Das Paradies der Liebe: Band 3 [Zugl. (Journal der Romane; 8), Reprint 2021 ed.] 9783112409060, 9783112409053


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Das Paradies der Liebe: Band 3 [Zugl. (Journal der Romane; 8), Reprint 2021 ed.]
 9783112409060, 9783112409053

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Das Paradies der Liebe in zwölf Büchern.

Genus huic materna superbum Nobilitas dabat, incertum de patre ferebat.

Virgil 9, 34i.

Dritter Band.

Berli n, 180 i. 9 n Ungers Oournalhanblung.

Journal der Romane.

Achtes

S t ü ck.

Berlin, i 80r. I a

Unsers

Iournnll>andlunn.

«wi ihrer Landsleute aufzuopfern; Camilla

wünschte fid) aber auch den Beifall und die Achtung ihrer Jcachbarn zu erhalten.

*Dat>

Kind welches sie in den Armen trug, würde

ihr in England alle Thüren verschlossen ha ben,

in Calieut aber war es eine Empfeh­

lung,

ein Paß van der sKutur selbst unter

zeichnet.

Oie Bereitwilligkeit und der Eifer

eines verliebten

Mädchens find lobenswür­

dig, sie bleibt aber doch nur eine Freiwillige.

Die Mutter aber ist in Diensten des Staats

schon mit Lorbeern gekrönt.

Camilla drückte

das Kind der Liebe an ihren Busen,

und

fühlte zum erstenmale vollkomiiien, wie süß es ist, Mutter zu seyn. Die Schiffe im Hafen zu Calieut begrüß,

Un -en, Prinzen, und verkündigten seine-Zu­ rückkunft nach seiner Mutterstadt

FirnoS

stieg unter dem frohlockenden Zurufen feiner

Landsleute an das Land; aber sowohl seine

Großmutter als fein Oheim waren zü Vir»

napor. Oer alte Oberkammerherr machtr dem

Prinzen feine Aufwartung,

um ihm 'zu fei»

ner Einkunft Glück zu wünschen.' Bei dem

Anblick 9Ta(t>Dt,£i koünte er kaum seiner» Au­ gen glauben,' so' sehr hatten ihn feine Lei­

den und feine lange Einkerkerung verändert, und doch mußte es der Sohn fetaeT Schwe­

ster Rolida feyn^ Oer alte HofmanndrüEt ihn an feine Neust.

Naldor erkundigt sich

nach feiner Mutter.

»Lebt ste-d-enn-ttoch?^

ruft er voll freudiger Erwartung aus.

ylke Oheim schwieg;

Dee

aber die Thrans, di»

ihm in s Auge trat, war hinlängliche Ank*

wort.

Während dem mhn aufpannt^ ekkte Mr» nos nach der Wohnung feiner geliebten

tila, der er einst vor allen feinen Mitschüle­

rinnen zu Romaran.den Vvrzug güb?Än^d-e^

6

reh 55ir> ihn so oft während seiner langen Abwesenheit beschäftigt, und die Langeweile Aweyer Seereisen verkürzt hatte.

Er war

aber nicht so glücklich sie zu treffen,

denn

den Tag vorher war sie nach ihrem Mut-

tersiy verreist, wo der Geburtstag ihrer Ur« groß mutier Medusa, durch ein Familienfest gefeyert wurde. »Aber mein theurer Prinz, sagte der gute

ölte Hofmann zu Firnoo. als er in das Schloß zurückgekehrt war.

Dringt Ihr uns

denn gar keine Nachricht von Eurer erha­

benen Mutter? Muß das Reich die Trauer anlegen? und soll kein Strahl der Hofnung unsere Thränen trocknen?

Die ehrwürdige

Samorina liegt in den lezten Zügen, wenn

sie nicht schon jezt ein Leben geendet hat, welches ihr durch den Verlust so vieler Hof« nungsvoller Kinder verbittert wurde.

Ge­

stern Abend schon brachte uns der Eilbote

die traurige Nachricht, daß sie nur noch we­

nige Stunden würde

leben

können.

Der

Himmel weiß, welche Unglücksfälle noch den

Staat bedrohen.

Das Volk will durchaus

nichts von ihrer Gefahr

hören.

Vorigen

92ionot starb auch der Oberpriester von Ca-

licut.

Ihr wißt,

Nation gefchäzt,

wie er von der ganzen

beinahe angebetet wurde,

und warlich er war auch ihrer Liebe werth.

Jetzo

verbreitet sich das Gerücht, obschon

gewiß ohne allen Grund,

daß er auf sei­

nem Sterbebette geweissagt habe: die Samorina werde erst nach der Zurückkunft ih­ rer Nachfolgerin die Augen schließen. Prinzessin

lächelt

über

diesen

Oie

Gedanken;

nichts aber würde den Glauben des Volks daran

erschüttern.

Aber eilt

mein Prinz,

wenn Ihr noch ihren Seegen zu wünscht.«* —

Firnos und

in den Wagen.

Camilla

erhalten stiegen

IO

Sei i^rcr Ankutist

Dirnapor gingen

die Bürger schweigend und in tiefen Schmerz

versunken, im Schlaßhof umher.

Olian um­

ringte den Ißagen, und suhe den Kronprin­ zen.

»Co lebe der Prinz §irnod,« ries jede

Stimme.

Doller Ungeduld und in freudiger

Erwartung reißt man den Schlag des 2j3agens auf.

Hand, und

Oer Prinz giebt Camilla

feine

steigt mit ihr heraus.

Mai»

sieht feine stattliche Begleiterin, und jauch-

Jend ruft die Menge:

Cs lebe Agalva!

Oie Weissagung ist erfüllt, die Nachfolge­ rin kehrt zurück'«- Alles drängt sich nun um sie, man küßt ihr Kleid und ihre Hände.

Oer Prinz kann das vor Freude trunkene

Dolk seines Irrthums nicht überführen, denn

kindliche Psticht ruft ihn zu feiner sterben den Großmutter.

Oie ehrwürdige Samorina lag in den

lezten Zügen. Ihr Sohn, de? Kayser, knieete

i1

neben dem Bette.

Todesbläjse bedeckte ihr

Gesirrt; aber C'od) funkelte »hr Auge und

ihre Lebensgeister schienen zukückzukehren, als sie die (Stimme des Prinzen hurte; sie

ließ stch qufrichten um ihn zu umarmen. »2do

ist meine Tochter? fragte ste, wo

ist Agalva? Hast Du keine Nachricht von

Deiner Jltetter? « FirnoS, der durch eine zweydeutige Ant­ wort ihre lezten Augenblicke versüßen wollte,

antwortete ihr: »DTieine Mutter ist nicht mehr in England, sie hat es verlassen, um

nach Calicut zurückzukehren.« In dem nämlichen Augenblick horte man das Jauchzen und frohlockende Zurufen des

Volks.

Eine alte Kammerfrau eilte nach

dem Fenster.

»Die Prinzessin Agaloa i(t

da, ich sehe sie selbst,

umringt von einer

Menge Volks.« FirnoS erklärte den Irrthum» und sagte

ihnen wer es

wäre.

»Führ sie hieher,«

sagte die Samorina.

Firnos führte Camilla herein.

Die Sa­

morina schlingt die Arme um ihren Hals. »Meine Tochter, sagte sie, FirnoS wollte

nicht daß die Freude mich todten sollte, und

verbarg mir Deine Zurückkunft.

Himmel,

vergieb mir meinen Unglauben; die Weissa­

gung ist erfüllt! Ich sterbe zufrieden; meine

Augen haben meine Nachfolgerin gesehen.« Ermattet legte sse ihren Kopf auf das Küssen, und — entflohen war ihr Geist.

Oer Samorin stand auf, drückte einen Kuß auf die kalten Lippen seiner Mutter,

und eine Thräne fiel auf die Leiche.

Hier­

auf wendete er sich zu Camilla. »Theuerste

Schwester, sagte er, in welchem traurigen Augenblick bist Du zurückgekommen.«

»Mein Oheim, sagte Firnos, auch

durch

bist Du

die Ähnlichkeit betrogen?« —

i3 Man ösnete jefit die Vorhänge der Fenster, die man vorher weil die Aranke nicht zu

viel Licht ertragen konnte, zugezogen hatte,

und der Samorin wurde seinen Irrthum gewahr.

Oie Fremde war noch im Früh­

ling ihres Lebens,

sie schien ohngefähr so

alt, als Agalva war, da ste Jndoftan ver­ ließ, und ihre Ähnlichkeit mit der Prinzessin

war durch die nairische Kleidung vollkommen. Oer Kayser war untröstlich als er hörte,

daß die Reise gänzlich sehlgeschtagen war. Er

erkundigte

stch nach Oe Grey.

»Wie

glücklich ist er, ries er aus, ihm bleibt doch wenigstens noch die Hofnung seine Schwe­ ster zu finden; mir leuchtet aber nicht ei»

Etrahl von Hosnung

Das Geschlecht der

Samora muß erlöschen.« — Mehrere Tage hindurch war Agalva's Tagebuch seine ein­

zige Unterhaltung. Indessen eilte der Adel aus ollen Pro-

i4

Dingen nach Hofe, uni dem Kronprinzen zu seiner Zurückkunft Glück zu wünschen.

Je­

der erstaunte über die Ähnlichkeit Camilla s mit der

kayserlichen Faenilie.

OaS Volk,

ohne auf den Unterschied, des Alters zu ach­

ten,

blieb fest bei seiner Meinung, daß es

Agalva selbst sei:

und Politiker stüsterten

sich viel twii wichtigen Staatsgeheimnissen in s Ohr.

Oer Hof hütete sich diesem Glau­

ben zu widersprechen,

denn er fürchtete die

Verzweiflung der I7azion, wenn keine Samorina an ihrer Spitze .stände.

Oer Vev-

lusti einer'Bienen-Königin ist nicht so unep» sezlich, und kann nicht so viel Unheil in dem

ganzen Stocke verursachen. Sobald fefr geehrte Asche -er Samorina ift

der mütterlichen Gruft bergesezt war, befahl der Kayser die Lustbarkeiten in -er HaupSstadt zu vermehren, um die Aufmerksamkeit

des Volks von diesem Unglück akzulenken.

1.5

Auf einem Hos - Ball zu Birnapor, wo Caniilla schon vorher auf alle Tänze per-

sprechen war, wetteiferten die angesehensten Cavaliere ibr das Walzen zu lehren,

und

indem sie tanzte, konnte man eine Steckna­

del fallen

hören.

Als

der Ball geeinigt

war, führte sie, wahrscheinlich ein Jiöir, bid

in ihre Kammer.

Ed wäre unter der Würde

der Geschichte, den Namen ihred Liebhabers

zu erwähnen.

Mit

Gleichgültigkeit

sah

auch Firnod

dad Glück eined Andern in Camilla'd Ar­

ien,

denn ihre wechselseitige Leidenschaft,

war zu einer vernünftigen Freundschaft über­

gegangen, die sich auf Hochachtung gründete.

Als man

die ^«-alabaeische- Küste

in

der

blauen Ferne erblickte, so erneuerte sich dad Bild Mitila'd, mit so

vielen Reizen ge­

schmückt in seinem Gedächtniß,

daß seine

jugendliche Neigung wieder austebte.

Wie

iß kränkend war aber jezt ihr Betragen gegen ihn, so viele Wochen waren schon seit sei­ ner Zurückkehr verstrichen, und noch bis jezt

hatte sie ihn nicht besucht.

Alle Personen

von Stande waren nach Dirnapor geeilt,

um ihm ihre Aufwartung zu machen;

nur

seine Schulkameradin, die Gefährtin seiner

Jugend allein, war mit der größten Gleich­

gültigkeit weggeblieben.

Ohne sie machte

ihm selbst auch der Tanz kein Vergnügen;

er tanzte zwar die Menuet und die ersten

Tänze mit, keine Schönheit von Malabar war aber vermögend, ihn zum Walzer auf­

zumuntern. Einsam kehrt er in sein Zimmer zurück;

vom Bilde seiner Geliebten führt ihn die Reihe feiner Gedanken auf die Weiber über­ haupt.

Oie Reize der Liebe erschienen ihm

in ihren entzückendsten Farben.

Mit nei­

discher Ungeduld denkt er sich jezt die übri­ gen

I?

gen Cavaliers, die er eben tattzSn sah, in -en

Armen

ihrer

muntern

Tänzerinnen.

Keine Dame theilt mit ihm fein Bett. 2Bar

eö nicht empfindsame Echwarmerey, als er den Walzer ablehnte? Muß er deswegen

seine Nächte einsam verschlafen >

weil JIu
und kann die Vernunft

fich wohl einbilden, daß fie um seinetwillen

gleiche Bedenklichkeiten machen wird?

In

diesem Augenblick vielleicht, genießt sie die Umarmungen eines Geliebten.

Heute ist

niehr werth als morgen; kein Nair darf eine Stunde der Jugend und der Gesund­

heit in Unnützer Enthaltsamkeit verleben.

Ohne Ruhe wirft er sich in seinem ge­ räumigen Bette herum.

Oie Weite dessel­

ben erinnert ihn an seine Einsamkeit; um­ sonst breitet er seine Arme aus, es eilt keine

Dame mit sympathetischer Liebe seinen llm-

drmungen entgegen. Das Par. d. L. 3ter Ld.

Umsonst bittet er um 23

i8

die Gunst deö Schlafs, auch dieser ist chm nicht hold.

Er richtet sich wieder auf; er

horcht, es herrscht eine allgemeine Stille.

Endlich erinnert er sich,

daß Farna den

Tanzsaal ohne Begleitung verlassen hatte,

da die Zahl der Damen die der CavalierS

übertraf,

und

nen Tänzer fand.

die Tochter Anora's

kei­

FirnoS klingelt, ein Be­

dienter führt ihn nach ihrem Zimmer. klopft der ungeduldige Jüngling

an

Leise

die

Thür; die Schöne steht auf und öfnet.

»»Gnädige Frau,

sagt er, ist es mir wohl

vergönnt herein zu kommen.« Mit einem reizenden Lächeln willigt sie ein.

Der Be­

diente zündet die Lichter an, und zieht sich zurück. Kaum blickte der erste Strahl des Mor

gen» über die östlichen Gebirge, als ein Eil­ bote im Schloßhof von seinem schnaubenden Pferde stieg und in sein Horn stieß.

Er

brachte einen Brief an Daria.

'Pförtner klopfte

mers,

an

Oer

die Thür ihres Zim'

und FirnoS stand auf um ihm den

Brief abzunehmen.

Mit zitternden Händen

reißt ihn die Baronesse auf,

und laut auf«

schreiend fällt sie ohnmächtig in die Arme

des Prinzen. Ourch feinen Beistand erhohlt sie sich bald wieder,

lesen.

und giebt ihm den Brief zu

Er war von (Salicut, und enthielt

die schreckliche Iiachricht, Fieber das

daß ein heftiges

Leben ihres Sohnes

bedrohe.

Oie DTüirmnen find die besten DMfter, und

Farna zeichnete sich sogar auch unter ihren

Landsmänninnen durch ihre Muttci liebe aus. Kein Augenblick war jezt zu verlieren, fchäzbar war die Zeit.

un>

Cie gab sogleich Bei

st hl zum anspannen, und Firnos, in der Hofnung

die gelebte Ncitila dort zu treffen,

erbietet sich,

sie nach Calirut zu begleiten. B 2

ao In . einet halben Stunde waren sie schon

auf Dem Weg dahin.

Oec Samorin hatte sich die vorige Nacht sehr bald in sein Schlafzimmer begeben; doch auch ihn, fv gut wie seinen Schwe­

stersohn, siohe der Schlaf; ober nicht Liebe, sondern andere Sorgen waren die Duette

feiner Unruhe.

Ea'nnlla'ö Bild schwebte im­

mer vor seinen Augen, und blieb tief in sei­ ner Seele eingeprägt.

Er hatte sie tanzen

sehen, und ihre Ähnlichkeit mit seiner Schwe­

ster

schien ihm

noch weit vollkommener.

Die Hofnung belebte seine Brust, daß sie

vielleicht die Tochter wäre, welche Agalva in England verlohr; denn keine Europäerin, von Kindheit auf an eine erniedrigende Un­ terwerfung gewöhnt, selbst auch die über

alle ihre Landsmänninnen erhabene Mar­

garethe Montgomery, konnte einer Tochter von solchen Geistesfähigkeiten, von solchem

ai Freiheitssinn, und von solcher körperlichen Vollkommenheit, das Leben geben.

Nein,

sie muß die Tochter Agalva's seyn; sie al­ lein verdient eine solche Mutter, und auch

nur Agalva allein konnte die Mutter der

geistreichen Camilla seyn. Sobald er die Staats - Geschäfte geendigt hatte, (denn keine Familien-Sorgen konn­

ten den Kayser verleiten, die Pflichten sei­ nes Standes zu vernachlässigen) eilte er in

den Garten, um> zü überlegen: wie er wohl am schicklichsten der Engländerin seine. Ge­

danken mittheilen könnte; denn ob er, gleich keinen Grund hatte zu zweifeln, daß Ca-

mi-lla die Tochter der Montgomery sei., so btfeb er doch .fest. bei. dem Entschluß, ihr

seine Hosnungen zu entdecken.

Ein Weib

von ihrem Geiste, konnte sich schwerlich be­

leidigt fühlen^ :daß. er an ihr eine Nichte zu finden hoste.

22

An tiefen Gedanken ging er vor sich hin, und seine Schritte führten ihn univillkühr

sich nach einem DHonument, welches seine

Murrer dem

Andenken Agaloa's hatte er

richten lassen. traurige

Griffe

Oft hatte sie sich in diese des Hains zurückgezogen,

und die Inschrift mit Thränen des mütter­

lichen Schmerzes gebadet.— Aber Himmel! welchen

Gegenstand

erblickt er

da.

Eine

weibliche Gestalt stüzt sich in einer gedan­

kenvollen Stellung auf den Marmor.

Sie

wendet bei seiner Annäherung daü Gesicht nach ihm zu, und er erkennt Camilla.

Eine

Thräne hing in ihrem Auge. -»Ja,

antwortete er auf ihre Frage nach

seinem Wchlbesinden;

ich bin nicht wohl,

doch steht es vielleicht in Eurer Macht mich zu heilen.«

Camilla erstaunte über-Biese Einleitung, und erwartete nun eine leidenschaftliche Lie-

93

beserklarung.

Cie fühlte sich zwar nicht

sehr zur 23efuefrigung seiner Wünsche ge< neigt, aber ihre Freundschaft für seinen Nef­

fen, und ihre hohe Meinung von Agalva, bewegten sie mitleidig gegen ihn zu seyn. Unbegreiflich blieb ihr jedoch seine Traurig­

keit, da sie so wenig dem National Cha­ rakter entsprach; denn wie konnte ein Nair seine Hofnung aufgeben,

ehe er eine sb-

schlägliche Antwort erhalten hatte.

Ornor^

obgleich schon im Herbst seines Lebens, bet faß eine schöne Gestalt und einen edlen 20v stand, die Blüthe der Jugend glühte zwar nicht mehr auf seinen Wangen,

aber die

Gemüthlichkeit der großen Welt erhvhete die Liebenswürdigkeit seines Umgang*;

Ea?

milla blieb aber bei alle dem gleich entfernt

von Vorliebe und Widerwillen gegen ihn,

bis endlich erhielt.

die Dankbarkeit die Oberhand

Eie schäzte feine guten Eigenschaf-

24 ten, und entschloß sich seine Qualen zu lin­ dern.

Mit einem liebevollen Lächeln reichte

sie ihm die Hand, und war bereit seine Um­

armung zu erdulden. Oer ehrwürdige Fürst merkte ihren Irr­

thum.

»Offenherzigkeit, sagte er lächelnd, ist

alles, was ich von Euch verlange; nicht Liebe. Nicht als Geliebte, sondern als Schwesterkind laßt mich Euch umarmen, und nie werde ich aufhören Euch wie ein Oheim zu lieben.

Eure glänzenden Eigenschaften,

Eure Ta­

lente, und mehr noch als alles dieses. Eure täuschende Ähnlichkeit mit meiner unglück­ lichen Schwester, haben mich schon längst für Euch eingenommen. — Ach, Camilla?

fuhr er mit einer Wärme fort, die sie ganz überraschte;

reißt

diesen

geheimnißvollen

Schleyer, der über Eure Geburt hängt, hin­

weg.

Ich beschwöre Euch, Camilla? bei al­

lem was heilig ist, beschwöre ich Dichsag'

L5 mir: bist Du die - Tochter' von Margaretha Montgomery?«

"Mein Gott! rief die erröthende.Cannlla; was hat Euern verdacht erregt? Wer hat Euch gefügt,

daß

ich

nicht ihre Tochter

bin "Richt ihre Tochter?c< stet ihr der Kay­

ser in die Rede, und zeigte auf das Brustbild Agatva's auf dem Rtonumente

"Das

ist Deine Mutter! Hat nicht kindliche Liebe Dich

hierher geführt,

mit den

um Deine Thränen

meinigen zu vereinigen,

diese Einsamkeit mit mir zu theilen.

und um Komm

in meine Arme, Tochter Agalva's; ich bin

Dein Oheint.« Er drückte sie an seine Brust,

und be­

deckte sie mit seinen Küssen. Camilla konnte in dem Übermaaß ihrer Gefühle keine Worte finden,

nen aus.

sie brach in eine Fluch von Thro­

Endlich wand sie sich aus fernen Armen. »Ihr spottet meiner, sagte sie, oder täu­

schet Euch;-denn wie ist dies möglich?«

»Darfst

allein

möglich,

es ist gewiß!

Agalva verlohr ein Kind in England, und dieses Kind bist Du.«

Er ziehet sie von neuem an sich,

und

schließt sie noch fester in feine Arme. Thrä­ nen der Freude rollen über seine Wangen

herab.

Sein Kopf ruhet auf ihrem Busen.

— »Grausame Oöva, sagte er. Du sähest unsere Schmerzen, und konntest diese Ent­

deckung so lange verzögern.cc — Mit einem Kuß versiegelte er die Vergebung.

»Wollte doch der Himmel, antwortete

Camilla, daß diese Beschuldigungen gegrün­ det wären! Könnten wvhb meine Wünsche

nach einem größeren Glück, oder meine Ehr­ sucht nach einer höhern Würde streben, als

Eure Dachte und die Tochter Agalva's $u

s? seyn.

2fA? Ich muß Eucch, um Eure Täu­

schung zil endigen, alles» aufklären;

mein

reich an sonderbaren Bege­

Lebensla-rf

benheiten- — Hört meine Geschichte.« Diese Einleitung war hinlänglich, jede Hofnung deö Kaysers zu ersticken.

Ernst

und in nch versunken saß er, als Camilla

in der Erzählung ihrer Geschichte fortfuhr.

— »Die

ersten

Jahre

meiner Kindheit,

schweben vor meinem Gedächtniß wie hie

undeutlichen

Bruchstücke

eines

Traumes,

und ich ivac schon alt genug die Kinder­ stube zu entbehren, als ich erst die Nebel,

die über meiner Wiege hingen, durchdrin­ gen konnte.

Kaum hatte man dje zarten

Glieder des vornehmen Säuglings in Spiz-

zen und Seide eingewickelt; als das Unge­ fähr mich von der entnervenden Sorgfalt

rettete,

mit der man mich unter meinem

väterlichen Dache schwach und unbehülstich

hätte.

gemacht

Ein

majestä tisch er

Forst,

unter dein Dach des Himmels, wurde mein Spielplatz; auf keinem Teppich, sondern auf

dem bethaueten Grase spielte ich,

und bei

der Annäherung der Nacht, schlich ich mich wo ich so glücklich

in das erste beste Zelt,

war Plaz zu finden.

Oer Himmel weiß,

wie dankbar ich ihm für die Güte und Weis­

denn dieser rau­

heit feiner Beschlüsse bin, hen Lebensart

verdanke

ich meine Leibes­

stärke, meine Gesundheit und vielleicht noch

manche

Eigenschaft,

fchäzbaren Beifall

welche

mir

den

un-

Eurer Majestät erwor­

ben hat.1 In einigen Provinzen Englands lebt ei« das stch von

Volk,

den übrigen Einwoh­

nern merklich unterscheidet.

dere

Dieses

beson­

Geschlecht besteht in rauhen Horden,

die nicht nur an bildung

einer besondern Gesichts­

und Farbe kennbak sind,

sondern

auch eine eigne Sprache haben, die nur von

jhren Mitgliedern allein verstanden wird. Oer Wildheit ihrer Dorsahren sind sie be­

ständig treu geblieben.

Nach bis jezt ist

man ungewiß in welchem Jahrhundert ihre

erste Niederlassung Statt fand; auch weiß

man nicht, wie ste, da sie nichts von der Schiffahrt verstehen, über das Meer auf unsere Insel gekommen stnd.

Man nennt

sie Zigeuner, und hält ste für Abkömmlinge der alten Egyptier.

Cie haben keinen be­

ständigen Wohnort, sondern wandern, wie die wilden Araber, truppweise von Watd Wald.

Oie Männer treiben das Hand­

werk der Kesselsticker, und die Weiber setzen die Leichtgläubigkeit der Dauern in Contri-

bution, indem ste stch eine Geschicklichkeit in der Zauberey und Wahrsagerkunst anuiaaßen.

Schlagen diese Erwerbsmittel fehl,

so legen ste sich auf das Stehlen, und der

3o

reichte Pachter verflucht die 2fnno[>iTung die­

ser lästigen Landstreicher.

Zu ihrem Unter­

halt brauchen sie indeß äusserst wenig, denn da ste abgesagte Feinde der Politur einer

gesitteten Lebensart sind, so können sie auch

den LuruS desselben sehr leicht entbehren. Daü reine klare Brunnen - Wasser ist ihr

Trank, und ihr genügsamer Appetit, nimmt mit dem Fleisch derjenigen Thiere vorlieb,

die ihre Nachbarn mit Abscheu

ansehen.

Ocü Nachts plündern sie die Schaafhvrden,

und öfters kehren sie beladen mit dem Aas des wachsamen Hundes, und dem Echaaf das er beschüzte, zurück. Oie Wohnungen dieser abgehärteten Hör«

den sind so elend als ihre Kost; in

der

freien Luft gebohrcn, wohnen sie unter dem

kargen Echirm eines wankenden Zeltes, des«

sen Wände von jedem Winde aufgeblasen,

oder von dem Gewicht des Schnees gcbo«

Öl

gen werden; und loben die : Vorzüge ihrer

tragbaren Wohnungen, indem sie im Dorbeiziehen üb--r die prächtigen Schlösser des Lords,

und die gemächlichen Hütten seiner

Unterthanen spotten. Don ihrer ersten Kind^ heit an, an Hunger, Durst und Strapazen

gewöhnt, bleiben sie immer geduldig, stark, behend und gesund;

sie marschiren ohne

müde zu werden, viele Tagereisen hinterein­

ander , klettern über die höchsten Mauern, springen über die breitesten Graben, und

stürzen sich in den reissendsten Strom. Knaben und Mädchen werden zusammen und

auf einerlei Weise erzogen, daher,üben auch

die Männer keine tyrannische Gewalt über die Weiber, die ihnen an körperlicher Stärke wenig nachstehen.

Hier freut sich die Liebe ihrer ursprüng­

lichen Freiheit.

Ohne Eheketten zu tragen,

und ohne dem strengen Urtheil der ongli-

42

schen Derenz unterworfen zu seyn.,

folgen

die Weiber der Stimme der Jiatur, wenn die Christin sich freier fühlt,

Bewohnerin eines Harems, Zigeunerin

in

gleichem

und

als die

so genießt die '

Verhältniß

niefjr

Freiheit als andere 2i?ciber der Christenheit. Unter diesem Kindheit,

Volke verlebte ich meine

und war schon in meinem neun­

ten 3ar>re als die See ne sich veränderte^ Dis

dahin betrachtete ich immer eine alte

als meine 32iutter,

Zigeunerin

die wegen

ihres Muths und ihrer Geschicklichkeit im

Stehlen und Wahrsagen

serer Horde

einem Korbe

genoß.

die Achtung un­

Auf ihrem Rücken in

befestigt,

um

durch

mein

Schreyen das Mitleid der Leute zu erregen, reiste ich

mit ihr durch

die benachbarten

Dörfer, und nie fehlte es uns an Almosen. Als ich alter wär, führte sie mich an einen

Fluß, der sich durch den Wald, schlangelt^

zog mich als, sprang mit mir in den Strom, und

lehrte mlä)

Ufer schivinmen.

ich es so neit,

bis

an das gegenseitige

Unter ihrer Leitung brachte

daß kein Kind von meinem

Atter mit ptcher Geschicklichkeit einen Hüh-

nerhof plüiderte und manche alte Jungfer trauerte üler den Verlust ihres Katers, den

ich wegzulrcken wußte, um bei unserm näch­

sten Gastmihl aufgetischt zu werden. Oft mochten wir Kinder eine Jagdp^rtie in dem Gehäge eines benachbarten Jun­ kers. lich.

Unstre Schnelligkeit

war

unbegreif­

Im kaufen ermüdeten wir die Kanin­

chen,

oder schlugen sie mit unsern Prügeln

todt.

Als ich einst von dieser Übung zu-

rückkam, sah ich eine Dame zu Pferde, die

mir der alten Zigeunerin in einem ernsthaf­

ten Gespräch begriffen war, in

einer prächtigen

Livree

ein Bedienter begleitete

sie.

Bei meiner Annäherung sagte die gute Alte Das Par. d. C. Zr Bd.

C

34

ju mit*

»Liebes Kind diese Dame ist ge­

kommen um dich abzuhohlen; lebe wohl,

wir werden uns schwerlich Wiedersehn! aber du wirst glücklicher mit ihr seyn; du wirst eine große Dame werden,

und uns bald

vergessen.«

>*9uin ries ich aus,

ich will dich nicht

verlassen; hier will ich bleiben, und keine Dame werden!«

e Sie küßte mich,

riß stch von mir los,

und lies so schnell als möglich,

nicht mehr sehen konnten.

bis wir sie

Ich war zu be­

stürzt um ihr folgen zu können, wie vcr» steinert stand ich da.

Der Bediente sezte

mich auf fein Pferd, und in einer halben

Stunde war der 2k-ald hinter uns.

Auf der Chaussee erwartete uns ein 2£>a* gen, die Dame verließ ihr Pserd und stieg

hinein, der Bediente sezte mich ihr zur (r eite

und befahl dem Kutscher nach j^aufe zu

35 fuhren.

Unser Stillschweigen wurde

durc- mein Schluchsen unterbrochen.

nur »Ach,

ich unaufhörlich.

meine DHuttcr,« seufzte

»Camilla, sagte die Dame, nachdem sie ihre Augen lange auf inich gerichtet hatte, »Camilla — dies ist dein eigentlicher Ttome —

tröste dich!

von nun an werde ich deine

Mutter seyn, da deine wahre Mutter schon

langst todt ist. Bald darauf erfuhr ich auch das Ge­

heimniß meiner Geburt.

2öilhelni Harford,

Mein Vater, Sir

eih reicher westindischer

Varonct hatte ihre Schwester geheirathet, und ich war das einzige Kind dieser Ehe. Mährend ihres

Aufenthalts

in

England

hatte mich die Zigeunerin, bei einem Besuch, den meine Eltern der Schwester mei­ ner Mutter,

auf

meiner jezigen Wohlthäterin,

ihrem Landsitz

abstatteten,

Nachdem jede Nachforschung C 2

geraubt.

wegen

mir

36

sehlgeschlagen

sie

mar, reisten

3*c

nach

moicti zurück, wo sie kinderlos starben. Nach einigen Stunden hielten wir vor meiner Tante.

dem Landsitz

Oie Pracht

und

der Dau desselben sprachen laut von

dem

Geschmack und

Besitzerin.

Sie

dem

bestimmte

Reichthum

für

mich

der ein

Zimmer neben dem ihrigen, und befahl den Domestiguen,

mich als ihre Nichte zu be^

trachten.

Fürchtet

nichts,

gnädigster

Herr,

für

meine nachherige Erziehung und die komrnenden Aussichten.

Ich war nicht in die

Hände einer gewöhnlichen Europäerin ge­ fallen.

Cornelia Northcote war keine all-

tägliche Frau;

sie war das ächte Gegen­

stück zu allen ihren Landsmänninnen.

Mein

Großvater starb gerade als Cornelia mün­ dig war, tern

ein

und hinterließ seinen drei Töch­

beträchtliches Vermögen.

Dies

37 lockte kiltürlicherweise viele Liebhaber herbei. Meine Mutter und

meine zweyte Tante

fanden bald f^r gute Partieen ;

aber Cor­

nelia, von einer ungemeinen Liebe zur Un* abhänctgkeit, und von einem ächten FreihcitSgest beseelt,

aus.

*>sl

schlug jedes Anerbieten

sie die älteste Tochter war, so

bekam sie den Familien-Sitz zu ihrem An­

theil, und in den reizenden Haynen dessel­

ben riif sie die Musen zu ihrem Beistand,

und wdmete sich jedem Zweig der Wissen­ schaftei.

Mit glücklichem Erfolg betrat sie

jeden Vsad der Gelehrsamkeit, und das Pu­

blikum bewunderte alles, was ihre frucht­

bare Fedor hervorbrachte.

Sie war nicht

weniger fähig eine ausgesuchte Gesellschaft

durch ihre Unterhaltung zu belehren, als

in den Zirkeln der großen Welt zu glänzen. Orr Zutritt zu ihrem Puztifch und zu ihrer

Bibliothek machte sowohl den Stutzer als

38 den Philosophen stolz; und

eine Menge

Bewunderer flatterten in ihrem Gefolge auf den öffentlichen Promenaden. Oec Gelehrte

bat sie um Erlaubniß ihr

sein

neuestes

Werk widmen zu dürfen; der Schauspieler

bat um ihre Verwendung zu seiner Benefiz; das Parlaments-Mitglied um ihren Rath

wegen irgend einer politischen Maaßregel,

und der Lord um ihre Hand, um mit ihn, einen Gallaball zu zieren. Don ihr erhielt ich

meine Erziehung,

und wo hätte ich wohl eine bessere Lehre­

rin finden können?

ren Schutz nahm,

Als fie mich unter ih­ lag ich noch in der ro

hen Unwissenheit der Statur.

Ich konnte

weder lesen noch schreiben, und war in aller

Geistesbildung hinter den Kindern von glei­ chen Jahren eben so weit zurück, als ich fie

an körperlicher übertraf.

Starke und

Behendigkeit

Eine Menge Wörter.aus der Zi-

Ö0

geurierfprnd)«

(Sprache Ausdauer

Vald

sogar

machten

unverständlich; siegte^ über

auch

doch

jede

meine.

Cornelia'S

Schwierigkeit»

sprach ich mit Reinheit und

besaß

hinlängliche Fertigkeit im lesen und schrei­ ben.

Ich bekarn allerlei Lehrmeister, und

kurzer Zeit verstand

ich

Latein,

und

konnte mich mit meiner Tante französisch

unterhalten, welches sie fast so gut sprach,

wie ihre Muttersprache.

Da sie die meisten

europäischen Länder besucht hatte, machte

sie sich ein Vergnügen daraus, den

mich mit

verschiedenen Sitten und Gebräuchen

des festen Landes bekannt zu machen. Den­

noch blieb die Geschichte mein Lieblingsstu­ dium, und die Mathematik behauptete den

zweyten Platz. Oie Winter brachte Cornelia in London zu; Ihr kennt die europäischen Dorurtheile;

Ein Weiberrock ist das Zeichen der Knecht-

4° jchaft,

und ich freute mich wie ein Gatec.

renfdave

ber feine Ketten zerbrochen

wenn ich ihn wegwerfen durfte.

hat,

Cornelia

ließ mich wie einen Knaben kleiden, und in

dieser Tracht begleitete richtshöfe.

ich sie in die Ge­

Eie machte mid> auf die Weih­

heu unsrer Gesetze aufmerksam,

und flößte

mir eine Vorliebe für die englische Verfas­ sung ein.

Cie besaß das beste Herz, gleich

voll von Menschenliebe und Patriotismus, und doch war ihre Eeele fest und unerschüt­

terlich.

»Alles sehen, fugte sie, ist das beste

Mittel nichts zu bewundern.« — Dies war ihr Grundsatz nach dem sie handelte.

Als

der Richter das Todesurtheil ausgesprochen hatte, mußte ich nicht allein den Verbrecher

hinrichten sehen, sondern wir besuchten nach­

her auch die Anatomie, wenn sein Körper

zergliedert wurde.

Eine gewöhnliche Mut­

ter in England wurde ihrer Tochter auf das

4r strengste befohlen haben, den Anblick eines nackende" Mannes zu scheuen; aber dachte anders.

sollte doS was

Cornelia

„Warum, sagte sie,

Geschöpf sich schämen zu sehen,

dec Schöpfer sich

nicht schämte zu

machen.^ Mit solcher Sorgfalt arbeitete sie an der Ausbildung meines Geistes;

um" die

Vervollkommnung meines Körpers war sie

nicht weniger besorgt.

Meine zigeunerische

Lebensart hatte mir eine Stärke und Be­ hendigkeit gegeben, die ich ohne diese nicht

würde erhalten

haben.

Oer Tanzmeister

wunderte sich über meine Behendigkeit, und

da

die Reitkunst eine LicblingSzerstreuung

meiner Tante war,

so begleitete ich sie im­

mer wenn sie auf die Parforce-Jagd ritt; keine Hecke, kein Graben konnte mich dann

aufhalten, gewöhnlich war ich die erste bei

den» Tod des Fuchses, und der Stolz der

42 Landjunker

wurde

nicht wenig gekrankt,

wenn es nach den Waidgesetzen einem Mäd­ chen zukam, den Fuchsschwanz im Triumph

za tragen. Bald nach meiner Ankunft in Ilorth»

rote - Park,

ging ich einst in deni Garten

spakieren, durch, welchen sich ein Fluß schlän­ gelte;

als ich über eine ländliche Brücke

ging, blieb meine Uhrkette an einem Haken hängen und die Uhr stet ins Wasser. Ohne

Bedenken zog ich mich aus, sprang in den Fluß, und bekam sie wieder.

Oie Glocke

läutete zur Mittagstafel, ich eilte in den

Speisesaal; meine Tante sah mein nasses Haar,

und war mit meiner Kühnheit sehr

unzufrieden; wie freute sie sich aber, als sie

erfuhr daß ich schwimmen konnte. Sie ver­

bot jedermann sich dem Flusse zu nahen,

und begleitete mich den folgenden Tag da­ hin, um Zeugin meiner Geschicklichkeit zu

43 seyn, die fit mich nie zu vernachlässigen bat.

Doch

mußte diese Übung in England ge­

heim gehalten werden, um kein Aufsehn zu

machen.

Damals war ich weit entfernt mir

einzubilden, daß das Schwimmen eineMode-

Zerstreuung am Hof Eurer kayserlichen 3Ka* jeftät wäre.

Oie Geschichte meiner Entdeckung wurde bald in der ganzen Provinz bekannt, und

mit taufcnderley abgeschmackten Vergröße­ rungen sprach man von der sonderbaren Er­ ziehung, die meine Tante willens wäre mir

zu geben.

Blos uni mich zu sehen,

ward

ihre Einsamkeit oder ausgesuchte Gesellschaft,

sehr oft von der langweiligen Iceugierde ih­ rer Nachbarn unterbrochen.

Man unter­

suchte mich wie ein unbekanntes Wunder­ thier.

aus

Jede Familie in dec Gegend, die

London Besuch

bekam,

brachte ihre

Gäste gewiß mit zu uns, um mich als das

44 merkwürdigste Erzeugniß des Landes an«

zugaffen. Obgleich viele Mütter ihre Töchter mit­ brachten, wo es mir also nicht an Gelegen­

heit fehlte Bekanntschaft mit meinen jungen Landsmänninnen zu machen, so fand ich doch wenig Vergnügen an ihrem Umgang,

und konnte unmöglich mit einer von ihnen Freundschaft schließen.

Aber, die Wahrheit

zu gestehen, auch sie zeigten kein großes Verlangen nach meiner näheren Bekannt­

schaft.

Ihre Unterhaltung war mir zu ab«

geschmückt, ihre Manieren zu unnatürlich,

und ich mußte ihnen ohne Zweifel eben so

unausstehlich Vorkommen.

Ich war nicht

in deni Modejournal belesen, kannte sogar die mehresten weiblichen Arbeiten nicht ein­

mal dem 97amen nach, konnte weder sticken noch stricken, weder nahen noch säumen. Denn —* warum sollte die vornehme Dame

4> ihre chjne Putzmacherin seyn? dec Cavalier

ist ja auch nicht fein eigener Schneider.

Beide Geschlechter brauchen nur so viel von dein Klttderwesen zu verstehen, um nicht von ih-en Handelsleuten betrogen zu wer­

den, und obgleich die wirthschastlichen An­ gelegenheiten in das Departement des Wei­

bes gehören, so kann sie doch den häusli­ chen Geschäften vorstehen und einen Küchen­ zettel schreiben, ohne mit eigner Hand ein

Tischtuch zu bügeln, oder einen Pudding zu

kochen.

Knechtische Beschäftigungen mästen

Händen

verrichtet werden.

Oie Geistesbildung sei

die Beschäftigung

von

unedlen

der Dame, eben so gut als des Herrn von

Stande. Da meine Unterhaltung diesen gezier­

ten Fräuleins wenig gefiel,

so

konnten

meine Spiele und Leibesübungen noch we­ niger ihren Beifall erhalten.

Wenn ich ih-

46

ncn unwissend in dec ersten schien, so Oies­ fen ste mich für roh und ungesittet in den

lezten, denn keine traute sich auf das Graü

zu treten, uni ihre Füße nicht naß zu ma­ chen, und hütete sich sehr zu laufen oder irgend eine andere heftige Bewegung zu

machen, um ihren Kleidern nicht zu schaden. Diele Mütter getrauten sich sogar nicht ihre Töchter allein mit mir zu lassen, damit sie nicht von der kleinen Wilden, wie sie mich

nannten, unmanierliche oder unsittliche Ge­

wohnheiten erlernten. bü ist gar kein Wunder,

diese Art, gegen

daß ich auf

solche Geschöpfe wenig

Neigung fühlte, und jede Annäherung ver­

mied.

Von den Männern faßte ich bald

eine bessere Dlieinung;

die Geistesbildung,

die körperlichen Vorzüge und Unabhängig­ keit derselben, waren eben so viele Empfeh­

lungen für mich.

Einst begleitete ich meine

47 Tante auf die Jagd, an welcher auch der

Ct’bn eines Edelmanns dessen Gut etwas entfernt lag, mi( Theil nahm.

Es war

schon spät als die Jagd vorüber war, und er konnte nicht hoffen noch bei Tage nach

Hause zu kommen, übrigens war auch kein

Mondschein und der Weg leicht zü verfeh­ len-

Cornelia

lud ihn

deshalb ein, zu

OTorthcote zu übernachten.

Dieser junge Mensch studirte auf der

Schule zu Eton, und erzählte mir mit vie­

len« Vergnügen seine jugendlichen Streiche. Er entwarf mir ein so vortreflicheü Gemälde

von dem Institut, der Freiheit, den Beschästiljungcn und Zerstreuungen der

dortigen

Jnnglinge, daß ich mit der DTatur zürnte,

daß ich kein Knabe geworden war, und mir kein größeres Glück denken konnte, als ein Etonenfec zu seyn.

Ich war mit diesen Gedanken so sehr

beschäftigt, daß ich günz tiefsinnig wurde.

Cornelia fragte nach der Ursache meiner

Schwermuth, und lächelte über den roman­ haften Wunsch; konnte aber keine Möglichkeit der Erfüllung sehen.

Endlich fiel mir

ein, daß ich in meiner männlichen Tracht, Zu welcher ich schon so oft meine Zuflucht genommen hatte, wohl für einen Knaben

gelten könnte.

Meine Tante zeigte mir

alle Schwierigkeiten dieses Plans, aber keine

Bedenklichkeit konnte mich davon abschrek-

ken. Sie willigte endlich ein, gab mir viele Maaßregeln für mein künftiges Betragen,

ich warf meinen Weiberrock weg, langte zu Eton an, und wurde unter den Schulern ausgenommen.

Mit Zuverficht wagte ich mich

unter

vierhundert junge Leute, und war überzeugt, daß selbst der Jüngling der mit mir auf

ber Jagd gewesen war, mich in meiner

neuen

4g neuen Aeldung nicht erkennen würde. Wie

glücklich fühle ich mich in meiner jetzigen

Lage?

Ach liebte zwar niemand auf dek

Wett, nie meine Tante; wie mehc Mutter,

ich

verehrte

sie

und hatte vor ihr wie

vor einun Freunde keine Geheimnisse.

Dem-

ohngeanret sehnt sich ein Kind doch immer zu andc n Kindern von gleichem Alter. Ich stand in meinem fünfzehnten Jahre und ge* nofi jezl ganz die Vorzüge meiner zigeune­ rischen ?ebenrart;

und

Muth

ich übertraf an Stärke

die glcichjahrigen

Jünglinge,

und wcr gewöhnlich der Anführer bei un­ sern Spielen.

Auch gewann mir der Fleiß

in meinen litterarischen Arbeiten,

den Bei­

fall der Lehrer und die Achtung der ganzen

Elaste.

Ein ganzes Jahr war schon verstrichen

daß ich auf der Akademie war, und mein Geschlecht war noch immer unentdeckt Dcs Par. d. L. Zr Bd.

O

ge-

so

blieben.

Monat Juny,

Es war im

Sonne brannte

die

mit ungemeiner Gewalt,

und die Hitze dieses Sommers war in un­

serm Klima ganz ohne Beispiel; ich schweifte

eben in den Feldern, die an unsere Schule gränzten, herum, und lagerte mich endlich ermüdet von der unausstehlichen Hitze an das Ufer der Themse.

Manche

meines zigeunerischen Lebens

Szenen

gingen

vor

meinem Gedächtniß vorüber, und der Strom

der vor mir hinrauschte machte in mir den Wunsch rege, mich hier wie zu Northrote zu baden.

Ich vergaß die Ermahnungen

meiner Tante; ich sah mich um, und da ich feinen Zeugen wahrzunehmen glaubte, zog

ich mich aus, und stürzte mich in den Fluß.

Doch ach! ich betrog mich.

Ein Schüler

saß hinter einem Weidenbusch und angelte; aufgebracht darüber,

daß ich das Wasser

beunruhigt hatte, trat er hervor und ent­

deckte mein Geschlecht.

5i

Mein Geheimniß war jezt in der Ge­ walt eines sehr egoistischen und ueraisnungd*

würdigen Menschen.

Seine riesenmäßige

Gestalt war eben so anwuthloS,

als sein

Geist ungebildet und sein Herz jeder groß­

müthigen Empfindung unfähig war.

Von

der Liebe kannte er nur den physischen Ge­ nuß, und seine thierischen Begierden hatten

ihn schon oft gereizt, den Mädchen der be­

nachbarten Stadt Vorschläge zu thun; da aber seine Häßlichkeit der Befriedigung sei­

ner Lüste immer im Wege stand, so wurde seine Selbstliebe beständig durch Abweisun­

gen gekränkt.

Um so erwünschter war ihm

jezt die Gelegenheit, wo, wie er glaubte, ein Mädchen sich ihm auf Gnade oder Un­

gnade ergeben müsse.

Er nahete sich mir,

beschämt und verwirrt stand ich da.

Ohne

Schonung machte er mich jezt zum Gegen­

stand seines plumpen Witzes, und seines D 2

pöbelhafte» Spaßes, und ohne weitere Um­ stände forderte er zum Lohn feines Still­ schweigens die Befriedigung feiner Begierde. Ich schlug fein Anerbieten init Verachtung

ab, und stieß ihn mit Abscheu zuruck; er gcrieth in Wuth und wollte seine Starke an mir üben, ich mußte also Gewalt mit

Gewalt vertreiben.

unerwarteten

Abgeschreckt durch den

kräftigen

Widerstand

eines

Mädchens änderte er fein Verfahren, und

bemächtigte stch,

da ich ganz nackend war,

meiner Kleider,

und wollte mich in dieser

Lage verlassen

Was sollte ich thun? Sollte

ich da bleiben, um mich dem fühlloscn Muth­

willen jedes Vorübergehenden auszusetren, und mir durch die Entdeckung meines Ge­

schlechts die Rückkehr nach der Schule un« möglich machen? Bei diesem Gedanken ver­ schwand mein Zorn, meine Thränen fingen

an zu fließen, und ich versuchte es, ihm

53 Mitleid, einzuflößen; doch alles vergebens,

er bestand auf feine Bedingungen; es blieb mir also keine Wahl übrig, als entweder mich seinen Umarmungen zu unterwerfen,

oder seiner höchsten Bosheit Trotz zu bie­

ten.

Frei von allen Vorurtheilen, hielt ich

zwar die Liebe für das angebohrne Recht jedes lebendigen Wesens, aber ich fühlte kein Verlangen die Liebe dieses Satyrs zu

befriedigen, dessen Ansehen mir schon Ekel

verursachte; ja hätte selbst ein Adonis mie meine Liebe in einem so gebieterischen Tone abgefordert, so würde ihn mein Stolz mit Spott zurückgewiesen haben.

Ich versuchte

es, mich mit Gewalt meiner Kleider zu be­

mächtigen, doch mit einer füllosen Ruhe ent­

fernte er sich damit. Vergebens rief ich ihm nach, um ihn zur Rückkehr zu bewegen.

Doch das Ungefähr

begünstigte mich; in dem nämlichen Au-

54 genblick kehrte ein Schüler von ganz ent, gegengesetztem

Karakter über

Feld nach der Schule zurück.

das

nächste

Was blieb

mir noch zu thun übrig? Er war allgemein

und nicht ohne Ursach beliebt, und

in der

Hofnung daß ein großmüthiger Jüngling das Zutrauen ein eit Mädchens, welches ihn um Schutz bittet, nicht mißbrauchen würde,

rief ich ihn zu Hülfe.

Bei der Stimme ei­

ner Hülstosen sprang

er über die Hecke;

mein Verfolger ließ meine Kleider fallen,

und ich warf geschwind mein Hemde über mich, uni meinem Erretter zu danken. Wie

groß war seine Verwunderung, kaum glaubte

er seinen Augen;

ich, sein Mitschüler: ich,

der am besten Ball spielte,

war ein Mäd­

chen !

Mein Befreier besaß zwar nicht die ko, lossalische Größe des andern; aber Stärke zeigte sich in jeder Sehne, in jeder Muskel;

fein Muth war bekannt, und fein Mangel

nn Größe wurde hinlänglich durch feine ZZehendigkeit ersezt.

Er schlug meinem ge­

täuschten Verfolger vor, ihn nach der Schule zu begleiten, und da dieser es nicht füglich abschlagen konnte, so nahm mein Erretter aus die höflichste Art Abschied von mir, und

entfernte stch mit dem andern, dem er, wie

id) nachher erfuhr, daü Versprechen abnö« lhigte, mein Geheimniß nicht zu verrathen. Oie Verwirrung in der ich die nächste

Ilacht zubrachte, und meine Verlegenheit als ich den folgenden £ag durch eine Reihe

Junglinge ging, um meinen Platz in dec Kirche einzunehmen, werde ich nie vergessen. Wenn jemand von Ungefähr seine Augen

auf mich richtete, so fürchtete ich schon ec

wisse mein Geheimniß, und lächelte jemand, so hielt ich mich für den Gegenstand seine-

2üitzeS; ich wußte nicht nach welcher Seite

ich meine Blicke wenden sollte. des Gottesdienstes

wie auf

den

blieben

Boden

Während

'meine Augen

geheftet,

und

die

Schaamröthe verließ nie mein Gesicht.

Nach einigen Togen, als ich fand daß

ich nicht verrathen war sondern mich blos

mit unnützer Furcht gepeinigt hatte, erhohlte

ich mich wieder, und mit meinem Vertrauen wuchs auch

meine Dankbarkeit gegen den

großmüthigen Jüngling, der mich gerettet

hatte. Doch etwas kränkte meine Eitelkeit sehr;

der,

dem ich so viel schuldig war, schien

niich

meiden, und id) konnte keine Gele­

genheit finden, ihm meine Dankbarkeit autk

zudlücken, 'oder um seine Freundschaft zu bitten.

Ich bemerkte Zwar oft daß seine

Augen auf niich gerichtet waren, begegne­

ten sie aber den meinigen, so waren wie

beide gleich verwirrt; ich wußte nicht ob ich

$7 dieses günstig für mich auslegen sollte; aber alles

vermehrte

meine Neigung

zu

ihm.

Seine anmuthige Gestalt, seine Geschicklrch-

keit in jeder Leibesübung, seine ausgezeich­ neten Talente, besonders aber seine Ver­

schwiegenheit wegen

des

lezten

Vorfalls,

sprachen alle laut zu seinem Besten.

In der That, gnädigster Kayser, (da ich hier in Malabar in diesem Punkt aufrich­

tig seyn darf) ich war schon längst vielen

Versuchungen auSgesezt. Stellet Euch meine Lage vor,

wie leicht war es in derselben

verführt zu werden. genug

war,

um

Ein Mäd'chen, die alt

aus

Euren

kayserlichen

Händen den grünen Gürtel zu empfangen, unter einer Menge Jünglinge,

von wel­

chen einige alle körperlichen Reize und alle GeistoSgaben besaßen, waren meine Freunde,

und diese Jünglinge

meine Cameraden;

ihr Alter war die Morgenröthe der Liebe,

56

die als eine verbotene Frucht alle ihre Ge­

danken beschäftigte, und die Würze aller

Unterhaltungen war.

ihrer

den

kaum

Unterschied

unsers

von dem ihrigen wußten, des Mädchen

Zierde;

ein

Da

mehrere

Geschlechts

so war ihnen je­

Gegenstand

der Jieu«

wenn eine Frau durch den Schul­

bezirk ging,

oder eine Magd Gras wusch,

oder eine Dame in ihren Wagen stieg, so

versammelten sich eine Menge Jünglinge,

in der Hofnung ein niedliches Dein zu se­ hen.

Bei ihren Gastmahlen ließ man bei

jedem Glase irgend eine Schöne leben, und jedes Lied war eine Lobrede auf ihre Voll­

kommenheiten. In Europa macht man ein Geheimniß

aus der einfachsten Sache von der Welt, und Ihr werdet Euch wohl schwerlich eine Vorstellung

machen

können,

von welcher

Art die Schönen sind, denen es zukommt

$9

unsern jungen Adel in die Geheimnisse der Liebe einzuweihen.

Verdienste, stnd

Schönheit, Talente und nicht das ausschließende

Elbtheil irgend einer Menschenklasse,

und

wenn stch in Malabar das niedrigste Weib durch eine

dieser Vollkommenheiten

auS-

zeichnet, so kann ein Prinz ohne Erröthen

sie der vornehmsten Dame zu seiner Gesell­ schaft vorziehen; und doch würde man den

Cavalier für verrückt halten, gen

solche Reize

und

der blind ge-

Vorzüge

wie

alle

Abende in Euerm mütterlichen Saal glän­ zen, die

Gesellschaft seines

lassen wollte,

umzugehen,

um

Gleichen ver­

mit einer Küchenmagd

oder in

die Dachstube einer

Straßen-I7ympfe hinauf zu schleichen.

Glaubt nicht, daß es meinen Landsleu­ ten so ganz an Geschmack fehlt.

ler liegt nicht an ihnen;

Oer Feh­

da sie aber an

keine Verbindung als die Ehe mit Oamep

Go von Stande denken dürfen, so müssen sie

bei denl Auswurf des weiblichen Geschlechts

die Freuden der Liebe suchen.

Leider ist die

Menge dieser sogenannten Freuden-Mäd­

chen gewöhnlich nur zu groß;

aber doch

hier und da, besonders wo die akademischen Gesetze scharf beobachtet werden, iss oft ihre

Anzahl so klein, daß man nicht einmal von ihnen körperliche Reize verlangt, sondern

ihr Geschlecht allein ist eine hinreichende Empfehlung.

Oie ckelhastesten

Geschöpfe

finden Liebhaber genug, und als ich zu Eton war, fehlte es sogar einer einäugigten

Duhlschwester nie an Anbetern. Denn meine Kameraden von diesen Ex­

kursionen zurückkamen, erzählten sie mir ihre Abenteuer, und eine jede dieser Ekjüh.

lungen erweckte in mir neue Bewegungen.

Ein junges Mädchen ergiebl sich das erste­ mal nicht sowohl aus Neigung, als aus

6i

Neugierde.

Ich wollte mit der Liebe be­

kannt werden;

denn wenn sie in den Ar­

men eineö gemeinen Weibes so anziehend

war,

wie bezaubernd mußte sie

alsdann

werden, wenn man an der Geliebten eine

gleichgefinnte Freundin, eine standesmäßige Gesellschafterin findet.

Amor

kann wohl

eine blinde Gottheit seyn, doch muß er zwi­

schen der Blüte der jugendlichen Gesundheit, und den geschminkten Wangen der Buhle«

rin unterscheiden können, und den Umgang eines wohlerzogenen Mädchens der Unwis­

senheit einer ungebildeten Bauerdirne vor­ ziehen.

Ich war schon entschlossen einem

niemer Freunde mein Geschlecht zu entdekken, und überlegte nur noch, welchem ich

als Liebhaber den Vorzug geben sollte, als mir der lezte Vorfall meinen Vertheidiger in einem so liebenswürdigen Lichte zeigte. Erst einige Wochen nachher bekam ich

62 eine Gelegenheit mit ihm allein zu sprechen.

Meine schlaflosen Nächte, den Vertust mei­ nes Appetits, die Vernachlässigung meiner

Studien und die gewöhnlichen Symptome der Liebe, will ich gar nicht erwähnen, um

die Geduld Eurer Majestät nicht zu sehr zu ermüden.

Ich fühlte wie andere Mäd­

chen in meiner seltenen Lage auch gefühlt hätten. Oer Lehrer unsrer Classe hatte den Ge­

brauch, uns jede Woche einen Gegenstand zu bestimmen, über welchen wir lateinische Gedichte machen müßten. Einst gab er uns als Gegenstand zu

einer

solchen Abhand­

lung, die Rechte und Fähigkeiten der Wei­

ber zu

untersuchen.

Sehr natürlich, daß

man den europäischen Vorurtheilen gemäß, nichts anders von uns erwartete,

als ei­

nige alltägliche Spottreden, und unbarm­

herzigen

Tadel

über diejenigen

Weiber,

63 welche, ihrer eignen Würde eingedenk,

die

Ketten der Gewohnheit zerbrochen, und ihre

natürlichen Rechte vertheidigt hatten, ohne

kalt und unparteiisch untersuchen zu dür­ fen, ob sie Recht oder Unrecht hatten.

Da diese Dorurtheile blos allein die Quelle meiner Leiden war, und ich allein durch sie verdammt war

die Schmerzen

nungölosen Liebe zu leiden,

verboten meine

einer hof-

weit

sie mir

Liebe zu bekennen;

(sonst

hatte ich vielleicht jede Schwierigkeit über­

wunden, und wäre in der Erfüllung meiner

Wünsche vollkommen glüeklich geworden) so entschloß ich mich gegen solche

Dorurtheile,

die ich so viel Ursach hatte zu verabscheuen,

die Blitze

des Parnasses zu

richten.

Um

mit mehr Ruhe arbeiten zu können,

ging

ich in ein benachbartes Wäldchen, und mu­

sterte in

meinen

Gedanken alle Beispiele

de* Männertyranney.

Gleichviel ob«es Au-

64 den, Heiden, Mahomelaner oder Christen waren,

betrachtete ich die Männer in je-

dem Welttheile als unsere Verfolger (denn damals träumte ich nicht einmal von dem

Zufluchtsort, den die großmüthigen Diairen den Weibern anbieten),

Dlieine poetische

Wuth hatte mich schon sehr weit geführt,

als plötzlich der Himmel sich trübte, der

Donner brüllte und ein heftiger Sturmwind sich erhob.

Ich war genöthigt meine Zu»

flucht in eine Scheuer zu nehmen. Kaum war ich darin, so näherte stch mir

mein geliebter Singleton, den das Unge­ witter auch hereingenöthigt hatte.

Meine

Verwirrung war unbeschreiblich, ich zitterte am ganzen Körper; als er mich sah, wollte er sich zurückziehen, ich hielt ihn aber bei

seinem Kleide fest.

Meine Stimme stockte

als ich mit ihm sprach, er schien auch, ver­ legen zu seyn, und dies gab mir Muth

fort-

65

fortzufahren.

Ich n>arf ihm

vor,

daß er

mir gar keine Gelegenheit gäbe ihm meine Dankbarkeit zu bezeigen.

»»Barry,

antwortete er (ich hatte den

Namen Barry zu Eton angenommen). Sie

müssen mein Betragen, das ich mehr aus

Delikatesse als aus Neigung beobachtet habe, eher billigen als tadeln.' Sie hätten mich

vielleicht Ihrer Freundschaft nicht unwürdig gefunden;

aber wohl bloße

würde mich

Freundschaft befriedigt haben? und da Ihr

Geheimniß in meiner Gewalt ist, so wäre jede Li^es - Erklärung von meiner Seite

mehr einer Drohung ähnlich. «

Diese

erhöhete

Entschuldigung

Meinung von seinem

Edelmuth,

chelte meine Hofnungen an;

meine

und fd
7

Oag das Mädchen, die in ZToth und Elend, um ihren Hunger zu stillen einen Liebhaber

üufiiiinint, für ehrlos erklärt wird, indeß

der Mann von Ehre kein Bedenken trägt, nach Geld zu heirathen, und sich auf diese

Art lebenslänglich zu verkaufen, und es bei einem Schwiegersohn die beste Empfehlung ist — reich zzz seyn.

Kann es wohl schänd­

licher seyn, sich oder seine Kinder zu vermiethen,

als sie lebenslänglich zu verkau­

fen? Nichts ist schändlich als was schäd­ lich ist.

Priscilla war noch

unverheirathet, sie

hätte zwar in ihrem fünf und vierzigsten

Jahre, eine Partie treffen können, ob sie

gleich nicht minder häßlich war als in ih­ rem fünfzehnten.

Ihr kleiner Brautschaz

hatte sich aber unter der Zeit durch Spar­

samkeit vermehrt, und reizte einen irrländischen

huf dritter ihr seine Hand anzubie-

88

ten. Glücklicher oder unglücklicherweise, wie man will, gab dieser Held einst ihrem Lieb-

lingS-Schooßhündchen einen Tritt mit dem muß immer ei­

Fuß (das menschliche Herz

nen Gegenstand seiner Neigung haben), er

bekam seinen Abschied,

und sie saßte den

Von

Entschluß nie zu heirathen.

nun an

theilte ste ihre Zeit zwischen dsc Pflege ihrer

Vögel, Katzen und Hunde,

und den Pflich

ten einer Religion, die auf das sonderbarste

mit vielem heidnischen Aberglauben vermischt war.

Sie schnitt sich,

zum Beispiel, nur

am Vollmond die Nägel ab,

und

sorgfältig die Abschnitte davon;

begrub

um keinen

Preis würde sie zuerst mit dem linken Fuß

aus den Haufe gegangen seyn, nem

Freitage

^inen

Brief

oder an ei­

aufgebrochen

haben.

Unsere Familie war eben bei dem Früh­

stück versammelt,

als Briefe von

der be-

«9

nachbartew Stadt ankamcn.

Mein Bräuti­

gam, sein Vater und die alte Jungfer wa­ ren alle drey nicht wenig überrascht,

als

man jedem einen Brief einhändigte, welche

alle

drey von Einer Handschrift zu

schienen,

Ein

seyn

die allen ganz unbekannt war.

anonymer Briefsteller unterrichtete sie

darin von meinem Aufenthalt zu Eton, und

meiner

Liebschaft

mit

Singleton.

Ohne

Zweifel hatte ich diesen Freundschaftsdienst

der Bosheit meines dortigen Verfolgers zu verdanken.« Das ist sehr wahrscheinlich,

sagte dec

Samorin; aber warum beschuldigt Ihr ihn gerade der Bosheit; mußte es Eurem Bräu­ tigam nicht sehr angenehm seyn, daß Ihr

auf dieser berühmten Akademie erzogen wä­ ret?

Waö mich betrifft, so konnte ich ein

unwifsendes Weib nie leiden; aber der Ge­ danke ein solches zu heirathen,

wäre mir

go unerträglich.

Dieser Mensch muß auch sehr

schreibselig seyn, da er sich wegen einer sol­

chen Kleinigkeit,

wie die Liebschaft eines

Schulmädchens ist,

so

viel Mühe geben

konnte. »Jeder lllair, antwortete Camilla, würde

derselben Meinung seyn, ich in Europa.

aufgeklärte

aber leider war

Kein OeSpot wünscht stch

Unterthanen,

eben so

wenig

wünscht ein Manin, daß seine Gattin mehr wisse,

als ihr Herr und Gebieter von ihr

verlangt.

Ob meine

Vortheilhaft nicht,

daran

für mich dachte

Erziehung

übrigens

gewesen war

niemand,

oder

jedermann

dachte nur an meinen Verlust.«

Welchen Verlust? fragte dec Samorin. »Meiner

sogenannten

Tugend.

Miß

Priscilla fing an über die Derderbniß der

neuen Zeit zu predigen.

Oer alte Knighe-

sey ging auf und ab und schien zwischen

9i

-er Ehre seiner Familie und seinem Einfluß im

Parlament zu wanken,

und Matilda

bestimmte, daß ich einen ganzen Monat bei

Haverschleim

aus meinem

Zimmer

einge-

schlossen bleiben sollte.«

Ich wünsche Euch Glück, sagte der Sa­ worin, denn ich habe irgendwo gelesen, daß in Europa

schwangere Weiber diese Diät

halten müssen.

"Ihr irrt Euch,

antwortete Camilla lä­

chelnd, so war es nicht gemeint.

Die gute

Dame empfahl mir ihren Haverschleim nicht

als Kraftsuppe, sondern als eine Strafe,

weil ich einen Liebhaber gehabt hätte, und

sie war so sehr daran gewöhnt mich als ein Kind zu behandeln, daß es mich nicht be­ fremdet hätte, wenn sie mich für dieses Ver­ brechen in die Trotzecke gestellt hätte.«

Was gäbe ich darum, sagte der Samo

rin, eine ähnliche Verbrecherin als Nichte umarmen zu können.

»Mein Bräutigam, fuhr Camilla fort, lachte aus vollem Halse, und brachte zu meiner Vertheidigung ein französisches Epi­

gram zum Vorschein:

Daß man einem ar­

men Mädchen einen solchen Verlust nicht so streng anrechnen sollte,

da eS äusserst

schwer seyn müßte, einen Schatz zu bewah­

ren, zu welchem jeder Mann einen Schlüs­

sel hat. Wie, rief Fräulein Priscilla, und Du wolltest die noch heirathen?

Warum denn nicht, antwortete er;

sollen denn

werden?

wie

meine Schulden sonst bezahlt

Da ich nun entweder in das Ge­

fängniß oder in di? Kirche gehen muß, so

ziehe ich die Kirche vor. Jezt erst machte ich die schöne Bemer­ kung, daß er blos unter der Bedingung, daß

sein Vater seine Schulden bezahlen sollte,

eingewilligt hatte,

mich zu heirathen.

Da

93 Miß Priscilla ihm versprach sie zu bezahlen, so entschloß er sich ledig zu bleiben, und

reiste den Morgen darauf nach Bath, wo

er mit der Frau eines auswärtigen Gesand­

ten eine Liebschaft unterhielt. Don nun an wurde die Familie einig, mich

dem ersten besten Freier zu geben. Ec möchte alt, häßlich und unangenehm, er möchte blind

oder lahm, und allen Übeln unterworfen seyn,

mit denen däS Laster und die Ausschweifun­ gen den Körper strafen möchte zweideutig,

können;

sein Ruf

sein Herz verkehrt, und

sein Kopf verächtlich seyn, wenn er nur ein

Cavatier und reich wäre,

so sollte er ange­

nommen werden; und einem solchen Inbegriff

von ekelhaften und niederträchtigen Eigen­ schaften, sollte ich Liebe, Achtung und Ge­ horsam versprechen?

Da an alle geladene Hochzeitgäste Ent­ schuldigungen geschickt waren,

so

wurden

wir eines Abends durch das Gerassel eines

Wagens sehr überrascht.

ten

wir

eine

Bald darauf hör­

Stinzme auf der Treppe.

»Fegt sie ins Wasser — kann Tage

leben« —

und

Männchen trat herein,

ein

noch drey

kleines

dickes

und war so ganz

athemloS, daß es die Komplimente der Ge­ sellschaft gar nicht beantworten konnte. war Sir Humfried Carfunket,

Es

das größte

Leckermaul in den drey Königreichen, der nach dem entferntesten Theil der Insel reisen

wollte, um einem Gastmahl mit beizuwoh­

nen.

»Hosse daß ich nicht zu spät komme,

sagte er, konnte nicht früher kommen; speiste gestern bei einem Bürgermeister, hörte von

der Hochzeit, war nicht eingeladen, wußte

aber daß ich willkommen wäre,

habe eine

Schildkröte mitgebracht.« Ich verließ das Zimmer, um der Familie

Gelegenheit zu geben, meine Geschichte nach

95 Belieben aufzuklären; als ich wieder zurück kam, sah er mich mit seinen Kalbsaugen

starr an.

Wahrend der Abendtafel war

seine Aufmerksamkeit zwischen mir und ei­

ner vortreslichen Taubenpastete getheilt, und

er äusserte seine Zufriedenheit mit beiden. Ich schrieb seine Aufmerksamkeit der Son­ derbarkeit meiner Lage zu, doch den andern Morgen erhielt ich eine bessere Aufklärung

darüber. »Camilla, sagte der alte Knightley zu

mir;

ich habe einen Ehemann für Dich

gefunden.

Ich

hoffe

daß

etwa einen ausgesucht hast.

Du

nicht

Jedes Übel

kommt von sich selbst. — Es ist Sir Hum-

fried.-< — Wie! ich soll Sir Humfried hei-

rathen? rief ich aus. — »Ja, und das so

bald als möglich, ehe der impertinente Brief­ steller unsere Entwürfe wieder verdirbt, und Deine Schande össenllich wird.

Oie Ehre

96 unsrer Familie fordert, daß Du heirathen

mußt.« — Aber einen Fremden? ich kenne ihn ja gar nicht! — »Desto besser z danke dem Himmel daß er von Deinen Streichen

noch nichts weiß, sonst würde er Dich nicht

nehmen.

Warum brauchst Du ihn zu ken­

nen, ich kenne ihn nun schon seit fünfzig

Jahren; wir waren Schulkameraden.« — Herrliche Empfehlung für den Ehemann ei­ nes stebenzehnjährigen Mädchens.

Sir Humfried, an Leib und Seele der Unangenehmste von allen Sterblichen, wurde

mir nun vorgestellt, um mir seine unterthä,

nigste Devotion zu bezeigen;

denn die Eu­

ropäerinnen üben nicht nur, so lange der

kurze Zeitraum des

Hofmachens

dauert,

eine Art von Despotismus aus, sondern

werden sogar bis zu Göttinnen erhoben.« Wie? rief der Samorin;

die Europäer

betrachten und behandeln euch Weiber wie Gesa-

97

Cs L-lat* innen, und doch lassen sie sich herab euch den Hof zu machen.

Unsere Weiber

sind frei, und doch würde sich jeder Diaiv einer solchen Handlung schämen.

War die­

ser Sir Humfried nicht ein Cavatier? war

er nicht Eures Gleichen?

In Staatesachen

demüthigen wir uns vor unsern Obern, in

der Liebe vor niemand.

Ihr Europäerin­

nen seid Tyranninnen nicht Srlavinnen.

»Ach nein, antwortete Camilla, wir sind

doch Srlavinnen, und nur während der Sa­ turnalien

des Hofmachens ist es

laubt unsere Herrn zu beleidigen,

uns er­ und die­

ser Mann, hatte ich ihn geheirathet, würde

mich gewiß noch übler als einen Sclaven behandelt haben. Das laute Gelachter, wel­ ches seinen dicken Wanst bei jeder Gelegen­

heit schüttelte, sezte ihn in den Ruf des

Wohlwollens; aber nach dem Tode seiner ersten Frau wurden dem Publikum die Au«

iDnfl Par. d. L. 3t Bd.

T

98 gen geöfnet, da ihre Kammerfrau überall

die Umstände ihres Märtyrerthums bekannt

nrachte. die

Er, der luftige Spaßmacher, der

Seele jedes

Trinkgelages,

und im­

mer mit so vielen komischen Einfällen ver­ sehen war,

um eine ganze Tischgesellschaft

zu belustigen, war zu Hause ein mürrischer

Tyrann.

Einmal als er allein mit seiner

Frau speiste, stieß sie feine Leibsaure um; in der Hitze schlug er sie, sie war schwanger,

brachte ein todtes Kind zur Welt und starb. Seit der Zeit hatte er verschiedenen Fräu­

lein den Hof gemacht (wenn Eure Maje­ stät den Ausdruck will pastiren lassen), da aber die Ehre ihrer Familie weniger auf

dem Spiel war, so wurde es ihnen erlaubt,

ihn

abzuweisen.

Mein

hartes Schicksal,

nachdem es mich von einem Selbstmord mit

Knightley gerettet hatte (denn waö ist eine

freiwilligre Ehe von Seiten des Weibes an*

99 ein Selbstmord),

drohete mir,

mich jezt diesem Ungeheuer,

dieser Gestalt

i'erd,

als

des Polichinels mit einem Dlaubarts-Ge-.

müth, aufzuopfern.

Diese schwere,

unbehülstiche Maschine

kam nun in das Zimmer marschirt, stet mit Gravität vor mir auf das Knie,

und fing

eine Lobrede auf meine Schönheit an,

als

ob die Schönheit die wesentlichste Eigen­ schaft an einer lebenslänglichen Gesellschaf­

terin wäre; und erklärte,

daß sein Leben

nur von meinem Besitz abhinge, ob er mich gleich

den Abend vorher das erstemal ge­

sehen hatte, kurz seine Erklärung war ein Gewebe der gewöhnlichen Abgeschmackthei­

ten. Ich wies ihn auf die höstichste Art ab.

Ich weiß, sagte er, daß sogar die Eti­ quette der Liebe verlangt,

daß Sie ihren

gehorsamen Diener peinigen,

und anfäng­

lich seinen Antrag ausschlagen müssen, G 2

ob

Sie gleich gesinnt sind, ihn nachher- anzu­ Darf ich aber wohl hoffen, daß

nehmen.

ein gewisser Umstand sie bewegen wird mein Fegefeuer zu verkürzen?

Ich antwortete ihm: daß kein Fräulein,

wenn ste auch gleich für ihn keine Neigung fühlte,

so undankbar seyn würde, mit dem

Glück desjenigen

Mannes ihr Spiel zu

treiben, der so gut gegen ste gesinnt wäre.

Es würde grausam seyn, ihm mit falschen Hofnungen zu schmeicheln, und höchst un­

klug und vermessen, ihn in einer unruhigen

Ungewißheit seines Schicksals zu lassen, in, dem es dem Eheherrn nie an Gelegenheit

fehlen würde, die Leiden des Liebhabers zu

rächen.

Aber gesezt, daß ich so muthwillig

wäre, welcher besondere Umstand sollte mich

wohl zur Umänderung meines Betragens bewegen? Theuerstes Fräulein, sagte er, man kann

die Schilckröte nur noch eine Z3od)e halten. Ich bradte sie hicher, um bei der Hochzeit

Knightleys eine Rolle zu spielen; sie würde

aber auch bei der unfrigen nicht unwillkom­

men seyn Seine hochtrabenden Komplimente fin­

gen nun vieder von neuem an.

Mein Ge­

sicht hattk die 3?ifcnc der Venus, in mei­

nem Anstrnd herrschte die Würde der Juno, in meiner Unterhaltung war der bezaubernde

Witz der 9Iunerua.

Alle Heldinnen

und

Halbgötti^nen waren übrigens nicht werth

meine Schleppe zu tragen. Oie Geduld ver­ ließ mich, ich führte ihn vor den Spiegel,

und bat ihn das Schicksal

des VulcanS

nicht zu vergessen, der die Venus zur Gat­

tin hatte. Jezt war nun die Rede von seinen Gü-

fcrn, und welcher Verbesserungen sie fähig wären, von seinem Hause zu London, das

ich ganz nach meinem Geschmack nicublircn durfte,

von seinen Equipagen und andern

Artikeln, die in einem Ehe-Contrakt viel Platz einnehmen.

Ich

antwortete,

Verbindung

daß wenn

von

einer

zwischen Irorthrote-Park und

Carfunkel Hall die Nede wäre, so wäre die

Beschreibung seiner Güter am rechten Platz.

Aber ehe eine Heirath den Nitter Earfunkel und das Fräulein Harford vereinigen sollte, so rieche' ich ihm mehr aus die Ver­

besserung seines Herzens, seines Verstandes und sei es Nuss zu denken,

und um mich

bewegen sein HauS zu beziehen, hätte eS weniger einer neuen Meublirung als eines neuen Herrn nöthig! — Leider aber fand

ich,

daß der nämliche Mann,

der feiner

Gattin sonst kaum erlaubte, ihm ins Gesicht zu sehen, jezt jede absichtliche Beleidigung von seiner Angebeteten ruhig erduldete.

io3

Ec fiel wieder auf das flnie. ^Die Liebe,

fni)tc ec, wahrscheinlich aud irgend einem Luststnel, heischt mich zu ihren Füßen knieen,

und nur die Hosnung allein soll mich aus­ stehen heißen « In dein Augenblick läutete

man zur Tafel, geschwind stand ec auf, und führte mich in den Cjieisesaal. Die Familie blieb meiner Veigerung un­

geachtet fest auf ihrem Entschluß, daß ich ihn beirathen sollte.

Mein Urtheil sollte

den dritten Tag vollzogen werden.

Man

schlug dorn Bräutigam eine stille Hochzeit

vor;

aber dieser hielt so viel auf einen

(Schildkröten - Echmaus, daß er, glaube ich, lieber auf die Braut als auf das Gastmahl

Verzicht gethan hatte.

Meine Tante Matilda versuchte cd mich zn trösten, indeni fie mir mehrere Fraulein

uud dec Ilachbarschaft nannte, die alle roi* der ihre Einwilligung hatten heicathen must

io4 fen;

denn wer sollte auch solche junge Ge­

schöpfe ,

in Sachen von solcher Wichtigkeit

uni ihre Einwilligung fragen. Fräulein Priscilla erklärte, daß eine solche 9Jics5C eher einen Türken als einen (Christen

^tiiii DNiuni verdiene,

kein Bedenken,

und doch trugen sie

mit einer solchen 32(c6c ei­

nen Mit - (5hristen zu betrügen.

Kein ehrli'

cher Pferdehändler würde den Fehler eines blinden oder keuchichten Pferdes verborgen

halten. Ein anderes Mädchen in

meiner Lage

hatte den ersten Tag in Thränen zugebracht,

den zweyten ihr Hochzeitskleid bestellt, und den dritten sich in ihr widriges, unnatürli­

ches Schicksal gefügt; ich handelte aber wie

eine Zigeunerin und ein Etonenser, und bin nun eine Mutter geworden (Eamilla drückte bei

diesen Worten die kleine Marina

ihre Brust).

an

io5 An dem zweyten Abend zerstreute ich ei­

nige Kleidungsstücke am Ufer des Flusses, um die Familie in den Wahn zu fetzen, daß ich mich ersauft halte; packte aber indessen einige Kleinigkeiten zusammen, und ging zu Fuße bis zur nächsten Landstraße.

Dort

begegnete ich einer Postkutsche, ich stieg hin­

ein, und ehe es noch Tag war, kam ich glück­ lich in London an.

Ich fuhr nach der Wohnung einer alten

Haushälterin, die von einer Leibrente, die sie

von meiner Tante Cornelia erhalten

hatte, lebte.

Ich entschloß mich, so lange

bei ihr zu bleiben, bis ich eine feste Ent­

schließung wegen meines künftigen Schick­ sals gefaßt hätte.

Denselben Abend noch

bekam sie einen Besuch von einer jungen Frau, welche schwanger war. »Tante, sagte diese, die Stunde meiner 9ciederkunfe rückt

heran, hast du noch keine gefunden, die an meiner Stelle dienen will?«

io6 Don der Alten erfuhr ich nun, daß ihre

Durfte in Diensten der Dh'istng Mvntgomery

war.

^d) werde cd nicht unterneh­

men eine Lobrede auf diese vvrtrestiche Frau zu halten, die Ihr schon aus der Beschrei­

bung deö Kronprinzen genug kennt.

andern guten

Unser

Eigenschaften war sie auch

die gütigste Herrschaft. Eie war der Abgott ihrer Bedienten, und war irgend eine Ekelle

in ihrem Hause leer, so war die Zahl der Nnlwerber unglaublich.

Eie jagte nie das

arme Mädchen von stch, die der Stimme der Diafur gefolgt hatte; wenn sich das Ge-

stüster der Liebe ungestört in den Eälen und Gallerien wurden

ließ, so

ihrer Wohnung hören

die Keller und Gewölbe derselben

doch nie von Kindermord entehrt.

Weit

entfernt eine Schwangere als eine Derb recherin zu

betrachten, die nmn

ausstoßen

müsse, erlaubte sie ihr vielmehr, wenn irgend

io?

filier ihrer Weiber in die Lage kam, sich auf einen DHpnnt zu entfernen,

und eine An­

dere zu stellen, um wahrend ihrer Abwesen­

heit ihren Dienst zu verrichten. — Ich furchtete,

daß die Knighlley'S mich überall auf­

suchen möchten,

und brannte vor Begierde

mit Mislriß 3Iion(jomcrp bekannt zu wer­ den.

Ich

entschloß

mich

deshalb

in die

leere Stelle zu treten, zog die Kleidung ei­ nes Dienstmädchens an, und wurde meinen

Dienstgenossen vorgestellt. Oie ersten vierzehn Tage waren verstri­ chen, Küche.

und ich blieb noch unbemerkt in der

Ich sing schon an zu fürchten, daß

meine Dienstzeit vorbeigehen möchte,

ohne

daß ich Gelegenheit fände die Aufmerksam­ keit meiner Herrschaft auf mich zu ziehen; poch

ein

glückliches Ungefähr

begünstigte

meine Wünsche. Ihre Kinder bekamen die Blattern; um

io8

frische ßnft zu genießen wurden sie in ein Gartenhaus der Dorstadt gebracht, und ich

war unter den Weibern die sie begleiteten. Eine 9"racht wurden wir durch ein Feuergeschrci erweckt. Oie Hälfte des Hauses stand

schon in Flammen; Kinder und Kinderwäctcrinnen retteten sich in den Garten, als ei
Oenk nicht, sagte ste, daß Dankbarkeit der einzige Bewegungögrund dieses Vorschlags

ist; mein eigenes Interesse hat sehr vielen

Antheil daran, denn wie glücklich wird stch

meine älteste Tochter Jeannette in dem Desttz einer solchen Freundin fü len,

und welcher

Vortheil für meine jungem Minder, ein sol­

ches JUuster Vüv den Augen zu huben.«

Ich nahm ihr Anerbieten an, und seit

der Zeit hat man mich für ihre Tochter ge­

halten ; nur wenige vertraute Freunde wuß­ ten das Gegentheil.

Unter ihrem Dache

hörte ich zuerst von Eurem Mutterlande reden.

Anfänglich hielt ich es für eine Art

Utopien, das feine Existenz blos der Phan-

taste eines Dichters zu verdanken habe, so­ bald ich aber von der JZirklichkeit überführt

war, vereinigte ich oft meine Litten mit den ihrer Kinder um JUargarethen zu be­

wegen ,

uns etwas von Eurer erhabenen

Schwester und von den Gebräuchen dieses

Deichs zu erzählen. — Urtheilet nun wie untröstlich ste war, als sie von Dem Vertust

Agalva's hörte, und wie sie sich bestrebte.

ihre Schuld gegen die Mutter an den Sohn

Ich war für alles aus Mala­

abzutragen.

bar so eingenommen, daß ich wahrscheinlich auch daS nämliche für den Prinzen empfun­ den hätte, wenn er auch weniger liebens­

würdig gewesen wäre.

Meine Anhänglich­

keit und Du'ugicrfre waren bis auf den Höch,

(len Grad

gestiegen.

Der Prinz bot mir

einen Zufluchtsort in feinem Mutterlande an, und mit Vergnügen entschloß ich mich,

die übrigen Jahre meiner Minderjährigkeit hier zuzubringen.

Mit nassen Augen schied

itfy von meiner edlen Beschützerin, um hier einen Schutz zu suchen, den Eure Majestät

wir nicht versagen wird.-Oer Samorin dankte ihr für die Mit­ theilung ihrer Geschichte.

daß

er

feine

Es schmerzte ihn,

Hofnungen

ganz

aufgeben

mußte, in einem Weibe von solchen Ver­

diensten

feine

Mchte zu

finden,

die fein Ge-

Geschlecht bis auf die

späteste

würde fortgepstanzt haben.

Nachwelt

Die Rückerin­

nerung an Agalva's Verlust stürzte ihn in die tiefste Traurigkeit zurück.

-Das pur. ♦. l'. Zr Ld.

Achtes

Buch.

Indessen hatten der Erbprinz und die Toch, ter Anora's ihre Dxeife fortgesezt.

9u(f)td

gleicht der Ungeduld der betrübten Mutter,

denn obschon vier der flüchtigern Pferde mit einem leichten Wagen davon zu fliegen

schienen, so eilten sie ihr doch noch nicht genng; sie sparte weder Birten noch Ver­

sprechungen, um die Führer zu noch größe­

rer Eile auszumuntern.

Umsonst bemüht sich

FirnoS sie zu trösten; ihr mütterlicher Kum­

mer weckt alle die (sorgen des Sohnes bei ihm auf, und er erinnert sich seiner eignen

unglücklichen

Mutter.

Kaum

dringt ein

i (5 Strahl des Vergnügens, bei Dem Gedanken seine geliebte Mitila wieder zu sehen, durch den tiefen Nebel, welcher auf seinem Geist

ruhet.

Endlich kamen ste in Calicut an.

Firnos stieg vor dem Stadtthor aus dem Vagen, um die Wohnung der Schönen zu suchen.

Hoch klopfte sein Herz als er die

Thürschwelle berührte; die Thür war offen, kein Bedienter im Saal, auf den Flügeln

der Liebe steigt ec die Treppe hinauf. Nach

einer so

langen Abwesenheit drückt er ste,

in Gedanken, schon fest in seine Arme, ihre

Küsse brennen auf seinen Lippen; aber seine Einbildungskraft

betrog ihn, denn als er

stch ihrem Zimmer nahete, fand er, daß ste

schon Gesellschaft hatte. In älteren Zeiten pstegten ihre kriege­

rischen Vorfahren, wenn ste ihre Geliebten besuchten, ihr Schild in dem Vorhof ihrer Wohnung zu lasten,

damit die Nebenbuh-

H 2

iiG

(er, wenn sie es sähen >

ihren Besuch nuf

eine andere Zeit verspürten;

seitdem aber

die Bewafnung ausser Gebrauch gekommen

war, hatten die begünstigten Liebhaber die Gewohnheit eingeführt,

den Hut über die

Thür des Zimmers der Geliebten zu hün gen; die Sandalen eines Kapuziners Fonn;

ten nicht mehr von einem katholischen Ehe­

mann in Italien oder Portugal geehrt wer­

den.

Oer Prinz

sah einen Hut über Miti-

ia's Thür hängen, und kehrte voll Gehor­

sam gegen dies Zeichen zurück. Er stieg die Treppen vielleicht weniger

geschwind herunter als gen war;

er ste hinaufgestie­

getäuscht doch ohne Groll, denn

wie würde ein DTcrir es stch nur

einfallen

lassen,

die Handlungen seiner Geliebten zu

tadeln,

oder Selbstsucht genug haben, um

während seiner Abwesenheit eine gänzliche

Enthaltsamkeit von ihr zu fordern.

End-

117

tich fand er einen Bedienten, den er sehr

höflich nach ihrer Gesundheit fragte, und verließ alsdann das Haus. 92iit dem Vorsatz bei seiner Reisegefähr­ tin zu wohnen, ging er bei dem Schauspiel­

haus vorüber, und obgleich noch manche Stunde verstreichen mußte, ehe das Stück

anging, so fand er doch alle Zugänge schon

mit Menschen ungefüllt. jeher

Valdor, der von

großen Geschmack für das Drama

zeigte, hatte stch während feiper legten Reise den Zeitvertreib gemacht, ein Stück zu schrei­ ben,

worin er die Sitten und Gebräuche

Europas schilderte.

Bei seiner Ankunft in

Ealicut schickte er eü sogleich dem Oirekteur des Theaters zu, und die ganze Truppe

hatte Tag und Nacht gearbeitet, um des Publikums Neugierde mit einer frühen Vor­

stellung zu befriedigen.

Def Prinz war erstaunt, als er Farna,

118 fric er vorher in Thränen verlassen hatte,

jezt bei ihrer Toilette wiederfand, wo sie sich anschickte einen T)rt des allgemeinen Ver­

gnügens zu

besuchen.

Fama

hatte

ihre

Thränen getrocknet, und that alles mögliche ihren Jiummer zu lindern.

nicht mehr,

Ihr Cohn war

und ihr Schmerz konnte

ihn

nicht aus dem Grabe zurückrufen; wäre sie eine leichtgläubige Papistin oder Ncahome-

tanerin gewesen, so würde die beste blutter

vielleicht eine Pilgerfahrt nach Loretto oder JHerco unternommen haben.

Barfuß wäre

sie nach beiden gewandert, hatte sie nur da­ durch den mindesten Schimmer von Hof-

nung erhalten.

Sie würde zu Nosenkran-

zen und AmuletS ihre Zuflucht genommen,

mehr als ein Muselmann gefastet, und mehr

Ave Maria'S

und

Paternosters

als

ein

Karmeliter hcrgeplappert haben; ihr ganzes Vermögen würde sie an faule Dcroische und

"S ^rarrziskanec verschwendet haben; -och ihr

Sohn war nicht mehr, ging

und alle Hofnung

Grabe.

mit ihm zu

Sie

war eine

Otdirin, und folglich zu klug um nur einen Augenblick in unnützem Kummer zu verle­

ben ; ihr Gewissen klagte sie keiner Vernach­ lässigung gegen ihn, so lange er lebte, an,

er war todt und sie eilte an den Putzrisch. Gleich einem Apriltage stand eine Thräne

in ihrem Auge,

wahrend ste ihre Sippen

zum Lächeln zwang, ein tief gehöhlter Seuf­ zer endete in eine lebhafte Arie, und wenn das

Bild ihres Sohnes ihr vor das Ge­

dächtniß trat, flog sie in die Arme -es Prin­

zen,

um

ihm

bald

einen Nachfolger zu

verschaffen.

Oie Zeit um in -aS Theater zu gehen kam herbei, und als der Prinz, welcher die

Baronesse dahin begleiten wollte,

in den Wagen stieg,

mit ihr

erhielt er ein Billet

von Mitila. »Oie Tochter Lora's kann den

»Sohn Agalva's nicht mehr als Liebhaber »empfangen, bittet aber um die Fortdauer

»seiner Freundschaft.

Ihre Unbeständigkeit

»entsprang aus zu großer Liebe

für ihn.

»OieS mag freilich als ein seltsamer para»dorer Satz erscheinen;

morgen wird

sie

»ihm aber einen Besuch abstatten, und das

»Räthsel lösen.

Seine Hoheit wird wahr-

»scheinlich nicht ermangeln diesen Abend das »Theater zu besuchen, wo Mitila sehr er»freut seyn wird ihren Freund zu treffen." Firnoü sah sie in einer entgegengesezten Loge, aber das Gedränge ivar zu groß, als daß es ihm möglich gewesen wäre zu ihr

zu kommen.

Memals war das Haus mit

so viel Menschen an gefüllt; mehrere 213 ei­ gen waren auf dem Weg dahin zerbrochen

worden.

Endlich ging der Vorhang auf.

Das Drama hatte den Titel: der euro-

Maische Vater.

Nachdem der Prolog einige

Erklärung des Titels gegeben hatte, bat er

auch um Nachsicht des Publikums für das Stück selbst,

worin alle Einheiten verlezt

waren, und dessen einziges Verdienst darin bestände,

daß cd ein treues Gemälde der

Sitten der Ehristenheit sei.

Ein Vater, eine

Mutter und sechs Kinder waren die Haupt-

Eharaktere, und einen jeden von ihnen er­ wartete ein trauriges Schicksal. Oie älteste

Tochter

verliebt

stch

ohne ihres Vaters

Einwilligung, er zwingt sie in das Kloster

zu gehen, wo sie das Kind, welches sie zur

Melt bringt, mordet, und alsdann, weil sie

das Gelübde der Keuschheit gebrochen, le­ bendig begraben wird.

Oer älteste Sohn

wird in einem Zweikampf mit ihrem Lieb­ haber erstochen; der Vater enterbt hierauf

seinen zweyten Sohn, weil er eine Frau

ohne Vermögen hcirathet; er wird wegen

ihrer Schulden inö Gefängniß gesteckt, und von seiner heuchlerischen Frau verlassen, um

im Gefängniß zu vermodern. er bricht den

Hals indem er seine Freiheit durch das gen* ster suchet.

Oer dritte Sohn heirathet sei­

nem Darer zu gefallen eine reiche Erbin,

und wird von ihr vergiftet. Don den zwey noch übrigen Töchtern zwingt der Vater die

Eine einem alten Nlann ihre Hand zu ge­ ben, der ihr, wie Blaubart, in einem Anfall von Eifersucht die Kehle abschneidet,

und

die jüngere wird durch ihren eigenen Vater ermordet, um sie vor den Nachstellungen des regierenden Fürsten zu sichern.

Oer

Vater wird wegen dieses Mordes auf dem

Schaffot hingerichtet, und die Murrer, die

das ganze Stück hindurch das Unglück ihrer Kinder vorausgesehen, und es zu verhindern

gesucht hat, stirbt in dem Tollhause, und bekennt während ihres Wahnsinns, daß ihr

Mann, der alle ihr Unglück verursacht hatte, nicht Vater zu den Kindern gewesen sei, son­

dern eben so gut wie viele andere in Eu­ ropa unter die große Gesellschaft der Hör-

ncrträger gehöre. Um der Gallerie das Clück auch intcrcs-

sank zu

machen, wurde ein Bedienter we­

gen Hurercy in den (sttxf gelegt, und seine

Liebschaft,

das

Kammermädchen,

in

eine

Pferdeschwemme getaucht. Firnos ging hinunter uni nach dem T"ngen der Baronin zu sehen, und fand einen Haufen Volks vor dem Echauspiclhause ver­

sammelt,.die unaufhörlich schrieen. — »»Fort

mit ihm, in die Pferdeschwemme! — taucht ihn unter! — taucht ihn unter! «

dahin,

und sand eine Anzahl Obstweiber,

die einen armen Teufel,

einen

Er eilte

Deutelschneider,

schwemme schleppten.

wie er glaubte,

nach

der

Pferde­

Als sie bei einer La-

r-4

tcrne vorüber gingen Europäer war,

sahe er,

daß ee ein

er hielt sie nun auf, und

fragte nach der Ursache seines Verbrechens. antworteten sie,

»Verbrechen?

er ijt

Christ, und fried ist Verbrechen genug !

ein er

ist einer der Tyrannen, die und lebendig be­

graben , unsere Liebhaber umbringen, und und die Liebe verbieten würden. Mit einem

Wort,

er

ist ein Christ. — Zur Pferd er

schwemme mit ihm — fort mit ihm!«» Firnod ließ sich mit ihnen

in ein Ge­

spräch ein, und stellte ihnen vor, fraß wenn

er auch in Europa gebohren, er doch viel­ leicht mehr ein

Gegenstand

des Mitleids

ald fred Abscheues seyn könnte, und obgleich ein Christ, so könnte er doch auch großmü­

thig seyn, und seine Liebe zur Gerechtigkeit für die Rechte der Weiber könnte ihn ver­ leitet haben,

die Gesellschaft der Srlavin

nen und ihrer Unterdrücker zu verlassen, um

die Liebe mit aller Freiheit in Calicut zu genießen. Oer Fremde versicherte ihnen, daß er ein

vollkommener Anhänger

ludre,

ihrer

Grundsätze

er wiederhohlte zu dem Beweis ei­

nige Strophen aus einem National-Liede,

das sie in ihren Kriegen gegen die Nlahometancr zu singen pflegten, und plötzlich

legte sich der Cturm, und man erhob ihn bis in die ^Zolken; er hätte nun die Schönste unter ihnen wählen können, aber er hatte bereits

schon

andere

Verbindungen.

Er

wünschte zurück zu kehren,

und ste woll­

ten ihn nach Hause tragen.

Endlich über­

redete

ste

FirnoS

sich

zurück zu ziehen,

welches ste auch thaten, indem ste ihr Lieb­ lingslied, das die Nechte ihres Geschlechts

erhob, anstimmten.

Nach einigen Komplimenten von beiden

Seiten sagte der Fremde zum Prinzen, daß

I -’fj

er eben nach den Bedienten eines Frauenzimmerü von Erande, welches er in das

Theater begleitet, hätte sehen wollen, als

die Veiber, durch das Drama gegen jeden

Europäer in Wuth gebracht, ihn tcn, und Willens waren,

an ihni,

Vorrede, Gerechtigkeit

lange

ergriff ohne

auszuüben.

iSirnoö kehrte mit ihm in die Loge zurück, wo die Dame auf seine Zurückkunft war­

tete.

FirnoS stuzte und lächelte, denn es

war DHitHa selbst, die er fand.

»Diuin lie­

ber FirnoS, sagte sie, ich glaube das Näth-

sel bedarf nun keiner weitern Erläuterung. Als ich hörte daß ein Engländer gekommen war,

hier an­

eilte ich zu ihm, in der

Hofnung einigt? Nachrichten von Euch zu

hören.

hei rath en. Ich wurde sogleich von einer deutschen

Universität, wo ich mich befand, zurück ge­ rufen.

Atü ich aber dem Fraulein vorge-

stellt wurde,

hatte ich alle Mühe meinen

Abscheu zu verbergen,

heraus,

und erklärte gerade

daß ich sle nicht heirathen würde;

der Junker bestand darauf, meine Mutter

i56 ivutftc mir beifteben.

r.'^vhl Euch der Sein

fef nut Deinem Gewäsch, sagte er, ich dachte

Du schwiegest gaii$ still,

wohl nm

besten,

wer

Spiel gebubt ßat ;

denn Du tveißt mit im

die Hand

aber da id) einmal ge­

ihm vermögen $u geben,

nöthigt bin

sv

stehe ich Dir dafür, ich will ihm auch eine Frau geben.« Diese Anzüglichkeit auf meine Geburt,

blutter thränen

machte den Borsiellungen meiner

Ende;

ein für

wich

sie

kannte

jezt

nur

vergießen ,

ich

be­

stand aber schlechterdings hus meiner 2lZei-

gernng. Die ganze Beiraths - Geschichte wurde

nun bei Seite gelegt, und der Junker mußte die Bezahlung feiger Schuld

ernstlich

an

denken.

Er sagte Allan s - Easivl Lebewohl,

und b^eg mit seiner Familie ein kleines

HäuSci;en auf einem seiner Güter; ein ein­ ziger Bedienter war ihre Begleitung.

Oer

15? Junker wurde unfreundlich und mürrisch, und zankte vom DKorgcn bis auf den Abend.

In den Tagen seines Wohlstandes war seine

Zeit zwischen den

Hundeställen uni)

der

Flasche getheilt, nun da seine Keller leer und seilte Hunde u»ld Pferde verkauft wa«

rcn, dachterl seine Freunde nicht mehr an ihn,

und

sein

einziges Vergnügen

war

feine Frau zu plagen.

Erlaubet mir, sagte der Dritte zu seinen Zuhörern, euch auf eine Ungereimtheit oder Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen, die aus der Ehe, von welcher Plage eure sftn*

(ion glücklicherweise befreit ist, entspringt. Diese Demerkungen werden euch noch zufrie­ dener mit eurem Schicksal machen, und da­

durch wird euch in der That kein unwesent­ licher Dienst geleistet.

Erstens wird es euch wohl wundern, daß der Sguire, dessen Verwandschaft mit mir

wenigstens sehe zweifelhaft war,

sich eines

größtr« Rechtes, aber niich zu entscheiden, anmaßtc als meine Dliutter, freien Verwand-

scfiaft

mit

mir

ganz

gctvijj

war ;

und

zweytens, iviirum meine tirmc JJYuttcr genöthigt war, in einer Hütte für die Thor­ heiten eines Cannes zu büßen, der ein sehr

gleichglültiger Gegenstand für ste war; ihr

Feniit euch einbilden, eine

Vereinigung

daß da die Ehe eher

zweyer Vermögen,

als

zweyer Liebenden ist, wenn ein Vermögen erloschen wäre,

so möchte das andere für

sich selbst sorgen.

Keinesweges aber ist dies

der Fall;

ein oerheiratheteS Paar ist wie

tin pnur Galeeren 7 Selauen, die zufammein

mengekettet arbeiten

auf der Donau mit einander

muffen.

OaS Geld ist ihr Leben,

und sollte eins von ihnen sterben,

so muß

das andere den leblosen Körper bis zu Ende

der Station mit sich schleppen. RicineMut-

i5g ter würde

für

Mann,

den

liebte, mit Freuden

welchen

sie

gelitten, und ISeiber

von weniger großmüthigen Charakter wür­

den

dasselbe

gethan

haben.

Sogar auch

das Stubenmädchen wollte den Junker nicht

verlassen, und da ihre Gebieterin ihr den Lohn nicht zahlen konnte, so erbot sie sich,

und bestand durchaus darauf, der Familie umsonst zu dienen. Der Kummer nagte unterdessen an den

Lebensgeistern meiner Mutter, und ihre Ge­ sundheit wurde von Tag zu Tag hinfälli­

ger, der Junker anstatt sie zu trösten über­

häufte sie mit Kränkungen.

Ihre erhabene

Denkungsart verbot ihr alle Unterstützung

von dem Chevalier anzunehmen,

und dec

sejfe Heller wurde auf meiner Brüder Er­ ziehung gewendet, und ich mußte mich aus dem Lande langweilen.

Meine Mutter war

die Güte selbst gegen mich, und auch selbst

k6o

frtr fünfer hatte mich, Ok’rt’i^nhfit,

b;5 bei ber selten

niemals ha et behandelt,

^ch

schien

mir

haßte das Landleben,

und es

eine Cträfe meines Ungehorsams zu seyn; meine Mitschüler reisten in Europa herum, iinb jeder 64

»anderer Weiber für sich zu gewinnen; der »ein Gesez mißbraucht, um seinen eignen

»Mangel an Reizen zu ersetzen, der die »Wohlfahrt einer ganzen Gesellschaft sei »nem eignen Nutzen aufopfert, und der, so

»viel nur in seiner Gewalt stehet, dazu bei»trägt, eiLL^stillschweigende Übereinkunft, die

»zu der Glückseligkeit beider Geschlechter er»forderlich ist, umzustoßen,«

»Lebt dieser Autor noch? fragte Mitila.

Er verdient ein Mitglied der calieutischen Akademie zu seyn, Eure kaiserliche Hoheit muß ihm ein Diplom darzu verschaffen.«

»Wenn ich nach Europa verbannt würde, sagte Farna, so würde ich Paris zu meinem

Aufenthalt wählen.«

»Ich bin vollkommen Eurer Meinung, sagte Fitz Allan, und wenn auch sogar die

Bastille wieder erbaut werden sollte.

Man

muß sich herablaffen hier das gemeine Sprich-

165 wort anzuwenden: »das Hemde ist mir nä­

her als der Rock,«

und politische Freiheit

ist weniger schazbar als persönliche Freiheit. Aber nun zur Fortsetzung meiner Geschichte.

Bei

meiner Zurückkunft nach England

fand ich meine Frau wenig gebessert.

Bei

unserer Derheirathung war sie noch sehr jung,

ihr Characktcr war noch ganz unge­

bildet, und weich wie Wachs würbe er je­

den Eindruck angenommen haben, oder man konnte vielmehr sagen,

daß ste noch ganz

und gar keinen Charakter hatte.

Da sie so

lange unter den Landjunkern gelebt hatte, so war sie ein vollkommener Wildfang ge­ worden, und mit einem Wort, sie war wirk­ lich die nämliche Land - Carricatur, von der meine Mutter einst in ihrer Verlegenheit

die Aussenseite angenommen hatte.

ist ein Weib, rief der Squire,

»Hier

die, Gott

verdamm mich, mehr werth ist,

als alle

Hofdamen zu St. James.«

Sie gab mir ei­

nen herzhaften Kuß, und lief die Treppe hin­ auf um den Schwanz eines Fuchses zu hohlen,

bei dessen Tod, wie sse mir im Triumph ver­ sicherte, sie selbst gewesen wäre. — £) wie sehr bereuest ich in diesem Augenblick den

Verlust der niedlichen Soupee'^ der Bou­

doirs und der Parties sines, die ich mit der Frau Ba^okiin, der Frau Marquise, und

der Frau Präsidentin, Schönheiten, die ich

in Nancy hatte kennen

lernen, genossen

hatte. Glaubt nicht, meine Damen, daß mei­ ner Frauen Geschmack an der edlen Reit­ kunst, mein Mißfallen an ihr erregt hätte.

Weir entferne davon, entsprang mein Ekel

aus ihrem Mangel jedes andern Geschmacks.

Eine Frau die mit ihren Gedanken immer im Stall ist, ist wirklich eine sehr unschick­ liche

Gesellschaft

für das

PuH - Zimmer.

10;

Glaubet mir, ich tvcir niemals in meinem

Veben so hingerissen, als da ich die Söinorinn Vas erstemal zu Pferde erblickte.

Mit

welcher Gewalt bändigte sie das edle Thier, mit welcher Geschicklichkeit lenkte sie jede seiner Bewegungen, welche Würde und Gra­ zie in der Haltung ihres Körpers. Oer per­

sische Botschafter begegnete ihr; der hochmüthige Mahometaner, stolz auf die einge­ bildete Überlegenheit seines Geschlechts, war

genöthigt abzusteigen und ihr den Steigbü­ gel zu halten.

Und dann die Damen von

ihrer Begleitung, jede forderte einen Theil

der Bewundrung,

die wir ihrer Gebieterin

schon gezollt hatten, jede der Ehre würdig, Dido auf die Jagd zu begleiten. — Wachte

ich oder träumte ich ? Sahe ich Pentisttea

an der Spitze ihrer Amazonen? oder Ka­ tharina von Rußland, wenn sie ihre Leib -

Garde kvmmandirt?

2Bic glücklich wäre der (Squire mit ei iil'in Weibe wie das meinige war gewesen, und wie angenehm würde ich mein Leben

mit einer Gefährtin wie meine Mutter war, Angebracht haben (ich sage Gefährtin, denn

schon der 9Tamc Ehefrau, würde sie mir

gleichgültig gemacht haben). Die Liebe wird von unseren Dichtern als ein blinder Golt

vorgestellt, aber sollte Hymen

nicht noch

weit eher so dargcstellt werden.

Hymen,

der einen rohen Landjunker mit der artig­

sten Dame am ganzen Hof vereinigte, und mich, den Zögling Chesterfield'ü, plumpe Bauer - Dirne fesselte.

an eine

Glückliches,

dreymal glückliches Malabar, wo Kupido seine kleinen kindischen Possen immer trei­

ben .kann,

wo aber Hymen keinen zuiu

Wahnsinn treibet. Die Lage meines Weibes war auch ge­

wiß grausam genug, um einem jungen Mäd-

16g

cf)cn von neunzehn Jahren das Gehirn zu verrücken. Obgleich ohne großes Verlangen

unter die Zahl der Heiligen versezt zu wer­ den,

hatte mich eine bloße Kap.ri^e verlei­

tet sie so zu behandeln, wie Eduard der

Bekenner seine Königin behandelte.

Schon

vier Jahre war sie eine Frau, und doch

noch Jungfer.

Sie war zu stolz, um sich

über diese beleidigende Vernachlässigung zu beklagen.

Eie suchte die Einsamkeit, wo

sie den 5Topf mit ihrer Hand bedeckend, ihren

Ellbogen auf das Knie stüzte. Ganze Stun­

den saß sie unbeweglich in dieser Stellung, das treue Genrätde

Kummer.

von Täuschung

und

Schluchzen und erstickte Seufzer

waren ihre einzigen Worte, und Thränen träufelten auf ihren wogenden Busen.

Meine Mutter, meine liebe Mutter sah

und bemitleidete ihr Unglück, meine Mut­ ter, die ich eben verlieren sollte, und welche

i ;>u

die TBcst noch mit einer großmüthigen Hand­ lung verließ.

Diese beste der Frauen hatte

ihre Kinder immer mehr mit der Vertrau­ lichkeit eines Freundes, als mit der Strenge

einer Mutter behandelt,

genoß

und

aber

auch wieder dafür ihr Vertrauen und ihre

Anhänglichkeit in

hohem

Grade.

merkte daß ihr Ende nahe fei,

Als

sie

gab sie uns

ihren Sergen, und nachdem sie von meinen

Brüdern auf das zärtlichste Abschied genombefahl sie mir an ihrem Bett

men hatte,

zu bleiben. »»Ich habe, sagte sie, meine Kin­

der alle mit einer Unpartheilichkeit behan­ delt, die einer Mutter

jedoch

würdig ist,

bin ich nicht so blind, um nicht zu bemer­ ken,

daß

schaften

deine

dich

Vertrauen

hervorstechenden

eines

hohem

würdig machten.

Eigen­

Grades

von

Ich vertraue

deinem Busen kein gemeines Geheimniß an, ich würde diese Bekenntnisse nie muthwilli-

,7I gerweise thun,

aber ich hoffe sie sollen ei­

nige Wirkung auf dein zukünftiges Betra­ gen haben.

den

Du

wirst deine

Schranken des

hören,

Mutter vor

Dorurtheils

anklagen

aber ihr Gewissen spricht sie frei;

ich bin keine gute Gattin gewesen, aber ich

die Pflichten einer

war eine gute Mutter;

Gattin hängen von zufälligen Launen der Zeit und des Orts

ab, jene

einer Mutter

sind ihr durch die Stimme der Natur vor­

geschrieben.

Ich gestehe es ,

Bekanntschaft

mit

einem

Stande gehabt habe;

daß ich eine ArtmVen

von

unser Briefwechsel,

den du in meinem Schreibepult finden wirst,

wird dir zeigen wie sehr ich ihn liebte, und

wie

würdig er meiner Liebe tödr.

Unser

Glück stand in der Macht meinte Mannes; er mich so

behandelt wie du deine

Frau behandelst,

so würde meine Leiden­

hatte

schaft

mich

unglücklich

gemacht

haben.

-72 Meine Dankbarkeit gegen den Himmel für diesen gütigen Mann, veranlaßt mich, dich

mein Sohn zu bitten, daß du die nämliche Nachsicht gegen dein armes

Weib,

deren

Glückseligkeit oder Elend von dir abhängt,

zeigen möchtest.

Gönne ihr deine Gesell­

schaft nur eine Nacht (dies ist alles was ich

von dir verlange),

und dann laß sie nach

Belieben über sich selbst verfügen; und ver­ sprich mir,

nie Rechenschaft wegen ihres

Betragens zu fodern.

Ich,

die ich jezt an

den Pforten der Ewigkeit stehe, jezt da die Hand

des Todes die Porurtheile und die

Verblendung dieser Welt hinwegreißt, glaube

keine

übertriebene

thun, wenn ich dich bitte,

Forderung

ich

zu

daß du einem

Mitmenschen erlaubst Herr über seinen eig­ nen Körper zu seyn.«

Nachdem sie diese wahrhaft philosophi­ sche Meinung geäusiert hatte, wurde ihre

173

Stimme immer schwächer, ihre Kräfte ver­

ließen sie, und sie starb ohne Kampf in meinen Armen.

9iur sehr wenige Engländerinnen wür­ den diese Gesinnungen meiner Mutter nicht mit Abscheu angehört haben; doch sie war

bei ihren Anverwandten in Italien erzogen

worden, und stolz auf ihren italienischen Ursprung, erklärte sie bei jeder Gelegenheit den Vorzug,

den sie den Meinungen und

Sitten jenes Landes einräumte. Jeder Wunsch meiner Mutter war von je her Gesez für mich gewesen.

Mit dem

Anstand eines türkischen Sultans warf ich meiner Frau das Schnupftuch zu, und zit­

ternd wie eine zirkastische Sclavin bestieg ste unser Hochzeitbette.

Hans

und Kasper,

Gürge und Töffel, Stallknechte, Kutscher und Dorreiter hielten ste nachher für mei­

ne Nachlässigkeit schadlos.

Ich erwähne die Niedrigkeit dieser Lieb­

haber keinesweges, um meiner grau eS zuni Verbrechen zu machen, sondern blos, um die

herabwürdigenden Gefühle

meiner grau,

und ihren Mangel an Geschmack zu zeigen. Wenn ein Weib ihre Neigung ans eine so unwürdige Art verschleudert, so ist das ihre

Sache, und niemand ist berechtigt, sie des-

wegen zu tadeln; aber erwäget die Strenge

meines Schicksals, welches mich für meine Lebenszeit an ein Weib von solchen gemei­

nen Gesinnungen gefesselt hatte, c-

»Solche gemeine Gesinnungen,

sagte

garna, sind auch in Calieut nicht unbe­

zur

kannt,

obschon

wir

unserer

grauen

bekennen

Rechtfertigung mästen,

daß

sie ungewöhnlich sind.

Wenn gleich eine

Dame hier nicht den

geringsten Anstand

nehmen würde, ihre Neigung für ihren Be­ dienten zu gestehen, so bringt doch die Ge-

r?ö wohnhelt, Erziehung und die Gelegenheit,

mehrentheils Liebende von gleichem Rang zusammen.

sollte der Hut eines Menschen

von geringer Herkunft in dem Vorzimmer einer Frau von Stande hangen, fo em-

pfics>st ec sich gewöhnlich durch einige aus­ gezeichnete

Eigenschaften

oder

durch

die

Überlegenheit feiner Talente, er ist einer von denen, die die Natur selbst geadelt hat. ^hre kaiserliche Hoheit die verstorbene Sainorina, war einem Professor besonders ge­

wogen, und obschon seine Mutter eine Wä­

scherin war, und sein Oheim in dem lezten

persischen Kriege als gemeiner Soldat ge­ dient hatte, so billigte doch der ganze Hof diese Wahl.

Er ist ein Mann von dem

glänzendsten Witze. einsühren,

ich

war

Ich will Euch bei ihm niemals

eine halbe

Stunde in seiner Gesellschaft ohne daß ich etwas durch seine Unterredung gelernt hätte.«

»Mit den gewöhnlichen Zufällen meines Lebens will ich Euch nicht beschwerlich fül­

len, fuhr Fitz Allan fort, sogar meine Lieb­ schaften enthalten nichts merkwürdiges mehr.

Oer Freundschaft Eurer edlen blutter will

ich mich nicht rühmen, und auch eben so

wenig den Verlust ihres unglücklichen Kin­ des erzählen. Meine Frau hatte sechs Kinder gezeugt, zwey davon starben sehr klein, und ob ich

gleich niemals die geringste Neigung für sie fühlte, so muß ich ihr doch die Gerech­

tigkeit widerfahen lassen, daß sie die Pflich­

ten einer Mutter immer auf das vollkom»

nrenste erfüllte.

Man hielt ste der Zärtlich­

keit die ste zeigte, als ste eins davon verlohr, nicht fähig.

Oie wilden Thiere, ha­

ben zwar auch mütterliche Gefühle, doch so

roh ihre Sitten auch waren, so war ihr Herz doch weit von Wildheit entfernt.

Ein

177 Ein reizendes,

niedliches kleines Mäd­

chen von zehn Jahren wurde krank, ihre

Krankheit wachte die ganze medizinische Fa­ kultät verwirrt, welche, da sie eü für etwas

anders hielt, die entgegengeseztesten Arze­

neien verordnete.

Meine Frau verließ ihr

Lette nie, und ihre Angst und Sorge zehr­ ten sie so ab,

aussah.

daß sie fast wie ein Scelet

Das Kind starb, doch nichts war

fähig die Mutter von seinem Tode zu über­ zeugen.

Tag und Jcachr hing sie über dem

todten Körper, und erwartete die Rückkehr

des Lebens.

Taub gegen die Vorstellungen

ihrer Freunde, war nichts als die Krankheit

eines andern Kindes vermögend ste von dec Leiche weg zu bringen.

Ihr zweyter Sohn

war von seiner Schwester mit den Masern

an gesteckt worden, denn dies war Vie Krank­

heit des kleinen Mädchens, welche aber zu

spat entdeckt wurde, um ihr Leben retten zu L)as Par. d. L. Zr Bd.

Dll

178

können.

Sie ließ eine Thräne auf den üb­

losen Körper fallen, und flog zum Beistand des Sohnes. Das Kind welches in Gefahr ist, ist im­ mer der Liebling

Oer Verlust des andern,

und die Aufmerksamkeit die sie ihrer eignen Gesundheit schuldig war, wurde von der zärtlichen

Mutter

vergessen.

Ihr

gan­

zes Daseyn schien von der Wiedergcnesung des Knaben abzuhängen.

Sie reichte ihm

die Arzenei, die er aus keinen andern Han­

den nehmen wollte,

und unterdessen die

einem

Lehnstuhl schnarchte,

Wärterin

in

schloß der Schlaf nie ihre Augen.

Eie

wachte an seiner Seite, und wiederhohlte

des Morgens, wenn der Arzt kam, sorgfäl­ tig jedes Symptom der vergangenen Nacht. Während vier und zwanzig Stunden gönnte

sie sich kaum ein paar Stunden Ruhe; sie

verschaffte ihm jedes Spielzeug, sie erzählte

179 ihm jedes Geschichtchen,

und gab sich alle

Mühe um ihn auf^uheitern.

Oie Landluft wurde als Mittel verord­

net, und wir mietheten eine Wohnung ausser

der Stadt.

An

einem

schönen

Sommer­

morgen, als cs gerade vier geschlagen hatte,

wurden wir durch einen Pistolenschuß auf­

geschreckt;

die Bedienten, welche die ganze

9 ui cf) t gewacht hatten, eilten hinaus, unt

vielleicht jemand aus den Händen der Näuber zu befreien.

Bald darauf kehrten sie

zurück, und höhlten eine Matratze, auf dec

sie alsdann einen Jüngling getragen brach­

ten, der in einem Duell verwundet worden

war.

Ec lag noch in Ohnmacht, und da

das Zimmer dunkel, und sein Gesicht mit

Blut bedeckt war, konnte ich seine Gesichts­

züge nicht erkennen. Ich zog mich bei der Ankunft des Wund­ arztes zurück,

der ihn bald wieder zu sich M a

18o brachte, aber nachdem er seine Wunde un­

tersucht halte, erklärte, daß er nicht mehr lange würde zu leben haben.

Ich war in

daS anstoßende Zimmer gegangen, wo meine

Frau ihr Kind wartete.

Als der Verwun­

dete mit seinem Sekundanten allein war, fing er an zu sprechen, und ohnerachtet sei­

ner schwachen Stimme, verstanden wir doch, da die Wand sehr dünn war, jedes Wort. >,Mein lieber Freund, sagte er, du kennst mehr als zu gut die Ursach dieses unglück­

lichen Zweykampfs.

Oie Aufführung mei­

ner Mutter mag auch seyn wie sic will, so ist der Sohn doch verpflichtet ihre Ehre zu beschützen;

mein Gegner hatte die Ilnocr-

schämthcit diese anzugreifen, ihren Namen

an einer öffentlichen Tafel mit Verachtung

auszusprechen, und sie zu beschuldigen daß —* doch du weißt das Ganze.

Ich habe

r8i nach meinen Eltern geschickt,

sie

noch

kommen werden,

um

Doch um

Eeegen zu geben.

rung

ich hoffe daß

einer Ditte ersuche

mir

ich dich ernstlich:

du mußt mir feierlich versprechen, iv ns) re

die

then.

Ur such

ihren

die Gewäh­

niemals

dieses Ouells zu verra­

Es würde meine Eltern blos uneinig

machen, und die Folgen konnten schwer auf

meine Mutter fallen.

Erdenke eine Erzäh­

lung und wenn sie auch den Anstrich einer

Nichtswürdigkeit hat, sage, wir hätten uns. fccim (Spies oder beim Billiard überworfen.

Dann mögen sie mich immer ihres Bedau­ erns weniger werth halten,

und diese Er­

zählung mag ihre Meinung von meinen Cha­ rakter verringern,

denn ihre häusliche Zu­

friedenheit bleibt doch ungestört.«

Oie Großmuth des Fremden fezte mich

in Erstaunen; Neugier, Derwundrung und Verzweiflung drückten sich eins um das an-

rSs

dere in dem Gesichte meiner Frau aus. Sie zitterte und änderte öfters die Farbe.

»Gott im Himmel, rief sie endlich aus; es ist Allansie sprang auf, und stürzte in

das andere Zimmer. — Es war ihr ältester Sohn.

Dieses Opfer kindlicher Liebe, war auf dem Altar des Äorunheils geopfert worden; er hatte die Universität verlassen, um einen

Mitstudenten, der vielleicht unbesonnener? weise auf die Liebschaft seiner Mutter an-

gespielt hatte, zu züchtigen.

Da er nicht

wußte, daß seine Familie ihre Wohnung

verändert hatte, so war zufälligerweise das freie Feld vor unserm Hause zu dem Ort

ihres ZweykampseS bestimmt, und er wußte nicht wem dieses Zimmer, wohin er jezt war gebracht worden, gehörte.

Für den Auftritt welcher zezt folgte, ist jede Beschreibung zu

arm , ein Mahler

rS3

roüröe nicht im Stande gewesen seyn, den Schrecken

in jedem Gesichte auszudrücken.

Das arme 2Bcib, abgemattet durch das lange

Wachen, hatte kaum ihres Sohnes Bette erreicht, als sie mit einem Schrei, der bis

zum Herzen drang,

leblos niederfiel.

Dee

Sohn fährt mit solcher Gewalt empor, daß seine Wunden wieder von

chen.

neuem

aufbre­

Nichts hält ihn im Bett zurück, ec

wirft sich über sie, und küßt ihre kalten Lip­

pen, und sein Blut träufelt auf ihr blosses Gesicht.

Unterdessen

erwacht

das

kranke

Kind, und vermißt feine Mutter, es kriecht in das nächste Zimmer, und findet sie, wie

es glaubt, todt und in feines Bruders Dlut

badend.

Das arme, kunstlose

groß war sein Schrecken,

Kind,

wie

welche Sprache

drückt die Empfindungen der 97atur aus?

Der Anblick des Todes flüchtet,

-och

erschreckte eö:

es

der Antrieb kindlicher Liebe

184

behält die Oberhand;

es kehrt zurück, zit­

ternd berührt es ihre kalte Hand, und wagt es endlich auch sie zu küssen.

Ihre Kammerweiber sind in ihren Be­ mühungen sie in das Leben zurück zu rasen

glücklich.

Ach.' es ist das Erwachen eines

Derurtheiltcn, dessen fliehender Geist von gefühllosen Menschen zurückgehaltcn

wird,

um ihm die Quanten des Todes zu verlän­ gern.

Sie öfnet ihre Augen mit einem Blick

nach ihrem Sohn, einem Blick, so voll Zärt­

lichkeit, DJiitlci&en, Dankbarkeit und Billi­ gung , so vieler theilnehmenden Billigung,

als ob ein Engel einen leidenden Märtyrer

belohnte.

Niemals werde ich dieses

ver­

gessen; aber die Wunde des Jünglings hatte

nicht aufgehört zu bluten.

»D, wie wird

mir!« rief er aus einmal aus, und faßte meinen Arm um sich zu unterstützen.

Als

er von der zweyten Ohnmacht wieder er-

i8j

wachte, sahen wir an der Bewegung seiner ßippcn daß er betete, die Kräfte fehlten ihm

aber es laut zu thun. iiini Bette nieder,

2£>ir knieten an sei-

er nahm unsere Hände,

küßte sie, und indem er sie zusammenfügte,

entfloh sein Geist der irrÜMstfjin Hülle, ohne daß wir einen Seufzer von ihm hörten. c< Bie Baronin Farua war bis jezt ganz

Aufmerksamkeit gewesen, aber der Tod die­

ses brauen Jünglings, rief auch ihren Sohn in ihr Gedächtniß zurück, ihr Busen hob

sich mit einem unwillkührsichen Seufzer, und eine Thräne floß über ihre 2rZange.

Oie

Tochter Anora's war stolz auf ihre philo­

sophische Ruhe, gegen die Launen des Glücks, aber die Stimme der Juitur konnte fle doch

nicht übertäuben.

Sie war nahe daran

ihre Schwäche durch ein lautes Schluchzen

zu verrathen.

»Freuet euch des Lel-enS,«

rief sic auf einmal aus, ergriff FirnoS beim

i86 mit ihm einigemal im

Arm, drehete sich

Saal herum, und nahm alsdann mit einer

ruhigen Miene ihren Platz wieder ein. - -

Fitz Allan fuhr fort. »Sereirct euch jezt eine

Erzählung zu

hören, d»e das Haar auf euren Kopf em­ porsträuben, und euer Blut in den Adern erstarren

machen

wird.

OaS Maaß des

Elends war noch nicht voll.

liche Vorurtheil,

OaS unerbitt­

von diesem Opfer noch

nicht gesättigt, verlangte auch noch um sei­ nen Triumph vollkommen zu machen, den Selbstmord.

Oie frühere Erziehung meiner

Frau war sehr religiös gewesen, und nach den Grundsätzen der Religion nieines Lan­

des war der Ehebruch ein Haupt-Derbre­ chen.

Oer abgeschmackteste

Aberglauben,

und die vernünftigste Moral haben gleiche

Gewalt über die Gemüther.

Oen Pyrha-

goräer der eine Dohne gegessen oder eine

•87 Fliege umgebracht hat, beunruhigt fein Ge­

wissen eben so sehr,

als dem Bekenner zu

irgend einer andern Sekre, der vielleicht ei­ nen Mitmenschen umgebracht hat.

3n &er

Stunde der Zerstreuung hatte sie ihre Grund­

säste vergessen, aber der Augenblick der Wiedervergeltung schien sich zu nahen.

Zwey

Kinder wurden von ihrer Seite gerissen, un­

ter welchen ihr Liebling durch das Srrufge.richt des Himmels für ihre Verbrechen zu büßen schien.

Doch der erhabene Erforscher

aller Herzen weiß allein, ob der Abscheu vor ihrem Verbrechen oder, was wahrschein­ licher ist, die Furcht vor dessen Strafe ihr das Gehirn verrückte, denn drey Tage hin­

ter einander war sie ganz trafen finnig, und in den Anfällen ihrer Raserei waren kaum

vier Menschen

hinreichend

sie zu halten.

In einem Angenbli.k nannte sie mich ihren Tyrannen, bekannte den Bedienten, die bii

ihr wachten, mein Betragen von unserer er­ sten Verheiratung an, und machte unsere Kinder durch ihr eignes Bekenntniß zu Ba­

starden.

Sobald als ich zur Thür herein­

trat, fiel sic auf ihre Knie, weil sie sich ein«

bildere, mein gezogenes Schwert stehe ihr schon an der Kehle, und brachte durch ihr

Mordgeschrei die ganze ^Nachbarschaft in Aufruhr.

Abgemattet durch ihre heftigen

Anfälle, sank sie des Nachts in Schlaf, aber kaum hatte die Glocke vier geschlagen, so erwachte sie, lief in. das nächste Zimmer,

kniete vor dem Bette, wo ihr Sohn ent­

schlummert war, nieder, und schrie mit fürch­

terlicher

Stimme:

Sohn 5

und zog hierauf ihr Schnupftuch

»Mein

Sohn.'

mein

heraus, um das Blut feiner 23unde zu stil­ len.

»Ach! sagte sie, er stirbt, er ist nicht

mehr, mein Borbitter ist dahinmein 32innn wird mich nun morden, und warum wollt

i8g ihr mich von feinem Körper megreigen? mein Jlianii würde doch wohl einiges Mit­ Anblick fühlen!« und

leid bei dem

ihre

pflegte

sie

küssen,

worauf,

Hände und Kleider wie sie

sich

nun zu

einbitdete,

sein Blut gefallen fei. Eines Tages,

nachdem sie diese angrei­

fende Ezene wieder erneuert hatte, gelang

cs ihr, ihren Hütern zu entwischen, und aus dein Hause

zu entkommen.

Eine ganze

2Doche hindurch fragten und suchten wir

umsonst nach ihr;

endlich berichtete

mir

mein Haushofmeister, daß sie auf unserm

Landsitz, und wahrscheinlich zu Fuß, denn

ihre Echuhe wären ganz abgerissen, angekommen wäre.

Es ist wahr, sie war nie­

mals so lächerlich delikat als ihre Landü-

iiiüiininnen es im allgemeinen sind, doch

glaube ich war sie noch

nie eine Meile

in einem Tage zu Fuß gegangen, und

igo nun

deren

zehen 5

Familiengruft

zu

und

Körper ihres Sohnes sogleich

ab,

aber

um

die

worin

der

blos,

besuchen,

ruhete.

Ich reiste

als sie meinen Wagen

längst des Parks Herkommen steht, schreit ste: »Er kommt! mein .)2;ann kommt, mich

ein Fenster

auf, und

stürzt fick) in den Schloßgraben.

Durch ei-

zu morden!"

reißt

nen Fall von hundert Fuß Höhe,

Körper fast

ganz

zerschmettert,

war ihr in

ihren

Haaren hing daS Gehirn in ganzen Klum­

pen, und ihre Kleider schwammen in Blut. Dies war das traurige Ende meiner Frau, eines Weibes die ich zwar niemals liebte: wäre aber ihr Echickfül auf dem Theater

vorgestellt worden, so würde auch der un­

befangenste Zuschauer in Thränen zerstossen seyn,

und

sehr gern hätte ich die Hälfte

meines Vermögens aufgeopfert, um ihr die Ruhe ihres Lebens wieder zu geben.

igx Indessen halte ich auch den kleinen Kna­

ben, meinen einzig übrig gebliebnen Sohn

Verfahren.

Da seine Mutter seine Wärte­

rin gewesen war,

und wer ist wohl zu ei­

ner Wärterin geschickter als eine zärtliche Mutter? so war er wahrend der lezten Derwirrung vernachlässigt worden. Eine Nacht

hört er ihr entsezliches Geschrei, und da er sie ausserordentlich liebte, kriecht er aus dem

Bette,

und horcht an ihrer Thür.

Er war

noch nicht völlig von seiner Krankheit ge­

nesen, und zog sich dadurch eine Derkältung zu; durch seinen Tod blieb mir nun von

meiner ganzen Familie nur noch eine Toch­ ter übrig, die meine Tante an Kindes statt

angenommen hatte.

Diese gute alte Jungfer war die personisizirte Steifheit.

Sie hatte dem Kinde

olle die Fehler ihrer Mutter aus einander

gesezt, und dadurch verursacht, daß fit ge-

IQ2

rade den entgegengesezten Charakter ange­ nommen hatte, denn sie wurde eben so cfcs

und delikat, als ihre Mutter roh und unge­

stüm war.

Man hatte sie gelehrt, feie Hände

vor sich zu legen wenn sie säst,

die Füzze

auswärts zu seyen, und den fiopf in die Höhe zu halten, ihre Antworten überstiegen selten ja oder DTein, sie wagte es kaum je­

mand gerade in das Gesicht zu sehen, und

die

unschuldigste

Freiheit

ini

Gespräch,

würde sie hoch errathend gemacht haben, ^ch reiste nach der Landstadt, wo meine

Tante wohnte, um meine Tochter nach £oip dvn zu bringen; wir kehrten zusammen in

einer Postchaise zurück, ohne auf dem A?ege

ein einzigesmal anzuhalten.

Ich hatte so

viel auf dem festen Lande gelebt, das; ich die übertriebene Delikatesse der Englände­

rinnen ganz vergessen hatte, und den gan­ zen Tag hindurch gab ich dem armen Mäd­ chen

ig3

chen, die ich früh aus dem -Bette gejagt hatte, keine Gelegenheit, sich auf eine gute

Art entfernen zu können. Eine Verstopfung

war die Folge davon.

Ich bemerkte drey

Tage hinter einander daß sie immer den

Kopf hing, und sehr niedergeschlagen schien, ich fragte sie was ihr fehlte, erhielt aber keine Antwort, sondern sie fing an heftig

zu weinen, ich glaubte die Trennung von ihrer Gefährtin ginge ihr so nahe, und

fragte sie nicht weiter/denn wer konnte sich

wohl vorstellen, daß ihre falsche Bescheiden­ heit so weit gehen sollte, daß sie nicht ein»

mdt ihren eigenen Vater mit ihrer Krank­ heit bekannt machen würde.

Endlich ent­

deckte die Kammerjungfer die Ursache; die ersten Ärzte von London wurden nun zur

Hülfe herbei gerufen, doch alles war um­ sonst, ihre Schmerzen waren schrecklich, aber nichts auf der Welt konnte sie anfänglich Las Par. d. L. 5r Bd.

194 dahin bringen, sich von einem Wundarzt

besichtigen zu lassen.

Endlich gestattete sie

cd, aber viel zu spät, denn alle Hofnung war nun verlohrcn.

Umsonst brachte ich

das arme Mädchen in

ein mineralisches

Bad, sie starb mit der Entschlossenheit einer Heiligen, das leztc Cpfer des DorurtheilS

in meiner Familie. »Armes Mädchen, sagte Mitila; betra­ gen stch aber alle Damen in Europa gleich

abgeschmackt?--

»Keinesweges, antwortete Fitz Allan, auf dem festen Lande verlangen sie gar nicht solche überirrdische Mesen zu seyn, die

aller Bedürfnisse der Diatur überhoben sind.

Ich will euch, um von dem tragischen in das Komische überzu gehen, ein Beispiel da von anführen.

Als ich das erstemal Eng-

land verlassen hatte, wurde ich im Haag zu einem Ball gebeten, den der französische

25ut|'(f)iiftcc gab. Es ivar ein ländliches Fest in einem Garten, und ein gewisses Bedürf­

niß der Natur nöthigte mich hinter einem

Busch zu gehen, bald darauf kam auch die ^rau rom Hause aus derselben Absicht dazu,

und ich wollte mich eben aus falscher Schaam

davon schleichen, als 92taDamc l'Ambassa-

dl il e mich aufhielt, und mir zurief: »Cour agf, Miloi-Jch war jezt gan$ kinderlos, von mei nen 2)rüdern war iiud) keiner mehr am £'c«

ben. und zwey weitlaunige Vettern, die ich niemals gesehen,

und um die ich mich nie­

mals bekümmert hatte, waren meine Erben.

Sie waren aber Fitz 2lllan's von derselben Familie und Tßappen, und das war alles was ich verlangte. Ich entschloß mich, ohne Gefährtin vollends durch das Leben zu steu­

ern,

und schrieb an den ältesten,

daß er

nach Allan s -Castel kommen möchte;

aber

mein Stolz und nicht meine Zuneigung bot ihm leider diesen Schutz zu spät an,

da ich ihn,

ohne mich um

denn

ihn zu beküm­

mern, immer in einem armseligen Zustand

gelassen hatte, so hatte er sich die JTacht

zuvor ehe er meinen Brief erhielt, an Hy

vy? Jicris Altar geopfert, und als ein blühender

(jüngfing eine reiche Wittwe, die alter als

feine Mutter war, geheirarhet.

Ein DTcger

der fiif) feinern Herrn für eine tägliche Por­

tion Ärandwein verkauft, ist wahrscheinlich

ein edlerer Olienfd), als ein Mann der stch intfchließt,

auf so eine Art feinen Lebens­

unterhalt in deni Echweiß feines AngestchtS verdienen,

doch ich wünschte immer als

ein Edelmann zu handeln, und mein Vetter

butte nichts gethan,

was diesem Eharakter

zuwider war. Ich wünschte ihm daher schrift­ lich zu einer Herrath Glück, da aber keine

Binder aus einer so ungleichen Verbindung i worüber Ihr euch verwundern werdet, daß sie eine aufgeklärteIcation zugestehen konnte)

zu erwarten waren, da ihr hohes Alter den

Hitz Allans keine Erben versprach,

so wen­

dete ich nun meine Gedanken auf den an­ dern

Bruder,

Oer junge Mann kam mit

i98

£ [tränen im Auge unt* bekannte, daß er mit der Tochter eines Staufmann4 heimlich verheirathet sei. Ccine Frau kam mit einem

Kind auf dein Arm und tvarf sich zu mei­

nen Füßen.

Ihre Gestalt war anziehend

genug, aber ich war ausser mir vor 2r?uth

über eine solche Miß hei rath, und befahl ih­ nen,

mir auü dem Gesicht zu gehen.

£)a

sie aber sehr arm waren, so schickte ich ih­

nen manchmal, aber immer durch unbekannte Hande, einige kleine Unterstützungen, fest entschlossen, daß ihre ausgeartete 23rut nie mals die Güter der Fitz 'Allanü erben füllte.

2?>ie ihr euch erinnern

werdet,

hatte

mein 23ater meine Mutter blos aus Eitel­ keit geheirathek, ich heirathete meine erste

Frau blos des Geldes wegen, und nun seht ihr mich im Degrist aus Haß zu heirathen;

drey gültige Ursachen um zwey Seelen und

Störper mit einander zu vereinigen.

199

Von meiner frühesten Jugend an hatte ich die Weiber des festen Landes denen un­ serer Insel vorgezogen;

vielleicht daß Che-

siersteld'S Werke mir diesen Geschmack eingestützt hatten.

Gerade zu der Zeit hatten

die Schrecken der französtschen Revolution ganz England mit dem ersten Adel Frank­

reichs angefüllt.

Unter diesen unglücklich

Leidenden war auch die Marquise de Beaulaniioic, die Nachricht von ihres Mannes

^erurtheilung zur Guillotine war eben an­ kommen,

und die Thränen welche (7e bei

dieser Gelegenheit

häustg

vergoß,

gaben

mir eine sehr gute Meinung von ihrer ehe­

lichen Zärtlichkeit.

Ich bot ihr meine Hand

an, welche sie der Etiquette gemäß erstlich ausschlug,

und nachher annahm.

32ieine

Freunde waren versammelt, um unsere Hoch­

zeit zu feiern, als aus einmal ein Lärm vor

meinem Hause entstand, und ihr 32icinn, der

die Icacht vor feiner Hinrichtung aus dein Gefängniß entwischt war, in Begleitung ei­

nes Polizeidienere hereintrat, und sich ihrer bemächtigte, weil fte in Gesellschaft feiner

Juwelen und eines Liebhabers Frankreich verlassen hatte. Ihres Mannes Erscheinung rettete mich

aus den Händen dieser Eyrene, die, wie ich

nachher erfuhr, der schwärzesten Untreue und Undankbarkeit fähig war.

Wie un­

glücklich ist das Land, wo die Scheidung nicht das Übel der Ehe endigen kann; in

England, war ich einst an dieses Krokodill geschmiedet, so hätte mich nur der ^od da*

von befreien können. — Oa die Margnise mich nicht heirathrn konnte, so nahm sie mich als ihren Liebhaber an.

Einer mei­

ner Besuche wurde aber auf eine sehr un­ angenehme Art von ihrem

Mann

unter­

brochen, der ganz unerwartet mit noch ei-

nem Zeugen in das Zimmer stürzte,

und

mirs) in einer sehr unzweideutigen Lage mit feiner Frau ertappte. Ich kehrte nach Hause

zurück,

und bald darauf kam mein Kam­

merdiener athemloß zu mir.

OaS Kammer

mädchen der Ntarguise, welches seine Ge­ liebte war, hatte iF>ru das schändlichste Kom­ plott entdeckt, daü sogar zwey Personen von

Stande schmieden,

und dessen Ausführung

nur die englischen Gesetze allein unterstützen können.

Ea war nämlich

unter

dem lie­

benswürdigen Paar festgesezt worden, daß er mich in ihren Armen finden sollte, um

alsdann

mich damit

die

er

die

des

Ehebruchs anznklagen,

ungeheure Strafe erwischte,

tyrannischerweise

jedesmal

durch

die

zwölf groben Gesellen zuerkannt wird. Fest entschlossen, daß sie die Früchte ih­

rer Niederträchtigkeit nicht einerndten soll­

ten. reiste ich augenblicklich nach einem See-

Hafen ab,

tvo einer meiner Freunde,

der

als Gesandter an den Kaiser von China gc
i|f

nach Calieut ein, in der Hofnung hier eine Gelegenheit zu finden meinem Freund nach

China zu folgen, aber seit meiner Ankunft

in eurer Hauptstadt ist mir der Gedanke,

meine

Reise

fortzusetzen,

niemals wieder

eingefallen. 2£ie

ost hatte ich

nach

meiner ersten

Einschiffung die romantische Idee, ein Land

120j

roie China zu besuchen. wo weder Dusle, £)pern, noch eine angenehme Vertraulichkeit

beider Geschlechter zu

finden

ist,

bereut.

Ich, per ich so sehr an Paris hänge, und

die Franzosen jeder andern DTation vorziehe,

obschon das Betragen

der Marquise mich

in meiner vorgefaßten Meinung etwas käl­ ter gemacht hatte,

der ich sogar auch in

Vuru'oii unter Ausländern zu leben suchte, was sollte ich in allenfalls

China thun.

Ich hätte

eine Pfeife Taback mit unserm

Faktor in Canton schmauchen können, in< defj^n ein Trupp geschmackloser Tänzerin­

nen mir mit ihren Schellen die Ohren voll geklingelt hätten, oder anstatt in dem Bou­

doir meiner lieben Mitila zu seyn, konnte

ich vielleicht die Ehre haben eine tüchtige

Bastonade zu genießen, weil ich dem Serail

deü

Kien , Long

men war.

etwas

zu

nahe gekom­

204

213 u* soll ich euch öfter mein Entzügen beschreiben,

als

ich einen Ort wie Ealicut

gefunden hatte; ich wußte nicht ob ich n,ei­ nen Augen trauen sollte, eS schien mir das

El Dorado eines Poeten, und ich fürchtete immer aus dem saßen Traum zu erwachen.

Oer Abend war schön, ich ging in der Stadt

herum bis

ich müde war,

und sezte mich

dann bei einem Springbrunnen auf einem

der öffentlichen Plätze nieder. Indessen stieg der 92iütiL> herauf, und tanzte auf dem flüs­

sigen Spiegel.

Ich vcrlohr mich in Gedan­

ken,

bis eine Serenade von einem gliickli-

chcn

Liebhaber seiner Geliebten

mich aus meinen Träumen weckte.

gebracht,

Es war

Mitternacht vorüber als ich in das Wirths­

haus zurück kam. Ich schlief noch,

als mein Bedienter in

das Zimmer kam, und mir die Gräfin von

Seringad

anmeldcte.

>- Oie

Gräfin

von

au5

Ct’rii’ij.i^ ? sagte ich, dies ist wahrscheinlich ein 3?u^1’1’1:11 iitii*iii|j.

Eie wird einen an

fcern Fremden meinen. " — » Jrcin, nein,

sagte er, sie fragte nach dem englischen ^Kutter - Eof^n,

der

fei.« Er hatte

noch nicht geendiget, als

gestern

angenommen

meine theure Zurita schon in das Zimmer trat, und mich angelegentlich fragte , ob ich

Eure kaiserliche Hoheit nicht in England ge­ selln hätte, doch wer hätte sich es träumen

lassen, daß sie den Marchese de Roverbella

damit meinte.

Ich hatte öfters in Frank­

reich dem Levee einer schönen Frau mit beigewohnt, aber niemals konnte ich wohl die

Ehre erwarten., daß eine

liebenswürdige

Gräfin dem meinigen beiwohnen soyte.«

«Mein lieber Fitz Allan, sagte Dllitila, hätte ich so wie Ihr die Geschicklichkeit

Komplimente zu machen, so würde ich Eure Gefälligkeit, Euch mit mir auf das Land

206

zu begraben, bis in den Himmel erheben;

Ihr, der ihr sv sehr cntjüift i»en der Haupt­ stadt seid,

und einen solchen Miderwillen

gegen die grünen Felder und die (I'infeeinig--

feit des Landes habt.«»hinein solchen Feste mit beizuwohnen,

antivortete Fi^ Allan, würde ich Csurf) bis

an die Mästen des Indus, oder bis aus die

Berge von Thibet begleitet haben.

(Sure

kaiserliche Hoheit muß misten, daß die (5 uv pn die Gäligkeit hatte, mich zu dem jähr­ lichen Geburtsfest ihrer Urgroßmutter einzu­ laden.

Niemals sahe ich eine so rührende

Szene, vorzüglich für mich, der ich in Eng

land eine hofnungSvolle Nachkommenschaft

nicht meiner Kinder, sondern meiner Kinder Stellvertreter,

einü nach dem andern vor

meinen Augen

hatte wegschwinden sehen.

Oenkt Euch nun waS ich dabei fühlte, als ich die ehrwürdige Älter-Mutter an

der

207

Spitze ihrer .TitufiFommen von ihren drey Söhnen unterstes, erblickte, indessen ihre

Töchter ihr ihre Löhne und Töchter vor­ stellten; die Enkelinnen stellten wieder ihre blinder vor, und einige der Urenkelinnen erschienen mit ihren Kindern nn der 25ruft. 97ur eine einzige erschien ohne Kind, schon seit

einigen Jahrert hatte sie den grünen

Wüstes empfangen, aber sie war noch nicht

nut einem Kind gesegnet worden.

lein erschien traurig und

Eie al­

niedergeschlagen,

wie ein unfruchtbarer Stock unter den frucht­

bringenden Wcinstöcken.

Mit welchem Tri­

umph übersah jezt die ehrwürdige Erz-Mut­

ter ihre zahlreiche Nachkommenschaft. Mehr als fünfzig sezten stch zu Tische, die ihr

Daseyn ihr zu verdanken hatten. Rechten saß ihr Sohn.

Zu ihrer

Unter den Waffen

grau geworden, war er als Befehlshaber

mit dem Phönix geziert, und erzählte fei-

2u8

nen

U messen

Kriegs,

die

Thaten

indessen sein

des persischen

Echwestersohn,

der

schon in seiner Jugend zum Dienst unfähig wurde, und mit ehrwürdigen warben ge­ ziert in seine mütterlichen Hallen zurückge-

kehrt war, mit einem Seufzer aus seine Krücke

zeigte, und seinem jungen DTcften sein überflüssiges Schwert versprach. «
»Ach, nie ohne Seufzer denke

ich an

dortigen

ihren

Doch

Aufenthalt.

Ihr seid unschuldig daran, Ihr konntet den traurigen Dorfall nicht voraussehen «

Zitz Allan war im Begriff die Gerech­

tigkeit des Fürsten zu loben, denn der höf> liche Fitz Allan ließ keine Gelegenheit un»

benuzt,

wo er ein Kompliment anbringen

konnte,

als das Jauchzen und Frohlocken

des Volks die Gesellschaft an die Fenster

rief.

Camilla, von dem jungen Adel des

Hofes begleitet, kam eben von der Jagd

zurück.

Fitz Allan

Landsmännin ,

und

erblickte

kaum

Todesbläffe

feine

bedeckte

n4 sein Gesicht, seine Knie zitterten, und sinn-

log

und

ohne

stürzte

Bewegung

er zu

Boden. Oer Kaiser, der neben ihm stand, konnte seinen

Fall

nicht

Oie Hofleute

hindern.

sprangen zu seiner Hülfe herbei, und brach­

ten ihn zu Bette.

Man schrieb seine Un­

päßlichkeit der Hitze der Witterung zu, doch

als er wieder zu sich kam,

schien er finster

und gedankenvoll.

Oer Kaiser und der Erbprinz besuchten ihn in seinem Zimmer,

er sprach wenig,

heimlicher Kummer schien an

zu nagen.

seiner

und

Eeele

Man konnte ihn durchaus nicht

überreden zu der Gesellschaft zurück zu keh­

ren, und die.folgende Nacht hörte man ihn beständig in seinem Zimmer auf und abgc-

hen,

und mix sich selbst sprechen.

sehr spot- ehe

Es war

er flch zur Ruhe legte,

und

als ihn der Erbprinz den folgenden Mor-

gen besuchte, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen, fand er ihn noch im Bette.

Camilla begleitete den Prinzen bei diesem Ntorgenbesuch, den er ihrem Landsmann ab-

fiattete.

Selbe sezten fich ruhig neben sein

Lager, und Kwarteten sein Erwachen.

Fitz Allan

scheint von

chen Xroufti beunruhigt.

und her^

einem fürchterli­

Er wirft fich hin

»Hülfe, Hülfe! schreit er endlich

laut auf; rettet sie! sie finkt!« — Er springt

aus dem Bett, ergreift Camilla um den Leib,

und eilt mit ihr nach dem andern Ende des Zimmers. »Ich bin zu schwach, sagte er, ich kann fie nicht retten;« er läßt sie nun loß,

und indem er selbst zu Boden fällt, erwacht er aus seinem Traum. Firnos bringt ihn wieder zu Bett.

Er

schlägt die Augen auf und erblickt Camilla. Mir fürchterlicher Stimme ruft er auS: »Ihr Geist, ihr Geist!« und fällt ohnmächtig zurück.

ti6.

Camilla eilt nach Hülfe, indessen erhöhst

er sich, und bittet, man möchte ihn mit dem Prinzen allein lassen. -»Ob ich gleich fürchten muß, sagte er, frag Ihr jezt eine verächtliche Meinung, entweder von meinem Kopf , oder meinem

Herzen fassen werdet,

so muß ich doch der

wiederhohlten Ermahnung von Oben gehor­ chen, und Euch ein Geheimniß von der höch­

sten Wichtigkeit entdecken.

Seit gestern be­

finde ich mich in einem so fürchterlichen Zu­

stand , daß ich beinahe eine G erstes er sch ütterung fürchten möchte.

Don jeher hatte ich mehr Hang zu Skep­ ticismus

als

zur

Leichtgläubigkeit,

doch

war es immer mein Wunsch zwischen die­ sen beiden Felsen hindurch zu steuern.

Die

Möglichkeit eines Geistes kam mir immer

wie ein kindischer Popanz vor,

aber eine

Erscheinung, die mir seit meiner Ankunft

•!7 zweimal hier vorgekommen ifl, fyat bat Geblinde meiner Grundsätze ganz umgcworfen.

Leider ist

eS mit mir so rocit gekommen,

daß ich fürchten muß, Ihr könntet meinen

Verstand in Verdacht haben.

Doch Eure

Gerechtigkeit wird mich von aller überleg­ ten Bosheit frei

sprechen,

und ihr werdet

mir zugestehn, daß ich an der traurigen Be­ gebenheit, die aus der unglückseligen Vor­ sicht Eurer Murrer entsprang, ganz unschul­ dig bin.

,

Das Tagebuch der Prinzessin hat Euch

schon die Verwirrung beschrieben» meinem

Schloß Herrschte,

als

die in

mag Eure

kleine Schwester vermißte, und hat Euch

auch von unsern grundlosen Mukhmaßun-

gen und fruchtlosen Nachforschungen unter­ richtet.

Nach fünfzehn Jahren erhielt ich

von einem vormaligen Bedienten der Fa­

milie diesen Brief.«

2lö Hochwohlgebohrner Herr? Gnädiger Herr!

Eure Gnaden werden geruhen die Freimüthigkeit dieses Briefes zu verzeihen. Sie

wissen daß der alte Griesgram, wie Eure Gyaden mich zu nennen pflegten,

nie ein

Schmeichler war, und nun, da er älter ge­ worden ist, ist er auch mürrischer geworden; auch habe ich jezt weit weniger Interesse

als je Euer Gnaden zu schmeicheln.

Oie Gunst Eurer Hochwohlgebohren be­ saß ich nie, und die Wahrheit zu gestehe»

verdiente ich sie auch nicht.

Stundenlang

hielt ich mich öfters in der gothischen Gal­

le rie auf, und betrachtete die Aamiliengcmälde.

Dieser Dube, dachte ich, hat weder

die Augen rroch die Nase seines Geschlechts. Wem ist er denn sonst ähnlich, dieser un­ erwartete Gast, der zwey Monate zu früh

zum Vorschein kam? Ich weiß wer ein best

2tg

sereS Recht hat als er, den Oujmen Fitz Ak« san zu führen. — Doch genug davon. —

2i3ic schon gesagt, nicht Eure

mein Interesse verlangt

Gnaden

zu

konnte (Sie nie leiden,

schmeicheln.

Ich

und dennoch wollte

ich nicht grob gegen Eure Gnaden seyn.

Derjenige, welcher so viel Recht hatte Ihr ganzes Eigenthum, Ihr Alkes zu

besitzen,

och! der ist nicht mehr! Sein freudenloses Le­ ben endigte sich mir einem schmachvollen Tod. Ich will

ob

ihn nicht Ihren Bruder nennen,

er gleich

der Sohn

meines

gnädigen

Herrn war, und ihm so ähnlich sahe als ob

er

ihm aus den

Augen geschnitten

Sie werden sich rwJj des nern ,

wäre.

Findlings erin­

der als fiinb mir den jungen Herr­

schaften spielte.

Eure Gnaden waren zwar

älter als er, aber er war lange ein Gesell­

schafter Ihrer Herrn Brüder,

ein unterthä-

niger Diener einer untergeschobenen Brut,

und ein Findling im Hause seiner Väter. Nach

dem

Tode

meines

fertigen Herrn

wurde er ohne einen Freund, ohne einen Schilling, ohne ein Obdach zu haben, in die

weite Welt gestoßen.

Eure Gnaden nah­

men einen neuen Haushofmeister an,

ich trat in die Dienste des

und

Lords 23** *.

Von meinem dürftigen Lohn unterstüzte ich den verlassenen Jüngling.

Ich hätte ihm

gern eine Stelle in irgend einem Amte ver»

schäft, oder ihn als Sekretär bei einem Ca-

valier empfohlen, seine Erziehung war aber zu sehr vernachlässiget worden,

kaum

schreiben.

ec konnte

Umsonst versuchte ich es

ihn irgendwo als Kalnmerdiener unter zu

bringen,

er war

endlich

die

gezwungen

Stelle eines Bedienten anzunehmen. edle Blut der Fitz Allan's floß in

Das seinen

Adern, und doch mußte er Livree tragen.

Seine gnädige Frau bekam Lust die Rolle

-e- Potifar'S Gemahlin Zuspielen; unglück­ licherweise war sie entweder schöner als jene,

oder der Jüngling von einem weniger kal­ ten Temperament als Joseph;

genug

er

wurde ertappt und vor den Richter geführt,

-er ihn zu einer Geldstrafe von vier tau­ send Pfund verdammte.

Eine solche Strafe

war für einen Bedienten so gut als lebens­

längliche Einkerkerung,

denn wo sollte er

das Geld hernehmen? Er wurde auch wirklich, da er nicht zah­

len konnte,

in das Gefängniß geworfen.

Seine Mutter, meine arme Schwester (Eure Hochwohlgebohren

werden

sich

noch

der

Betty Perkins erinnern, die bei meinem fee-

tigert Herrn

so

lange

als Haushälterin

diente, und die sogar während einer Zeit

zufrieden war, bei ihm ohne Lohn zu die­ nen), starb mit gebrochenem Herzen.

Auf

Sterbebette versprach ich ihr,

daß

ihrem

obgleich der Vater seinen Cohn wie ein Bettler verlassen

hatte,

ich doch

meinen

Neffen nie verlassen wollte.

Ich entschloß niich alles zu wagen, uni ihm seine Freiheit zu verschossen.

Ntt'ine

Schwester war mir zu theuer, und ich liebte ihren

Cohn.

Oer Lord,

mein

gnädiger

Herr, hatte mir eine Summe Geldes an­ vertraut; ich wurde zum Derräther.

Der

Himmel verzeih mir, es war das erstemal,

daß ich je eine Ungerechtigkeit ausübte. Ich benuzte diese Summe, um die Geldstrafe

zu bezahlen und meinen Neffen in Freiheit

zu seyen.

Oas Geld wurde vermißt; ich

wurde ins Gefängniß geworfen, sobald aber

mein Herr den Bewegungsgrund des Dieb­ stahls erfuhr, war er großmüthig genug,

ftd) für mich bei dem Oberrichter zu ver­ wenden , und ich wurde nur zu den Galee­

ren verdammt.

22j

Mein Neffe

hatte jedoch lange genug

im Gefängniß gesessen, um seine moralischen

Grundsätze zu

verderben,

doch blieb sein

Herz gut, und die Undankbarkeit war nicht mit unter seinen Untugenden

Das Blatt

hatte sich gewendet, ich saß nun im Gefäng­

niß und er war frei; Nähe,

er blieb aber in der

und arbeitete Tag und Nacht, um

mir jede Bequemlichkeit zu verschaffen, die mir meine traurige Lage versüßen konnte. Nlan hätte sagen können, daß er, nicht ich,

wie ein Galeeren-Erlave arbeitete. Einst kam er in der Abenddämmerung

zu mir, zog einen Schlüssel hervor, schloß meine Ketten aus und rief:

»Fort, fort!

keine Fragen ! keinen Augenblick oerlohren! Fort! Oie Flucht muß uns retten!« — Sie können leicht glauben,

daß ich keine Auf­

munterung zur Flucht nöthig hatte.

Bald darauf erfuhr ich, daß Eure Gna-

224

den einen Bedienten verabschiedet

halten.

Ich entdeckte meinem Neffen den Namen

seines Vaters, und rieth ihm, sich um Sicfc Stelle zu bewerben.

»Geh, sagte ich. Du

wahrer und rechtmäßiger Fitz

untergeschobene

Allan:

der

Fremde, der von Deinem

Eigenthum schwelget, ist eben so

gut ein

Hahnrei wie sein Vorfahr. Seine Ehehälfte steht auch die Livreen nicht ungern. such Dich zu

empfehlen.

Lege

die

Geh!

Eyer

wieder in ihr altes Nest «

»Nein, sagte er, nein, bin ich wirklich

ein Fitz Allan, so werde ich mich meiner Vorfahren nicht unwürdig erweisen.

2ßie

konnte ich das Wappen am Knopf oder aus

dem Ermel tragen, das an meinem Credenz« Tisch oder an meinem Wagen glänzen sollte.

Nicht List, sondern Kühnheit war der Cha­ rakter unseres Hauses,

Adern stießt edles Blut.

und auch in diesen Ich hatte von. je­

her

225 eine Ahndung, daß ich von erhabner Geburt wäre, denn ich konnte mich nie vor einem Im Gefängniß lernte ich

Hähern beugen.

einige brave Kerls kennen, und ich bin jezt ein Räuber Hauptmann.«

Ich erfuhr nun , daß er mir meine Frei­ heit dadurch verfchaft

hatte,

daß er den

Galeeren - Meister mit einem OiamantenRing bestach, der ihm einst bei einer nächt­

lichen

Expedition als

Antheil der Acute

zufiel.

Ich

will weder meine

Ermahnungen,

noch feine Gründe wiederhohlen,« um mich

zu bewegen

mit zu ihrer Rotte zu treten.

Oer Entzwcck

meines Schreibens

ist gar

nicht, um mir die gute Meinung Euer Hochwohlgebohren zu

gar eine Zeit, daraus

gemacht

erwerben.

Es war so­

wo ich mir ein Vergnügen hätte, Ihnen alles

nur

mögliche Übel zuzufügen, und so lange ich

Dao par. d. L. 3c Dd.

P

226

lebe, werde ich Ihnen nie gut werden.

Oer

Sohn meiner Schwester mußte den Namen

Allan fuhren,

und Sie — Gott weis

wie Sie heißen sollten. Habe ich aber nicht

Ursache genug Sie zu

Kurz, ich

hassen?

vereinigte mich mit den Räubern, und un­ sere erste nächtliche Unternehmung war wi­ der Allan's-Castel gerichtet. Wir hatten unsere Kerls in dem Park

versteckt, und auf ein gewisses Signal soll­ ten ste stch dem Hause nähern.

Mein Neffe

und ich, die wir jeden Winkel im Schlosse

kannten, schlichen uns in dec Abenddämme­

rung vom Pförtner unbemerkt, hinein.

Als

wir über eine Gallerie gingen, stel mein Neffe vor dem Gemälde meines

seeligen

Herrn auf die Knie,

und bat um seinen

Beifall und Seegen.

In

erblickte er auch

dem Augenblick

Ihr Portrait; wüthend

stand er auf, und ich konnte ihn kaum da-

L2?

von abhatten, es von der Wand zu reißen. W>r hörten Fußtritte, nicht entdeckt zu

und eilten fort, um

Endlich kanten

werden.

wir an ein Zimmer, das wie wir glaubten,

Ihrer Frau Gemahlin gehörte. JHein liesse kroch unter das Bette, und ich verbarg mich

hinter einem altmodischen Schirm. Nun errathen Eie wohl, und wenn Sie noch irgend eines menschlichen Gefühls fä­

hig find, wird es Ihr Herz rühren, daß der Jüngling, der im Zimmer der Dame ent­

deckt wurde, der Sohn, nicht Ihres Vaters, (denn wer war Ihr Vater?) sondern Ihres

Wohlthäters war, dem Sie Ihren Namen, Ihren Rang, Ihr Vermögen, Ihr Alle-

(nur Ihr Leben nicht) schuldig sind.

klage Sie nicht an,

Ich

darum gewußt zu ha­

ben, denn einer solchen Grausamkeit halte ich Sie nicht fähig.

heimniß

seiner

Wenn Ihnen das Ge­

Geburt

bekannt

P -

gewesen

223

wäre, so hätten Sie gewiß Pardon für ihn ausgewirkt. — Aber er verzweifelte selbst, je eine seiner Geburt angemessene Nolle

spielen zu können.

Er konnte seine unwür­

dige Iliedrigkeit nicht ertragen; das Leben

war ihm zur Last.

Oer namIicf)e Muth,

der die alten Ritter, seine Dorfahren, zu Helden stempelte, galt in einem Hausdiet»

als eine enipörende Hartnäckigkeit.

Er ver­

weigerte es, auf die Anklage zu antworten,

runzelte verächtlich gegen feine Richter die Stirn, und hörte sein Todcsurtheil ohne Bewegung aussprechen. Schauervoller Wech­ sel des Glücks! Überführt das HauS seiner

Ahnen betreten zu haben, litt er an dem Ort einen schändlichen Tod, wo er das Le,

ben erhalten hatte; an dem Ort, der wäh­

rend so vieler Jahrhunderte der Sitz ihrer Macht und Herrlichkeit, ja ich darf auch

sagen,

ihrer

Güte und Gastfreiheit ge-

2SA

wesen war. — Doch zurück zu meiner? Ge­

schichte. Sobald die Dame, in deren Zimmer wir

und verborgen hatten, meinen Dressen in ihr Kabinet gelockt hatte, lief sie nach Hülfe.

Ich kroch hervor und wollte meinen Dirffeti befreien, aber die Thür war fest Verschlüssen.

Armer Jüngling, ich mußte dich deinem Schicksal überlassen! Doch das 23eib, dio Urheberin deines Todes hatte einen schla­

fenden Säugling im Bette verlassen.

Ich

hielt die Dame für Ihre Frau Gemahlin, und das Kind für das Ihrige.

Zwiefache

Rache also? Rache für das verwirkte Leben, Rache für das gestohlene Gut meines Ref­

fen! Ich bemächtigte mich des Kindes, sprang mit ihm durch das Fenster, entkam glücklich

und ohne Schaden, warnte dio Räuber, daß sie sich aus dem Staube machen sollten, un-

entfloh nach Boulogne in Frankreich,

i3o Zu Doulogne flieg der Gedanke in mir

auf, daß mir das Kind, als Geissel für daS

Leben meines Steffen wohl nützlich werden könnte.

Ich schrieb drey Briefe

an Eure

Gnaden, und versprach das Kind zurück zu

geben, ich

wenn mein Neffe Pardon erhielte;

bekam aber keine Antwort,

vielleicht

waren sie, da ich kein französisch verstand, unrichtig adreffirt, und Eure Gnaden haben keinen erhalten.

Noll Unruhe

über daS

Schicksal meines Neffen, kehrte ich nach Eng­

land zurück.

Dort hörte ich sein jammer­

volles Ende, und schwor Ihr Kind nie zurück zu geben.

Aus

Furcht

vor der Polizei blieb ich

lange verborgen, und floh von einem Wald

zum andern.

Einst begegnete ich in dem

Walde bei Epham einer Zigeunerin, die be­

schäftigt war ein Loch zu machen, um ein Kind zu begraben, dessen Tod ihr sehr un»

*3i

angenehm h>ar, da sie es gebraucht hatte, um durch sein Schreien Mitleid zu erregen,

und sich

dadurch Almosen zu verschaffen.

Kurz, das kleine Mädchen

wurde mir zur

Last, und ich bot es der alten He^e an, die es mit Freuden annahm.

Erst seit kurzem habe ich erfahren,

das Kind nicht Ihnen,

daß

sondern einer frcm«

den Dame gehörte, die damals in Allan'sCastel zum Besuch war.

Oer Kinderraub

galt Ihnen, denn ich haßte nur Sie allein. Oie Dame hatte zwar den Tod meines Nef­ fen verursacht, aber wenn ich bedenke, daß

sie sich dabei betrug, wie alle andere sich an ihrer Stelle auch würden betragen ha­ ben;

und wenn ich nach meinem Schmerz

über den Verlust meines Neffen,

urtheilen

darf, was sie bei dem Verlust ihrer kleine«

Tochter hat leiden muffen, so bin ich ge^

neigt ihre Schmerzen zu stillen, und alle

Martern, die ich ihr verursacht habe, wie­ der gut zu machen.

Ich

hoffe

also

daß Eure Hochwohlge­

bohren nicht versäumen werden, der unglück­ lichen Mutter die Nachricht

daß die besagte Zigeunerin,

mitzutheilen,

mit einer her­

umziehenden Horde, alle Herbste nach Dexley in der Grafschaft Kent zurück kehrt, wo

sie bei der Heu • und Korn-Erndte Arbeit

ffndet.

Sie trägt eine Narbe an der rech­

ten Schläfe,

und hat das rechte Auge ver-

lohren. In der ganzen Nachbarschaft ist sie

unter dem Namen der Königin von Egyp­

ten bekannt. Ich bete oud dem Grund mei­

nes Herzens für den glücklichen

Erfolg Ih­

rer Nachforschungen wegen des

verlohrne»

Kindes,

Mutter es

und

daß die trostlose

bald wieder an ihr Herz drücken möge. Die Zeit hat meinen Groll gegen Eure

Gnaden zwar etwas gemindert,

doch sehen

(Eie nur durch die Fenster Ihres Schlosses mies» Drin Platz,

wo

der Galgen meines

unglücklichen liessen stand, und fragen Sie

dann Ihr Herz, Ihr

ob Eie einen Wunsch für

Glück und Wohl erwarten können,

von Ihrem

unterthanigst gehvrfan.sten Diener

Eamuel Perl'ins.«

»»Und ivo ist Osva? wo.ist meine Schwe­ ster?« rief FirnoS, der feine Ungeduld nicht

langer mehr im Zaum halten konnte. »«Ach! antwortete Fitz Allan, ich habe ih-

reu Geist gesehen. Doch laßt mich erst meine Erzählung vollenden.

Ich, reiste nach dem

ini 25i iefe bezeichneten Ort, und nach vielen

Icachsragen entdeckte ich die einaugigte Zi­

geunerin.. Ich sparte wed^r Versprechungen

noch Drohungen, und endlich kamen fol­ gende Begebenheiten

an

den Taz.

Sie

234

hatte ein kleines Mädchen geraubt, in der Abstchr,

sie zuerst auf ihren Bettel - Reifen

zu gebrauchen,

und ste alsdenn der Fami-

lie, unter dem Versprechen der Verzeihung und einer großen Belohnung, wieder zurück

zu geben. Dieses Rind starb zu ihrem größ­

ten Leidwesen einige Monate nachher, und ste war eben beschäftigt es zu begraben, als PerkinS ste im Walde traf, und ihr das an­

dere Kind schenkte.

Dieses nun,

hoffte ste

nach einigen Jahren der Familie des ver-

storbnen Kindes anstatt ihres eignen zurück zu geben, und dies war wirklich geschehen.

Eine große Summe Geld hatte diesen ab­ scheulichen Plan belohnt.

dec

Hintergangenen

Eine Dame aus

Familie

hatte

einen

anonymen Brief erhalten, und Eure Schwe­ ster statt ihrer eignen Nichte nach Hause

gehöhlt. Sobald

die Alte dies Bekenntniß vol

235

lendet hatte, fiel fie auf die Knie, und Bat um die Verzeihung ihres Verbrechens. End­

lich versprach ichs sie ihr, im Fall daß sie

mich jezt nicht wieder betröge, und schickte sie unter guter Begleitung nach Allan s Ca­ stet. Indessen besuchte ich einen Freund der in der Nachbarschaft dieser Dame wohnte,

in der Hofnung, von ihm alte Umstände zu erfahren, ehe ich die Abficht meines dorti­

gen Besuchs bekannt machte. Es war ein schöner Herbsttag, als mein

Wagen nicht

weit von

feinem Landsitz,

von einer Jagdgesellschaft in einem engen

Wege aufgehalten wurde.

Als ich meinen

Freund darunter erblickte, stieg ich aus, sprang auf eins seiner Pferde, und jagte

mit. Bei der Gesellschaft befanden fich auch

zwey Damen.

Eine davon, ein fünfzehn­

jähriges Mädchen, begleitete oder vielmehr

t36 führte die kühnsten Jager über die gefahr« lichsten Örter.

Ihr Muth überraschte mich,

ich zitterte für ihr Leben, ob sie gleich sehr

gut ritt. Die altere Dame fing auch an be­

sorgt um sie zu werden, und rief sie zurück. Jezt hatte ich Gelegenheit ihr Gesicht zu

betrachten. Ich erkundigte mich bei meinem Freund wer ste wäre, und war nun über­

zeugt, daß die alte Zigeunerin mich nicht

belogen hatte. .Ja, Prinz, es war Osva, eine so vollkommene Ähnlichkeit hatte ich

noch nie gesehen;

dieselben Gesichtezüge,

dieselbe Farbe, dasselbe dunkelbraune Haar, dasselbe Feuer im Auge,

derselbe Ausdruck

in ihrer Miene, kurz alles was mich an

Eurer Mutter so sehr bezaubert halte, sand ich in ihr wieder vereint.

DHein Freund

stellte mich den beiden Damen vor, ich ge­

sellte mich zu der Tante, aber nichsü konnte

die ^richte zurückhallen. Sie blieb noch im­

mer die Anführerin dec Jagd.

*3?

Während meiner Unterhaltung mit der Tante,

lenkte

ich das Gespräch auf die

Nichte; sie bestätigte die Geschichte, daß sie

von einer Zigeunerin gestohlen, und wieder zurück gegeben worden wäre, und beschrieb

die Dankbarkeit der ganzen Familie bei der

Wiedererstattung eines Kindes, der Erbin eines alten Namens und beträchtlichen Ver­

mögens.

Darauf hielt sie den guten Eigen-

f(husten Der Nichte eine Lobrede,

und ich

fand nachher, daß ihr Verdienst das Lob weit übertraf.

Die ganze Jagdgesellschaft

speiste bei meinem Freund, und ich freute mich Gelegenheit zu haben dos Fräulein zu beobachten.

Ich fand sie nicht nur ver­

ständig , sondern auch gelehrt.

In der Ge­

schichte war sie sehr belesen, sie sprach mit Fertigkeit drey Sprachen, und war mit den

besten Schriftstellern Geistesbildung

und

bekannt; kurz, ihre

körperlichen Dollkom-

s3S

menheiten waren gleich bewundernswürdig.

Ach' FirnoS,

dies

war Eure

Schwester»

und wenn sie keine Nairin gewesen wäre,

so verdiente ste doch eine zu seyn.« »»Warum foltert ihr mich mit Ungeduld,

rief FirnoS.

Was war das Schicksal dieser

unvergleichlichen Schwester? Solche

Doll«

kommenheiten waren in ihr vereint, und ste

ist nicht mehr! Sie, auf ewig verlohren! —

Sprecht! was war ihr Schicksal?« »»Ach! es war grausam. Oie gute Tante

starb;

ihre andern Anverwandten wollten

ste an einem Nichtswürdigen verheirathen.

Die Nacht vorher, sprang ste entweder vorsezlich in einen Fluß, oder stet unglücklicher­

weise hinein, als ste durch die Flucht ihrem bevorstehenden Joch entgehen wollte.«

»»Was, rief FirnoS, Ihr wußtet daß es Osva war,

und konntet den Betrug zuge­

ben? Ihr konntet ruhig zusehcn wie Fremde

»3y fxe mißhandelten? Ihr dachtet nicht daran, wie ihre wahfe Familie über ihren Verlust

trauern muffe?

Als Ilaldor und ich Euch

in London besuchten,

so läugnetet Ihr alle

Kenntniß von

(Schicksal;

ihrem

Feigheit oder Bosheit?

wat dies

Ihr, der Ihr Euch

von Erscheinungen schrecken lasset, ich weiß

nicht,

ob ich Euch

verachten oder verab-

scheuen soll.« »Jüngling, antwortete Fitz Allan, wenn ich auch vor Erscheinungen zittere, so furchte ich doch keinen Lebendigen.

Leichtgläubig-

feit war sonst nicht unter der Zahl meiner Schwachheiten.

Zuerst werde ich mein Be­

tragen vertheidigen, und nachher Euch Eure unbesonnene Sprache — verzeihen.

Mein Herz entschuldigt nicht allein, son­

dern es billigt sogar ein Betragen, daß ich

zwar als Cavalier nicht vertheidigen sann, da

ich

nicht

nur gegen Euch einer Lüge

2-4° fähig war, sondern auch, wie Ihr sagt, ei­

nen Betrug zugab.

Aber darüber hatte

nicht Eure Famile, sondern diejenige welche Osva als ihr eignes Kind erzog, das meiste

Recht zu klagen: und doch meinte ich es mit beiden so gut.

Eure Mutter, aus welchem Bewegungs­ grunde weiß ich nicht, gab sich für eine Ita­

lienerin aus, und möchten doch die unglück­ seligen Folgen die aus dieser einzigen Lüge

entsprangen, jedermann von der kleinsten Abweichung von der Wahrheit abschrecken,

so verzeihlich und unschuldig, so verdienst­ voll und edel sie auch scheinen möge. Nach ihrer Abreise besuchte ich Italien, und bei

meiner Zurückkunft nach London, redete ich

den vorgeblichen Cavaliere in italienischer Sprache an.

Seine Farbe veränderte sich,

er stockte, und wußte nicht was er antwor­

ten sollte; endlich bediente ec sich der elen­ den

den Ausflucht, ^aß er, um flch im englischen

üben,

ein Gelübde gethan hätte, kein

2i3ort italienisch

sprechen.

So oft von

Ika ien die Rede kam, war seine Unwissen­ heit in adcni was das Land betraf zu auf­ fallend.

Ich sprach mit einigen Italienern

voll meiner Bekanntschaft,

die mich verst-

cherten, daß weder eine Familie Rooerbella noch Pellerini zu Florenz existire,

und so

ost Italiener bei mir zur Gesellschaft wa­

ren, vermied Pellerini sorgfältig das Haus. Dies alles bestätigte meine Meinung,

daß

Eure Mutter und ihr Begleiter, ob ich gleich nicht begreifen konnte, warum Leute, die so vermögend schienen, ihren wahren Diamen verbergen sollten,

trüger wären drucks.)

nicht viel bester als Be­

(Verzeiht die Härte des Aus­

Eure Mutter war zwar eine Dame

von den vorzüglichsten Eigenschaften, aber wie oft sind nicht Betrüger mit allen GaDus Var. d. L. Zr Dd.

£X

24ben ausgerüstet.

Ihr Reichthum war viel

leicht nur von kurzer Dauer, und ihr künf­

tiges Schicksal ungewiß. Als ich daher Eure

Schwester als den Liebling und die Erbin einer vornehmen Familie fand, die solche Sorgfalt auf ihre Erziehung wendete, die

sie für ihr eignes Kind hielt, und sie als ihr höchstes Gut schäzte, so beschloß ich, ihnen die Augen nicht zu öfnen, und einen Traum, der ihnen so süß war, nicht zu stören.

Un­

wissend daß Eure Mutter eine indische Prin­

zessin war, (da wir Europäer überhaupt so wenig von Eurem Muttcrlande als von den Ländern im Mond wissen) glaubte ich, daß

Eure Mutter nur noch viel Dank wissen müsse, daß ich die glänzenden Ausstchten ih­ rer Tochter nicht verdarb. Hätte mich Eure

Mutter ihres Zutrauens gewürdigt, so hätte ich mich gleich mit der kleinen Osva nach

Calieut eingefchisfr.

243

Ich behielt daher das Geheimniß in mei­ ner 25ruft vermährt, kehrte zurück, und sezte

die alte Zigeunerin in Freiheit. Das schlechte Betragen der Familie gegen Eure Schwe­ ster,

Ich war in

erfuhr ich erst nachher.

Frankreich als die gute Tante starb,

und

ehe ich zurück kehrte,

war das unglückliche

JUadchen schon todl.

Ais Ihr niitf) zu Lon­

don

war ste

besuchtet,

Monaten nicht mehr.

schon

f.it einigen

Die & nn niß

der

traurigen Wahrheit halte Eum also nichts

geholfen,

und da Ihr immer noch darauf

behartet Italiener zu

wußte,

daß Ihr es

schäfte Euch

dieses

seyn,

obgleich

nicht wäret, wenig

ich

so ver-

Ansprüche

auf

mein Zutrauen. Vielleicht hätte ich Euch, um Eure Wun­

den nicht von neuem wieder aufzureißen,

nie von diesen Umstanden unterrichtet, wenn ich nicht jezt schon zweimal von Oben herab n 2

244 gewarnt worden wäre. Gestern sah ich eine

Osva, als Nairin

Erscheinung zu Pferde;

gekleidet,

von

jungen

dem

indostanischen

Adel begleitet, die ste alle an Vollkommen­ heit zu

übertreffen

schien,

frohlockende Menge,

ritt

durch die

und Osva, hätte ste

einmal ihre mütterliche Luft eingearhmet,

wäre gewiß die Freude des Volks! Heute

Morgen,

als ich eben von einem schauder­

vollen Traum, in welchem ich Eure Schwe­ ster in den Strom unterstnken sah, erwachte,

erblickte ich in diesem

Zimmer den unver­

söhnlichen Geist.

FirnoS!

£),

ich fordere

nicht daß Ihr mir Glauben beimeffen sollt, denn auch ich

selbst habe bis jezt an der

Wirklichkeit -er Geister gezweifelt, und noch

in diesem Augenblick weiß ich nicht ob ich

meinen Augen trauen darf.« Kaum hatte er die leztern Worte aus­

gesprochen, als der Samorin, und die junge Engländerin hereintraten.

*45 Fitz Allan erschrak heftig:

»OSva! Ca­

milla! der Geist? re schrie er laut auf.

»»Sonderbar, flüsterte der Prinz dem Sa«

morin ins Ohr.

für einen Geist, Camilla heißt.

Fitz Allan

hätt Camilla

und doch weiß er daß sie

Armer Mensch!

sein Ver­

stand, fürchte ich, ist dahin ! Ich bedaure

ihn von Herzen, ob er gleich wenig Ansprüche

auf unser Mitleid hat.

Ach,

er hat mir

eine Erzählung gemacht, die Euch erschüt­

tern wird.

Meine unglückliche Schwester

wurde an eine Zigeunerin verkauft, die sie

einer genen

englischen Familie anstatt ihres ei­ Kindes zurückgab.

Man

mißhan­

delte sie, man wollte sie zwingen wider ih­

ren Willen zu heirathen; der Muth einer Nairin erwachte in ihr, sie stürzte sich in einen Fluß und ertrank.«

„Nein, Komm

in

rief

der

Samorin,

meine Arme, Nichte,

ste

lebt!

Tochter

24b

Agalva's.

Deine Ähnlichkeit hat niich nicht

gctäuscht.k-

Oie Freude erlaubte ihm kaum

sie zu

erreichen, um sie in seine Arme zu schließen,

die Spinnen des Entzückens flössen vereint

zusammen.

Firnoö, der sie noch immer für

die Tochter von NIargaretha Montgomery hielt,

blieb in Verwunderung und Zweifel

versunken, bewegungslos

stehen,

und Fitz

Allan wußte nicht, ob er seinen Augen trauen

sollte, als Camilla Harford vor ihm stand. Die Nachricht

lies bald

wie ein Blitz

durch das ganze Schloß. »Es lebe die Toch­

ter Agalva's! Es lebe Osva Agaloina? Es lebe Osva von 3n^°Hon ■“ sü rief das ju­ belnde Volk im Schloßhof, und das Freu­

dengeschrei weckte Firnoü aus seinem

Er­

staunen ; der Oheim und die Nichte fühlten, daß es kein Traum war.

Osva eilte fort um die kleine Dliannn

*47

wie froh rvar ihr mütterliches

zu hohlen,

Herz, als sie die Wärterin von einer erge­

benen Menge umringt fand.

Ihre kleine

Tochter lag bald in des einen bald in des andern Armen, jeder strebte darnach sie zu

liebkosen. Oie Mutter erschien, alles drängte stch um sie;

Küsten.

man bedeckte ihre Hände mit

»Freue dich, Malabar, du

nicht unter einen Blühe

wirst

fremden Scepter fallen!

ewig Geschlecht Samora's! Blühe

in der Nachkommenschaft Osva's!«

Osva kam mit Marina, der zukünftigen

Hvfnung von Indostan zurück.

Oer Kaiser

riß ste aus ihren Armen, und druckte ste an seine Brust.

FirnoS

erzählte nun seiner Schwester,

wie sie von der Zigeunerin

an Cornelia

Northcote anstatt ihrer eignen Nichte ver­ kauft wurde,

und Osva unterrichtete ihren

Bruder, wie ste von Northcote - Park di»

Flucht genommen,

und

bei Margaretha

Montgomery Schutz gefunden hätte.

Welches

Vergnügen

diese Entdeckungen.

eine Schwester,

geivöf; ten beiden

Firnos harte nicht nur

sondern auch in derselben

das Weib gefunden,

das ihm unter allen

Engländerinnen die meiste Hochachtung ein-

geflößt hatte. Und ling von Eornelia

der muthige Zög­ Jrorthrote,

die aufge­

klärte Freundin von I^rargaretha Montgo­ mery , jezt nicht mehr eine Verbannte, die

bei Fremden einen Zufluchtsort gegen die Verfolgungen ihrer eignen

Anverwandten

suchen mußte, jezt nicht mehr das Opfer des

Dorurtheils, war nun ein Mitglied eines freien Landes, eine Prinzessin von kaiserlilichee Geburt, der Stolz ihrer Familie, und

der Abgott des Volks, ein Abkömmling dec

Semiramis, und eine Tochter Agalva's die sie beinahe wie ein höheres Wesen betrach

tet hatte.

949 Die Freude glänzte auf jedem Gesicht,

und belebte jedes Herz, und obschon das Bild seiner unglücklichen Schwester öfters

vor seinen Augen schwebte, so blieb doch auch der Eamorin selbst nicht mehr ganz

untröstlich. Oie Reichsfürsten wurden durch eine Proklamation

eingcladen in

seinem

mütterlichen Saal zu erscheinen, um Osva der Mutter ihrer künftigen Kaiser zu huldi­

gen, und alle Umstände dieser Begebenheit zu erfahren. Der Tag zu dieser Feierlichkeit war festgesezt.

Nach allen Vorkehrungen die man

machte, mußte man seit den Zeiten der rit­ terlichen Gastfreiheit nichts prächtigeres und

herrlicheres gesehen haben.

Oie eichenen

Tafeln sollten sich unter den

rauchenden

Schüsseln beugen, die schäumenden Pokale in der Reihe herumgchen, und die Kano­

nen sollten dem Himmel verkündigen, daß

s5q die liessen der Helden, und die Söhne freier

2I3ci[icr, auf das Glück und Wohl der Rachkommenfchaft Osva's tranken. Aber nicht das prächtige Gastmahl im

Rittersaal allein,

nicht der DürgerschmauS

auf dem Rathhaufe, nicht die Lustbarkeiten

der Dauern in der Oorfschenke,

und auf

der Wiese, stnd die einzigen Kennzeichen

der allgemeinen Freude.

Oie Dankbarkeit

der Raircn muß auf eine edlere Art, auf eine Art ausgedrückt werden, die eines groß­ müthigen Volks wie der Rairen würdig ist.

Oie Hauptzierde einer Prozession auf irgend einem röinifch - katholischen Feiertag, ist oft nicht in dem Schenkel des heiligen (Chri­

stophs, oder in dem Kinderzeug der gebencdeytcn Jungfrau, sondern besteht in einer Reihe Mitmenschen, die die christliche Milde

auü mahomckan.'scher Gefangenschaft erlöset

hat.

Und so muß auch in Indostan jede

Feierlichkeit durch

die Gegenwart einiger

Leiber, die aus den perstanischen HaremS befreit sind, geziert werden.

Am Abend vor dem HuldigungStage, be­

grüßten die Kanonen des Eastels die Krieger, die von diesem Befreiungogefchäft aus Per­

sien zurück kanicn, und die Leibwache trat unter das Gewehr, uni drey Rittern, die den übrigen voraus geeilt waren, die mili­

tärischen Ehrenbezeugungen zu machen. Eie stiegen t on ihren Pferden, und erkundigten

sich

nach dem Großmeister

Man führte

ste

des

Phöniz-.

in den Audicnzsaal des

Kaisers. Der Großmeister war eben zu Ealieut.

Er hatte den unüberwindlichen Fels in der Mitte des Indus, welches der HauptstH des

Ordens war, Verlusten, und war nach Ma­ labar gekommen, um dem Ea worin zu der

Entdeckung seiner Richte Glück zu wünschen.

-52

Oer Großmeister erkundigte sich nach dem

AuSgang der Expedition,

und

ein Ritter

stattete ihm folgenden Bericht ab. »Ihr werdet Euch noch des Abends er­

innern, gnädiger Herr, als wir von unserm

Fels die Boote des Reichs erblickten,

die

über den Indus nach Persien segelten. Oie

Veranlassung dazu verursachte

bei unserm

Orden das lebhafteste Vergnügen, und mit

brennendem Eifer benuzten dreihundert Rit­ ter Eure Erlaubniß, sich mit ihren Lands­

leuten zu vereinigen. Wir landen am feind­ lichen Ufer, unsere Macht reißt wie ein

Dergstrom

alles

unwiderstehlich

mit

stch

fort; unsere Schwerter mähen die Wachen

der Serails nieder;

wir waden durch das

Blut der Verschnittenen bis in die Kerker

des Harems.

Überall ergreifen die feigher­

zigen Muselmänner die Flucht, und aufge­

muntert durch unsern Ilationalcharakter ei-

2Ö3

len die Weiber unsern Umarmungen entge­

gen.

Obschon wie weit inS Land vorgerückt

waren, hatten wir doch noch keinen Verlust erlitten.

Unser Heer anstatt abzunehmen,

nährn immer mehr zu, denn die Weiber, nachdem sie in unsern Armen geruhet und den Erzählungen der Thaten unsrer Kriegs-

Teufe zugehört hatten, wurden, von einem neuen Muth belebt, Heldinnen für die gute Sache.

Eie gaben nicht zu daß wir, wie

die Vorsicht es empfahl, uns zuruckziehn durften, sondern ermunterten uns immer ir­

gend einer gefangenen Schwester oder Freun­

din gleiche Freiheit,

gleiches Gluck zu er­

theilen.

Einst hatten wir das Serail eines mäch­ tigen Mirza mit Sturm eingenommen, und

der folgende Tag war zu unserm Rückzug bestimmt. Es war Nacht, die indischen Krie­

ger und unsere Ritter ruhten in den Armen

254

Ich und diese zwey Ritter, wir

der Liebe.

waren die einzigen, die kein einziges Ißcib

befreit hatten.

25ir gingen im Garten her»

uni, und überlegten unsere Schande. Denn unsere Landsmänninnen unter unser sieg reiches Heer Lorbeern austheilen würden,

hatten wir allein keine verdient. Nein! ru­ fen wir einstimmig, lieber den Tod als diese

Schande.

Wir weckten eine Anzahl Trup­

pen aus und überredeten ste, uns in einer

Unternehmung beizustehn, die ihrem Glau­ ben und ihrer Tapferkeit viel Ehre ma­

chen würde.

In weniger als drey Stunden

waren wir zu Candahar der Hauptstadt des

Sultans angekommen. Es wäre Tollkühnheit gewesen, wenn so eine Hand voll Leute es mit der Dache des

fürstlichen Serails hätte airfnehmen wollen, cs war unser Dorsatz bloß den Harem ir­ gend eines Privatmannes anzugreisen, und

S55

ehe der Morgen graute mit den von rrnS befreiten Weibern nach

der

Hauptannee

zurück zu kehren.

OaS Glück gab unserm Vorhaben eine andere Wendung.

In der Dorstadt begeg­

neten wir drey Sclaven aus dein Serail des Sultans.

Wenn diese Lärm machten,

so war es um uns geschehn, wir steten so« gleich, über sie her, und bohrten sie mit Un«

fern Dolchen nieder.

Plötzlich faßte einer

meiner Nlitbrüder den kühnen Gedanken, uns ihre Sclaventracht anzuziehen, und in

dieser Verkleidung in den Palast zu drin«

gen.

Augenblicklich waren wir aus - und

angezogen.

Die Wache ließ uns ungehin­

dert durch, wir gingen durch eine Reihe von

Höfen und Sälen; überall herrschte eine Todesstille,

kein Laut als der Wiederhall

unsrer Fußtritte,

keine Stimme als das

Losungswort dec

Verschnittenen,

die in

256 den Gallerien des innern Harems ihre dritte

Wache hielten. Als wir uns der Thür näherten, wnrde

sie von innen aufgeriegelt, wir verbargen unS hinter den Pfeilern.

Es kamen zwep

Stumme aus dem innern Harem, die einen

schwarzen Verschnittenen mit sich schleppten, und nachdem sie ihm einen Strick um den Hals gelegt hatten, waren sie eben im Be­

griff ihn zu erdrosseln.

Wir stürzten aus

unserm Schlupfwinkel hervor, und die Stum« men fielen unter unsern Dolchstichen.

befreite den zitternden

seiner Schnur. wenn

du

deine

Ich

Verschnittenen von

»Nein Haffan,

Derrälherei

sagte er,

gut

machen

willst, so rette den Prinzen; ist es der Wille des Propheten, so laß mich sterben! Warum

willst du mich in dieser Jammerwelt zurück halten?»

»Narr!

rief einer von uns,

glaubst du

denn

25?

denn daß du im Paradies so gern gesehen

wirst?

Hat dein Prophet ein Mittel dir

deine Mannheit, sowohl als die Jungfer­ schaften der HouriS wieder herzustellen?«

Er blickte auf und sah sich unter Frem­ den.

Wir entdeckten ihm und, und unsern

Vorsatz. Er fiel auf die Knie und bekannte

uns, daß er vom Sultan den Befehl erhal­ ten habe, einen von feinen jüngsten Brü­

dern zu erdrosseln.

Da er aber den Prin­

zen gerettet habe, so sollte er selbst diesen

Tod

sterben.

Oie Sclaven, deren Kleider

wir trugen', und für welche er uns anfäng­ lich gehalten hatte, waren eben nach der

Vorstadt abgeschlckt, um den armen Jüng­

ling aus seinem dortigen Zufluchtsort f?erzuschleppen. fort,

»Ich weiß, fuhr der Schwarze

daß kein Verschnittener von Euren

Landsleuten Mitleid hosten darf.

nicht um

Ich bitte

mein Leben, denn ich wünsche

Das Par v. L. 3r Bd.

R

258

nicht zu leben; aber rettet den Prinzen aus

den Händen seines grausamen Bruders.« Wir befohlen dem Verschnittenen uns zu

gingen wieder durch

folgen,

die Wachen

ohne entdeckt zu werden, holten den Prinzen aus seinem Zufluchtsort, vereinigten uns

dann mit unsern Kameraden in der Dor­

stadt,

und ehe die Sonne aufstieg, waren

wir schon auf dem Rückweg nach der Haupt­ armee. Nun, gnädigster Herr, müssen wir unter thänig um Eure Verzeihung bitten, da wir

in zwey Punkten wider die Regeln unsers Ordens gesündigt haben. Erstlich haben wir einen Muselmann gerettet, anstatt die Wei­ ber die unter dem mahometanischon

seufzen,

zu befreien.

welche daraus

Aber

Joch

die Vortheile

entspringen können,

wenn

ein perstschec Prinz nach nairischen Grund­ sätzen erzogen wird, und die Betrachtung,

s5g daß der Bruder des Sultans eines Landes,

wo Revolutionen so häufig geschehen, uns einst eine wichtige Geissel werden

mit welcher

Weiber

eine Menge

wir wenigstens

loskaufen

können,

könne,

verleitete uns

von unsrer Pflicht abzuweichen.

Oer Prinz

ivird bald nnt den Übrigen ankommen. Ver­

zeihet uns auch zweitens unsern Ungehor­

sam gegen das Gesetz, das jeden Verschnit­ tenen, der innerhalb eines Harems entdeckt wird,

zu einem augenblicklichen Tode ver­

dammt. Oie Menschenliebe, die dieser Elende

bewiesen hatte, und die in diesen verächtli­

chen Geschöpfen so selten ist,

bewegte uns

ihm eine Frist zu gestatten, bis Euer höch­ ster Wille sein Schicksal entschieden habe.« Mit feierlicher Stimme sprach der Groß­

meister die Ritter von der Strafe des Un­ gehorsams los, sonst würde keiner von ih­ nen es gewagt haben, fich dem Boudoir ei-

R 2

a6o

ner großmüthigen Ilairin zu nahen,

unfr

keine Dame von Ehre würde sie ihrer Unp armung werth gehalten haben.

Als Freund gab er ihrem Muth nachher

daS verdiente Lob, und befahl daß man den Verschnittenen, der zitternd im Dorsaal war­ tete, vorführen solle.

Kein Abkömmling Abrahams hätte schwer­ lich in der Gegenwart des Großinquisitors zu Lissabon solche Kennzeichen der Furcht verrathen.

Er bebte wie Espenlaub; seine

Knie beugten sich nicht aus Höflichkeit, son­ dern die Furcht drückte ihn nieder, und er

lag in den Staub ausgestreckt. Seine Augen waren an den Boden geheftet, und es dau­

erte lange ehe er sie aufzuheben wogte, und die Entdeckung machte, daß der Großmeister des Phönix- Ordens keinen Pferdefuß hatte,

wie er immer von den rechtgläubigen Bon­ zen von Perlen vorgestcllt wird.

261 Der Großmeister nahm ihn sehr gnädig

auf, konnte ihn aber nicht überreden auf^tp

stehen,

bis er ihm feierlichst Pardon zuge­

sichert hatte.

»Ich

habe unter

Eures

Gleichen

viel

Elende gefunden, sagte das Oberhaupt des Ordens, Elende denen

die höchste Schande

eine Ehre ist, die stolz auf das niederträch­ tigste Amt unter den Menschen,

sogar we-

gen ihrer Treue, der einzigen Tugend, deren

sie stch rühmen können, verächtlich sind, weil sie aus einer verdorbenen Quelle von Neid,

Eifersucht,

und

Verzweiflung

entspringt:

welche die Auswürfe beider Geschlechter stnd, und nach Rache gegen beide lechzend,

stch

freiwillig vor der Tyrannei des stärkeren beugen,

wenn

ste nur seine

Helfershelfer

wider das schwächere werden können:

die

den Vorrang, den ste in ihren Stellen ge­ nießen, blos ihrer Unvollkommenheit

und

2-2

Häßlichkeit

schuldig

sind;

sie zu leben unwürdig,

geschäzt

weil

sind sie die ewigen

Schildwachen an den Thoren des Harems,

härter noch als die Schlösser und Riegel derselben, und als Werkzeuge der Eifersucht

ihrer Herren rühmen sie sich langer Dienst­ jahre in ihren entehrenden Stellen.

Solche

abscheuliche Unholde habe ich immer, so oft ich Eure Landsleute anstel, meiner Pflicht und meinem Abscheu aufgeopfert. Aber Ihr,

dessen Oenkungrart so erhaben, wie Euer

Beruf verachtungswürdig ist, dessen Betra­

gen so edel und dessen Herz unter der Selaventracht mit solcher Großmuth schlägt, wer seid Ihr? Ntüßte nicht Eure vollkommene

Seele aus ihrer mangelhaften Wohnung zürnend entstiehen? Was hat Euch zu die­

ser uneigennützigen Handlung bewogen, die unsere entblößte Schwerter von Euch ablei-

tete,

und einem Verschnittenen Anspruch

263 auf die Bewunderung der Nairen giebt? Man hat Euch der Rechte eines Menschen

beraubt, und doch besizt Ihr so viel Men­ schenliebe.

Sprecht, Euer Erbfeind bittet

Euch die Quelle dieser Widersprüche aufzu­

klären.« Nach vielen Aufmunterungen sing der schwarze Verschnittene an wieder Muth zu

schöpfen, und da die ganze Gesellschaft ihn

mit Lobeserhebungen überhäufte, wagte er es endlich feine Lippen aufzuthun, um dem

Oberhaupt

des Ordens eine Antwort zu

geben. »Dieses Lob, sagte er, übertrifft meine

Verdienste. Eine lange Übung meines Amts

hat nicht mein Herz abgehärtet. Oer Schnee des Alters ist noch entfernt, der allein mein

innerliches Feuer auslöschey kann. Ach! wie

oft empfinde ich jene zärtliche Gefühle ohne sie einstigen zu können, und dieser Gedanke

macht mich vollkommen unglücklich.

alle

meine

elenden

Euren Haß.

Mitleids,

I7icht

Mitbrüder verdienen

uns

Diele von

sind

Eures

aber leider eines Mitleids das

nahe an Verachtung gränzt, werth. 9Tur das Alter *) sezt uns in den Stand

Tyrannen zu werden.

Wenn die unruhige

Zeit der Jugend vorüber ist, folgt eine To­ desstille.

Alsdann wird vielleicht der graue

Verschnittene fähig seyn,

die Weiber mit

Gleichgültigkeit anzusehen, ihre Verachtung sogar mit Zinsen zu bezahlen,

und ihnen

alle Martern die sie ihm verursacht haben zu vergelten.

Er wird

die Männer zum

sich erinnern, daß

Herrschen gebohrcn sind,

und glauben, durch die Ausübung seines An-

sehns seine Mannheit wieder zu erhalten. Er wird die Weiber vielleicht hassen, wenn

er sie

ohne Empfindungen ansehcn kann,

•) Montrscnricu's persische Briefe.

265 und seine Vernunft ihm

ihre Schwächen

Obschon er sie blos für andere be­

zeiget.

wacht, wird er ein heimliches Vergnügen fühlen sie gegen seine Befehle gehorsam zu

sinden.

Der Harem ist ein kleines Reich,

und seine Wichtigkeit beruhigt seinen Ehrgeiz, jezt seine einzige Leidenschaft, er wird

sich vielleicht ein Vergnügen daraus machen

ihre

unschuldigsten

Vergnügen zu

und unerbittlich gegen den

stören,

kleinsten

ihrer

Wünsche seyn; er wird es sich für ein Ver­

dienst anrechnen ihren Haß zu erregen, denn ihr Haß ist für uns Verschnittene in den Augen unsers Herrn die größte Empfehlung.

Ein alter Verschnittener kann hoffen diesen

Grad

von

Unempfindlichkeit zu

aber nichts so der jüngere. meine Leiden gewesen,

erreichen,

Wie groß sind

seitdem mein Herr

zuerst den" grausamen Entschluß faßte, mir seine Weiber anzuvertrauen, und mich durch

Drohungen und Versprechungen dahin brach

te, auf meine Mannheit Verzicht zu thun. Ermüdet von dem beschwerlichsten Dienst, willigte ich ein, meine Leidenschaften der

Ruhe und dem Glück aufzuopfern.

Ach?

ich dachte nur an die Delohnung und nicht

an den Verlust.

Ich hofte von dem Ver­

langen nach dem Genuß der Liebe, durch die Unfähigkeit ihn zu befriedigen befreit zu seyn. Doch ach! nur blos die Werkzeuge der Leidenschaften, nicht ihre Ursachen war in

mir getödtet.

Und weit entfernt ruhig zu

seyn, fand ich mich beständig mit Gegen«

standen umgeben, die sie immer mehr ausi reizten.

Ich trat in den Harem ein, wo

alles was ich sahe mir meinen Verlust nur

noch empsindlicher machte.

Jeden Augen­

blick wurde meine Phantasie erhitzt, tausend

natürliche Reize schienen sich blos meinen

Augen darzustellen, um mich noch unglückr

2§7 sicher zu machen.

Ich hatte immer einen

glücklichen Mann vor mir, der den höchsten Genuß der Liebe schtneckte,

ein

Weib

zu

dem

und so oft ich

Lager meines Herrn

führte, und sie entkleidete, so oft kehrte ich

in

meine Kammer,

entweder

vor Rache

brennend, oder in Verzweiflung versunken zurück. Mit

Kummer

und

Verdruß

beladen,

hatte ich keinen Vertrauten, in dessen freund­ schaftlichen Busen ich sie ausschütten fonnfeG

und mußte also meine Quanten verbergen.

Gegen dieselben Weiber,

die meine Augen

so zärtlich betrachteten, mußte ich den Blick

der ernstesten Strenge annehmen. Ich wäre

verlohren gewesen, Bewegung

sehen

hätten sie meine innere

können,

denn

welchen

Nutzen würden fle nicht aus meiner Schwä­

che gezogen haben.

Ich entschloß mich ihr

Tyrann, zu seyn, sobald ich meine Neigung fühlte, ihr Anbeter zu werden.

□6S Aber auch ich für meinen Theil habe der

Unruhen und Beschwerden nicht rocrrig ge­ habt, denn die rachsüchtigen Weiber bezahl* ten mich für die,

so ich ihnen verursachte,

und zwischen uns war eine beständige Ebbe und Fluth von Herrschaft und Gehorsam.

Eie veranstalteten es immer so,

daß jede

niedrige Beschäftigung auf mich stet, ließen mich wohl zehnmal des Nachts wegen der

geringsten Kleinigkeit aufsteigen. Ich wurde beständig mit Befehlen, Aufträgen und wun­ derlichen Einfällen überladen, sie schienen sich einander abzulösen, um mich immer in

Übung zu erhalten, und mir keinen Augen­ blick Ruhe zu gönnen.

Sehr oft täuschten

sie mich mit falschem Zutrauen, denn bald hatte die eine einen jungen Mann nahe an der Mauer des Serails gesehn, bald die

andere

ein Geräusch gehört,

Bries empfangen.

oder einen

Alles dieses mußt? mich

s6g natürlich beunruhigen, und wenn sie mich nun lange genug gequält hatten,

sie mich aus.

sie stch als ob ste krank und

wären,

lachten

Zu einer andern Zeit stellten

ohnmächtig

oder als ob sie stch sehr fürchteten

allein zu seyn, und hielten mich Tag und Ilacht hinter der Thür.

Genug es fehlte

ihnen nie an tüfteln mich zu plagen, und bei

diesen Gelegenheiten mußte ich ihren

Launen blinden Gehorsam leisten, denn wenn

ich nur einen Augenblick angestanden hätte ihnen zu gehorchen, so hatten sie die Macht

mich zu strafen.

Doch dies ist noch nicht alles.

Ich war

keinen Augenblick der Gunst meines Herrn gewiß, denn ich hatte zu viel Feinde in sei­

nem eignen Herzen,

die meinen Untergang

gern bewirkt hatten.

Diese Weiber hatten

ihre Augenblicke, wo ich nicht aufmerksam genug seyn konnte, wo ihnen nichts abge-

-70

schlagen

wurde,

und

ich immer

Unrecht

hatte. Wenn ich meinem Herrn ein erzürntes

Weib zuführte, so hatte ich alles von ihren Thränen, (Seufzern, von ihren Umarmun­

gen und von

dem Vergnügen, das sie ihm

verschaffte, zu fürchten. Auf diesem Kampf­

platz war sie

ihres

Sieges gewiß.

Ihre

Reize wurden mir fürchterlich, und ihre ge­

genwärtigen Dienste löschten meine vergan­ genen aus, und nichts konnte mir die Gnade

meines Herrn versichern, der nicht mehr sei­ ner selbst mächtig war. Wie oft bin ich mit seiner Gnade zu Dette gegangen und

mit

seiner Ungnade

aufgestiegen! Einst war ich nahe daran un­ verdienterweise

was war

gegeiffelt zu werden,

mein Verbrechen?

bene Sultan lebte zu der Zeit noch,

ich brachte ihm ein Weib

und

Oer verstor­

und

in seine Arme

Er hatte befohlen daß einige Perlen unter

seine Weiber

auSgetheilc

werden

sollten»

und diese Favorite glaubte, ich hätte ihr die schlechtesten gegeben.

Sobald als sie ihn

nun erhitzt sah, vergoß sie eine Fluth von sie beklagte sich über mich,

und

wußte ihre Klagen so gut einzuleiten,

daß

Thränen,

sie sich immer in demselben Maas wie feine Begierden stiegen, vermehrten. Ich war an

dem Rand des Verderbens, wenigsten

erwartete.

als ich es am

Ich wurde vor

ihn

gefordert. Oie boshafte Favorite saß

auf einem

Ruhebette, Don. welchem die Kissen hier und

da im Zimmer zerstreut lagen.

Mein Herr

wollte sie in seine Arme schließen,

sie stieß

ihn aber zurück, eine hohe Rothe färbte ihre

Wangen,

und ihre Schönhelle wurde durch

diesen Widerstand nur Umsonst hatte

Noch hinreißender.

er versucht ihr das Kleid

«72 auSzuziehen, dessen leichtes Gewebe den Um­ ohne seine Reize

riß ihres Körpers deckte,

zu verbergen. Hier und da war es von sei­

ner llngeduld zerrissen,

und diese Stellen,

die eine schneeweiße Haut sehen

ließen,

wurden von seinen begierigen Augen t>m schlungen, und von seinen brennenden Küs­ sen bedeckt.

»Nein erst haltet Euer Wort,« sagte sie,

und versuchte aufzustehea. Seine

Gerechtigkeitsliebe schwieg.

Ec

gab das unglückliche Zeichen, die Sclaven

warfen mich auf die Erde, zogen meine Aüße

zur Bastonade

in die Höhe, und

schwangen schon die schreckliche Peitsche, als die Mutter des Prinzen Abas hereintrat.

Ach, gnädiger Herr, eine solche Frau haben diese klugen nie gesehen.

Sie besaß

eine solche Würde, etwas so majestätisches in ihrem Wesen, daß der Sultan vor ihr

wie

a?3 wie ein Kind bebte, und sogar Selim, der

strenge Verschnittene nicht das Herz hatte ihr ins Gesicht zu sehen.

Und Zelida war

so schön, so schön wie die Weiber deS Pro­

pheten, aber auch der Prophet selbst — Gott

verzeih mir — würde sich vor ihr gefürchtet haben, und doch war sie so gut, hört nur,

wie gut sie war. Oer alte Sultan der von seiner Jugend an gewohnt war, die Weiber in seinem Ha­

rem blos als Werkzeuge seines Vergnügens zu betrachten, die er nur zu sehr zu beehren

glaubte, wenn er sie zu seinem Lett zuließ, mußte die kleinste Gunstbezeugung von Ze-

lida mit Dank annehmen, oder mit Geduld ihre Weigerung ertragen.

Dies war eine

ganz neue Lehre im Harem,

Sogar die

böse Favorite hatte von ihr ihre eigene Srarke gelernt, und ihre jetzige Widerspün-

stigkcit war nur eine Nachahmung von ZeDos Tar. d. L. 3r Bd.

S

liden.

Mein Herr hatte aufgehört Zeliden

nut seinen Liebesanträgen

zu

verfolgen,

nicht etwa weit er der Reize die er so sel­ ten genoß, überdrüßig war, sondern weil er

zu stolz war, die Gunstbezeugungen zu er­

bitten, die er fordern aber nicht erzwingen konnte.

Es wird Euch befremden, gnädiger

Herr, zu hören,

daß die Stelle eines Ver­

schnittenen eine Ehrenstelle sei.

Wir stnd

eine Art Hofleute, und der welcher die Gunst

seines Herrn genießt,

ist dem Haß seines

Gleichen am meisten

ausgesezt; dies war

mit mir der Fall.

Ich war der Günstling,

und die Nachricht daß ich in Ungnade ge­

fallen sei,

fuhr wie ein Blitz durch das

ganze Serail, und zwei Verschnittene, die

durch meinen Fall zu steigen hoften, wünsch­

ten sich Glück.

Zelida behorchte sie, und

dankbar für die Schonung, mit der ich sie

immer behandelt hatte, entschloß sie sich

375 mich zu retten.

Sie kam eben zu meiner

Hülfe, und warf sich auf die elasiifchen Kif­

fen.

Ihr reizender Dusen hebt sich wallend

empor, die Augen des Sultans weiden sich an den schneeweißen Hügeln, die durch ei­ nen

Nebel von Musielin

heroorscheinen,

und seine Einbildungskraft läßt ihren ver­

borgenen Reizen Gerechtigkeit widerfahren.

Ihre alltägliche Nebenbuhlerin zittert, von dem Dewußtsenn ihrer Unwürdigkcit nieder­

geschlagen.

Oer berauschte Sultan stehet

auf, stößt sie mit dem Fuß aus dem Zim­

mer, und treibt mich und meine Henker nach

ihr hinaus.

Auf diese Art entkam ich der

Peitsche, und der graue Wollüstling kehrte

zu einem Liebeschmaus zurück, wozu ihn das

Mitleid, nicht die Neigung seiner Geliebten einlud.

Bald

darauf schickte

mich der Sultan

nach einem benachbarten Weibermarkt, um

S 2

276

ihm ein paar der fettesten Cirkassierinnen, die ich treffen würde, einzukaufen. sollten ihn,

nach

Diese

der Vorschrift eines jü­

dischen Arztes bedienen,

wie der berühmte

König David sich von den Sunamittinncn

bedienen ließ.

Ehe ich aber zurück kam,

war der alte Sultan gestorben, und

der

jetzige hatte alle Weiber nnd Beischläferin­ nen seines Vaters verkauft, so daß ich das

Schicksal Zclida's nie erfahren konnte.

Oer jetzige Sultan war noch nicht zwey Jahre auf dem Thron, als die Nachricht kam, daß der Schach zu Jspahan ermordet

worden

wäre.

Eine dec Sultaninnen er-

schreckte meinen Herrn beständig mit dem Ge­ danken, daß wohl eine ähnliche Revolution ihm sein Leben und ihren Kindern die Erb­ folge rauben könnte; auch ließ sie ihm nicht

eher Ruh, bis er alle seine Brüder hinrich­ ten ließ, und seine Schwestern an Derschnit-

277 tene ober an alte Hofbeamten verheirathete, von deren Umarmungen keine JTachkomnien-

schast zu fürchten war. Ich

war

meiner Verbindlichkeit gegen

Ieliden eingedenk, und entschloß mich, selbst mit Gefahr meines Lebens, ihren Sohn zu retten.

tan

Ach, wie zitterte ich,

die Köpfe

als der Sul­

feiner zwey und zwanzig

Brüder zu sehen verlangte, aber glücklicher­ weise

gab

er

sich

nicht die Mühe sie zu

Zählen.

Mein Ungehorsam sollte aber nicht lange unentdeckt bleiben, und die Liebe, eine Lei­

denschaft womit Ihr wohl glaubt daß ich

ganz verschont geblieben sei, war die Ur­ quelle dieser Entdeckung. — Ich sehe ein

Lächeln auf Euren Sippen schweben, gnädi­ ger Herr; Eure Leiden.

verbittert nicht noch mehr durch

Verachtung

meine

unaufhörlichen

-7»

Eines Tages,

als ich ein Weib in das

Bad brachte, fühlte ich mich so entzückt, daß ich alle meine DestnnungSkraft verlor, und es wagte, mit meinen Handen Heiligrhurn

der Liebe zu entweihen.

ich wieder zu mir selbst kam,

das

Als

glaubte ich,

daß meine lezte Stunde nun würde geschla­ gen haben, ich,

doch mit Vergnügen bemerkte

daß die Schöne anstatt über meine

Vermessenheit erzürnt zu seyn, mich noch zu großem Freiheiten ermunterte.

nem Wort,

Mit ei­

sobald als alles im Harem

schlief, erlaubte sie mir mich in ihre Kam­

mer zu schlüpfen, und mehrere Monate hin­ durch war ich der begünstigte Liebhaber.«

Oer Verschnittene wurde jezt durch ein lautes Gemurmel unterbrochen, denn so eine

unnatürliche Liebschaft empörte dieMairen. »Ach, diese kurzen Monate waren der glückseligste Zeitpunkt

meines ganzen Le-

279

bens.

Ich war thöricht genug zu glauben,

daß die Schöne mich liebte, indem sie doch nur mit mir vorlieb nahm. Wenn aber die Eifersucht ein Beweis der Liebe ist, so war

ich. ihr nicht ganz gleichgültig.

Da sie be­

merkt hatte daß ich jeden Tag zu einer ge­ wissen.Stunde den Harem verließ, so warf

sie einst einem Sclaven, der im äussern Garten arbeitete, ein Armband zu, und be­ fahl ihm, mich zu belauern.

Er folgte mir

auf jedem Tritt bis an das Haus des Freun­

des, dem ich den jungen Prinzen anvertraut

hatte, ynb wurde nun Theitnchmer meines wichtigen Geheimnisses.

In der folgenden Nacht, als ich in die

Arme der Geliebten eiten wollte, stieß sie mich mit verächtlicher Miene zurück, warf

mir den Versus meiner Mannheit vor, und

befahl mir den Sclaven herzuhohlen. war wie vom Donner gerührt.

Ich

Was sollte

2Ö0

ich thun?

Oie Thränen traten mir in die

Augen, und die unerträgliche Hitze des Zorns

brannte wie Feuer auf meinem

Gaumen.

Aber mein Leben und das Leben des jungen

Prinzen standen

in

ihrer

Gewalt.

Wie

haßte und beneidete ich den Nichtswürdigen,

vorher der Gegenstand meiner tiefsten Ver­ achtung.

Ich

biß

in

das Kopfkissen

vor

Wuth, als ich den Mann, den ich verab­

scheute, in den Armen meiner Geliebten ge­ lassen hatte.

Ich durfte meine Klagen nicht laut wer­ den lassen, Verdruß und Verzweiflung stürm­ ten auf mein Herz, und ohne Aushören flost

fen

kann

die

Gefühle beschreiben,



meine Thränen.

Bitterkeit meiner

Ach,

wer

ich jede Nacht ihre Zusammenkünfte erleich­ tern mußte.

Wenn mein Nebenbuhler er­

schien, flog die Schöne in seine Arme, und

jeder Kuß, den sie ihm gab, war ein Dolch-

s8i

stich in mein Herz.

Ich verlohr meinen

Tippetit, und die Befehle meines Herrn ach­

tete ich nicht mehr.

Meine Mitbrüder sa­

hen daS Ende meiner Favoritschaft im vor­

aus,

denn täglich beging ich irgend einen

Fehler, und bekam einen Verweis. Oft hob

ich meinen Arm um mein Leben zu endigen, aber die Hofnung hielt ihn immer zurück.

In die entlegensten Gange des Gartens zog ich mich zurück und sann auf Liebeserklä­

rungen.

Ich siel zu ihren Füßen, und sie

erkundigte sich nach meinem Nebenbuhler;

ich entstoh und lief wie ein Besessener im

Garten herum.

O ' Ihr Muselmänner, ihr

Rechtgläubigen,

wer hat euch berechtiget

eure Mitmenschen zu Werkzeugen eurer Ei­ fersucht zu erniedrigen? — Mahomet, du göttlicher Prophet, warum

hast du unser

Elend in ein System gebracht?

OaS Schwert hing indessen nur an ei-

nem Haar über unsern Scheiteln, denn ihre

Liebschaft war von einer zweyten Sultanin entdeckt, die es einer dritten wiedersagte,

und alle beide forderten zum Lohn ihrer Verschwiegenheit an den Gunstbezeugungen des Sclaven mit Theil zu nehmen.

Oie

erste mußte nun, aber nicht ohne Schmer­ zen cinwilligen.

So gingen die Sachen

lange Zeit in einem Strome fort, der auch mich mit stch sortrjß, und obgleich mein Le­ ben in beständiger Gefahr schwebte, wurde

ich doch von allen als ein wahres Unding

behandelt.

Sines Abends als ihre Scherze

ausgelassener waren wie gewöhnlich, weckte, der Lärm, dem meine Vorsicht keinen Ein­ halt thun konnte, eine vierte Sultanin, die

in einer nicht weit entfernten Kammer schlief. Diese bestand auch darauf, daß der Srlave ste lieben sollte, aber der Nichtswürdige hatte stch schon den andern zu gefallen zu

sehr erschöpft.

Umsonst bat er sie bis den

nächsten Abend zu warten.

Eie hielt dieses

für Geringschätzung ihrer Reize, ein unver« zeihtichtS Dcibrechen in einem Harem. Ihre

Klagen weckten das ganze Serail auf. Mit gezogenem Säbel, stürzte der Sultan herein,

trennte die Ä'6pfc der schönen Verbrecherin­

nen von ihren Körpern, und war eben im Begriff auch ihren Liebhaber auszuopfern,

alo der Elende stch auf die Knie warf, und sich erbot zum Lohn

Hochverrath zu

seines Lebens' einen

entdecken.

Sogleich ent­

deckte ec den Zufluchtsort deü jungen Prin­

zen, und wurde mit zwey andern Eclaven abgcschickt, : um ihn her zu schleppen.

Oie Zeit bder vielmehr die Neigung für eine anderem Sultanin,

hatte Balsam in

meine Vunden gegossen, und als ich, in TrämersHn. über die Vollkommenheiten die­

ser neuen

Schöne versunken, im Garten

284

spatzieren ging, kündigten mir die Stummen mein Schicksal an.

Oie tödtliche Schnur

war schon um meinen Hals gelegt, als die

drey tapfern Ritter,

die ich anfänglich für

die drey Srtaoen, deren Kleider sie angezo­

gen hatten, hielt, aus ihren Schlupfwinkeln

hervorsprangen, und mich aus ihren Hän­

den retteten.« Als der schwarze Verschnittene geendigt

hatte, kündigte der Donner der Kanonen

die Annäherung des prächtigen Auszugs an, und die Kriegsmusik

rief die Gesellschaft

auf den Dalkon des Schlosses.

Oer Groß­

meister bat die Ritter den Verschnittenen nicht eher aus den Augen zu lassen,

bis

sein besonderes Verdienst dem Volke bekannt

gemacht wäre,

denn so groß war der I7a-

tionalhaß gegen alle Verschnittene,

daß er

sonst Gefahr gelaufen wäre, vom Volke ge­ mißhandelt zu werden.

*85 Zuerst kamen mit der Fahne der Stadt

die Bürger van Calicut, ner von Jndostan,

und

die Einwoh­

die an dem Ruhm und

der Gefahr dieser Unternehmung als Frei­

willige Antheil genommen hatten.

brave CorpS hieß:

Dieses

die Söhne der freien

Weiber.

Darauf folgte das zweyte Edlen des ReilhS.

CorpS:

die

Ihre Schwerter waren

mit den Turbans der Muselmänner behängt,

sie ihrem Erbhaß ausgeopfert hatten.

die

Dieses großmüthige Corps trug den Manien:

die Neffen der Helden. Zunächst erschienen die Nairen, die ehr­ bare Wunden erhalten hatten. auf

Sänften,

woraus die

Sie ruhten

Turbans

Getödteten ausgebreitet waren.

der

Sie wur­

den nicht von Sclaven, ob es gleich uni den

Triumph zu verherrlichen nicht an Sclaven fehlte,

sondern von ihren eigenen Lands-

leuten getragen, die ihnen dadurch ein öf-

fentsiches Merkmal ihres Veifallö zu geben suchten.

Der junge Prinz in Tracht folgte hierauf.

seiner

persischen

Zwey von den ta­

pfern Rittern, die ihn gerettet hatten, gin­

gen neben ihm her, um den kleinen Maha­ rn etan er vor irgend einer pöbelhaften Be­ leidigung zu schützen.

Nachher wurde die große Standarte des Phönix von einem Ritter des Ordens ge­

tragen. Fünfzig Triumphwagen von milchweißen

Hengsten aus dem kaiserlichen Marstall ge­ zogen, stellten den Augen des Publikums die Schönheiten der Serails dar: Schön­

heiten, die bis jezt vor den Augen ihrer nächsten Anverwandten verborgen geblieben

waren, Schönheiten welche die Sonne noch

nie beschienen hatte.

Aber ihre Schleier

287

waren jczt heruntergerissen, und zierten die

Schwerter ihrer tapfern M'freier,

die diese

2iviypn auf persischen Pferden mitten unter

dem Zuruf einer bewundernden Menge, be­ gleiteten.

Selbst ihre Rosse sogar schienen

den Triumph ihrer Reiter zu theilen, und sich mit der Befreiung ihrer Landsmännin­ nen zu brüsten.

Oie Sprache ist nicht reich genug an Wor­ ten, und die Mahlerkunst hat keine Farben,

uns das Erstaunen und die Verwunderung auüzudrücken, die auf dem Gesicht dieser

befreiten muß

Gefangnen

in ihrer

Lage

sich zeigten.

Man

gewesen seyn,

ihre Gefühle begreifen zu können.

um

Sela-

vinnen waren sie gewesen, und nun suhlten sie sich frei und ausser der Gewalt ihrer

Tyrannen.

Das Herz einer jungen Wittwe

kann nicht freudiger schlagen. Jeder Gegenstand, den sie erblickten, war

ihnen neu und überraschend. In den Straßen

sahen sie Männer und Weiber in gemisch­ ten Haufen stehen, sie sahen das nämliche

Weib mit zwey verschiedenen Männern spre­ chen, derselbe Mann grüßte zwey verschie­

dene Weiber, und kein Dolch blitzte in den

Händen der Männer, die mit ihnen waren, um diese Beleidigung zu rächen. derbar erschien

gleich

sie schon

ihnen

Wie son­

auch Calicut,

andere

Städte

ob­

gesehen

hatten, seitdem sie über den Indus gekom­ men waren.

Wie unähnlich war Calicut

den Städten Persiens, wo die Eifersucht je­ des Fenster innerhalb des Hofes gebracht

hatte, so daß die Tyrannei jedes häuslichen Despoten auch sogar dem nächsten Nachbar

unentdeckt blieb, und der müde Reisende in

den Straßen wie durch eine Reihe Gefäng­ nisse gehet.

Aber hier in Calicut sind die

Häuser voll Fenster, die nach den Straßen

5U

»8g zu gehen, und diese Fenster voll Männer

und Weiber, die stch mit einander mit eben so wenig Zwang unterhalten,

als jene auf

den Straßen.

»O ihr Houris, n>ic beneiden

euch nicht um

die Umarmungen von denen

wir ausgeschlossen sind.'

Wir haben unser

Paradies auf der Erde gefunden.«

Dies ist ein Tag der Wunder, jeder Au­

genblick vermehrt ihr Erstaunen.

Das vere

schwenderische Gastmahl ist nun auf der Ta­

fel ausgebreitet, und der Hoffourir ladet sie ein Platz zu nehmen.

Wie reizend ist der

Gedanke, welche Neuheit in ihrer Lage, je­ des Weib sizt neben ihrem heldenmüthigen Befreier,

eine

Vertraulichkeit,

dem

Ha­

remganzunbekannt, wo die beiden Geschlech­

ter

nie

Weib

zusammen

darf stch

essen.

unterstehen

Das

schwache

sich

mit dem

Mann ihrem Herrn und

Gebieter an dem

nämlichen Tisch zu setzen.

Doch hinweg mit

Das Par. d. L. Zter Bd.

T

39* diesem unnatürlichen Titel, sie ist unter dem

Schutz der nairischen Gesetze, und ihre Rechte sind dur-ch die Tapferkeit des Phönix gesi­

chert.

Oer Zwang ist von dem Fest ent­

fernt^ und doch fühlt sie kein Bedürfniß zu. offen- dio> Wunder binden ihre Lippen, aber ihre Augen verschlingen, ihren Nachbar. Oer. belebende Ton

der Geige

ruft sie

vam Tisch hinweg zum Tanz; aber wie ver­ schieden ist dieser von den persischen Tänzen,

öfters halten diese schönen Gefangenen diese

entzückende Kunst vor ihren stolzen Gebie­ tern, geübt, jestät,

die in ihrer eingebildeten Ma­

mit ihren Pfeifen im Mund, ruhig

auf ihren Kiffen sitzen blieben.

Umsonst hat­

ten sie durch ihre verführerischen Stellung

gen das Feuer auszudrücken ches sie verzehrte.

gesucht,

wel­

Nur Eine konnte das

Schnupftuch erhalten, und der Tropfen der

ihre Flammen löschte, war Öhl in dem Feuer

291 ihrer Gefährtinnen.

Jezt war es der Tanz

der Freiheit und nicht dec (^claverei.' Es

war kein Zeichen der Huldigung mehr, wel­ ches der hochmülhige Despot sich herabließ von ihrem Geschlecht anzunehmen, und wel­

ches er selbst ju thun, als eine Herabwür­ digung seines Geschlechts würde angesehen

haben;

hier war es der Zeitvertreib beider

Geschlechter,

die einander auf gleiche Art

entgegen kamen,

alle beide strebten zu ge­

fallen, beiden war eS leicht zu gefallen, und so wurde dieses wahrscheinlich der Vorgän­

ger von fernern Vertraulichkeiten. Welches Vergnügen strahlte

aus ihren

Augen! welche Lebhaftigkeit in ihren Bewe­ gungen.' mit welcher Herzlichkeit nahmen sie

jedes Anerbieten eines neuen Tänzers an! und mit welcher Bereitwilligkeit kehrten sie

wieder zu ihrem vorigen zurück. anfangs etwas ungeschickt,

T 2

Obschon

konnte es doch

nicht fehlen daß sich ihr Tanz unter solchen

Lehrmeistern immer mehr verbesserte, und jedes Herumdrehen brachte ste der Vollkom­ menheit im Walzer naher,

den sie vorher

gar nicht gekannt hatten.

Oer junge Muselmann war erstaunt, daß

ein Mann stch so weit herablassen konnte zu tanzen, er ging im Zimmer mit stchtbabaren Zeichen der Verachtung auf und ab.

Osva näherte stch ihm zufällig, und jemand

aus

der

Gesellschaft der neugierig

gutwillig genug war,

oder

stch mit ihm in eine

Unterredung einzulassen, zeigte ste ihm als

eine kaiserliche

Prinzessin.

Abas

erschrak

heftig, und lief so geschwind er konnte aus dem Saal.

Ein Bedienter der ihm nachgeschickt wurde

höhlte ihn ein,

konnte ihn aber nicht bere­

den wieder zurück zu kommen; endlich wurde

der Verschnittene,

der in dem Gemach des

2g3 nach ihm ge­

Großmeisters geblieben war,

schickt, und mit vieler Mühe brachte er ihn

endlich in den Saal zurück. Oer Verschnittene,

man nach der

den

Ursache seinerFlucht fragte, erzählte folgen­

des.

»»Vergangenen Sommer brachten wir

die Weiber des Sultans nach dem Palast,

wo sich der Hof gewöhnlich heißen Witterung

aufhält.

während der Oie Sclaven

hatten schon das Zeichen gegeben, daß das Volk stch entfernen sollte, und wir hatten

die Favoritinnen schon

in

die Kisten

ge­

bracht, in welchen ste sollten übrr das Was­

ser geführt werden, als man AbaS an dem Ufer entdeckte, und ihn wegen seiner Sorg­

losigkeit fast zu Tode prügelte.

Seit der

Zeit hat er jedesmal bei der Annäherung

einer Prinzessin gezittert, und er vergaß, daß er im Lande der Freiheit war, als die Prin­ zessin

bei ihm vorüber ging; denn wenn

294

blos

das Unglück die Kisten gesehen zu welche die fürstlichen Beischläferin­

haben,

nen in stch schließen, eine so strenge Strafe verdient,

mit welchen Martern

Verwegenheit

muß die

desjenigen bestraft werden,

dessen Auge eine Prinzessin ohne Schleier

gesehen Hot?« Oie Gesellschaft lächelte über diese Er­

zählung, und der junge Mahometaner hatte stch noch nicht ganz wieder erhöhte, als

Osva, um seine Verlegenheit zu vermehren,

die Bosheit hatte, ihn in der Mitte des Saals zu küssen, und da Abas ein hübscher Jüngling n»nr' so folgten viele andere Oa?

men ihrem Beispiel.

Oer Tanz der indeß immer fortgegan­ gen war,

wurde jezt auf einmal durch ei­

nen Zufall unterbrochen, der aus derselben

Quelle,

nämlich aus der Unterjochung der

mahometanischen Weiber entsprang. Raida

□$5

war lange die nutzlose Zierde des Harems gewesen.

Für die Eitelkeit und

nicht für

die Glückseligkeit ihres Gebieters unterhal­ ten, war sie ihm weniger nützlich als zusam» mengehäufte Schätze einem Geizhals sind, denn dieser findet ein

Vergnügen in dem

Anblick seines Goldes, Sie im Gegentheil, unter, einer Menge Nebenbuhlerinnen über­ sehen, war niemals in seine Gegenwart ge­

rufen worden.

Sie war eine Blume in ej-

nem schön bearbeiteten Garten, verzärtelte Besitzer ging

an

aber der

ihr vorüber,

und sie schien verdammt zu seym ihren lieb tichen Geruch, unbenierkt wie die Rose in

der Wüste, auszuhauchen.

Weit entfernt

selbst glücklich zu seyn, konnte sie sich nicht

einmal schmeicheln, zu der Zufriedenheit einet andern beizutragen.

Wie unerträglich war

ihre Lage! ein Feuer brannte in ihren Adern,

und sie träumte nicht einmal,, daß es ^iqe

sg6 Macht in der Natur gäbe, die es löschen könne.

In ihrer Einfalt glaubte sie sich be­

zaubert, fand aber in einer Menge Amulet­

ten, welche (stellen aus dem Koran enthiel­

ten keine Hülfe, sie band sie an ihren Arm, sie legre sie an ihr klopfendes Herz, doch

überall keine Hülfe.

krank und wurde

Sie

fühlte sich sehr

immer schlimmer, denn

sie kannte die Ursache ihrer Krankheit nicht. In einer solchen unerträglichen Lage befand

sie sich, als die Armee der Nairen sich dem Serail näherte, die Riegel sprangen zurück und

die eisernen

gerissen.

Gitter wurden herunter

Ein Ritter des Phönix kam, sah,

und siegte; er gab ihr die Freiheit, und sie

gab ihm zur Belohnung ihren jungfräuli­ chen Schatz.

Mit einem Stab,

als der des Äfculap's, benswürdige Zauberer

mächtiger

Verbannte der lie­ ihre

Klagen,

und

jezt nun, da sie ihre vollkommene Gesund-

297 heit wieder erhalten hatte,

ihm das Vergnügen

theilte sie mit

des Tanzes.

O, wel­

che verschwenderische, welche hinreißende Ge­ fühle! war,

Vorher, wenn

sie gefährlich

krank

war es ihr blos erlaubt ihre Zunge

und ihre Hand durch ein Loch des Vorhangs dem Anblick und der Berührung ihres Arz«

tcü zu überladen,

und nun sah sie sich in

den Armen des Mannes, den sie liebte. Sie

athmete seinen Athem, und fühlte sein Herz gegen ihre Hand schlagen.

Im hcrumwal-

zen lächelt ihr Geliebter ihr bedeutend zu, in ihren Augen

stehen Thränen des Ent­

zückens, aber aus Furchtsamkeit wendet ste

ih5 Gestcht von ihm hinweg,

als auf ein­

mal der Anblick des Verschnittenen

ste zu

Boden schlägt; eS war als ob der schwarze

Enget des Todes gekommen wäre, dem Paradies zu reißen;

aus ihrem Gestcht,

ste aus

die Rothe flieht

eine todtliche Kälte be-

298 meistert sich ihres ganzen Körpers, und die

Arme des Dutterd hindern sie eben noch am

Niedersinken.

Sie wird auf ein Sofa ge­

bracht, und ihr alle Hülfe geleistet. Endlich öfnet sie ihre Augen.

"Der Verschnittene,

der Verschnittene! helft mir, rettet mich!« ruft sie aus, und klammert sich fest an ih­ ren Beschützer.

Ihr Geliebter flößt ihr bald

ihr voriges Zutrauen wieder ein, sie lächelt

über ihre Schwäche, die aus der Macht der

Gewohnheit entsprang,

und beginnt

den

Tanz von neuem.

Das Gemurmel gegen

den. Verschnittenen

unter den Zuschauern

auf der Gallerie wurde jedoch so groß, daß man es ihm zu verstehen gab, sich zurück zu

ziehen, und die Prinzessin Osva und der

Großmeister, um ihm ein öffentliches Zei­ chen ihres Beifalls zu geben, begleiteten ihn in das anstoßende Zimmer.

Großmeister. Mein lieber Freund,

ich wünschte wir

sonnten Euch einen Schutzvrr nnbieeen, wo

3br Euer Leben wenigstens in Diube zubringen könntet, denn nichts, glaube ich, kann

Euch einen glückseligen Zustand versprechen. Die Rache des Himmels wird diejenigen er­

reichen,

die

Werke des Schöpfers so

die

sehr entstellen.

Ihr

seid

unserer

Achtung

so würdig,

doch nichts

fürchte ich,

den eingewurzelten Hag meiner

Landsleute

gegen

Eure

wird

fähig

elende

seyn,

Klasse

zu

verändern. Verschnittener.

Ach sowohl hier als irgend wo anders, werde ich doch nur ein elendes Pstanzenle-

bcn führen, in England allein kann ich hof­

fen mein Leben zu genießen.

Dort würde

ich mir ein Weib kaufen, und mein Leben zum

Entzweck ihrer Glückseligkeit machen.

3oo Ihr Harem sollte eine goldene Decke haben, und sie sollte auf prächtigen Teppichen ge­ hen.

Oie Würmer von OamascuS sollten

ihr die

Seide zu

ihren Kleidern

spinnen,

Perlen aus Arabien sollten ihren Hals zie­

ren, und Juwelen von Golconda ihre Oh­ ren schmücken.

Sie sollte sich in Essenzen

von Rosen baden, und der feinste Reis ihr

Nahrung

geben.

Eclavinnen

sollten

vor

ihr tanzen, um ste zu belustigen oder sie in den Schlaf zu fingen.

Mein ganzes Ver­

mögen

(denn ich

habe einige Schätze

spart)

wollte ich

für ihr Vergnügen auf­

opfern.

ge­

O, wie glücklich würde ich mit ei­

ner Engländerin seyn! sie strafen,

niemals

sie

Niemals würde ich im

Finstern ein

schließen, nie ihr verbieten ihre besten Klei­

der anzulegen, und nie sie ohne Abendbrod

zu Bette schicken.

3oi

Osva. Meine Landsmänninnen müssen Euch für so eine gute Behandlung ausserordentlich ver«

Vielleicht wißt Ihr nicht, daß

bunden seyn.

ich in England gebohren bin. Verschnittener.

In England?— O, saget mir doch, wie

weit ist England von hier? wie viel Tage­ reisen hat man zu machen?

Osva. England ist eine Insel. Verschnittener.

Wohl denn; in wie viel Tagen würde ich mit einem Kameel dort ankommen? Osva. Ich

sage

Euch ja,

England ist eine

Insel. Verschnittener.

Nun

denn,

braucht man?

wie viel Tage - Märsche

Osva. Man muß zu 2öaffcr gehen.

Verschnittener. Aber ich hasse das Wasser.

Ich würde

das Reifen zu Lande vorziehen, und wenn ich auch noch so einen weiten Umweg ma­ chen sollte.

Osva lächelte und dachte wie unwissend

eine Ration seyn müsse,

wo die Erziehung

der vornehmsten Leute der Sorge der Ver­ schnittenen anvertraur wird,

und der Ver­

schnittene murmelte zwischen

den Zähnen:

»Ee

ist doch seltsam, daß ein Weib auch

auf die einfachste Frage, niemals eine be­

stimmte Antwort geben kann.

Für Osva war der sonderbare Vorzug, den

der Verschnittene England

fremdend,

und

gab,

be­

ihre Neugierde verleitete

sie das Gespräch wieder anzuknüpfen.

3o3

Osva.

Da Ihr gesonnen seid England zu besu­ chen , so können Euch meine Empfehlungen

dahin von einigem Nutzen seyn.

Habt Ihr

Freunde dort? oder seid Ihr mit einem Engländer bekannt?

Verschnittener. Ich habe keinen Freund dort, denn ich

habe nie einen Engländer gesehn, aber eine Engländerin ist mir bekannt, und wenn die Weiber ihres Landes alle ihr gleichen, so werde ich nie so lange als ich athme wün­

schen, England zu verlassen.

Aber pe ist.

nicht in England, und wird auch wahrschein­

lich niemals wieder dahin kommen. Osva.

Wo ist pe denn?

Verschnitten er. Zu Candahar in dem Serail des Sul­

tans.

Höret meiner traurigen Erzählung

3o4

zu.

Euer Blick ist der Blick des Mitleides,

Eure Stimme kündigt

an.

ein

fühlend

Herz

Ihr seid die Landsmännin meiner Ge­

liebten,

und werdet auch Gefühl für die

Leiden eines Verschnittenen haben.

Dor einigen Monaten kaufte der Scla-

venhändler unsers Harems eine Englände­ rin, und ich erhielt den Befehl, stc ins Dad

zu bringen,

und sie zu meines Herrn Um­

armungen vorzubereiten.

Cie schien in ei­

nem Zustand von Unempfindlichkeit zu seyn, ihre Augen, worin tiefe Cchwermuth saß,

waren entweder auf den Boden geheftet, oder fie betrachtete die Gegenstände um fich

herum,

ohne auf etwas Acht zu

haben.

Sie öfnete nie ihre Lippen, und ohne Zu­ friedenheit oder Abneigung blicken zu lassen,

erlaubte fie mir fie mit wohlriechenden Was­

sern zu waschen,

und

fie

nach Belieben

zu kleiden.

Wenn

3o5 Wenn ihre Gefühllosigkeit, dachte ich, sich

nicht von den Strapazen einer langen Ta­ gereise herschreibt, welche sie durch Wüsten

und über Berge in einem engen Käficht ein­ geschlossen, und auf dem Rücken eines Ka-

nieels befestigt, gemacht hat, so ist sie das

trägste, dümmste und uninteressanteste Ge­

schöpf auf der Welt. Ein Sclave kam und meldete mir, daß der Sultan seine Mahlzeit geendigt habe,

und

iiyn

die neu Angekommene in seinem

Schlafzimmer erwarte. Ich unterrichtete sie

von seinen erhabenen Befehlen, sie erwachte

aus ihrer

Schlafsucht.

Ihre- Gesichtszüge

wurden von einem neuen Ausdruck belebt;

Rache und Wuth brannten in ihren Augen

und hoben ihren Busen.

Sie brach in eine

Fluth von Thränen aus, und wollte schlech­ terdings nicht vom Fleck gehen.

In diesem

Augenblick fand ich sie sehr anziehend, und bemerkte, daß sie ein schönes Weib war. Mein

.Herr, ungeduldig über diesen ungewöhnlichen Verzug, stürmte in das Zimmer, und wollte

Das Par. d. £. 3r 45 b-

U

do6

sie in seine Arme schließen. Mit Verachtung stieß

sie ihn

zurück,

und fing an unsern

großen Propheten und seine heiligen Gesetze

zu lästern, sie riß ein Halsband von Perlen,

mit dem ich sie vorher geziert hatte von ih­ und warf es ihm ins Gesicht.

rem Hals,

DNein Herr floh aus dem Zimmer,

als ob

er vor einer Wahnsinnigen flöhe. Er kehrre endlich zurück und fand sie ru-

Sie warf sich ihm zu Füßen,

Higer.

und

bat ihn mit Thränen in den Augen, ihrer Ehre und Tugend zu schonen, damit meinte

sie aber, wie ich nachher erfuhr, ihrerKeuschheit;

vielleicht ist die Keuschheit eine Tu­

gend in England,

ob sie gleich von dem

Propheten durchaus verboten ist, Weib

ohne

Früchte.

Kinder

Ich

ist

ein

denn ein

Baum

will Euch hier

ohne

nicht eine

umständliche Beschreibung seines Ungestüms

und seiner Heftigkeit,

so wie ihrer Leiden

und ihres Wiederstandes machen.

Wahrend

einiger Monate konnten weder Drohungen noch Bitren, weder Harte noch Geschenke,

3ö7 noch jede Aufmerksamkeit, die ihrer Eitelkeit

schmeicheln mochte,

und eben so wenig die

Schrecken des Gefängnisses bei Brod und

Wasser, einige Änderung in ihrer Abneigung gegen meinen Herrn hervorbringen. Brauchte er Gewalt, so vermehrten |7d) nach der Hitze

Eie ge

seiner Angriffe auch ihre Jträfte.

ihrer Vertheidigung ihre Jtdgcf,

brauchte

die öfters in Anfällen ihres Wahnsinns ih'

rer eignen Schönheit, der Quelle ihrer Ver­ folgungen

gefährlich

die Sclaven,

wurden,

und selbst

welche mehr als einmal

seinem Beistand gerufen wurden, waren ge­

nöthigt von ihrem Unternehmen abzuftehn.

Einst war sie in ein dunkles Zimmer ein­

geschloffen,

und der Echlüffel

meiner Sorgfalt anvertraut.

davon war

Als ich ihr ei­

nes Morgens ihre tägliche Speise brachte,

fing sie ein Gespräch mit mir an.

Sie be­

trug sich sehr artig gegen mich, und in Ge­ genwart meines Herrn war fie der Teufet

selbst.

Mit einem Wort, fie versprach mich

flu hcirathen, wenn ich sie aus dem Harem

3o8 befreien könnte, und obschon sie mir nicht die geringste Freiheit erlaubte, und mich nicht

einmal ihre Hand küssen ließ, so ist sie doch

das einz.ge Weib, das mich in meinem Le-

ben einem Manne vorgezogen hat. Wie ost war mein Herr genöthigt, in seinen Versuchen gegen diese widerspänstige

Engländerin getäuscht, seinen Kummer in den Armen einer gutwilligen Sultanin zu begraben, und doch versprach mir diese Eng­ länderin mich zu Heimchen.

Ich nahm mir vor, mich selbst aus den nächsten Markt zu begeben, und dort zu

meines Herrn Gebrauch einige Sclavinnen einzukausen, deren ausserordentliche Schön­

heit und Vollkommenheiten die Englände­ rin auS seinen Gedanken vertreiben sollten.

(£r sollte dann ihre Abneigung mit Kälte er­ wiedern, und da er mir ost schon meine Freiheit und eine Sclavin zur Heirath ver­ sprochen hatte, so wollte ich ihn zur Delohi nung meiner vieljährigen Dienste um die Engländerin bitten.

Dies war der Plan

Moderato.

—trFw I - d • ■R- r-————

Paradies der Liebe zr Theil.

3og meiner Liebe, und war eben der Gegenstand

meiner Träumereien in derselben Nacht, als der elende Sclave mich seiner eigenen Si­ cherheit aufopferte.«

Oer schwarze Verschnittene schwieg, und da auch in demselben Augenblick die Musik in dem Ballsaal aufhorte, wünschte ihm

Osva eine gute Nacht und begab sich in ihr Schlafzimmer. Ihre Kammerfrauen hatten die Prinzes­

sin verlassen, sie warf sich auf ihr Lager, und dachte dem traurigen Schicksal der un­

glücklichen Engländerin nach. Stille der Mitternacht.

Es war die

Plötzlich hörte sie

die Töne einer Harfe, welche von der Stimme

einer Hofdame, die ein angrenzendes Zim­

mer bewohnte, auf folgende Art begleitet wurden.

Weiber mit dem grünen Gürtel, Ihr, die kein verhaßter Zwang, Fesselt an entnervte Krieger., Ihr, der schönste Lohn der Sieger,

Weiber, horchet dem Gesang.

3io Mirva, stolz on Wuchs und Sitten

Pranget, Kalicutta s Ruhm, Schöner wenn zu ihren Füßen

Goldne Locken wallend stießen, In der Liebe Hciligthum.

Maldor, wenn die Schlacht erfochten. Eilt in der Geliebten Arm; Ruht, dos edle Haupt umschlungen

Mit dem Lorbeer, erst errungen, Ihr am Busen tiebewarm.

Doch was naht im Kriegsgetümmel?

'S ist der Feind von Candahar.

Hat des Indus Flut durchfahren, Uud des Persers stolze Schaaren

Rücken schon gen Malabar.

Rüsten gegen diese Feinde Muß sich jeder Mutter Sohn; Feige Muselmänner bebet.

Wenn der Phönix dräuend schwebet Bei der Kriegstrommete Ton.

Stei von häuslich enger Sorge Und zum Kumpfe stets bereit.

Kann der Jüngling ohne Zagen Srch ins Feld des Todes wagen,

Zu dem blutig heißen Streit.

Keck mit freier Brust versuchet Der Nair der 2L< affen Glück; Denn es hält ihn bei Den Seinen Nicht der zarten Kinder Weinen, Nicht Der Gattin Arm zurück.

Und geordnet stehn die Heere,

Fordern laut der Schlacht Beginn: Da ruft Aigrof, kühn im Kriege:

»Führt uns Maldor nicht zum Siege? »Wo ist Maldor DKarforin *)?

Und er eilet hin, wo Maldor

Fern vom Schauplatz der Gefahr,

Ruht in süßer Diebe Träumen. »Seh ich recht! hier kannst du säumen? » Du, der Stolz von Malabar?

*) Ntaldor n>ar bet