanlithographie, um 1873). nien (1776 –1783) die Sklaverei ab. Die Südstaaten – damals Delaware, Maryland, Virginia, North und South Carolina sowie Georgia – hielten daran fest. Bis dahin war die Sklaverei ein integrativer Bestandteil der Kolonialgeschichte gewesen, und keineswegs nur in den Südstaaten. New Yorks Wall Street war ebenso ein Werk von Sklaven wie Schiffe oder Docks in New Hampshire. Das Quäker-Paradies Pennsylvania galt als Ausnahme, wenngleich auch hier die menschenverachtende Praxis eine Zeitlang existierte. Doch die protestantischen Quäker gehörten zu den frühesten und vehementesten Sklaverei-Gegnern.
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die USA als agrarische Republik zufriedener Kleinbauern, gelenkt von einer elitären Gruppe tugendhafter Männer, von denen einige eben menschliche „Waren“ besaßen. Die im Jahr 1787 besiegelte und sukzessive von den 13 Bundestaaten ratifizierte Verfassung nahm die Sklaverei als gegeben hin. Die Wörter slave oder slave trade (Sklavenhandel) wird man jedoch im Text vergeblich suchen. Vielmehr ist im Artikel 1, Sektion 9, von „Migration oder dem Import“ von Personen über den Atlantik die Rede. Allerdings wird dessen Verbot für das Jahr 1808 in Aussicht gestellt. Rassismus und das Selbstverständnis der Gründerväter-Generation, einer auserwählten Elite anzugehören, prägten die Politik über Jahrzehnte hinweg. Zwar schafften die Nordstaaten die Sklaverei nach und nach, wenn auch sehr zögerlich, ab, aber auch hier blieben „Rasse“, „Klasse“ und Geschlechterrollen miteinander verschränkt. So hatten etwa in New York, Massachusetts und New Hampshire vermögende Frauen zu Koloniezeiten und bis in die 1780er Jahre hinein noch das Wahlrecht. In New Jersey konnten sie und freie Schwarze bis zum Jahr 1807 wählen, wenn sie über Besitz verfügten, doch traditionelle männliche Eliten bereiteten diesen Wahlrechten nach und nach ein Ende. Während noch heftig über das neue politische System der hochverschuldeten und politisch fragilen USA diskutiert wurde, skizzierte Thomas Jefferson schon 1784 Leitlinien für die Schaffung neuer Bundesstaaten im Nordwesten und Westen des Kontinents. Dass die ausgedehnten Gebiete jenseits des Gebirgszugs der Appalachen im Westen und im Gebiet der Großen Seen im Norden von den indigenen Stämmen der Irokesen, Mohawks, Shawnees, Muskogees, Yamassees, Cherokees und vielen anderen bewohnt war, stellte für Jefferson kein planerisches Hindernis dar. Basierend auf seinen Skizzen, schuf der Bundeskongress 1785 und 1787 das Regelwerk der „Northwest Ordinances“. Ihr dreistufiges Schema, wie und wann aus einer Fläche Land ein Bundesstaat entstehen sollte, galt zunächst für das Gebiet des heutigen Mittleren Westens. Zuerst wurden Landstriche, die den indigenen Völkern geraubt, abgeschwatzt oder abgekauft worden waren, von Landvermessern abgesteckt und schachbrettartig in Parzellen aufgeteilt. In deren Mitte sollte ein Siedlungszentrum (township) liegen. Diese Parzellen wurden potentiellen Siedlern, Spekulanten oder Unternehmen aus den USA oder aus Europa zum Kauf angeboten. Die Minimalgröße
Die Verfassung toleriert die Sklaverei Wie wir sehen werden, war die Institution der Sklaverei auch während der Phase der territorialen Ausdehnung der USA, also des Verschiebens der frontier, des Grenzraums zwischen „Zivilisation“ und „Wildnis“, nach Westen, ein bestimmender Faktor. Immer wieder stellten die Diskussionen darum die junge Republik auf die Probe. Thomas Jefferson, der Verfasser der Unabhängigkeitserklärung von 1776, hielt auf seinem Landsitz Monticello in Virginia etwa 600 Sklaven und Sklavinnen. Mit einer von ihnen, Sally Hamings, hatte er mindestens sechs Kinder. Wenngleich er diese Zweitfamilie per Testament in die Freiheit entließ, stand Sklaverei für den Gründervater der Republik nicht im Widerspruch zu seinen Postulaten von Freiheit, Gleichheit, unveräußerlichen Rechten und Glück. Denn damit meinSojourner Truth, selbst als Sklavin geboren, war eine engagierte Abote er materiellen Besitz, bestenfalls Wohlstand, der wiederum Freiheit litionistin und evangelikale Predibrachte. Jefferson wünschte sich gerin (Foto, 1870).
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sollte eine Quadratmeile (das heißt 2,6 Quadratkilometer) nicht unterschreiten, und der Mindestpreis dafür sollte nicht weniger als ein Dollar sein. Wenn in einem Distrikt 5000 männliche weiße Erwachsene lebten – Frauen, Kinder, Indigene und Sklaven wurden nicht gezählt –, durfte die Siedlergemeinschaft in einem zweiten Schritt den Anspruch erheben, ein Territorium zu sein und eine lokale Verfassung zu schreiben. Wurde sie im Bundeskongress akzeptiert und wuchs die Bevölkerung des Territoriums auf 60 000 Personen an, konnten ihre Vertreter in einem dritten Schritt im Bundeskongress den Status eines Bundesstaats beantragen. Der Senat bestimmte darüber, ob der künftige Staat in das bestehende Gefüge kulturell, ethnisch und politisch passte. Dazu zählte etwa, ob die Bewohner die auf dem Gebiet lebende indigene Bevölkerung – zumindest theoretisch – respektierte, moralische Kriterien erfüllte (so war die Vielehe nicht erlaubt) und ob die Bevölkerung des neuen Staates allgemein frei sei. Denn die „Northwest Ordinances“ hatten – noch bevor die Verfassung 1791 endgültig ratifiziert wurde – idealistisch festgelegt, dass in den neuen Bundesstaaten weder Sklaverei noch unfreiwillige Arbeitsleistung bestehen durfte. Bei Vergehen drohten Strafen. Allerdings wurde diese Regelung, wie die Praxis zeigte, ständig missachtet. Dank neuer Kanalsysteme und Eisenbahnlinien im Nordosten der USA wuchs die Anzahl der landhungrigen Siedlerfamilien im Ohio-Territorium und westlich der Appa-
Die Siedler entlang der frontier, der lachen rasch an. Auch aus den stetig nach Westen wandernden alten Südstaaten zogen LandSiedlungsgrenze der Europäer, suchende nach Westen. Sie nahmen ihre Sklaven mit. Noch 1792 nannte man auch Pioniere (Kreideentstand der Staat Kentucky, lithographie, 1867). 1796 Tennessee und 1803 Ohio. Alle diese Bundesstaaten erlaubten die Sklaverei, obwohl dies gemäß den „Northwest Ordinances“ nicht vorgesehen war. Die Erklärung dafür ist vielschichtig: Erstens waren die lokalen politischen Eliten auch der sogenannten „freien“ Staaten sehr tolerant, wenn ihre Bürger Sklaven besaßen. Wer etwa aus dem Süden zusammen mit seinen Sklaven in den Westen migrierte und dieses „Investment“ aus finanziellen Gründen nicht freilassen wollte, dem wurde viel Zeit eingeräumt. So endete die Sklaverei im Nordstaat New York offiziell erst 1827, in Connecticut überhaupt erst 1848. Da diese Bundesstaaten aus geographisch-klimatischen Gründen keine Plantagen hatten, sondern die Sklaven für Haus- und Bauarbeiten eingesetzt wurden, fiel die Anzahl der Sklaven in der Gesamtbevölkerung kaum ins Gewicht. Der politische Druck, das System der Sklaverei in den Nordstaaten per Gesetz abzuschaffen, war dementsprechend gering. Ein zweiter Grund für das Weiterbestehen der Sklaverei auch außerhalb der Plantagenregionen lag im Text der Verfassung begründet, die erst nach den „Northwest Ordinances“ ratifiziert wurde. Die Sklaverei wurde in der Verfassung an keiner Stelle als Institution in Zweifel gezogen, weshalb die Befürwor-
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Der frühere Sklave Olaudah Equiano schockierte die Öffentlichkeit mit seinen Berichten über den transatlantischen Sklavenhandel (Porträt auf der Titelseite von Equianos Autobiographie, 1789).
ter der Sklaverei den „Northwest Ordinances“ keine gesetzliche Verbindlichkeit zugestanden. Als dritter Punkt kann die jeweilige Entscheidungspraxis der Wählerbevölkerung in den Territorien angeführt werden. Dort wurde in Form der popular sovereignty abgestimmt, ob Sklaven toleriert würden oder nicht. Da Sklaverei ohnehin durch die Verfassung nicht verboten war, propagierten Lokalpolitiker und manche US-Präsidenten deshalb die Referenden als legitime Formen der Entscheidungspraxis. Freilich mussten die Entwürfe der jeweiligen Staatsverfassungen die entscheidende Hürde im Bundeskongress nehmen, wo Repräsentanten und Senatoren der „freien“ Staaten mit jenen der Sklavenstaaten um die Verfasstheit jedes potentiell neuen Bundesstaates stritten – vom späten 18. Jahrhundert an bis zum Bürgerkrieg. Dass die Sklaverei ein menschliches Übel war, wusste freilich auch Thomas Jefferson, der zwischen 1784 und 1789 als Gesandter der USA in Paris lebte und die ersten Wochen der Französischen Revolution miterlebte. Besonders britische und französische Philanthropen wie der Marquis de Lafayette artikulierten ihre Kritik an Sklaverei und Sklavenhandel immer deutlicher. Die am 26. August 1789 von der französischen Nationalversammlung verabschiedete Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte beeinflusste Debatten in Salons, Lesevereinen und Freimaurerlogen in Nord- und Südamerika. Rasch verbreitete sich ihr Inhalt unter den Sklaven in der transatlantischen Welt. 1789 veröffentlichte der aus Igbo im heutigen Nigeria stammende und in den USA lebende frühere
Sklave Olaudah Equiano in London seine brillante Autobiographie „Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano“. Zwei Jahre später, 1791, begannen schwarze Plantagensklaven mit weißen Tagelöhnern in der französischen Kolonie Saint-Domingue auf der Insel Hispaniola den weltweit einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand und riefen schließlich die Republik Haiti aus. Die vorgeblich um die Menschenrechte besorgten Revolutionäre im französischen Mutterland hatten zuvor zu verhindern versucht, dass die Sklaven in der Karibik vom Umsturz in Paris erfuhren. Man fürchtete – wie sich zeigen sollte zu Recht –, dass der Freiheitsgedanke hier einen Sturm entfachen könnte. Die in Haiti gelungene Revolution versetzte die Welt der Karibik, die US-Südstaaten und Teile des spanischen und portugiesischen Kolonialreichs in Angst und Schrecken. In den USA führte sie zur Verschärfung der sogenannten slave codes, eines Verhaltenskodexes für Sklaven und ihre Herren, die Fluchtversuche und Widerstand der Ersteren noch drakonischer bestraften, während Gewaltexzesse ihrer Besitzer meist nicht geahndet wurden.
Napoleon gibt die Großkolonie Louisiana ab Haiti war also für die Franzosen verloren. Und Napoléon Bonaparte, der seit seinem Sprung an die Macht 1799 Unsummen für kriegerische Expansionen in Europa ausgab, nahm bald von der Utopie Abstand, die französischen Karibikinseln und Louisiana auf dem Festland als karibisches Imperium aufzubauen. Im Gegenteil: Recht überraschend bot er Louisiana der US-Regierung im Jahr 1803 zum Kauf an. Thomas Jefferson, mittlerweile dritter US-Präsident und theoretisch ein strenger Hüter der Verfassung, willigte sofort ein, ohne den Kongress zu befragen, und ließ dem Kaiser der Franzosen 15 Millionen Dollar bezahlen. Es war ein äußerst lukratives Geschäft. Denn Louisiana war weit größer als der heutige Bundesstaat gleichen Namens. Das Gebiet umfasste 828 000 Quadratmeilen und erstreckte sich vom Mississippi River bis zu den Rocky Mountains und vom Golf von Mexiko bis zur kanadischen Grenze. Mit einem Schlag hatten die USA ihr Territorium verdoppelt. Den „Northwest Ordinances“ gemäß wurde die ehemalige französische Großkolonie schrittweise von einem unorganized territory, sprich vom Land der indigenen Einwohner, in Territorien und Bundesstaa-
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In jenem Jahr bestanden die USA aus 22 Bundesstaaten, elf „freien“ und elf Sklavenstaaten. Ein solcher wollte das Missouri-Territorium werden, was die Gegner der Sklaverei, die Abolitionisten, im Kongress ablehnten. Deshalb wurde der versierte und kompromissbereite Politiker Henry Clay (1777–1852) aus Kentucky um eine Lösung des Konflikts gebeten. Nach monatelangen, zähen Verhandlungen brachte Clay tatsächlich im Frühjahr 1820 den „Missouri Compromise“ zustande. Um den Gleichstand bei den Staaten mit und ohne Sklaverei zu erhalten, wurde vom Bundesstaat New Hampshire kurzerhand Land abgetrennt, auf dem der neue „freie“ Staat Maine entstand. So konnte Missouri zu einem Staat mit Sklaverei werden. Um zu verhindern, dass es in absehbarer Zukunft wieder zu einer ähnlichen Pattstellung kommen könnte, zogen die Verhandler die sogenannte „Missouri Compromise Line“. Sie verlief entlang der Südgrenze von Missouri auf 36,3 Grad nördlicher Breite bis zur Grenze des Vizekönigreichs Neuspanien, dem späteren Die Revolution der Sklaven in der Mexiko, im Westen. Optimistisch französischen Kolonie Saint-Doerklärte Clay, dass es im Territomingue (Haiti) 1791 war ein Schock rium nördlich dieser „Südgrenfür die Plantagenbesitzer der Südze“ abgesehen von Missouri bis staaten der USA (Stich, um 1815).
ten wie Louisiana (1812), Indiana (1816), Mississippi (1817), Illinois (1818) und Alabama (1819) transformiert. Begleitet wurde der Prozess von den üblichen Debatten um die Sklaverei in den neuen Bundesstaaten. Um 1820 war noch immer ein beträchtlicher Teil des angekauften Louisiana-Territoriums unorganized. Die zahlreichen indigenen Völker waren stets die Verlierer dieser Politik der Frontier. Während die Shawnees sich etwa kriegerisch gegen diese Landnahme wehrten, zogen andere Völker weiter nach Westen. Und der Druck stieg: Die scheinbar grenzenlose Verfügbarkeit von Land, das man unkompliziert und günstig erwerben konnte, machte die USA bald zu einem attraktiven Lebensraum für Millionen europäischer Immigranten. Im Gegensatz zu Lateinamerika entwickelte sich in den Vereinigten Staaten – so wie Jefferson es sich vorgestellt hatte – noch vor dem Ende der Leibeigenschaft in Europa eine breite Schicht selbständiger Bauern und Gewerbetreibender. Im Jahr 1819 – die US-Regierung hatte den Spaniern gerade Florida abgekauft, deren Kolonialreich in Spanisch-Amerika in blutigen Unabhängigkeitskriegen zerfiel – verhärteten sich die Fronten zwischen Sklaverei-Befürwortern und -Gegnern im Bundeskongress im Fall des Missouri-Territoriums. Eine Lösung schien nicht in Sicht zu sein.
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verächtlich Richtung Süden, der immer vehementer an der Sklaverei festhielt, je schärfer die Kritik aus dem Norden kam. Obgleich reiche Plantagenbesitzer, die mehr als 20 Sklaven hatten, in der Minderzahl waren, galt deren Besitz als Statussymbol. Selbst die große Mehrheit der Südstaaten-Bevölkerung, die sich keine Sklaven leisten konnte, verteidigte die peculiar institution. Die Sklaverei wurde zynisch als „zivilisatorische“ Leistung für „niedere“ Menschen gepriesen, die zudem Arbeit im Freien, Kleidung und Nahrung bot, während die so moralisch argumentierenden Nordstaatler ihre „weißen Sklaven“ mit gefährlichen Maschinen in finsteren, lauten und ungelüfteten Werkhallen hantieren ließen, die trotz kümmerlicher Löhne für Wohnraum, Kleidung und Essen selbst sorgen mussten. Diese Selbst- und Fremdzuschreibungen des Nordens und des Südens, die immer größer werdende Verachtung füreinander, je mehr die USA sich nach Westen ausdehnten, verdeutlichen, wie eng die Sklaven-Frage mit einer komplexen Identitätsfrage verbunden war – weit über ihre ökonomische Funktion hinaus.
an die Grenze Kanadas keinen weiteren Sklavenstaat mehr geben sollte. Dass dieser Bundesbeschluss die war einer der profiliertesten USGemüter nur eine Zeitlang beruhigPolitiker der ersten Hälfte des te, lag auf der Hand, führten doch 19. Jahrhunderts. Trotz fünf Anseine Gegner sofort ins Feld, dass läufen schaffte er es aber nie ins der „Missouri Compromise“ nicht Amt des Präsidenten (Gemälde verfassungskonform sei. von Charles Willson Peale, 1818). Auch unabhängig von der dominierenden Sklaven-Frage entwickelten sich die Nord- und die Südstaaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinander. Die Vision des ersten US-Schatzministers Alexander Hamilton (im Amt 1789 –1795), die USA würden von Europa unabhängiger, wenn sie Manufakturen und Schutzzölle errichteten, trugen nun Früchte. Im Nordosten der USA entstanden Tausende Manufakturen, von denen die Textilfabriken von Waltham & Lowell in Massachusetts mit 8000 Arbeiterinnen (mill girls) zu den größten zählten. Neue Straßen, Kanäle und Eisenbahnlinien ließen Waren rasch zirkulieren und brachten neue Einwanderergruppen ins Land; der mechanische Pflug bot Erleichterungen in der Landwirtschaft, die nun auch für Europa produzierte. In den boomenden Städten wuchsen die Armenviertel ausgebeuteter Arbeitskräfte. Geprägt durch die technologischen und ökonomischen Transformationen, verstanden sich die Nordstaaten-Eliten als modern, fortschrittlich, technokratisch, dynamisch und arbeitsam und blickten Henry Clay, Vermittler des „Missouri Compromise“ von 1820,
US-Siedler in Mexiko fordern die Unabhängigkeit Obgleich 1820 erst ein kleinerer Teil des „Louisiana Purchase“ in Bundesstaaten umgewandelt war, suchten expansionistische Politiker nach Möglichkeiten,
Der Quäker und Abolitionist Benjamin Lundy versuchte vergeblich, die Annexion von Texas – als weiterem Hort der Sklaverei – zu verhindern (Frontispiz von Lundys Autobiographie, 1847).
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um das US-Staatsgebiet selbst nach Süden und Südwesten hin auszuweiten. 1821, ein Jahr nach dem „Missouri Compromise“, ging die Republik Mexiko aus dem Vizekönigreich Neuspanien hervor. Nach einem langen Unabhängigkeitskrieg verschuldet und dünn besiedelt, unterzeichnete die mexikanische Regierung gemeinsam mit dem Unternehmer Stephen Austin 1825 einen Vertrag über die Ansiedlung von US-Amerikanern im mexikanischen Texas. Die Siedler legten dort Baumwollfelder an. Allerdings sollten die Neulinge Spanisch lernen, katholisch werden und sich – nachdem Mexiko 1829 ein entsprechendes Verbot ausgesprochen hatte – von ihren Sklaven trennen. Die US-Amerikaner ignorierten dies jedoch. Ständig kamen neue Siedler mit ihren Sklaven hinzu. 1835 war die Zahl der Zuzügler auf rund 5000 angewachsen. Sie beschlossen, sich von Mexiko loszulösen. Damals reiste gerade der Quäker und Abolitionist Benjamin Lundy (1789 – 1839) durch Texas, weil er auf der Suche nach billigem Land für befreite Schwarze war. Die mexikanische Regierung zeigte sich seinem Projekt gegenüber aufgeschlossen. Doch bevor Lundy es umsetzen konnte, riefen die migrantischen Unternehmer die Unabhängigkeit von Texas aus, formten eine paramilitärische Truppe und waren bereit, die Unabhängigkeit mit Waffengewalt zu verteidigen.
Nachdem die mexikanische Die Schlacht um die frühere Missionsstation Alamo ist zum Bestandteil Armee die Widerständigen in der texanischen Missionsstation des Gründungsmythos von Texas geAlamo im Frühjahr 1836 verworden. Das Historiengemälde (1905) von Henry Arthur McArdle ist heute nichtend geschlagen hatte, übte im Folgejahr der Texaner Sam im Senatsgebäude der Hauptstadt Houston mit seinen Truppen VerAustin zu sehen. geltung. Das mexikanische Heer verlor die Schlacht. Texas erklärte sich als „Lone Star Republic“ unabhängig und legalisierte die Sklaverei. Lundy, der Zeitzeuge, betonte 1836 in seinem Pamphlet „Der Krieg in Texas“, dass die Rebellion der Siedler gegen den mexikanischen Staat eine Verschwörung von Sklavenhaltern gewesen sei, die den USA nur einen weiteren Sklavenstaat bescheren wollten. Deshalb sprach er sich vehement gegen die Annexion von Texas durch die USA aus. Doch vergeblich. 1845 wurde Texas unter dem demokratischen Präsidenten James K. Polk (im Amt 1845 – 1849) als 28. Bundesstaat in die Union eingegliedert. Es waren gerade Mitglieder der Demokraten, der ehemaligen Partei Thomas Jeffersons, die expansionistisch mit dem Argument agierten, dies sei eine natürliche Bestimmung der USA, ihren Lebensraum zum eigenen Nutzen und zum vermeintlich Besten anderer Kulturen auszuweiten. 1845 prägte der den Demokraten zuzurechnende Journalist John Louis O’Sullivan (1813 – 1895) den Begriff der Manifest Des-
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tiny. Er repräsentierte die Ideologie des Fortschritts, angetrieben vom Exzeptionalismus einer Nation, Hauptstadt Mexiko ein (Farblithogradie glaubte, dass ihre Vorfahren phie, 19. Jahrhundert). im 17. Jahrhundert die in der Bergpredigt (Matthäus 5, 14) verheißene „City Upon a Hill“ („Stadt, die auf einem Berg liegt“) geschaffen hätten. Diese Gemeinschaft sei das Neue Jerusalem, dort werde demokratischer Zusammenhalt, Fleiß und Tugendhaftigkeit gelebt. Deshalb wären die USA dazu bestimmt, diese Kultur anderen Menschen überzustülpen. Die Idee der Manifest Destiny war mit rassistischer Geringschätzung gegenüber nicht-weißen Gruppen verbunden. Die USA sollten die Vergangenheit, die von Schlachten geprägt war und Opfer forderte, einfach ruhen lassen, forderte O’Sullivan in seinem Essay „The Great Nation of Futurity“ (1839), der in der „United States Democratic Review“ erschienen war. Anders als die dekadenten, verschuldeten Aristokratien in Europa seien die Vereinigten Staaten die Nation der Zukunft, dies sei ihre natürliche Bestimmung. So war es kein Wunder, dass gerade Präsident Polk zu einer Galionsfigur der Manifest Destiny wurde. Er fand einen Ausgleich mit den Briten um das lange gemeinsam verwaltete Oregon, das nun zwischen beiden Mächten geteilt wurde. Agenturen bezahlten Werbeannoncen in Zeitungen, damit diese künftigen Siedlern gutes Land und fischreiche Gewässer versprachen. Zahlreiche Siedlertrecks waren mit ihren Planwagen, den „Conestoga Wagons“, monatelang auf dem sogenannten Oregon Trail unterwegs, einer 3500 Ki-
lometer langen Route über die Rocky Mountains. Freilich wurden die Wagenburgen gelegentlich überfallen – ein klassisches Motiv in den Westernfilmen des 20. Jahrhunderts –, doch in der Praxis boten indigene Stämme den Siedlern oftmals gegen Bezahlung wichtige Informationen, wo etwa ein Flusslauf am besten zu überqueren war. Präsident Polks Versuch, Kalifornien den Mexikanern abzukaufen, scheiterte, aber es gab einen nicht beigelegten Grenzkonflikt mit dem Nachbarland. Mexiko wollte den Fluss Nueces als Grenze zu Texas definieren, Polk wollte mehr, er beanspruchte auch das Gebiet bis zum Rio Grande. Zu Recht ahnend, dass Mexiko nicht nachgeben würde, ließ Polk eine USTruppe die Grenze überschreiten und hoffte auf eine Erwiderung Mexikos, die nicht lange auf sich warten ließ. 1846 brach der Mexikanische Krieg aus. Die US-Truppen waren besser gerüstet und mit Nahrung versorgt, ihre Generäle strategisch geschickter. Sie eroberten Veracruz und drangen im September 1847 bis Mexico City vor. In der Hymne des United States Marine Corps, dessen Truppen das Schloss von Chapultepec stürmten, werden heute noch „The Halls of Montezuma“ besungen. Nach einer weiteren Niederlage unterzeichnete die mexikanische Regierung am 2. Februar 1848 den Vertrag von Guadalupe Hidalgo. Mexiko verlor fast die Hälfte seines Territoriums an die USA. Eigentlich hätte ganz Mexiko den USA einverleibt werden können. Aber es gab in den Vereinigten Staaten heftigen Widerstand dagegen. Seit Ende der
Entscheidung des Kriegs: Am 14. Sep-
tember 1847 nahmen US-Truppen die
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zifik hin war gelungen. Die politischen Gemüter beruhigte dies jedoch keineswegs.
napoleonischen Kriege waren aus den Staaten des losen Deutschen Bundes Tausende katholische Immigranten in die USA geströmt. Samuel F. B. Morse (1791 – 1872), der Erfinder des gleichnamigen Telegraphie-Alphabets, hatte in seiner berühmten Schmähschrift „The Dangers of Immigration“ (1835) besonders vor Einwanderern aus dem multiethnischen, dominant katholischen Kaiserreich Österreich gewarnt, weil sie papsttreu seien und noch dazu von Staatskanzler Clemens von Metternich autoritär regiert worden wären. Ergo würden sie weder den US-Präsidenten als oberste Autorität noch die angelsächsisch geprägte Demokratie anerkennen. Zudem wanderten seit 1845 binnen kurzem über eine Million gälischsprachiger, katholischer Iren ein. Würde nun auch noch ganz Mexiko mit seinen 7,6 Millionen Katholiken und Indigenen in die Union integriert, dann sei die Identität des Landes zerstört, befürchteten die Anhänger der Manifest Destiny. Aus dem mexikanischen Kriegsgewinn erwuchsen zunächst die Territorien Arizona, Nevada und das begehrte Kalifornien. Dort wurde 1849 Gold entdeckt. Der Traum von der Ausdehnung bis zum Pa-
Durch einen weiteren Kompromiss spitzt sich die Lage zu Um 1850 engagierten sich Feministinnen, viele von ihnen waren Quäkerinnen, immer stärker für die Befreiung von Afroamerikanern, weil sie sich mit deren Emanzipation auch das Frauenwahlrecht erhofften. Harriet Beecher Stowe (1811 –1896) schrieb mit „Uncle Tom’s Cabin“ („Onkel Toms Hütte“) 1852 einen weltweit rezipierten Bestseller gegen die Sklaverei. Der frühere Sklave Frederick Douglass (1817 – 1895) war als rhetorisch brillanter Abolitionist nicht minder bekannt und zudem mit der deutschen Abolitionistin und Feministin Ottilie Assing (1819 – 1884) eng befreundet. Unterstützt wurde Douglass vom weißen Abolitionisten William Lloyd Garrison (1805 – 1879). Zahlreiche freie Schwarze wie Harriet Tubman (um 1820 – 1913) halfen Sklavinnen und Sklaven auf geheimen Fluchtwegen („Underground Railroad“) in die Nordstaaten, viele flohen nach Mexiko.
BRITISCH-NORDAMERIKA (KANADA)
WASHINGTONTERRITORIUM
PA Z I F
ISCH
ER O ZEA N
Bundesstaaten mit und ohne Sklaverei
VERMONT
Oberer See
MINNESOTATERRITORIUM
OREGONTERRITORIUM
NEW HAMPSHIRE Ontariosee MASSACHUSET TS RHODE I. NEW YORK CONNEC TICUT Eriesee
Huronsee
WISCONSIN
NEBRASKATERRITORIUM
Michigansee
MICHIGAN
PENNSYLVANIA NEW JERSEY D E L AWA R E Washington, D.C. W. V I R G I N I A M A R Y L A N D 1863 abgespalten
IOWA UTAHTERRITORIUM K A N S A S -T E R R I T O R I U M 1861 als sklavenfreier Staat in die Union aufgenommen
nicht organisiertes Gebiet
VIRGINIA
MISSOURI
INDIANER- ARKANSAS TERRITORIUM
OHIO
KENTUCKY NORTH CAROLINA
TENNESSEE
SOUTH CAROLINA
ipp i
NEW-MEXICOTERRITORIUM
INDIANA ILLINOIS
M is siss
KALIFORNIEN
ALABAMA
MISSISSIPPI
GEORGIA
TEXAS
Freistaaten
AT L A N T I S C H E R OZEAN
LOUISIANA
MEXIKO
FLORIDA
Sklavenstaaten
GOLF VON MEXIKO
Wahlfreiheit in der Sklaven-Frage (Kompromiss von 1850) Wahlfreiheit in der Sklaven-Frage (Kansas Nebraska Act 1854)
MAINE
Missouri-KompromissLinie von 1820 (36°30’)
Mason-Dixon-Linie (vermessen 1765–1768)
0
500 km
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Durch einen weiteren Kompromiss spitzt sich die Lage zu
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Dieser organisierte Widerstand des Nordens, die Literatur, Broschüren, Zeitungsartikel, die ständig abjourner Truth enthüllt. Mit dabei zufangen und zu zensieren waren, die damalige First Lady Michelle provozierte den Süden immens. DaObama (Zweite von links) und zu kamen stete Debatten um die Außenministerin Hillary Clinton neuen Bundesstaaten, die aus dem (Zweite von rechts). verbliebenen „Louisiana Purchase“ und den von Mexiko abgetrennten Gebieten hervorgingen. Deshalb musste 1850 wieder ein Kompromiss ausgehandelt werden, der noch weniger tragfähig war als der „Missouri Compromise“ von 1820. Auch mit dieser heiklen Aufgabe wurde Henry Clay betraut. Gemeinsam mit dem Demokraten Stephen A. Douglas aus Illinois und dessen Kollegen Daniel Webster aus New Hampshire legte Clay fest, dass Kalifornien als „freier Staat“ in die Union aufzunehmen sei. Dort hatten sich binnen kurzem so viele Goldschürfer aus Europa eingefunden, dass die Sklaverei als nicht nötig erachtet wurde. Die damals noch nicht begrenzten Territorien des gewonnenen mexikanischen Staatslandes wurden in New Mexico und in Utah aufgeteilt, wohin auf dem Oregon Trail kurz zuvor eine Mormonen-Gemeinschaft unter der Führung von Brigham Young (1801 – 1877) gekommen war. Beide Territorien erlaubten die Sklaverei. Der verbliebene Rest des territorialen Kriegsgewinns wurde später Wyoming und Colorado zugeschlagen. Der Kompromiss von 1850 sah noch zwei weitere Maßnahmen vor. So wurde der Sklavenhandel in der Bundeshauptstadt Washington D.C., die zum Süden zählte, verboten. Anlass gaben die Beschwerden
von europäischen Reisenden, die über die SklavenVersteigerungen in der Hauptstadt „der freien Welt“ schockiert waren. Abgesehen davon wurde ein verschärftes Gesetz über geflohene Sklaven („Fugitive Slave Law“) beschlossen. Nordstaatler, die entflohenen Sklaven jegliche Hilfe wie Unterkunft, Geld oder Beratung zuteilwerden ließen, wurden mit hohen Geldstrafen belegt. Zudem durften Sklavenhalter Kommissäre nach Norden entsenden und die Rückkehr ihrer Sklaven, ihres Besitzes, erzwingen, selbst wenn diese in einem „freien Staat“ lebten. Diese Genugtuung für den Süden war eine Demütigung für den Norden, wurde dieses Gesetz doch rasch in die Praxis umgesetzt. Die eingangs des Kapitels erwähnte ehemalige Sklavin Isabella Van Wagener, die sich mittlerweile Sojourner Truth nannte, hielt 1843 in Florence, Massachusetts, ihren ersten Vortrag zu den Themen Frauenrechte und Abolitionismus. 1850 erschien ihre Autobiographie, in der sie die doppelte Ausbeutung als schwarze Frau und Sklavin thematisierte. Historiker beschrieben dies inzwischen mit dem Begriff der Intersektionalität. 2009 wurde Sojourner Truth als erste Afroamerikanerin mit einer Büste im Kapitol geehrt.
Am 28. April wurde im Kapitol in Washington eine Statue für So-
Prof. Dr. Ursula Prutsch geb. 1965, ist Professorin für Amerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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Abraham Lincoln
Der Aufstieg eines Underdogs Georg Schild
Abraham Lincoln entstammte einfachsten Verhältnissen. Er arbeitete sich hoch zu einem vielbeschäftigten Anwalt in Illinois. Seine politische Karriere startete zunächst aber wenig vielversprechend.
Die Amtszeit keines amerikanischen Präsidenten war derart eng mit einem Krieg verbunden wie die Abraham Lincolns mit dem Bürgerkrieg der Jahre 1861 bis 1865. Historiker haben den Konflikt zwischen den Nord- und den Südstaaten, der schließlich zur Abschaffung der Sklaverei führte, häufig als den Kulminationspunkt angesehen, auf den Lincolns Biographie fast zwangsläufig zugesteuert sei. Sein Leben vor der Präsidentschaft wurde entsprechend als Vorbereitung auf die große Aufgabe der Emanzipation der Sklaven gedeutet. Eine solche Sichtweise ist jedoch problematisch, da Lincoln nie ein Abolitionist war. Seine politischen Überzeugungen lagen auf einem anderen Gebiet. Er sah in der amerikanischen Demokratie die beste aller denkbaren politischen Ordnungen, weil sie die (weißen) Bürger aus monarchischer Bevormundung befreit, den Bewohnern selbst der kleinsten Städte und Dörfer eine politische Mitsprache gegeben und ihren wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Aufstieg durch eigener Hände Arbeit ermöglicht hat.
Diese politischen Ziele wurden in 1922 wurde in Washington das den 1830er bis 1850er Jahren von Lincoln Memorial eingeweiht, der Whig-Partei politisch vertreten, eine Art Schrein für den heute der sich Lincoln lange zugehörig wohl bekanntesten US-Präsidenfühlte. In einer autobiographischen ten. Die Statue im Inneren stammt Skizze aus dem Präsidentschaftsvon Daniel Chester French. wahlkampf von 1860 schrieb Lincoln, dass er politisch „immer ein Whig“ gewesen sei. Lincoln war bewusst, dass Sklaverei nicht zum Ideal der Whigs von einem Aufstieg durch eigener Hände Arbeit passte. Schließlich wurde den Sklaven Freiheit und wirtschaftlicher Erfolg verwehrt. Bis zum Bürgerkrieg äußerte er sich dennoch nur zurückhaltend zur Sklaverei, weil abolitionistische Propaganda den Zusammenhalt des Landes und damit das amerikanische Experiment eines demokratischen Staates bedroht hätte. Erst als die Südstaatler ihren Austritt aus der Union verkündet und Waffen gegen die Union erhoben hatten, zwangen sie Lincoln zu einem Krieg, an dessen Ende neben der Wiederherstellung der Einheit die Befreiung der Sklaven stand.
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des. Lincoln erfuhr also in seiner Kindheit und Jugend die ganze Härte, die Gefahren und Einsamkeit eines Lebens an der Frontier. Das entbehrungsreiche Dasein prägte ihn, und er nahm sich vor, dieses Leben hinter sich zu lassen. „Every man is said to have his peculiar ambition“, so Lincoln im März 1832. Jeder habe seine ureigene Bestimmung im Leben. Sein Interesse an Bildung und Büchern, sein Studium rechtswissenschaftlicher Literatur, die Tätigkeit als Anwalt, die Hinwendung zur Politik und die Hochzeit mit Mary Todd, der Tochter aus einer reichen und einflussreichen Familie, waren Schritte auf dem Weg, seine Vorstellung von persönlichem Aufstieg in die Tat umzusetzen. Als junger Mann verließ Lincoln die elterliche Farm und zog in das Dorf New Salem, wo er die Jahre 1831 bis 1837 verbrachte. Er ging dort unterschiedlichen Tätigkeiten nach, arbeitete in einem Laden, war Landvermesser und Postbote und diente während des Black Hawk War (1832), einer Auseinandersetzung mit Indigenen, die entlang dem Mississippi lebten, einige Wochen in der Miliz von Illinois. Gleichzeitig las er rechtswissenschaftliche Bücher, um sich auf die Tätigkeit als Anwalt vorzubereiten. Lincoln war in New Salem zwar weit entfernt von den politischen Zentren des Landes, er erkannte jedoch, dass staatliche Maßnahmen Folgen für das Leben der Menschen dort hatten. Solange der Fluss Sangamon, an dem New Salem lag, wegen seines stark schwankenden Wasserstandes keinen verlässlichen Transportweg darstellte, waren die Farmer der Gegend auf einen kostspieligen und zeitaufwendigen Transport ihrer Güter über Land angewiesen. Eine Schiffbarmachung des Flusses hätte New Salem zu einem Handelszentrum machen können. Im März 1832 kündigte Lincoln an, dass er für die Whig-Partei um einen Sitz im Parlament von Illinois kandidieren werde. Das „Sangamo Journal“ veröffentlichte im März sein Wahlprogramm, in dem er eine Verbesserung der Infrastruktur forderte. Gerade die bis dahin nur spärlich besiedelten Landkreise würden davon profitieren, wenn Straßen und Eisenbahnen gebaut und Flüsse schiffbar gemacht würden. Lincoln gelang der Sprung ins Parlament von Illinois zwar erst im zweiten Anlauf 1834, danach wurde er jedoch noch zweimal wiedergewählt. Im April 1837 zog der 28-jährige Lincoln nach Springfield, das gerade zur Hauptstadt von Illinois erhoben worden war. Fast ein Vierteljahrhundert lang würde er dort als Rechtsanwalt tätig sein. Die vielen hundert Fälle, die seine Kanzlei übernahm, spiegelten
Entbehrungsreiche Kindheit in einer Blockhütte Abraham Lincoln hat nur selten und ungern über seine frühen Lebensjahre gesprochen. Als er vor der Präsidentschaftswahl von 1860 von einem Journalisten gebeten wurde, ihm etwas über seine Jugend mitzuteilen, antwortete er, dass alles in einem Satz zusammengefasst werden könne: „ … the short and simple annals of the poor“ („ … die kurzen und einfachen Aufzeichnungen der Armen“). Lincoln kam im Februar 1809 in einer einfachen Blockhütte auf einer Farm in Kentucky, einem sklavenhaltenden Südstaat, als zweiDie einfache Herkunft Lincolns tes von drei Kindern des Farmers Thomas Lincoln und seiner Frau wurde immer wieder folkloristisch Nancy zur Welt. Abrahams jünaufbereitet. Sein Spitzname „The gerer Bruder Thomas Jr. überlebRailsplitter“ („Der Schwellenspalte nur wenige Tage, seine Mutter ter“) spielt auf die Zeit an, als er starb, als er neun Jahre alt war; sein Geld als Holzarbeiter verdiente seine Schwester Sarah verstarb (moderne Graphik nach einem Gebei der Geburt ihres ersten Kinmälde, um 1909).
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die Lebenswirklichkeit einer amerikanischen Gemeinde im 19. Jahrhundert wider. Es ging um Scheidungen, Schulden, Insolvenzen und unklare Landgrenzen. Es gelang Lincoln aber auch, einige besonders zahlungskräftige Mandanten zu gewinnen. Über Jahre hinweg vertrat er die Interessen großer Eisenbahngesellschaften vor Gericht. Die wachsende Familie Lincolns – es wurden vier Söhne geboren, von denen jedoch nur der erstgeborene das Erwachsenenalter erreichte – lebte in einem stattlichen Haus in Springfield. In nur wenigen Fällen ging es in Lincolns Kanzlei um Sklaverei, die im Staat Illinois verboten war. Er vertrat dabei 1841 vor dem Obersten Gerichtshof des Staates die Interessen einer nach Illinois geflohenen Sklavin („Bailey v. Cromwell“). Einige Jahre später setzte er sich für einen Plantagenbesitzer ein, der einen vermeintlich unrechtmäßig befreiten Schwarzen wieder versklaven wollte („Matson v. Rutherford“, 1847). Historiker tun sich schwer mit der Beantwortung der Frage, warum Lincoln den Sklavenhalter Robert Matson vor Gericht vertrat – zumal dessen Ansprüche zweifelhaft waren. Lincoln verlor den Fall schließlich auch. Der Historiker David Herbert Donald schrieb lapidar, dass Lincolns Geschäft das Gesetz und nicht die Moral gewesen sei. Ganz so einfach sollte man es sich jedoch nicht machen, denn Lincoln war zum Zeitpunkt des Matson-Verfahrens bereits zum Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus gewählt worden. In dieser Situation als Anwalt aus dem Norden einen Sklavenbesitzer rechtlich zu vertreten lässt darauf schließen, dass ihm wohl zu diesem Zeitpunkt die Sklaverei im Süden noch nicht als ein grundsätzliches Übel erschien, das es zu überwinden galt.
In dieser Straße in Springfield (Illinois) befand sich die Kanzlei von Lincoln und
Ende Oktober 1847 brach Lincoln geseinem Partner William meinsam mit seiner Familie nach WaHerndon (Foto, um 1850). shington auf. In den folgenden zwei Jahren vertrat er die Interessen seines Wahlbezirks im Kongress. Er machte sich in dieser Zeit einen Namen als führender Kritiker des Krieges gegen Mexiko, der in den Jahren 1846 bis 1848 geführt wurde. Wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben wurde, weiteten die USA in der Folge des Kriegs ihr Staatsgebiet bis zum Pazifischen Ozean aus. Diese Gebietserweiterung machte den Krieg in der Bevölkerung populär. Lincoln fürchtete jedoch, dass die territoriale Erweiterung nach Westen negative Folgen für bestehende Bundesstaaten haben werde. Wer würde noch nach Illinois ziehen und dort investieren, wenn es im Westen weit billigeres Land gab? Würde der Staat nach dem kostspieligen Krieg noch Geld für notwendige Infrastrukturmaßnahmen haben? Vor allem jedoch sorgte sich Lincoln um die Frage, ob die neuen Gebiete als freie oder als sklavenhaltende Staaten organisiert würden. Eine zweite Initiative des Abgeordneten Lincoln bezog sich auf die Sklaverei in Washington. In der US-Hauptstadt mit ihren etwa 50 000 Einwohnern (1850) lebten 2000 Sklaven und 8000 freie Schwarze. Abgeordnete aus dem Norden brachten wiederholt Resolutionen ein, nach denen Sklaverei in der Hauptstadt verboten werden sollte; Südstaatler lehnten dies regelmäßig ab. Lincoln nahm hier eine vermittelnde Position ein. Er erkannte an, dass der Kongress Sklaverei in der
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Lincolns Plan traf auf allgemeine Ablehnung. Gegner der Sklaverei kritisierten, dass die Bereitschaft zu Kompensationszahlungen der Sklaverei eine Legitimität verleihen würde, die ihr nicht zustehe. Südstaatler lehnten den Plan als ersten Schritt hin zu einer allgemeinen Abschaffung der Sklaverei ab. Die historische Bedeutung des Vorschlages von Lincoln lag gerade darin, dass niemand darauf einging. Die Positionen des Nordens und des Südens in der Sklaverei-Frage hatten sich um 1850 bereits so sehr verhärtet, dass keine Kompromisse mehr möglich waren. Nach Ablauf seiner zweijährigen Amtszeit als Abgeordneter trat Lincoln nicht zur Wiederwahl an. Seine Kritik am Krieg gegen Mexiko hatte ihn in Illinois so unbeliebt gemacht, dass er nicht erneut als Kandidat aufgestellt wurde. Er kehrte enttäuscht nach Springfield zurück und nahm die Tätigkeit als Anwalt wieder auf. Die unspektakuläre politische Karriere eines Anwalts aus Illinois schien beendet. In seiner autobiographischen Skizze aus dem Wahlkampf 1860 nannte Lincoln die Auseinandersetzung um den „Kansas-Nebraska Act“ von 1854 als Grund für seine Rückkehr in die Politik. In der amerikanischen Diskussion über Sklaverei ging es Mitte des 19. Jahrhunderts vorrangig um die Frage der Machtverteilung zwischen freien und sklavenhaltenden Staaten. Jeder Bundesstaat war im Kongress mit zwei Senatoren und einer von der Bevölkerungszahl abhängigen Anzahl an Abgeordneten
Hauptstadt verbieten könne; er gab jedoch zu bedenken, dass dies nicht ohne Zustimmung der dortigen Bevölkenach seinen Erfolgen im Mexirung erfolgen sollte. Im Januar 1849 kanischen Krieg 1848 zum Präschlug Lincoln ein Referendum vor, an sidenten gewählt wurde. Lindem alle freien Weißen der Stadt teilcoln hatte den Krieg abgelehnt, nehmen sollten. Wenn eine Mehrheit weswegen er an Popularität zustimme, würde Sklaverei in Waeinbüßte. shington beendet werden. Das amerikanische Schatzamt sollte Sklaven zu marktüblichen Preisen kaufen und in die Freiheit entlassen. Nach 1850 geborene Kinder von Sklavinnen (der Status „Sklave“ vererbte sich in den USA durch die Mutter) sollten frei sein. Gleichzeitig bestätigte Lincoln noch einmal, dass entflohene Sklaven, die im Norden Schutz gesucht hatten, an ihre master ausgeliefert werden mussten. Dies war im „Fugitive Slave Act“ von 1793, dem Gesetz zur Auslieferung entflohener Sklaven, gesetzlich geregelt. Manche Nordstaatler hielten sich jedoch nicht daran und gewährten entlaufenen Sklaven Schutz. Die Karikatur nimmt General
Zachary Taylor aufs Korn, der
„Freiheit oder Sklaverei“: Ankündigung eines Vortrags über das Gesetz, das 1854 die Sklaverei in den Territorien Nebraska und Kansas freigeben wollte.
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vertreten. Wann immer ein neuer Staat um Aufnahme in die Union bat, stellte sich die Frage, wie sich damit das Verhältnis der freien zu sklavenhaltenden Staaten verändern würde. Der Missouri-Kompromiss von 1820 hatte 36,3 Grad nördliche Breite als Nordgrenze der Sklaverei festgelegt. Als 1854 über die Aufnahme von Kansas und Nebraska als Bundesstaaten debattiert wurde, stellten Sklaverei-Vertreter diese Linie wieder in Frage. Der Süden fürchtete, durch die Aufnahme weiterer freier Staaten in eine Minderheitsposition zu geraten. In dieser Situation pochte der Anwalt und Demokrat Stephen A. Douglas, der wie Lincoln in Springfield lebte, auf die bereits aus den „Northwest Ordinances“ (1784/85, 1787) bekannte popular sovereignty: Die Bewohner jedes neu aufzunehmenden Staates sollten selbst entscheiden, ob Sklaverei dort erlaubt sein solle oder nicht. Lincoln lehnte dies ab. In einem Artikel für das „Illinois State Journal“ vom September 1854 verglich er popular sovereignty mit dem Einreißen eines Zauns, der zwei Felder voneinander trennte, ohne zugeben zu wollen, dass damit den eigenen Rindern ein Grasen auch auf der anderen Weide ermöglicht werden solle. In einer Rede in Springfield verteidigte Douglas Anfang Oktober 1854 noch einmal den „popular sovereignty“-Vorschlag, der seiner Meinung nach in Übereinstimmung mit den demokratischen Vorstel-
lungen Amerikas stand. Lincoln forderte ihn an Ort und Stelle zu einem öffentlichen Streitgespräch auf und verteidigte seinerseits den Missouri-Kompromiss, der eine klare Grenze zwischen freien und sklavenhaltenden Staaten festgelegt hatte. Für Lincoln bestand ein klarer Unterschied zwischen Sklaverei in den Südstaaten, wo diese bereits zum Zeitpunkt der Verfassunggebung existiert hatte und für ihn damit Bestandsschutz genoss, und den neu zu errichtenden Staaten im Westen, in denen Sklaverei keine Rechtsgrundlage hatte. Lincoln warf den Verfechtern des „popular sovereignty“-Ansatzes vor, dass Amerikas politische Bekundungen damit unglaubwürdig würden: „Ich hasse sie [Sklaverei] wegen der monströsen Ungerechtigkeit der Sklaverei selbst. Ich hasse sie, weil sie unser republikanisches Beispiel seines gerechten Einflusses in der Welt beraubt – sie ermöglicht es den Feinden freier Institutionen, uns als Heuchler zu bezeichnen – weil sie unter Freunden der Freiheit Zweifel an unserer Ernsthaftigkeit weckt.“ Lincoln forderte, dass der Missouri-Kompromiss beibehalten werde. Popular sovereignty überzeuge ihn nicht, weil die Frage der Sklaverei eine solch grundlegende moralische Wertentscheidung sei, die auch Das retuschierte Foto zeigt Lincoln von demokratischen Mehrheiten nicht beschlossen werden könne. 1858 bei einer Debatte mit seinem Lincolns Position in der SklaKontrahenten Stephen A. Douglas verei-Frage war nicht frei von in Charleston (Illinois).
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Als Abgeordneter für den Staat Illinois in Washington
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ritorien Einzug hält, ist nicht nur die Angelegenheit der Menschen, die dorthin ziehen. Die ganze Nation ist daran interessiert, dass wir den besten Nutzen aus diesen Territorien ziehen. Wir wollen sie als Heimat für die freien Weißen. Das können diese Gebiete nicht sein, falls Sklaverei dort gepflanzt wird. Staaten mit Sklaverei sind Orte, aus denen arme Weiße fortziehen, keine, in die sie hineinstreben. Neue freie Staaten sind Orte, in die arme Leute hinziehen, um ihr Los zu verbessern.“ Lincolns unmittelbares politisches Ziel im Jahr 1854 war die Wahl in den US-Senat. Er trat als Whig und noch nicht als Kandidat der neugegründeten sklavereikritischen Republikanischen Partei an. Vor der Verabschiedung des 17. Zusatzes zur amerikanischen Verfassung im Jahr 1913 wurden Senatoren nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern von den Legislativen der Einzelstaaten bestimmt. Lincoln warb unter den Abgeordneten von Illinois um Unterstützung für seine Kandidatur und war enttäuscht, als er nicht gewählt wurde. Er musste seine politische Strategie überdenken. Lincoln hatte sich bis dahin mit seinem Verbleib in der Whig-Partei bewusst zwischen den offen sklavenfeindlichen Republikanern und den südstaatlich orientierten Demokraten positioniert. Im zunehmend aufgeheizten politischen Klima der späten 1850er Jahre schien eine solche vermittelnde Position nicht länger erfolgversprechend zu sein. Zur nächsten Senatswahl würde er als Republikaner antreten. 1856 wurde der Demokrat James Buchanan zum US-Präsidenten gewählt. Er war in allen Südstaaten und in vier Staaten im Norden – Pennsylvania, New Jersey, Indiana und Illinois – erfolgreich gewesen. Wenn es den Republikanern bei der nächsten Wahl gelingen würde, diese vier Staaten zu gewinnen, könnte ein Präsident allein mit den Stimmen des Nordens gewählt werden.
Widersprüchen. Konnte Sklaverei im Süden unangetastet bleiben, wenn die Frage der Sklavefür Illinois gegen Lincoln, unterlag rei eine grundlegende moralische diesem aber 1860 bei der PräsidentWertentscheidung war? Wenn schaftswahl (Foto, um 1861). die Gleichheit aller Menschen ein zentraler Bestandteil der politischen Philosophie Amerikas war, hätte sich Lincoln dann nicht stärker für die unmittelbare Beseitigung der Sklaverei im Süden einsetzen müssen? Nicht nur, dass er das nicht tat. Lincoln erschien vor allem unsicher darüber, was mit Schwarzen nach ihrer Befreiung zu geschehen habe: „Falls ich alle Macht der Welt hätte, so wüsste ich doch nicht, was ich im Hinblick auf die bestehende Institution [der Sklaverei] tun sollte“, so Lincoln. Sein erster Impuls sei, alle befreiten Sklaven in ihre Heimat Afrika zu bringen. Aber dort würden sie keine zehn Tage überleben. Sollten sie als „Untergebene“ (underlings) in Amerika bleiben? Das kam für ihn nicht in Frage. Zur Alternative, Schwarze zu befreien und sozial und politisch als gleichwertig anzusehen, konnte er sich einstweilen nicht durchringen. Als einzige Lösung erschien ihm eine allmähliche Emanzipation – mit anderen Worten ein Hinauszögern der Befreiung auf einen unbestimmten Tag. Der Kern der Position Lincolns war und blieb, Sklaverei aus dem Westen fernzuhalten. Nur dann wären diese Gebiete für arme Weiße, die sich keine Sklaven leisten konnten, attraktiv. Lincoln erklärte: „Ob Sklaverei in Nebraska oder anderen neuen TerStephen A. Douglas gewann zwar 1858 im Kampf um den Senatssitz
Epische Rededuelle mit Stephen A. Douglas Nach der Präsidentschaftswahl von 1856 richtete Lincoln seine Aufmerksamkeit auf die Senatswahl in Illinois 1858, bei der der Amtsinhaber Stephen A. Douglas zur Wiederwahl antreten musste. Im Juni nominierten die Republikaner Lincoln zu ihrem Kandidaten. In einer Wahlkampfrede am 16. Juni 1858, die unter dem Titel „A House Divided“ in die Geschichte eingegangen ist, erörterte er das Problem der Sklaverei aus nationaler Perspektive: Welche politische Zukunft hatten die in einen freien Norden
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und einen sklavenhaltenden Süden geteilten Vereinigten Staaten? Ein solchermaßen geteiltes Gemeinwesen könne nicht auf Dauer bestehen: „A house divided against itself cannot stand“. Die Formulierung lehnt sich an einen Satz aus dem Markus-Evangelium an: „Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen“ (Markus 3, 25). Laut Lincoln werde die Union nicht aufgelöst werden, und das Haus werde nicht einstürzen. Stattdessen werde Amerika in Zukunft das Eine oder das Andere sein. Entweder werde die Sklaverei beseitigt werden, oder ihre Anhänger würden den Norden so verändern, dass auch er aussehen werde wie der Süden. Hinter dem biblisch inspirierten Bild des geteilten Hauses stand die Sorge, dass der Oberste Gerichtshof mit einer Entscheidung aus dem Jahr 1857 den Grundstein zur Wiedereinführung der Sklaverei im Norden gelegt habe. Im Fall „Dred Scott v. Sandford“ hatten die Richter geurteilt, dass ein vorübergehender Aufenthalt eines Sklaven im Norden – im Fall Dred Scotts waren es vier Jahre – diesen nicht zu einem freien Mann machen würde. Sklavenhalter konnten von nun an ihre Sklaven in alle nördlichen Staaten der Union bringen und dort für sich arbeiten lassen. Ende der 1850er Jahre schien die Sklaverei stärker als jemals zuvor in der amerikanischen Gesellschaft verankert zu sein: Dank des „KansasNebraska Act“ stand der Weg nach Westen offen, und als Folge der Dred-Scott-Entscheidung wurde Sklaverei sogar wieder im Norden denkbar. Im Juli 1858 brach Douglas zu einer Wahlkampfreise durch Illinois auf. Lincoln folgte ihm und hielt jeweils an den Orten, die Douglas besuchte, am folgenden Tag ebenfalls eine Rede. Schließlich forderte Lincoln seinen Kontrahenten auf, bei allen anstehenden Wahlkampfveranstaltungen mit ihm zu debattieren. Douglas zögerte zunächst, weil er den weniger bekannten Lincoln nicht aufwerten wollte. Schließlich einigten sich die beiden Kandidaten darauf, dass sie in sieben Orten diskutieren würden. Die erste Debatte fand in der Stadt Ottawa (nicht zu verwechseln mit der Stadt in Kanada), 70 Kilometer südwestlich von Chicago, statt und zog über 10 000 Zuhörer an. Douglas wiederholte den Vorwurf, dass Lincoln
Abolitionist sei. Er wolle das Recht auf Selbstbestimmung der Weißen in den neu zu gründenden Staaten durch das Verbot der Sklaverei einschränken. Lincoln verwies in seiner Replik darauf, dass er immer erklärt habe, dass er nicht wisse, wie Sklaverei zu beenden sei. Dann fügte er hinzu: „Ich sage hier, dass ich nicht beabsichtige, direkt oder indirekt in die Institution Sklaverei, wo sie existiert, einzugreifen. Ich glaube, dass ich kein Recht habe, dies zu tun, und ich habe keine Veranlassung, dies zu tun.“ In dieser und allen weiteren Lincoln-Douglas-Debatten erscheint Lincolns Position in der Sklaverei-Frage moderat, weil ihm vorgeworfen wurde, Abolitionist zu sein, und er dies vehement bestritt. Bei der Wahl 1858 erzielten die Republikaner in Illinois mit 52 Prozent der Stimmen zwar einen Wahlsieg, wegen der unterschiedlichen Größe der Wahlkreise gewannen die Demokraten jedoch mit 54 Abgeordneten eine Mehrheit gegenüber 46 Republikanern. Am 5. Januar 1859 wählte diese Mehrheit Douglas für eine weitere Amtszeit zum Senator. Lincoln war zum zweiten Mal bei einer Wahl in den Senat in seinem Heimatstaat unterlegen. Für republikanische Zeitungen wie die „Chicago Tribune“ ging er denAbraham Lincoln trat 1860 gemeinnoch gestärkt aus dem Wahlsam mit Hannibal Hamlin, dem kampf hervor: „Er hat sich eine Kandidaten für das Amt des Vizenationale Reputation geschafpräsidenten, bei der Präsidentfen, die er verdient und für die schaftswahl an (Wahlplakat, 1860).
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er beneidet wird.“ Die Zeitung betonte seine moralischen Qualitäten und seinen scharWohnhaus in Springfield (Illinois). fen Verstand. Die „Illinois Gazette“ nannte ihn einen möglichen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 1860. Lincoln selbst unternahm nach 1858 vorsichtige Schritte, um sich für die Präsidentschaftsnominierung seiner Partei zu empfehlen. So veranlasste er, dass seine und Douglas’ Reden aus dem Wahlkampf in Buchform erschienen. In den Jahren 1859 und 1860 entwickelte er Vorstellungen weiter, die er in den Debatten mit Douglas angedeutet hatte. So betonte er immer wieder, dass ein Nebeneinander mit Sklaverei negative Auswirkungen für freie Weiße habe: „Ich sage, dass es genug Raum gibt, dass alle frei sein können. Es fügt den Weißen nicht nur keinen Schaden zu, falls die Schwarzen befreit werden. Aber es fügt der großen Mehrheit der Weißen durchaus einen Schaden zu, dass der Schwarze versklavt wird. Eine große Zahl weißer Männer wird durch die Folgen von Sklavenarbeit in der Nähe ihrer Felder geschädigt.“ Die Republikanische Partei entschied auf einem Nominierungskonvent in Chicago im Mai 1860 über ihren Präsidentschaftskandidaten. Zunächst erschien Senator William H. Seward aus New York als der aussichtsreichste Kandidat. Doch es wurden Besorg-
nisse wegen seiner vermeintlich zu radikalen Gegnerschaft zur Sklaverei laut. Seward hatte ein Jahrzehnt zuvor erklärt, dass es ein „höheres Gesetz als die Verfassung“ gebe, das die Sklaverei verbiete. Dieses höhere Gesetz sei die Vorstellung Gottes, dass alle Menschen gleich seien. Die Republikanische Partei war im Widerstand gegen Sklaverei gegründet worden. Das sprach für den Kandidaten Seward, der dieses Ziel offensiv vertreten würde. Andererseits war den Delegierten bewusst, dass ihre Partei in allen Nordstaaten, das heißt auch in den vier Staaten, in denen 1856 noch die Demokratische Partei gesiegt hatte, Erfolg haben musste, um den Präsidenten stellen zu können. Vor diesem Hintergrund erschien Seward zu radikal. Abraham Lincoln war der ideale Kompromisskandidat. Er war in einem Südstaat geboren worden, von einfacher Herkunft und hatte sich selbst hochgearbeitet. Vor allem war er jedoch ein moderater Sklaverei-Kritiker, der seine Forderungen einstweilen auf ein Verbot der Ausweitung der Sklaverei beschränkte. Schließlich sprach für Lincoln auch, dass er in Illinois lebte, einem Staat, den die Republikaner bei der Präsidentschaftswahl gewinnen mussten. Im ersten Wahlgang des Nominierungskonvents hatte Seward mit 173 von 233 zum Sieg notwendigen Stimmen noch deutlich vor Lincoln gelegen,
Das Foto zeigt Abraham Lincoln 1860
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dens auch unter seiner Führung unangetastet bleiben werde. Ende des Jahres 1860 versuchte Lincoln den designierten Vizepräsidenten der Konföderierten Staaten, Alexander H. Stephens, zu beschwichtigen: „Befürchten die Bewohner des Südens wirklich, dass sich eine republikanische Administration direkt oder indirekt in die Beziehungen zu ihren Sklaven einmischen werde? Falls sie dies tun, so möchte ich Ihnen als einem ehemaligen Freund und wie ich hoffe heute keinem Feind sagen, dass es keinen Grund für solche Besorgnisse gibt. Der Süden ist in dieser Frage in keiner größeren Gefahr als in den Tagen von [Präsident George] Washington. ... Sie denken, dass Sklaverei rechtmäßig ist und ausgedehnt werden sollte; wir denken, dass sie falsch ist und eingeschränkt werden sollte. Das scheint das Problem zu sein. Es stellt den einzigen wirklichen Unterschied zwischen uns dar.“ Während Lincoln in der Frage der Sklaverei im Süden seine bisherige moderate Position weiter verfolgte, äußerte er sich zur Frage der Ausdehnung der SklaveAbraham Lincoln mit seiner Frau rei nach Westen sowie über das Mary sowie den Söhnen Thomas („Tad“) und Robert (Stich, um 1865). Recht auf Sezession unnachgiebig. „Es darf keinen Kompromiss Mary (geborene Todd) stammte aus Kentucky. Einige ihrer Verwandten in der Frage der Ausdehnung der Sklaverei geben“, so Lincoln in kämpften im Krieg auf der Seite einem Brief an Senator Lyman der Südstaaten.
der 102 Stimmen auf sich vereinigen konnte. Bei der dritten Abstimmung wurde Lincoln schließlich nominiert. Die „New York Times“ stellte ihren Lesern den Kandidaten am 18. Mai als Mann vor, der in seiner Jugend Bäume gefällt und Vieh gehütet hatte. Demokratische Zeitungen verspotteten ihn als „drittklassigen Rechtsanwalt aus dem Westen“.
Allein der Norden beschert Lincoln den Sieg Anders als heute beteiligten sich die Spitzenkandidaten der Parteien im 19. Jahrhundert nicht selbst an den Wahlkämpfen. Die Parteien organisierten überall im Land politische Zusammenkünfte, auf denen Redner für die Kandidaten ihrer Parteien warben. Lincoln verbrachte den Herbst 1860 und auch den Wahltag, den 6. November, in Springfield. Dort erfuhr er, dass er mit knapp 1,9 Millionen Stimmen die Mehrheit erhalten hatte. Die Verteilung der Stimmen im Wahlmännerkollegium – Lincoln erhielt 180 von 303 Stimmen – überzeichnete jedoch seinen Erfolg. Er war nur in einem Teil des Landes erfolgreich gewesen und hatte weniger als 40 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen können. Für den Süden erschien die politische Lage Ende des Jahres 1860 prekär. Ein Kandidat war Präsident geworden, der sich dem Süden nicht verpflichtet fühlte und der die dort vorherrschende Art der Wirtschaft ablehnte. Die Südstaaten, die es gewohnt waren, Präsidenten, wichtige Kabinettsmitglieder und oberste Richter zu stellen, waren zum ersten Mal gegenüber einem geeinten Norden in eine Minderheitsposition geraten. Bis ins 20. Jahrhundert hinein fand die Amtseinführung eines Präsidenten erst vier Monate nach der Wahl Anfang März statt. Von November 1860 bis März 1861 musste der neugewählte Präsident Lincoln mit ansehen, wie das Land auseinanderbrach. Sieben Südstaaten erklärten noch vor seinem Amtsantritt ihren Austritt aus der Union; vier weitere folgten im Frühjahr 1861. Kein Präsident vor ihm war mit einer solchen Herausforderung konfrontiert gewesen. Vereinzelte Stellungnahmen Lincolns und eine Reihe von vertraulichen Briefen, die er um die Jahreswende 1860/61 an befreundete Politiker sandte, machten seine Ablehnung der Sezessionsentscheidung sowie seine Bereitschaft deutlich, dem Süden eine Bestandsgarantie für Sklaverei zu geben. Er betonte wiederholt, dass die Loslösung von der Union unnötig sei, weil Sklaverei in den Staaten des Sü-
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Allein der Norden beschert Lincoln den Sieg
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holt vor großen Zuhörergruppen und beschwor den Geist der Union. Dabei machte er die defensive Ausrichtung seiner zukünftigen Politik deutlich. Er habe keine Absicht, den Süden militärisch zu besetzen. In Philadelphia erklärte er, dass seine Administration keinen Konflikt beginnen werde: „Es wird kein Blutvergießen geben, außer wenn es der Regierung aufgezwungen wird. Diese Regierung wird keine Gewalt einsetzen, solange keine Gewalt gegen sie eingesetzt wird.“ Er forderte alle Amerikaner auf, an der Einheit festzuhalten. In der Stadt Dunkirk im Bundesstaat New York griff er nach einer amerikanischen Flagge und rief den Zuhörern zu: „Ich bitte euch, zu mir zu stehen, solange ich zu ihr stehe.“ In New York City, wo es besonders enge Handelsbeziehungen zum Süden gab, erklärte Lincoln, dass er niemals einer Spaltung des Landes zustimmen werde: „Es gibt nichts, das mich jemals dazu bringen könnte, bewusst einer Zerstörung dieser Union zuzustimmen, unter der nicht nur die Handelsstadt New York, sondern das ganze Land seine Größe erreicht hat.“ Die Karriere Abraham Lincolns von einem Dorf an der Frontier über die erfolgreiche Tätigkeit als Anwalt in Springfield zum Weißen Haus in Washington hat seine Vorstellung bestätigt, dass das politische System Amerikas im 19. Jahrhundert weißen Bürgern einen wirtschaftlichen und politischen Aufstieg ermöglichte. Das war es, was Lincolns Auffassung nach im Bürgerkrieg zur Disposition stand. Die Südstaatler waren für Lincoln Rebellen, die sich gegen die Verfassung verschworen hatten. Nach den Sezessionsentscheidungen der Südstaaten erschien das amerikanische Experiment einer großräumigen demokratischen Republik, das drei Generationen zuvor begonnen hatte, an inneren Widersprüchen gescheitert. Lincoln stand am Beginn einer Präsidentschaft, in der zunächst über die Zukunft von Einheit, Freiheit und Demokratie und dann über die Beseitigung der Sklaverei entschieden wurde.
Trumbull im Dezember 1860. „Wenn es so kommen sollte, ist unsere ganze bisherige Arbeit verdas Kapitol noch eine Baustelle – gebens gewesen und muss von und das Land bereits gespalten. neuem begonnen werden. Der gefährliche Punkt – der, nach dem einige unserer Freunde gerufen haben – ist popular sovereignty. Lehnen Sie dies ab.“ In einem Brief an William Kellogg warnte Lincoln erneut vor einer Aufweichung der harten Position der Republikanischen Partei gegenüber der Erweiterung der Sklavereigebiete: „Stimmen Sie keinem Vorschlag für einen Kompromiss in Bezug auf eine Ausdehnung der Sklaverei zu.“ Bei der Amtseinführung von Abraham Lincoln am 4. März 1861 war
Der gewählte Präsident versichert: „Es wird kein Blutvergießen geben“ Am 11. Februar 1861 bestieg Abraham Lincoln in Springfield einen Zug, mit dem er sich auf die Reise nach Washington machte. Er verließ die Stadt, in die er ein Vierteljahrhundert zuvor gekommen war und in der er seinen Aufstieg vom Anwalt zum Abgeordneten und schließlich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten erlebt hatte. Unterwegs sprach er wieder-
Prof. Dr. Georg Schild geb. 1961, lehrt Nordamerikanische Geschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
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Politische Zuspitzung und Kriegsausbruch
High Noon Georg Schild
Der Austritt eines Staates aus der Union stand innerhalb der USA erstmals 1832 im Raum. Nach der Wahl Lincolns machten die Südstaaten die Drohung mit der Sezession wahr. Kurz darauf standen sich die beiden Parteien auf dem Schlachtfeld gegenüber.
In der Rückschau mag der Amerikanische Bürgerkrieg der Jahre 1861 bis 1865 als unvermeidbare Folge der Koexistenz zweier unterschiedlicher Wirtschafts- und Sozialsysteme innerhalb eines Landes erscheinen. Auch nachdem die nördlichen Bundesstaaten Sklaverei gegen Ende des 18. Jahrhunderts als ökonomisch rückständig und moralisch verwerflich aufgegeben hatten, hielten die Südstaaten weiterhin daran fest. Aber warum sollte dieses Nebeneinander unterschiedlicher Wirtschaftssysteme zu einem Konflikt und sogar zu einem Krieg führen? In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kooperierten beide Landesteile überaus erfolgreich miteinander. Die Arbeitsteilung zwischen mit Sklaven produzierenden Plantagen, die preisgünstig Rohbaumwolle anbauten und schließlich drei Viertel des Weltmarktes bedienten, und einem sich rasch entwickelnden Textilmanufaktursystem im Norden, das diese Baumwolle verarbeitete
Beginn der Kriegshandlungen: Am und über seine Häfen nach Eu12. April 1861 beschießen konföderopa exportierte, hatte maßgeblichen Anteil am wirtschaftlichen rierte Truppen das von Unionisten Aufschwung der USA im frühen gehaltene Fort Sumter vor Charles19. Jahrhundert. ton (South Carolina, zeitgenössiAuch wenn man es dort nicht sche Farblithographie). wahrhaben wollte, profitierte der Norden erheblich von südstaatlicher Sklaverei. Erst allmählich wurde im Norden vereinzelt Kritik an der Sklaverei geübt. Der Publizist William Lloyd Garrison warf dem Süden Verrat an den Zielen der amerikanischen Revolution vor und forderte in seiner Zeitung „The Liberator“ seit 1831 eine unverzügliche Befreiung der Sklaven. Die öffentliche Resonanz auf diese Sklaverei-Kritik blieb einstweilen jedoch verhalten. Eine erste abolitionistische Partei, die „Liberty Party“, schnitt bei den Wahlen 1840 und 1844 enttäu-
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schend ab. Wie das vorausgegangene Kapitel gezeigt hat, wurde erlaubte es, entflohene Sklaven die Sklaverei erst im Verlauf der auch aus anderen Staaten zurück 1850er Jahre zum alles bestimzu ihren Besitzern zu bringen (komenden Thema der US-Politik. lorierter Stich, um 1850). Der „Fugitive Slave Act“ von 1850, der es erlaubte, dass entflohene Sklaven auch in den Nordstaaten verfolgt und zu ihren „Herren“ im Süden zurückgebracht werden konnten, degradierte die Vorstellung, dass die USA halb frei und halb sklavenhaltend sein könnten, zu einer Illusion. So wurde etwa der in Virginia entflohene Sklave Anthony Burns, der im Norden seine Freiheit gesucht hatte, in Boston aufgespürt und verhaftet. Am 2. Juni 1854 wurde Burns gefesselt zum Hafen gebracht und zurück in die Unfreiheit zu seinem Besitzer verschifft. In den immer bitterer geführten Diskussionen wurde auch wiederholt die Möglichkeit einer Sezession, also des Austritts der Südstaaten aus dem Bund, laut. John C. Calhoun (1782 –1850), von 1825 bis 1832 Vizepräsident und später Senator für South Carolina, war seit den 1830er Jahren ein radikaler
Verfechter der sogenannten Nullifikationsdoktrin. Nach dieser Theorie sollte es einzelnen Staaten möglich sein, Beschlüsse der Bundesgesetzgebung auf ihrem eigenen Territorium für nichtig zu erklären.
Der „Fugitive Slave Act“ von 1850
South Carolina steht 1832 kurz vor der Rebellion 1832 lehnte South Carolina auf dieser Basis ein Bundesgesetz zur Anpassung von Zöllen ab. Der damalige Präsident Andrew Jackson (1829 –1837), dessen Vizepräsident Calhoun war, sah darin eine Bedrohung der Einheit der USA. Für den Fall, dass das Gesetz nicht umgesetzt werde, ordnete er den Einsatz von Truppen des Bundes an. Bevor es jedoch zu einer militärischen Eskalation kommen konnte, wurde ein Kompromiss gefunden, der das Zoll-Gesetz für South Carolina akzeptabler machte. Für Calhoun, der im Zuge des Disputs als Vizepräsident zurücktrat, war der Streit um die Zölle nur ein Testballon für das, was aus seiner Sicht die Einheit der Union tatsächlich bald in Frage stellen könnte:
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High Noon
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ein Versuch des Nordens, die Sklaverei zu verbieten. Calhoun beklagte die zunehmende Sklaverei-Kritik des Nordens. Er sprach von Banden, die den Norden und den Süden zusammenhielten, die geistiger, politischer und spiritueller Art seien. Viele Bande seien jedoch wegen der nordstaatlichen Kritik an der Sklaverei bereits gerissen. Die Union bestand für Calhoun nicht um der Durchsetzung von Freiheit und Demokratie willen, sondern einzig, um den Interessen der Sklavenhalter des Südens zu dienen. Wenn es dem Süden nicht mehr gelingen würde, diese Interessen innerhalb der Union durchzusetzen, wäre es an der Zeit, sie zu verlassen. Der New Yorker Senator William H. Seward (1801– 1872) antwortete Calhoun und erklärte im März 1850 im Senat, dass alle gesetzlichen Bestimmungen über Sklaverei einem „höheren Gesetz als der Verfassung“ zuwiderliefen („there is a higher law than the constitution“). Keine christliche Nation würde Sklaverei heute noch einführen; Großbritannien, Frankreich und Mexiko hätten sie bereits abgeschafft, und alle anderen europäischen Staaten bereiteten dies vor. Sklaverei widerspreche den Prinzipien eines demokratischen Staates, so Seward, und würde den Boden für Aristokratie und Despotismus bereiten. Für ihn standen den USA nur zwei Wege offen: eine graduelle Beseitigung der Sklaverei oder ein Krieg zwischen Nord und Süd, der zur sofortigen und vollständigen Emanzipation der Sklaven führen würde. John C. Calhoun war wenige Tage nach der Replik Sewards im März 1850 gestorben. „Süden! Der arme Süden!“, sollen seine letzten Worte gewesen sein. Seward sah die Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd 1858 als nicht länger beherrschbar an („irrepressible conflict“). Die Radikalisierung der politischen Positionen in den Vereinigten Staaten hatte Folgen für das politische System des Landes. Die beiden bis dahin dominierenden Parteien – Demokraten und Whigs – verloren an Einfluss. 1854 gründeten sklavereikritische Whigs die Republikanische Partei. Zwei Jahre später trat die Partei mit dem Kandidaten John C. Frémont (1813 –1890) bei den Präsidentschaftswahlen an und gewann elf von 16 Staaten im Norden. Mitte der 1850er Jahre waren weitere Parteien wie die American Party und die Free Soilers im Repräsentantenhaus vertreten. Entsprechend schwierig gestaltete sich dort die politische Willensbildung. Bei der Wahl zum Sprecher für das Repräsentantenhaus für den 34. Kongress (1855 –1857) setzte sich der Abgeordnete Nathaniel Banks (1816 –1894) von
der American Party erst nach Wochen im 133. Wahlgang durch. In dieser Zeit meldeten sich auch Publizisten und Schriftsteller immer häufiger mit sklavereikritischen Beiträgen zu Wort. Am 5. Juli 1852 hielt Frederick Douglass, ein ehemaliger Sklave und führender Abolitionist seiner Zeit, in Rochester eine Rede, in der er das moralische Versagen der US-Gesellschaft in der Sklaverei-Frage anprangerte. Der 4. Juli, auf den die Amerikaner so stolz seien, sei nur der nationale Feiertag der Weißen; für Schwarze sei es ein Tag der Trauer. Alle Freiheitsbekundungen der Unabhängigkeitserklärung erschienen als leere Versprechen und belegten nur die Ungerechtigkeit, der die Schwarzen ausgesetzt seien. Ein weiteres Kennzeichen der amerikanischen Politik der 1850er Jahre war die wachsende Bereitschaft zu offener Gewaltanwendung auch in höchsten politischen Kreisen. Ende Januar 1856 griff der Abgeordnete Albert Rust (1818 –1870), ein Demokrat aus Arkansas, den Laut der These der „Nullifikation“ Sklaverei-Kritiker und Herausgedes Südstaaten-Politikers John C. ber der Zeitung „New York TriCalhoun (Daguerreotypie, 1843) bune“ Horace Greeley (1818 – könnten einzelne Staaten Bundes1872) auf offener Straße an und gesetze – wie etwa ein Verbot der verletzte ihn am Kopf. Im Mai Sklaverei – in ihrem Territorium für attackierte der demokratische ungültig erklären.
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South Carolina steht 1832 kurz vor der Rebellion
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Abgeordnete Preston Brooks (1819 –1857) aus South Carolina den abolitionistischen Senator von Harper’s Ferry am 16. Oktober Charles Sumner (1811–1874) aus 1859 war eine neue Stufe der Eskalation. Später wurde das mit seinem Massachusetts, nachdem dieser in einer Rede im Kongress SklaveNamen versehene Gebäude zur rei verurteilt hatte. Sumner konnTouristenattraktion. te erst drei Jahre später wieder in den Senat zurückkehren. Der Staat Massachusetts ließ den Senatssitz in der Zwischenzeit zur Erinnerung an die Brutalität der Südstaatler vakant.
erheben und mit den erbeuteten Waffen ihre Freiheit erkämpfen würden. Der Plan scheiterte jedoch auf ganzer Linie. Eine Militäreinheit unter dem Befehl von Oberst Robert E. Lee, dem späteren General der Konföderierten-Armee, beendete die Besetzung des Arsenals mit Gewalt. Brown wurde verhaftet, verurteilt und hingerichtet. Seine letzten Worte im Gerichtssaal am 2. November 1859 zeugen davon, dass er bis zuletzt ungebrochen war: „Wenn es nötig ist, dass ich mein Leben dafür gebe, dass der Sache der Gerechtigkeit gedient wird, … so soll dies geschehen.“ Der Schriftsteller Henry Wadsworth Longfellow (1807 –1882) schrieb am Tag der Exekution Browns, dass dieser Tag den Beginn einer Revolution markiere. Der Schriftsteller Ralph Waldo Emerson (1803 –1882) fügte einige Tage später hinzu, dass der Galgen mit Browns Tod die gleiche Bedeutung erhalte wie das Kreuz Christi. Der Überfall Browns fand ein enormes mediales Echo. Im Norden, wo er vielen als Märtyrer galt, wurde die Brutalität der Sklavenhaltergesellschaft des Südens verurteilt. Im Süden gab man dem Norden eine Mitschuld am Überfall auf das Waffendepot. Brown sei von Sympathisanten angestachelt und finanziell unterstützt worden und habe nur das ausgeführt, was Politiker wie William H. Seward in ihren Reden gepredigt hatten, so Senator James Chesnut
Der Angriff des radikalen Abolitio-
nisten John Brown auf das Arsenal
John Brown wird mit seiner Attacke zum Märtyrer Auch Sklaverei-Gegner griffen nun zur Gewalt, um die Schwarzen aus ihrer Knechtschaft zu befreien. Der bekannteste von ihnen war John Brown, der einen göttlichen Auftrag verspürte, die Sklaverei zu beseitigen. 1856 kämpfte er in der Stadt Osawatomie, Kansas, gegen Sklaverei-Befürworter. Im folgenden Jahr war er an einem Massaker am Pottowatomie Creek beteiligt, bei dem fünf sklavereifreundliche Siedler getötet wurden. Im Oktober 1859 überfiel er mit einer Reihe Gleichgesinnter ein Waffenarsenal der Armee in der Stadt Harper’s Ferry in Virginia. Brown glaubte, dass sich die Sklaven der Umgebung
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(1815 –1885) aus South Carolina. Der spätere Präsident der Konföderierten Staaten, Jefferson Davis, schrieb, dass es nach Browns Überfall keine Möglichkeit mehr zu einer Übereinkunft mit dem Norden gebe: „Es gibt keinen Standpunkt mehr, von dem ein Kompromiss ausgehen könnte“. Nichts verdeutlichte die Spaltung des Landes so nachdrücklich wie Abraham Lincolns Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im November 1860. Er gewann in allen Nordstaaten, aber nur dort. Der Süden hatte geschlossen gegen ihn votiert. Insgesamt hatte er nicht einmal 40 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Zeitungen des Südens überschlugen sich mit Warnungen vor dem, was nun bevorstehe: Sklaven würden bewaffnet und gegen die Weißen aufgestachelt werden. Für den Süden war es eine bittere Erkenntnis, dass der bevölkerungsreichere Norden von nun an allein die politischen Geschicke des Landes bestimmen konnte. Auch wenn der Sklaverei dadurch kurzfristig keine Gefahr drohte, war jedoch klar, dass die Zeit südstaatlicher politischer Vormacht vorüber war. In Zukunft konnten wichtige Entscheidungen ohne Zustimmung und sogar gegen den ausdrücklichen Willen der Südstaaten getroffen werden.
South Carolina reagierte unmittelbar auf die neue Lage mit der Loslösung aus der Union. Am 20. Dezember beschloss eine speziell einberufene Versammlung einmütig, dass der Staat nicht länger Teil der amerikanischen Union sei. Stattdessen wurde mit einer an die Unabhängigkeitserklärung von 1776 erinnernden Erklärung die Independent Republic of South Carolina ausgerufen: „Wir, die Bürger von South Carolina, appellieren an den obersten Richter dieser Welt, die Rechtschaffenheit unserer Absichten anzuerkennen, und erklären die Union, die zwischen diesem Staat und den anderen Staaten von Nordamerika existiert hat, für aufgelöst.“ South Carolina rechtfertigte sein Vorgehen mit einem inhaltlichen und einem formalen Argument. Inhaltlich wurde argumentiert, dass die amerikanische Verfassung von 1791 eine Regierung mit klar definierten und begrenzten Rechten geschaffen habe. Mit ihrer Kritik an der SklaveJohn Brown wurde nach seiner Exerei hätten Politiker des Nordens die Rechtsetzungsansprüche des kution als Märtyrer des Kampfs Bundes in unzulässiger Weigegen die Sklaverei gefeiert. Das Lied „John Brown’s Body“ entwickelte se ausgedehnt und damit in die sich zu einer Kampfhymne der inneren Angelegenheiten der Unionsarmee. Südstaaten eingegriffen. For-
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derart weitreichenden Schritt. Diese Staaten waren wirtschaftlich stärker mit dem Norden verflochten und sahen Nachteile in einer Abspaltung. Anfang Februar 1861 trafen sich Delegierte der abtrünnigen Staaten in Montgomery, Alabama, und gründeten die Konföderierten Staaten von Amerika. Sie verabschiedeten eine Verfassung, die sich am Modell der Unionsverfassung orientierte. Sklaverei genoss Verfassungsrang: „Kein ... Gesetz, das das Recht auf Besitz an schwarzen Sklaven zurückweist oder beeinträchtigt, soll verabschiedet werden.“ Noch radikalere Vorschläge, etwa nach der Wiederaufnahme des Sklavenimports aus Afrika, wurden jedoch abgelehnt. Die Konföderation stand auch freien Staaten zum Beitritt offen. Sie mussten die Sklaverei nicht annehmen, jedoch anerkennen, dass der Süden das Recht hatte, seine bisherige Lebensweise fortzusetzen. Zum Präsidenten der Konföderierten Staaten wurde Jefferson Davis (1808 –1889) gewählt, der wie Lincoln aus Kentucky stammte. Davis hatte an der Militärakademie von West Point studiert und war Offizier geworden. 1845 wurde er Kongress-Abgeordneter, von 1847 bis 1851 war er Senator und von 1853 bis 1857 Kriegsminister im Kabinett von Präsident Franklin Pierce gewesen. 1857 wurde Davis erneut in den Senat gewählt, trat jedoch von seinem Amt zurück, als der Staat Mississippi aus der Union austrat.
Der Staat South Carolina verkündete am 20. Dezember 1860 als erster seinen Austritt aus der Union (Sonderausgabe des „Charleston Mercury“, 1860).
mal wurde die Teilung damit gerechtfertigt, dass die Union ein freiwilliger Zusammenschluss souveräner Staaten sei (compact theory of the Union). Als Folge des Unabhängigkeitskrieges gegen Großbritannien seien aus den englischen Kolonien souveräne Staaten entstanden, die ihren Staatscharakter nie verloren, sondern nur bis zum Widerruf an die Zentralregierung delegiert hätten. Bei genauerer Betrachtung der Sezessionsdokumente wird jedoch deutlich, dass alle Hinweise auf vermeintliche Verletzungen von Rechten der Einzelstaaten nur Hilfskonstruktionen waren, um die Sklaverei beibehalten zu können. Das war nicht nur im Fall von South Carolina so, auch die Sezessionserklärung von Texas etwa kritisierte, dass der Norden die Südstaaten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung behindern würde, indem die Ausweitung der Sklaverei bis an die Pazifikgrenze verhindert werde. In der Erklärung von Mississippi hieß es: „Wir identifizieren uns vollständig mit der Institution der Sklaverei.“ Mit Sklavenarbeit werde das mit Abstand wichtigste Gut des Welthandels geschaffen. „Wir müssen uns entweder erniedrigen lassen und dem Verlust von Eigentum im Wert von vier Milliarden [Dollar] zustimmen, oder wir müssen uns von der Union lossagen.“ Bis Ende Januar 1861 hatten mit Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und Texas sechs weitere Bundesstaaten ihren Austritt aus der Union erklärt. In vier weiteren Staaten galt die Wahl Lincolns noch nicht als ausreichender Grund für einen
Trennung der „Rassen“ wird zum Staatsziel Der Vizepräsident der Konföderierten Staaten, Alexander H. Stephens (1812 –1883), erklärte in einer programmatischen Rede am 21. März 1861, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten auf der falschen Vorstellung der Gleichheit aller Rassen beruhe. Die neue Regierung des Südens vertrete exakt die gegenteilige Auffassung. Der Eckpfeiler des südlichen Staatsverständnisses sei die Vorstellung, dass die Schwarzen den Weißen nicht ebenbürtig seien. Sklaverei, das heißt die Unterordnung der Schwarzen unter die „überlegene“ weiße Rasse, sei der natürliche Zustand. Die neue Regierung der Südstaaten sei die erste in der Weltgeschichte, die auf dieser Wahrheit beruhe. Nach dem Ausbruch von Kampfhandlungen zwischen Truppen des Nordens und des Südens im Frühjahr 1861 mussten sich die bisher in der Union verbliebenen Sklavenhalterstaaten entscheiden, ob sie Soldaten zur Niederwerfung der Sezession oder zum
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Kampf für die Eigenständigkeit des Südens stellen würden. Nun stimmten auch Virginia, Arkansas, Tennessee und North Carolina für eine Sezession. Fünf weitere sklavenhaltende Staaten – Maryland, Delaware, Kentucky, Missouri und das neugegründete West Virginia (die Landkreise des nordwestlichen Teils von Virginia, die sich gegen die Sezession ausgesprochen hatten) – traten den Konföderierten nicht bei. Die Plantagenwirtschaft war dort nur eine von mehreren Produktionsformen, und die Wirtschaftsbeziehungen zum Norden waren enger als die zum Süden. Einen Monat nach der Gründung der Konföderierten Staaten trat Abraham Lincoln sein Amt als Präsident an. In seiner Rede zur Amtsübernahme äußerte er sich sehr zurückhaltend zum Sklaverei-Problem. Sein Interesse galt einzig und allein der Frage der Einheit der Union. Er nannte die Sezession „rechtlich ungültig“ (legally void) und erklärte, dass die Union unauflöslich sei. Dann sprach er offen über die Gefahr eines Bürgerkrieges. Sollte es dazu kommen, trügen die Bürger der Südstaaten die Verantwortung: „In euren Händen, meine unzufriedenen Landsleute, und nicht in meinen liegt die bedeutende Frage des Bürgerkrieges. Die Regierung wird euch nicht angreifen. Ihr werdet keinen Konflikt haben, ohne selbst der Aggressor zu sein.“ Zum Abschluss der Rede beschwor Lincoln die Südstaaten noch einmal, ihre Entscheidung rückgängig zu machen: „Wir sind keine Feinde, sondern Freunde. Wir sollten keine Feinde sein.“ Die Südstaaten gingen auf Lincolns flehentliche Beteuerungen nicht ein und bemächtigten sich stattdessen zu Beginn des Jahres 1861 aller in ihren Staaten gelegenen Regierungseinrichtungen, einschließlich der militärischen Festungsanlagen und Waffenarsenale. Lincoln machte deutlich, dass es nur eine einzige rechtmäßige Regierung gab und dass er diesen Anspruch nicht nur in Reden beschwören, sondern auch durch Taten unter Beweis stellen werde. Wenn er akzeptieren würde, dass Unionssoldaten die Festungen im Süden räumten, hieße das, den Anspruch auf nationale Einheit aufzugeben. Der Präsident erklärte deshalb, dass die Bundesregierung auch weiterhin Einfuhrzölle in allen Häfen des Landes erheben werde. Wenn der Süden dies verweigere, sei ein Konflikt unausweichlich. Lincoln kündigte außerdem an, dass die noch verbliebenen Forts der Union im Süden mit Lebensmitteln versorgt und militärisch verteidigt werden sollten. Er hoffe allerdings, dass es zu keinem unmittelbaren Konflikt um diese Festungsanlagen kommen werde.
Die Südstaaten argumentierten analog. Wenn man sich für souverän hielt, konnte man keine fremden militärischen Einrichtungen auf dem eigenen Staatsgebiet dulden. Die Regierung von Präsident Davis erklärte deshalb, dass eine Belieferung der Festungen mit Munition und Lebensmitteln als feindlicher Akt aufgefasst würde. Zur Krise kam es einen Monat nach Lincolns Amtsübernahme. Major Robert Anderson, der Kommandant von Fort Sumter, einer Festungsanlage im Hafen von Charleston, South Carolina, teilte dem Präsidenten mit, dass seine Vorräte zur Neige gingen. Das Fort müsse versorgt oder die dort stationierten Soldaten müssten evakuiert werden. Lincoln beriet über diese Frage Mitte März mit seinem Kabinett. Die meisten Regierungsmitglieder wollten das Fort aufgeben, Amtseinsetzung von Jefferson um eine militärische Konfrontation Davis als Präsident der Konfömit dem Süden zu vermeiden. Gederation am 18. Februar 1861 in neralstabschef Winfield Scott warnMontgomery (Alabama).
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te, dass eine direkte militärische Konfrontation für den Norden einstweilen nicht zu gewinnen sei. Dazu bräuchte am 13. April über den Beginn man 5000 Soldaten. Diese ständen jedes Kriegs. Aus heutiger Sicht doch nicht zur Verfügung. in eher dezenter Aufmachung. Lincoln wollte das Fort auf keinen Fall aufgeben und entsandte ein Schiff, um Proviant zu liefern. Am 6. April 1861 informierte er den Gouverneur von South Carolina, Francis W. Pickens (1805/1807–1869), dass ein unbewaffnetes Versorgungsschiff auf dem Weg nach Charleston sei. Historiker bewerten dies als genialen Schachzug Lincolns. Indem er ankündigte, dass ein unbewaffnetes Schiff unterwegs sei, zwang er den Süden, den nächsten Schritt zu unternehmen. Hätte der Süden nicht reagiert, wäre die rechtliche Position des Nordens gestärkt worden. Wenn der Süden Gewalt anwenden würde, hätte er den ersten Schuss abgegeben und wäre für den Ausbruch des Krieges verantwortlich gewesen.
G. T. Beauregard (1818 –1893) den Festungskommandanten Anderson zur Kapitulation auf. Anderson lehnte dies ab. Im Morgengrauen des folgenden Tages begann der Beschuss des Forts, der über 30 Stunden andauerte; am 14. April holte Anderson die Flagge ein und übergab die Festung. Lincoln reagierte auf diese Ereignisse mit der Feststellung, dass sich der Süden im Aufstand gegen die Regierung befinde. Der Präsident benutzte bewusst den Begriff rebellion, weil es sich für ihn nicht um einen „Krieg“ handelte. Ein Krieg ist die Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten. Der Norden sprach dem Süden jedoch die Staatsqualität ab. Da die Sezession rechtlich ungültig war, gab es auch keine Konföderierten Staaten. Die Südstaaten waren dieser Auffassung nach abtrünnige Provinzen. Der Krieg wird deshalb als Bürgerkrieg bezeichnet. Der Süden, der seine Abspaltung für rechtens und für vollzogen erachtete, sprach hingegen von einem Krieg zwischen Staaten, „the war between the states“. Ohne die offene Gewaltanwendung der Südstaaten auf Fort Sumter im April 1861 hätte Lincoln nur schwer eine breite Unterstützung im Kongress und in der Bevölkerung für ein militärisches Vorgehen gegen die Konföderierten erhalten. In den ersten Monaten des Jahres 1861 gab es keine Kriegsbegeisterung im Norden. Der britische Journalist William Howard
„The war commenced“: Die
„New York Times“ berichtete
Bei Fort Sumter fallen die ersten Schüsse Am 9. April entschied das Südstaaten-Kabinett unter Leitung von Präsident Davis, dass dem Norden die Versorgung des Forts nicht gestattet werden dürfe. Zwei Tage später forderte der Südstaaten-General Pierre
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Robert Anderson, Kommandeur von Fort Sumter, wurde von Lincoln angewiesen, die Stellung zu halten und auf Proviant zu warten.
mung wie im Norden und schrieb: „Die allgemeine Verachtung und der Ekel für die ehrwürdigen Stars and Stripes, der Abscheu für die Worte Vereinigte Staaten, der immense Hass auf die Yankees von diesen Menschen ist für jeden unvorstellbar, der es nicht selbst miterlebt hat.“ Die Zeitung „Richmond Dispatch“ erklärte am 15. April, dass die Nachrichten von der Einnahme von Fort Sumter in der Hauptstadt von Virginia unbeschreibliche Freude ausgelöst hätten: „Über nichts anderes als den großen Triumph der heldenhaften Truppen der ehrenhaften südstaatlichen Konföderation wurde gesprochen, denen es gelungen sei, eine der akuten Bedrohungen des Affen aus Illinois gegen die Wahrnehmung der südstaatlichen Rechte und der Gleichberechtigung zu beseitigen.“ Nachdem der Staat Virginia aus Da die Unionsarmee nur über eine der Union ausgetreten war, versamgeringe Truppenstärke verfügte, melte sich in der Hauptstadt Richmussten umgehend Freiwillige anmond eine große Menschenmenge, geworben werden (Plakat, 1861). Russell (1827–1907), der in dieser Zeit Amerika bereiste, notierte einen Monat vor dem Beschuss von Fort Sumter, dass der frühere Gouverneur von New York, Horatio Seymour, ihm gesagt habe, dass die Regierung in Washington nicht militärisch gegen die Sezession vorgehen könne, weil dies verfassungsrechtlich unzulässig sei und die Bevölkerung dies nicht wolle. Erst der Angriff auf Fort Sumter führte in den Nordstaaten zu einem engen Schulterschluss und zu einer emotionalen Reaktion. Das „Markesan Journal“ aus Wisconsin schrieb am 15. April, dass jedermann, der das Land liebe, sich zutiefst schämen müsse, dass ein paar Rebellen und Verräter die Armee dazu gezwungen hätten, das Fort aufzugeben. Vier Tage später forderte die Zeitung die Männer der Stadt dazu auf, sich zum Militärdienst zu melden. Die „New York World“ schrieb am 19. April, dass „patriotische Hingabe“ das vorherrschende Gefühl sei. Es gebe endlich einen „vereinten Norden“, so die Zeitung. Die „New York Times“ erschien am 21. April mit den Überschriften „Union Forever – Riesige Demonstration in der Stadt – Die gesamte Bevölkerung ist auf den Straßen – Mehr als einhunderttausend Menschen am Union Square – Die Metropole glänzt mit Bannern und Fahnen.“ Der Journalist Russell, der auch den Süden bereiste, erlebte in South Carolina eine ähnliche Stim-
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derschlagung eines Aufstandes Ende des 18. Jahrhunderts. Im Sommer 1794 stand Präsident George Washington einer Rebellion von Farmern in Pennsylvania gegenüber, die eine Erhöhung der Steuern auf Whiskey abgelehnt und Steuereinnehmer mit Gewalt an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert hatten. Washington war damals mit Milizsoldaten gegen die Rebellen vorgegangen. Nach dieser „Whiskey-Rebellion“ hatte der Kongress den „Militia Act“ verabschiedet, der dem Präsidenten die Einberufung der Miliz für die Dauer von 90 Tage gestattete, wenn Gesetze des Bundes in einer bestimmten Region des Landes auf andere Weise nicht zur Durchführung gebracht werden konnten. Entsprechend rief Lincoln in einer Proklamation am 15. April zur Niederschlagung der Rebellion auf und ordnete die Aufstellung eines Milizverbandes im Umfang von 75 000 Mann für 90 Tage an. Der Kongress wurde erst zum 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, zu einer Sondersitzung einberufen, um die finanziellen Mittel zur Führung des Krieges zu bewilligen und eine Erhöhung der Zahl der regulären Soldaten zu beschließen. Kritiker haben dem Präsidenten vorgeworfen, dass er den Konflikt in den ersten Wochen ohne Beteiligung des Kongresses quasi diktatorisch geführt habe. Nichts habe ihn daran gehindert, den Kongress bereits früher einzuberufen. Zweifelsfrei steht nur dem Kongress das Recht zu, den Kriegszustand auszurufen und die Zahl der regulären Soldaten zu erhöhen. Aber es stand auch außer Frage, dass der Präsident gemäß der Bestimmung des „Militia Acts“ das Recht hatte, Milizen einzuberufen und den Aufstand niederzuschlagen. In diesem Sinn nutzte Lincoln nur seinen politischen und verfassungsrechtlichen Spielraum aus. Auch über die Zahl von (nur) 75 000 einberufenen Milizsoldaten ist unter Historikern debattiert worden. Vor dem Hintergrund der drei Millionen Mann, die später auf beiden Seiten im Bürgerkrieg kämpften, muss die Zahl als sehr gering angesehen werden. Lincoln hat die Zahl der zur Niederschlagung der Rebellion notwendigen Truppen vermutlich unterschätzt und mit einem recht kurzen Konflikt gerechnet. Eine solchermaßen begrenzte erste Einberufung mag jedoch auch pragmatische Gründe gehabt haben. Im Vergleich zur Größe der damaligen regulären Armee von weniger als 20 000 Mann stellte die Einberufung von 75 000 weiteren Milizionären eine Vervielfachung der bisherigen Truppenstärke dar. Hätten kurzfristig überhaupt mehr als 75 000 geeignete junge Männer zur Verfügung gestanden?
die mit ansah, wie die amerikaniFrederick Douglass forderte seit Besche Flagge vom State House entfernt und durch die Fahne der ginn der Kampfhandlungen, dass Südstaaten ersetzt wurde. Ein Studie Abschaffung der Sklaverei ein dent der University of Virginia Kriegsziel sein müsse. schrieb am 17. April in sein Tagebuch: „Heute wird nicht gelernt. Die Neuigkeiten über Virginias Abspaltung kamen hier um 10 Uhr an und wurden von Hurrarufen begleitet. ... ,Krieg!‘ ,Krieg!‘ ,Krieg!‘“ Aus Nashville schrieb ein junger Rekrut: „Über nichts anderes wird gesprochen als Krieg, Krieg.“ Er erwartete, dass der Konflikt nicht lange dauern werde, „weil der Abschaum des Nordens dem ritterlichen Geist des Südens nicht die Stirn bieten kann.“ Als die Nachrichten von der Beschießung von Fort Sumter und der Kapitulation von Major Anderson am 14. April im Weißen Haus eintrafen, versammelte Lincoln sein Kabinett und seine Militärberater um sich. An diesem Tag wurde die Entscheidung getroffen, den Konflikt als Rebellion zu bekämpfen. Lincoln orientierte sich dabei am Beispiel der NieDer Abolitionist und frühere Sklave
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Staat nicht für das Ziel kämpfen würden, dass Millionen Schwarze in den Norden kämen, um den Arbeitern dort die Arbeitsplätze streitig zu machen. Auch Senator Lyman Trumbull aus Illinois warnte den Präsidenten: „Es gibt eine große Aversion dagegen, dass freie Schwarze unter uns leben sollen. Unsere Leute wollen mit den Schwarzen nichts zu tun haben.“ Die Konföderierten feierten den Sieg am Bull Run hingegen überschwänglich und erklärten, dass der Konflikt nun recht bald erfolgreich beendet werden könne. Zeitungen sahen sich in ihren Vorurteilen gegenüber den Yankees als inneffektive Kämpfer bestärkt. Gleichzeitig wurde Lincoln vorDas Ehepaar Mary und geworfen, für den Tod der dort gefalJames Chesnut (Foto, um lenen Soldaten verantwortlich zu sein: „Der Mörder dieser Menschen ist Abra1840). Mary führte ein Tageham Lincoln“, so der „Richmond Enquibuch, in dem sie das Kriegsgeschehen kommentierte. rer“ am 25. Juli 1861.
Gemischte Reaktionen auf den Ausbruch des Kriegs Nach der ersten Schlacht am Bull Run am 21. Juli 1861 (siehe Kapitel Seite 51), bei der die Bundestruppen keine gute Figur abgegeben hatten, waren die unmittelbaren Reaktionen im Norden und Süden höchst unterschiedlich. Im Norden sprach man von einem schwarzen Tag. Der Herausgeber der „New York Tribune“, Horace Greeley, forderte eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen: „Wenn es das Beste für das Land und für die Menschheit ist, dass wir mit den Rebellen Frieden schließen, sogar auf ihre Forderungen eingehen, sollten wir davor nicht zurückschrecken.“ Der Kongress sah dies anders und verabschiedete am 22. Juli mit überwältigender Mehrheit von 117 zu zwei Stimmen eine Resolution, die vom Abgeordneten John J. Crittenden aus Kentucky eingebracht worden war. Darin wurde die Fortsetzung des Krieges gefordert. Das Ziel des Konfliktes sei die Wiederherstellung der Union. Weitergehende Ziele wie die Beseitigung der Sklaverei wurden ausdrücklich verworfen: „Dieser Krieg wird weder im Geiste der Unterdrückung geführt, noch mit der Absicht, Rechte und etablierte Institutionen der Staaten [des Südens] zu beseitigen.“ Für einige Abolitionisten wie William Lloyd Garrison (1805 –1879) stellte diese Beschränkung des Kriegsziels auf die Wiederherstellung der Union einstweilen kein Problem dar, weil ein Krieg gegen die Sklavenhalter-Aristokratie des Südens ohnehin Auswirkungen auf die Sklaverei selbst haben würde. Der Abolitionist Frederick Douglass forderte hingegen schon früh, dass der Kampf gegen die Sklaverei explizit betont werden müsse. Er erklärte im Sommer 1861, dass es ein halbherziger Konflikt sei, wenn man gegen Sklavenhalter kämpfe, aber die Sklaverei unangetastet lasse: „Dem Krieg [des Südens] für die Zerstörung der Freiheit muss [der Norden] mit dem Krieg zur Vernichtung der Sklaverei begegnen.“ Die Forderung nach Befreiung der Sklaven war in den ersten Monaten nach Ausbruch des Krieges heikel. Der Süden würde sich in seiner Kritik an Lincoln bestätigt sehen und noch entschlossener kämpfen; die noch in der Union verbliebenen Sklavenhalterstaaten könnten sich den Konföderierten anschließen. Auch im Norden traf die Forderung nach Emanzipation der Sklaven nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der Abgeordnete Samuel Cox aus Ohio warnte den Präsidenten, dass Soldaten aus seinem
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Übrigens ist die genaue Herkunft des Begriffs „Yankee“, der sich im Verlauf des Konflikts als Spitzname für die Nordstaatler durchsetzte, nicht eindeutig geklärt. Erstmals aufgetaucht ist er bereits im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 –1783), damals wurden noch alle abtrünnigen Kolonisten von den Briten so bezeichnet. Sprachlich könnte Yankee auf „Jan Kaas“ zurückgehen; mit diesem Spottnamen bedachte man niederländische Siedler in Nordamerika. Der frühe Erfolg in der Schlacht am Bull Run bestärkte den Süden in einer trügerischen Vorstellung, dem Norden überlegen zu sein. Zu den wenigen Südstaatlern, die dies erkannten, gehörte Mary Chesnut (1823 – 1886), die Frau von Senator James Chesnut
Warum kommt es 1860/61 nicht zum Kompromiss? 85 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der englischen Kolonien stand das Experiment der amerikanischen Republik vor dem Scheitern. Armeen des Nordens und des Südens schossen aufeinander. Die Sklaverei – genauer gesagt der Machtkampf zwischen freien und sklavenhaltenden Staaten über die Deutungshoheit darüber, wofür Amerika politisch, philosophisch und wirtschaftlich stand – hatte das Land gespalten. Warum gelang 1860/61 nicht noch einmal, was beim Verfassungskonvent 1787 und in den Jahren 1820 und 1850 gelungen war? Warum konnten Gegensätze zwischen Nord und Süd nicht noch einmal durch Kompromisse beigelegt werden? Die Antwort liegt in einer grundlegenden Änderung der Machtverhältnisse zwischen Nord und Süd im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Der Süden war seit Gründung des Landes an eine herausgehobene Position gewöhnt. 1850 hatte Senator Calhoun angesichts der abnehmenden Bedeutung des Südens ein Gleichgewicht zwischen dem Süden und dem Rest des Landes gefordert. Diesen Anspruch konnte der Süden zehn Jahre später nicht mehr durchsetzen. Der Norden befand sich demographisch und wirtschaftlich auf einem wesentlich dynamischeren Kurs. Nicht aus einer Position der Stärke heraus, sondern in Kenntnis der eigenen Schwäche und um die archaische Wirtschaftsform der Sklaverei langfristig bewahren zu können, erklärte der Süden die Sezession. Hätte Lincoln auf die Sezessionsbeschlüsse anders reagieren können? Was war eine Union wert, die mit Gewalt zusammengehalten werden musste? Lincoln ging von der Fiktion aus, dass nicht „der Süden“, sondern eine kleine Gruppe von Abtrünnigen innerhalb der Südstaaten für die Sezession verantwortlich sei. Er war dem Süden entgegengekommen und hatte der Sklaverei wiederholt eine Bestandsgarantie gegeben. Aber es gab kein Recht auf Loslösung von der Union. Die USA waren für Lincoln mehr als ein bloßer Zusammenschluss von Staaten, sondern das Land, das der Demokratie in der Neuzeit zum endgültigen Durchbruch verholfen hatte. Die Sezession anzuerkennen war gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, dass Demokratien nicht in der Lage seien, Probleme ihrer Sozialordnung friedlich zu lösen. Das kam für ihn nicht in Frage.
(1815 – 1885) aus South Carolina, der im Bürgerkrieg als General und Berater von Präsident Davis in Form einer bekannten Redewentätig war. Mary Chesnut führte in dung dar. den Kriegsjahren ein ausführliches Tagebuch und notierte unter dem Datum des 27. Juli 1861, dass der Erfolg vom Bull Run den Niedergang des Südens eingeläutet habe. Der Sieg habe den Süden zur Illusion einer überlegenen Tapferkeit verleitet und zu einem „Paradies der Narren“ („fool’s paradise“) gemacht. In Wirklichkeit jedoch sei damit nur der Kampfeswillen des Nordens angestachelt worden. Bull Run sei „genau die Philippika“ gewesen, die der Norden gebraucht hatte. Also ein Aufruf zum Krieg, wie dies einst der Athener Demosthenes in seinen Reden gegen den Makedonen Philipp II. getan hatte. Diese Karikatur (um 1861) stellt die
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Erste Kriegsphase
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Für die Union lief die erste Phase des Kriegs auf dem östlichen Schauplatz nicht gut. Während auf Seiten des Südens General Robert Edward Lee zum überragenden Truppenführer aufstieg, stürzten die zaudernden Unionsgeneräle Präsident Lincoln wiederholt in tiefe Verzweiflung.
Das 21. Illinois war eines von vier Regimentern, die der an die Großen Seen grenzende Heimatstaat von Präsident Abraham Lincoln zu Beginn des Bürgerkrieges aufgeboten hatte. Wie in jedem der zahllosen Verbände, die nach der Beschießung von Fort Sumter am 11. April 1861 in allen in der Union verbliebenen Staaten aus dem Boden gestampft worden waren, verteilten sich auch die Freiwilligen des 21. Regiments auf zehn Kompanien zu je 100 Mann. Die Offiziere waren in der Mehrheit in guter republikanischer Tradition von ihren Soldaten gewählt worden, die Regimentskommandeure hatte Gouverneur Richard Yates ernannt, ein enger Unterstützer Präsident Lincolns und entschiedener Gegner der Sezession. Die Männer, die dem Aufruf des Präsidenten zu den Fahnen anfangs begeistert gefolgt waren, besaßen, selbst wenn sie zuvor in einer Miliz gedient hatten, kaum militärische Erfahrung und oft nicht einmal Waffen oder Ausrüstung. Noch fehlte der Union eine leistungsfähige Kriegsproduktion, und die in Spring-
field in Massachusetts beheimaAm Bull Run bei Manassas in Virginia tete nationale Waffenfabrik hatte kam es am 21. Juli 1861 zur ersten vorerst nur einen Jahresausstoß größeren Feldschlacht des Kriegs. Die von 20 000 modernen Gewehren. Unionsarmee, die eigentlich auf RichAls der Sommer kam und mit mond vorrücken wollte, musste sich ihm das Ende ihrer dreimonatiam Ende fluchtartig zurückziehen. gen Dienstpflicht, wären viele der Freiwilligen allzu gern wieder zu ihren Familien zurückgekehrt. Den beiden Kongress-Abgeordneten von Illinois, John McClernand und John Logan, glückte es jedoch mit einigen begeisternden Ansprachen, die meisten Heimkehrwilligen zu einer Verlängerung ihrer Dienstzeit auf nunmehr drei Jahre zu bewegen. Schließlich könne man nicht nach Hause gehen, ohne zuvor einem einzigen Feind begegnet zu sein, lautete das Hauptargument der beiden aus Washington herbeigeeilten Politiker. Nachdenklichere Gemüter unter den Soldaten sahen auch durch die Sezession die Union und das Erbe der großen Revolution bedroht und empfanden das
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Beschießen der US-Flagge über Fort Sumter als bestrafungswürdigen Frevel. Mitte Juli 1861 schien nach Wochen monotonen Drills der echte Krieg für die jungen Männer des 21. Regiments aus Illinois endlich zu beginnen. Das Regiment setzte mit einem Dampfboot über den Mississippi und drang in den Nachbarstaat Missouri ein, der zwischen Nord und Süd heftig umstritten war. Ein Verband konföderierter Kavallerie unter General Thomas Alexander Harris sollte in der Nähe des kleinen Ortes Florida im Monroe County, das einmal als Geburtsstätte des Dichters Mark Twain eine gewisse Prominenz erlangen würde, ein Lager bezogen haben. Nachdem die Männer bald einen ganzen Tag lang vorbei an verlassenen Ortschaften und Farmen gezogen waren, ohne dass sich auch nur ein einziger Rebell gezeigt hatte, machte sich eine immer größere Beklommenheit unter ihnen breit. Längst waren die Scherzworte und Witze über ihren neuen Regimentskommandeur und dessen verschlissenen Militärmantel verstummt. Hätten die Soldaten geahnt, dass in diesem Moment ihr einsilbiger Oberst wie sie selbst alles Teilweise hatten die führenden dafür gegeben haben würde, wieKommandeure der Kriegsparteien der zurück in Illinois zu sein, wänoch zusammen in der Militärakaren sie vermutlich sogleich alle demie in West Point studiert (koloumgekehrt und hätten den seltsarierter Holzstich, 19. Jahrhundert).
men Mann an ihrer Spitze allein die jetzt vor ihnen liegenden Hügel ersteigen lassen.
Furcht auf beiden Seiten bei der ersten Konfrontation Doch ebenso wie ihrem kommandierenden Offizier fehlte ihnen der praktische Mut, ihren Marsch einfach abzubrechen. So erstiegen sie langsam und mit klopfenden Herzen die Anhöhen, hinter denen, wie sie mit jedem Schritt mehr überzeugt waren, ein entschlossener Gegner auf sie warten würde. Doch statt auf die gefürchteten Rebellen stießen die Unionssoldaten auf ein in einer Senke gelegenes konföderiertes Lager, das von seiner Besatzung fluchtartig verlassen worden war. In seinen Kriegsmemoiren erinnerte sich der Regimentskommandeur an die Erleichterung, die alle erfasste: „Mein Herz nahm wieder seinen rechten Platz ein. Mir wurde plötzlich klar, dass Harris vor mir genauso viel Angst gehabt hatte wie ich vor ihm. Der Gegner hatte genauso viel Anlass, sich vor meinen Truppen zu fürchten, wie ich vor seinen. Dies war ein Punkt, den ich bisher nie erwogen hatte. Es war eine wertvolle Lektion.“ Ulysses S. Grant, der zitierte Kommandeur, sollte sie in den noch folgenden vier blutigen Kriegsjahren nie wieder vergessen. Der 41-jährige Veteran aus der Kleinstadt Galena im äußersten Nordwesten des
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Staates war mit seiner Ausbildung in West Point und der Teilnahme am Mexikanischen Krieg eine Ausnahme unter den Offizieren seines Regiments. Die meisten seiner Kompanie- und Zugführer waren Freiwillige, die vor dem Krieg respektable Positionen in Politik, Justiz oder Geschäftswelt erreicht hatten und sich von ihrem Militärdienst einen Prestigegewinn versprachen. Wie ihre Soldaten waren sie Amateure, und die Armeen, die beide Seiten in den ersten Kriegsmonaten ins Feld stellten, waren Amateurarmeen. Zwar verfügten die Vereinigten Staaten vor 1861 auch über ein professionelles Heer. Doch die Mehrheit dieser bescheidenen Streitmacht von 16 000 Mann verblieb auch nach Kriegsausbruch in ihren knapp 70 Garnisonen im Westen oder behauptete weiterhin die Unionsfestungen vor den Küsten des Landes. Die wenigen Dutzend Leutnante, die jährlich an der 1802 gegründeten Kaderschmiede West Point oberhalb des Hudson River ihre vierjährige Ausbildung abschlossen, hatten für diese bescheidene Streitmacht vollkommen genügt. Den nach der Sezession eingetretenen Bedarf an Zugführern, Kompaniechefs und Regimentskommandeuren der bald entstehenden Massenarmeen konnten sie jedoch nicht einmal ansatzweise decken, zumal auch ein Drittel der jungen Offiziere inzwischen auf die Seite ihrer konföderierten Heimatstaaten gewechselt war. Männer mit einem Abschluss in West Point konnten unter diesen Umständen rasch Karriere machen und wie Grant, der bis dahin als Zivilist ohne geschäftlichen Erfolg geblieben war und sogar als verkrachte Existenz galt, bis zum General aufsteigen. Viele, die wie der Mann aus Galena in den Jahren zuvor den Militärdienst quittiert hatten, wurden nun zum Rückgrat der Unionsarmee. Der erst 35-jährige George McClellan, Zweitbester des Jahrgangs 1846 und inzwischen Präsident der Ohio Mississippi Railroad, schuf mit seinem außergewöhnlichen Organisationstalent die Potomac-Armee, mit der Grant später die Kapitulation des Südens erzwingen sollte. Als ebenso effektiver Organisator erwies sich der aus Georgia stammende Montgomery Meigs, Absolvent der West-Point-Klasse von 1836, Pionieroffizier und Erbauer des Washingtoner Kapitols, der als Generalquartiermeister die gesamte Logistik der Union einschließlich der Uniformproduktion revolutionierte. Auf der Gegenseite war es der 55-jährige Leonidas Polk, der 1827 als Achter in einer Klasse von 38 Kadetten sein Offizierspatent erworben hatte, danach aber jahrelang als Bischof der episkopalen Kirche
von Louisiana vorgestanden Der verdiente Unionsgeneral Winfield hatte und jetzt im Rang eines Scott hatte schon im Krieg gegen die Generalmajors in die konfödeBriten von 1812 und im Mexikanischen rierte Armee eintrat. Polk sollKrieg gekämpft (1846 – 1848). 1861 war te jedoch nicht die in ihn geer bereits 75 Jahre alt. setzten hohen Erwartungen erfüllen. Er kämpfte bei Columbus und Shiloh gegen Grant und kam drei Jahre später vor den Toren von Atlanta durch eine Artilleriegranate ums Leben. Mit seinen fast 75 Jahren und einer Dienstzeit von mehr als einem halben Jahrhundert galt der aus Virginia stammende Generalmajor Winfield Scott im ganzen Land als eine militärische Institution. Seit dem Krieg von 1812 bis 1814 gegen Großbritannien hatte der eifrige Autodidakt und profunde Kenner der europäischen Militärgeschichte an jedem bewaffneten Konflikt der Vereinigten Staaten teilgenommen und war im Krieg gegen Mexiko an der Spitze seiner Division bis nach Mexiko City gestürmt. Doch inzwischen war der hünenhafte General zu alt und kämpfte mit Übergewicht, ein bedeuten-des
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Furcht auf beiden Seiten bei der ersten Konfrontation
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Feldkommando kam für ihn nicht mehr in Frage. Ohnehin versprach sich Scott, der in diesen ersten könnte der Bürgerkrieg laut GeneMonaten nach der Sezession als ral Scott ein schnelles Ende finden Oberbefehlshaber der Armee der (Karikatur, 1861). wichtigste Berater des Präsidenten war, von einem großen Kriegszug gegen den Süden nur wenig. Selbst wenn es irgendwann gelang, das riesige Gebiet von der Größe des europäischen Russland unter militärische Kontrolle zu bringen, wären die Zerstörungen gewaltig, und der Hass selbst der noch loyalen Bewohner des Südens würde die Wiederherstellung der Union erheblich erschweren. Die Kosten der Besatzung und des Wiederaufbaus drohten zudem zu einer jahrelangen Belastung der Staatskasse zu werden.
derte. Mit Hilfe ihrer überlegenen Flotte könnte die Union nicht nur sämtliche Häfen des Südens wirksam blockieren, sondern mit gezielten Schlägen auch die Kontrolle über den Mississippi erringen. So ließe sich der industriearme Gegner nicht allein von den dringend benötigten Zufuhren aus Europa abschneiden, auch der Export von Baumwolle, der die Grundlage des Reichtums der rebellischen PflanzerAristokratie war, würde damit unterbunden. Somit auf sich allein gestellt, müsse die Widerstandskraft des Südens irgendwann erlahmen. Die Presse im Norden betrachtete Scotts Strategie jedoch mit Skepsis und verhöhnte sie als „Anakonda-Plan“. Schon Napoleon sei damit gegen England gescheitert, und überhaupt würde die völlige Abschnürung des Südens zu viel Zeit beanspruchen. Kaum jemand in Washington, auf dessen Straßen und Plätzen seit Wochen die aus allen Teilen der Union herbeiströmenden Regimenter biwakierten, rechnete jedoch mit einem langen Krieg. Zu diesem Optimismus trug die Tatsache bei, dass es inzwischen unweit Washingtons ein höchst lohnendes Ziel gab. Erst wenige Wochen zuvor hatte die
Durch ein Einschnüren des Südens
von allen Seiten („Anakonda-Plan“)
„Anakonda-Plan“: den Süden vom Weltmarkt abschneiden Bessere Chancen würde nach Scotts Überzeugung ein Wirtschaftskrieg gegen die Konföderation haben, der einen erheblich geringeren Truppeneinsatz erfor-
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Konföderation ihren Regierungssitz von Montgomery in Alabama nach Richmond verlegt, das nur 150 Kilometer von Washington entfernt war. Am 20. Juli sollte der Kongress der Südstaaten in der Hauptstadt Virginias unter Leitung ihres Präsidenten Jefferson Davis, eines West-Point-Absolventen und ehemaligen Kriegsministers der Union, zu seiner ersten Sitzung zusammentreten. Nach Meinung von Horace Greeley, des einflussreichen Herausgebers der „New York Tribune“, musste dies unbedingt verhindert werden. Der Kongress der Rebellen dürfe niemals stattfinden, und die Stadt müsse vorher von der Union besetzt sein. „Auf nach Richmond!“, titelte daher seine Zeitung siegesgewiss am 26. Juni 1861. Auch Lincoln sah angesichts der inzwischen in Washington verfügbaren 35 000 Mann keinen Grund, sich der auf eine Aktion dringenden Öffentlichkeit noch länger zu widersetzen. Die Sache sei wohl einen Versuch wert, erklärte der Präsident seinem Kabinett, dessen Mitglieder ebenfalls noch vor einem längeren Konflikt zurückschreckten. Die Einnahme von Richmond könne vielleicht schon die Rebellion beenden, wäre aber in jedem Fall ein harter Schlag für den Süden. Scotts Plan könne man immer noch verfolgen. Der Befehlshaber der in der Hauptstadt versammelten Truppen, Irvin McDowell, ein Veteran des Krieges gegen Mexiko und Vertrauter Winfield Scotts, meldete vergeblich seine Einwände. Dass die Männer für eine größere Schlacht noch nicht genügend ausgebildet seien, wollte Lincoln nicht gelten lassen. Es sei wahr, dass ihre Soldaten noch grün seien, beschied er dem skeptischen General, aber die anderen seien es auch. Der Präsident lag damit nicht falsch. Selbst für unerfahrene Truppen schien die Aufgabe lösbar. Auf der Gegenseite hatte sich eine konföderierte Armee von kaum 20 000 Mann etwa 30 Kilometer von Washington entfernt südlich des Bull Run, eines rechten Nebenarms des Potomac, bei dem Eisenbahnknotenpunkt Manassas versammelt. Sie stand unter dem Befehl des 43-jährigen Generals Pierre Gustave T. Beauregard aus Louisiana, der im April auch das Bombardement von Fort Sumter im Hafen von Charleston geleitet hatte. 1838 hatte er seine Ausbildung in West Point als Zweitbester seines Jahrgangs abgeschlossen. Einer seiner damaligen Klassenkameraden war sein zukünftiger Gegner Irvin McDowell gewesen. Beauregards Truppen besaßen wie die Soldaten auf Seiten der Union kaum Gefechtserfahrung. Eine Schlacht mit geschlossenen Formationen nach
dem Muster der europäischen Armeen musste beide Parteien zunächst vor unlösbare Probleme stellen. Die meisten Rebellensoldaten kamen aus den alten Staatsmilizen oder den neuen Schützenvereinigungen, die erst zwei Jahre zuvor nach dem gescheiterten Anschlag von John Brown auf das Bundeszeughaus in Harper’s Ferry überall im Süden entstanden waren. Die Furcht vor einer Invasion der Nordstaatler war seither weit verbreitet, und ein später in Gefangenschaft geratener Rebellensoldat gab wohl die Überzeugung der meisten seiner Kameraden wieder, als er auf die Frage, weshalb er gegen die Union kämpfe, antwortete: „Weil ihr hier seid“. Obwohl es der Konföderation zu Beginn des Krieges geglückt war, einige Bundeszeughäuser (Arsenale) zu besetzen, war die Ausbeute bescheiden, und die darin gelagerten Waffen waren großenteils veraltet. Wie zu Zeiten Napoleons mussten die Soldaten des Südens mit glattläufigen Vorderladern in ihre ersten Schlachten ziehen. Erst nach und nach wurden die alten Musketen umgearbeitet, so dass sich mit ihnen auch das neue Geschoss des Franzosen ClaudeÉtienne Minié (1804 –1879) verschießen ließ. Es wurde zwar wie bisher von vorne in den Lauf eingebracht, verbreiterte sich jedoch durch den Druck der Pulverladung und passte sich somit den jetzt im Innern des Rohrs eingefrästen spiralförmigen Rillen (gezogener Lauf) an. Der dadurch bewirkte Geschossdrall ermöglichte es den Schützen, erheblich weiter und genauer zu schießen. An Truppen fehlte es dem Süden vorerst nicht. Schon einen Monat vor Lincolns Aufruf hatte die Konföderation im März 1861 beschlossen, eine Armee von 100 000 Soldaten aufzustellen. Da die Zahl der Freiwilligen wie auf Seiten der Union den Bedarf weit überschritt, konnte die Regierung von Präsident Davis vorerst auf eine allgemeine Dienstpflicht verzichten.
Zu den von den Unionstruppen am häufigsten verwendeten Vorderladern zählte das Modell „Springfield 1861“ (rechts). Die dafür verwendeten, nach ihrem Erfinder Claude-Étienne Minié benannten Bleigeschosse (oben) boten eine bessere Zielgenauigkeit als Kugeln.
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Einen klaren Vorteil besaß der Süden hinsichtlich der Offizierausbildung. Im Gegensatz zum Norden verfügte die Konföderation mit dem 1839 gegründeten Virginia Military Institute (VMI) und der South Carolina Military Academy in Charleston, die von ihren Schülern The Citadel genannt wurde, über zwei private militärische Ausbildungseinrichtungen von hoher Qualität. Allein das VMI hatte bis zum Kriegsausbruch insgesamt 455 Absolventen verabschiedet. Zusammen mit den rund 1500 ehemaligen Angehörigen ohne Abschluss stellte das Institut bei Kriegsbeginn immerhin ein Drittel aller Offiziere in den vom Staat Virginia aufgebotenen Regimentern. Wie der Union gelang es auch Parade einer Infanterieeinheit der der Führung des Südens nicht, konföderierten Armee im Juni 1861 eine konsistente Strategie durchzusetzen. Die gewaltige Größe der in Arkadelphia (Arkansas). Seit BeKonföderation, die zugleich nur an ginn des Konflikts wurden ständig wenigen Stellen angegriffen werneue Soldaten rekrutiert.
den konnte, machte eine Eroberung fast unmöglich. Mit den verfügbaren Kräften wäre wohl eine dauerhafte Verteidigung ihres Kerngebiets möglich gewesen. Der Süden konnte den Krieg einfach dadurch gewinnen, dass er ihn nicht verlor. Doch die Regierung in Richmond, die selbst keine Armee besaß, sondern sich auf die Regimenter der Einzelstaaten stützen musste, konnte die Interessen der Grenzregionen nicht ignorieren. Eine Strategie des Ausweichens bei überraschenden Gegenschlägen, wie sie George Washington im Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten mit Erfolg betrieben hatte, schien jetzt kaum wiederholbar. Gouverneure und KongressAbgeordnete wollten eine Besetzung ihrer Staaten durch Lincolns „abolitionistische Horden“ um jeden Preis verhindern. Somit musste die Konföderation für die Verteidigung unhaltbarer Gebiete ihre Truppen verzetteln, was später vor allem im Westen zu einer Reihe folgenschwerer Niederlagen führte.
Die Schlacht am Bull Run führt zu Ernüchterung in Washington Auf dem östlichen Kriegsschauplatz entwickelte sich die Lage für den Süden jedoch zunächst günstiger. Anfang Juli 1861 hatte sich in Washington General McDowell, von Präsident Lincoln wiederholt gedrängt, endlich entschlossen, mit seiner Armee nach Süden zu ziehen. Am 16. Juli brachen die Unionsregimenter unter dem Jubel der Bewohner aus der Hauptstadt auf. Zwar glaubte der General nicht, Richmond erreichen zu können, wohl aber schien ein Erfolg gegen die numerisch unterlegene Rebellenarmee bei Manassas durchaus möglich. Schon der erste Marschtag bestätigte McDowells Skepsis. In der Hitze kamen seine Soldaten kaum voran, es fehlte auch an Zugmitteln und Verpflegung. Erst am 20. Juli erreichte die Spitze seiner Armee das kleine Örtchen Centreville etwa fünf Kilometer östlich der konföderierten Stellungen entlang dem Bull Run. McDowell hatte sich entschlossen, seine Truppen aufzuspalten. Während der kleinere Teil seiner Armee die Konföderierten frontal angreifen und binden sollte, hatte sein rechter Flügel mit 10 000 Mann das im Sommer seichte Flüsschen weiter nördlich zu durchwaten und den Gegner in seiner Flanke anzugreifen. Die Überraschung schien vollkommen. Zu spät hatte Beauregard die Gefahr auf seinem zurückweichenden rechten Flügel erkannt und begonnen, Kräfte aus dem Zentrum nach Norden zu dirigieren. Al-
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lein die Tatsache, dass McDowells überraschend gut kämpfende Truppen im Lauf des Gefechts durcheinandergeraten waren und Reserven zu ihrer Unterstützung ausblieben, rettete an diesem Tag den Süden vor einer Niederlage. Als am Nachmittag General Joseph Eggleston Johnstons Armee mit der Bahn aus dem Shenandoahtal direkt auf dem Schlachtfeld eintraf, wendete sich endgültig das Blatt. Der Gegenangriff der Konföderierten ließ McDowells Armee auseinanderbrechen. Obwohl nur ein Teil seiner Truppen gekämpft hatte, ergriffen die meisten panikartig die Flucht und waren selbst unter Schusswaffenandrohung nicht mehr zum Stehen zu bringen. Fast 500 tote Unionssoldaten bedeckten am Abend das Schlachtfeld, doppelt so hoch war die Zahl der Verwundeten. Zudem hatten sich 1200 Männer dem Gegner ergeben. Auch die Sieger hatten fast 2000 Tote und Verwundete zu beklagen. Für eine energische Verfolgung der geschlagenen Yankees waren Beauregards und Johnstons Truppen jedoch zu erschöpft und inzwischen auch zu ungeordnet. Immerhin hatte die Schlacht von Manassas, wie der Süden das Kampffeld seither bezeichnete (im Norden hielt sich der Name Bull Run), die Rebellen in ihrem alten Überlegenheitsgefühl bestärkt. Sämtliche Vorurteile über die ehrlosen Yankees schienen durch die Massenflucht bestätigt. Der Kongress-Delegierte Thomas Reade Cobb aus Georgia glaubte, Manassas sei einer der entscheidendsten Siege der Kriegsgeschichte. Edmund Ruffin aus Virginia, einer der zentralen Protagonisten der Sezession, der auch den ersten Schuss auf Fort Sumter gefeuert hatte, betrachtete nach dieser Schlacht sogar den Krieg bereits als beendet. Niemals wieder würden sich die Truppen der Union mehr als eine Kanonenschussweite von Washington entfernen, prognostizierte selbstbewusst der „Mobile Register“, während auf der Gegenseite Horace Greeley nach einer Woche des betretenen Schweigens sich in einem Brief an Lincoln wandte. Kleinmütig empfahl er jetzt dem Präsidenten, wenn es dem Wohl des Landes und der Menschheit diene, einen Frieden mit dem Süden selbst zu dessen Bedingungen zu schließen.
die Ablösung McDowells und die Die Zahl der zivilen Opfer blieb im Vergleich zu anderen Kriegen Ernennung von George McClellan gering, doch Zerstörungen gab zum neuen Oberbefehlshaber hoffte Lincoln, der Kriegführung der es bereits in der Schlacht am Bull Union endlich den entscheidenden Run: ein Ehepaar im Zelt neben Schwung zu verleihen. Wegen seiihrem zerbombten Haus (zeitgener brillanten Laufbahn als Offizier nössisches Foto). und Eisenbahnmanager schien der aus Philadelphia stammende General, der inzwischen einige kleinere Siege im Shenandoahtal erfochten hatte, genau die richtige Wahl. Der 35-jährige McClellan, von seinen Kritikern auch gerne als „kleiner Napoleon“ bespöttelt, erwies sich zunächst als überaus fähiger Organisator. Aus den am Bull Run geschlagenen Regimentern formte er binnen weniger Monate erstmals eine echte Streitmacht: die Potomac-Armee. Es fehlte McClellan jedoch der Biss, sein neues Instrument auch gegen den immer noch bei Manassas stehenden Feind einzusetzen. Als geschickter Motivator war es ihm zwar gelungen, seinen Männern neues Selbstvertrauen zu geben und sie die jüngste Niederlage vergessen zu lassen. Niemand hatte jedoch dem General selbst die Furcht vor der konföderierten Armee genommen, deren Stärke er aufgrund falscher Agentenmeldungen mit bis zu 100 000 Mann viel zu hoch einschätzte. So verstrich Woche um Woche, und schließlich trat der Winter ein, ohne dass sich die Unionsarmee noch einmal zum Marsch nach Richmond aufgemacht hätte. McClellan überraschte den Präsidenten schließlich mit einem vollkommen neuen Plan. Der General
General Robert Edward Lee: begnadeter Truppenführer des Südens Wider Erwarten hatte ihre Anfangsniederlage am Bull Run die Entschlossenheit der Union zur Niederwerfung der Rebellion eher noch gestärkt. Durch
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Forts und brachten den südlichen Abschnitt des Mississippi unter die Kontrolle der Union. Die Lebensader des Südens war damit unterbrochen, und Scotts „Anakonda-Plan“ nahm bereits deutlich Gestalt an. Zur selben Zeit bereitete sich in Richmond die Regierung von Jefferson Davis auf eine Evakuierung vor. Mehr als ein bescheidenes Korps von 11 000 Mann hatte die Konföderation zunächst nicht gegen McClellans riesige Armee aufbieten können. Allerdings stand dem Süden dieses Mal das Glück zur Seite. Indem sich die Rebellen in einem befestigten Lager bei Yorktown verschanzten, dem Schauplatz des entscheidenden amerikanischen Sieges im Unabhängigkeitskrieg, verleiteten sie McClellan zu einem Anfängerfehler. Anstatt die Konföderierten mit einem kleinen Teil seiner Kräfte zu isolieren und mit der Masse sofort auf Richmond vorzurücken, vertat der Unionsgeneral mehrere Wochen mit der Beschießung der gegnerischen Stellungen. Bei Williamsburg sollte er diesen fatalen Fehler kurz darauf wiederholen. Als die Unionsarmee nach einem verregneten Mai endlich vor der Hauptstadt des Südens eintraf, hatte sich der Gegner längst entscheidend verstärken können. Fast 75 000 Mann hatte die Konföderation von allen Fronten aufgeboten und sie dem 55-jährigen Joseph Eggleston Johnston unterstellt. Der General war nicht die beste Wahl, denn der gebürtige Virginier lag wegen einer rangmäßigen Zurücksetzung immer noch im Streit mit Präsident Davis. Ein Sieg vor den Toren der Hauptstadt schien darauf die richtige Antwort. Johnston hatte zwar erkannt, dass der linke Flügel des Gegners bei Seven Pines durch den östlich von Richmond verlaufenden Chickahominey, einen Nebenfluss des James River, vom Rest der Unionsarmee getrennt war. Als er jedoch den isolierten Gegner am 31. Mai mit überlegenen Kräften angriff, schien alles schiefzugehen. Unklare oder gar ausbleibende Befehle verursachten Verzögerungen beim Anmarsch, und der Umstand, dass es doch einem Unionskorps glückte, den vom Regen angeschwollenen Fluss zu überqueren, verhinderten den erhofften Erfolg. Jede Seite kostete der blutige Tag 5000 Mann. Für Johnston endete der Krieg vorerst, als er gegen Abend schwer verwundet vom Gefechtsfeld getragen werden musste. Präsident Davis hatte nun wenigstens freie Bahn, den von ihm favorisierten Robert Edward Lee zum neuen Oberbefehlshaber aller konföderierten Truppen in Virginia zu ernennen. Der aus einer hochangesehenen Familie des Staates stammende Lee war
Der Sklavenbesitzer Edmund Ruffin III. (Foto, um 1861) soll bei Fort Sumter den ersten Schuss des Kriegs abgefeuert haben. Der Pflanzer aus Virginia gilt auch als Pionier der künstlichen Bodenverbesserung. Nach der Niederlage des Südens 1865 schoss er sich selbst in den Kopf.
wollte nunmehr seine inzwischen auf über 100 000 Mann angewachsene Streitmacht mit einer Flotte von 400 Schiffen zum Fort Monroe auf der Spitze der Halbinsel Virginia befördern, um von Osten aus auf Richmond vorzurücken. Lincoln stimmte dem verwegenen Plan unter der Bedingung zu, dass 30 000 Mann unter Irvin McDowell zum Schutz der Hauptstadt zurückblieben. Dieses Korps sollte eine vorgeschobene Position bei Fredericksburg einnehmen und gegebenenfalls die um Richmond versammelten konföderierten Truppen im Rücken fassen. Schnell und entschlossen ausgeführt, hätte McClellans Zangenangriff den Gegner wohl in die Knie zwingen können. Als McClellan endlich am 5. April 1862 mit seinen Truppen nördlich von Fort Monroe an Land ging, trennten ihn keine 80 Kilometer von der Hauptstadt der Konföderation. Die Lage des Südens war inzwischen mehr als kritisch, und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurde in den Rebellenstaaten bereits heftig debattiert. Erst zwei Monate zuvor war es General Grant gelungen, zwei wichtige Forts der Konföderation am Tennessee und am Cumberland River einzunehmen und weiter zum Mississippi vorzurücken, während vor New Orleans ein starkes Unionsgeschwader unter Admiral David Glasgow Farragut kreuzte. Am 24. April 1862 durchbrachen schließlich seine Panzerschiffe das Sperrfeuer der die Stadt schützenden
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Im Juni 1862 übertrug Jefferson Davis, der Präsident der Konföderation, General Robert Edward Lee das Kommando über alle konföderierten Truppen in Virginia (Foto von 1864).
nen wichtigen Schachzug eingeleitet, um zunächst die Bedrohung im Rücken seiner Armee zu beseitigen. Vor Fredericksburg stand immer noch General McDowell mit seinen 30 000 Mann. Als jedoch in West Virginia ein kleines konföderiertes Korps durch eine Serie geschickter Manöver und harter, überraschender Schläge weit überlegene Unionstruppen aus dem Shenandoahtal vertreiben konnte und bereits Washington bedrohte, beorderte Lincoln aus wachsender Sorge McDowells Korps von Fredericksburg zurück an den Potomac. Der Südstaaten-General, der Zu einem der bekanntesten Komdieses militärische Wunder vollmandeure des Bürgerkriegs avanbracht hatte, war Thomas Jackcierte der Südstaaten-Offizier son. Der ehemalige Lehrer am Thomas Jonathan Jackson. NachVirginia Military Institute hatte sich schon im Vorjahr bei Madem seine Einheit der Unionsarmee nassas ausgezeichnet, als er mit 1861 am Bull Run wie eine „Mauer“ seiner Brigade am Vormittag den standgehalten hatte, gab man anfänglichen Rückzug der Konföihm den Kampfnamen „Stonewall“ derierten aufhielt. Seitdem wurJackson.
vor dem Krieg einer der renommiertesten Offiziere der Union gewesen, und der alte Scott hatte ihm sogar den Oberbefehl über die Unionstruppen angeboten. Obwohl Lee die Sezession nicht billigte, war der 54-jährige Aristokrat auf die Seite des Südens getreten, da er nicht gegen seinen Heimatstaat kämpfen wollte. Ein hohes Frontkommando war ihm allerdings bis dahin versagt geblieben. Der Kommentar des Unionsgenerals McClellan über seinen neuen Gegner war wenig schmeichelhaft. „Lee ist zu vorsichtig und schwach, wenn es um große Verantwortung geht – er ist persönlich mutig und energisch bis zu einem gewissen Grad, aber es fehlt ihm an moralischer Festigkeit, wenn er von schwerer Verantwortung bedrängt wird, und er ist wahrscheinlich zaghaft und unentschlossen im Handeln.“ Rückblickend wirkt diese Charakterstudie freilich eher wie eine Selbstbeschreibung. Dass der neue Befehlshaber der konföderierten Armee sich zunächst darauf beschränkte, die Feldstellungen seiner Truppen vor Richmond auszubauen, schien McClellans geringschätziges Urteil sogar zu bestätigen. Tatsächlich aber hatte Lee bereits ei-
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Potomac-Armee Anfang Juli auf ihre Basis bei Harrison’s Landing am James River zurück. Noch waren Lees Stab und seine Befehlshaber kein eingespieltes Team. Die vielen schlecht koordinierten Angriffe hatten die Konföderation in nur einer Woche fast 20 000 Mann gekostet, mehr als das Doppelte der gegnerischen Verluste. Taktisch war Lee die angestrebte Zerschlagung der Potomac-Armee nicht geglückt, in strategischer Hinsicht aber war das wenig rühmliche Ende des Halbinsel-Feldzugs eine Katastrophe für die Union. Alle Erfolge im Westen waren damit zunichtegemacht, und die Konföderation schien stärker denn je. Lee war der Mann der Stunde. Die Zeitung „Richmond Whig“ sprach begeistert vom immerwährenden Dank, den das Land seinem brillanten Heerführer schulde. de der erst 37-jährige General im ganzen Heer „Stonewall“ Jackson ber 1862 Kriegsrat mit dem zum genannt, da er für den Gegner eine unüberwindliche Mauer darOberkommandierenden berufenen stellte, und jeder seiner Soldaten General George B. McClellan. war stolz, der Stonewall-Brigade anzugehören. Menschlich war Jackson schwierig, und als Hypochonder zog er vielfach Spott auf sich, doch er galt als genialer Truppenführer. Ohne diesen seltsamen schroffen Offizier hätte Lee die Erfolge des kommenden Jahres niemals erringen können. Nach McDowells Rückzug auf Washington sah der neue Oberbefehlshaber den Zeitpunkt für seine Gegenoffensive gekommen. Unter Zurücklassung nur schwacher Kräfte vor Richmond warf sich Lee mit der Masse seiner Armee am 25. Juni auf McClellans rechten Flügel bei Mechanicsville. Dass ausgerechnet Jackson an diesem Tag mit seinem Korps verspätet eintraf, rettete die Unionsarmee vor einer schweren Niederlage. Schon tags darauf erneuerte Lee seine Angriffe und hätte am 27. Juni bei Gaines Mill beinahe einen Durchbruch erzielt. Ausbleibende Verstärkungen und ein schwer passierbares Sumpfgelände retteten jedoch den Gegner. McClellan schien durch den unerwarteten Umschwung vollkommen überfordert. Seit seinem Eintreffen vor Richmond hatte er sich meist passiv verhalten und selbst dann nicht angegriffen, als klarwurde, dass Lee seinen linken Flügel vor Richmond fast völlig entblößt hatte. Damit hatte der Unionsgeneral dem Gegner die Initiative überlassen, und der Südstaaten-Befehlshaber gab sie nicht mehr her. In einer Reihe heftiger Gefechte, die später als Siebentageschlacht bezeichnet wurden, drängte Lee die
Präsident Lincoln muss seine Generäle zum Handeln drängen
US-Präsident Lincoln hält vor der
Schlacht beim Antietam im Septem-
Auf der Gegenseite verzweifelte Lincoln einmal mehr an seinem in so vielerlei Hinsicht talentierten Oberbefehlshaber, der jedoch einfach nicht kämpfen wollte. McClellan machte dagegen in maßloser Selbstgerechtigkeit den Präsidenten und dessen wiederholte Weigerung, ihm die geforderten Verstärkungen zu schicken, für das Unionsdesaster verantwortlich. Zunächst schien der aus dem Westen kommende General John Pope ein geeigneter Kandidat für die Nachfolge des entzauberten „kleinen Napoleons“. Pope übernahm das Kommando über McDowells Korps und die aus dem Shenandoahtal vertriebenen Unionstruppen. Selbstbewusst verbreitete der Neue überall, dass man im Westen nur an die Offensive glaube, nicht jedoch an starke Stellungen. Bisher habe man dort nur die Rücken der Rebellen gesehen. Um seinen starken Worten auch Taten folgen zu lassen, griff er Ende August 1862 mit seinen 50 000 Mann General Jacksons nur halb so starkes Korps an, das sich auf dem alten Schlachtfeld von Manassas hinter einem Eisenbahndamm verschanzt hatte. Lee ließ General James Longstreets Korps, das in Eilmärschen von der Halbinsel herangerückt war, in Popes Rücken angreifen. Ein zweites Mal musste sich die Unionsarmee darauf nach zweitägigem Kampf fluchtartig auf Washington zurückziehen. Die Verluste auf beiden Seiten lagen jetzt um das Zehnfache höher als in der ersten Schlacht. Pope hatte 16 000 Mann verloren und musste für die Niederlage mit dem Ende seiner Karriere büßen. Lincoln versetzte ihn an die Nordwestgrenze. Nach dem Scheitern des
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Halbinsel-Feldzugs und dem neuerlichen Desaster am Bull Run sah der Rechtsanwalt George Templeton Strong aus New York die Stimmung im Norden auf einem Tiefpunkt und notierte in seinem Tagebuch, dass jetzt überall große Unzufriedenheit mit der Regierung herrsche. Virginia war dank Lees klarem Sieg gesichert, und der Gedanke lag nahe, in die Offensive zu gehen. Maryland hatte vor der Sezession zu den Sklavenhalter-Staaten gehört, war aber der Union treu geblieben. Ein Sieg auf dem Boden des Nordens könnte dies vielleicht ändern. Die Regimentskapellen spielten „Maryland, My Maryland“, als Lees Armee, die inzwischen den Namen „Army of Northern Virginia“ trug, am 5. September 1862 mit 55 000 Mann den Potomac westlich von Harper’s Ferry überschritt. Selbst wenn sich die Hoffnung des Südens auf einen Abfall von Maryland nicht erfüllten, würden sich, so Lees Kalkül, seine Truppen wenigstens auf dem Gebiet der Union versorgen können. Überdies musste ein erfolgreicher Feldzug der Südstaaten-Armee auf gegnerischem Territorium die Chancen einer diplomatischen Anerkennung durch die europäischen Großmächte erhöhen. Die hochgespannten Hoffnungen des Südens erwiesen sich jedoch als Luftschlösser. Der Anblick von Lees abgerissenen, hungernden und oft barfuß marschierenden Truppen hielt selbst die wohlwollenden
Bewohner von Maryland ab, sich der Sache des Südens anzuschließen. Überdies reagierte McClellan dieses Mal schneller als erwartet. Ein nachlässiger Südstaaten-Offizier hatte seinen Zigarrenvorrat in einen von Lees Marschbefehlen eingewickelt. Als das brisante Paket in die Hände einer Unionsstreife fiel, wusste die Gegenseite, dass die Konföderierten ihre Truppen in drei Kolonnen geteilt hatten. McClellan ergriff die Chance, den Gegner getrennt zu schlagen, und attackierte Lees geschwächte Streitmacht mit 60 000 Mann am 16. September bei Sharpsburg. Obwohl Lee zunächst nur die Hälfte an Truppen aufbieten konnte, vermochte er in einer der härtesten Schlachten des Bürgerkrieges, seine Stellungen am Antietam-Fluss einen ganzen Tag zu halten. Nach einem Verlust von 15 000 Mann musste er jedoch bei Einbruch der Nacht mit dem Rest seiner Truppen zurück über den Potomac ziehen. Immerhin profitierte er davon, dass McClellan nach den herben Verlusten des Tages wieder in seine alte Furchtsamkeit verfallen war und auf eine scharfe Verfolgung verzichtete. Lincoln war außer sich und setzte den Beim Antietam gelang es der Unionspassiv in seinen Stellungen verarmee, den Vormarsch der Konfödeharrenden General wenige Worierten nach Norden zu stoppen. Die chen später ab. erstmals in großem Maß in einem Die Schlacht am Antietam Krieg eingesetzte Fotografie zeigte betrachtete der Präsident jedoch die grausamen Folgen der Kämpfe.
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als Sieg, der ihm endlich Gelegenheit gab, die bereits vorbereitete Emanzipation der Sklaven Kriegs für den Norden dar. Der Oberin den Rebellenstaaten zu prokommandierende Ambrose Burnside klamieren. Die alten Vereinigten war dem Südstaaten-General Robert Staaten hatten damit endgülE. Lee taktisch nicht gewachsen (untig aufgehört zu bestehen. Das datierte Farblithographie). Kriegsziel des Nordens bestand seither in der Errichtung einer neuen Union, in der das Versprechen der Freiheit für alle gelten sollte.
Der erst 38-jährige General, der später allein dank seiner markanten Barttracht eine gewisse Prominenz erlangen würde, empfand die von Lincoln und der gesamten Union an ihn gerichteten Erwartungen als quälende Last. Burnside wusste, dass der bevorstehende Winter nicht ohne eine ernsthafte Offensive gegen die Konföderation verstreichen durfte. Sein Plan zum bereits dritten Versuch, auf Richmond vorzustoßen, besaß auch durchaus Erfolgschancen. Anstatt über Manassas wollte der Unionsgeneral mit seiner Armee von 110 000 Mann dieses Mal weiter südlich den Rappahannock bei Fredericksburg überwinden. Rasch ausgeführt, hätte dieses Vorhaben Lees Armee tatsächlich ausmanövrieren können. Unklare Befehle und bürokratische Verwirrung führten jedoch dazu, dass die Armee bei ihrem Eintreffen am Rappahannock nicht das benötigte Brückenmaterial vorfand. Da Burnside es auch versäumte, sogleich Truppen mit Booten über den Fluss zu bringen und zumindest die Marye’s Heights oberhalb von Fredericksburg zu besetzen, hatte Lee alle Zeit, seine Truppen auf diesen beherrschenden Höhen in Stellung zu bringen. Als endlich am 11. Dezember 1862 Unionspioniere
Die Niederlage bei Fredericksburg
(Virginia) stellte einen Tiefpunkt des
Bei Fredericksburg offenbart die Unionsarmee taktische Schwächen Der neue Mann an der Spitze der Potomac-Armee schien alles andere als ein idealer Kandidat zu sein. Ambrose Burnside hatte sich keineswegs um die neue Position bemüht und fühlte sich vom Präsidenten überschätzt. Als Befehlshaber eines Unionskorps’ hatte er am Antietam zu lange gezögert, das Gewässer an einer geeigneten Stelle zu durchwaten, und sich stattdessen auf einen stundenlangen Kampf um eine Steinbrücke eingelassen, die deswegen bald darauf seinen Namen erhielt.
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mit dem Bau der Pontonbrücken beginnen konnten, war bereits klar, dass die Erstürmung der konföderierten Stellungen über ein deckungsloses Gelände von fast 1000 Metern kaum Aussicht auf Erfolg besaß. Burnside durfte jedoch nicht wochenlang tatenlos am Rappahannock stehenbleiben. Es blieb ihm nur der Angriff. Um die Konföderierten auf den Marye’s Heights wenigstens zu schwächen, sollte eines seiner Korps unter dem Befehl von General William Franklin den Fluss etwa vier Kilometer oberhalb von Fredericksburg überqueren und Lees Truppen in ihrer Flanke angreifen. Nachdem im Verlauf des 12. Dezember sämtliche Unionstruppen den Rappahannock überquert hatten, begann der Großangriff der Potomac-Armee am nächsten Morgen. Es sollte ein weiterer schwarzer Tag für die Union werden. Die Konföderierten standen vier Glieder tief und konnten im Wechsel feuern. Am Abend des 13. Dezember lagen mehr als 13 000 tote und verwundete Unionssoldaten, oft mehrmals getroffen, vor einer niedrigen Steinmauer am Fuß der Marye’s Heights. Vielleicht hätte Franklins Ablenkungsangriff die erhoffte Entlastung bringen können, doch der General agierte nicht entschlossen genug und hatte am Ende kaum die Hälfte seiner Truppen ins Gefecht gebracht. Der siegreiche General Lee kommentierte das blutige Geschehen mit der nachdenklichen Bemerkung: „Es ist gut, dass der Krieg so grausam ist. Wir würden sonst süchtig nach ihm werden.“ Ein Kriegskorrespondent der Union schrieb über den für den Norden so verhängnisvollen Tag, dass die menschliche Natur wohl niemals mehr Tapferkeit hervorgebracht habe als bei Fredericksburg, aber auch nie Generäle mit weniger Verstand. Tatsächlich machten viele jedoch den Präsidenten für die Katastrophe von Fredericksburg verantwortlich, und Stimmen, die auf eine Verhandlungslösung mit dem Süden drangen, wurden unüberhörbar. Lincoln musste in seinem Kabinett sogar die Vertrauensfrage stellen. Widerwillig nahm er schließlich das Abschiedsgesuch des verzweifelten Burnside an und ernannte Joseph Hooker zu dessen Nachfolger. Obwohl der neue Mann an der Spitze das Unionsdesaster bei Fredericksburg hautnah miterlebt hatte, gab er sich angriffslustig und erklärte vollmundig, dass Gott mit Lee gnädig sein möge, er wäre es jedoch nicht. Dem Präsidenten war bekannt, dass Hooker ihn einen Dummkopf genannt hatte, der durch einen militärischen Diktator ersetzt werden müsse, und schrieb
ihm daher: „Nur erfolgreiche Generäle können Diktatoren einsetzen. Was ich also von ihnen erwarte, ist militärischer Erfolg, dann werde ich gern das Risiko einer Diktatur auf mich nehmen. Vermeiden sie jede Eile, aber gehen sie energisch und umsichtig vor und geben sie uns endlich Siege.“ Die Witterung, aber mehr noch der Zustand der Potomac-Armee, die seit der Niederlage täglich mehrere hundert Deserteure zu verzeichnen hatte, erlaubten jedoch keine rasche Wiederaufnahme der Offensive. Immerhin schaffte es Hooker, innerhalb von nur vier Monaten seine Truppen durch zahlreiche Verbesserungen etwa im Sanitätswesen wieder angriffsbereit zu machen. Ende April begann seine PotomacArmee mit einem Paukenschlag. Während ein Kavalleriekorps von Joseph Hooker war der nächste 10 000 Reitern die VersorgungsGeneral, auf den Lincoln seine linien im Hinterland der KonfödeHoffnungen setzte. „Fighting Joe“ ration unterbrechen sollte, setzversagte jedoch bei Chancellorste Hooker mit dem Hauptteil seiville und stürzte die Union in eine ner Armee am 30. April 1862 etwa tiefe Krise.
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Bei Fredericksburg offenbart die Unionsarmee taktische Schwächen
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dem Hauptteil der Armee nach Westen und machte Front gegen Hooker, der mit vier Korps ein schwer durchdringliches Waldgelände besetzt hatte, das als Wilderness bekannt und berüchtigt war. Seine östliche Flanke befand sich bei einer Wegkreuzung mit einer Kapelle namens Chancellorsville. Mit seinem Marsch hatte Lee zunächst nur wenig gewonnen. 40 000 Südstaatler standen gegen mehr als 70 000 Unionssoldaten. Der Südstaaten-General teilte nun jedoch seine Armee ein zweites Mal und ließ Thomas Jackson mit 30 000 Mann unbemerkt an Hookers südlicher Flanke vorbeiziehen, um dem Gegner in den Rücken zu fallen. Nach seinem erstaunlichen Anfangscoup schien Hooker in eine merkwürdige Untätigkeit gefallen zu sein. Offenbar hatte der Unionsgeneral gehofft, dass sich Lee ohne Kampf zurückziehen werde. Zudem fehlte ihm jetzt die Kavallerie, die das gegnerische Umgehungsmanöver rechtzeitig hätte aufklären können. Als Jacksons Truppen am 2. Mai noch vor Einbruch der Dunkelheit die Unionsstellungen von Westen her angriffen, konnten sie den völlig überraschten Gegner auf breiter Front zurückwerfen. Thomas Jackson sollte seinen Erfolg jedoch nicht lange überleben. Bei einem nächtlichen Erkundungsritt wurde er von den eigenen Sicherungen angeschossen und starb eine Woche später. Trotz seiner immer noch bestehenden numerischen Überlegenheit schien Hooker jetzt außerstande, noch einen massiven Gegenangriff zu führen. Auf seine Untergebenen wirkte er in dieser Phase sogar lethargisch. Sie waren fassungslos, als der Unionsgeneral nach zweitägigen Kämpfen am 4. Mai seine Truppen über den Rappahannock zurückführte. Dass inzwischen General Sedgwick mit seinem Korps die Marye’s Heights im dritten Versuch erstürmen konnte, änderte nichts mehr an dem neuerlichen Desaster, das die Union weitere 17 000 Mann gekostet hatte. Auch wenn der Süden mit 13 000 Toten und Verwundeten kaum geringere Verluste zu verzeichnen hatte, war Lee einmal mehr der Held der Stunde. Solange er an der Spitze der Army of Northern Virgina stehen würde, schien Richmond für die Union unerreichbar zu sein.
zwölf Kilometer oberhalb von Fredericksburg über den Rapgenheit benötigte, um eine Schlacht pahannock. Nur ein einziges Unionskorps unter General John für sich zu entscheiden. Die IllustraSedgwick hatte er vor dem im tion für ein Geschichtsbuch von 1900 zeigt ihn bei Fredericksburg. Dezember umkämpften Städtchen zurückgelassen. Die Flusslinie schien damit kaum noch zu halten und der Gegner vollkommen ausmanövriert. Robert E. Lee bewies immer wieder, dass er keine zahlenmäßige Überle-
Lee setzt alles auf eine Karte – und gewinnt
Klaus-Jürgen Bremm Der Militärhistoriker Klaus Jürgen Bremm hat bisher erfolgreiche Bücher u. a. über den Siebenjährigen Krieg, die Türkenkriege oder den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 veröffentlicht. Demnächst erscheint sein Buch über den Deutsch-Dänischen Krieg 1864.
Lee antwortete jedoch mit einer der wohl gewagtesten Operationen der Kriegsgeschichte. Unter Zurücklassung eines einzigen Korps in den Stellungen oberhalb von Fredericksburg marschierte er zunächst mit
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Der Süden erwischt den besseren Start
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Internationale Perspektive
Wie der Konflikt die Welt veränderte Ute Planert
Hungernde Arbeiter, gestürzte Monarchen und die Internationalisierung der Baumwollwirtschaft: die globalen Folgen des Bürgerkriegs.
Nach einigen stürmischen Tagen, in denen sich die Hurrikan-Saison an der Atlantikküste vor Florida noch einmal ziemlich bemerkbar gemacht hatte, klarte das Wetter endlich auf. Der 8. November 1861 war ein schöner Tag, und die Crew des britischen Postschiffs „Trent“ war schon früh auf den Beinen, um den Raddampfer mit seinen 1856 Bruttoregistertonnen auf der Fahrt von Havanna zur dänischen Karibikinsel St. Thomas und weiter nach London durch die Untiefen der Meerenge zwischen Kuba und den Bahamas zu navigieren. Was dann geschah, sollte zu einer der größten Krisen zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien seit der Unabhängigkeitserklärung führen. Gegen Mittag sah sich der englische Frachter in der engen Fahrrinne des Bahama-Kanals dem USKriegsschiff „San Jacinto“ gegenüber. Der Name sollte an den Sieg der von den USA unterstützten Texaner im Unabhängigkeitskrieg gegen Mexiko erinnern. Nun feuerte die „San Jacinto“ auf den unbewaffneten Dampfer vor ihr und brachte ihn in neutralen Gewässern auf. Kommandiert wurde die Unionsfregatte von dem Marineoffizier und ehemaligen Polarforscher Charles Wilkes (1798 –1877), dessen exzen-
trischer Charakter den SchriftstelVerladung von Baumwolle am Misler Herman Melville in seinem Ersissippi. Die Südstaaten hofften, folgsroman „Moby Dick“ zur Figur dass die Bedeutung von „King Cotdes diabolischen Käpt’n Ahab inston“ europäische Staaten auf ihre piriert hatte. Seite ziehen würde (Lithographie, Commander Wilkes hatte erfahum 1860). ren, dass sich an Bord des Postschiffs zwei Abgesandte der Konföderierten befanden, die in London und Paris für Unterstützung der Südstaaten werben sollten. Er ließ sie verhaften und im neuerbauten Fort Warren vor Boston gefangen setzen. Die Unionspresse feierte die eigenmächtige Aktion als Schlag gegen die Sezession, während Protestnoten aus den europäischen Hauptstädten, allen voran London, den Vorfall als Bruch internationalen Rechts verurteilten.
Großbritannien fühlt sich brüskiert und droht den USA Doch erst als Großbritannien seine Truppen in Kanada verstärkte und mit Kriegseintritt auf Seiten der Südstaaten drohte, gab die Lincoln-Administration nach. Am Neujahrstag des Jahres 1862 konnten die
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Diplomatische Krise: Im November 1861 stoppte das US-Kriegsschiff „USS San Jacinto“ (rechts) das britische Postschiff „RMS Trent“. Zwei Abgesandte der Südstaaten wurden verhaftet (Ölgemälde, 1861).
beiden Emissäre die Weiterreise nach Europa antreten. Bis zum Ende des Sezessionskriegs residierten sie als offizielle Vertreter der Konföderierten in London und Paris, wo es dem in Frankreich stationierten Gesandten später gelingen sollte, Kaiser Napoleon III. (1852–1870) entgegen offiziellen Regelungen zur verdeckten Lieferung von Panzerschiffen an die Südstaaten zu bewegen. Dass es ausgerechnet Großbritannien, das schon 1807 den Sklavenhandel verboten und bis zu den 1840er Jahren die Sklaverei im gesamten British Empire abgeschafft hatte, wegen der Festsetzung zweier Südstaaten-Agenten auf einen Krieg mit der Union ankommen ließ, verwundert nur auf den ersten Blick. Die Expansion der Vereinigten Staaten hatte in der Vergangenheit schon öfter zu Spannungen mit London geführt, das eigene geostrategische Interessen in Nord- und Mittelamerika hegte. Weitaus wichtiger war jedoch die enorme Abhängigkeit der europäischen Industrie von der amerikanischen Baumwollproduktion auf den Sklavenplantagen des amerikanischen Südens. Baumwolle war um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu „King Cotton“, dem wichtigsten Wirtschaftsgut der atlantischen Welt, aufgestiegen und bildete die Basis eines dynamischen, weltumspannenden Produktionsnetzwerks, in dessen Zentrum die Sklaverei stand. Das „weiße Gold“ verhalf Plantagenbesitzern, Händlern und Unternehmern auf dem Rücken ausgebeuteter Sklavenarbeiter zu enormem Wohlstand und schuf Arbeitsplätze für eine wachsende Schar von europäischen Fabrikarbeitern, die in den neuentstehenden urbanen Zentren mehr schlecht als recht von der Baumwollverarbeitung lebten.
Von den 363 Millionen Kilogramm Baumwolle, die Ende der 1850er Jahre nach Großbritannien importiert wurden, kamen mehr als drei Viertel aus den USA. Die anderen europäischen Staaten mit ihrer noch nicht ganz so stark ausgebauten Textilindustrie führten zwar insgesamt weniger Rohbaumwolle ein, waren aber von den amerikanischen Lieferungen nicht weniger abhängig. In Frankreich und Russland kamen 90 Prozent des importierten Rohstoffs aus Übersee, in den deutschen Staaten immerhin noch deutlich mehr als die Hälfte. Der Wohlstand Europas hing buchstäblich am Baumwollfaden. Die Konföderierten waren sich dieses enormen Machtfaktors bewusst und suchten ihn zu ihren Gunsten zu nutzen. Sie glaubten fest daran, dass ihr wirtschaftlicher Eigennutz die europäischen Mächte zu natürlichen Verbündeten der Südstaaten machte. James Henry Hammond (1807–1864), Senator und ehemaliger Gouverneur von South Carolina, der die Sklaverei für eine Erfindung Gottes und schwarze Menschen für eine minderwertige Rasse hielt, war davon überzeugt, dass kein Staat der Welt es wagen werde, sich gegen die Südstaaten zu wenden. „Was würde passieren, wenn die Lieferung von Baumwolle für drei Jahre eingestellt würde?“, fragte er rhetorisch: „England würde stürzen und die gesamte zivilisierte Welt mit sich reißen. Niemand führt Krieg gegen Baumwolle.“ Nach ihrem Austritt aus den Vereinigten Staaten stoppten die Konföderierten daher die Baumwollausfuhr, um auf der internationalen Bühne die diplomatische Anerkennung des neuen Staatenverbands zu erzwingen. Später waren es die Nordstaatler, die durch die Blockade der Seehäfen die Südstaaten von ihrer Haupteinnahmequelle abzuschneiden versuchten.
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Es sollte noch ein paar Monate dauern, bis sich die Lagerbestände geleert hatten, doch dann fraß sich die Krise mit großer Geschwindigkeit durch die europäische Textilindustrie. Weil kaum noch Lieferungen aus Amerika eintrafen, wurde 1862 auf dem britischen Markt nur noch halb so viel Baumwolle angeboten wie im Jahr davor, und die Preise für die Importe aus Indien und Ägypten vervielfachten sich. Eine Fabrik nach der anderen musste schließen, weil sie nicht mehr rentabel produzieren konnte. Anfang 1863 war im Herzen der englischen Textilindustrie, in Lancashire, ein Viertel der Beschäftigten arbeitslos. Eine halbe Million Menschen waren auf Unterstützungsleistungen angewiesen, die kaum das Überleben sicherten. Unruhen wurden mit Gewalt niedergeschlagen. Die Lage war so verzweifelt, dass man selbst in Indien zu Spenden für die hungernden englischen Fabrikarbeiter aufrief. Als die US-Importe von 600 000 Ballen Baumwolle pro Jahr auf kaum mehr als 4000 fielen, stellten auch die französischen Textilfabriken die Produktion ein. 1863 standen in der Normandie drei Fünftel aller Webstühle still. Eine Viertelmillion Franzosen waren arbeitslos. In Sachsen, einem der Zentren der deutschen Textilindustrie, wurden 100 000 Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen. Die restlichen zwei Drittel der sächsischen Beschäftigten konnten sich kaum von der verordneten Kurzarbeit ernähren. Selbst in Moskau mussten drei Viertel aller Baumwollfabriken schließen. Das Baumwollembargo zog eine Spur der Not und Armut durch Europa. Die „Cotton Famine“, die Baumwoll-Hungersnot, spaltete die Gesellschaft in Gegner und Befürworter der Sklaverei. Während böse Zungen behaupteten, dass in der englischen Hafenstadt Liverpool, die vom Baumwollhandel reich geworden war und als europäisches Hauptquartier konföderierter Waffenkäufer diente, mehr Südstaatenflaggen wehten als in Virginia, verabschiedete im 30 Meilen entfernten Manchester eine Arbeiterversammlung eine Note an Abraham Lincoln, die ihn als Sklavenbefreier und Menschenfreund pries und ihn der Solidarität der Unterzeichner versicherte. Doch auch wenn sich der Präsident von so viel „noblem christlichem Heroismus“ gerührt zeigte, war die Unterstützung für seinen Emanzipationskurs nicht ungeteilt. 1862 demonstrierten Tausende Engländer für die diplomatische Anerkennung der Südstaaten. Auch in Frankreich, wo es in den Textilregionen zu zahlreichen Streiks gekommen war, übertraf die Größe der Sorge um die französische Wirtschaft
die der Sympathien für die Union deutlich. Selbst in den Ländern des Deutschen Bundes blieb zur Verwunderung von Karl Marx der rhetorische Schulterschluss zwischen Arbeiterschaft und unterdrückten Sklavenarbeitern aus. Rassistische Ressentiments gegenüber Schwarzen waren auf beiden Seiten des Atlantiks weit verbreitet, und selbst im liberalen Lager gab es Publizisten, die bezweifelten, dass aus befreiten Afroamerikanern mit einem Federstrich gute Staatsbürger werden konnten. Händler und Produzenten drängten die europäischen Regierungen, alles zu unternehmen, um neue Rohstoffquellen zu erschließen. In Großbritannien rückte dabei insbesondere Indien in den Fokus, das nach einem blutigen Aufstand gegen die Herrschaft der britischen Ostindien-Kompanie 1858 in eine Kronkolonie umgewandelt worden war. Frühere Versuche, Indien zu einem zuverlässigen Baumwolllieferanten zu machen, waren an lokalen Voraussetzungen und mangelnder Infrastruktur gescheitert. In der Kronkolonie hatte die Londoner Regierung nun stärkere Durchgriffsmöglichkeiten.
James Henry Hammond, Senator aus South Carolina, wollte die Baumwollexporte als politisches Druckmittel einsetzen (Fotografie, um 1859).
Auf Druck der Fabrikanten und Baumwollhändler erließ sie neue Vertrags- und Eigentumsgesetze und trieb den Bau von Eisenbahnlinien voran, mit denen man nicht nur Baumwolle zu den Häfen des indischen Subkontinents, sondern auch Truppen zur Unterwerfung künftiger Aufstände transportieren konnte. Allein im ersten Jahr des Amerikanischen Bürgerkriegs stiegen die britischen Staatsausgaben für den Ausbau der Infrastruktur in Indien auf das Doppelte. Bombay (heute Mumbai) entwickelte sich so zum wichtigsten Exporthafen des Subkontinents. Die hohen Weltmarktpreise wirkten als Anreiz, neue Flächen zu roden und Baumwolle dort an-
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zubauen, wo zuvor Lebensmittel für den Eigenbedarf produziert worden waren. In einer beispielschen Manchester für Essens- und losen Wende stellte sich die inKohlemarken an („Illustrated Londische Landwirtschaft ganz auf don News“, 22. November 1862). Rohstoffexporte um. Schon 1862 kamen drei Viertel der nach England importierten Baumwolle aus der Kronkolonie.
Bau des Sues-Kanals zu, der 1869 eröffnet wurde. Innerhalb kürzester Zeit stieg der ägyptische Baumwollexport auf das Fünffache – produziert von schlecht bezahlten Fellachen, Fronarbeitern und wohl auch Sklaven aus dem Sudan. Nicht nur in Indien und im Nahen Osten wurde der Amerikanische Bürgerkrieg zum Ausgangspunkt einer regelrechten landwirtschaftlichen Revolution. Auch Brasilien, Mexiko, Argentinien und Peru weiteten die Baumwollproduktion aus. In Anatolien, China und Zentralasien wurde nun ebenso für den Weltmarkt produziert wie entlang der afrikanischen Atlantikküste, wo afrikanische Händler ihre Sklaven auf neuangelegten Feldern Baumwolle pflücken ließen. In Algerien und Westafrika trieben französische Kolonialbeamte und Investoren den Baumwollanbau voran. Die Rohstoffkrise des Sezessionskriegs und steigende Preise führten zu einer raschen Integration neuer Anbaugebiete in den Weltmarkt. Private Investitionen und der staatliche Ausbau der Infrastruktur gingen dabei oftmals Hand in Hand. Zugleich etablierte sich erstmals ein formales Regelwerk für Warentermingeschäfte, um Spekulationen mit künftigen Warenlieferungen in besser berechenbare Bahnen zu lenken. Auf diese Weise beförderte der Amerikanische Bürgerkrieg nicht nur die Umstellung der Landwirtschaft von der Binnen- zur Weltmarktproduktion und die verstärkte koloniale Durchdringung außereuropäischer Regionen, sondern schuf auch Finanzinstrumente für eine kapitalistisch organisierte Weltwirtschaft, die immer mehr Erdteile miteinander verband. Auch nach Kriegsende, als das Zeitalter der Sklaverei erst in den Vereinigten Staaten und dann weltweit zu Ende ging, zeigte sich die Organisation der
„Cotton Famine“: Arbeiter aus der
Baumwollindustrie stehen im engli-
Weltweit wird nun Baumwolle produziert Auch in anderen Weltregionen stieg man nun in die Baumwollproduktion ein. In Ägypten verwandelte der osmanische Vizekönig (Wali) Mohammed Said Pascha (1854 –1863) seine ausgedehnten Besitzungen in riesige Baumwollplantagen. Er begriff den Baumwollanbau als Mittel zur Modernisierung Ägyptens und ließ wie später sein Nachfolger überall Kanäle und Eisenbahnlinien anlegen. Er stimmte auch dem Mohammed Said Pascha, Vizekönig von Ägypten, nutzte die Gunst der Stunde und setzte auf den Anbau von Baumwolle (Fotografie, 1855).
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Baumwollproduktion flexibel. Die befürchtete Arbeitskräfteknappheit blieb aus. In Nordamerika produzierten zu Kleinpächtern gewordene Sklaven, weiße Farmer mit ihren Kindern und Sträflinge das „weiße Gold“. In den europäischen Kolonien hoben Regierungen unter dem Druck, Arbeitskräfte zu mobilisieren, gemeinsame Land- und Waldnutzungsrechte auf. Da man gleichzeitig die Steuern erhöhte, wurden die bislang freien Bauern zur Lohnarbeit auf den privatisierten Feldern gezwungen. Anderswo ging die Sklaverei in neue Formen unfreier Arbeit über, bis weltweite Migrationsbewegungen, ermöglicht durch kostengünstigeren Schiffsverkehr, den Arbeitskräftebedarf deckten. Schon während des Sezessionskrieges hatte sich also die Lage am Baumwollmarkt durch die rasche Diversifizierung der Rohstoffproduktion schneller entspannt als zunächst vermutet. Damit verloren die Konföderierten ihr wichtigstes Druckmittel, das ihnen die diplomatische Anerkennung als selbständiger Staat hätte bringen sollen. Ihr Rückhalt schwand im gleichen Maß, wie die weltweit verflochtene Baumwollwirtschaft aus der Krise fand. Hatten französische Baumwollproduzenten Napoleon III. 1862 noch zu diplomatischen Anstrengungen gedrängt, um den Krieg in Amerika zu beenden, konnten Beobachter schon Anfang 1864 nach Paris
melden, dass der Betrieb der Textilfabriken in nahezu allen französischen Provinzen wiederaufgenommen worden war. Zur Entspannung auf dem Arbeitsmarkt trug neben der Überwindung der Rohstoffkrise auch die stetig wachsende Nachfrage nach Rüstungsgütern bei. Selbst der stärker industrialisierte Norden war auf Waffenlieferungen angewiesen, und die Südstaaten mussten rund 30 Prozent ihres Kriegsmaterials importieren. Davon profitierten vor allem Rüstungsfabriken in Großbritannien und Frankreich, aber auch im Deutschen Bund. Sie lieferten Munition, Waffen und Schiffe an beide Kriegsgegner, was immer wieder zu heftigen Verwerfungen zwischen London und Washington führte. Eine Anerkennung der Konföderation kam für Großbritannien dennoch nie in Frage. Die Banken der Londoner City hatten nicht vergessen, dass die Südstaaten vor noch nicht langer Zeit ihre Schulden nur unvollkommen bedient hatten. Je mehr sich die wirtschaftliche Lage in Europa entspannte, desto mehr schwenkte die öffentliche Meinung auf die Linie Abraham Lincolns ein, der 1863 – nicht zuletzt mit Blick auf Das Projekt Sues-Kanal, mit dessen die internationale abolitionistische Umsetzung bereits 1859 begonnen Bewegung – mit der „Emancipation worden war, gewann durch den Proclamation“ den ersten Schritt zur Amerikanischen Bürgerkrieg an Beendgültigen Aufhebung der Sklave- deutung (Arbeiter nach Feierabend, undatierte Fotografie). rei in Nordamerika unternahm.
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Großbritannien ließ den Rohstoff Baumwolle nun vermehrt im eigenen Empire produzieren. Hier Baumwollhändler im indischen Bombay (Mumbai).
Einmischung von „Alter“ und „Neuer Welt“ proklamiert. Die Erklärung sollte die südamerikanischen Staaten im Kampf um ihre Unabhängigkeit unterstützen, ließ sich aber auch als Legitimation für die beständige Expansion der USA in die ehemals spanischen Gebiete am Golf von Mexiko, etwa Florida und Texas, interpretieren. Allerdings fehlten den Amerikanern während des Sezessionskriegs die Mittel, um diese „Monroe-Doktrin“ effektiv durchzusetzen. Das gab den europäischen Mächten Raum, auf dem amerikanischen Kontinent eigene Ziele zu verfolgen. Großbritannien suchte mit der Vereinigung seiner kanadischen Kolonien Sorgen vor einer möglichen Annexion durch den nordamerikanischen Nachbarn entgegenzutreten. Nach langen Verhandlungen wurden sie 1867 zur Dominion of Canada zusammengefasst und konnten mit dem gewährten höheren Grad an Eigenständigkeit nun selbstbewusster auftreten als zuvor. In Jamaika hingegen, wo man zwar die Sklaverei abgeschafft hatte, die schwarze Bevölkerung aber weiterhin in wirtschaftlicher Armut und politischer Rechtlosigkeit lebte, zog London die Zügel straffer an. Nachdem eine Rebellion 1865 blutig niedergeschlagen worden war, überführte man die Karibikinsel wie zuvor schon Indien in den Status einer Kronkolonie. Die amerikanische Selbstblockade kam insbesondere dem französischen Kaiser Napoleon III. gelegen, der vom „Grand Design“ einer französisch-katholischen Einflusssphäre am Golf von Mexiko träumte. Charles-Louis-Napoléon Bonaparte war 1848 zum
Als Befürworter der Sklaverei sind die Südstaaten international isoliert Auch von den konservativen europäischen Staaten kam nicht die Unterstützung, die sich die Südstaaten erhofft hatten. Soeben hatte Zar Alexander II. die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland verkündet, und Österreich konnte schon wegen der ungarischen Separationstendenzen Abspaltungen nicht gutheißen. Ohnehin war die deutsche Öffentlichkeit mit der Krise um Schleswig-Holstein beschäftigt, die schließlich 1864 zum Deutsch-Dänischen Krieg eskalierte. Der Heilige Stuhl hatte schon mehrfach die Abschaffung des Sklavenhandels begrüßt, und selbst in Frankreich, wo die Konföderierten Napoleon III. als natürlichen Bundesgenossen betrachteten, setzten sich die Bedenken seiner Minister gegen die Sympathien des Kaisers durch. Washington erreichte sogar, dass London und Paris die Blockade der konföderierten Küsten durch die Union als völkerrechtsmäßig akzeptierten. Auf dem diplomatischen Parkett gab es für die Südstaaten nichts zu gewinnen. Der ebenso teure wie blutige Bürgerkrieg band die Ressourcen der beiden Kriegsparteien und machte den amerikanischen Kontinent gegenüber politischen Einflussnahmen aus Europa angreifbar. Zwar hatte James Monroe als fünfter Präsident der Vereinigten Staaten 1823 jeglichen Rekolonisierungsversuchen auf dem amerikanischen Doppelkontinent eine Absage erteilt und eine Politik der gegenseitigen Nicht-
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Präsidenten der zweiten Französischen Republik gewählt worden und hatte sich nach dem Ablauf seiner Amtszeit 1852 durch einen Staatsstreich zum Kaiser erklärt. Seither war er bemüht, Frankreich wieder einen Platz in der ersten Riege der europäischen Staaten zu erobern und den Verlust des einstmals großen französischen Kolonialreiches wettzumachen. Schon 1830 hatte Paris damit begonnen, Algerien zu unterwerfen; seit den 1840er Jahren breitete sich die Kolonialmacht in West- und Zentralafrika aus. Auch in Asien fasste Frankreich Fuß, als es nach der Schwächung Chinas in den Opiumkriegen seit 1858 begann, Vietnam und die anschließenden Gebiete als Französisch-Indochina zu erobern. Darüber hinaus beanspruchte Frankreich auch einige Inseln im Südpazifik und im Indischen Ozean sowie Gebiete am Horn von Afrika. In Europa gelang es Napoleon III., durch die französische Teilnahme am Krim-Krieg gegen Russland und seine geschickte Verhandlungsführung bei der anschließenden Pariser Friedenskonferenz sein Land zurück in den Kreis der europäischen Großmächte zu führen. Anschließend unterstützte er die italienische Einigungsbewegung im Krieg gegen Ös-
terreich, das dadurch seinen Der französische Kaiser Napoleon III. traditionellen Einfluss in Oberitanutzte die kriegsbedingte außenlien verlor. Nur der Papst konnpolitische Schwäche der USA für eite mit Hilfe französischer Trupgene Machtspiele in Mittelamerika. pen zunächst noch die Selbständigkeit des Kirchenstaats verteidigen. Das lag nicht zuletzt an Napoleons Gattin Eugénie de Montijo, einer gebürtigen Spanierin und gläubigen Katholikin, die sich vehement für die Erhaltung des Kirchenstaats einsetzte. Ihre klerikale und politisch konservative Einstellung war es auch, die Kaiserin Eugénie empfänglich für Hilferufe aus Mexiko machte. Mexiko hatte im Krieg mit den Vereinigten Staaten bis Ende der 1840er Jahre die Hälfte seines Territoriums verloren. Die Reformpläne der neuen Regierung sahen neben der Garantie liberaler Rechte eine Trennung von Staat und Kirche, Religionsfreiheit und die Verstaatlichung des Vermögens der katholischen Kirche mit ihrem ausgedehnten Landbesitz vor. Auch andere Privilegien aus der spanischen Kolonialzeit sollten nun endgültig gestrichen werden, womit sich Benito Juárez, der erste indigene Präsident Lateinamerikas, die erbitterte Feindschaft des Klerus und der traditionellen Oligarchie zuzog. Die neue Verfassung stürzte Mexiko in einen mehrjährigen Bürgerkrieg zwischen Liberalen auf der einen, Klerikalen und Konservativen auf der anderen Seite. Danach waren die Staatsfinanzen ruiniert. Die Regierung Juárez verkündete ein zweijähri-
„Monroe-Doktrin“: US-Präsident James Monroe warnte die europäischen Mächte 1823 vor weiteren Kolonisationsversuchen auf der amerikanischen Seite des Atlantiks (Gemälde von Chester Harding, 1829).
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bände abgezogen waren, rückten französische Truppen auf Mexico City vor. Ziel war es, die amtierende Regierung zu stürzen und ein von Frankreich abhängiges Stellvertreterregime zu installieren. Fieberhaft wurde dafür nach einem passenden Regenten gesucht. Napoleon III. fand ihn in Erzherzog Maximilian, dem jüngeren Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph. Er hatte als ehemaliger Regent von Lombardo-Venetien durch die italienische Einigung seinen Posten verloren und sich danach ins Privatleben zurückgezogen. Trotz Bedenken seiner Familie ließ sich der Habsburger, der Südamerika von früheren Reisen kannte, auf die Pläne Napoleons III. ein, in Mexiko als Kaiser zu regieren. Der reformorientierte Erzherzog glaubte, in Mexiko seine Vorstellungen von einer modernen, volksnahen Monarchie verwirklichen zu können. Daher ließ er die Unterhändler wissen, er wolle nur regieren, wenn die Mexikaner mit diesen Plänen auch einverstanden wären. Eine mexikanische Delegation überbrachte ihm daraufhin einen fingierten Volksentscheid, den eine Junta aus Konservativen, Klerikalen und Gegnern der Regierung Juárez arrangiert hatte. Im Glauben, ein wirkliches Mehrheitsvotum vor sich zu haben, schiffte sich der Erzherzog mit seiner Gemahlin Charlotte, einer Tochter des belgischen Königs, nach Übersee ein. Im April 1864 wurde er als Maximilian I. zum Kaiser von Mexiko ausgerufen.
ges Schuldenmoratorium und rief nand Maximilian scheiterte als damit die internationalen Gläubiger auf den Plan. Seit Ende 1861 „Kaiser von Mexiko“ tragisch: 1867 landeten spanische, britische und wurde er exekutiert (Gemälde von französische Truppen in Mexiko Édouard Manet, 1868). an, ohne dass die in den Sezessionskrieg verwickelten Vereinigten Staaten gegen die europäische Einmischung auf dem amerikanischen Kontinent protestieren konnten. Für Napoleon III. war die Strafaktion jedoch nur ein Vorwand für weiterreichende Pläne. Allerdings griff der französische Kaiser nicht, wie viele dachten, auf Seiten der Konföderierten in den Krieg ein. Napoleon III. träumte vielmehr von einem „panlateinischen“, von Frankreich abhängigen katholischen Großreich in Mexiko, Mittelamerika und der Karibik, von dem er sich ein Gegengewicht zum politischen und wirtschaftlichen Einfluss der USA und Großbritanniens erhoffte. Schon sein Onkel, der große Napoleon, hatte den – freilich vergeblichen – Versuch unternommen, den ehedem bedeutenden französischen Einfluss in Amerika wiederherzustellen. Nun wollte sein Neffe mit dem „Grand Design“ daran anknüpfen. Mexiko mit seinen Silberminen sollte dazu den Anfang machen. Nachdem die britischen und spanischen VerDer habsburgische Erzherzog Ferdi-
Auch die spanische Königin Isabella II. sah den Amerikanischen Bürgerkrieg als Chance für ihre Außenpolitik (undatierte Fotografie).
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das Leben seines Bruders zu schonen. Im Mai 1866 bombardierten Am 19. Juni wurde Maximilian von peruanische Truppen die vor der Habsburg standrechtlich erschossen. Stadt Callao liegende spanische Die außenpolitische Lähmung der Flotte (Ausschnitt aus einem USA durch den Bürgerkrieg hatte jezeitgenössischen Gemälde). doch nicht nur Frankreich, sondern auch Spanien auf den Plan gerufen, das die Unabhängigkeit der süd- und mittelamerikanischen Staaten nur höchst widerwillig und mit großer zeitlicher Verzögerung akzeptiert hatte. Kriege um die Thronfolge und anhaltende innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen liberalen und konservativen Kräften hatten das Land im europäischen Vergleich immer weiter zurückfallen lassen. In den letzten Regierungsjahren Königin Isabellas II. kamen Landreformen ins Stocken, während die Bevölkerung ebenso wie tonangebende Militärs mit der wirtschaftlichen Situation und der politischen Verhärtung des Hofes unzufrieden waren. Ein erneutes Engagement in Lateinamerika erschien so als probates Mittel, um zugleich internationales Prestige zu erwerben und den Ehrgeiz des Militärs auf außenpolitische Ziele zu lenken. Nach den lateinamerikanischen Unabhängigkeitskriegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren ledig-
Maximilian von Habsburg: unglücklicher Monarch auf dem mexikanischen Thron Nur zu bald zeigte sich jedoch, dass die Mehrheit der Bevölkerung auf Seiten der von Frankreich gestürzten Regierung stand. Ebenso wie sämtliche amerikanische Staaten betrachteten sie einen Kaiser von Frankreichs Gnaden als unerwünschte europäische Einmischung. Auch der Versuch des kinderlosen Kaiserpaars, Nachfahren des früheren mexikanischen Kaisers Iturbide als Thronfolger zu adoptieren, um dadurch größere Popularität zu erlangen, schlug fehl. Als sich das französische Militär nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs auf Druck der USA aus Mexiko zurückziehen musste, waren Maximilians Tage gezählt. Die Werbung von österreichischen Freiwilligen konnte die kampferprobten französischen Einheiten nicht ersetzen. Vergeblich reiste Kaiserin Charlotte nach Europa und versuchte, den Papst und Napoleon III. zum Eingreifen zu bewegen. Nachdem die verbliebenen Truppen des Kaisers besiegt waren und Benito Juárez erneut die Macht übernommen hatte, wurde Maximilian im Juni 1867 zum Tod verurteilt. Erfolglos bat der österreichische Kaiser die Vereinigten Staaten, auf Mexiko einzuwirken, um
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lich die Antilleninseln Kuba mit ihren extensiven SklavenDie Kandidatur Leopolds von Hohenplantagen und das strategisch zollern für den vakanten spanischen bedeutsame Puerto Rico unter Thron war der Anlass für den Konspanischer Herrschaft verblieben. Dazwischen lag die ehemaflikt gewesen. lige Kronkolonie Hispaniola, wo im Westen mit Haiti der erste schwarze Staat der Weltgeschichte entstanden war. Der von Haiti besetzte Ostteil hatte sich als Dominikanische Republik 1844 selbständig gemacht, litt aber unter internen Machtkämpfen und einer inflationären Geldpolitik. Im ersten Jahr des Amerikanischen Bürgerkriegs wandte sich der diktatorisch regierende Armeeführer Pedro Santana daher mit der Bitte an die spanische Königin Isabella II., das Land zu annektieren, um einer erneuten Besetzung durch Haiti zuvorzukommen. Wie später Kaiser Maximilian in Mexiko ließ auch Isabella sich zusichern, dass ihre Machtübernahme dem Wunsch der Bevölkerung entspreche. Allerdings sollte sich auch Santanas Zusicherung als bloß taktisches Manöver erweisen. Schon zwei Jahre später regte sich heftiger Widerstand, so dass sich Spanien 1865 endgültig aus Santo Domingo zurückziehen musste. Die Rekolonisation von Gebieten, die ihre Unabhängigkeit einmal erlangt hatten, war selbst dann nicht möglich, wenn die Vereinigten Staaten die Monroe-Doktrin nicht durchsetzen konnten. Auch das monarchische Prinzip hatte in der „Neuen Welt“ endgültig ausgedient. Die spanische Krone nutzte die Schwäche der USA jedoch nicht nur zur vergeblichen Intervention in der Karibik, sondern schickte Ende 1862 auch Expeditionsschiffe in die ehemaligen Kolonien Chile und Peru. Statt wie behauptet wissenschaftliche Ziele zu
verfolgen, nahm die Besatzung einen Zwischenfall zwischen Indigenen und spanischen Einwanderern in Peru 1864 zum Vorwand, um die vor der Pazifikküste liegenden Chincha-Inseln zu besetzen. Dort wurde das Düngemittel Guano für den internationalen Agrarmarkt gewonnen. Auch ein wichtiger Exporthafen wurde blockiert, so dass die Wirtschaft des Andenstaates schweren Schaden nahm. Dem folgenden Krieg traten neben Chile auch Ecuador und Bolivien bei. Da es den spanischen Schiffen nicht gelang, die starke chilenische Flotte zu besiegen, nahmen sie mit Valparaiso einen der bedeutendsten südamerikanischen Häfen unter Beschuss. Bei dem sechsstündigen Bombardement der unbefestigten Stadt kamen fünf Zivilisten ums Leben. Die Aktion zog einen internationalen Aufschrei nach sich; das britische Unterhaus sprach von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Spanien trugen die internationalen Proteste und der Fehlschlag der neokolonialen Ambitionen weiter zur Delegitimierung der ohnehin angeschlagenen Herrschaft Isabellas II. bei. Kaum zwei Jahre später trieb ein Putsch oppositioneller Generäle die unbeliebte Königin ins Exil. Ihre Flucht läutete in Kuba und Puerto Rico den Kampf um Unabhängigkeit und die Abschaffung der Sklaverei ein. Die strittige spanische Thronfolgefrage hingegen sollte weitreichende Auswirkungen auf Europa haben: Sie bot den Anlass für den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, der mit dem Sturz Napoleons III. und der Gründung des deutschen Kaiserreiches endete.
Bismarck im Deutsch-Französischen
Krieg (Gemälde von Georg Bleibtreu):
Prof. Dr. Ute Planert geb. 1964, lehrt Neuere Geschichte an der Universität zu Köln.
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Wie der Konflikt die Welt veränderte
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Der Norden übernimmt die Kontrolle
Die Stunde des „Metzgers“ Ronald D. Gerste
In der zweiten Hälfte des Bürgerkriegs machte sich die Überlegenheit des Nordens sowohl bei der Rüstung als auch beim Nachschub an Soldaten bemerkbar. Zudem fand die Union in Ulysses S. Grant endlich einen fähigen Kommandeur. Der General erkaufte die Überlegenheit jedoch durch hohe eigene Verluste und erhielt den Spitznamen butcher („Metzger“).
Der Präsident war erkennbar erschöpft, drei Stunden Händeschütteln und Smalltalk hatten ihn mitgenommen. Um zwei Uhr nachmittags war der Neujahrsempfang endlich zu Ende, und Abraham Lincoln begab sich in sein Büro im ersten Stock des Weißen Hauses. Sein Außenminister William Seward, dessen Sohn Fred und einige wenige Mitarbeiter waren anwesend bei diesem wahrhaft historischen Moment, der den 1. Januar 1863 zu einer Wendemarke in der Geschichte der USA machte. Lincoln wartete einige Sekunden, nachdem er die Feder ergriffen und sich über das Dokument gebeugt hatte. Die Unterschrift, diese eine Unterschrift durfte nicht von einer ermüdeten Hand, einem nach all den zurückliegenden Anstrengungen verkrampften Arm geführt werden. Doch für Lincoln war mehr im Spiel: „Ich hielt inne, und ein Anflug von Aberglauben überkam mich, der mich zögern ließ.“ Dann setzte er zu einer für Millionen Menschen schicksalsschweren Signatur an: „Niemals in meinem Leben war ich so sicher, das Richtige getan zu haben, wie bei der Unterzeichnung dieses Papiers.“
Mit der Unterschrift des PräMit dem Sieg in der Schlacht um sidenten war die EmanzipationsFort Donelson (Tennessee) im Feproklamation offiziell zur Polibruar 1862 machte die Unionstik der US-Regierung geworden. armee große Fortschritte auf dem Der Telegraph trug die Nachricht Kriegsschauplatz im Westen. in alle Teile der Union. In Boston schrieb der als Sklave geborene Bürgerrechtler Frederick Douglass: „Hüte und Hauben wurden in die Luft geworfen, und wir riefen drei Cheers! auf Abraham Lincoln.“ Der Jubel im Norden war vor allem bei den Abolitionisten groß, auch wenn die Emanzipationsproklamation keineswegs das völlige und sofortige Ende der Sklaverei in den USA bedeutete. Die in ihr formulierte Befreiung der Sklaven galt nur für die konföderierten Staaten, und auch hier – zunächst – nur für jene Gebiete, die nicht von Unionstruppen besetzt waren. Sie traf auch nicht auf vier Staaten zu, um die Lincoln sich seit seinem Amtsantritt besonders bemüht hatte: jene vier Bundesstaaten, in denen die Sklaverei existierte, die aber 1861 dennoch nicht von
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der Union abgefallen waren. Neben Missouri und Kentucky waren dies die unweit der Hauptstadt der Unterzeichnung der Emanzipagelegenen Maryland und Delationsproklamation (Gemälde von ware – hätte sich Maryland, das Francis Bicknell Carpenter, 1864). Washington D.C. im Norden und Osten umgibt, wie der südliche Nachbar Virginia den Konföderierten angeschlossen, hätte der Regierungssitz zweifellos nach Norden verlegt werden müssen.
„mehrere Millionen menschlicher Wesen, Angehörige einer inferioren Rasse, die in ihrer eigenen Sphäre friedliche und zufriedene Arbeitskräfte sind ... zu ihrem Untergang, während sie gleichzeitig ermutigt werden, an ihren Herren Massenmord zu begehen.“ Lincoln hätte Letzteres zweifellos in andere Worte gekleidet, doch ein Motiv bei der Inkraftsetzung der Proklamation war auch der potentielle direkte militärische Nutzen. Sklavenaufstände hinter den Linien der Konföderierten, gar die Sabotage von Kriegsproduktion und Logistik, hätten den Unionstruppen trefflich in die Hände gespielt. Doch zu Rebellionen innerhalb der Rebellion (als welche die Konföderierten Staaten für ihre Gegner galten) kam es praktisch nicht; stattdessen machten sich Zehntausende von Sklaven auf, flohen von ihren Plantagen, um in von Unionstruppen gehaltenes Gebiet zu kommen – das Rinnsal Einzelner in Richtung Freiheit aus der Vorkriegszeit auf den Fluchtwegen der „Underground Railroad“ machte einer Massenbewegung Platz. Und Tausende junge schwarze Männer entschlossen sich in der Tat, gegen ihre bisherigen Herren zu kämpfen: nicht jedoch als Aufständische und die Plantagen mit Brand und Mord heimsuchende Marodeure wie in den Alpträumen der bisherigen Besitzer und ihrer Familien, sondern legal, gesetzes- und verfassungstreu in der blauen Uniform der US-Armee. Die Emanzipationsproklamation elektrisierte nicht nur die politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Nord und Süd; ihre transatlantische Wirkung war epochal und setzte Phantasien ein Ende, wie sie
Präsident Lincoln (Dritter von links)
und Mitglieder seines Kabinetts bei
Der Charakter des Kriegs ändert sich auf einen Schlag Mit der Emanzipationserklärung änderte der Amerikanische Bürgerkrieg praktisch an einem Nachmittag seinen Charakter. Für die Union, den Norden, hatte der Kampf jetzt eine hohe moralische Legitimation; aus dem ursprünglich von Lincoln immer wieder propagierten Kriegsziel einer Wiederherstellung der nationalen Einheit war ein Feldzug gegen das große Übel der Sklaverei geworden, gegen den Geburtsfehler, der die Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung in stetigen Krisenzyklen heimgesucht hatte und der ein Herzstück der Unabhängigkeitserklärung von 1776 zum Hohn zu machen schien: Thomas Jeffersons hehre Worte: „all men are created equal“. Für die Staatsführung der Konföderierten ging es an die Grundlage ihres Wirtschaftslebens, an das Herz ihres Selbstverständnisses von Schöpfung und Gesellschaftsordnung. Die Emanzipationsproklamation, so beschwor es Jefferson Davis, verurteile
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noch einige Monate zuvor dem Außenminister der Konföderierten (dem kein Land der Welt den Status eines Diplomaten einer souveränen Nation zubilligte), Judah P. Benjamin (1811–1884), vorschwebten: „Es gibt keine Zweifel, dass die Konföderation des Südens von England binnen 90 Tagen anerkannt werden und dass dies den Krieg beenden wird.“ Daran war seit dem Neujahrstag, seit es erkennbar um die Beendigung der menschenverachtenden Institution oder ihre Zementierung für Generationen ging, nicht mehr zu denken. In London beobachtete der Sohn des amerikanischen Botschafters und spätere Historiker Henry Adams (1838 –1918) befriedigt, dass die Erklärung „mehr für uns getan hat als all unsere Siege und unsere Diplomatie. Sie hat zu einer geradezu konvulsivischen Reaktion zu unseren Gunsten im ganzen Land geführt“. Mit den Haltern der Sklaven und gegen deren Befreier konnte weder die Regierung Palmerston in London noch jene Napoleons III. in Paris paktieren. Der „Morning Star“ in London brachte seinen Lesern die historische Signifikanz der Stunde nahe: „Dies ist ganz unbestreitbar das große Faktum des Krieges – der Wendepunkt in der Geschichte des amerikanischen Commonwealth – ein Akt, der in seinem Mut und seinen wahrscheinlichen Resultaten nur von der Unabhängigkeitserklärung übertroffen wird.“ Nicht alle im Norden waren begeistert über den Wandel des Krieges von einem Kampf um die Wiederherstellung der nationalen Einheit zu einem Feldzug gegen die Sklaverei. Rassismus war die Normalität, und vor allem aus dem Lager der Demokraten, der Partei von Lincolns Vorgänger James Buchanan und seines langjährigen Rivalen Stephen Douglas, schlug dem neuen Kurs heftiger Widerstand entgegen. Das „verfassungsbrechende, Gesetze missachtende, Neger liebende Pharisäertum aus Neu-England“ habe den Krieg verursacht, schallte es aus den Kreisen der Peace Democrats genannten innerpolitischen Rivalen. Der profilierteste Sprecher dieser Bewegung, deren Mitglieder zu Frieden um fast jeden Preis bereit schienen und auch Copperheads (nach einer Giftschlange) genannt wurden, war der KongressAbgeordnete aus Ohio, Clement L. Vallandigham (1820 –1871). Für ihn hatten „Niederlagen, Schulden, ... die Aufhebung von habeas corpus, die Verletzung der Rede- und Pressefreiheit über die letzten 20 Monate dieses Land zum schlimmsten Despotismus auf Erden“ gemacht.
Die Proklamation wurde als Druck an die Soldaten der Union verteilt. Diese sollten Afroamerikaner über das Ende der Sklaverei informieren.
Lincoln hatte in der Tat habeas corpus, das Recht auf richterliche Haftprüfung, ausgesetzt, wie es die amerikanische Verfassung im Fall von Rebellion und Invasion erlaubt. Der Präsident war stets besorgt, dass mitten im Krieg ein „fire in the rear“, also Unruhen im Rücken der Front, ausbrechen könnte. Vallandigham wurde mitten in der Nacht von Soldaten auf Befehl von General Ambrose Burnside, der nach dem Desaster von Fredericksburg mit einer frontfernen, überwiegend administrativen Aufgabe betreut worden war, verDie „Copperheads“ – Demokraten, haftet. die einen sofortigen bedingungsDer Historiker James McPherlosen Frieden forderten – werden son, Autor eines Standardwerin dieser Karikatur aus „Harper’s kes über den Bürgerkrieg, stellt Weekly“ (Februar 1863) als Bedrodie berechtigten Fragen: „Kann hung für die Union dargestellt.
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Wende des Kriegs in sich. Die hohen Verluste an Soldaten – bei den Konföderierten waren es rund 13 000 (Tote, Verwundete, Vermisste oder Gefangene), bei der Nordarmee rund 17 000 – waren für den Süden wesentlich schwerer auszugleichen. Zudem hatte Lee mit Thomas „Stonewall“ Jackson seinen fähigsten General verloren. Als noch folgenschwerer sollte sich eine psychologische Nachwirkung der Schlacht erweisen: Bei Lee und den Seinen machte sich Hybris breit, ein Übermaß an Selbstgewissheit mit einer Verachtung des Gegners und seiner soldatischen Fähigkeiten. So reifte bei der Generalität der Army of Northern Virginia ein tollkühner Plan: Man würde das von zwei Jahren Krieg ausgelaugte Virginia entlasten und den Krieg nach Norden zum Feind tragen, wo die konföderierte Armee sich von den Früchten seines Landes würde ernähren können. Ein Jahr nach Antietam würde es erneut zu einer Invasion des Nordens kommen, man würde seine Hauptstadt bedrohen, seine Armee aus ihren Stellungen locken, sie in dieser einen großen und alles entscheidenden Schlacht schlagen und damit den Krieg siegreich beenden. Eine Schlacht für die Geschichtsbücher einer unabhängigen konföderierten Nation, geschlagen irgendwo in Maryland. Oder in Pennsylvania.
Ulysses S. Grant (links) war als junger Offizier bereits im Mexikanischen Krieg im Einsatz (Fotografie, 1845).
eine Rede Verrat sein? Kann ein Militärgericht einen Zivilisten anklagen? Kann ein General oder vielmehr ein Präsident die Befugnis haben, das Kriegsrecht auszurufen und habeas corpus aufzuheben in einem Gebiet, das fern von militärischen Operationen liegt und in dem die zivile Gerichtsbarkeit funktioniert?“ Man brachte Vallandigham schließlich unter einer Parlamentärsfahne an der Front auf die andere Seite, zu verblüfften konföderierten Soldaten. Auf einem Blockadebrecher gelang ihm vom Süden die Weiterreise nach Kanada, von wo aus er einen (erfolglosen) Fernwahlkampf um das Amt des Gouverneurs in seinem Heimatstaat führte. Der Umgang mit diesem Regimekritiker ist von politischen Gegnern Lincolns (auch unter den Historikern) als ein Beweis für die „Tyrannei“ des 16. Präsidenten hochgehalten worden. In der Rangliste der übelsten Tyrannen der Menschheitsgeschichte dürfte Lincoln damit jedoch das Tabellenende zieren. Und wie stehen andere Präsidenten aus Amerikas Kriegen im Vergleich zu ihm da – Präsidenten wie Woodrow Wilson (Aufhebung von Grundrechten, nicht geahndete Lynchmorde an Farbigen und Deutschstämmigen), Franklin D. Roosevelt (Internierung von Zehntausenden japanischstämmigen Amerikanern in abgelegenen, stacheldraht- und wachturmbewehrten Lagern) und George W. Bush (Folter)? Der Sieg Lees in der Schlacht bei Chancellorsville (30. April – 6. Mai 1863) – der Lincoln in tiefe Verzweiflung stürzte: „Mein Gott! Mein Gott! Was wird das Land dazu sagen?“ – barg bereits die Ursache einer
General Ulysses S. Grant wird zum Hoffnungsträger Gekämpft wurde auch im Westen, entlang den großen Flüssen. Und von hier kamen endlich Nachrichten, die bei der Regierung in Washington und überall im Norden Hoffnung verbreiteten. In den Depeschen tauchte ein Name immer wieder auf, eine Silbe (wie beim Heerführer des Gegners), die Erleichterung und schließlich Euphorie auslöste: Grant. Geboren wurde Hiram Ulysses Grant am 27. April 1822 in dem kleinen Ort Point Pleasant in Ohio. Als der 17-Jährige seine Laufbahn an der Militärakademie West Point begann, gab man ihm in den Unterlagen versehentlich den Namen Ulysses S. Grant – und da Bürokratien selten Fehler eingestehen oder gar korrigieren, blieb der Name für den Rest seines Lebens an ihm haften. Das „S“ stand für nichts, auch wenn später die Annahme weite Verbreitung fand, es rühre vom Mädchennamen seiner Mutter, Simpson, her. Doch die Kombination der Buchstaben sollte sich in seiner Karriere als symbolträchtig erweisen. Denn „U.S.“ wurde bei dem Bürgerkriegsgeneral als unconditional surrender interpretiert, die bedingungslose
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Kapitulation, die er nach der Belagerung von Fort Donelson im Februar 1862 von seinem konföderierten Gegenüber forderte und erhielt. In West Point brillierte der schmächtige junge Mann vor allem als Reiter, er schien der geborene Kavallerieoffizier zu sein. Bemerkenswerterweise war er nicht sonderlich vom Militär angetan und hoffte, nach seiner Dienstzeit Lehrer werden zu können. Er las gern Bücher und malte – Freizeitaktivitäten, die wenig zu einem klassischen Vertreter der Welt des Drills, des Befehlens und des unbedingten Gehorsams zu passen schienen. Als junger Offizier nahm Grant am Krieg der USA gegen Mexiko teil, der 1846 ausbrach. Er empfand den Konflikt als eine Ungerechtigkeit, eine Aggression eines starken Landes gegen seinen schwachen Nachbarn. Grant war zunächst Quartiermeister in seinem Regiment, bevor er endlich die Gelegenheit bekam, seiner Fertigkeiten als Reiter, unter anderem in der Schlacht von Monterey im September 1846, unter Beweis zu stellen. Auf dem Feldzug dürften Grant die imponierenden taktischen Fähigkeiten eines anderen jungen Offiziers aufgefallen sein, des aus einer der ersten Familien Virginias stammenden Robert E. Lee. Nach Ende des Konfliktes wurde er auf Stützpunkte im abgelegenen, noch weithin unerschlossenen Westen des durch die Kriegsbeute noch größer gewordenen Landes versetzt. Grant war dabei weit weg von seiner geliebten Frau Julia und den Kindern auf der Farm von Julias Eltern, die Sklavenhalter waren und dem Schwiegersohn skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, was ihm schwer zusetzte. Er suchte wiederholt Trost in der Flasche. Als ihm ein Disziplinarverfahren drohte, reichte Grant im April 1854 seinen Abschied aus der Armee ein. Die nächsten sieben Jahre waren die dunkelsten seines Lebens. Er versuchte sich in verschiedenen Berufen, ohne in irgendeinem erfolgreich zu sein oder die wirtschaftliche Grundlage für den Unterhalt seiner Familie zu sichern. Er beackerte im wahrsten Sinn des Wortes eine Farm unweit von St. Louis, der er in einem Anflug von resignativer Ironie den Namen Hardscrabble (kann als „mühselig“ oder „ertragsarm“ übersetzt werden) gab. Er musste die Farm bald verkaufen und versuchte es mit mehreren anderen Berufstätigkeiten – er scheiterte in allen. Der Ausbruch des Bürgerkrieges war die Rettung für Grant. Glücklicherweise kannte er den Politiker, der die Region um seine Heimatstadt Galena in Illinois im Kongress vertrat, Elihu Washburne. Dieser sorgte dafür, dass Grant Oberst eines anzuwer-
benden Freiwilligenregiments aus Illinois wurde. Der Abgeordnete wurde ein Vertrauter Grants, der diesen wiederholt förderte und gegen Angriffe in Schutz nahm – vor allem bei den wiederholt aufkommenden Gerüchten über Grants vermeintlichen Alkoholismus. Präsident Abraham Lincoln wird das Bonmot zugeschrieben, er wüsste gern die bevorzugte WhiskeyMarke Grants, um sie all seinen Generälen zukommen zu lassen. Denn der schnell zum Brigadegeneral aufgestiegene Grant bescherte dem Präsidenten und der Union etwas in den ersten beiden Jahren des Bürgerkrieges recht Seltenes: Siege. Belmont, Fort Henry und Fort Donelson waren Im Verlauf des Bürgerkriegs entdie ersten Stationen von Grants wickelte sich Grant zur wichtigsten Siegeszug und damit seiner zunehmenden Bekanntheit im Land. Stütze für Präsident Lincoln (Stich Es war ein Nebenkriegsschauplatz von William Sartain, 1892).
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lige Schussfolge ermöglichten. Ihr Prinzip lebt unter anderem in der mit panzerbrechender Munition ausgestatteten Bugkanone der heutigen „A-10 Thunderbolt II“-Jets („Warzenschwein“) der amerikanischen Luftwaffe fort. Im Nachhinein von einem besonderen Mythos umgeben war das erste Auftreten des Panzerschiffs und des U-Boots. Beide Waffensysteme hatten Premieren, die nicht ganz frei von Skurrilität waren. So trafen am 9. März 1862 unweit von Hampton Roads vor der Küste Virginias das den Namen dieses Staates tragende gepanzerte Dampfschiff der Konföderierten und der ebenfalls mit dicken Stahlplatten geschützte „Monitor“ der U.S. Navy aufeinander. Sie feuerten aus kürzester Distanz über mehrere Stunden großkalibrige Geschosse aufeinander, ohne dem jeweiligen Gegner nennenswerten Schaden zufügen zu können. Darauf trennten sich die Schiffe „Virginia“ und „Monitor“ – es war ein klassisches Unentschieden zwischen den Pionieren einer neuen Technologie. Keine direkten Konsequenzen, von der Tragik verlorener Menschenleben auf beiden Seiten abgesehen, hatte auch der erste Einsatz eines U-Boots in einem Krieg. Die von Hand über Kurbeln angetriebene „CSS Hunley“ brachte in der Nacht auf den 17. Februar 1864 unter Wasser erfolgreich eine Sprengladung am Rumpf der den Hafen von Charleston blockierenden „USS Housatonic“ an und versenkte das Unionsschiff. Die „Hunley“ jedoch versank ebenfalls und riss ihre acht Besatzungsmitglieder in den Tod; auf der „Housatonic“ kamen fünf Seeleute um. Mit ganz anderen Zahlen von Toten und Verwundeten gingen die Schlachten zu Land während des Bürgerkrieges einher – Zahlen, die eine nie dagewesene Herausforderung an das Sanitätswesen und die ärztliche Versorgung darstellten. Beide Seiten versuchten den in dieser Größenordnung nicht erwarteten Anforderungen gerecht zu werden. Im Lauf des Krieges dienten auf Seiten der Union 13 000 Ärzte in Feldlazaretten und in den großen Hospitälern, die in den Städten hinter der Front aus dem Boden schossen. Auf Seiten der Konföderierten waren es um die 4000 überwiegend operativ tätige Ärzte. Ihre Ausbildung erhielten sie nur in verkürzter Form in den Hörsälen der Universitäten; meist erfolgte der Lernprozess in der Praxis des Kriegslazaretts. Entgegen den Mythen und Legenden, die nach dem Bürgerkrieg erblühten, waren die Feldchirurgen keine gefühllosen und mehrheitlich inkompetenten Metzger, die ohne lange zu überlegen zur Knochensäge griffen, sondern Männer, die nach bestem
am Tennessee River, aber die Nachrichten, die von dort kamen, wurden in Washington, New York und Boston umso lieber gehört, als auf dem Hauptkriegsschauplatz in Virginia nur Rückschläge auf die Armee des Nordens einprasselten.
Massenmobilisierung und neue Waffentechnik Doch die militärischen Erfolge hatten ihren Preis, einen sehr hohen Preis. Grant erkannte, dass es sich um eine ganz neue Art von Kriegführung handelte, und in der Tat gilt der Amerikanische Bürgerkrieg als der erste „moderne Konflikt“. Es war ein Krieg der Massenmobilisierung, in dem Armeen über das Land zogen, die an Mannschaftsstärke das Heer George Washingtons aus dem Unabhängigkeitskrieg um mehr als das 20-fache übertrafen. Die Industrie arbeitete auf Hochtouren, um Kriegsmaterial zu produzieren, wobei der auch demographisch weit überlegene Norden eindeutig im Vorteil gegenüber dem agrarisch geprägten Süden war – dieser hatte mit den Tredegar Iron Works in Richmond nur eine einzige große Rüstungsfabrik. Die epochale Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, die Eisenbahn, wurde genutzt, um ganze Divisionen in kurzer Zeit über große Distanzen zu verlegen. Premiere hatten militärische Technologien, die im 20. Jahrhundert eine große Rolle spielen sollten, wie das Maschinengewehr, dessen UrDie Gatling-Kanone mit rotierenahn, die Gatling Gun, ursprünglich sechs Rohre hatte, die um eine Mitden Rohren war ein Vorläufer telachse rotierten und eine schnelle, des späteren Maschinengewehrs wenngleich zunächst oft störanfäl(Foto, um 1865).
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Wissen und Gewissen arbeiteten und deren Tätigkeit oft – gemessen an den häufig miserablen Bedingungen – sogar erfolgreich war.
In den USA zahlte sich Die Konföderierten setzten das U-Boot „CSS Hunley“ ein. Der Finanzier, nach dem nun die Pionierarbeit der das Boot benannt wurde, starb bei einem Florence Nightingale während des Krim-Kriegs aus: Unterwassereinsatz (Gemälde von Conrad Der neu aufkommende BeWise Chapman, 1864). ruf der Krankenschwester in Krisenzeiten erfreute sich bald eines hohen Ansehens. Selbst wenn die Puritaner zunächst Klage führten, der Anblick einer Frau könne in den blessierten Männern – zumindest in den nur leicht verletzten – die Gier nach ungebührlicher Fleischeslust auslösen. Die Armee des Nordens hatte insgesamt 18 000 bezahlte Krankenschwestern (von denen kaum eine über eine halbwegs angemessene medizinische Vorbildung verfügte) auf ihrer Soldliste. Die Zahl der
Neue Kugeln sind für grausame Verletzungen verantwortlich Wie schon im Krim-Krieg zehn Jahre zuvor stellte eine „Innovation“ zeitgenössischer Wehrtechnik die Chirurgie und das mit der Versorgung der Verwundeten betraute Sanitätspersonal vor eine gewaltige Herausforderung: das von dem Franzosen ClaudeÉtienne Minié entwickelte konische, relativ schwere Projektil. Von einem minie ball getroffene Knochen wurden meist zerfetzt; ein Schuss durch den Unterleib zerriss das Gedärm und bedeutete praktisch das Todesurteil für den Verwundeten. 70 Prozent der Verletzungen auf den Bürgerkriegsschlachtfeldern betrafen die Extremitäten. Daher war die Amputation nach dem Verschluss einfacherer Wunden der wohl häufigste Eingriff und gab den Bürgerkriegschirurgen den Beinamen Sawbones („Knochensäger“). Die Versorgung der Verwundeten war nicht ausschließlich Männersache, auch wenn die operativ tätigen Chirurgen mit einer Ausnahme männlich waren. In den teilweise gigantischen Nothospitälern, die aus dem Boden gestampft werden mussten und in denen jene Soldaten betreut wurden, die die Erstversorgung auf dem Kriegsschauplatz überlebt hatten, bestand ein immenser Bedarf an Pflegekräften. Mary Edwards Walker (1832–1919) war auf Seiten der Union als Chirurgin im Einsatz. Sie gilt als einzige Frau, die während des Kriegs eine solche Aufgabe übernehmen durfte.
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freiwilligen Helferinnen, die in allen Teilen der Nation die Verwundeten dass die Art, wie in diesem aus christlicher Fürsorge und patriotischem Pflichtgefühl betreuten, dürfte Konflikt – besonders von Genoch höher gelegen haben. nerälen wie Grant – gekämpft Grants Schlacht von Shiloh im April wurde, mit vielen Opfern ver1862 war mit ihren hohen Opferzahbunden war. len ein Prototyp des modernen Krieges. Es war ein Blutbad, das die Zeitgenossen schockierte. Erstmals machte die Beschreibung butcher („Metzger“) für Grant die Runde in ihm wenig geneigten Kreisen. Doch im Jahr darauf wurde er zum umjubelten Nationalhelden. Der unpolitische Grant, der 1860 gar nicht zur Wahl gegangen war, hatte einen Förderer an oberster Stelle: Präsident Lincoln. Grant wiederum unterstützte erkennbar Lincolns Politik. Nach Bekanntwerden der Emanzipationsproklamation gehörte Grant zu den ersten Unionskommandeuren, die ehemalige Sklaven in der Armee aufnahmen und dafür auch besoldeten. Und im Frühjahr und Sommer 1863 wartete Lincoln bei seinen täglichen Besuchen im Telegraphenbüro des Kriegsministeriums in Washington („er
checkte seine T-Mails“, wie es in einem Buch über die Bedeutung dieser Beinahe-Echtzeitkommunikation für den Präsidenten heißt) öfter als früher auf Depeschen aus dem westlichen Kriegsschauplatz. Auch die Zeitungsredaktionen berichteten nun häufiger von Schauplätzen am Mississippi, während es in Virginia zunehmend nach einem Stellungskrieg aussah. Und alle warteten auf Nachrichten aus Vicksburg. Die kleine Stadt Vicksburg – heute mit ihrem historischen Stadtkern und dem zum Nationalpark gewordenen Schlachtfeld eine Touristenattraktion – liegt auf einer Klippe oberhalb des Mississippi in dem Bundesstaat, der den Namen des Ol’ Man River trägt. Anfang 1863 war Vicksburg die letzte Bastion der Konföderierten am Fluss; seine Einnahme würde bedeuten, dass die Südstaaten in zwei Teile getrennt waren und jene des Westens wie Texas oder Arkansas keine Verbindung mehr zum Kern von „Dixie“ hatten, nachdem Unionstruppen im Vorjahr nach einer Landung von See her die Hafenstadt New Orleans in Besitz genommen hatten. Grants Feldzug, die Vicksburg Campaign, zog sich über ein halbes Jahr hin und war ein komplexes stra-
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Shiloh (April 1862) zeigte sich,
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tegisches Unternehmen, bei dem auf Unionsseite bis zu 75 000 Soldaten zum Einsatz kamen. Grant ließ zudem eine beachtliche militärische Logistik auffahren. Dazu zählten gepanzerte Kanonenboote, die unter den Geschützen der Festung vorbeidampften und deren Feuer erwiderten. Aber auch Landungsboote, mit denen Truppenteile über Seitenarme des Flusses gebracht und südlich von Vicksburg angelandet wurden, um die Stadt einzuschließen. Sogar ein künstlicher Wasserweg wurde gegraben, Grant’s Canal, um so Schiffe um Vicksburg herumzuleiten. Mitte Mai 1863 hatte sich die Unionsarmee der Stadt Vicksburg auf Sichtweite genähert. Es begann eine Belagerung mit wiederholten, aber letztlich nicht erfolgreichen Sturmangriffen. In der Festung wurden die Lebensmittel knapp: Hunde und Katzen landeten im Backofen. Die Zivilisten hatten sich Höhlen in die Hügellandschaft gegraben und sich dort fast häuslich eingerichtet. Es war eine Vorform des späteren Zivilschutzes, denn allein aus den Kanonenbooten der Union wurden mehr als 20 000 Granaten in die Stadt gefeuert. Angesichts dessen ist es bemerkenswert – und darin unterscheidet sich der Amerikanische Bürgerkrieg von den wirklich „modernen“ Kriegen –, dass es nur geringe Verluste unter der Zivilbevölkerung gab. In Vicksburg starben wahrscheinlich nur etwa zehn Bürgerinnen und Bürger durch Gewalteinwirkung. Am 3. Juli 1863 war es endlich vorüber: Die Konföderierten zeigten ihre Bereitschaft an, am nächsten Tag zu kapitulieren. Fast 30 000 Soldaten des Südens ergaben sich. Die meisten von ihnen konnten nach Ablegen eines Eids, nicht wieder gegen die USA die Waffen zu erheben, nach Hause gehen. Es war ein Unabhängigkeitstag wie kein anderer in der amerikanischen Geschichte, denn zusammen mit der Nachricht von Grants Sieg bei Vicksburg trafen die Einzelheiten über die wichtigste und letztlich entscheidende Schlacht des Bürgerkrieges ein. Sie kamen aus einem kleinen Ort in Pennsylvania. Sein Name: Gettysburg. Lee hatte seinen nach Chancellorsville gefassten Plan wahrgemacht und mit seiner Armee die Grenze zum Norden überschritten. Dass sein begnadeter Kavalleriekommandant General Jeb Stuart vorausgaloppiert war und über mehrere Tage den Kontakt zum mobilen Hauptquartier verlor, trug dazu bei, dass Lee sich über die Stärke und die Disposition des Gegners lange im Unklaren befand. Die konföderierten Kolonnen, in Virginia durch Versorgungsprobleme faktisch wie im übertragenen Sinn ausgehungert,
fraßen sich buchstäblich durch die fruchtbare Farmlandschaft Pennsylvanias. Sie nahmen alles mit, was sie bekommen konnten: Getreide, Vorräte, Vieh – und auch Menschen. Afroamerikaner, die ihnen in die Hände fielen, wurden gen Süden in die Sklaverei geschickt.
Gettysburg: eine Schlacht auf Messers Schneide Dann machte das Gerücht die Runde, dass in der kleinen und als am Schnittpunkt mehrerer Überlandstraßen gelegenen strategisch wichtigen Stadt Gettysburg eine größere Lieferung von Schuhen gelagert wurde – was den Ort in den Augen vieler barfuß marschierender Konföderierter als ein besonders attraktives Ziel erscheinen ließ. General A. P. Hill gab für seine Division die Devise aus, dass man sich diese Schuhe Bei der Belagerung von Vicksburg suchen zwei Frauen Schutz vor holen wolle. Hills Truppe wurde von zwei feindlichem Beschuss. Zivile Opfer zahlenmäßig weit unterlegenen waren tatsächlich sehr selten (IllusKavalleriebrigaden der Union tration aus „Howard Pyle’s Book of unter dem erfahrenen Brigadethe American Spirit“, 1909).
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general John Buford erwartet, der seine Soldaten absitzen und den Angriff konföderierter Soldaten im Konföderierten mehrere StunFinale der Schlacht von Gettysburg den Widerstand leisten ließ. Auf am 3. Juli 1863 blieb erfolglos – beiden Seiten strömten an diewurde als Heldentat aber zum Mythos (Radierung von Charles sem 1. Juli Verstärkungen hinzu. Lee trieb die Unionstruppen aus Prosper Sainton, 1861–1914). der Stadt und griff die südlich des Ortes entlang der Cemetery Ridge, einer von Gettysburg (und seinem nachmals so berühmten Friedhof) gen Süden auf eine Ansammlung von Felsklippen zu verlaufenden leichten Anhöhe, in Stellung gegangenen Unionstruppen an. Der konföderierte Feldherr war überzeugt, am nächsten Tag den Truppen des Nordens den entscheidenden Schlag versetzen zu können. Auch hielt Lee nicht viel von seinem neuen Gegenüber: Lincoln hatte als Nachfolger des gescheiterten Hooker General George Meade – von seinen Soldaten die „Alte Schnappschildkröte“ genannt – an die Spitze der Potomac-Armee berufen. Doch Lee unterschätzte sowohl Meade als auch die Soldaten in blauer Uniform, die inzwischen beträchtliche Erfahrung hatten und hochgradig motiviert waren. „Unsere Männer sind dreimal so enthusiastisch wie sie es in Virginia waren“, beobachtete ein Feldchirurg der Union. „Der Gedanke, dass es eine Invasion Pennsylvanias ist und dass wir auf eigenem Boden kämpfen, beeinflusst sie enorm. Sie sind entschlossener, als ich sie je gesehen habe.“
Und in der Tat gab es keine Panik mehr, wenn die Konföderierten mit ihrem berüchtigten Gebrüll, dem Rebel Yell, angriffen. Die Unionssoldaten waren professionalisiert und wurden (endlich) von fähigen Offizieren geführt. Am 2. Juli kam es bei hochsommerlichen Temperaturen zu heftigen Kämpfen. Die einzelnen Schauplätze wurden zu Legenden: Wheatfield (Weizenfeld), Peach Orchard (Pfirsichplantage), Devil‘s Den (Teufelsbau). Am bekanntesten von allen ist der Felsen Little Round Top. Spät, zu spät, wie sich zeigen sollte, war den Konföderierten bewusst geworden, wie wichtig eine Einnahme des Felsens am Südende der Verteidigungsstellung der Union wäre. Mit eigener Artillerie auf dem Little Round Top ließe sich die gegnerische Front quasi von der Seite her aufrollen. Eine Einheit aus Alabama sollte die tags zuvor nur von einigen wenigen Angehörigen einer Signaleinheit der Union besetzte Anhöhe einnehmen. Ihnen stellte sich, hastig auf dem Little Round Top in Stellung gegangen, die 20. Brigade aus Maine entgegen, deren Kommandeur dem akademischen Leben für die Kriegsdauer entsagt hatte und zur Fahne geeilt war: Colonel Joshua Chamberlain war Professor für moderne Sprachen am Bowdoin College in Maine. Er und seine Männer verteidigten die Felsformation in einem der dramatischsten Gefechte dieser drei schicksalsträchtigen Tage. Als ihnen die Munition ausging, ließ Chamberlain die Bajonette aufpflanzen und stürmte mit seinen Männern zu Tal – womit
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sie die überraschten und ebenfalls völlig erschöpften Konföderierten aus Alabama vertrieben oder zur Kapitulation brachten. Am dritten Tag von Gettysburg kam es zum Hochamt des Krieges, zu einem unvergessenen Melodram von Heldentum, Opfergang – und Menschenverachtung. Der Angriff „Pickett’s Charge“ war zweifellos ein dramaturgischer Höhepunkt im vierjährigen Ringen des Amerikanischen Bürgerkrieges (benannt nach dem Südstaaten-General George Pickett, der eine der drei beteiligten Divisionen kommandierte). Gegen drei Uhr nachmittags an diesem 3. Juli traten mehr als 12 000 Mann auf einer rund einen Kilometer langen Linie gegenüber Cemetery Ridge an. Zuvor hatten sich die Artillerien der beiden Seiten ein mehr als zweistündiges Duell geliefert. Über 300 Geschütze kamen insgesamt zum Einsatz. Das Donnern soll noch bis Pittsburgh zu hören gewesen sein. Als die Unionskanonen schwiegen, ging man bei Lee und seinem wichtigsten General James Longstreet davon aus, dass die feindliche Artillerie ausgeschaltet war – eine letzte Fehleinschätzung des konföderierten Kommandos: Die Union wollte sich die Munition für den bevorstehenden Infanterieangriff aufsparen. Und dieser wurde zur Hölle auf Erden. Diszipliniert schritten die drei konföderierten Divisionen über das offene Gelände. Dann gerieten sie in verheerendes Feuer. Mehr als 1200 von ihnen fielen, etwa 4000 wurden verwundet, und mehr als 3700 gerieten in Gefangenschaft. Nur an einem einzigen Punkt konnten die todesmutigen Südstaatler die Unionslinie für einige Minuten durchbrechen, ehe die Blauen Verstärkung heranführen konnten. Das umkämpfte Areal ist heute innerhalb des National Military Parks von Gettysburg landschaftsarchitektonisch herausgehoben und von zahlreichen Monumenten geschmückt. Das blutgetränkte Stück Erde hat einen passenden Namen: „The High-water mark of the Confederacy“ – bis hierher kamen die Konföderierten und nicht weiter. Nach Gettysburg gab es für den Süden nur Rückzug, Defensive, Ausharren wider jede Vernunft. Und massenhaftes Sterben, noch für mehr als eineinhalb Jahre. Angesichts von 3155 (Nord) und 4708 (Süd) Gefallenen klingt es unglaublich: Auch in Gettysburg bemühten sich beide Seiten um Schonung der Bevölkerung. In der größten Schlacht auf amerikanischem Boden kam nur eine einzige Zivilistin ums Leben, die 20-jährige Jennie Wade, die von einer fehlgeleiteten Kugel getroffen wurde, die ihre Haustür durchschlagen hatte.
So erleichtert Lincoln und mit ihm der jubelnde Norden über den Sieg bei Gettysburg war, so sehr frustrierte den Präsidenten, dass Meade nicht nachgesetzt hatte und Lees Armee nach Virginia hatte entkommen lassen. Der Krieg ging weiter, der Bedarf an Menschen und Material war ungebrochen. Im Norden war eine Einkommensteuer zur Finanzierung der Kriegsanstrengungen eingeführt worden; auch konnte der Personalbedarf der Armee nicht länger von Freiwilligen gedeckt werden – ebenso wenig wie im Süden, wo die Desertionen zunahmen. So führte Washington mit dem „Enrollment Act“ im März 1863 die Wehrpflicht ein, der man sich freilich entwinden konnte, wenn man entweder einen Ersatzmann stellte oder die damals das Jahresgehalt eines Arbeiters darstellende Summe von 300 Dollar zahlte. Es sei, so empörten sich Leitartikler, „ein Krieg der Reichen, aber ein Kampf der Armen“. Die Siegesnachrichten aus Gettysburg und Vicksburg konnten nicht verhindern, dass es noch im selben Monat zu Unruhen in New York City kam. Es waren die blutigsten Ausschreitungen in der US-Geschichte. Vor allem Einwanderer aus Irland liefen Sturm gegen die Einberufungen. Als Katholiken waren sie selbst tagtäglicher DisDer Titel dieser Fotografie, die kriminierung ausgesetzt, und sie Alexander Gardner auf dem sahen keine Notwendigkeit, für Schlachtfeld von Gettysburg aneinen protestantischen Präsidenfertigte, lautet „A Sharpshooter’s ten und eine protestantische Elite Last Sleep“ („Der letzte Schlaf in einen Krieg zur Befreiung der eines Scharfschützen“).
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Gettysburg: eine Schlacht auf Messers Schneide
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Farbigen zu ziehen. Zumal Letztere nach siegreicher Beendigung des Konfliktes wahrscheinlich mit anderem wurde ein Heim für „faririschen Einwanderern um Arbeitsbige Waisenkinder“ in Brand geplätze konkurrieren würden. setzt (zeitgenössischer Stich). Über vier Tage, vom 13. bis zum 16. Juli, tobte der Mob, griff Abolitionisten und dunkelhäutige Menschen an, beging Lynchmorde, brannte ein Hotel (in dem ihnen Alkoholika verweigert wurden) ebenso nieder wie ein Waisenheim für afroamerikanische Kinder. Die New Yorker Polizei war schnell überfordert. Es brauchte Armeeeinheiten direkt von der Front bei Gettysburg, um durch Patrouillen in den Straßen wieder Ruhe einkehren zu lassen. 120 Menschen waren während der Unruhen ums Leben gekommen. Viele von der Gewalt geschockte Afroamerikaner zogen aus der Stadt in das damals noch eigenständige Brooklyn.
ßenminister und Harvard-Präsident Edward Everett (1794 –1865), danach – so hatten es die Organisatoren vorgesehen – könne Abraham Lincoln „ein paar angemessene Bemerkungen machen“. Everett sprach zwei Stunden lang, was viele der Gäste ermüdete. Dann erhob sich Lincoln. Seine zweieinhalb Minuten dauernde „Gettysburg Address“ wurde die berühmteste Rede der amerikanischen Geschichte, quasi die zweite Gründungsurkunde der USA – 272 Wörter für die Ewigkeit. Als er geendet hatte, fragte ihn sein Sitznachbar, „ob das alles war“. Ja, antwortete Lincoln, für den Moment schon. Der Beifall soll verhalten bis höflich gewesen sein, doch die Wirkung dieser Worte hallte nach – über die Jahrhunderte. Everett, ein berühmter Rhetoriker, erkannte die Bedeutung der kurzen Rede sofort: „Ich wäre glücklich, wenn ich mir damit schmeicheln könnte, dem zentralen Gedanken des Anlasses in zwei Stunden so nahe zu kommen, wie Sie dies in zwei Minuten getan haben.“ In der „Gettysburg Address“ identifizierte Lincoln Amerika mit der Demokratie als einzig denkbarer Staatsform. Ohne den Grundsatz, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, ohne Demokratie seien die USA nicht möglich. Niemals wieder, so lautet sein Credo, sein Schwur, soll „die Regierung des Volkes durch das Volk und für das Volk“ – wie nach so vielen europäischen Revolutionen und Freiheitskämpfen – im Chaos oder in neuer Willkürherrschaft
In New York kam es im Juli 1863 zu schweren Ausschreitungen. Unter
Die berühmteste Rede in der Geschichte der USA Lincoln wagte das Unmögliche: Er wollte versuchen, dem Wahnsinn dieses Krieges, der vermeintlichen Sinnlosigkeit des Sterbens doch einen Sinn, eine höhere Bedeutung zu geben. Am 19. November 1863 besuchte der Präsident Gettysburg, um dort an der Einweihung eines Nationalfriedhofs teilzunehmen. Der eigentliche Hauptredner war der frühere Au-
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verenden. Der Opfertod der Soldaten sei nicht vergebens: Amerika werde eine „Wiedergeburt der Freiheit“ erleben und garantieren, dass die Volksherrschaft „nie mehr von der Erde verschwindet“ – „shall not perish from the earth“.
haber aller Unionsarmeen ernannte, wurde in Virginia in eine Reihe von für beide Seiten höchst verlustreichen Schlachten verwickelt. Mancherorts, wie im Umfeld der konföderierten Hauptstadt Richmond und des südlich von ihr gelegenen Eisenbahnknotenpunkts Petersburg, entwickelte sich ein Stellungsund Abnutzungskrieg, der wie ein Vorläufer des Ersten Weltkrieges wirkt. In einem unwegsamen, von trockenem Gestrüpp und Unterholz gekennzeichneten Gelände mit dem passenden Namen Wilderness, das bereits ein Schauplatz der Schlacht von Chancellorsville (Mai 1863)
Der Süden führt einen aussichtslosen Kampf Bis die Wiedergeburt der Freiheit Realität wurde, flossen noch weitere Ströme von Blut. Ulysses S. Grant, den Lincoln im März 1864 zum Oberbefehls-
Lincoln bei seiner berühmten Ansprache am 19. November 1863 anlässlich der Einweihung eines Friedhofs für die Gefallenen der Schlacht von Gettysburg (spätere Illustration).
Lincolns „Gettysburg Address“ im Originaltext „Four score and seven years ago our fathers brought forth on this continent, a new nation, conceived in Liberty, and dedicated to the proposition that all men are created equal. Now we are engaged in a great civil war, testing whether that nation, or any nation so conceived and so dedicated, can long endure. We are met on a great battle-field of that war. We have come to dedicate a portion of that field, as a final resting place for those who here gave their lives that that nation might live. It is altogether fitting and proper that we should do this. But, in a larger sense, we can not dedicate – we can not consecrate – we can not hallow – this ground. The brave men, living and dead, who struggled here, have consecrated it, far
above our poor power to add or detract. The world will little note, nor long remember what we say here, but it can never forget what they did here. It is for us the living, rather, to be dedicated here to the unfinished work which they who fought here have thus far so nobly advanced. It is rather for us to be here dedicated to the great task remaining before us – that from these honored dead we take increased devotion to that cause for which they gave the last full measure of devotion – that we here highly resolve that these dead shall not have died in vain – that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.“
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Lincolns „Gettysburg Address“ im Originaltext
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war, standen sich Grant und Lee im Mai 1864 erstmals rierte wehrlose afroamerikanische Unionsdirekt gegenüber. Hier bekam das Sterben eine besonsoldaten (Stich aus „Harper’s Pictorial Hisders grausige Note, als tory of the Civil War“, 1886). durch das Mündungsfeuer das ausgedörrte Buschwerk in Brand geriet und zahlreiche Soldaten, darunter viele Verwundete, in den Flammen umkamen. Fast im Wochenrhythmus gab es neue Einträge in die Liste der Schlachtfelder des Kriegs: Spotsylvania Court House, Yellow Tavern, New Market. Zwei Schlachten ragen heraus: Cold Harbor (bei Richmond), wo Grant sich Lee geschlagen geben musste und die Union über zwölf Tage Anfang Juni mehr als 12 000 Mann verlor; die Konföderierten hatten nur halb so viele Gefallene, Verwundete, Vermisste. Eine weitere ist Fort Pillow. Ein Name, der Dixie-Enthusiasten und Apologeten des „alten Südens“ und des angeblich so hohen Ehrbegriffs seiner Gentlemen in Uniform schwer über die Lippen geht. Das von Unionssoldaten gehaltene kleine Fort Pillow im Westen von Tennessee wurde am 12. April von Konföderierten unter Befehl von General Nathan Bedford Forrest (nach dem Krieg ein prominenter Anführer des Ku-Klux-Klan) angegriffen. Als sich bereits viele der Nordstaatler ergeben hatten (die Angaben der Zeugen, ob die Besatzung insgesamt kapitulierte, variieren), wurden vornehmlich farbige Soldaten, wahrscheinlich rund 300, in einer mit einem Massenlynchen verglichenen Orgie ermordet.
Bei allem strategischen Geschick Lees und der Opferbereitschaft seiner Soldaten konnte im Süden kein mit Vernunft gesegneter Stratege davon ausgehen, dass für die an Ressourcen schwache Konföderation – deren Küsten von der Unionsmarine sehr effektiv blockiert wurden – der Krieg noch militärisch zu gewinnen war. So setzten Jefferson und sein Kabinett ebenso wie Robert E. Lee und seine Generalität darauf, dass im Herbst 1864 Abraham Lincoln abgewählt und ein Peace Democrat, der zur Anerkennung der Confederate States of America bereit war, ins Weiße Haus einziehen würde. Welch eine Ironie: Der Süden hoffte, die USA am Markenzeichen ihrer Verfassung und ihres Credos, dem unbedingten Bekenntnis zur Demokratie, scheitern zu sehen. Doch stattdessen sandte das Land – oder vielmehr sein größerer Teil – 1864 eine bemerkenswerte Botschaft: Selbst mitten in einem existentiellen Konflikt wurden die Wähler um ihr Urteil gebeten. Und diese sprachen Lincoln, dem Commander-in-Chief, ihr Vertrauen aus. Die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk behauptete sich auch im Kanonendonner.
Im Anschluss an die Belagerung von Fort Pillow (Tennessee) erschossen Konföde-
Dr. Dr. Ronald D. Gerste geb. 1957, ist Historiker und Mediziner. Er lebt in der Nähe von Washington D. C. und arbeitet als Journalist sowie als Sachbuchautor.
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Kapitulation und Attentat auf Lincoln
Die unvermeidliche Niederlage Michael Hochgeschwender
Die militärische Überlegenheit des Nordens wurde immer drückender. Im April 1865 kapitulierte General Robert E. Lee in Appomattox. Präsident Lincoln überlebte den Sieg nur um Tage, er fiel einem Attentat zum Opfer. Der Widerstandsgeist des Südens war aber noch lange nicht gebrochen.
Mit dem Ende der Schlachten von Gettysburg und Vicksburg im Juli 1863 war der Amerikanische Bürgerkrieg militärisch entschieden. Die Konföderation war durch den Vormarsch der Unionstruppen in zwei Teile gespalten worden, und die Armeen des Südens hatten jede Möglichkeit verloren, wieder dauerhaft in die Offensive zu gelangen. Damit war auch New Orleans, der wichtigste Hafen der Konföderierten, endgültig verloren, was weiteren, dringend benötigten militärischen Nachschub aus Großbritannien, Frankreich und Österreich erheblich erschwerte. Überdies hatte sich der russische Zar Alexander II. offen an die Seite der Union gestellt. Gewiss, es galt weiterhin der Satz, dass die Union gewinnen müsse, während es für den Süden ausreichte, nicht zu verlieren. Dennoch zeichnete sich die Niederlage der Rebellen drohend am Horizont ab, da zudem die Chance schwand, von den europäischen Großmächten als kriegführende Partei anerkannt zu werden. Und nach innen wurde es immer schwieriger, die verbliebenen Reste des sowieso nie besonders stabilen konföderierten Staatswesens beisammenzu-
halten und von Richmond aus zu reAm 9. April 1865 unterzeichnete gieren. der Südstaaten-General Robert Warum also weiterkämpfen und E. Lee im Gerichtsgebäude von noch mehr Verluste an Soldaten, ZiAppomattox (Virginia) einen Kavilpersonen und Material in Kauf pitulationsvertrag. Ein weiterer nehmen? Die Antworten auf dieWiderstand gegen die Union se Frage fielen, je nach Person und war aus seiner Sicht aussichtslos. Umständen, ganz unterschiedlich aus und schwankten zwischen rationalem Kalkül und völliger Irrationalität. Durchaus vernünftig war eine weitverbreitete Überlegung, an die sich viele Hoffnungen knüpften: Aus der Unionspresse wusste man im Süden nur zu gut, wie unbeliebt Präsident Lincoln war. Es bestand deshalb eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Wahlniederlage des Mannes, der wie kein anderer die Einheit der Union zu seinem politischen Hauptziel gemacht hatte. Seinen Republikanern, allen voran den radikalen Abolitionisten um Kriegsminister Edward Stanton (1814 –1869), galt er dennoch als entscheidungsschwach, nachgiebig und eher mäßig intelligent. Selbst die moderaten und konservativen Republika-
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Oberer See
Schlachten des Bürgerkriegs
Huronsee
MINNESOTATERRITORIUM
WISCONSIN
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MICHIGAN
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PENNSYLVANIA
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ILLINOIS
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INDIANA
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1862 Louis-
Memphis ippi
INDIANERTERRITORIUM
Nashville
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ARKANSAS 1863
„March to the Sea“
ALABAMA
Hatteras Goldsborough
1865 SOUTH CAROLINA
Charleston
Montgomery
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LOUISIANA
Savannah
GEORGIA
Sezession vor Kriegsbeginn (Konföderation) Sezession nach Kriegsbeginn (Konföderation)
New Orleans
FLORIDA
GOLF VON MEXIKO 0
sklavenfreie Staaten (Union) Grenzstaaten (Union)
Jacksonville
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Blockade der Konföderation durch die Union
Fort Sumter
1863
TEXAS
AT L A N T I S C H E R OZEAN
NORTH CAROLINA
1864
Sherman
MISSISSIPPI Vicksburg
Knoxville
Columbia Atlanta
Washington, D.C.
Norfolk Williamsburg Petersburg
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Chattanooga
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TENNESSEE
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VIRGINIA
1862 KENTUCKY
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Perryville
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Chancellorsville Appomattox Court Hs.
New York
NEW JERSEY
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OHIO
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Detroit
IOWA
Boston
NEW YORK
Vorstöße und Siege der Union Konföderation Festung der Union Festung der Konföderation
500 km
ner waren von ihrem Kandidaten nicht sonderlich überzeugt, hielten ihn aber angesichts der Möglichkeit eines radikalen Abolitionisten für die erträglichere Alternative.
schen“ Kandidaten George McClellan geschart. Der General war zu Beginn des Kriegs Oberbefehlshaber der Unionsarmeen im Osten gewesen. Da er sich aber gar zu selten dazu durchzuringen vermochte, eine Schlacht zu schlagen, wurde er von Lincoln entlassen. Und obwohl sein Nachfolger Ulysses S. Grant inzwischen Erfolge um Erfolge erzielte, erfreute sich McClellan im einfachen Volk, vor allem bei irischen Katholiken, die glaubten, in diesem Krieg zugunsten englisch-protestantischer Profitinteressen verheizt zu werden, einer immensen Beliebtheit. Ein Teil der Bevölkerung hatte es Lincoln auch nicht verziehen, die Bürgerrechte, etwa den „Habeas corpus Act“ und die Pressefreiheit, aufgehoben zu haben. So war denn das Wahlergebnis im November 1864 denkbar knapp. Lincoln gewann mit gerade einmal
Lincolns Wiederwahl ist kein Selbstläufer Die Demokraten wiederum waren ähnlich gespalten. Ein Teil von ihnen, die „Kriegsdemokraten“, unterstützten Lincoln. Ihr Anführer Andrew Johnson aus dem Sklavenstaat Tennessee kandidierte sogar für das Amt des Vizepräsidenten an der Seite des republikanischen Präsidenten. Demgegenüber hatte sich eine Mehrheit der Demokraten, deren Hochburg in den bevölkerungsreichen Staaten New York und Pennsylvania lag, hinter den „friedensdemokrati-
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400 000 Stimmen Vorsprung, dafür aber mit einer gewaltigen Mehrheit bei den Wahlmännern. Ausschlaggebend waren die Stimmen der Soldaten gewesen, gleichgültig, ob Veteranen oder im aktiven Dienst. Unter ihnen genoss Lincoln einen unglaublich guten Ruf, nicht nur wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Wiederherstellung der USA, sondern als Father Abraham, als gütiger und fürsorglicher Vater seiner Soldaten, denen er so oft es ging etwa die Todesstrafe bei Fahnenflucht ersparte. Obendrein hatten die Republikaner mit den Union Leagues – Verbänden, die eifrige Lobbyarbeit unter den Soldaten betrieben – einen schlagkräftigen Propagandaapparat in der Truppe aufgebaut. Unterstützt wurde dieser durch staatliche, aber von den Republikanern kontrollierte Institutionen im Bereich der Soldaten- und Verwundetenfürsorge. Auf diese Weise wurde unter den Soldaten Lincolns Bild systematisch idealisiert. Das allein hätte aber wohl kaum ausgereicht. Die Soldaten wollten schlicht nicht umsonst gekämpft haben, sondern ebenfalls die Einheit der Union wiedergewinnen, selbst wenn sie mehrheitlich nicht zwingend für ein Ende der Sklaverei kämpften. Ihre Siegeszuversicht hatte im September 1864, zwei Monate vor der Wahl, einen neuen Höhepunkt erreicht, als es General William Tecumseh Sherman gelang, endlich Atlanta, die Hauptstadt Georgias und eine der größten und wichtigsten Städte der Konföderation, einzunehmen. Mit Lincolns Sieg auf den Schlachtfeldern der Politik waren die rationalen Hoffnungen der Südstaaten an ihr Ende gekommen. Jeder weitere Kriegstag war nunmehr grundsätzlich sinnlos geworden. Tatsächlich löste sich die Moral der schlecht ausgerüsteten, schlecht verpflegten und deprimierten Regimenter der Konföderation zunehmend auf. Die Zahl der Desertionen stieg auf Rekordniveau. Im Hinterland flüchteten die Sklaven massenhaft von den Plantagen, sobald Unionstruppen sich näherten. Zum Entsetzen der Sklavenhalter verschwanden nicht allein Feldsklaven, sondern vorrangig die Haussklaven, die man für besonders loyal gehalten hatte. Die Plantagenbesitzer hatten am Ende selbst an den Mondschein-und-Magnolien-Mythos geglaubt und sich für paternalistische Menschenfreunde gehalten, die sich um das Wohlergehen kindlicher Wilder kümmerten. Dieses Selbstbild zerbrach nun abrupt. Aus Paternalismus erwuchsen bitterer Hass und klägliche Furcht vor einer möglichen Rache der ehemaligen Sklaven.
Daher übernahm man jetzt im Süden die Propaganda der Friedensdemokraten im Norden, die mit einer wüsten rassistischen Kampagne vor der Sklaven-Emanzipation gewarnt hatten, indem sie das Märchen erfanden, die befreiten Sklaven würden umgehend weiße Frauen vergewaltigen und ihre ehemaligen Herren ermorden. Außerdem wurde spekuliert, die abolitionistischen Republikaner würden weiße Nordstaatlerinnen als Lehrerinnen in den Süden entsenden, um mit den einstigen schwarzen Sklaven eine hybride Mischrasse zu erzeugen, um die früheren Herren wahlweise zu vertreiben oder auszurotten. Solche kruden Verschwörungstheorien machten allerorten die Runde und stachelten den letzten Widerstand in der Konföderation an. Die Gerüchte hatten kaum ein Fundament in der Realität. Zum einen sorgten die Unionsregimenter einigermaßen für Ordnung, zum anderen aber, und das war erheblich wichtiger, wollte sich die Mehrheit der entflohenen und befreiten Sklaven gar nicht rächen. Nicht nur waren sie meist strenge Christen, die an Nächstenliebe und Gewaltverzicht glaubten, sondern in erster Linie wollten sie ihre in alle Himmelsrichtungen zerstreuten Familien suchen und sich dann einem erträglichen Zivilleben als freie Menschen widmen. Karikatur zum PräsidentschaftsDoch die Südstaatler hatten wahlkampf 1864: Der Friedensbeüberdies Angst vor einem Straffürworter George McClellan will gericht des siegreichen Nordens. seinen Gegner im Wahlkampf, PräSchließlich darf ein Aspekt nicht sident Abraham Lincoln, und den unterschätzt werden, den der in Südstaaten-Präsidenten Jefferson den USA lehrende Historiker MiDavis zum Einlenken bewegen.
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Ein gutes Beispiel war der Nibelungenkult des untergehenden nationalsozialistischen Deutschland 1944/45. In genau dieser Phase des katastrophischen Nationalismus steigen dann regelmäßig die Opferzahlen unter Soldaten und Zivilisten der schwächeren Partei auf Rekordhöhen. Oft sterben dann mehr Menschen als in den Jahren zuvor. So geschah dies auch im Süden der USA. Denn militärisch wendeten sich die Dinge weiter zuungunsten der Konföderation. Seit Juni 1864 banden rund 125 000 Mann der Unionsarmee das Gros der Lee verbliebenen Truppen, insgesamt rund 60 000 Soldaten, bei Petersburg am Appomattox River im nördlichen Virginia. Petersburg war für die Verteidigung von Richmond von höchster strategischer Bedeutung, denn ein Fall der Festung würde den ungehinderten Zugang zur konföderierten Hauptstadt eröffnen, was militärisch wie politisch ein verheerendes Signal gewesen wäre. Die Hauptlast der Verteidigung von Petersburg trugen dabei Einheiten unter dem Befehl von General Pierre Gustave Toutant (kurz P.G.T.) Beauregard aus Louisiana, also genau des Mannes, dessen Artillerieangriff auf Fort Sumter drei Jahre zuvor den Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Nun war es ausgerechnet an ihm, mit dem letzten Aufgebot des Südens gegen eine numerisch und von der Ausrüstung her in jeder Hinsicht überlegene Streitmacht der Union anzutreten. Seine einzige Chance lag in der bedingungslosen Defensive. Schon während des Krim-Kriegs (1854 –1857) hatte man im Verlauf der schier endlosen Belagerung Sewastopols durch an sich überlegene westalliierte Truppen erkennen können, wie effektiv eine moder-
chael Geyer einmal als „katastrophischen Nationalisdend erweisen (oben: eine Schlacht im mus“ bezeichnet hat. Infolge der für moderne Kriege unabJuli 1864). General William T. Sherman dingbaren Massenmobilisie(unten, Foto von 1864) gelang es rung durch Propaganda fällt schließlich am 1. September 1864, die es Politikern und ZivilbevölStadt einzunehmen. kerung gleichermaßen schwer, trotz einer drohenden totalen Niederlage einen Ausweg aus einem laufenden Krieg zu finden. Emotionen setzen dann jede Form von Vernunft außer Kraft. Der Krieg wird zum Selbstzweck, weil niemand sich eingestehen will, sich womöglich von Beginn an geirrt zu haben. Man beginnt sogar, grausige Untergangsszenarien regelrecht zu zelebrieren.
Der Kampf um Atlanta (Georgia) sollte sich als für den Kriegsverlauf entschei-
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ne defensive Kriegführung sein konnte. Die Kombination aus Artillerie, Vorläufern des Maschinengewehrs, Stacheldraht und Schützengräben, die bereits die Kriegführung des Ersten Weltkriegs vorwegnahmen, machte es jedem Angreifer extrem schwer. Die Unionstruppen verloren im Lauf der folgenden zehn Monate rund 42 000 Soldaten, die Konföderierten büßten rund 20 000 Mann ein, weitere etwa 25 000 Soldaten des Südens desertierten, um dem Grauen der Schützengräben zu entkommen.
dem bei Atlanta unterlegenen General Hood in den Schlachten bei Franklin (30. November 1864) und Nashville (15./16. Dezember 1864) weitere schwere Verluste zu – unter den Gefallenen der Konföderierten-Armee waren zwölf Generäle. Die Ursache war letztlich Hoods gravierende Unfähigkeit. Die hohen Verluste – nicht zuletzt wegen der verheerenden Wetterbedingungen in diesem eiskalten Winter 1864/65 – konnten die Südstaatler nicht mehr ausgleichen. Gleichzeitig fand Lee, der seine Einheiten geschickt im Umfeld von Richmond und Umgebung operieren ließ, zumindest Reste einstiger Handlungsstärke wieder. Mochte er in der Offensive bestenfalls mittelmäßig sein, in der Defensive zählte er zu den Bei seinem Feldzug zur Atlantikganz Großen seines Fachs. küste von Georgia, dem „March In dieser Situation entschlosto the Sea“, verfolgte General sen sich die militärischen Führer Sherman eine Taktik der verder Union dazu, ihrem ursprüngbrannten Erde. Auch vor dem lichen Plan unbeirrt nachzugePlündern und Niederbrennen von hen, den Süden zuerst entspreFarmen schreckte er nicht zurück chend dem „Anakonda-Plan“ zur (Holzschnitt aus dem 19. JahrhunSee und zu Lande vom Nachschub dert, spätere Kolorierung).
Shermans erbarmungsloser Feldzug durch Georgia Aber Petersburg war nicht der einzige Schauplatz, der im Blickpunkt der Militärs stand. Mit dem Fall Atlantas waren die Armeeinheiten General William Tecumseh Shermans (1820 –1891) frei geworden, um sich nun daranzumachen, Tennessee und Alabama zu erobern. Die Widerstandskräfte des Südens waren gleichwohl noch nicht vollständig gebrochen. Die Unionsgeneräle John McAllister Schofield (1831– 1906) und George Henry Thomas (1816 –1870) fügten
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abzuriegeln und dann allmählich mit Hilfe der eigenen Übermacht zu erdrücken. Dies war möglich, weil jeder das Repräsentantenhaus brantote Unionssoldat problemlos ersetzt det unter den Befürwortern werden konnte, wohingegen dem SüJubel auf (kolorierter Holzden keinerlei Ressourcen mehr zur Verschnitt, 19. Jahrhundert). fügung standen. Es war nun an Sherman, den tödlichen Stoß zu führen. Mit über 60 000 Soldaten in drei Heeressäulen rückte er in das Herz der Konföderation, in das südöstliche Georgia und vor allem South Carolina, ein. Beauregard verließ umgehend mit ein paar tausend Mann die Stellungen bei Petersburg, war sich aber keineswegs klar darüber, wo und wie er Shermans in allen Belangen überlegene Truppen aufhalten könnte. Die Situation wurde noch schlimmer, als mit dem Abrücken der Unionsarmee in Atlanta ein von Unionssoldaten gelegtes, gewaltiges Feuer ausbrach, das bald komplett außer Kontrolle geriet. Der Brand von Atlanta wurde zum Menetekel für den gesamten Süden. Unterdessen führte Sherman sein Gegenüber Beauregard komplett in die Irre, indem er ihm suggerierte, er wolle die Hafenstadt Charleston, ein Zentrum der Sklavenhaltergesellschaft South Carolinas, erobern. In Wahrheit ging es Sherman um Columbia. Zeitgleich marschierten die Unionsgeneräle Howard und Slocum in Richtung Savannah, einem der letzten funktionsfähigen Häfen des Südens.
Der „Sherman Raid“ übte alsbald eine traumatisierende Wirkung auf die weiße Zivilbevölkerung der gesamten Region aus. Bis heute hat er seinen Platz in der kollektiven Erinnerung des Südens. Dies war nicht allein eine Folge der Massenflucht schwarzer Sklaven, sondern eines Befehls, in dem Sherman seine Soldaten aufforderte, sich beim Furagieren, also bei der Verpflegungsaufnahme, möglichst freizügig bei der Zivilbevölkerung zu bedienen. Einige Soldaten versuchten, sich gegenüber den auf den Plantagen verbliebenen Frauen und Kindern einigermaßen respektvoll zu benehmen; in Einzelfällen entschuldigten sie sich sogar für ihr Vorgehen. Alsbald aber kam es zu ungezügelten Plünderungen und Vergewaltigungen. Drei Schneisen der Zerstörung zogen sich durch das Herz des Südens. Sherman, ein unerbittlicher Nationalist, sah darin nichts anderes als die gerechte Strafe für die Rebellion. So wurden dann auch Columbia und Savannah, ganz wie zuvor Atlanta, weitgehend niedergebrannt. Das Hauptziel der ganzen Operation aber war, über die psychologischen Folgen hinaus, ein militärisches. Sherman und Grant wollten ihre Regimenter gemeinsam zum finalen Schlag gegen Richmond ausholen lassen. Dies erwies sich aber als überflüssig. Am 25. März 1865 fiel nach monatelangen Artillerieduellen die Festung Petersburg, woraufhin Lee Richmond ebenfalls aufgab. Die Konföderation war dabei, sich aufzulösen.
Nach der Verabschiedung des
13. Verfassungszusatzes durch
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und Louisiana mitgezählt wurden, was zumindest bedenklich war. Die anderen Südstaaten stimmten nach Kriegsende seit Dezember 1865 in regelkonformen Delegiertenversammlungen nachträglich zu. Drei Staaten ließen sich wesentlich länger Zeit: Delaware (1907), Kentucky (1975) und Mississippi (1995). Obwohl Lincolns Triumph in Sachen Sklaverei einen wichtigen Schritt in die sich abzeichnende Nachkriegszeit darstellte, war er erst einmal weniger wert als gedacht. Der Süden war zwar auf Drängen der Sklavenhalter in den Krieg gezogen, aber inzwischen war sogar den meisten Plantagenbesitzern deutlich geworden, wie obsolet die peculiar institution zwischenzeitlich geworden war. Andere Fragen und Probleme, etwa die nach der politischen und gesellschaftlichen Neuordnung der ehemaligen Sklavenstaaten, rückten in den Vordergrund. Die radikalen Republikaner etwa strebten zumindest theoretisch nach einer kompletten sozioökonomischen Neuordnung des Südens. Weder scheuten sie davor zurück, Plantagenbesitzer zu enteignen und ihr Eigentum an ehemalige Sklaven zu verteilen, noch wollten sie auf harte Strafen gegen die führenden Personen der Rebellion verzichten. Das Wahlrecht für die befreiten Schwarzen war aus ihrer Sicht In den vom Krieg betroffenen Südstaaselbstverständlich, einmal aus ten wurden große Teile der Infrastrukmoralischen Gründen, dann tur zerstört. Hier die Stadt Columbia in aber gleichfalls, um die VorSouth Carolina im Jahr 1864.
Ein Verfassungszusatz sichert die Sklavenbefreiung ab In Anbetracht der sich abzeichnenden Niederlage der Rebellenstaaten rückten bereits die politischen Folgen des Bürgerkrieges in den Vordergrund. Lincoln hatte bereits im April 1864 damit begonnen, die Grundlagen für eine stabile Nachkriegsordnung zu legen, indem er den 13. Verfassungszusatz dem Senat vorlegte. Auf diese Weise wollte er seiner Emanzipationsproklamation vom Januar 1863 eine feste, verfassungsrechtliche Grundlage geben. Die Sklaverei sollte nicht bloß aufgrund des militärischen Notstandsrechts im Bürgerkrieg, sondern ein für allemal beendet werden. Erwartungsgemäß hatte der Senat am 8. April 1864 mit seiner erdrückenden republikanischen Mehrheit zugestimmt. Schwieriger gestaltete es sich, im Repräsentantenhaus eine Mehrheit zu finden, wo die Demokraten und einige konservative Republikaner den Verfassungszusatz ablehnten. Als die Lincoln-Administration eines möglichen Scheiterns gewahr wurde, griff sie vor der entscheidenden Abstimmung auf gelinde gesagt außergesetzliche Mittel zurück, nämlich Korruption. Lincoln wies seinen Secretary of State, den erfahrenen und mit sämtlichen Wassern amerikanischer Politik gewaschenen New Yorker William H. Seward, an, alles aufzubieten, um im Kongress die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu sichern. Wie dem Präsidenten vermutlich bewusst war, verfügte Seward über einen Schwarzgeldfonds, den er skrupellos einsetzte, um wankelmütige Opponenten von der guten Sache zu überzeugen. Da plötzlich acht Demokraten an der Sitzung vom 31. Januar 1865 nicht teilnahmen, fiel das Quorum von 122 auf 117 Sitze. Am Ende sicherte Seward seinem Präsidenten 119 gegen 56 Stimmen. Auf der Galerie, wo sich eine große Anzahl schwarzer Zuschauer versammelt hatte, aber auch im Saal brach gewaltiger Jubel aus, bei vielen gestandenen Politikern flossen Tränen. Nach über 300 Jahren hatte die Sklavenwirtschaft in Nordamerika ihr Ende gefunden. Danach startete der Prozess der Ratifizierung durch die Einzelstaaten, von denen nur drei – Kentucky, Delaware und New Jersey – den Verfassungszusatz rundweg ablehnten. Bis auf New Jersey handelte es sich dabei um border states, Sklavenstaaten, die bei der Union verblieben waren. Bis heute wirft diese Abstimmung erhebliche verfassungsrechtliche Probleme auf, da im Februar 1865 auch die Stimmen der unionistischen Militärregierungen von Virginia
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den zu keinem Zeitpunkt die Union tatsächlich verlassen hatte. Mithin war eine Neuaufnahme juristisch nicht zu rechtfertigen. Vielmehr sollte es ausreichen, wenn lediglich zehn Prozent der Wahlberechtigten von 1860 einen Loyalitätseid auf die USA ablegten, um den Staat zu reintegrieren. Auf dieser Grundlage waren bereits während des Krieges unionsloyale Regierungen im Süden eingerichtet worden. Unter Umständen sollten Großgrundbesitzer und Amtsträger sowie Offiziere der Konföderation erst einmal von sämtlichen Ämtern ausgeschlossen werden. An eine rechtliche Aufarbeitung des Bürgerkriegs scheint Lincoln nicht gedacht zu haben. Nur sehr wenige Offiziere der Konföderation, so etwa der Kommandant des berüchtigten Kriegsgefangenenlagers von Andersonville, wurden wegen Kriegsverbrechen verurteilt und exekutiert. Der zweite Punkt betraf die sozioökonomische Neuordnung des Südens, für die Lincoln nach allem, was wir wissen, keine konkreten Pläne entwickelt hatte. Dafür war ihm die Bedeutung des dritten Problemfeldes, der Reintegration der konföderierten Soldaten, außerordentlich bewusst. Hier kam Lincoln die dramatische Entwicklung der militärischen Situation nach dem Fall von Petersburg und Richmond sowie dem „Sherman Raid“ zugute. Im Süden war inzwischen selbst den fanatischsten Anhängern der
herrschaft ihrer Partei im besiegten Süden dauerhaft zu sichern. Lincoln ahnte zumindest, wie 1865 bei einer Theatervorstellung sehr dies die Demokraten vor den von John Wilkes Booth tödlich verletzt (zeitgenössische Lithographie). Kopf stoßen musste, aber selbst moderate und konservative Republikaner konnten mit der Idee einer Sozialrevolution im Süden rein gar nichts anfangen. Obendrein blieb Lincoln in erster Linie Jurist und glaubte als guter Liberaler an die absolute Heiligkeit des Privateigentums. Vor allem aber suchte Lincoln nach einer gesunden Basis für die dauerhafte und friedliche Wiedervereinigung der beiden Landesteile, die sich immer noch in einem blutigen Bürgerkrieg bis aufs Messer befehdeten. Drei Punkte, die eng miteinander verflochten waren, standen in den Nachkriegsplanungen ganz oben: erstens die Frage, wie die Reintegration des Südens verfassungsrechtlich zu regeln sei. Für die radikalen Republikaner waren die Konföderierten aus der Union ausgetreten, weswegen sie sich gewissermaßen um eine Neuaufnahme zu bewerben hatten, über welche die Sieger souverän und nach ihren Vorstellungen zu entscheiden hätten. Bis dahin sollte der Süden unter Militärverwaltung gestellt und demokratisch und egalitär umerzogen werden. Lincoln hingegen beharrte auf seiner Sicht, wonach der SüSchockmoment für eine Nation:
Präsident Lincoln wird am 14. April
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Konföderation die totale Aussichtslosigkeit des eigenen, zunehmend verzweifelten Widerstands deutlich geworden. Beide Seiten streckten immer konkretere Friedensfühler aus. Dabei verdichteten sich die Chancen auf einen Waffenstillstand, der zumindest für die Armee Lees nach einer weiteren schweren Niederlage bei Appomattox am 9. April 1865 unabänderlich wurde.
Appomattox: Robert Edward Lee unterzeichnet die Kapitulation Drei Tage später kapitulierte die konföderierte Armee von Nordvirginia im Appomattox Court House, was zwar noch nicht das Ende sämtlicher Kampfhandlungen, faktisch aber das Ende des koordinierten konföderierten Widerstandes bedeutete. Die Kapitulation wurde in einer schlichten, aber sorgfältig durchkomponierten Zeremonie vollzogen, in der – und das war für die Reintegration der konföderierten Soldaten entscheidend – einerseits die Niederlage der Südstaaten klar und deutlich benannt wurde, andererseits aber Grant seinem Gegenüber Lee und dessen Soldaten ihre Ehrenhaftigkeit bescheinigte. Man gedachte
Unten: Booth und seine Mitverschwörer werden im Juli 1865 hingerichtet. Lincolns Nachfolger wird sein Vizepräsident Andrew Johnson (oben: Gemälde nach Washington Bogart Cooper, um 1866).
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derselbe Offizier, Captain Robert Anderson, der 1861 die Unionsfahne von Fort Sumter eingeholt hatte, sie wieder hissen. Einen Monat später löste sich das Kabinett der Konföderation auf, und Jefferson Davis wurde für kurze Zeit verhaftet. Der Frieden zu Lincolns Bedingungen schien nun möglich. Doch der Präsident sollte ihn nicht mehr erleben, und die folgende Geschichte einen ganz anderen Verlauf nehmen, als er es geplant hatte. Am Abend des 14. April, es war Karfreitag, wurde Abraham Lincoln bei einer Theateraufführung im Forde’s Theatre von dem Schauspieler John Wilkes Booth aus Maryland, einem fanatischen Anhänger der Konföderation, mit einem Schuss aus einer Deringer-Pistole tödlich verwundet. Der Attentäter rief dabei „Sic semper tyrannis“, den Wahlspruch Virginias: „So ergeht es allen Tyrannen!“ Die Komplizen von Booth versuchten zeitgleich, den Vizepräsidenten Andrew Johnson, Kriegsminister Stanton und William H. Seward zu ermorden, was indes scheiterte. Die Nation befand sich im Schockzustand. Für mehrere Tage stand das Leben still. Lincolns Leichnam wurde unter gewaltiger Anteilnahme der gesamten Bevölkerung mit dem Zug in seine Heimatstadt Springfield in Illinois überführt. Anlässlich seiner Beerdigung am Dienstag nach Ostern erklärte ein protestantischer Prediger den Toten zum Christus der Union. Erst mit seinem gewaltsamen Tod wurde Lincoln zu dem Symbol der nationalen Einheit, das er bis heute geblieben ist. Zu Lebzeiten hatte man ihn verspottet, missverstanden oder gar gehasst, nun erhielt er die Züge eines vaterländischen Messias. Im Rotundensaal des Kapitols findet sich ein Bild, auf dem George Washington die Seele seines Nachfolgers in den Himmel geleitet, ein beredter Ausdruck der patriotischen Zivilreligion der USA. Was immer Booth und seine Mitverschwörer angestrebt hatten, es trat nicht ein. Insbesondere Stanton tat sich als rücksichtsloser und entschlossener Verfolger der Attentäter hervor. Die Mitglieder der Gruppe wurden rasch festgenommen und nach kurzem Prozess hingerichtet. Da sich unter ihnen mit Mary Sutton auch eine Frau und Katholikin befand, deren Sohn John Sutton sich zu den päpstlichen Streitkräften hatte retten können, kamen unter evangelikalen Protestanten bald Gerüchte auf, die Jesuiten hätten Lincolns Tod geplant, was umgekehrt unter Katholiken Ängste auslöste, nun würde sich der Furor der radikalen Republikaner gegen sie wenden. Aber dieser zweite Bürgerkrieg blieb aus.
sogar des gemeinsamen Kriegserlebnisses in Mexiko 1846, berief sich also auf die eine amerikaniStellungskrieg. Hier Verteidigungsanlagen bei Petersburg (Foto, 1865). sche Nation und ihre gemeinsame Aufstiegsgeschichte. Eine Siegerjustiz gegenüber den Streitkräften der Konföderation würde es demnach nicht geben. Die besiegten Soldaten konnten als Ehrenmänner nach Hause gehen, was für die Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts von höchster Bedeutung war. Langfristig wurde daraus die Idee des noble cause, eines hehren Ziels, dem im Grunde beide Seiten verpflichtet gewesen seien, womit der Bürgerkrieg zu einer Art Betriebsunfall im Nationswerdungsprozess der Vereinigten Staaten degradiert wurde. Vor allem konnte man auf diese Weise bis in die 1960er, ja bis in die 1980er Jahre die Sklaverei als Kriegsursache vollends ausblenden. Der Krieg, so das neue Narrativ, sei ein Konflikt um eine möglichst patriotische Form der Verfassungsexegese gewesen. Symbolischer Höhepunkt dieser narrativen Umdeutung des Bürgerkriegs waren die Gedenkfeiern von 1913, als sich die Veteranen in Blau und Grau über den Schützengräben von Gettysburg die Hand reichten. Die schwarzen Unionsveteranen mussten allerdings abseits, mehrere Kilometer entfernt, in einer Hütte feiern. Ihr noble cause hatte in diesem Gedenken keinen Raum gefunden. Präsident Lincoln konnte zufrieden sein. In Washington und überall in der Union wurde der Waffenstillstand ekstatisch mit Bällen, Kanonenschüssen und Feuerwerken gefeiert; am 14. April konnte Neben den vielen Feldschlachten
gab es auch langwierige Kämpfe im
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Dafür verschlechterte sich im Gefolge des Mordes an Lincoln die Situation des besiegten Südens. Sein Nachfolger Andrew Johnson war ein Demokrat, dessen politische Motivation allein auf seinem Hass auf die Sklavenhalterelite aufbaute. Über irgendwelchen Rückhalt in der Republikanischen Partei des ermordeten Lincoln verfügte er nicht. Obwohl Johnson im Prinzip an Lincolns maßvollem Plan zur nationalen Wiederversöhnung festhielt, erwies er sich als überaus offen für Korruption, indem er massenhaft Großpflanzer gegen Geldzahlungen begnadigte. In der Folge kam es zu einem massiven innenpolitischen Konflikt mit den radikalen Republikanern, die sogar versuchten, Johnson des Amtes zu entheben, was dieser wiederum dank ausgiebiger Bestechungsgelder zu vermeiden wusste. Dennoch verlor er jede Unterstützung im Kongress, was es den Radikalen erlaubte, seit 1866 ihre Vorstellungen von der Rekonstruktion des Südens durchzusetzen (siehe nachfolgendes Kapitel). Selbst nach der Kapitulation von Appomattox am 12. April 1865 ging die Gewalt, besonders im Westen, noch weiter. Der Krieg wandelte nur seine Gestalt und passte sich den neuen Gegebenheiten des kapitalistischen Zeitalters der Hochindustrialisierung an. Einerseits hatten die Guerillakrieger der unionstreuen Jayhawkers und der konföderierten Bushwhackers bereits in den 1850er Jahren während des „Vorbürgerkriegs“ in Kansas die Zivilbevölkerung terrorisiert. Nun stellten sie sich neu auf. Direkt 1865 setzten die Rancherkriege in den westlichen Territorien ein, in denen demokratische Kleinfarmer gegen oft von britischem Kapital finanzierte republikanische Großgrundbesitzer kämpften, denen es darum ging, die Fleischproduktion des Westens möglichst in eine großflächige Agrarindustrie umzuwandeln. Ehemalige Jayhawkers dienten nun als Sheriffs und Marshals, einstige Bushwhacker, nicht zuletzt aus dem Umfeld des berüchtigten William Quantrill, als Pistoleros in den Diensten der Kleinfarmer – oder einfach als Bankräuber. Dieser Civil War of Incorporation wechselte in den 1890er Jahren neuerlich sein Gesicht. Diesmal kämpften demokratische Minenarbeiter gegen republikanisch kontrollierte Bergwerkkonzerne. Erst um 1920 ließ die Gewalt im Westen dann spürbar nach. Andererseits setzten lokale Milizen und Einheiten der Unionsarmee den Genozid an den indigenen Stämmen der westlichen Prärien fort. Schon in den 1850er Jahren waren in Kalifornien nach Goldfunden die dort lebenden Ureinwohner praktisch aus-
gerottet worden. Im Bürgerkrieg hatten Siedlermilizen die Abwesenheit regulärer Truppen dazu benutzt, gewaltsam gegen Sioux, Cheyenne, Arapahoe, Apachen und Comanchen vorzugehen, was 1864 zu einem großen Aufstand führte. Dabei kam es, etwa am Sand Creek, zu Massakern regulärer Militäreinheiten an Cheyenne und Sioux. Mit Kriegsende wurden ausgerechnet die Unionsgeneräle Sherman und Sheridan in den Westen versetzt, um die „Indianerfrage“ einer endgültigen Lösung zuzuführen. Die militärische Praxis der beiden Hardliner orientierte sich bruchlos an ihren Erfahrungen aus dem Bürgerkrieg. Mit gnadenloser Härte gingen sie gegen die noch unabhängigen Stämme vor. In den 1880er und 1890er Jahren endete dann der gewaltsame Widerstand der Prärieindianer. Sieht man von den Toten des Civil War of Incorporation und der Phase der „Indianerkriege“ nach 1865 einmal ab, hatte der Bürgerkrieg in seiner Kernphase von 1861 bis 1865 geschätzt zwischen 680 000 und 750 000 Menschen das Leben gekostet. Weite Teile des Südens waren verheert und zerstört, die großen Städte Atlanta, Savannah und Columbia lagen in Trümmern. Straßen und Eisenbahnlinien waren zerstört, die Baumwollproduktion lag danieder. Zerstörte Drehscheibe bei Atlanta In der militärgeschichtlichen (Foto, 1866). Die Eisenbahn war Forschung hat man sich seit Jahrim Bürgerkrieg zu einem wichtizehnten immer wieder die Fragen Transportmittel für Truppen ge gestellt, inwieweit der Ameriund Material geworden.
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Abraham Lincoln wurde in den Nordstaaten als Befreier der Sklaven gefeiert. Doch bis zur wirklichen Gleichberechtigung der Afroamerikaner sollte es noch ein langer Weg sein (Emancipation Memorial in Washington, errichtet 1876).
Bürgerkrieg bereits als totalen Krieg einzuschätzen. Unbestreitbar aber stellte er eine Zwischenstation auf dem Weg in den totalen Krieg dar, auch wenn die Zeichen der Zeit von den Zeitgenossen oft übersehen wurden, weil sich die Erfahrung der deutschen Einigungskriege über die Erinnerung an den Krim-Krieg und den Amerikanischen Bürgerkrieg legte. Wichtiger indes dürfte die Frage nach dem Sinn des Massensterbens sein. Ja, die Sklaverei wurde abgeschafft, aber der brasilianische Fall von 1889 zeigt, dass bei etwas mehr Kompromissbereitschaft unter Umständen eine friedliche Lösung der Sklaven-Frage hätte gefunden werden können. Dies gilt noch mehr, weil mit der von Großbritannien ausgehenden Hochindustrialisierung der 1860er und 1870er Jahre die Sklaverei ökonomisch obsolet wurde. Vor allem aber dürfen die Folgen für die schwarze Bevölkerung im Süden nicht vergessen werden. Binnen 20 Jahren büßte sie ihre eben errungenen politischen Partizipationsrechte wieder ein, der ökonomische Aufstieg blieb ihr über Jahrzehnte verwehrt, aus der von Weißen dominierten Gesellschaft des Südens wurde sie rigoros ausgeschlossen. In mancherlei Hinsicht blieb die Freiheit, die man den schwarzen Sklaven seit der Emanzipationsproklamation versprochen hatte, eine Fata Morgana. Nicht die Abolitionisten und schon gar nicht ihre demokratischen und republikanischen Widersacher brachten die Entschlossenheit, den Willen und die Härte auf, um im Süden der USA eine auf echter Teilhabe aller beruhende Ordnung dauerhaft durchzusetzen. Dazu fehlte es auch an einer Mehrheit von Wählern, die dieses Ziel als das ihre betrachteten. So blieb die nationale Einheit als Ergebnis, und um derentwillen erkaufte man sich die Reintegration des Südens durch dessen symbolischen Sieg in der populärkulturellen Darstellung des Konflikts und durch die allgemeine Akzeptanz der Rassensegregation. Erst die Bürgerrechtsbewegung brachte hier seit den 1950er Jahren allmählich echte Veränderung. Am Erbe von Sklaverei und Bürgerkrieg aber arbeiten sich die USA bis zum heutigen Tag ab. Und ein Ende dieses Prozesses ist nicht in Sicht.
kanische Bürgerkrieg bereits als „totaler Krieg“, das heißt als Krieg mit total entgrenzter Gewalt in der Kriegführung, mit totaler Mobilisierung der Zivilbevölkerung und der Industrieproduktion, anzusehen sei. Oft dienten dabei der Erste und der Zweite Weltkrieg als Vergleichsfolie.
Der Bürgerkrieg ist nicht mit Konflikten des 20. Jahrhunderts vergleichbar Inzwischen ist man von dieser Perspektive ein wenig abgerückt. Der Bürgerkrieg scheint eher, wie der Krim-Krieg, als eine Art Scharnier zwischen den Kriegen der vormodernen Massenheere napoleonischen Stils im frühen 19. Jahrhundert und den Weltkriegen der Industriemoderne fungiert zu haben. Obendrein war der Norden von den totalisierenden Tendenzen des Krieges nahezu unberührt. In Maine, Vermont oder Rhode Island bekam man vom Kriegsalltag kaum etwas mit. Wenn überhaupt, war der Süden davon betroffen, etwa während des „Sherman Raid“. Ohne Zweifel aber gab es Hinweise auf die Gestalt kommender militärischer Auseinandersetzungen, so zum Beispiel die Effektivität der Defensive, der Einsatz gepanzerter Kriegsschiffe, der Schützengrabenkrieg oder die bedeutsame Rolle moderner Massenpropaganda. Das allein rechtfertigt aber nicht, den
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„Reconstruction“ des Südens
Eine unvollendete Revolution Manfred Berg
Die bis 1877 andauernde Periode der Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union wird als „Reconstruction“ bezeichnet. Schnell zeigte sich, dass die weiße Elite des Südens keinesfalls gewillt war, die früheren Sklaven als gleichberechtigte Bürger – was sie laut Gesetz nun waren – zu akzeptieren.
Seit Juni 2021 gibt es in den USA einen neuen bundesweiten Feiertag, an dem die Amerikaner des Endes der Sklaverei gedenken: der 19. Juni – „Juneteenth“, wie er in der afroamerikanischen Community heißt. Er geht zurück auf den 19. Juni 1865, den Tag, an dem US-Generalmajor Gordon Granger in Galveston, Texas, eintraf, um auch dort die Autorität der Vereinigten Staaten wiederherzustellen und die Emanzipation der Sklavenbevölkerung durchzusetzen. Granger erließ unverzüglich eine Anordnung, die alle Texaner darüber informierte, dass „alle Sklaven frei sind. Dies bedeutet die absolute Gleichheit der persönlichen Rechte wie der Eigentumsrechte zwischen den früheren Herren und den Sklaven“. Die freedmen („Freigelassenen“), wie die befreiten Schwarzen von den Zeitgenossen genannt wurden, forderte der Generalmajor auf, Ruhe zu bewahren und gegen Lohn weiter auf den Plantagen zu arbeiten. Grangers Proklamation hatte nur lokale Bedeutung und setzte lediglich Präsident Abraham Lincolns am 1. Januar 1863 verkündete Emanzipationserklärung in Kraft. Gleichwohl entwickelte sich „Juneteenth“
In der Zeit nach dem Krieg rangen zum inoffiziellen Feiertag der Afroamerikaner, die das Verspredie befreiten Sklaven (freedmen) um chen auf Freiheit und Gleichbeihre Anerkennung als Bürger. Die Karechtigung einforderten, das sich rikatur (1865) zeigt General Oliver O. mit diesem Tag verband. Mit seiHoward, Präsident des Freedmen’s ner Unterschrift unter den „JuneBureau, beim Versuch, die befreiten teenth National Independence Ex-Sklaven vor der Rachsucht der Day Act“ am 17. Juni 2021 beweißen Südstaatler zu schützen. kräftigte Präsident Joseph Biden erneut das große Versprechen, das in den Jahren nach dem Bürgerkrieg die amerikanische Politik bestimmt hatte und dennoch folgenschwer gescheitert war.
Umsetzung des 13. Verfassungszusatzes Die „Reconstruction“, also die Wiedereingliederung der besiegten Südstaaten in die Vereinigten Staaten, warf zwei zentrale Fragen auf, die untrennbar miteinander verbunden waren: Wie konnten die abtrünnigen Südstaaten wieder als gleichberechtigte Mitglieder in den Unionsverband zurückgeführt werden,
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chen Gleichberechtigung der freedmen jedoch skeptisch gegenüber. Ein langfristiges Zwangs- und Besatzungsregime widersprach zudem der föderalen Ordnung der USA. Vor allem die Demokraten und die konservativen Republikaner wünschten eine rasche Rückkehr zu den Vorkriegsverhältnissen, als sich die Staaten weitgehend selbst regiert hatten. Bereits Lincoln hatte im Interesse der nationalen Versöhnung relativ milde Friedensbedingungen in Aussicht gestellt, war damit aber in der eigenen Partei auf Widerstand gestoßen. Sein Nachfolger Andrew Johnson, ein ehemaliger Demokrat und unionstreuer Südstaatler, hasste zwar die PflanzerAristokratie des Südens, hegte aber wenig Sympathien für die freedmen. Johnsons politisches Kalkül zielte darauf, sich eine eigene Wählerbasis unter den einfachen weißen Südstaatlern zu schaffen. Die Bedingungen, die er für die Wiederaufnahme in die Union stellte, fielen daher überaus großzügig aus. Mit Ausnahme der politischen und militärischen Führer der Konföderation sollten alle Südstaatler, die einen Eid auf die Union leisteten, in den Genuss einer Amnestie kommen und ihre staatsbürgerlichen Rechte zurückerhalten. Von einer Bestrafung der konföderierten Amtsträger, die sich immerhin des Hochverrats schuldig gemacht hatten, war keine Rede mehr. Die Südstaaten mussten lediglich die Sezession und die Kriegsschulden der Konföderation widerrufen sowie den 13. Verfassungszusatz ratifizieren, doch über die Abschaffung der Sklaverei hinaus verlangte der Präsident keinerlei Garantien für die Rechte der freedmen. Die Südstaatler nahmen das Angebot einer raschen Rückkehr in die Union gerne an, aber bei den Wahlen, die Sommer und Herbst 1865 abgehalten wurden, gewannen fast überall ehemalige Repräsentanten und Offiziere der Konföderation. Zudem erließen die neugewählten Staatslegislativen unverzüglich sogenannte black codes, die offensichtlich das Ziel verfolgten, die befreiten Sklaven wieder auf den Status von Leibeigenen herabzudrücken. Die neuen Gesetze gestanden ihnen zwar das Recht auf Eheschließung und persönlichen Besitz zu, doch durften sie vor Gericht weiterhin nicht gegen Weiße aussagen oder als Geschworene dienen. Insbesondere schrieben die „Black Codes“ vor, dass alle Schwarzen Arbeitsverträge schließen mussten; ansonsten konnten sie als Landstreicher festgenommen und zur Arbeit gezwungen werden. In mehreren Staaten erlaubten es die „Black Codes“, Afroamerikaner für kleinste Vergehen oder „aufrühre-
ohne eine neue Rebellion zu riskieren? Und welche bürgerlichen und politischen Rechte sollten die Verhältnissen, hier in Richmond freedmen erhalten? Bei Kriegsende (Virginia, Foto von 1865). gab es darauf keine klaren Antworten, nicht einmal die endgültige Abschaffung der Sklaverei war gesichert. Erst im Dezember 1865, als er von einer ausreichenden Zahl von Staaten ratifiziert worden war, trat der 13. Verfassungszusatz in Kraft, der nun überall in den USA Sklaverei und Zwangsarbeit – außer als Strafe für verurteilte Verbrecher – verbot. Doch damit war noch nichts darüber gesagt, ob die befreiten Sklaven gleichberechtigte Bürger sein sollten. Für den Journalisten und Abolitionisten Frederick Douglass stand fest, dass der Krieg zu einer neuen Union der Gleichheit führen müsse, in der „jeder freie Mann das Wahlrecht“ erhält. Auch der radikale Flügel der Republikanischen Partei um Thaddeus Stevens (1792–1868) und Charles Sumner (1811–1874) vertrat die Auffassung, dass nur die volle Gleichberechtigung und das Wahlrecht für schwarze Männer den Sieg auf dem Schlachtfeld politisch dauerhaft sichern konnten. Stevens erklärte, ohne eine „Revolution der Institutionen und Sitten“ des Südens hätten die Unionssoldaten ihr Blut umsonst vergossen. Die Mehrheit der Nordstaatler befürwortete zwar die Abschaffung der Sklaverei, stand der bürgerliDie Sklaven lebten nach ihrer
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rische Reden“ zur Zwangsarbeit zu verurteilen. Obwohl die US-Armee und das Kriegsministerium die meisten dieser Vorschriften erst einmal außer Kraft setzten, demonstrierten die „Black Codes“, dass der Süden eine strikt hierarchische Rassenhierarchie anstrebte, die der Sklaverei so ähnlich wie möglich sein sollte.
prophezeite Gewaltorgie ausgeblieben. Die befürchteten Aufstände fanden nicht statt, und individuelle Racheakte waren seltene Ausnahmen. Die freedmen benahmen sich keineswegs wie „blutrünstige Wilde“, doch machten sie von ihrer neuen Freiheit Gebrauch und verließen in Scharen die Plantagen, um Familienangehörige oder bessere Arbeitsbedingungen zu suchen. Viele zog es auch in die Städte des Südens, aber nur wenige wanderten in den Norden. Um ihnen den Übergang in die Freiheit zu erleichtern, hatte der Kongress schon im März 1865 das sogenannte Freedmen’s Bureau eingerichtet. Das Bureau unterstand dem Kriegsministerium und wurde von General Oliver Otis Howard geleitet. Die meisten seiner Mitarbeiter waren US-Offiziere sowie freiwillige zivile HelLaut den „Black Codes“ konnten arfer, von denen viele zuvor in der beitslose Afroamerikaner zur ArAbolitionsbewegung aktiv gewebeit gezwungen werden. Hier die sen waren. Zu den Aufgaben der „Ersteigerung“ von Leibeigenen in Agentur gehörte es, die befreiMonticello (Florida, Stich von 1867).
Die befürchtete Gewaltorgie der befreiten Sklaven bleibt aus An eine Rückkehr zum sentimentalen Paternalismus der Vorkriegszeit war freilich nicht mehr zu denken, stattdessen beherrschte nun die Furcht vor dem „Rassenkrieg“ die Imagination des weißen Südens. Früher seien die Sklaven wie „sanfte Tiere“ gewesen, räsonierte ein Pflanzer aus Georgia, nun ist „der Neger instinktiv unser Feind“. Tatsächlich aber war die von der konföderierten Greuelpropaganda für den Fall der Emanzipation
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ten Schwarzen mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorsharecropper gepachtetes Land. gen und ihnen bei der Suche nach Doch viele gerieten dabei in die Angehörigen und Arbeit zu helSchuldenfalle und wurden in der fen. Das „Bureau“ konnte zudem Folge zur Arbeit ohne Lohn geunfaire Arbeitsverträge annulliezwungen (kolorierter Stich, 1866). ren. Da die früheren Sklavinnen und Sklaven fast alle Analphabeten waren, hatte der Aufbau von Schulen Priorität. Bis 1872 gründete das Freedmen’s Bureau Tausende Schulen im Süden, wo es zuvor überhaupt kein öffentliches Schulwesen gegeben hatte. Eine afroamerikanische Zeitung nannte das „Bureau“ anerkennend „den ersten Freund der freedmen“, doch es hatte auch viele Feinde, darunter nicht zuletzt Präsident Johnson, der die Behörde schon 1866 durch ein präsidiales Veto zu kippen versuchte, damit aber am Kongress scheiterte. Die Eliten des Südens und die Demokratische Partei hetzten gegen die angebliche „Bevorzugung“ der Schwarzen, obwohl auch viele Weiße von den Maßnahmen, insbesondere vom Aufbau öffentlicher Schulen, profitierten. Nach nur sieben Jahren musste das Freedmen’s Bureau seine Tätigkeit einstellen, nachdem der Kongress eine weitere Verlängerung abgelehnt hatte. Anfänglich sollte das „Bureau“ auch für die Verteilung von Land an die befreiten Sklaven zuständig sein. Viele radikale Republikaner hielten es für ein Gebot der Gerechtigkeit, die Macht der PflanzerAristokratie durch Enteignung zu brechen und das
Land denjenigen zu geben, die darauf im Schweiß ihres Angesichtes geschuftet hatten. Nur auf eigenem Land würden die freedmen in der Lage sein, sich unabhängige Existenzen aufzubauen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Die bekannteste Landverteilung, die berühmte „Field Order No. 15“ des Unionsgenerals William T. Sherman, war allerdings aus der Not geboren und hatte nur kurze Zeit Bestand. Im Januar 1865 befahl der General, der sich auf seinem Feldzug durch den Süden mit immer mehr hilfesuchenden Sklavinnen und Sklaven konfrontiert sah, die Konfiskation der von ihren Besitzern verlassenen Plantagen in den Küstengebieten von Florida, Georgia und South Carolina. Jede schwarze Familie erhielt 40 Acres (rund 16 Hektar) sowie ein Maultier oder ein Pferd. Insgesamt kamen rund 40 000 freedmen in den Genuss der Maßnahmen, aber Präsident Johnson machte Shermans Anordnung bereits nach wenigen Monaten rückgängig und befahl die Rückerstattung der Plantagen an die früheren Eigentümer. Bis in unsere Gegenwart steht das Schlagwort „Forty Acres and a Mule“ nach Auffassung vieler Afroamerikaner für das gebrochene Versprechen der „Reconstruction“ auf Freiheit und Unabhängigkeit. Ob eine Landreform den befreiten Sklaven tatsächlich eine tragfähige ökonomische Grundlage verschafft hätte, muss Spekulation bleiben, denn politisch war sie nicht durchsetzbar. Privateigentum war – und ist – der amerikanischen Gesellschaft hei-
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stabile Familien, so dass bereits um 1870 80 Prozent aller schwarzen Kinder des Südens mit beiden Elternteilen zusammenlebten. Den Kern der neuen Black Community bildeten die schwarzen Kirchen. Seit dem späten 18. Jahrhundert hatten fast alle Afroamerikaner, freie wie versklavte, das Christentum angenommen, aber dabei den evangelikalen Protestantismus mit afrikanischen Traditionen verschmolzen. Während die Sklavenhalter zu Gehorsam gegenüber Gott und der Obrigkeit mahnten, stellten die schwarzen Prediger der „unsichtbaren Kirche“ die prophetischen Botschaften des Alten und Neuen Testaments, die Befreiung und Erlösung verhießen, ins Zentrum. In ihrem Streben nach religiöser Autonomie knüpften die neuen Kirchengemeinden an bestehende Strukturen wie die am Ende des 18. Jahrhunderts gegründete African Methodist Episcopal Church an, doch daneben entstanden zahlreiche unabhängige Baptistengemeinden. Die schwarzen Kirchen boten ihren Mitgliedern emotionalen Rückhalt und schufen Netzwerke für gegenseitige Hilfe. Niemand verfügte über mehr Einfluss und ReDie Kirchen der Afroamerikaner spekt unter der afroamerikanischen (hier eine Pfingstgemeinde in Bevölkerung als der Reverend, der Gemeindeprediger. Philadelphia; Stich, 1829) nahmen Vor allem übernahmen die schwarnach dem Ende des Bürgerkriegs zen Kirchen, zusammen mit dem in den Südstaaten eine zentrale Freedmen’s Bureau, die Führung beim Rolle für die Bildung der befreiAufbau des Schulwesens. Vor dem ten Sklaven ein.
lig. Der Südstaaten-Aristokratie nach ihrem menschlichen Eigentum nun auch noch ihr Land zu nehmen und es an die ehemaligen Sklaven zu verteilen, schmeckte zu sehr nach radikaler sozialer Revolution. Dass die Bundesregierung gleichzeitig rund 160 Millionen Acre (65 Millionen Hektar) Bundesland im Westen an weiße Siedler verteilte, störte dagegen niemanden. Die freedmen, so sahen es auch die meisten Republikaner, sollten sich erst einmal als freie Arbeiter verdingen. Auch General Howard ermahnte sie: „Ihr müsst die Leiter von unten hochsteigen!“ Die freedmen jedoch wollten nicht wieder, wie es in Zeiten der Sklaverei üblich war, in Kolonnen – gangs – auf den Plantagen arbeiten. In einer Gesellschaft, in der freie Farmer das soziale Ideal repräsentierten, strebten sie nach eigenem Land oder wenigstens nach etwas, das so ähnlich aussah. Auch die Pflanzer waren keine Freunde der Lohnarbeit, weil der nach dem Bürgerkrieg herrschende Arbeitskräftemangel schwarzen und weißen Landarbeitern eine günstige Verhandlungsposition verschaffte. Innerhalb relativ kurzer Zeit entwickelte sich in der Landwirtschaft des Südens ein Pachtsystem, das sharecropping genannt wurde. Die Pflanzer teilten ihre Plantagen in Parzellen auf und verpachteten diese gegen einen Teil der Ernte an schwarze Familien, denen sie außerdem Saatgut, Nutztiere und Gerätschaften auf Kredit zur Verfügung stellten. Die freedmen gerieten so rasch in die Schuldenfalle. In der Praxis entwickelte sich das sharecropping zu einer neuen Form der unfreien Arbeit, denn solange sie ihre Schulden nicht bezahlt hatten, durften sie die Plantage nicht verlassen. Das System zementierte die Abhängigkeit des Südens von der Baumwolle, aber im Unterschied zum Boom der Vorkriegszeit gingen Produktivität und die Nachfrage nach amerikanischer Baumwolle auf dem Weltmarkt merklich zurück. Der Süden wurde zum Armenhaus der USA, wo die schwarze Landbevölkerung nach dem Ende der „Reconstruction“ zum rechtlosen Agrarproletariat herabsank. Gleichwohl dürfen die Umwälzungen, die Emanzipation und „Reconstruction“ im Leben der freedmen bewirkten, nicht kleingeredet werden. Als Sklaven waren sie das bewegliche Eigentum ihrer Herren und deren Willkür beinahe schutzlos ausgeliefert gewesen. Die Befreiung verschaffte ihnen nicht nur ein bis dahin unbekanntes Maß an persönlicher Autonomie, sondern auch die Chance, ein soziales Leben außerhalb weißer Kontrolle aufzubauen. So gründeten die früheren Sklavinnen und Sklaven relativ schnell
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Bürgerkrieg war es im Süden streng verboten gewesen, Sklaven das Lesen und Schreiben beizubringen, und in Charleston, South Carolina auch nach der Emanzipation wider(kolorierter Holzstich, 1866). setzte sich die Pflanzer-Elite der Einrichtung öffentlicher Schulen. Die freedmen sollten billige und fügsame Arbeitskräfte bleiben, Bildung würde sie nur aufsässig machen. Gegen das verbreitete rassistische Zerrbild, dem zufolge Schwarze nur für harte körperliche Arbeit, nicht aber für anspruchsvollere geistige Tätigkeiten geeignet seien, ermahnten die afroamerikanischen Führer unermüdlich, dass „Freiheit und Schulbuch“ zusammengehörten, wie es die Zeitung „Black Republican“ ausdrückte. Zwischen 1865 und 1872 gründete das Freedmen’s Bureau mehr als 4000 Schulen mit über 9000 Lehrerinnen und Lehrern. Unter dem Lehrpersonal fanden sich viele von Missionsgesellschaften entsandte Weiße aus dem Norden, aber auch Angehörige der kleinen afroamerikanischen Bildungsschicht. Da die Gelder des Bundes und der Einzelstaaten nicht reichten, mussten die lokalen schwarzen Gemeinden selbst erhebliche Mittel für den Bau der Schulgebäude und die Lehrergehälter aufbringen. Doch trotz aller Widrigkeiten besuchte bereits 1870 jedes vierte schwarze Kind im Süden eine öffentliche Schule.
Dass die Schulen nach Rassen getrennt waren, stellten freilich nicht einmal die republikanischen Verbündeten der freedmen in Frage. Dasselbe gilt für die Gründungen der ersten höheren Bildungsanstalten, die ebenfalls vom Freedmen’s Bureau ausgingen und von Philanthropen aus dem Norden finanziert wurden. Zu diesen „Historically Black Colleges“, wie sie bis heute genannt werden, gehören das Hampton Institute in Virginia, die Atlanta University in Georgia, die Fisk University in Tennessee und die Howard University in der Hauptstadt Washington, D.C. – benannt nach General Oliver Otis Howard, der auch der erste Präsident der Universität wurde.
Blick in ein Klassenzimmer der
„Zion-Schule für farbige Kinder“
Das Besatzungsregime greift härter durch Alle diese Errungenschaften der „Reconstruction“ waren nur möglich, weil der Kongress 1866 die von Präsident Johnson betriebene Politik der schnellen Versöhnung beendete und den Süden einem strengen Besatzungsregime unterwarf. Der Trotz, mit dem die Südstaatler sich weigerten, die Niederlage anzuerkennen, führte zu einem Umschwung der öffentlichen Meinung im Norden, die jetzt mehrheitlich drastische Maßnahmen befürwortete, um die Rebellen endlich zur Räson zu bringen. Zu diesem Zweck verbündeten sich die radikalen und moderaten Republikaner gegen Johnson. Ende 1865
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machte der mehrheitlich republikanische Kongress von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch und verweigerte den neugewählten Delegierten aus den Staaten der ehemaligen Konföderation die Sitze. Zudem verabschiedeten die Volksvertreter zahlreiche Gesetze zum Schutz der freedmen und ihrer Rechte. Das bedeutendste Projekt war der 14. Verfassungszusatz, der alle in den Vereinigten Staaten geborenen Personen, also auch die ehemaligen Sklaven, zu US-Bürgern erklärte, die vor dem Gesetz gleich waren. Johnson legte gegen die Verfassungsänderung erfolglos sein Veto ein, und auch sein Versuch, bei den Kongresswahlen im November 1866 die republikanische Mehrheit zu brechen, scheiterte kläglich. Die Republikaner errangen einen Erdrutschsieg, der es ihnen erlaubte, den Südstaaten neue Bedingungen für die Wiederzulassung zur Union zu diktieren. Der „Reconstruction Act“ vom März 1867 erklärte die unter Johnsons Plan gewählten Regierungen für abgesetzt und unterteilte die ehemaligen Konföderierten Staaten in fünf Militärbezirke unter dem Kommando von Militärgouverneuren. Die Staaten sollten so lange dem Besatzungsregime unterworfen sein, bis sie die Bedingungen für eine Rückkehr in die Union erfüllt hatten. Dazu gehörten die Ratifizierung des 14. Verfassungszusatzes und die Verabschiedung von Einzelstaatsverfassungen, die allen schwarzen Männern das gleiche Wahlrecht garantieren mussten.
Die Strategie der Republikaner zielte darauf ab, die alten Eliten des Südens vorerst aus dem politischen Leben auszuschalten und eine Koalition aus unionstreuen weißen Südstaatlern, zugewanderten Nordstaatlern und den freedmen zu schmieden, die gemeinsam ein Bollwerk gegen ein Wiederaufleben der Rebellion bilden sollten. Da Johnson seinen Widerstand gegen die Politik des Kongresses fortsetzte – unter anderem durch die Ernennung konservativer Militärs –, eröffnete die republikanische Mehrheit Anfang 1868 ein Amtsenthebungsverfahren. Der Anlass für die Zuspitzung des Konflikts war ein Gesetz, das es dem Präsidenten untersagte, Kabinettsmitglieder ohne Zustimmung des Senats zu entlassen – konkret ging es um Kriegsminister Edwin Stanton, einen Sympathisanten der radikalen Republikaner. Johnson hielt das Gesetz für verfassungswidrig und entließ Stanton. Das Impeachment scheiterte allerdings knapp, weil mehrere republikanische Senatoren sich weigerten, den Präsidenten wegen einer politischen Meinungsverschiedenheit abzusetzen anstatt wegen der in der Verfassung bestimmten Tatbestände des „Verrats, der Bestechung oder anderer Verbrechen In Nashville (Tennessee) wurde 1866 und Vergehen“. die Fisk University als erste HochPolitisch war Johnson dennoch schule des Staats für Schwarze geerledigt. Bei den Präsidentschaftsgründet. Hier ein Gruppenbild des wahlen im November 1868 siegChors der Universität (Foto, um 1879).
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te der ehemalige Oberbefehlshasollte die Gleichstellung der Afrober der Unionsstreitkräfte und amerikaner beschleunigen: Es war Kriegsheld Ulysses S. Grant, der für die Republikaner antrat, mit fortan verboten, das Wahlrecht breiter Mehrheit. aufgrund von „Rasse, Farbe oder So dominant die Republikaeines früheren Status als Sklave“ nische Partei in der nationalen einzuschränken (Plakat anlässlich Politik war, so prekär blieb ihre des Beschlusses, 1870). Machtstellung im Süden. Bei der großen Mehrheit der weißen Südstaatler war sie als Partei der Yankees und der zugewanderten Kriegsgewinnler – carpetbaggers genannt – verhasst. Die Zahl der unionstreuen Südstaatler war zu gering, um ihr dauerhaft eine Basis zu geben. Ihr Rückgrat bildeten die freedmen, die schätzungsweise vier Fünftel aller republikanischen Wähler im Süden stellten und die Partei der Emanzipation loyal unterstützten. Doch stand das Wahlrecht der Schwarzen auf tönernen Füßen, solange es allein auf Bundesgesetzen beruhte, die eine neue Kongressmehrheit jederzeit annullieren konnte. Außerdem ließ sich kaum begründen, dass der Norden dem Süden das Wahl-
recht für schwarze Männer oktroyierte, die meisten Nordstaaten Afroamerikaner jedoch vom Wählen ausschlossen. Den Ausweg aus diesem Dilemma sollte ein weiterer Verfassungszusatz eröffnen. Das 15. Amendment, das im Februar 1869 den Kongress passierte und ein Jahr später in Kraft trat, nachdem es drei Viertel der Bundesstaaten ratifiziert hatten, untersagte überall in den USA die Verweigerung oder Beschränkung des Wahlrechts aufgrund von „Rassenzugehörigkeit, Hautfarbe oder früherem Sklavenstatus“. Die Nordstaatler akzeptierten die Verfassungsänderung, weil im Norden afroamerikanische Wähler zahlenmäßig kaum ins Gewicht fielen und weil das Amendment als politischer Schutz für die freedmen unverzichtbar schien. Ohne den Stimmzettel, argumentierten deren Wortführer, „ist der Neger tot“. Der Wortlaut des Artikels war allerdings eng gefasst und sprach lediglich ein spezifisches Diskriminierungsverbot aus. Nach dem Ende der „Reconstruction“ ersannen die Südstaaten zahlreiche Wahlrechtsqualifikationen, etwa Lese- und Schreib-
Der 15. Verfassungszusatz von 1870
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test, die es ihnen erlaubten, Schwarze vom Wählen auszuschließen, ohne einen Buchstaben des 15. Verfassungszusatzes zu verletzen. Solange die Südstaaten von republikanischen Administrationen regiert wurden und die US-Armee und das Freedmen’s Bureau das Wahlrecht der Afroamerikaner schützte, nahmen diese enthusiastischen Anteil an der Politik. Auch wenn den meisten die Erfahrung und das Wissen fehlten, verstanden sie sehr wohl, dass der Stimmzettel eine Waffe war, um sich gegen neue Unterdrückung zu schützen. In vielen lokalen Gemeinden gründeten sie „Unionsbünde“, die sowohl der politischen Mobilisierung als auch dem Selbstschutz dienten. Die Führung übernahmen oft Veteranen der Unionsarmee, die stolz darauf waren, die Einheit der Nation auf dem Schlachtfeld verteidigt zu haben, und nun als Bürger Mitsprache einforderten. Wer als Soldat für die Union gekämpft habe, so hieß es in unzähligen Petitionen, auf den sei auch als Bürger und Wähler Verlass. Da die Gesetze der „Reconstruction“ zahlreiche ehemalige Konföderierte vorerst von den Urnen ausschlossen, übten schwarze Wähler und Kandidaten besonders dort, wo Afroamerikaner die Bevölkerungsmehrheit stellten, erheblichen Einfluss aus. Insgesamt wurden fast 2000 Afroamerikaner während
der „Reconstruction“ in politische Ämter gewählt, die meisten auf lokaler Ebene, aber immerhin 22 auch in den US-Kongress, darunter zwei US-Senatoren. Die Legislative von South Carolina hatte zeitweilig eine schwarze Mehrheit, und in Mississippi lag der Anteil der schwarzen Abgeordneten bei 50 Prozent. Auch in den republikanisch dominierten Administrationen der Südstaaten bekleideten Afroamerikaner hohe Posten. Die politische Welt des Südens stand auf dem Kopf. Das Gespenst der „Negerherrschaft“, das die Weißen dort seit langem verfolgte, schien Wirklichkeit geworden zu sein.
Rassistische Gewaltexzesse verbreiten Angst und Schrecken Die Eliten des Südens dachten freilich nicht daran, sich kampflos mit ihrem Machtverlust abzufinden. „Ich werde fast alles tun und mich jedem Regiment unterwerfen, um der Niggerherrschaft zu entgehen“, gelobte ein Pflanzer aus Alabama. Auch nach der militärischen Kapitulation der Konföderation herrschte im SüDie früheren Sklaven wurden vieden kein Frieden. Die „Reconlerorts Opfer von Massakern, wie struction“ war vielmehr eine Zeit etwa im Mai 1866 in Memphis, extremer Gewalt, die im GrunTennessee (zeitgenössischer Stich).
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Mai 1866 in Memphis, Tennessee, fast 50 Todesopfer unter der schwarzen Bevölkerung forderten, versuchten die Angreifer, möglichst viele Afroamerikaner aus der Stadt zu jagen. Diese sogenannten race riots („Rassenunruhen“) waren in Wirklichkeit pogromartige Attacken weißer Mobs auf schwarze Wohnviertel und hatten häufig einen politischen Hintergrund. Im Juli 1866 attackierten in New Orleans mehr als 1000 bewaffnete weiße Demokraten die von schwarzen und weißen Republikanern einberufene Staatsversammlung, die Louisiana eine neue Verfassung geben sollte. Die Polizei machte keinerlei Anstalten, den Konvent zu schützen, sondern schoss wahllos auf die Delegierten. Mindestens 40 Menschen wurden getötet und Hunderte verletzt. Der race riot in New Orleans markierte einen ersten Höhepunkt des konterrevolutionären Terrors, dessen blutige Spur die „Reconstruction“ bis zu ihrem Ende durchzog. Die Propaganda der Südstaaten-Demokraten behauptete, dass es sich bei solchen Gewaltaktionen um legitime Selbstverteidigung des Südens handle, weil ihn rachsüchtige Yankees der „Negerherrschaft“ unterwerfen wollten. Der Appell, die Ehre des Südens und die weiße Vorherrschaft mit allen Mitteln zu schützen, fand breiten Widerhall. Unter den Vigilantengruppen, die sich nach dem Bürgerkrieg überall im Süden bildeten, ragte der bis heute existieren-
de eine Fortsetzung des Bürgerkrieges darstellte. Wie 1866 Angst und Schrecken (Foto, um nach der Sezession 1860/61 konnte die alte Sklavenhal1870). 1882 wurde die Organisation offiter-Oligarchie weiterhin auf ziell als verfassungswidrig erklärt. Neudie Solidarität der großen gründungen gibt es allerdings bis heute. Mehrheit der weißen Südstaatler zählen, die eine soziale Revolution, die sie mit den Ex-Sklaven auf eine Stufe stellte, strikt ablehnte. Zudem fürchteten weiße Farmer, Pächter und Tagelöhner die freedmen als Konkurrenten um Land und Arbeitsplätze. Der Schlachtruf der „weißen Vorherrschaft“ – white supremacy – kaschierte die Klassengegensätze des Südens und gab den weißen Unterschichten das Gefühl, zur „herrschenden Rasse“ zu gehören. Rassistische Mobgewalt richtete sich oft gezielt gegen die Symbole der Emanzipation. Neuerrichtete Schulen für die freedmen gingen in Flammen auf, und ehemalige Sklaven, die es geschafft hatten, Land zu erwerben, wurden mit Gewalt von ihren Farmen vertrieben. Bei den „Unruhen“, die im Die Mitglieder des Ku-Klux-Klans verbreiteten unter den Afroamerikanern seit
Wirtschaftskrise von 1873: In der Karikatur aus dem „Daily Graphic“ wird die Wall Street von „Müll“ gereinigt.
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de Ku-Klux-Klan heraus. Gegründet wurde der Klan 1866 von konföderierten Veteranen in Tennessee. Der Name war vermutlich dem griechischen Wort für Kreis, kuklos, nachempfunden und sollte geheimnisvoll klingen. Nächtliche Initiationsrituale und Maskeraden verstärkten die geheimbündlerische Aura, die besonders junge Männer anzog, denen der Frieden zu langweilig war. Bis Anfang 1868 breitete sich der Ku-Klux-Klan in allen Südstaaten aus und wurde de facto zum paramilitärischen Arm der Demokratischen Partei. Grandiose Titel wie „Grand Wizard“ und „Grand Cyclop“ und die Selbstbezeichnung als „Invisible Empire“ erweckten den Eindruck, es handle sich um eine straff geführte Organisation, die jedoch niemals existierte. Dennoch gelang es dem Klan Ende der 1860er Jahre, in weiten Teilen des Südens Angst und Schrecken zu verbreiten. Sein Terror sollte Unionisten einschüchtern und die befreiten Afroamerikaner auf „ihren Platz“ verweisen. Afroamerikaner, die als Aktivisten der Republikaner bekannt waren, mussten stets auf Besuche des Klans gefasst sein. Schätzungen zufolge ermordete der Klan zwischen 1868 und 1871 bis zu 20 000 Afroamerikaner. Wer nur „zur Warnung“ ausgepeitscht wurde, konnte sich glücklich schätzen. In Georgia kastrierten Klan-Terroristen den schwarzen Republikaner Henry Lowther. Die Botschaft war unmissverständlich: Politik war das Privileg weißer Männer. Indem sie ihr Opfer entmannten, stießen sie Lowther symbolisch wieder auf „seinen Platz“. Dadurch, dass schwarze Männer soziale und politische Gleichheit beanspruchten, weckten sie zugleich sexuelle Ängste. Die rassistische Propaganda malte genüsslich das Gespenst des „schwarzen Vergewaltigers“ an die Wand, der die Tugend weißer Frauen und die Integrität der „weißen Rasse“ bedrohe. Lynchmorde an Afroamerikanern wurden oft mit angeblichen sexuellen Übergriffen gerechtfertigt, auch wenn die wahren Motive ganz andere waren. Die schwarzen Gemeinden des Südens nahmen Klan-Terror und Mobgewalt keineswegs widerstandslos hin. Vielerorts formierten sich Selbstschutzkompanien, die den night riders und Lynchmobs die Stirn boten. Aber auf Dauer hatten sie gegen die Übermacht der Rassisten keine
Chance. Die in den Südstaaten stationierten Besatzungstruppen bemühten sich zwar ernsthaft, die politische Gewalt einzudämmen, waren aber zahlenmäßig schwach und verfügten nur über eingeschränkte Befugnisse. So durfte das US-Militär keine Zivilisten aburteilen, sondern musste Klan-Männer an ordentliche Gerichte überstellen, wo weiße Geschworene sie regelmäßig freisprachen. Die Zukunft der freedmen hing davon ab, wie lang der Norden und die Bundesregierung gewillt waren, ihre Rechte zu schützen. Vor allem Demokraten und konservative Republikaner wünschten Versöhnung und ein rasches Ende des Besatzungsregimes. Nachdem ein Untersuchungsausschuss schockierende Einzelheiten über die Gewalttaten des Klans zutage gebracht hatte, gelang es der republikanischen Mehrheit im Kongress jedoch, zwischen März 1870 und April 1871 drei sogenannte „Enforcement Acts“ zu verabschieden, die den Militärbehörden vor Ort größere Befugnisse gaben und den Präsidenten autorisierten, über einzelne Gebiete den Ausnahmezustand zu verhängen. Vor allem in den Carolinas und in Mississippi erfolgten MassenBei der Präsidentschaftswahl von verhaftungen, und Bundesgerich1876 gab es zahlreiche Unregelmäte verurteilten zahlreiche Klanßigkeiten, unter anderem wurden Männer zu Haftstrafen, die sie im afroamerikanische Wähler unter Bundesgefängnis von Albany, Druck gesetzt (zeitgenössische New York, verbüßen mussten. Karikatur).
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Unionsveteranen aus dem Bürgerkrieg unterstützen 1876 mit einem Fackelzug den republikanischen Kandidaten Rutherford B. Hayes (zeitgenössischer kolorierter Holzstich).
Auch wenn die Erfolge begrenzt blieben, stiftete das härtere Durchgreifen Verwirrung in den Reihen des Klans und trug dazu bei, dass die nächtlichen Überfälle und Lynchmorde deutlich zurückgingen.
gewinnler und ihre schwarzen Günstlinge, die angeblich die Staatskassen plünderten, während die Bürger im ganzen Land unter hohen Steuern ächzten. Vor diesem Hintergrund verloren immer mehr Nordstaatler die Lust daran, den Süden auf unbeschränkte Zeit mit vorgehaltenem Bajonett zu regieren. Der Horrorgeschichten über Gewalt und Massaker überdrüssig, zogen sie die Konsequenz, dass die „Negerfrage“ der nationalen Versöhnung nicht länger im Weg stehen dürfe. Mit dem politischen Rückhalt für die „Reconstruction“ in Washington schwand auch die Wirkung der „Enforcement Acts“. Obwohl der Terror gegen schwarze und weiße Republikaner weiterging, reduzierte die Bundesregierung die Zahl der Besatzungstruppen. Nur noch wenige Vigilanten wurden angeklagt, Amnestie dafür umso großzügiger gewährt. Im Jahr 1876 erklärte der Oberste Gerichtshof der USA schließlich Teile der Gesetze für verfassungswidrig, weil die Bundesregierung nicht befugt sei, Privatpersonen für Straftaten in den Einzelstaaten anzuklagen.
Die Wirtschaftskrise lenkt den Fokus auf andere Themen Letztlich verzögerten diese Maßnahmen jedoch nur den Triumph der Konterrevolution, denn den Norden plagten zunehmend andere Sorgen als die leidige „Reconstruction“. Ein als „Panik von 1873“ bekannter Bankenkrach stürzte die USA in eine langanhaltende wirtschaftliche Depression mit Massenarbeitslosigkeit, Streik- und Pleitewellen. Die Grant-Administration machte vor allem durch Korruption von sich reden, so dass ihr Teile der Republikanischen Partei die Gefolgschaft aufkündigten. Die Demokraten denunzierten die republikanischen Regierungen des Südens als Selbstbedienungsläden für Kriegs-
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So gab das Gericht etwa der Klage dreier weißer Männer statt, die für ihre Beteiligung am berüchtigten Massaker von Colfax, Louisiana, verurteilt worden waren, wo 1873 eine Parteiarmee der Demokraten eine schwarze Miliz überwältigt und Dutzende wehrlose Gefangene abgeschlachtet hatte. Auf der politischen Ebene führte eine vom Kongress gewährte Generalamnestie dazu, dass alle ehemaligen konföderierten Amtsträger das aktive und passive Wahlrecht zurückbekamen. Die Zeichen der Zeit waren unübersehbar. Viele der republikanischen Nordstaatler, die nach dem Krieg in den Süden gekommen waren, kehrten heim, und viele weiße Südstaatler, die sich während der „Reconstruction“ aus Überzeugung oder Opportunismus den Republikanern angeschlossen hatten, erkannten, dass sie die Seiten wechseln mussten. Aus Sicht der alten Führungsschichten des Südens war die Zeit gekommen, die Heimat endgültig vom Joch der Yankees zu befreien. Die Wahlerfolge der „Erlöser“ – redeemers, wie sie sich selbst nannten – wurden fast überall von Wahlbetrug und Gewalt begleitet. Zwar spielte der Klan keine größere Rolle mehr, doch Parteiarmeen, die als „Weißer Bund“ oder „Rothemden“ bekannt waren, sprengten vielerorts Versammlungen der Republikaner, bedrohten Wähler und besetzten Wahllokale. Trotz ihres zähen Widerstandes und ihrer Loyalität gegenüber der Union fehlten der afroamerikanischen Bevölkerung die Mittel, um die Gegenrevolution des weißen Südens verhindern zu können. „Diese Feiglinge fallen über uns her, weil wir in der Minderheit sind und weil wir treu zu dem Staat stehen, der die Rebellen unterworfen und triumphal die Flagge unserer Nation auf den Ruinen der südlichen Konföderation errichtet hat“, schrieb ein verbitterter afroamerikanischer Journalist. Bis 1875 hatten die Südstaaten-Demokraten in fast allen Staaten der ehemaligen Konföderation die Macht zurückerobert. Das endgültige Aus für die „Reconstruction“ kam im Gefolge der Präsidentschaftswahlen von 1876, die zu den korruptesten der US-Geschichte zählen. Weder der republikanische Kandidat Rutherford B. Hayes noch der Demokrat Samuel Tilden hatten eine Mehrheit im Wahlmännerkollegium, weil der Wahlausgang in South Carolina, Florida und Louisiana, den drei Südstaaten, die noch republikanisch regiert wurden, heftig umstritten war. Nach langem Tauziehen einigten sich die Parteien schließlich darauf, dass die ausstehenden Stimmen an Hayes fallen sollten, der so ins Weiße Haus einziehen konnte. Im Gegen-
zug gestand er den Abzug der letzten Besatzungstruppen zu. Damit hatte der Süden freie Hand in der „Negerfrage“, auch wenn die Südstaatler versprachen, die Rechte der freedmen zu achten. Viele der schwarzen Republikaner fühlten sich verraten. „Wir sind durch Blut gewatet, um ihn dahin zu bringen, wo er jetzt ist“, kommentierte einer von ihnen den Handel, den Hayes mit dem Süden geschlossen hatte.
Afroamerikaner sterben durch Terroraktionen zu Tausenden Der weiße Süden feierte das Ende der „Reconstruction“ als „Erlösung“. Zwar ließen sich weder die Niederlage im Krieg noch die Abschaffung der Sklaverei ungeschehen machen, aber wenigstens war es gelungen, Selbstregierung – home rule – und weiße Vorherrschaft wiederherzustellen. In den folgenden Jahrzehnten glorifiDie Karikatur von 1868 wirft dem Republikaner und Abolitionisten zierten Propagandisten des Südens den Ku-Klux-Klan und die Thaddeus Stevens vor, er wolle die „Erlöser“ als edle Streiter für die Verhältnisse in Staaten wie Alaba„weiße Zivilisation“, während die ma auf den Kopf stellen.
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Gewaltexzesse der „Reconstruction“ den radikalen Republikanern und den „blutrünstigen Wilden“ ler Feiertag zur Erinnerung an die angelastet wurden. Emanzipation der Sklaven. Hier In Wirklichkeit war die „Befreieine Kundgebung im New Yorker ung“ des Südens das Ergebnis einer Stadtteil Harlem im Jahr 2011. Terrorkampagne, die in der amerikanischen Geschichte ohne Parallele ist. Verlässliche Zahlen, wie viele Menschen ihr zum Opfer fielen, existieren nicht, doch vermutlich waren es Zehntausende. Unbestritten ist, dass die Afroamerikaner bei weitem den höchsten Blutzoll entrichteten und dass sie nach dem Ende der „Reconstruction“ ihre hart erkämpften Rechte wieder einbüßten. Dass innerhalb eines Jahrzehnts knapp vier Millionen rechtlose Sklaven zumindest nach dem Gesetz zu gleichberechtigten Staatsbürgern wurden, kam, so sehen es heute viele Historiker, einer „zweiten amerikanischen Revolution“ gleich. Aber warum blieb die „Reconstruction“ „Amerikas unvollendete Revolution“, wie Eric Foner sein Meisterwerk betitelt hat? Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dominierte die Auffassung, die Bürgerrechtsrevolution zugunsten der Afroamerikaner nach dem Bürgerkrieg sei ein aus Rachsucht und Ignoranz geborener tragischer Irrtum gewesen, der den Süden in Chaos und Anarchie gestürzt habe. Es habe den ehemaligen Sklaven schlicht an der „Reife“ für ihre neue Rolle als Staatsbürger gemangelt. Moderne Historiker wie Foner argumentieren dagegen, die „Reconstruction“ sei nicht radikal genug gewesen, weil es dem Norden an Entschlossenheit fehlte, die Macht der ehemaligen Sklavenhalter durch eine echte soziale Revolution zu brechen, so wie es die radikalen Republikaner um Thaddeus Ste-
vens und schwarze Abolitionisten wie Frederick Douglass forderten. Für die große Mehrheit der weißen Nordstaatler jedoch hatte nationale Versöhnung Vorrang vor Gerechtigkeit. In der Tat waren das Schicksal und die Rechte der freedmen immer nur Mittel zum Zweck gewesen. Der Norden führte den Krieg zur Rettung der Union und nicht für die Abschaffung der Sklaverei; die Emanzipationserklärung erfolgte als „Kriegsmaßnahme“, um den Feind zu schwächen. Auch die drei Verfassungszusätze, die während der „Reconstruction“ in Kraft traten, zielten primär darauf ab, Sicherungen gegen ein Wiederaufleben der Rebellion zu schaffen. Sobald sich die Mehrheit der Nordstaatler davon überzeugt hatte, dass der Süden den Ausgang des Krieges akzeptierte und keine Gefahr einer neuen Sezession mehr bestand, wuchs die Bereitschaft, zur hergebrachten föderalen Ordnung zurückzukehren und die freedmen „dem Furor ihrer früheren Herren“ zu überlassen, wie Frederick Douglass klagte. Der Preis für das Scheitern der „Reconstruction“ war hoch. Das Experiment einer farbenblinden Demokratie, wie halbherzig es auch gewesen sein mag, machte einer neuen rassistischen Kastenordnung Platz, die erst durch die Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er Jahre überwunden werden konnte. Auch daran sollte sich Amerika am „Juneteenth“ erinnern.
„Juneteenth“, der 19. Juni, ist in-
zwischen in den USA ein offiziel-
Prof. Dr. Manfred Berg geb. 1959, ist Inhaber des Curt-Engelhorn-Lehrstuhls für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg. Er ist ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
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Spuren des Konflikts bis heute
Der Sieg des Südens in den Köpfen Torben Lütjen
Die Südstaaten feierten in den Jahrzehnten nach dem Krieg doch noch einen Sieg: Es gelang ihnen, den Konflikt in ihrem Sinn umzudeuten, als ein Ringen um das Recht auf Widerstand gegen einen allzu aufdringlichen Bundesstaat. Dieser Verschleierungstaktik ging man sogar im Norden auf den Leim – mit weitreichenden Folgen für Politik und Gesellschaft in den USA. ne zu stellen, sondern auch eiRassismus als Folklore: Scarlett O’Hara (Vivien Leigh) und ihre schwarze ne wirkliche gesellschaftliche „Mammy“ (Hattie McDaniel) in einer und politische Transformation zu erreichen, nicht auf. Auf die Szene aus „Vom Winde verweht“ rechtliche und politische Gleich(1939). stellung der Schwarzen reagierte der weiße Süden mit Abwehr, Abschottung, Aggression. Militante Bürgerwehren – unter ihnen vor allem der berüchtigte Ku-Klux-Klan – begannen sich bereits unmittelbar nach Kriegsende zu organisieren. 1877 endete die Phase der „Reconstruction“ abrupt. Dafür gab es neben dem Gemauschel rund um die chaotische Wahl des Republikaners Rutherford B. Hayes, der den Demokraten den Abzug der Unionstruppen aus dem Süden versprach, um ins Amt zu kommen, noch weitere Gründe. Die „Reconstruction“Müdigkeit war im Norden schon länger gewachsen. Der Zeitgeist war konservativ geworden, die USA gingen in ihr „Gilded Age“ über, als kapitalistisches Gewinnstreben und moderne Konsumkultur wichtiger wurden als die Verwirklichung moralischer Idea-
Die Geschichte, so heißt es, werde von den Siegern geschrieben. Aber falls diese vermeintliche Binsenweisheit denn überhaupt stimmt, so scheint sie zumindest ihre Ausnahmen zu kennen. Die lange Nachgeschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges legt davon Zeugnis ab. Eine klare „Siegergeschichtsschreibung“ wird man diese wohl kaum nennen können. Im Gegenteil: Über lange Strecken der USGeschichte wird sie paradoxerweise von den Verlierern dominiert, denen es in einem bemerkenswerten intellektuellen Manöver gelang, ihre Sicht auf den Amerikanischen Bürgerkrieg selbst im Norden zu popularisieren: den Krieg als „lost cause“, also verlorene, aber noble Sache, der vom Süden nicht etwa geführt wurde, um die Institution der Sklaverei zu erhalten, sondern um einen bestimmten way of life zu verteidigen. Fasst man noch einmal zusammen, was in der Zeit der „Reconstruction“, also der Phase zwischen 1865 und 1877, passiert ist, dann ging der Plan, den Süden nicht nur wirtschaftlich wieder auf die Bei-
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zynischer Weise über deren Musik und Tänze lustig machten. Rechtlich abgesichert wurde das Apartheid-System durch eine Entscheidung des Supreme Court 1896, der im Fall „Plessy vs. Ferguson“ entschied, dass Rassentrennung so lange zulässig sei, wie dabei die Gleichbehandlung gewährleistet sei – das war der Kern der sogenannten „separate but equal“-Doktrin. In der Realität natürlich zementierte die Segregation die Ungleichheiten im Land. Schwarze blieben bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts Bürger zweiter Klasse, die nicht nur im Bus hinten zu sitzen hatten und Opfer staatlicher Willkür und Gewalt blieben, sondern auch mit einer Reihe diskriminierender Gesetze massiv am Wählen gehindert wurden.
Der „lost cause“-Mythos des amerikanischen Südens Auf eine selbstkritische Geschichtsaufarbeitung im US-amerikanischen Süden brauchte man jedenfalls nicht zu hoffen. Dort hatte man nämlich, noch in der Phase der „Reconstruction“, längst begonnen, seine ganze eigene Version der Geschehnisse zu entwickeln. Etwas weniger neutral formuliert, könnte man auch von einem umfassenden Projekt der Geschichtsklitterung sprechen. Bekannt geworden ist diese Form von alternativer Geschichtsschreibung unter dem Namen lost cause. Urheber des Begriffs war Edward Pollard, ein Journalist und Historiker aus Virginia, der in seinem Buch „The Lost Cause: A New Southern History of the War of the Confederates“ bereits einige zentrale Elemente dieses Mythos prägte. Dabei ging es zwar auch um eine offensive Verteidigung der Sklaverei, die als humaner, wohlwollender Patriarchalismus verstanden wurde. Wichtiger war es für Pollard aber, die Motive der Sezession insgesamt umzudeuten: denn in Wahrheit hätten andere Differenzen den Krieg ausgelöst. Der Süden habe lediglich die in der Verfassung garantierten „State Rights“ verteidigt, also die Rechte der Bundesstaaten, sich gegen ein aufdringliches Einmischen der Zentralregierung zu wehren. Der Krieg sei vom Norden in Wahrheit primär aus ökonomischen Gründen geführt worden. In der „lost cause“-Mythologie war der noch weitgehend agrarisch geprägte Süden in jeder Hinsicht das Gegenbild zum industriellen Norden, eine Welt der Ritterlichkeit gegen eine seelenlose Maschinenwelt. Der Süden kannte auch, wie das besiegte deutsche Kaiserreich nach dem Ende des Ersten Welt-
le; ein Zyklus, der nicht ganz untypisch für die USA war und auch parodierten dabei schwarze Musiker. bleiben sollte. Die Figur wurde namengebend für Die weißen Eliten der Vordie 1877 erlassenen Segregationskriegszeit brauchten nach dem gesetze. Abzug der Unionstruppen so jedenfalls nur wenige Monate, um die alten Verhältnisse wiederherzustellen, oft mit Hilfe des Terrors des Klans, der Schwarze einschüchterte, terrorisierte, lynchte, ihre Häuser niederbrannte. Nachdem Afroamerikaner aus den Parlamenten und politischen Verwaltungen entfernt worden waren, machte man sich daran, mit einer regelrechten Flut von Gesetzen ein System faktischer Rassentrennung durchzusetzen, die sogenannten „Jim-Crow-Gesetze“. Theoretisch behielten schwarze Amerikaner ihre Bürgerrechte, die Gesetze aber sorgten dafür, dass in allen gesellschaftlichen Bereichen parallele Strukturen für schwarze und weiße Amerikaner als legal erachtet wurden: in Restaurants, Kirchen und schließlich, und am folgenreichsten, vor allem im Bildungssystem. Bereits der umgangssprachliche Name dieser Gesetze gründete auf Rassismus: „Jim Crow“ war eine Figur der um die Mitte des 19. Jahrhunderts populären Minstrel-Shows, bei denen sich weiße Spielleute als Afroamerikaner verkleideten und sich in „Jim Crow“ ist eine Figur aus der
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kriegs, seinen eigenen „Im Felde unbesiegt“-Mythos. Denn dieser Erzählung nach waren die Truppen der Konföderation eigentlich taktisch überlegen gewesen, ihre Soldaten tapferer, weil sie ja die eigene Heimat verteidigt hatten, mussten sich am Ende aber der industriellen Übermacht des Nordens geschlagen geben. Wie alle guten Erzählungen kannte auch der „lost cause“-Mythos seine Helden, Schurken, Märtyrer und Verräter. Zur Personifizierung der gerechten Sache mit tragischem Ausgang wurde rasch der Oberbefehlshaber der Konföderationstruppen, Robert E. Lee. Dafür prädestinierte ihn wohl nicht allein der Ruhm, den er sich auf dem Schlachtfeld erworben hatte, sondern die Tatsache, dass er als ambivalente Figur gelten konnte. Lee war kein Anhänger der Sklaverei, und auch dem Recht der Einzelstaaten zur Sezession stand er skeptisch gegenüber. Lincoln hatte ihm zunächst die Position als Oberkommandieren-
der der Unionstruppen angeboten. Lee aber, deprimiert über das Heranziehen des Bürgerkrieges, lehnte ab und quittierte den Dienst. Wenige Monate später aber ließ er sich von der Konföderation doch beknien und diente als General der Südstaaten-Armee; nicht aus Überzeugung über den Akt der Sezession, sondern mit der Begründung, dass er seine Heimat Virginia nicht im Stich lassen könne und Pflicht und Loyalität ihm daher die Entscheidung diktiere. Das alles machte ihn zur tragischen Figur des stillen Helden, der sein Schicksal stoisch ertrug, was wunderbar zur süßen Verlierer-Melancholie des Südens passte. Nun: Dass die Verlierer eines Krieges an ihrer eigenen Version der Geschichte stricken, braucht einen nicht zu überraschen. Wirklich verblüffend war, wie stark Gelebte Segregation: Die Gäste eines Barbecue-Events feiern in diese Erzählung die kollektive Alabama nach Hautfarbe getrennt Imagination auch außerhalb des Südens prägte. Zwar vergaß man (Foto, um 1935).
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dort durchaus nicht, was die eigentliche Ursache des Bürgerkrieges gewesen war. Dennoch herrschte hier ebenfalls ein vordergründig unpolitisches, aber dafür umso idyllischeres Bild des Südens, das ebenfalls von Ideen von Aufrichtigkeit, Unverdorbenheit und Ritterlichkeit geprägt war. Popularisiert wurde es vor allem durch das boomende Genre des „Plantagenromans“, der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts den Büchermarkt förmlich überschwemmte. Der Plantagenroman war fraglos ein Stück Kritik an der industriellen Moderne. Die Plantage, wo das Leben in vollen Zügen genossen wurde, galt als Gegenstück zur kalten, rationalen Welt der Fabrikhallen des Nordens. Natürlich war das auf den ersten Blick lediglich ein Stück unpolitischer, harmloser Eskapismus. Aber es prägte ein romantisches, moralisch unschuldiges Bild des Südens, das alle Schattenseiten ausblendete. Und die sich verblüffend ähnelnden Handlungsstränge des Plantagenromans schufen überdies eine Erzählung der nationalen Versöhnung. Da war zuerst die Schilderung der Idylle vor dem Krieg; dann der Schock bei Kriegsbeginn mit der Einberufung der Männer in den Militärdienst; bald darauf der Schrecken des Krieges mit den von Truppen der Union angerichteten Verwüstungen; schließlich aber erweist sich einer der Nordstaaten-Offiziere als galanter Gentleman
Die Zulassung von afroamerikanischen Kindern an Schulen in Little Rock (Arkansas) führte zu heftigen Protesten der weißen Bevölkerung (Foto, 1959). Martin Luther King Jr. (vorne, Vierter von rechts) wurde zum prominentesten Vertreter der Bürgerrechtsbewegung. Im März 1965 nahm er am Protestmarsch von Selma nach Montgomery (Alabama) teil.
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und gewinnt das Herz einer schönen, stolzen und gebildeten Tochter des Südens, der southern belle; am Ende, der Krieg ist vorbei, findet auf der Plantage eine rauschende Hochzeit statt. Die Sklaven, alles in allem glückliche und sorglose Menschen, besetzen allenfalls Nebenrollen. Seinen letzten Höhepunkt erreichte dieses Genre 1939, als Hollywoods Traumfabrik den Roman „Vom Winde verweht“ (1936) von Margaret Mitchell verfilmte und zu einem bis dahin unvorstellbaren Kassenschlager machte.
mus und die Rassenideologie des Frühere Orte der Sklaverei wie die Nationalsozialismus 1945 rück„Oak Alley Plantation“ in Louisiana te dieser Grundwiderspruch der wurden lange völlig unkritisch als amerikanischen Gesellschaft impittoreske Touristenattraktionen mer stärker in den Vordergrund. betrachtet. 1954, in seiner Entscheidung „Brown vs. Board of Education“, revidierte der Supreme Court immerhin bereits seine „separate but equal“-Doktrin und erklärte die Segregation für nicht verfassungsgemäß. Allerdings: Von Jackson, Mississippi, aus betrachtet lag Washington D.C. ziemlich weit entfernt. Die Durchgriffsrechte der Bundesregierung waren nicht ausreichend, um die zementierten Verhältnisse ernsthaft ins Wanken zu bringen. Dass diese großen Ungerechtigkeiten politisch kaum angesprochen wurden, lag nicht zuletzt an den Eigentümlichkeiten des amerikanischen Zwei-Parteien-Systems. Republikaner wie Demokraten waren über weite Strecken des 19. und 20. Jahrhunderts keine in sich geschlossenen Weltanschauungsparteien europäischen Typs, sondern ein loses Konglomerat sehr verschiedener Gruppen und Strömungen. Seit dem 20. Jahrhundert waren dabei die Demokraten sogar eher zur Partei der Bürgerrechte geworden, ge-
Aufbruch und neue Polarisierung: die 1960er Jahre Im Süden hatte sich derweil auch über 80 Jahre nach dem Ende der „Reconstruction“ an den Verhältnissen wenig geändert: Die faktische Apartheid dort war die große moralische Schande Amerikas, kaum weniger schlimm als die Sklaverei zuvor, ein eklatanter Widerspruch zu den hehren Idealen, die die amerikanische Zivilreligion bei jeder Sonntagsrede rhetorisch durchzogen. Denn natürlich war allgemein bekannt, wie die Verhältnisse zwischen Virginia und Texas waren. Und spätestens mit dem Sieg über den Faschis-
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den 1930er Jahren einen starken Zuzug von Afroamerikanern in die Industriezentren des Nordens gegeben, wo sie zu einer immer wichtigeren Wählergruppe geworden waren, auf deren Interessen es Rücksicht zu nehmen galt. 1964 schließlich kam so die Wende innerhalb der Partei: Unter der Präsidentschaft Lyndon B. Johnsons (im Amt 1963 –1969) entschied sich der liberale Parteiflügel dafür, dem Konflikt nicht länger aus dem Weg zu gehen und die Rassentrennung im Süden endlich abzuschaffen. Im selben Jahr noch wurde der „Civil Rights Act“ verabschiedet, der der Bundesregierung in Washington weitgehende Befugnisse gab, die Praxis der Segregation aufzubrechen. Ein Jahr später folgte der zweite Meilenstein der Bürgerrechtspolitik, der „Voting Rights Act“, der diskriminierende Praktiken (wie etwa Nachweise der Lesefähigkeit) abschaffte, mit denen Afroamerikaner bis dahin massiv am Wählen gehindert wurden. Trotz fortbestehender Ungleichheiten – gerade in Bezug auf die soziale Lage – war der Süden danach tatsächlich ein anderer Ort. Ziemlich genau 100 Jahre nach dem Ende der Sklaverei wurden schwarze Amerikaner rechtlich wirklich gleichgestellt. Der Beginn einer wirklichen Versöhnung war das jedoch nicht, weder zwischen Schwarz und Weiß noch zwischen Norden und Süden. Im Gegenteil: Im Grunde läutete der „Civil Rights Act“ jene Ära der Polarisierung ein, in der sich die USA auch heute noch befinden. Zum einen, weil die Parteien sich jetzt homogenisierten. Nachdem der Kongress den „Civil Rights Act“ verabschiedet hatte, hatte der demokratische Präsident Lyndon B. Johnson die Lage sofort erkannt: „Wir haben den Süden für mindestens eine Generation verloren“, teilte er am Abend nach der Abstimmung einem seiner engsten Berater mit. Allerdings war das noch weit untertrieben, denn zumindest der weiße konservative Süden ging – wie sich zeigen sollte – endgültig für die Partei verloren. Schon bei der folgenden Präsidentschaftswahl wählten die meisten Bundesstaaten südlich der MasonDixon-Linie republikanisch. Doch das war nur der Beginn einer noch viel größeren politischen Kettenreaktion. Gleichzeitig nämlich verließ der liberale Flügel der Republikaner, bis dahin stark verwurzelt in den kulturell progressiven Küstenregionen des Landes, ebenfalls die eigene Partei und begann sich den Demokraten zuzuwenden. Dieser als southern realigment bezeichnete Prozess schuf im Grunde erst die Parteien, wie wir sie heute kennen: eine linksliberale Demokratische Partei und
wählt von vielen Minderheiten, unterstützt von den Intellektuellen, immer stärker nun in genreaktionen der politischen Rechden urbanen Zentren an der Ostten (Foto aus dem Wahlkampf 2008). küste und im Mittleren Westen, wo die Zustände im Süden durchaus immer wieder Empörung hervorriefen. Allerdings: Die eigentliche Hochburg der Demokraten blieb der Süden. Dort herrschte nach dem Ausschluss afroamerikanischer Wähler faktisch ein Ein-Parteien-System, da die Republikaner, die Partei Abraham Lincolns, für weiße konservative Wähler keine Option darstellten. Also scheute das liberale Partei-Establishment der Demokraten eine wirkliche Auseinandersetzung um das Thema Segregation, aus Angst, den sogenannten „Solid South“ zu verprellen und damit ihre Mehrheitsfähigkeit zu verlieren. Anfang der 1960er Jahre aber veränderte sich langsam die Kalkulation der demokratischen ParteiEliten. Eine neue Generation von Bürgerrechtlern, an ihrer Spitze der Baptistenpastor Martin Luther King, rückten durch ihre Aktionsformen eines gewaltlosen zivilen Widerstandes den Rassismus des Südens in den Fokus der amerikanischen Öffentlichkeit. Kaum ein Monat verging, in dem nicht neue Szenen massiver Polizeigewalt aus dem Süden die Fernsehnachrichten beherrschten. Außerdem hatte es seit Auf die Wahl Barack Obamas zum USPräsidenten folgten rassistische Ge-
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busing-Praxis nicht angewendet wurde. Diese Flucht der wohlhabenderen Bevölkerung wurde auch als white flight bezeichnet. Es war eben die eine Sache, sich über Polizeigewalt und Lynchmobs in Mississippi zu empören, aber eine vollkommen andere, im Namen des gesellschaftlichen Fortschritts seine persönliche Freiheit vermeintlich eingeschränkt zu sehen. Seit 1965 kam es überdies immer wieder zu aggressiven Unruhen in den amerikanischen Großstädten. Viele Schwarze waren bitter enttäuscht, dass sich trotz all der Maßnahmen der Johnson-Regierung nur wenig an der systematischen Diskriminierung änderte, die sozialen Verhältnisse weiter wie zementiert erschienen. Die riots in Los Angeles, Detroit und anderen Orten produzierten Bilder, die Abend für Abend in die Wohnzimmer auch des weißen Amerika flimmerten und dort einen Schock auslösten. 1964 hatten noch 68 Prozent der Weißen außerhalb der Südstaaten Johnsons Bürgerrechtsinitiativen unterstützt; nur zwei Jahre später war plötzlich eine Mehrheit der Meinung, dass die Regierung bei ihren Bemühungen um Integration Kritik an der Verehrung konfödeviel zu schnell vorgehe. rierter Helden: Demonstranten der Ende der 1960er Jahre ließ sich „Black lives matter“-Bewegung im der Konflikt um Rassismus und das Juli 2017 vor einem Denkmal des Erbe der Sklaverei nicht länger als Südstaaten-Generals „Stonewall“ Konflikt zwischen einem vermeintJackson in Charlottesville, Virginia.
eine klar konservative Republikanische Partei. Es war der Beginn jener politischen Hyperpolarisierung, die sich bis in die Gegenwart stetig gesteigert hat.
Der Rassismus ist auch im Norden virulent Und schließlich und letztens war es nach 1965 damit vorbei, Rassismus vor allem als ein Problem der Südstaaten zu interpretieren, auch wenn es dort weiterhin besonders virulent blieb. Denn im weiteren Verlauf der 1960er Jahre entwickelte race eine beträchtliche politische Sprengkraft auch jenseits der alten Konföderation. Der Rassismus im Norden war subtiler und weniger gewalttätig, aber er war nicht weniger wirkungsmächtig. Er ließ sich vor allem nicht mit ein paar Gesetzen aus der Welt schaffen. Um ihn zu bekämpfen, brauchte es ganz andere Eingriffe des Staates – etwa die Praxis des busing, das ethnisch ausgeglichenere Schulklassen schaffen sollte, was aber für einige Schüler wahre Odysseen mit dem Schulbus bedeutete. Denn Schüler aus „schwarzen“ Wohngebieten wurden in Viertel gefahren, die sonst eher überwiegend „weiß“ waren. Dass auch Kinder aus „weißen“ Vierteln zu Schulen mit eher gemischter Schülerschaft gefahren wurden, war auch außerhalb des Südens umstritten. Wer es sich leisten konnte, zog in das Umland der Städte, wo die
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lich aufgeklärten Norden und einem rückständigen, rassistischen Süden deuten. Er durchzog jetzt die gesamte amerikanische Gesellschaft, und der Dualismus war jetzt nicht mehr regional, sondern ideologisch begründet. Aus der alltäglichen Sprache wurde der Rassismus zwar verdrängt; dafür aber spielte das Thema race bei allen möglichen politischen Streitfragen im Hintergrund eine entscheidende Rolle. Offensichtlich war das etwa beim Kampf um die Sozialpolitik. Theoretisch war der Widerstand der Republikaner gegen big government, also einen aktiven Staat, zwar von einer libertären Ideologie getragen, die ihr Heil in einem möglichst wenig regulierten freien Markt sah. Allerdings, das bestätigten zahlreiche Untersuchungen, spielten bei der Ablehnung von Sozialtransfers in Wahrheit auch Ressentiments gegen ethnische Minderheiten, die es sich in einem Leben staatlicher Fürsorge bequem gemacht hätten, eine entscheidende Rolle. Was nach den 1960er Jahren vorübergehend wieder abnahm, war die Intensität der geschichtspolitischen Aufarbeitung. Dann und Die Flagge der Konföderation ist inwann rückte das Thema wieder in den Vordergrund, wenn wiezwischen als Symbol für Rassismus in der einmal irgendwo über Lehrdie Kritik geraten. Unter Anhängern bücher im tiefen Süden berichtet Donald Trumps ist sie weiter ein bewurde, in denen die Sklaverei liebtes Symbol (Foto von 2016).
lediglich als untergeordnete Ursache des Bürgerkrieges behandelt wurde; im Rest des Landes schüttelte man darüber den Kopf und ließ es ansonsten dabei bewenden. Sonst aber war viel Folklore im Spiel, wobei zahlreiche „lost cause“-Elemente aufgenommen wurden. Ein gutes Beispiel für sentimentale Popcorn-Unterhaltung in diesem Stil ist das sehr erfolgreiche TVEpos „Fackeln im Sturm“ (Originaltitel: „North and South“, 1985/86), das sich moralisch nicht wirklich auf eine der beiden Seiten schlagen mochte. Beliebt war in der Popularkultur auch der Typus des liebenswerten Südstaaten-Kauzes, wie er in den „Romantic Comedys“ Hollywoods vermarktet wurde, der mit Freunden und Nachbarn in historischer Montur ganz unschuldig die Schlacht von Gettysburg nachspielte, um es sich danach bei Pulled Pork und Eistee auf der Veranda gemütlich zu machen. Und wer als Tourist noch in den 2000er Jahren etwa den amerikanischen Süden bereiste, der war schon verblüfft von der völlig ungetrübten Idealisierung der good old times auf den riesigen Baumwollplantagen der Vorkriegszeit und der Glorifizierung eines vergangenen Reichtums, dessen Ursprung ja allen klar sein musste. Von der Aufgewühltheit der 1960er Jahre war man in den Jahrzehnten danach wieder weit entfernt.
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de. Demnach sei das eigentliche Droht ein neuer Bürgerkrieg? Gründungsjahr der USA nicht das Am 6. Januar 2021 stürmten Jahr 1776, sondern das Jahr 1619, Anhänger des abgewählten als die ersten Sklaven aus WestPräsidenten Donald Trump afrika an den Küsten der Neuen das Kapitol in Washington D. C. Welt anlandeten. Und dieses Mal wurde auch die „lost cause“-Erzählung direkt angegriffen, als Bürgerrechtler sich dafür einsetzten, die zahlreichen Monumente der Konföderation niederzureißen. Die meisten von ihnen waren in der Jim-Crow-Ära nach der „Reconstruction“ entstanden und zeigten Staatsmänner und Generäle der Südstaaten. Das Anliegen, sie zu entfernen, war an sich nicht neu, aber es hatte gewaltig Fahrt aufgenommen, nachdem ein Rechtsextremist 2015 in Charleston, South Carolina, neun Mitglieder einer schwarzen Kirchengemeinde erschossen hatte. Auf Fotos in sozialen Netzwerken hatte er sich neben anderen Symbolen der extremen Rechten auch mit der Flagge der alten Konföderation geschmückt. Im Süden war diese allgegenwärtig, sie wehte auch über dem State Capitol von South Carolina, genauso wie in vielen Vorgärten und beim Kirchenfest. Aber sie war mitt-
Denkmalsstürmer und die Rückkehr der Geschichte Doch wie bereits angedeutet: Auf die zyklenhafte Wiederkehr moralischer Selbstinspektionen ist in den USA Verlass. Etwa seit den 2010er Jahren intensivierten sich die geschichtspolitischen Auseinandersetzungen um den Amerikanischen Bürgerkrieg abermals. Das hatte viele Ursachen; ganz gewiss aber hing es auch zusammen mit der Wahl des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama ins Weiße Haus und den darauf folgenden, teils militanten Gegenreaktionen auf der politischen Rechten. Und jetzt drang auch an die Oberfläche, was an amerikanischen Universitäten schon lange diskutiert wurde: die Forderung nach einer Generalrevision der amerikanischen Geschichte, in deren Mittelpunkt die These stand, das Rassismus und Sklaverei eben nicht nur eine bedauernswerte Abweichung von einem ansonsten tugendhaften Weg gewesen seien, sondern Teil der Gründungs-DNA des Landes. Im intellektuellen Diskurs kulminierte diese Debatte im „1619“-Projekt der „New York Times“, das im ersten Kapitel dieses Bandes bereits erwähnt wur-
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Andererseits ist offensichtlich, dass sich der Konflikt von seinen regionalen Bezügen erheblich entfernt hat. Unter Trump-Anhängern phantasieren zwar nicht wenige von einer neuen Sezession; allerdings wäre das angesichts des politischen Flickenteppichs, mit liberalen Metropolregionen und konservativem Hinterland, den die Wahlkarte der USA zeigt, gewiss nicht mehr die alte Nord-Süd-Unterteilung. Die Konflikte, die die modernen USA prägen, ziehen sich einmal komplett durch das Land. Wer jetzt bei Trump-Rallyes mit einer Konföderierten-Flagge erschien, der musste nicht mehr zwingend auch aus dem Süden kommen. Auch die Ablehnung des Entfernens von Denkmälern, das ergaben Untersuchungen, erklärte sich nicht mehr primär mit regionaler Herkunft – sondern mit der Zugehörigkeit zu konservativen evangelikalen Kirchen und der ideologischen Selbstverortung als besonders konservativ. Anders ausgedrückt: Mittlerweile sind die Symbole des amerikanischen Südens zu Chiffren und Erkennungszeichen der amerikanischen Rechten allgemein geworden, ohne dass es dabei primär um die Erinnerung an den Amerikanischen Bürgerkrieg ginge. Auch die Diskussionen um die Denkmäler waren eingebettet in einen noch größeren Zusammenhang: dass dieses nämlich nur ein weiterer Versuch eines hegemonialen Liberalismus sei, anderen vorzuschreiben, was sie zu denken und zu fühlen hätten, damit ein weiteres Beispiel für die sogenannte cancel culture. Und während Debatten innerhalb des US-Konservatismus oft durchaus geschichtliche Bezüge aufweisen („Was würden die Gründerväter zur Frage von Transgender sagen?“), kann man nicht behaupten, dass der Bürgerkrieg selbst offensiv als wichtiger Referenzpunkt in den Diskussionen dient. Keineswegs etwa sehen sich daher die Anhänger Donald Trumps als direkte Nachfahren der Konföderation. Denn schließlich: Waren es nicht damals, so heißt es dort, die Republikaner gewesen, die für die Befreiung der Sklaven eingetreten seien, die Demokraten hingegen die Partei der Plantagenbesitzer? Gewiss, das ist eine kuriose intellektuelle Übersprungshandlung, die alles außen vorlässt, was sich seitdem an historischen Umbrüchen vollzogen hat. Aber es macht zumindest deutlich, dass hier nicht einfach die alte Konföderation wieder auferstanden ist.
lerweile eben auch ein beliebtes Utensil von Rechtsextremisten und White-Supremacy-Gruppen. Nach dem Amoklauf von Charleston wurde sie aus den meisten öffentlichen Räumen entfernt. Das war allerdings nur der Anfang eines Kampfs um die Geschichte und die Deutungshoheit über sie. Kurz danach wurden Rufe lauter, auch die zahllosen Denkmäler der Konföderation zu entfernen. Vielerorts kamen Stadtverwaltungen diesen Forderungen nach – und ernteten dabei neben Zustimmung ebenso erbitterten Widerstand. Im August 2017, Donald Trump war erst ein halbes Jahr Präsident, kam es in Charlottesville, Virginia, zu einem Zusammenstoß zwischen rechten Gruppierungen und linken Gegendemonstranten, als eine Statue von Robert E. Lee entfernt werden sollte. Eine Gegendemonstrantin wurde getötet, als ein Neonazi mit seinem Auto in die Menschenmenge fuhr. Und der neue Präsident goss weiter Öl ins Feuer: Im Nachgang der Ereignisse meinte er, dass auf beiden Seiten schließlich „fine people“ („nette Leute“) gewesen seien. Und während Trump noch 2015 gemeint hatte, die Konföderierten-Flagge gehöre ins Museum, verteidigte er sie von diesem Zeitpunkt an vehement als Teil des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Auch zu den Denkmälern, die die Konföderation glorifizierten, hatte er eine klare Meinung: Sie zu stürzen sei ein Versuch der linksradikalen Demokraten, die Geschichte umzuschreiben. Sie seien Teil eines wichtigen historischen Erbes. Die Frage aber ist: War das wirklich noch die alte Konfliktlinie zwischen Nord und Süd, noch immer ein Echo des Amerikanischen Bürgerkrieges? Die Antwort darauf ist kompliziert. Auf den ersten Blick könnte man wohl tatsächlich meinen, dass die Geschichte sich wiederholt. Die Art von Staats- und Demokratiefeindlichkeit, die Amerikas Konservative seit einigen Jahren auszeichnet, erinnert in manchem tatsächlich an den Urkonflikt der amerikanischen Geschichte. Und dass beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 auch zahlreiche Symbole der Bürgerkriegszeit zu sehen waren, macht diese Parallele noch eindrücklicher. Auch die Warnung vor einem „neuen“ oder auch dem „zweiten“ amerikanischen Bürgerkrieg, eine noch immer surreal anmutende, angesichts der Spannungen im Land aber zumindest nicht vollständig absurde Vorstellung, zeigt, dass zumindest im Hintergrund die Erinnerung an das große Trauma der amerikanischen Geschichte präsent bleibt – und seine Interpretation weiterhin umstritten.
Prof. Dr. Torben Lütjen geb. 1974, ist Professor für Partizipations- und Demokratieforschung an der Europa-Universität Flensburg.
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Chronologie 1619 In der Siedlung Jamestown in der englischen Kolonie Virginia landet das Schiff „White Lion“ mit mehr als 20 Schwarzafrikanern an Bord. In der Folge werden hier erstmals Sklaven in der Landwirtschaft, insbesondere auf Tabakplantagen, eingesetzt.
1850 Laut dem „Fugitive Slave Act“ dürfen entlaufene Sklaven auch in Staaten ohne Sklaverei verfolgt und zu ihren Besitzern zurückgebracht werden. 1852 Der Roman „Onkel Toms Hütte” der Autorin Harriet Beecher Stowe schildert das brutale System der Sklaverei und prangert unter anderem die Trennung schwarzer Familien durch den Verkauf an andere Plantagenbesitzer an.
4. Juli 1776 13 britische Kolonien in Nordamerika erklären sich für unabhängig und gründen die Vereinigten Staaten. 1777 Beginnend mit Vermont, verbieten die nördlichen Bundesstaaten bis 1804 nach und nach die Sklaverei.
1854 Als Kansas und Nebraska zu Bundesstaaten werden, soll die Bevölkerung – entgegen den Vereinbarungen des „Missouri-Kompromisses“ – darüber abstimmen dürfen, ob Sklaverei erlaubt sein darf.
1787 In der Verfassung der Vereinigten Staaten findet die Sklaverei keine Erwähnung.
16. Oktober 1859 Der Abolitionist John Brown stürmt mit seinen Anhängern das Bundesarsenal von Harper’s Ferry in Virginia. Der Aufstand wird niedergeschlagen und John Brown hingerichtet.
1793 Mit Hilfe einer cotton gin genannten Maschine, lässt sich die Baumwolle nach der Ernte einfach entkernen. Dadurch steigert sich die Profitabilität, und die Baumwolle löst den Tabak als wichtigstes Anbauprodukt auf den Plantagen in den südlichen Staaten der USA ab.
6. November 1860 Der für die Republikanische Partei kandidierende Abraham Lincoln wird zum Präsidenten gewählt.
1803 „Louisiana Purchase“: Napoleon verkauft die französische Kolonie Louisiana, die vom Golf von Mexiko bis an die Südgrenze des heutigen Kanada reicht, an die USA. Das Territorium wird in der Folge in mehrere Bundesstaaten umgewandelt – jeweils verbunden mit der Frage, ob die Sklaverei dort erlaubt sein sollte.
20. Dezember 1860 Der Staat South Carolina sieht die Sklaverei durch Lincolns Wahl bedroht und tritt als erster Staat aus der Union aus. Im Januar und Februar 1861 folgen der Sezession die Staaten Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana und Texas. 12. April 1861 Der Kommandeur des vor der Küste von South Carolina gelegenen Fort Sumter weigert sich, die Station an die Südstaaten zu übergeben. Daraufhin lässt Jefferson Davis, seit 18. Februar Präsident der Konföderation, das Fort beschießen – der erste Waffeneinsatz des Bürgerkriegs. In der direkten Folge treten weitere Staaten der Sezession bei: Virginia, Arkansas, Tennessee und North Carolina.
1808 Die USA erkennen das Verbot des transatlantischen Sklavenhandels an. Fortan müssen die Plantagenbesitzer ihren Bestand an Sklaven durch natürlichen Nachwuchs aufrechterhalten. 1820 „Missouri Compromise“: Als Ausgleich dafür, dass die Sklaverei im neuen Territorium Missouri zugelassen wurde, soll nördlich davon kein weiterer Sklavenstaat mehr entstehen dürfen.
21. Juli 1861 In der ersten Schlacht am Bull Run River (Virginia) unterliegen die Unionstruppen der KonföderiertenArmee. Für Lincoln ist die erste größere Landschlacht des Kriegs ein Schock.
1846 –1848 Durch den Sieg im Mexikanischen Krieg sichern sich die USA ein riesiges Territorium, das von Texas bis zum Pazifik reicht.
8. November 1861 Ein Kriegsschiff der Union bringt das britische
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Postschiff „Trent“ auf, da an Bord konföderierte Unterhändler vermutet werden. Als Reaktion droht Großbritannien Washington kurzzeitig mit Krieg.
14. April 1865 Lincoln wird in Washington während einer Theatervorstellung von John Wilkes Booth tödlich verletzt. Der Attentäter ist ein Befürworter der Sklaverei.
17. September 1862 Die Schlacht am Antietam (Maryland) gilt mit rund 3600 Gefallenen als die blutigste des gesamten Kriegs. Trotz der großen Verluste konnte keine Seite einen klaren Sieg verbuchen.
Mai 1865 Der Demokrat Andrew Johnson, der als Stellvertreter das Amt der ermordeten Präsidenten übernommen hatte, verkündet seinen Plan der „Reconstruction“ des Südens. Dazu zählen eine weitgehende Amnestie und eine Rückerstattung enteigneten Besitzes.
1. Januar 1863 Die Emanzipationsproklamation tritt in Kraft. Präsident Lincoln erklärt damit alle Sklaven auf dem Territorium der Südstaaten für frei.
Oktober 1865 Die ersten Südstaaten erlassen sogenannte „Black Codes“, Gesetze, mit denen die Rechte der befreiten Sklaven wieder drastisch eingeschränkt werden.
1. – 3. Juli 1863 Der Versuch des Südstaaten-Generals Robert E. Lee, auf das Gebiet der Nordstaaten vorzustoßen, scheitert mit der Niederlage in der Schlacht bei Gettysburg.
28. Juli 1868 Der 14. Zusatzartikel zur Verfassung gewährt allen, die in den USA geboren wurden, das volle Bürgerrecht. Dies gilt explizit für die befreiten Sklaven.
13. – 16. Juli 1863 In New York kommt es aufgrund der Einführung der Wehrpflicht zu Unruhen. Vor allem die arme Bevölkerung, die sich nicht „freikaufen“ kann, wird zum Kriegsdienst eingezogen. Die Wut der Unterschicht richtet sich aber auch gegen die schwarze Bevölkerung. In den befreiten Sklaven sieht man Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt.
3. November 1868 Ulysses S. Grant, Kriegsheld der Union, wird zum Präsidenten gewählt. 1872 schafft er auch die Wiederwahl. 3. Februar 1870 Durch den 15. Zusatzartikel werden die Bürgerrechte der Afroamerikaner weiter gestärkt: Niemand darf von der Wahl aufgrund von „Rasse, Hautfarbe oder früherem Status als Sklave“ ausgeschlossen werden.
März 1864 Ulysses S. Grant wird von Lincoln zum Befehlshaber der Unionstruppen ernannt. Grant gelingt es, die materielle Überlegenheit des Nordens in militärische Dominanz umzuwandeln.
13. April 1873 Bei einem Überfall bewaffneter Mitglieder der White League und des Ku-Klux-Klan auf das Gerichtsgebäude von Colfax (Louisiana) werden über 100 schwarze Milizionäre getötet, nachdem sie sich bereits ergeben haben.
8. November 1864 Abraham Lincoln besiegt bei der Präsidentschaftswahl den Demokraten George McClellan, der sich für Friedensverhandlungen ausgesprochen hatte, und tritt seine zweite Amtszeit an.
7. November 1876 Nach der Präsidentschaftswahl erklären sich sowohl der Demokrat Samuel J. Tilden als auch der Republikaner Rutherford B. Hayes zum Sieger. Gegen das Zugeständnis, die „Reconstruction“ zu beenden, überlassen die Demokraten schließlich Hayes die Präsidentschaft.
21. Dezember 1864 Nach seinem brutalen Feldzug durch Georgia erreicht der Unionsgeneral William Tecumseh Sherman bei Savannah die Atlantikküste. 31. Januar 1865 Der Kongress verabschiedet den 13. Zusatzartikel der Verfassung, der Sklaverei und Zwangsarbeit abschafft.
1877 Mit der Phase der „Reconstruction“ endet auch die Nachkriegszeit im engeren Sinn. In den Südstaaten wird die Rassensegregation nun durch mehrere Gesetze zementiert – bis in die 1960er Jahre.
9. April 1865 General Robert E. Lee unterzeichnet im Gerichtsgebäude des County Appomattox (Virginia) die Kapitulation der von ihm befehligten Südstaaten-Armee.
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Literatur Sklaven- und Plantagenwirtschaft
Markus Junkelmann, Morgenröte am Potomac. Der Amerikanische Bürgerkrieg. Zürich 1987.
Edward E. Baptist, The Half has never been told. Slavery and the Making of American Capitalism. New York 2016.
John Keegan, Der Amerikanische Bürgerkrieg. Berlin 2010.
Eugene D. Genovese, Roll, Jordan, Roll. The World the Slaves Made. New York 1976.
James Munro McPherson, Battle Cry of Freedom. The American Civil War. New York 1988.
Adam Hochschild, Sprengt die Ketten. Der entscheidende Kampf um die Abschaffung der Sklaverei. Stuttgart 2007.
Internationale Perspektive Sven Beckert, King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus. München 2014.
Kenneth Morgan, A Short History of Transatlantic Slavery. London 2016.
Don H. Doyle, The Cause of All Nations. An International History of the American Civil War. New York 2015.
Udo Sautter, Sklaverei in Amerika. Darmstadt 2014.
Expansion der Vereinigten Staaten Norbert Finzsch, Konsolidierung und Dissens. Nordamerika von 1800 bis 1865. Münster 2005.
Don H. Doyle (Hrsg.), American Civil Wars. The United States, Latin America, Europe, and the Crisis of the 1860s. Chapel Hill 2017
Daniel W. Howe, What Hath God Wrought? The Transformation of America. 1815 –1848. New York 2007.
Patrick Gaul, Ideale und Interessen. Die mitteleuropäische Wirtschaft im Amerikanischen Bürgerkrieg. Stuttgart 2021.
Robert W. Merry, A Country of Vast Designs. James K. Polk, the Mexican War and the Conquest of the American Continent. New York 2010.
Der Norden übernimmt die Kontrolle Ron Chernow. Grant. London 2017.
Brian H. Reid, The Origins of the American Civil War. London 1996.
Ronald D. Gerste, Abraham Lincoln (1809 –1865). Begründer des modernen Amerika. Regensburg 2008.
Abraham Lincoln Henry Louis Gates Jr. (Hrsg.), Lincoln on Race and Slavery. Princeton 2009.
Ronald D. Gerste, Trinker, Cowboys, Sonderlinge. Die 13 seltsamsten Präsidenten der USA. Stuttgart 2021.
Georg Schild, Abraham Lincoln. Eine politische Biographie. Paderborn/München/Wien/Zürich 2009.
Ronald D. Gerste, Amerika verstehen. Geschichte, Politik und Kultur der USA. Stuttgart 2021.
Politische Zuspitzung und Kriegsausbruch
James M. McPherson, Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges. München/Leipzig 1996.
George M. Frederickson, Big Enough to be Inconsistent. Abraham Lincoln Confronts Slavery and Race. Cambridge (Massachusetts) 2008.
Kapitulation und Attentat auf Lincoln
Douglas L. Wilson, Lincoln’s Sword. The Presidency and the Power of Words. New York 2006.
Paul Christopher Anderson, A Short History of the American Civil War. London 2020.
Erste Kriegsphase
Michael Hochgeschwender, Der Amerikanische Bürgerkrieg. München 2016.
Shelby Foote, The Civil War. A Narrative. 3 Bände. New York 1958–1974.
Hugh Tulloch, The Debate on the American Civil War. Manchester 1999.
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„Reconstruction“ des Südens
Spuren des Konflikts bis heute
Shawn L. Alexander, Reconstruction Violence and the Ku Klux Klan Hearings. A Brief History with Documents. Boston 2015.
Nicole Maurantonio, Confederate Exceptionalism. Civil War Myth and Memory in the Twenty-First Century. Lawrence 2019.
Manfred Berg, Lynchjustiz in den USA. Hamburg 2014.
Wolfgang Schivelbusch, Die Kultur der Niederlage. Der amerikanische Süden 1865, Frankreich 1871, Deutschland 1918. Hamburg 2012.
Eric Foner, Reconstruction. America’s Unfinished Revolution. 1863 –1877. Neuauflage. New York 2014.
Charles Reagan Wilson, Baptized in Blood. The Religion of the lost Cause. 1865 –1920. Athens 2011.
John David Smith, Black Voices from Reconstruction. Gainesville 1997.
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Literatur
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Der Amerikanische Bürgerkrieg war der einzige Krieg auf dem Boden der USA: Der Konflikt zwischen weißer Siedlergesellschaft im Norden und dem von Großgrundbesitz, afroamerikanischen Sklaven und deren Nachkommen geprägten Süden drohte die Union zu zerreißen. Die dramatischen Höhepunkte dieses heftigen Krieges werden ebenso thematisiert wie die Rolle der Eisenbahn, der Fotografie oder die Entwicklung moderner Waffen (wie dem ersten U-Boot, der CSS Hunley). Genauso wichtig aber sind Vorgeschichte und Gründe für die Zerrissenheit der Vereinigten Staaten, die europäische Dimension des Konfliktes und sein Nachwirken in den unterschiedlichen politischen Mentalitäten – bis heute. Mit Beiträgen von Manfred Berg, Klaus-Jürgen Bremm, Ronald D. Gerste, Michael Hochgeschwender, Torben Lütjen, Ute Planert, Ursula Prutsch und Georg Schild.
ISBN 978-3-8062-4631-5 ISBN 978-3-8062-4631-5
€ 29,00 [D] € 29,90 [A]
9 783806 246315
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