Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit: Verfassungsfragen des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Stasi-Unterlagen-Gesetz) [1 ed.] 9783428476480, 9783428076482

Der Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR hat der Bundesrepublik ein unüberschaubares und trauriges Erbe hinterlass

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German Pages 131 Year 1993

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Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit: Verfassungsfragen des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Stasi-Unterlagen-Gesetz) [1 ed.]
 9783428476480, 9783428076482

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MICHAEL KLOEPFER

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 630

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit Verfassungsfragen des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen D D R (Stasi-Unterlagen-Gesetz)

Von

Prof. Dr. Michael Kloepfer o. Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Richter am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

unter Mitarbeit von

Gerhard Michael Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin

Duncker & Humblot - Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme Kloepfer, Michael: Das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die Pressefreiheit : Verfassungsfragen des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (StasiUnterlagen-Gesetz) / von Michael Kloepfer. Unter Mitarb. von Gerhard Michael. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 630) ISBN 3-428-07648-6 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07648-6

Vorwort Wer die Geschichte der DDR — insbesondere die Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst — bewältigen will, muß sie kennen. Von daher ist die vom Einigungsvertrag vorgegebene und vom Stasi-Unterlagen-Gesetz ausformulierte Entscheidung für die Öffnung der Archive des Staatssicherheitsdienstes grundsätzlich zu begrüßen. Um so mehr erstaunt, wie restriktiv und mißtrauisch das Gesetz die Möglichkeiten der Medien zur Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes behandelt. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob die durch das Stasi-UnterlagenGesetz angeordneten Beschränkungen der Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mit dem Grundgesetz, insbesondere mit der Pressefreiheit, vereinbar ist. Die Schrift ist aus meinem Rechtsgutachten hervorgegangen, daß ich im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger im Frühjahr 1992 erstattet habe. Spätere Literatur konnte noch bis September 1992 berücksichtigt werden. Meinem Assistenten, Herrn Gerhard Michael, danke ich für seine wertvolle Mitarbeit. Michael Kloepfer

Inhaltsverzeichnis Α. Einleitung

11

Β. Fragestellung und Gang der Untersuchung

14

C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG

15

I. Volkskammer-Gesetz über die Unterlagen des MfS/AfNS II. Regelungen des Einigungsvertrages zu den Akten des MfS/AfNS

15 17

III. Vorläufige Benutzerordnung vom 17.12.1990

21

IV. Entwurf Bündnis 90/Die Grünen

21

D. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (StUG)

24

E. Allgemeine Regelungen des StUG 1. Abschnitt — Allgemeine Vorschriften 2. Abschnitt — Unterlagenerfassung 3. Abschnitt — Unterlagen Verwendung 4. Abschnitt — Bundesbeauftragter 5. Abschnitt — Schlußvorschriften

26 26 27 27 27 27

F. Presserelevante Regelungen im StUG

29

I. Allgemeiner Verwendungsvorbehalt gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StUG 1. Allgemeiner Regelungsgehalt a) Nutzungserlaubnisse für Personen, über die in den Akten Informationen enthalten sind (1) Nutzungsvoraussetzungen für Betroffene und Dritte (2) Zugangs- und Verwendungsvoraussetzungen für „Täter" (3) Nahe Angehörige von Vermißten oder Verstorbenen (4) Andere „nicht-öffentliche Stellen" (mit Ausnahme der spezifischen Regelungen für die Presse) 2. Zugang und Verwendung 3. Unterlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 4. Verfassungsrechtliche Beurteilung II. Anzeige- und Herausgabepflicht gem. §§ 7 Abs. 3, 9 StUG 1. Zweck der Anzeige- und Ablieferungsregelung 2. Anzeigepflichtige Unterlagen

29 30 30 31 32 32 33 35 36 36 37 38 38

Inhaltsverzeichnis

8

3. Sachlicher Wirkungsbereich des § 9 Abs. 1 und 2 StUG a) Ablieferungspflichtige Unterlagen

39 39

b) Herausgabepflicht betreffend Kopien

41

4. Anforderungen an das Herausgabeverlangen

44

5. Überlassungspflicht nach § 9 Abs. 3 StUG

44

6. Ordnungswidrigkeiten nach § 45 StUG

44

7. Verfassungsrechtliche Beurteilung a) Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG

45 45

(1) Art. 14 GG

45

(2) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit

46

b) Herausgabepflicht für Originale nach § 9 Abs. 1 StUG

48

(1) Art. 14 GG

48

(2) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit

50

c) Herausgabepflicht für Kopien nach § 9 Abs. 2 StUG

50

(1) Art. 14 GG

50

(2) Art. 5 GG

51

(a) Zensurverbot

51

(b) Sonstiger Eingriff in die Pressefreiheit

52

(aa) Schutzbereich (bb) Schranken d) Überlassungspflicht nach § 9 Abs. 3 StUG G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse gem. § 34 i. V. m. §§ 32, 33 StUG I. Allgemeiner Regelungsgehalt Π. Unterlagen über bestimmte Personenkreise

53 54 56 57 57 60

1. Personenkreis des § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG

60

2. Zeitpunkt des Vorliegens der qualifizierenden Voraussetzungen

63

3. Feststellung des Vorliegens der qualifizierenden Voraussetzungen ...

64

a) Hauptamtliche Mitarbeiter

64

b) Inoffizielle Mitarbeiter

64

c) Begünstigte

65

d) Person der Zeitgeschichte

66

III. Sonderregelung für Unterlagen in besonderer Verwahrung IV. Veröffentlichung der zur Verfügung gestellten Unterlagen

67 67

1. Allgemeines

67

2. Auswirkungen auf die Veröffentlichung nicht zur Verfügung gestellter Unterlagen

68

3. Gegendarstellung

68

Inhaltsverzeichnis

V. Exkurs: Auskunftsansprüche nach § 4 des Landespressegesetzes Berlin

69

VI. Verfassungsrechtliche Beurteilung

69

1. Gesetzgebungskompetenz

69

2. Grundrechte

71

a) Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG, Informationsfreiheit

71

b) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit der Informationsbeschaffung

73

H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der an einer Veröffentlichung beteiligten Personen

78

I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG

78

1. Allgemeines, Vorbild: § 353 d) Nr. 3 StGB

-78

2. Schutzzweck der Norm

79

3. Motive für die Regelungsform

80

4. Zur Auslegung des § 44 StUG

81

a) Vom StUG geschützte Originalunterlagen und deren Duplikate ..

81

b) Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger als Betroffene oder Dritte

82

c) Veröffentlichung ganz oder in wesentlichen Teilen

83

d) Veröffentlichung im Wortlaut

84

e) Strafbefreiung nach § 44 S. 2 StUG

85

5. Verjährung II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit außerhalb des StUG bei Veröffentlichungen aus Stasi-Akten

85 86

1. Strafrechtlicher Ehrenschutz

86

a) Beleidigung, § 185 StGB

86

b) Ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, §§ 186, 187 StGB

86

c) Wahrnehmung berechtigter Interessen

88

2. Sonstige Veröffentlichungsdelikte

90

ΠΙ. Straffreiheit nach § 46 StUG

91

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

91

1. Gesetzgebungskompetenz

91

2. Art. 5 GG

92

a) Schutzbereich des Art. 5 GG

92

b) Schranken

93

c) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs

94

(1) Geeignetheit

95

(2) Erforderlichkeit

97

(3) Proportionalität

98

Inhaltsverzeichnis

10

I. Verstoß gegen Vorgaben des Einigungsvertrages? I. Inhaltliche Vorgaben II. Rechtliche Verbindlichkeit J. Zusammenfassung

104 104 106 109

I. Allgemeiner Zugangs- und Verwendungsvorbehalt nach § 4 Abs. 1 StUG 109 II. Anzeige- und Herausgaberegelungen der §§7 und 9 StUG

109

III. Zugangsregelungen für die Presse, §§32 bis 34 StUG

113

IV. Strafvorschrift des § 44 StUG

118

V. Zusammenfassung der Ergebnisse betreffend der Verwendung von Drittkopien

120

K. Wichtigste Ergebnisse

122

Literaturverzeichnis

123

Α. Einleitung Der Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR hat der Bundesrepublik ein unüberschaubares und trauriges Erbe hinterlassen. Jüngere Informationen zeichnen für die DDR das Bild einer Bespitzelung der eigenen Bevölkerung in Orwell' sehen Dimensionen. 90.000 hauptamtliche und 150.000 inoffizielle Mitarbeiter 1 haben Informationen über 6 Millionen Deutsche aus Ost und West zusammengetragen. 2 Sie waren dabei überaus produktiv. Aneinandergereiht ergibt das Aktenmaterial, das heute das Archiv der Bundesbeauftragten in der Normannenstraße in Berlin und die Außenstellen in den ehemaligen Bezirken füllt, eine Länge von 202 Kilometern. 3 In einem Meter Stasi-Akten befinden sich bis zu 70 Vorgänge oder 10.000 Blatt Papier mit einem Gewicht von rund 30 Kilogramm. 4 Ein großer Teil dieser Bestände sind Unterlagen, die sich auf überwachte Personen beziehen. Nach Schätzungen von 1991 lagern allein im Zentralarchiv Berlin 7 Kilometer Gerichtsakten und 11 Kilometer Akten über „Operative Vorgänge", d. h. Dokumentationen der Überwachung einer Person: Ein Gang von zwei Stunden vorbei an Opferakten allein in der Zentrale. Der Inhalt der Akten, Karteien, Beutel und Koffer, die zum Teil nur noch mit Papierfetzen gefüllt sind, besteht aus Schicksalen, aus Verstrickungen und der täglichen Normalität staatlicher Unterdrückung. Ratlos steht die öffentliche Diskussion vor der Abraumhalde aus Papier. Der (teils aus ehernen, teils aus durchsichtigen Motiven vorgetragene) Wunsch, die Aktendeckel des Staatssicherheitsdienstes für immer zu schließen und das Vergangene ruhen zu lassen und der Ruf nach schonungsloser Aufklärung des staatlichen Unrechts andererseits scheint die Nation zu entzweien. Steuert die gesellschaftliche, die juristische, die politische und historische Bewältigung der Stasi-Zeit auf eine Katastrophe zu? 5 Noch scheint eine Mehrheit der Bevölkerung zu wünschen, daß die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, seine Verstrickung mit Politik und Wirtschaft in Ost und West aufgearbeitet wird, wie dies der Einigungsvertrag vorsieht. Aber der Zeitgeist schwankt und könnte sich der Gegenauffassung anschließen. Manch ι Gauck, nach „Die Zeit" v. 20.12.1991. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, nach: SZ v. 31.12.1991. 3 Ebd. 4 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 11. 5 So Schmidt-Holtz, „Stern" v. 20.2.1992, S. 3. 2

Α. Einleitung

12

einer ist gesättigt von neuen „Stasi-Enthüllungen" und wünscht baldigen Frieden. Mit der Beseitigung des „bedrohlichen Gifts der Akten" begann bezeichnenderweise der Staatssicherheitsdienst selbst, als er im Herbst 1989 begann, belastende Unterlagen systematisch zu vernichten. 6 In den Mittelpunkt der Kritik rückt dabei mehr und mehr die Presse der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem die Illustrierten und Straßenverkaufsblätter seien — von Profitgier getrieben — angetreten, um das Sensationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu befriedigen. Der Diskussion fehlt dabei häufig die nötige Differenziertheit. Insbesondere staatlichen Organen steht es nicht zu, die Motivation einer Presseveröffentlichung zu bewerten. Der Wunsch nach Aufklärung der möglichen Verstrickung führender Politiker mit dem Machtapparat des SEDRegimes ist mit dem Begriff der Sensationsgier unpassend tituliert. Von Ausrutschern abgesehen geht es im Kern um das, was in der gängigen rechtspolitischen und verfassungsrechtlichen Terminologie mit Recht als das „Informationsinteresse der Öffentlichkeit" bezeichnet wird, welches letztlich Motor und Rechtfertigung der politischen Presse ist. In der Zeit des Umbruchs wurde ein wesentlicher Teil der Herstellung von Öffentlichkeit durch Dokumentationen bewirkt, die von unabhängigen Bürgerkomitees und ähnlichen Stellen editiert wurden. 7 Die vorher beschwörten bürgerkriegsähnlichen Zustände nach einer Offenlegung der StasiVerstrickungen sind sogar nach der Veröffentlichung von Lohnlisten ausgeblieben. Im Grundsatz wird man davon ausgehen müssen, daß die Offenlegung jedenfalls bei Personen, die politische oder hohe administrative Ämter wahrnehmen, wichtig und im Interesse der demokratischen Kultur unerläßlich ist. Die Presse trägt maßgeblich mit an dieser Verantwortung. Dabei dürfen die Grenzen der gebotenen Publizität freilich nicht übersehen werden. Der Schutz der Opfer vor unfreiwilliger Öffentlichkeit privater und intimer Sachverhalte ist ein wichtiges Individual- und Gemeingut. Ausgleich zwischen diesem Gut und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit mußte der gesamtdeutsche Gesetzgeber treffen, als er die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes regelte. Ergebnis ist das Gesetz über die Unterlagen 6

Gauck, Die Stasi-Akten, S. 89. Zum Vollzug der „Personalaktenwäsche" der Regierung Modrow in Vollzug der „Verordnung der Arbeit mit Personalunterlagen" vom 24.1.1990 auch Schmidt, RDV 1991, 174 ff., 176. 7 Vgl. ζ. B. Archiv Staatssicherheit / Kommission „Amtsmißbrauch und Korruption" Suhl, „Genossen! Glaubt's mir doch! Ich liebe Euch alle!; Gauck, Die Stasi-Akten; Gill / Schröter, Das Ministerium für Staatssicherheit; Meinel / Wernicke, „Mit tschekistischem Gruß"; Mittler ! Wolle, „Ich liebe Euch doch alle!"; Saß/v. Suchodelenz, „feindlichnegativ", Zur politisch-operativen Arbeit einer Stasi-Zentrale; Stasi intern. Macht und Banalität; Unabhängiger Untersuchungsausschuß Rostock, Arbeitsberichte über die Auflösung der Rostocker Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit; Vogel, Magdeburg, Kroatenweg, Chronik des Magdeburger Bürgerkomitees zur Auflösung des MfS / AfNS; Werdin, Unter uns: Die Stasi-Berichte der Bürgerkomitees zur Auflösung der Staatssicherheit im Bezirk Frankfurt / Oder; Worst, Das Ende eines Geheimdienstes.

Α. Einleitung

des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 1991,8 welches mit seltenem Konsens den Deutschen Bundestag passierte.

BGBl. I, S. 2272 ff.

Β. Fragestellung und Gang der Untersuchung Gegenstand dieser Studie ist die Frage, ob es dem Gesetzgeber des StUG gelungen ist, den oben skizzierten notwendigen Ausgleich zu finden. Die Fragestellung beinhaltet aber weder eine umfassende und abschließende Darstellung des Inhalts, noch eine alle Regelungsbereiche des Gesetzes umfassende Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit. Vielmehr soll lediglich derjenige Ausschnitt dieser Materie intensiv beleuchtet werden, der einen besonderen Bezug zu der Presse aufweist. Eingehend dargestellt werden daher vor allem jene Bestimmungen des StUG, die für die Arbeit der Massenmedien mit Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes von Bedeutung sind. Diese Regelungsbereiche werden darüberhinaus einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Zur Verdeutlichung der Regelungsmaterie wird dabei zunächst die Vorgeschichte und der Werdegang des Gesetzes nachgezeichnet. Dies ist schon deshalb unerläßlich, weil der Einigungsvertrag das Stasi-Unterlagen-Gesetz der ehemaligen DDR in Bezug nimmt. Nach einer kurzen einführenden Darstellung der wesentlichen allgemeinen Bestandteile des StUG werden die einzelnen presserelevanten Vorschriften des Gesetzes erläutert, auf ihre etwaigen Mängel hin untersucht und verfassungsrechtlich problematische Fragen behandelt.

C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG I. Volkskammer-Gesetz über die Unterlagen des MfS / AfNS Eine erste gesetzliche Regelung der Problematik des Zugangs zu und der Verwendung von Akten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicherheit der DDR fand sich im Gesetz über die Sicherung und Nutzung der personenbezogenen Daten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit / Amtes für Nationale Sicherheit vom 24. August 19909 (StUG-DDR), welches mit seiner Verkündung am 7. September 1990 in Kraft trat. Das Gesetz aus dem letzten Monat der staatlichen Existenz der DDR regelt in vierzehn Paragraphen die Behandlung der personenbezogenen Daten in Unterlagen des MfS / AfNS. Der Zweck des Gesetzes war nach § 1 StUG-DDR fünffach gegliedert. Es sollte die politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS / AfNS gewährleisten und fördern, den einzelnen davor schützen, daß er durch unbefugten Umgang mit den über ihn gesammelten Daten in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt wird, sowie den Zugriff auf Daten ermöglichen, die für eine Rehabilitierung erforderlich sind. Ferner sollte das Gesetz den Datenzugriff für die Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und eine parlamentarische Kontrolle der Sicherung und Nutzung der Akten des MfS / AfNS gewährleisten. Gerade diese in § 1 StUG-DDR festgelegten Leitlinien sind auch für das Zustandekommen und die Geltung des StUG von erheblicher Bedeutung, wie noch zu zeigen sein wird. Im Gegensatz zum StUG ging das StUG-DDR im Grundsatz von einer dezentralen Archivierung des Aktenbestandes des MfS / AfNS aus (§ 3 StUG-DDR). In Sonderarchiven in Berlin, den fünf neuen Bundesländern (den damaligen Ländern der DDR in ihrer Schlußphase) sowie in einem zentralen Sonderarchiv des ehemaligen MfS / AfNS sollten die Bestände gelagert, archiviert und aufgearbeitet werden. Diese dezentrale Archivierung entsprach einer politischen Forderung der Bürgerbewegung in der DDR und den mit der Aufarbeitung von Rehabilitationsfällen sowie der Auflösung des MfS / AfNS befaßten Bürgerkomitees. § 4 StUG-DDR enthielt Bestimmungen über den Geheimschutz bezüglich personenbezogener Daten. Er enthielt ein Verbot der unbefugten Verarbeitung oder Nutzung von entsprechenden Daten für Personen, welche Zugang zu personenbezogenen Daten des ehemaligen MfS / AfNS hatten oder haben. Gemeint 9 GBL I d. DDR Nr. 58, S. 1419.

16

C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG

waren damit jedenfalls Personen, die rechtmäßigen Zugang zu Stasi-Akten hatten. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 2 StUG-DDR, nach dem die in den Sonderarchiven beschäftigten Personen auf das Datengeheimnis nach Abs. 1 zu verpflichten waren. Die §§5-7 StUG-DDR regelten die Wahl, die Aufgaben und die Rechtsstellung des Beauftragten für das Sonderarchiv Berlin sowie der Landesbeauftragten. Nach § 8 Abs. 1 StUG-DDR war die Übermittlung personenbezogener Daten mittels automatisierter Abrufverfahren untersagt. § 8 Abs. 2 StUG-DDR ordnete verschiedene Sicherungsmaßnahmen an. Danach sollten die zuständigen Beauftragten Maßnahmen treffen, die geeignet sind, Unbefugten den Zugang zum Sonderarchiv zu verwehren und zu verhindern, daß Unterlagen unbefugt gelesen, kopiert, verändert, entfernt, gelöscht, vernichtet oder übermittelt werden. Weiter sollten die Maßnahmen gewährleisten, daß Nutzungsberechtigte nur Zugang zu jenen Akten haben, auf die sich ihre Zugriffsberechtigung erstreckte. Durch diese Bestimmung sollte insbesondere ein Beiseiteschaffen oder Vernichten von Unterlagen verhindert werden. Der Sicherung diente ebenso die Anordnung, durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, daß jederzeit die Möglichkeit der Überprüfung bestehen müsse, von wem an welche Stelle und / oder Person personenbezogene Daten übermittelt wurden und zu verhindern, daß beim Umgang mit und der Verbringung von Unterlagen eine Kenntnisnahme oder Beeinträchtigung stattfände. 10 Die Nutzungsrechte an den Unterlagen des MfS / AfNS waren in § 9 StUGDDR dergestalt geregelt, daß personenbezogene Daten aus Gründen des Schutzes der Bürger grundsätzlich gesperrt waren. Die besondere und generelle Sperrung der Unterlagen für jegliche nachrichtendienstliche Nutzung entsprach einer politischen Kernforderung der Bürgerbewegung in der ehemaligen DDR und ist trotz seiner etwas versteckten Regelung in § 9 Abs. 1 S. 2 StUG-DDR als einer der entscheidenden Grundsätze des Gesetzes anzusehen. § 9 Abs. 2 StUG-DDR regelte die Voraussetzungen, unter denen eine Nutzung zulässig war. Die Vorschrift war dabei als Generalklausel mit einem konkretisierendem Katalog von Einzelfällen ausgestaltet, nach der eine Nutzung für die oben genannten Zwecke des § 1 StUG-DDR erlaubt war. Die Ermöglichung der Nutzung für diese Zwecke gehört mithin ohne Zweifel zu den Essentialia des StUG-DDR. Die Konsequenzen aus dieser Feststellung werden bei der Auslegung und Überprüfung des StUG zu berücksichtigen sein. § 13 StUG-DDR enthielt die Strafvorschriften des Gesetzes. Nach Abs. 1 sollte mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden,

io Offenbar auf einem Redaktionsversehen beruhte die sinnentstellende Formulierung: „ . . . Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind: ... 5. zu verhindern, daß bei Übergabe, Ubersendung, Übermittlung und beim Transport von Unterlagen weder ein unbefugte Lesen, Kopieren, Verändern oder Löschen, noch eine andere Form der Beeinträchtigung des Zustandes oder Bestandes der Unterlagen stattfinden kann.

II. Regelungen des Einigungsvertrages zu den Akten des MfS / AfNS

17

wer unbefugt nicht offenkundige und personenbezogene Unterlagen und Daten des MfS / AfNS übermittelte, speicherte oder veränderte (Nr. 1), diese sich oder einem anderen verschaffte (Nr. 2) oder veröffentlichte (Nr. 3). Ebenso sollten nach Abs. 2 bestimmte datenschutzrelevante Handlungen (Weiterverwendung, Zusammenführung) bestraft werden. Eine Qualifizierung enthielt Abs. 3 für Taten gegen Entgelt oder mit Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht. Die Strafdrohung betrug in diesen Fällen zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Dieselbe Sanktion drohte Abs. 3 in einem selbständigen Tatbestand an. Nach § 13 Abs. 3 S. 2 StUG-DDR sollte auch die Veränderung oder Vernichtung der geschützten Daten strafbar sein. Ziel dieser Regelung war ersichtlich die Verhinderung der Spurenbeseitigung durch Mitarbeiter und Begünstigte des MfS / AfNS. Das bloße Beiseiteschaffen von Unterlagen unterfiel mithin nur dem Grundtatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 2 StUG-DDR. Abs. 4 enthielt eine erhöhte Strafandrohung für besonders schwere Fälle. Nach den Regelbeispielen des S. 2 war dies der Fall, wenn die Schädigung besonders schwer war oder Daten an Nachrichtendienste weitergegeben wurden. Einen Strafausschluß normierte Abs. 5, nach dem nicht bestraft wurde, wer seine Kenntnis von für Betroffene schädlichen Daten den zuständigen Beauftragten freiwillig offenbarte und damit der Zweckbestimmung des Gesetzes diente.

I I . Regelungen des Einigungsvertrages zu den Akten des MfS /AfNS Der Einigungsvertrag 11 selbst enthält über den Umgang mit den Unterlagen der MfS / AfNS nur sehr wenige und vorläufige Regelungen. Dabei spielte in den Verhandlungen um den Abschluß des Einigungsvertrages der Verbleib und die Nutzung der Unterlagen des MfS / AfNS eine zentrale Rolle. In der Diskussion waren zum einen die Fortgeltung des StUG-DDR oder ζ. B. eine Archivierung der Akten im Bundeszentralarchiv in Koblenz. Die Fortgeltung des Stasi-Unterlagengesetzes der Volkskammer stieß insbesondere auf den Widerstand der bundesdeutschen Verhandlungsdelegation. Vereinbart wurde schließlich ein Kompromiß. Bis zum Erlaß eines Gesetzes des gesamtdeutschen Gesetzgebers, das eine endgültige und abschließende Regelung herbeiführen sollte und zu dem der Einigungsvertrag eine Empfehlung enthält, sollten die Akten gem. Anlage I, Kapitel II, Sachgebiet B, Abschnitt I I Nr. 2b) § 1 Abs. 1 S. 1 Einigungsvertrag 12 einem Sonderbeauftragten der Bundesregierung zur Verwaltung und Verwahrung übergeben werden. Dieser sollte die Akten gegen unbefugten Zugriff sichern. n Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889). i2 Im folgenden: § 1 - 5 der Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes. 2 Kloepfer

18

C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG

Über Berufung und Rechtsstellung des Sonderbeauftragten enthielt der Einigungsvertrag in § 1 Abs. 1 S. 2 bis § 1 Abs. 4 der Regelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes vergleichsweise detaillierte Bestimmungen. Er wurde auf Vorschlag des Ministerrates der DDR mit Zustimmung der Volkskammer von der Bundesregierung berufen. 13 Bereits nach dem Einigungsvertrag war der Sonderbeauftragte in der Ausübung seines Amtes unabhängig und unterstand der Rechtsaufsicht der Bundesregierung. Ihm stand ein Beirat zur Seite, dessen Mitglieder mehrheitlich ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten. Weiterhin war er durch das Bundesarchiv und den Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu unterstützen. Im übrigen enthält der Einigungsvertrag im wesentlichen Bestimmungen zur Sicherung des Aktenmaterials des MfS / AfNS. Nach § 2 der Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes waren alle Dateien und Unterlagen gesperrt und ihre Löschung untersagt. Vom grundsätzlichen Verbot der Nutzung und Übermittlung konnten in unerläßlichen und unaufschiebbaren Fällen Ausnahmen für bestimmte Zwecke gemacht werden. In Betracht kam insoweit die Wiedergutmachung und Rehabilitierung von Betroffenen, die Feststellung einer etwaigen Mitarbeit einer Person beim MfS / AfNS in bestimmten Fällen, 14 zur Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des MfS / AfNS, sowie zur Aufklärung von Straftaten nach Art. 1 § 2 Abs. 1 G 10. 15 Zu diesem Zweck durften durch den Sonderbeauftragten Auskünfte erteilt werden und in bestimmten Ausnahmefällen auch Unterlagen herausgegeben werden oder die Einsicht in sie gewährt werden (§ 2 Abs. 2 S. 1 und 2). Die Nutzung und Verarbeitung der übermittelten Daten war für den Empfänger auf den Zweck beschränkt, zu dem sie ihm übermittelt wurden. 16 Gemäß § 3 S. 2 der Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes waren Auskünfte zu Rehabilitierungszwecken so zu erteilen, daß überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht beeinträchtigt werden. Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Sicherung der Unterlagen gegen unbefugten Zugriff, die Nutzung und die 13 Das Amt übernahm der Rostocker Pastor Joachim Gauck (geb. 1940), der zu den Mitbegründern des „Neuen Forums" gehörte und Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses zur Überprüfung der Stasi-Auflösung in der DDR-Volkskammer war. Gauck war von März bis Oktober 1990 Abgeordneter der Volkskammer für das „Bündnis 90" Vgl. DER SPIEGEL 46/ 1991, S. 26 und Gauck, Die Stasi-Akten, S. 3. 14 Möglich war dies nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) mit Zustimmung der Betroffenen zur Überprüfung von Abgeordneten und Kandidaten für parlamentarische Mandate, b) mit Kenntnis der betreffenden Person für die Übernahme in den öffentlichen Dienst gem. Anlage I Kapitel XIX Abschnitt III Nr. 1 Einigungsvertrag, sowie c) mit Zustimmung des Betroffenen bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst und für Sicherheitsüberprüfungen. 15 Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes) v. 13. August 1968, BGBl. I S. 949. 16 Die Formulierung entspricht § 15 Abs. 3 S. 1 und § 16 Abs. 4 S. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz vom 20. Dezember 1990, BGBl. I S. 2954).

II. Regelungen des Einigungsvertrages zu den Akten des MfS / AfNS

19

Auskunftserteilung oblag dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz nach § 4 der Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheits-dienstes. § 5 ordnete im übrigen die Geltung der Vorschriften des BDSG an. Entscheidend für das StUG waren die Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes vor allem aber unter dem Gesichtspunkt, daß sie bestimmte Vorgaben für das Gesetz machten. Obgleich die Hektik der Vertragsverhandlungen es nicht zuließ, abschließende Regelungen zu treffen, 17 wurden inhaltlich doch bestimmte Eckpunkte fixiert. Im Einigungsvertrag selbst waren diese noch recht knapp und hinsichtlich der rechtlichen Verbindlichkeit sehr zurückhaltend formuliert. Der Vertragstext stellt vor § 1 der Einigungsvertragsregelungen über die Akten des Staatssicherheitsdienstes zunächst fest, daß die vom ehemaligen Staatssicherheitsdienst der DDR rechts- und verfassungswidrig gewonnenen personenbezogenen Informationen eine Vielzahl von Bürgern in ganz Deutschland betreffen. Die Aufbewahrung, Nutzung und Sicherung der Unterlagen bedürfe wegen erheblicher Eingriffe in Grundrechtspositionen einer umfassenden Regelung durch den gesamtdeutschen Gesetzgeber. Die inhaltlichen Vorgaben erschöpfen sich in der Empfehlung der Vertragsparteien an die Adresse der gesetzgebenden Körperschaften, dabei die Grundsätze zu berücksichtigen, wie sie in dem von der Volkskammer beschlossenen StUG-DDR zum Ausdruck gekommen sind. Nach erheblichem öffentlichen Druck (mit Mahnwachen und Hungerstreiks) sahen sich die Vertragsparteien genötigt, die vagen inhaltlichen Bestimmungen des Einigungsvertrages zum Umgang mit den Stasi-Akten zu konkretisieren. Dies geschah in der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages 18 (im folgenden: Zusatzvereinbarung). Zu der Frage der weiteren Vorgehensweise hinsichtlich der vom MfS / AfNS gewonnen personenbezogenen Informationen wurde ein neun Punkte umfassender Katalog aufgestellt, über den die Vertragsparteien Übereinstimmung feststellten. Zunächst wurde die Empfehlung des Einigungsvertrages aufgegriffen, bei der gesamtdeutschen Regelung die Grundsätze des StUG-DDR zu berücksichtigen. Indes wurde in der Formulierung ein höherer Grad der politischen Verbindlichkeit gewählt, wobei die rechtliche Relevanz dieser Bindungsintensivierung zweifelhaft ist. Einerseits wurde statt der Empfehlung eine Erwartung fixiert, die sich andererseits auch noch auf die umfassende Berücksichtigung dieser Grundsätze bezieht. Welche rechtlichen Konsequenzen sich aus der Erwartung der Zusatzi7 Vgl. D. Schmidt, RDV 1991, 174 ff., 175. ι» Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des am 31. August 1990 in Berlin unterzeichneten Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertrag — vom 18. September 1990, BGBl. Π S. 1239 = Bulletin Nr. 112/S. 1177 ff. 2*

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C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG

Vereinbarung für den gesamtdeutschen Gesetzgeber — insbesondere hinsichtlich seiner Bindung an Vorgaben des StUG-DDR — ergeben, wird an anderer Stelle zu erörtern sein. 19 Als zweiter Punkt des Forderungskataloges der Zusatzvereinbarung zu den Akten des Staatssicherheitsdienstes wurde die Erwartung ausgesprochen, daß der gesamtdeutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS / AfNS schafft. Insbesondere diese inhaltliche Vorgabe, der in der bisherigen Diskussion insgesamt recht wenig Raum gewidmet wurde und die insbesondere unter dem Gesichtspunkt der politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS / AfNS eine Bedeutung hat, die weit über den Bereich der Interessen der Betroffenen hinausgeht, wird bei der Überprüfung des StUG maßgeblich zu berücksichtigen sein. Weiter gingen die Vertragsparteien in der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag davon aus, daß zwischen der politischen, historischen und juristischen Aufarbeitung, der Sicherung der individuellen Rechte der Betroffenen und dem gebotenen Schutz des einzelnen vor unbefugter Verwendung seiner persönlichen Daten ein angemessener Ausgleich geschaffen wird. Letztlich sind die Feststellungen der Punkte 2 und 3 des Kataloges der Zusatzvereinbarung wiederholend und eher deklaratorisch, da diese Inhalte bereits — wie festgestellt — im StUG-DDR (§ 1) als Grundsätze festgelegt und mithin gemäß Art. 1 Nr. 1 der Zusatzvereinbarung umfassend zu berücksichtigen waren. Die Punkte verdeutlichen damit aber, daß die Beachtung dieser Grundsätze der Disposition des gesamtdeutschen Gesetzgebers nach dem Einigungsvertrag entzogen sind. Die Punkte 4 bis 8 des Art. 1 der Zusatzvereinbarung stellen zum Teil Konkretisierungen der Einigungsvertragsregelungen zu den Akten des Staatssicherheitsdienstes im Sinne des StUG-DDR, zum Teil Modifikationen dieses Gesetzes dar. So wird in Punkt 4 und 5 der Ansatz der dezentralen Verwaltung und Verwahrung dahingehend modifiziert, daß bei zentraler Verwaltung der Aktenbestände auch eine dezentrale Verwahrung möglich ist. Die Länderbeauftragten sollen den Bundesbeauftragten beraten und unterstützen, damit die Interessen der Bürger der neuen Bundesländer in besonderer Weise Berücksichtigung finden. Die Forderung nach der baldigen Einräumung eines Auskunftsrechts für Betroffene in Punkt 6 gibt eingeschränkt den Inhalt der Auskunftsanspruchssregelung des § 11 StUG-DDR wieder. Punkt 8 des Art. 1 der Zusatzvereinbarung modifiziert den Grundsatz des Verbotes jeglicher nachrichtendienstlichen Nutzung des Archivgutes (§ 9 Abs. 1 S. 2 StUG-DDR) dahingehend, daß eine „unumgängliche Mitwirkung" bei der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 der Maßgabe b) zum BundesarchivG 20 (Straftaten nach Art. 1 § 2 Abs. 1 G 10) möglich sein soll. « Vgl. unten I. I., II. 20 Bundesarchivgesetz vom 6. Januar 1988, BGBl. I S. 62.

IV. Entwurf Bündnis 90 / Die Grünen

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Punkt 9 des Art. 1 der Zusatzvereinbarung fordert den gesamtdeutschen Gesetzgeber auf, unverzüglich tätig zu werden und bestimmt nochmals, daß dabei das StUG-DDR in Verbindung mit dem Einigungsvertrag als Grundlage zu dienen hat.

I I I . Vorläufige Benutzerordnung vom 17.12.1990 Am 12. Dezember 1990 erließ der Sonderbeauftragte der Bundesregierung in Ausführung der Regelungen des Einigungsvertrages über die Akten des Staatssicherheitsdienstes eine vorläufige Ordnung für die Nutzung personenbezogener Unterlagen des ehemaligen MfS / AfNS. 2 1 Den 23 Paragraphen in acht Abschnitten war eine erläuternde Einleitung vorangestellt, mit der die geltende Rechtslage nach dem Einigungsvertrag und die Rechtsgrundlage der Benutzerordnung dargestellt wurde. Bleibende Bedeutung über das Inkrafttreten des StUG hinaus hat die vorläufige Benutzerordnung nicht. Über die Praxis der Aktennutzung vor Inkrafttreten des StUG ist — soweit ersichtlich — bisher wenig bekannt geworden. 22 Es darf aber davon ausgegangen werden, daß zumindest für Sicherheitsüberprüfungen die erschlossenen Aktenbestände (seinerzeit ca. 20-30 % 2 3 ) genutzt wurden.

IV. Entwurf Bündnis 90/ Die Grünen Im Frühsommer 1991 wurde von der Abgeordneten Ingrid Köppe und der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen der Entwurf eines Gesetzes über die StasiUnterlagen im Bundestag eingebracht. 24 Als Grundlage diente dem Entwurf ein durch die Bürgerkomitees zur Auflösung des MfS / AfNS erarbeiteter und dem Bundestag vorgelegter Gesetzesentwurf. 25 Er verarbeitet daher die Forderungen der Bürgerbewegung der ausgehenden DDR in besonders reiner Form. Sehr deutlich wird — die vom Einigungsvertrag in der Auslegung der Zusatzvereinbarung geforderte — umfassende Berücksichtigung der Grundsätze des StUG-DDR 21 Abgedruckt in: Der Archivar 1991, Sp. 570 ff., vgl. dazu eingehend Stoltenberg, DtZ 1991, 205 ff. 22 Vgl. aber jetzt die Entscheidung des VG Berlin (Beschluß v. 23.10.1991 — nicht rechtskräftig), abgedr. in: LKV 1992, 139 ff. Die Anträge des damaligen Direktors der Charité auf Einsicht in die ihn betreffenden Akten und Auskunft über seine etwaigen Führungsoffiziere wurden durch den Bundesbeauftragten nicht beschieden. Im konkreten Fall verneinte das Gericht aber die Akteneinsicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, wenngleich es feststellte, daß im Einzelfall im Wege der verfassungskonformen Auslegung ein Akteneinsichtsrecht anzunehmen sein könnte (Leitsatz 2). 23 Stoltenberg, DtZ 1991, 205 ff., 206. 24 Entwurf eines Gesetzes über die Sicherung und Nutzung der Daten und Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik, BT-Drs. 12/692 v. 7.6.1991. 25 Vgl. BT-Drs. 12/692, S. 2.

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C. Regelungen und Entwürfe vor Inkrafttreten des StUG

an der nahezu wörtlichen Übernahme der Zielsetzung gemäß § 1 StUG-DDR und des Entwurfs Bündnis 90 / Die Grünen. Aber auch im übrigen ist der Entwurf in Struktur und Inhalt in weiten Teilen als eine überarbeitete Fassung des StUGDDR anzusehen. Die Anlehnung geht so weit, daß ζ. B. in § 9 (Sicherungsmaßnahmen) sinnentstellende Redaktionsversehen mitübernommen werden. 26 Hier tauchen Zweifel an einer sorgfältigen Überarbeitung der Vorlage (StUG-DDR) auf. Neu im Gesetzesentwurf Bündnis 90 / Die Grünen war aber die Vorschrift des § 10, der Auffinden und Übergabe der Unterlagen regelte. Adressat des § 10 Abs. 1 E Bündnis 90 / Die Grünen waren öffentliche Stellen. Diese waren nach dem Entwurf verpflichtet, die Beauftragten bei ihren Ermittlungen zur Auffindung der Unterlagen zu unterstützen. Insbesondere sollten sie ihnen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte erteilen. Abs. 2 wendete sich hingegen an „alle Personen und Stellen", also auch an alle nicht-öffentlichen Stellen und natürliche Personen. Er sah die Normierung einer allgemeinen Verpflichtung vor, den Bundesbeauftragten - bemerkenswerterweise sind im Gegensatz zu Abs. 1 die Landesbeauftragten nicht genannt—unverzüglich vom Vorhandensein von Daten und Unterlagen über das MfS/AfNS, die sie in Gewahrsam haben, zu unterrichten. Diese sollten dem Bundesbeauftragten grundsätzlich im Original zu übergeben sein. Eine Ablieferungspflicht von Kopien sah der E Bündnis 90 / Die Grünen nicht vor. Dies entspräche auch nicht der Regelungsintention dieser Vorschrift, die sich aus der Entwurfsbegründung ergibt. Danach ist die Zielrichtung der Bestimmung primär die Komplettierung der durch Abwanderung geschädigten Archive und nicht die Unterdrückung von Informationen die bereits im Umlauf sind. 27 Eine Sanktionierung der Herausgabepflicht sah der Entwurf nicht vor. In den Absätzen 1 bis 4 entsprechen die Strafbestimmungen des § 19 E Bündnis 90 / Die Grünen — abgesehen von redaktionellen Änderungen der Verweise — wörtlich der Vorlage des § 13 StUG-DDR. Interessant ist hingegen die Fassung des Strafausschlußgrundes in § 19 Abs. 5 E Bündnis 90/ Die Grünen. Zum einen wird (wie im StUG-DDR) die freiwillige Offenbarung von Kenntnissen über solche Unterlagen honoriert, die geeignet sind, den darin genannten Personen Nachteile zuzufügen. Darüber hinaus enthält § 19 Abs. 5 S. 1, 2. Alternative E Bündnis 90 / Grüne aber einen weiteren Strafausschließungsgrund, der die Intention des StUG-DDR und den Willen der treibenden Kräfte bei der Auflösung des MfS / AfNS sehr deutlich zum Ausdruck bringt, ohne selbst im Volkskammergesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Niederschlag gefunden zu haben. Danach ist die Weitergabe oder Veröffentlichung von personenbezogenen Daten nicht strafbar, wenn sie im überwiegenden Allgemeininteresse liegt. Nach dem Regelbeispiel des § 19 Abs. 5 S. 2 E Bündnis 90 / Die Grünen ist dies dann der Fall, wenn es sich um Informationen über die Tätigkeit offizieller oder 26 Vgl. oben FN. 10. 27 BT-Drs. 12/692 S. 15.

IV. Entwurf Bündnis 90 / Die Grünen

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inoffizieller Mitarbeiter des MfS handelt, die nicht deren Privatsphäre betreffen. Zu den Strafbestimmungen des § 19 finden sich in der Begründung zum E Bündnis 90 / Die Grünen keine Erläuterungen. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß unter diesen Strafausschlußgrund solche Konstellationen fallen sollten, die hinsichtlich der Abwägung zwischen dem politischen Aufklärungsinteresse der Allgemeinheit und dem Persönlichkeitsschutz des in den Unterlagen genannten mit dem Regelbeispiel vergleichbar sind. Dies wäre etwa auch dann der Fall, wenn Personen der Zeitgeschichte vom MfS / AfNS begünstigt wurden, von diesen Zuwendungen erhielten oder sie diesen Stellen Informationen zur Verfügung stellten, ohne inoffizieller Mitarbeiter zu sein. Eine letzte Neuerung enthält § 20 Abs. 6 E Bündnis 90 / Die Grünen. Die Anpassungsvorschrift verlangt, daß nach Ablauf von fünf Jahren das Gesetz zu überprüfen und gegebenenfalls hinsichtlich erweiterter Möglichkeiten der Anonymisierung und Vernichtung von Akten zu ändern ist.

D. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (StUG) Am 29. Dezember 1991 trat das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 1991 in kraft. 28 Mit insgesamt 48 Paragraphen wurde es deutlich umfangreicher als sämtliche Entwürfe, die diesem Gesetz vorausgegangen waren. Begleitet wurde das Gesetzgebungsverfahren zum StUG von heftiger Kritik von verschiedenen Seiten.29 Vertreter der Bürgerbewegung in der ehemaligen DDR monierten insbesondere die geplante zentrale Lagerung und Verwaltung, die Ermöglichung der Nutzung durch Nachrichtendienste in bestimmten Fällen und die Beschränkung der Nutzung auf bereits erschlossene Akten. 30 Andere kritisierten, daß die mit Entscheidungen über Auskünfte allein nach Aktenlage verbundene Unschärfe nicht hinzunehmenden Gefahren für Verdächtigte mit sich bringe. 31 Unmittelbar waren dem Gesetz zwei Entwürfe vorausgegangen. Der erste Vorläufer war der Entwurf der Fraktionen der CDU / CSU, der SPD und der FDP (Parteienentwurf). 32 Hinsichtlich seiner Gliederung und dem Regelungsgehalt seiner meisten Vorschriften entspricht der Entwurf trotz zahlreicher Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren in großen Zügen dem späteren StUG. Der letztlich dem StUG unmittelbar zugrundeliegende Gesetzesentwurf ist hingegen jener der Bundesregierung, der dem Bundestag am 29. August 1991 zugeleitet wurde (Regierungsentwurf) 33 und der in der 57. Sitzung am 14. November 1991 mit gewissen Änderungen aufgrund der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses34 angenommen wurde. 35 Im wesentlichen läßt sich das StUG in zwei Regelungsbereiche aufteilen. Der eine Teil ist das Organisationsrecht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des MfS / AfNS im weitesten Sinne. Dieser Teil ist im vorliegenden Zusammenhang zwar als Rahmenbedingung wichtig, er betrifft indes nicht im Kern die 28 Vgl. zum Ganzen jetzt auch Gounalakis / Vollmann, AfP 1992, 36 ff. 29 DER SPIEGEL 47, 1991, S. 31. 30 Traut, DER SPIEGEL 46, 1991, S. 28 f. 31 Strate, DER SPIEGEL 1, 1992, S. 26 ff.; Traut, DER SPIEGEL 46, 1991, S. 28 f. 32 BT-Drs. 12/723 v. 12.6.1991. 33 BT-Drs. 12/1093. 34 BT-Drs. 12/1540. 35 BR-Drs. 729/91.

D. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (StUG)

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Problematik dieser Untersuchung. Seine wesentlichen Inhalte sollen daher nur kurz skizziert werden. Der zweite Teil (ohne daß dies einer Gliederung entspräche, die im Gesetz Niederschlag gefunden hätte) sind jene Normen des StUG, die — gewissermaßen als Außenrecht — die Befugnisse und Pflichten des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des MfS / AfNS gegenüber Dritten sowie die Rechtsverhältnisse bezüglich des Umgangs mit Akten des Staatssicherheitsdienstes durch Dritte regeln. Die Grundkonzeption des StUG geht, um dies vorwegzunehmen, hinsichtlich der Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch den Einzelnen von einem präventiven Verbot der Verwendung mit Erlaubnisvorbehalt für den Bundesbeauftragten aus. Ausgehend von dieser Grundkonstruktion, die möglicherweise in der reduzierten Darstellung eine Regelungshomogenität des Gesetzes vorspiegelt, die sich in seinen Einzelvorschriften keineswegs wiederfindet, trifft das StUG verschiedene Regelungen über den Umgang und die Verwendung von Unterlagen des MfS / AfNS durch Private. Es erstaunt nicht, daß sich die Presse der Bundesrepublik Deutschland mit besonderem Interesse der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR als einem Thema der jüngsten deutschen Vergangenheit zuwendet, das in besonderer Weise die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Sichtung der Akten des MfS / AfNS ist dabei, wenn auch nicht der einzige, so doch der wohl wichtigste Schritt in der Aufklärung von Taten, Verstrickungen und Betroffenheiten in der ehemaligen DDR. So sind die Regelungen über den Umgang mit eben diesen Akten gerade für die politische Presse von beträchtlicher Bedeutung.

E. Allgemeine Regelungen des StUG Das StUG ist in fünf Abschnitte gegliedert und verfügt über insgesamt 48 Paragraphen. 1. Abschnitt — Allgemeine Vorschriften Der erste Abschnitt enthält allgemeine und grundsätzliche Vorschriften wie den Zweck des Gesetzes oder die Begriffsbestimmungen. Nach der Zweckbestimmung des § 1 StUG soll das Gesetz die Erfassung, Erschließung, Verwaltung und Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes regeln, um vier Ziele zu erreichen: Es soll dem einzelnen Zugang zu den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen ermöglichen, damit er die Einflußnahme des Staatssicherheitsdienstes auf sein persönliches Schicksal aufklären kann. Der Einzelne soll weiter davor geschützt werden, daß er durch den Umgang mit den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gesammelten Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Wie alle Vorregelungen und Entwürfe verlangt auch das StUG die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Schließlich sollen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen die erforderlichen Informationen für die im StUG genannten Zwecke zu Verfügung gestellt werden. Der Grundkonflikt zwischen Aufarbeitungsinteresse und Betroffenenschutz ist damit bereits in der Zielsetzung des Gesetzes angelegt. § 2 StUG verweist für die Erfassung, Verwahrung und Verwaltung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf die Vorschriften des Gesetzes. Die §§ 3 und 4 StUG regeln die allgemeinen Fragen der Rechte des einzelnen und der Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, § 5 StUG ein Nachteilsverbot für Betroffene und ein temporäres Verwendungsverbot für Zwecke der Justiz. § 6 StUG enthält (im wesentlichen36) Begriffsbestimmungen, die innerhalb dieser Untersuchung im jeweiligen Sachzusammenhang dargestellt werden.

36 Verwirrend ist in diesem Zusammenhang die in den Begriffsbestimmungen vorgenommene Normierung einer Befugnis des Bundesbeauftragten, bezüglich der durch den Staatssicherheitsdienst weggenommenen Schriftstücke (etwa beschlagnahmten Briefen) Kopien zu den Unterlagen zu nehmen (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 StUG).

E. Allgemeine Regelungen des StUG

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2. Abschnitt — Unterlagenerfassung Der zweite Abschnitt enthält die Regelungen, die es dem Bundesbeauftragten ermöglichen sollen, die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes bei anderen (öffentlichen und nicht-öffentlichen) Stellen aufzufinden und in seiner Behörde zu erfassen. 3. Abschnitt — Unterlagenverwendung Im dritten Abschnitt ist die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes geregelt. Er ist mit drei Unterabschnitten der umfangreichste und für die Arbeit des Bundesbeauftragten der zentrale Regelungskomplex. Im ersten Unterabschnitt finden sich Regelungen über die Rechte von Betroffenen, Dritten, Mitarbeitern und Begünstigten des Staatssicherheitsdienstes in Bezug auf die Unterlagen. Der zweite Unterabschnitt enthält die Bestimmungen über die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen. Der politischen und historischen Aufarbeitung wendet sich der dritte Unterabschnitt mit seinen Regelungen über die Verwendung der Unterlagen zum Zwecke der Forschung und durch Presse und Rundfunk zu.

4. Abschnitt — Bundesbeauftragter Der vierte Abschnitt regelt Rechtsstellung (§§ 35, 36 StUG) und Aufgaben (§ 37 StUG) des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Es ist danach eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministers des Inneren. Seine Stellung gegenüber dem Bund ist als weitgehend selbständig ausgestaltet. Es ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Er untersteht der Rechtsaufsicht der Bundesregierung, wobei die Dienstaufsicht durch den Bundesinnenminister geführt wird. In der detailliert ausgestalteten Aufgabennorm des § 37 StUG werden dem Bundesbeauftragten alle nach dem StUG zu bewerkstelligenden Ausgaben zugewiesen. Darüberhinaus enthält die Vorschrift eine Berichtspflicht gegenüber dem Deutschen Bundestag. Schließlich wird in den Vorschriften des vierten Abschnittes des StUG noch das Verhältnis des Bundesbeauftragten zu den Landesbeauftragten geregelt (§ 38), ihm ein Beirat zur Seite gestellt (§ 39), Maßnahmen zur Sicherung der Unterlagen angeordnet (§ 40) sowie die elektronische Datenverwaltung und -Verwendung geregelt (§41).

5. Abschnitt — Schlußvorschriften Die Schlußvorschriften des fünften Abschnittes beinhalten eine Kostenregelung, wonach insbesondere Auskünfte und Einsichten für die Presse nach den

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E. Allgemeine Regelungen des StUG

§§ 34 i. V. m. 32, 33 StUG gebührenfrei sind (§ 42). § 43 ordnet den Vorrang des StUG vor anderen Gesetzen hinsichtlich der Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten an. Das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht des StUG befindet sich in den §§ 44 - 46 StUG, die §§47 und 48 StUG sind Schlußvorschriften im technischen Sinne.

F. Presserelevante Regelungen im StUG Verschiedene Regelungen des StUG sind von erheblicher Bedeutung für die Presse, ohne daß sie speziell auf die Regelung der Rechtsverhältnisse der mit Unterlagen des MfS / AfNS arbeitenden Presse gerichtet wären. Manche Bestimmungen betreffen die Presseunternehmen wie beliebige Dritte in vergleichbarer (ζ. B. gesellschaftsrechtlicher) Position, ohne daß dies einen besonderen Einfluß auf die spezifische Arbeit der Presse mit Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes hätte. Dies gilt etwa für die Informationsansprüche zur Überprüfung einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst bei bestimmten Personalentscheidungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 f) StUG. Die Akten über Mitarbeiter des MfS / AfNS können bei Unternehmen mit Kenntnis, aber ohne Einwilligung der betreffenden Person zur Überprüfung einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst von Funktionsträgern eines Unternehmens (etwa bei § 84 Abs. 3 AktG) herangezogen werden, soweit es sich um Tätigkeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres handelt. 37 Ein Informationsanspruch besteht daher auch für Presseunternehmen — wie für andere Unternehmen — nur dann, wenn ein rechtlich legitimiertes Eigeninteresse besteht. Das reine Informationsinteresse der Presse reicht für Ansprüche nach § 20 StUG (oder die praktisch eine Parallelnormierung zu § 20 StUG darstellende Regelung für „Opferakten" in § 21 StUG) nicht aus.38

I. Allgemeiner Verwendungsvorbehalt gem. § 4 Abs. 1 S. 1 StUG § 4 Abs. 1 S. 1 StUG bestimmt, daß öffentliche und nicht-öffentliche Stellen nur Zugang zu den Unterlagen haben und diese nur verwenden dürfen, soweit es das StUG erlaubt oder anordnet. Die Vorschrift ist eine Schlüsselregelung des gesamten Gesetzes. Sie fand sich bereits im Parteienentwurf und im Regierungsentwurf (jeweils § 3 Abs. 2). In der Begründung hierzu hieß es, daß der Inhalt der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und die Tatsache, daß die darin enthaltenen Informationen in der Regel unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze beschafft worden sind, es erforderlich mache, die Verwendung dieser Unterlagen durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen mit dem StUG abschließend zu regeln. Die Regelungen des StUG sollten danach Vorrang vor anderen Gesetzen haben.39 37 Bork, ZIP 1992, 90 ff., 91. 38 So auch Bork, a. a. Ο. 39 B T - D r s . 12/1093 S. 20.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

1. Allgemeiner Regelungsgehalt Im Kern normiert § 4 Abs. 1 S. 1 StUG das Verbotsprinzip, welches das gesamte StUG dominiert (und sich grundsätzlich durch eine spezifische Grundrechtsferne im Hinblick auf die Pressefreiheit auszeichnet). § 4 Abs. 1 StUG postuliert in der Sache ein Zugangs- und Verwendungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Eine verdeutlichende Ausfüllung erlangt § 4 Abs. 1 S. 1 StUG aber erst mit den besonderen „Genehmigungs"(Auskunfts- und Herausgabe-)Tatbeständen und der Generalklausel des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 StUG. a) Nutzungserlaubnisse für Personen, über die in den Akten Informationen enthalten sind § 3 Abs. 1 und 2 StUG regelt die Nutzung der Unterlagen des MfS/AfNS durch die Personen, über die im Aktenbestand selbst personenbezogene Daten gespeichert oder gesammelt sind. Nach dieser Vorschrift hat jeder einzelne das Recht, vom Bundesbeauftragten Auskunft darüber zu verlangen, ob in den erschlossenen Unterlagen Informationen zu seiner Person enthalten sind. Die Beschränkung auf die erschlossenen Unterlagen ist erst in der endgültigen Fassung des Gesetzes hinzugekommen. Noch der Regierungsentwurf kannte diese Einschränkung nicht. 40 Er entspringt wohl der an sich nachvollziehbaren Praktikabilitätserwägung, daß die Auskunft über Informationen im gesamten Aktenbestand, auch soweit er noch nicht erschlossen ist, nur mit sehr großem Aufwand möglich ist. Gleichwohl ist die Vorschrift in der vorliegenden Fassung zumindest rechtspolitisch bedenklich, möglicherweise aber auch verfassungsrechtlich zu beanstanden. Für Betroffene und Dritte, die einen Anspruch auf Einsicht oder Herausgabe haben können, dürfte es schwer nachzuvollziehen oder gar zu überprüfen sein, nach welchen Kriterien — die notwendigerweise sukzessive — Erfassung vorangetrieben wird oder mit welcher Geschwindigkeit und mit welchen Prioritäten dies geschieht. Im — freilich nicht zu unterstellenden, theoretisch aber denkbaren — negativsten Fall könnten politisch inopportune Teile der Akten selektiv bei der Erschließung zurückgestellt werden. Das StUG enthält selbst insoweit keine Prioritäten oder Fristen. In der Norm über die Aufgaben und Befugnisse des Bundesbeauftragten findet sich lediglich die Aussage, daß es dem Bundesbeauftragten obliegt, die Unterlagen nach archivischen Grundsätzen zu bewerten, zu ordnen, zu erschließen, zu verwahren und zu verwalten (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 StUG). Die Regelungen über die „gesonderte Verwahrung" 41 von Unterlagen sind hier wesentlich differenzierter (§ 37 Abs. 1 Nr. 3).

40 BT-Drs. 12/1093 S. 5. 41 Vgl. dazu unten G III.

I. Allgemeiner Verwendungsvorbehalt

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Sind in den erschlossenen Unterlagen Informationen zu der Person des Antragstellers enthalten, so hat er das Recht auf Auskunft, Einsicht in Unterlagen und Herausgabe von Unterlagen 42 nach Maßgabe des StUG. Die Zulassungsgenehmigungstatbestände sind dabei im einzelnen nach dem Kreis der Antragsteller differenziert ausgestaltet. (1) Nutzungsvoraussetzungen für Betroffene und Dritte § 13 StUG regelt die Rechte Betroffener und Dritter auf Auskunft, Einsicht und Herausgabe in und von Unterlägen. Soweit sich ihr Antrag auf Informationen über sie selbst bezieht, sind Auskunft und Einsicht grundsätzlich voraussetzungslos zu gewähren. „Betroffene" sind im Sinne der Legaldefinition des § 6 Abs. 3 StUG Personen, zu denen der Staatssicherheitsdienst aufgrund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspähung einschließlich heimlicher Informationserhebung Informationen gesammelt hat. Betroffene im Sinne des StUG sind mithin Opfer gezielter Ausforschung durch den Staatssicherheitsdienst. „Dritte" im Sinne des StUG werden durch § 6 Abs. 7 StUG definiert. Sie sind danach „sonstige" Personen, über die der Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat. Typischerweise sind dies Personen, die ohne zielgerichtet ausgespäht worden zu sein, in den Kreis der Überwachung gezogen wurden. Möglich ist dies etwa in der Dokumentation sachbezogener operativer Vorgänge und im Rahmen der gezielten Informationserhebung über andere Personen. Wurde etwa im Rahmen eines personenbezogenen Überwachung auch ein Profil des Bekanntenkreises erstellt, so handelt es sich bei den dort aufgeführten Personen um Dritte im Sinne des StUG. Im Einzelfall kann die Abgrenzung unüberwindliche Schwierigkeiten bereiten. Unproblematisch ist die Zuordnung als Unterlage über einen Betroffenen wohl überhaupt nur, wenn die Akten konkret zu der betreffenden Person gesammelt und zusammengestellt wurden (Opferakten im engeren Sinne). Wurde aber etwa eine Demonstration oder eine kirchliche Veranstaltung generell überwacht, so handelt es sich bei den aufgenommenen personenbezogenen Informationen nicht ohne weiteres um Informationen über Betroffene, da nicht die einzelne Person Objekt der Erhebung war. Obwohl es hinsichtlich der Interessenlage keinen Zweifel an der Qualität als Betroffenenakte geben kann, erscheint die Einordnung nach dem StUG zweifelhaft. Fraglich ist, wie die Erfassung durch den Sonderbe42 Dabei werden von Unterlagen nur Kopien herausgegeben, in denen die personenbezogenen Informationen über andere Betroffene oder Dritte als den Antragsteller anonymisiert worden sind. Die in § 12 Abs. 5 StUG gewählte Formulierung: „Unterlagen werden nur als Duplikate herausgegeben" ist logisch falsch, da Duplikate keine Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG sind. Richtig dagegen | 37 Abs. 1 Nr. 6 StUG: „ . . . Herausgabe von Duplikaten von Unterlagen".

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

auftragten hier strukturiert wird. Deutlich wird dieses Dilemma auch daran, daß — wie aufzuzeigen sein wird — das StUG kaum zwischen Betroffenen und Dritten differenziert. (2) Zugangs- und Verwendungsvoraussetzungen für „Täter" „Tätern" ist ebenfalls auf Antrag Auskunft über „ihre" (?; gemeint ist: die sie betreffenden) personenbezogenen Informationen zu erteilen, die in den zu ihrer Person geführten Unterlagen enthalten sind (§16 Abs. 1 StUG) — ein Minimum, das ohnehin durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geboten ist; 43 auch ein grundsätzlicher Anspruch auf Einsicht in diese Unterlagen besteht nach § 16 Abs. 3 StUG. Es handelt sich dabei vor allem um die Personal- oder IMStammunterlagen. Im Gegensatz zu den „Opfern" ist die Zugangsregelung für Mitarbeiter des MfS — soweit es die Einsicht in bestimmte Unterlagen betrifft — aber als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Nach § 16 Abs. 4 StUG kann dem Mitarbeiter auf Antrag Auskunft aus den von ihm erstellten Berichten erteilt und Einsicht in diese gewährt werden, wenn er glaubhaft macht, daß er hieran ein rechtliches Interesse hat. Worin dieses rechtliche Interesse bestehen kann, definiert das StUG selbst nicht. Nach § 16 Abs. 4 S. 2 StUG gilt dies indes nicht, wenn das berechtigte Interesse Betroffener oder Dritter an der Geheimhaltung überwiegt. Diese Einschränkung hat allerdings nur die Bedeutung einer Konkretisierung der in die Ermessensausübung einzubeziehenden Faktoren. Überschattet wird die Differenzierung nach Mitarbeitern und Begünstigten einerseits und Betroffenen und Dritten andererseits durch die mangelnde Trennschärfe dieser Begriffe. Da sich das Problem aber im Zusammenhang mit der Auskunft und Weitergabe von Informationen über diese Personen in größerer Schärfe stellt, soll der Versuch einer Abgrenzung und die Offenlegung der damit verbundenen Unsicherheiten (und Unzulänglichkeiten) erst in diesem Zusammenhang erfolgen. 44 (3) Nahe Angehörige von Vermißten oder Verstorbenen Nach § 15 StUG ist Ehegatten, Kindern, Enkelkindern, Eltern und Geschwistern von Vermißten und Verstorbenen zu deren Rehabilitierung, zum Schutze von deren Persönlichkeitsrechts (insbesondere zur Klärung des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst) und zur Aufklärung des Schicksals der vermißten oder verstorbenen Angehörigen auf Antrag Auskunft 43 Vgl. BVerfGE 65, 1, 41 ff., 43, insbesondere S. 70: „Würde das Volkszählungsgesetz 1983 demnach verhindern, daß der Bürger Kenntnis davon erlangt, wer wo über welche seiner personenbezogenen Daten in welcher Weise und zu welchem Zweck verfügt, so wäre sein Rechtsschutz verfassungsrechtlich unzureichend.", vgl. auch BVerwGE 70, 310, 312 m. Anm. Hoffmann-Riem, YL 1984, 627 f. 44 Vgl. dazu unten G II 3 c.

I. Allgemeiner Verwendungsvorbehalt

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zu erteilen, es sei denn, der Angehörige hat einen anderen Willen hinterlassen. Diese Vorschrift entspricht nach der Begründung zum RegE-StUG einem durch zahlreiche Bürgereingaben erkennbar gewordenen praktischem Bedürfnis. Danach lägen aber auch Eingaben vor, in denen Personen darum bitten, nach ihrem Tode keine Auskünfte aus den zu ihrer Person angelegten Unterlagen der Staatssicherheit an Familienangehörige zu erteilen. Die Begründung führt aus, das in Anbetracht des möglichen Akteninhaltes solchen Wünschen Rechnung getragen werden sollte. 45 Dem Wunsch wird freilich dann nicht Rechnung getragen werden können, wenn die Angehörigen in eigener Person einen Antrag auf Auskunft und Einsicht stellen und sie von dem verstorbenen nahen Angehörigen bespitzelt wurden. (4) Andere „nicht-öffentliche Stellen" (mit Ausnahme der spezifischen Regelungen für die Presse) Die Regelungen über die „Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen" in den §§ 19 ff. StUG unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen der Verwendung der Unterlagen durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen. Bedeutung hat diese Differenzierung aber zumindest insoweit für die nachfolgende verfassungsrechtliche Überprüfung der Regelungen, als der Gesetzgeber gehalten ist, die Ausstrahlung der Grundrechte, die für die Verwendung durch Private, nicht aber für die Verwendung durch Behörden zu beachten ist, zu berücksichtigen. Die Gleichsetzung öffentlicher und nicht-öffentlicher Stellen ist insoweit bedenklich; dies aber auch umgekehrt, da öffentliche Belange einen weiteren Zugang legitimieren könnten. Für die Verwendung von Unterlagen für Zwecke parlamentarischer Untersuchungsausschüsse (§ 22 StUG), der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr (§ 23 StUG), für Zwecke der Nachrichtendienste (§ 25 StUG) sowie für die Verwendung der dem Staatssicherheitsdienst überlassenen Akten von Gerichten und Staatsanwaltschaften (§ 24 StUG) finden sich jedoch Sonderregelungen. Im übrigen wird nur hinsichtlich der Mitteilungen ohne Ersuchen (Spontanmitteilungen) zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen differenziert. Rein gesetzestechnisch findet sich indes eine starke Differenzierung danach, ob sich in den jeweiligen Unterlagen personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte finden. Während in § 20 StUG der Zugang zu Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes geregelt ist, die keine personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, bezieht sich die Vorschrift des § 21 StUG auf solche Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die derartige Informationen enthalten. Beide Bestimmungen verfügen über einen eigenen Katalog von Fällen, in denen die Unterlagen mit einer bestimmten Zweckbindung verwandt

45 BT-Drs. 12/1093 S. 24. 3 Kloepfer

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

werden dürfen. Hieraus ergibt sich freilich, daß in den §§ 19 ff. StUG keinesfalls allgemeine Informationsansprüche geregelt sind. Vielmehr treffen diese Vorschriften Anordnungen über bestimmte Verwendungen, denen ein konkretes rechtliches Interesse zugrundeliegt. Für nicht-öffentliche Stellen sind dabei lediglich (in Bezug auf die Akten, die keine „Opferinformationen" enthalten) die Nummern 7 und 10 des § 20 Abs. 1 StUG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 6 f) StUG einschlägig. Die Zwecke dieser Regelungen sind: — für § 20 Abs. 1 Nr. 6 f) StUG die Überprüfung einer etwaigen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst von Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern, Betriebsleitern oder leitenden Angestellten in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personenmehrheit sowie von Personen, die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personenmehrheit berufen sind mit deren Kenntnis; 46 — für § 20 Abs. 1 Nr. 7 StUG die Überprüfung eines weiteren Personenkreises auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst mit deren Einwilligung, ohne daß die überprüfungsfähigen Personengruppen hier im einzelnen dargestellt werden brauchten; — nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 StUG für Ordensangelegenheiten. Insgesamt läßt sich feststellen, daß diese Informationsrechte speziell der Presse kein eigenes, pressespezifisches Informationsrecht gibt, da nach den o. g. Bestimmungen der Zugang zu den Informationen nur nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften gilt. § 20 StUG setzt demnach eine Regelung voraus, welche die Überprüfung eines Funktionsträgers vorsieht oder inzident verlangt. 47 Für die Verwendung der Unterlagen ist mithin ein berechtigtes Eigeninteresse, etwa als Arbeitgeber, erforderlich. 48 Das bloße Informationsinteresse der Presse unterfällt § 20 StUG nicht. Für die sog. „Opferakten" enthält § 21 StUG weitgehend eine — gesetzestechnisch verwirrende und als solche schwer nachvollziehbare — Parallelregelung. Die Nummern 1-8 des Katalogs des § 20 Abs. 1 StUG wird in rund 90 Zeilen des § 21 Abs. 1 StUG weitgehend wörtlich wiederholt. Die einzige wesentliche Abweichung besteht darin, daß die Verwendung der „Opferakten" nur dann für eine Überprüfung nach den Nr. 6 und 7 zulässig sein soll, wenn sie nicht bereits mit „Täterakten" bewerkstelligt werden kann. Auch diese Vorschrift hat keine pressespezifische Relevanz.

46 Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 f), 2. HS StUG wird insoweit nur eine Mitteilung gemacht, wenn es sich nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt. 47 Bork, ZIP 1992, 90 ff., 91. 48 Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 f) StUG ist eine derartige Überprüfung auch bei der Wahl oder Einstellung eines der genannten Funktionäre möglich, insoweit ist das Vorliegen der Voraussetzungen nicht erforderlich. Der Kandidat erfüllt diese regelmäßig noch nicht.

I. Allgemeiner Verwendungsvorbehalt

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2. Zugang und Verwendung Betroffene und Dritte haben nach § 13 Abs. 1 und 7 StUG auf Antrag zunächst einen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person vorhandenen und erschlossenen Unterlagen. Der Zweck des Antrages braucht nicht angegeben werden. Die Antragsteller sollen dabei aber sachdienliche Hinweise geben, die ein Auffinden der Akten ermöglichen. Deutlich wird dies bei der Beschränkung auf die erschlossenen Unterlagen nicht, da die Erschließung gerade auch die Zuordnung zu bestimmten Personen umfassen sollte. Nach § 13 Abs. 2 StUG umfaßt die Auskunft eine Beschreibung der zu der betreffenden Person vorhandenen und erschlossenen Unterlagen, sowie eine Wiedergabe des wesentlichen Inhalts. Sie kann aber auch auf die Mitteilung beschränkt werden, daß zu der Person des Antragstellers Unterlagen vorhanden sind und daß er Einsicht in die Unterlagen nehmen kann. Nach § 13 Abs. 3 StUG ist dem Betroffenen (i. V. m. § 13 Abs. 7 StUG auch dem „Dritten") diese Einsicht zu gewähren. Außerdem sind ihm nach § 13 Abs. 4 StUG (bzw. nach § 13 Abs. 7 StUG: dem Dritten) Duplikate der Unterlagen zu überlassen, in denen freilich personenbezogene Informationen, die andere Betroffene oder Dritte betreffen, zu anonymisieren sind. Nach § 13 Abs. 5 StUG sind dem Betroffenen (oder i. V. m. § 13 Abs. 7 StUG dem Dritten) die — eindeutig festzustellenden — Klarnamen der in den Akten auftauchenden Mitarbeiter und — soweit die Denunziation geeignet war, dem Betroffenen Nachteil zu bereiten — sonstigen Informanten mitzuteilen, soweit sie enttarnt sind. Dabei stehen Interessen der Mitarbeiter und Denunzianten an der Geheimhaltung ihrer Namen der Bekanntmachung nach § 13 Abs. 5 StUG nicht entgegen. Der Klarname wird gemäß § 13 Abs. 6 StUG nicht mitgeteilt, wenn der Mitarbeiter oder Denunziant zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Eine Ausnahme des Verwendungsverbotes mit Erlaubnisvorbehalt enthält § 4 Abs. 1 S. 2 StUG. Die Vorschrift regelt den Fall, daß Betroffene, Dritte, nahe Angehörige Vermißter oder Verstorbener, Mitarbeiter oder Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes Unterlagen vorlegen, die Informationen über ihre Person enthalten. Derartig vorgelegte Unterlagen können auch zu dem Zweck verwandt werden, zu dem sie vorgelegt wurden. Offenbart sich etwa ein Denunziant durch Vorlage ihn betreffender Unterlagen beim Bundesbeauftragten mit der Genehmigung der Veröffentlichung, so dürfen diese Unterlagen der Öffentlichkeit auch dann zugänglich gemacht werden, wenn im übrigen die entsprechenden Voraussetzungen des StUG nicht vorliegen. Befinden sich in den entsprechenden Unterlagen nicht nur personenbezogene Informationen über den Vorlegenden, sondern auch Informationen über andere Personen, so wird zu differenzieren sein. Finden sich außer den Informationen zu der Person des Vorlegenden nur Informationen zu Mitarbeitern oder Begünstigten, so kann dies wegen der grundsätzlich geringeren Schutzfähigkeit der Interessen 49 an der Rechtmäßigkeit der zweckgemäßen 3*

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

Verwendung nichts ändern. Sind dagegen in den vorgelegten Unterlagen auch Informationen über andere Betroffene oder Dritte als den Vorlegenden enthalten, so muß davon ausgegangen werden, daß die Unterlagen insoweit nicht verwendet werden dürfen. 3. Unterlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 Fraglich ist, auf welche Unterlagen sich das allgemeine Zugangs- und Verwendungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 StUG bezieht. Denkbar sind verschiedene Auslegungen. Zum einen könnte der legaldefinierte Begriff der „Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes" aus § 6 Abs. 1 StUG gemeint sein. Zum anderen könnte auch der in § 3 Abs. 1 StUG beschriebene Bereich der beim Bundesbeauftragten erschlossenen Unterlagen aufgegriffen sein. Schließlich kann sich § 4 Abs. 1 StUG auf sämtliche Unterlagen beziehen, die sich — unabhängig von der Frage ihrer Erschließung — im Gewahrsam des Bundesbeauftragten befinden. Eine Klärung kann sich nur aus Sinn und Zweck der Vorschrift sowie aus den systematischen Bezügen zu anderen Vorschriften ergeben. § 4 Abs. 1 StUG besagt, daß öffentliche und nicht-öffentliche Stellen zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nur Zugang unter den Voraussetzungen des Gesetzes haben. Schon tatsächlich kann dies aber nur für solche Unterlagen geregelt werden, über die der Bundesbeauftragte verfügen kann. Weiterhin ist § 4 Abs. 1 StUG nach seiner Überschrift die generelle Regelung über die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Im einzelnen ist die Verwendung — wie festgestellt — im dritten Abschnitt des Gesetzes geregelt. Dabei finden sich aber nur Bestimmungen über die Auskunftserteilung, die Einsichtnahme im Archiv des Bundesbeauftragten und über die Herausgabe von Unterlagen. Dies alles kann sich nur auf die Unterlagen in der Obhut des Bundesbeauftragten beziehen. Die Erfassung i. S. d. StUG — die sich denklogisch nur auf die abgängigen Bestände beziehen kann — ist hingegen im zweiten Abschnitt geregelt. Festzustellen ist mithin, daß der Zugangs- und Verwendungsvorbehalt des § 4 Abs. 1 StUG sich nur auf die Archive des Bundesbeauftragten bezieht. Er ist aber (im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 S. 1 StUG) nicht auf die erschlossenen Unterlagen beschränkt. 4. Verfassungsrechtliche Beurteilung Legt man die hier vertretene Auslegung des sachlichen Geltungsbereiches des § 4 Abs. 1 StUG (Unterlagen beim Bundesbeauftragten) zugrunde, so kommt 49

Vgl. die Begründung zu § 11 Abs. 3 des Regierungsentwurfs zum StUG, BT-Drs. 12/ 1093 S. 23: „Das Interesse Betroffener soll generell Vorrang vor den Interessen derer erhalten, die ihn bespitzelt haben.".

. Anzeige- und Herausgabepflicht

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der Vorschrift nur die Bedeutung einer Generalklausel zu, die ohne die Konkretisierungen in den Vorschriften des dritten Abschnittes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einer isolierten Überprüfung nicht zugänglich ist. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Regelung ist danach für jede Verwendungs- und Nutzungsmöglichkeit gesondert zu beurteilen. Skepsis weckt allerdings von vornherein der grundsätzliche Ansatz der Gleichbehandlung von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen, weil öffentliche Stellen lediglich Kompetenzen zur Erfüllung öffentlicher Belange wahrnehmen können, während nicht-öffentliche Stellen grundrechtsgeschützt handeln. Schon vom Ansatzpunkt aus berücksichtigt der Verbotsgrundsatz des § 4 Abs. 1 StUG nicht die Freiheitsvermutung für den Grundrechtsträger einerseits und die Restriktionsvermutung gegen den Grundrechtsverpflichteten andererseits. Auch wenn sich wegen der mangelnden Konkretheit des § 4 Abs. 1 StUG hieraus noch keine unmittelbaren Konsequenzen ergeben, so wirft die Vorschrift doch ein bezeichnendes Licht auf das Freiheitsverständnis, welches insoweit im StUG seinen Ausdruck gefunden hat.

I I . Anzeige- und Herausgabepflicht gem. §§7 Abs. 3, 9 StUG Kernstück des StUG im Hinblick auf die Erfassung „verstreuter" Aktenbestände des MfS / AfNS ist die Anzeige- und Herausgabepflicht für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gem. §§ 7 Abs. 3, 9 StUG. § 7 StUG ist die „Suchvorschrift" des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Nach § 7 Abs. 1 StUG unterstützen alle Behörden den Bundesbeauftragten bei seiner Suche nach Aktenbeständen des Staatssicherheitsdienstes und bei deren Inbesitznahme. Finden öffentliche Stellen bei sich Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG, so haben sie dies dem Bundesbeauftragten unverzüglich mitzuteilen. Nach § 7 Abs. 2 StUG darf der Bundesbeauftragte im Einvernehmen mit der jeweiligen Behörde auch selbst in den betreffenden Archiven, Registraturen und sonstigen Informationssammlungen Einsicht nehmen, wenn entsprechende Indizien vermuten lassen, daß sich dort Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes befinden. Die Herausgabepflicht öffentlicher Stellen ist in § 8 StUG geregelt. Im Hinblick auf Private ist die entscheidende Regelung § 7 Abs. 3 StUG. Danach sind natürliche Personen und sonstige nicht-öffentliche Stellen verpflichtet, dem Bundesbeauftragten unverzüglich anzuzeigen, daß sich bei ihnen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes befinden, sobald ihnen dies bekannt wird. Die Differenzierung nach öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen hat das StUG mit der Terminologie dem Bundesdatenschutzgesetz entnommen. Zu den nicht-öffentlichen Stellen zählt nach § 6 Abs. 9 S. 2 StUG i. V. m. § 2 Abs. 4 BDSG auch die Presse. 50 so Vgl. § 2 BDSG.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

An diese Anzeigepflicht knüpft die in § 9 StUG für Private normierte Herausgabepflicht an. Danach hat jede natürliche Person oder sonstige nicht-öffentliche Stelle dem Bundesbeauftragten auf dessen Verlangen unverzüglich Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes herauszugeben, soweit sie nicht Eigentümerin der Unterlagen geworden ist. Das Erfassungsverfahren der §§ 7 Abs. 3, 9 StUG ist demnach ein zweistufiges. Dem Erkennen der abgängigen Bestände über die Anzeigepflicht des § 7 Abs. 3 StUG ist das (wohl meist selektive) Herausverlangen der gewünschten Unterlagen nachgeschaltet.

1. Zweck der Anzeige- und Ablieferungsregelung Zweck dieser Regelung ist zunächst die Ermöglichung einer vollständigen Archivierung und Erfassung aller noch existenten und für die Zwecke des StUG nützlichen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes einschließlich jener Unterlagen, die sich derzeit nicht beim Bundesbeauftragten befinden. Insoweit haben die Vorschriften eine dem Erfassungs- und Erschließungsauftrag des § 1 Abs. 1 StUG dienende Funktion. Andererseits sollen sie aber auch die Monopolisierung zumindest jener Informationen ermöglichen, die durch Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zu verifizieren sind. Nur vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die in § 9 Abs. 2 StUG normierte Pflicht, auch Kopien herauszugeben.

2. Anzeigepflichtige Unterlagen Anzeigepflichtig sind Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Nach der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 StUG gehören dazu sämtliche Informationsträger unabhängig von der Form der Speicherung, insbesondere Akten, Dateien, Schriftstücke, Karten, Pläne, Filme, Bild-, Ton- und sonstige Aufzeichnungen, sowie deren Kopien, Abschriften und sonstige Duplikate sowie die zur Auswertung erforderlichen Hilfsmittel. Voraussetzung ist aber weiter, daß diese Unterlagen beim Staatssicherheitsdienst (oder beim Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei) entstanden, in deren Besitz gelangt oder ihm zur Verwendung überlassen worden sind. Kopien unterfallen dieser Definition folglich nur dann, wenn sie beim Staatssicherheitsdienst entstanden oder ihm zugegangen sind. Es ist dies der Fall solcher Kopien, die sich bereits als Kopien in den Stasi-Akten befinden oder befanden. Nicht erfaßt sind von dieser Begriffsbestimmung indes Kopien, Abschriften oder sonstige Duplikate, die von Dritten angefertigt wurden, ohne daß sie der Verwendung durch den Staatssicherheitsdienst zugeführt oder anders in deren Besitz gelangt wären (Drittkopien). 51 Insbesondere liegt eine solche Konstellation vor, 51 Oder durch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes unter der Hand angefertigt wurden, Stoltenberg, DtZ 1992, 65 ff., 68.

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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wenn die betreffende nicht-öffentliche Stelle sich von vornherein nur Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes verschafft hat oder verschaffen ließ. Für die Zwecke beispielsweise der Presse sind Kopien von Unterlagen des MfS / AfNS jedenfalls dann ausreichend, wenn die Unverfälschtheit der Duplikate durch einen Vergleich mit dem Original überprüft werden konnte. Denkbar ist aber auch weiterhin, daß eine nicht-öffentliche Stelle ursprünglich im Besitz von Originalunterlagen war, von dieser selbst Kopien angefertigt hat und die Unterlagen vor Inkrafttreten des StUG wieder abgegeben hat. In diesen Fällen befinden sich im Besitz der betreffenden Person keine Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG, die sie dem Bundesbeauftragten anzuzeigen hätte. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 9 Abs. 2 StUG, der bestimmt, daß soweit Unterlagen an den Bundesbeauftragten herauszugeben sind, ihm auch Kopien und sonstige Duplikate herauszugeben sind. Die Regelung wäre sinnlos, wenn die (selbst- oder drittgefertigten) Kopien ihm bereits als Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG nach § 9 Abs. 1 StUG herauszugeben wären. Stoltenberg geht davon aus, daß es sich hierbei um ein Versehen des Gesetzgebers handelt, der den mit „soweit" beginnenden Halbsatz in § 6 Abs. 1 StUG auch auf die Kopien und Abschriften und sonstige Duplikate erstreckt hat. 52 Die Nichterfassung der „vagabundierenden" Duplikate hält er für eine „bedauerliche Lücke", die möglichst bald geschlossen werden sollte. 53 Gegen diese Auffassung spricht nicht nur die Existenz des § 9 Abs. 2 StUG, sondern auch die fehlende Bußgeldbewehrung der Abgabe von Kopien in § 45 StUG. 54

3. Sachlicher Wirkungsbereich des § 9 Abs. 1 und 2 StUG a) Ablieferungspflichtige

Unterlagen

§ 9 StUG regelt, welche Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch natürliche Personen und sonstige nicht-öffentliche Stellen dem Bundesbeauftragten herauszugeben sind. Danach ist jedermann verpflichtet, Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf Verlangen des Bundesbeauftragten unverzüglich herauszugeben, es sei denn, das Material steht im Eigentum des Besitzers. Unproblematisch ist der Erwerb des Eigentums an Unterlagen des MfS / AfNS dann, wenn diese mit Willen und Kenntnis der jeweiligen Behörde dem Empfänger zum Verbleib zugeleitet wurden. Dies ist insbesondere bei amtlichen Mitteilungen, die an den jeweiligen Empfänger gerichtet sind, der Fall. Schwierig ist dabei häufig der Eigentumsnachweis. Schwer wiegt dabei, daß § 9 Abs. 1 S. 2 StUG die Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers nach 52 Ebd. 53 Ebd. 54 Vgl. unten F II 6.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB umkehrt: Der Nachweis des Eigentumserwerbs obliegt der natürlichen Person oder der sonstigen nicht-öffentlichen Stelle. Eine besondere Problematik erhält diese Regelung dadurch, daß die Herausgabepflicht in § 45 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 StUG mit einem Bußgeld bis zu 500.000 D M bewehrt ist. Mittelbar wird hiermit auch die im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Unschuldsvermutung ausgehebelt. Eine einzige Ausnahme von der Beweispflichtigkeit für das Eigentum sieht § 9 Abs. 1 S. 3 StUG vor. Danach kann vom Eigentum der natürlichen Person oder nicht-öffentlichen Stelle bei Unterlagen nach § 10 Abs. 4 StUG ausgegangen werden, die sie selbst angefertigt hat. Dies sind aber gerade Unterlagen anderer öffentlicher oder nicht-öffentlicher Stellen, die ihrerseits der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 StUG nicht unterfallen, auf die sich mithin die Herausgabepflicht des § 9 Abs. 1 StUG überhaupt nicht beziehen kann. Dementsprechend enthält § 10 StUG in seinen Abs. 1-3 gerade eine Sonderregelung für Akten der SED sowie anderer Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR. Danach kann der Bundesbeauftragte hier keine Herausgabe, sondern nur Auskunft über Art, Inhalt und Aufbewahrungsort der Unterlagen verlangen. 55 Er kann nach Abs. 2 Einsicht verlangen und ihm sind nach § 10 Abs. 3 auf sein Verlangen Duplikate von solchen Unterlagen herauszugeben, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes stehen und die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Der in Bezug genommene §10 Abs. 4 läßt die vorstehend ausgeführten Regelungen der Abs. 1-3 lediglich auch auf solche Unterlagen Anwendung finden, die erkennbar im Zusammenwirken anderer öffentlicher oder nicht-öffentlicher Stellen der ehemaligen DDR mit dem Staatssicherheitsdienst auf seine Veranlassung oder zur Umsetzung seiner Anordnungen oder Hinweise entstanden sind. Soweit diese, wie in § 9 Abs. 1 S. 3 StUG vorgesehen, bei der fraglichen natürlichen Person oder nicht-öffentlichen Stelle hergestellt wurden, handelt es sich aber von vornherein nicht um Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes im Sinne des § 6 Abs. 1 StUG. Der Sinn dieser Ausnahmevorschrift in § 9 Abs. 1 S. 3 StUG bleibt damit unklar. Insgesamt erscheint fraglich, ob es der Umkehrung der Eigentumsvermutung überhaupt bedurft hätte. Nach § 1006 Abs. 1 S. 2 BGB gilt diese ohnehin nicht bei Gegenständen, die dem früheren Besitzer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen sind. 56 Früherer Besitzer war zunächst

55 Im übrigen wurden die Akten der SED (und anderer DDR-Parteien), deren Unterorganisationen und anderer Massenorganisationen im Gesetz zur Änderung des Bundesarchivgesetzes v. 24.1.1992, BR Drs. 41/92 einer spezifischen Regelung zugeführt. Sie werden — soweit sie die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betreffen — im Bundesarchiv in der unselbständigen Stiftung öffentlichen Rechts „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR" verwaltet. Die Schutzfrist des § 5 Abs. 1 S. 1 BArchG findet auf sie keine Anwendung. 5 6 Der Ausnahmefall des Geldes oder der Inhaberpapiere ist hier ohne Belang.

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II. Anzeige- und Herausgabepflicht

das MfS / AfNS, sodann einer der Sonder- oder Landesbeauftragten in der ausgehenden DDR für diese und schließlich für die Bundesrepublik Deutschland der Sonderbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Während dieser gesamten Periode konnten Originalunterlagen der Archive nicht rechtmäßig an natürliche Personen 57 oder nicht-öffentliche Stellen abgegeben werden. Das Beiseiteschaffen von Stasi-Akten war zu keiner Zeit und insbesondere nicht nach Errichtung eines demokratisch legitimierten Staatswesens legal. 58 Unterlagen, welche sich heute nicht im Besitz des Sonderbeauftragten befinden, sind daher regelmäßig abhandengekommen im Sinne des § 1006 Abs. S. 2 BGB. Dabei ist es für die Eigentumsvermutung auch unerheblich, ob die Unterlagen noch zu Zeiten der DDR oder sogar der Existenz des MfS / AfNS abhandengekommen sind, da jedenfalls die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger der DDR in deren Berechtigtenposition eingerückt ist, die durch den Sonderbeauftragten ausgeübt wird. b) Herausgabepflicht

betreffend

Kopien

Eine Herausgabepflicht besteht nach § 9 Abs. 1 StUG für (selbstgefertigte) Kopien und andere Duplikate nicht unmittelbar, da diese nicht selbst Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG sind. 59 Diese Lücke soll § 9 Abs. 2 StUG schließen. Nach dieser Vorschrift sind dem Bundesbeauftragten auch Kopien und sonstige Duplikate herauszugeben, soweit ihm Unterlagen herauszugeben sind. Kopien und sonstige Duplikate i. S. d. § 9 Abs. 2 StUG sind Fotokopien und Photographien sowie sonstige identische Vervielfältigungen von Originalunterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Die Begründung zum Änderungsantrag des Entwurfs des StUG führt aber aus, daß dies nicht für Abschriften, persönliche Notizen und ähnliche Vermerke gelten könne. Danach kommt es maßgeblich auf die optisch identische Wiedergabe des Originals und nicht auf die (auch gegebenenfalls vollständige) inhaltliche Kopie an. Von § 9 Abs. 2 StUG sind daher auch vollständige Abschriften des Originals nicht erfaßt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Abschrift manuell oder opto-elektronisch angefertigt wurde. Wurden etwa größere Aktenbestände durch die Verwendung eines Scanners in ein Textverarbeitungsprogramm eingelesen, so handelt es sich nicht um ein sonstiges Duplikat i. S. d. § 9 Abs. 2 StUG obwohl dies vom natürlichen Wortsinn des Duplikats noch erfaßt würde. Der Sinn dieser Grenzziehung bleibt insbesondere deshalb überaus unklar, weil sich der Vorschlag aus dem Entwurf des Änderungsantrages zum Entwurf des StUG vom 12.11.1991, hinter dem die Ablieferungspflicht für Duplikate 57 In Betracht kommt allenfalls die rechtmäßige Übergabe von Unterlagen an die Führung des MfS vor seiner Auflösung. 58 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 109. 59 Vgl. oben F II 2.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

regelnden Absatz den Halbsatz: „dies gilt nicht für selbstgefertigte Abschriften" einzufügen, nicht durchsetzen konnte. Die entsprechende Passage in der Begründung findet sich indes auch im endgültigen Text des Änderungsantrages. 60 Möglich sind hier nur zwei Deutungen. Zum einen könnte die Nichtanpassung der Begründung schlicht auf einem Redaktionsversehen beruhen. Ein Redaktionsversehen in der Begründung eines Gesetzesentwurfes ist für das in Kraft getretene Gesetz unbeachtlich. Wahrscheinlicher ist aber — schon weil die Formulierung im Gesetzgebungsverfahren Gegenstand heftiger Kontroversen war — , daß der Gesetzgeber davon ausging, daß Abschriften und Notizen von vornherein nicht dem Begriff der „sonstigen Duplikate" unterfallen und er deshalb eine Klarstellung im Wortlaut nicht für erforderlich gehalten hat. Allerdings ist dann wiederum nicht einsichtig, warum der Gesetzgeber in § 9 Abs. 3 StUG die Formulierung gewählt hat: „ . . . zur Anfertigung von Kopien, Abschriften oder sonstigen Duplikaten . . . " . Dies legt wiederum die Vermutung nahe, daß in der Terminologie des StUG Abschriften von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes an sich auch Duplikate sind, allerdings nicht „sonstige Duplikate". Nach dem Wortlaut — und vermutlich auch nach der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers — regelt § 9 Abs. 2 StUG den Fall, daß eine natürliche Person oder sonstige nicht-öffentliche Stelle über Unterlagen und — nicht vom Staatssicherheitsdienst gefertigte — (Dritt-)Kopien verfügt. Zur Gewährleistung des (oben dargestellten) zu erreichenden Informations- und Autentizitätsmonopols des Bundesbeauftragten sollen dem Besitzer neben den Originalunterlagen des Staatssicherheitsdienstes auch seine selbst angefertigten Kopien entzogen werden. Vom Wortlaut nicht erfaßt ist indes ein anderer praktisch relevanter Fall. Besitzt eine nicht-öffentliche Stelle nur — nicht vom Staatssicherheitsdienst gefertigte — Kopien, so sind keine (Original-)Unterlagen nach § 9 Abs. 1 StUG auf Verlangen herauszugeben. Da aber nur in diesem Fall Kopien oder andere Duplikate herauszugeben sind, greift die Vorschrift nicht. Dieses Ergebnis wäre vermieden worden, wäre im StUG die Formulierung gewählt worden: „Soweit Unterlagen an den Bundesbeauftragten herauszugeben sind oder wären, sind ihm auf Verlangen auch Kopien und sonstige Duplikate herauszugeben." Der Gesetzgeber wollte möglicherweise auch die Fälle erfassen, in denen eine nicht-öffentliche Stelle nur über — nicht vom Staatssicherheitsdienst gefertigte — Kopien verfügt, sei es, weil sie nur solche Kopien erhalten oder beschafft hat oder sich der Originalunterlagen vor Inkrafttreten des StUG entledigt hat. 61 Bezüglich der Rechtmäßigkeit eines auf derartige „Nur-Kopie-Bestände" gerichteten Herausgabeverlangens wird man sich wohl nicht mit einer Analogie oder einer korrigierenden Auslegung 60 BT-Drs. 12/1563 S. 2. 61 Jedenfalls wenn eine solche Entledigung nach Inkrafttreten des StUG erfolgt ist, folgt hier bereits aus dem Gedanken des Mißbrauchsverbots, daß dem Bundesbeauftragten dann wenigstens die Kopien zur Anfertigung eigener Kopien zu überlassen sind.

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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behelfen können. Zwar verhindert das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 1 GG dies nicht von vornherein, da sich die Ordnungswidrigkeit des § 45 StUG nur auf die Nichtherausgabe von Originalunterlagen bezieht. 62 Gerade diese fehlende Erstreckung der Bußgeldbewehrung indiziert aber auch, daß eine Herausgabepflicht nur dann besteht, wenn die nicht-öffentliche Stelle sowohl über Originale als auch über Kopien verfügt. Stringent ist dieses Ergebnis auch deshalb, weil so die Anzeige- und Herausgabepflichten weitgehend kongruent sind. Sollte dieses Ergebnis vom Gesetzgeber als unerwünscht angesehen werden, so mag er die Herausgabepflicht für „Nur-Kopie-Bestände" — im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen — durch eine Gesetzesänderung normieren. Unter Zugrundelegung des Wortlautes des § 9 Abs. 2 StUG ist dies nicht möglich. Dabei wird nicht verkannt, daß die in § 9 Abs. 2 StUG gewählte Form der Regelung einer Herausgabepflicht für Kopien nicht unerhebliche Umgehungsmöglichkeiten eröffnet. So hebelt eine Aufteilung der Originale und der Kopien auf verschiedene Besitzer in der Regel die Herausgabepflicht betreffend der Kopien aus. Um die Komplettierung der Bestände des Bundesbeauftragten zu gewährleisten, ist aber zu erwägen, ob § 9 Abs. 3 StUG entsprechende Anwendung finden könnte. Danach hätte der jeweilige Besitzer dem Bundesbeauftragten die entsprechenden Kopien zur Herstellung einer eigenen Kopie zu überlassen. Zudem ist § 9 Abs. 2 StUG einschränkend auszulegen. Drittkopien, selbstgefertigte Duplikate und insbesondere Vervielfältigungen von Unterlagen des MfS / AfNS, deren Ablieferung keinen förderlichen Beitrag zur Erreichung der Zwecke der Anzeige- und Ablieferungspflicht mehr leisten können, sind nicht herauszugeben. Sind Unterlagen mit personenbezogenen Daten Betroffener etwa in einem Buch oder einer Zeitschrift massenhaft vervielfältigt worden (aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des StUG existieren Bücher, die nur aus der wortgetreuen Wiedergabe von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes bestehen63), so sind diese Druckwerke im Sinne des Wortlauts des § 9 Abs. 3 StUG auch Kopien oder sonstige Duplikate. Fraglich kann hier allein sein, ob derartige „Duplikate" bereits vom Herausgabeanspruch des § 9 Abs. 3 StUG nicht umfaßt sind, oder ob ein entsprechendes Herausgabeverlagen des Bundesbeauftragten evident ermessensfehlerhaft wäre. Jede andere Auslegung stünde im ersichtlichen Widerspruch der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, da in dessen Sinne vorveröffentlichte Stasi-Akten allgemein zugängliche Quellen sind.

62 Vgl. dazu unten F II 6. 63 Ζ. B. Mittler ! Wolle, „Ich liebe euch doch alle . . . " , Befehle und Lageberichte des MfS, 1990.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

4. Anforderungen an das Herausgabeverlangen Das Herausgabeverlangen muß hinreichend bestimmt sein. Es muß sich auf bestimmte oder nach dem Inhalt bestimmbare Unterlagen oder Kopien beziehen. Es reicht daher nicht aus, wenn der Bundesbeauftragte etwa generell verlautbart, daß nunmehr alle ihm unbekannten Unterlagen herauszugeben seien. Dies ergibt sich zwingend aus der Zweistufigkeit des Anzeige- und Herausgabeverfahrens. Die gesetzgeberische Wertung besagt, daß nur konkret herausverlangte Unterlagen und Duplikate abzugeben sind. Dies kann nicht durch ein generell-abstraktes Herausgabeverlangen umgangen werden. Ebenso reicht es auch nicht aus, wenn der Bundesbeauftragte einer bestimmten nicht-öffentlichen Stelle aufgibt, alle Unterlagen und Kopien abzuliefern. Andererseits muß sich das Herausgabeverlangen aber auch nicht auf eine ζ. B. nach dem Aktenzeichen bestimmte Unterlage beziehen. Es wird aber zu verlangen sein, daß die Akte nach den in ihr genannten Personen und Vorgängen bestimmt oder bestimmbar ist.

5. Überlassungspflicht nach § 9 Abs. 3 StUG Eine besondere Form der Überlassungspflicht enthält § 9 Abs. 3 StUG. Nach dieser Vorschrift sind dem Bundesbeauftragten auf dessen Verlangen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die im Eigentum Privater stehen, zur Anfertigung von Kopien zu überlassen. Grundlage dieser Überlassungspflicht ist zunächst, daß auch ζ. B. Briefe, die der Staatssicherheitsdienst an einen Dritten gerichtet hat, Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG und mithin anzeigepflichtig nach § 7 Abs. 3 StUG sind.

6. Ordnungswidrigkeiten nach § 45 StUG Die Anzeige- und Herausgabepflichten nach den §§7 und 9 StUG sind durch die Bußgeldvorschrift des § 45 StUG sanktioniert. Danach handelt ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld bis zu D M 500.000 belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 7 Abs. 3 StUG erforderliche Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig erstattet, Unterlagen entgegen § 9 Abs. 1 S. 1 StUG nicht oder nicht rechtzeitig auf Verlangen abgibt oder Unterlagen nicht nach § 9 Abs. 3 StUG dem Bundesbeauftragten zur Anfertigung einer Kopie überläßt. Interessanterweise beziehen sich die Ordnungswidrigkeiten nach § 45 StUG nur auf Originalunterlagen. Die Herausgabepflicht für Kopien und sonstige Duplikate nach § 9 Abs. 2 StUG ist im Katalog der bußgeldbewehrten Vorschriften des StUG nicht genannt. Insoweit besteht für Duplikate, die keine selbstgefertigten Abschriften sind und sich neben Originalen im Besitz der nicht-öffentlichen Stelle befinden zwar eine ersatzlose Ablieferungspflicht, die aber nicht sanktio-

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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niert ist. Freilich kann auch einem Verstoß gegen diese Ablieferungspflicht mit Mitteln der Verwaltungsvollstreckung oder als Störung der öffentlichen Sicherheit nach allgemeinem Polizeirecht begegnet werden. Hierbei ist dann aber wiederum, soweit es das Einziehen von Kopien bei der Presse betrifft, im Rahmen der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung das besondere Gewicht des Grundrechts der Pressefreiheit zu berücksichtigen.

7. Verfassungsrechtliche Beurteilung Die Anzeige- und Herausgabepflichten nicht-öffentlicher Stellen in den §§7 Abs. 3, 9 StUG müssen mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Hier ist zwischen den verschiedenen Teilen dieser Regelungen zu differenzieren. a) Anzeigepflicht

nach § 7 Abs. 3 StUG

Die jedermann treffende Pflicht, dem Bundesbeauftragten den Besitz von Originalunterlagen 64 anzuzeigen, scheint grundsätzlich nicht zu beanstanden zu sein. Die Anzeigepflicht bereitet die Komplettierung der Bestände im Archiv des Bundesbeauftragten vor und ermöglicht sie bei abgängigen Aktenbeständen. Ein etwaiger Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG erscheint daher grundsätzlich der Rechtfertigung zugänglich. Gleichwohl ergeben sich durchaus ernstzunehmende Anhaltspunkte für eine Untersuchung auf den spezifisch grundrechtstangierenden Gehalt der Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG. (1) Art. 14 GG Ein grundrechtlicher Schutz nach Art. 14 GG könnte sich aus dem Umstand ergeben, daß das betreffende Presseunternehmen einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten hat, den es mit der Anzeige an den Bundesbeauftragten aufgeben muß, weil dieser die Unterlagen möglicherweise nach den §§32-34 StUG auch Forschern oder anderen Presseunternehmen zugänglich machen muß. Dieser Informationsvorsprung könnte als Betriebsgeheimnis geschützt sein. 65 Daß Betriebsgeheimnisse prinzipiell grundrechtlich geschützt sind, ist in Literatur und Rechtsprechung unbestritten. 66 Umstritten sind aber die Herleitung und die Reichweite des Geheimnisschutzes. Nach herrschender und zutreffender Auffassung resultiert der Schutz des betrieblichen Geheimbereiches aus dem Eigentums-

64 Nicht von Kopien, vgl. oben F II 2. 65 Vgl. BVerfGE 67, 100 ff., 142 f. = NJW 1984, 2271; Breuer, NVwZ 1986, 171 ff., 172. 66 Vgl. nur Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, S. 53; M. Schröder, Geheimhaltungsschutz, S. 19 ff., jeweils m. w. N.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

grundrecht des Art. 14 GG. 6 7 Dieser Schutz kann aber (neben anderen Voraussetzungen68) nur da gegeben sein, wo das Geheimnis auch schutzwürdig ist. 69 Dies ist aber bei der ausschließlichen Kenntnis des Inhaltes von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch ein Presseunternehmen regelmäßig nicht der Fall, jedenfalls soweit es sich nicht um eigene Unterlagen handelt. Ohne daß damit die Frage beantwortet wäre, ob es zulässig ist, dem betreffenden Presseunternehmen die Information vollständig zu entziehen und damit an anderer Stelle zu monopolisieren, so ist jedenfalls der durch das „Geheimnis" des exklusiven Besitzes von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes repräsentierte Wert nicht als Bestandteil des in Art. 14 GG geschützten Eigentums anzusehen. Soweit Informationen angekauft wurden, sind allerdings Investitionen wertlos geworden. Indessen sind diese Investitionen ebenfalls verfassungsrechtlich nicht schutzwürdig, weil sie unter Mißachtung der geltenden Eigentumsordnung erfolgt sind. Problematisch bleibt dies aber in jenen Fällen, in denen Unterlagen vom Eigentümer (in den Fällen des § 9 Abs. 3 StUG) angekauft wurden. (2) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit Eine spezifische Problematik erhält die Anzeigepflicht indes bei Presseunternehmen und anderen Massenmedien. Die Pressefreiheit schützt nicht nur den Vertrieb des fertigen Presseerzeugnisses, sondern alle Stationen seiner Vorbereitung. 70 Schutzbedürftig und -fähig ist dabei auch die Recherche einschließlich der Archivierung der recherchierten Ergebnisse. 71 Pressearchive sind eine unentbehrliche Grundlage für fundierte Berichterstattung. Sie ermöglichen es oft erst, einen journalistischen Beitrag mit Hintergrundinformationen zu versehen, die Zusammenhänge mit anderen Personen oder früheren Geschehnissen aufzuzeigen. Das BVerfG trägt dieser Bedeutung der Pressearchive Geltung, indem es sie ausdrücklich auch unter den Schutz der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stellt. 72 Dieser Schutz erstreckt sich grundsätzlich auch auf den Inhalt von staatlichen Akten, in deren Besitz die Presse gelangt ist. Für die schutzbereichsmäßige Erfassung spielt die Herkunft und der Inhalt des Archivgutes zunächst keine 67 Breuer, NVwZ 1986,171 ff., 174; Bullinger, NJW 1978,2173 ff., 2176; Denninger, GRUR 1984, 627 ff., 633; Hauck, DB 1985, 1927 ff., 1930; Rehbinder / Kayser / Klein, Chemikaliengesetz, § 12 Rn. 77; Schröder, Geheimhaltungsschutz, S. 19 ff.; ders. UPR 1985, 396 f.; Zu anderen Ansätzen vgl. Taeger, a. a. O., S. 53 ff. 68 Sie dazu die eingehenden Erörterungen von Breuer, a. a. O., S. 175 ff. und Taeger, a. a. O., S. 63 ff. 69 Vgl. BVerfGE 38, 312 ff., 321. 70 BVerfGE 20, 162, 176; 36, 193, 204; 50, 234, 240; 66, 116, 133. 71 Vgl. Huppertz, Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot zugunsten des Rundfunks im Strafprozeß, S. 27 ff. 72 BVerfGE JZ 1987, 1118 ff., 1119; BVerGE 20, 162, 187 ff.; 56, 247, 248; 64, 108, 115 f. = JZ 1983, 795 m. Anm. Fezer.

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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Rolle. Mithin ist auch die Archivierung und Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch die Presse von der Pressefreiheit geschützt. Zwar wird durch die Pflicht zur Anzeige des Besitzes von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in die Archivierung derselben noch nicht eingegriffen. Auch die Pflicht der Presse, ein staatliches Organ über den Inhalt seiner Archive zu informieren, stellt aber bereits einen Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar. Die Anzeigepflicht kann im übrigen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich geschützten Redaktionsgeheimnisses einen Eingriff in die Pressefreiheit begründen, weil gerade der Inhalt des Archivs und der Besitz bestimmter Unterlagen Rückschlüsse auf die redaktionelle Arbeit zuläßt. Eingriffe in die Pressefreiheit sind nur durch ein allgemeines Gesetz im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig. Hinsichtlich der Allgemeinheit 73 der Anzeigepflichtsregelung des § 7 Abs. 3 StUG bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Sie ist auch geeignet und erforderlich, um das primäre Ziel der Anzeigeregelung, die Vorbereitung der Komplettierung der Archive des Bundesbeauftragten, zu erreichen. Fraglich wäre dies gewesen, wenn sich die Anzeigepflicht auch auf Kopien erstrecken würde, soweit der Besitzer der Kopie nicht auch gleichzeitig das Original besitzt (Nur-Kopiebesitzer). In diesem Fall könnte die Anzeigepflicht nur dann erforderlich für die Komplettierung der Aktenbestände sein, wenn kein Original mehr existiert. Insoweit ist der Gesetzgeber gehindert, die Anzeigepflicht auf (Dritt-)Kopien im Rahmen einer etwaigen Novellierung des StUG auszudehnen, wenn und soweit Originale existent sind. In der gegenwärtigen Ausgestaltung des § 7 Abs. 3 StUG bleibt aber lediglich zu prüfen, ob die Anzeigepflicht auch verhältnismäßig i. e. S. ist, d. h., ob sie im konkreten Fall zumutbar (proportional) im Verhältnis zum geschützten Gemeingut ist. 74 Soweit es Originalunterlagen betrifft, wird man dieses Kriterium als erfüllt ansehen können. Der Eingriff in die Pressefreiheit bleibt — auch angesichts der Tatsache, daß es den Presseunternehmen durchaus bewußt sein dürfte, daß zumindest eine Station der Unterlagen auf dem Weg in ihren Besitz rechtswidrig war—vergleichsweise gering. Dagegen ist der Zweck der Regelung, die Komplettierung der Archive des Bundesbeauftragten, durchaus anerkennenswert und auf andere Weise nicht zu bewerkstelligen. Die Vervollständigung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes — soweit diese nicht bereits vernichtet sind 75 — hat ihrerseits nur eine dienende Funktion für die Zwecke des § 1 StUG,

73 Zur Definition siehe unten F II 7. c) (2) (b) bb). 74 V. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3, RN 178, Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, S. 376; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 25 ff., 50 ff., 190 ff., 200 ff., jew. m. w. N. BVerfGE 13, 230; 234; 27, 36, 42; 29, 327, 334; 38, 105, 118.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

insbesondere die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Diese Zwecke repräsentieren ein wichtiges Gemeinschaftsgut, sie sind vom Einigungsvertrag geboten und rechtsstaatlich legitimiert. 76 Eine andere Bewertung hätte daraus folgen können, daß mit der Anzeige des Besitzes der Anzeigende das Risiko seiner Strafverfolgung wegen Hehlerei oder anderer Straftaten bei der Beschaffung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes eingegangen wäre. Allerdings ist diesem Einwand durch die Regelung des § 46 StUG begegnet worden, wonach insoweit straffrei blieb, wer seiner Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten des StUG nachkam.77 Anders stellt sich die Situation freilich dann dar, wenn die Akten Informationen enthalten, deren Bekanntwerden den Besitzer der Gefahr einer Strafverfolgung — außerhalb des Bereichs der von § 46 StUG erfaßten Beschaffungskriminalität — aussetzen. Denkbar sind hier verschiedene Fallkonstellationen. Zum einen kann es sich um Mitarbeiterakten im Besitz des betreffenden Mitarbeiters handeln, die eine Beteiligung an Straftaten dokumentieren. Andererseits könnten auch nicht-öffentliche Stellen der Bundesrepublik Deutschland im Besitz von Unterlagen sein, aus denen sich ergibt, daß der Besitzer ζ. B. Staatsschutzdelikte verübt hat. Eine Anzeige des Besitzes käme in der Wirkung einer Selbstanzeige nahe. Dies verstieße gegen Art. 1 GG und ist dem Besitzer nicht zuzumuten. Insoweit ist § 7 Abs. 3 StUG verfassungskonform einschränkend auszulegen. Erfährt der Bundesbeauftragte aber auf anderen Wegen von dem Besitz der Akten, schließt das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung ein Herausgabeverlangen indes nicht aus. Insgesamt ist festzustellen, daß die Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG in der hier vertretenen Auslegung nicht gegen die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 und 14 GG verstößt, eine erweiternde Novellierung der Bestimmung aber verfassungsrechtlich nur eingeschränkt zulässig wäre. b) Herausgabepflicht für Originale nach § 9 Abs. 1 StUG (1) Art. 14 GG Zunächst ist festzustellen, daß unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in Art. 14 GG die Herausgabepflicht für Originalunterlagen nach § 9 Abs. 1 StUG nicht 75 Dies geschah nicht nur durch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, die ihre Akten „reinigten", sondern durchaus auch wohlmeinend, wie die massenhafte Vernichtung von elektronischen Datenträgern; vgl. Gauck, Die Stasi-Akten, S. 89. 76 Vgl. unten I. I. 77 Die Frist ist am 29. März 1992 abgelaufen, vgl. unten H. III. Wie der praktische Effekt war, ist unbekannt.

. Anzeige- und Herausgabepflicht

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zu beanstanden ist, da sie sich nur auf Unterlagen bezieht, die nicht im Eigentum des jeweiligen Besitzers stehen. Es könnte dann ein Eingriff in das Eigentumsrecht nur gegeben sein, wenn der Besitz selbst als Bestandteil des geschützten Eigentums anzusehen wäre. Zwar kann grundsätzlich auch im Besitz selbst als dinglichem Recht eine von Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition liegen. 78 Dies ist indes bei den abgängigen Originalunterlagen des Staatssicherheitsdienstes nicht der Fall. Ihr Besitz ist, wenn der Besitzer kein Eigentum erworben hat, nicht rechtlich anerkannt. Die Unterlagen stehen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, welches durch das Herausgabeverlangen des Bundesbeauftragten konkretisiert und ausgeübt wird. Ein eigenständiges Besitzrecht besteht hier bereits nach bürgerlichem Recht für den Besitzer nicht. 79 Zwar kann aus der privatrechtlichen Rechtsstellung nicht unmittelbar der Umfang des konkret grundrechtlich geschützten Eigentums abgeleitet werden, da die definierenden Normen selbst im Rang unterhalb der Verfassung stehen,80 umgekehrt erfüllt aber das Eigentum nach bürgerlichem Recht typischerweise die verfassungsrechtlichen Kriterien. 81 Allerdings hat eine Gleichstellung von verfassungsrechtlichem und zivilrechtlichem Eigentum auszuscheiden. Als besonders geschützt ist aber in der Regel anzusehen, was der Einzelne durch eigene Leistung erworben hat. 82 Dies wird man von dem Besitz an abhandengekommenen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nicht annehmen können. Der Wert der Besitzposition an den Unterlagen für die Presse besteht vor allem in der Verfügbarkeit der darin enthaltenen Information und deren Belegbarkeit. Allein durch die Herausgabepflicht für die Orzgwö/unterlagen wird die Verfügbarkeit der Information indes nicht beeinträchtigt. Erst die Pflicht zur ersatzlosen Herausgabe auch der Kopien entzieht dem Besitzer die (optische) Information und die Belegmöglichkeit. 83 Dies regelt aber nicht die Herausgabepflicht für Originalunterlagen nach § 9 Abs. 1 StUG. Allerdings entzieht die Herausgabepflicht für Originalunterlagen der Presse die Exklusivität der Information. Wo aber ein Interesse der Presse besteht, die Information exklusiv und monopolisiert zu nutzen, so ist dieser Wert für die hiesigen Fallkonstellationen jedenfalls von Art. 14 GG nicht geschützt.84 Die Herausgabepflicht für Originalunterlagen nach § 9 Abs. 1 StUG verstößt daher nicht gegen Art. 14 GG.

78 Kimminich, in: BK, Art. 14, Rn. 56. 79 Baur, Lehrbuch des Sachenrecht, .§ 11 Β I. 1. so BVerfGE 58, 300, 335. 81 BVerfGE 24, 367, 389 f., 52, 1, 30; 79, 292, 303. 82 Leibholz / Rinck/ Hesselberger, GG, Art. 14, Rn. 37; BVerfGE 14, 288, 293. 83 Vgl. unten F. II. 7. c). 84 Vgl. oben F. Π. 7. a) (1). 4 Kloepfer

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

(2) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit Wie festgestellt 85 ist der mit der Anzeigepflicht verbundene Eingriff in die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Pressefreiheit von der Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG gedeckt. Die Herausgabepflicht für Originalunterlagen stellt darüberhinaus keinen (spezifisch presserechtlich) intensiveren Eingriff dar. Das Herausgabeverlangen konkretisiert das (verfassungslegitime) Komplettierungsinteresse betreffend der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Das Besitzinteresse der Presse an den Originalen besitzt demgegenüber keinen spezifischen grundrechtlichen Schutz. Soweit es den (von § 9 Abs. 1 StUG allein erfaßten) Fall des Besitzes der Originalunterlagen betrifft, ist der mit der Herausgabepflicht verbundene Eingriff in die Sammlungs- und Archivierungsfreiheit der Presse mithin als zulässige Beschränkung anzusehen. c) Herausgabepflicht

für Kopien nach § 9 Abs. 2 StUG

Der unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematischste Teil der Anzeige- und Herausgabepflichten der §§ 7 Abs. 3, 9 StUG ist die Herausgabepflicht für (Dritt-)Kopien und sonstige Duplikate nach § 9 Abs. 2 StUG. (1) Art. 14 GG Wer eine drittgefertigte Kopie von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes als ihm gehörend besitzt, ist in aller Regel auch Eigentümer der Kopie geworden. Unbeachtlich ist dabei, ob der Besitzer das Eigentum durch den Kopiervorgang selbst oder durch den Erwerb (oder die Schenkung) der fertigen Kopie erlangt hat. Würde man dies der Betrachtung zugrundelegen, so wäre in dem Substanzentzug durch das Herausgabeverlangen jedenfalls ein Eingriff in das geschützte Eigentum, möglicherweise sogar eine — mangels Entschädigungsregelung verfassungswidrige 86 — Administrativenteignung zu sehen. Dieser Eingriff kann sich indes nur auf den objektiven Wert der Kopien beziehen. Dieser besteht aber nur in dem Material- oder Herstellungswert der Kopien. Es ist evident, daß für die Presse dieser Aspekt nur eine regelmäßig zu vernachlässigende Beschwer mit sich bringt. Der Schwerpunkt liegt für diejenigen Presseunternehmen, die sich Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes — zum Teil illegal — beschafft haben, aber in dem Wert der darin verkörperten Information (und dem dafür gezahlten Preis). Zudem besteht der Wert gerade auch in der Exklusivität der Information. Eine Akte des Staatssicherheitsdienstes, die allgemein bekannt (etwa bereits veröffentlicht) ist, hat für die Presse keinen 85 Oben F. II. 7. a). 86 Vgl. vor dem Naßauskiesungsbeschluß des Β VerfG noch Bauschke / Kloepfer, NJW 1971, 1233 ff., 1234.

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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über die Materialkosten hinausgehenden Wert. Gerade diese Exklusivität ist aber in Bezug auf staatliche Akten im allgemeinen und auf Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes im speziellen nicht geschützt.87 Damit tritt die eigentumsrechtliche Betroffenheit des Presseunternehmens hinter einem Eingriff in den Informationsgehalt der Kopien zurück. Dessen Schutz kann sich aber nicht aus dem Eigentum, sondern nur aus der Pressefreiheit ergeben. Es spricht einiges dafür, hier eine Grundrechtsspezialität des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gegenüber der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG anzunehmen. Denkbar wäre auch, dem Eigentum an den Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes die erforderliche Schutzwürdigkeit abzusprechen. Dies ist aber angesichts des Umstandes, daß das Kopieren von diesen Unterlagen als solches nicht verboten ist, durchaus fraglich. Würde man mithin einen Eingriff in das geschützte Eigentum nach Art. 14 GG durch die Herausgabepflicht der Kopien annehmen, käme man nicht umhin, auch die Verfassungswidrigkeit des Eingriffes festzustellen. (2) Art. 5 GG Ist die ersatzlose Herausgabepflicht für Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes bereits eine Zensur im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG oder handelt es sich nur um einen Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG? Es erscheint nachvollziehbar, daß sich die Presse zensiert oder mit einem „Maulkorb" 88 versehen fühlt, wenn ein bestimmter Sachkomplex zumindest partiell aus der öffentlichen Diskussion ausgeblendet werden soll. Wie aber ist die Betroffenheit der Presse verfassungsrechtlich zu beurteilen? (a) Zensurverbot Zunächst kommt in Betracht, daß die ersatzlose Herausgabepflicht für Kopien nach § 9 Abs. 2 StUG eine Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG darstellt. Es wäre dann ohne weiteres verfassungswidrig, weil das Zensurverbot absolute Geltung besitzt und dem Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG nicht unterliegt. 8 9 Eine Zensur in diesem Sinne liegt nur bei einer Vorzensur (präventiven Zensur) vor. 90 Dies bedeutet, daß hierunter nur einschränkende Maßnahmen vor 87 Vgl. oben F. II. 7. b) (1). 88 Vgl. Gounalakis / Vollmann, DtZ 1992,77; dies., AfP 1992,36 ff.; vgl. auch Schuppen, AfP 1992, 105 ff. 89 Löjfler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 45; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 209 f.; Lerche, Presse, Pressefreiheit, in: ev. Staatslexikon, Sp. 2625 ff., 2629. 90 So die Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 33, 52, 71; 47, 198, 236; 73, 118, 166 und die h. L., vgl. v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5, Rn. 102; Leibholz I Rinck I Hesselberger, GG, Art. 5, Rn. 641; Degenhart, in: BK, Art. 5, Rn. 743; Fangmann I Blank ! Hammer, GG, Art. 5, Rn. 31; a. A. Wernicke, in: BK-Erstbearb., Art. 5, Anm. II 1 f.; Löffler, Presserecht, § 1 LPG, Rn 148; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 78; Breitbach / Rühl, NJW 1988, 8. 4*

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der Veröffentlichung oder Verbreitung zu verstehen sind. 91 Insbesondere fällt bei Schriften hierunter das Abhängigmachen von einer behördlichen Vorprüfung und Genehmigung ihres Inhaltes (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). 92 Auf den ersten Blick erscheint es demnach durchaus naheliegend, in dem mit der Herausgabepflicht des § 9 Abs. 2 StUG verbundenen Informationsentzug eine Form des staatlichen Eingriffs in die Pressefreiheit zu sehen, der einer Zensur entspricht. In der Tat spricht das grundsätzliche Verbot der (optischen) Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für eine systematische Kontrolle im Kommunikationsbereich, welche durch das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG untersagt ist. 93 Allerdings wird im StUG nicht die Vorlage und Genehmigung des Druckwerkes oder sonstigen Veröffentlichung vor ihrem Erscheinen selbst angeordnet. Vielmehr wird nur die Verwendung bestimmten Grundlagenmaterials für die Veröffentlichung generell-abstrakt verboten. Für eine Zensur im technischen Sinne ist aber die Prüfung des eigentlichen Druckwerkes (oder der Sendung, etc.) vor dem Erscheinen erforderlich. 94 Mag durch die Herausgabepflicht nach § 9 Abs. 2 StUG auch partiell eine zensurähnliche Wirkung erreicht werden, so handelt es sich dennoch zwar unbestreitbar um einen Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, der an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen ist, nicht aber um eine echte Zensur i. S. v. Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG. Auch stellt sie noch keine faktische, eingriffsgleiche Maßnahme dar, die nach Stimmen in der Literatur bei funktionaler Äquivalenz einer Zensur gleichzusetzen ist. 95 Immerhin erübrigt sich jegliche Zensur, wenn bereits die zugrundeliegende Information monopolisiert werden kann. Daher muß die Behörde wenigstens bei ihrer Ermessensausübung, die ihr bei jedem Herausgabeverlangen eingeräumt ist, die Erwägung anstellen, daß der Informationsentzug in die Nähe der Zensur reichen kann. (b) Sonstiger Eingriff

in die Pressefreiheit

Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß die generelle Herausgabepflicht für Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für die Presse eine erhebliche freiheitsbeschneidende Wirkung hat. Sie normiert im Kern einen Informationsentzug bei der Presse und eine Informationsmonopolisierung beim Bundesbeauftragten. Dies ist am Grundrecht der Pressefreiheit zu messen. Daß eine solche Beschneidung der Kommunikation, die zudem noch präventiv wirkt, nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein kann, ist evident. Maßgeblich wird für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer derartigen Regelung auch sein, 91 Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, II, Rn. 298; Bleckmann, Staatsrecht Π, S. 715. 92 BVerfGE 33, 52, 72. 93 Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 77. 94 Löffler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 46. 95 Vgl. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 108; Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 80.

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inwieweit der Staat Informationen aus der öffentlichen Diskussion ziehen darf, wenn die Grundlage der Information (hier: die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes) in rechtswidriger Weise beschafft wurde. (aa) Schutzbereich Die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleistet nicht nur die Veröffentlichung und Verbreitung eines Presseerzeugnisses, sondern alle damit verbundenen Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten. 96 Hierzu gehört auch das Sammeln und Archivieren von Informationsmaterial. 97 Zwar schützt die Pressefreiheit bei der Informationsbeschaffung selbst kein rechtswidriges Verhalten. 98 Hinsichtlich der Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG spielt es bei der Archivierung und Verwendung von Informationen weder eine Rolle, ob die Informationen allgemein zugänglich waren, noch ob sie rechtswidrig beschafft wurden. Es darf prinzipiell nicht darauf ankommen, wie Informationen gewonnen wurden. Hat die Presse bestimmte Informationen, so darf die Kontrolle der Veröffentlichung nur nach inhaltlichen Kriterien stattfinden. Nur wenn die Veröffentlichung des Ergebnisses durch übergeordnete Verfassungsgüter ausgeschlossen wird, darf allgemeines Recht sie verbieten. 99 Eine Ausnahme gilt hiervon, wenn der Veröffentlichende eine Information widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwenden. In diesem Fall muß eine Veröffentlichung grundsätzlich (wegen der Art der Gewinnung der Information) unterbleiben. 100 Dennoch ist in derartigen Fällen aber eine Veröffentlichung zulässig, wenn das legitime Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Belange des Betroffenen eindeutig überwiegt. 101 Bei der Gewinnung von Informationen bleibt die Presse an allgemeine Vorschriften gebunden. Der Redakteur, der in eine Firma einbricht, um sich Unterlagen zu beschaffen, macht sich ebenso nach § 243 StGB strafbar, wie jener nach § 259 StGB, der vorsätzlich gestohlene Unterlagen ankauft. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Straftat ist gleichwohl nicht verboten und darf es auch nicht 96 BVerfGE 10, 118 ff., 121; 50, 234, 240; Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, II, Rn. 136; Jarass / Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 22; v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 41. 97 Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, II, Rn. 136. 98 BVerfGE 66, 116 ff., 137. 99 Der Fall von BVerfGE 66,116 ff. (Wallraff) beinhaltet darüberhinaus die Besonderheit, daß gerade durch die Veröffentlichung in den geschützten Bereich eines Presseunternehmens eingegriffen wurde. 100 BVerfGE 66, 116 ff., 116, 142 vgl. dazu Berkemann, JR 1984, S. 450 ff., 452 f. Vgl. zu der vorangegangenen Entscheidung des BGH (BGHZ 80, 25) auch Bettermann, NJW 1981, 1065; Schmitt-Glaeser, AfP 1981, 314 und Geerds, JZ 1982, 183. 101 Ebd.; vgl. auch BGHZ 73, 120, 124 f; 80, 25, 38 ff.; Hoffmann-Riem, AK, Art. 5 Abs. 1, 2, RN 50; Ladeur, DuR 1979, 59, 65 ff.; Greifeid, Die Verwaltung 1981, 443, 448 ff.; Puttfarcken, ZUM 1988, 133 f. a. A. aber Bettermann, NJW 1981, 1065 ff., 1067; Lerche, Geheimnisschutz und Öffentlichkeitsinteresse, S. 117, 125.

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sein. Der Inhalt kann unter bestimmten Voraussetzungen Kriterium für ein Verbot der Veröffentlichung sein. Dies kommt etwa bei Staatsschutzdelikten in Betracht. Daß es beispielsweise verboten ist, militärische Geheimnisse der Bundesrepublik Deutschland zu veröffentlichen, findet· seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung an dem verfassungslegitimen übergeordneten Interesse an der äußeren Sicherheit Deutschlands. Zu trennen ist hier zwischen dem Verbot, sich die Informationen auf bestimmten Wegen zu beschaffen, das eigenständig strafbewehrt ist und dem selbständigen Verbot der Veröffentlichung der Ergebnisse. Dieses Veröffentlichungsverbot resultiert gerade nicht daraus, daß die Beschaffung illegal war. Wenigstens soweit die Veröffentlichung einer Information zulässig ist, muß auch die (vorbereitende) Archivierung der entsprechenden Informationsträger statthaft sein. Die Verpflichtung, derartige Informationsträger (die Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes) ersatzlos an den Bundesbeauftragten herauszugeben, stellt mithin einen empfindlichen Eingriff in die Pressefreiheit dar, der um so schwerer wiegt, als er eine präventive Kommunikationskontrolle beinhaltet. (bb) Schranken Zunächst müßte der Eingriff auf einem allgemeinen Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG beruhen. 102 Zunächst handelt es sich bei § 9 Abs. 2 StUG nicht um spezifisches Sonderrecht nur für die Presse, da die Vorschrift eine Herausgabepflicht für alle nicht-öffentlichen Stellen normiert und die Presse nur wie jeden anderen in vergleichbarer Situation betrifft. Nach der gängigen Definition des BVerfG ist eine Norm dann „allgemein" i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, wenn sich das Gesetz nicht gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung als solche richtet, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dient. 103 Zweifelhaft ist dies hier deshalb, weil zwar nicht eine bestimmte Meinung, jedoch ein bestimmter (optischer) Kommunikationsinhalt unterbunden werden soll. 1 0 4 Da die (Vorbereitung der) Kommunikation mit Informationen aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes aber nicht um ihrer selbst willen, sondern zum Schutz betroffener Persönlichkeitrechte sowie zur Komplettierung der Archive kontrolliert wird, ist von einer Allgemeinheit i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG wohl noch auszugehen.

102 Offenbar ungewollt weit geht Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, S. 353 mit der Aussage Art. 5 Abs. 2 GG erlaube die Einschränkung des Grundrechts zur Verfolgung beliebiger öffentlicher Interessen [§ 12 V 2. b) aa) (2)]. loa BVerfGE 7, 209 f.; 26, 205; 28, 185 f.; 33, 66; 50, 240 f.; 59, 236 f.; 62, 243 f.; 71, 214. 104 Siehe zu diesem Ansatz insbesondere Hoffmann-Riem, AK, Art. 5 Abs. 1, 2, RN 38.

II. Anzeige- und Herausgabepflicht

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Um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu genügen, müßte dieser Eingriff geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. 105 Wenn auch die Geeignetheit des rigiden Informationseingriffes durchaus naheliegend sein mag, so ist sowohl seine Erforderlichkeit als auch die Proportionalität überaus zweifelhaft. Die Herausgabepflicht nach § 9 Abs. 2 StUG bezweckt einerseits die Komplettierung der Unterlagen beim Bundesbeauftragten. Insoweit ist die ersatzlose Herausgabe von Originalen und Kopien ersichtlich nicht das mildeste Mittel zur Erreichung des Zweckes. Ausreichend ist ebenso die (verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende) Herausgabepflicht für Originale. 106 Sofern Originale beim Bundesbeauftragten nicht aufzufinden sind, reicht ebenso eine Überlassung der Kopien an den Bundesbeauftragten zur Anfertigung von Duplikaten aus, wie es die Regelung des § 9 Abs. 3 StUG für Originale im Eigentum des Besitzers vorsieht. Ersatzweise mag auch die Übersendung von Ablichtungen der Kopien durch die Presse selbst an den Bundesbeauftragten ausreichen. Weiterhin soll die Vorschrift die Persönlichkeitsrechte Betroffener schützen. Dieser Aufgabe kann die Vorschrift schon deshalb nur höchst unzureichend gerecht werden, weil die herauszuverlangende Kopie ohnehin dem Besitzer schon zur Kenntnis gelangt ist. Sie kann der Presse nunmehr vor allem zum — auch visualisierten — Beleg ihrer Recherche (gegenüber dem Leser, aber auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen) dienen. Zu diesem Zweck ist die Vorschrift aber auch nicht erforderlich, weil der verfassungsrechtlich gebotene Persönlichkeitsschutz jenseits des verfassungsrechtlich zulässigen Gehalts der Strafvorschrift des § 44 StUG vom allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutz gewährleistet wird. 1 0 7 Unter diesen Gesichtspunkten kann § 9 Abs. 2 StUG auch nicht als proportionaler Eingriff in die Pressefreiheit angesehen werden. Er verkennt die grundsätzliche Bedeutung der (auch in der Vorbereitung) freien, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkten Presse für den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung. 108 In bisher beispielloser Weise versucht das StUG mit der ersatzlosen Herausgabeverpflichtung für Kopien von Stasi-Unterlagen einen Kommunikationsbereich für die Presse präventiv durch den Staat zu kontrollieren. 109 Die ersatzlose Herausgabepflicht für alle Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf Anforderung durch den Bundesbeauftragten ist mithin als los Grundlegend BVerfGE 7, 377,402 ff., 431 ff.; vgl. aus der unübersehbaren Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnismäßigkeitsprinzip nur E 61, 126, 134 zahlreiche weitere Nachw. bei Kim, Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei den wirtschaftslenkenden Gesetzen, passim; vgl. auch Grabitz, AöR 98 (1973), 568 ff., 572 f.; sowie Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, passim. 106 So auch Gounalakis / Vollmann, DtZ 1992, 77. 107 Ebd. los Vgl. BVerfGE 20, 162, 174; 52, 283, 296; 66, 116, 133. 109 Die Überlassungspflichten des BArchG richten sich nur an Behörden.

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F. Presserelevante Regelungen im StUG

Eingriff in die Pressefreiheit nicht verhältnismäßig i. S. d. Übermaßverbotes und mithin verfassungswidrig. d) Überlassungspflicht

nach § 9 Abs. 3 StUG

Wie festgestellt, hat jedermann dem Bundesbeauftragten Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zur Anfertigung von Kopien zu überlassen. Da die Regelung gerade an das Eigentum an Unterlagen anknüpft, dieses also voraussetzt, liegt eine, schutzbereichsmäßige Betroffenheit der Überlassungspflichtigen in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG ohne weiteres vor. Diese Einschränkung folgt auch nicht unmittelbar aus der Sozialbindung des Eigentums i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG. Ebenso eindeutig handelt es sich aber auch nicht um eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG. Vielmehr liegt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vor, die unter dem Gesichtspunkt des Komplettierungsinteresses des Bundesbeauftragten für die Archive des Staatssicherheitsdienstes grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Aus dem rechtfertigenden Grund ergibt sich aber zugleich die Beschränkung des Eingriffs. Die Überlassung von Originalen darf nur dann verlangt werden, wenn sich im Archiv des Bundesbeauftragten keine Kopie des fraglichen Schriftstückes befindet. Anderenfalls ist das Verlangen nicht erforderlich zur Erreichung des Archivierungszweckes und mithin unverhältnismäßig i. S. d. Übermaßverbotes.

G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse gem. § 34 i. V. m. §§ 32, 33 StUG Erst in einem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens — nach harscher Kritik des Entwurfes in der Presse und Öffentlichkeit und nach der Stellungnahme des Innenausschusses des Bundestages — wurde in den Entwurf des StUG eine Vorschrift aufgenommen, die den Bedürfnissen der Presse entgegenkommen sollte. 110 Dem Öffentlichkeitsauftrag der Presse sollte Rechnung getragen werden. 111 Wie festzustellen sein wird, ist dieses Vorhaben als in verschiedener Hinsicht gescheitert anzusehen.

I. Allgemeiner Regelungsgehalt Nach § 34 StUG gelten die Vorschriften über die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für die Forschung zur Aufarbeitung seiner Tätigkeit für die Verwendung von Unterlagen durch Presse, Rundfunk, Film, deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen entsprechend. Grundsätzlich ist dabei zunächst festzustellen, daß es sich bei den entsprechenden Vorschriften (den §§32 und 33 StUG) nur um die Zurverfügungstellung solcher Unterlagen handelt, die sich beim Bundesbeauftragten befinden. § 32 StUG regelt insbesondere nicht die Verwendung von Duplikaten, die ein Dritter — etwa ein Presseunternehmen — rechtmäßig in Besitz hat, weil der Bundesbeauftragte sie nicht herausverlangt hat. Ebensowenig regelt die Vorschrift die Verwendung anderer Unterlagen, die die Presse rechtmäßig auf andere Weise erhalten hat, etwa indem diese ihr durch Einsicht nehmende Betroffene zur Verfügung gestellt worden sind. 112 Die Vorschrift ist nicht als Ermessensbestimmung ausgestaltet. Liegen also die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 StUG vor, so muß der Bundesbeauftragte — im Verfahren des § 33 StUG — die fraglichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Diese Voraussetzungen sind im Einzelnen recht differenziert ausgestaltet. Nach § 32 Abs. 1 StUG stellt der Bundesbeauftragte für die Forschung zum Zwecke no BT-Drs. 12/1563. m Begründung zum Änderungsantrag v. 13.11.1991, BT-Drs. 12/1563, S. 3. 112 Α. A. wohl Stoltenberg, DtZ 1992,65 ff., 71; wie hier auch Bork, ZIP 1992,90 ff., 100.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politischen Bildung Unterlagen zur Verfügung, die verschiedenen Kriterien entsprechen. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 StUG sind dies Unterlagen, die keine personenbezogenen Informationen enthalten. Nach Nr. 2 stellt er die Duplikate von Unterlagen zur Verfügung, in denen die personenbezogenen Informationen anonymisiert worden sind. Für die Zwecke der Presse sind diese zwei Kategorien von Unterlagen, die allein für statistische oder strukturelle Aussagen Verwendung finden können, in vielen Fällen von vornherein nahezu unbrauchbar. Dies ist ein Resultat der nachträglich aufgepfropften Verweisung auf die Verwendung für Zwecke der Forschung und der politischen Bildung. Eine grundrechtsspezifische Gestaltung im Hinblick auf die Pressefreiheit fehlt. Die aus diesem Defizit grundrechtsspezifischer Ausgestaltung folgende nivellierende Gleichbehandlung von Verwendungen zu Zwecken der Forschung einerseits und zu Zwecken von Presse, Rundfunk sowie Film andererseits verfehlt wesentliche verfassungsrechtliche Differenzierungen, die sich aus dem Grundgesetz durch die unterschiedliche Regelung in Art. 5 Abs. 3 GG einerseits und in Art. 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 GG andererseits ergeben. Diese grundsätzliche Differenzierung zwischen beiden Grundrechten findet ihre Legitimation in unterschiedlichen Grundrechtsfunktionen und Grundrechtswirkungen. Die Forschungsfreiheit dient vor allem der Sicherung ungestörter wissenschaftlicher Findung von Wahrheit, während die Presse- und Medienfreiheit vorrangig der Bildung der öffentlichen Meinung dient. Das Aktualitätsinteresse, aber auch die etwaigen politischen Wirkungen von Presse- und Medienaktivitäten sind regelmäßig weitaus größer als im Forschungsbereich. Kann Forschung durchaus noch in geduldiger Archivarbeit stattfinden und wird sie durch entsprechend zeitraubende Verfahren behördlicher Informationszuteilung regelmäßig allenfalls behindert, aber nicht verhindert, so kann dies wegen ihres Aktualitätsinteresses im Bereich der Massenmedien ganz anders sein. 113 Die Verfassungsbedenken gegen das Fehlen einer pressespezifischen Regelung treten hinzu. 114 U3 Damit ist freilich noch nicht die Unbedenklichkeit des StUG unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 3 GG erwiesen; den sich hier erhebenden Bedenken aus dem Aspekt fehlender Beschränkungsvorbehalte in Art. 5 Abs. 3 GG kann an dieser Stelle indes nicht nachgegangen werden. Vgl. dazu allgemein Oppermann, Wissenschaft und Kunst, in: HBStR, Bd. IV, § 145 RN 27 ff. 114 Das Fehlen einer pressespezifischen Ausgestaltung des StUG äußert sich auch deutlich im Aufgabenkatalog des § 37 StUG. Eine besondere Befugnisnorm zur Information der Presse existiert nicht. Es bedarf daher eines undifferenzierten Rückgriffs auf § 37 Abs. 1 Nr. 4 (Erteilung von Auskünften, Mitteilungen aus Unterlagen, Gewährung von Einsicht in Unterlagen, Herausgabe von Unterlagen) sowie auf § 37 Abs. 1 Nr. 6 (Unterstützung der Forschung und der politischen Bildung bei der historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch Gewährung von Einsicht in Unterlagen und Herausgabe von Duplikaten von Unterlagen). Insbesondere die letztgenannte Vorschrift ist (entsprechend der Erweiterung der §§32 ff. im Gesetzgebungsverfahren) analog auch auf die Presse anzuwenden.

I. Allgemeiner Regelungsgehalt

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Sollte § 34 StUG jedenfalls faktisch zu einer Blockierung der Pressefreiheit führen, ergäbe sich schon hieraus die Verfassungswidrigkeit. Außerdem weckt die Regelungsart aber auch erhebliche Zweifel an der Praktikabilität der Vorschrift. Aus ihr folgt nämlich auch, daß im Verfahren des § 33 StUG sämtliche Unterlagen, die den Voraussetzungen entsprechen, zur Verfügung zu stellen sind. Nach § 33 Abs. 1 StUG kann in die nach § 32 StUG zur Verfügung zu stellenden Unterlagen in der Zentralstelle oder in einer der Außenstellen Einsicht genommen werden. Das dies nur auf einen konkreten Antrag hin zu geschehen habe, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach dem Wortlaut ist daher eine generelle Zurverfügungstellung aller dieser Unterlagen notwendig. Erforderlich wird insoweit eine getrennte Archivierung sein. Die damit verbundenen Probleme tatsächlicher Art (Personalausstattung, Raumbedarf) können hier nur angedeutet werden. Anders wird aber — schon im Hinblick auf § 32 StUG — eine sinnvolle Forschungsarbeit nicht möglich sein. Der Forscher müßte anderenfalls den zu erforschenden Sachverhalt ja bereits kennen, um eine konkrete Akte anfordern zu können. Die Vorschriften über die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der Forschung und der Presse verkämen so weitgehend zu Makulatur. Auch wenn dies mancherorts gewünscht sein sollte, entspricht dies nicht dem Geist des Einigungsvertrages 115. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang wiederum die (für die Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der Forschung und der Presse in § 33 Abs. 5 StUG normierte) Beschränkung auf die erschlossenen Unterlagen. Angesichts der Aktenfülle 116 und des großen Bestandes der nach den §§ 32, 34 StUG zur Verfügung zu stellenden Unterlagen, erscheint die Frage berechtigt, wie der Auftrag dieser Vorschriften erfüllt werden soll. Wird der Bundesbeauftragte es überhaupt leisten können, alle gebotenen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, bevor Forschung und Presse an der Verwendung der Ergebnisse ihrer Aufarbeitungs- und Aufhellungsarbeit durch das in der Rechtsfriedensklausel der §§20 Abs. 3 und 21 Abs. 3 StUG 1 1 7 normierte Verwendungsverbot gehindert sind? Die Anonymisierungsanträge nach § 14 Abs. 1 StUG könnten hier schneller sein. 118 Unter diesem Gesichtspunkt muß es — wenn auch nicht als Regelmöglichkeit — die Option geben, daß ein Forscher oder ein redaktioneller Mitarbeiter der Presse die Überlassung einer konkreten Akte oder aller Akten zu einem bestimmten Vorgang, die den Kriterien des § 32 StUG entsprechen, zur Verwendung für us Vgl. unten I. I. 116 Vgl. oben A. 117 § 20 und 21 Abs. 3 S. 1 und 3 StUG lauten: „Die Verwendung für die in Absatz 1 Nr. 6 und 7 genannten Zwecke ist nach Ablauf einer Frist von 15 Jahren unzulässig.(...) Nach Ablauf dieser Frist darf die Tatsache einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst dem Mitarbeiter im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwendet werden." us Nach § 14 Abs. 1 S. 2 StUG dürfen diese ab dem 1. Januar 1997 gestellt werden.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

die Zwecke der Forschung oder der Presse verlangen kann. Auch hier erscheint aber ein erhebliches Vollzugsdefizit unausweichlich. Denkbar ist weiter die Konstellation, daß ein Forscher oder ein Presseunternehmen ursprünglich im Besitz von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes war und diese nach § 9 Abs. 1 StUG an den Bundesbeauftragten abgegeben hat. In diesem Fall hat sowohl der Forscher bzw. das Presseunternehmen als auch der Bundesbeauftragte Kenntnis von der Akte. Sie ist daher unverzüglich zu erschließen und — soweit sie die Voraussetzungen des § 32 StUG erfüllt — dem Abliefernden zur Verfügung zu stellen. Es wird deutlich, daß der Staat hier wie ein Informationsfilter wirken kann; er läßt sich die Informationen zunächst aushändigen, um dann zu prüfen, welche den Medien zugänglich gemacht werden dürfen.

I I . Unterlagen über bestimmte Personenkreise 1. Personenkreis des § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG bestimmt, daß der Bundesbeauftragte Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind, sowie über zur „Tatzeit" volljährige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes und Begünstigte der Forschung zur Verfügung stellt. Nach § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG darf dies allerdings nur dann erfolgen, wenn durch die Verwendung keine schutzwürdigen Interessen der genannten Personen beeinträchtigt werden; außerdem können Unterlagen mit personenbezogenen Informationen nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 StUG weitergegeben werden , wenn die betreffenden Personen hierzu schriftlich eingewilligt haben. Die Auslegung des § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG bereitet in verschiedener Hinsicht erhebliche Schwierigkeiten, 119 zum Teil rechtlicher, zum Teil tatsächlicher Art. Einerseits wird nicht deutlich, wie die Differenzierung zwischen den Gruppen „ — Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind" einerseits, und der Gruppe der „ — Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes ( . . . ) " und „ — Begünstigte(n) des Staatssicherheitsdienstes" im einzelnen vorgenommen werden soll. Finden sich in den Unterlagen über Personen der ersten Gruppe personenbezogene Informationen, so sind diese ent119 Bork, ZIP 1991, 90 ff., 91 f.: „ . . . ob ihre Voraussetzungen vorliegen, wird nach nicht ganz einfachen Gesetzesfassung im Einzelfall nicht immer sicher festzustellen sein.".

II. Unterlagen über bestimmte Personenkreise

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weder im Rahmen gezielter Ausspähungen der betreffenden Person gewonnen worden. Die Person ist dann Betroffener i. S. d. § 6 Abs. 3 StUG. Die zweite Möglichkeit besteht darin, daß die Informationen gesammelt wurden, ohne daß die betreffende Person Objekt gezielter Ausspähung war. Sie ist dann „Dritter" i. S. d. § 6 Abs. 7 StUG. Ansonsten können sich die Informationen nur auf die betreffende Person in seiner Eigenschaft als offizieller oder inoffizieller Mitarbeiter oder als Begünstigter des Staatssicherheitsdienstes beziehen. In beiden Fällen wären die Unterlagen bereits als der zweiten oben genannten Kategorie zugehörig zur Verfügung zu stellen. Insoweit handelte es sich aber lediglich um eine sinnlose und verwirrende Doppelnormierung des gleichen Sachverhaltes. 120 Der Fehler geht aber tiefer und wurzelt in der praktisch häufig nicht realisierbaren, durch das StUG aber vorgegebenen Unterscheidung zwischen „Opfern" und „Tätern". Die Differenzierung nach beiden Kategorien ist Ausdruck des bei Personen der Zeitgeschichte und politischen und öffentlichen Amtsträgern durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Forschungsauftrag relativierten Persönlichkeitsschutzes der betreffenden Personen. Diese (notwendige) Differenzierung erreicht das StUG aber trotz des plakativen Wortlautes nur scheinbar, da nach beiden o. g. Kategorien in jeder Konstellation ein identisches Ergebnis feststellbar ist. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 StUG sind inoffizielle Mitarbeiter Personen, die sich zur Lieferung von Informationen an den Staatssicherheitsdienst bereiterklärt haben. In der Regel wurde diese Bereitschaft durch die Unterzeichnung einer schriftlichen Verpflichtungserklärung, die zu der IM-Akte des Betreffenden genommen wurde, erklärt. Auf diese Fixierung legte der Staatssieherheitsdienst nach seinen Richtlinien aus verschiedenen Gründen erheblichen Wert. Zum einen diente die Verpflichtungserklärung der Kontrolle des Anwerbenden. Dem jeweiligen Führungsoffizier sollte es unmöglich gemacht werden, die Existenz der Bereitschaft zur Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter einer Person vorzutäuschen. Daneben wurde die Verpflichtungserklärung aber auch benutzt, um den I M mit der Drohung der kompromittierenden Offenlegung seiner Tätigkeit unter Druck zu setzen. Das Vorliegen einer solchen Erklärung ist also der Regelfall. In den Akten des Staatssicherheitsdienstes finden sich bisweilen aber auch solche Erklärungen: „Da die Zielperson aufgrund ihrer christlichen Einstellung nicht bereit war, gegen andere Personen auszusagen, wurde davon abgesehen, ihn förmlich zu verpflichten" 121 . Auch ohne eine Verpflichtung konnte die betreffende Person ein wichtiger und ständiger Informationslieferant für den Staatssicherheitsdienst werden. Wie schwierig in derartigen Fällen die Abgrenzung zwischen Tätern und Opfern ist, zeigen verschiedene Fälle, die in der jüngsten Vergangenheit diskutiert wurden. Nach dem StUG ist die Antwort ebenso eindeutig wie unbefriedigend: Auch wenn der Informierende eine Person der Zeitgeschichte oder der 120 Auf diesen Umstand weist auch Bork, a. a. O., S. 92, hin. 121 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 32.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

Inhaber eines hohen politischen Amtes ist, war er mangels Verpflichtungserklärung kein informeller Mitarbeiter sondern Zielperson einer gezielten Ausspähung und mithin „Betroffener" i. S. d. § 6 Abs. 3 StUG. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über diese Person sind mithin nach § 32 Abs. 1 StUG ohne weiteres für die Verwendung für Zwecke der Forschung und der Presse gesperrt, ohne daß noch eine Abwägung mit legitimen Öffentlichkeits- oder Forschungsinteressen stattfinden dürfte. Dies gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die personenbezogene Information darin besteht, daß und mit welcher Information er andere Betroffene oder Dritte denunziert hat. Auch die Tatsache, daß der Betreffende möglicherweise ohne seine positive Kenntnis als inoffizieller Mitarbeiter geführt wurde, ändert hieran nichts, da es nicht auf die Einordnung durch den Staatssicherheitsdienst, sondern auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 StUG ankommt. 122 Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des StUG kann die Erklärung der Bereitschaft zur Lieferung von Informationen auch mündlich oder konkludent erfolgen. Sie sollte aber eine Willensentscheidung erkennen lassen.123 Möglich war diese vergleichsweise weite Auslegung aber wohl nur, weil der Entwurf in § 4 Abs. 5 Nr. 2 b) auch solche Personen erfaßte, die sonst mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet haben, ohne hierzu beruflich verpflichtet zu sein. Wegen der angeblichen Schwierigkeit der Abgrenzung empfahl der Innenausschuß des Bundestages indes die Streichung dieser Alternative, mit der es möglich gewesen wäre, das breite Spektrum der sonstigen Denunzianten zu erfassen. 124 Es ist einer der Kardinalfehler des StUG, die Fälle jener Personen, die dem Staatssicherheitsdienst Informationen geliefert haben, ohne sich förmlich zu verpflichten, pauschal auf die Seite der Betroffenen und Dritten gestellt zu haben. 125 Damit werden Denunzianten ebenso wie „zuverlässige" Lieferanten oder naive Plauderer generell zu „Opfern", die vom StUG umfassend geschützt werden. Manch prominenter Lieferant von Informationen wird still darauf hoffen, daß dieser konzeptionelle Fehler des StUG nicht beseitigt wird. In der Praxis des Bundesbeauftragten soll in derartigen Fällen bisweilen nach § 6 Abs. 8 StUG in dem Sinne verfahren werden, daß im Einzelfall die Tätigkeit als informeller Mitarbeiter auch ohne den Nachweis einer Bereiterklärung im Sinne von § 6 Abs. 4 Nr. 2 angenommen wird. Mit Wortlaut und Intention der Vorschrift ist eine derartige Praxis indes nur bedingt vereinbar. Die Anordnung

122

Konnte beispielsweise ein Offizier seinem Vorgesetzten einen regelmäßigen Kontakt zu einem Kirchenmann nachweisen, stimmte dieser unter Umständen zu, den Betreffenden auch ohne dessen Kenntnis als IM zu führen. Dieses Verfahren widersprach zwar den Richtlinien, wurde aber gelegentlich in dem für Kirchenfragen zuständigen Referat XX / 4 praktiziert. Gauck, a. a. O. BT-Drs. 12/1093, S.21. M Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 12/1540, S. 58. 125 Vgl. auch die Kritik von Stoltenberg, DtZ 1992, 65 ff., 71.

II. Unterlagen über bestimmte Personenkreise

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des Gesetzes, die Eigenschaft als Mitarbeiter, Begünstigter, Betroffener oder Dritter für jede Information gesondert festzustellen, soll nur verhindern, daß eine zeitlich begrenzte Mitarbeiterschaft die generelle Freigabe aller Informationen bewirkt und umgekehrt die einmalige Opfereigenschaft für alle Zeit die Verwendung der betreffenden Akten sperrt. Für die Feststellung ist nach § 6 Abs. 8 S. 2 StUG maßgebend, mit welcher Zielrichtung die Information in die Unterlagen aufgenommen worden sind; entscheidend soll also wohl die informationelle Zuordnung des Staatssicherheitsdienstes in seiner Informations- und Aktenordnung sein. Eine Aufhebung der materiellen Anforderungen des § 6 Abs. 4 Nr. 2 StUG kann hierdurch freilich nicht bewirkt werden. Angesichts der Schwierigkeit, im Lichte des heutigen Kenntnisstandes die „Zielrichtung" der Aufnahme einer Information durch den Staatssicherheitsdienst festzustellen, werden die Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der unscharfen Kategorie der „Dritten" i. S. d. § 6 Abs. 7 StUG auch durch eine erweiternde Auslegung des § 6 Abs. 8 StUG kaum gemildert. Das Grundübel liegt in der Ungeeignetheit der Begriffe „Mitarbeiter", „Betroffener" und „Dritter" in der Definition des StUG, soweit danach präzise Rechtsfolgenabgrenzungen vorgenommen werden sollen.

2. Zeitpunkt des Vorliegens der qualifizierenden Voraussetzungen Zu untersuchen ist weiter, wann die besonderen Qualifikationen des § 32 Abs. 1 Nr. 3, 1. Variante StUG vorliegen müssen. Für hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter sowie für Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes ist diese Feststellung einfach: wer irgendwann während der Existenz des MfS/AfNS Mitarbeiter dieser Organisationen war oder von ihnen i. S. d. § 6 Abs. 6 StUG begünstigt wurde, unterfällt dieser Kategorie. Abgrenzungsprobleme ergeben sich hier regelmäßig nicht. Anders ist die Lage bei dem Personenkreis nach § 32 Abs. 1 Nr. 3,1. Alternative StUG. Hier kann die besondere Qualifikation (Person der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes) sowohl in der ehemaligen DDR als auch später in der Bundesrepublik vorgelegen haben. Beide Varianten reichen indes aus, um die Qualifikation des § 32 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative StUG zu erfüllen. Wann die besonderen persönlichen Eigenschaften Vorgelegen haben ist unerheblich. 126 Ausreichend ist auch, wenn die Person etwa erst nach Inkrafttreten des STUG ein politisches Amt angetreten hat oder erst dann zu einer Person der Zeitgeschichte geworden ist.

126 So auch Bork, ZIP 1992, 90 ff., 92.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

3. Feststellung des Vorliegens der qualifizierenden Voraussetzungen Ein weiteres Problem liegt darin, wie die Feststellung getroffen werden kann, ob die Person, zu deren personenbezogenen Unterlagen Auskunft zu erteilen oder in die Einsicht zu gewähren ist, einer der Kategorien des § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG unterfällt. Insoweit steht dem Bundesbeauftragten zwar kein Ermessensspielraum zu. Auf der Tatbestandsseite hat er aber einen gesetzlich nur durch die Legaldefinitionen des § 6 StUG konkretisierten Beurteilungsspielraum. Er muß die Begriffe „Person der Zeitgeschichte", „hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter", „Betroffener" und „Dritter" auslegen. Die Schwierigkeiten hierbei sind bei den verschiedenen Personengruppen des § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG recht unterschiedlich. a) Hauptamtliche Mitarbeiter Vergleichsweise geringe Schwierigkeiten ergeben sich bei Unterlagen über hauptamtliche Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes. Soweit die Akten des Staatssicherheitsdienstes nicht bereinigt wurden, insbesondere nicht die Einträge in der F 16-Datei beseitigt wurden, läßt sich die hauptamtliche Mitarbeit für das MfS / AfNS in der Regel eindeutig belegen. Schwierigkeiten können sich hier vor allem bei der Suche nach der in der öffentlichen Diskussion zu Unrecht bisher vernachlässigten Gruppe der Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) ergeben. Diesen wurde zum einen eine besondere Tarnung zuteil. Zum anderen erhielten sie nur dann direkt ein Gehalt vom Staatssicherheitsdienst, wenn ihr „ziviler" Lohn niedriger war als der dem OibE dienstrangmäßig zustehende,127 was das sichere Aufspüren anhand der Lohnlisten des Staatssicherheitsdienstes erschwert. Gleiches gilt in verschärfter Form für die Kategorie der „Unbekannten Mitarbeiter" (UM). Diese Gruppe wurde vom Staatssicherheitsdienst unter dem Eindruck der Entwicklungen in der Sowjetunion im April 1986 mit einer Präzisierung der OibEs-Ordnung geschaffen. Ein solcher U M wurde mit einer neuen Identität ausgestattet. Seine Existenz wurde auch gegenüber anderen Mitarbeitern des MfS geheimgehalten.128 b) Inoffizielle

Mitarbeiter

Auch Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über inoffizielle Mitarbeiter stellt der Bundesbeauftragte für Zwecke der Forschung und der Presse zur Verfügung. Dies bedeutet jedenfalls, daß er alle Vorgänge der Presse zugänglich machen muß, die als IM-Akte angelegt sind und in denen sich eine Verpflichtungserklärung findet. Problematisch sind die Fälle, in denen eine Akte als IM127 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 67. 128 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 68.

. Unterlagen über bestimmte Personenkreise

65

Vorgang eingestuft ist, in der aber eine schriftliche Verpflichtungserklärung nicht enthalten ist. Dabei bestehen zwei Möglichkeiten. In der einen Variante hat sich die betreffende Person mündlich (aber in der Sache eindeutig) bereiterklärt, dem Staatssicherheitsdienst Informationen zu liefern. In diesem Fall wird sich in der Regel hierüber eine Aktennotiz des Führungsoffiziers finden. Die Verwertung einer solchen Notiz als Beweis für eine Verpflichtungserklärung erscheint dabei aber durchaus nicht unproblematisch. Letztlich liegt es im Beurteilungsspielraum des Bundesbeauftragten, anhand der Aktenlage und sonstigen, ihm zugänglichen Informationen festzustellen, ob sich die fragliche Person im Sinne des § 6 Abs. 4 Nr. 2 StUG zur Lieferung von Informationen bereiterklärt hat und mithin inoffizieller Mitarbeiter war. Nicht ausreichend ist hingegen die zweite Variante, in der eine Person, ohne sich vorher ausdrücklich hierzu bereitzuerklären, dem Staatssicherheitsdienst Informationen liefert. Dies mag aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus geschehen sein. Auch in „vertrauensvoller Atmosphäre", im „politischen Gespräch" oder durch eine „gezielte Abschöpfung" konnten personenbezogene Informationen gewonnen werden. Mitglieder der SED, der Blockparteien oder anderer Massenorganisationen fühlten sich häufig aufgrund ihrer Mitgliedschaft oder der ihnen übertragenen Funktionen verpflichtet, dem Staatssicherheitsdienst auch ohne Bereiterklärung Informationen zu liefern. 129 A l l dies erfüllt nicht die für eine Herausgabe zu Zwecken der Presse oder der Forschung erforderlichen Voraussetzungen. c) Begünstigte Weiter stellt der Bundesbeauftragte Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes zur Verfügung. Hier dürfte die Feststellung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein. Begünstigter ist nach § 6 Abs. 6 StUG, wer vom Staatssicherheitsdienst wesentlich — insbesondere durch die Verschaffung beruflicher oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteile — gefördert wurde, wer vom Staatssicherheitsdienst oder auf seine Veranlassung bei der Strafverfolgung geschont wurde oder wer mit Wissen, Duldung oder Unterstützung des Staatssicherheitsdienstes Straftaten gefördert, vorbereitet oder begangen hat. Stoltenberg hat mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Definition so unscharf ausgefallen ist, daß auch „Opfer" hierunter fallen. 130 Die von ihm vorgeschlagene Lösung wäre wohl auch durch eine noch mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 6 StUG zu vereinbarenden Auslegung erreichbar. Begünstigter wäre danach nur, bei wem neben der objektiven Förderung auch die Kenntnis von seiner Förderung besteht. Fraglich ist aber, ob dies rechtspolitisch auch sinnvoll wäre. Danach wären Kinder oder Freunde von hochrangigen Mitarbeitern des Staatssi129 Stoltenberg, DtZ 1992, 65 ff., 66. 130 DtZ 1992, 65 ff., 67. 5 Kloepfer

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

cherheitsdienstes, denen (ohne positive Kenntnis) „der Weg geebnet" wurde, keine Begünstigten i. S. d. § 6 Abs. 6 StUG. Die Entscheidung liegt auch hier beim Bundesbeauftragten, der unter Rückgriff der ihm verfügbaren Informationen prüft, ob die zur Bejahung der Begünstigteneigenschaft erforderlichen Umstände vorliegen. d) Person der Zeitgeschichte Zuständig ist der Bundesbeauftragte auch für die Prüfung der Frage, ob jemand eine Person der Zeitgeschichte ist. Hierbei kann indes auf die Literatur und Rechtsprechung zum § 22 KUG zurückgegriffen werden. Gemeint sind damit auch relative Personen der Zeitgeschichte, d. h. Personen, die erst durch das berichtete Ereignis in den Mittelpunkt des Interesses gerückt sind. 131 Für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes bedeutet dies, daß auch Fälle spektakulärer Betroffenheit unter den Begriff der relativen Person der Zeitgeschichte zu subsumieren sein können. Zu denken ist hier etwa an Mordopfer des Staatssicherheitsdienstes. Gerade bei Personen der Zeitgeschichte ist aber der Ausschluß der Herausgabemöglichkeit bei Betroffenen oder Dritten unsachgemäß und unhaltbar. Sinn der Regelung ist, daß Material, welches der Staatssicherheitsdienst rechtsstaatswidrig gegen jemanden gesammelt hat, ihm nicht zum Nachteil gereichen soll. Dabei macht es durchaus einen Unterschied, ob der Staatssicherheitsdienst Belastungsmaterial gegen eine Person gesammelt hat oder ob die Information gerade aus der Form des Kontaktes mit dem Staatssicherheitsdienst besteht. In letzterem Fall überwiegt bei Personen der Zeitgeschichte oder Inhabern politischer Ämter auch dann das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der öffentliche Auftrag der Presse das Persönlichkeitsinteresse des Betreffenden, wenn er im Sinne des § 6 Abs. 3 StUG Betroffener ist. 1 3 2 Zur Verdeutlichung mag folgendes Beispiel dienen: Findet sich in den StasiUnterlagen der Hinweis, Agenten hätten herausgefunden, der Landesminister X mache unrichtige Angaben in der Steuererklärung und treibt im übrigen Unzucht mit Minderjährigen, so kann man der Presse, die dies erfährt, nicht verbieten, die Information zu veröffentlichen. Sie soll aber insoweit nicht von der Bespitzelung profitieren, als sie — quasi durch Vorlage des amtlichen Beweises — dies durch die Veröffentlichung von Opferakten belegen kann. Findet sich in den Akten aber ζ. B. der Hinweis, der Landesminister X habe sich auch beim letzten Treffen wieder äußerst kooperativ gegenüber den auf ihn angesetzten Mitarbeitern des MfS gezeigt und im Hotelzimmer interessante Stimmungsbilder aus dem Kabinett preisgegeben, so ist nicht ersichtlich, warum die Berichte hierüber nicht 131 Vgl. OLG Köln, AfP 1972, 277; 1973, 479; OLG Frankfurt / Main, AfP 1976, 181; Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff; Bamberger, Einführung in das Medienrecht, S. 133. 132 Näher dazu unten H. V.2.c).

IV. Veröffentlichungen der zur Verfügung gestellten Unterlagen

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der Forschung oder der Presse zur Verfügung zu stellen sein sollten. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative StUG schützt X aber gleichwohl, da er als Zielperson einer gezielten Ausspähung „Betroffener" i. S. d. § 6 Abs. 3 StUG ist. Die Abgrenzung bei der Zurverfügungstellung derartiger Unterlagen kann bei dem Personenkreis des § 32 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative StUG, die zugleich Betroffene oder Dritte i. S. d. § 6 StUG sind, nur danach erfolgen, ob die in den Unterlagen enthaltene Information im direkten sachlichen Bezug zu den Tätigkeiten des Staatssicherheitsdienstes und der Art des Kontakts zu dem Funktionsträger steht. In diesem Fall überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Auftrag des StUG zur politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes das Geheimhaltungsbedürfnis und den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen oder Dritten.

I I I . Sonderregelung für Unterlagen in besonderer Verwahrung Nach § 32 Abs. 2 StUG stellt der Bundesbeauftragte Unterlagen, die sich nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b) bis d) StUG in gesonderter Verwaltung befinden, nur mit Einwilligung des Bundesministers des Inneren zur Verfügung. Es ist dies der „Giftschrank" 133 des Bundesbeauftragten. Er enthält Kopien von geheimen Unterlagen bundesdeutscher Nachrichtendienste, von denen die Originale zurückgegeben wurden, Unterlagen über Mitarbeiter bundesdeutscher oder anderer Nachrichtendienste und Aufzeichnungen über technisches Know-How der Spionage. Für diese Unterlagen gelten die Vorschriften über den Umgang mit Verschlußsachen der Geheimhaltungsgrade VS-Vertraulich und höher.

IV. Veröffentlichung der zur Verfügung gestellten Unterlagen 1. Allgemeines Die Veröffentlichung der durch den Bundesbeauftragten zur Verfügung gestellten Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist in § 32 Abs. 3 StUG separat geregelt. Ist diese Zweiteilung bei dem ursprünglichen Regelungsgegenstand noch nachvollziehbar, da es durchaus möglich sein kann, daß bestimmte Forschungsergebnisse nur mit den personenbezogenen Informationen gewonnen werden können, die Veröffentlichung aber auch ohne die Nennung von Namen sinnvoll ist. Dieser Sinn erlischt aber bei der Verweisung auf die Presse in § 34 StUG, da die typische Verwendung von zur Verfügung gestellten Unterlagen durch die Presse in der Veröffentlichung besteht. Auch dies ist ein Problem der nachträglichen Verweisung der Presseregelung auf die forschungsbezogene Rege133 Taut, DER SPIEGEL 46/1991, S. 28. 5*

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

lung. Dieses Problem relativiert sich allerdings, wenn man feststellt, daß sich in § 32 Abs. 3 StUG eine identische Wiederholung der Kriterien für die Zurverfügungstellung findet. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Einwilligung des Betroffenen sich nicht auf die Verwendung, sondern auf die Veröffentlichung beziehen muß.

2. Auswirkungen auf die Veröffentlichung nicht zur Verfügung gestellter Unterlagen In der Literatur ist die Auffassung vertreten worden, § 34 Abs 1 i. V. m. § 32 Abs. 3 StUG regele auch die Zulässigkeit einer Veröffentlichung von Unterlagen durch die Presse, die dieser nicht durch den Bundesbeauftragten überlassen worden sind. 134 Die Auffassung ist so nicht zutreffend. § 34 Abs 1 i. V. m. § 32 Abs. 3 StUG eröffnet vielmehr eine zusätzliche Informationsquelle für die Presse und regelt selbst nicht die Veröffentlichung anderer Unterlagen, welche die Presse aus anderen Quellen erhalten hat. Zwar verlangt die Generalklausel des § 4 Abs. 1 S. 1 StUG eine Anordnung oder Erlaubnis für den Zugang zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes und deren Verwendung. Dies bezieht sich — wie festgestellt — aber nur auf Unterlagen, die der Bundesbeauftragte zur Verfügung stellen kann. Eine solche Erlaubnis findet sich darüberhinaus neben § 34 Abs 1 i. V. m. 32 Abs. 3 StUG aber ζ. B. auch in § 4 Abs. 1 S. 2 StUG.

3. Gegendarstellung Eine aus kompetenzrechtlichen Gründen nur sehr partielle Regelung eines Gegendarstellungsanspruches enthält § 34 Abs. 2 StUG. Führt danach die Veröffentlichung personenbezogener Informationen durch Rundfunkanstalten des Bundesrechts zu Gegendarstellungen von Personen, die in der Veröffentlichung genannt sind, so sind diese Gegendarstellungen den jeweiligen Unterlagen beizufügen und mit ihnen aufzubewahren. Eine erneute Veröffentlichung ist nur zusammen mit der Gegendarstellung zulässig. Direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Presse hat diese Vorschrift mithin nicht. Indirekt kann sie allenfalls bewirken, daß der Bundesbeauftragte der Presse Unterlagen zusammen mit der entsprechenden Gegendarstellung überläßt und es die Sorgfaltspflicht der Presse gebieten würde, dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Betroffenen nachzugehen.

134 Stoltenberg, DtZ 1992,65 ff., 71, der dies als eine bald zu schließende Gesetzeslükke bezeichnet; einschränkend Bork, ZIP 1992,90 ff., 101 betreffend der von Betroffenen nach den §§3 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 StUG überlassenen Unterlagen.

V . Verfassungsrechtliche Beurteilung

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V. Exkurs: Auskunftsansprüche nach § 4 des Landespressegesetzes Berlin Denkbar wäre, daß der Presse allgemeine Informationsansprüche gegenüber dem Bundesbeauftragten nach Landespresserecht zustünden. Einschlägig wäre wegen des Sitzes des Bundesbeauftragten in Berlin § 4 LPG Berlin. Diesem allgemeinen presserechtlichen Informationsanspruch steht hier jedoch entgegen, daß nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 StUG der Bundesbeauftragte Auskünfte nur nach Maßgabe des StUG erteilen darf. Im Sinne des § 4 LPG Berlin ist diese Vorschrift i. V. m. den einschlägigen Vorschriften des StUG eine der Auskunftserteilung insoweit entgegenstehende Geheimhaltungsvorschrift, als der Auskunftsersuchende weitergehende Auskünfte verlangt, als sie durch das StUG zugelassen (und mangels Ermessen zu erteilen) sind.

VI. Verfassungsrechtliche Beurteilung Die Sonderregelungen für die Presse und für Zwecke der Forschung müssen schließlich mit der Verfassung vereinbar sein. Dies ist anhand kompetenzrechtlicher Kriterien und hinsichtlich der Grundrechtsrelevanz zu untersuchen.

1. Gesetzgebungskompetenz § 34 StUG regelt in Verbindung mit den §§ 32 und 33 StUG die Zurverfügungstellung, die Nutzung und die Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der Presse. Zunächst liegt es daher nahe, anzunehmen, es handele sich bei der Vorschrift um eine Regelung des materiellen Presserechts. Damit wäre der Bundesgesetzgeber nach Art. 75 Nr. 2 GG lediglich befugt, Rahmenvorschriften zu den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Presse und des Films zu erlassen. Die detaillierten Vorschriften über Voraussetzungen und Verfahren der Nutzung der Stasi-Unterlagen durch die Presse und den Film wären hiervon ersichtlich nicht gedeckt. Denkbar wäre sodann, daß in diesen Regelungen eine — ausnahmsweise zulässige135 — punktuelle Vollregelung innerhalb einer Rahmenkompetenz zu sehen ist. Naheliegend ist dies indes nicht. Der zentrale Regelungsinhalt bezieht sich nicht auf die Normierung der Rechtsverhältnisse der Presse, sondern auf die Nutzung der aufbereiteten Stasi-Archive in allen ihren Ausprägungen. Der Schwerpunkt liegt daher auf der Regelung über die Nutzung von Archiven des Bundes. Um Archive des Bundes handelt es sich sowohl bei dem zentralen Archiv des Bundesbeauftragten in Berlin, als auch bei den Außenstellen in den neuen Bundesländern. Dies zwar nicht schon deshalb, 135 BVerfGE 43, 291 ff., 343; s. auch Kloepfer / Rehbinder / Schmidt- Aßmann, UGB AT, S. 11 und Vierhaus, NVwZ 1991, 341, 343.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

weil das StUG dies in § 35 anordnet. Bei den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes handelte es sich um Eigentum der DDR, deren Rechtsnachfolger die Bundesrepublik Deutschland geworden ist. Mit der staatlichen Vereinigung beider deutscher Staaten sind die Sammlungen der Unterlagen daher zu bundesunmittelbaren Archiven geworden. Deren Rechtsverhältnisse sollten auch einschließlich der Normierung bestimmter Rechte der Presse geregelt werden. Die Materie ist daher nicht originär Presserecht i. S. d. Art. 75 Nr. 2 GG. Zunächst wäre daher zu untersuchen, ob dem Bund einer der speziellen Kompetenztitel der Art. 73 ff. GG für den Erlaß der hier zur Prüfung anstehenden Normen zur Verfügung stand. Eine Durchsicht der Kataloge der Art. 73 und 74 GG bleibt indes ohne positives Ergebnis. Für die Arbeit des Bundesarchivs in Koblenz wurde in einer Gerichtsentscheidung vor Inkrafttreten des BArchG angeführt, Rechtsgrundlage für die Arbeit des Archivs sei Art. 86 GG i. V. m. einem Errichtungsbeschluß 136 der Bundesregierung. 137 Dieser unzulässige Zirkelschluß verkennt aber, daß Art. 86 S. 2 GG allein die Errichtung einer Behörde im Bereich der grundgesetzlich im einzelnen zugelassenen bundeseigenen Verwaltung regelt. 138 Dies setzt im übrigen aber eine entsprechende verfassungsrechtliche Verwaltungskompetenz gerade voraus. Die Verwaltung eines Bundesarchivs ist aber in den Art. 87 bis 90, 108, 114, und 120 a GG nicht genannt. Eine Gesetzgebungskompetenz für Archivgesetze des Bundes kann aus der Errichtung des Amtes natürlich erst recht nicht gefolgert werden. Eine ausdrückliche Verwaltungsermächtigung zur Errichtung des Archivs enthält das Grundgesetz nicht. Diese kann sich nur aus einer sonstigen Kompetenz ergeben. Für das StUG wie für das BArchG ist aber eine Gesetzgebungskompetenz im Text des Grundgesetzes nicht begründet. Damit wird für die entsprechenden Regelungen des StUG 1 3 9 der Rückgriff auf ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen140 erforderlich. Nicht in Betracht kommt dabei zunächst eine Annexkompetenz 141 des Bundes oder eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs. Nach dem Baurechtsgutachten des BVerfG 1 4 2 liegt eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nur dann vor, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie sinnvoll nicht geregelt werden kann, ohne daß eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere 136 Vom 24. März 1950, abgedruckt in: Der Archivar 1954, Sp. 29 ff. 137 So OVG Rh-Pf. 2 A 47 / 82 v. 19.2.1982, abgedruckt bei Oldenhage, Der Archivar 1983, Sp. 271 ff., 274. 138 v. Münch, GG, Art. 86 Rn. 12 ff. 139 Für das hier nicht zu untersuchende BArchG stellt sich dabei die gleiche Frage. 140 Vgl. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 100, Rn. 55 ff.; allgemein dazu Achterberg, AöR 1961, 63 ff und Bullinger, AöR 1971, 237 ff. 141 Zum Begriff Achterberg, DÖV 1966, 695 ff. 142 BVerfGE 3, 407.

V . Verfassungsrechtliche Beurteilung

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Materie mitgeregelt wird. 1 4 3 Die Kompetenz kann mithin nur greifen, wenn der Bund von einer ihm ausdrücklich zustehenden Kompetenz Gebrauch gemacht hat. 144 Eine ausdrückliche Kompetenz zum Erlaß von Regelungen über bundeseigene Archive und deren Benutzung existiert aber — wie festgestellt — nicht. Übrig bleibt daher allein eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Zugangs zu und der Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch die Presse kraft Natur der Sache. Diese Form der Bundeskompetenz ist nur in sehr beschränkten Ausnahmefällen gegeben.145 Nach der grundlegenden Definition von Anschütz liegt sie nur dann vor, wenn es sich um eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Bundesangelegenheiten handelt. 146 Sie kommt allein in Betracht, wenn sie begriffsnotwendig ist und keine andere sachgerechte Möglichkeit denkbar ist. 1 4 7 Die Sache darf denklogisch nicht durch die Länder regelbar sein. Diese Voraussetzungen wurden bisher nur in wenigen Fällen anerkannt. 148 Indes ist die Verwaltung und Nutzung von Archivgut des Bundes — einschließlich der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes — ein legitimer und notwendiger Fall dieser Bundeskompetenz kraft Natur der Sache. Sachgerecht kann die Regelung dieser Materie tatsächlich nur durch den Bund getroffen werden. Insoweit besteht eine hinreichende Gesetzgebungskompetenz für das StUG und die Errichtung der Behörde des Bundesbeauftragten.

2. Grundrechte a) Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG, Informationsfreiheit Der Zugang der Presse zu den Archiven des Staatssicherheitsdienstes könnte zunächst durch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. I S . 12. Alt. GG verbürgt sein. Geschützt ist danach die Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren. Dieses Jedermannsrecht steht als solches auch der Presse zu. 1 4 9 Es gibt der Presse aber grundsätzlich keine spezifischen Informationsrechte, die über das Informationsrecht der Allgemeinheit hinausgehen.150 143 Ebd. S. 421; vgl. auch BVerfGE 8, 143, 149; 12, 205, 238; 22, 180, 210; 26, 281, 300. 144 v. Münch, GG, Art. 70, Rn. 18. 145 Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 100, Rn. 60; v. Münch, GG, Art. 70, Rn. 21. 146 Anschütz, in: Anschütz / Thoma Bd. 1, S. 363 ff., 367. 147 BVerfGE 11, 89 ff., 99. 148 Ζ. B. Nationalfeiertag (BayVGH NJW 1982, 2656 f.); Sitz der Bundesregierung (BVerfGE 3, 407 ff., 422); Bundessymbole (Ebd.); vgl. die Beispielsfälle bei v. Münch, GG, Art. 70, Rn. 22. 149 Jarass, AfP 1979, 228 ff. 150 Ausnahmsweise kann sich eine Privilegierung der Presse hinsichtlich des Informationsanspruchs im Falle von prinzipiell allgemein, tatsächlich aber nur beschränkt zugäng-

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

Journalisten genießen insoweit aus der Informationsfreiheit keinen weiteren, aber auch keinen geringeren Schutz als Normalbürger. 151 Es wird zwischen drei Kategorien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zu differenzieren sein. Zunächst wären dabei solche Unterlagen zu beachten, die sich im Besitz des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes befinden. Soweit hier die Behörde die Verfügungsbefugnis innehat und sie die Unterlagen oder Informationen nicht zur allgemeinen Verwendung freigegeben hat, liegt im Sinne der Informationsfreiheit schon keine allgemein zugängliche Quelle vor. 1 5 2 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Quelle dann allgemein zugänglich, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. 153 Mit dieser, auf die technische Eignung abstellenden Definition will das BVerfG verhindern, daß die Informationafreiheit durch eine staatliche Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit in ihrem Schutzbereich ausgehöhlt wird. 1 5 4 Dies greift freilich nicht durch, wo der Staat selbst die Verfügbarkeit der Informationen kontrolliert, wo er selbst Autor oder Herr der Informationsquelle ist. 1 5 5 Hier kann er grundsätzlich — wie jeder andere Informant — über die generelle Verfügbarkeit bestimmen. 156 Im Ergebnis ähnlich ist die Situation für Unterlagen, die sich zwar nicht im Besitz des Bundesbauftragten befinden, diesem oder dem vormaligen Inhaber des fraglichen Archivs aber abhandengekommenen sind. Unabhängig von der Frage, inwieweit es verfassungsrechtlich zulässig ist, den jeweiligen Inhalt dieser Unterlagen dem Kommunikationsprozess zu entziehen, stellen sie jedenfalls keine allgemein zugänglichen Quellen dar.

liehen Informationsquellen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, wenn und soweit der Multiplikator Presse eine ansonsten fehlende Publikumsöffentlichkeit kompensieren kann. Vgl. BVerfGE 1,144,152; v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 1,2, Rn. 42; zur Auswahl unter verschiedenen Journalisten vgl. BVerwGE 47, 247, 253. 151 Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk, Film, in: HbStR, Bd. VI, § 142, Rn. 15 152 Gounalakis / Vollmann, DtZ 1992, 77 f., 78; Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 263; v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 5, Rn. 30; BayVGH, NJW 1985, 1663. 153 BVerfGE 27, 71, 83 f. 154 Ebd. S. 84. 155 Schmidt-Jortzig, Meinungs- und Informationsfreiheit, in: Isensee / Kirchhof, HbStR, Bd VI, § 141, Rn 33. Eine Einschlägigkeit der Informationsfreiheit für die Information aus Stasi-Akten ist dabei aber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der ursprüngliche Urheber, der Staatssicherheitsdienst, die Unterlagen nicht für die Allgemeinheit vorgesehen hatte, diese vielmehr geheim halten wollte und hielt. Bei Unterlagen, die sich unter staatlicher Verfügungsbefugnis befinden und bei denen der Staat oder ein Rechtsvorgänger Urheber war, ist vielmehr allein der Wille des gegenwärtig zuständigen Organs entscheidend. 156 Kloepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien, in: Isensee / Kirchhof, HbStR, Bd. Π, § 35, Rn. 54; a. A. für Archive Wyduckel, DVB1. 1989, 327 ff., 335.

V . Verfassungsrechtliche Beurteilung

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Etwas anderes gilt freilich für Unterlagen, die bereits — sei es vor oder nach dem Inkrafttreten des StUG — veröffentlicht wurden. Die entsprechenden Veröffentlichungen sind allgemein zugänglich. Allerdings unterfallen veröffentlichte Unterlagen als „sonstige Duplikate, die nicht bei dem Staatssicherheitsdienst hergestellt wurden", bereits nicht dem Unterlagenbegriff des StUG 1 5 7 , so daß sie nicht vom allgemeinen Verwendungsverbot des § 4 Abs. 1 S. 1 StUG erfaßt sind. 158 Ein spezifischer Anspruch auf Zurverfügungstellung der Originalunterlagen ergibt sich hieraus freilich nicht. Der Ertrag der allgemeinen Informationsfreiheit für den Zugang der Presse zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist folglich eher gering.

b) Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Pressefreiheit der Informationsbeschaffung Weiter könnte in dieser Hinsicht die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG reichen. Sie schützt nicht nur das fertige Produkt und seine Verbreitung 159 , sondern auch die vorbereitenden Handlungen wie das Beschaffen von Informationen. 1 6 0 Deutlich zeigt sich hier die entstehenssichernde Funktion des Grundrechts der Pressefreiheit. 161 Hiermit sind grundsätzlich sämtliche Formen der Nachrichtenbeschaffung geschützt162. Auch die Inaugenscheinnahme von Dokumenten gehört hierzu. 163 Wenn daher auch die Informationsaufnahme aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes grundsätzlich von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt ist, so ergibt sich für jene Unterlagen, die den Regelungen der §§ 34 i. V. m. 32 und 33 StUG unterfallen, eine besondere Problematik, da die Presse erst eine Zurverfügungstellung der Unterlagen für ihre Zwecke begehrt, mithin ein Leistungsanspruch aus dem Grundrecht erforderlich wäre. Die ursprüngliche und zentrale Funktion des Grundrechts der Pressefreiheit ist die eines Abwehrrechts gegen Eingriffe des Staates.164 Die Leistungsdimension der Pressefreiheit auf eine Information durch den Staat ist in Schrifttum und Rechtsprechung Gegenstand differenzierter Betrachtung gewesen.165 Das Β VerfG 157 Vgl. oben F. II. 2. 158 Vgl. aber die Problematik der Strafbarkeit nach § 44 StUG unten Η. I. 159 Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk, Film, in: HbStR, Bd. VI, § 142, Rn. 15. 160 BVerfGE 20, 162, 176; 36, 193, 204; 50, 234, 240; 66, 116, 133. 161 Vgl. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 89 f. 162 v. Münch, GG, Art. 5, Rn 23 a). 163 Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 136. 164 Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk, Film, in: HbStR, Bd. VI, § 142, Rn. 14.; Vgl. auch Ossenbühl, NJW 1976, 2100 ff. 165 Vgl. die Übersicht bei Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, S. 123, allgemein zur Leistungskomponente der Grundrechte Breuer, in: Festgabe BVerwG, S. 89 ff.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

hat eine auf die Pressefreiheit des Art. 5 GG gestützte Auskunftspflicht der öffentlichen Behörden andeutungsweise bejaht. 166 Seine Aussagen zur Notwendigkeit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit 167 und zur Kompensation fehlender Publikumsöffentlichkeit durch Medienöffentlichkeit 168 weisen ebenfalls in Richtung der Annahme von Informationspflichten des Staates gegenüber den Medien. Bejaht wird ein solcher verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch der Presse von einer in der Literatur an Bedeutung gewinnenden Auffassung. 169 Bereits die Entscheidung, bestimmte Bereiche der Öffentlichkeit zu entziehen, könne eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit darstellen. 170 Die Freiheit der Presse dürfe angesichts ihrer Kontrollfunktion gerade auf die Unterrichtung als allgemein zugängliche Quelle beschränkt werden. 171 Die wohl überwiegende Meinung der Literatur und das Β VerwG 1 7 2 verneinen hingegen einen unmittelbar aus der Pressefreiheit resultierenden Informationsanspruch gegen den Staat. 173 Der h. M. ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings wird man in Anbetracht der überragenden Bedeutung der Massenmedien und insbesondere der freien Presse für die öffentliche Meinungsbildung eine ermessensfehlerfreie Entscheidung von Regierung und Verwaltung über ein Informationsverlangen fordern müssen.174 Dies vermag keine generelle Auskunftsverpflichtung gegenüber der Presse zu begründen. Es erfordert aber eine Abwägung (etwa mit übergeordneten Geheimhaltungs- und Verschwiegenheits166 BVerfGE 20, 162, 176. 167 BVerfGE 44, 125, 148. 168 BVerfGE 1, 144, 152. 169 Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 320 ff., 322; Gerhardt, AfP 1974, 689 ff., 691; Groß, Presserecht, S. 169 ff., 170; Hamann I Lenz, GG, Art. 5, Rn. 24; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 223 ff.; Kuli, AfP 1985, 75 ff., 76; Kühler, Massenmedien und öffentliche Veranstaltungen, S. 34; Löffler, Presserecht, § 4 LPG, Rn. 16 ff.; ders. / Ricker, Hb. d. Presserechts, 18. Kap., Rn. 6; Staggat, Zur Rechtsgrundlage des Informationsanspruchs der Presse, S. 99; v. Münch, GG, Art. 5, Rn. 24; mit Herleitung aus der allgemeinen Äußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG auch Windsheimer, Die „Information" als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG, S. 143 ff., 156 ff. no Degenhart in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 322. πι Ebd. 172 BVerwGE 70, 310 ff., 313, offengelassen die Frage eines „Minimalstandards". 173 Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe der Presse", S. 160; Geiger, Das Grundrecht der Pressefreiheit, in: Wilke (Hrsg.), Pressefreiheit, S. 291 ff., 294, 301, ders., in: FS Arndt, S. 119 ff., 133 ff.; Friesenhahn, in: FS Kunze, S. 21 ff., 25; Herzog, in: MDHS, Art. 5 Abs. 1 u. 2., Rn. 137; Kempen, Grundgesetz, amtliche Öffentlichkeitsarbeit und politische Willensbildung, S. 223; Kemper, Pressefreiheit und Polizei, S. 33 f.; v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 51 (ebenso v. Mangoldt / Klein, GG, 2. Aufl., Art. 5, Anm. V 2 c); Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 67; Ridder, Meinungsfreiheit, in: GR II, S. 203 ff., 276; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 1 ff., 72, 78; Starck, AfP 1978, 171; Stober, DRiZ 1980, 3 ff., 9. 174 Kloepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien, in: Isensee / Kirchhof, HbStR, Bd. II, § 35, Rn. 62.

V . Verfassungsrechtliche Beurteilung

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pflichten, ζ. B. zum Schutze betroffener Persönlichkeitsrechte). 175 Dabei ist den staatlichen Stellen prinzipiell ein weites Ermessen eingeräumt. 176 Angesichts der generellen Informationsfreudigkeit der grundgesetzlichen Ordnung 177 und einer fundamentalen — und planmäßig angelegten — Bedeutung der Staatskontrolle durch Öffentlichkeit 178 mögen sich hier die Akzente verschieben. 179 Eine — objektive — Verpflichtung der jeweiligen Behörde, über Informationsersuchen ermessensfehlerfrei zu entscheiden, bejaht auch das BVerwG. Die Informationsansprüche bedürften indes einer gesetzlichen Regelung. 180 Besteht eine solche generalisierende Regelung, welche die Zurverfügungstellung von Unterlagen durch Behörden regelt und mit einem subjektiven Anspruch versieht, ist dies verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Für den Bereich des Zugangs zu staatlichen Archiven — unabhängig von dem Streit, ob ein genereller Zugang grundrechtlich verbürgt ist 1 8 1 — werden jedenfalls generalisierende Regelungen über die Zulässigkeit der Nutzung für zulässig erachtet. 182 Dabei wählt das BArchG 1 8 3 den traditionellen 184 und auch international üblichen 185 Weg über Schutzfristen. 186 175 Ebd. 176 Vgl. Ridder, Meinungsfreiheit, in: GR II, S. 276; Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, S. 125; Kloepfer, a. a. Ο. 177 Leisner, a. a. Ο. 178 Vgl. etwa die „Richtlinie des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt", Abi. 1990 L 158 / 56 v. 23.6.1990; dahinter steht die Konzeption einer Beseitigung eines Vollzugsdefizits durch effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit. 179 Vermittelnde Positionen nehmen Hoffmann-Riem, in: AK, Art. 5, Rn. 99 (Minimalstandard an Informationen verfassungsrechtlich geboten) und Jarass, AfP 1979, 228 ff., 231 ein. 180 BVerwGE 70, 310, 314 f. 181 Vgl. einerseits Wyduckel, DVB1. 1989, 327 ff., 335 (Zugang pindrechtlich geschützt) und v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 2, Rn. 80 (einfachrechtlich gewährleistet). Auch hier stellt sich die Frage eines grundrechtlichen Leistungsanspruches, vgl. Gallwas, Der Archivar 1986, Sp. 313 ff., 319. 182 OVG Rh-Pf. 2 A 47 / 82 v. 19.2.1982, abgedruckt bei Oldenhage, Der Archivar 1983, Sp. 271 ff., 274.; BayVGH VGH n. F. 38, 26 ff.; vgl. zu diesem Fragenkreis auch Wyduckel, DVB1. 1989, 327 ff., 334 ff.; ferner Granier, Der Archivar 1981, Sp. 59 ff., ders., Der Archivar 1989, Sp. 387 ff; Albrecht, CuR 1986, 92 ff. ι 8 3 Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes — Bundesarchivgesetz v. 6.1.1988 (BGBl. I, 62). Dazu Oldenhage, Der Archivar 1988, Sp. 477 ff. 184 Die Frist entspricht § 80 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO I). 185 Vgl. die Begründung zum Entwurf des BArchG zu § 5 Abs. 1, BT Drs. 10 / 3072 S. 11. 186 Nach § 5 Abs. 1 und 2 BArchG Nutzung üblicherweise nach 30 Jahren (nach dem Vorgang bzw. bei personenbezogenen Unterlagen nach dem Tode des Betreffenden). Ist das Todesjahr nicht festzustellen gilt eine Frist von 110 Jahren nach der Geburt. Sensibles Material nach § 2 Abs. 4 (Geheimhaltung, Sozial-, Steuer- und Bankakten) unterliegt einer 80jährigen Sperre.

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G. Verwendung von Unterlagen durch die Presse

Ein solcher Weg hätte — jedenfalls bei isolierter Betrachtung unter grundgesetzlichen Gesichtspunkten — wohl an sich auch der gesetzlichen Regelungen für die Stasi-Akten zur Verfügung gestanden. Soweit es für den Gesetzgeber aber auch zulässig gewesen wäre, die Nutzung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vollständig oder für eine erhebliche Zeitdauer auszuschließen, so gehen die Regelungen der §§ 32-34 StUG insoweit über die verfassungsrechtlich gebotene Publizität hinaus. Anderes würde sich im Falle der Regelungen des StUG über die Nutzung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der Forschung und der Presse auch dann nicht ergeben, wenn ein grundrechtlich verbürgter Informationsund Zugangsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 GG weitergehend bejaht würde. 187 In diesem Fall stellte sich die Frage nach den zulässigen Schranken des grundrechtlichen Leistungsanspruchs. Allgemeine Regelungen über die Archivbenutzung wären dann zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügten. 1 8 8 Die hierfür erforderliche Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange müßte das einschränkende Gesetz entweder ermöglichen oder generalisiert selbst vornehmen. Angesichts der großen Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich mit den weitgehend ungeeigneten Kategorien „Mitarbeiter", „Dritter" und „Betroffener" im Sinne des § 6 Abs. 4-7 StUG ergeben, wäre die Eröffnung eines Ermessensspielraumes für die Verwaltung möglicherweise die flexiblere Option gewesen, die in verschiedener Hinsicht stärker die Berücksichtigung grundrechtlicher Belange (auch der Presse) ermöglicht hätte. Indes hat das StUG den Weg der generalisierten Interessenabwägung beschritten, indem es dem Bundesbeauftragten kein Ermessen bei der Entscheidung über die Zurverfügungstellung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes eingeräumt, sondern diese von bestimmten objektiven Kriterien abhängig gemacht hat. Dabei ist die Entscheidung, für diese Zwecke nur Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Mitarbeiter und Begünstigte bereitzustellen 189, und sonstige Denunzianten — auch wenn sie Personen des öffentlichen Lebens sind — von einer Bereitstellung auszunehmen, rechtspolitisch überaus unbefriedigend. Ihr liegt indes wohl grundsätzlich keine Erwägung zugrunde, die unter elementarer Verkennung grundrechtlicher Gewährleistungen zur Erreichung des bezweckten Persönlichkeitsschutzes schlechthin ungeeignet ist. Unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit sind die Regelungen der §§32-34 StUG insgesamt verfassungspolitisch zu kritisieren, gegen die Verfassung verstoßen sie indes nicht generell. Es sind aber Konstellationen denkbar, in denen die Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des StUG (genereller Schutz auch von Dritten i. S. d. § 6 Abs. 7 187 So Wyduckel, DVB1. 1989, 327 ff., 336, der für Forschungszwecke die Schutzfristen des BArchG für zu reichlich bemessen, grundsätzlich aber legitim und ihrerseits verfassungsgeboten hält. iss Vgl. Oldenhage, in: Aus der Arbeit des Bundesarchivs, S. 187 ff., 195 ff., 207. 189 Vgl. oben G. II.

V . Verfassungsrechtliche Beurteilung

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StUG) in unzumutbarer Weise pressefreiheitsbeschneidend wirkt. Insbesondere in Fällen von überragendem öffentlichen Informations- und Aufklärungsinteresse dürfen Informationsgesuche der Presse nicht allein mit dem Hinweis, es handele sich um Unterlagen über einen „Dritten" i. S. d. § 6 Abs. 7 StUG, abgelehnt werden. Dies kann sich ergeben, wenn die öffentliche Diskussion durch partielle Informationen vorgeprägt ist und die Erhellung von konkreten Vorwürfen gegen Personen des öffentlichen Lebens nur mit Hilfe von Unterlagen geleistet werden kann, die sich im Gewahrsam des Bundesbeauftragten befinden. 190 Überdies bleibt zu prüfen, inwieweit die Regelungen über die Zurverfügungstellung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes an die Presse und den Rundfunk auch den Vorgaben des Einigungsvertrages entsprechen. 191 Sind die Fallkonstellationen, in denen sich unmittelbar aus der Pressefreiheit ein originärer Leistungsanspruch auf Zurverfügungstellung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ergibt, daher nur ausnahmsweise zu bejahen, so können immerhin aus dem Gleichheitssatz derivative Teilhaberechte bestehen.192 Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Information einem Presseunternehmen zur Verfügung gestellt wurde. Hier besteht zumindest ein Anspruch auf sachgerechte Auswahl. Schließlich darf nicht verkannt werden, daß die Regelungen des StUG über den Zugang zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes insbesondere in Verbindung mit den Herausgabepflichten nach § 9 StUG wie ein Informationsfilter wirken. Der (private) Besitzer der informationstragenden Akte (oder Kopie) muß diese abgeben und hat gegebenenfalls einen Anspruch, sie mit geschwärzten Stellen in Kopie zurückzuerhalten.

190 Schuppert, AfP 1992, 105 ff., hält insoweit § 32 StUG mit beachtlichen Gründen für in verfassungsrechtlich relevanter Weise realitätsfern. Die Vorschrift löse den Konflikt zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht nicht in der gebotenen konflikt- und bereichsspezifischen Weise. 191 Vgl. hierzu unten I. I. 192 Stern, Staatsrecht, Bd. ΙΠ/ 1, § 67 V 6.

H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der an einer Veröffentlichung beteiligten Personen I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG Wer Originalunterlagen, die vom StUG geschützt sind oder Duplikate von Originalunterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, macht sich nach § 44 StUG strafbar. Er kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden, es sei denn, der Betroffene oder Dritte hat eingewilligt. Strafbar ist nur die vorsätzliche Tat.

1. Allgemeines, Vorbild: § 353 d) Nr. 3 StGB Die Formulierung dieser einzigen Strafvorschrift des StUG — die Überschrift zu § 44 StUG spricht irrtümlich von Strafvorschriften — ist eng an den Wortlaut des Publikationsverbotes nach § 353 d) Nr. 3 StGB, jener Vorschrift, die mit einer im Strafrecht einmaligen Einmütigkeit als mißglückt und verfehlt bezeichnet wird, angelehnt.193 Die Attribute, die für diese Vorschrift gewählt wurden, reichen von „ein Schlag ins Wasser" 194 , über „äußerst unpraktikabel" 195 und „eine ganz unmögliche Vorschrift" 196 bis zu der Feststellung: „Mag er gestrichen werden" 197 . Letzteres — nämlich die ersatzlose Streichung der Vorschrift — forderte auch der 58. Deutsche Juristentag in der medienrechtlichen Abteilung. 198 § 353 d) Nr. 3 StGB bestimmt, daß mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor 193 Vgl. nur Bottke, JR 1980, 474; Damm, Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 169; Dreherl Tröndle, StGB, § 353 d) Rn. 6; Gerschel, Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 167; Kühler, JZ 1984, 547; Küchenhoff, Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 164; Lackner, StGB, § 353 d) Anm. 2 c); Maurach-Schröder II, 214; Schaumburg, ZRP 1982, 142 ff., ders., StV 1984, 338; Schönke/Schröder-Lenckner, § 353 d) Rn. 41; SK-Samson, § 353 d) Rn. 21; Többens, GA 1983, 97,109; Waldner, MDR 1983,424 f.; Wenzel, Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 202. 194 Dreher-Tröndle, StGB, § 353 d) Rn. 6. 195 SK-Samson, § 353 d) Rn. 16. 196 Küchenhoff, Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 164. 197 Schomburg, ZRP 1982 142 ff., 145. 198 Verh. d. 58. DJT, Bd. 2, Κ 219.

I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG

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sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Ricker 199 führt zu der Bestimmung zutreffend aus, daß sich die Weltfremdheit dieser Vorschrift schon daraus ergibt, daß ein strafbarer Tatbestand nur vorliegt, wenn die amtlichen Schriftstücke des Prozesses ganz oder in wesentlichen Teilen „ im Wortlaut' veröffentlicht wurden. Es widerspreche allen Gepflogenheiten der Gerichtsberichtserstattung, den Zeitungslesern statt einer lebendiganschaulichen Schilderung des Prozessgeschehens trockene, paragraphengespickte Aktenstücke ganz oder auszugsweise bekanntzugeben. Jeder einigermaßen erfahrene Journalist könne mühelos den Inhalt interessanter Akten mit eigenen Worten wiedergeben. Die Vorschrift des § 353 d) Nr. 3 StGB fordere zur straflosen Umgehung geradezu heraus. 200 Mit der letztlich gewählten Form der Anlehnung an § 353 d) Nr. 3 StGB weicht der Gesetzeswortlaut des StUG erheblich von der Formulierung des ursprünglichen Regierungsentwurfes ab. Dieser hatte sich noch an der Fassung des StUG-DDR orientiert, das sich seinerseits an der Strafvorschrift des Bundesdatenschutzgesetzs anlehnte 201 , den Bereich der Strafbarkeit diesem gegenüber indes erweitert und die Strafdrohung erheblich verschärft. 202 Insbesondere war im Regierungsentwurf auch für die Weitergabe von Duplikaten die Strafbarkeit vorgesehen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren konnte sich diese Konzeption indes nicht durchsetzen. 2. Schutzzweck der Norm Bei dem Vorbild der Strafbestimmung des § 44 StUG, also dem § 353 d) Nr. 3 StGB ist umstritten, worin genau sein Schutzzweck besteht. Angeführt wird einerseits der Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Laienrichter und Zeugen. 203 Andererseits wird der Schutz des Angeklagten vor Bloßstellung genannt. 204 Auch in der Rechtsprechung wird die Frage nicht einheitlich beantwortet. Manche Gerichte nehmen an, daß beide Zwecke durch die Vorschrift verfolgt werden. 205 Andere stellen allein auf den Schutz von Verfahrensbeteiligten vor Beeinflussung 206 oder umgekehrt auf den Schutz des 199 Löffler/Ricker, Hb. d. Presserechts, 16. Kap. Rn. 23. 200 Ebd. 201 Vgl. auch die Begründung zu § 36 des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 12/1093 S. 28. 202 Während § 13 StUG im Grundtatbestand eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, in der Qualifikation bis zu drei Jahren vorsah, lag die Strafdrohung des § 36 RegierungEStUG im Grundtatbestand bereits bei drei Jahren, in der Qualifikation bei fünf Jahren. 203 OLG Hamm NJW 1977, 976; OLG Köln JR 1980, 473. 204 LG Lüneburg NJW 1978, 117; Bottke, JR 1980, 474 ff., 475. 205 Etwa AG Nürnberg, MDR 1983, 424 m. Anm. Waldner. 206 OLG Hamm, NJW 1977, 967.

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

Angeklagten 207 ab. Für den Gesetzgeber spielten bei § 353 d) StGB beide Aspekte eine Rolle. 208 Für § 44 StUG kommt als Schutzzweck allein der Schutz der in den Unterlagen genannten Betroffenen oder Dritten in Betracht. Dies ergibt sich zwingend bereits aus § 44 S. 2 StUG, wonach die Strafbarkeit entfällt, wenn der Betroffene oder Dritte eingewilligt hat. Die Gewährung einer solchen Strafbefreiung wäre bei jeder anderen Regelungsintention widersinnig. Schon bei diesem Vergleich des § 44 StUG mit seinem Vorbild, fällt auf, wie problematisch die Konzeption ganz ähnlicher Vorschriften ist, wenn ihre Schutzzwecke stark differieren.

3. Motive für die Regelungsform Die Begründung zum Änderungsantrag zum Entwurf des StUG führt aus, daß durch die gewählte Fassung der Strafvorschrift die Strafbarkeit auf jene Fälle beschränkt werden sollte, bei denen es um das im besonderen Maße schutzbedürftige Persönlichkeitsrecht von Betroffenen und Dritten gehe. 209 Die im Gegensatz zu den vorhergehenden Entwürfen erhebliche Einschränkung der strafbaren Fälle der Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes wird dort auch damit erläutert, daß andere Verletzungen des Persönlichkeitsrechts nach den allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts verfolgt werden könnten. 210 Offenbar hat sich der Gesetzgeber mit der jetzigen Formulierung weitgehend von inhaltlichen Kriterien trennen wollen und hat an dieser Stelle die im wesentlichen formale Abgrenzung nach der Veröffentlichung im Wortlaut gewählt. Dies mag verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann das Motiv darin vermutet werden, daß man davon ausging, die wörtliche Wiedergabe der Stasi-Akten verleihe dem behaupteten Inhalt eine besondere, quasi „amtliche" Authentizität und Autorität. Das Zitat aus dem Schriftstück indiziere gewissermaßen die Richtigkeit des Inhalts. Aus vielen Beispielen aus der Veröffentlichungspraxis der Presse ist bekannt, daß der belegende Effekt der Wiedergabe von Briefen, Aktenausschnitten und anderen Dokumenten insbesondere von den Printmedien geschätzt wird. Wenigstens zum Teil könnte die Motivation für die konkrete Regelungsform aber auch aus der recht pragmatischen Erwägung bestehen, daß die Vorbildnorm des § 44 StUG, der § 353 d) Nr. 3 StGB vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsmäßig angesehen wurde. 211 Da die Frage der Verfassungsmäßigkeit 207 LG Lüneburg, NJW 1978, 117. 208 Vgl. BT-Drs. 7/550 S. 283, 284 und den ersten Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. 7/1261 S. 23. 209 BT-Drs. 12/1563 S. 3. 210 Ebd. 211 Vgl. BVerfG JZ 1986, 491 ff.

I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG

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eines strafbewehrten Veröffentlichungsverbotes für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durchaus eine erhebliche Rolle in der Diskussion der Gesetzentwürfe zum StUG gespielt hat, erscheint es nachvollziehbar, daß der Rückgriff auf eine verfassungsgerichtlich „abgesegnete" Vorschrift dem Gesetzgeber die Sicherheit zu bieten schien, die er bei der Suche nach einer geeigneten Strafbestimmung gesucht hat. Ob dieses Gefühl der Sicherheit indes begründet, oder angesichts erheblicher Unterschiede des zu regelnden Sachverhaltes trügerisch war, soll eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 44 StUG erweisen. 212

4. Zur Auslegung des § 44 StUG Im folgenden sollen die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 44 StUG näher untersucht werden. a) Vom StUG geschützte Originalunterlagen und deren Duplikate Nach § 44 StUG ist es strafbar, die vom StUG geschützten Originalunterlagen oder deren Duplikate öffentlich mitzuteilen. Die Formulierung ist in zweierlei Hinsicht unklar. Der Terminus „Originalunterlagen" wird ansonsten im gesamten StUG nicht verwandt. Er findet sich insbesondere nicht in den Legaldefinitionen des § 6 StUG. Er ist im übrigen aber auch überflüssig, denn der (legaldefinierte) Begriff „Unterlagen" (des Staatssicherheitsdienstes) hätte die Bedeutung ebenso wiedergegeben. Andererseits bleibt diese Nachlässigkeit — es wäre geboten gewesen, die einmal gewählten Begriffe bei synonymer Verwendung beizubehalten — ohne Folgen. Sie resultiert—wie andere redaktionelle Schwächen des Gesetzes213 — aus den vielfachen, oft in letzter Minute vorgenommenen Änderungen. Zweitens soll die öffentliche Mitteilung von diesem Gesetz geschützter Originalunterlagen und Kopien von Originalunterlagen erfaßt sein. Das StUG schützt aber gerade nicht die Unterlagen, sondern regelt die Verwendung der Unterlagen und schützt dabei allenfalls die Rechte Betroffener vor einer falschen Verwendung der Unterlagen. Handelt es sich bei dieser Formulierung um eine Freud'sehe Fehlleistung des Gesetzgebers? Ist hier ein insgeheimer Wunsch, die Aufdeckung von Unterlagen ihrer selbst wegen zu verhindern, durchgebrochen? Jedenfalls kann bei verständiger Auslegung der Satz nur heißen: „Wer Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ( . . . ) " . 212 Vgl. unten Η. V. 213 Eine bemerkenswerte Aufstellung bietet der Beitrag von Stoltenberg, DtZ 1992, 65 ff. 6 Kloepfer

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

Obwohl § 44 StUG im Gegensatz zu allen Entwürfen 214 die Strafbarkeit der Veröffentlichung von Daten, die offenkundig sind, nicht ausschließt, ist hier nur eine einschränkende Auslegung haltbar. Sind Akten des Staatssicherheitsdienstes, die personenbezogene Daten von Betroffenen oder Dritten enthalten, bereits früher ganz oder in wesentlichen Teilen veröffentlicht worden, so kann eine erneute Veröffentlichung auch ohne Einwilligung des Betreffenden nicht strafbar sein. Es entfällt — ebenso wie bei der Anzeige- und Ablieferungspflicht gem. §§ 7 Abs. 3,9 Abs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 StUG — der Schutzzweck der Vorschrift durch eine einschlägige Vorveröffentlichung. Völlig unklar bleibt der Zweck der Einbeziehung der wörtlichen Veröffentlichung von Duplikaten von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte in den § 44 StUG. Das Duplikat zeichnet sich gerade dadurch aus, daß es — jedenfalls hinsichtlich seines Wortlautes — mit dem Original völlig identisch ist. Wer also das Duplikat im Wortlaut öffentlich mitteilt, veröffentlicht zugleich die Originalunterlage. Einen eigenen Sinn hat die Einbeziehung in den Wortlaut daher nicht. Hinter der Formulierung stand vermutlich der Gedanke, sowohl den Abdruck von Originalen und Duplikaten, als auch das wörtliche Zitat aus Unterlagen zu unterbinden. Mit dem Terminus „öffentliche Mitteilung" im Wortlaut sind aber bereits beide Fälle erfaßt. Die wohl größte rechtspolitische Schwäche des Tatbestandes des § 44 StUG ist aber, daß die Veröffentlichung von personenbezogenen Unterlagen über Betroffene und Dritte ohne deren Einwilligung generell strafbar sein soll. Im Sinne der Begriffsbestimmungen des § 6 Abs. 3 und 7 StUG sind Denunzianten, die sich nicht zur Lieferung von Informationen bereiterklärt haben oder sonstige Lieferanten von Informationen nur Dritte. Auch sie profitieren von der Regelung des § 44 StUG, auch ihre Einwilligung müßte nach dem Wortlaut der Strafvorschrift des StUG eingeholt werden. Nicht in den Bereich der Strafbarkeit fallen solche Unterlagen, die Betroffenen herausgegeben wurden. Geben diese die Akten an die Presse weiter, um sie zu veröffentlichen, ist dies frei möglich. 215 b) Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger als Betroffene oder Dritte § 44 StUG unterscheidet nicht danach, ob es sich bei dem Betroffenen oder Dritten, dessen personenbezogene Informationen sich in den Unterlagen befinden, um eine Person der Zeitgeschichte, einen Inhaber einer politschen Funktion oder 12/1093, S. 17 (§ 36 des R e g i e r u n g s e n t w u r f e s ) . 215 So auch Bork, ZIP 1992, 90 ff., 100; anders aber unzutreffend Stoltenberg, DLZ 1992, 65 ff., 71 f., der § 34 i. V. m. § 32 StUG für eine abschließende Vorschrift für die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch die Presse hält. 214 V g l . e t w a B T - D r s .

I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG

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einen Amtsträger handelt oder nicht. Sobald also der Staatssicherheitsdienst gezielt oder beiläufig über eine Person Informationen gesammelt hat, die nicht Mitarbeiter oder Begünstigter war, handelt es sich i. S. d. § 6 Abs. 3 und 7 StUG um Unterlagen, die personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, deren Veröffentlichung mithin strafbar ist. Eine Abwägung mit Informationsinteressen der Öffentlichkeit oder der gebotenen politischen Aufarbeitung kann und darf gar nicht erst stattfinden. Gerade bei dem o. g. Personenkreis ist dieses Ergebnis vollends unhaltbar: die wörtliche Veröffentlichung eines Zitats aus einer Akte, die belegt, daß eine Person, die ein politisches Amt wahrnimmt, andere Personen denunziert hat, soll mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden. Insoweit besteht die Gefahr, daß der Opferschutz zum Vertuschungsinstrumentarium pervertiert wird. Die verfassungsrechtliche Prüfung wird erweisen, daß eine derartig sachfremde und unreflektierte Einschränkung der Pressefreiheit nicht zulässig ist. Ähnlich ist die Situation bei Personen, die entweder erst Betroffene oder Dritte waren und später für den Staatssicherheitsdienst tätig geworden sind oder umgekehrt für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet haben, ausgeschieden sind (archiviert wurden 216 ) und hernach ins Blickfeld der Beobachtung geraten sind. Beantwortet wird diese Frage durch das StUG nur für den sogenannten „IM-Vorlauf 4 in § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StUG. Danach ist nicht Betroffener, wer vom Staatssicherheitsdienst beobachtet wurde, um eine Tätigkeit als Mitarbeiter anzubahnen, soweit die Mitarbeit später zustandekam. Wie solche „Auch-Täter" und „Auch-Opfer" zu behandeln sind, wann die Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Unterlagen strafbar sein darf, kann ebenso wie die Behandlung der Personen von öffentlichem Interesse (Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Ämter, etc.) nur ein Rückgriff auf das verfassungsrechtlich Gebotene bieten. 217 c) Veröffentlichung

ganz oder in wesentlichen Teilen

§ 44 StUG verbietet nur die wörtliche Wiedergabe von Unterlagen ganz oder in wesentlichen Teilen. Ebenso wie bei § 353 d) Nr. 3 StGB sind kleinere Zitate oder einzelne Sätze keine wesentlichen Teile, 218 selbst wenn sie optisch identisch (etwa durch Abdruck einer im übrigen abgedeckten Kopie einer Unterlage) mit der Originalunterlage ist. Bei der Vorbildvorschrift des § 353 d) StGB hat die Auslegung des Begriffes „ganz oder in wesentlichen Teilen" zu einer reichhaltigen Kasuistik geführt. 219 Diese ist auf §44 StUG schon deshalb nicht ohne 216 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 60. 217 Vgl. dazu unten H. V. 218 Vgl. auch Löffler / Ricker, Hb. d. Presserechts, Kap. 16 Rn. 23. 219 Nachweise bei Schönke / Schiöder-Lenckner, § 353 d), Rn. 48 und Träger, Leipziger Kommentar zum StGB, § 353 d), Rn. 59. 6*

in:

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

weiteres übertragbar, weil es sich um völlig unterschiedliche Arten von Unterlagen und zudem unterschiedliche Schutzzwecke handelt. Eine Veröffentlichung von wesentlichen Teilen aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes liegt dann vor, wenn Teile aus den Akten, die konkrete Umstände über den Betroffenen oder Dritten darstellen, soweit wiedergegeben werden, daß sie eine öffentliche Diskussion über Lebensumstände eines Betroffenen verursachen können. Eine Wiedergabe wird dann anzunehmen sein, wenn die zitierte Passage aus sich heraus aussagefähig und ohne erklärenden Kontext sinntragend ist. Die für § 353 d) StGB vertretene Auffassung, daß lediglich dann keine „wesentlichen Teile" wiedergegeben werden, wenn nur Formalien und belanglose Fragen dargestellt werden 220 , ist ersichtlich zu eng. Die Auslegung muß sich vielmehr am Schutzzweck orientieren. 221 Nur wenn die geschützten Belange der Betroffenen durch das Zitat berührt werden können, liegt in diesem Sinne die Wiedergabe eines wesentlichen Teiles i. S. d. § 44 StUG vor. d) Veröffentlichung

im Wortlaut

Strafbar ist nach § 44 StUG nur die Veröffentlichung im Wortlaut. Ausreichend ist dagegen nicht die bloß sinngemäße Wiedergabe von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. 222 Die Vorschrift soll lediglich die authentischen Texte aus der öffentlichen Diskussion heraushalten. Für die Vorbildvorschrift des § 353 d) StGB ist umstritten, ob die Veröffentlichung im Wortlaut die volle Übereinstimmung mit der Vorlage ohne Änderungen, Hinzufügungen oder Auslassungen voraussetzt. 2 2 3 Nach richtiger Auffassung reicht aber bereits die Änderung eines einzigen Wortes aus, um den Bereich der strafbaren Veröffentlichung nach § 353 d) StGB zu verlassen. Das Tatbestandsmerkmal muß auch in diesem Fall entfallen, da ansonsten eine Grenzziehung zur lediglich sinngemäßen Wiedergabe unmöglich wird. 2 2 4 Gleiches muß auch für § 44 StUG gelten. Geboten ist diese Auslegung aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Nach dem natürlichen Sprachgebrauch ist „im Wortlaut" nur eine identische Wiedergabe. Jede andere Auslegung, möge sie auch der nachvollziehbaren Erwägung entspringen, sachlich nahezu identische Fälle zu erfassen, verließe den Rahmen der vom Wortlaut gedeckten Interpretation und beträte den Raum der im Strafrecht durch Art. 103 Abs. 1 GG untersagten strafbegründenden Analogie. 225 220 Träger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 353 d), Rn. 59. 221 Für § 353 d) StGB unter Bezugnahme auf den Schutzzweck kritisch auch Schönke / Schröder-Lenckner, Rn. 47. 222 Vgl. für § 353 d) StGB auch Schönke / Schiöd&r-Lenckner, Rn. 49. 223 Vgl. die Nachweise bei Träger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 353 d), Rn. 59. 224 Schönke / Schröder-Lenckner, Rn. 49. 225 So auch Gounalakis / Vollmann, AfP 1992, 36 ff., 38.

I. Rechtslage nach dem StUG, Strafbarkeit nach § 44 StUG

e) Strafbefreiung

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nach §44 S. 2 StUG

Die Strafbarkeit nach § 44 StUG entfällt, wenn der Betroffene oder Dritte, der in den veröffentlichten Unterlagen vorkommt, in die Veröffentlichung eingewilligt hat. Eine Einwilligung setzt grundsätzlich voraus, daß die Zustimmung vor der fraglichen Handlung erteilt wird. Die Strafbarkeit entfällt danach nach § 44 S. 2 StUG nur dann, wenn vor der Veröffentlichung die Zustimmung des Dritten oder Betroffenen vorliegt. Insoweit erfüllt die Vorschrift in erster Linie eine klarstellende Funktion. Sie verdeutlicht, daß der Schutzzweck des § 44 StUG allein im Schutz der Rechte Betroffener und Dritter besteht. 226 Mit dieser Funktion hat sich § 44 S. 2 StUG aber auch schon selbst überflüssig gemacht, da bei Straftatbeständen, die allein dem persönlichen Geheimsphären- oder Ehrenschutz dienen, die Einwilligung stets als Rechtfertigungsgrund anzusehen ist. In dieser Form schießt die Vorschrift in mehrerer Hinsicht über ihren Normzweck hinaus. Der erste — und eklatante — rechtstechnische Fehler liegt in der Ausgestaltung der Strafbefreiung als Rechtfertigungsgrund. Wäre eine Ausgestaltung gewählt worden, in der die fehlende Zustimmung eine objektive Bedingung der Strafbarkeit wäre, so könnte auch eine nachträgliche Genehmigung des Betroffenen die Strafbarkeit entfallen lassen. Vorschriften des StGB, die sich in ihrer Zielsetzung jeweils zumindest partiell mit dem Schutzzweck des § 44 StUG decken, gehen folglich einen anderen Weg. Sowohl die Delikte des 14. Abschnitts des StGB (Beleidigung) mit dem Schutzzweck der persönlichen Ehre, als auch die Delikte gegen den persönlichen Lebens- und Geheimbereich (15. Abschnitt) sind als Antragsdelikte ausgestaltet. Darin kommt zum Ausdruck, daß es bei Delikten, die allein den Schutz der höchstpersönlichen Rechtsgüter Ehre und Geheimsphäre bezwecken, grundsätzlich allein beim Betroffenen liegen soll, ob die Tat verfolgt wird. Der Umstand, daß das StUG diese Konsequenz der Schutzrichtung auf die Strafbarkeit nicht zieht, ist nicht nur rechtspolitisch unbefriedigend. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wird dieser Umstand Beachtung finden müssen.227

5. Verjährung Die allgemeinen Verjährungsfristen sind in den §§ 78-79 b) StGB geregelt. Für Vergehen beträgt die Verjährung danach zwischen 3 und 5 Jahren. Für Presseverstöße gilt aber die privilegierende kurze Verjährung des § 23 der Landespressegesetze. 2 2 8 Für Vergehen wie § 44 StUG beträgt die Verjährungsfrist danach 6 Monate. Die Verjährung beginnt nach der presserechtlichen Theorie mit der Veröffentlichung oder Verbreitung des Druckwerkes. 229 226 Vgl. oben H. I. 2. 227 Vgl. dazu unten H. V. 228 Löjfler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 332; vgl. für Bayern § 15 und für Hessen § 12 PresseG.

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

I I . Strafrechtliche Verantwortlichkeit außerhalb des StUG bei Veröffentlichungen aus Stasi-Akten Wie bereits ausgeführt wurde, beschränkte sich der Gesetzgeber bei der Strafvorschrift des § 44 StUG deshalb auf die wortgetreue Veröffentlichung der Unterlagen über Betroffene und Dritte, weil er davon ausging, die übrigen relevanten Fälle seien durch das allgemeine Strafrecht und die Möglichkeit zivilrechtlicher Verfolgung hinreichend erfaßt. 230 Im folgenden soll der allgemeine strafrechtliche Rahmen für die Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes skizziert werden. 1. Strafrechtlicher Ehrenschutz a) Beleidigung, § 185 StGB Die §§185 ff. StGB regeln den allgemeinen strafrechtlichen Ehrenschutz. Die grundlegende Norm des Abschnitts ist dabei § 185 StGB. Beleidigung wird als Angriff auf die Ehre durch die Kundgabe eigener Mißachtung oder Nichtachtung begangen.231 Dabei umfaßt § 185 StGB drei Begehungsformen 232: die Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber dem Betroffenen („Du mieser StasiSpitzel") und gegenüber einem Dritten („Der ist ein mieser Stasi-Spitzel") sowie die Behauptung einer ehrenrührigen Tatsache gegenüber dem Betroffenen („Du warst doch IM"). b) Ehrenrührige

Tatsachenbehauptungen, §§ 186, 187 StGB

Die Behauptung ehrenrühriger Tatsachen gegenüber Dritten ist jedoch als lex specialis nur nach den §§ 186, 187 StGB strafbar. 233 Hier findet sich bei der Berichterstattung über Vorgänge im Zusammenhang mit dem Staatssicherheitsdienst durch die Presse der Schwerpunkt der strafrechtlichen Grenzen. Von geringerer praktischer Bedeutung wird hingegen die Vorschrift des § 187 StGB (Verleumdung) sein. Danach wird bestraft, wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre ehrenrührige Tatsache behauptet oder verbreitet. Als qualifizierte Tat wird die Verbreitung von Schriften bestraft. Da der Täter positive Kenntnis von der Unwahrheit der behaupteten Tatsache haben 229 OLG Celle NJW 1968, 715 f.; BGHSt 25, 347; BGH NJW 1977, 305 f.; Groß, Presserecht, S. 232 f. 230 BT Drs. 12/1563, S. 3. 231 Ganz h. M., vgl. etwa Lackner, StGB, § 185, Rn. 3; Wenzel, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, Rn. 3.132; RGSt71,160; Schönke / ScbiödeT-Lenckner, § 185, Rn. 1. 232 Nach Lackner, StGB, § 185, Rn. 2. 233 Schönke / Schröder-Le nckner, § 186, Rn. 21.

. Strafrechtliche Verantwortlichkeit

erl

es

muß, 234 ist die Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Daß die Presse wider besseres Wissen kompromittierende Tatsachenbehauptungen in Bezug auf die Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst aufstellt, ist nicht zu unterstellen. Die zentrale Strafvorschrift im Umgang mit Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist mithin § 186 StGB (Üble Nachrede). Danach wird bestraft, wer in Bezug auf einen anderen ehrenrührige Tatsachen behauptet oder verbreitet, die nicht erweislich wahr sind. Die Bezichtigung, hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter, Informant oder Begünstigter des Staatssicherheitsdienstes gewesen zu sein, ist ohne weiteres eine Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, das Ansehen oder die Wertschätzung einer Person zu beschädigen.235 Besondere Probleme werden sich bei dem Wahrheitsbeweis der behaupteten Tatsache stellen. Grundsätzlich existieren nur zwei Möglichkeiten, eine derartige Information zu verifizieren. Meistens wird dies zunächst der Inhalt der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sein. In aller Regel sind diese Unterlagen wohl vergleichsweise zuverlässig, wenn man die ideologisch gefärbte Terminologie in Ansatz bringt und entsprechend berücksichtigt. 236 Zumindest nach der Auffassung des Bundesbeauftragten ist es zwar richtig, daß die Beweiskraft der StasiAkten immer relativ bleiben wird. Man müsse davon ausgehen, daß die in den Akten vorgenommenen Bewertungen und Einschätzungen über einen Bürger eingefärbt waren. Trotz der „Schönfärberei" sei das Aktenmaterial jedoch keineswegs so grob verfälscht oder entstellt, daß es überhaupt keine Aussagekraft habe. 237 Insbesondere hält er es für unrealistisch, daß ganze Aktenvorgänge gefälscht wurden. 238 Die Stasi-Unterlagen selbst sind mithin die wichtigste Möglichkeit, den Wahrheitsbeweis zur Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 186 StGB zu führen. Daneben besteht freilich noch die Möglichkeit, den zuständigen Vorgesetzten oder Führungsoffizier zu befragen. Obschon hier nicht generell die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen sein muß, wird wohl allein die Aussage eines ehemaligen Mitarbeiters des Staatssicherheitsdienstes vor Gericht als Wahrheitsbeweis nur Ausnahmsweise ausreichen. Hier offenbart sich für die Presse ein Dilemma. Wenn sie unter Vermeidung des wörtlichen Zitats Informationen aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die ihr bekannt sind, verarbeitet und somit in nicht strafbarer Weise verwendet, so wird sie die Unterlagen — oder wenigstens Kopien davon — unter Umständen zur Führung des Wahrheitsbeweises in ihrem Besitz behalten müssen. Dies ist ihr aber nach einem Herausgabeverlangen des Bundesbeauftragten unmöglich. Wenigstens wird der Bundesbeauftragte in derartigen Fällen verpflichtet sein, die Unterlagen 234 Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 3.163. 235 Bork, ZIP 1992, 90 ff. 102; OLG Hamburg ZIP 1992, 117. 236 Gauck, Die Stasi-Akten, S. 38, 55 ff., 94 f. 237 a . a. O., S. 94. 238 a. a. O., S. 95.

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

für den Strafprozeß für die Zwecke des Wahrheitsbeweises zur Verfügung zu stellen. Auch die Abwägung mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen kann hieran nichts ändern, da die Information bereits veröffentlicht ist, und das Interesse des Veröffentlichenden, nicht für eine wahre Tatsachenbehauptung verurteilt zu werden, in den Vordergrund tritt. c) Wahrnehmung berechtigter Interessen Eine wesentliche Änderung erfährt dieses Ergebnis, wenn die Presse in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat, als sie die Tatsachenbehauptungen über eine etwaige Stasi-Verstrickung veröffentlicht hat. Erforderlich wird die Prüfung, ob die Presse dabei in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat freilich erst dann, wenn die Wahrheit der fraglichen Tatsachenbehauptung nicht bewiesen werden kann. § 193 StGB normiert einen Rechtfertigungsgrund. 239 Diese für die Presse wichtigste Vorschrift des Beleidigungsrechts 240 liegt speziell bei Presseveröffentlichungen dann vor, wenn das Informationsinteresse an einem bestimmten Sachverhalt von einigem Gewicht ist und im speziellen Fall das Ehrenschutzinteresse des Betroffenen überwiegt. 241 Die Vorschrift stellt eine wichtige Ausprägung oder Auswirkung des Grundrechts der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 GG dar. 242 Ohne daß die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen hier im einzelnen dargestellt werden könnten, 243 ist festzustellen, daß grundsätzlich bei Personen der Zeitgeschichte, bei Inhabern politischer Funktionen oder öffentlicher Ämter sowie bei Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes das Informationsinteresse im Hinblick auf ihre Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst Vorrang vor dem Schutz der persönlichen Ehre hat, soweit bei der Erstellung der Information die Grundsätze der jounalistischen Sorgfalt beachtet wurden. 244 Enscheidend ist dabei — auch nach den vom StUG zulässigerweise zu treffenden Wertungen —, ob die jeweilige Information gerade in der Verdeutlichung des Verhältnisses des Betroffenen zum Staatssicherheitsdienst liegt. Informationen, die hierüber hinausgehen, sind nur beim Hinzutreten weiterer Umstände vom Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt. Dies gilt etwa dann, wenn der Staatssicherheitsdienst über ansonsten unbescholtene Personen Repressionsmaterial über eine Affäre sammeln wollte. 245 239 So die Rechtsprechung: BGHSt 12,293; 18, 184 und die h. M., vgl. etwa DreherTröndle, StGB, § 193, Rn. 1 mit Nachw. zum Meinungsstand. 240 Löffler /Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 361. 241 Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 5.71 ff. 242 BGH NJW 1965, 1476. 243 Vgl. eingehend Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 362 ff.; LK-Herdegen, § 193, Rn. 5 ff. 244 Siehe auch Bork, ZIP 1992, 90 ff., 102. 245 Zu der Veröffentlichungsbefugnis von sexuellen Umständen aus dem Leben eines Prominenten vgl. OLG Hamburg, AfP 1991, 533 f.

. Strafrechtliche Verantwortlichkeit

erl

es

Im Allgemeinen wird es nicht zulässig sein, Opfer des Staatssicherheitsdienstes mit (auch strafbaren!) Umständen aus ihrem Privatleben durch eine Veröffentlichung ins Licht der Öffentlichkeit zu ziehen. Hier wirkt sich aber keine Besonderheit der Verwendung der Akten des Staatssicherheitsdienstes aus. Es ist insoweit vielmehr gleichgültig, woher die Presse ihre Informationen bezogen hat. Personen der Zeitgeschichte sind in diesem Zusammenhang auch sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte,246 d.h. solche Personen, die gerade erst durch die zu veröffentlichende Tat oder Tätigkeit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt sind. Dies können sowohl Opfer als auch Täter sein. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen kann aber nur dann eingreifen, wenn die Presse ihrer Sorgfaltspflicht genügt hat. 247 Diese resultiert als Prüfungs- und Informationspflicht aus dem Grundsatz der Angemessenheit des Mittels. 248 Die Anforderungen an die auch in den §§3 und 6 der Landespressegesetze und in Nr. 2 S. 1 der,»Publizistischen Grundsätze" (Pressekodex) 249 normierten Überprüfungspflichten können dabei nicht generell-abstrakt formuliert werden. Vielmehr kommt es auf die gebotene Vorsicht und die Schwere der erhobenen Vorwürfe im Einzelfall an. 250 Speziell für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist in der Literatur verlangt worden, daß angesichts des Umstandes, daß die Äußerung, eine namentlich genannte Person sei Spitzel des Staatssicherheitsdienstes gewesen, für diese gravierende Konsequenzen habe, grundsätzlich ein strenger Maßstab bei der Überprüfung anzulegen sei. 251 Dieser gebiete es, die Quellen besonders kritisch auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen. Die Behauptung, jemand sei Spitzel des Staatssicherheitsdienstes gewesen, sei so weit wie möglich durch eigene Recherchen abzusichern, wobei auch entlastenden Momenten nachzugehen sei. 252 Überaus fraglich ist aber, wie dies etwa nach Kenntnis der Aktenlage aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes noch möglich sein soll. Bork schlägt vor, grundsätzlich eine Rückfragepflicht beim Betroffenen zu bejahen. 253 Er selbst räumt aber ein, daß gerade in den Stasi-Fällen ohnehin mit einem Dementi zu rechnen sei. Dies trifft sicher zu. Wird die Verstrickung dementiert, ändert sich grundsätzlich für die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung nichts, es sei denn, der Betroffene könnte selbst nachweisen, daß die Behauptung unzutreffend ist. Gibt der Betroffene seine Tätigkeit zu, so steht ebenfalls der Veröffentlichung nichts im Wege. Der Sinngehalt einer Pflicht zur Rückfrage beim Betroffenen ist somit fraglich. 246 Zum Begriff Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff. 247 BGH AfP 1989, 669 ff., 671. 248 BGH NJW 1985, 2647; Schönke / Schiöder-Lenckner, § 193, Rn. 11. 249 in der Fassung vom 14. Februar 1990. 250 Bork, ZIP 1992, 90 ff., 102 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 251 Bork, a. a. Ο. 252 Bork, a. a. Ο., unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf NJW 1980, 599. 253 Ebd.

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Ihr stehen — j e nach Sachverhalt — aber auch Gefahren gegenüber. Der Betroffene kann etwa vor der Veröffentlichung mit einer beschönigenden Version selbst an die Öffentlichkeit treten oder im schlimmsten Fall Beweise oder Zeugen zu seiner Verteidigung manipulieren. Eine generelle Feststellung, was zur Überprüfung einer Information, insbesondere aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, erforderlich ist, um der Sorgfaltspflicht zu genügen, kann nur schwer getroffen werden. Freilich darf die Information nur mit dem Grad von Sicherheit veröffentlicht werden, der bei der Presse tatsächlich vorhanden ist. Vermutungen dürfen nicht als feststehend dargestellt werden. Wenn die Presse noch Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Information hat, so muß sie auch diese mitteilen. 254

2. Sonstige Veröffentlichungsdelikte Schließlich kann sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit desjenigen, der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes veröffentlicht oder die darin enthaltenen Informationen verwendet, auch aus dem Strafrechtsschutz der Selbstbestimmung ergeben. Dieser ist in den verschiedensten Vorschriften normiert. Zunächst ist hier § 33 K U G 2 5 5 zu nennen, der die nach § 22 KUG unberechtigte Veröffentlichung von Bildern unter Strafe stellt. Die wichtigste Ausnahme, auch für den Bereich etwa von Photographien, die in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes enthalten sind, ist dabei § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, nach dem auch ohne Einwilligung des Abgebildeten die Veröffentlichung zulässig ist, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. 256 Dies ist bei absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte, bei Inhabern politischer oder öffentlicher Ämter jedenfalls dann der Fall, wenn eine Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst vorlag. Nicht ohne weiteres dürfen aber etwa Bilder veröffentlicht werden, die ζ. B. zum Zwecke der erkennungsdienstlichen Behandlung von Opfern angefertigt wurden. Schwierig ist die Lage, wenn bei einer verdeckten Observierung einer Person der Zeitgeschichte Bildmaterial gewonnen wurde. Die Abgrenzung kann auch hier nur sein: gibt das Bild gerade den Kontakt zum Staatssicherheitsdienst wieder (etwa ein Treffen mit dem Führungsoffizier), so ist die Veröffentlichung grundsätzlich zulässig. Wurde das Bildmaterial aber zum Zwecke der Kompromittierung angefertigt und hat sonst keinen inhaltlichen Bezug zur Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, so muß die Veröffentlichung unterbleiben, wenn nicht überragende Informationsinteressen der Allgemeinheit etwas anderes verlangen. 254 Vgl. auch Bork, a. a. O., S. 103. 255 Gesetz betreffend die Urheberrechte an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl. S. 7). 256 Instruktiv v. Olenhusen, Film und Recht (ZUM) 1983, 189 ff.; Helle, AfP 1986, 25 ff, 28 f.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

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Von praktisch eher geringerer Bedeutung für die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist die nach § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbare unberechtigte Veröffentlichung von Tonaufnahmen. In Betracht kommt es allenfalls für den unwahrscheinlichen Fall des Abspielens heimlich durch den Staatssicherheitsdienst gemachter Tonaufnahmen durch Rundfunk oder Fernsehen. Fälle der Strafbarkeit nach § 202 a) StGB, 41 BDSG EDV können wohl allenfalls bei der Beschaffung von Daten aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, nicht aber bei deren weiteren Veröffentlichung durch die Presse auftreten.

I I I . Straffreiheit nach § 46 StUG Nach § 46 StUG wird — wie festgestellt 257 — nicht bestraft, wer Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch strafbare Vergehen erlangt hat, wenn er der Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten des StUG nachkommt. Diese Frist ist am 29. März 1992 abgelaufen, weshalb eine spätere Anzeige keine strafbefreiende Wirkung mehr hat. Für Beschaffungsstraftaten nach dem Inkrafttreten des StUG gilt § 46 StUG nicht. Ob und inwieweit vom § 46 StUG in nennenswertem Umfang Gebrauch gemacht wurde, ist der Öffentlichkeit bisher nichts bekannt geworden.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung In besonderer Deutlichkeit zieht die Strafvorschrift des § 44 StUG den Verdacht der Verfassungswidrigkeit auf sich. Die Kriminalisierung einer Veröffentlichung ist stets vor dem Hintergrund der demokratischen Kontrollfunktion einer freien Presse mit besonderem verfassungsrechtlichen Mißtrauen zu behandeln. Maßstab ist dabei zunächst die Frage, ob der Bundesgesetzgeber überhaupt die Kompetenz zu einer derartigen Regelung hatte. Von zentraler Bedeutung ist sodann aber die Meinungs- und Pressefreiheifdes Art. 5 Abs. 1 GG.

1. Gesetzgebungskompetenz Zunächst könnte die Vorschrift des § 44 StUG nur dann verfassungsmäßig sein, wenn der Bundesgesetzgeber hierzu die erforderliche Gesetzgebungskompetenz hatte. Problematisch ist dies — wie bei der Vorbildnorm § 353 d) Nr. 3 StGB — deshalb, weil Adressat des Verbots in erster Linie die Presse ist. Eine dem § 353 d) Nr. 3 StGB vergleichbare Vorschrift enthielt mit seinem § 17 bereits das Reichspressegesetz vom 7. Mai 1874. Danach durften bestimmte Schriftstükke durch die Presse vor ihrer Kundgabe nicht veröffentlicht werden. Entsprechen257 Vgl. oben F. II. 7. a) (2).

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de Regelungen enthielten die meisten Landespressegesetze.258 Bei der Übernahme in das StGB wurde die Beschränkung auf die Presse aufgegeben. Nach der Begründung der Bundesregierung sollte die Vorschrift hierdurch ihren Charakter als Sondergesetz für die Presse verlieren. 259 Somit konnte die Vorschrift als allgemeines Strafrecht nach Art. 74 Nr. 1 GG kompetenzgemäß durch den Bund geregelt werden. Ob durch diesen „Kunstgriff 4 tatsächlich die Qualität als Sonderrecht für die Presse beseitigt werden konnte, erscheint dennoch nicht ganz unproblematisch. Soweit ersichtlich, wurden nach § 353 d) Nr. 3 StGB bisher nur Straftaten verurteilt, die im Zusammenhang mit Medienveröffentlichungen standen. Die Zielrichtung von § 44 StUG steht ebenso fest. Mit dieser Vorschrift soll gezielt die Presse und der Rundfunk an der Veröffentlichung von bestimmten Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gehindert werden. Würde man aber die größere sachliche Nähe zum Recht der Presse bejahen, so könnte der Bundesgesetzgeber nach Art. 75 Nr. 2 GG bezüglich der Presse nur die allgemeinen Rechtsverhältnisse regeln. Eine Regelung wie § 44 StUG wäre danach nicht zulässig. Soweit es den Rundfunk betrifft, wäre der Bund — bis auf die Zuständigkeit im Bundesrundfunk — generell an einer Normierung gehindert. Das BVerfG hat bei seiner Prüfung des § 353 d) Nr. 3 StGB 2 6 0 die Frage der Bundesgesetzgebungskompetenz nicht problematisiert, mit der Bejahung der Verfassungsmäßigkeit der Norm aber inzident als gegeben angesehen. Wegen des im einschlägigen Teil identischen Wortlautes muß daher trotz verbleibender Zweifel davon ausgegangen werden, daß das BVerfG im Falle einer Prüfung des § 44 StUG von einer Kompetenz des Bundesgesetzgebers ausgehen wird. Sollte man die Zweifel aber für durchschlagend erachten, so führte dies zur Verfassungswidrigkeit des § 44 StUG.

2. Art. 5 GG a) Schutzbereich des Art. 5 GG § 44 StUG verbietet die wörtliche Wiedergabe von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, d. h. das Zitat oder den Abdruck ganz oder in wesentlichen Teilen. 2 6 1 Wenn es aber der Presse untersagt wird, den Inhalt eines Aktenstückes der Öffentlichkeit (auch wörtlich) zur Kenntnis zu bringen, so unterliegt es keinem Zweifel und bedarf keiner weiteren Erörterung, daß ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit vorliegt. 262 258 Diese durch Art. 292 Abs. 2 EGStGB gegenstandslos und durch die entsprechenden Anpassungsgesetze der Länder von 1974/ 1980 gestrichen. Vgl. Löffler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 380. 259 BT-Drs. 7/550, S. 283. 260 BVerfGE 71, 206 ff. 261 Vgl. oben H. I. 4. c) und d). 262 So auch Gounalakis / Vollmann, DtZ 1992, 77 f., 78.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

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b) Schranken Eine Einschränkung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG ist unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 GG möglich. Der festgestellte Eingriff kann daher nur zulässig sein, wenn es sich bei § 44 StUG um ein allgemeines Gesetz im Sinne der Schrankenregelung des Art. 5 GG handelt. 263 Ob dies der Fall ist, ist auch unter Zugrundelegung der Auslegung des BVerfG 2 6 4 durchaus zweifelhaft. 265 Zwar handelt es sich bei § 44 StUG nicht um spezifisches Sonderrecht für die Presse, da die Vorschrift die öffentliche Mitteilung durch jedermann unter Strafe stellt. Das Fehlen dieser von Art. 5 Abs. 2 GG jedenfalls nicht primär gemeinten 266 personellen Allgemeinheit allein schlösse eine mangelnde sachliche Allgemeinheit einer Norm indes nicht aus. 267 Für den insoweit entsprechenden § 353 d) Nr. 3 StGB hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung über die Veröffentlichung von Aktenstücken aus dem Flick-Parteispendenprozeß durch den „Stern" 268 festgestellt, daß die Bestimmung zwar bestimmte Berichte über den Inhalt amtlicher Schriftstücke verbiete. Dieses Verbot richte sich indessen weder gegen eine bestimmte Meinung noch gegen den Prozess freier Meinungsbildung und gegen freie Information als solche. Vielmehr diene es dem Schutz anderer, ohne Rücksicht auf bestimmte Meinungen zu schützender Rechtsgüter. Die verbietende Vorschrift könne mithin als „allgemeines Gesetz" angesehen werden. 269 Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG für die Auslegung des Begriffes der allgemeinen Gesetze in Art. 5 Abs. 2 GG die Abwägungslehre vollständig in den Vordergrund gestellt. 270 Unter stärkerer Berücksichtigung formaler Kriterien wäre eine Einordnung als „allgemeines Gesetz" kaum möglich gewesen. Zu deutlich wird bereits bei § 353 d) Nr. 3 StGB, daß gerade bestimmte Kommunikationsinhalte aus dem Bereich der öffentlichen Meinungsbildung herausgehalten werden sollen. Es entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, daß es die formalen Defini-

263 Vgl. oben F. II. 7. c) (2) (b) bb). 264 BVerfGE 7, 209 f.; 26, 205; 28, 185 f.; 33, 66; 50, 240 f.; 59, 236 f.; 62, 243 f.; 71, 214. 265 siehe auch die Bedenken in BVerfGE 71, 206, 214. 266 Für die Zulässigkeit pressespezifischer Regelungen v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn 122; dagegen W. Weber, Innere Pressefreiheit als Verfassungsproblem, S. 47 ff.; Bettermann, JZ 1964, 601 ff., 603; Kuli, AfP 1974, 634 ff., 636. Jarass, Die Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 23 f. hebt an der Gegenauffassung die Abgrenzungsklarheit hervor, verwirft sie aber wegen des Erfordernisses einer Zulässigkeit der Normierung von Pressegesetzen; ders., Die Freiheit der Massenmedien, S. 160 f., sah die spezifische Medienrelevanz noch als zulässigen Diffenzierungsgesichtspunkt an, ohne indes insoweit eine zwingende Schranke anzunehmen. 267 BVerfGE 71, 206, 214. 268 Ebd. 269 Ebd. 270 Hoffmann-Riem, Anmerkung zu BVerfGE 71, 206 = JZ 1986, 491 ff., 494 f.

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tionsbestandteile271 stets dann zurückstellt, wenn gegen bestimmte Meinungen oder Inhalte wirksame (also gerade nicht meinungsneutrale) Eingriffe als grundsätzlich legitim angesehen werden. 272 Für die hier zu untersuchende Vorschrift des § 44 StUG verstärkt sich diese Feststellung. Ein konkreter und ex ante bestimmbarer Kommunikationsinhalt — benachteiligende Akten über Betroffene und Dritte in der weiten Definition des StUG — sind dem Bereich der öffentlichen Kommunikation entzogen. Es ist davon auszugehen, daß auch im Falle einer Prüfung des § 44 StUG das BVerfG die Vorschrift nicht wegen einer etwaigen fehlenden Allgemeinheit i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit aussetzen würde. Das Gericht nähme seine wesentlichen Erwägungen — im Ergebnis wohl zu recht — im Rahmen der verfassungsrechtlich ohnehin anzustellenden konkreten Güterabwägung vor. Diese hat sich im Rahmen des Trias der rechtsstaatlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bewegen. Da — wie festgestellt 273 — der einzige Schutzzweck des § 44 StUG im Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen und Dritten liegt, bietet sich als mögliche Eingriffsschranke ohnehin das Recht der persönlichen Ehre an. Der in Art. 5 Abs. 2 GG vorgesehene Ehrenschutz läßt gerade die Unterdrückung bestimmter Kommunikationsinhalte — ohne Rücksicht auf deren sachliche Allgemeinheit — zu. 2 7 4 Soweit das StUG die Veröffentlichung aus Akten verbietet, die ehrenrührige Tatsachen über Betroffene und Dritte enthalten, so dient die Vorschrift unmittelbar dem Ehrenschutz. Soweit mit dem StUG aber jegliche Form der nicht autorisierten Außendarstellung als Bestandteil des Persönlichkeitsrechts verhindert wird, der nicht zugleich Bestandteil der Ehre ist, geht § 44 StUG über die Ermächtigung des Art. 5 Abs. 2, 2. Alt. GG (Ehrenschutz) hinaus und muß sich als „allgemeines Gesetz" legitimieren.

c) Verhältnismäßigkeit

des Eingriffs

Die zulässige Grundrechtsbeschränkung müßte daher geeignet, erforderlich und proportional (verhältnismäßig i. e. S.) sein. 275

271 Nach Hoffmann-Riem, a. a. O., ein „Relikt älterer Definitionsversuche aus der Weimarer Zeit". 272 Kloepfer, Produkthinweispflichten bei Tabakwaren als Verfassungsfrage, S. 34. 27 3 Oben H. I. 2. 27 4 V. d. Decken, NJW 1983, 1400 ff., 1401. 275 Grabitz, AöR 98 (1973), 568 ff., 572 f.; vgl. auch die zahlr. Nachweise bei Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, S. 368 (FN. 81) sowie Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, passim.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

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(1) Geeignetheit Mit Recht betont das BVerfG in seiner ständigen Rechtsprechung den weiten legislativen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine bestimmte vorgesehene Maßnahme generell geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. 276 Dies bedeutet freilich nicht, daß die gesetzgeberische Prognose über die Effizienz eines Gesetzes vollständig der Überprüfung durch das BVerfG entzogen wäre. 277 Vielmehr ist die Reichweite der legislativen Entscheidungsprärogative vom Einzelfall abhängig. Sie differiert je nach dem zu regelnden Sachgebiet, den Prognosegrundlagen und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter. 278 Die Maßstäbe für die eigene Kontrolldichte legt das BVerfG dabei nicht einheitlich fest. Die Spanne reicht von einer Evidenzkontrolle 279 bis zu einer weitaus intensiveren Inhaltskontrolle 280 . Gerade bei der Überprüfung der Vorbildnorm der Strafbestimmung des StUG hat sich das BVerfG bei der Überprüfung der Geeignetheit des legislativen Mittels aber eine deutliche Zurückhaltung auferlegt. Unter Bezugnahme auf seine ältere Judikatur 281 hat es ausgeführt, daß es die der legislativen Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen nicht beanstanden könne, solange nicht eindeutig erwiesen sei, daß sie von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen oder mit der Verfassung in Widerspruch stünden. 282 Ob dieser stark selbstbeschränkende Ansatz des BVerfG der spezifischen Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit gerecht wird, erscheint zumindest zweifelhaft. 283 Bei der Überprüfung des § 353 d) Nr. 3 StGB ging das BVerfG weiter mit einer im Ansatz zutreffenden Begründung davon aus, daß die Vorschrift noch den Anforderungen an die Geeignetheit entspreche. Zwar sei nicht zu verkennen, daß die Vorschrift den von ihr bezweckten Schutz nur in begrenztem Umfang gewährleisten könne, ihr sei die Eignung indes nicht schlechthin abzusprechen. 284 Der Grundrechtseingriff könne nicht deshalb verfassungswidrig sein, weil er die Freiheit der Meinungsäußerung, die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit in geringerem Maße beschränke als ein anderes, zur Beschränkung tauglicheres Mittel. Das Gericht stellt fest, damit würde dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen, daß er im Übermaß grundrechtliche Freiheit beschränkt habe, sondern daß er gerade 276 BVerfGE 30, 292, 316; 33, 131, 181; 40, 223; 77, 84, 106; vgl. auch Ossenbühl, Festgabe BVerfG, S. 458. 277 Leibholz ! Rinckl Hesselberger, GG, Vor Art. 1-19, Rn. 78. 278 BVerfGE 73, 40, 91 f. 279 Etwa BVerfGE 36, 1, 17. 280 BVerfGE 45, 187, 238; 50, 290, 332 f. jeweils i. V. m. E 77, 106; weitere Nachweise bei Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Vor Art. 1-19, Rn. 7. 281 BVerfGE 13, 97, 113. 282 BVerfGE 71, 206, 215. 283 Ebenso Hoffmann-Riem, Anmerkung zu BVerfGE 71, 206 = JZ 1986, 491. 284 BVerfGE 71, 206, 217.

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ein „Übermaß" an grundrechtlicher Freiheit habe bestehen lassen. Dies zu beanstanden könne aber nicht Sache des BVerfG sein. 285 Für § 44 StUG stellt sich die Sachlage indes nochmals anders dar. Maßstab für die Eignung der Vorschrift ist hier nicht wie bei § 353 d) Nr. 3 StGB auch der Schutz der Verfahrensbeteiligten, sondern allein der Betroffenenschutz. Neben dem Betroffenenschutz stellt das BVerfG aber gerade maßgeblich auf den Schutz der am Gerichtsverfahren beteiligten Personen (Laienrichter, etc.) ab, um gewissermaßen die Spuren einer Eignung in der Vorschrift nachzuweisen. 286 Insoweit relativiert sich die Übertragbarkeit der vom BVerfG vorgenommenen Eignungsprüfung von § 353 d) Nr. 3 StGB auf § 44 StUG. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit § 44 StUG generell geeignet sein kann, den Betroffenenschutz zu erreichen. Die insoweit einschlägigen Ausführungen des BVerfG zu § 353 d) Nr. 3 StGB bringen den Vergleich zum Zitat als besonders scharfe Waffe im Meinungskampf in Ansatz. Dies ist auf die Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes schon deshalb nicht übertragbar, weil es sich gerade nicht um eine eigene Äußerung des Betroffenen handelt, die ihm (ζ. B. aus dem Zusammenhang gerissen oder falsch wiedergegeben) vorgehalten werden könnte. 287 Näher liegt es, die Erwägungen des BVerfG zur Authentizitätswirkung der Wiedergabe amtlicher Schriftstücke auch auf die Geeignetheitsprüfung zu § 44 StUG zu übertragen. Dort wird ausgeführt, daß die wortgetreue Wiedergabe von Aktenteilen zu Recht den Eindruck amtlicher Authentizität erwecke und dies auch bezwecke. 288 Auch diese Erwägung ist nicht ohne weiteres auf die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes übertragbar. Es bedarf angesichts der jüngsten Diskussionen um Färbung und Wahrheitsgehalt der StasiAkten keiner weiteren Ausführungen, um festzustellen, daß in der Öffentlichkeit die Unterlagen durchaus nicht in jedem Fall als „amtlicher Wahrheitsbeweis" angesehen werden. Sicher wird ihnen nicht in gleichem Maße vertraut wie Akten aus bundesdeutschen Gerichten. Wegen der oben bereits dargestellten zahlreichen Möglichkeiten, der Strafbarkeit nach § 44 StUG auszuweichen289 und (mindestens) den gleichen bloßstellenden Effekt für den Betroffenen zu erreichen, ist die Vorschrift evident ungeeignet, einen effektiven Opferschutz in den legitimen und verfassungsrechtlich zulässigen oder gebotenen Fällen zu bewirken.

285 Ebd., S. 218. 286 Ebd., S. 216, 217. 287 Die einzige Fallkonstellation, in der dies denkbar ist, liegt vor, wenn aus Berichten von inoffiziellen Mitarbeitern zum Beleg ihrer eigenen Tätigkeit zitiert wird. Dieser Fall wird von § 44 StUG aber gerade nicht erfaßt, vgl oben H. I. 4 a). 288 BVerfGE 71, 206, 216. 289 Vgl. ζ. B. oben H. I. 4. c) und d).

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Insgesamt ergibt sich, daß — unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG — durchgreifende Bedenken bereits gegen die Geeignetheit des Gesetzes bestehen. (2) Erforderlichkeit Weiterhin müßte das Gesetz dem Grundsatz der Erforderlichkeit gerecht werden. Das Übermaßverbot gebietet es, unter mehreren, im wesentlichen gleich geeigneten Maßnahmen, die den Grundrechtsträger am wenigsten belastende anzuwenden.290 Entfaltet eine Vorschrift daher keine Wirkung, weil sie — wie § 44 StUG — evident ungeeignet ist, so wäre sie auch dann verfassungswidrig, wenn der mit ihr bewirkte Eingriff nur begrenzt wirkt. Eine ungeeignete Maßnahme ist generell nicht erforderlich. 291 Erst recht gilt dies, wenn die Bestimmung einen durchaus erheblichen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit beinhaltet. Einen geringeren Eingriff in diese Grundrechte und zugleich einen wirkungsvolleren Schutz der (schutzwürdigen) Persönlichkeitsrechte hätte eine Regelung erreicht, die auch jene Fälle verwerflichen Verhaltens beachtet hätte, die nicht den Kategorien Betroffener oder Dritter i. S. d. § 6 StUG unterfallen. Welche Publikationsverbote diese Vorschrift sodann zulässigerweise hätte normieren dürfen, wäre im Wege der konkreten Güterabwägung im Rahmen der Proportionalität zu ermitteln. Ein weiterer Einwand gegen die Erforderlichkeit des § 44 StUG ist seine verfahrensmäßige Ausgestaltung. Wegen des ausschließlichen Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Betroffenen und Dritten durch das StUG kann nur dann eine Strafbarkeit zum Schutze des Betroffenen erforderlich sein, wenn dieser dies wünscht. Das Element der Einwilligung in § 44 StUG wird dieser Anforderung nicht gerecht, da es weder das stillschweigende Einverständnis noch die nachträgliche Genehmigung berücksichtigt. Auch wenn die in der Veröffentlichung genannte Person nachträglich aussagt, sie habe die Veröffentlichung sogar gewünscht, so kann dies nur mehr im Rahmen des Strafmaßes berücksichtigt werden. Alle ersichtlichen Vorschriften mit vergleichbarer Schutzrichtung tragen diesem Umstand Rechnung, indem sie als Antragsdelikte ausgestattet sind 292 . Jede nicht vom Willen des Betroffenen getragene Strafverfolgung nach § 44 StUG kann danach a priori nicht als erforderlich i. S. des Übermaßverbotes

290 y. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 1 Abs. 3, Rn. 178; vgl. auch die st. Rspr. des BVerfG, ζ. Β. E 39, 156, 165; zum Übermaßverbot grundlegend Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, und Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, passim. 291 Kloepfer, Produkthinweispflichten bei Tabakwaren als Verfassungsfrage, S. 40. 292 § 353 d) Nr. 3 StGB ist insoweit nicht vergleichbar, weil er neben dem Betroffenen vor Bloßstellung auch die Beteiligten am Gerichtsverfahren und mithin dieses Verfahren selbst schützt. 7 Kloepfer

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anzusehen sein. Insoweit wäre — ungeachtet der im übrigen verfassungsrechtlich erforderlichen tatbestandlichen Reduktion — seine Ausgestaltung als Antragsdelikt geboten. § 44 StUG ist folglich auch nicht erforderlich i. S. d. des Übermaßverbotes. (3) Proportionalität Schließlich kann ein strafrechtliches Veröffentlichungsverbot für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nur dann verfassungsmäßig sein, wenn es verhältnismäßig i. e. S. ist. Dies ist dann der Fall, wenn die grundrechtsrelevante Belastung des Betroffenen durch eine geeignete und erforderliche Maßnahme im vernünftigen Verhältnis zu den aus ihr resultierenden Vorteilen für die Allgemeinheit stehen.293 Die vorstehenden Ausführungen haben erwiesen, daß nach dieser Definition die Strafvorschrift des StUG dem Gebot der Proportionalität schon deshalb nicht gerecht werden kann, weil das Verhältnismäßigkeitsprinzip i. e. S. auf den (hier nicht tragfähigen) Pfeilern Geeignetheit und Erforderlichkeit aufbaut. Aber selbst wenn man die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme unterstellen würde, verstößt die zu prüfende Vorschrift gegen den Grundsatz der Proportionalität. Die erforderliche Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit einerseits und den schutzwürdigen Belangen von Betroffenen andererseits hat sich weder in § 44 StUG selbst niedergeschlagen, noch läßt die Vorschrift Raum für eine Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen bei ihrer Auslegung. 294 Bedenken hinsichtlich der Proportionalität drängen sich dabei an verschiedenen Punkten auf: Das Verbot der wortgetreuen Veröffentlichung gilt unbefristet, wenn keine Einwilligung des Betroffenen oder des Dritten vorliegt. Die Regelung verbietet also auch die Be- und Verarbeitung der Akten zu Zwecken der historischen Forschung in vielen Jahren. § 353 d) Nr. 3 StGB ist deshalb gerade noch als verhältnismäßiger Eingriff zu werten, weil die Beschränkung eine befristete ist (bis zum Abschluß des Verfahrens) und gerade während dieser Frist der eine Schutzzweck (Unvoreingenommenheit der Verfahrensbeteiligten) erreicht werden kann. Diese Wertung ist auf § 44 StUG nicht übertragbar. Zum einen handelt es sich bei der fraglichen Vorschrift nicht um ein befristetes Verbot 295 , wo unter Umständen ein Zuwarten auf den Fristablauf zumutbar sein könnte. Zum anderen fehlt gerade dieser für 293 Wittig, DÖV 1968, 817 ff., 818; Gentz, NJW 1968, 1600 ff., 1604 f. 294 Siehe auch Gounalakis / Vollmann, DtZ 1992, 77 f., 78. 295 im Gegenteil, wegen der Rechtsfriedensklausel ist es nach Ablauf von 15 Jahren gar vollständig untersagt, jemandem seine Stasi-Vergangenheit im Rechtsverkehr vorzuhalten.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

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§ 353 d) Nr. 3 StGB so wesentliche Schutzzweck der Sicherung des gerichtlichen Verfahrens. Es existiert zur allgemeinen politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes kein normiertes oder sonst förmliches Verfahren. Die einzige Möglichkeit, in der eine solche Konstellation eintreten könnte — die Anklage eines Stasi-Täters im eigentlichen und strafrechtlichen Sinne — fällt gerade nicht unter den Tatbestand des § 44 StUG, da es sich dann nicht um Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte handelt. Problematisch ist allerdings, daß eine sinnvolle „Freigabefrist" nicht zu begründen ist. Das endgültige Verbot, einen bestimmten Wortlaut zu veröffentlichen, kann aber den Anforderungen an eine proportionale Grundrechtsbeschränkung nicht gerecht werden. Der entscheidende Fehler des § 44 StUG ist aber die fehlende Möglichkeit der Abwägung zwischen den Informationsinteressen und der Presse- und Meinungsfreiheit mit dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Als ultima ratio des rechtlichen Instrumentariums soll das Strafrecht der Verhinderung solcher Verhaltensweisen vorbehalten sein, deren Abwehr anders nicht zweckvoll bewerkstelligt werden kann. Pro forma wird diese Erwägung in die Begründung zum Änderungsantrag des StUG durchaus einbezogen. Die Behauptung, besonders schwere Fälle der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts in die Strafbarkeit nach § 44 StUG einzubeziehen und die übrigen Fallkonstellationen den allgemeinen Regeln des zivil- und strafrechtlichen Ehrenschutzes zu überlassen, geht indessen völlig fehl. Dieser Zweck wird mit der Strafvorschrift des StUG gerade nicht erreicht. Der grundlegende Fehler liegt dabei in der sachlich nicht gerechtfertigten Bezugnahme auf die Definitionen der Begriffsbestimmungen des § 6 StUG, soweit sie Dritte und Betroffene anbelangen. Die Widersinnigkeit der Regelung zeigt sich deutlich in der Gegenüberstellung verschiedener Beispiele: Veröffentlicht ein Presseunternehmen wörtlich einen Aktenauszug mit kompromittierendem Material aus der Privat- oder Intimsphäre einer Köchin der Kantine einer Bezirksverwaltung des Staatssicherheitsdienstes, das im übrigen nichts mit der Tätigkeit für das MfS zu tun hat, aber für Repressionszwecke gesammelt wurde, greift § 44 StUG nicht ein. Die Person ist Mitarbeiter i. S. d. § 6 Abs. 4 StUG, die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Informationen mithin nicht strafbar. Der ,3etroffenen" würde auch der strafrechtliche Ehrenschutz nicht weiterhelfen. Weder eine Beleidigung i. S. d. § 185 StGB läge (mangels Werturteil) vor noch eine üble Nachrede oder Verleumdung i. S. d. §§ 186, 187 StGB, wenn und weil die Tatsachenbehauptung sich durch die Unterlagen beweisen läßt. Allenfalls kann Sie einen privatrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 823 I, 1004 BGB analog auf Unterlassung der Namensnennung wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen. 296 296 Vgl. dazu Löffler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 262 ff., 295 ff. 7*

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

Die Veröffentlichung von Unterlagen bezüglich der — bereits besprochenen — Denunziation oder Auskunftserteilung durch einen unverpflichteten Inhaber eines politischen Amtes wäre hingegen ohne weiteres nach § 44 StUG strafbar. Die Gegenprobe anhand des allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Persönlichkeitsschutzes bleibt dagegen negativ. Es bestünde — zu Recht — nicht einmal ein Anspruch auf Unterlassung der Äußerung, geschweige denn eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, wenn die Information wahr ist. Schon diese Divergenz zwischen § 44 StUG und dem allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Ehrenschutz erscheint bedenklich. Festzustellen bleibt, daß die Abwägung, wann die Veröffentlichung aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes zulässig sein muß, um der Presse- und Meinungsfreiheit und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerecht zu werden, jedenfalls bei Personen der Zeitgeschichte nur im Einzelfall getroffen werden kann. Dabei wird nicht verkannt, daß es ungemein schwierig sein dürfte, eine gesetzliche Formulierung für einen Straftatbestand zu finden, die diesem Anspruch gerecht würde und zugleich die erhöhten Bestimmtheitsanforderungen für Strafgesetze erfüllte. Das gebotene Resultat hieraus wäre der Verzicht auf eine Normierung der veröffentlichungsbezogenen Strafbarkeit im StUG. Alle schutzwürdigen Fälle wären abschließend durch das allgemeine Straf- und Zivilrecht abgedeckt. Überhaupt erscheint es fraglich, ob es angesichts der herausragenden Bedeutung der Pressefreiheit einen Geheimschutz für Täter geben darf, der über das hinausgeht, was durch die zivil- und strafrechtlichen Vorschriften über den Ehrenschutz gewährleistet wird. Handlungsbedarf bestünde hingegen bei der Erfassung etwa der unbefugten Weitergabe von Akten durch die Mitarbeiter des Bundesbeauftragten. Hier wäre auch eine strafrechtliche Sanktionierung möglich und eventuell auch sinnvoll. Als Anhaltspunkt für zulässige Informationen könnte die Rechtslage über die Veröffentlichung namentlicher Berichte (und Aktenausschnitte) über Vorgänge aus dem Dritten Reich sein. Unter Bezugnahme auf die Maßstäbe der Bildberichterstattung wurden hier differenzierte Kriterien entwickelt. 297 Danach ist die Berichterstattung über eine Person als absolute Person der Zeitgeschichte dann zulässig, wenn ihre frühere Position so bedeutend war, daß sie auch heute noch für die zeitgeschichtliche Aufarbeitung der damaligen Zeit von Bedeutung ist. Dies trifft etwa für politisch führende Personen, aber auch ζ. B. für KZ-Ärzte zu. 2 9 8 Auch wenn diese Personen heute zurückgezogen leben, ist es zulässig, sie namentlich zu erwähnen. 299 Gleiches gilt, wenn die Bedeutung der Person heute entsprechend schwer wiegt. So muß es ein Fernseh-Showmaster 297 Vgl. Löffler / Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 274. 298 Ebd. 299 BGH NJW 1966, 2353.

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etwa hinnehmen, daß über seine NS-Vergangenheit zutreffend berichtet wird. 3 0 0 Haben Personen in der NS-Zeit nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis Bedeutung erlangt, so gelten sie als relative Personen der Zeitgeschichte. Unter Abwägung des Informationsinteresses, das auch ein Interesse an der Aufarbeitung des Dritten Reiches beinhaltet, mit den betroffenen Interessen der fraglichen Person kann über diese Personen auch mit Namensnennung berichtet werden. 301 Dabei ist eine namentliche Berichterstattung bei entsprechendem öffentlichen Informationsinteresse zwar regelmäßig zulässig; dies gilt bezüglich heutiger Einzelheiten aus dem Lebensbereich des Betroffenen aber nur eingeschränkt. 302 Gerade die Beschränkung auf eine Veröffentlichung im Wortlaut ist jedenfalls für jene Fälle, in denen es gerade um die Aufklärung einer Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst geht, kein sachgerechtes und verfassungslegitimes Abgrenzungskriterium. Wenn das BVerfG im Lebach-Urteil 303 für den Rundfunk und das Fernsehen festgestellt hat, diese könnten sich grundsätzlich für jede Sendung — unabhängig von der Auswahl des Stoffes und der Entscheidung über die Form der Darstellung — auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen, 304 so gilt dies gleichfalls für die Presse. Wenn demnach auch der Abdruck von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes oder das wörtliche Zitat daraus Bestandteil des der Presse gewährten Schutzes ist, kann das Verbot in § 44 StUG nur verfassungsgemäß sein, wenn es im Verhältnis zu dem erreichten Schutz zumutbar ist. Dabei ist gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse neben dem Veröffentlichungsinteresse der Presse auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Das StUG nimmt diese Bewertung mit seiner Strafvorschrift nicht vor und läßt eine solche auch nicht zu. Es verkennt, daß bei Informationen über Personen der Zeitgeschichte sowie bei Inhabern politischer oder höherer administrativer Ämter der Schutz des Persönlichkeitsrechts relativiert ist, wenn es sich nicht um Informationen aus der Intim- und Privatsphäre handelt. 305 § 44 StUG hätte hier differenzieren müssen, um einen Verfassungsbruch zu vermeiden. Nicht proportional ist das Verbot der wörtlichen Veröffentlichung aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jedenfalls in den Fällen, in denen ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an Aufklärung besteht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Information, die aus den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes veröffentlicht werden soll, sich gerade auf das Zusammenwirken (oder auch das Zusammentreffen) einer Person des öffentlichen Lebens mit dem Staatssicherheitsdienst bezieht.

300 LG München, AfP 1971, 103. 301 Vgl. etwa OLG Frankfurt AfP 1980, 52 f. 302 Löffler/Ricker, Hb. d. Presserechts, S. 274. 303 E 35, 202. 304 Leitsatz Nr. 1. 305 Vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, S. 83, 86.

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H. Strafrechtliche Verantwortlichkeit der beteiligten Personen

Es mag umgekehrt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Einzelfällen hinter den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen zurückbleiben, wenn der Staatssicherheitsdienst Material über jemanden gesammelt hat, dessen Informationsgehalt selbst in keinem Bezug zum Staatssicherheitsdienst steht. Erfährt die Presse diese Information auf anderen Wegen, so mag es sinnvoll erscheinen, ihr die Verwertung der Unterlagen — zumindest durch wörtliche Wiedergabe — zu untersagen. Bezieht sich die Information aber auf eine Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst im weitesten Sinne, so bestehen nur zwei Möglichkeiten der Abwägung. Entweder die Information ist nicht negativ zu bewerten (dies ist, vereinfacht gesagt, jede negative Einschätzung durch den Staatssicherheitsdienst, wobei selbstverständlich Ausnahmen denkbar sind, etwa wenn der Staatssicherheitsdienst eine Person wegen Alkoholproblemen, politisch neutralem, kriminellen Verhaltens, etc., als Informant für unzuverlässig hielt); das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist dann — wenn überhaupt — nur marginal betroffen. Oder die Akten ergeben irgendeine Form der Verstrickung mit oder der unvertretbaren Zulieferung von Informationen für den Staatssicherheitsdienst. Dann überwiegt grundsätzlich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Medienfreiheit der Presse bei Personen der Zeitgeschichte und sonstigen Personen des öffentlichen Lebens grundsätzlich deren Persönlichkeitsrecht. Hiergegen sprechen auch nicht die Erwägungen, die das BVerfG in seiner Deutschland-Magazin-Entscheidung306 angestellt hat. Danach erschienen Behinderungen der Meinungsfreiheit, die ausschließlich, die Form einer Äußerung berührten, weniger gravierend, als solche, die den Inhalt betreffen. 307 Zwar umfasse Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich auch die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke formuliert werden soll. Es bestehe aber zumindest ein gradueller Unterschied, da sich Formulierungen regelmäßig (aber nicht immer) ohne Schwierigkeiten auswechseln ließen. Der Gedanke als solcher leide darunter nicht. 308 Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Ausführungen erscheinen angebracht, brauchen aber hier nicht vertieft werden. 309 Sie sind überhaupt nur bei Werturteilen oder wertenden Behauptungen mit Sinn anzuwenden. Druckt eine Zeitung oder Zeitschrift den Inhalt einer Akte des Staatssicherheitsdienstes ganz oder teilweise im Wortlaut ab, so will sie damit zum Ausdruck bringen, daß der Inhalt einer Behauptung mit dem Befund nach der Aktenlage übereinstimmt. Den gleichen Zweck kann sie allein mit der Behauptung, eine bestimmte Information befände sich in den Unterlagen, nicht erreichen. Nur soweit reicht die authentizitätschaffende Wirkung des Belegs durch die Akte selbst. Sie bezieht sich nicht auf eine in der Akte verkörperte objektive Information, die der Gewinnung der historischen Wahrheit selbst dient. 306 E 42, 143 ff. 307 Ebd. S. 149. 308 Ebd. S. 150. 309 Vgl. nur die Sondervoten Rupp-v. Brünneck, BVerGE 42, 143, 154 f. und Simon, Ebd. S. 162.

IV. Verfassungsrechtliche Beurteilung

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Gerade die Findung dieser Wahrheit soll und muß der öffentlichen Meinungsbildung, deren tragendes Fundament eine unabhängige Presse ist, überlassen bleiben. Für diesen Prozeß der Meinungsbildung in einer die Allgemeinheit berührenden und interessierenden Frage ist der Abdruck aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes von erheblicher Bedeutung. Das Verbot dieser Form der Veröffentlichung ist daher von erheblicher grundrechtsbeschneidender Wirkung, die durch schutzwürdige Belange des geschützten Personenkreises nicht gerechtfertigt werden kann. In Angelegenheiten, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühren, spricht aber die Vermutung für die freie Rede. 310 . § 44 StUG kann mithin einer verfassungsrechtlichen Prüfung ohne tatbestandliche Reduktion in der oben ausgeführten Weise nicht standhalten.311 Gerade für die Wiedergabe von Stasi-Akten gilt das Wort des BVerfG: „Freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung lebt davon, daß den an diesem Prozeß Beteiligten nicht Informationen vorenthalten werden und daß die Meinungen sich der Auseinandersetzung mit anderen Meinungen zu stellen haben, in der sie sich behaupten oder korrigiert werden müssen; Verbote von Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung haben Meinungsfreiheit noch niemals sichern, geschweige denn fördern können." 312

310 BVerfGE 68, 226, 232; 54, 129, 137; 66, 116, 150. 311 Im Ergebnis ähnlich Schuppert, AfP 1992,105 ff., 112, nach dem das Abwägungsergebnis lauten muß: „Dient die Berichterstattung unter Veröffentlichung personenbezogener Informationen aus Stasi-Unterlagen der Aufdeckung einer Mitarbeit oder sonstigen Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst, sind die Tatverdächtigen Personen des öffentlichen Lebens und besteht Besorgnis, daß die aufgedeckte Zusammenarbeit mit der Stasi ohne diese Berichterstattung ohne Aufklärung bliebe, so hat der durch § 44 StUG ohnehin nur unvollkommen erreichbare Schutz des Persönlichkeitsrechts zurückzustehen". 312 B V e r f G E 7 4 , 2 9 7 , 3 3 2 .

I. Verstoß gegen Vorgaben des Einigungsvertrages? In seiner Gesamtschau bestehen weiterhin erhebliche Zweifel, ob das StUG den an seinen Regelungsgehalt durch den Einigungsvertrag gestellten Anforderungen genügen kann. Zu klären ist deshalb, welche Anforderungen der Einigungsvertrag an das StUG stellt, inwieweit diese rechtlich verbindlich sind und schließlich, unter welchen Voraussetzungen eine inhaltliche Modifikation durch den gesamtdeutschen Gesetzgeber (und damit auch durch das StUG) möglich ist.

I. Inhaltliche Vorgaben Wie festgestellt 313, enthält der Einigungsvertrag für den gesamtdeutschen Gesetzgeber verschiedene inhaltliche Vorgaben für die zu treffenden Regelungen über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Soweit es die hier zu erörternde Frage betrifft, sind dabei die Punkte 1, 2 und 3 des Art. 1 der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag von besonderer Bedeutung. Ein besonderes Anliegen war es im Prozeß der Entstehung des Einigungsvertrages, gewissermaßen im Sinne einer Kontinuitätsgewähr zu fixieren, daß die Grundsätze des StUG-DDR auch im StUG Niederschlag finden. 314 Zu berücksichtigen sind die Grundsätze des StUG-DDR also insoweit, als sie durch den Einigungsvertrag, insbesondere in der in der Zusatzvereinbarung in Art. 1 Nr. 2 ff. zum Ausdruck gekommenen Auslegung, bestätigt und fixiert wurden. Trifft diese Voraussetzung zu, so sind die Grundsätze umfassend zu berücksichtigen. Als erste und wichtigste Bindung des gesamtdeutschen Gesetzgebers wurde vorgesehen, daß dieser die Voraussetzungen dafür schafft, daß die politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des ehemaligen MfS / AfNS gewährleistet bleibt. Dies verbietet zunächst eine Vernichtung der Akten, die endgültige Schließung der Archive und die Anonymisierung personenbezogener Daten vor deren Ausweitung für die Zwecke der Aufarbeitung des StasiUnrechts. Die Anforderungen an den Gesetzgeber gehen über diese abwehrenden Minimalia aber hinaus. Es muß nach dem Einigungsvertrag positiv die Voraussetzungen schaffen, die eine effektive Aufarbeitung ermöglichen. Dies verlangt auf der Verwaltungsseite zunächst eine bestimmte archivarische Aufarbeitung. Das Material, das der Bundesbeauftragte vorfindet, muß er nach dem Einigungsvertrag erschließen und durch ein objektiviertes Zugangssystem nutzbar machen. Weiter 313 oben C. II. 314 Ebd.

I. Inhaltliche Vorgaben

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dürfte aus dem Gebot der Ermöglichung der politischen und historischen Aufarbeitung folgen, daß die Erschließung nach üblichen archivarischen Grundsätzen erfolgt, um den Zugang und die Verwendung personenunabhängig zu machen. Er darf das geheime und verschlüsselte System der Stasi-Archive 315 nicht durch ein anderes undurchsichtiges Schlüsselsystem ersetzen. Werden Strukturen der Stasi-Archive übernommen, so müssen sie durchsichtig gemacht werden, so daß auch etwaige Nachfolger des Bundesbeauftragten den Zugriff auf alle Akten haben. Aber auch materiell verlangt der Einigungsvertrag ein Tätigwerden zur Ermöglichung der politischen und historischen Aufarbeitung. Dies kann nur bedeuten, daß für die Öffentlichkeit eine Möglichkeit der Information über die Verstrickung aller Personen mit dem Staatssicherheitsdienst bestehen muß, die zur Zeit der DDR Inhaber eines politischen oder höheren administrativen Amtes waren. Dies gilt nicht nur für die Bürger der damaligen DDR. Auch eine etwaige Verstrickung von Personen des öffentlichen Lebens der alten Bundesrepublik Deutschland bedarf der politischen und historischen Aufarbeitung und ist dieser zugänglich. Für die Aufdeckung der Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst von Personen, die erst nach dem Zusammenbruch der Behörde zu Personen des öffentlichen Lebens geworden sind, kann der Auftrag der Aufarbeitung freilich nur bedingt gelten. Die Aufarbeitung beinhaltet eine Komponente des vergangenen Unrechts, die sich in diesen Fällen aus anderen Umständen ergeben muß. Gewährleistet wird neben der juristischen Aufarbeitung, die nicht Thema dieser Studie ist, die historische und politische Aufarbeitung. Es stellt sich dabei die Frage, wer für diese Aufarbeitung zuständig sein soll. Während die historische Verarbeitung sich zunächst praktisch im Rahmen einer hier nicht zu definierenden Fachöffentlichkeit bewegen wird, ist für die politische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes in der Demokratie originär die allgemeine Öffentlichkeit berufen. Wie diese Öffentlichkeit herzustellen ist, kann und darf weder der Einigungsvertrag noch das StUG regeln. Der Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung hat grundsätzlich staatsfrei zu erfolgen. 316 Den wichtigsten Anteil an der Herstellung der somit gebotenen öffentlichen Transparenz hat im demokratischen Gemeinwesen die Presse. Hiermit ist der Presse zwar keine „öffentliche Aufgabe" zugewiesen.317 Sie leistet aber in Belangen von wesentlichem öffentlichen Interesse — und hierum handelt es sich ohne Zweifel bei der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und der Verstrickung wichtiger Personen mit dieser Einrichtung — einen wesentlichen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung als Vorstufe zur politischen Willensbildung. 318 Danach liegt der Vollzug der vom Einigungsvertrag verlangten Ermöglichung der politischen Aufarbeitung zu einem wesentlichen Teil bei der Presse und den übrigen Medien. Dies bedeutet 3is Vgl. Gauck, Die Stasi-Akten, S. 15, 106 f. 316 Vgl. BVerfGE 8, 104 ff., 112 f. 317 Zu der Mißverständlichkeit des Begriffs Kuli, FS Löffler, S. 187 ff. 318 BVerfGE 12, 113, 125 ff.; 20, 162, 174 ff.

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I. Verstoß gegen Vorgaben des Einigungsvertrages?

nicht, daß andere (auch staatliche) Stellen sich in diesem Prozeß nicht zu Wort melden dürften. Es ist aber ein Gebot des Einigungsvertrages, der Presse bei der Aufarbeitung des Stasi-Unrechts in Abwägung mit widerstreitenden Belangen eine möglichst weite Freiheit zu gewähren. Es entspricht einem zentralen und legitimen Anliegen der Bürgerbewegung der ausgehenden DDR, daß Strukturen und Arbeitsweisen des MfS aufgedeckt werden, um zu verhindern, daß Vergleichbares wieder geschehen kann. Es ist aber eine ebenso wichtige und legitime Komponente der Aufarbeitung, auch die personelle Verstrickung einzelner Personen zu erkennen, wenn sie für das Gemeinwesen von Bedeutung ist. Verstrickung in diesem Sinne ist aber nicht nur die Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes. Auch jenseits dieser Fälle und der in § 6 Abs. 6 StUG geregelten Begünstigten gibt es Fälle der aufarbeitungsbedürftigen Verstrickung. Es sind dies die bereits dargestellten Fälle der nichtverpflichteten Denunzianten und anderer Informanten. Hier verbietet das StUG unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes aber den Zugang der Forschung und der Presse zu den entscheidenden Unterlagen, auch wenn es sich um Personen des öffentlichen Lebens handelt. Das Gesetz bleibt damit hinter den Erwartungen (und damit den Vorgaben) des Einigungsvertrages zurück. Es wird ein wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, seiner Verwobenheit mit der Gesellschaft und der Belastung verschiedener Personen für die öffentliche Meinung als entscheidende Plattform der politischen Aufarbeitung ausgeblendet. Mit den inhaltlichen Vorgaben des Einigungsvertrages sind unter diesem Gesichtspunkt die Regelungen der §§32-34 StUG daher nicht zu vereinbaren.

I I . Rechtliche Verbindlichkeit Rechtlich verbindlich ist die Erwartung der umfassenden Berücksichtigung dieser Grundsätze in der Zusatzvereinbarung nur, wenn der Einigungsvertrag jedenfalls hinsichtlich der Aussagen bezüglich der Unterlagen des MfS / AfNS und in der Auslegung der Zusatzvereinbarung der freien Disposition des Gesetzgebers entzogen ist. Wäre er dies nicht, so könnte die Regelung eines zeitlich nachfolgenden Stasi-Unterlagengesetzes als lex posterior die vorangegangene Regelung des Einigungsvertrages schlicht derogieren. Hierfür spricht zunächst auch die Formulierung des § 47 Abs. 1 StUG. Danach werden die Regelungen in Anlage I Kapitel I I Sachgebiet Β Abschnitt I I Nr. 2 Buchstabe b des Einigungsvertrages aufgehoben. Zu klären ist daher zunächst die Frage nach der Begrenzung der Abänderbarkeit des Einigungsvertrages oder genauer: des Einigungsvertragsgesetzes. Bedeutsam hierfür ist zunächst seine Rechtsnatur und sein Rang im Normengefüge der Bundesrepublik Deutschland.319 Auszuschließen sind dabei zwei Extrem-

II. Rechtliche Verbindlichkeit

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Positionen: Weder wurde der Einigungsvertrag selbst oder genauer: das Einigungsvertragsgesetz insgesamt unmittelbares Verfassungsrecht, obgleich er in verschiedenen Punkten das Grundgesetz änderte (und in diesen Teilen auch einen verfassungsrechtlichen Rang einnimmt). Andererseits kann trotz der Anordnung der Fortgeltung „als Bundesrecht" in Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag keine beliebige Dispositionsbefugnis des gesamtdeutschen Gesetzgebers angenommen werden, wie dies bisweilen der Auffassung der Politik zu entsprechen scheint, 320 die ständig von Nachbesserungen etc. spricht und auch tatsächlich Änderungen vorgenommen hat. 321 Art. 44 Einigungsvertrag, der zur Rechtswahrung bestimmt, daß die Rechte zugunsten der (mit dem Inkrafttreten untergegangenen 322) DDR aus dem Einigungsvertrag von jedem der neuen Bundesländer geltend gemacht werden können, wäre sonst sinnlos. Jeder Verstoß gegen den Vertrag wäre durch einfache Abänderung des Vertragsgesetzes zu umgehen. Eine Beschränkung der Abänderbarkeit in den hier interessierenden Teilen aus völkerrechtlichen Vorgaben scheidet dabei bereits deshalb aus, weil der Einigungsvertrag seine (quasi-)völkerrechtliche Qualität 323 mit dem Untergang der DDR verloren hat. 324 Eine Beschränkung kann sich aber aus verfassungsrechtlichen Gründen ergeben. Es entspräche dem Sinn der Verträge und der ratifizierenden Gesetze indes kaum, eine beliebige Abänderbarkeit anzunehmen. Es erscheint daher sinnvoll, auch für die nichtverfassungsändernden Teile des Einigungsvertrages einen Rang oberhalb des einfachen Gesetzesrechts, aber unterhalb der Verfassung (wie ζ. B. bei Art. 25 GG) anzunehmen.325 Damit würde den fraglichen Regelungen des Einigungsvertrages in ihrer Geltungshöhe eine ähnliche Qualität wie den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zugebilligt. Sie wären zwar Bestandteil des Bundesrechts, gingen einfachen Gesetzen aber vor. Damit ist freilich in den durch den Einigungsvertrag beregelten Bereichen keine legislative „Versteinerung" geboten. Es bedarf vielmehr diffenzierter Lösungen. Für die in den Anlagen aufgeführten Regelungen wird man nach dem Willen der Vertragsparteien regelmäßig davon ausgehen können, daß sie einer einfachgesetzlichen Änderung grundsätzlich zugänglich sind. 319 Zum Ganzen besonders Anker, DÖV 1991, 1062 ff. 320 So Stern in: Stem / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 3 ff., 39 für die nichtverfassungsrechtlichen Teile. 321 Vgl. die Nachweise bei Kloepfer, Umweltrecht in der deutschen Einigung, S. 35. 322 Anker, DÖV 1991, 1062 ff., 1062, 1063; Degenhart, DVB1. 1990, 973 ff., 981; Drobnig, DtZ 1991, 76 ff., 78; Frowein, VVDStRL 49, 7 ff., 26; Hailbronner, JZ 1990, 449 ff., 452; Isensee, VVDStRL 49, 39 ff., 47; Kloepfer, Umweltrecht in der deutschen Einigung, S. 34; Stern, in: Stem / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 28; Weis, AöR 116(1991), Iff., 13. 323 Kloepfer, Umweltrecht in der deutschen Einigung, S. 34. 324 Vgl. Drobning, DtZ 1991, 76 ff., 78; Anker, DÖV 1991, 1062 ff., 1064. 325 Kloepfer, Umweltrecht in der deutschen Einigung, S. 35.

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I. Verstoß gegen Vorgaben des Einigungsvertrages?

In der Literatur wird zum Teil die Ansicht vertreten, eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Abänderbarkeit könne sich nur aus dem Grundsatz der Bundestreue ergeben. 326 Danach habe bei relevanten Änderungen eine Abstimmung mit den neuen Bundesländern zu erfolgen. Änderungen „zugunsten der Beitrittsländer" seien hiervon nicht betroffen. 327 Dieser bereits vom Ansatz des Art. 32 Abs. 2 GG unbefriedigende Vorschlag führt auch nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Er kann von vornherein Fälle nicht erfassen, die für die neuen Bundesländer „belastungsneutral" sind. Dabei kann nicht bestritten werden, daß es einen Kernbereich des Einigungsvertrages gibt, der gewissermaßen „Geschäftsgrundlage" der deutschen Einigung war und mithin ein besonderes Gewicht erhält. Die Erfassung gerade dieses Bereichs ermöglicht die Ableitung einer erhöhten Bestandskraft aus einer besonderen deutschlandrechtlichen Sonderqualität dieser Teile. Tragender Gedanke dieser Anknüpfung ist, daß es dem Rechtsstaat untersagt ist, im Prozeß der (seinerzeit durch die Präambel gebotenen) staatlichen Vereinigung Zusagen zu machen und deren Erfüllung nach der erfolgten Vereinigung zu verweigern. Die erhöhte Bindungswirkung resultiert damit aus dem aus der Präambel fortwirkenden Wiedervereinigungsgebot i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip. Wegen der Anknüpfung an das Rechtsstaatsprinzip wäre die damit feststehende (rechtlich relevante) Nichterfüllung des Einigungsvertrages bzw. des Einigungsvertragsgesetzes auch vollinhaltlich — jedenfalls bezüglich der Art. 1 bis 45 des Einigungsvertrages; evtl. ohne Anlagen — durch das BVerfG überprüfbar. Etwaige Verstöße machen die unterrangige Norm nach dem Grundsatz „lex superior derogat legi inferiori" rechtswidrig. Insoweit ist die Feststellung der Aufhebung der Einigungsvertragsregelungen in § 47 Abs. 1 StUG in der Formulierung ungenau. Aufgehoben werden im technischen Sinne von den Regelungen in Anlage I Kapitel I I Sachgebiet Β Abschnitt I I Nr. 2 Buchstabe b des Einigungsvertrages nur die §§ 1 bis 5, welche den Umgang mit den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vorläufig regelten. Sie werden durch die Bestimmungen des StUG ersetzt. Der im Vorspruch zu diesen Vorschriften enthaltene — und mit materiellen Kriterien ausgestattete — Gesetzgebungsauftrag wurde nicht aufgehoben und konnte insoweit auch durch einfaches Gesetz nicht geändert werden. Er bleibt als materielle Vorgabe nicht nur für das vorliegende StUG, sondern auch für zukünftige Regelungen über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes im oben dargestellten Sinne bindend. 328 Die Bedeutung der Aufhebung in § 47 Abs. 1 StUG ist daher insoweit keine andere, als die Meldung des Gesetzgebers, den Gesetzgebungsauftrag vollzogen zu haben. 326 Anker, DÖV 1991, 1062 ff., 1066. 327 Ebd. 328 Abgesehen davon werden die Regelungen in der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag bereits formell mit § 47 Abs. 1 StUG nicht aufgehoben. Vgl. dazu oben C II.

J. Zusammenfassung I. Allgemeiner Zugangs- und Verwendungsvorbehalt nach § 4 Abs. 1 StUG § 4 Abs. 1 S. 1 StUG normiert das Verbotsprinzip, welches das gesamte StUG dominiert. Ausfüllung erlangt § 4 Abs. 1 S. 1 StUG aber erst mit den besonderen Regelungen des 3. Abschnittes des StUG. Die allgemeinen Zugangsregelungen in den §§ 19 ff. StUG für nichtöffentliche Stellen geben der Presse dabei kein spezifisches Zugangsrecht zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Für die Verwendung der Unterlagen ist vielmehr ein berechtigtes Eigeninteresse, etwa als Arbeitgeber, erforderlich. Die Generalklausel des § 4 Abs. 1 StUG bezieht sich nur auf die Unterlagen, die sich im Gewahrsam des Bundesbeauftragten befinden, weil sich nur auf diese Akten die Regelungen über Zugang und Verwendung erstrecken können. Legt man diesen sachlichen Geltungsbereiches zugrunde, so kommt der Vorschrift nur die Bedeutung einer Generalklausel zu, die ohne die Konkretisierungen in den Vorschriften des dritten Abschnittes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einer isolierten Anwendung und Überprüfung nicht zugänglich ist. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Regelung ist danach für jede Verwendungs- und Nutzungsmöglichkeit gesondert zu beurteilen. Für die Presse sind dies die §§32 bis 34 StUG. Die Behandlung der abgängigen Akten richtet sich dagegen nach dem 2. Abschnitt, d. h. vor allem nach den §§7 und 9 StUG.

I I . Anzeige- und Herausgaberegelungen der §§ 7 und 9 StUG Kernstück des StUG im Hinblick auf die Erfassung „verstreuter" Aktenbestände des MfS/AfNS ist die Anzeige- und Herausgabepflicht für Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gem. §§7 Abs. 3, 9 StUG. Für Private stellt die Vorschrift des § 7 Abs. 3 StUG die entscheidende Regelung dar. Danach sind natürliche Personen und sonstige nicht-öffentliche Stellen verpflichtet, dem Bundesbeauftragten unverzüglich anzuzeigen, daß sich bei ihnen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes befinden, sobald ihnen dies bekannt wird. Anzeigepflichtig sind Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Dazu gehören sämtliche Informationsträger, unabhängig von der Form der Speicherung.

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J. Zusammenfassung

Kopien unterfallen dieser Definition nur dann, wenn sie beim Staatssicherheitsdienst entstanden oder ihm zugegangen sind (Eigenkopien des Staatssicherheitsdienstes). Selbst- oder drittgefertigte Kopien sind keine Unterlagen i. S. d. StUG (Drittkopien). Der ausschließliche Besitz von derartigen Kopien braucht daher dem Bundesbeauftragten nicht angezeigt werden. Die jedermann treffende Pflicht, dem Bundesbeauftragten den Besitz von Originalunterlagen anzuzeigen ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anzeigepflicht bereitet die Komplettierung der Bestände im Archiv des Bundesbeauftragten vor und ermöglicht sie bei abgängigen Aktenbeständen. Ein grundrechtlicher Schutz als Betriebsgeheimnis besteht für den exklusiven Besitz von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nicht, weil dieser geheime Informationsvorsprung unter dem Gesichtspunkt der rechtswidrigen Beschaffung und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht schutzwürdig ist. Vom Schutz der Pressefreiheit ist auch die Archivierung und Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch die Presse umfaßt. Zwar wird durch die Pflicht zur Anzeige des Besitzes von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in die Archivierung derselben noch nicht eingegriffen. Auch die Pflicht der Presse, ein staatliches Organ über den Inhalt seiner Archive zu informieren, stellt aber bereits einen Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar. Hinsichtlich der erforderlichen Allgemeinheit der Anzeigepflichtsregelung des § 7 Abs. 3 StUG bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Sie ist auch geeignet und erforderlich, um das primäre Ziel der Anzeigeregelung, die Vorbereitung der Komplettierung der Archive des Bundesbeauftragten, zu erreichen. Der Eingriff in die Pressefreiheit bleibt — auch angesichts der Tatsache, daß es den Presseunternehmen durchaus bewußt sein dürfte, daß zumindest eine Station der Unterlagen auf dem Weg in ihren Besitz rechtswidrig war—vergleichsweise gering. Dagegen ist der Zweck der Regelung, die Komplettierung der Archive des Bundesbeauftragten, durchaus anerkennenswert und auf andere Weise nicht zu bewerkstelligen. Die Vervollständigung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes hat ihrerseits nur eine dienende Funktion für die Zwecke des § 1 StUG, insbesondere die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Diese Zwecke repräsentieren ein wichtiges Gemeinschaftsgut, sie sind vom Einigungsvertrag geboten und rechtsstaatlich legitimiert. Die Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 3 StUG verstößt mithin nicht gegen Grundrechte. § 9 StUG regelt, welche Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes durch natürliche Personen und sonstige nicht-öffentliche Stellen dem Bundesbeauftragten herauszugeben sind. Danach ist jedermann verpflichtet, Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf Verlangen des Bundesbeauftragten unverzüglich herauszugeben, es sei denn, das Material steht im Eigentum des Besitzers. § 9 Abs. 1 S. 2 StUG kehrt dabei die Eigentumsvermutung zugunsten des Besitzers nach

II. Anzeige- und Herausgaberegelungen

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§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB um: Der Nachweis des Eigentumserwerbs obliegt der natürlichen Person oder sonstigen nicht-öffentlichen Stelle. Das Herausgabeverlangen muß hinreichend bestimmt sein. Es muß sich auf bestimmte oder nach dem Inhalt bestimmbare Unterlagen oder Kopien beziehen. Es reicht daher nicht aus, wenn der Bundesbeauftragte etwa generell verlautbart, daß nunmehr alle ihm unbekannten Unterlagen herauszugeben seien. Es reicht ebenso nicht aus, wenn der Bundesbeauftragte einer bestimmten nicht-öffentlichen Stelle aufgibt, alle Unterlagen und Kopien abzuliefern. Andererseits muß sich das Herausgabeverlangen aber auch nicht auf eine ζ. B. nach dem Aktenzeichen bestimmte Unterlage beziehen. Es wird aber zu verlangen sein, daß die Akte nach den in ihr genannten Personen und Vorgängen bestimmt oder bestimmbar ist. Unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in Art. 14 GG ist die Herausgabepflicht für Originalunterlagen nach § 9 Abs. 1 StUG nicht zu beanstanden, da sie sich nur auf Unterlagen bezieht, die nicht im Eigentum des jeweiligen Besitzers stehen. Zwar kann grundsätzlich auch im Besitz selbst als dinglichem Recht eine von Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition liegen. Dies ist indes bei den abgängigen Originalunterlagen des Staatssicherheitsdienstes nicht der Fall. Ihr Besitz ist, wenn der Besitzer kein Eigentum erworben hat, rechtlich nicht anerkannt. Die Unterlagen stehen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, welches durch das Herausgabeverlangen des Bundesbeauftragten konkretisiert und ausgeübt wird. Ein eigenständiges Besitzrecht besteht hier bereits nach bürgerlichem Recht für den Besitzer nicht. Der Wert der Besitzposition an den Unterlagen für die Presse besteht vor allem in der Verfügbarkeit der darin enthaltenen Information. Allein durch die Herausgabepflicht für die Originalunterlagen wird die Verfügbarkeit der Information indes nicht beeinträchtigt. Wo ein Interesse der Presse besteht, die Information exklusiv und monopolisiert zu nutzen, so ist dieser Wert jedenfalls regelmäßig von Art. 14 GG nicht geschützt. Die Herausgabepflicht für Originalunterlagen stellt darüberhinaus unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keinen (spezifisch presserechtlich) intensiveren Eingriff gegenüber der zulässigen Anzeigepflicht dar. Das Herausgabeverlangen konkretisiert das (verfassungslegitime) Komplettierungsinteresse betreffend der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Das Besitzinteresse der Presse an den Originalen besitzt demgegenüber keinen spezifischen grundrechtlichen Schutz. Der mit der Herausgabepflicht verbundene Eingriff in die Sammlungs- und Archivierungsfreiheit der Presse ist mithin als zulässige Beschränkung anzusehen. Für (selbstgefertigte) Kopien (Drittkopien) und andere Duplikate besteht eine Herausgabepflicht nicht unmittelbar nach § 9 Abs. 1 StUG, da diese nicht selbst Unterlagen i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG sind. Nach § 9 Abs. 2 StUG sind dem Bundesbeauftragten aber auch Kopien und sonstige Duplikate herauszugeben, soweit

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ihm Unterlagen herauszugeben sind. Kopien und sonstige Duplikate i. S. dieser Vorschrift sind Fotokopien und Photographien sowie sonstige identische Vervielfältigungen von Originalunterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Dies bedeutet auch, daß ein Privater, der nur über Kopien und nicht über Originale verfügt, diese nicht herauszugeben braucht. In diesem Fall sind keine Originalunterlagen herauszugeben und mithin auch keine Kopien. Die Fassung der Regelung eröffnet insoweit vermutlich ungewollte Umgehungsmöglichkeiten. § 9 Abs. 2 StUG ist einschränkend auszulegen. Sind Unterlagen mit personenbezogenen Daten Betroffener etwa in einem Buch oder einer Zeitschrift massenhaft vervielfältigt worden, so sind diese Druckwerke im Sinne des Wortlauts des § 9 Abs. 2 StUG auch Kopien oder sonstige Duplikate. Entweder sind derartige „Duplikate" bereits vom Herausgabeanspruch des § 9 Abs. 2 StUG nicht umfaßt oder ein entsprechendes Herausgabeverlangen des Bundesbeauftragten wäre evident ermessensfehlerhaft. Die Herausgabepflicht für (Dritt-)Kopien und sonstige Duplikate nach § 9 Abs. 2 StUG ist der unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematischste Teil der Anzeige- und Herausgabepflichten der §§ 7 Abs. 3, 9 StUG. Dabei bleibt der mit dem Substanzentzug verbundene Eingriff in das Eigentum an den Kopien, der sich nur auf den Material- oder Herstellungswert beziehen kann hinter dem Informationswert der Duplikate zurück. Die maßgebliche Norm zur Beurteilung der grundrechtlichen Betroffenheit ist mithin auch für die Ablieferungspflicht für Drittkopien die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Zwar ist in der Herausgabepflicht noch keine Zensur i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG zu sehen. Unbestreitbar handelt es sich aber um einen empfindlichen Eingriff in die Pressefreiheit. § 9 Abs. 2 StUG normiert im Kern einen Informationsentzug bei der Presse und eine Informationsmonopolisierung beim Bundesbeauftragten. Der hiermit verbundene Eingriff in die grundrechtlich verbürgte Archivierungsfreiheit wiegt um so schwerer, als er eine präventive Kommunikationskontrolle beinhaltet. Da die (Vorbereitung der) Kommunikation mit Informationen aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes aber nicht um ihrer selbst willen, sondern zum Schutz betroffener Persönlichkeitrechte sowie zur Komplettierung der Archive kontrolliert wird, ist noch von einer Allgemeinheit i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG auszugehen, obwohl ein bestimmter Kommunikationstypus kontrolliert wird. Die Regelung entspricht aber nicht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip: Die Herausgabepflicht nach § 9 Abs. 2 StUG bezweckt einerseits die Komplettierung der Unterlagen beim Bundesbeauftragten. Insoweit ist die ersatzlose Herausgabe von Drittkopien und Originalen ersichtlich nicht das mildeste Mittel zur Erreichung des Zweckes. Ausreichend ist ebenso die Herausgabepflicht nur für Originale. Weiterhin soll die Vorschrift die Persönlichkeitsrechte Betroffener schützen. Dieser Aufgabe kann die Vorschrift schon deshalb nur höchst unzureichend gerecht werden, weil die herauszuverlangende Kopie ohnehin dem Besitzer schon

III. Zugangsregelungen für die Presse

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zur Kenntnis gelangt ist. Zu diesem Zweck ist die Vorschrift aber auch nicht erforderlich, weil der verfassungsrechtlich gebotene Persönlichkeitsschutz jenseits des verfassungsrechtlich zulässigen Gehalts der Strafvorschrift des § 44 StUG vom allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutz gewährleistet wird. Unter diesen Gesichtspunkten kann § 9 Abs. 2 StUG auch nicht als zumutbarer Eingriff in die Pressefreiheit angesehen werden. Er verkennt die grundsätzliche Bedeutung der (auch in der Vorbereitung) freien, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkten Presse für den Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung. Das StUG bezweckt mit der ersatzlosen Herausgabeverpflichtung für selbst- oder drittgefertigte Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, einen Kommunikationsbereich für die Presse präventiv zu kontrollieren. Die ersatzlose Herausgabepflicht für alle (Dritt-)Kopien von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf Anforderung durch den Bundesbeauftragten ist daher als Eingriff in die Pressefreiheit nicht verhältnismäßig i. S. d. Übermaßverbotes und damit verfassungswidrig. Nach § 9 Abs. 3 StUG sind dem Bundesbeauftragten auf dessen Verlangen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, die im Eigentum Privater stehen, zur Anfertigung von Kopien zu überlassen. Diese Überlassungspflicht ist bei grundrechtlicher Betrachtung als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen, die unter dem Gesichtspunkt des Komplettierungsinteresses des Bundesbeauftragten für die Stasi-Archive grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Die Anzeige- und Herausgabepflichten nach den §§7 und 9 StUG sind durch die Bußgeldvorschrift des § 45 StUG sanktioniert. Danach handelt ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld bis zu D M 500.000 belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 7 Abs. 3 StUG erforderliche Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig erstattet, Unterlagen entgegen § 9 Abs. 1 S. 1 StUG nicht oder nicht rechtzeitig auf Verlangen abgibt oder Unterlagen nicht nach § 9 Abs. 3 StUG dem Bundesbeauftragten zur Anfertigung einer Kopie überläßt. Die Herausgabepflicht für selbstgefertigte Kopien und sonstige Duplikate nach § 9 Abs. 2 StUG ist nicht bußgeldbewehrt.

I I I . Zugangsregelungen für die Presse, §§32 bis 34 StUG Nach § 34 StUG gelten die Vorschriften über die Verwendung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für die Forschung zur Aufarbeitung seiner Tätigkeit für die Verwendung von Unterlagen durch Presse, Rundfunk, Film, deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen entsprechend. Diese Vorschrift bedeutet ein Defizit grundrechtsspezifischer Ausgestaltung und verfehlt durch eine Nivellierung der Verwendung zu Forschungszwekken einerseits und zu Medienzwecken andererseits wesentliche verfassungsrecht8 Kloepfer

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liehe Differenzierungen. Die Vorschrift ist nicht als Ermessensbestimmung ausgestaltet. Liegen also die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 StUG vor, so muß der Bundesbeauftragte — im Verfahren des § 33 StUG — die fraglichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Nach § 32 Abs. 1 StUG stellt der Bundesbeauftragte für die Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politischen Bildung zunächst Unterlagen zur Verfügung, die keine personenbezogenen Informationen enthalten. Weiterhin muß er Duplikate von Unterlagen zur Verfügung stellen, in denen die personenbezogenen Informationen anonymisiert worden sind. § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG bestimmt, daß der Bundesbeauftragte Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind, sowie über zur „Tatzeit" volljährige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes und Begünstigte zur Verfügung stellt. Derartige Unterlagen nach § 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG dürfen indes nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn durch die Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der genannten Personen beeinträchtigt werden. Mit dieser mißglückten Abgrenzung erfaßt das StUG zahlreiche Fälle nicht, in denen ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Insbesondere Personen in Ost und West, die dem Staatssicherheitsdienst Informationen aus Fahrlässigkeit, aus Überzeugung oder sonst ohne ausdrückliche Bereiterklärung oder Begünstigung verschafft haben, werden durch die §§32 ff. StUG geschützt. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über diese Person sind mithin nach § 32 Abs. 1 StUG ohne weiteres für die Verwendung für Zwecke der Forschung und der Presse gesperrt, ohne daß noch eine Abwägung mit legitimen Öffentlichkeits- oder Forschungsinteressen stattfinden dürfte. Dies gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die personenbezogene Information darin besteht, daß und mit welcher Information er andere Betroffene oder Dritte denunziert hat. Es ist einer der Kardinalfehler des StUG, die Fälle jener Personen, die dem Staatssicherheitsdienst Informationen geliefert haben, ohne sich förmlich zu verpflichten, pauschal auf die Seite der Betroffenen und Dritten gestellt zu haben. Damit werden Denunzianten ebenso wie „zuverlässige" Lieferanten oder naive Plauderer generell zu „Opfern", die vom StUG umfassend geschützt werden. Problematisch ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zunächst die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelungen über den Zugang der Presse zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Es handelt sich dabei nicht um Presserecht i. S. d. Art. 75 Nr. 2 GG, wonach nur eine Rahmenkompetenz des Bundes bestehen könnte. Vielmehr ist die Verwaltung und Nutzung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ein legitimer und not-

III. Zugangsregelungen für die Presse

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wendiger Fall der Bundeskompetenz kraft Natur der Sache. Sachgerecht kann die Regelung dieser Materie nur durch den Bund getroffen werden. Unter grundrechtlichen Aspekten sind die Zugangs- und Verwendungsregelungen für die Presse für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes an der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG und an der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen. Dabei steht die Informationsfreiheit auch der Presse zu. Sie gibt der Presse aber keine spezifischen Informationsrechte, die über das Informationsrecht der Allgemeinheit hinausgehen. Besondere Zugangsrechte, die über die Gewährleistungen der §§32 ff. StUG hinausgingen, ergeben sich freilich nicht. Die Informationsaufnahme aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist aber grundsätzlich von der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützt. Es ergibt sich für jene Unterlagen, die den Regelungen der §§34 i. V. m. 32 und 33 StUG unterfallen — also solche, die sich beim Bundesbeauftragten befinden —, eine besondere Problematik der verfassungsrechtlichen Ableitbarkeit. Da die Presse erst eine Zurverfügungstellung der Unterlagen für ihre Zwecke begehrt, ist mithin zur Konstruktion eines Grundrechtseingriffes zunächst die Ableitung eines aus Grundrechten resultierenden ein Leistungsanspruchs auf Informationsverschaffung durch staatliche Stellen erforderlich. Die ursprüngliche und zentrale Funktion des Grundrechts der Pressefreiheit ist aber die eines Abwehrrechts gegen Eingriffe des Staates. Die Leistungsdimension der Pressefreiheit auf Information durch den Staat ist hingegen eher problematisch. Allerdings wird man in Anbetracht der überragenden Bedeutung der Massenmedien und insbesondere der freien Presse für die öffentliche Meinungsbildung eine ermessensfehlerfreie Entscheidung von Regierung und Verwaltung fordern müssen. Dies vermag keine generelle Auskunftsverpflichtung gegenüber der Presse zu begründen. Es erfordert aber eine Abwägung (etwa mit übergeordneten Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten, ζ. B. zum Schutze betroffener Persönlichkeitsrechte). Dabei ist den staatlichen Stellen prinzipiell ein weites Ermessen eingeräumt. Angesichts der generellen Informationsfreudigkeit der grundgesetzlichen Ordnung und der fundamentalen Bedeutung der Staatskontrolle durch Öffentlichkeit mögen sich hier die Akzente verschieben. Besteht eine generalisierende gesetzliche Regelung, welche die Zurverfügungstellung von Unterlagen durch Behörden regelt und mit einem subjektiven Anspruch versieht, ist dies verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht zu hoch angesetzt werden. Für den Bereich des Zugangs zu staatlichen Archiven werden jedenfalls generalisierende (auch einschränkende) Regelungen über die Zulässigkeit der Nutzung für zulässig erachtet. Dabei hätte der Gesetzgeber für das StUG prinzipiell auch den — partiellen — Ausschluß der Nutzung durch die Presse oder Schutzfristen wie im BArchG anordnen können, das von der h. M. als zulässig angesehen wird. Soweit es für den Gesetzgeber aber auch zulässig gewesen wäre, die Nutzung der Unterlagen des Staatssicher8*

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heitsdienstes vollständig oder für eine erhebliche Zeitdauer auszuschließen, so gehen die Regelungen der §§ 32-34 StUG über die verfassungsrechtlich gebotene Publizität hinaus. Allerdings dürfte das letzte Wort über die Verfassungsmäßigkeit des BArchG noch nicht gesprochen sein. Die konstitutive Bedeutung der Pressefreiheit in der modernen Demokratie könnte zu einer prinzipiellen (skeptischen) Neubewertung der traditionellen Archivgesetzgebung führen. Anderes würde sich im Falle der Regelungen des StUG über die Nutzung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes für Zwecke der Forschung und der Presse auch dann nicht ergeben, wenn ein weiterreichender grundrechtlich verbürgter Informations- und Zugangsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 GG bejaht würde. In diesem Fall stellte sich die Frage nach den zulässigen Schranken des grundrechtlichen Leistungsanspruchs. Allgemeine Regelungen über die Archivbenutzung wären dann zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügten. Die hierfür erforderliche Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange müßte das einschränkende Gesetz entweder ermöglichen oder generalisiert selbst vornehmen. Letzteren Weg hat das StUG beschritten, indem es dem Bundesbeauftragten kein Ermessen bei der Entscheidung über die Zurverfügungstellung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes eingeräumt, sondern diese von bestimmten objektiven Kriterien abhängig gemacht hat. Dabei ist die Entscheidung, für diese Zwecke nur Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Mitarbeiter und Begünstigte bereitzustellen, und sonstige Denunzianten — auch wenn sie Personen des öffentlichen Lebens sind — von einer Bereitstellung auszunehmen, rechtspolitisch überaus unbefriedigend. Ihr liegt indes wohl grundsätzlich keine Erwägung zugrunde, die unter elementarer Verkennung grundrechtlicher Gewährleistungen zur Erreichung des bezweckten Persönlichkeitsschutzes schlechthin ungeeignet ist. Unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit sind die Regelungen der §§32-34 StUG insgesamt verfassungspolitisch zu kritisieren, gegen die Verfassung verstoßen sie indes nicht generell. Es sind aber Konstellationen denkbar, in denen die Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des StUG (genereller Schutz auch von Dritten i. S. d. § 6 Abs. 7 StUG) in unzumutbarer Weise pressefreiheitsbeschneidend wirkt. Insbesondere in Fällen von überragendem öffentlichen Informations- und Aufklärungsinteresse dürfen Informationsgesuche der Presse nicht allein mit dem Hinweis, es handele sich um Unterlagen über einen „Dritten" i. S. d. § 6 Abs. 7 StUG, abgelehnt werden. Dies kann sich ergeben, wenn die öffentliche Diskussion durch partielle Informationen vorgeprägt ist und die Erhellung von konkreten Vorwürfen gegen Personen des öffentlichen Lebens nur mit Hilfe von Unterlagen geleistet werden kann, die sich im Gewahrsam des Bundesbeauftragten befinden. Überdies sind die Vorschriften der §§32 ff. StUG an den Vorgaben des Einigungsvertrages zu messen. Der Einigungsvertrag enthält für den gesamtdeutschen Gesetzgeber verschiedene inhaltliche Vorgaben für die zu treffenden Regelungen über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Ein besonderes Anliegen war

. Zugangsregelungen für die Presse

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es im Prozeß der Entstehung des Einigungsvertrages zu fixieren, daß die Grundsätze des StUG-DDR auch im StUG Niederschlag finden. Als erste und wichtigste Bindung des gesamtdeutschen Gesetzgebers wurde vorgesehen, daß dieser die Voraussetzungen dafür schafft, daß die politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des ehemaligen MfS/AfNS gewährleistet bleibt. Dies verbietet zunächst eine Vernichtung der Akten, die endgültige Schließung der Archive und die Anonymisierung personenbezogener Daten vor deren Auswertung für die Zwecke der Aufarbeitung des Stasi-Unrechts. Die Anforderungen an den Gesetzgeber gehen über diese Minimalia aber hinaus. Er muß nach dem Einigungsvertrag positiv die Voraussetzungen schaffen, die eine effektive Aufarbeitung ermöglichen. Dies verlangt eine archivarische Aufarbeitung. Das Material, das der Bundesbeauftragte vorfindet, muß er nach dem Einigungsvertrag erschließen und durch ein objektiviertes Zugangssystem nutzbar machen. Weiter dürfte aus dem Gebot der Ermöglichung der politischen und historischen Aufarbeitung folgen, daß die Erschließung nach üblichen archivarischen Grundsätzen erfolgt. Materiell verlangt der Einigungsvertrag ein Tätigwerden zur Ermöglichung der politischen und historischen Aufarbeitung. Dies kann nur bedeuten, daß für die Öffentlichkeit eine Möglichkeit der Information über die Verstrickung aller Personen mit dem Staatssicherheitsdienst bestehen muß, die zur Zeit der DDR Inhaber eines politischen oder höheren administrativen Amtes waren. Dies gilt nicht nur für die Bürger der damaligen DDR. Auch eine etwaige Verstrickung von Personen des öffentlichen Lebens der alten Bundesrepublik Deutschland bedarf der politischen und historischen Aufarbeitung und ist dieser zugänglich. Gewährleistet wird auch und besonders die politische Aufarbeitung des Staatssicherheitsdienstes. Es stellt sich dabei die Frage, wer für diese Aufarbeitung zuständig sein soll. Während die historische Aufarbeitung sich zunächst praktisch im Rahmen der Fachöffentlichkeit bewegen wird, ist für die politische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes in der Demokratie die Öffentlichkeit berufen. Dabei hat der Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung grundsätzlich staatsfrei zu erfolgen. Den wichtigsten Anteil an der Herstellung der somit gebotenen öffentlichen Transparenz haben im demokratischen Gemeinwesen die Presse und der Rundfunk. Die Medien leisten in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse — und hierum handelt es sich ohne Zweifel bei der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und der Verstrickung wichtiger Personen mit dieser Einrichtung — einen wesentlichen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung. Danach liegt der Vollzug der vom Einigungsvertrag verlangten Ermöglichung der politischen Aufarbeitung zu einem wesentlichen Teil bei der Presse (und den übrigen Massenmedien). Es ist daher ein Gebot des Einigungsvertrages, der Presse bei der Aufarbeitung des Stasi-Unrechts in Abwägung mit widerstreitenden Belangen weitestmögliche Freiheit zu gewähren. Es ist eine wichtige und legitime Komponente der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, auch die personelle Verstrickung einzelner Perso-

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nen zu erkennen, wenn sie für das Gemeinwesen von Bedeutung ist. Verstrickung in diesem Sinne ist aber nicht nur die Tätigkeit als hauptamtlicher oder inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes. Auch jenseits dieser Fälle und der in § 6 Abs. 6 StUG geregelten Begünstigten gibt es Fälle der aufarbeitungsbedürftigen Verstrickung. Es sind dies die bereits dargestellten Fälle der nichtverpflichteten Denunzianten und anderer Informanten. Hier verbietet das StUG unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes aber den Zugang der Forschung und der Presse zu den entscheidenden Unterlagen, auch wenn es sich um Personen des öffentlichen Lebens handelt. Das Gesetz bleibt damit hinter den Vorgaben und Erwartungen des Einigungsvertrages zurück. Es wird ein wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, seiner Verwobenheit mit der Gesellschaft und der Belastung von Personen aus der öffentlichen Diskussion ausgeblendet. Mit den inhaltlichen Vorgaben des Einigungsvertrages sind die Regelungen der §§ 32-34 StUG daher insoweit nicht zu vereinbaren. Die materiellen Vorgaben des Einigungsvertrages konnten (im Gegensatz zu den vorläufigen Verfahrensregeln) auch nicht durch das StUG aufgehoben werden und bleiben für den Gesetzgeber verbindlich. Etwaige Verstöße machen die unterrangige Norm — nach dem Grundsatz „lex superior derogat legi interiori" — rechtswidrig.

IV. Strafvorschrift des § 44 StUG Wer Originalunterlagen, die vom StUG geschützt sind oder Duplikate von Originalunterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitteilt, macht sich nach § 44 StUG strafbar. Er kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden, es sei denn, der Betroffene oder Dritte hat eingewilligt. Strafbar ist nur die vorsätzliche Tat. Vorbild dieser Regelung ist § 353 d) Nr. 3 StGB, eine Vorschrift, die allgemein als mißglückt angesehen wird. Obwohl § 44 StUG im Gegensatz zu allen Entwürfen die Strafbarkeit der Veröffentlichung von Daten, die offenkundig sind, nicht ausschließt, ist hier nur eine einschränkende Auslegung verfassungsrechtlich haltbar. Sind Akten des Staatssicherheitsdienstes, die personenbezogene Daten von Betroffenen oder Dritten enthalten, bereits früher ganz oder in wesentlichen Teilen veröffentlicht worden, so kann eine erneute Veröffentlichung auch ohne Einwilligung des Betreffenden nicht strafbar sein. Es entfällt — ebenso wie bei der Anzeige- und Ablieferungspflicht gem. §§ 7 Abs. 3, 9 Abs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 StUG — der Schutzzweck der Vorschrift im allgemeinen durch eine einschlägige Vorveröffentlichung. Die wohl größte Schwäche des Tatbestandes des § 44 StUG ist, daß die Veröffentlichung von personenbezogenen Unterlagen über Betroffene und Dritte

IV. Strafvorschrift des § 44 StUG

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ohne deren Einwilligung generell strafbar sein soll. Im Sinne der Begriffsbestimmungen des § 6 Abs. 3 und 7 StUG sind Denunzianten, die sich nicht zur Lieferung von Informationen bereiterklärt haben oder sonstige Lieferanten von Informationen (etwa Mitglieder der SED, die Informationen aufgrund parteilicher „Verpflichtung" geliefert haben) nur Dritte. Auch sie profitieren von der Regelung des § 44 StUG, auch ihre Einwilligung müßte nach dem Wortlaut der Strafvorschrift des StUG eingeholt werden. § 44 StUG unterscheidet nicht danach, ob es sich bei dem Betroffenen oder Dritten, dessen personenbezogene Informationen sich in den Unterlagen befinden, um eine Person der Zeitgeschichte, einen Inhaber einer politschen Funktion oder einen Amtsträger handelt oder nicht. Sobald also der Staatssicherheitsdienst gezielt oder beiläufig über eine Person Informationen gesammelt hat, die nicht Mitarbeiter oder Begünstigter war, handelt es sich i. S. d. § 6 Abs. 3 und 7 StUG um Unterlagen, die personenbezogene Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, deren Veröffentlichung mithin strafbar ist. Eine Abwägung mit Informationsinteressen der Öffentlichkeit oder der gebotenen politischen Aufarbeitung kann und darf gar nicht erst stattfinden. § 44 StUG verbietet nur die wörtliche Wiedergabe von Unterlagen ganz oder in wesentlichen Teilen. Ebenso wie bei § 353 d) Nr. 3 StGB sind kleinere Zitate oder einzelne Sätze keine wesentlichen Teile, selbst wenn sie optisch identisch (etwa durch Abdruck einer im übrigen abgedeckten Kopie einer Unterlage) mit der Originalunterlage ist. Eine Wiedergabe im o. g. Sinne wird dann anzunehmen sein, wenn die zitierte Passage aus sich heraus aussagefähig und ohne erklärenden Kontext sinntragend ist. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist zunächst festzustellen, daß es dem Bundesgesetzgeber nicht bereits aus kompetenzrechtlichen Gründen versagt war, die Strafvorschrift des § 44 StUG aufzunehmen. Es handelt sich nicht um materielles Presserecht i. S. d. Art. 75 Nr. 2 GG. Wenn es der Presse untersagt wird, den Inhalt eines Aktenstückes der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, so bedarf keiner weiteren Erörterung, daß ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit vorliegt. Die verbietende Vorschrift kann zwar als „allgemeines Gesetz" angesehen werden. Die zulässige Grundrechtsbeschränkung muß aber auch geeignet, erforderlich und proportional (verhältnismäßig i. e. S.) sein. Maßstab für die Eignung der Vorschrift ist dabei allein der Betroffenenschutz. Wegen der zahlreichen Möglichkeiten, der Strafbarkeit nach § 44 StUG auszuweichen und (mindestens) den gleichen bloßstellenden Effekt für den Betroffenen zu erreichen, ist die Vorschrift aber evident ungeeignet, einen effektiven Opferschutz in den legitimen und verfassungsrechtlich zulässigen oder gebotenen Fällen zu bewirken. Insgesamt ergibt sich, daß — unter Zugrundelegung der einschlägigen Recht-

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sprechung des BVerfG — durchgreifende Bedenken bereits gegen die Geeignetheit des Gesetzes bestehen. Überdies ist die Vorschrift aber auch nicht erforderlich i. S. d. Übermaßverbotes. Die Vorschrift dient allein dem Betroffenenschutz. Geboten wäre daher eine Ausgestaltung als Antragsdelikt gewesen, weil eine vom Betroffenen nicht gewünschte Strafverfolgung nicht als erforderlich anzusehen sein kann. Aber selbst wenn man die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme unterstellen würde, verstößt die zu prüfende Vorschrift gegen den Grundsatz der Proportionalität. Die erforderliche Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit einerseits und den schutzwürdigen Belangen von Betroffenen andererseits hat sich weder in § 44 StUG selbst niedergeschlagen, noch läßt die Vorschrift Raum für eine Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen bei ihrer Auslegung. Dabei ist neben dem Veröffentlichungsinteresse der Presse auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Das StUG nimmt diese Bewertung mit seiner Strafvorschrift nicht vor und läßt eine solche auch nicht zu. Es verkennt, daß bei Informationen über Personen der Zeitgeschichte sowie bei Inhabern politischer oder höherer administrativer Ämter der Schutz des Persönlichkeitsrechts relativiert ist, wenn es sich nicht um Informationen aus der Intim- und Privatsphäre handelt. § 44 StUG hätte hier differenzieren müssen, was — wie festgestellt — nicht der Fall ist. Nicht zumutbar ist das Verbot der wörtlichen Veröffentlichung aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jedenfalls in den Fällen, in denen ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an der Aufklärung besteht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Information, die aus den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes veröffentlicht werden soll, sich gerade auf das Zusammenwirken (oder auch das Zusammentreffen) einer Person des öffentlichen Lebens mit dem Staatssicherheitsdienst bezieht. Es mag das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in Einzelfällen hinter den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen zurückbleiben, wenn der Staatssicherheitsdienst Material über jemanden gesammelt hat, das selbst in keinem Bezug zum Staatssicherheitsdienst stand.

V. Zusammenfassung der Ergebnisse betreffend der Verwendung von Drittkopien Wegen der besonderen praktischen Bedeutung sollen im folgenden — teilweise unter Wiederholung früherer Befunde — jene Ergebnisse zusammengefaßt werden, die sich im Hinblick auf die Verwendung von solchen Kopien von Unterlagen ergeben haben, die nicht bei dem Staatssicherheitsdienst oder dem Arbeitsgebiet 1

V. Zusammenfassung der Ergebnisse

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der Kriminalpolizei der Volkspolizei entstanden sind, in deren Besitz gelangt sind oder ihnen zur Verwendung überlassen worden sind (Drittkopien). Befinden sich im Besitz einer nicht-öffentlichen Stelle nur Drittkopien, so unterfallen diese nicht der Anzeigepflicht des § 7 Abs. 3 StUG. Ebenso können sie nicht durch den Bundesbeauftragten nach § 9 Abs. 2 StUG herausverlangt werden. Befinden sich im Besitz der nicht-öffentlichen Stelle neben den Drittkopien auch die diesen zugrundeliegenden Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes i. S. d. § 6 Abs. 1 StUG, so sind diese nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 StUG auf Verlangen an den Bundesbeauftragten zusammen mit den Originalen herauszugeben. Diese Vorschrift findet ihre Grenzen indes im Grundgesetz. Der Informationsentzug eines derartigen totalen Herausgabeverlangens verletzt die Presse in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und ist daher nichtig. Sowohl § 4 StUG als auch die §§32 ff. StUG beschränken die Verwendung der rechtmäßig in Besitz gehaltenen Drittkopien nicht, da sich diese Vorschriften allein auf die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes beim Bundesbeauftragten beziehen. Nach dem Wortlaut des § 44 StUG wird die Verwendung der Drittkopien aber strafrechtlich begrenzt. Nach dieser Vorschrift ist es strafbar, Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut mitzuteilen. Die Mitteilung einer Drittkopie im Wortlaut ist zugleich eine Mitteilung der Originalunterlage, ohne daß es auf die entsprechende Klarstellung in § 44 StUG ankäme. Jede irgendwie veränderte Mitteilung von oder aus Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes oder aus Drittkopien erfüllt aber bereits den Tatbestand der Strafbestimmung des StUG nicht. Darüberhinaus ist § 44 StUG aber insoweit verfassungswidrig, als er die Veröffentlichung im Wortlaut auch insoweit verbietet, als der Informationsgehalt der Unterlagen sich — jedenfalls bei Personen des öffentlichen Lebens — gerade darauf bezieht, in welchem Verhältnis die betreffende Person zum Staatssicherheitsdienst gestanden hat. Derartige Informationen können daher auch im Wortlaut veröffentlicht werden, ohne daß dies bestraft werden dürfte.

Κ . Wichtigste Ergebnisse 1. Die in § 7 Abs. 3 StUG geregelte Anzeigepflicht Privater betreffend Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist verfassungsmäßig. 2. Die in § 9 Abs. 1 StUG normierte Herausgabepflicht Privater betreffend ihnen nicht gehörender Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes ist verfassungsmäßig. 3. Besitzt eine nicht-öffentliche Stelle nur Drittkopien (die nicht beim Staatssicherheitsdienst hergestellt wurden), braucht dieser Besitz nicht angezeigt werden. Auch die Herausgabepflicht betrifft diese Bestände nicht. Die in § 9 Abs. 2 StUG vorgegebene Herausgabepflicht auch von Kopien und sonstigen Duplikaten herauszugebender Unterlagen bei gleichzeitigem Besitz der Originale stellt gegenüber der Presse (und dem Rundfunk) einen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar und ist deshalb verfassungswidrig. 4. Soweit die §§32-34 StUG der Presse den Zugang zu bzw. die Verwendung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes verschließen, die Informationen enthalten, die sich auf unverpflichtete Denunzianten und ähnliche Informanten beziehen, ist dies nicht nur rechtspolitisch überaus bedenklich, sondern verstößt auch gegen den Einigungsvertrag, nicht aber generell gegen die Verfassung. Die Regelung des § 34 StUG verfehlt aber wesentliche verfassungsrechtliche Differenzierungen zwischen Art. 5 Abs. 2 und 3 GG. Bei partieller Bekanntheit des Sachverhalts und überragendem Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit kann es (soweit es sich um Personen des öffentlichen Lebens handelt) verfassungsrechtlich geboten sein, einem Informationsverlangen der Medien im Einzelfall nachzukommen. 5. Die Strafvorschrift des § 44 StUG ist insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig, als er die wörtliche Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in den Fällen unter Strafe stellt, in denen ein erhebliches Informationsinteresse der Allgemeinheit an solchen Vorgängen besteht, in denen Personen Informationen an den Staatssicherheitsdienst gegeben haben, ohne Mitarbeiter oder Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes zu sein (ζ. B. Denunzianten). 6. Trotz des Wortlautes des § 44 StUG ist eine Veröffentlichung der erfaßten Unterlagen nicht strafbar, wenn diese Unterlagen bereits vorher veröffentlicht waren.

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