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German Pages 314 [316] Year 1801
Das Paradies der Liebe in zwölf Büchern.
Genus huic materna superbum Nobilitas dabat, incertum de patre ferebat.
Virgil 9, 34i.
Dritter Band.
Berli n, 180 i. 9 n Ungers Oournalhanblung.
Journal der Romane.
Achtes
S t ü ck.
Berlin, i 80r. I a
Unsers
Iournnll>andlunn.
«wi ihrer Landsleute aufzuopfern; Camilla
wünschte fid) aber auch den Beifall und die Achtung ihrer Jcachbarn zu erhalten.
*Dat>
Kind welches sie in den Armen trug, würde
ihr in England alle Thüren verschlossen ha ben,
in Calieut aber war es eine Empfeh
lung,
ein Paß van der sKutur selbst unter
zeichnet.
Oie Bereitwilligkeit und der Eifer
eines verliebten
Mädchens find lobenswür
dig, sie bleibt aber doch nur eine Freiwillige.
Die Mutter aber ist in Diensten des Staats
schon mit Lorbeern gekrönt.
Camilla drückte
das Kind der Liebe an ihren Busen,
und
fühlte zum erstenmale vollkomiiien, wie süß es ist, Mutter zu seyn. Die Schiffe im Hafen zu Calieut begrüß,
Un -en, Prinzen, und verkündigten seine-Zu rückkunft nach seiner Mutterstadt
FirnoS
stieg unter dem frohlockenden Zurufen feiner
Landsleute an das Land; aber sowohl seine
Großmutter als fein Oheim waren zü Vir»
napor. Oer alte Oberkammerherr machtr dem
Prinzen feine Aufwartung,
um ihm 'zu fei»
ner Einkunft Glück zu wünschen.' Bei dem
Anblick 9Ta(t>Dt,£i koünte er kaum seiner» Au gen glauben,' so' sehr hatten ihn feine Lei
den und feine lange Einkerkerung verändert, und doch mußte es der Sohn fetaeT Schwe
ster Rolida feyn^ Oer alte HofmanndrüEt ihn an feine Neust.
Naldor erkundigt sich
nach feiner Mutter.
»Lebt ste-d-enn-ttoch?^
ruft er voll freudiger Erwartung aus.
ylke Oheim schwieg;
Dee
aber die Thrans, di»
ihm in s Auge trat, war hinlängliche Ank*
wort.
Während dem mhn aufpannt^ ekkte Mr» nos nach der Wohnung feiner geliebten
tila, der er einst vor allen feinen Mitschüle
rinnen zu Romaran.den Vvrzug güb?Än^d-e^
6
reh 55ir> ihn so oft während seiner langen Abwesenheit beschäftigt, und die Langeweile Aweyer Seereisen verkürzt hatte.
Er war
aber nicht so glücklich sie zu treffen,
denn
den Tag vorher war sie nach ihrem Mut-
tersiy verreist, wo der Geburtstag ihrer Ur« groß mutier Medusa, durch ein Familienfest gefeyert wurde. »Aber mein theurer Prinz, sagte der gute
ölte Hofmann zu Firnoo. als er in das Schloß zurückgekehrt war.
Dringt Ihr uns
denn gar keine Nachricht von Eurer erha
benen Mutter? Muß das Reich die Trauer anlegen? und soll kein Strahl der Hofnung unsere Thränen trocknen?
Die ehrwürdige
Samorina liegt in den lezten Zügen, wenn
sie nicht schon jezt ein Leben geendet hat, welches ihr durch den Verlust so vieler Hof« nungsvoller Kinder verbittert wurde.
Ge
stern Abend schon brachte uns der Eilbote
die traurige Nachricht, daß sie nur noch we
nige Stunden würde
leben
können.
Der
Himmel weiß, welche Unglücksfälle noch den
Staat bedrohen.
Das Volk will durchaus
nichts von ihrer Gefahr
hören.
Vorigen
92ionot starb auch der Oberpriester von Ca-
licut.
Ihr wißt,
Nation gefchäzt,
wie er von der ganzen
beinahe angebetet wurde,
und warlich er war auch ihrer Liebe werth.
Jetzo
verbreitet sich das Gerücht, obschon
gewiß ohne allen Grund,
daß er auf sei
nem Sterbebette geweissagt habe: die Samorina werde erst nach der Zurückkunft ih rer Nachfolgerin die Augen schließen. Prinzessin
lächelt
über
diesen
Oie
Gedanken;
nichts aber würde den Glauben des Volks daran
erschüttern.
Aber eilt
mein Prinz,
wenn Ihr noch ihren Seegen zu wünscht.«* —
Firnos und
in den Wagen.
Camilla
erhalten stiegen
IO
Sei i^rcr Ankutist
Dirnapor gingen
die Bürger schweigend und in tiefen Schmerz
versunken, im Schlaßhof umher.
Olian um
ringte den Ißagen, und suhe den Kronprin zen.
»Co lebe der Prinz §irnod,« ries jede
Stimme.
Doller Ungeduld und in freudiger
Erwartung reißt man den Schlag des 2j3agens auf.
Hand, und
Oer Prinz giebt Camilla
feine
steigt mit ihr heraus.
Mai»
sieht feine stattliche Begleiterin, und jauch-
Jend ruft die Menge:
Cs lebe Agalva!
Oie Weissagung ist erfüllt, die Nachfolge rin kehrt zurück'«- Alles drängt sich nun um sie, man küßt ihr Kleid und ihre Hände.
Oer Prinz kann das vor Freude trunkene
Dolk seines Irrthums nicht überführen, denn
kindliche Psticht ruft ihn zu feiner sterben den Großmutter.
Oie ehrwürdige Samorina lag in den
lezten Zügen. Ihr Sohn, de? Kayser, knieete
i1
neben dem Bette.
Todesbläjse bedeckte ihr
Gesirrt; aber C'od) funkelte »hr Auge und
ihre Lebensgeister schienen zukückzukehren, als sie die (Stimme des Prinzen hurte; sie
ließ stch qufrichten um ihn zu umarmen. »2do
ist meine Tochter? fragte ste, wo
ist Agalva? Hast Du keine Nachricht von
Deiner Jltetter? « FirnoS, der durch eine zweydeutige Ant wort ihre lezten Augenblicke versüßen wollte,
antwortete ihr: »DTieine Mutter ist nicht mehr in England, sie hat es verlassen, um
nach Calicut zurückzukehren.« In dem nämlichen Augenblick horte man das Jauchzen und frohlockende Zurufen des
Volks.
Eine alte Kammerfrau eilte nach
dem Fenster.
»Die Prinzessin Agaloa i(t
da, ich sehe sie selbst,
umringt von einer
Menge Volks.« FirnoS erklärte den Irrthum» und sagte
ihnen wer es
wäre.
»Führ sie hieher,«
sagte die Samorina.
Firnos führte Camilla herein.
Die Sa
morina schlingt die Arme um ihren Hals. »Meine Tochter, sagte sie, FirnoS wollte
nicht daß die Freude mich todten sollte, und
verbarg mir Deine Zurückkunft.
Himmel,
vergieb mir meinen Unglauben; die Weissa
gung ist erfüllt! Ich sterbe zufrieden; meine
Augen haben meine Nachfolgerin gesehen.« Ermattet legte sse ihren Kopf auf das Küssen, und — entflohen war ihr Geist.
Oer Samorin stand auf, drückte einen Kuß auf die kalten Lippen seiner Mutter,
und eine Thräne fiel auf die Leiche.
Hier
auf wendete er sich zu Camilla. »Theuerste
Schwester, sagte er, in welchem traurigen Augenblick bist Du zurückgekommen.«
»Mein Oheim, sagte Firnos, auch
durch
bist Du
die Ähnlichkeit betrogen?« —
i3 Man ösnete jefit die Vorhänge der Fenster, die man vorher weil die Aranke nicht zu
viel Licht ertragen konnte, zugezogen hatte,
und der Samorin wurde seinen Irrthum gewahr.
Oie Fremde war noch im Früh
ling ihres Lebens,
sie schien ohngefähr so
alt, als Agalva war, da ste Jndoftan ver ließ, und ihre Ähnlichkeit mit der Prinzessin
war durch die nairische Kleidung vollkommen. Oer Kayser war untröstlich als er hörte,
daß die Reise gänzlich sehlgeschtagen war. Er
erkundigte
stch nach Oe Grey.
»Wie
glücklich ist er, ries er aus, ihm bleibt doch wenigstens noch die Hofnung seine Schwe ster zu finden; mir leuchtet aber nicht ei»
Etrahl von Hosnung
Das Geschlecht der
Samora muß erlöschen.« — Mehrere Tage hindurch war Agalva's Tagebuch seine ein
zige Unterhaltung. Indessen eilte der Adel aus ollen Pro-
i4
Dingen nach Hofe, uni dem Kronprinzen zu seiner Zurückkunft Glück zu wünschen.
Je
der erstaunte über die Ähnlichkeit Camilla s mit der
kayserlichen Faenilie.
OaS Volk,
ohne auf den Unterschied, des Alters zu ach
ten,
blieb fest bei seiner Meinung, daß es
Agalva selbst sei:
und Politiker stüsterten
sich viel twii wichtigen Staatsgeheimnissen in s Ohr.
Oer Hof hütete sich diesem Glau
ben zu widersprechen,
denn er fürchtete die
Verzweiflung der I7azion, wenn keine Samorina an ihrer Spitze .stände.
Oer Vev-
lusti einer'Bienen-Königin ist nicht so unep» sezlich, und kann nicht so viel Unheil in dem
ganzen Stocke verursachen. Sobald fefr geehrte Asche -er Samorina ift
der mütterlichen Gruft bergesezt war, befahl der Kayser die Lustbarkeiten in -er HaupSstadt zu vermehren, um die Aufmerksamkeit
des Volks von diesem Unglück akzulenken.
1.5
Auf einem Hos - Ball zu Birnapor, wo Caniilla schon vorher auf alle Tänze per-
sprechen war, wetteiferten die angesehensten Cavaliere ibr das Walzen zu lehren,
und
indem sie tanzte, konnte man eine Steckna
del fallen
hören.
Als
der Ball geeinigt
war, führte sie, wahrscheinlich ein Jiöir, bid
in ihre Kammer.
Ed wäre unter der Würde
der Geschichte, den Namen ihred Liebhabers
zu erwähnen.
Mit
Gleichgültigkeit
sah
auch Firnod
dad Glück eined Andern in Camilla'd Ar
ien,
denn ihre wechselseitige Leidenschaft,
war zu einer vernünftigen Freundschaft über
gegangen, die sich auf Hochachtung gründete.
Als man
die ^«-alabaeische- Küste
in
der
blauen Ferne erblickte, so erneuerte sich dad Bild Mitila'd, mit so
vielen Reizen ge
schmückt in seinem Gedächtniß,
daß seine
jugendliche Neigung wieder austebte.
Wie
iß kränkend war aber jezt ihr Betragen gegen ihn, so viele Wochen waren schon seit sei ner Zurückkehr verstrichen, und noch bis jezt
hatte sie ihn nicht besucht.
Alle Personen
von Stande waren nach Dirnapor geeilt,
um ihm ihre Aufwartung zu machen;
nur
seine Schulkameradin, die Gefährtin seiner
Jugend allein, war mit der größten Gleich
gültigkeit weggeblieben.
Ohne sie machte
ihm selbst auch der Tanz kein Vergnügen;
er tanzte zwar die Menuet und die ersten
Tänze mit, keine Schönheit von Malabar war aber vermögend, ihn zum Walzer auf
zumuntern. Einsam kehrt er in sein Zimmer zurück;
vom Bilde seiner Geliebten führt ihn die Reihe feiner Gedanken auf die Weiber über haupt.
Oie Reize der Liebe erschienen ihm
in ihren entzückendsten Farben.
Mit nei
discher Ungeduld denkt er sich jezt die übri gen
I?
gen Cavaliers, die er eben tattzSn sah, in -en
Armen
ihrer
muntern
Tänzerinnen.
Keine Dame theilt mit ihm fein Bett. 2Bar
eö nicht empfindsame Echwarmerey, als er den Walzer ablehnte? Muß er deswegen
seine Nächte einsam verschlafen >
weil JIu
und kann die Vernunft
fich wohl einbilden, daß fie um seinetwillen
gleiche Bedenklichkeiten machen wird?
In
diesem Augenblick vielleicht, genießt sie die Umarmungen eines Geliebten.
Heute ist
niehr werth als morgen; kein Nair darf eine Stunde der Jugend und der Gesund
heit in Unnützer Enthaltsamkeit verleben.
Ohne Ruhe wirft er sich in seinem ge räumigen Bette herum.
Oie Weite dessel
ben erinnert ihn an seine Einsamkeit; um sonst breitet er seine Arme aus, es eilt keine
Dame mit sympathetischer Liebe seinen llm-
drmungen entgegen. Das Par. d. L. 3ter Ld.
Umsonst bittet er um 23
i8
die Gunst deö Schlafs, auch dieser ist chm nicht hold.
Er richtet sich wieder auf; er
horcht, es herrscht eine allgemeine Stille.
Endlich erinnert er sich,
daß Farna den
Tanzsaal ohne Begleitung verlassen hatte,
da die Zahl der Damen die der CavalierS
übertraf,
und
nen Tänzer fand.
die Tochter Anora's
kei
FirnoS klingelt, ein Be
dienter führt ihn nach ihrem Zimmer. klopft der ungeduldige Jüngling
an
Leise
die
Thür; die Schöne steht auf und öfnet.
»»Gnädige Frau,
sagt er, ist es mir wohl
vergönnt herein zu kommen.« Mit einem reizenden Lächeln willigt sie ein.
Der Be
diente zündet die Lichter an, und zieht sich zurück. Kaum blickte der erste Strahl des Mor
gen» über die östlichen Gebirge, als ein Eil bote im Schloßhof von seinem schnaubenden Pferde stieg und in sein Horn stieß.
Er
brachte einen Brief an Daria.
'Pförtner klopfte
mers,
an
Oer
die Thür ihres Zim'
und FirnoS stand auf um ihm den
Brief abzunehmen.
Mit zitternden Händen
reißt ihn die Baronesse auf,
und laut auf«
schreiend fällt sie ohnmächtig in die Arme
des Prinzen. Ourch feinen Beistand erhohlt sie sich bald wieder,
lesen.
und giebt ihm den Brief zu
Er war von (Salicut, und enthielt
die schreckliche Iiachricht, Fieber das
daß ein heftiges
Leben ihres Sohnes
bedrohe.
Oie DTüirmnen find die besten DMfter, und
Farna zeichnete sich sogar auch unter ihren
Landsmänninnen durch ihre Muttci liebe aus. Kein Augenblick war jezt zu verlieren, fchäzbar war die Zeit.
un>
Cie gab sogleich Bei
st hl zum anspannen, und Firnos, in der Hofnung
die gelebte Ncitila dort zu treffen,
erbietet sich,
sie nach Calirut zu begleiten. B 2
ao In . einet halben Stunde waren sie schon
auf Dem Weg dahin.
Oec Samorin hatte sich die vorige Nacht sehr bald in sein Schlafzimmer begeben; doch auch ihn, fv gut wie seinen Schwe
stersohn, siohe der Schlaf; ober nicht Liebe, sondern andere Sorgen waren die Duette
feiner Unruhe.
Ea'nnlla'ö Bild schwebte im
mer vor seinen Augen, und blieb tief in sei ner Seele eingeprägt.
Er hatte sie tanzen
sehen, und ihre Ähnlichkeit mit seiner Schwe
ster
schien ihm
noch weit vollkommener.
Die Hofnung belebte seine Brust, daß sie
vielleicht die Tochter wäre, welche Agalva in England verlohr; denn keine Europäerin, von Kindheit auf an eine erniedrigende Un terwerfung gewöhnt, selbst auch die über
alle ihre Landsmänninnen erhabene Mar
garethe Montgomery, konnte einer Tochter von solchen Geistesfähigkeiten, von solchem
ai Freiheitssinn, und von solcher körperlichen Vollkommenheit, das Leben geben.
Nein,
sie muß die Tochter Agalva's seyn; sie al lein verdient eine solche Mutter, und auch
nur Agalva allein konnte die Mutter der
geistreichen Camilla seyn. Sobald er die Staats - Geschäfte geendigt hatte, (denn keine Familien-Sorgen konn
ten den Kayser verleiten, die Pflichten sei nes Standes zu vernachlässigen) eilte er in
den Garten, um> zü überlegen: wie er wohl am schicklichsten der Engländerin seine. Ge
danken mittheilen könnte; denn ob er, gleich keinen Grund hatte zu zweifeln, daß Ca-
mi-lla die Tochter der Montgomery sei., so btfeb er doch .fest. bei. dem Entschluß, ihr
seine Hosnungen zu entdecken.
Ein Weib
von ihrem Geiste, konnte sich schwerlich be
leidigt fühlen^ :daß. er an ihr eine Nichte zu finden hoste.
22
An tiefen Gedanken ging er vor sich hin, und seine Schritte führten ihn univillkühr
sich nach einem DHonument, welches seine
Murrer dem
Andenken Agaloa's hatte er
richten lassen. traurige
Griffe
Oft hatte sie sich in diese des Hains zurückgezogen,
und die Inschrift mit Thränen des mütter
lichen Schmerzes gebadet.— Aber Himmel! welchen
Gegenstand
erblickt er
da.
Eine
weibliche Gestalt stüzt sich in einer gedan
kenvollen Stellung auf den Marmor.
Sie
wendet bei seiner Annäherung daü Gesicht nach ihm zu, und er erkennt Camilla.
Eine
Thräne hing in ihrem Auge. -»Ja,
antwortete er auf ihre Frage nach
seinem Wchlbesinden;
ich bin nicht wohl,
doch steht es vielleicht in Eurer Macht mich zu heilen.«
Camilla erstaunte über-Biese Einleitung, und erwartete nun eine leidenschaftliche Lie-
93
beserklarung.
Cie fühlte sich zwar nicht
sehr zur 23efuefrigung seiner Wünsche ge< neigt, aber ihre Freundschaft für seinen Nef
fen, und ihre hohe Meinung von Agalva, bewegten sie mitleidig gegen ihn zu seyn. Unbegreiflich blieb ihr jedoch seine Traurig
keit, da sie so wenig dem National Cha rakter entsprach; denn wie konnte ein Nair seine Hofnung aufgeben,
ehe er eine sb-
schlägliche Antwort erhalten hatte.
Ornor^
obgleich schon im Herbst seines Lebens, bet faß eine schöne Gestalt und einen edlen 20v stand, die Blüthe der Jugend glühte zwar nicht mehr auf seinen Wangen,
aber die
Gemüthlichkeit der großen Welt erhvhete die Liebenswürdigkeit seines Umgang*;
Ea?
milla blieb aber bei alle dem gleich entfernt
von Vorliebe und Widerwillen gegen ihn,
bis endlich erhielt.
die Dankbarkeit die Oberhand
Eie schäzte feine guten Eigenschaf-
24 ten, und entschloß sich seine Qualen zu lin dern.
Mit einem liebevollen Lächeln reichte
sie ihm die Hand, und war bereit seine Um
armung zu erdulden. Oer ehrwürdige Fürst merkte ihren Irr
thum.
»Offenherzigkeit, sagte er lächelnd, ist
alles, was ich von Euch verlange; nicht Liebe. Nicht als Geliebte, sondern als Schwesterkind laßt mich Euch umarmen, und nie werde ich aufhören Euch wie ein Oheim zu lieben.
Eure glänzenden Eigenschaften,
Eure Ta
lente, und mehr noch als alles dieses. Eure täuschende Ähnlichkeit mit meiner unglück lichen Schwester, haben mich schon längst für Euch eingenommen. — Ach, Camilla?
fuhr er mit einer Wärme fort, die sie ganz überraschte;
reißt
diesen
geheimnißvollen
Schleyer, der über Eure Geburt hängt, hin
weg.
Ich beschwöre Euch, Camilla? bei al
lem was heilig ist, beschwöre ich Dichsag'
L5 mir: bist Du die - Tochter' von Margaretha Montgomery?«
"Mein Gott! rief die erröthende.Cannlla; was hat Euern verdacht erregt? Wer hat Euch gefügt,
daß
ich
nicht ihre Tochter
bin "Richt ihre Tochter?c< stet ihr der Kay
ser in die Rede, und zeigte auf das Brustbild Agatva's auf dem Rtonumente
"Das
ist Deine Mutter! Hat nicht kindliche Liebe Dich
hierher geführt,
mit den
um Deine Thränen
meinigen zu vereinigen,
diese Einsamkeit mit mir zu theilen.
und um Komm
in meine Arme, Tochter Agalva's; ich bin
Dein Oheint.« Er drückte sie an seine Brust,
und be
deckte sie mit seinen Küssen. Camilla konnte in dem Übermaaß ihrer Gefühle keine Worte finden,
nen aus.
sie brach in eine Fluch von Thro
Endlich wand sie sich aus fernen Armen. »Ihr spottet meiner, sagte sie, oder täu
schet Euch;-denn wie ist dies möglich?«
»Darfst
allein
möglich,
es ist gewiß!
Agalva verlohr ein Kind in England, und dieses Kind bist Du.«
Er ziehet sie von neuem an sich,
und
schließt sie noch fester in feine Arme. Thrä nen der Freude rollen über seine Wangen
herab.
Sein Kopf ruhet auf ihrem Busen.
— »Grausame Oöva, sagte er. Du sähest unsere Schmerzen, und konntest diese Ent
deckung so lange verzögern.cc — Mit einem Kuß versiegelte er die Vergebung.
»Wollte doch der Himmel, antwortete
Camilla, daß diese Beschuldigungen gegrün det wären! Könnten wvhb meine Wünsche
nach einem größeren Glück, oder meine Ehr sucht nach einer höhern Würde streben, als
Eure Dachte und die Tochter Agalva's $u
s? seyn.
2fA? Ich muß Eucch, um Eure Täu
schung zil endigen, alles» aufklären;
mein
reich an sonderbaren Bege
Lebensla-rf
benheiten- — Hört meine Geschichte.« Diese Einleitung war hinlänglich, jede Hofnung deö Kaysers zu ersticken.
Ernst
und in nch versunken saß er, als Camilla
in der Erzählung ihrer Geschichte fortfuhr.
— »Die
ersten
Jahre
meiner Kindheit,
schweben vor meinem Gedächtniß wie hie
undeutlichen
Bruchstücke
eines
Traumes,
und ich ivac schon alt genug die Kinder stube zu entbehren, als ich erst die Nebel,
die über meiner Wiege hingen, durchdrin gen konnte.
Kaum hatte man dje zarten
Glieder des vornehmen Säuglings in Spiz-
zen und Seide eingewickelt; als das Unge fähr mich von der entnervenden Sorgfalt
rettete,
mit der man mich unter meinem
väterlichen Dache schwach und unbehülstich
hätte.
gemacht
Ein
majestä tisch er
Forst,
unter dein Dach des Himmels, wurde mein Spielplatz; auf keinem Teppich, sondern auf
dem bethaueten Grase spielte ich,
und bei
der Annäherung der Nacht, schlich ich mich wo ich so glücklich
in das erste beste Zelt,
war Plaz zu finden.
Oer Himmel weiß,
wie dankbar ich ihm für die Güte und Weis
denn dieser rau
heit feiner Beschlüsse bin, hen Lebensart
verdanke
ich meine Leibes
stärke, meine Gesundheit und vielleicht noch
manche
Eigenschaft,
fchäzbaren Beifall
welche
mir
den
un-
Eurer Majestät erwor
ben hat.1 In einigen Provinzen Englands lebt ei« das stch von
Volk,
den übrigen Einwoh
nern merklich unterscheidet.
dere
Dieses
beson
Geschlecht besteht in rauhen Horden,
die nicht nur an bildung
einer besondern Gesichts
und Farbe kennbak sind,
sondern
auch eine eigne Sprache haben, die nur von
jhren Mitgliedern allein verstanden wird. Oer Wildheit ihrer Dorsahren sind sie be
ständig treu geblieben.
Nach bis jezt ist
man ungewiß in welchem Jahrhundert ihre
erste Niederlassung Statt fand; auch weiß
man nicht, wie ste, da sie nichts von der Schiffahrt verstehen, über das Meer auf unsere Insel gekommen stnd.
Man nennt
sie Zigeuner, und hält ste für Abkömmlinge der alten Egyptier.
Cie haben keinen be
ständigen Wohnort, sondern wandern, wie die wilden Araber, truppweise von Watd Wald.
Oie Männer treiben das Hand
werk der Kesselsticker, und die Weiber setzen die Leichtgläubigkeit der Dauern in Contri-
bution, indem ste stch eine Geschicklichkeit in der Zauberey und Wahrsagerkunst anuiaaßen.
Schlagen diese Erwerbsmittel fehl,
so legen ste sich auf das Stehlen, und der
3o
reichte Pachter verflucht die 2fnno[>iTung die
ser lästigen Landstreicher.
Zu ihrem Unter
halt brauchen sie indeß äusserst wenig, denn da ste abgesagte Feinde der Politur einer
gesitteten Lebensart sind, so können sie auch
den LuruS desselben sehr leicht entbehren. Daü reine klare Brunnen - Wasser ist ihr
Trank, und ihr genügsamer Appetit, nimmt mit dem Fleisch derjenigen Thiere vorlieb,
die ihre Nachbarn mit Abscheu
ansehen.
Ocü Nachts plündern sie die Schaafhvrden,
und öfters kehren sie beladen mit dem Aas des wachsamen Hundes, und dem Echaaf das er beschüzte, zurück. Oie Wohnungen dieser abgehärteten Hör«
den sind so elend als ihre Kost; in
der
freien Luft gebohrcn, wohnen sie unter dem
kargen Echirm eines wankenden Zeltes, des«
sen Wände von jedem Winde aufgeblasen,
oder von dem Gewicht des Schnees gcbo«
Öl
gen werden; und loben die : Vorzüge ihrer
tragbaren Wohnungen, indem sie im Dorbeiziehen üb--r die prächtigen Schlösser des Lords,
und die gemächlichen Hütten seiner
Unterthanen spotten. Don ihrer ersten Kind^ heit an, an Hunger, Durst und Strapazen
gewöhnt, bleiben sie immer geduldig, stark, behend und gesund;
sie marschiren ohne
müde zu werden, viele Tagereisen hinterein
ander , klettern über die höchsten Mauern, springen über die breitesten Graben, und
stürzen sich in den reissendsten Strom. Knaben und Mädchen werden zusammen und
auf einerlei Weise erzogen, daher,üben auch
die Männer keine tyrannische Gewalt über die Weiber, die ihnen an körperlicher Stärke wenig nachstehen.
Hier freut sich die Liebe ihrer ursprüng
lichen Freiheit.
Ohne Eheketten zu tragen,
und ohne dem strengen Urtheil der ongli-
42
schen Derenz unterworfen zu seyn.,
folgen
die Weiber der Stimme der Jiatur, wenn die Christin sich freier fühlt,
Bewohnerin eines Harems, Zigeunerin
in
gleichem
und
als die
so genießt die '
Verhältniß
niefjr
Freiheit als andere 2i?ciber der Christenheit. Unter diesem Kindheit,
Volke verlebte ich meine
und war schon in meinem neun
ten 3ar>re als die See ne sich veränderte^ Dis
dahin betrachtete ich immer eine alte
als meine 32iutter,
Zigeunerin
die wegen
ihres Muths und ihrer Geschicklichkeit im
Stehlen und Wahrsagen
serer Horde
einem Korbe
genoß.
die Achtung un
Auf ihrem Rücken in
befestigt,
um
durch
mein
Schreyen das Mitleid der Leute zu erregen, reiste ich
mit ihr durch
die benachbarten
Dörfer, und nie fehlte es uns an Almosen. Als ich alter wär, führte sie mich an einen
Fluß, der sich durch den Wald, schlangelt^
zog mich als, sprang mit mir in den Strom, und
lehrte mlä)
Ufer schivinmen.
ich es so neit,
bis
an das gegenseitige
Unter ihrer Leitung brachte
daß kein Kind von meinem
Atter mit ptcher Geschicklichkeit einen Hüh-
nerhof plüiderte und manche alte Jungfer trauerte üler den Verlust ihres Katers, den
ich wegzulrcken wußte, um bei unserm näch
sten Gastmihl aufgetischt zu werden. Oft mochten wir Kinder eine Jagdp^rtie in dem Gehäge eines benachbarten Jun kers. lich.
Unstre Schnelligkeit
war
unbegreif
Im kaufen ermüdeten wir die Kanin
chen,
oder schlugen sie mit unsern Prügeln
todt.
Als ich einst von dieser Übung zu-
rückkam, sah ich eine Dame zu Pferde, die
mir der alten Zigeunerin in einem ernsthaf
ten Gespräch begriffen war, in
einer prächtigen
Livree
ein Bedienter begleitete
sie.
Bei meiner Annäherung sagte die gute Alte Das Par. d. C. Zr Bd.
C
34
ju mit*
»Liebes Kind diese Dame ist ge
kommen um dich abzuhohlen; lebe wohl,
wir werden uns schwerlich Wiedersehn! aber du wirst glücklicher mit ihr seyn; du wirst eine große Dame werden,
und uns bald
vergessen.«
>*9uin ries ich aus,
ich will dich nicht
verlassen; hier will ich bleiben, und keine Dame werden!«
e Sie küßte mich,
riß stch von mir los,
und lies so schnell als möglich,
nicht mehr sehen konnten.
bis wir sie
Ich war zu be
stürzt um ihr folgen zu können, wie vcr» steinert stand ich da.
Der Bediente sezte
mich auf fein Pferd, und in einer halben
Stunde war der 2k-ald hinter uns.
Auf der Chaussee erwartete uns ein 2£>a* gen, die Dame verließ ihr Pserd und stieg
hinein, der Bediente sezte mich ihr zur (r eite
und befahl dem Kutscher nach j^aufe zu
35 fuhren.
Unser Stillschweigen wurde
durc- mein Schluchsen unterbrochen.
nur »Ach,
ich unaufhörlich.
meine DHuttcr,« seufzte
»Camilla, sagte die Dame, nachdem sie ihre Augen lange auf inich gerichtet hatte, »Camilla — dies ist dein eigentlicher Ttome —
tröste dich!
von nun an werde ich deine
Mutter seyn, da deine wahre Mutter schon
langst todt ist. Bald darauf erfuhr ich auch das Ge
heimniß meiner Geburt.
2öilhelni Harford,
Mein Vater, Sir
eih reicher westindischer
Varonct hatte ihre Schwester geheirathet, und ich war das einzige Kind dieser Ehe. Mährend ihres
Aufenthalts
in
England
hatte mich die Zigeunerin, bei einem Besuch, den meine Eltern der Schwester mei ner Mutter,
auf
meiner jezigen Wohlthäterin,
ihrem Landsitz
abstatteten,
Nachdem jede Nachforschung C 2
geraubt.
wegen
mir
36
sehlgeschlagen
sie
mar, reisten
3*c
nach
moicti zurück, wo sie kinderlos starben. Nach einigen Stunden hielten wir vor meiner Tante.
dem Landsitz
Oie Pracht
und
der Dau desselben sprachen laut von
dem
Geschmack und
Besitzerin.
Sie
dem
bestimmte
Reichthum
für
mich
der ein
Zimmer neben dem ihrigen, und befahl den Domestiguen,
mich als ihre Nichte zu be^
trachten.
Fürchtet
nichts,
gnädigster
Herr,
für
meine nachherige Erziehung und die komrnenden Aussichten.
Ich war nicht in die
Hände einer gewöhnlichen Europäerin ge fallen.
Cornelia Northcote war keine all-
tägliche Frau;
sie war das ächte Gegen
stück zu allen ihren Landsmänninnen.
Mein
Großvater starb gerade als Cornelia mün dig war, tern
ein
und hinterließ seinen drei Töch
beträchtliches Vermögen.
Dies
37 lockte kiltürlicherweise viele Liebhaber herbei. Meine Mutter und
meine zweyte Tante
fanden bald f^r gute Partieen ;
aber Cor
nelia, von einer ungemeinen Liebe zur Un* abhänctgkeit, und von einem ächten FreihcitSgest beseelt,
aus.
*>sl
schlug jedes Anerbieten
sie die älteste Tochter war, so
bekam sie den Familien-Sitz zu ihrem An
theil, und in den reizenden Haynen dessel
ben riif sie die Musen zu ihrem Beistand,
und wdmete sich jedem Zweig der Wissen schaftei.
Mit glücklichem Erfolg betrat sie
jeden Vsad der Gelehrsamkeit, und das Pu
blikum bewunderte alles, was ihre frucht
bare Fedor hervorbrachte.
Sie war nicht
weniger fähig eine ausgesuchte Gesellschaft
durch ihre Unterhaltung zu belehren, als
in den Zirkeln der großen Welt zu glänzen. Orr Zutritt zu ihrem Puztifch und zu ihrer
Bibliothek machte sowohl den Stutzer als
38 den Philosophen stolz; und
eine Menge
Bewunderer flatterten in ihrem Gefolge auf den öffentlichen Promenaden. Oec Gelehrte
bat sie um Erlaubniß ihr
sein
neuestes
Werk widmen zu dürfen; der Schauspieler
bat um ihre Verwendung zu seiner Benefiz; das Parlaments-Mitglied um ihren Rath
wegen irgend einer politischen Maaßregel,
und der Lord um ihre Hand, um mit ihn, einen Gallaball zu zieren. Don ihr erhielt ich
meine Erziehung,
und wo hätte ich wohl eine bessere Lehre
rin finden können?
ren Schutz nahm,
Als fie mich unter ih lag ich noch in der ro
hen Unwissenheit der Statur.
Ich konnte
weder lesen noch schreiben, und war in aller
Geistesbildung hinter den Kindern von glei chen Jahren eben so weit zurück, als ich fie
an körperlicher übertraf.
Starke und
Behendigkeit
Eine Menge Wörter.aus der Zi-
Ö0
geurierfprnd)«
(Sprache Ausdauer
Vald
sogar
machten
unverständlich; siegte^ über
auch
doch
jede
meine.
Cornelia'S
Schwierigkeit»
sprach ich mit Reinheit und
besaß
hinlängliche Fertigkeit im lesen und schrei ben.
Ich bekarn allerlei Lehrmeister, und
kurzer Zeit verstand
ich
Latein,
und
konnte mich mit meiner Tante französisch
unterhalten, welches sie fast so gut sprach,
wie ihre Muttersprache.
Da sie die meisten
europäischen Länder besucht hatte, machte
sie sich ein Vergnügen daraus, den
mich mit
verschiedenen Sitten und Gebräuchen
des festen Landes bekannt zu machen. Den
noch blieb die Geschichte mein Lieblingsstu dium, und die Mathematik behauptete den
zweyten Platz. Oie Winter brachte Cornelia in London zu; Ihr kennt die europäischen Dorurtheile;
Ein Weiberrock ist das Zeichen der Knecht-
4° jchaft,
und ich freute mich wie ein Gatec.
renfdave
ber feine Ketten zerbrochen
wenn ich ihn wegwerfen durfte.
hat,
Cornelia
ließ mich wie einen Knaben kleiden, und in
dieser Tracht begleitete richtshöfe.
ich sie in die Ge
Eie machte mid> auf die Weih
heu unsrer Gesetze aufmerksam,
und flößte
mir eine Vorliebe für die englische Verfas sung ein.
Cie besaß das beste Herz, gleich
voll von Menschenliebe und Patriotismus, und doch war ihre Eeele fest und unerschüt
terlich.
»Alles sehen, fugte sie, ist das beste
Mittel nichts zu bewundern.« — Dies war ihr Grundsatz nach dem sie handelte.
Als
der Richter das Todesurtheil ausgesprochen hatte, mußte ich nicht allein den Verbrecher
hinrichten sehen, sondern wir besuchten nach
her auch die Anatomie, wenn sein Körper
zergliedert wurde.
Eine gewöhnliche Mut
ter in England wurde ihrer Tochter auf das
4r strengste befohlen haben, den Anblick eines nackende" Mannes zu scheuen; aber dachte anders.
sollte doS was
Cornelia
„Warum, sagte sie,
Geschöpf sich schämen zu sehen,
dec Schöpfer sich
nicht schämte zu
machen.^ Mit solcher Sorgfalt arbeitete sie an der Ausbildung meines Geistes;
um" die
Vervollkommnung meines Körpers war sie
nicht weniger besorgt.
Meine zigeunerische
Lebensart hatte mir eine Stärke und Be hendigkeit gegeben, die ich ohne diese nicht
würde erhalten
haben.
Oer Tanzmeister
wunderte sich über meine Behendigkeit, und
da
die Reitkunst eine LicblingSzerstreuung
meiner Tante war,
so begleitete ich sie im
mer wenn sie auf die Parforce-Jagd ritt; keine Hecke, kein Graben konnte mich dann
aufhalten, gewöhnlich war ich die erste bei
den» Tod des Fuchses, und der Stolz der
42 Landjunker
wurde
nicht wenig gekrankt,
wenn es nach den Waidgesetzen einem Mäd chen zukam, den Fuchsschwanz im Triumph
za tragen. Bald nach meiner Ankunft in Ilorth»
rote - Park,
ging ich einst in deni Garten
spakieren, durch, welchen sich ein Fluß schlän gelte;
als ich über eine ländliche Brücke
ging, blieb meine Uhrkette an einem Haken hängen und die Uhr stet ins Wasser. Ohne
Bedenken zog ich mich aus, sprang in den Fluß, und bekam sie wieder.
Oie Glocke
läutete zur Mittagstafel, ich eilte in den
Speisesaal; meine Tante sah mein nasses Haar,
und war mit meiner Kühnheit sehr
unzufrieden; wie freute sie sich aber, als sie
erfuhr daß ich schwimmen konnte. Sie ver
bot jedermann sich dem Flusse zu nahen,
und begleitete mich den folgenden Tag da hin, um Zeugin meiner Geschicklichkeit zu
43 seyn, die fit mich nie zu vernachlässigen bat.
Doch
mußte diese Übung in England ge
heim gehalten werden, um kein Aufsehn zu
machen.
Damals war ich weit entfernt mir
einzubilden, daß das Schwimmen eineMode-
Zerstreuung am Hof Eurer kayserlichen 3Ka* jeftät wäre.
Oie Geschichte meiner Entdeckung wurde bald in der ganzen Provinz bekannt, und
mit taufcnderley abgeschmackten Vergröße rungen sprach man von der sonderbaren Er ziehung, die meine Tante willens wäre mir
zu geben.
Blos uni mich zu sehen,
ward
ihre Einsamkeit oder ausgesuchte Gesellschaft,
sehr oft von der langweiligen Iceugierde ih rer Nachbarn unterbrochen.
Man unter
suchte mich wie ein unbekanntes Wunder thier.
aus
Jede Familie in dec Gegend, die
London Besuch
bekam,
brachte ihre
Gäste gewiß mit zu uns, um mich als das
44 merkwürdigste Erzeugniß des Landes an«
zugaffen. Obgleich viele Mütter ihre Töchter mit brachten, wo es mir also nicht an Gelegen
heit fehlte Bekanntschaft mit meinen jungen Landsmänninnen zu machen, so fand ich doch wenig Vergnügen an ihrem Umgang,
und konnte unmöglich mit einer von ihnen Freundschaft schließen.
Aber, die Wahrheit
zu gestehen, auch sie zeigten kein großes Verlangen nach meiner näheren Bekannt
schaft.
Ihre Unterhaltung war mir zu ab«
geschmückt, ihre Manieren zu unnatürlich,
und ich mußte ihnen ohne Zweifel eben so
unausstehlich Vorkommen.
Ich war nicht
in deni Modejournal belesen, kannte sogar die mehresten weiblichen Arbeiten nicht ein
mal dem 97amen nach, konnte weder sticken noch stricken, weder nahen noch säumen. Denn —* warum sollte die vornehme Dame
4> ihre chjne Putzmacherin seyn? dec Cavalier
ist ja auch nicht fein eigener Schneider.
Beide Geschlechter brauchen nur so viel von dein Klttderwesen zu verstehen, um nicht von ih-en Handelsleuten betrogen zu wer
den, und obgleich die wirthschastlichen An gelegenheiten in das Departement des Wei
bes gehören, so kann sie doch den häusli chen Geschäften vorstehen und einen Küchen zettel schreiben, ohne mit eigner Hand ein
Tischtuch zu bügeln, oder einen Pudding zu
kochen.
Knechtische Beschäftigungen mästen
Händen
verrichtet werden.
Oie Geistesbildung sei
die Beschäftigung
von
unedlen
der Dame, eben so gut als des Herrn von
Stande. Da meine Unterhaltung diesen gezier
ten Fräuleins wenig gefiel,
so
konnten
meine Spiele und Leibesübungen noch we niger ihren Beifall erhalten.
Wenn ich ih-
46
ncn unwissend in dec ersten schien, so Oies fen ste mich für roh und ungesittet in den
lezten, denn keine traute sich auf das Graü
zu treten, uni ihre Füße nicht naß zu ma chen, und hütete sich sehr zu laufen oder irgend eine andere heftige Bewegung zu
machen, um ihren Kleidern nicht zu schaden. Diele Mütter getrauten sich sogar nicht ihre Töchter allein mit mir zu lassen, damit sie nicht von der kleinen Wilden, wie sie mich
nannten, unmanierliche oder unsittliche Ge
wohnheiten erlernten. bü ist gar kein Wunder,
diese Art, gegen
daß ich auf
solche Geschöpfe wenig
Neigung fühlte, und jede Annäherung ver
mied.
Von den Männern faßte ich bald
eine bessere Dlieinung;
die Geistesbildung,
die körperlichen Vorzüge und Unabhängig keit derselben, waren eben so viele Empfeh
lungen für mich.
Einst begleitete ich meine
47 Tante auf die Jagd, an welcher auch der
Ct’bn eines Edelmanns dessen Gut etwas entfernt lag, mi( Theil nahm.
Es war
schon spät als die Jagd vorüber war, und er konnte nicht hoffen noch bei Tage nach
Hause zu kommen, übrigens war auch kein
Mondschein und der Weg leicht zü verfeh len-
Cornelia
lud ihn
deshalb ein, zu
OTorthcote zu übernachten.
Dieser junge Mensch studirte auf der
Schule zu Eton, und erzählte mir mit vie
len« Vergnügen seine jugendlichen Streiche. Er entwarf mir ein so vortreflicheü Gemälde
von dem Institut, der Freiheit, den Beschästiljungcn und Zerstreuungen der
dortigen
Jnnglinge, daß ich mit der DTatur zürnte,
daß ich kein Knabe geworden war, und mir kein größeres Glück denken konnte, als ein Etonenfec zu seyn.
Ich war mit diesen Gedanken so sehr
beschäftigt, daß ich günz tiefsinnig wurde.
Cornelia fragte nach der Ursache meiner
Schwermuth, und lächelte über den roman haften Wunsch; konnte aber keine Möglichkeit der Erfüllung sehen.
Endlich fiel mir
ein, daß ich in meiner männlichen Tracht, Zu welcher ich schon so oft meine Zuflucht genommen hatte, wohl für einen Knaben
gelten könnte.
Meine Tante zeigte mir
alle Schwierigkeiten dieses Plans, aber keine
Bedenklichkeit konnte mich davon abschrek-
ken. Sie willigte endlich ein, gab mir viele Maaßregeln für mein künftiges Betragen,
ich warf meinen Weiberrock weg, langte zu Eton an, und wurde unter den Schulern ausgenommen.
Mit Zuverficht wagte ich mich
unter
vierhundert junge Leute, und war überzeugt, daß selbst der Jüngling der mit mir auf
ber Jagd gewesen war, mich in meiner
neuen
4g neuen Aeldung nicht erkennen würde. Wie
glücklich fühle ich mich in meiner jetzigen
Lage?
Ach liebte zwar niemand auf dek
Wett, nie meine Tante; wie mehc Mutter,
ich
verehrte
sie
und hatte vor ihr wie
vor einun Freunde keine Geheimnisse.
Dem-
ohngeanret sehnt sich ein Kind doch immer zu andc n Kindern von gleichem Alter. Ich stand in meinem fünfzehnten Jahre und ge* nofi jezl ganz die Vorzüge meiner zigeune rischen ?ebenrart;
und
Muth
ich übertraf an Stärke
die glcichjahrigen
Jünglinge,
und wcr gewöhnlich der Anführer bei un sern Spielen.
Auch gewann mir der Fleiß
in meinen litterarischen Arbeiten,
den Bei
fall der Lehrer und die Achtung der ganzen
Elaste.
Ein ganzes Jahr war schon verstrichen
daß ich auf der Akademie war, und mein Geschlecht war noch immer unentdeckt Dcs Par. d. L. Zr Bd.
O
ge-
so
blieben.
Monat Juny,
Es war im
Sonne brannte
die
mit ungemeiner Gewalt,
und die Hitze dieses Sommers war in un
serm Klima ganz ohne Beispiel; ich schweifte
eben in den Feldern, die an unsere Schule gränzten, herum, und lagerte mich endlich ermüdet von der unausstehlichen Hitze an das Ufer der Themse.
Manche
meines zigeunerischen Lebens
Szenen
gingen
vor
meinem Gedächtniß vorüber, und der Strom
der vor mir hinrauschte machte in mir den Wunsch rege, mich hier wie zu Northrote zu baden.
Ich vergaß die Ermahnungen
meiner Tante; ich sah mich um, und da ich feinen Zeugen wahrzunehmen glaubte, zog
ich mich aus, und stürzte mich in den Fluß.
Doch ach! ich betrog mich.
Ein Schüler
saß hinter einem Weidenbusch und angelte; aufgebracht darüber,
daß ich das Wasser
beunruhigt hatte, trat er hervor und ent
deckte mein Geschlecht.
5i
Mein Geheimniß war jezt in der Ge walt eines sehr egoistischen und ueraisnungd*
würdigen Menschen.
Seine riesenmäßige
Gestalt war eben so anwuthloS,
als sein
Geist ungebildet und sein Herz jeder groß
müthigen Empfindung unfähig war.
Von
der Liebe kannte er nur den physischen Ge nuß, und seine thierischen Begierden hatten
ihn schon oft gereizt, den Mädchen der be
nachbarten Stadt Vorschläge zu thun; da aber seine Häßlichkeit der Befriedigung sei
ner Lüste immer im Wege stand, so wurde seine Selbstliebe beständig durch Abweisun
gen gekränkt.
Um so erwünschter war ihm
jezt die Gelegenheit, wo, wie er glaubte, ein Mädchen sich ihm auf Gnade oder Un
gnade ergeben müsse.
Er nahete sich mir,
beschämt und verwirrt stand ich da.
Ohne
Schonung machte er mich jezt zum Gegen
stand seines plumpen Witzes, und seines D 2
pöbelhafte» Spaßes, und ohne weitere Um stände forderte er zum Lohn feines Still schweigens die Befriedigung feiner Begierde. Ich schlug fein Anerbieten init Verachtung
ab, und stieß ihn mit Abscheu zuruck; er gcrieth in Wuth und wollte seine Starke an mir üben, ich mußte also Gewalt mit
Gewalt vertreiben.
unerwarteten
Abgeschreckt durch den
kräftigen
Widerstand
eines
Mädchens änderte er fein Verfahren, und
bemächtigte stch,
da ich ganz nackend war,
meiner Kleider,
und wollte mich in dieser
Lage verlassen
Was sollte ich thun? Sollte
ich da bleiben, um mich dem fühlloscn Muth
willen jedes Vorübergehenden auszusetren, und mir durch die Entdeckung meines Ge
schlechts die Rückkehr nach der Schule un« möglich machen? Bei diesem Gedanken ver schwand mein Zorn, meine Thränen fingen
an zu fließen, und ich versuchte es, ihm
53 Mitleid, einzuflößen; doch alles vergebens,
er bestand auf feine Bedingungen; es blieb mir also keine Wahl übrig, als entweder mich seinen Umarmungen zu unterwerfen,
oder seiner höchsten Bosheit Trotz zu bie
ten.
Frei von allen Vorurtheilen, hielt ich
zwar die Liebe für das angebohrne Recht jedes lebendigen Wesens, aber ich fühlte kein Verlangen die Liebe dieses Satyrs zu
befriedigen, dessen Ansehen mir schon Ekel
verursachte; ja hätte selbst ein Adonis mie meine Liebe in einem so gebieterischen Tone abgefordert, so würde ihn mein Stolz mit Spott zurückgewiesen haben.
Ich versuchte
es, mich mit Gewalt meiner Kleider zu be
mächtigen, doch mit einer füllosen Ruhe ent
fernte er sich damit. Vergebens rief ich ihm nach, um ihn zur Rückkehr zu bewegen.
Doch das Ungefähr
begünstigte mich; in dem nämlichen Au-
54 genblick kehrte ein Schüler von ganz ent, gegengesetztem
Karakter über
Feld nach der Schule zurück.
das
nächste
Was blieb
mir noch zu thun übrig? Er war allgemein
und nicht ohne Ursach beliebt, und
in der
Hofnung daß ein großmüthiger Jüngling das Zutrauen ein eit Mädchens, welches ihn um Schutz bittet, nicht mißbrauchen würde,
rief ich ihn zu Hülfe.
Bei der Stimme ei
ner Hülstosen sprang
er über die Hecke;
mein Verfolger ließ meine Kleider fallen,
und ich warf geschwind mein Hemde über mich, uni meinem Erretter zu danken. Wie
groß war seine Verwunderung, kaum glaubte
er seinen Augen;
ich, sein Mitschüler: ich,
der am besten Ball spielte,
war ein Mäd
chen !
Mein Befreier besaß zwar nicht die ko, lossalische Größe des andern; aber Stärke zeigte sich in jeder Sehne, in jeder Muskel;
fein Muth war bekannt, und fein Mangel
nn Größe wurde hinlänglich durch feine ZZehendigkeit ersezt.
Er schlug meinem ge
täuschten Verfolger vor, ihn nach der Schule zu begleiten, und da dieser es nicht füglich abschlagen konnte, so nahm mein Erretter aus die höflichste Art Abschied von mir, und
entfernte stch mit dem andern, dem er, wie
id) nachher erfuhr, daü Versprechen abnö« lhigte, mein Geheimniß nicht zu verrathen. Oie Verwirrung in der ich die nächste
Ilacht zubrachte, und meine Verlegenheit als ich den folgenden £ag durch eine Reihe
Junglinge ging, um meinen Platz in dec Kirche einzunehmen, werde ich nie vergessen. Wenn jemand von Ungefähr seine Augen
auf mich richtete, so fürchtete ich schon ec
wisse mein Geheimniß, und lächelte jemand, so hielt ich mich für den Gegenstand seine-
2üitzeS; ich wußte nicht nach welcher Seite
ich meine Blicke wenden sollte. des Gottesdienstes
wie auf
den
blieben
Boden
Während
'meine Augen
geheftet,
und
die
Schaamröthe verließ nie mein Gesicht.
Nach einigen Togen, als ich fand daß
ich nicht verrathen war sondern mich blos
mit unnützer Furcht gepeinigt hatte, erhohlte
ich mich wieder, und mit meinem Vertrauen wuchs auch
meine Dankbarkeit gegen den
großmüthigen Jüngling, der mich gerettet
hatte. Doch etwas kränkte meine Eitelkeit sehr;
der,
dem ich so viel schuldig war, schien
niich
meiden, und id) konnte keine Gele
genheit finden, ihm meine Dankbarkeit autk
zudlücken, 'oder um seine Freundschaft zu bitten.
Ich bemerkte Zwar oft daß seine
Augen auf niich gerichtet waren, begegne
ten sie aber den meinigen, so waren wie
beide gleich verwirrt; ich wußte nicht ob ich
$7 dieses günstig für mich auslegen sollte; aber alles
vermehrte
meine Neigung
zu
ihm.
Seine anmuthige Gestalt, seine Geschicklrch-
keit in jeder Leibesübung, seine ausgezeich neten Talente, besonders aber seine Ver
schwiegenheit wegen
des
lezten
Vorfalls,
sprachen alle laut zu seinem Besten.
In der That, gnädigster Kayser, (da ich hier in Malabar in diesem Punkt aufrich
tig seyn darf) ich war schon längst vielen
Versuchungen auSgesezt. Stellet Euch meine Lage vor,
wie leicht war es in derselben
verführt zu werden. genug
war,
um
Ein Mäd'chen, die alt
aus
Euren
kayserlichen
Händen den grünen Gürtel zu empfangen, unter einer Menge Jünglinge,
von wel
chen einige alle körperlichen Reize und alle GeistoSgaben besaßen, waren meine Freunde,
und diese Jünglinge
meine Cameraden;
ihr Alter war die Morgenröthe der Liebe,
56
die als eine verbotene Frucht alle ihre Ge
danken beschäftigte, und die Würze aller
Unterhaltungen war.
ihrer
den
kaum
Unterschied
unsers
von dem ihrigen wußten, des Mädchen
Zierde;
ein
Da
mehrere
Geschlechts
so war ihnen je
Gegenstand
der Jieu«
wenn eine Frau durch den Schul
bezirk ging,
oder eine Magd Gras wusch,
oder eine Dame in ihren Wagen stieg, so
versammelten sich eine Menge Jünglinge,
in der Hofnung ein niedliches Dein zu se hen.
Bei ihren Gastmahlen ließ man bei
jedem Glase irgend eine Schöne leben, und jedes Lied war eine Lobrede auf ihre Voll
kommenheiten. In Europa macht man ein Geheimniß
aus der einfachsten Sache von der Welt, und Ihr werdet Euch wohl schwerlich eine Vorstellung
machen
können,
von welcher
Art die Schönen sind, denen es zukommt
$9
unsern jungen Adel in die Geheimnisse der Liebe einzuweihen.
Verdienste, stnd
Schönheit, Talente und nicht das ausschließende
Elbtheil irgend einer Menschenklasse,
und
wenn stch in Malabar das niedrigste Weib durch eine
dieser Vollkommenheiten
auS-
zeichnet, so kann ein Prinz ohne Erröthen
sie der vornehmsten Dame zu seiner Gesell schaft vorziehen; und doch würde man den
Cavalier für verrückt halten, gen
solche Reize
und
der blind ge-
Vorzüge
wie
alle
Abende in Euerm mütterlichen Saal glän zen, die
Gesellschaft seines
lassen wollte,
umzugehen,
um
Gleichen ver
mit einer Küchenmagd
oder in
die Dachstube einer
Straßen-I7ympfe hinauf zu schleichen.
Glaubt nicht, daß es meinen Landsleu ten so ganz an Geschmack fehlt.
ler liegt nicht an ihnen;
Oer Feh
da sie aber an
keine Verbindung als die Ehe mit Oamep
Go von Stande denken dürfen, so müssen sie
bei denl Auswurf des weiblichen Geschlechts
die Freuden der Liebe suchen.
Leider ist die
Menge dieser sogenannten Freuden-Mäd
chen gewöhnlich nur zu groß;
aber doch
hier und da, besonders wo die akademischen Gesetze scharf beobachtet werden, iss oft ihre
Anzahl so klein, daß man nicht einmal von ihnen körperliche Reize verlangt, sondern
ihr Geschlecht allein ist eine hinreichende Empfehlung.
Oie ckelhastesten
Geschöpfe
finden Liebhaber genug, und als ich zu Eton war, fehlte es sogar einer einäugigten
Duhlschwester nie an Anbetern. Denn meine Kameraden von diesen Ex
kursionen zurückkamen, erzählten sie mir ihre Abenteuer, und eine jede dieser Ekjüh.
lungen erweckte in mir neue Bewegungen.
Ein junges Mädchen ergiebl sich das erste mal nicht sowohl aus Neigung, als aus
6i
Neugierde.
Ich wollte mit der Liebe be
kannt werden;
denn wenn sie in den Ar
men eineö gemeinen Weibes so anziehend
war,
wie bezaubernd mußte sie
alsdann
werden, wenn man an der Geliebten eine
gleichgefinnte Freundin, eine standesmäßige Gesellschafterin findet.
Amor
kann wohl
eine blinde Gottheit seyn, doch muß er zwi
schen der Blüte der jugendlichen Gesundheit, und den geschminkten Wangen der Buhle«
rin unterscheiden können, und den Umgang eines wohlerzogenen Mädchens der Unwis
senheit einer ungebildeten Bauerdirne vor ziehen.
Ich war schon entschlossen einem
niemer Freunde mein Geschlecht zu entdekken, und überlegte nur noch, welchem ich
als Liebhaber den Vorzug geben sollte, als mir der lezte Vorfall meinen Vertheidiger in einem so liebenswürdigen Lichte zeigte. Erst einige Wochen nachher bekam ich
62 eine Gelegenheit mit ihm allein zu sprechen.
Meine schlaflosen Nächte, den Vertust mei nes Appetits, die Vernachlässigung meiner
Studien und die gewöhnlichen Symptome der Liebe, will ich gar nicht erwähnen, um
die Geduld Eurer Majestät nicht zu sehr zu ermüden.
Ich fühlte wie andere Mäd
chen in meiner seltenen Lage auch gefühlt hätten. Oer Lehrer unsrer Classe hatte den Ge
brauch, uns jede Woche einen Gegenstand zu bestimmen, über welchen wir lateinische Gedichte machen müßten. Einst gab er uns als Gegenstand zu
einer
solchen Abhand
lung, die Rechte und Fähigkeiten der Wei
ber zu
untersuchen.
Sehr natürlich, daß
man den europäischen Vorurtheilen gemäß, nichts anders von uns erwartete,
als ei
nige alltägliche Spottreden, und unbarm
herzigen
Tadel
über diejenigen
Weiber,
63 welche, ihrer eignen Würde eingedenk,
die
Ketten der Gewohnheit zerbrochen, und ihre
natürlichen Rechte vertheidigt hatten, ohne
kalt und unparteiisch untersuchen zu dür fen, ob sie Recht oder Unrecht hatten.
Da diese Dorurtheile blos allein die Quelle meiner Leiden war, und ich allein durch sie verdammt war
die Schmerzen
nungölosen Liebe zu leiden,
verboten meine
einer hof-
weit
sie mir
Liebe zu bekennen;
(sonst
hatte ich vielleicht jede Schwierigkeit über
wunden, und wäre in der Erfüllung meiner
Wünsche vollkommen glüeklich geworden) so entschloß ich mich gegen solche
Dorurtheile,
die ich so viel Ursach hatte zu verabscheuen,
die Blitze
des Parnasses zu
richten.
Um
mit mehr Ruhe arbeiten zu können,
ging
ich in ein benachbartes Wäldchen, und mu
sterte in
meinen
Gedanken alle Beispiele
de* Männertyranney.
Gleichviel ob«es Au-
64 den, Heiden, Mahomelaner oder Christen waren,
betrachtete ich die Männer in je-
dem Welttheile als unsere Verfolger (denn damals träumte ich nicht einmal von dem
Zufluchtsort, den die großmüthigen Diairen den Weibern anbieten),
Dlieine poetische
Wuth hatte mich schon sehr weit geführt,
als plötzlich der Himmel sich trübte, der
Donner brüllte und ein heftiger Sturmwind sich erhob.
Ich war genöthigt meine Zu»
flucht in eine Scheuer zu nehmen. Kaum war ich darin, so näherte stch mir
mein geliebter Singleton, den das Unge witter auch hereingenöthigt hatte.
Meine
Verwirrung war unbeschreiblich, ich zitterte am ganzen Körper; als er mich sah, wollte er sich zurückziehen, ich hielt ihn aber bei
seinem Kleide fest.
Meine Stimme stockte
als ich mit ihm sprach, er schien auch, ver legen zu seyn, und dies gab mir Muth
fort-
65
fortzufahren.
Ich n>arf ihm
vor,
daß er
mir gar keine Gelegenheit gäbe ihm meine Dankbarkeit zu bezeigen.
»»Barry,
antwortete er (ich hatte den
Namen Barry zu Eton angenommen). Sie
müssen mein Betragen, das ich mehr aus
Delikatesse als aus Neigung beobachtet habe, eher billigen als tadeln.' Sie hätten mich
vielleicht Ihrer Freundschaft nicht unwürdig gefunden;
aber wohl bloße
würde mich
Freundschaft befriedigt haben? und da Ihr
Geheimniß in meiner Gewalt ist, so wäre jede Li^es - Erklärung von meiner Seite
mehr einer Drohung ähnlich. «
Diese
erhöhete
Entschuldigung
Meinung von seinem
Edelmuth,
chelte meine Hofnungen an;
meine
und fd
7
Oag das Mädchen, die in ZToth und Elend, um ihren Hunger zu stillen einen Liebhaber
üufiiiinint, für ehrlos erklärt wird, indeß
der Mann von Ehre kein Bedenken trägt, nach Geld zu heirathen, und sich auf diese
Art lebenslänglich zu verkaufen, und es bei einem Schwiegersohn die beste Empfehlung ist — reich zzz seyn.
Kann es wohl schänd
licher seyn, sich oder seine Kinder zu vermiethen,
als sie lebenslänglich zu verkau
fen? Nichts ist schändlich als was schäd lich ist.
Priscilla war noch
unverheirathet, sie
hätte zwar in ihrem fünf und vierzigsten
Jahre, eine Partie treffen können, ob sie
gleich nicht minder häßlich war als in ih rem fünfzehnten.
Ihr kleiner Brautschaz
hatte sich aber unter der Zeit durch Spar
samkeit vermehrt, und reizte einen irrländischen
huf dritter ihr seine Hand anzubie-
88
ten. Glücklicher oder unglücklicherweise, wie man will, gab dieser Held einst ihrem Lieb-
lingS-Schooßhündchen einen Tritt mit dem muß immer ei
Fuß (das menschliche Herz
nen Gegenstand seiner Neigung haben), er
bekam seinen Abschied,
und sie saßte den
Von
Entschluß nie zu heirathen.
nun an
theilte ste ihre Zeit zwischen dsc Pflege ihrer
Vögel, Katzen und Hunde,
und den Pflich
ten einer Religion, die auf das sonderbarste
mit vielem heidnischen Aberglauben vermischt war.
Sie schnitt sich,
zum Beispiel, nur
am Vollmond die Nägel ab,
und
sorgfältig die Abschnitte davon;
begrub
um keinen
Preis würde sie zuerst mit dem linken Fuß
aus den Haufe gegangen seyn, nem
Freitage
^inen
Brief
oder an ei
aufgebrochen
haben.
Unsere Familie war eben bei dem Früh
stück versammelt,
als Briefe von
der be-
«9
nachbartew Stadt ankamcn.
Mein Bräuti
gam, sein Vater und die alte Jungfer wa ren alle drey nicht wenig überrascht,
als
man jedem einen Brief einhändigte, welche
alle
drey von Einer Handschrift zu
schienen,
Ein
seyn
die allen ganz unbekannt war.
anonymer Briefsteller unterrichtete sie
darin von meinem Aufenthalt zu Eton, und
meiner
Liebschaft
mit
Singleton.
Ohne
Zweifel hatte ich diesen Freundschaftsdienst
der Bosheit meines dortigen Verfolgers zu verdanken.« Das ist sehr wahrscheinlich,
sagte dec
Samorin; aber warum beschuldigt Ihr ihn gerade der Bosheit; mußte es Eurem Bräu tigam nicht sehr angenehm seyn, daß Ihr
auf dieser berühmten Akademie erzogen wä ret?
Waö mich betrifft, so konnte ich ein
unwifsendes Weib nie leiden; aber der Ge danke ein solches zu heirathen,
wäre mir
go unerträglich.
Dieser Mensch muß auch sehr
schreibselig seyn, da er sich wegen einer sol
chen Kleinigkeit,
wie die Liebschaft eines
Schulmädchens ist,
so
viel Mühe geben
konnte. »Jeder lllair, antwortete Camilla, würde
derselben Meinung seyn, ich in Europa.
aufgeklärte
aber leider war
Kein OeSpot wünscht stch
Unterthanen,
eben so
wenig
wünscht ein Manin, daß seine Gattin mehr wisse,
als ihr Herr und Gebieter von ihr
verlangt.
Ob meine
Vortheilhaft nicht,
daran
für mich dachte
Erziehung
übrigens
gewesen war
niemand,
oder
jedermann
dachte nur an meinen Verlust.«
Welchen Verlust? fragte dec Samorin. »Meiner
sogenannten
Tugend.
Miß
Priscilla fing an über die Derderbniß der
neuen Zeit zu predigen.
Oer alte Knighe-
sey ging auf und ab und schien zwischen
9i
-er Ehre seiner Familie und seinem Einfluß im
Parlament zu wanken,
und Matilda
bestimmte, daß ich einen ganzen Monat bei
Haverschleim
aus meinem
Zimmer
einge-
schlossen bleiben sollte.«
Ich wünsche Euch Glück, sagte der Sa worin, denn ich habe irgendwo gelesen, daß in Europa
schwangere Weiber diese Diät
halten müssen.
"Ihr irrt Euch,
antwortete Camilla lä
chelnd, so war es nicht gemeint.
Die gute
Dame empfahl mir ihren Haverschleim nicht
als Kraftsuppe, sondern als eine Strafe,
weil ich einen Liebhaber gehabt hätte, und
sie war so sehr daran gewöhnt mich als ein Kind zu behandeln, daß es mich nicht be fremdet hätte, wenn sie mich für dieses Ver brechen in die Trotzecke gestellt hätte.«
Was gäbe ich darum, sagte der Samo
rin, eine ähnliche Verbrecherin als Nichte umarmen zu können.
»Mein Bräutigam, fuhr Camilla fort, lachte aus vollem Halse, und brachte zu meiner Vertheidigung ein französisches Epi
gram zum Vorschein:
Daß man einem ar
men Mädchen einen solchen Verlust nicht so streng anrechnen sollte,
da eS äusserst
schwer seyn müßte, einen Schatz zu bewah
ren, zu welchem jeder Mann einen Schlüs
sel hat. Wie, rief Fräulein Priscilla, und Du wolltest die noch heirathen?
Warum denn nicht, antwortete er;
sollen denn
werden?
wie
meine Schulden sonst bezahlt
Da ich nun entweder in das Ge
fängniß oder in di? Kirche gehen muß, so
ziehe ich die Kirche vor. Jezt erst machte ich die schöne Bemer kung, daß er blos unter der Bedingung, daß
sein Vater seine Schulden bezahlen sollte,
eingewilligt hatte,
mich zu heirathen.
Da
93 Miß Priscilla ihm versprach sie zu bezahlen, so entschloß er sich ledig zu bleiben, und
reiste den Morgen darauf nach Bath, wo
er mit der Frau eines auswärtigen Gesand
ten eine Liebschaft unterhielt. Don nun an wurde die Familie einig, mich
dem ersten besten Freier zu geben. Ec möchte alt, häßlich und unangenehm, er möchte blind
oder lahm, und allen Übeln unterworfen seyn,
mit denen däS Laster und die Ausschweifun gen den Körper strafen möchte zweideutig,
können;
sein Ruf
sein Herz verkehrt, und
sein Kopf verächtlich seyn, wenn er nur ein
Cavatier und reich wäre,
so sollte er ange
nommen werden; und einem solchen Inbegriff
von ekelhaften und niederträchtigen Eigen schaften, sollte ich Liebe, Achtung und Ge horsam versprechen?
Da an alle geladene Hochzeitgäste Ent schuldigungen geschickt waren,
so
wurden
wir eines Abends durch das Gerassel eines
Wagens sehr überrascht.
ten
wir
eine
Bald darauf hör
Stinzme auf der Treppe.
»Fegt sie ins Wasser — kann Tage
leben« —
und
Männchen trat herein,
ein
noch drey
kleines
dickes
und war so ganz
athemloS, daß es die Komplimente der Ge sellschaft gar nicht beantworten konnte. war Sir Humfried Carfunket,
Es
das größte
Leckermaul in den drey Königreichen, der nach dem entferntesten Theil der Insel reisen
wollte, um einem Gastmahl mit beizuwoh
nen.
»Hosse daß ich nicht zu spät komme,
sagte er, konnte nicht früher kommen; speiste gestern bei einem Bürgermeister, hörte von
der Hochzeit, war nicht eingeladen, wußte
aber daß ich willkommen wäre,
habe eine
Schildkröte mitgebracht.« Ich verließ das Zimmer, um der Familie
Gelegenheit zu geben, meine Geschichte nach
95 Belieben aufzuklären; als ich wieder zurück kam, sah er mich mit seinen Kalbsaugen
starr an.
Wahrend der Abendtafel war
seine Aufmerksamkeit zwischen mir und ei
ner vortreslichen Taubenpastete getheilt, und
er äusserte seine Zufriedenheit mit beiden. Ich schrieb seine Aufmerksamkeit der Son derbarkeit meiner Lage zu, doch den andern Morgen erhielt ich eine bessere Aufklärung
darüber. »Camilla, sagte der alte Knightley zu
mir;
ich habe einen Ehemann für Dich
gefunden.
Ich
hoffe
daß
etwa einen ausgesucht hast.
Du
nicht
Jedes Übel
kommt von sich selbst. — Es ist Sir Hum-
fried.-< — Wie! ich soll Sir Humfried hei-
rathen? rief ich aus. — »Ja, und das so
bald als möglich, ehe der impertinente Brief steller unsere Entwürfe wieder verdirbt, und Deine Schande össenllich wird.
Oie Ehre
96 unsrer Familie fordert, daß Du heirathen
mußt.« — Aber einen Fremden? ich kenne ihn ja gar nicht! — »Desto besser z danke dem Himmel daß er von Deinen Streichen
noch nichts weiß, sonst würde er Dich nicht
nehmen.
Warum brauchst Du ihn zu ken
nen, ich kenne ihn nun schon seit fünfzig
Jahren; wir waren Schulkameraden.« — Herrliche Empfehlung für den Ehemann ei nes stebenzehnjährigen Mädchens.
Sir Humfried, an Leib und Seele der Unangenehmste von allen Sterblichen, wurde
mir nun vorgestellt, um mir seine unterthä,
nigste Devotion zu bezeigen;
denn die Eu
ropäerinnen üben nicht nur, so lange der
kurze Zeitraum des
Hofmachens
dauert,
eine Art von Despotismus aus, sondern
werden sogar bis zu Göttinnen erhoben.« Wie? rief der Samorin;
die Europäer
betrachten und behandeln euch Weiber wie Gesa-
97
Cs L-lat* innen, und doch lassen sie sich herab euch den Hof zu machen.
Unsere Weiber
sind frei, und doch würde sich jeder Diaiv einer solchen Handlung schämen.
War die
ser Sir Humfried nicht ein Cavatier? war
er nicht Eures Gleichen?
In Staatesachen
demüthigen wir uns vor unsern Obern, in
der Liebe vor niemand.
Ihr Europäerin
nen seid Tyranninnen nicht Srlavinnen.
»Ach nein, antwortete Camilla, wir sind
doch Srlavinnen, und nur während der Sa turnalien
des Hofmachens ist es
laubt unsere Herrn zu beleidigen,
uns er und die
ser Mann, hatte ich ihn geheirathet, würde
mich gewiß noch übler als einen Sclaven behandelt haben. Das laute Gelachter, wel ches seinen dicken Wanst bei jeder Gelegen
heit schüttelte, sezte ihn in den Ruf des
Wohlwollens; aber nach dem Tode seiner ersten Frau wurden dem Publikum die Au«
iDnfl Par. d. L. 3t Bd.
T
98 gen geöfnet, da ihre Kammerfrau überall
die Umstände ihres Märtyrerthums bekannt
nrachte. die
Er, der luftige Spaßmacher, der
Seele jedes
Trinkgelages,
und im
mer mit so vielen komischen Einfällen ver sehen war,
um eine ganze Tischgesellschaft
zu belustigen, war zu Hause ein mürrischer
Tyrann.
Einmal als er allein mit seiner
Frau speiste, stieß sie feine Leibsaure um; in der Hitze schlug er sie, sie war schwanger,
brachte ein todtes Kind zur Welt und starb. Seit der Zeit hatte er verschiedenen Fräu
lein den Hof gemacht (wenn Eure Maje stät den Ausdruck will pastiren lassen), da aber die Ehre ihrer Familie weniger auf
dem Spiel war, so wurde es ihnen erlaubt,
ihn
abzuweisen.
Mein
hartes Schicksal,
nachdem es mich von einem Selbstmord mit
Knightley gerettet hatte (denn waö ist eine
freiwilligre Ehe von Seiten des Weibes an*
99 ein Selbstmord),
drohete mir,
mich jezt diesem Ungeheuer,
dieser Gestalt
i'erd,
als
des Polichinels mit einem Dlaubarts-Ge-.
müth, aufzuopfern.
Diese schwere,
unbehülstiche Maschine
kam nun in das Zimmer marschirt, stet mit Gravität vor mir auf das Knie,
und fing
eine Lobrede auf meine Schönheit an,
als
ob die Schönheit die wesentlichste Eigen schaft an einer lebenslänglichen Gesellschaf
terin wäre; und erklärte,
daß sein Leben
nur von meinem Besitz abhinge, ob er mich gleich
den Abend vorher das erstemal ge
sehen hatte, kurz seine Erklärung war ein Gewebe der gewöhnlichen Abgeschmackthei
ten. Ich wies ihn auf die höstichste Art ab.
Ich weiß, sagte er, daß sogar die Eti quette der Liebe verlangt,
daß Sie ihren
gehorsamen Diener peinigen,
und anfäng
lich seinen Antrag ausschlagen müssen, G 2
ob
Sie gleich gesinnt sind, ihn nachher- anzu Darf ich aber wohl hoffen, daß
nehmen.
ein gewisser Umstand sie bewegen wird mein Fegefeuer zu verkürzen?
Ich antwortete ihm: daß kein Fräulein,
wenn ste auch gleich für ihn keine Neigung fühlte,
so undankbar seyn würde, mit dem
Glück desjenigen
Mannes ihr Spiel zu
treiben, der so gut gegen ste gesinnt wäre.
Es würde grausam seyn, ihm mit falschen Hofnungen zu schmeicheln, und höchst un
klug und vermessen, ihn in einer unruhigen
Ungewißheit seines Schicksals zu lassen, in, dem es dem Eheherrn nie an Gelegenheit
fehlen würde, die Leiden des Liebhabers zu
rächen.
Aber gesezt, daß ich so muthwillig
wäre, welcher besondere Umstand sollte mich
wohl zur Umänderung meines Betragens bewegen? Theuerstes Fräulein, sagte er, man kann
die Schilckröte nur noch eine Z3od)e halten. Ich bradte sie hicher, um bei der Hochzeit
Knightleys eine Rolle zu spielen; sie würde
aber auch bei der unfrigen nicht unwillkom
men seyn Seine hochtrabenden Komplimente fin
gen nun vieder von neuem an.
Mein Ge
sicht hattk die 3?ifcnc der Venus, in mei
nem Anstrnd herrschte die Würde der Juno, in meiner Unterhaltung war der bezaubernde
Witz der 9Iunerua.
Alle Heldinnen
und
Halbgötti^nen waren übrigens nicht werth
meine Schleppe zu tragen. Oie Geduld ver ließ mich, ich führte ihn vor den Spiegel,
und bat ihn das Schicksal
des VulcanS
nicht zu vergessen, der die Venus zur Gat
tin hatte. Jezt war nun die Rede von seinen Gü-
fcrn, und welcher Verbesserungen sie fähig wären, von seinem Hause zu London, das
ich ganz nach meinem Geschmack nicublircn durfte,
von seinen Equipagen und andern
Artikeln, die in einem Ehe-Contrakt viel Platz einnehmen.
Ich
antwortete,
Verbindung
daß wenn
von
einer
zwischen Irorthrote-Park und
Carfunkel Hall die Nede wäre, so wäre die
Beschreibung seiner Güter am rechten Platz.
Aber ehe eine Heirath den Nitter Earfunkel und das Fräulein Harford vereinigen sollte, so rieche' ich ihm mehr aus die Ver
besserung seines Herzens, seines Verstandes und sei es Nuss zu denken,
und um mich
bewegen sein HauS zu beziehen, hätte eS weniger einer neuen Meublirung als eines neuen Herrn nöthig! — Leider aber fand
ich,
daß der nämliche Mann,
der feiner
Gattin sonst kaum erlaubte, ihm ins Gesicht zu sehen, jezt jede absichtliche Beleidigung von seiner Angebeteten ruhig erduldete.
io3
Ec fiel wieder auf das flnie. ^Die Liebe,
fni)tc ec, wahrscheinlich aud irgend einem Luststnel, heischt mich zu ihren Füßen knieen,
und nur die Hosnung allein soll mich aus stehen heißen « In dein Augenblick läutete
man zur Tafel, geschwind stand ec auf, und führte mich in den Cjieisesaal. Die Familie blieb meiner Veigerung un
geachtet fest auf ihrem Entschluß, daß ich ihn beirathen sollte.
Mein Urtheil sollte
den dritten Tag vollzogen werden.
Man
schlug dorn Bräutigam eine stille Hochzeit
vor;
aber dieser hielt so viel auf einen
(Schildkröten - Echmaus, daß er, glaube ich, lieber auf die Braut als auf das Gastmahl
Verzicht gethan hatte.
Meine Tante Matilda versuchte cd mich zn trösten, indeni fie mir mehrere Fraulein
uud dec Ilachbarschaft nannte, die alle roi* der ihre Einwilligung hatten heicathen must
io4 fen;
denn wer sollte auch solche junge Ge
schöpfe ,
in Sachen von solcher Wichtigkeit
uni ihre Einwilligung fragen. Fräulein Priscilla erklärte, daß eine solche 9Jics5C eher einen Türken als einen (Christen
^tiiii DNiuni verdiene,
kein Bedenken,
und doch trugen sie
mit einer solchen 32(c6c ei
nen Mit - (5hristen zu betrügen.
Kein ehrli'
cher Pferdehändler würde den Fehler eines blinden oder keuchichten Pferdes verborgen
halten. Ein anderes Mädchen in
meiner Lage
hatte den ersten Tag in Thränen zugebracht,
den zweyten ihr Hochzeitskleid bestellt, und den dritten sich in ihr widriges, unnatürli
ches Schicksal gefügt; ich handelte aber wie
eine Zigeunerin und ein Etonenser, und bin nun eine Mutter geworden (Eamilla drückte bei
diesen Worten die kleine Marina
ihre Brust).
an
io5 An dem zweyten Abend zerstreute ich ei
nige Kleidungsstücke am Ufer des Flusses, um die Familie in den Wahn zu fetzen, daß ich mich ersauft halte; packte aber indessen einige Kleinigkeiten zusammen, und ging zu Fuße bis zur nächsten Landstraße.
Dort
begegnete ich einer Postkutsche, ich stieg hin
ein, und ehe es noch Tag war, kam ich glück lich in London an.
Ich fuhr nach der Wohnung einer alten
Haushälterin, die von einer Leibrente, die sie
von meiner Tante Cornelia erhalten
hatte, lebte.
Ich entschloß mich, so lange
bei ihr zu bleiben, bis ich eine feste Ent
schließung wegen meines künftigen Schick sals gefaßt hätte.
Denselben Abend noch
bekam sie einen Besuch von einer jungen Frau, welche schwanger war. »Tante, sagte diese, die Stunde meiner 9ciederkunfe rückt
heran, hast du noch keine gefunden, die an meiner Stelle dienen will?«
io6 Don der Alten erfuhr ich nun, daß ihre
Durfte in Diensten der Dh'istng Mvntgomery
war.
^d) werde cd nicht unterneh
men eine Lobrede auf diese vvrtrestiche Frau zu halten, die Ihr schon aus der Beschrei
bung deö Kronprinzen genug kennt.
andern guten
Unser
Eigenschaften war sie auch
die gütigste Herrschaft. Eie war der Abgott ihrer Bedienten, und war irgend eine Ekelle
in ihrem Hause leer, so war die Zahl der Nnlwerber unglaublich.
Eie jagte nie das
arme Mädchen von stch, die der Stimme der Diafur gefolgt hatte; wenn sich das Ge-
stüster der Liebe ungestört in den Eälen und Gallerien wurden
ließ, so
ihrer Wohnung hören
die Keller und Gewölbe derselben
doch nie von Kindermord entehrt.
Weit
entfernt eine Schwangere als eine Derb recherin zu
betrachten, die nmn
ausstoßen
müsse, erlaubte sie ihr vielmehr, wenn irgend
io?
filier ihrer Weiber in die Lage kam, sich auf einen DHpnnt zu entfernen,
und eine An
dere zu stellen, um wahrend ihrer Abwesen
heit ihren Dienst zu verrichten. — Ich furchtete,
daß die Knighlley'S mich überall auf
suchen möchten,
und brannte vor Begierde
mit Mislriß 3Iion(jomcrp bekannt zu wer den.
Ich
entschloß
mich
deshalb
in die
leere Stelle zu treten, zog die Kleidung ei nes Dienstmädchens an, und wurde meinen
Dienstgenossen vorgestellt. Oie ersten vierzehn Tage waren verstri chen, Küche.
und ich blieb noch unbemerkt in der
Ich sing schon an zu fürchten, daß
meine Dienstzeit vorbeigehen möchte,
ohne
daß ich Gelegenheit fände die Aufmerksam keit meiner Herrschaft auf mich zu ziehen; poch
ein
glückliches Ungefähr
begünstigte
meine Wünsche. Ihre Kinder bekamen die Blattern; um
io8
frische ßnft zu genießen wurden sie in ein Gartenhaus der Dorstadt gebracht, und ich
war unter den Weibern die sie begleiteten. Eine 9"racht wurden wir durch ein Feuergeschrci erweckt. Oie Hälfte des Hauses stand
schon in Flammen; Kinder und Kinderwäctcrinnen retteten sich in den Garten, als ei
Oenk nicht, sagte ste, daß Dankbarkeit der einzige Bewegungögrund dieses Vorschlags
ist; mein eigenes Interesse hat sehr vielen
Antheil daran, denn wie glücklich wird stch
meine älteste Tochter Jeannette in dem Desttz einer solchen Freundin fü len,
und welcher
Vortheil für meine jungem Minder, ein sol
ches JUuster Vüv den Augen zu huben.«
Ich nahm ihr Anerbieten an, und seit
der Zeit hat man mich für ihre Tochter ge
halten ; nur wenige vertraute Freunde wuß ten das Gegentheil.
Unter ihrem Dache
hörte ich zuerst von Eurem Mutterlande reden.
Anfänglich hielt ich es für eine Art
Utopien, das feine Existenz blos der Phan-
taste eines Dichters zu verdanken habe, so bald ich aber von der JZirklichkeit überführt
war, vereinigte ich oft meine Litten mit den ihrer Kinder um JUargarethen zu be
wegen ,
uns etwas von Eurer erhabenen
Schwester und von den Gebräuchen dieses
Deichs zu erzählen. — Urtheilet nun wie untröstlich ste war, als sie von Dem Vertust
Agalva's hörte, und wie sie sich bestrebte.
ihre Schuld gegen die Mutter an den Sohn
Ich war für alles aus Mala
abzutragen.
bar so eingenommen, daß ich wahrscheinlich auch daS nämliche für den Prinzen empfun den hätte, wenn er auch weniger liebens
würdig gewesen wäre.
Meine Anhänglich
keit und Du'ugicrfre waren bis auf den Höch,
(len Grad
gestiegen.
Der Prinz bot mir
einen Zufluchtsort in feinem Mutterlande an, und mit Vergnügen entschloß ich mich,
die übrigen Jahre meiner Minderjährigkeit hier zuzubringen.
Mit nassen Augen schied
itfy von meiner edlen Beschützerin, um hier einen Schutz zu suchen, den Eure Majestät
wir nicht versagen wird.-Oer Samorin dankte ihr für die Mit theilung ihrer Geschichte.
daß
er
feine
Es schmerzte ihn,
Hofnungen
ganz
aufgeben
mußte, in einem Weibe von solchen Ver
diensten
feine
Mchte zu
finden,
die fein Ge-
Geschlecht bis auf die
späteste
würde fortgepstanzt haben.
Nachwelt
Die Rückerin
nerung an Agalva's Verlust stürzte ihn in die tiefste Traurigkeit zurück.
-Das pur. ♦. l'. Zr Ld.
Achtes
Buch.
Indessen hatten der Erbprinz und die Toch, ter Anora's ihre Dxeife fortgesezt.
9u(f)td
gleicht der Ungeduld der betrübten Mutter,
denn obschon vier der flüchtigern Pferde mit einem leichten Wagen davon zu fliegen
schienen, so eilten sie ihr doch noch nicht genng; sie sparte weder Birten noch Ver
sprechungen, um die Führer zu noch größe
rer Eile auszumuntern.
Umsonst bemüht sich
FirnoS sie zu trösten; ihr mütterlicher Kum
mer weckt alle die (sorgen des Sohnes bei ihm auf, und er erinnert sich seiner eignen
unglücklichen
Mutter.
Kaum
dringt ein
i (5 Strahl des Vergnügens, bei Dem Gedanken seine geliebte Mitila wieder zu sehen, durch den tiefen Nebel, welcher auf seinem Geist
ruhet.
Endlich kamen ste in Calicut an.
Firnos stieg vor dem Stadtthor aus dem Vagen, um die Wohnung der Schönen zu suchen.
Hoch klopfte sein Herz als er die
Thürschwelle berührte; die Thür war offen, kein Bedienter im Saal, auf den Flügeln
der Liebe steigt ec die Treppe hinauf. Nach
einer so
langen Abwesenheit drückt er ste,
in Gedanken, schon fest in seine Arme, ihre
Küsse brennen auf seinen Lippen; aber seine Einbildungskraft
betrog ihn, denn als er
stch ihrem Zimmer nahete, fand er, daß ste
schon Gesellschaft hatte. In älteren Zeiten pstegten ihre kriege
rischen Vorfahren, wenn ste ihre Geliebten besuchten, ihr Schild in dem Vorhof ihrer Wohnung zu lasten,
damit die Nebenbuh-
H 2
iiG
(er, wenn sie es sähen >
ihren Besuch nuf
eine andere Zeit verspürten;
seitdem aber
die Bewafnung ausser Gebrauch gekommen
war, hatten die begünstigten Liebhaber die Gewohnheit eingeführt,
den Hut über die
Thür des Zimmers der Geliebten zu hün gen; die Sandalen eines Kapuziners Fonn;
ten nicht mehr von einem katholischen Ehe
mann in Italien oder Portugal geehrt wer
den.
Oer Prinz
sah einen Hut über Miti-
ia's Thür hängen, und kehrte voll Gehor
sam gegen dies Zeichen zurück. Er stieg die Treppen vielleicht weniger
geschwind herunter als gen war;
er ste hinaufgestie
getäuscht doch ohne Groll, denn
wie würde ein DTcrir es stch nur
einfallen
lassen,
die Handlungen seiner Geliebten zu
tadeln,
oder Selbstsucht genug haben, um
während seiner Abwesenheit eine gänzliche
Enthaltsamkeit von ihr zu fordern.
End-
117
tich fand er einen Bedienten, den er sehr
höflich nach ihrer Gesundheit fragte, und verließ alsdann das Haus. 92iit dem Vorsatz bei seiner Reisegefähr tin zu wohnen, ging er bei dem Schauspiel
haus vorüber, und obgleich noch manche Stunde verstreichen mußte, ehe das Stück
anging, so fand er doch alle Zugänge schon
mit Menschen ungefüllt. jeher
Valdor, der von
großen Geschmack für das Drama
zeigte, hatte stch während feiper legten Reise den Zeitvertreib gemacht, ein Stück zu schrei ben,
worin er die Sitten und Gebräuche
Europas schilderte.
Bei seiner Ankunft in
Ealicut schickte er eü sogleich dem Oirekteur des Theaters zu, und die ganze Truppe
hatte Tag und Nacht gearbeitet, um des Publikums Neugierde mit einer frühen Vor
stellung zu befriedigen.
Def Prinz war erstaunt, als er Farna,
118 fric er vorher in Thränen verlassen hatte,
jezt bei ihrer Toilette wiederfand, wo sie sich anschickte einen T)rt des allgemeinen Ver
gnügens zu
besuchen.
Fama
hatte
ihre
Thränen getrocknet, und that alles mögliche ihren Jiummer zu lindern.
nicht mehr,
Ihr Cohn war
und ihr Schmerz konnte
ihn
nicht aus dem Grabe zurückrufen; wäre sie eine leichtgläubige Papistin oder Ncahome-
tanerin gewesen, so würde die beste blutter
vielleicht eine Pilgerfahrt nach Loretto oder JHerco unternommen haben.
Barfuß wäre
sie nach beiden gewandert, hatte sie nur da durch den mindesten Schimmer von Hof-
nung erhalten.
Sie würde zu Nosenkran-
zen und AmuletS ihre Zuflucht genommen,
mehr als ein Muselmann gefastet, und mehr
Ave Maria'S
und
Paternosters
als
ein
Karmeliter hcrgeplappert haben; ihr ganzes Vermögen würde sie an faule Dcroische und
"S ^rarrziskanec verschwendet haben; -och ihr
Sohn war nicht mehr, ging
und alle Hofnung
Grabe.
mit ihm zu
Sie
war eine
Otdirin, und folglich zu klug um nur einen Augenblick in unnützem Kummer zu verle
ben ; ihr Gewissen klagte sie keiner Vernach lässigung gegen ihn, so lange er lebte, an,
er war todt und sie eilte an den Putzrisch. Gleich einem Apriltage stand eine Thräne
in ihrem Auge,
wahrend ste ihre Sippen
zum Lächeln zwang, ein tief gehöhlter Seuf zer endete in eine lebhafte Arie, und wenn das
Bild ihres Sohnes ihr vor das Ge
dächtniß trat, flog sie in die Arme -es Prin
zen,
um
ihm
bald
einen Nachfolger zu
verschaffen.
Oie Zeit um in -aS Theater zu gehen kam herbei, und als der Prinz, welcher die
Baronesse dahin begleiten wollte,
in den Wagen stieg,
mit ihr
erhielt er ein Billet
von Mitila. »Oie Tochter Lora's kann den
»Sohn Agalva's nicht mehr als Liebhaber »empfangen, bittet aber um die Fortdauer
»seiner Freundschaft.
Ihre Unbeständigkeit
»entsprang aus zu großer Liebe
für ihn.
»OieS mag freilich als ein seltsamer para»dorer Satz erscheinen;
morgen wird
sie
»ihm aber einen Besuch abstatten, und das
»Räthsel lösen.
Seine Hoheit wird wahr-
»scheinlich nicht ermangeln diesen Abend das »Theater zu besuchen, wo Mitila sehr er»freut seyn wird ihren Freund zu treffen." Firnoü sah sie in einer entgegengesezten Loge, aber das Gedränge ivar zu groß, als daß es ihm möglich gewesen wäre zu ihr
zu kommen.
Memals war das Haus mit
so viel Menschen an gefüllt; mehrere 213 ei gen waren auf dem Weg dahin zerbrochen
worden.
Endlich ging der Vorhang auf.
Das Drama hatte den Titel: der euro-
Maische Vater.
Nachdem der Prolog einige
Erklärung des Titels gegeben hatte, bat er
auch um Nachsicht des Publikums für das Stück selbst,
worin alle Einheiten verlezt
waren, und dessen einziges Verdienst darin bestände,
daß cd ein treues Gemälde der
Sitten der Ehristenheit sei.
Ein Vater, eine
Mutter und sechs Kinder waren die Haupt-
Eharaktere, und einen jeden von ihnen er wartete ein trauriges Schicksal. Oie älteste
Tochter
verliebt
stch
ohne ihres Vaters
Einwilligung, er zwingt sie in das Kloster
zu gehen, wo sie das Kind, welches sie zur
Melt bringt, mordet, und alsdann, weil sie
das Gelübde der Keuschheit gebrochen, le bendig begraben wird.
Oer älteste Sohn
wird in einem Zweikampf mit ihrem Lieb haber erstochen; der Vater enterbt hierauf
seinen zweyten Sohn, weil er eine Frau
ohne Vermögen hcirathet; er wird wegen
ihrer Schulden inö Gefängniß gesteckt, und von seiner heuchlerischen Frau verlassen, um
im Gefängniß zu vermodern. er bricht den
Hals indem er seine Freiheit durch das gen* ster suchet.
Oer dritte Sohn heirathet sei
nem Darer zu gefallen eine reiche Erbin,
und wird von ihr vergiftet. Don den zwey noch übrigen Töchtern zwingt der Vater die
Eine einem alten Nlann ihre Hand zu ge ben, der ihr, wie Blaubart, in einem Anfall von Eifersucht die Kehle abschneidet,
und
die jüngere wird durch ihren eigenen Vater ermordet, um sie vor den Nachstellungen des regierenden Fürsten zu sichern.
Oer
Vater wird wegen dieses Mordes auf dem
Schaffot hingerichtet, und die Murrer, die
das ganze Stück hindurch das Unglück ihrer Kinder vorausgesehen, und es zu verhindern
gesucht hat, stirbt in dem Tollhause, und bekennt während ihres Wahnsinns, daß ihr
Mann, der alle ihr Unglück verursacht hatte, nicht Vater zu den Kindern gewesen sei, son
dern eben so gut wie viele andere in Eu ropa unter die große Gesellschaft der Hör-
ncrträger gehöre. Um der Gallerie das Clück auch intcrcs-
sank zu
machen, wurde ein Bedienter we
gen Hurercy in den (sttxf gelegt, und seine
Liebschaft,
das
Kammermädchen,
in
eine
Pferdeschwemme getaucht. Firnos ging hinunter uni nach dem T"ngen der Baronin zu sehen, und fand einen Haufen Volks vor dem Echauspiclhause ver
sammelt,.die unaufhörlich schrieen. — »»Fort
mit ihm, in die Pferdeschwemme! — taucht ihn unter! — taucht ihn unter! «
dahin,
und sand eine Anzahl Obstweiber,
die einen armen Teufel,
einen
Er eilte
Deutelschneider,
schwemme schleppten.
wie er glaubte,
nach
der
Pferde
Als sie bei einer La-
r-4
tcrne vorüber gingen Europäer war,
sahe er,
daß ee ein
er hielt sie nun auf, und
fragte nach der Ursache seines Verbrechens. antworteten sie,
»Verbrechen?
er ijt
Christ, und fried ist Verbrechen genug !
ein er
ist einer der Tyrannen, die und lebendig be
graben , unsere Liebhaber umbringen, und und die Liebe verbieten würden. Mit einem
Wort,
er
ist ein Christ. — Zur Pferd er
schwemme mit ihm — fort mit ihm!«» Firnod ließ sich mit ihnen
in ein Ge
spräch ein, und stellte ihnen vor, fraß wenn
er auch in Europa gebohren, er doch viel leicht mehr ein
Gegenstand
des Mitleids
ald fred Abscheues seyn könnte, und obgleich ein Christ, so könnte er doch auch großmü
thig seyn, und seine Liebe zur Gerechtigkeit für die Rechte der Weiber könnte ihn ver leitet haben,
die Gesellschaft der Srlavin
nen und ihrer Unterdrücker zu verlassen, um
die Liebe mit aller Freiheit in Calicut zu genießen. Oer Fremde versicherte ihnen, daß er ein
vollkommener Anhänger
ludre,
ihrer
Grundsätze
er wiederhohlte zu dem Beweis ei
nige Strophen aus einem National-Liede,
das sie in ihren Kriegen gegen die Nlahometancr zu singen pflegten, und plötzlich
legte sich der Cturm, und man erhob ihn bis in die ^Zolken; er hätte nun die Schönste unter ihnen wählen können, aber er hatte bereits
schon
andere
Verbindungen.
Er
wünschte zurück zu kehren,
und ste woll
ten ihn nach Hause tragen.
Endlich über
redete
ste
FirnoS
sich
zurück zu ziehen,
welches ste auch thaten, indem ste ihr Lieb lingslied, das die Nechte ihres Geschlechts
erhob, anstimmten.
Nach einigen Komplimenten von beiden
Seiten sagte der Fremde zum Prinzen, daß
I -’fj
er eben nach den Bedienten eines Frauenzimmerü von Erande, welches er in das
Theater begleitet, hätte sehen wollen, als
die Veiber, durch das Drama gegen jeden
Europäer in Wuth gebracht, ihn tcn, und Willens waren,
an ihni,
Vorrede, Gerechtigkeit
lange
ergriff ohne
auszuüben.
iSirnoö kehrte mit ihm in die Loge zurück, wo die Dame auf seine Zurückkunft war
tete.
FirnoS stuzte und lächelte, denn es
war DHitHa selbst, die er fand.
»Diuin lie
ber FirnoS, sagte sie, ich glaube das Näth-
sel bedarf nun keiner weitern Erläuterung. Als ich hörte daß ein Engländer gekommen war,
hier an
eilte ich zu ihm, in der
Hofnung einigt? Nachrichten von Euch zu
hören.
hei rath en. Ich wurde sogleich von einer deutschen
Universität, wo ich mich befand, zurück ge rufen.
Atü ich aber dem Fraulein vorge-
stellt wurde,
hatte ich alle Mühe meinen
Abscheu zu verbergen,
heraus,
und erklärte gerade
daß ich sle nicht heirathen würde;
der Junker bestand darauf, meine Mutter
i56 ivutftc mir beifteben.
r.'^vhl Euch der Sein
fef nut Deinem Gewäsch, sagte er, ich dachte
Du schwiegest gaii$ still,
wohl nm
besten,
wer
Spiel gebubt ßat ;
denn Du tveißt mit im
die Hand
aber da id) einmal ge
ihm vermögen $u geben,
nöthigt bin
sv
stehe ich Dir dafür, ich will ihm auch eine Frau geben.« Diese Anzüglichkeit auf meine Geburt,
blutter thränen
machte den Borsiellungen meiner
Ende;
ein für
wich
sie
kannte
jezt
nur
vergießen ,
ich
be
stand aber schlechterdings hus meiner 2lZei-
gernng. Die ganze Beiraths - Geschichte wurde
nun bei Seite gelegt, und der Junker mußte die Bezahlung feiger Schuld
ernstlich
an
denken.
Er sagte Allan s - Easivl Lebewohl,
und b^eg mit seiner Familie ein kleines
HäuSci;en auf einem seiner Güter; ein ein ziger Bedienter war ihre Begleitung.
Oer
15? Junker wurde unfreundlich und mürrisch, und zankte vom DKorgcn bis auf den Abend.
In den Tagen seines Wohlstandes war seine
Zeit zwischen den
Hundeställen uni)
der
Flasche getheilt, nun da seine Keller leer und seilte Hunde u»ld Pferde verkauft wa«
rcn, dachterl seine Freunde nicht mehr an ihn,
und
sein
einziges Vergnügen
war
feine Frau zu plagen.
Erlaubet mir, sagte der Dritte zu seinen Zuhörern, euch auf eine Ungereimtheit oder Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen, die aus der Ehe, von welcher Plage eure sftn*
(ion glücklicherweise befreit ist, entspringt. Diese Demerkungen werden euch noch zufrie dener mit eurem Schicksal machen, und da
durch wird euch in der That kein unwesent licher Dienst geleistet.
Erstens wird es euch wohl wundern, daß der Sguire, dessen Verwandschaft mit mir
wenigstens sehe zweifelhaft war,
sich eines
größtr« Rechtes, aber niich zu entscheiden, anmaßtc als meine Dliutter, freien Verwand-
scfiaft
mit
mir
ganz
gctvijj
war ;
und
zweytens, iviirum meine tirmc JJYuttcr genöthigt war, in einer Hütte für die Thor heiten eines Cannes zu büßen, der ein sehr
gleichglültiger Gegenstand für ste war; ihr
Feniit euch einbilden, eine
Vereinigung
daß da die Ehe eher
zweyer Vermögen,
als
zweyer Liebenden ist, wenn ein Vermögen erloschen wäre,
so möchte das andere für
sich selbst sorgen.
Keinesweges aber ist dies
der Fall;
ein oerheiratheteS Paar ist wie
tin pnur Galeeren 7 Selauen, die zufammein
mengekettet arbeiten
auf der Donau mit einander
muffen.
OaS Geld ist ihr Leben,
und sollte eins von ihnen sterben,
so muß
das andere den leblosen Körper bis zu Ende
der Station mit sich schleppen. RicineMut-
i5g ter würde
für
Mann,
den
liebte, mit Freuden
welchen
sie
gelitten, und ISeiber
von weniger großmüthigen Charakter wür
den
dasselbe
gethan
haben.
Sogar auch
das Stubenmädchen wollte den Junker nicht
verlassen, und da ihre Gebieterin ihr den Lohn nicht zahlen konnte, so erbot sie sich,
und bestand durchaus darauf, der Familie umsonst zu dienen. Der Kummer nagte unterdessen an den
Lebensgeistern meiner Mutter, und ihre Ge sundheit wurde von Tag zu Tag hinfälli
ger, der Junker anstatt sie zu trösten über
häufte sie mit Kränkungen.
Ihre erhabene
Denkungsart verbot ihr alle Unterstützung
von dem Chevalier anzunehmen,
und dec
sejfe Heller wurde auf meiner Brüder Er ziehung gewendet, und ich mußte mich aus dem Lande langweilen.
Meine Mutter war
die Güte selbst gegen mich, und auch selbst
k6o
frtr fünfer hatte mich, Ok’rt’i^nhfit,
b;5 bei ber selten
niemals ha et behandelt,
^ch
schien
mir
haßte das Landleben,
und es
eine Cträfe meines Ungehorsams zu seyn; meine Mitschüler reisten in Europa herum, iinb jeder 64
»anderer Weiber für sich zu gewinnen; der »ein Gesez mißbraucht, um seinen eignen
»Mangel an Reizen zu ersetzen, der die »Wohlfahrt einer ganzen Gesellschaft sei »nem eignen Nutzen aufopfert, und der, so
»viel nur in seiner Gewalt stehet, dazu bei»trägt, eiLL^stillschweigende Übereinkunft, die
»zu der Glückseligkeit beider Geschlechter er»forderlich ist, umzustoßen,«
»Lebt dieser Autor noch? fragte Mitila.
Er verdient ein Mitglied der calieutischen Akademie zu seyn, Eure kaiserliche Hoheit muß ihm ein Diplom darzu verschaffen.«
»Wenn ich nach Europa verbannt würde, sagte Farna, so würde ich Paris zu meinem
Aufenthalt wählen.«
»Ich bin vollkommen Eurer Meinung, sagte Fitz Allan, und wenn auch sogar die
Bastille wieder erbaut werden sollte.
Man
muß sich herablaffen hier das gemeine Sprich-
165 wort anzuwenden: »das Hemde ist mir nä
her als der Rock,«
und politische Freiheit
ist weniger schazbar als persönliche Freiheit. Aber nun zur Fortsetzung meiner Geschichte.
Bei
meiner Zurückkunft nach England
fand ich meine Frau wenig gebessert.
Bei
unserer Derheirathung war sie noch sehr jung,
ihr Characktcr war noch ganz unge
bildet, und weich wie Wachs würbe er je
den Eindruck angenommen haben, oder man konnte vielmehr sagen,
daß ste noch ganz
und gar keinen Charakter hatte.
Da sie so
lange unter den Landjunkern gelebt hatte, so war sie ein vollkommener Wildfang ge worden, und mit einem Wort, sie war wirk lich die nämliche Land - Carricatur, von der meine Mutter einst in ihrer Verlegenheit
die Aussenseite angenommen hatte.
ist ein Weib, rief der Squire,
»Hier
die, Gott
verdamm mich, mehr werth ist,
als alle
Hofdamen zu St. James.«
Sie gab mir ei
nen herzhaften Kuß, und lief die Treppe hin auf um den Schwanz eines Fuchses zu hohlen,
bei dessen Tod, wie sse mir im Triumph ver sicherte, sie selbst gewesen wäre. — £) wie sehr bereuest ich in diesem Augenblick den
Verlust der niedlichen Soupee'^ der Bou
doirs und der Parties sines, die ich mit der Frau Ba^okiin, der Frau Marquise, und
der Frau Präsidentin, Schönheiten, die ich
in Nancy hatte kennen
lernen, genossen
hatte. Glaubt nicht, meine Damen, daß mei ner Frauen Geschmack an der edlen Reit kunst, mein Mißfallen an ihr erregt hätte.
Weir entferne davon, entsprang mein Ekel
aus ihrem Mangel jedes andern Geschmacks.
Eine Frau die mit ihren Gedanken immer im Stall ist, ist wirklich eine sehr unschick liche
Gesellschaft
für das
PuH - Zimmer.
10;
Glaubet mir, ich tvcir niemals in meinem
Veben so hingerissen, als da ich die Söinorinn Vas erstemal zu Pferde erblickte.
Mit
welcher Gewalt bändigte sie das edle Thier, mit welcher Geschicklichkeit lenkte sie jede seiner Bewegungen, welche Würde und Gra zie in der Haltung ihres Körpers. Oer per
sische Botschafter begegnete ihr; der hochmüthige Mahometaner, stolz auf die einge bildete Überlegenheit seines Geschlechts, war
genöthigt abzusteigen und ihr den Steigbü gel zu halten.
Und dann die Damen von
ihrer Begleitung, jede forderte einen Theil
der Bewundrung,
die wir ihrer Gebieterin
schon gezollt hatten, jede der Ehre würdig, Dido auf die Jagd zu begleiten. — Wachte
ich oder träumte ich ? Sahe ich Pentisttea
an der Spitze ihrer Amazonen? oder Ka tharina von Rußland, wenn sie ihre Leib -
Garde kvmmandirt?
2Bic glücklich wäre der (Squire mit ei iil'in Weibe wie das meinige war gewesen, und wie angenehm würde ich mein Leben
mit einer Gefährtin wie meine Mutter war, Angebracht haben (ich sage Gefährtin, denn
schon der 9Tamc Ehefrau, würde sie mir
gleichgültig gemacht haben). Die Liebe wird von unseren Dichtern als ein blinder Golt
vorgestellt, aber sollte Hymen
nicht noch
weit eher so dargcstellt werden.
Hymen,
der einen rohen Landjunker mit der artig
sten Dame am ganzen Hof vereinigte, und mich, den Zögling Chesterfield'ü, plumpe Bauer - Dirne fesselte.
an eine
Glückliches,
dreymal glückliches Malabar, wo Kupido seine kleinen kindischen Possen immer trei
ben .kann,
wo aber Hymen keinen zuiu
Wahnsinn treibet. Die Lage meines Weibes war auch ge
wiß grausam genug, um einem jungen Mäd-
16g
cf)cn von neunzehn Jahren das Gehirn zu verrücken. Obgleich ohne großes Verlangen
unter die Zahl der Heiligen versezt zu wer den,
hatte mich eine bloße Kap.ri^e verlei
tet sie so zu behandeln, wie Eduard der
Bekenner seine Königin behandelte.
Schon
vier Jahre war sie eine Frau, und doch
noch Jungfer.
Sie war zu stolz, um sich
über diese beleidigende Vernachlässigung zu beklagen.
Eie suchte die Einsamkeit, wo
sie den 5Topf mit ihrer Hand bedeckend, ihren
Ellbogen auf das Knie stüzte. Ganze Stun
den saß sie unbeweglich in dieser Stellung, das treue Genrätde
Kummer.
von Täuschung
und
Schluchzen und erstickte Seufzer
waren ihre einzigen Worte, und Thränen träufelten auf ihren wogenden Busen.
Meine Mutter, meine liebe Mutter sah
und bemitleidete ihr Unglück, meine Mut ter, die ich eben verlieren sollte, und welche
i ;>u
die TBcst noch mit einer großmüthigen Hand lung verließ.
Diese beste der Frauen hatte
ihre Kinder immer mehr mit der Vertrau lichkeit eines Freundes, als mit der Strenge
einer Mutter behandelt,
genoß
und
aber
auch wieder dafür ihr Vertrauen und ihre
Anhänglichkeit in
hohem
Grade.
merkte daß ihr Ende nahe fei,
Als
sie
gab sie uns
ihren Sergen, und nachdem sie von meinen
Brüdern auf das zärtlichste Abschied genombefahl sie mir an ihrem Bett
men hatte,
zu bleiben. »»Ich habe, sagte sie, meine Kin
der alle mit einer Unpartheilichkeit behan delt, die einer Mutter
jedoch
würdig ist,
bin ich nicht so blind, um nicht zu bemer ken,
daß
schaften
deine
dich
Vertrauen
hervorstechenden
eines
hohem
würdig machten.
Eigen
Grades
von
Ich vertraue
deinem Busen kein gemeines Geheimniß an, ich würde diese Bekenntnisse nie muthwilli-
,7I gerweise thun,
aber ich hoffe sie sollen ei
nige Wirkung auf dein zukünftiges Betra gen haben.
den
Du
wirst deine
Schranken des
hören,
Mutter vor
Dorurtheils
anklagen
aber ihr Gewissen spricht sie frei;
ich bin keine gute Gattin gewesen, aber ich
die Pflichten einer
war eine gute Mutter;
Gattin hängen von zufälligen Launen der Zeit und des Orts
ab, jene
einer Mutter
sind ihr durch die Stimme der Natur vor
geschrieben.
Ich gestehe es ,
Bekanntschaft
mit
einem
Stande gehabt habe;
daß ich eine ArtmVen
von
unser Briefwechsel,
den du in meinem Schreibepult finden wirst,
wird dir zeigen wie sehr ich ihn liebte, und
wie
würdig er meiner Liebe tödr.
Unser
Glück stand in der Macht meinte Mannes; er mich so
behandelt wie du deine
Frau behandelst,
so würde meine Leiden
hatte
schaft
mich
unglücklich
gemacht
haben.
-72 Meine Dankbarkeit gegen den Himmel für diesen gütigen Mann, veranlaßt mich, dich
mein Sohn zu bitten, daß du die nämliche Nachsicht gegen dein armes
Weib,
deren
Glückseligkeit oder Elend von dir abhängt,
zeigen möchtest.
Gönne ihr deine Gesell
schaft nur eine Nacht (dies ist alles was ich
von dir verlange),
und dann laß sie nach
Belieben über sich selbst verfügen; und ver sprich mir,
nie Rechenschaft wegen ihres
Betragens zu fodern.
Ich,
die ich jezt an
den Pforten der Ewigkeit stehe, jezt da die Hand
des Todes die Porurtheile und die
Verblendung dieser Welt hinwegreißt, glaube
keine
übertriebene
thun, wenn ich dich bitte,
Forderung
ich
zu
daß du einem
Mitmenschen erlaubst Herr über seinen eig nen Körper zu seyn.«
Nachdem sie diese wahrhaft philosophi sche Meinung geäusiert hatte, wurde ihre
173
Stimme immer schwächer, ihre Kräfte ver
ließen sie, und sie starb ohne Kampf in meinen Armen.
9iur sehr wenige Engländerinnen wür den diese Gesinnungen meiner Mutter nicht mit Abscheu angehört haben; doch sie war
bei ihren Anverwandten in Italien erzogen
worden, und stolz auf ihren italienischen Ursprung, erklärte sie bei jeder Gelegenheit den Vorzug,
den sie den Meinungen und
Sitten jenes Landes einräumte. Jeder Wunsch meiner Mutter war von je her Gesez für mich gewesen.
Mit dem
Anstand eines türkischen Sultans warf ich meiner Frau das Schnupftuch zu, und zit
ternd wie eine zirkastische Sclavin bestieg ste unser Hochzeitbette.
Hans
und Kasper,
Gürge und Töffel, Stallknechte, Kutscher und Dorreiter hielten ste nachher für mei
ne Nachlässigkeit schadlos.
Ich erwähne die Niedrigkeit dieser Lieb
haber keinesweges, um meiner grau eS zuni Verbrechen zu machen, sondern blos, um die
herabwürdigenden Gefühle
meiner grau,
und ihren Mangel an Geschmack zu zeigen. Wenn ein Weib ihre Neigung ans eine so unwürdige Art verschleudert, so ist das ihre
Sache, und niemand ist berechtigt, sie des-
wegen zu tadeln; aber erwäget die Strenge
meines Schicksals, welches mich für meine Lebenszeit an ein Weib von solchen gemei
nen Gesinnungen gefesselt hatte, c-
»Solche gemeine Gesinnungen,
sagte
garna, sind auch in Calieut nicht unbe
zur
kannt,
obschon
wir
unserer
grauen
bekennen
Rechtfertigung mästen,
daß
sie ungewöhnlich sind.
Wenn gleich eine
Dame hier nicht den
geringsten Anstand
nehmen würde, ihre Neigung für ihren Be dienten zu gestehen, so bringt doch die Ge-
r?ö wohnhelt, Erziehung und die Gelegenheit,
mehrentheils Liebende von gleichem Rang zusammen.
sollte der Hut eines Menschen
von geringer Herkunft in dem Vorzimmer einer Frau von Stande hangen, fo em-
pfics>st ec sich gewöhnlich durch einige aus gezeichnete
Eigenschaften
oder
durch
die
Überlegenheit feiner Talente, er ist einer von denen, die die Natur selbst geadelt hat. ^hre kaiserliche Hoheit die verstorbene Sainorina, war einem Professor besonders ge
wogen, und obschon seine Mutter eine Wä
scherin war, und sein Oheim in dem lezten
persischen Kriege als gemeiner Soldat ge dient hatte, so billigte doch der ganze Hof diese Wahl.
Er ist ein Mann von dem
glänzendsten Witze. einsühren,
ich
war
Ich will Euch bei ihm niemals
eine halbe
Stunde in seiner Gesellschaft ohne daß ich etwas durch seine Unterredung gelernt hätte.«
»Mit den gewöhnlichen Zufällen meines Lebens will ich Euch nicht beschwerlich fül
len, fuhr Fitz Allan fort, sogar meine Lieb schaften enthalten nichts merkwürdiges mehr.
Oer Freundschaft Eurer edlen blutter will
ich mich nicht rühmen, und auch eben so
wenig den Verlust ihres unglücklichen Kin des erzählen. Meine Frau hatte sechs Kinder gezeugt, zwey davon starben sehr klein, und ob ich
gleich niemals die geringste Neigung für sie fühlte, so muß ich ihr doch die Gerech
tigkeit widerfahen lassen, daß sie die Pflich
ten einer Mutter immer auf das vollkom»
nrenste erfüllte.
Man hielt ste der Zärtlich
keit die ste zeigte, als ste eins davon verlohr, nicht fähig.
Oie wilden Thiere, ha
ben zwar auch mütterliche Gefühle, doch so
roh ihre Sitten auch waren, so war ihr Herz doch weit von Wildheit entfernt.
Ein
177 Ein reizendes,
niedliches kleines Mäd
chen von zehn Jahren wurde krank, ihre
Krankheit wachte die ganze medizinische Fa kultät verwirrt, welche, da sie eü für etwas
anders hielt, die entgegengeseztesten Arze
neien verordnete.
Meine Frau verließ ihr
Lette nie, und ihre Angst und Sorge zehr ten sie so ab,
aussah.
daß sie fast wie ein Scelet
Das Kind starb, doch nichts war
fähig die Mutter von seinem Tode zu über zeugen.
Tag und Jcachr hing sie über dem
todten Körper, und erwartete die Rückkehr
des Lebens.
Taub gegen die Vorstellungen
ihrer Freunde, war nichts als die Krankheit
eines andern Kindes vermögend ste von dec Leiche weg zu bringen.
Ihr zweyter Sohn
war von seiner Schwester mit den Masern
an gesteckt worden, denn dies war Vie Krank
heit des kleinen Mädchens, welche aber zu
spat entdeckt wurde, um ihr Leben retten zu L)as Par. d. L. Zr Bd.
Dll
178
können.
Sie ließ eine Thräne auf den üb
losen Körper fallen, und flog zum Beistand des Sohnes. Das Kind welches in Gefahr ist, ist im mer der Liebling
Oer Verlust des andern,
und die Aufmerksamkeit die sie ihrer eignen Gesundheit schuldig war, wurde von der zärtlichen
Mutter
vergessen.
Ihr
gan
zes Daseyn schien von der Wiedergcnesung des Knaben abzuhängen.
Sie reichte ihm
die Arzenei, die er aus keinen andern Han
den nehmen wollte,
und unterdessen die
einem
Lehnstuhl schnarchte,
Wärterin
in
schloß der Schlaf nie ihre Augen.
Eie
wachte an seiner Seite, und wiederhohlte
des Morgens, wenn der Arzt kam, sorgfäl tig jedes Symptom der vergangenen Nacht. Während vier und zwanzig Stunden gönnte
sie sich kaum ein paar Stunden Ruhe; sie
verschaffte ihm jedes Spielzeug, sie erzählte
179 ihm jedes Geschichtchen,
und gab sich alle
Mühe um ihn auf^uheitern.
Oie Landluft wurde als Mittel verord
net, und wir mietheten eine Wohnung ausser
der Stadt.
An
einem
schönen
Sommer
morgen, als cs gerade vier geschlagen hatte,
wurden wir durch einen Pistolenschuß auf
geschreckt;
die Bedienten, welche die ganze
9 ui cf) t gewacht hatten, eilten hinaus, unt
vielleicht jemand aus den Händen der Näuber zu befreien.
Bald darauf kehrten sie
zurück, und höhlten eine Matratze, auf dec
sie alsdann einen Jüngling getragen brach
ten, der in einem Duell verwundet worden
war.
Ec lag noch in Ohnmacht, und da
das Zimmer dunkel, und sein Gesicht mit
Blut bedeckt war, konnte ich seine Gesichts
züge nicht erkennen. Ich zog mich bei der Ankunft des Wund arztes zurück,
der ihn bald wieder zu sich M a
18o brachte, aber nachdem er seine Wunde un
tersucht halte, erklärte, daß er nicht mehr lange würde zu leben haben.
Ich war in
daS anstoßende Zimmer gegangen, wo meine
Frau ihr Kind wartete.
Als der Verwun
dete mit seinem Sekundanten allein war, fing er an zu sprechen, und ohnerachtet sei
ner schwachen Stimme, verstanden wir doch, da die Wand sehr dünn war, jedes Wort. >,Mein lieber Freund, sagte er, du kennst mehr als zu gut die Ursach dieses unglück
lichen Zweykampfs.
Oie Aufführung mei
ner Mutter mag auch seyn wie sic will, so ist der Sohn doch verpflichtet ihre Ehre zu beschützen;
mein Gegner hatte die Ilnocr-
schämthcit diese anzugreifen, ihren Namen
an einer öffentlichen Tafel mit Verachtung
auszusprechen, und sie zu beschuldigen daß —* doch du weißt das Ganze.
Ich habe
r8i nach meinen Eltern geschickt,
sie
noch
kommen werden,
um
Doch um
Eeegen zu geben.
rung
ich hoffe daß
einer Ditte ersuche
mir
ich dich ernstlich:
du mußt mir feierlich versprechen, iv ns) re
die
then.
Ur such
ihren
die Gewäh
niemals
dieses Ouells zu verra
Es würde meine Eltern blos uneinig
machen, und die Folgen konnten schwer auf
meine Mutter fallen.
Erdenke eine Erzäh
lung und wenn sie auch den Anstrich einer
Nichtswürdigkeit hat, sage, wir hätten uns. fccim (Spies oder beim Billiard überworfen.
Dann mögen sie mich immer ihres Bedau erns weniger werth halten,
und diese Er
zählung mag ihre Meinung von meinen Cha rakter verringern,
denn ihre häusliche Zu
friedenheit bleibt doch ungestört.«
Oie Großmuth des Fremden fezte mich
in Erstaunen; Neugier, Derwundrung und Verzweiflung drückten sich eins um das an-
rSs
dere in dem Gesichte meiner Frau aus. Sie zitterte und änderte öfters die Farbe.
»Gott im Himmel, rief sie endlich aus; es ist Allansie sprang auf, und stürzte in
das andere Zimmer. — Es war ihr ältester Sohn.
Dieses Opfer kindlicher Liebe, war auf dem Altar des Äorunheils geopfert worden; er hatte die Universität verlassen, um einen
Mitstudenten, der vielleicht unbesonnener? weise auf die Liebschaft seiner Mutter an-
gespielt hatte, zu züchtigen.
Da er nicht
wußte, daß seine Familie ihre Wohnung
verändert hatte, so war zufälligerweise das freie Feld vor unserm Hause zu dem Ort
ihres ZweykampseS bestimmt, und er wußte nicht wem dieses Zimmer, wohin er jezt war gebracht worden, gehörte.
Für den Auftritt welcher zezt folgte, ist jede Beschreibung zu
arm , ein Mahler
rS3
roüröe nicht im Stande gewesen seyn, den Schrecken
in jedem Gesichte auszudrücken.
Das arme 2Bcib, abgemattet durch das lange
Wachen, hatte kaum ihres Sohnes Bette erreicht, als sie mit einem Schrei, der bis
zum Herzen drang,
leblos niederfiel.
Dee
Sohn fährt mit solcher Gewalt empor, daß seine Wunden wieder von
chen.
neuem
aufbre
Nichts hält ihn im Bett zurück, ec
wirft sich über sie, und küßt ihre kalten Lip
pen, und sein Blut träufelt auf ihr blosses Gesicht.
Unterdessen
erwacht
das
kranke
Kind, und vermißt feine Mutter, es kriecht in das nächste Zimmer, und findet sie, wie
es glaubt, todt und in feines Bruders Dlut
badend.
Das arme, kunstlose
groß war sein Schrecken,
Kind,
wie
welche Sprache
drückt die Empfindungen der 97atur aus?
Der Anblick des Todes flüchtet,
-och
erschreckte eö:
es
der Antrieb kindlicher Liebe
184
behält die Oberhand;
es kehrt zurück, zit
ternd berührt es ihre kalte Hand, und wagt es endlich auch sie zu küssen.
Ihre Kammerweiber sind in ihren Be mühungen sie in das Leben zurück zu rasen
glücklich.
Ach.' es ist das Erwachen eines
Derurtheiltcn, dessen fliehender Geist von gefühllosen Menschen zurückgehaltcn
wird,
um ihm die Quanten des Todes zu verlän gern.
Sie öfnet ihre Augen mit einem Blick
nach ihrem Sohn, einem Blick, so voll Zärt
lichkeit, DJiitlci&en, Dankbarkeit und Billi gung , so vieler theilnehmenden Billigung,
als ob ein Engel einen leidenden Märtyrer
belohnte.
Niemals werde ich dieses
ver
gessen; aber die Wunde des Jünglings hatte
nicht aufgehört zu bluten.
»D, wie wird
mir!« rief er aus einmal aus, und faßte meinen Arm um sich zu unterstützen.
Als
er von der zweyten Ohnmacht wieder er-
i8j
wachte, sahen wir an der Bewegung seiner ßippcn daß er betete, die Kräfte fehlten ihm
aber es laut zu thun. iiini Bette nieder,
2£>ir knieten an sei-
er nahm unsere Hände,
küßte sie, und indem er sie zusammenfügte,
entfloh sein Geist der irrÜMstfjin Hülle, ohne daß wir einen Seufzer von ihm hörten. c< Bie Baronin Farua war bis jezt ganz
Aufmerksamkeit gewesen, aber der Tod die
ses brauen Jünglings, rief auch ihren Sohn in ihr Gedächtniß zurück, ihr Busen hob
sich mit einem unwillkührsichen Seufzer, und eine Thräne floß über ihre 2rZange.
Oie
Tochter Anora's war stolz auf ihre philo
sophische Ruhe, gegen die Launen des Glücks, aber die Stimme der Juitur konnte fle doch
nicht übertäuben.
Sie war nahe daran
ihre Schwäche durch ein lautes Schluchzen
zu verrathen.
»Freuet euch des Lel-enS,«
rief sic auf einmal aus, ergriff FirnoS beim
i86 mit ihm einigemal im
Arm, drehete sich
Saal herum, und nahm alsdann mit einer
ruhigen Miene ihren Platz wieder ein. - -
Fitz Allan fuhr fort. »Sereirct euch jezt eine
Erzählung zu
hören, d»e das Haar auf euren Kopf em porsträuben, und euer Blut in den Adern erstarren
machen
wird.
OaS Maaß des
Elends war noch nicht voll.
liche Vorurtheil,
OaS unerbitt
von diesem Opfer noch
nicht gesättigt, verlangte auch noch um sei nen Triumph vollkommen zu machen, den Selbstmord.
Oie frühere Erziehung meiner
Frau war sehr religiös gewesen, und nach den Grundsätzen der Religion nieines Lan
des war der Ehebruch ein Haupt-Derbre chen.
Oer abgeschmackteste
Aberglauben,
und die vernünftigste Moral haben gleiche
Gewalt über die Gemüther.
Oen Pyrha-
goräer der eine Dohne gegessen oder eine
•87 Fliege umgebracht hat, beunruhigt fein Ge
wissen eben so sehr,
als dem Bekenner zu
irgend einer andern Sekre, der vielleicht ei nen Mitmenschen umgebracht hat.
3n &er
Stunde der Zerstreuung hatte sie ihre Grund
säste vergessen, aber der Augenblick der Wiedervergeltung schien sich zu nahen.
Zwey
Kinder wurden von ihrer Seite gerissen, un
ter welchen ihr Liebling durch das Srrufge.richt des Himmels für ihre Verbrechen zu büßen schien.
Doch der erhabene Erforscher
aller Herzen weiß allein, ob der Abscheu vor ihrem Verbrechen oder, was wahrschein licher ist, die Furcht vor dessen Strafe ihr das Gehirn verrückte, denn drey Tage hin
ter einander war sie ganz trafen finnig, und in den Anfällen ihrer Raserei waren kaum
vier Menschen
hinreichend
sie zu halten.
In einem Angenbli.k nannte sie mich ihren Tyrannen, bekannte den Bedienten, die bii
ihr wachten, mein Betragen von unserer er sten Verheiratung an, und machte unsere Kinder durch ihr eignes Bekenntniß zu Ba
starden.
Sobald als ich zur Thür herein
trat, fiel sic auf ihre Knie, weil sie sich ein«
bildere, mein gezogenes Schwert stehe ihr schon an der Kehle, und brachte durch ihr
Mordgeschrei die ganze ^Nachbarschaft in Aufruhr.
Abgemattet durch ihre heftigen
Anfälle, sank sie des Nachts in Schlaf, aber kaum hatte die Glocke vier geschlagen, so erwachte sie, lief in. das nächste Zimmer,
kniete vor dem Bette, wo ihr Sohn ent
schlummert war, nieder, und schrie mit fürch
terlicher
Stimme:
Sohn 5
und zog hierauf ihr Schnupftuch
»Mein
Sohn.'
mein
heraus, um das Blut feiner 23unde zu stil len.
»Ach! sagte sie, er stirbt, er ist nicht
mehr, mein Borbitter ist dahinmein 32innn wird mich nun morden, und warum wollt
i8g ihr mich von feinem Körper megreigen? mein Jlianii würde doch wohl einiges Mit Anblick fühlen!« und
leid bei dem
ihre
pflegte
sie
küssen,
worauf,
Hände und Kleider wie sie
sich
nun zu
einbitdete,
sein Blut gefallen fei. Eines Tages,
nachdem sie diese angrei
fende Ezene wieder erneuert hatte, gelang
cs ihr, ihren Hütern zu entwischen, und aus dein Hause
zu entkommen.
Eine ganze
2Doche hindurch fragten und suchten wir
umsonst nach ihr;
endlich berichtete
mir
mein Haushofmeister, daß sie auf unserm
Landsitz, und wahrscheinlich zu Fuß, denn
ihre Echuhe wären ganz abgerissen, angekommen wäre.
Es ist wahr, sie war nie
mals so lächerlich delikat als ihre Landü-
iiiüiininnen es im allgemeinen sind, doch
glaube ich war sie noch
nie eine Meile
in einem Tage zu Fuß gegangen, und
igo nun
deren
zehen 5
Familiengruft
zu
und
Körper ihres Sohnes sogleich
ab,
aber
um
die
worin
der
blos,
besuchen,
ruhete.
Ich reiste
als sie meinen Wagen
längst des Parks Herkommen steht, schreit ste: »Er kommt! mein .)2;ann kommt, mich
ein Fenster
auf, und
stürzt fick) in den Schloßgraben.
Durch ei-
zu morden!"
reißt
nen Fall von hundert Fuß Höhe,
Körper fast
ganz
zerschmettert,
war ihr in
ihren
Haaren hing daS Gehirn in ganzen Klum
pen, und ihre Kleider schwammen in Blut. Dies war das traurige Ende meiner Frau, eines Weibes die ich zwar niemals liebte: wäre aber ihr Echickfül auf dem Theater
vorgestellt worden, so würde auch der un
befangenste Zuschauer in Thränen zerstossen seyn,
und
sehr gern hätte ich die Hälfte
meines Vermögens aufgeopfert, um ihr die Ruhe ihres Lebens wieder zu geben.
igx Indessen halte ich auch den kleinen Kna
ben, meinen einzig übrig gebliebnen Sohn
Verfahren.
Da seine Mutter seine Wärte
rin gewesen war,
und wer ist wohl zu ei
ner Wärterin geschickter als eine zärtliche Mutter? so war er wahrend der lezten Derwirrung vernachlässigt worden. Eine Nacht
hört er ihr entsezliches Geschrei, und da er sie ausserordentlich liebte, kriecht er aus dem
Bette,
und horcht an ihrer Thür.
Er war
noch nicht völlig von seiner Krankheit ge
nesen, und zog sich dadurch eine Derkältung zu; durch seinen Tod blieb mir nun von
meiner ganzen Familie nur noch eine Toch ter übrig, die meine Tante an Kindes statt
angenommen hatte.
Diese gute alte Jungfer war die personisizirte Steifheit.
Sie hatte dem Kinde
olle die Fehler ihrer Mutter aus einander
gesezt, und dadurch verursacht, daß fit ge-
IQ2
rade den entgegengesezten Charakter ange nommen hatte, denn sie wurde eben so cfcs
und delikat, als ihre Mutter roh und unge
stüm war.
Man hatte sie gelehrt, feie Hände
vor sich zu legen wenn sie säst,
die Füzze
auswärts zu seyen, und den fiopf in die Höhe zu halten, ihre Antworten überstiegen selten ja oder DTein, sie wagte es kaum je
mand gerade in das Gesicht zu sehen, und
die
unschuldigste
Freiheit
ini
Gespräch,
würde sie hoch errathend gemacht haben, ^ch reiste nach der Landstadt, wo meine
Tante wohnte, um meine Tochter nach £oip dvn zu bringen; wir kehrten zusammen in
einer Postchaise zurück, ohne auf dem A?ege
ein einzigesmal anzuhalten.
Ich hatte so
viel auf dem festen Lande gelebt, das; ich die übertriebene Delikatesse der Englände
rinnen ganz vergessen hatte, und den gan zen Tag hindurch gab ich dem armen Mäd chen
ig3
chen, die ich früh aus dem -Bette gejagt hatte, keine Gelegenheit, sich auf eine gute
Art entfernen zu können. Eine Verstopfung
war die Folge davon.
Ich bemerkte drey
Tage hinter einander daß sie immer den
Kopf hing, und sehr niedergeschlagen schien, ich fragte sie was ihr fehlte, erhielt aber keine Antwort, sondern sie fing an heftig
zu weinen, ich glaubte die Trennung von ihrer Gefährtin ginge ihr so nahe, und
fragte sie nicht weiter/denn wer konnte sich
wohl vorstellen, daß ihre falsche Bescheiden heit so weit gehen sollte, daß sie nicht ein»
mdt ihren eigenen Vater mit ihrer Krank heit bekannt machen würde.
Endlich ent
deckte die Kammerjungfer die Ursache; die ersten Ärzte von London wurden nun zur
Hülfe herbei gerufen, doch alles war um sonst, ihre Schmerzen waren schrecklich, aber nichts auf der Welt konnte sie anfänglich Las Par. d. L. 5r Bd.
194 dahin bringen, sich von einem Wundarzt
besichtigen zu lassen.
Endlich gestattete sie
cd, aber viel zu spät, denn alle Hofnung war nun verlohrcn.
Umsonst brachte ich
das arme Mädchen in
ein mineralisches
Bad, sie starb mit der Entschlossenheit einer Heiligen, das leztc Cpfer des DorurtheilS
in meiner Familie. »Armes Mädchen, sagte Mitila; betra gen stch aber alle Damen in Europa gleich
abgeschmackt?--
»Keinesweges, antwortete Fitz Allan, auf dem festen Lande verlangen sie gar nicht solche überirrdische Mesen zu seyn, die
aller Bedürfnisse der Diatur überhoben sind.
Ich will euch, um von dem tragischen in das Komische überzu gehen, ein Beispiel da von anführen.
Als ich das erstemal Eng-
land verlassen hatte, wurde ich im Haag zu einem Ball gebeten, den der französische
25ut|'(f)iiftcc gab. Es ivar ein ländliches Fest in einem Garten, und ein gewisses Bedürf
niß der Natur nöthigte mich hinter einem
Busch zu gehen, bald darauf kam auch die ^rau rom Hause aus derselben Absicht dazu,
und ich wollte mich eben aus falscher Schaam
davon schleichen, als 92taDamc l'Ambassa-
dl il e mich aufhielt, und mir zurief: »Cour agf, Miloi-Jch war jezt gan$ kinderlos, von mei nen 2)rüdern war iiud) keiner mehr am £'c«
ben. und zwey weitlaunige Vettern, die ich niemals gesehen,
und um die ich mich nie
mals bekümmert hatte, waren meine Erben.
Sie waren aber Fitz 2lllan's von derselben Familie und Tßappen, und das war alles was ich verlangte. Ich entschloß mich, ohne Gefährtin vollends durch das Leben zu steu
ern,
und schrieb an den ältesten,
daß er
nach Allan s -Castel kommen möchte;
aber
mein Stolz und nicht meine Zuneigung bot ihm leider diesen Schutz zu spät an,
da ich ihn,
ohne mich um
denn
ihn zu beküm
mern, immer in einem armseligen Zustand
gelassen hatte, so hatte er sich die JTacht
zuvor ehe er meinen Brief erhielt, an Hy
vy? Jicris Altar geopfert, und als ein blühender
(jüngfing eine reiche Wittwe, die alter als
feine Mutter war, geheirarhet.
Ein DTcger
der fiif) feinern Herrn für eine tägliche Por
tion Ärandwein verkauft, ist wahrscheinlich
ein edlerer Olienfd), als ein Mann der stch intfchließt,
auf so eine Art feinen Lebens
unterhalt in deni Echweiß feines AngestchtS verdienen,
doch ich wünschte immer als
ein Edelmann zu handeln, und mein Vetter
butte nichts gethan,
was diesem Eharakter
zuwider war. Ich wünschte ihm daher schrift lich zu einer Herrath Glück, da aber keine
Binder aus einer so ungleichen Verbindung i worüber Ihr euch verwundern werdet, daß sie eine aufgeklärteIcation zugestehen konnte)
zu erwarten waren, da ihr hohes Alter den
Hitz Allans keine Erben versprach,
so wen
dete ich nun meine Gedanken auf den an dern
Bruder,
Oer junge Mann kam mit
i98
£ [tränen im Auge unt* bekannte, daß er mit der Tochter eines Staufmann4 heimlich verheirathet sei. Ccine Frau kam mit einem
Kind auf dein Arm und tvarf sich zu mei
nen Füßen.
Ihre Gestalt war anziehend
genug, aber ich war ausser mir vor 2r?uth
über eine solche Miß hei rath, und befahl ih nen,
mir auü dem Gesicht zu gehen.
£)a
sie aber sehr arm waren, so schickte ich ih
nen manchmal, aber immer durch unbekannte Hande, einige kleine Unterstützungen, fest entschlossen, daß ihre ausgeartete 23rut nie mals die Güter der Fitz 'Allanü erben füllte.
2?>ie ihr euch erinnern
werdet,
hatte
mein 23ater meine Mutter blos aus Eitel keit geheirathek, ich heirathete meine erste
Frau blos des Geldes wegen, und nun seht ihr mich im Degrist aus Haß zu heirathen;
drey gültige Ursachen um zwey Seelen und
Störper mit einander zu vereinigen.
199
Von meiner frühesten Jugend an hatte ich die Weiber des festen Landes denen un serer Insel vorgezogen;
vielleicht daß Che-
siersteld'S Werke mir diesen Geschmack eingestützt hatten.
Gerade zu der Zeit hatten
die Schrecken der französtschen Revolution ganz England mit dem ersten Adel Frank
reichs angefüllt.
Unter diesen unglücklich
Leidenden war auch die Marquise de Beaulaniioic, die Nachricht von ihres Mannes
^erurtheilung zur Guillotine war eben an kommen,
und die Thränen welche (7e bei
dieser Gelegenheit
häustg
vergoß,
gaben
mir eine sehr gute Meinung von ihrer ehe
lichen Zärtlichkeit.
Ich bot ihr meine Hand
an, welche sie der Etiquette gemäß erstlich ausschlug,
und nachher annahm.
32ieine
Freunde waren versammelt, um unsere Hoch
zeit zu feiern, als aus einmal ein Lärm vor
meinem Hause entstand, und ihr 32icinn, der
die Icacht vor feiner Hinrichtung aus dein Gefängniß entwischt war, in Begleitung ei
nes Polizeidienere hereintrat, und sich ihrer bemächtigte, weil fte in Gesellschaft feiner
Juwelen und eines Liebhabers Frankreich verlassen hatte. Ihres Mannes Erscheinung rettete mich
aus den Händen dieser Eyrene, die, wie ich
nachher erfuhr, der schwärzesten Untreue und Undankbarkeit fähig war.
Wie un
glücklich ist das Land, wo die Scheidung nicht das Übel der Ehe endigen kann; in
England, war ich einst an dieses Krokodill geschmiedet, so hätte mich nur der ^od da*
von befreien können. — Oa die Margnise mich nicht heirathrn konnte, so nahm sie mich als ihren Liebhaber an.
Einer mei
ner Besuche wurde aber auf eine sehr un angenehme Art von ihrem
Mann
unter
brochen, der ganz unerwartet mit noch ei-
nem Zeugen in das Zimmer stürzte,
und
mirs) in einer sehr unzweideutigen Lage mit feiner Frau ertappte. Ich kehrte nach Hause
zurück,
und bald darauf kam mein Kam
merdiener athemloß zu mir.
OaS Kammer
mädchen der Ntarguise, welches seine Ge liebte war, hatte iF>ru das schändlichste Kom plott entdeckt, daü sogar zwey Personen von
Stande schmieden,
und dessen Ausführung
nur die englischen Gesetze allein unterstützen können.
Ea war nämlich
unter
dem lie
benswürdigen Paar festgesezt worden, daß er mich in ihren Armen finden sollte, um
alsdann
mich damit
die
er
die
des
Ehebruchs anznklagen,
ungeheure Strafe erwischte,
tyrannischerweise
jedesmal
durch
die
zwölf groben Gesellen zuerkannt wird. Fest entschlossen, daß sie die Früchte ih
rer Niederträchtigkeit nicht einerndten soll
ten. reiste ich augenblicklich nach einem See-
Hafen ab,
tvo einer meiner Freunde,
der
als Gesandter an den Kaiser von China gc
i|f
nach Calieut ein, in der Hofnung hier eine Gelegenheit zu finden meinem Freund nach
China zu folgen, aber seit meiner Ankunft
in eurer Hauptstadt ist mir der Gedanke,
meine
Reise
fortzusetzen,
niemals wieder
eingefallen. 2£ie
ost hatte ich
nach
meiner ersten
Einschiffung die romantische Idee, ein Land
120j
roie China zu besuchen. wo weder Dusle, £)pern, noch eine angenehme Vertraulichkeit
beider Geschlechter zu
finden
ist,
bereut.
Ich, per ich so sehr an Paris hänge, und
die Franzosen jeder andern DTation vorziehe,
obschon das Betragen
der Marquise mich
in meiner vorgefaßten Meinung etwas käl ter gemacht hatte,
der ich sogar auch in
Vuru'oii unter Ausländern zu leben suchte, was sollte ich in allenfalls
China thun.
Ich hätte
eine Pfeife Taback mit unserm
Faktor in Canton schmauchen können, in< defj^n ein Trupp geschmackloser Tänzerin
nen mir mit ihren Schellen die Ohren voll geklingelt hätten, oder anstatt in dem Bou
doir meiner lieben Mitila zu seyn, konnte
ich vielleicht die Ehre haben eine tüchtige
Bastonade zu genießen, weil ich dem Serail
deü
Kien , Long
men war.
etwas
zu
nahe gekom
204
213 u* soll ich euch öfter mein Entzügen beschreiben,
als
ich einen Ort wie Ealicut
gefunden hatte; ich wußte nicht ob ich n,ei nen Augen trauen sollte, eS schien mir das
El Dorado eines Poeten, und ich fürchtete immer aus dem saßen Traum zu erwachen.
Oer Abend war schön, ich ging in der Stadt
herum bis
ich müde war,
und sezte mich
dann bei einem Springbrunnen auf einem
der öffentlichen Plätze nieder. Indessen stieg der 92iütiL> herauf, und tanzte auf dem flüs
sigen Spiegel.
Ich vcrlohr mich in Gedan
ken,
bis eine Serenade von einem gliickli-
chcn
Liebhaber seiner Geliebten
mich aus meinen Träumen weckte.
gebracht,
Es war
Mitternacht vorüber als ich in das Wirths
haus zurück kam. Ich schlief noch,
als mein Bedienter in
das Zimmer kam, und mir die Gräfin von
Seringad
anmeldcte.
>- Oie
Gräfin
von
au5
Ct’rii’ij.i^ ? sagte ich, dies ist wahrscheinlich ein 3?u^1’1’1:11 iitii*iii|j.
Eie wird einen an
fcern Fremden meinen. " — » Jrcin, nein,
sagte er, sie fragte nach dem englischen ^Kutter - Eof^n,
der
fei.« Er hatte
noch nicht geendiget, als
gestern
angenommen
meine theure Zurita schon in das Zimmer trat, und mich angelegentlich fragte , ob ich
Eure kaiserliche Hoheit nicht in England ge selln hätte, doch wer hätte sich es träumen
lassen, daß sie den Marchese de Roverbella
damit meinte.
Ich hatte öfters in Frank
reich dem Levee einer schönen Frau mit beigewohnt, aber niemals konnte ich wohl die
Ehre erwarten., daß eine
liebenswürdige
Gräfin dem meinigen beiwohnen soyte.«
«Mein lieber Fitz Allan, sagte Dllitila, hätte ich so wie Ihr die Geschicklichkeit
Komplimente zu machen, so würde ich Eure Gefälligkeit, Euch mit mir auf das Land
206
zu begraben, bis in den Himmel erheben;
Ihr, der ihr sv sehr cntjüift i»en der Haupt stadt seid,
und einen solchen Miderwillen
gegen die grünen Felder und die (I'infeeinig--
feit des Landes habt.«»hinein solchen Feste mit beizuwohnen,
antivortete Fi^ Allan, würde ich Csurf) bis
an die Mästen des Indus, oder bis aus die
Berge von Thibet begleitet haben.
(Sure
kaiserliche Hoheit muß misten, daß die (5 uv pn die Gäligkeit hatte, mich zu dem jähr lichen Geburtsfest ihrer Urgroßmutter einzu laden.
Niemals sahe ich eine so rührende
Szene, vorzüglich für mich, der ich in Eng
land eine hofnungSvolle Nachkommenschaft
nicht meiner Kinder, sondern meiner Kinder Stellvertreter,
einü nach dem andern vor
meinen Augen
hatte wegschwinden sehen.
Oenkt Euch nun waS ich dabei fühlte, als ich die ehrwürdige Älter-Mutter an
der
207
Spitze ihrer .TitufiFommen von ihren drey Söhnen unterstes, erblickte, indessen ihre
Töchter ihr ihre Löhne und Töchter vor stellten; die Enkelinnen stellten wieder ihre blinder vor, und einige der Urenkelinnen erschienen mit ihren Kindern nn der 25ruft. 97ur eine einzige erschien ohne Kind, schon seit
einigen Jahrert hatte sie den grünen
Wüstes empfangen, aber sie war noch nicht
nut einem Kind gesegnet worden.
lein erschien traurig und
Eie al
niedergeschlagen,
wie ein unfruchtbarer Stock unter den frucht
bringenden Wcinstöcken.
Mit welchem Tri
umph übersah jezt die ehrwürdige Erz-Mut
ter ihre zahlreiche Nachkommenschaft. Mehr als fünfzig sezten stch zu Tische, die ihr
Daseyn ihr zu verdanken hatten. Rechten saß ihr Sohn.
Zu ihrer
Unter den Waffen
grau geworden, war er als Befehlshaber
mit dem Phönix geziert, und erzählte fei-
2u8
nen
U messen
Kriegs,
die
Thaten
indessen sein
des persischen
Echwestersohn,
der
schon in seiner Jugend zum Dienst unfähig wurde, und mit ehrwürdigen warben ge ziert in seine mütterlichen Hallen zurückge-
kehrt war, mit einem Seufzer aus seine Krücke
zeigte, und seinem jungen DTcften sein überflüssiges Schwert versprach. «
»Ach, nie ohne Seufzer denke
ich an
dortigen
ihren
Doch
Aufenthalt.
Ihr seid unschuldig daran, Ihr konntet den traurigen Dorfall nicht voraussehen «
Zitz Allan war im Begriff die Gerech
tigkeit des Fürsten zu loben, denn der höf> liche Fitz Allan ließ keine Gelegenheit un»
benuzt,
wo er ein Kompliment anbringen
konnte,
als das Jauchzen und Frohlocken
des Volks die Gesellschaft an die Fenster
rief.
Camilla, von dem jungen Adel des
Hofes begleitet, kam eben von der Jagd
zurück.
Fitz Allan
Landsmännin ,
und
erblickte
kaum
Todesbläffe
feine
bedeckte
n4 sein Gesicht, seine Knie zitterten, und sinn-
log
und
ohne
stürzte
Bewegung
er zu
Boden. Oer Kaiser, der neben ihm stand, konnte seinen
Fall
nicht
Oie Hofleute
hindern.
sprangen zu seiner Hülfe herbei, und brach
ten ihn zu Bette.
Man schrieb seine Un
päßlichkeit der Hitze der Witterung zu, doch
als er wieder zu sich kam,
schien er finster
und gedankenvoll.
Oer Kaiser und der Erbprinz besuchten ihn in seinem Zimmer,
er sprach wenig,
heimlicher Kummer schien an
zu nagen.
seiner
und
Eeele
Man konnte ihn durchaus nicht
überreden zu der Gesellschaft zurück zu keh
ren, und die.folgende Nacht hörte man ihn beständig in seinem Zimmer auf und abgc-
hen,
und mix sich selbst sprechen.
sehr spot- ehe
Es war
er flch zur Ruhe legte,
und
als ihn der Erbprinz den folgenden Mor-
gen besuchte, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, fand er ihn noch im Bette.
Camilla begleitete den Prinzen bei diesem Ntorgenbesuch, den er ihrem Landsmann ab-
fiattete.
Selbe sezten fich ruhig neben sein
Lager, und Kwarteten sein Erwachen.
Fitz Allan
scheint von
chen Xroufti beunruhigt.
und her^
einem fürchterli
Er wirft fich hin
»Hülfe, Hülfe! schreit er endlich
laut auf; rettet sie! sie finkt!« — Er springt
aus dem Bett, ergreift Camilla um den Leib,
und eilt mit ihr nach dem andern Ende des Zimmers. »Ich bin zu schwach, sagte er, ich kann fie nicht retten;« er läßt sie nun loß,
und indem er selbst zu Boden fällt, erwacht er aus seinem Traum. Firnos bringt ihn wieder zu Bett.
Er
schlägt die Augen auf und erblickt Camilla. Mir fürchterlicher Stimme ruft er auS: »Ihr Geist, ihr Geist!« und fällt ohnmächtig zurück.
ti6.
Camilla eilt nach Hülfe, indessen erhöhst
er sich, und bittet, man möchte ihn mit dem Prinzen allein lassen. -»Ob ich gleich fürchten muß, sagte er, frag Ihr jezt eine verächtliche Meinung, entweder von meinem Kopf , oder meinem
Herzen fassen werdet,
so muß ich doch der
wiederhohlten Ermahnung von Oben gehor chen, und Euch ein Geheimniß von der höch
sten Wichtigkeit entdecken.
Seit gestern be
finde ich mich in einem so fürchterlichen Zu
stand , daß ich beinahe eine G erstes er sch ütterung fürchten möchte.
Don jeher hatte ich mehr Hang zu Skep ticismus
als
zur
Leichtgläubigkeit,
doch
war es immer mein Wunsch zwischen die sen beiden Felsen hindurch zu steuern.
Die
Möglichkeit eines Geistes kam mir immer
wie ein kindischer Popanz vor,
aber eine
Erscheinung, die mir seit meiner Ankunft
•!7 zweimal hier vorgekommen ifl, fyat bat Geblinde meiner Grundsätze ganz umgcworfen.
Leider ist
eS mit mir so rocit gekommen,
daß ich fürchten muß, Ihr könntet meinen
Verstand in Verdacht haben.
Doch Eure
Gerechtigkeit wird mich von aller überleg ten Bosheit frei
sprechen,
und ihr werdet
mir zugestehn, daß ich an der traurigen Be gebenheit, die aus der unglückseligen Vor sicht Eurer Murrer entsprang, ganz unschul dig bin.
,
Das Tagebuch der Prinzessin hat Euch
schon die Verwirrung beschrieben» meinem
Schloß Herrschte,
als
die in
mag Eure
kleine Schwester vermißte, und hat Euch
auch von unsern grundlosen Mukhmaßun-
gen und fruchtlosen Nachforschungen unter richtet.
Nach fünfzehn Jahren erhielt ich
von einem vormaligen Bedienten der Fa
milie diesen Brief.«
2lö Hochwohlgebohrner Herr? Gnädiger Herr!
Eure Gnaden werden geruhen die Freimüthigkeit dieses Briefes zu verzeihen. Sie
wissen daß der alte Griesgram, wie Eure Gyaden mich zu nennen pflegten,
nie ein
Schmeichler war, und nun, da er älter ge worden ist, ist er auch mürrischer geworden; auch habe ich jezt weit weniger Interesse
als je Euer Gnaden zu schmeicheln.
Oie Gunst Eurer Hochwohlgebohren be saß ich nie, und die Wahrheit zu gestehe»
verdiente ich sie auch nicht.
Stundenlang
hielt ich mich öfters in der gothischen Gal
le rie auf, und betrachtete die Aamiliengcmälde.
Dieser Dube, dachte ich, hat weder
die Augen rroch die Nase seines Geschlechts. Wem ist er denn sonst ähnlich, dieser un erwartete Gast, der zwey Monate zu früh
zum Vorschein kam? Ich weiß wer ein best
2tg
sereS Recht hat als er, den Oujmen Fitz Ak« san zu führen. — Doch genug davon. —
2i3ic schon gesagt, nicht Eure
mein Interesse verlangt
Gnaden
zu
konnte (Sie nie leiden,
schmeicheln.
Ich
und dennoch wollte
ich nicht grob gegen Eure Gnaden seyn.
Derjenige, welcher so viel Recht hatte Ihr ganzes Eigenthum, Ihr Alkes zu
besitzen,
och! der ist nicht mehr! Sein freudenloses Le ben endigte sich mir einem schmachvollen Tod. Ich will
ob
ihn nicht Ihren Bruder nennen,
er gleich
der Sohn
meines
gnädigen
Herrn war, und ihm so ähnlich sahe als ob
er
ihm aus den
Augen geschnitten
Sie werden sich rwJj des nern ,
wäre.
Findlings erin
der als fiinb mir den jungen Herr
schaften spielte.
Eure Gnaden waren zwar
älter als er, aber er war lange ein Gesell
schafter Ihrer Herrn Brüder,
ein unterthä-
niger Diener einer untergeschobenen Brut,
und ein Findling im Hause seiner Väter. Nach
dem
Tode
meines
fertigen Herrn
wurde er ohne einen Freund, ohne einen Schilling, ohne ein Obdach zu haben, in die
weite Welt gestoßen.
Eure Gnaden nah
men einen neuen Haushofmeister an,
ich trat in die Dienste des
und
Lords 23** *.
Von meinem dürftigen Lohn unterstüzte ich den verlassenen Jüngling.
Ich hätte ihm
gern eine Stelle in irgend einem Amte ver»
schäft, oder ihn als Sekretär bei einem Ca-
valier empfohlen, seine Erziehung war aber zu sehr vernachlässiget worden,
kaum
schreiben.
ec konnte
Umsonst versuchte ich es
ihn irgendwo als Kalnmerdiener unter zu
bringen,
er war
endlich
die
gezwungen
Stelle eines Bedienten anzunehmen. edle Blut der Fitz Allan's floß in
Das seinen
Adern, und doch mußte er Livree tragen.
Seine gnädige Frau bekam Lust die Rolle
-e- Potifar'S Gemahlin Zuspielen; unglück licherweise war sie entweder schöner als jene,
oder der Jüngling von einem weniger kal ten Temperament als Joseph;
genug
er
wurde ertappt und vor den Richter geführt,
-er ihn zu einer Geldstrafe von vier tau send Pfund verdammte.
Eine solche Strafe
war für einen Bedienten so gut als lebens
längliche Einkerkerung,
denn wo sollte er
das Geld hernehmen? Er wurde auch wirklich, da er nicht zah
len konnte,
in das Gefängniß geworfen.
Seine Mutter, meine arme Schwester (Eure Hochwohlgebohren
werden
sich
noch
der
Betty Perkins erinnern, die bei meinem fee-
tigert Herrn
so
lange
als Haushälterin
diente, und die sogar während einer Zeit
zufrieden war, bei ihm ohne Lohn zu die nen), starb mit gebrochenem Herzen.
Auf
Sterbebette versprach ich ihr,
daß
ihrem
obgleich der Vater seinen Cohn wie ein Bettler verlassen
hatte,
ich doch
meinen
Neffen nie verlassen wollte.
Ich entschloß niich alles zu wagen, uni ihm seine Freiheit zu verschossen.
Ntt'ine
Schwester war mir zu theuer, und ich liebte ihren
Cohn.
Oer Lord,
mein
gnädiger
Herr, hatte mir eine Summe Geldes an vertraut; ich wurde zum Derräther.
Der
Himmel verzeih mir, es war das erstemal,
daß ich je eine Ungerechtigkeit ausübte. Ich benuzte diese Summe, um die Geldstrafe
zu bezahlen und meinen Neffen in Freiheit
zu seyen.
Oas Geld wurde vermißt; ich
wurde ins Gefängniß geworfen, sobald aber
mein Herr den Bewegungsgrund des Dieb stahls erfuhr, war er großmüthig genug,
ftd) für mich bei dem Oberrichter zu ver wenden , und ich wurde nur zu den Galee
ren verdammt.
22j
Mein Neffe
hatte jedoch lange genug
im Gefängniß gesessen, um seine moralischen
Grundsätze zu
verderben,
doch blieb sein
Herz gut, und die Undankbarkeit war nicht mit unter seinen Untugenden
Das Blatt
hatte sich gewendet, ich saß nun im Gefäng
niß und er war frei; Nähe,
er blieb aber in der
und arbeitete Tag und Nacht, um
mir jede Bequemlichkeit zu verschaffen, die mir meine traurige Lage versüßen konnte. Nlan hätte sagen können, daß er, nicht ich,
wie ein Galeeren-Erlave arbeitete. Einst kam er in der Abenddämmerung
zu mir, zog einen Schlüssel hervor, schloß meine Ketten aus und rief:
»Fort, fort!
keine Fragen ! keinen Augenblick oerlohren! Fort! Oie Flucht muß uns retten!« — Sie können leicht glauben,
daß ich keine Auf
munterung zur Flucht nöthig hatte.
Bald darauf erfuhr ich, daß Eure Gna-
224
den einen Bedienten verabschiedet
halten.
Ich entdeckte meinem Neffen den Namen
seines Vaters, und rieth ihm, sich um Sicfc Stelle zu bewerben.
»Geh, sagte ich. Du
wahrer und rechtmäßiger Fitz
untergeschobene
Allan:
der
Fremde, der von Deinem
Eigenthum schwelget, ist eben so
gut ein
Hahnrei wie sein Vorfahr. Seine Ehehälfte steht auch die Livreen nicht ungern. such Dich zu
empfehlen.
Lege
die
Geh!
Eyer
wieder in ihr altes Nest «
»Nein, sagte er, nein, bin ich wirklich
ein Fitz Allan, so werde ich mich meiner Vorfahren nicht unwürdig erweisen.
2ßie
konnte ich das Wappen am Knopf oder aus
dem Ermel tragen, das an meinem Credenz« Tisch oder an meinem Wagen glänzen sollte.
Nicht List, sondern Kühnheit war der Cha rakter unseres Hauses,
Adern stießt edles Blut.
und auch in diesen Ich hatte von. je
her
225 eine Ahndung, daß ich von erhabner Geburt wäre, denn ich konnte mich nie vor einem Im Gefängniß lernte ich
Hähern beugen.
einige brave Kerls kennen, und ich bin jezt ein Räuber Hauptmann.«
Ich erfuhr nun , daß er mir meine Frei heit dadurch verfchaft
hatte,
daß er den
Galeeren - Meister mit einem OiamantenRing bestach, der ihm einst bei einer nächt
lichen
Expedition als
Antheil der Acute
zufiel.
Ich
will weder meine
Ermahnungen,
noch feine Gründe wiederhohlen,« um mich
zu bewegen
mit zu ihrer Rotte zu treten.
Oer Entzwcck
meines Schreibens
ist gar
nicht, um mir die gute Meinung Euer Hochwohlgebohren zu
gar eine Zeit, daraus
gemacht
erwerben.
Es war so
wo ich mir ein Vergnügen hätte, Ihnen alles
nur
mögliche Übel zuzufügen, und so lange ich
Dao par. d. L. 3c Dd.
P
226
lebe, werde ich Ihnen nie gut werden.
Oer
Sohn meiner Schwester mußte den Namen
Allan fuhren,
und Sie — Gott weis
wie Sie heißen sollten. Habe ich aber nicht
Ursache genug Sie zu
Kurz, ich
hassen?
vereinigte mich mit den Räubern, und un sere erste nächtliche Unternehmung war wi der Allan's-Castel gerichtet. Wir hatten unsere Kerls in dem Park
versteckt, und auf ein gewisses Signal soll ten ste stch dem Hause nähern.
Mein Neffe
und ich, die wir jeden Winkel im Schlosse
kannten, schlichen uns in dec Abenddämme
rung vom Pförtner unbemerkt, hinein.
Als
wir über eine Gallerie gingen, stel mein Neffe vor dem Gemälde meines
seeligen
Herrn auf die Knie,
und bat um seinen
Beifall und Seegen.
In
erblickte er auch
dem Augenblick
Ihr Portrait; wüthend
stand er auf, und ich konnte ihn kaum da-
L2?
von abhatten, es von der Wand zu reißen. W>r hörten Fußtritte, nicht entdeckt zu
und eilten fort, um
Endlich kanten
werden.
wir an ein Zimmer, das wie wir glaubten,
Ihrer Frau Gemahlin gehörte. JHein liesse kroch unter das Bette, und ich verbarg mich
hinter einem altmodischen Schirm. Nun errathen Eie wohl, und wenn Sie noch irgend eines menschlichen Gefühls fä
hig find, wird es Ihr Herz rühren, daß der Jüngling, der im Zimmer der Dame ent
deckt wurde, der Sohn, nicht Ihres Vaters, (denn wer war Ihr Vater?) sondern Ihres
Wohlthäters war, dem Sie Ihren Namen, Ihren Rang, Ihr Vermögen, Ihr Alle-
(nur Ihr Leben nicht) schuldig sind.
klage Sie nicht an,
Ich
darum gewußt zu ha
ben, denn einer solchen Grausamkeit halte ich Sie nicht fähig.
heimniß
seiner
Wenn Ihnen das Ge
Geburt
bekannt
P -
gewesen
223
wäre, so hätten Sie gewiß Pardon für ihn ausgewirkt. — Aber er verzweifelte selbst, je eine seiner Geburt angemessene Nolle
spielen zu können.
Er konnte seine unwür
dige Iliedrigkeit nicht ertragen; das Leben
war ihm zur Last.
Oer namIicf)e Muth,
der die alten Ritter, seine Dorfahren, zu Helden stempelte, galt in einem Hausdiet»
als eine enipörende Hartnäckigkeit.
Er ver
weigerte es, auf die Anklage zu antworten,
runzelte verächtlich gegen feine Richter die Stirn, und hörte sein Todcsurtheil ohne Bewegung aussprechen. Schauervoller Wech sel des Glücks! Überführt das HauS seiner
Ahnen betreten zu haben, litt er an dem Ort einen schändlichen Tod, wo er das Le,
ben erhalten hatte; an dem Ort, der wäh
rend so vieler Jahrhunderte der Sitz ihrer Macht und Herrlichkeit, ja ich darf auch
sagen,
ihrer
Güte und Gastfreiheit ge-
2SA
wesen war. — Doch zurück zu meiner? Ge
schichte. Sobald die Dame, in deren Zimmer wir
und verborgen hatten, meinen Dressen in ihr Kabinet gelockt hatte, lief sie nach Hülfe.
Ich kroch hervor und wollte meinen Dirffeti befreien, aber die Thür war fest Verschlüssen.
Armer Jüngling, ich mußte dich deinem Schicksal überlassen! Doch das 23eib, dio Urheberin deines Todes hatte einen schla
fenden Säugling im Bette verlassen.
Ich
hielt die Dame für Ihre Frau Gemahlin, und das Kind für das Ihrige.
Zwiefache
Rache also? Rache für das verwirkte Leben, Rache für das gestohlene Gut meines Ref
fen! Ich bemächtigte mich des Kindes, sprang mit ihm durch das Fenster, entkam glücklich
und ohne Schaden, warnte dio Räuber, daß sie sich aus dem Staube machen sollten, un-
entfloh nach Boulogne in Frankreich,
i3o Zu Doulogne flieg der Gedanke in mir
auf, daß mir das Kind, als Geissel für daS
Leben meines Steffen wohl nützlich werden könnte.
Ich schrieb drey Briefe
an Eure
Gnaden, und versprach das Kind zurück zu
geben, ich
wenn mein Neffe Pardon erhielte;
bekam aber keine Antwort,
vielleicht
waren sie, da ich kein französisch verstand, unrichtig adreffirt, und Eure Gnaden haben keinen erhalten.
Noll Unruhe
über daS
Schicksal meines Neffen, kehrte ich nach Eng
land zurück.
Dort hörte ich sein jammer
volles Ende, und schwor Ihr Kind nie zurück zu geben.
Aus
Furcht
vor der Polizei blieb ich
lange verborgen, und floh von einem Wald
zum andern.
Einst begegnete ich in dem
Walde bei Epham einer Zigeunerin, die be
schäftigt war ein Loch zu machen, um ein Kind zu begraben, dessen Tod ihr sehr un»
*3i
angenehm h>ar, da sie es gebraucht hatte, um durch sein Schreien Mitleid zu erregen,
und sich
dadurch Almosen zu verschaffen.
Kurz, das kleine Mädchen
wurde mir zur
Last, und ich bot es der alten He^e an, die es mit Freuden annahm.
Erst seit kurzem habe ich erfahren,
das Kind nicht Ihnen,
daß
sondern einer frcm«
den Dame gehörte, die damals in Allan'sCastel zum Besuch war.
Oer Kinderraub
galt Ihnen, denn ich haßte nur Sie allein. Oie Dame hatte zwar den Tod meines Nef fen verursacht, aber wenn ich bedenke, daß
sie sich dabei betrug, wie alle andere sich an ihrer Stelle auch würden betragen ha ben;
und wenn ich nach meinem Schmerz
über den Verlust meines Neffen,
urtheilen
darf, was sie bei dem Verlust ihrer kleine«
Tochter hat leiden muffen, so bin ich ge^
neigt ihre Schmerzen zu stillen, und alle
Martern, die ich ihr verursacht habe, wie der gut zu machen.
Ich
hoffe
also
daß Eure Hochwohlge
bohren nicht versäumen werden, der unglück lichen Mutter die Nachricht
daß die besagte Zigeunerin,
mitzutheilen,
mit einer her
umziehenden Horde, alle Herbste nach Dexley in der Grafschaft Kent zurück kehrt, wo
sie bei der Heu • und Korn-Erndte Arbeit
ffndet.
Sie trägt eine Narbe an der rech
ten Schläfe,
und hat das rechte Auge ver-
lohren. In der ganzen Nachbarschaft ist sie
unter dem Namen der Königin von Egyp
ten bekannt. Ich bete oud dem Grund mei
nes Herzens für den glücklichen
Erfolg Ih
rer Nachforschungen wegen des
verlohrne»
Kindes,
Mutter es
und
daß die trostlose
bald wieder an ihr Herz drücken möge. Die Zeit hat meinen Groll gegen Eure
Gnaden zwar etwas gemindert,
doch sehen
(Eie nur durch die Fenster Ihres Schlosses mies» Drin Platz,
wo
der Galgen meines
unglücklichen liessen stand, und fragen Sie
dann Ihr Herz, Ihr
ob Eie einen Wunsch für
Glück und Wohl erwarten können,
von Ihrem
unterthanigst gehvrfan.sten Diener
Eamuel Perl'ins.«
»»Und ivo ist Osva? wo.ist meine Schwe ster?« rief FirnoS, der feine Ungeduld nicht
langer mehr im Zaum halten konnte. »«Ach! antwortete Fitz Allan, ich habe ih-
reu Geist gesehen. Doch laßt mich erst meine Erzählung vollenden.
Ich, reiste nach dem
ini 25i iefe bezeichneten Ort, und nach vielen
Icachsragen entdeckte ich die einaugigte Zi
geunerin.. Ich sparte wed^r Versprechungen
noch Drohungen, und endlich kamen fol gende Begebenheiten
an
den Taz.
Sie
234
hatte ein kleines Mädchen geraubt, in der Abstchr,
sie zuerst auf ihren Bettel - Reifen
zu gebrauchen,
und ste alsdenn der Fami-
lie, unter dem Versprechen der Verzeihung und einer großen Belohnung, wieder zurück
zu geben. Dieses Rind starb zu ihrem größ
ten Leidwesen einige Monate nachher, und ste war eben beschäftigt es zu begraben, als PerkinS ste im Walde traf, und ihr das an
dere Kind schenkte.
Dieses nun,
hoffte ste
nach einigen Jahren der Familie des ver-
storbnen Kindes anstatt ihres eignen zurück zu geben, und dies war wirklich geschehen.
Eine große Summe Geld hatte diesen ab scheulichen Plan belohnt.
dec
Hintergangenen
Eine Dame aus
Familie
hatte
einen
anonymen Brief erhalten, und Eure Schwe ster statt ihrer eignen Nichte nach Hause
gehöhlt. Sobald
die Alte dies Bekenntniß vol
235
lendet hatte, fiel fie auf die Knie, und Bat um die Verzeihung ihres Verbrechens. End
lich versprach ichs sie ihr, im Fall daß sie
mich jezt nicht wieder betröge, und schickte sie unter guter Begleitung nach Allan s Ca stet. Indessen besuchte ich einen Freund der in der Nachbarschaft dieser Dame wohnte,
in der Hofnung, von ihm alte Umstände zu erfahren, ehe ich die Abficht meines dorti
gen Besuchs bekannt machte. Es war ein schöner Herbsttag, als mein
Wagen nicht
weit von
feinem Landsitz,
von einer Jagdgesellschaft in einem engen
Wege aufgehalten wurde.
Als ich meinen
Freund darunter erblickte, stieg ich aus, sprang auf eins seiner Pferde, und jagte
mit. Bei der Gesellschaft befanden fich auch
zwey Damen.
Eine davon, ein fünfzehn
jähriges Mädchen, begleitete oder vielmehr
t36 führte die kühnsten Jager über die gefahr« lichsten Örter.
Ihr Muth überraschte mich,
ich zitterte für ihr Leben, ob sie gleich sehr
gut ritt. Die altere Dame fing auch an be
sorgt um sie zu werden, und rief sie zurück. Jezt hatte ich Gelegenheit ihr Gesicht zu
betrachten. Ich erkundigte mich bei meinem Freund wer ste wäre, und war nun über
zeugt, daß die alte Zigeunerin mich nicht
belogen hatte. .Ja, Prinz, es war Osva, eine so vollkommene Ähnlichkeit hatte ich
noch nie gesehen;
dieselben Gesichtezüge,
dieselbe Farbe, dasselbe dunkelbraune Haar, dasselbe Feuer im Auge,
derselbe Ausdruck
in ihrer Miene, kurz alles was mich an
Eurer Mutter so sehr bezaubert halte, sand ich in ihr wieder vereint.
DHein Freund
stellte mich den beiden Damen vor, ich ge
sellte mich zu der Tante, aber nichsü konnte
die ^richte zurückhallen. Sie blieb noch im
mer die Anführerin dec Jagd.
*3?
Während meiner Unterhaltung mit der Tante,
lenkte
ich das Gespräch auf die
Nichte; sie bestätigte die Geschichte, daß sie
von einer Zigeunerin gestohlen, und wieder zurück gegeben worden wäre, und beschrieb
die Dankbarkeit der ganzen Familie bei der
Wiedererstattung eines Kindes, der Erbin eines alten Namens und beträchtlichen Ver
mögens.
Darauf hielt sie den guten Eigen-
f(husten Der Nichte eine Lobrede,
und ich
fand nachher, daß ihr Verdienst das Lob weit übertraf.
Die ganze Jagdgesellschaft
speiste bei meinem Freund, und ich freute mich Gelegenheit zu haben dos Fräulein zu beobachten.
Ich fand sie nicht nur ver
ständig , sondern auch gelehrt.
In der Ge
schichte war sie sehr belesen, sie sprach mit Fertigkeit drey Sprachen, und war mit den
besten Schriftstellern Geistesbildung
und
bekannt; kurz, ihre
körperlichen Dollkom-
s3S
menheiten waren gleich bewundernswürdig.
Ach' FirnoS,
dies
war Eure
Schwester»
und wenn sie keine Nairin gewesen wäre,
so verdiente ste doch eine zu seyn.« »»Warum foltert ihr mich mit Ungeduld,
rief FirnoS.
Was war das Schicksal dieser
unvergleichlichen Schwester? Solche
Doll«
kommenheiten waren in ihr vereint, und ste
ist nicht mehr! Sie, auf ewig verlohren! —
Sprecht! was war ihr Schicksal?« »»Ach! es war grausam. Oie gute Tante
starb;
ihre andern Anverwandten wollten
ste an einem Nichtswürdigen verheirathen.
Die Nacht vorher, sprang ste entweder vorsezlich in einen Fluß, oder stet unglücklicher
weise hinein, als ste durch die Flucht ihrem bevorstehenden Joch entgehen wollte.«
»»Was, rief FirnoS, Ihr wußtet daß es Osva war,
und konntet den Betrug zuge
ben? Ihr konntet ruhig zusehcn wie Fremde
»3y fxe mißhandelten? Ihr dachtet nicht daran, wie ihre wahfe Familie über ihren Verlust
trauern muffe?
Als Ilaldor und ich Euch
in London besuchten,
so läugnetet Ihr alle
Kenntniß von
(Schicksal;
ihrem
Feigheit oder Bosheit?
wat dies
Ihr, der Ihr Euch
von Erscheinungen schrecken lasset, ich weiß
nicht,
ob ich Euch
verachten oder verab-
scheuen soll.« »Jüngling, antwortete Fitz Allan, wenn ich auch vor Erscheinungen zittere, so furchte ich doch keinen Lebendigen.
Leichtgläubig-
feit war sonst nicht unter der Zahl meiner Schwachheiten.
Zuerst werde ich mein Be
tragen vertheidigen, und nachher Euch Eure unbesonnene Sprache — verzeihen.
Mein Herz entschuldigt nicht allein, son
dern es billigt sogar ein Betragen, daß ich
zwar als Cavalier nicht vertheidigen sann, da
ich
nicht
nur gegen Euch einer Lüge
2-4° fähig war, sondern auch, wie Ihr sagt, ei
nen Betrug zugab.
Aber darüber hatte
nicht Eure Famile, sondern diejenige welche Osva als ihr eignes Kind erzog, das meiste
Recht zu klagen: und doch meinte ich es mit beiden so gut.
Eure Mutter, aus welchem Bewegungs grunde weiß ich nicht, gab sich für eine Ita
lienerin aus, und möchten doch die unglück seligen Folgen die aus dieser einzigen Lüge
entsprangen, jedermann von der kleinsten Abweichung von der Wahrheit abschrecken,
so verzeihlich und unschuldig, so verdienst voll und edel sie auch scheinen möge. Nach ihrer Abreise besuchte ich Italien, und bei
meiner Zurückkunft nach London, redete ich
den vorgeblichen Cavaliere in italienischer Sprache an.
Seine Farbe veränderte sich,
er stockte, und wußte nicht was er antwor
ten sollte; endlich bediente ec sich der elen den
den Ausflucht, ^aß er, um flch im englischen
üben,
ein Gelübde gethan hätte, kein
2i3ort italienisch
sprechen.
So oft von
Ika ien die Rede kam, war seine Unwissen heit in adcni was das Land betraf zu auf fallend.
Ich sprach mit einigen Italienern
voll meiner Bekanntschaft,
die mich verst-
cherten, daß weder eine Familie Rooerbella noch Pellerini zu Florenz existire,
und so
ost Italiener bei mir zur Gesellschaft wa
ren, vermied Pellerini sorgfältig das Haus. Dies alles bestätigte meine Meinung,
daß
Eure Mutter und ihr Begleiter, ob ich gleich nicht begreifen konnte, warum Leute, die so vermögend schienen, ihren wahren Diamen verbergen sollten,
trüger wären drucks.)
nicht viel bester als Be
(Verzeiht die Härte des Aus
Eure Mutter war zwar eine Dame
von den vorzüglichsten Eigenschaften, aber wie oft sind nicht Betrüger mit allen GaDus Var. d. L. Zr Dd.
£X
24ben ausgerüstet.
Ihr Reichthum war viel
leicht nur von kurzer Dauer, und ihr künf
tiges Schicksal ungewiß. Als ich daher Eure
Schwester als den Liebling und die Erbin einer vornehmen Familie fand, die solche Sorgfalt auf ihre Erziehung wendete, die
sie für ihr eignes Kind hielt, und sie als ihr höchstes Gut schäzte, so beschloß ich, ihnen die Augen nicht zu öfnen, und einen Traum, der ihnen so süß war, nicht zu stören.
Un
wissend daß Eure Mutter eine indische Prin
zessin war, (da wir Europäer überhaupt so wenig von Eurem Muttcrlande als von den Ländern im Mond wissen) glaubte ich, daß
Eure Mutter nur noch viel Dank wissen müsse, daß ich die glänzenden Ausstchten ih rer Tochter nicht verdarb. Hätte mich Eure
Mutter ihres Zutrauens gewürdigt, so hätte ich mich gleich mit der kleinen Osva nach
Calieut eingefchisfr.
243
Ich behielt daher das Geheimniß in mei ner 25ruft vermährt, kehrte zurück, und sezte
die alte Zigeunerin in Freiheit. Das schlechte Betragen der Familie gegen Eure Schwe ster,
Ich war in
erfuhr ich erst nachher.
Frankreich als die gute Tante starb,
und
ehe ich zurück kehrte,
war das unglückliche
JUadchen schon todl.
Ais Ihr niitf) zu Lon
don
war ste
besuchtet,
Monaten nicht mehr.
schon
f.it einigen
Die & nn niß
der
traurigen Wahrheit halte Eum also nichts
geholfen,
und da Ihr immer noch darauf
behartet Italiener zu
wußte,
daß Ihr es
schäfte Euch
dieses
seyn,
obgleich
nicht wäret, wenig
ich
so ver-
Ansprüche
auf
mein Zutrauen. Vielleicht hätte ich Euch, um Eure Wun
den nicht von neuem wieder aufzureißen,
nie von diesen Umstanden unterrichtet, wenn ich nicht jezt schon zweimal von Oben herab n 2
244 gewarnt worden wäre. Gestern sah ich eine
Osva, als Nairin
Erscheinung zu Pferde;
gekleidet,
von
jungen
dem
indostanischen
Adel begleitet, die ste alle an Vollkommen heit zu
übertreffen
schien,
frohlockende Menge,
ritt
durch die
und Osva, hätte ste
einmal ihre mütterliche Luft eingearhmet,
wäre gewiß die Freude des Volks! Heute
Morgen,
als ich eben von einem schauder
vollen Traum, in welchem ich Eure Schwe ster in den Strom unterstnken sah, erwachte,
erblickte ich in diesem
Zimmer den unver
söhnlichen Geist.
FirnoS!
£),
ich fordere
nicht daß Ihr mir Glauben beimeffen sollt, denn auch ich
selbst habe bis jezt an der
Wirklichkeit -er Geister gezweifelt, und noch
in diesem Augenblick weiß ich nicht ob ich
meinen Augen trauen darf.« Kaum hatte er die leztern Worte aus
gesprochen, als der Samorin, und die junge Engländerin hereintraten.
*45 Fitz Allan erschrak heftig:
»OSva! Ca
milla! der Geist? re schrie er laut auf.
»»Sonderbar, flüsterte der Prinz dem Sa«
morin ins Ohr.
für einen Geist, Camilla heißt.
Fitz Allan
hätt Camilla
und doch weiß er daß sie
Armer Mensch!
sein Ver
stand, fürchte ich, ist dahin ! Ich bedaure
ihn von Herzen, ob er gleich wenig Ansprüche
auf unser Mitleid hat.
Ach,
er hat mir
eine Erzählung gemacht, die Euch erschüt
tern wird.
Meine unglückliche Schwester
wurde an eine Zigeunerin verkauft, die sie
einer genen
englischen Familie anstatt ihres ei Kindes zurückgab.
Man
mißhan
delte sie, man wollte sie zwingen wider ih
ren Willen zu heirathen; der Muth einer Nairin erwachte in ihr, sie stürzte sich in einen Fluß und ertrank.«
„Nein, Komm
in
rief
der
Samorin,
meine Arme, Nichte,
ste
lebt!
Tochter
24b
Agalva's.
Deine Ähnlichkeit hat niich nicht
gctäuscht.k-
Oie Freude erlaubte ihm kaum
sie zu
erreichen, um sie in seine Arme zu schließen,
die Spinnen des Entzückens flössen vereint
zusammen.
Firnoö, der sie noch immer für
die Tochter von NIargaretha Montgomery hielt,
blieb in Verwunderung und Zweifel
versunken, bewegungslos
stehen,
und Fitz
Allan wußte nicht, ob er seinen Augen trauen
sollte, als Camilla Harford vor ihm stand. Die Nachricht
lies bald
wie ein Blitz
durch das ganze Schloß. »Es lebe die Toch
ter Agalva's! Es lebe Osva Agaloina? Es lebe Osva von 3n^°Hon ■“ sü rief das ju belnde Volk im Schloßhof, und das Freu
dengeschrei weckte Firnoü aus seinem
Er
staunen ; der Oheim und die Nichte fühlten, daß es kein Traum war.
Osva eilte fort um die kleine Dliannn
*47
wie froh rvar ihr mütterliches
zu hohlen,
Herz, als sie die Wärterin von einer erge
benen Menge umringt fand.
Ihre kleine
Tochter lag bald in des einen bald in des andern Armen, jeder strebte darnach sie zu
liebkosen. Oie Mutter erschien, alles drängte stch um sie;
Küsten.
man bedeckte ihre Hände mit
»Freue dich, Malabar, du
nicht unter einen Blühe
wirst
fremden Scepter fallen!
ewig Geschlecht Samora's! Blühe
in der Nachkommenschaft Osva's!«
Osva kam mit Marina, der zukünftigen
Hvfnung von Indostan zurück.
Oer Kaiser
riß ste aus ihren Armen, und druckte ste an seine Brust.
FirnoS
erzählte nun seiner Schwester,
wie sie von der Zigeunerin
an Cornelia
Northcote anstatt ihrer eignen Nichte ver kauft wurde,
und Osva unterrichtete ihren
Bruder, wie ste von Northcote - Park di»
Flucht genommen,
und
bei Margaretha
Montgomery Schutz gefunden hätte.
Welches
Vergnügen
diese Entdeckungen.
eine Schwester,
geivöf; ten beiden
Firnos harte nicht nur
sondern auch in derselben
das Weib gefunden,
das ihm unter allen
Engländerinnen die meiste Hochachtung ein-
geflößt hatte. Und ling von Eornelia
der muthige Zög Jrorthrote,
die aufge
klärte Freundin von I^rargaretha Montgo mery , jezt nicht mehr eine Verbannte, die
bei Fremden einen Zufluchtsort gegen die Verfolgungen ihrer eignen
Anverwandten
suchen mußte, jezt nicht mehr das Opfer des
Dorurtheils, war nun ein Mitglied eines freien Landes, eine Prinzessin von kaiserlilichee Geburt, der Stolz ihrer Familie, und
der Abgott des Volks, ein Abkömmling dec
Semiramis, und eine Tochter Agalva's die sie beinahe wie ein höheres Wesen betrach
tet hatte.
949 Die Freude glänzte auf jedem Gesicht,
und belebte jedes Herz, und obschon das Bild seiner unglücklichen Schwester öfters
vor seinen Augen schwebte, so blieb doch auch der Eamorin selbst nicht mehr ganz
untröstlich. Oie Reichsfürsten wurden durch eine Proklamation
eingcladen in
seinem
mütterlichen Saal zu erscheinen, um Osva der Mutter ihrer künftigen Kaiser zu huldi
gen, und alle Umstände dieser Begebenheit zu erfahren. Der Tag zu dieser Feierlichkeit war festgesezt.
Nach allen Vorkehrungen die man
machte, mußte man seit den Zeiten der rit terlichen Gastfreiheit nichts prächtigeres und
herrlicheres gesehen haben.
Oie eichenen
Tafeln sollten sich unter den
rauchenden
Schüsseln beugen, die schäumenden Pokale in der Reihe herumgchen, und die Kano
nen sollten dem Himmel verkündigen, daß
s5q die liessen der Helden, und die Söhne freier
2I3ci[icr, auf das Glück und Wohl der Rachkommenfchaft Osva's tranken. Aber nicht das prächtige Gastmahl im
Rittersaal allein,
nicht der DürgerschmauS
auf dem Rathhaufe, nicht die Lustbarkeiten
der Dauern in der Oorfschenke,
und auf
der Wiese, stnd die einzigen Kennzeichen
der allgemeinen Freude.
Oie Dankbarkeit
der Raircn muß auf eine edlere Art, auf eine Art ausgedrückt werden, die eines groß müthigen Volks wie der Rairen würdig ist.
Oie Hauptzierde einer Prozession auf irgend einem röinifch - katholischen Feiertag, ist oft nicht in dem Schenkel des heiligen (Chri
stophs, oder in dem Kinderzeug der gebencdeytcn Jungfrau, sondern besteht in einer Reihe Mitmenschen, die die christliche Milde
auü mahomckan.'scher Gefangenschaft erlöset
hat.
Und so muß auch in Indostan jede
Feierlichkeit durch
die Gegenwart einiger
Leiber, die aus den perstanischen HaremS befreit sind, geziert werden.
Am Abend vor dem HuldigungStage, be
grüßten die Kanonen des Eastels die Krieger, die von diesem Befreiungogefchäft aus Per
sien zurück kanicn, und die Leibwache trat unter das Gewehr, uni drey Rittern, die den übrigen voraus geeilt waren, die mili
tärischen Ehrenbezeugungen zu machen. Eie stiegen t on ihren Pferden, und erkundigten
sich
nach dem Großmeister
Man führte
ste
des
Phöniz-.
in den Audicnzsaal des
Kaisers. Der Großmeister war eben zu Ealieut.
Er hatte den unüberwindlichen Fels in der Mitte des Indus, welches der HauptstH des
Ordens war, Verlusten, und war nach Ma labar gekommen, um dem Ea worin zu der
Entdeckung seiner Richte Glück zu wünschen.
-52
Oer Großmeister erkundigte sich nach dem
AuSgang der Expedition,
und
ein Ritter
stattete ihm folgenden Bericht ab. »Ihr werdet Euch noch des Abends er
innern, gnädiger Herr, als wir von unserm
Fels die Boote des Reichs erblickten,
die
über den Indus nach Persien segelten. Oie
Veranlassung dazu verursachte
bei unserm
Orden das lebhafteste Vergnügen, und mit
brennendem Eifer benuzten dreihundert Rit ter Eure Erlaubniß, sich mit ihren Lands
leuten zu vereinigen. Wir landen am feind lichen Ufer, unsere Macht reißt wie ein
Dergstrom
alles
unwiderstehlich
mit
stch
fort; unsere Schwerter mähen die Wachen
der Serails nieder;
wir waden durch das
Blut der Verschnittenen bis in die Kerker
des Harems.
Überall ergreifen die feigher
zigen Muselmänner die Flucht, und aufge
muntert durch unsern Ilationalcharakter ei-
2Ö3
len die Weiber unsern Umarmungen entge
gen.
Obschon wie weit inS Land vorgerückt
waren, hatten wir doch noch keinen Verlust erlitten.
Unser Heer anstatt abzunehmen,
nährn immer mehr zu, denn die Weiber, nachdem sie in unsern Armen geruhet und den Erzählungen der Thaten unsrer Kriegs-
Teufe zugehört hatten, wurden, von einem neuen Muth belebt, Heldinnen für die gute Sache.
Eie gaben nicht zu daß wir, wie
die Vorsicht es empfahl, uns zuruckziehn durften, sondern ermunterten uns immer ir
gend einer gefangenen Schwester oder Freun
din gleiche Freiheit,
gleiches Gluck zu er
theilen.
Einst hatten wir das Serail eines mäch tigen Mirza mit Sturm eingenommen, und
der folgende Tag war zu unserm Rückzug bestimmt. Es war Nacht, die indischen Krie
ger und unsere Ritter ruhten in den Armen
254
Ich und diese zwey Ritter, wir
der Liebe.
waren die einzigen, die kein einziges Ißcib
befreit hatten.
25ir gingen im Garten her»
uni, und überlegten unsere Schande. Denn unsere Landsmänninnen unter unser sieg reiches Heer Lorbeern austheilen würden,
hatten wir allein keine verdient. Nein! ru fen wir einstimmig, lieber den Tod als diese
Schande.
Wir weckten eine Anzahl Trup
pen aus und überredeten ste, uns in einer
Unternehmung beizustehn, die ihrem Glau ben und ihrer Tapferkeit viel Ehre ma
chen würde.
In weniger als drey Stunden
waren wir zu Candahar der Hauptstadt des
Sultans angekommen. Es wäre Tollkühnheit gewesen, wenn so eine Hand voll Leute es mit der Dache des
fürstlichen Serails hätte airfnehmen wollen, cs war unser Dorsatz bloß den Harem ir gend eines Privatmannes anzugreisen, und
S55
ehe der Morgen graute mit den von rrnS befreiten Weibern nach
der
Hauptannee
zurück zu kehren.
OaS Glück gab unserm Vorhaben eine andere Wendung.
In der Dorstadt begeg
neten wir drey Sclaven aus dein Serail des Sultans.
Wenn diese Lärm machten,
so war es um uns geschehn, wir steten so« gleich, über sie her, und bohrten sie mit Un«
fern Dolchen nieder.
Plötzlich faßte einer
meiner Nlitbrüder den kühnen Gedanken, uns ihre Sclaventracht anzuziehen, und in
dieser Verkleidung in den Palast zu drin«
gen.
Augenblicklich waren wir aus - und
angezogen.
Die Wache ließ uns ungehin
dert durch, wir gingen durch eine Reihe von
Höfen und Sälen; überall herrschte eine Todesstille,
kein Laut als der Wiederhall
unsrer Fußtritte,
keine Stimme als das
Losungswort dec
Verschnittenen,
die in
256 den Gallerien des innern Harems ihre dritte
Wache hielten. Als wir uns der Thür näherten, wnrde
sie von innen aufgeriegelt, wir verbargen unS hinter den Pfeilern.
Es kamen zwep
Stumme aus dem innern Harem, die einen
schwarzen Verschnittenen mit sich schleppten, und nachdem sie ihm einen Strick um den Hals gelegt hatten, waren sie eben im Be
griff ihn zu erdrosseln.
Wir stürzten aus
unserm Schlupfwinkel hervor, und die Stum« men fielen unter unsern Dolchstichen.
befreite den zitternden
seiner Schnur. wenn
du
deine
Ich
Verschnittenen von
»Nein Haffan,
Derrälherei
sagte er,
gut
machen
willst, so rette den Prinzen; ist es der Wille des Propheten, so laß mich sterben! Warum
willst du mich in dieser Jammerwelt zurück halten?»
»Narr!
rief einer von uns,
glaubst du
denn
25?
denn daß du im Paradies so gern gesehen
wirst?
Hat dein Prophet ein Mittel dir
deine Mannheit, sowohl als die Jungfer schaften der HouriS wieder herzustellen?«
Er blickte auf und sah sich unter Frem den.
Wir entdeckten ihm und, und unsern
Vorsatz. Er fiel auf die Knie und bekannte
uns, daß er vom Sultan den Befehl erhal ten habe, einen von feinen jüngsten Brü
dern zu erdrosseln.
Da er aber den Prin
zen gerettet habe, so sollte er selbst diesen
Tod
sterben.
Oie Sclaven, deren Kleider
wir trugen', und für welche er uns anfäng lich gehalten hatte, waren eben nach der
Vorstadt abgeschlckt, um den armen Jüng
ling aus seinem dortigen Zufluchtsort f?erzuschleppen. fort,
»Ich weiß, fuhr der Schwarze
daß kein Verschnittener von Euren
Landsleuten Mitleid hosten darf.
nicht um
Ich bitte
mein Leben, denn ich wünsche
Das Par v. L. 3r Bd.
R
258
nicht zu leben; aber rettet den Prinzen aus
den Händen seines grausamen Bruders.« Wir befohlen dem Verschnittenen uns zu
gingen wieder durch
folgen,
die Wachen
ohne entdeckt zu werden, holten den Prinzen aus seinem Zufluchtsort, vereinigten uns
dann mit unsern Kameraden in der Dor
stadt,
und ehe die Sonne aufstieg, waren
wir schon auf dem Rückweg nach der Haupt armee. Nun, gnädigster Herr, müssen wir unter thänig um Eure Verzeihung bitten, da wir
in zwey Punkten wider die Regeln unsers Ordens gesündigt haben. Erstlich haben wir einen Muselmann gerettet, anstatt die Wei ber die unter dem mahometanischon
seufzen,
zu befreien.
welche daraus
Aber
Joch
die Vortheile
entspringen können,
wenn
ein perstschec Prinz nach nairischen Grund sätzen erzogen wird, und die Betrachtung,
s5g daß der Bruder des Sultans eines Landes,
wo Revolutionen so häufig geschehen, uns einst eine wichtige Geissel werden
mit welcher
Weiber
eine Menge
wir wenigstens
loskaufen
können,
könne,
verleitete uns
von unsrer Pflicht abzuweichen.
Oer Prinz
ivird bald nnt den Übrigen ankommen. Ver
zeihet uns auch zweitens unsern Ungehor
sam gegen das Gesetz, das jeden Verschnit tenen, der innerhalb eines Harems entdeckt wird,
zu einem augenblicklichen Tode ver
dammt. Oie Menschenliebe, die dieser Elende
bewiesen hatte, und die in diesen verächtli
chen Geschöpfen so selten ist,
bewegte uns
ihm eine Frist zu gestatten, bis Euer höch ster Wille sein Schicksal entschieden habe.« Mit feierlicher Stimme sprach der Groß
meister die Ritter von der Strafe des Un gehorsams los, sonst würde keiner von ih nen es gewagt haben, fich dem Boudoir ei-
R 2
a6o
ner großmüthigen Ilairin zu nahen,
unfr
keine Dame von Ehre würde sie ihrer Unp armung werth gehalten haben.
Als Freund gab er ihrem Muth nachher
daS verdiente Lob, und befahl daß man den Verschnittenen, der zitternd im Dorsaal war tete, vorführen solle.
Kein Abkömmling Abrahams hätte schwer lich in der Gegenwart des Großinquisitors zu Lissabon solche Kennzeichen der Furcht verrathen.
Er bebte wie Espenlaub; seine
Knie beugten sich nicht aus Höflichkeit, son dern die Furcht drückte ihn nieder, und er
lag in den Staub ausgestreckt. Seine Augen waren an den Boden geheftet, und es dau
erte lange ehe er sie aufzuheben wogte, und die Entdeckung machte, daß der Großmeister des Phönix- Ordens keinen Pferdefuß hatte,
wie er immer von den rechtgläubigen Bon zen von Perlen vorgestcllt wird.
261 Der Großmeister nahm ihn sehr gnädig
auf, konnte ihn aber nicht überreden auf^tp
stehen,
bis er ihm feierlichst Pardon zuge
sichert hatte.
»Ich
habe unter
Eures
Gleichen
viel
Elende gefunden, sagte das Oberhaupt des Ordens, Elende denen
die höchste Schande
eine Ehre ist, die stolz auf das niederträch tigste Amt unter den Menschen,
sogar we-
gen ihrer Treue, der einzigen Tugend, deren
sie stch rühmen können, verächtlich sind, weil sie aus einer verdorbenen Quelle von Neid,
Eifersucht,
und
Verzweiflung
entspringt:
welche die Auswürfe beider Geschlechter stnd, und nach Rache gegen beide lechzend,
stch
freiwillig vor der Tyrannei des stärkeren beugen,
wenn
ste nur seine
Helfershelfer
wider das schwächere werden können:
die
den Vorrang, den ste in ihren Stellen ge nießen, blos ihrer Unvollkommenheit
und
2-2
Häßlichkeit
schuldig
sind;
sie zu leben unwürdig,
geschäzt
weil
sind sie die ewigen
Schildwachen an den Thoren des Harems,
härter noch als die Schlösser und Riegel derselben, und als Werkzeuge der Eifersucht
ihrer Herren rühmen sie sich langer Dienst jahre in ihren entehrenden Stellen.
Solche
abscheuliche Unholde habe ich immer, so oft ich Eure Landsleute anstel, meiner Pflicht und meinem Abscheu aufgeopfert. Aber Ihr,
dessen Oenkungrart so erhaben, wie Euer
Beruf verachtungswürdig ist, dessen Betra
gen so edel und dessen Herz unter der Selaventracht mit solcher Großmuth schlägt, wer seid Ihr? Ntüßte nicht Eure vollkommene
Seele aus ihrer mangelhaften Wohnung zürnend entstiehen? Was hat Euch zu die
ser uneigennützigen Handlung bewogen, die unsere entblößte Schwerter von Euch ablei-
tete,
und einem Verschnittenen Anspruch
263 auf die Bewunderung der Nairen giebt? Man hat Euch der Rechte eines Menschen
beraubt, und doch besizt Ihr so viel Men schenliebe.
Sprecht, Euer Erbfeind bittet
Euch die Quelle dieser Widersprüche aufzu
klären.« Nach vielen Aufmunterungen sing der schwarze Verschnittene an wieder Muth zu
schöpfen, und da die ganze Gesellschaft ihn
mit Lobeserhebungen überhäufte, wagte er es endlich feine Lippen aufzuthun, um dem
Oberhaupt
des Ordens eine Antwort zu
geben. »Dieses Lob, sagte er, übertrifft meine
Verdienste. Eine lange Übung meines Amts
hat nicht mein Herz abgehärtet. Oer Schnee des Alters ist noch entfernt, der allein mein
innerliches Feuer auslöschey kann. Ach! wie
oft empfinde ich jene zärtliche Gefühle ohne sie einstigen zu können, und dieser Gedanke
macht mich vollkommen unglücklich.
alle
meine
elenden
Euren Haß.
Mitleids,
I7icht
Mitbrüder verdienen
uns
Diele von
sind
Eures
aber leider eines Mitleids das
nahe an Verachtung gränzt, werth. 9Tur das Alter *) sezt uns in den Stand
Tyrannen zu werden.
Wenn die unruhige
Zeit der Jugend vorüber ist, folgt eine To desstille.
Alsdann wird vielleicht der graue
Verschnittene fähig seyn,
die Weiber mit
Gleichgültigkeit anzusehen, ihre Verachtung sogar mit Zinsen zu bezahlen,
und ihnen
alle Martern die sie ihm verursacht haben zu vergelten.
Er wird
die Männer zum
sich erinnern, daß
Herrschen gebohrcn sind,
und glauben, durch die Ausübung seines An-
sehns seine Mannheit wieder zu erhalten. Er wird die Weiber vielleicht hassen, wenn
er sie
ohne Empfindungen ansehcn kann,
•) Montrscnricu's persische Briefe.
265 und seine Vernunft ihm
ihre Schwächen
Obschon er sie blos für andere be
zeiget.
wacht, wird er ein heimliches Vergnügen fühlen sie gegen seine Befehle gehorsam zu
sinden.
Der Harem ist ein kleines Reich,
und seine Wichtigkeit beruhigt seinen Ehrgeiz, jezt seine einzige Leidenschaft, er wird
sich vielleicht ein Vergnügen daraus machen
ihre
unschuldigsten
Vergnügen zu
und unerbittlich gegen den
stören,
kleinsten
ihrer
Wünsche seyn; er wird es sich für ein Ver
dienst anrechnen ihren Haß zu erregen, denn ihr Haß ist für uns Verschnittene in den Augen unsers Herrn die größte Empfehlung.
Ein alter Verschnittener kann hoffen diesen
Grad
von
Unempfindlichkeit zu
aber nichts so der jüngere. meine Leiden gewesen,
erreichen,
Wie groß sind
seitdem mein Herr
zuerst den" grausamen Entschluß faßte, mir seine Weiber anzuvertrauen, und mich durch
Drohungen und Versprechungen dahin brach
te, auf meine Mannheit Verzicht zu thun. Ermüdet von dem beschwerlichsten Dienst, willigte ich ein, meine Leidenschaften der
Ruhe und dem Glück aufzuopfern.
Ach?
ich dachte nur an die Delohnung und nicht
an den Verlust.
Ich hofte von dem Ver
langen nach dem Genuß der Liebe, durch die Unfähigkeit ihn zu befriedigen befreit zu seyn. Doch ach! nur blos die Werkzeuge der Leidenschaften, nicht ihre Ursachen war in
mir getödtet.
Und weit entfernt ruhig zu
seyn, fand ich mich beständig mit Gegen«
standen umgeben, die sie immer mehr ausi reizten.
Ich trat in den Harem ein, wo
alles was ich sahe mir meinen Verlust nur
noch empsindlicher machte.
Jeden Augen
blick wurde meine Phantasie erhitzt, tausend
natürliche Reize schienen sich blos meinen
Augen darzustellen, um mich noch unglückr
2§7 sicher zu machen.
Ich hatte immer einen
glücklichen Mann vor mir, der den höchsten Genuß der Liebe schtneckte,
ein
Weib
zu
dem
und so oft ich
Lager meines Herrn
führte, und sie entkleidete, so oft kehrte ich
in
meine Kammer,
entweder
vor Rache
brennend, oder in Verzweiflung versunken zurück. Mit
Kummer
und
Verdruß
beladen,
hatte ich keinen Vertrauten, in dessen freund schaftlichen Busen ich sie ausschütten fonnfeG
und mußte also meine Quanten verbergen.
Gegen dieselben Weiber,
die meine Augen
so zärtlich betrachteten, mußte ich den Blick
der ernstesten Strenge annehmen. Ich wäre
verlohren gewesen, Bewegung
sehen
hätten sie meine innere
können,
denn
welchen
Nutzen würden fle nicht aus meiner Schwä
che gezogen haben.
Ich entschloß mich ihr
Tyrann, zu seyn, sobald ich meine Neigung fühlte, ihr Anbeter zu werden.
□6S Aber auch ich für meinen Theil habe der
Unruhen und Beschwerden nicht rocrrig ge habt, denn die rachsüchtigen Weiber bezahl* ten mich für die,
so ich ihnen verursachte,
und zwischen uns war eine beständige Ebbe und Fluth von Herrschaft und Gehorsam.
Eie veranstalteten es immer so,
daß jede
niedrige Beschäftigung auf mich stet, ließen mich wohl zehnmal des Nachts wegen der
geringsten Kleinigkeit aufsteigen. Ich wurde beständig mit Befehlen, Aufträgen und wun derlichen Einfällen überladen, sie schienen sich einander abzulösen, um mich immer in
Übung zu erhalten, und mir keinen Augen blick Ruhe zu gönnen.
Sehr oft täuschten
sie mich mit falschem Zutrauen, denn bald hatte die eine einen jungen Mann nahe an der Mauer des Serails gesehn, bald die
andere
ein Geräusch gehört,
Bries empfangen.
oder einen
Alles dieses mußt? mich
s6g natürlich beunruhigen, und wenn sie mich nun lange genug gequält hatten,
sie mich aus.
sie stch als ob ste krank und
wären,
lachten
Zu einer andern Zeit stellten
ohnmächtig
oder als ob sie stch sehr fürchteten
allein zu seyn, und hielten mich Tag und Ilacht hinter der Thür.
Genug es fehlte
ihnen nie an tüfteln mich zu plagen, und bei
diesen Gelegenheiten mußte ich ihren
Launen blinden Gehorsam leisten, denn wenn
ich nur einen Augenblick angestanden hätte ihnen zu gehorchen, so hatten sie die Macht
mich zu strafen.
Doch dies ist noch nicht alles.
Ich war
keinen Augenblick der Gunst meines Herrn gewiß, denn ich hatte zu viel Feinde in sei
nem eignen Herzen,
die meinen Untergang
gern bewirkt hatten.
Diese Weiber hatten
ihre Augenblicke, wo ich nicht aufmerksam genug seyn konnte, wo ihnen nichts abge-
-70
schlagen
wurde,
und
ich immer
Unrecht
hatte. Wenn ich meinem Herrn ein erzürntes
Weib zuführte, so hatte ich alles von ihren Thränen, (Seufzern, von ihren Umarmun
gen und von
dem Vergnügen, das sie ihm
verschaffte, zu fürchten. Auf diesem Kampf
platz war sie
ihres
Sieges gewiß.
Ihre
Reize wurden mir fürchterlich, und ihre ge
genwärtigen Dienste löschten meine vergan genen aus, und nichts konnte mir die Gnade
meines Herrn versichern, der nicht mehr sei ner selbst mächtig war. Wie oft bin ich mit seiner Gnade zu Dette gegangen und
mit
seiner Ungnade
aufgestiegen! Einst war ich nahe daran un verdienterweise
was war
gegeiffelt zu werden,
mein Verbrechen?
bene Sultan lebte zu der Zeit noch,
ich brachte ihm ein Weib
und
Oer verstor
und
in seine Arme
Er hatte befohlen daß einige Perlen unter
seine Weiber
auSgetheilc
werden
sollten»
und diese Favorite glaubte, ich hätte ihr die schlechtesten gegeben.
Sobald als sie ihn
nun erhitzt sah, vergoß sie eine Fluth von sie beklagte sich über mich,
und
wußte ihre Klagen so gut einzuleiten,
daß
Thränen,
sie sich immer in demselben Maas wie feine Begierden stiegen, vermehrten. Ich war an
dem Rand des Verderbens, wenigsten
erwartete.
als ich es am
Ich wurde vor
ihn
gefordert. Oie boshafte Favorite saß
auf einem
Ruhebette, Don. welchem die Kissen hier und
da im Zimmer zerstreut lagen.
Mein Herr
wollte sie in seine Arme schließen,
sie stieß
ihn aber zurück, eine hohe Rothe färbte ihre
Wangen,
und ihre Schönhelle wurde durch
diesen Widerstand nur Umsonst hatte
Noch hinreißender.
er versucht ihr das Kleid
«72 auSzuziehen, dessen leichtes Gewebe den Um ohne seine Reize
riß ihres Körpers deckte,
zu verbergen. Hier und da war es von sei
ner llngeduld zerrissen,
und diese Stellen,
die eine schneeweiße Haut sehen
ließen,
wurden von seinen begierigen Augen t>m schlungen, und von seinen brennenden Küs sen bedeckt.
»Nein erst haltet Euer Wort,« sagte sie,
und versuchte aufzustehea. Seine
Gerechtigkeitsliebe schwieg.
Ec
gab das unglückliche Zeichen, die Sclaven
warfen mich auf die Erde, zogen meine Aüße
zur Bastonade
in die Höhe, und
schwangen schon die schreckliche Peitsche, als die Mutter des Prinzen Abas hereintrat.
Ach, gnädiger Herr, eine solche Frau haben diese klugen nie gesehen.
Sie besaß
eine solche Würde, etwas so majestätisches in ihrem Wesen, daß der Sultan vor ihr
wie
a?3 wie ein Kind bebte, und sogar Selim, der
strenge Verschnittene nicht das Herz hatte ihr ins Gesicht zu sehen.
Und Zelida war
so schön, so schön wie die Weiber deS Pro
pheten, aber auch der Prophet selbst — Gott
verzeih mir — würde sich vor ihr gefürchtet haben, und doch war sie so gut, hört nur,
wie gut sie war. Oer alte Sultan der von seiner Jugend an gewohnt war, die Weiber in seinem Ha
rem blos als Werkzeuge seines Vergnügens zu betrachten, die er nur zu sehr zu beehren
glaubte, wenn er sie zu seinem Lett zuließ, mußte die kleinste Gunstbezeugung von Ze-
lida mit Dank annehmen, oder mit Geduld ihre Weigerung ertragen.
Dies war eine
ganz neue Lehre im Harem,
Sogar die
böse Favorite hatte von ihr ihre eigene Srarke gelernt, und ihre jetzige Widerspün-
stigkcit war nur eine Nachahmung von ZeDos Tar. d. L. 3r Bd.
S
liden.
Mein Herr hatte aufgehört Zeliden
nut seinen Liebesanträgen
zu
verfolgen,
nicht etwa weit er der Reize die er so sel ten genoß, überdrüßig war, sondern weil er
zu stolz war, die Gunstbezeugungen zu er
bitten, die er fordern aber nicht erzwingen konnte.
Es wird Euch befremden, gnädiger
Herr, zu hören,
daß die Stelle eines Ver
schnittenen eine Ehrenstelle sei.
Wir stnd
eine Art Hofleute, und der welcher die Gunst
seines Herrn genießt,
ist dem Haß seines
Gleichen am meisten
ausgesezt; dies war
mit mir der Fall.
Ich war der Günstling,
und die Nachricht daß ich in Ungnade ge
fallen sei,
fuhr wie ein Blitz durch das
ganze Serail, und zwei Verschnittene, die
durch meinen Fall zu steigen hoften, wünsch
ten sich Glück.
Zelida behorchte sie, und
dankbar für die Schonung, mit der ich sie
immer behandelt hatte, entschloß sie sich
375 mich zu retten.
Sie kam eben zu meiner
Hülfe, und warf sich auf die elasiifchen Kif
fen.
Ihr reizender Dusen hebt sich wallend
empor, die Augen des Sultans weiden sich an den schneeweißen Hügeln, die durch ei nen
Nebel von Musielin
heroorscheinen,
und seine Einbildungskraft läßt ihren ver
borgenen Reizen Gerechtigkeit widerfahren.
Ihre alltägliche Nebenbuhlerin zittert, von dem Dewußtsenn ihrer Unwürdigkcit nieder
geschlagen.
Oer berauschte Sultan stehet
auf, stößt sie mit dem Fuß aus dem Zim
mer, und treibt mich und meine Henker nach
ihr hinaus.
Auf diese Art entkam ich der
Peitsche, und der graue Wollüstling kehrte
zu einem Liebeschmaus zurück, wozu ihn das
Mitleid, nicht die Neigung seiner Geliebten einlud.
Bald
darauf schickte
mich der Sultan
nach einem benachbarten Weibermarkt, um
S 2
276
ihm ein paar der fettesten Cirkassierinnen, die ich treffen würde, einzukaufen. sollten ihn,
nach
Diese
der Vorschrift eines jü
dischen Arztes bedienen,
wie der berühmte
König David sich von den Sunamittinncn
bedienen ließ.
Ehe ich aber zurück kam,
war der alte Sultan gestorben, und
der
jetzige hatte alle Weiber nnd Beischläferin nen seines Vaters verkauft, so daß ich das
Schicksal Zclida's nie erfahren konnte.
Oer jetzige Sultan war noch nicht zwey Jahre auf dem Thron, als die Nachricht kam, daß der Schach zu Jspahan ermordet
worden
wäre.
Eine dec Sultaninnen er-
schreckte meinen Herrn beständig mit dem Ge danken, daß wohl eine ähnliche Revolution ihm sein Leben und ihren Kindern die Erb folge rauben könnte; auch ließ sie ihm nicht
eher Ruh, bis er alle seine Brüder hinrich ten ließ, und seine Schwestern an Derschnit-
277 tene ober an alte Hofbeamten verheirathete, von deren Umarmungen keine JTachkomnien-
schast zu fürchten war. Ich
war
meiner Verbindlichkeit gegen
Ieliden eingedenk, und entschloß mich, selbst mit Gefahr meines Lebens, ihren Sohn zu retten.
tan
Ach, wie zitterte ich,
die Köpfe
als der Sul
feiner zwey und zwanzig
Brüder zu sehen verlangte, aber glücklicher weise
gab
er
sich
nicht die Mühe sie zu
Zählen.
Mein Ungehorsam sollte aber nicht lange unentdeckt bleiben, und die Liebe, eine Lei
denschaft womit Ihr wohl glaubt daß ich
ganz verschont geblieben sei, war die Ur quelle dieser Entdeckung. — Ich sehe ein
Lächeln auf Euren Sippen schweben, gnädi ger Herr; Eure Leiden.
verbittert nicht noch mehr durch
Verachtung
meine
unaufhörlichen
-7»
Eines Tages,
als ich ein Weib in das
Bad brachte, fühlte ich mich so entzückt, daß ich alle meine DestnnungSkraft verlor, und es wagte, mit meinen Handen Heiligrhurn
der Liebe zu entweihen.
ich wieder zu mir selbst kam,
das
Als
glaubte ich,
daß meine lezte Stunde nun würde geschla gen haben, ich,
doch mit Vergnügen bemerkte
daß die Schöne anstatt über meine
Vermessenheit erzürnt zu seyn, mich noch zu großem Freiheiten ermunterte.
nem Wort,
Mit ei
sobald als alles im Harem
schlief, erlaubte sie mir mich in ihre Kam
mer zu schlüpfen, und mehrere Monate hin durch war ich der begünstigte Liebhaber.«
Oer Verschnittene wurde jezt durch ein lautes Gemurmel unterbrochen, denn so eine
unnatürliche Liebschaft empörte dieMairen. »Ach, diese kurzen Monate waren der glückseligste Zeitpunkt
meines ganzen Le-
279
bens.
Ich war thöricht genug zu glauben,
daß die Schöne mich liebte, indem sie doch nur mit mir vorlieb nahm. Wenn aber die Eifersucht ein Beweis der Liebe ist, so war
ich. ihr nicht ganz gleichgültig.
Da sie be
merkt hatte daß ich jeden Tag zu einer ge wissen.Stunde den Harem verließ, so warf
sie einst einem Sclaven, der im äussern Garten arbeitete, ein Armband zu, und be fahl ihm, mich zu belauern.
Er folgte mir
auf jedem Tritt bis an das Haus des Freun
des, dem ich den jungen Prinzen anvertraut
hatte, ynb wurde nun Theitnchmer meines wichtigen Geheimnisses.
In der folgenden Nacht, als ich in die
Arme der Geliebten eiten wollte, stieß sie mich mit verächtlicher Miene zurück, warf
mir den Versus meiner Mannheit vor, und
befahl mir den Sclaven herzuhohlen. war wie vom Donner gerührt.
Ich
Was sollte
2Ö0
ich thun?
Oie Thränen traten mir in die
Augen, und die unerträgliche Hitze des Zorns
brannte wie Feuer auf meinem
Gaumen.
Aber mein Leben und das Leben des jungen
Prinzen standen
in
ihrer
Gewalt.
Wie
haßte und beneidete ich den Nichtswürdigen,
vorher der Gegenstand meiner tiefsten Ver achtung.
Ich
biß
in
das Kopfkissen
vor
Wuth, als ich den Mann, den ich verab
scheute, in den Armen meiner Geliebten ge lassen hatte.
Ich durfte meine Klagen nicht laut wer den lassen, Verdruß und Verzweiflung stürm ten auf mein Herz, und ohne Aushören flost
fen
kann
die
Gefühle beschreiben,
d»
meine Thränen.
Bitterkeit meiner
Ach,
wer
ich jede Nacht ihre Zusammenkünfte erleich tern mußte.
Wenn mein Nebenbuhler er
schien, flog die Schöne in seine Arme, und
jeder Kuß, den sie ihm gab, war ein Dolch-
s8i
stich in mein Herz.
Ich verlohr meinen
Tippetit, und die Befehle meines Herrn ach
tete ich nicht mehr.
Meine Mitbrüder sa
hen daS Ende meiner Favoritschaft im vor
aus,
denn täglich beging ich irgend einen
Fehler, und bekam einen Verweis. Oft hob
ich meinen Arm um mein Leben zu endigen, aber die Hofnung hielt ihn immer zurück.
In die entlegensten Gange des Gartens zog ich mich zurück und sann auf Liebeserklä
rungen.
Ich siel zu ihren Füßen, und sie
erkundigte sich nach meinem Nebenbuhler;
ich entstoh und lief wie ein Besessener im
Garten herum.
O ' Ihr Muselmänner, ihr
Rechtgläubigen,
wer hat euch berechtiget
eure Mitmenschen zu Werkzeugen eurer Ei fersucht zu erniedrigen? — Mahomet, du göttlicher Prophet, warum
hast du unser
Elend in ein System gebracht?
OaS Schwert hing indessen nur an ei-
nem Haar über unsern Scheiteln, denn ihre
Liebschaft war von einer zweyten Sultanin entdeckt, die es einer dritten wiedersagte,
und alle beide forderten zum Lohn ihrer Verschwiegenheit an den Gunstbezeugungen des Sclaven mit Theil zu nehmen.
Oie
erste mußte nun, aber nicht ohne Schmer zen cinwilligen.
So gingen die Sachen
lange Zeit in einem Strome fort, der auch mich mit stch sortrjß, und obgleich mein Le ben in beständiger Gefahr schwebte, wurde
ich doch von allen als ein wahres Unding
behandelt.
Sines Abends als ihre Scherze
ausgelassener waren wie gewöhnlich, weckte, der Lärm, dem meine Vorsicht keinen Ein halt thun konnte, eine vierte Sultanin, die
in einer nicht weit entfernten Kammer schlief. Diese bestand auch darauf, daß der Srlave ste lieben sollte, aber der Nichtswürdige hatte stch schon den andern zu gefallen zu
sehr erschöpft.
Umsonst bat er sie bis den
nächsten Abend zu warten.
Eie hielt dieses
für Geringschätzung ihrer Reize, ein unver« zeihtichtS Dcibrechen in einem Harem. Ihre
Klagen weckten das ganze Serail auf. Mit gezogenem Säbel, stürzte der Sultan herein,
trennte die Ä'6pfc der schönen Verbrecherin
nen von ihren Körpern, und war eben im Begriff auch ihren Liebhaber auszuopfern,
alo der Elende stch auf die Knie warf, und sich erbot zum Lohn
Hochverrath zu
seines Lebens' einen
entdecken.
Sogleich ent
deckte ec den Zufluchtsort deü jungen Prin
zen, und wurde mit zwey andern Eclaven abgcschickt, : um ihn her zu schleppen.
Oie Zeit bder vielmehr die Neigung für eine anderem Sultanin,
hatte Balsam in
meine Vunden gegossen, und als ich, in TrämersHn. über die Vollkommenheiten die
ser neuen
Schöne versunken, im Garten
284
spatzieren ging, kündigten mir die Stummen mein Schicksal an.
Oie tödtliche Schnur
war schon um meinen Hals gelegt, als die
drey tapfern Ritter,
die ich anfänglich für
die drey Srtaoen, deren Kleider sie angezo
gen hatten, hielt, aus ihren Schlupfwinkeln
hervorsprangen, und mich aus ihren Hän
den retteten.« Als der schwarze Verschnittene geendigt
hatte, kündigte der Donner der Kanonen
die Annäherung des prächtigen Auszugs an, und die Kriegsmusik
rief die Gesellschaft
auf den Dalkon des Schlosses.
Oer Groß
meister bat die Ritter den Verschnittenen nicht eher aus den Augen zu lassen,
bis
sein besonderes Verdienst dem Volke bekannt
gemacht wäre,
denn so groß war der I7a-
tionalhaß gegen alle Verschnittene,
daß er
sonst Gefahr gelaufen wäre, vom Volke ge mißhandelt zu werden.
*85 Zuerst kamen mit der Fahne der Stadt
die Bürger van Calicut, ner von Jndostan,
und
die Einwoh
die an dem Ruhm und
der Gefahr dieser Unternehmung als Frei
willige Antheil genommen hatten.
brave CorpS hieß:
Dieses
die Söhne der freien
Weiber.
Darauf folgte das zweyte Edlen des ReilhS.
CorpS:
die
Ihre Schwerter waren
mit den Turbans der Muselmänner behängt,
sie ihrem Erbhaß ausgeopfert hatten.
die
Dieses großmüthige Corps trug den Manien:
die Neffen der Helden. Zunächst erschienen die Nairen, die ehr bare Wunden erhalten hatten. auf
Sänften,
woraus die
Sie ruhten
Turbans
Getödteten ausgebreitet waren.
der
Sie wur
den nicht von Sclaven, ob es gleich uni den
Triumph zu verherrlichen nicht an Sclaven fehlte,
sondern von ihren eigenen Lands-
leuten getragen, die ihnen dadurch ein öf-
fentsiches Merkmal ihres Veifallö zu geben suchten.
Der junge Prinz in Tracht folgte hierauf.
seiner
persischen
Zwey von den ta
pfern Rittern, die ihn gerettet hatten, gin
gen neben ihm her, um den kleinen Maha rn etan er vor irgend einer pöbelhaften Be leidigung zu schützen.
Nachher wurde die große Standarte des Phönix von einem Ritter des Ordens ge
tragen. Fünfzig Triumphwagen von milchweißen
Hengsten aus dem kaiserlichen Marstall ge zogen, stellten den Augen des Publikums die Schönheiten der Serails dar: Schön
heiten, die bis jezt vor den Augen ihrer nächsten Anverwandten verborgen geblieben
waren, Schönheiten welche die Sonne noch
nie beschienen hatte.
Aber ihre Schleier
287
waren jczt heruntergerissen, und zierten die
Schwerter ihrer tapfern M'freier,
die diese
2iviypn auf persischen Pferden mitten unter
dem Zuruf einer bewundernden Menge, be gleiteten.
Selbst ihre Rosse sogar schienen
den Triumph ihrer Reiter zu theilen, und sich mit der Befreiung ihrer Landsmännin nen zu brüsten.
Oie Sprache ist nicht reich genug an Wor ten, und die Mahlerkunst hat keine Farben,
uns das Erstaunen und die Verwunderung auüzudrücken, die auf dem Gesicht dieser
befreiten muß
Gefangnen
in ihrer
Lage
sich zeigten.
Man
gewesen seyn,
ihre Gefühle begreifen zu können.
um
Sela-
vinnen waren sie gewesen, und nun suhlten sie sich frei und ausser der Gewalt ihrer
Tyrannen.
Das Herz einer jungen Wittwe
kann nicht freudiger schlagen. Jeder Gegenstand, den sie erblickten, war
ihnen neu und überraschend. In den Straßen
sahen sie Männer und Weiber in gemisch ten Haufen stehen, sie sahen das nämliche
Weib mit zwey verschiedenen Männern spre chen, derselbe Mann grüßte zwey verschie
dene Weiber, und kein Dolch blitzte in den
Händen der Männer, die mit ihnen waren, um diese Beleidigung zu rächen. derbar erschien
gleich
sie schon
ihnen
Wie son
auch Calicut,
andere
Städte
ob
gesehen
hatten, seitdem sie über den Indus gekom men waren.
Wie unähnlich war Calicut
den Städten Persiens, wo die Eifersucht je des Fenster innerhalb des Hofes gebracht
hatte, so daß die Tyrannei jedes häuslichen Despoten auch sogar dem nächsten Nachbar
unentdeckt blieb, und der müde Reisende in
den Straßen wie durch eine Reihe Gefäng nisse gehet.
Aber hier in Calicut sind die
Häuser voll Fenster, die nach den Straßen
5U
»8g zu gehen, und diese Fenster voll Männer
und Weiber, die stch mit einander mit eben so wenig Zwang unterhalten,
als jene auf
den Straßen.
»O ihr Houris, n>ic beneiden
euch nicht um
die Umarmungen von denen
wir ausgeschlossen sind.'
Wir haben unser
Paradies auf der Erde gefunden.«
Dies ist ein Tag der Wunder, jeder Au
genblick vermehrt ihr Erstaunen.
Das vere
schwenderische Gastmahl ist nun auf der Ta
fel ausgebreitet, und der Hoffourir ladet sie ein Platz zu nehmen.
Wie reizend ist der
Gedanke, welche Neuheit in ihrer Lage, je des Weib sizt neben ihrem heldenmüthigen Befreier,
eine
Vertraulichkeit,
dem
Ha
remganzunbekannt, wo die beiden Geschlech
ter
nie
Weib
zusammen
darf stch
essen.
unterstehen
Das
schwache
sich
mit dem
Mann ihrem Herrn und
Gebieter an dem
nämlichen Tisch zu setzen.
Doch hinweg mit
Das Par. d. L. Zter Bd.
T
39* diesem unnatürlichen Titel, sie ist unter dem
Schutz der nairischen Gesetze, und ihre Rechte sind dur-ch die Tapferkeit des Phönix gesi
chert.
Oer Zwang ist von dem Fest ent
fernt^ und doch fühlt sie kein Bedürfniß zu. offen- dio> Wunder binden ihre Lippen, aber ihre Augen verschlingen, ihren Nachbar. Oer. belebende Ton
der Geige
ruft sie
vam Tisch hinweg zum Tanz; aber wie ver schieden ist dieser von den persischen Tänzen,
öfters halten diese schönen Gefangenen diese
entzückende Kunst vor ihren stolzen Gebie tern, geübt, jestät,
die in ihrer eingebildeten Ma
mit ihren Pfeifen im Mund, ruhig
auf ihren Kiffen sitzen blieben.
Umsonst hat
ten sie durch ihre verführerischen Stellung
gen das Feuer auszudrücken ches sie verzehrte.
gesucht,
wel
Nur Eine konnte das
Schnupftuch erhalten, und der Tropfen der
ihre Flammen löschte, war Öhl in dem Feuer
291 ihrer Gefährtinnen.
Jezt war es der Tanz
der Freiheit und nicht dec (^claverei.' Es
war kein Zeichen der Huldigung mehr, wel ches der hochmülhige Despot sich herabließ von ihrem Geschlecht anzunehmen, und wel
ches er selbst ju thun, als eine Herabwür digung seines Geschlechts würde angesehen
haben;
hier war es der Zeitvertreib beider
Geschlechter,
die einander auf gleiche Art
entgegen kamen,
alle beide strebten zu ge
fallen, beiden war eS leicht zu gefallen, und so wurde dieses wahrscheinlich der Vorgän
ger von fernern Vertraulichkeiten. Welches Vergnügen strahlte
aus ihren
Augen! welche Lebhaftigkeit in ihren Bewe gungen.' mit welcher Herzlichkeit nahmen sie
jedes Anerbieten eines neuen Tänzers an! und mit welcher Bereitwilligkeit kehrten sie
wieder zu ihrem vorigen zurück. anfangs etwas ungeschickt,
T 2
Obschon
konnte es doch
nicht fehlen daß sich ihr Tanz unter solchen
Lehrmeistern immer mehr verbesserte, und jedes Herumdrehen brachte ste der Vollkom menheit im Walzer naher,
den sie vorher
gar nicht gekannt hatten.
Oer junge Muselmann war erstaunt, daß
ein Mann stch so weit herablassen konnte zu tanzen, er ging im Zimmer mit stchtbabaren Zeichen der Verachtung auf und ab.
Osva näherte stch ihm zufällig, und jemand
aus
der
Gesellschaft der neugierig
gutwillig genug war,
oder
stch mit ihm in eine
Unterredung einzulassen, zeigte ste ihm als
eine kaiserliche
Prinzessin.
Abas
erschrak
heftig, und lief so geschwind er konnte aus dem Saal.
Ein Bedienter der ihm nachgeschickt wurde
höhlte ihn ein,
konnte ihn aber nicht bere
den wieder zurück zu kommen; endlich wurde
der Verschnittene,
der in dem Gemach des
2g3 nach ihm ge
Großmeisters geblieben war,
schickt, und mit vieler Mühe brachte er ihn
endlich in den Saal zurück. Oer Verschnittene,
man nach der
den
Ursache seinerFlucht fragte, erzählte folgen
des.
»»Vergangenen Sommer brachten wir
die Weiber des Sultans nach dem Palast,
wo sich der Hof gewöhnlich heißen Witterung
aufhält.
während der Oie Sclaven
hatten schon das Zeichen gegeben, daß das Volk stch entfernen sollte, und wir hatten
die Favoritinnen schon
in
die Kisten
ge
bracht, in welchen ste sollten übrr das Was
ser geführt werden, als man AbaS an dem Ufer entdeckte, und ihn wegen seiner Sorg
losigkeit fast zu Tode prügelte.
Seit der
Zeit hat er jedesmal bei der Annäherung
einer Prinzessin gezittert, und er vergaß, daß er im Lande der Freiheit war, als die Prin zessin
bei ihm vorüber ging; denn wenn
294
blos
das Unglück die Kisten gesehen zu welche die fürstlichen Beischläferin
haben,
nen in stch schließen, eine so strenge Strafe verdient,
mit welchen Martern
Verwegenheit
muß die
desjenigen bestraft werden,
dessen Auge eine Prinzessin ohne Schleier
gesehen Hot?« Oie Gesellschaft lächelte über diese Er
zählung, und der junge Mahometaner hatte stch noch nicht ganz wieder erhöhte, als
Osva, um seine Verlegenheit zu vermehren,
die Bosheit hatte, ihn in der Mitte des Saals zu küssen, und da Abas ein hübscher Jüngling n»nr' so folgten viele andere Oa?
men ihrem Beispiel.
Oer Tanz der indeß immer fortgegan gen war,
wurde jezt auf einmal durch ei
nen Zufall unterbrochen, der aus derselben
Quelle,
nämlich aus der Unterjochung der
mahometanischen Weiber entsprang. Raida
□$5
war lange die nutzlose Zierde des Harems gewesen.
Für die Eitelkeit und
nicht für
die Glückseligkeit ihres Gebieters unterhal ten, war sie ihm weniger nützlich als zusam» mengehäufte Schätze einem Geizhals sind, denn dieser findet ein
Vergnügen in dem
Anblick seines Goldes, Sie im Gegentheil, unter, einer Menge Nebenbuhlerinnen über sehen, war niemals in seine Gegenwart ge
rufen worden.
Sie war eine Blume in ej-
nem schön bearbeiteten Garten, verzärtelte Besitzer ging
an
aber der
ihr vorüber,
und sie schien verdammt zu seym ihren lieb tichen Geruch, unbenierkt wie die Rose in
der Wüste, auszuhauchen.
Weit entfernt
selbst glücklich zu seyn, konnte sie sich nicht
einmal schmeicheln, zu der Zufriedenheit einet andern beizutragen.
Wie unerträglich war
ihre Lage! ein Feuer brannte in ihren Adern,
und sie träumte nicht einmal,, daß es ^iqe
sg6 Macht in der Natur gäbe, die es löschen könne.
In ihrer Einfalt glaubte sie sich be
zaubert, fand aber in einer Menge Amulet
ten, welche (stellen aus dem Koran enthiel
ten keine Hülfe, sie band sie an ihren Arm, sie legre sie an ihr klopfendes Herz, doch
überall keine Hülfe.
krank und wurde
Sie
fühlte sich sehr
immer schlimmer, denn
sie kannte die Ursache ihrer Krankheit nicht. In einer solchen unerträglichen Lage befand
sie sich, als die Armee der Nairen sich dem Serail näherte, die Riegel sprangen zurück und
die eisernen
gerissen.
Gitter wurden herunter
Ein Ritter des Phönix kam, sah,
und siegte; er gab ihr die Freiheit, und sie
gab ihm zur Belohnung ihren jungfräuli chen Schatz.
Mit einem Stab,
als der des Äfculap's, benswürdige Zauberer
mächtiger
Verbannte der lie ihre
Klagen,
und
jezt nun, da sie ihre vollkommene Gesund-
297 heit wieder erhalten hatte,
ihm das Vergnügen
theilte sie mit
des Tanzes.
O, wel
che verschwenderische, welche hinreißende Ge fühle! war,
Vorher, wenn
sie gefährlich
krank
war es ihr blos erlaubt ihre Zunge
und ihre Hand durch ein Loch des Vorhangs dem Anblick und der Berührung ihres Arz«
tcü zu überladen,
und nun sah sie sich in
den Armen des Mannes, den sie liebte. Sie
athmete seinen Athem, und fühlte sein Herz gegen ihre Hand schlagen.
Im hcrumwal-
zen lächelt ihr Geliebter ihr bedeutend zu, in ihren Augen
stehen Thränen des Ent
zückens, aber aus Furchtsamkeit wendet ste
ih5 Gestcht von ihm hinweg,
als auf ein
mal der Anblick des Verschnittenen
ste zu
Boden schlägt; eS war als ob der schwarze
Enget des Todes gekommen wäre, dem Paradies zu reißen;
aus ihrem Gestcht,
ste aus
die Rothe flieht
eine todtliche Kälte be-
298 meistert sich ihres ganzen Körpers, und die
Arme des Dutterd hindern sie eben noch am
Niedersinken.
Sie wird auf ein Sofa ge
bracht, und ihr alle Hülfe geleistet. Endlich öfnet sie ihre Augen.
"Der Verschnittene,
der Verschnittene! helft mir, rettet mich!« ruft sie aus, und klammert sich fest an ih ren Beschützer.
Ihr Geliebter flößt ihr bald
ihr voriges Zutrauen wieder ein, sie lächelt
über ihre Schwäche, die aus der Macht der
Gewohnheit entsprang,
und beginnt
den
Tanz von neuem.
Das Gemurmel gegen
den. Verschnittenen
unter den Zuschauern
auf der Gallerie wurde jedoch so groß, daß man es ihm zu verstehen gab, sich zurück zu
ziehen, und die Prinzessin Osva und der
Großmeister, um ihm ein öffentliches Zei chen ihres Beifalls zu geben, begleiteten ihn in das anstoßende Zimmer.
Großmeister. Mein lieber Freund,
ich wünschte wir
sonnten Euch einen Schutzvrr nnbieeen, wo
3br Euer Leben wenigstens in Diube zubringen könntet, denn nichts, glaube ich, kann
Euch einen glückseligen Zustand versprechen. Die Rache des Himmels wird diejenigen er
reichen,
die
Werke des Schöpfers so
die
sehr entstellen.
Ihr
seid
unserer
Achtung
so würdig,
doch nichts
fürchte ich,
den eingewurzelten Hag meiner
Landsleute
gegen
Eure
wird
fähig
elende
seyn,
Klasse
zu
verändern. Verschnittener.
Ach sowohl hier als irgend wo anders, werde ich doch nur ein elendes Pstanzenle-
bcn führen, in England allein kann ich hof
fen mein Leben zu genießen.
Dort würde
ich mir ein Weib kaufen, und mein Leben zum
Entzweck ihrer Glückseligkeit machen.
3oo Ihr Harem sollte eine goldene Decke haben, und sie sollte auf prächtigen Teppichen ge hen.
Oie Würmer von OamascuS sollten
ihr die
Seide zu
ihren Kleidern
spinnen,
Perlen aus Arabien sollten ihren Hals zie
ren, und Juwelen von Golconda ihre Oh ren schmücken.
Sie sollte sich in Essenzen
von Rosen baden, und der feinste Reis ihr
Nahrung
geben.
Eclavinnen
sollten
vor
ihr tanzen, um ste zu belustigen oder sie in den Schlaf zu fingen.
Mein ganzes Ver
mögen
(denn ich
habe einige Schätze
spart)
wollte ich
für ihr Vergnügen auf
opfern.
ge
O, wie glücklich würde ich mit ei
ner Engländerin seyn! sie strafen,
niemals
sie
Niemals würde ich im
Finstern ein
schließen, nie ihr verbieten ihre besten Klei
der anzulegen, und nie sie ohne Abendbrod
zu Bette schicken.
3oi
Osva. Meine Landsmänninnen müssen Euch für so eine gute Behandlung ausserordentlich ver«
Vielleicht wißt Ihr nicht, daß
bunden seyn.
ich in England gebohren bin. Verschnittener.
In England?— O, saget mir doch, wie
weit ist England von hier? wie viel Tage reisen hat man zu machen?
Osva. England ist eine Insel. Verschnittener.
Wohl denn; in wie viel Tagen würde ich mit einem Kameel dort ankommen? Osva. Ich
sage
Euch ja,
England ist eine
Insel. Verschnittener.
Nun
denn,
braucht man?
wie viel Tage - Märsche
Osva. Man muß zu 2öaffcr gehen.
Verschnittener. Aber ich hasse das Wasser.
Ich würde
das Reifen zu Lande vorziehen, und wenn ich auch noch so einen weiten Umweg ma chen sollte.
Osva lächelte und dachte wie unwissend
eine Ration seyn müsse,
wo die Erziehung
der vornehmsten Leute der Sorge der Ver schnittenen anvertraur wird,
und der Ver
schnittene murmelte zwischen
den Zähnen:
»Ee
ist doch seltsam, daß ein Weib auch
auf die einfachste Frage, niemals eine be
stimmte Antwort geben kann.
Für Osva war der sonderbare Vorzug, den
der Verschnittene England
fremdend,
und
gab,
be
ihre Neugierde verleitete
sie das Gespräch wieder anzuknüpfen.
3o3
Osva.
Da Ihr gesonnen seid England zu besu chen , so können Euch meine Empfehlungen
dahin von einigem Nutzen seyn.
Habt Ihr
Freunde dort? oder seid Ihr mit einem Engländer bekannt?
Verschnittener. Ich habe keinen Freund dort, denn ich
habe nie einen Engländer gesehn, aber eine Engländerin ist mir bekannt, und wenn die Weiber ihres Landes alle ihr gleichen, so werde ich nie so lange als ich athme wün
schen, England zu verlassen.
Aber pe ist.
nicht in England, und wird auch wahrschein
lich niemals wieder dahin kommen. Osva.
Wo ist pe denn?
Verschnitten er. Zu Candahar in dem Serail des Sul
tans.
Höret meiner traurigen Erzählung
3o4
zu.
Euer Blick ist der Blick des Mitleides,
Eure Stimme kündigt
an.
ein
fühlend
Herz
Ihr seid die Landsmännin meiner Ge
liebten,
und werdet auch Gefühl für die
Leiden eines Verschnittenen haben.
Dor einigen Monaten kaufte der Scla-
venhändler unsers Harems eine Englände rin, und ich erhielt den Befehl, stc ins Dad
zu bringen,
und sie zu meines Herrn Um
armungen vorzubereiten.
Cie schien in ei
nem Zustand von Unempfindlichkeit zu seyn, ihre Augen, worin tiefe Cchwermuth saß,
waren entweder auf den Boden geheftet, oder fie betrachtete die Gegenstände um fich
herum,
ohne auf etwas Acht zu
haben.
Sie öfnete nie ihre Lippen, und ohne Zu friedenheit oder Abneigung blicken zu lassen,
erlaubte fie mir fie mit wohlriechenden Was
sern zu waschen,
und
fie
nach Belieben
zu kleiden.
Wenn
3o5 Wenn ihre Gefühllosigkeit, dachte ich, sich
nicht von den Strapazen einer langen Ta gereise herschreibt, welche sie durch Wüsten
und über Berge in einem engen Käficht ein geschlossen, und auf dem Rücken eines Ka-
nieels befestigt, gemacht hat, so ist sie das
trägste, dümmste und uninteressanteste Ge
schöpf auf der Welt. Ein Sclave kam und meldete mir, daß der Sultan seine Mahlzeit geendigt habe,
und
iiyn
die neu Angekommene in seinem
Schlafzimmer erwarte. Ich unterrichtete sie
von seinen erhabenen Befehlen, sie erwachte
aus ihrer
Schlafsucht.
Ihre- Gesichtszüge
wurden von einem neuen Ausdruck belebt;
Rache und Wuth brannten in ihren Augen
und hoben ihren Busen.
Sie brach in eine
Fluth von Thränen aus, und wollte schlech terdings nicht vom Fleck gehen.
In diesem
Augenblick fand ich sie sehr anziehend, und bemerkte, daß sie ein schönes Weib war. Mein
.Herr, ungeduldig über diesen ungewöhnlichen Verzug, stürmte in das Zimmer, und wollte
Das Par. d. £. 3r 45 b-
U
do6
sie in seine Arme schließen. Mit Verachtung stieß
sie ihn
zurück,
und fing an unsern
großen Propheten und seine heiligen Gesetze
zu lästern, sie riß ein Halsband von Perlen,
mit dem ich sie vorher geziert hatte von ih und warf es ihm ins Gesicht.
rem Hals,
DNein Herr floh aus dem Zimmer,
als ob
er vor einer Wahnsinnigen flöhe. Er kehrre endlich zurück und fand sie ru-
Sie warf sich ihm zu Füßen,
Higer.
und
bat ihn mit Thränen in den Augen, ihrer Ehre und Tugend zu schonen, damit meinte
sie aber, wie ich nachher erfuhr, ihrerKeuschheit;
vielleicht ist die Keuschheit eine Tu
gend in England,
ob sie gleich von dem
Propheten durchaus verboten ist, Weib
ohne
Früchte.
Kinder
Ich
ist
ein
denn ein
Baum
will Euch hier
ohne
nicht eine
umständliche Beschreibung seines Ungestüms
und seiner Heftigkeit,
so wie ihrer Leiden
und ihres Wiederstandes machen.
Wahrend
einiger Monate konnten weder Drohungen noch Bitren, weder Harte noch Geschenke,
3ö7 noch jede Aufmerksamkeit, die ihrer Eitelkeit
schmeicheln mochte,
und eben so wenig die
Schrecken des Gefängnisses bei Brod und
Wasser, einige Änderung in ihrer Abneigung gegen meinen Herrn hervorbringen. Brauchte er Gewalt, so vermehrten |7d) nach der Hitze
Eie ge
seiner Angriffe auch ihre Jträfte.
ihrer Vertheidigung ihre Jtdgcf,
brauchte
die öfters in Anfällen ihres Wahnsinns ih'
rer eignen Schönheit, der Quelle ihrer Ver folgungen
gefährlich
die Sclaven,
wurden,
und selbst
welche mehr als einmal
seinem Beistand gerufen wurden, waren ge
nöthigt von ihrem Unternehmen abzuftehn.
Einst war sie in ein dunkles Zimmer ein
geschloffen,
und der Echlüffel
meiner Sorgfalt anvertraut.
davon war
Als ich ihr ei
nes Morgens ihre tägliche Speise brachte,
fing sie ein Gespräch mit mir an.
Sie be
trug sich sehr artig gegen mich, und in Ge genwart meines Herrn war fie der Teufet
selbst.
Mit einem Wort, fie versprach mich
flu hcirathen, wenn ich sie aus dem Harem
3o8 befreien könnte, und obschon sie mir nicht die geringste Freiheit erlaubte, und mich nicht
einmal ihre Hand küssen ließ, so ist sie doch
das einz.ge Weib, das mich in meinem Le-
ben einem Manne vorgezogen hat. Wie ost war mein Herr genöthigt, in seinen Versuchen gegen diese widerspänstige
Engländerin getäuscht, seinen Kummer in den Armen einer gutwilligen Sultanin zu begraben, und doch versprach mir diese Eng länderin mich zu Heimchen.
Ich nahm mir vor, mich selbst aus den nächsten Markt zu begeben, und dort zu
meines Herrn Gebrauch einige Sclavinnen einzukausen, deren ausserordentliche Schön
heit und Vollkommenheiten die Englände rin auS seinen Gedanken vertreiben sollten.
(£r sollte dann ihre Abneigung mit Kälte er wiedern, und da er mir ost schon meine Freiheit und eine Sclavin zur Heirath ver sprochen hatte, so wollte ich ihn zur Delohi nung meiner vieljährigen Dienste um die Engländerin bitten.
Dies war der Plan
Moderato.
—trFw I - d • ■R- r-————
Paradies der Liebe zr Theil.
3og meiner Liebe, und war eben der Gegenstand
meiner Träumereien in derselben Nacht, als der elende Sclave mich seiner eigenen Si cherheit aufopferte.«
Oer schwarze Verschnittene schwieg, und da auch in demselben Augenblick die Musik in dem Ballsaal aufhorte, wünschte ihm
Osva eine gute Nacht und begab sich in ihr Schlafzimmer. Ihre Kammerfrauen hatten die Prinzes
sin verlassen, sie warf sich auf ihr Lager, und dachte dem traurigen Schicksal der un
glücklichen Engländerin nach. Stille der Mitternacht.
Es war die
Plötzlich hörte sie
die Töne einer Harfe, welche von der Stimme
einer Hofdame, die ein angrenzendes Zim
mer bewohnte, auf folgende Art begleitet wurden.
Weiber mit dem grünen Gürtel, Ihr, die kein verhaßter Zwang, Fesselt an entnervte Krieger., Ihr, der schönste Lohn der Sieger,
Weiber, horchet dem Gesang.
3io Mirva, stolz on Wuchs und Sitten
Pranget, Kalicutta s Ruhm, Schöner wenn zu ihren Füßen
Goldne Locken wallend stießen, In der Liebe Hciligthum.
Maldor, wenn die Schlacht erfochten. Eilt in der Geliebten Arm; Ruht, dos edle Haupt umschlungen
Mit dem Lorbeer, erst errungen, Ihr am Busen tiebewarm.
Doch was naht im Kriegsgetümmel?
'S ist der Feind von Candahar.
Hat des Indus Flut durchfahren, Uud des Persers stolze Schaaren
Rücken schon gen Malabar.
Rüsten gegen diese Feinde Muß sich jeder Mutter Sohn; Feige Muselmänner bebet.
Wenn der Phönix dräuend schwebet Bei der Kriegstrommete Ton.
Stei von häuslich enger Sorge Und zum Kumpfe stets bereit.
Kann der Jüngling ohne Zagen Srch ins Feld des Todes wagen,
Zu dem blutig heißen Streit.
Keck mit freier Brust versuchet Der Nair der 2L< affen Glück; Denn es hält ihn bei Den Seinen Nicht der zarten Kinder Weinen, Nicht Der Gattin Arm zurück.
Und geordnet stehn die Heere,
Fordern laut der Schlacht Beginn: Da ruft Aigrof, kühn im Kriege:
»Führt uns Maldor nicht zum Siege? »Wo ist Maldor DKarforin *)?
Und er eilet hin, wo Maldor
Fern vom Schauplatz der Gefahr,
Ruht in süßer Diebe Träumen. »Seh ich recht! hier kannst du säumen? » Du, der Stolz von Malabar?
*) Ntaldor n>ar bet